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Full text of "Kirchengeschichte Deutschlands"

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KIROHENGESCHICHTB  DEUTSCHLANDS. 


ZWEITER  TEIL. 


^5  KIRCHENGESCHICHTE 


DEUTSCHLANDS 


VON 


Dr.  albert   HAUCK 

PROFESSOR  IN  LEIPZIG 


ZWEITER  TEIL 


ZWEITE  AUFLAaE 


LEIPZIG 

J.  C.  HINRICHS'SCHE  BUCHHANDLUNG 

1900 


Inhaltsverzeichnis. 


Yiertes  Buch. 

Die  fränkische  Kirche  als  Eeichskirche. 

Erstes  Kapitel.  Seite 

Die  Kirche  unter  König  Pippin 

Pippins  Persönlichkeit  S.  3.  Sein  Verhältnis  zum  Papsttum 
S.  8.  Entthronung  der  Merowinger  S.  12.  Rom  und  die  Lango- 
barden S.  14.  Stephan  IL  sucht  die  Hilfe  Pippins  S.  18. 
Pippins  Versprechen  S.  21.  Italienische  Feldzüge,  die  Pippi- 
nische  Schenkung  S.  27.  Papst  und  König  im  Kirchenstaat 
S  29  Pippin  als  Leiter  der  fränkischen  Kirche  S.  33:  die 
fränkischen  Synoden  S.  35,  das  Kirchengut  S.  43,  Besetzung 
der  Bistümer  S.  44,  Chrodegang  Erzbischof  S.  52.  Der  Epis- 
kopat und  das  Mönchtum  S.  56.  Chrodegangs  Regel  S.  62. 
Pippins  Tod  S.  68. 

Zweites  Kapitel. 

Karl  d.  Gr.   und  die  Päpste 

Tod  Pauls  I.  S.  70.  Erhebung  Konstantins  S.  70,  sein  Sturz 
S  72  Wahl  Stephans  III.  Das  fränkische  Bündnis  durch  diese 
Beweaun-en  nicht  erschüttert  S.  73.  Karl  und  Karlmann 
halten  an  der  Verbindung  mit  Rom  fest  S.  74,  suchen  jedoch 
zugleich  eine  Verständigung  mit  den  Langobarden  S.  76.  Wider- 
spruch Stephans  III.  hiegegen  S.  76.  Änderung  der  fran- 
kischen und  der  päpstlichen  Politik,  S.  78.  Stephans  Tod 
^  81  Hadrian  I.  von  der  fränkischen  Partei  gewählt  S.  81. 
Bruch  mit  Desiderius  S.  82.  Eingreifen  Karls  S.  82.  Erneue- 
rung des  pippinischen  Versprechens  S.  84.  Umbildung  des 
Patriciats  zur  Herrschaft  S.  85.  Tod  Hadrians  S.  95.    Erhebung 


69 


—     VI     — 

Seite 
Leos   III.    S.    96,    Empörung  gegen   ihn    S.   97.     Karl,   Richter 
über  den  Papst  S.  99.     Die  Kaiserkrönung   S.  104.     Kaisertum 
und  Papsttum  S.   109. 

Dritte.s  Kapitel. 

Theologie  und  Litteratur 120 

Karls  Interesse  an  der  litterarischen  Kultur  S.  120.  Berufung 
fremder  Gelehrter:  die  Angelsachsen  Beonrad  S.  123,  Alkuin 
S.  123,  und  seine  Schüler  S.  14:5;  die  Iroschotten  .Tosephus 
Scottus  S.  Ihi,  Dungal  S.  154;  die  Langobarden  Petrus  von 
Pisa  S.  155,  Paulinus  S.  156,  Fardulf  S.  157,  Paulus  Diakonus 
S.  158,  der  Gote  Theodulf  S.  164.  Das  Schulwesen  im  frän- 
kischen Reich  vor  der  Berufung  der  Fremden  S.  168.  Ein- 
heimische Vertreter  höherer  Bildung:  Adalhard  S.  172,  Angil- 
bert  S.  174,  Einhard  S.  176,  Amalarius  S.  180.  Gehalt  der 
neuen  Bildung  S.  182.  Förderung  des  Schulwesens  S.  185. 
Folge  für  die  deutsche  Sprache  S.  190.  Übersetzungen  S.  192. 
Der  Erfolg,  Hebung  des  Bildungsdurchschnitts  S.  192. 

Viertes  Kapitel. 

KarlskirchlichesRegiment 200 

Die  Verfassungsverhältnisse  im  allgemeinen  umgeändert,  aber 
die  Verwaltung  geordnet:  Ernennung  der  Bischöfe  S.  200, 
Gerichtsstand  des  Klerus  S.  204,  Metropolitanverfassung  S.  205, 
Synodalwesen  S.  209,  das  Kirchengut  S.  211,  die  Eigenkirchen 
S.  226,  das  Ehewesen  S.  227.  Beschränkte  Geltung  des  kano- 
nischen Rechts  S.  228.  Ziele  und  Erfolge  der  kirchlichen 
Verwaltung  Karls  in  Bezug  auf  die  Stellung  des  Epi.skopats 
S.  230,  die  Thätigkeit  des  geistlichen  Standes  S.  237,  und  die 
Zustände  in  den  Gemeinden  S.  270. 

Fünftes  Kapitel. 
L  e  h  r  V  c  r  h  a  n  d  1  u  n  g  e  n 282 

1.  Der  adoptianischo  Streit.  Lage  der  spanischen  Kirche  S.  282. 
Migotius  S.  283.  P^gila  S.  284.  Gegen  beide  Elipandus  S.  286. 
Dessen  Porsönlichkeit  S.  286.  Sein  Adoptianismus  S.  288. 
Gegen  ihn  Bcatns  und  Hoterius  S.  290.  P'ür  ihn  Felix  von 
Urgel  S.  293.  Synoden  zu  Regensburg  S.  295  und  Frankfurt 
S.  297.  Der  litterarische  Streit  S.  300.  Verhandlung  zu 
Aachen  i.  J.  800  S.  304.  Felix'  Tod  S.  305.  Fortgang  der 
littorarisrhen   Fehde  S.  306. 

2.  Der  Bildorstreit.  Synode  zu  Konstantinopel  i.  J.  754  S.  308. 
Parteinahme  der  Päpste  und  der  fränkischen  Kirche  S.  308. 
Die  2.  nicänische  Synode  S.  310.  Widerspruch  Karls  d.  Gr. 
S.  312.  Die  Karolinischen  Bücher  S.  316.  Erklärung  der  eng- 
lischen Kirche  S.  322.     Hadrian  soll  der  Verworfung  der  nirä- 


—     VII     — 

Seite 
nischwi  Beschlüsse  zustimmen  S.  324.     Er  weigert  sich  S.  326. 
Synode  zu  Frankfurt  i.  J.  794  S.  329. 

3.  Über  den  Ausgang  des  h.  Geistes.  Die  Frage  während  des 
Bilderstreits  berührt.  Synode  von  Cividale  S.  381.  Streit  in 
Palästina  S.  333.  Leo  III.  und  die  fränkischen  Theologen 
S.  334.  Synode  zu  Aachen  i.  J.  809  S.  335.  Leo  verweigert 
seine  Zustimmung  zur  Anerkennung  der  veränderten  Formel 
S.  336.     Sie  bleibt  gleichwohl  in  Übung  S.  337. 

Sechstes  Kapitel. 

Ausbreitung  der  Kirche 338 

1.  Die  Slawen  im  Reichsgebiet,  besonders  die  Main-  und  Red- 
nitzwenden  S.  339. 

2.  Die  Friesen  S.  343,  Thätigkeit  Gregors  von  Utrecht  S.  344, 
Willehads  S.  350,  Alberichs  S.  352,  Liudgers  S.  354.  Das  frie- 
sische Gesetz  S.  357. 

3.  Die  Sachsen  S.  360.  Die  Lage  der  Dinge  vor  Karl  S.  364. 
Karls  Sachsenkriege  v.  772 — 776  S.  370.  Beginn  der  Missions- 
arbeit S.  375.  Kämpfe  v.  778—785  S.  380.  Die  Capitulatio 
de  partibus  Saxoniae  S.  386,  die  Bistümer  Bremen,  Verden  u. 
Minden  S.  388,  Missionsarbeit  S.  39L  Letzte  Kämpfe  792—804 
S.  400.  Fortsetzung  der  Gesetzgebung  und  der  Organisation 
S.  403.     Die  ersten  Klöster  S.  412. 

Siebentes  Kapitel. 
Baiern  und  der  Südosten 414 

1.  Herzog  Tassilo  S.  414.  Der  Episkopat  S.  417.  Kirchen 
S.  429  und  Klöster  S.  431.  Die  Synoden  S.  437.  Empörung 
und  Absetzung  Tassilos  S.  443.  Einfügung  der  bairischen 
Kirche  in  die  Reichskirche  S.  447. 

2.  Die  Slawen  in  den  Ostalpen  S.  454.  Beginn  der  Missions- 
thätigkeit  S.  457.  Der  Avarenkrieg  S.  460.  Fortführung  der 
Mission  und  Teilung  des  Missionsgebiets  S.  461. 


Fünftes  Buch. 

Auflösung  der  Reichskirche. 

Erstes  Kapitel. 
Die  Erhebung  des  Papsttums  über  die  weltliche  Macht     .       475 
Ludwig  d.  Fr.  S.  475.    Schwächung  der  kaiserlichen  Macht  in 
Rom  S.  478.     Minderung    des    kaiserlichen  Einflusses    auf   die 
Kirche   S.    486.     Beginnende    Parteibildung    unter    dem    frän- 
kischen   Episkopat    S.    490.     Eingreifen    Gregors    IV.    in    den 


—     VIII     — 

Seite 
Streit  Ludwij^'s  mit  seinon  Söhnen  S.  500.  Die  Erniedrigung 
ilc8  Kaisers  und  die  Rückwirkung  dieser  Vorgänge  auf  die 
Stellung  von  Papst  und  Kaiser  S.  504.  Die  Teilung  des  Reichs 
und  der  fortgesetzte  Rückgang  der  kaiserlichen  Macht  in  Rom 
und  in  der  Kirche  S.  510.  Die  Befreiung  der  Kirche  und  des 
Episkopats  als  Parteiprogramm  im  Reiche  S.  522.  Die  Befrei- 
ung der  Kirche  und  die  Erhebung  des  F'apsttums  über  die 
weltliche  Macht  als  Regierungsziel  Nikolaus'  I.  S.  533.  De- 
mütigung Lothars  1 1.  S.  545.  Der  Ertrag  von  Nikolaus'  Thätig- 
keit  S.  557. 

Zweites  Kapitel. 

Das  Mönchtum 552 

Karl  d.  Gr.  und  das  Mönchtum  S.  565.  Lebhaftere  Teilnahme 
Ludwigs  für  dasselbe  S.  575.  Benedikt  von  Aniane  S.  575. 
Aachener  Reform  S.  582.  Kanonische  Regel  S.  585.  Schwierig- 
keiten und  Erfolge  der  Reform  S.  587,  kein  dauernder  Auf- 
schwung S.  596.    Ausbreitung  des  Mönchtums  in  Sachsen  S.  600. 

Drittes  Kapitel. 

Die  litterarische  Bewegung  seit  dem  Todo  Karls  d.  Gr.  .  604 
Der  anregende  Einfluss  des  Hofes  hört  auf  S.  604.  Auseinander- 
treten Frankreichs  und  Deutschlands  S.  607.  Lage  des  ünter- 
richtswesens  in  Deutschland  S.  608.  Die  Theologen:  Hraban 
S.  620,  Smaragdus  S.  641,  Amalarius  S.  644,  Bruun  S.  646, 
Gottschalk  S.  649,  Walahfrid  S.  654,  Rudolf  S.  658.  Meginhart 
S.  659,  Ermenrich  S.  660,  die  St.  Galler  S.  661,  die  Prümer 
S.  663 ,  sächsische  Schriftsteller  S.  664.  Hymnen  und  Se- 
quenzen S.  664. 

Viertes  Kapitel. 

Missionsunternehmungen 668 

1.  Nordische  Mission.  Ludwigs  d.  Fr.  Pläne  S.  669.  Ebo  von 
Rheims  S.  670.  Anskar  S.  673.  Das  Erzbistum  Hamburg  und 
die  Vollendung  der  kirchl.  Organisation  Sachsens  S.  675. 
Mission  in  Schweden  und  Dänemark  S.  678.  Verbindung 
Hamburgs  mit  Bremen  S.  680.     Aufhören   der  Mission  S.  686. 

2.  Südöstliche  Mission.  Günstige  Lage  S.  688,  Priwina  S.  690, 
die  Bulgaren  S.  692,  die  Mähren  S.  693.  Konstantin  und 
Method  S.  698. 

Fünftes  Kapitel. 

ErgebniBse.  705 

Kein  Unglaube  S.  7U5.  Hebung  der  Durchschnittasittlichkeit 
S.  706.  Die  fördernden  Einwirkungen  der  Kirche,  vermittelt 
durch  den  Episkopat  und  die  Synoden  S.  708,  besonders  durch 
die    Pfarrer    S.    714:    Predigt   S.   723,    Beichte    S.  727,    Send- 


Seite 


—     IX     — 

gerichtwS.  733.  Die  Frömmigkeit  S.  737,  Glaube  und  Aber- 
glaube S.  740,  Wundersucht  S.  744,  Heiligen-  und  Reliquien- 
verelirung  S.  745,  Benediktionen  S.  754.  Heidnische  Vorstel- 
lungen und  Gebräuche  S.  757.  Sündenbewusstsein  S.  763, 
Gedanke  an  Tod  und  Gericht  S.  766,  menschliche  Leistungen 
S.  767,  die  Person  Christi  S.  768. 

Beilagen: 

I.  Bischofslisten 783 

n.  Klösterverzeichnis 796 

UI.  Litteraturübersicht 811 

Register 820 


Berichtigungen. 

3.     Traube  erklärt  die  fragliche  Stelle  für  Interpolation  (Abh. 
der  Müncbener  Akademie  XXI  S.  639). 

V.  u.  lies  Stiftsbibliothek  statt  Stadtbibliothek. 

V.  u.     ,,     Mondsee  statt  Monsee. 

V.  u.     ,,     Ragnebert  statt  Regnebert. 

V.  u.     „     Grassmann  statt  Grossmann. 
428  Anm.  2.     Die  letzten  drei  Zeilen    dieser  Anmerkung   sind  versetzt; 

sie  gehören  zu  Anm.  5. 
574  Z.     4  V.  u.  lies  827  statt  877. 
591    ,,      1  V.  u.     „     decerpsi  statt  descripsi. 
616   „     3  V.  u.  füge  ein  S.  115  fiF. 
622   ,,    19  V.  u.  lies  genere  statt  genera. 


164 

Anm. 

169 

Z.  15 

192 

„   7 

233 

„   1 

417 

„  22 

% 


Viertes  Buch. 


Die  fränkische  Kirche  als  Reichskirche. 


Hauck,  Kirchengeschichte.    11.    2.  Aufl. 


Erstes  Kapitel. 

Die  Kirche  unter  König  Pippin. 


Nicht  immer  ^-ird  eine  Stelle  in  der  Welt  leer,  wenn  ein 
bedeutender  Mann  abgerufen  wird. 

Als  Bonifatius  den  Tod  eines  Missionars  erlitt,  war  er  nicbt 
mehr  der  leitende  Träger  der  Eefonngedanken  für  die  fränkische 
Kirche.  Die  Zügel  lagen  schon  in  einer  anderen  Hand.  In  den 
kii'chüchen  Dingen  nicht  minder  als  in  den  pohtischen  war  Pippin 
der  Herrscher  des  Frankenreichs.  ^) 

Pippin  gehört  zu  den  INIännern,  welchen  das  Gedächtnis  der 
Nachwelt  nicht  ganz  gerecht  geworden  ist.  Durch  den  glänzen- 
deren Ruhm  seines  glückhchen  Sohnes  wuixle  sein  Name  verdunkelt. 
Und  doch  ist  er  in  der  langen  Reihe  der  Nachkommen  Arnulfs 
von  Metz  der  einzige,  der,  neben  Karl  gestellt,  ihm  als  ebenbintig 
erscheint,  mag  man  auf  das  bhcken,  was  er  war,  oder  auf  das,  was 
er  leistete.  Wir  vergegenwärtigen  uns  seine  Persönlichkeit.  Pippin 
war  ein  Schüler  der  Mönche.  Gleich  seinem  Bnider  Karlraann 
erhielt  er  die  erste  Bildung  in  St.  Denis.-)  Aber  zum  Mönch 
war  er  nicht  bestimmt  und  mönchisch  ist  er  nicht  geworden. 
Frühzeitig  machte   denn  auch   der  Unterricht  in  der  Klosterschiüe 


1)  Über  Pippin  bandeln:  Habn,  JB.  des  fränkiscben  Reichs  741—752, 
Lpz.  1863;  Ölsner,  JB.  des  fränk.  Reichs  unter  König  Pippin,  Lpz.  1871; 
Müblbacber,  Deutsche  Geschichte  unter  den  Karolingern,  Stuttg.  1896; 
Lamprecht,  Deutscbe  Geschichte,  2.  Bd.  2.  Aufl.,  Berlin  1895;  Wej^l,  Die  Be- 
ziehungen des  Papsttums  z.  fränk.  Staats-  u.  Kircbenrecbt  unter  den  Karo- 
lingern, Breslau  1892. 

2)  Vgl.  Bd.  I,  2.  Aufl.  S.  501. 


—     4     — 

ik'iii  Leben  am  Hot'  und  im  Fi'ldlagei-  Platz,  l'nd  doch  wirkten 
d'w  ei-sten  Eindrücke  bei  ihm  nicht  minder  hinge  nach  als  bei 
seinem  älteren  Bruder:  widucnd  Karl  Maitell  ein  rein  pohtischer 
Charakter  war,  ist  das  bei  keinem  seiner  beiden  Söhne  der  Fall; 
in  ihren  Augen  hatten  die  Kirche  und  d'io  kirchlichen  Interessen 
selbstständiges  Recht.  Wenn  sie  alsbald  nach  dem  Tode  Karls 
seine  kirchliche  Politik  verliessen,  ^)  so  war  hiebei  Karlmann  der 
führende;  Pippin  folgte  in  der  Gesamthaltung  wie  in  einzelnen 
Massregeln  dem  von  ihm  gegebenen  Beispiel.  That  er  das  auch 
mit  einer  gcAnsseii  Selbstständigkeit,  so  ist  doch  unverkennbar,  dass 
das  Vorbild  des  Bniders  massgebend  war.  Überhaupt  schloss  er 
sich  enge  an  ihn  an:  Personen,  die  jenem  nahe  standen,  hielt  auch 
er  hoch,  Massregeln,  die  jeuer  begann,  führte  er  fort.  Sein  Ver- 
hältnis zu  Bonilätius  ist  wie  von  Karlmann  ererbt;-)  nicht  minder 
erscheint  die  Ausstattung  des  Bistums  Würzburg  als  gemeinsames 
Werk  der  beiden  Brüder.  Karlmann  hatte  alsbald  nach  Antritt 
der  HeiTschaft  auf  das  freigebigste  fiii-  das  neugegründete  Bistum 
gesorgt.  Er  übertrug  ihm  fünfiuidzwanzig  Kirchen  im  mittleren 
Deutschland  zwischen  Rhein  und  Regnitz,  Neckar  und  Thü- 
ringer AVald,  dazu  das  Marienkloster  in  Karlsburg.  =^)  Ausserdem 
erhielt  es  Anteil  an  den  Strafgeldern')  und  Abgaben   der  ostü-än- 


1)  Vgl.  Bd.  T  S.  502  ff.  u.  ö25  ff. 

2)  Vgl.  Bd.  I  S.  .025  ff.  und  das  Urteil  über  den  Toten  in  der  Urkunde 
über  die  Schenkung  Deiningens  an  Fulda  (B.M.  88):  Quem  (das  Kloster) 
.sanctus  Bonifacius  novo  construxit  opere,  ubi  ipse  praeciosus  martyr  corpore 
requiescit.     Auch  Lioba  schätzte  er.     V.  Leob.  18  M.G.  Scr.  XV  S.  129. 

3)  Urk.  Ludwigs  d.  Fr.  vom  19.  Dez.  822  (B.M.  743).  Die  Kirchen 
sind:  1.  die  Marienkirche  in  Würzburg;  2.  im  Wormsgau:  Marienkirche  in 
Nierstein,  Remigiuskirche  in  Ingelheim,  Martinskirche  in  Kreuznach;  8.  im 
Mainpau:  Peterskirebe  in  Umstadt;  4.  im  Neckargau:  Martinskirchc  in 
Lauffen,  Michaelskirche  in  Heilbronn:  5.  im  Gau  "Wingarteiba:  Martin.s- 
kirche  in  Burchoim;  0.  im  Mulachgau:  Martinskirohe  in  der  Stochaml)urg 
(Stökenburg  bei  Schw.-Hall);  7.  im  Taubergau:  Martinskirche  zu  Künigs- 
hofen,  Martinskirche  zu  Schwaigern;  8.  im  Rangau:  Martinskirche  in  Winds- 
heira:  9.  im  Gollachgau:  .Tohanniskirche  in  Gollhofen;  10.  im  Itfgau:  Mar- 
tinskirche in  Willandsheim,  Remigiuskirche  in  Dornheim,  Andreaskirche  in 
Kinhheim,  .lohanniskirche  in  Ipphofen;  11.  im  Gau  Volkfcld:  .Tohannis- 
kirche in  Herlhoim;  12.  im  Badanachgau:  Martinskircho  in  (4aukönig.''hofen, 
Remigiuskirche  in  Sonderhofen;  13.  im  Grabfeld:  Martinskirche  in  Essfeld, 
Peterskirche  in  Königshofen,  Martinskirche  in  Brend,  Martinskirche  in  Mei- 
richstadt; 14.  im  Salagau:  Martinskirche  in  Hammelburg. 

4)  In  der  angeführten  Urk.:  Necnon  et  de  jtagensium  uel  heribannis 
perpetuo  par^  '^•' ■  l"Hiae  per  easdem  largitiones  posaideret.  Vgl.  Waitz,  VG. 
IV,  S.  506. 


—     5     — 

kischen  Gaue  ^)  und'  den  Zehnten  von  sechsundzwanzig  Königshöfen 
in  Ostfranken,  im  Worms-  und  Maingau.-)  Pippin  fügte  ansehn- 
lichen Grundbesitz  hinzu,  ^)  den  er  mit  der  Immunität  ausstattete.  •*) 
Das  ostfränkische  Bistum  wurde  eine  der  reichsten  Stiftungen 
Deutschlands. 

Aber  neben  dieser  Gleichheit  der  Anschauungen  und  Ten- 
denzen tritt  doch  die  Verscliiedenheit  des  Temperaments  der  beiden 
Brüder  überall  an  den  Tag. 

Die  Freude  au  der  Macht,  welche  dem  Geschlecht  Arnulfs 
von  Metz  eignete,  besass  Pippin  in  höherem  Masse  als  Karlmann. 
Während  dieser  auf  seine  grosse  Stellung  in  der  Welt  verzichtete, 
um  den  Frieden  der  Seele  hinter  Klostermauern  zu  suchen,  griff 
jener  nach  dem  goldenen  Keif:  er  hat  ihn  manches  Jahr  getragen, 
ohne  dadurch  gedrückt  zu  werden.  Und  er  wollte  nicht  nur 
heiTschen;  er  w^ollte  allein  heiTschen :  die  oberste  Gewalt  mit  einem 
Zweiten  teilen,  dieser  Gedanke  war  ihm  unerträglich.  Wie  er 
seinen  König  entthronte,  um  selbst  König  zu  sein,  so  versagte  er 
seinem  Neffen  Drogo  den  Reichsteil,  w^elcher  ihm  von  Beclitswegen 

1)  Urk.  Arnulfs  vom  1.  Dez.  889  (M.  B.  28,  2  S.  98):  Qualiter  ipsi 
(Pippin  und  Karlmann)  .  .  .  decimam  tributi  quae  de  partibus  orientalium 
franchorum  uel  de  sclauis  ad  fiscum  dominicum  annuatim  persolueve  sole- 
bant,  quae  secundum  ülorum  linguam  steora  uel  ostarstuopha  uocatur  ut  de 
illo  tributo  siue  reditu  annis  singulis  pars  decima  ad  predictum  locum  per- 
solueretur  siue  in  melle  siue  in  paltenis  seu  in  alia  qualibet  redibitione. 
Über  die  ostfränkischen  Gaue  s.  Stein,  Gesch.  Frankens  I  S.  43  fi.,  über 
Ostarstuopha  Zöpfl,  Altertümer  des  deutschen  Reichs  und  Rechts  II  (1860) 
S.  63:  ^Stuapha,  Stauf,  ist  so  viel  wie  Becher,  und  dient  dieses  Wort  zur 
Bezeichnung  eines  gewissen  Masses,  sowohl  für  Getreide  als  für  Getränke. 
Es  ist  daher  unter  Ostarstuopha  eine  um  die  Osterzeit  zu  entrichtende 
Korngült  (Naturalprästation)  zu  verstehen."  Vgl.  auch  Schröder,  D.  RG. 
S.  188;  Brunner,  D.  RG.  II  S.  236  f. 

2)  Genannt  sind  in  der  Rheinprovinz:  Kreuznach;  in  Hessen:  Ingel- 
heim, Nierstein,  Umstadt;  in  Baden:  Königshöfen;  in  Unterfranken: 
Albstadt,  Gaukönigshofen,  Sonderhofen,  Bergrheinfeld  (?),  Geinheim,  Prossels- 
heim,  Königshöfen,  Salz,  Hammelburg,  Dettelbach,  Bleichfeld;  in  Mittel- 
franken: Riedfeld,  Rothenhof,  Gollhofen,  Burgbernheim,  Ickelheim,  Willands- 
heim,  Iphofen;  in  Oberfranken:  Hallstadt;  in  Württemberg:  Heilbronn, 
Lauffen.     S.  die  oben  Anm.  1  angef.  Urk.  Arnulfs. 

3)  Vgl.  die  S.  4  Anm.  3  angef.  Urk.  Ludwigs:  Ut  quicquid  Karlo- 
mannus  sive  bonae  memoriae  domnus  Pippinus  rex  et  reliqui  deo  timentes 
homines  ad  ipsam  ecclesiam  delegassent,  tam  in  rebus  et  marchis.  ac  de- 
cimis,  necnon  et  de  pagensium  vel  heribannis  perpetuo  pars  ecclesiae  per 
easdem  largitiones  possideret.    Der  Grundbesitz  im  einzelnen  ist  unbekannt. 

4)  Vgl.  die  Urk.  Ludwigs  d.  Fr.  v.  19.  Dez.  823  M.B.  37  S.  4  Nr.  5  u. 
Ottos  HI.  v.  31.  Dez.  992  M.G.  Dipl.  II  S.  521  Nr.  110. 


—     6     — 

sebühi-to.  um  allein  Hon-  /u  sein.  Er  duldete  den  Versuch  nicht, 
Eintluss  auf  ihn  zu  ühcn:  als  Karlniann  wagte,  seinen  Weg  zu 
krruzen.  setzte  er  ihn  gefangen. ')  Was  kümmerte  ihn  Recht  und 
Liehe,  wenn  es  die  Macht  galt  ?  Er  schob  jeden  beiseite,  der  sich 
ihm  in  den  Weg  stellte.  Aber  dabei  vermied  er  roh  gewaltsames 
Vorgehen:  er  hat  kein  Blut  vergossen.  Sein  Zorn  flammte  nicht 
so  jäh  empor  ^vie  der  Karlmaims:  so  wenig  er  vor  durchgreifenden 
Massregeln  zurückwich,  wenn  er  sie  für  notwendig  erkannte,  so 
wissen  wir  doch  von  keiner  That  Pippins,  welche  sich  mit  dem 
Blutüericht  in  Kannstadt  vergleichen  liesse.  Kleine  Naturen 
zeigen  sich  daiin,  dass  sie  denjenigen  hassen,  dein  sie  Unrecht 
gethan  haben.  Pippin  hat  manchem  Unrecht  gethan;  aber  er  hat 
nie  jemand  gehasst.  Was  er  that,  that  er  ohne  Erbitterung.  Karl- 
mann l)liel)  lür  ihn  stets  der  geliebte  Bruder:  er  hat  später  wieder- 
lidlt  Stiftungen  für  sich  und  ihn  gemeinsam  gemacht.-)  Gegner 
suchte  er  zu  gewnnnen,  auch  wenn  er  sie  vernichten  konnte.  Seine 
Meinung  war,  dass  jeder  zu  gewinnen  sei,  wenn  man  ihni  nur 
\'ei'trauen  beweise,  und  er  vertraute  sich  selbst  genug,  um  sein  Ver- 
trauen gegen  andere  nicht  ängstlich  abzuwägen.  Karlmnnn  hatte 
seinen  Hall)bruder  Grifo  in  Haft  gehalten;  er  enthess  ihn  sofort 
aus  derselben;  indem  er  ihn  fürstlich  versorgte,  bot  er  ihm  die 
Mittel  zum  Aufstand.^')  Der  ehrgeizige  Jüngling  wähnte  in  der 
That  den  Kampf  aufnehmen  zu  können;  er  wurde  leicht  besiegt, 
und  dem  t'berwundeuen  geschah  kein  Leid.  Nun  wiederholte  sich 
das  gleiche  Spiel;  das  Ende  w.ii'.  dass  Pii)pin  seinen  wieder  ge- 
schlagenen und  gefangenen  Bruder  mit  zwölf  Grafschaften  begabte, 
wie  einen  Herzog,  sagt  der  Chronist.'*)  Zu  versöhnen  vermochte 
er  ihn  auch  jetzt  nicht.'^')  Das  war  gewiss  nicht  Kurzsichtigkeit: 
es  war  die  Sorglosigk«'it  eines  Mannes,  der  sich  seiner  unei*schütter- 
lichen  Überlegenheit  bewusst  ist,  der  den  Nebenbuhler  nicht  hasst, 


1)  Ann.  Einh..  Lanriss.  (ich  hehalto  die  herkömmliche  Bezeichnung 
bei.  zitiere  aber  nach  Kurze),  Alam..  Guelf.,  Nazar.,  z.  il.  J.  753  und  7.55; 
Vit.  Steph.  II.  c.  30  8.  448  ed.  Duchesne. 

2)  P.  giebt  die  villa  Exona  (Essonne)  an  St.  Denis  zurück,  ut  melius 
delectet  ipsos  monachos  jiro  nobis  vel  bonae  meraoriae  germano  nostro 
Kallomagno  quondam  seu  subsequento  progenie  nostra  die  noctuquo  Domini 
misericordiam  attentius  deprecare  (B.M.  101).  Er  schenkt  die  villa  Aut- 
mundistat  (Umstadt)  an  Fulda  pro  animae  nostrae  remedium  vel  bonae 
memoriae  germano  nostro  Carolomanno  quondam  (ib.  100). 

3.  Ann.  Mett.  z.  .1.  747.     M.G.  Scr.  I  8.  830,  vgl.  ann.  Einh.  z.  747  S.  7. 

4)  Einh.  ann.  z.  J.  748:  ,more  ducum";  vgl.  ann.  Mett.  z.  .1.  748  f.; 
ann.  Fold.  z.  750  S.  5. 

5)  8.  die  angef.  St.  und  Fredeg.  contin.  35  8.  183. 


weil  er  ihn  gering .  schätzt.  Gefährhchere  Gegner,  Aistulf  und 
Tassilo,  behandelte  Pippin  nicht  anders.  Nichts  charakterisiert 
die  Weise,  wie  er  mit  den  Menschen  umging,  besser  als  seine 
Aussöhnung  mit  Abt  Sturm  von  Fulda.  Er  hatte  ihn,  mit  Recht 
oder  Unrecht,  nach  Jumieges  verwiesen.  Nachdem  die  Ver- 
bannung einige  Zeit  gedauert,  hess  er  ihn  an  den  Hof  bringen. 
Dort  verweilte  der  Abt  mehrere  Tage,  ohne  vor  den  Fiu'sten 
gerufen  zu  werden.  Unerwartet  führte  der  Zufall  beide  Männer 
zusammen.  Pippin  wollte  zur  Jagd,  seiner  Gewohnheit  nach  ging 
er  zuvor  zur  Kapelle,  um  dort  zu  beten.  Es  war  fi'üh  am  ^lorgen 
vor  Sonnenaufgang.  Niemand  war  in  der  Kapelle  anwesend  als 
Abt  Sturm.  Er  hörte  die  Tritte  des  Nahenden,  die  Lampe  in  der 
Hand  öffnete  er  ihm  dienstbereit  die  Thüre,  dann  schiitt  er  ihm 
voran  zum  Altar.  Pippin  erkannte  ihn  wohl;  doch  sagte  er  nichts, 
bis  er  sein  Gebet  verrichtet  hatte.  Dann  wandte  er  sich  zu  dem 
Mönch.  Gott  hat  ims  hier  zusammengeführt,  so  redete  er  ihn  an; 
weshalb  die  Mönche  dich  verklagten,  weiss  ich  nicht,  auch  nicht, 
ob  ich  Grund  zum  Zorn  gegen  dich  hatte.  Sturm  unterbrach  ihn : 
Ich  bin  nicht  frei  von  Sünden,  aber  gegen  dich,  König,  habe  ich 
kein  Unrecht  gethan.  Darauf  jener:  Magst  du  jemals  Sclüimmes 
gegen  mich  im  Sinne  getragen  oder  vollbracht  haben,  Gott  möge 
es  dir  alles  vergeben;  ich  verzeihe  dir  von  ganzem  Herzen:  du 
sollst  fürderhin  in  Gunst  und  Freundschaft  bei  mir  stehen.  Bei 
diesen  Worten  zog  er  einen  Faden  aus  seinem  Mantel  und  warf 
ihn  auf  die  Erde:  eine  symbohsche  Handlung,  welche  in  dem  an 
sinnbildhche  ßechtsformen  gewöhnten  Zeitalter  keine  Deutung  be- 
durfte: sie  sollte  bezeugen,  dass  er  jeden  Argwohn  aufgegeben 
habe.^)  Man  begreift,  dass  Pippin  die  Menschen  an  sich  fesselte; 
er  konnte  unbedenkHch  wagen,  ehemahgen  Gegnern  einflussreiche 
Stellen  anzuvertrauen.  Die  reiche  Abtei  St.  Wandrille  gab  er  als- 
bald nach  Antritt  der  Herrschaft  emem  von  seinem  Vater  abge- 
setzten Gegner  seines  Hauses.-)  Auch  Abt  Assuer  von  Prüm  ge- 
hörte einer  Famihe  an,  welche  che  Waffen  gegen  die  Karohnger 
getragen  hatte. ■') 

Mit  dieser  sorglosen,  selbstbewussten  Art.  die  Menschen  zu 
behandeln,  stimmt  es  wohl  überein.  dass  Pippin  in  seinen  Mass- 
regehi  sich  gerne  auf  das  im  Augenbhck  Notwendige  beschi-änkte. 
Niemand  war  weiter  davon  entfernt  als  er,  nm-  prinzipiell  richtige 
Lösungen  der  vorliegenden  Schwierigkeiten  als  zulässig   anzusehen. 

1)  V.  Sturm.  18  M.  G.  Scr.  II  S.  374. 

2)  Vgl.  Bd.  I  S.  394. 

3)  Vgl.  Ölsner,  JB.  S.  19. 


—     8     — 

Dazu  war  Bonitatius  fTeneinrt,;  es  liedrückte  ihn,  wenn  or  den  Vm- 
ständen  Zu^u'stäiitlniss«^  nnichen  niusste.  Ganz  anders  Pij)j)in:  ihm 
«genügten  Einriehtungen,  die  durch t'üln-har  waren  und  den  momen- 
tanen Redürfuisseu  entsprachen,  mochten  sie  auch  hinter  dem  weit 
zurückbleihen .  was  er  an  und  für  sich  als  richtig  erkannte.  So 
handehe  er,  wie  wir  henierkten,  hei  der  Ordnung  des  Kirchenguts 
und  bei  der  Wiedereiniuhrung  der  Metropohtanverfassung,^)  Dies 
charakterisiert  auch  seine  Pohtik:  er  hat  alh^  Fragen,  wekdie  aus 
der  damahgen  Wehhige  sich  ergaben,  geonhiet,  aber  keine  erledigt: 
«las  gilt  von  dem  Verhältnis  zu  Rom,  zu  den  Langobarden  und  zu 
Baiern.  Niemand  wird  die  Ursache  in  Mangel  an  Kraft  und 
Energie  suchen;  denn  in  allem,  was  Pi])pin  unternahm,  beAväes  er 
Raschheit  des  Entschlusses  und  Nachdruck  der  That.  ]Man  möchte 
eher  vermuten,  dass  er  sich  mit  einer  vorläutigen  Lösung  zufiieden 
gab,  weil  er  an  der  Möglichkeit  einer  endgiltigeu  zweifelte,  und 
dass  ihm  ein  unsicherer  Fiiede  genügte,  weil  er  dessen  sicher  war, 
dass  er  jedem  Wandel  der  Verhältnisse  gewachsen  sei.  Hervor- 
ragend scharfsinnigen  Männern  pflegen  solche  Zweifel  und  solches 
Selbstvertrauen  eigen  zu  sein.  Und  wenn  nicht  gelöst,  so  doch  für 
die  Lösung  vorbereitet  hat  Pippin  jede  Frage,  die  er  angrift',  Karl 
der  Grosse  war  in  viel  höherem  Masse  Vollender  väterlicher  Ge- 
danken, als  Pippin. 

Vfillig  unklar  war  in  den  ersten  Jahren  Pijipins  das  Verhältnis 
zum  Papsttum.  Neue  und  alte  Gedanken  macliten  neben  einander 
sich  geltend,  ohne  ausgeglichen  zu  sein.  Auf  der  einen  Seite  ver- 
trat Bonifatius  die  Ansicht,  dass  dem  Pa])ste  die  unmittell^are 
Heri-schaft  üi)er  die  Kirche  gebühre;  wenigstens  unter  dem  Epis- 
kopat gewann  er  tür  diese  Überzeugung  rasch  Anhänger.-)  Auf 
der  anderen  Seite  konnte  die  bisherige  Selbständigkeit  der  fi-än- 
kischen  Landeskin  lic  uinnöglich  vergessen  sein.  Trat  für  den 
Klenis  ihr  Weit  hinter  dem  der  engen  Gemeinschaft  mit  der  Ge- 
samtkirclie  zuiiick,  so  hat  doch  die  I^aienwelt  daian  festgehalten. 
Es  lag  in  der  Natur  der  Sache,  dass  die  neuen  Ideen  weit  lang- 
samer auf  sie  wirkten,  als  auf  die  Geistlichkeit,  ^\'elchen  Stand- 
punkt Pippin  einnahm,  sieht  man  aus  seinem  Verkehr  mit  Papst 
Zachanas.  Im  Jahre  74()  nchtete  er  sein  ei-stes  Schreiben  nach 
Rom.-')  Ohne  Vermittehmg  des  Legaten  wandte  er  sich  an  den 
Papst;  wie  einst  die  Merowingerkönige,  so  betrachtete  auch  er  sich 

1)  S.  Bd.  I  S.  529,  526,  551. 

2)  S.  Bd.  I  S.  554  ff.  — 

3)  Erhalten  ist  nur  «He  Antwort  des  Papstes  Cod.  Carol.  3  S.  479  ff.; 
aus  ihr  lässt  sich  der  Inhalt  des  verlorenen  Schreibens  Pippins  entnehmen. 
Da  der  Brief  dos  Piipsto»  gleichzeitig  mit  einem  an  Tionitatius  gerichteten, 


—     9     — 

als  Vertreffer  der  fränkischen  Landeskirche.  Er  berichtete  über 
ihren  Zustand;  man  erstaunt  über  das  günstige  Urteil,  welches  er 
fällte:  offenbar  Hess  die  Freude  über  den  glücklichen  Beginn  der 
Eeform  ihn  die  bereits  erreichten  Erfolge  überschätzen.^)  Es  folgte 
eine  lange  Reihe  von  Fragen  über  che  verschiedensten  kirchlichen 
Angelegenheiten:  sie  betreffen  das  kirchhche  Eecht,  vde  die  kirch- 
Hche  Sitte,  besonders  die  Disziphn  unter  Klerus  und  Mönchen.-) 
Pippin    hätte   keinen    Anlass    zu    jenen    Mitteilungen    und    diesen 


vom    5.    Januar    747    datierten    Schreiben    ist    (Bonif.    ep.    77   S.  348  f.  ed. 
Dümmler),  so  hat  Pippin  im  Jahre  746  nach  Rom  geschrieben. 

1)  Cod.  Carol.  3  S.  479 :  (jaudemus  .  .  addiscentes  per  relationem  .  .  . 
Pippini  vestram  omnium  bonam  conversationem  et  quod  in  bonis  et  Deo 
placitis  dispositionibus  unanimes  atque  cooperatores  estis;  ita  ut  et  aecle- 
siae  Dei  et  venerabilia  loca  per  universam  vestram  provinciam  sita  adque 
earum  praesules,  sacerdotes  et  religiosi  abbates,  ut  condecet,  in  sancto 
habitu  et  conversacione  sacerdotali  conversetis,  etc. 

2)  Ich  führe  die  Fragen  an,  da  sie  die  fränkischen  Zustände  charak- 
terisieren: 1.  Quomodo  honorari  debeat  metropolitanus  episcopus  a  chor- 
episcopis  et  parrochialibus  presbiteris.  2.  De  episcopis,  presbiteris  et  dia- 
conibus  dampnatis,  quod  pristinum  officium  usurpare  non  debeant.  3.  De 
presbiteris  supervenientibus.  4.  De  presbiteris  agrorum,  quam  obedienciam 
debent  exhibere  episcopis  et  presbiteris  cardinalibus.  5.  De  ancillis  Dei, 
si  liceat  eas  ad  missarum  solemnia  aut  sabbato  sancto  pubplicae  lecciones 
legere  et  ad  mis'sas  psallere  aut  alleluia  vel  responsorium.  6.  De  viduis, 
si  possint  im  propriis  habitaculis  suis  salvare  animas.  7.  De  laico  pellente 
suam  coniugem.  8.  De  presbiteris  et  diaconibus,  qui  se  a  mini.sterio  aecle- 
siastico  subtrahunt  et  seorsum  collectas  faciunt.  9.  De  clericis  et  mona- 
chis  noa  manentibus  in  suo  proposito.  10.  De  clericis,  qui  sunt  in  ptochiis, 
monasteriis  atque  martyriis.  11.  Qui  clerici  etiam  ab  uxoribus  abstinere 
debeant.  12.  De  his,  qui  uxores  aut  qui  viros  dimittunt,  ut  sie  maneant. 
13.  Monachus,  si  clericus  factus  fuerit,  quid  agi  debeat.  14.  Quod  pres- 
biteri  aut  diaconi,  si  in  aliquo  crimine  prolaspi  fuerint,  non  possint  per 
manus  impositiones  penitentiae  remedium  consequi.  15.  De  laicis,  qui 
aeclesias  in  suis  proprietatibus  construunt,  quis  ipsas  debeat  regere  aut 
gubernare.  16.  De  clericis,  qui  proprias  eclesias  relinquunt.  17.  Pro  epis- 
copis, qui  alterius  clericos  susceperint,  ut  excommunicentur.  18.  Qui  clerici 
uxores  sortiri  debeant.  19.  Ut  nullus  presbiter  aut  diaconus  sine  commen- 
daticiis  suscipiatur  epistolis.  20.  De  virginibus  vaelatis,  si  deviaverint. 
21.  De  non  velatis  virginibus,  si  deviaverint.  22.  De  his,  quae  duobus 
fratribus  nupserint,  vel  qui  duas  sorores  uxores  accepei-int.  23.  De  his,  qui 
homicidium  sponte  perpetraverunt.  24.  De  his,  qui  homicidium  non  sponte 
perpetraverunt.  25.  De  his,  qui  adulteras  habent  uxores,  vel  si  ipsi  adulteri 
conprobantur.  26.  De  monachis  et  virginibus  propositum  non  servantibua. 
27.  De  his,  qui  non  coacte  sed  voluntate  propria  virginitatis  propositum 
susceperunt,  quod  delinquaiit  cum  nupserint,  etsi  nondum  fuerint  consecrati. 


—     10     — 

Frneen  gi'h:il)t,  wenn  er  nicht  Wert  auf  die  Gemoinschaft  mit  Rom 
ßelesjt  luul  wenn  er  niclit  in  dem  Papst  den  Zeugen  der  kircli- 
liclien  Cherlielerung.  d.  h.  des  kircldieli<n  Rechts  gesc^hen  hätte. 
Aber  die  Entscheidungen  Roms  galten  ihm  dann  doch  nidit  als 
Normen,  welche  nicht  oder  nur  mit  Zustimmung  des  Papstes  ausser 
Acht  gelassen  werden  durften,  vielmehr  bestimmte  er  selbst,  wie 
weit  man  ihnen  nachkomuKMi  kfinne.  In  wichtigen  Punkten  blieb 
das  unausgetuhrt ,  was  Zacharias  verfügte:  er  hob  z.  B.  in  seiner 
Antwort  die  Notwendigkeit  der  ]\[etr()politanvci-fassung  hervor;^) 
das  hinderte  Pipjnn  nicht,  ihre  bereits  Ijegonnene  Wiedereinführung 
fallen  zu  lassen.")  Als  er  später  darauf  zurückgriff,  erneuerte  er 
sie  in  ganz  unregelmässiger  Weise.  In  Bezug  auf  diejenigen  Kirchen, 
die  sich  im  Besitze  von  Laien  befanden,  traf  der  Papst  seine  An- 
ordnungen ohne  jede  Rücksicht  auf  die  fränkischen  Verhältnisse 
und  das,  was  sie  forderten,  nur  gemäss  den  älteren  päpstlichen 
Verfügungen.  Aber  was  er  hier  anordnete,  blieb  ohne  jede  Ein- 
wirkung auf  die  Zustände  im  fränkischen  Reich.'')  Nicht  anders 
war  es.  um  einen  weiteren  l^unkt  zu  neimen,  hinsichtlich  der  von 
ihm  verlangten  schrotien  Durchführung  der  kirchlichen  Eheverbote:*) 
es  war  nicht  daran  zu  denken,  dass  Pippin  die  Beobachtung  der- 
selben geboten  hätte.'') 

Es  ist  klar:  Pi]»pin  urteilte  über  die  Rechte  des  Papstes  nicht 
andei-s  als  die  fränkischen  Herrscher  vor  ihm:  nur  galt  ihm  das 
Wort  des  Papstes  mehr,  als  es  jenen  gegolten  hatte. 

Liest  man  die  Antwort  des  Papstes,  so  bemerkt  mau  leicht, 
da»  rr  mit  der  fränkischen  AVeise.  die  kirchlichen  Dinge  zu  be- 
handeln, nicht  einverstanden  war.     Er   adressierte   seinen  Brief  an 

1)  C.  1  S.  480.  Zacharias  entnahm  bfikanntlich  die  Antworten  auf  die 
Fragen  Pippins  beinalie  ganz  aus  der  Collectio  rannnnm  des  Uionysius 
Exiguu.H;  8.  d.  Anm.  .latte's. 

2)  S.  Bd.  I  S.  551. 

3)  Nr.  15.  Der  Papst  forderte,  abgesehen  von  der  Sicherstelhing  der 
Dotation,  ut  in  eodeiii  loco  nee  futuris  tomporilju.s  baptisteria  con>truantur 
nee  presbiter  constituatur  cardinalis.     Vgl.  Stutz,    Benefizialwesen  S.  21)S  tf. 

4)  C.  22  S.  48.Ö.  P^igene  Bestimmung  des  Papstes:  Nos,  gracia  divina 
Buffnigante,  iuxta  pr.iedecessorum  et  antecessorum  pontificum  decreta  multo 
amplius  confirmantes  dicimus,  ut,  dum  usqnae  sese  generacio  cognoverit, 
iuxta  ritum  et  normani  chriHtianitatis  et  religionom  Komanorum  non  copu- 
lentur  coniugiis. 

5)  Pipp.  Capit.  754—755  c.  1  S.  31.  Decret.  Compend.  c.  1—4  S.  37. 
Verm.  1  S.  40.  Man  beachte,  mit  welcher  Entschiedenheit  Zacharias  Ge- 
horsam gegen  seine  Kapitel  fordert  (S.  48ß).  Um  «o  unrichtiger  ist  e.s,  dass 
Schmitz.  Djp  Bussbücher  II  S.  25  die  Antwort  des  Papstes  als  eine  Art  Ver- 
faHsunfj-urkiinde  für  die  fränkische  Küche  betrachtet. 


—    11    — 

Pippin,  aber  augerectet  werden  stets  die  Bischöfe  und  nicht  der 
Fürst:  der  Papst  wollte  keinen  Mittelsmann  zwischen  sich  und  ihnen. 
Seinem  Briefe  fehlte  es  nicht  an  rühmenden  Worten  über  Pippin; 
aber  er  unterliess  nicht,  den  Grundsatz  sehr  bestimmt  auszusprechen, 
dass  die  Fürsten  sich  auf  das  Aveltliche  Gebiet  zu  beschränken 
hätten. -■)  Hier  tritt  der  prinzipielle  Gegensatz  der  Anschauungen 
an  den  Tag.  Was  Pippin  als  seine  Fürsteupfhcht  betrachtete,  er- 
schien dem  Papste  wie  ein  Übergriff.  Zwar  wagte  er  nicht,  ihn 
schroff  zurückzuweisen;  aber  er  versuchte,  ihn  zu  verhindern.  Des- 
halb schrieb  er  gleichzeitig  an  Bonifatius  und  beauftragte  ihn,  seinen 
Legaten,  das  Schreiben  an  Pippin  auf  einer  Synode  zu  verlesen, 
also  kirchlich  bekannt  zu  machen.-)  So  sollte  die  Entscheidung 
kirchlicher  Fragen  den  Organen  der  Kirche  vorbehalten  werden. 
Auch  die  römische  Anschauung  über  den  Umfang  der  päpstlichen 
Macht  glaubte  er  geltend  machen  zu  können:  Pippin  hatte  einen 
Eat  begehrt,  er  bezeichnete  seine  Erkläningen  als  Befehle,  die  nicht 
überschritten  werden  dürften.'^) 

Aber  Zacharias  erreichte  seinen  Zweck  nicht;  so  viel  wir 
wissen ,  wurde  nicht  einmal  der  Versuch  gemacht,  sein  Schreiben 
öffentlich  zu  verkündigen.*)  Einem  HeiTscher  wie  Pippin  gegenüber 
Hess  sich  die  Erweiterung  der  päpstlichen  Gewalt  über  che  fränkische 
Kirche  nicht  unter  der  Hand  erreichen. 

So  vei*schieden  die  Vorstellungen  über  die  Grenzen  der  beider- 
seitigen Befugnisse  waren,  von  denen  man  am  fränkischen  Hof  und 
in  Rom  ausging,  so  dachte  man  doch  auf  beiden  Seiten  nicht  ent- 
fernt an  Streit.  Im  Gegenteil:  Schritt  für  Schritt  traten  die  beiden 
Gewalten,  welchen  die  Zukunft  gehörte,  sich  näher,  bis  es  schliess- 


1)  S.  480:  Principes  et  soculnres  hoinines  atque  bellatores  convenit 
curam  habere  et  soUicitudinem  contra  inimicorum  astutiam  et  provintiae 
defensionem,  praesulibus  vero  sacerdotibus  adque  Dei  servis  pertinet  salu- 
taribus  consüiis  et  oracionibus  vacare. 

2)  Bonif.  ep.  77  S.  349. 

3)  S.  486:  Haec  vobis  dedimus  in  mandatis,  ut  nee  nos  coram  Deo  de 
taciturnitate  iudicemur,  nee  vos  de  neglectu  coram  eo  cogamini  reddere 
racionem. 

4)  Rettberg,  KG.  D.'s  I  S.  379  urteilt,  der  Auftrag  des  Papstes  werde 
von  Bonifatius  sicher  vollzogen  sein.  Die  Sache  ist  mindestens  fraglich,  da 
nichts  davon  überliefert  ist  und  aus  den  Briefen  des  Bonifatius  sich  nichts 
darüber  folgern  lässt.  Aber  auch  die  Bekanntmachung  durch  Bonifatius 
angenommen,  so  erhielten  die  päpstlichen  Bestimmungen  dadurch  nicht 
Gesetzeskraft;  dazu  wäre  die  Bekanntmachung  durch  Pippin  nötig  gewesen. 
Dass  sie  nicht  erfolgte,  ergiebt  sich  aus  den  Abweichungen  der  späteren 
Gesetzgebung. 


—     12     — 

lieh  zur  engsten  A'erhindung  kam.  Hatte  Pippin  zunächst  nur  die 
von  Bonifatius  angeknüpften  kirchHchen  Beziehungen  zu  Rom  ge- 
pflegt, so  that  er  den  zweiten  Schritt,  indem  er  für  die  Entthronung 
der  Merowinger  die  Zustinnnung  des  Papstes  begehrte. 

Dass  er  den  Entschluss  fosste,  die  Hand  nach  der  Krone  aus- 
zustrecken, hat  auf  den  ersten  Blick  etwas  Rätselhaftes.  Denn  er 
besass  das  "Wesen  der  königlichen  Gewalt;  welchen  Wert  hatte  dem 
gegenüber  iln-  Xame?  Doch  wer  weiss  nicht,  dass  die  Heri'sch- 
begai)ten  und  HeiTschlustigen  sich  in  der  Regel  an  dem  vollen 
Gefühl  der  Macht  nicht  weniger  erfreuen  als  an  ihrem  Besitz? 
Jenes  aber  hängt  an  der  äusseren  Stellung,  an  dem  Namen.  Noch 
andere  Beweggründe  mögen  mitgewirkt  haben.  Die  Herrschaft  war 
in  dem  Hause  Arnulfs  von  ]Metz  erblich  geworden:  wir  mssen,  dass 
gerade  Pippin  in  dem  Gedanken  an  die  Zukunft  seines  Geschlechtes 
lebte.  Als  er  das  Kloster  S.  Denis  in  den  Besitz  einer  Menge 
entfi'emdeter  Güter  wiederherstellte,  erklärte  er,  er  thue  das,  damit 
die  Mönche  um  so  lieber  für  ihn,  seine  Söhne  und  den  Bestand  des 
fränkischen  Reichs  beten  möchten.')  Der  Bestand  des  Reichs  und 
die  Herrschaft  seiner  Familie  war  für  iini  untrennbar.  Aber  die 
letztere  war  nicht  sicher,  so  lange  ein  König  der  Franken  über  dem 
Herzog  und  Füi-sten  der  Franken  stand.  So  lange  drohte  der  Aus- 
l)ruch  eines  Konflikts:  und  wer  mochte  sagen,  wie  ein  solcher  enden 
würde?  Denn  noch  verlieh  die  Krone  auch  dem  schwächsten  Träger 
einen  gewissen  Glanz.-) 

Wenn  Pippin  es  unternahm,  den  bisherigen  Zustand  zu  ändern, 
so  vermied  er  doch  ein  Vertahren,  das  als  Gewaltthat  empfunden 
worden  wäre.  Kr  verliandelte  offen  mit  dem  Volk.'")  \'on  ihm 
sollte  seine  Erhebung  ausgehen,  wie  einst  Chloduwechs  Wahl  zum 
König  über  das  Reich  Sigiberts.'')  Aber  die  Verhältnisse  lagen 
andei"s  als  damals;  denn  der  Tliron  war  nicht  erledigt  und  Pippin 
war  kein  Merowinger.  Das  war  der  Punkt,  an  dem  Bedenken  und 
Zweifel  entspringen  konnten:  sie  mussten  abgeschnitten  werden. 
Durch  wen  aber  konnte  das  geschehen  als  durch  den  Träger  der 
iWichsten  sittlichen  Autorität,  den  römischen  Bischof?'')  So  kam 
man    di/n.    di-    päpstliche   Urteil   anziniifcn.     Sind   wir    über    die 

1)  MM.  i»ipl.  I  S.  109  Nr.  23. 

2)  Die  Datipning  einer  Schenkung  für  M.  (lallen:  Repiiante  doinno 
Dostro  Teotlerico  rojje  snpra  Carulum  Maiorera  donius  (Wirt.  ÜB.  I  S.  3 
Nr.  3)  i»t  in  dieser  Hinsicht  sehr  vielsagend. 

3)  Fredeg.  oont.  33  S.  182:  Una  cum  consilio  et  consensu  omnium 
Francorum. 

4)  Greg.  Tur.  Hist.  Franc.  II,  40. 
■•>)  Vgl.  Bd.  I  S.   562. 


—     13     — 

Frage,,  welche  Burchiird  von  Würzburg  und  Fulrad  von  S.  Denis 
Zacharias  vorlegten,  recht  unterrichtet,  so  ging  sie  durchaus  auf  das 
moralische  Recht  oder  Unrecht  des  augenl^lickhchen  Zustands:  Die 
Könige  der  Franken  besitzen  nicht  die  königliche  Macht;  ist  das 
gut  oder  nicht?  ^)  Wenn  Zacharias  uiieilte,  es  sei  nicht  gut,  wenn 
er  auf  die  Störung  der  naturgemässen  Ordnung  himvies,  die  in  der 
Machtlosigkeit  des  fränkischen  Königs  lag,  -)  so  war  ausgeschlossen, 
dass  die  Ordnung  dadiu-ch  wiederhergestellt  wurde,  dass  Childerich 
die  Macht  zurückerhielt,  welche  seine  Ahnen  einstmals  besessen 
hatten.  Denn  was  bedeutete  Childerich  neben  Pippin?  Es  war 
nur  möglich,  dass  ihm  der  Name  genommen  wm'de,  den  er  mit 
Unrecht  tnig. 

Nur  den  Wert  hatte  das  päpstHche  Urteil  für  Pippin,  dass  es 
den  Platz  für  erledigt  erklärte,  den  er  einnehmen  wollte.  Die  Krone 
wurde  ihm  nicht  vom  Papst,  sondern  von  den  Franken  übertragen. 
So  betrachtet&  man  die  Sache  in  der  nächsten  Umgebung  Pippins. 
Die  von  seinem  Oheime  Childebrand  veranlasste  Fortsetzung  der 
Chi-ouik  Fredegars  lässt  ihn  im  Jahre  751  nach  alter  Sitte  dm'ch 
die  Wahl  aller  Franken  auf  den  königUchen  Thron  erhoben  werden. 
Indem  che  Bischöfe  den  Gewählten  salbten  und  die  Füi-sten  ihm 
hulchgten,'^)  erkannten  sie  ihn  als  rechtmässigen  König  an.    Es  ist 


1)  Ann.  Laur.  mai.  z.  J.  749  S.  8:  Interroganclo  de  regibus  in  Francia, 
qui  illis  temporibus  non  habentes  regalem  potestatem,  si  bene  fuisset  an 
non.  Über  Bedenken  gegen  die  Sendung  s.  Hahn,  Eist.  Ztschr.  N.  F.  9 
S.  336:  vgl.  auch  Waitz,  VG.  III  S.  62  Anm.  1.  Die  Namen  der  Gesandten 
in  den  Ann.  Lauriss.  a.  a.  0.  Um  Bonifatius  von  jeder  Verwickelung  in 
die  Sache  zu  entlasten,  bestreitet  Rettberg  I  S.  391  und  II  S.  315  ff.  die 
Beteiligung  Burchards.  Seine  Gründe  hat  schon  Waitz  a.  a.  0.  S.  63  Anm.  1 
wenig  überzeugend  genannt. 

2)  Ann.  Laur.  mai.  1.  c. :  Ut  non  conturbaretur  ordo. 

3)  Fredeg.  cont.  33  S.  182.  Meine  Auffassung  unterscheidet  sich  von 
der  herkömmlichen  dadurch,  dass  ich  auf  die  Wahl  durch  das  Volk  grösseres 
Gewicht  lege,  als  gewöhnlich  geschieht,  und  infolgedessen  der  Erklärung 
des  Papstes  geringere  Bedeutung  zuschreibe.  Die  drei  von  einander  unab- 
hängigen Hauptquellen  über  den  Vorgang  betrachten  als  handelndes  Sub- 
jekt das  fränkische  Volk.  Fredeg.  cont.  a.  a.  0.:  Electione  totius  Francorum 
in  sedem  regni  com  consecratione  episcoporum  et  subiectione  principum  .  .  . 
ut  antiquitus  ordo  deposcit,  sublimatur  in  regno.  Ann.  Laur.  mai.  z.  J.  750: 
P.  seeundum  morem  FrancoVum  electus  est  ad  regem  ...  et  elevatus  a  Francis 
in  regno.  Nota  de  unct.  Pip.  reg.  (M.G.  Scr.  XV,  S.  1):  Per  auctoritatem 
et  Imperium  .  .  .  Zachariae  .  .  et  electionem  omnium  Franchorum  ...  in  regni 
solio  sublimatus  est.  Wie  entschieden  die  allgemeine  Überzeugung  die  war, 
dass  das  Volk  stets  die  Krone  überträgt,  zeigt  besonders  deutlich  Einh.  V. 
Kar.   3:    trotz   des  Erbrechts  und  trotz    der  vorhergegangenen  päpstlichen 


—     14     — 

richtig,  dass  d'w  He-rrschaft  Pij^ijins  eiueii  anderen  Uispnini;  hatte 
als  das  alte  Königtum  der  MeiowingerJ)  aber  es  ist  zweifellos, 
dass  man  sie  jenem  als  gleieliartig  ei-scheinen  lassen  wollte. 

Man  kiuin  über  die  Motive,  welche  Pippin  zur  Entthronung 
seines  Königs  bewogen,  zweifeln:  dagegen  sind  die  Folgen  seiner 
That  durchsichtig.  Die  Gründung  der  neuen  Dynastie  führte  in 
den  staatlii'hen  YerhiUtuissen  unzweifelhaft  zur  Konsohdation  der 
Zustände.  Für  die  kirchlichen  Dinge  war  wichtig,  dass  die  von 
Bonifatius  angebahnte  Verl)in(lung  mit  dem  Papsttum  ungemein 
lu-festigt  wurd(\  Nachdrücklicher  als  durch  die  au  Zacharias  ge- 
richtete Frage  konnte  es  nicht  ausgesprochen  werden,  dass  das 
fränkische  Volk  im  Papste  den  obersten  Vertreter  des  morahscheu 
Piinzips  auf  Erden  anerkenne. 

Doch  der  Gang  der  Ereignisse  führte  bald  darüber  hinaus. 
Bei  dem  Thnniwechsel  hatte  Pippin  des  Papstes  bedurft;  wenige 
Jahre  später  bedui-fte  der  Papst  Pippins.  Der  Griuad  lag  in  den 
Yerhjdtnissen  zu  den  Langobarden. 

So  lange  Zacharias  lebte,  wurde  der  Friede,  den  er  im  Be- 
ginn seines  Pontilikats  hergestellt  hatte,  aufrecht  erhalten.  Das 
war  das  Verdienst  des  Papstes.  So  oft  sich  Schwieiigkeiten  er- 
hoben, suchte  er  die  Langoljardenkönige  pei-sönlich  auf,  und  jedes- 
mal gelang  es  ihm,  zu  einer  Vei-ständiguug  zu  kommen.'-)    Er  war 

Salbuncf  Karls  und  Karlnianns  sind  es  die  Franken,  welche  facto  soleiunitor 

generali  conventu  ambos  sibi  reges   constituunt.     Dass  bei  den    geistlichen 

Berichterstattern    die  Mitwirkung  des  Papstes    wichtiger    erscheint    als    sie 

war,    ist   nicht   zu    verwundern.     Indem  Zacharias   mehr  antwortete,    als  er 

gefragt    wurde   (Ann    Laur.  mai.  z.  J.  749),    hatte   er  das  nahe  gelegt.     So 

erscheint   denn   sein  Rat,   von   dem   eine  Anzahl    von  Quellen  wissen  (Gest. 

abb.  Font.  14  S.  43;  Ann.  Mett.  z.  .J.  750),  zum  Befehl  gesteigert  (Ann.  P^in., 

Stabul.  z.  749,   Laur.    mai.   u.  min.  zu  J.  750;   Chron.   Moiss.  S.  292).     Dem 

gegenüber  ist  es  bemerkenswert,  dass  einige  Berichte  die  Wahl  durch  die 

Franken    allein    erwähnen,    ohne    der   päpstlichen  Erklärung  zu  gedenken. 

So  Ann.   s.  Col.    Sen.    z.  751  (M.G.  Scr.  I  S.  102):    P.  electus  est  in  regem, 

und   Ann.  Xant.  z.  .1.   7-50.     Dass  man  in  Rom  nicht  der  Meinung  war,  die 

Übertragung  der  Krone  an  Pippin  sei  eine  That  des  Zacharias,  ergiebt  sich 

aus  dem  Schweigen  seines  Biographen.     Derselbe  betrachtete  übrigens  Karl 

Mnrtell   schon    als   fränkischen    König  (c.  21   S.  433).     Eine  Benützung  der 

Chronogr.  des  Theophanes  led.  Bonn.  S.  fi20),  wie  bei  v.  Ranke,  Weltgesch. 

V,  2  S.  24,    scheint   mir  unthunlich;    der  Natur* der  Sache   nach  le.sen  wir 

hier    nur    Reflexionen    eines    Fernstehenden.  —  Dass    die    Thronbesteigung 

Pippins  in  die  erste  Hälfte  des  November  751  fällt,  hat  Sickel  gezeigt  (Forsch. 

IV,  439  ff.);  vgl.  auch   Mühlbacher,  Deutsche  Gesch.  unter  den  Karol.  S.   56. 

1)  Waitz,  VG.  III  Ö.  62;  v.  Ranke,  WG.  V,  2  S.  22. 

2)  Vit.  Zach.  6  ff.;  14;  23. 


—     15     — 

der  rechte  IMann  liiv  IIuterhandliiDgeü.  Denn  wai'  er  auch  kein 
gi-osser  Mensch,  so  hat  man  doch  überall  den  Eindruck,  dass  er 
ein  Stück  von  der  politischen  Feinheit  der  Griechen  als  Erbteil 
seines  griechischen  Blutes  überkommen  hatte.  Er  verstand,  im 
rechten  Moment  zu  fordern  und  im  rechten  Moment  nachzugeben; 
nie  übei-sah  er  etwas,  das  für  später  wertvoll  sein  konnte.  In 
seinem  persönhchen  Auftreten  war  er  zugleich  gewinnend  und  im- 
ponierend;^) nie  leidenschafthch,  stets  Herr  seiner  selbst,  wusste  er 
auch  die  xA.blehnung  eines  Wunsches  zu  ertragen,  ohne  dass  er  sich 
von  dem  Verweigernden  zurückzog.  Er  gab  niemand  verloren,  zeigte 
gegen  niemand  Abneigung,  war  schwer  zu  einem  zornigen  Worte 
hinzureissen , -)  Vorwürfe  beantwortete  er  mit  der  Miene  der  ge- 
ki-änkten  Unschuld,  kein  Wunder,  dass  seine  Umgebung  ihn  als 
äusserst  sanft  und  liebenswürdig  hochschätzte.  Aber  dieser  bieg- 
same Manu  verstand  es,  zu  herrscheu;  er  wusste  klar,  was  er  wollte. 
Dass  er  gerne  persönlich  unterhandelte,  zeigt,  wie  sehr  er  sich 
dessen  bewusst  war,  dass  er  die  meisten  Menschen  übersah ;  er  Hess 
es  niemandem  empfinden.  Um  so  leichter  musste  es  ihm  werden 
die  Menschen  nach  seinem  AVillen  zu  lenken. 

Über  die  Langobarden  herrschte  seit  Liutprands  Tode  ^)  König 
Eatchis.  Er  war  an  pohtischem  Geschick  Zacharias  keineswegs 
gewachsen;  die  Zeitgenossen  rühmen  ihn  als  einen  tapferen,  waffen- 
gewandten Mann;*)  die  Modernen  erkennen  an,  dass  er,  lur  den 
Wert  der  Bildung  empfänghch,  che  geistigen  Interessen  in  seinem 
Eeiche  förderte ; '")  dazu  gedenkt  Paulus  Diakonus  seiner  Gutherzig- 
keit:^) lauter  Eigenschaften,  die  einem  Piivatmann  zm-  Zierde  ge- 
reicht hätten.  Aber  Weichheit  des  Gemüts  war  nicht  die  Eigen- 
schaft, welche  der  Inhaber  eines  schwankenden  Thrones  bedurfte. 
Eatchis  starb  denn  auch  nicht  als  König,  sondern  als  Mönch.  Mit 
Gemahlin  und  Kindern  legte  er  im  Jahre  749  vor  Zacharias  die 
Klostergelül)de  ab.') 

Erbe  der  Krone  war  sein  jüngerer  Bruder  Aistulf.  Er  war  ein 
Mann  aus  ganz  anderem  Stoff.  Es  lag  etwas  Heftiges,  Eücksichts- 
loses  in  seinem  Auftreten;   kaum  konnte  er  seine  Leidenschafthch- 


1)  L.  c.  10. 

2)  L.  c.  1:  Tardus  ad  irascendum. 

3)  Er  starb  im  Jan.  744.     Bethmann  und  Holder-Egger,   Langob.  Re- 
gest. N.  Arch.  III  S.  264.     Über    sein  Verhältnis   zu  Rom  s.  Bd.  I  S.  495  f. 

4)  Paul.  Diac.  H.  Lang.  VI,  26;  52;  56. 

5)  Oelsner,  JB.  S.  114. 

6)  L.  c.  VI,  56:  Pietate  solita. 

7)  Vit.   Zacb.   23   S.  434;   Chron.   s.  Bened.  Casin.  25  M.G.  Scr.   Lang. 
S.  487;  vgl.  N.  Arch.  III  S.  272. 


—     16     — 

kcit  henieistciii:  iii.ui  liürtr  ihn  mit  den  Zähnen  knirsehen.  \venn 
ihn  etwas  erregte.')  Für  Rom  war  er  ein  weit  imhenuenierer  Naeh- 
har  als  sein  sanfter  Brnder.  Denn  er  kehrte  zu  dem  Gedanken 
zurüek,  die  Grieehen  vülHg"  ans  Itahen  zu  verdrängen  und  die 
hmgohardisclie  Macht  durch  die  Eroherung  der  Gebiete  abzurunden, 
welche  bisher  die  Heirschaft  des  Kaisers  anerkannten.  Zunächst  in 
Betracht  kamen  Rom  und  Ravenna;  von  den  Römern  forderte 
Aistulf  eine  jährliche  Kopfsteuer,  also  die  Anerkennung  seiner  Ober- 
hoheit; Ravenna  und  das  undiegende  Gebiet  vereinigte  er  i.  J.  751 
geradezu  mit  seinem  Reiche.-) 

Vielleicht  dass  es  der  Klugheit  des  Zacharias  gelungen  wäre, 
sich  mit  ihm  zu  verständigen;  allein  kurz  nach  des  Königs  Thron- 
besteigung starb  der  Papst. -^l  Auf  den  Griechen  folgte  ein  Römer, 
Stephan  11.  Seinem  Vorgänger  war  er  in  allen  Stücken  unähn- 
lich :  er  war  kräftiger,  rascher,  aber  auch  derber,  um  nicht  zu  sagen 
plumper.  In  seinem  Auftreten,  wie  in  seinen  Anschauungen  hatte 
er  etwas  Volkstümliches:  es  kam  wohl  vor.  dass  er,  wie  irgend  ein 
^lönch,  liarfuss  und  Asche  auf  dem  Haupt  in  einer  Prozession  ein- 
hei-schreitend.  ein  Clnistusbild  trug.^)  Unbedenklich  wiederholte  er 
die  ])ei  dem  Volke  herrschenden  abergläubischen  Vorstellungen  über 
die  Macht  der  Heiligen;  •"')  er  hat  sie  ohne  Zweifel  geteilt.  Auch 
darin  empfand  er  wie  die  Menge,  dass  er  glaubte,  durch  die  Häu- 
fung gottesdienstlicher  Handlungen  werde  ihre  Wirksandceit  erhöht.") 
Das  Bizarre,  Übertriebene  erschien  ihm  eindrucksvoll:  als  Aistulf 
den  mit  Rom  geschlossenen  Frieden  l)rach.  heftete  er  die  Vertrags- 
urkunde an  „das  anbetungswürdige  Kreuz  unseres  Gottes",')  ein 
Appell  sei  es  an  Gott,  sei  es  an  das  Volk.  Seine  persönliche 
Würde  galt  ihm  nicht  so  viel  als  Zacharias:  es  k.ini  ihm  auf  einen 
Fussfall  nicht  an,  wenn  er  mu-  sein  Ziel  dadurch  erreichte.^)  Im 
Reden  und  Pi-edi«en  war  er  unennüdhch.")     Aber  wenn  sein  Bio- 


1)  Vit.  Steph.  II.  10  S.  442;  22  S.  446. 

2)  L.  c.  6:  15  f. 

3)  Aistulf  bestiejf  im  Sommer  749  den  Tlnon  (Bethmann  und  Holder- 
Egj?er,  N.  Arch.  III  S.  272».  Zachariiis  starb  d.  22.  oder  23.  März  752  (s. 
Duchesne  I  S.  CCLVIII).  Sein  nächster  Nachfolger,  ein  Presbyter  Stephan, 
starb  vier  Tage  nach  seiner  Wahl.  Je  nachdem  ninn  ihn  zählt  oder  nicht, 
wird  der  neu  gewählte  Stephan  als  II.  oder  III.  bezeichnet. 

4)  Vita  Steph.  II.  c.   11. 

5)  Cod.  Carol.  5  S.  488:  Ab  ij»..  principe  apostolorum  vestra  dimit- 
tantar  peccata. 

6.  V.  Steph.  II.  12  f.  S.  448. 

7)  Ib.  c.  11. 

8)  Cbron.  Moi.ss.  S.  293;  vgl.  Cod.  Carol.  8  S.  496. 

9)  Vita  Steph.  II.  12  f. 


—     17     — 

gi-aph  die  stete  Festfgkeit  rühmt,  mit  der  er  die  kirciiliclie  Tradi- 
tion aufrecht  erhalten  hahe,^)  so  war  er  doch  alles  eher  als  ein 
Thectlog.  Wenn  ihm  eine  That  gefiel,  fragte  er  nicht  viel  danach, 
ob  sie  nach  dem  Buchstaben  des  kirchlichen  Rechts  zulässig  sei 
oder  nicht.  Niemals  würde  Zachaiias  als  etwas  LöhHches  angeführt 
haben,  dass  ein  fränkischer  Abt  thätig  in  den  Kampf  ein  griff  ; 
Stephan  hatte  seine  Freude  an  dem  mutigen  Mönch  und  rühmte 
ihn  wiederholt -j  ]\lit  seiner  Kenntnis  der  Bibel  sah  es  nicht  glän- 
zend aus:  es  1>egegnete  ihm.  eine  alttestamenthche  Stelle  als  pauh- 
nisch  anzufiihren,'^)  oder  Bibelworte  zu  erwähnen,  die  nicht  in  der 
Bibel  stehen.^)  Die  Briefe,  die  unter  ihm  und  unter  seinem  Vor- 
gänger aus  der  päpstHchen  Kanzlei  ausgingen,  sind  für  beide  höchst 
bezeichnend.  Xatürhch  tragen  sie  den  Stempel  ihrer  Zeit  und  den 
gemeinsamen  Ton.  der  geisthchen  Schriftstücken  einmal  eigen  ist. 
Im  übrigen  aber  sind  sie  weit  yerschieden.  So  lange  Zacharias 
lebte,  waren  die  päpsthchen  Schreiben  stets  toU  Würde  und  Sal- 
bung, immer  erbaulich,  aber  nie  eigenthch  beredt.  Seitdem  Stephan 
das  päpsthche  Amt  inne  hatte,  ändert  sich  der  Ton:  Fm^cht  und 
Freude.  Liel^e  und  Hass  werden  lebhafter  ausgesprochen,  bei  den 
Schilderungen  sind  die  grellsten  Farben  gewählt,  die  Mahnungen 
sind  eifiigei-.  diingender:  nicht  nur  die  Sache,  auch  die  Form  soll 
Eindruck  machen,  nicht  überführt,  sondern  mit  fortgerissen  soU  der 
Empfänger  des  Schreibens  werden.*  Stephan  trug  kein  Bedenken, 
seine  Mahnungen  an  die  Franken  dem  Apostelfürsten  in  den  Mund 
zu  legen:-')  musste  es  nicht  Eindruck  machen,  wenn  Petrus  selbst 
zu  ihnen  sprach? 

Ein  solcher  Mann  war  wenig  geeignet,  die  Ton  Zacharias  fest- 
gehaltene Politik  foi-tzutuhren.  So  war  denn  auch,  was  Stephan 
wollte  und  erreichte,  durchaus  verschieden  von  den  Zielen  seines 
Vorgängers.  Diesem  war  es  dm-ch  kluges  Davieren  gelungen,  Ver- 
hältnisse, die  an  und  für  sich  unhaltbar  waren,  noch  ein  Jahrzehnt 
aufrecht  zu  erhalten.  Stephan  war  dazu  nicht  im  Stande;  es  fehlte 
ihm  an  der  Gleduld  und  Euhe,  die  nötig  gewesen  wären.  Aber 
mit  gesundem  Instinkt  ergriff  er  die  rechte  Massregel,  um  neue 
Zustände  zu  schaffen,  und  mit  rascher  Entschlossenheit  that  er 
einen  Schritt  der  in  Rom  unerhört  war,  der  aber  zum  Ziele  führte. 

Er  und  Aistulf  waren  Xachbam,  welche  nicht  in  Frieden 
leben  konnten;  vollends  bedenklich  wurde  die  Lage  dadurch,  dass 

1)  Vit.  Steph.  e.  3. 

2)  Cod.  Carol.  8  S.  498  und  9  S.  500.  ■ 

3)  L.  c.  6  S.  490;  Pred.  Sal  5,  4. 

4)  L.  c.  8  S.  496:  Qm  salvat,  tarn  quam  qui  edificat. 

5)  L.  c.  10  S.  501  ff. 

Hauet,  Kirehengeseliiehte.   IL    2.  Aufl. 


—     18     — 

(Ici-  gi-iochisclu>  Kaiser  mit  seinen  Ansprüchen  wieder  hervortrat 
und  drii  Papst  zur  Vertretung  derselhen  luMiütztoJ)  In  dieser  Ver- 
wirrung kam  Steplum  auf  den  Gedanken  zurück,  den  vierzehn  Jahre 
vorher  Gregor  ]II.  gehabt  hatte,  der  aber  au  Karl  Martells  Al)- 
neitjung  gegen  einen  Brucli  n)it  den  Langobarden  gesclieitert  war:-) 
er  turdei-te  das  ?]ingreiten  der  Frauken  zu  Gunsten  des  Pajjstes. 
Er  war  nacli  allen  Seiten  hin  so  eingeengt,  dass  er  das  nicht  frei 
und  offen  thun  konnte:  im  tiefsten  Geheimnis  sandte  er  im  FriUi- 
jahr  753  durch  einen  zurückkehrenden  Pilger  einen  Brief  au  Pii)i)in: 
er  bat,  der  Frankeuköuig  möge  ihn  durch  eine  Gesandtschaft  auf- 
fordern lassen,  über  die  Alpen  zu  kommen;  denn  persönlich  wollte 
er  sich  mit  Pippin  verständigen,  inu-  im  Gehnte  einei-  fränkischen 
Gesandtschaft  aber  konnte  er  hoften.  frei(>  Bahn  durch  das  Lango- 
b;irdenreich  zu  finden. 

Der  Entschluss  Pippins,  auf  die  Aufforderung  Stephans  ein- 
zugehen, ist  epochemachend;^)  er  hat  der  Geschichte  der  nächsten 
Jahrhunderte  ihre  Richtung  gegeben;  denn  durch  ihn  wurde  jene 
enge  Veri)indung  zwischen  dem  fi-änkischen  Reich  und  dem  Papst- 
tum begründet,  welche  dem  mittelalterlichen  Staat  und  der  mittel- 
alterlichen Kirche  ihr  eigentümliches  Gepräge  verliehen  hat.  Pi]i]iiii 
hat  ihn  nicht  leichthin  gefasst.  Wie  bei  seiner  Thronbesteigung, 
so  versicherte  er  sich  auch  jetzt  der  Zustinnnung  des  Volks.  Der 
Sendung  Chrodegangs  und  Aufeuirs  nach  Rom  gingen  Beratungen 
mit  den  fränkischen  Grossen  voraus;  mich  gemeinsamem  Beschluss 
des  Königs  und  der  ()[)tinKiten  wurde   die  Gesandtschaft  abgeord- 


1)  V.  Stpph.  II.  8. 

2)  S.  Bd.  I  S.  496.     Der  Biograph  Stephans  erinnert  c.  15  an  Gregor. 

3)  Die  Litteratur  über  diese  Verhandlungen  und  die  Schenkungen 
Pippins  und  Karls  ist  sehr  reich.  Ich  erwähne  v.  Sybel.  Kl.  histor.  Schriften 
111,  1x80  S.  67;  Ficker,  Forschungen  zur  Reichs-  und  KG.  Italiens  II,  1869 
S.  829;  Martens,  Die  röm.  Frage  1881;  ders.,  Neue  Krörterungen  1882; 
den».,  Beleuchtung  der  neuesten  Kontroversen  1898;  Weiland,  Ztschr.  f. 
KR.  N.F.  II  S.  368;  Scheffer-Boichorst  in  den  Mitt.  des  Instit.  f.  österr. 
Gesch.  V  1884  S.  193;  Duchesne  in  der  Einleitung  seiner  Ausgabe  des  Lib. 
pontif.  I  S.  CC.XXXVI;  ders.,  Revue  d'hist.  et  de  liti-r.  rclig.  I,  1896  S.  105  ft.; 
Lamprecht,  Die  röm.  Frage  1889;  Kehr  in  .1.  Hiet.  Ztschr.  70.  Bd.,  1892, 
S.  385  u.  in  den  Gott.  G.A.  1895  S.  694  u.  1896  S.  128;  Schaubo,  Hist. 
Ztschr.  72.  Bd..  1H94.  S.  193;  Sickel,  D.  Ztschr.  f.  Gesch. W.  1894  S.  301; 
SchnUrer,  Die  Entstehung  dos  Kirclienst.  1894;  Sackur  in  den  Mitt.  des 
Instit.  f.  örterr.  Gesch.  XVI,  1895  S.  399  u.  XIX,  1898  S.  55;  Lindner,  Die 
«.  g.  Schenkungen  Pippins,  Karls  d.  Gr.  u.  Ottos  I.  1896;  Ketterer,  Karl 
d.  Gr.  u.  d.  Kirche  1898.  Weitere  Litteraturangaben  bei  Ölsner,  JB.  S.  129; 
Kehr  S.  388  f. 


—     19     — 

net.^)    Doch  wer  möciite  zweifeln,  dass  das  letzte  Wort  Pippin  zu- 
kam?    Was    geschah,    war   sein  AVille.     Wenn   man  es  verstehen 
will,  so  muss  man  fragen,  wodurch  seine  Entscheidung  herheigeführt 
wurde.    Die  kirchlichen  Berichterstatter  betrachten  sie  als  lediglich 
dm'ch  die  Frömmigkeit  des  Königs  motiviert.    Nicht  anders  wollte 
er  selbst  sie  angesehen  haben.   Jedermann  kennt  die  Antwort,  mit 
der   er    die    Fordenmg,    das    eroberte    Land    dem    Kaiser    zurück- 
zustellen, ablehnte:  nicht  aus  Gunst  gegen  irgend  einen  Menschen, 
sondern    aus  Liebe    zum    heiligen  Petrus  und   um    der  Vergel)ung 
seiner  Sünden    willen    habe    er  den  Kampf  mit   den  Langobarden 
aufgenommen.-)    Dass  das  che  ganze  Wahrheit  war,  wird  niemand 
glauben;  aber  es  war  doch  schwerlich  ganz  ohne  AVahrheit.   Denn 
sicher  hat  Stephan  die  Erwägungen,   die  er  nicht  müde  wurde  zu 
wiederholen,   dem  König  von  Anfang  an  vorgehalten:    er  hess  die 
Unterstützung  des  Papsttums  als  höchste  religiöse  Plhcht  erscheinen, 
selbst  die  Drohung  mit  der  Exkommunikation  scheute  er  nicht,  um 
Hilfe   von  Pippin  zu  erz\dngen.^)     Aber  man  konnte  ganz  in  der 
Frömmigkeit  jener  Zeit  aufgehen,  ohne  doch  die  Verpflichtung  zum 
Kampf  für  das  Papsttum  oder  für  Rom  anzuerkennen.     Das  zeigt 
die  Stellung  Karlmanns:   er,   der  Mönch,  versuchte  Pippin  zu  be- 
wegen,   dass  er  treu  der  Pohtik  Karl  Martells   das  Einverständnis 
mit    den   Langobarden    dem  mit  dem  Papste  vorziehe."*)     Deshalb 
wird  die  Frömmigkeit  Pipphis  ihn  zwar  im  allgemeinen  geneigt  ge- 
macht  haben,    einen    päpstHchen  Wunsch    zu  erfüllen;   jedoch   sie 
allein  genügt  nicht,  seinen  Entschluss  zu  erklären.    Auch  die  Dank- 
barkeit flu'  den  päpstlichen  Bescheid  im  Jahre  751  kann  man  nicht 
als  hinreichenden  Grund  ansehen.    Stephan  hat  sie  nicht  erwartet: 
in  keinem  seiner  Bnefe  bezieht  er  sich  auf  das  Entgegenkommen 
seines  Vorgängers   gegen   die  Wünsche  Pippins.')     Wichtiger  ist. 


1)  Gest.  ep.  Mett.  M.G.  Scr.  II  S.  268;  vgl.  den  Brief  Stephans  an  die 
fränk.  Grossen  Cod.  Carol.  5  S.  488  u.  Vit.  Steph.  IL  18  S.  44-5. 

2)  Vit.  Steph.  II.  45. 

3)  Der  erste,  durch  den  Pilger  übersandte  Brief  (V.  Steph.  15)  ist 
bekanntlich  nicht  erhalten.  In  dem  durch  Abt  Droctegang  von  Jumieges 
i.  J.  753  überbrachten  Schreiben  heisst  es  schon:  Imple  dominicum  dictum, 
sicut  scriptum  est:  Quoniam  qui  perseveraverit  etc.  Ex  hoc  enim  centuplum 
accipies  et  vitam  possidebis  aeternam  (Cod.  Carol.  4  S.  487;  vgl.V.  Steph.  IL 
16);  von  späteren  Briefen  sind  zu  vergleichen  ejD.  6 — 10  S.  488  ff.,  auch  24 
S.  528:  Qualiter  (Stephanu.s)  vos  terribili  adortatione  adiit. 

4)  Ann.  Lauriss.;  Einh.  z.  J.  753;  Ann.  Mett.  z.  J.  754;  Vit.  Steph. 
IL  30. 

5)  In  Stellen  wie  Cod.  Carol.  6  S.  489:  Per  b.  Petrum,  qui  vos  in 
reges  unxit,  liegt  nur  die  Erinnerung  an  die  durch  Stephan  vollzogene 
Salbung. 


—     20     — 

tlass  (las  Verhältnis  des  fränkischen  Königs  zu  den  Langobarden 
bereits  gethibt  war,  als  die  Verbindung  z^\^scheu  ihm  und  dem 
Papste  geschlossen  wurde.  Wir  kennen  die  Ureachen  nicht,  welche 
dazu  führten;  aber  wir  wissen,  dass  in  derselben  Zeit,  in  welcher 
die  Boten  Stejjhans  unterwegs  waren,  um  Pippin  aufzusuchen,  des 
Königs  um-uhiger  Bruder  Giifo.  aus  Aquitanieu  tlUchtoiid.  sich  nach 
der  L(»nd)ardei  wandte.')  Er  muss  bei  Aistulf  einen  Rückhalt  gegen 
seinen  Bruder  erwartet  haben.  Wenn  nun  Pippin  Grund  hatte, 
die  Langobarden  zu  seinen  Feinden  zu  zählen,  so  war  der  Papst 
für  ihn  ein  wertvoller  Bundesgenosse.  Dazu  kam,  dass  die  Anträge, 
welche  Stephan  dem  Könige  machte,  eine  bedeutende  Erweiterung 
der  fränkischen  Machtsphäre  in  Aussicht  stellten.  Das  konnte 
Pippin  nicht  übei-sehen.  und  nach  allem,  was  wir  von  ihm  wissen, 
hatte  nii  bt-^  ^o  viel  Gewalt  über  ihn,  als  der  Gedanke  an  grössere 
Macht. 

So  erhielt  denn  Stephan  eine  seinen  "Wünschen  entsprechende 
Antwort.  Am  14.  Oktober  753  ist  er,  begleitet  von  den  beiden 
fi-änkischen  Gesandten  und  einem  zahlreichen  Gefolge  römischer 
Kleiiker  und  Tiaien,  aufgebrochen,-)  um  den  fränkischen  Kcinig 
diesseits  der  Alpen  aiüzusuchen.  Anfang  Januar  754  traf  er  mit 
ihm  in  Ponthion  zusammen.'^)  Pippin  hat  ihm  die  grösste  Ehr- 
erbietung erzeigt;  er  versagte  ihm  den  Dienst  nicht,  den  der  rJimische 
Bi.schof  nach  der  coustautinischen  Schenkung  zu  beanspruchen 
hatte:  als  Marschall  schritt  er  neben  des  Papstes  Zelter  einher.'*) 
Aber  dadurch  wird  die  Thatsache  nicht  geändert,  dass  Stephan  als 
Schutzflehender  nach  Ponthion  kam.  Seine  Bitte  ging  nicht  nur 
dahin,  dass  der  fränkische  König  sich  in  den  augenblicklichen  Ge- 
fahren seiner  annehme  und  Rom  gegen  die  Langobarden  decke. 
Er  wünschte  vielmehr  die  Herstellung  eines  dauernden  Schutzver- 
hältnisses. Das  ist  der  Punkt.  ;iuf  den  er  in  seinen  Brief(>n  immer 
wieder  zuiiickkommt.     Bald   hest  man:    Alle  Angelegenheiten   der 


1)  Fredeg.  cont.  35  S.  183;  Ann.  Sith.  z.  753;  Ann.  Mett.  z.  J.  751; 
Liiuris.'f.  min.  z.  .1.  755;  Pet.;  Fiilcl.  z.  J.  753. 

2)  Da«  Datum  vita  Steph.  Tl.  19  8.445;  über  die  Bogleiter  des  Papsts 
a.  a.  0.  vgl.  c.  23  S.  446.  Die  Verhandlungen  in  Pavia  c.  21  ff.  S.  246 
können  hier  übergrangen  werden;  bemerkenswert  ist  nur,  dass  Stephan  sie 
als  kaiserlicher  Unterthan  im  Auftrag  des  Kaisers  führte.  Sickel  erinnert, 
dam  dieser  Befohl  der  letzte  Befohl  des  Kaisers  an  den  Papst  war,  S.  319. 

3)  Vita  Steph.  II.  c.  24  ff.;  Fn-deg.  cont.  36  S.  183;  chron.  Moiss.  S.  292. 
Über  den  äus.soren  Hergang  vgl.  Ölsner,  JB.  S.  126  ff.;  v.  Ranke,  WC4.  V,  2 
S.  28  ff.;  Mühlbacher,  D.  G.  S.  60  ff.;  Schnürer  S.  41  ff.  Ponthion  (Pontico) 
im  Dep.  Marne,  Arr.  Vitri-le-Fran^ois. 

4)  Vita  Steph.  11.  25. 


—     21     — 

heiligen  KirChe  Gott(*s  haben  wir  Eiu'em  Schoo^se  anvertraut,^) 
bald:  Xacli  Gott  haben  wir  Euren  Händen  die  Seelen  aller  Römer, 
haben  wir  Dir  und  dem  fränkischen  Volk  die  heihge  Kirche  Gottes 
und  unser,  der  römischen  Republik  Volk.  übergel)en."-)  bald:  Alle 
Völker,  che  ringsumher  wohnen  und  zu  Euch,  dem  durch  Gottes 
Macht  tapferen  Frankenvolk,  ihre  Zuflucht  genommen  haben,  sind 
gerettet  worden;  wenn  Ihr  allen  Hilfe  geleistet  habt,  so  müsst  Ihr 
vielmehr  the  heihge  Kirche  Gottes  und  ihr  Volk  von  der  Be- 
di'änguug  durch  die  Feinde  befi-eien ; '^j  schliesslich  versichert  der 
Apostel  Petnis  selbst:  Die  Kirche,  welche  mir  der  Herr  übergeben 
hat,  habe  ich  Euch  durch  die  Hand  meines  Vikars  kommendiert."*) 
Piljpin  nahm  die  UlDergabe  Roms  und  der  Römer  in  seinen 
Schutz  an.  Das  sprach  der  Titel  Patricius  Romanoram  ■^)  aus.  den 
er  seitdem  führte.'^)    Seine  Schutzpflicht  in  Bezug  auf  die  römische 


1)  Cod.  Carol.  6  S.  490;  vgl.  7  S.  491.  Die  Übersetzung  ^Angelegen- 
heiten", nicht  y Besitzungen",  welch  letztere  ebenfalls  möglich  ist,  scheint 
mir  vorzuziehen.  Die  Nebeneiuanderstellung  der  causa,  civitates  et  loci  in 
der  ersten,  der  eausae,  iustitia  et  defensio  in  der  zweiten  Stelle  spricht 
für  die  allgemeinere  Bedeutung  von  causa.  Vgl.  auch  die  Fassung,  welche 
die  vita  Steph.  26  S.  447  der  päpstlichen  Anforderung  giebt :  Ut  per  pacis 
foedera  causam  b.  Petri  et  reipublicae  Romanorum  disponeret. 

2)  L.  c.  8  S.  496  f. ;  9  S.  499  f. 
3j  L.  c.  8  S.  496. 

4)  L.  c.  10  S.  503.  AVie  Stephan  eine  solche  commendatio  verstand, 
zeigt  ep.  11  S.  506:  Spolitini  .  .  .  se  commendare  per  nos  .  .  .  excellentiae 
tuae  cupiunt,  vgl.  mit  ep.  17  S.  515:  Spolaetinus  et  Beneventanus,  qui  se 
sub  vestra  .  .  .  potestate  contulerunt. 

5)  Was  diesen  Titel  anlangt,  so  möchte  ich  auf  das  Wort  Patricius 
kein  allzu  grosses  Gewicht  legen,  besonders  nicht  in  dem  Patricius  den 
Stellvertreter  des  Kaisers  sehen  (Grashof,  Arch.  f.  kath.  KR.  1879  Bd.  41 
S.  193  ff.,  gebilligt  von  Ketterer  S.  59).  Denn  kaiserliche  Rechte  hat  Pippin 
sicher  nicht  erhalten.  Der  Titel  Patricius  war  auch  dem  fränkischen  Reich 
nicht  fremd,  vgl.  die  Patric.  Agröcola  u.  Celsus  Greg.  Tur.  H.  Fr.  IV,  24 
S.  159,  Mummolus,  ib.  IV,  42  S.  175.  Transl.  Germ.  1  M.G.  Scr.  XV  S.  5, 
ist  Aquitaniae  patricius  genannt.  Die  Wahl  des  Wortes  war  offenbar  ein 
Ergebnis  der  Verlegenheit :  der  Titel  Kaiser  oder  König  war  ausgeschlossen, 
man  griff  deshalb  zu  einer  in  Italien  üblichen  (vgl.  Pauli  Diac.  Hist.  Lang, 
ni,  12  S.  120;  18  S.  124  u.  ö.)  Bezeichnung,  die  den  Vorteil  bot,  sehr 
unbestimmt  zu  sein.  Die  Vermutung  Duchesnes  S.  129,  Stephan  habe  Pippin 
diesen  Titel  gegeben,  um  den  dux  Romae  beseitigen  zu  können,  halte  ich 
nicht  für  wahrscheinlich.  Ebensowenig  die  Ansicht  von  Sickel,  Pippin  habe 
den  Papst  als  den  rechtmässigen  Herrn  des  Landes  betrachtet,  der  über 
sein  Volk  verfügen  konnte  S.  341. 

6)  Man  spricht  aligemein  davon,  dass  der  Papst  Pippin  und  seine 
Söhne   zu  Patriciern  ernannte:  Waitz,  VG.  III  S.  85;    Oelsner,  JB.  S.  144; 


—     22     — 

Kirche  nhvi  erkannte  er  an  duitli  die  Zusagen,  welche  er  dem 
Papste  machte.  Sie  werden  zunäclist  allgemein  mid  umfassend  ge- 
lautet hal)en:  Sicherstellnng  Eoms.  Aher  es  lag  doch  in  der  Xatur 
der  Sache,  dass  die  augcnhückliche  Lage  des  Papstes  und  das 
was  sie  tV»rderte.  nicht  unerwogeu  und  unerwähnt  blieh.  Dadurch 
erhielt  das  S<'hutzversprecheu  eine  gegen  die  Langol)arden  g(MMch- 
teto  Spitze.  Pippin  verpflichtete  sicli.  das,  Avas  Stephan  diirrh 
Uutt'rhandlungen  vergeblich  zu  erreichen  gesucht  hatte,  nötigenfalls 
mit  WaHcngewalt  zu  erzwingen:  den  Verzicht  auf  die  Unterwerfung 
Roms,  die  Herausgabe  Ravennas  und  die  Restitution  der  Patri- 
monien. M     Das   ist  das  Pippinische  Versprechen. 

Stei)han  sah  die  Absicht  verwirklicht,  welche  ihn  iilter  die 
Alpen  geführt  hatte.  Hört  man  nun,  dass  er  daraufhin  in  St. 
Denis  Pippin  als  den  König  der  Franken  und  Patricius  der  Römer 
sall)te,-)  so  kann  man  über  die  Bedeutung  dieser  Handlung  kaum 
zweifeln.  Es  ist  unmöghch  an  Übertragung  dieser  Würden  durch 
den  Papst  zu  denken:  König  war  Pip])in  ja  seit  Jahren,  auch  sali 

V.   Ranke,  WG.  V,  2  S.   31 ;    Mühlbacher,   D.   G.   S.   66;    Martens,    D.  röm 
Frage  S.  85;    Kehr  S.   434:    Ketterer  S.  58;    Duche.sne  3.  129  u.  a.;    Abel, 
.IB.  S.  172  sagt  gar,  das  Papsttum  habe  den  Karolingern  diese  Würde  auf- 
gelegt.    Aber  von  einer  Ernennung  im  eigentlichen  Sinn  des  Wortes  kann 
koine  Rede  sein:  der  Pap.st  kam  ja  als  Bittender.     Vielmehr  muss  die  An- 
nahme des  Titels  einen  Teil  der  Verabredungen  gebildet  haben.     Überliefert 
ist    bekanntlich    die  Ernennung    niclit.     Allerdings    erzählt    die   Notitia  de 
unct.  Pip.  M.G.  Scr.  XV  S.  1,    dass  Pippin   per   manus  .  .  Stophani  .  .  in  re- 
gom  et  patriciura  una  cum  .  .  filiis  Carolo  et  Carolomanno  .  .  unctus  et  beno- 
dictus  est;  ähnlich  Chr.  Moiss.  S.  293:  Stephanus  .  .  Pippinum  regem  Fran- 
corum   ac   patricium  Romanorum    oleo   unetionis  perunxit;    vgl.  Ann.  Mett. 
z.  J.  754.     Aber,  wie  ersichtlich,  steht  hier  die  Salbung  zum  Patricius  der 
zum  König  völlig  gleich.     Durch  die  letztere  wurde  Pippin  nicht  zum  König 
ernannt,    also   auch    nicht  durch  die  erstere  zum  Patricius:    hier    wie    dort 
liegt  in  der  Salbung  nur  die  Benediktion  (s.  S.  23  Anm.  1). 

1)  V.  Steph.  II.  26:  Papa  ..  regem  ..  deprecatus  est,  ut  per  pacis 
foedera  causam  beati  Petri  et  reipublicae  Romanorum  disponeret.  Qui  de 
prapsenti  iurHurando  .  .  .  papam  satisfecit  omnibus  eius  maudiitis  ot  am- 
monitionibuH  .sese  totis  nisibus  oboedire  et  .  .  .  exarchatum  Ravennae  et 
reipublice  iura  seu  loca  reddere  media  omnibus.  Cod.  Carol.  7  S.  491 ;  vgl. 
Fredeg.  cont.  36  S.  183;  Cbron.  Moiss.;  Ann.  Mett.  z.  .1.  754. 

2)  Nach  gewöhnlicher  Annahme  28.  Juli  754,  Not.  de  unct.  Pip.  M.G. 
Scr.  XV  S.  1.  Da.s  Tagesdatum  bei  Hilduin.  Vit.  Dionys.  Areopag.  zitiert 
Bouq.  V  S.  436.  Martens  (R  Fr.  S.  22;  vgl.  41  tf.)  verlegt  die  Salbung  auf 
den  19.  oder  20.  Februar.  Die  Tage  halte  ich  für  ganz  unsicher;  in  der 
Hauptsache  dagegen  stimme  ich  Martens  bei:  die  von  der  Vit.  Steph.  11. 
27  f.  angegebene  Reihenfolge  der  Thatsachen  verdient  den  Vorzug  vor  der 
Zeitangabe  Hilduins. 


mau  in  der*Salbimg  Jediglich  einen  Benediktionsakt.  Sondern  der 
Papst  erstattete  dem  König  seinen  Dank,  indem  er  ihm  das  ge- 
währte, für  dessen  Inhaber  er  sich  hielt:  geisthche  Segnungen.^) 
Pippin  sollte  sich  als  von  Gott  und  dem  Apostel  Petrus  in  seinem 
Königtum  und  Patriciat  bestätigt  und  zur  Ausrichtung  seiner  hohen 
PHichten  ausgerüstet  betrachten. 

Auch  jetzt  Avieder  legte  Pippin  seine  Verabredungen  mit  dem 
Papste  den  fränkischen  Grossen  vor.  Es  bedurfte  zweier  Versamm- 
lungen zu  Bei-ny  Ri viere  und  zu  Kierzy.  um  zur  Verständigung  zu 
kommen.-)  Denn  der  Vertrag  mit  dem  Papste  stiess  auf  AVider- 
spruch.-')  Das  ist  begreiflich,  bedeutete  er  doch  den  Bruch  mit  den 
Traditionen  Karl  Mai'tells.  Aber  Pippin  Hess  sich  dadurch  so 
wenig  beirren,  als  dm'ch  die  Warnungen  seines  Bruders  Karl- 
mann. ■*)  Das  Ende  war,  dass  die  Franken  den  Beschluss  ihres 
Königs  bilhgten.')  Xun  hat  Pippin  sein  Versprechen  beschworen;*^) 
so  bestimmt  war  ins  Auge  gefasst.  wie  weit  er  gehen  wollte, 
dass    er     dem    Papste    eine    Urkunde    darüber    ausstellte.')       Sie 

1)  Vgl.  S.  21  Anm.  6.  Auch  Stephans  Bruder,  Paul  L,  spricht  das 
klar  und  bestimmt  aus,  ep.  83  S.  540:  Oleo  sancto  vos  .  .  .  ungens  cele- 
stibus  replevit  benedictionibus.  Noch  Smaragdus  von  St.  Mihiel  unter 
Ludwig  d.  Fr.  sah  in  der  Salbung  nicht  Übertragung  der  Königswürde :  Te 
ret^em  esse  et  sacri  chrismatis  unctio  et  fidel  confessio,  operisque  confirmat 
et  actio  (Via  reg.,  epist.  nunc.  Mign.  102,  933).  Ebenso  Papst  Leo  IV., 
Coli.  Brit.  37  f.  (N.  A.  1880,  V  S.  390  f.). 

2)  Die  Quellen  reden  von  zweiReichsversamnilungen;  die  erste  zuBrenua- 
cus,  Bernacus  mach  Longnon,  Geographie  S.  401:  ßerny  Fdviere,  Dep.  Aisne, 
nach  anderen  Braisne  bei  Soissons)  war  das  gewöhnliche  Märzfeld  (Fredeg. 
cont.  36  S.  183;  Ann.  Mett.  z.  J.  754).  Die  zweite  fand  zu  Carisiacum,  Kierzy 
unweit  Laon,  Osteni,  14.  April,  754  statt  (V.  Steph.  IL  29;  verb.  Ann. 
Lauriss.  z.  J.  753).  Daran  halten  die  meisten  fest  (s.  Oelsner,  JB.  S.  148; 
Mühlbacher,  Reg.  71  g  u.  i;  v.  Ranke,  WG.  V,  2  S.  35).  Dagegen  erklärt 
Martens  (R.  Fr.  S.  33  ff.,  vgl.  Beleucht.  S.  11)  beide  Versammlungen  für 
identisch;  der  Biograph  Stephans  habe  sich  im  Ort  geirrt.  Seine  Gründe 
scheinen  mir  unzureichend;  das  rasche  Aufeinanderfolgen  zweier  Versamm- 
lungen wird  sich  aus  dem  Widerspruch  erklären,  den  die  Verhandlungen 
fanden.  —  Wie  entschieden  Stephan  das  fränkische  Volk  als  Teilnehmer 
am  Vertrage  betrachtete,  zeigt  sein  Brief  Cod.  Carol.  9  S.  498. 

3)  Einh.  vit.  Kar.  6. 

4)  V.  Steph.  II.  30.  Aus  den  späteren  Ereignissen  wird  man  schliessen 
dürfen,  dass  auch  die  Königin  Bertrada  gegen  eine  feindselige  Wendung 
wider  die  Langobarden  war. 

5)  V.  Steph.  IL  29;  Fredeg.  cont.  37  S,  183;  Ann.  Mett.  z.  J.  754. 

6)  Cod.  Carol.  11   S.  505:  Sub  iureiurando. 

7)  Man  nimmt  im  allgemeinen  an,  dass  die  Urkunde  in  Kierzy  aus- 
gestellt   wurde.     Ganz    sicher  scheint  es  mir  nicht,    da  Stephan  in  Kierzy 


—     24     — 

lautete  aut  Hei-stelliinf?  der  Gerochtsamo  rles  hcilicjen  Petrus. 
Schutz,  BetVeiuiiji.  Erlulliuii.u  der  Kirelie  und  des  röiiiischen  Volkes. 
insbesondere  auf  Kückgal«'  Kavennns  und  der  von  Aistult"  eroberten 
Städte  des  Exarchats.M 

nicht  anwesend  war  (V.  Steph.  IL  29).  Martens  (R.  Fr.  S.  51  ff.)  leugnet, 
dass  flborhrtui>t  oine  Urkunde  ausgestellt  worden  sei:  die  lebhafte  Phantasie 
des  Papstes  habe  aus  der  Unterschrift  des  Friedensdokuments  eine  Urkunde 
gemacht,  in  welcher  Pippin  und  seine  Söhne  die  Ausantwortung  der  22 
Städte  versprachen.  Ich  vermute,  dass  hier  der  Phantasie  des  Papstes  zu 
vie\  und  seinem  Verstand  zu  wenig  zugetraut  ist;  vgl.  Sickel.  Das  Privileg. 
Otto  I  S.  25. 

ll  Die  Urkunde  ist  Vita  Hadr.  42  S.  498  als  im  Namen  Pippins,  seiner 
Söhne  und  der  fränkischen  Grossen  ausgestellt  bezeichnet.  Dies  ist  richtig 
nach  Cod.  Carol.  37  S.  548:  Vos,  vestrique  suboles  .  .  atque  Universum  reg- 
num  Francorum.  Über  den  Inhalt  der  Urkunde,  bezw.  über  den  Wert 
der  angeführten  Stelle  der  Vita  Hadriani  gehen  die  Meinungen  gegenwärtig 
weiter  auseinander  als  jemals.  Ich  begnüge  mich  zu  bemerken,  dass  die 
Annahme  Kehrs  von  einem  in  Kiei'zy  geleisteten  Eventualversprechen  be- 
züglich der  beabsichtigten  oder  erwarteten  Aufteilung  des  Langobarden- 
reichs mir  unmöglich  scheint:  sie  scheitert  daran,  dass  das  Bündnis  nach 
der  weiteren  Haltung  Pippins  u.  allen  Äusserungen  Stephans  und  Pauls  ein 
Bund  zur  Verteidigung,  nicht  zum  Angriff  war.  Demnach  bleibt  für  mich 
die  Kluft  unüberbrückbar,  die  zwischen  dem  Inhalt  der  Urkunde  nach  der 
vitn  Hadriani  einerseits,  und  nach  den  Angaben  der  Bx-iefe  Stephans  und 
Pauls  andererseits  klaflt.  Von  den  letzteren  kommen  in  Betracht:  Cod.  Carol. 
7  .S.  491 :  Vos  beato  Petro  polliciti  estis  eins  iustitiam  exigere  et  defen- 
sionem  s.  Dei  ecclesiae  procurare;  19  S.  520:  Petimus  .  .  ut  perfectius  ea, 
quae  i)ertinent  ad  exaltationem  et  ad  am])liatam  liberationem  s.  Dei  ecc- 
lesiae et  istius  .  .  provintiae,  sicut  b.  Petro  et  .  .  Stephane  papae  polliciti 
estis,  cunrta  perficere  .  .  iubeatis;  inhaltlich  übereinstimmond  22  S.  525; 
29  S.  534:  Defensio  atque  auxilium  s.  Dei  ecclesiao  vel  eins  peculiaris  po- 
X»uli;  45  S.  .562:  Vos  b.  Petro  et  vicario  eius  .  .  spopondisse,  se  amicis  no.stris 
amicos  esse  et  se  inimicis  inimicos.  Die.se  Stellen  fuhren,  wie  man  sieht, 
über  allgemeine  Zu.sagen  nicht  hinaus;  auch  aus  ep.  19  ergiebt  sich,  wie 
mich  dünkt,  nicht  mit  Notwendigkeit,  dass  bestimmte  Oebiotc!  genannt 
waren.  Da  aber  die  vita  Stejib.  schon  in  Ponthion  bestimmte  (lebiete  ge- 
nannt sein  läHMt  (s.  S.  22  Anm.  1),  so  muss  man  annehmen,  dass  solche  auch 
in  der  Urkunde  genannt  waren.  Dabei  ist  ausgeschlossen,  dass  die  Urkunde 
mehr  nannte  als  in  Ponthion  verspfi'ochen  war;  denn  unmöglich  konnten 
die  Franken,  deren  Bedenken  erst  beseitigt  werden  niussten,  geneigt  sein. 
mehr  /.nziisagcn  als  der  König.  Daraus  ergiebt  sich  der  im  Texte  angegebene 
Inhalt.  Au8  dem  Schreiben  Stephans  111,  an  .Johann  von  Grado  (Ep.  Langob. 
21  S.  715)  möchte  ich  nicht  zu  viel  folgern.  Stephan  sagt:  Fideles  b. 
Petri  .  .  in  scriptis  contulerant  promissionem,  ut  sicut  hanc  nostram  Roma- 
Dorum  prorinciam  et  exarchatum  Kavennatium  et  ipsam  quoque  vostram 
provinciam    pari    modo    ab    inimicorum    o]>i)rPssionibus    semper    defendere 


—     25     — 

Rückgfrbe.  iiicLt  ÜbergalDe;  ^)  denn  konsequent  bestand  der 
Papst  darauf,  dass  die  von  den  Langobarden  liesetzten  Gebiete 
Besitztum  des  heiligen  Petrus  gewesen  seien.  Das  war  eine  den 
rechtlichen  wie  den  wirklichen  Zuständen  schroff  widersprechende 
Fiktion:  sie  ist  nm-  verständhch,  wenn  er  die  angebhche  Schenkung 
Konstantins  als  Beweismittel  benützte.-) 


procurent.  Denn  der  Papst  kann  hier  ebensogut  eine  Folgerung  aus  einer 
allgemeinen  Phrase  gezogen  als  den  Inhalt  genau  angegeben  haben.  Was 
V.  Hadr.  42  anlangt,  so  ist  es  richtig,  dass  die  Annahme  nicht  nötig  ist, 
dass  Karls  Urkunde  v.  774  den  Wortlaut  des  Pippinischen  Diploms  v.  754 
wiederholte.  Allein  damit  kommt  man  nicht  gar  weit.  Denn  auch  dann 
bleibt  es  unerklärlich,  dass  Karl  den  angegebenen  Umfang  als  Inhalt  des 
Schenkungsversprechens  seines  Vaters  betrachtet  haben  soll.  In  Bezug  auf 
Spoleto  und  Benevent  war  eine  Täuschung  kaum  möglich;  Karl  hat  diese 
Herzogtümer  nach  774  auch  keineswegs  als  dem  Papste  geschenkt  behan- 
delt, ganz  im  Gegenteil,  das  zeigt  schon  die  Urk.  für  Farfa  v.  24.  Mai  775 
B.M.  183;  wer  in  die  partes  Spoletii  ging,  verliess  das  päpstliche  Gebiet, 
ep.  65  S.  593,  vgl.  82  S.  615.  Wohl  aber  hat  Hadrian  auf  die  Herzogtümer 
Ansprüche  erhoben  und  behauptet,  et  ipsum  Spoletinum  ducatum  vos  prae- 
sentialiter  offeruistis  b.  Petro,  ep.  56  S.  581.  Auch  diese  Stelle  ist  demnach 
kein  Zitat,  sondern  eine  Folgerung  aus  der  Schenkung  v.  774.  Daraus  ergiebt 
sich :  sie  enthielt  die  geographische  Bestimmung  der  V.  Hadr.  nicht.  Nach 
diesem  Jahr  bestand  also  ein  Gegensatz  in  der  Auslegung  des  Versprechens: 
der  Verf.  der  V.  Hadr.  fälschte  nur  dadurch,  dass  er  die  päpstliche  Aus- 
legung als  die  authentische  in  seine  Biographie  aufnahm.  Es  ist  ähn- 
lich, wenn  er  das  Herzogtum  Spoleto  von  Hadrian  der  päpstlichen  Herr- 
schaft einverleibt  werden  lässt  33  S.  496.  Denn  er  wusste  natürlich  ganz 
genau,  dass  Spoleto  thatsächlich  nicht  päpstlich  geworden  war. 

1)  Stephan  spricht  stets  von  Zurückgabe ;  Paul  I.  hält  sich  gewöhnlich 
an  diesen  Sprachgebrauch;  dann  und  wann  giebt  er  ihn  auf  (ep.  30  S.  536: 
Provintia  vestro  certamine  redempta  et  a  vobis  Petro  concessa;  37  S.  548  f.). 

2)  Ich  berühre  hier  einen  Punkt,  der  die  KG.  Deutschlands  nicht  direkt 
betrifft,  jedoch  in   diesem  Zusammenhang  nicht  übergangen  werden  kann. 

.  In  den  Briefen  Stephans  wie  in  seiner  Biographie  tritt  ein  Begriff  auf,  der 
vorher  nicht  vorkommt,  sich  auch  in  den  Briefen  Pauls  I.  und  Stephans  lU. 
findet,  dann  aber  wieder  verschwindet:  b.  Petri  sanctaeque  Dei  ecclesiae 
respublica  (Cod.  Carol.  6  S.  489),  sanctae  Dei  ecclesiae  respublica  Roma- 
norum (Vit.  Steph.  IL  30,  31,  33  vgl.  45).  Ich  bin  mit  Waitz  (VG.  III 
S.  88)  darin  einverstanden,  dass  nicht  nur  der  römische  Dukat  gemeint  sein 
kann  (Genelin,  Das  Schenkungsversprechen  und  die  Schenkung  Pippins, 
1880  S.  21).  Allein  wenn  Waitz  dann  sagt:  ,Mau  wird  nur  allgemein  den 
Römischen  Staat,  die  Römische  Herrschaft  verstehen  können,  die  der  Papst 
offenbar  für  Italien  an  die  Stadt  Rom  knüpfte  und  mit  der  Kirche  des 
heiligen  Petrus  hier  in  solchen  Zusammenhang  brachte,  dass  er  als  Vor- 
steher der  Kirche  auch  die  Rechte  des  Reichs  geltend  machte",  so  scheint 
mir  hiedurch  jene  auffällige  Formel  nicht  erklärt:  so  wie  die  Worte  lauten, 


—     26     — 

\\;ts  in  Poiitliion  l)e,uann  und  in  Kierzy  zu  Endo  kam.  war 
der  Al)schluss  rines  Bündnisses:  so  hat  man  es  in  Korn  hotnichtet.^) 
Es  war  nicht  auf  Zeit,  sondern  es  war  für  innner  gescldossen:  ge- 
währte es  Rom  den  Schutz  des  mächtigsten  der  ahendländischen 
Staaten,  so  kettete  es  doch  auch  das  Papsttum  an  (his  fränkische  Reich. 

Eine  dauernde,  in  gewissem  Sinn  staatsrechtUche  Verbindung 
dieser  beiden  Gewalten  war  hergestellt.  Al)cr  wie  so  ganz  anders 
war  diese  Verbindung  gestaltet,  als  sie  sich  Bonifatius  gedacht 
hatte:   es  war   nicht  zur  Anerkennung   der  unbedingten  Herrschaft 


sajren  sie  aus,  dass  die  Kirche  oder  der  heilige  Petrus  Besitzer  der  res- 
pul'lica  Konianorum  ist.  Der  Papst  als  solcher  ist  zugleich  der  Herr  der 
respublica  Romanorum.  Diesem  Verständnis  entspricht  es  durchaus,  dass 
die  Rückgabe  an  die  respublica  (Cod.  Carol.  6  S.  489;  45  S.  563)  und  die 
an  den  heiligen  Petru.s  (V.  Steph.  11.  45;  ep.  6  S.  489;  7  S.  492)  oder  an 
die  Kirche  (ep.  6  S.  490)  identisch  ist,  ebenso,  dass  Stephan  die  Römer  als 
noster  populus  reipublice  Romanorum  bezeichnet  (ep.  7  S.  493;  8  S.  496; 
vgl.  10  S.  501  f.).  Die  Verhältnisse  vor  Stephan  gaben  zu  dieser  Formel 
kein  Recht:  sie  beruhte  auf  einer  Fiktion;  bewiesen  konnte  sie  nur  werden 
durch  eine  neue  Fiktion:  die  donatio  Konstantins.  In  Bezug  auf  ihren  Ur- 
sprung scheint  mir  nach  den  neueren  Verhandlungen  über  diese  Frage  — 
vgl.  Grauert,  Die  konstant.  Schenkun«,',  im  Hist.  JB.  der  Görresgesellsch. 
3.  Bd.  1882  S.  3flF.,  4.  Bd.  1883  S.  45  ff.;  Weiland,  Die  konst.  Schenkung, 
Ztschr.  f.  KR.  N.F.  7.  Bd.  1889  S.  137  u.  185;  Brunuer.  Festgabe  f.  (ineist, 
Berl.  1888  S.  1;  Zeumer.  ebenda  S.  39;  J.  Friedrich,  Die  konstantinische 
Schenkung.  Nördl.  1889;  Martcns,  Die  falsche  General-Konzession  Konstantins, 
München  1889;  Scheffer- Boichorst,  Neuere  Forsch,  über  die  konst.  Schenkung, 
Mitt.  dei^  In&t.  f.  österr.  G.  10.  Bd.  1889  S.  302,  11.  Bd.  S.  128  ff.;  Löning, 
Die  Entstehung  der  konst.  Schenkungsurkunde.  Hist.  Ztschr.  N.F.  29.  Bd. 
1890  S.  193  —  der  Urs^irung  im  8.  Jahrhundert  und  in  Rom  so  gut  wie  ge- 
sichert. Fraglich  ist,  ob  man  an  die  Zeit  Stephans  II.  oder  an  die  Pauls  I. 
zu  denken  hat.  Für  die  Beantwortung  dieser  Frage  scheinen  mir  nach  wie 
vor  die  Rückforderungen  Stephans  entscheidend  zu  sein.  Da  sie  thatsäch- 
lich  in  der  Luft  schwebten,  bedurften  sie  einer  Stütze;  sie  fanden  sie  durch 
die  Behauptung  der  konstantinischen  Schenkung. 

1)  V.  Steph.  II.  26  (8.  d.  Stelle  S.  22  Anm.  1).  Paul  I.  (od.  Carol.  12 
S.  508:  Firmi  et  robusti  ...  in  ea  fide  et  dilectione  et  caritatis  concordia 
at^pie  pacis  foedera,  quae  .  .  .  germanus  meu8  .  .  .  vobiscum  coniirmavit,  per- 
manentes et  cum  nostro  populo  pennanebimus  usque  in  finem.  37  S.  548: 
(Dilectio)  quam  cum  .  .  .  Stepbano  papa  et  per  eum  cum  omnibus  successo- 
ribus  pontificibus  vos  ve.strique  soboles  et  cuncta  vestra  proles  atfiue  uni- 
veraum  regnum  Francorum  usque  in  finem  secuii  conservare  spondistis. 
Vgl.  42  8.  555.  Stephan  III.,  45  S.  562:  Ita  vos  (Karl  und  Karlmann)  b. 
Petro  et  .  .  .  vicario  eius  (Stephan  II.)  vel  eins  «uccessoribus  spppondisse,  se 
BT"  •  — '-'  micos  esse  et  se  inimicis  inimicos;  .sicut  et  nos  in  eadem 
»y  ■  r  dinoscimUr  permanere.     . 


—     27     — 

des  Papstes  in  der  -fränkischen  Kirche  gekommen,  viehnehr  zur 
Aufrichtung  der  fränkischen  Schutzherrschaft  über  Rom.  Musste 
sie  nicht  die  Unterordnung  des  Papstes  unter  den  König  zur  Folge 
haben?  Denn  wer  konnte  Pippin  hindern,  den  römischen  Bischof 
wie  einen  anderen  Bischof  seines  Reichs  zu  behandehi?  Anderer- 
seits abpr :  wie  viel  Aveniger  Schwierigkeiten  standen  den  päpstlichen 
Ansprüchen  entgegen,  wenn  das  Frankenreich  und  Rom  in  einem 
unlösbaren  Bunde  standen,  wenn  der  Papst  nicht  mehr  als  Aus- 
länder betrachtet  werden  konnte?  Was  Erniedrigung  des  Papst- 
tums schien,  konnte  für  die  kirchhchen  Anspräche  desselben  un- 
gemein förderlich  werden.  Vergessen  waren  dieselben  in  Rom  nicht. 
Wenn  Avirklich  Stephan  bei  der  Erfindung  der  konstantinischen 
Schenkung  die  Hand  im  Spiele  hatte,  so  ist  kein  Zweifel,  was 
seine  letzten  Gedanken  waren.  Er  verhehlte  sie  kaum.  Denn  me 
machtvoll  sprach  dieser  machtlose  Papst:  er  gebot,  er  drohte  dem 
Manne,  von  dessen  Hilfe  seine  ganze  Existenz  abhing.  Denn  er 
dachte  seine  Stellung  als  die  höchste  auf  Erden. 

Entgegengesetzte  Möglichkeiten  lagen  in  den  Verhältnissen. 
Die  Frage  war.  welche  von  ihnen  wirkhch  werden  sollte. 

Wir  verfolgen  die  Entwickelung  der  itahenischen  Angelegen- 
heiten nicht  im  einzelnen;^)  denn  für  die  deutsche  Kirchengeschichte 
kommen  nur  die  Resultate  in  Betracht.  In  einem  raschen  und 
erfolgreichen  Feldzuge  nötigte  Pippin  noch  im  Jahr  754  Aistulf 
zu  Zugeständnissen,  welche  den  Forderungen  des  Papstes  genüg 
thaten.  Durch  eine  im  Herbst  754  ausgestellte  Schenkungsurkunde 
über-wies  er  sodann  die  von  den  Langobarden  abzutretenden  Orte  der 
römischen  Kirche.-)    Das  ist  die  Pippinische  Schenkung.    Da  Aistulf 


1)  Icli  verweise  auf  die  Darstellung  Oelsners,  JB.  S.  193  ff.,  auf  Langen, 
Gesch.  d.  röm.  Kirche  S.  656  ff.;  in  Bezug  auf  die  Friedensschlüsse  auf 
Lamprecht,  Röm.  Frage  S.  70  fi'. 

2)  Cod.  Carol.  6  S.  489;  vgl.  die  Wiederherstellung  der  ürk.  bei  Lam- 
precht S.  91  ff.,  die  mir  aber  nicht  überzeugend  erscheint.  Besonders  die 
Aufnahme  des  Absatzes  civitatem  Romanam  ist  durch  das,  was  wir  über  den 
Friedensschluss  wissen,  ausgeschlossen;  vita  Steph.  37  S.  451  weiss  nur  von 
der  Rückgabe  der  civitas  Ravennantium  cum  diversis  civitatibus,  der  Fort- 
setzer Fredegers  nur  von  der  emeudatio  dessen,  was  contra  Romanam 
ecclesiam  vel  sedem  apostolicam  contra  legis  ordinem  geschehen  sei.  In 
den  Briefen  des  Cod.  Carol.  sind  s.  Dei  ecclesiae  reipublicae  civitates  et 
loca,  6  S.  489,  7  S.  493,  im  allgemeinen,  speziell  nur  Narni  8  S.  495  genannt. 
Es  ist  nun  ausgeschlossen,  dass  man  aus  der  Erwähnung  von  Narni  auf 
Schenkung  aller  der  Orte  und  Gebiete  schliessen  darf,  die  im  Hlud.  in  Ver- 
bindung mit  Narni  genannt  sind.  Denn  Cod.  Carol.  8  S.  495  wird  klar  unter- 
schieden zwischen  Narni,  das  von  Pippin  geschenkt  ist,  und  anderen  Orten, 
die  der  h.  Petrus  besitzt:  Civitatem  Narniensem,   quam  b.  Petro  tua  chris- 


—     2S     — 

>tiue  Zusagen  nicht  austuhite.')  gritfeu  die  Franken  zwei  Jahre 
später  von  neuem  zu  den  AVatten:  der  zweite  Friedensschluss 
1  trachte  die  Orte,  auf  welche  Stephan  Anspnich  erhob,  thatsäch- 
Hch  in  seine  Gewalt.  Eine  zweite  Schenkungsurkunde  gewähr- 
leistete der  römischen  Kirche  die  Sicherheit  ilires  Besitzes.  Das 
Gebiet,  welches  ihr  überlassen  oder,  wie  der  Papst  l)ehauptete, 
zurückgegeben  wiu'de.  ei^streckte  sich  weitliin  am  adiiatischen  ^[eere: 
Comacchit»  im  Po-Delta  bezeichnet  den  nördlichsten.  Jesi  bei  An- 
cona  den  südlichsten  Piuikt.  im  Westen  gi'iÖ'  es  über  den  Kamm 
des  Gebirgs  hinüber.  Gubbio  gehörte  dazu.-)  Zu  weiteren  Abtre- 
tungen entschloss  sich  nach  dem  Tode  Aistiüfs  Desideiius.  um  im 
Kampf  um  die  Krone  der  fränkischen  mid  päpstlichen  Unter- 
stützung sicher  zu  sein."^ 

Durch  diese  Vorgänge  wurden  die  politischen  Verhältnisse 
Italiens  auf  einer  völhg  neuen  Gnindlage  geordnet.  Neu  wai-  aber 
nicht  nur.  dass  der  Staat  der  Kii'che  nicht  mehi-  Fiktion,  sondern 
Wirklichkeit  wai- ;  neu  war  ebensosehi-.  dass  das  Frankenreich  fortan 
als  italienische  Macht  in  Betracht  kam:  es  begann  in  die  Stellung 
Ostroms  einzm-ücken.  Pippins  Siege  haben  liiezu  geführt.  Aber 
der  Gedanke  gehörte  Stephan  II.  Insofern  ist  er  der  Gründer  des 
Kirchenstaats.  Das  giebt  ihm  epochemachende  Bedeutung  tiir  die 
Gescliichte  des  Papsttiuns.  Doch  stai'b  er  schon  im  Jahre  nach 
dem  entscheidenden  Vertrag,  am  26.  April  Töl^)  Zum  Nach- 
folger erliielt  er  seinen   Bruder  Paulr'*)   (he  volle  Kontinuität  der 


tianitas  concessit,  abstulerunt  seu  et  aliquas  civitates  nostras  comprehen- 
derunt.  Wo  diese  Orte  zu  suchen  sind,  ergiebt  die  vorhergehende  Schilde- 
rung: in  hac  Romana  proWncia,  d.  h.  im  römischen  Dukat.  Er  gehörte 
demnach   nicht  zu   dem   von  Pippin  geschenkten  Gebiet.     Narni  war  unter 

»' -  : II.  an  die  Langobarden  verloren  gegangen  (V.  Greg.  13  S.  403),  unter 

/  ts   hatte   Liutprand   den   Ort    dem   h.   Petrus   wieder  geschenkt  (V. 

Zach.  9  S.  428).  Er  ist  aber  später  wieder  verloren  gegangen  (vgl.  V.  Steph. 
U.  41  S.  452  u.  47  S.  4-54). 

1)  Cod.  Carol.    6  f.  S.  488  ff. 

2)  Vit.  Steph.  II.  46  f.  S.  453  f. 

3)  Vit.  Steph.  II.  49—51  S.  454;  Cod.  Carol.  11  S.  506;  14  S.  512: 
16  S.  513;  vgh  hiezu  Kehr,  Nachrichten  der  GG.  1896  S.  129  ff.  Aistulf 
starb  gegen  Ende  7.56. 

4)  Stephan  richtete  angesiciit^  «u-s  i<j<u->  eine  Aufforderung  an  Pippin 
und  seine  Söhne,  den  übernommenen  Verpflichtungen  getreu  zu  .sein.  vgl. 
Cod.  Carol.  45  S.  562. 

5)  Paul  wurde  nicht  einstimmig  gewählt;  Gegenkandidat  war  der 
Ar«  aus    Theophylakt   (V.    Pauh  1   S.  463).,  wahrscheinlich    derselbe, 

der  X  >ii'-t  /'-' -:\he  stand  und  mit  Bonifatius  Briefe  wechselte  (Bonif. 

fii    ^'l  n     -  Dem  Zwip»palt  liegt  also  wahrscheinlich  ein  Gegen- 


—     29     — 

politischen' Richtung  war  dadurch  gesichert;  denn  selten  haben 
zwei  Brüder  in  so  völliger  Übereinstimmung  über  die  Absichten 
und  Ziele,  yde  über  die  Mittel  und  Wege  gehandelt  wie  diese 
beiden  Päpste:  man  kann  ihi-  Pontifikat  fast  als  eines  l)etrachten. 
Welche  Stellung  hatten  nun  Stephan  und  Paul  innerhalb  des 
Gebietes,  das  sie  den  Staat  der  heihgen  Kirche  nannten?  Der 
erste  Einch'uck  ist,  dass  sie  LandesheiTen  waren.  Allerchngs  haben 
sowohl  Stephan  wie  Paul  den  Kaiser  als  HeiTScher  von  Rom  prin- 
zipiell anerkannt.  Al^er  das  bedeutete  nicht  ^iel.  Demi  wenn  schon 
längst  das  faktische  Aufhören  der  giiechischen  Herrschaft  die 
Stellung  des  Papstes  in  der  ,,heihgen  Republik  Roms"'^)  erhöht 
hatte,  so  stand  er  nun  unbestritten  an  der  Spitze  der  Stadt.  Wie 
er  im  Namen  des  römischen  Klerus  an  Pippin  schi-ieb,  so  auch  im 
Namen  der  Grossen,  des  gesamten  Volkes  und  Heeres  der  Römer ;  -) 
er  nannte  die  römischen  Adehgen  seine  Optimaten-,  er  ging  mit 
ihnen  zu  Rate  wie  Pippin  mit  den  fränkischen  Grossen;  ^)  er  sprach 
von  seinem  Volk,  von  seinen  Städten  und  Bm'gen  und  von  seinem 
Gebiete.'*)  Andererseits  sahen,  die  Römer  im  Papst  ihi-en  HeiTu; 
sie  erkannten  an,  dass  sie  ihm  zu  steter  Treue  verpflichtet  seien; 
von  Stephan  rühmten  sie  nach  seinem  Tode,  dass  er  sie  heilsam 
regiert  habe.'^)  In  chesen  Redewendungen  spiegehi  sich  Zustände, 
die  wirkhch  bestanden :  in  der  Verwaltung,  der  Pohtik,  der  Rechts- 
pflege des  römischen  Gemeinwesens  erscheint  der  Papst  als  leitend: 
er  vertrat  die  Gerechtsame  der  römischen  Städte  den  Langoliarden 
gegenüber  und  musste  umgekehrt  die  Gerechtsame  der  letzteren 
in  den  päpsthchen  Städten  anerkennen;^)  er  verhandelte  mit  König 
Desiderius  über  gemeinsame  Abwehr  emes  drohenden  giiechischen 


satz   gegen   die  Richtung  zu  Grunde,    die  Stephan   dem  Papsttum  gegeben 
hatte.     Vgl.  Dopffel,  Kaisertum  u.  Papstwechsel  S.  10  f. 

1)  Vgl.  Vit.  Greg.  III.  15  S.  420f.:  (Gregorius)  Gallensium  castrum  . .  . 
in  conpage  sanctae  reipublicae  atque  corpore  Christo  dilecti  exercitus  Ro- 
mani  annecti  praecepit. 

2)  Cod.  Carol.  9  S.  498  (Stephan  IL). 

3)  L.  c.  12  S.  508:  TJna  cum  nostris  obtimatibus  aptum  prospeximus 
(Paul  I.).     Zur  Chronologie  der  Briefe  Pauls  s.  Kehr  a.  a.  0.  S.  103  ff. 

4)  L.  c.  8  S.  494 f.;  (Stephan  IL);  12  S.  508;  13  S.  510;  19  S.  520; 
20  S.  521;  21  S.  523;  34  S.  541  (Paul  L). 

5)  L.  c.  13  S.  510:  Nos  .  .  firmi  ac  fideles  servi  sanctae  Dei  ecclesiae 
et  .  .  .  domni  nostri  Pauli  summi  pontificis  .  .  conistimus,  quia  ipse  noster  est 
pater  et  obtimus  pastor,  et  pro  nostra  salute  decertare  cotidiae  non  cessat, 
sicut  et  .  .  .  Stephanus  papa,  fovens  nos  et  salubriter  gubernans. 

6)  L.  c.  20  S.  521;  37  S.  549  (Paul  L);  vgl.  über  den  Begriff  der 
iustitiae  Kehr  a.  a.  0.  S.  146. 


—     30     — 

Ansriffs:')  die  Kriegsmacht  des  römischen  Gebiets  stand  nnter 
seinem  Oherhefehl:  -)  nicht  minder  ernannte  er  Beamte  und  Richter.'^) 
Die  Papstwahl  aber  wurde  als  rechtsgiltig  betrachtet,  ohne  dass  sie 
die  Bfstätiizung.  sei  es  des  Exarchen,  sei  es  des  Patricius  fand.^) 
Man  könnte  deshalb  geneigt  sein,  in  ihm  den  völhg  souveränen 
Herrn  des  Kirchenstaats  zu  erbhcken.  Das  war  er  jedoch  nicht: 
er  war  Heri-scher,  aljer  er  war  nicht  souverän.  Die  Herrscher- 
rechte,  die  er  übte,  gingen  nicht  über  diejenigen  hinaus,  welche 
Tassilo  in  Baiern  besass.  Wie  dieser,  so  hatte  auch  er  einen  Herrn 
über  sich.  Man  kann  kaum  einen  der  Biiefe  Stephans  und  Pauls 
lesen,  ohne  dass  man  durch  dies  oder  jenes  daran  erimiert  wird, 
dass  die  Päpste  Pippin  gegenüber  gebunden  waren:  nicht  nm-  im 
allgemeinen  zur  Treue  gegen  das  fi-änkische  Bündnis,  sondern  in 
jeder  einzelnen  wichtigeren  Angelegenheit.  Vor  allem  waren  sie  in 
dem  ganzen  Gebiet  der  äusseren  Politik  nicht  frei.  Stephan  konnte 
seine  Stellung  zu  Koustantinopel  nicht  nach  eigenem  Ermessen 
wählen.  Lasst  uns  wissen,  schreibt  er  an  Pippin.  was  Ihr  mit  dem 
Silentiar.  dem  Gesandten  Konstantins  V..  geredet,  welchen  Be- 
scheid Ihr  ihm  erteilt  habt;  auch  eine  Abschrift  des  Briefes,  den 
Ihr  ihm  gegeben,  teilt  uns  mit.  damit  wir  wissen,  wie  wir  in  Über- 
einstimmung damit  zu  handeln  haben.'')  Ebenso  gebunden  waren 
die  Päpste  in  Bezug  auf  das  Verhältnis  zu  den  Langobarden: 
Pippin  überwachte  es.")  Bei  den  nie  fehlenden  Streitigkeiten  kam, 
wenn  beide  Teile  sich  nicht  einigen  konnten,  die  Entscheidung 
seinen  Gesandten  zu;')  der  z^^•ischen  dem  römischen  Volke  und 
König  Desiderius  abgeschlossene  Friedensvertrag  bedurfte  und  er- 
hielt seine  Bestätigung.**)     Das  alles  geht  über  die  Rechte  hinaus. 


1)  L.  c.  38  S.  551  (Paul  I.). 

2)  Vit.  Steph.  II.  50  S.  455. 

3)  Cod.  Carol.  49  S.  569  (Stephan  II.  für  Ravenna). 

4)  S.  die  beiden  Formulare  im  Liber  diurnua,  ed.  Sickel  S.  49  ff. 
Nr.  59  f.  In  dem  ersten  wird  der  Tod  des  Papstes  angezeij?t,  in  dem  zweiten 
da-s  Wahldekret  vorgelegt  und  der  Befehl  zur  Konsekration  erbeten.  Der 
Eingang  von  Cod.  Curol.  12  S.  508  ist  nach  dem  ersteren  gearbeitet.  Aber 
es  wird  sodann  lediglich  die  vollzogene  Wahl  mitgeteilt;  und  zwar  von 
dem  Gewählten  selbst,  nicht  von  den  Wählern.     Jener  amtierte  also  bereits. 

5)  L.  c.  11  S.  506  f. 

6)  L.  c,  .38  S.  551. 

7)  L.  c.  21  S.  .524:  Pro  vestra  amplissima  satisfactione  adprobationera 
fecimufl  in  praesentia  .  .  .  vestrorum  fideliuro  missorum  cum  Langobardorum 
regia  missia;  et  satisfacti  sunt  vestri  missi  de  tantis  iniquitatibus  et  cogno- 
verunt  nostram  veritatem  et  eorum  mendacium.     Vgl.  34  S.  541  f. 

8)  L.  r.  11   S.  .-,06:  16  S.  514. 


—     31     — 

welche  dem  mächtigen  Bundesgenossen  eines  Schwachen  von  selbst 
zufallen:  es  zeigt,  dass  Pipijin  in  den  politischen  Dingen  als  Ober- 
herr betrachtet  wurde.    Er  war  mehr,   als  die  Namen  Verteidiger, 
Befreier,   Protektor,   die  man  ihm  gerne  gab.^)   aussprachen.     Das 
Gleiche   zeigt  sich  in   den  inneren  Verhältnissen.     Man  mag  kein 
Gewicht  darauf  legen,  dass  sich  die  Römer  einmal  seine  Getreuen 
nannten,-)   oder  dass  Paul  I.   die  Angriffe   auf  päpstliches   Gebiet 
und  päpsthche   Rechte  als   Auflehnung  gegen   die  königliche   Ge- 
walt Pippins  bezeichnete;^)  dagegen  ist  die  Thatsache  sehr  gewich- 
tig, dass  Paul  die  Grossen  von  Spoleto  und  Benevent  zugleich  dem 
heihgen  Petrus  und  dem  fränkischen  König  Treue  schwören   hess.^) 
Sie  stellt  ausser  Zweifel,  dass  schon  unter  Pippin  auch  die  Römer 
den  Treueid  leisteten.     Die  Vorstellung,  dass  Rom  ehien  Bestand- 
teil des  Königreichs  Pippins  bildete,  lag  nicht  ganz  ausserhalb  des 
Gesichtskreises    Paiüs.'^)     Versicherte    er,    er    werde    stets    Pippins 
Willen   gehorsam   sein,*^)   so   war  dieser  Satz   schwerhch  wohl  er- 
wogen"; er  ist  zu  offenherzig;  aber  er  spncht  das  Verhältnis  beider 
Männer  treffend  aus:  so  wenig  Pippin  in  vieler  Hinsicht  die  päpst- 
liche Herrschaft  beschränkte,  so  sehr  war  doch  der  Papst  genötigt, 
zu  gehorchen,   wenn   der  fränkische  König  eine  Entscheidung  traf. 
Der  Papst  war,  obgleich  Landesherr  in  einem  Teile  Itahens,  doch 
weit  weniger  unabhängig  als  vorher:   er  war  geschützt    durch  den 
fi'änkischen  Bund;  aber  er  war  nicht  der  gleichberechtigte,  sondern 
der  untergeordnete  Genosse  des  Bundes. 

So    unsicher    war  das   Verhältnis  der  päpsthchen  zur   könig- 

1)  L.  c.  12  S.  508;  13  S.  510;   16  S.  513;  20  S.  521  u.  ö. 

2)  L.  c.  13  S.  509:  In  nobis,  vestris  fidelibus. 

3)  L.  c.  20  S.  521:  Contra  beatum  Petrum  et  vestram  regalem  poten- 
tiam  se  erigens  (Desiderius)  malitias  nobis  comminatur  inferre. 

4)  L.  c.  17  S.  515:  .  .  .  Alboinum  ducem  Spoletinum  cum  eius  satra- 
pibus,  qui  in  fide  beati  Petri  et  vestra  sacramentum  prebuerunt.  Voraus- 
setzung ist  die  ep.  HS.  506  erwähnte  Thatsache:  Tarn  Spolitini  quamque 
etiam  Beneventani  .  .  .  se  commendare  per  nos  .  .  .  excellentiae  tuae  cupiunt. 
Sie  wollen  in  dasselbe  Verhältnis  zu  Pippin  treten  wie  die  Römer;  zur 
Sache  vgl.  Kehr  S.  131  u.  135. 

5)  Ep.  34  S.  541 :  Vere  sieut  benignus  rex  et  araator  .  .  .  sanctae  Dei 
ecclesiae  agere  .  .  .  semper  studes.  Paul  sagt  das,  indem  er  dafür  dankt, 
dass  Pippin  sich  seiner  Ansprüche  gegen  die  Langobarden  annahm.  Bewies 
er  sich  darin  als  gnädiger  König,  so  ist  die  Vorstellung  einer  Ausdehnung 
seines  Königtums  auch  über  das  päj)stliche  Gebiet  genau  genommen  schon 
gegeben. 

6)  L.  c.  37  S.  549:  Nos  de  hoc  vestrae  obtemperasse  voluntati; 
41  S.  554:  In  quantum  virtus  subpetit,  voluntati  vestrae  obtemperandum 
decertamus;  42  S.  555:  Permanebimus  vestris  obtemperantes  voluntatibus. 


—     32     — 

Hellen  ^rru-lit.  Rechte  uiul  l'tlichten  waren  nirgends  genan  abge- 
grenzt. Uniniiglich  konnten  die  Dinge  auf  die  Dauer  sich  in  diesem 
Zustande  halten.  Aber  es  entsprach  Pippins  Art,  eine  bestinunte 
R.'j.lung  zu  unterlassen:  genug,  dass  in  Italien  nichts  geschehen 
konnte,  was  er  nicht  wollte,  und  dass  nicht  mehr  geschehen  konnte, 
.il-  >'V  wollte. 

Das  politische  Übergewicht  Pippins  wirkte  unmittelbar  auf  das 
kirchliche  Gebiet.  Indem  Paul  den  fränkischen  König  in  über- 
schwängUchen  Worten  als  neuen  Moses  und  David  feierte,')  legte 
er  ihm  nahe,  in  die  innersten  kirchlichen  xAngelegeuheiten  einzu- 
greifen. Pippin  enthielt  sieb  dessen  im  allgemeinen,  soweit  Itahen 
in  Betracht  kam.  Aber  wenn  er  irgend  eine  Massregel  wünschte, 
so  wurde  sie  vollzogen,  unangesehen,  ob  sie  nach  den  Kirchen- 
fjesetzen  gestattet  war  oder  nicht.  Er  hatte  zwei  italienische  (ireist- 
liche,  den  Bischof  Georg  von  Ostia  und  einen  römischen  Priester 
Namens  Petras,  als  für  seinen  Dienst  taugliche  Männer  kennen 
gelernt  und  wünschte,  der  Papst  solle  erlauben,  dass  er  sie  im 
fränkischen  Reiche  behalte.  Die  dauernde  Entfernung  kirchhcher 
Würdenträger  von  ihren  Ämtern  widersjjricht  den  kirchlichen  Ord- 
nungen. Gleichwohl  war  der  Papst  bereit,  sie  zu  gestatten,  und 
nicht  nur  dies:  er  bat  zugleich,  der  König  möge  ihm  erötlhen.  was 
mit  dem  Bistum  Georgs  und  der  Kirche  Peters  zu  geschehen  habe, 
damit  sie  nicht  infolge  der  Entfernung  ihrer  Inhaber  Schaden 
nähmen.-) 

So  der  Papst  gegenüber  dem  König;  man  sieht,  er  war  iu 
der  That  gehorsam.  Anders,  wenn  es  sich  um  Wünsche  des 
Papstes  an  den  König  handelte.  Pippin  hat  sie  sorgfältig  geprüft 
und  je  nach  den  Umständen  gewährt  oder  abgelehnt.  So  hielt  er 
es  im  Grossen  wie  im  Kleinen.  Es  war  ein  sehr  begreitlicher 
Wunsch  der  Päpste  das  Rom  von  der  Pentapolis  trennende  Her- 
zogtum Sjjoleto  mit  ihrem  Staate  zu  verbinden;  aber  so  klug  sie 
es  antingen,  Pijjpin  für  den  Plan  zu  ge\vinnen,  sie  mussten  darauf 
verzichten. '0  Einer  der  ersten  römischen  Geschäftsträger  am  frän- 
kischen Hofe  war  der  Priester  Marin;  er  wusste  Pijjpin  für  sich 
einzunehmen;  auf  dessen  Fürwort  erhielt  er  die  Kirche  des  heil. 
Chrjsogonus  in  Rom.  Allein  nun  kam  an  den  Tag.  dass  Marin 
sich    in    ein    geheimes    Einverständnis    mit    dem    griechischen    Ge- 


1)  L.  c.  11  S.  505  (Stfiplüin   II.)-.    3:i   S.   539  f.;    39   S.   552;    43  S.  557 
(Paul  I.). 

2)  L.  c.  21  8.  524;  37  S.  549. 

3)  L.  c.  11  S.  506;  17  S.  515;  30  S.  536,  hier  erscheint  Spoleto  wieder 
als  anerkannt  langobardisches  Gebiet. 


—     33     — 

sandten  eingelassen  'habe.  Paul  wünschte  dem  Unzuverlässigen 
die  Möglichkeit  zu  weiteren  VeiTätereien  abzuschneiden  und  schlug 
vor,  Pippin  sollte  ihm  zu  diesem  Zweck  ein  fränkisches  Bistum 
übertragen.  Dieser  dachte  nicht  daran,  eine  so  seltsame  Art  von 
Strafe  zu  vollziehen;  er  hielt  Marin  im  fränkischen  Reiche  zurück, 
behess  ihn  aber  in  seinem  bisherigen  Eang.  Damit  war  der  Papst 
nicht  einverstanden :  er  bat  wiederholt  und  dringend  um  Entlassung 
seines  Klerikers;  aber  vergeblich;  Pippin  untersagte  diesem  sogar 
den  Verkehr  mit  Rom;  der  Papst  wagte  nicht  zu  widersprechen; 
er  starb,  ohne  dass  Marin  die  Erlaubnis  zur  Rückkehr  erhalten 
hätte.  ^) 

In  dieser  Weise  gestaltete  sich  das  Verhältnis  Pippins  zu  den 
Päpsten:  sie  hatten  keinen  Grund  sich  persönlich  über  ihn  zu  be- 
klagen, im  Gegenteil  er  legte  Gewicht  darauf,  dass  auch  äusser- 
hch  stai-k  hervortrete,  wie  enge  er  den  Päpsten  verbimden  war:  er 
hat  beide  Päpste  zu  Gevattern  gewonnen.')  Aber  er  war  doch 
nicht  niu'  der  stärkere  Bundesgenosse,  mid  deshalb  das  einfluss- 
reichere Glied  im  Bunde.  Sondern  entscheidend  für  ihn  waren 
nur  die  Interessen  der  eigenen  Herrschaft,  nicht  die  der  Kiuie, 
noch  w^eniger  die  Wünsche  oder  Forderangen  seiner  Verbündeten. 
Der  fürchenstaat,  so  wie  er  ihn  gründete,  w^ar  kaum  lebensfähig. 
Man  weiss,  dass  Stephan  die  Vereinigmig  des  gesamten  ehemals 
byzantinischen  Besitzes  in  Itahen  unter  der  päpsthchen  HeiTschaft 
erstrebte:'^)  aber  wie  viel  fehlte,  dass  dies  Ziel  erreicht  wm'de! 
Weder  er  noch  Paul  vermochte  Pippin  je  weiter  zu  drängen,  als 
er  selbst  sich  vorgesetzt  hatte.  Er  entschied  stets  aUein;  damit 
aber  verfiel  der  Verteidiger  unwillkürlich  in  die  Rolle  eines 
HeiTen.  Als  Stephan  über  die  Alpen  zog,  hat  er  diesen  Ausgang 
sicher  nicht  vorausgesehen.  Aber  es  giebt  Situationen,  in  denen 
Persönlichkeiten  und  Verhältnisse  auf  einander  wirken  wie  Natur- 
kräfte: das  Schwergewicht  der  Macht  entscheidet:  man  möchte  von 
Notwendigkeit  reden. 

Wenn  man  im  Auge  behält,  dass  das  Verhältnis  Pippins  zu 
den  Päpsten  sich  in  dieser  Weise  gestaltete,  so  ist  die  Entwicke- 
lung,  welche  die  kirchhchen  Dinge  in  Deutschland  nahmen,  ver- 
ständHch.  Sie  wm-den  nicht  von  Rom  aus  geleitet,  obwohl  eine 
enge  und  dauernde  Verbindung  des  fränkischen  Reichs  und  der 
römischen  Kirche  hergestellt  war.  Die  diu'ch  Bonifatius  begonnenen 
Reformen   wurden   fortgesetzt;    aber  der  Impuls  zu  dem,    was  ge- 


1)  L.  c.  24  S.  529;  25  S.  529 f.;  29  S.  535;  99  S.  653. 

2)  L.  c.  6  S.  488  Stephan  IL;  14  S.  511:  Paul  der  Pate  Gislas. 

3)  Ib.  11  S.  505. 

Hauck,  Kirchengeschichte,   n.    2.  Aufl.  3 


—     34     — 

schall,  fzing  von  «liiii  P'üi-sten  aus.  Zwar  wurde  die  Autorität 
Roms  durchaus  anerkannt:  Pippin  hat  in  einzelnen  Punkten  die 
fränkischen  P'inrichtunfi;en  nach  dem  Vorbild  der  römischen  umzu- 
gestalten vei-sucht :  durch  ihn  zuei-st  ist  d(T  römische  Kirchengesang 
diesst^its  der  Alpen  heimisch  geworden.')  Er  hat  päpstliche  Ge- 
sandte mit  aller  Hochachtung  aufgenommen;  waren  sie  bei  einer 
Keichsveixammlung  anwesend,  so  legte  man  Wert  auf  ihre  Äusse- 
rungen.-) Auch  j)äpstliche  Gutachten  wurden  erbeten  und  beachtet.'^) 
Abel-  in  dem  allen  hegt  doch  keine  wirkliche  Teilnahme  an  der 
Regierung  der  fränkischen  Kirche.     Denn  bei  allen  Anordnungen. 


1)  Caroli  cap.  22,  80  S.  61:  Ut  cantum  Ronianum  pleniter  discant  .  .  . 
secundum  quod  .  .  .  Pippinus  rex  deceitavit  ut  fieret,  quando  Gallicanuin 
tulit  ob  unaniraitatem  apostoHcae  sedis  et  sanctae  Dei  aecleeiae  pacificam 
concordiam.  Vgl.  cap.  30  und  libr.  Carol.  I,  6  (Ale.  ep.  31  ed.  Jaffe  S.  228) : 
Dum  (eccl.  Franc.)  ab  ea  (Rom)  paulo  distaret  ...  in  officiorum  celebra- 
tione  .  .  .  Pippini  regia  cura  et  industria,  sive  adventu  in  Gallias  .  .  .  Ste- 
phani  .  .  .  est  ei  etiam  in  psallendi  ordine  copulata.  Vgl.  Walahfr.  Strab. 
de  exord.  et  incr.  26  S.  84.  Mit  der  Gesaugreform  wird  die  Sendung  eines 
Antiphonale  u.  Responsale  aus  Korn  zusammenhängen  Cod.  Carol.  24  S.  529. 
Ein  römischer  Sangmeister,  Namens  Symeon.  hielt  sich  eine  Zeitlang  im 
fränkischen  Reiche  bei  Remedius  von  Rouen  auf.  Als  er  von  Paul  I.  zu- 
nickberufen wurde,  um  die  Leitung  der  römischen  Gesangschule  zu  über- 
nehmen, sandte  Remedius  etliche  seiner  Mönche  nach  Rom,  um  sie  dort 
ausbilden  zu  lassen  (Cod.  Carol.  41   S.  553  f.) 

2)  Man  vgl.  die  Anwesenheit  römischer  Legaten  auf  der  Reichsver- 
sammlung von  Compiegne.  Wird  bei  ein  paar  Beschlüssen  (c.  14,  16,  20 
S.  38  f.)  bemerkt,  dass  sie  zustimmten,  so  ist  einerseits  klar,  dass  man  auf 
ihre  Zustimmung  Wert  legte,  andererseits,  dass  man  sie  doch  nicht  zu 
bedürfen  glaubte. 

3)  Vgl.  die  responsa  Stephani,  quae  Brittanico  monasterio  dedit  (754 
Mann.  XII.  5.')8  ff.).  Die  Fragen  bezogen  sich  zum  Teil  auf  das  Kborccht. 
zum  Teil  auf  die  Disziplin  der  Kleriker.  Die  letzteren  geben  eine  Vor- 
stellung von  der  Verwilderung  der  fränkischen  Geistlichkeit:  man  hört  von 
einem  Priester,  der  sich  nicht  über  seine  Ordination  ausweisen  konnte, 
gleichwohl  eine  Zeitlang  als  Priester  fungierte,  darauf  den  geistlichen  Stand 
vorlies-s  und  heiratete  (c.  10);  von  andoren,  die  weder  das  Symbol,  noch  das 
Vater-Unser,  noch  die  Psalmen  im  Gedächtnis  hatten  (c.  13),  oder  denen 
die  Taufformel  fremd  war  (c.  14).  Die  Antworten  auf  die  erstere  Reihe 
von  Fragen  sind  deshalb  von  Wert,  weil  sie  zum  Teil  Dinge  betreffen,  die 
alsV)ald  im  friinki.«ichen  Reiche  gesetzlich  geordnet  wurden,  und  zwar  mannig- 
f:irh  iibweirhend  von  den  Erklärungen  Stephans.  Die  Frage  nach  dem 
I{ochte  der  Ehe  bei  geistlicher  Verwandtschaft,  welche  Bonifatius  so  lebhaft 
beschäftigt  hatte  (ep.  82 — 84  S.  282  ff.),  wird  von  Stephan  verneint.  Man 
siebt,  dass  die  gleichlautenden  Entscheidungen  der  Bischöfe  (I.  c.  S.  283) 
im  fränkischen  Reiche  nicht  durchgedrungen  waren  (c.  4). 


—     35     — 

die  man  traf,  pflegte-  man  ganz  selbstständig  zu  handeln :  wie  sie 
ausschliesslich  den  Bedürfnissen  der  fränkischen  Kirche  angepasst 
waren,  so  wurden  sie  ins  Werk  gesetzt  durch  die  landeskirchhchen 
Gewalten,  d.  h.  den  Fürsten  und  den  Episkopat.  Wie  früher  die 
Merowingerkönige,  so  vermittelte  Pippin  den  Verkehr  zwischen  Rom 
und  den  fränkischen  Bischöfen;  wie  sie,  so  erhess  er  Vorscliriften 
über  rein  innerkirchliche  Dinge.  Er  nannte  sich  nicht,  wie  sein 
Sohn,  Leiter  der  Kirche;  aber  er  war  es. 

Die  Jahre  von  753  bis  756  waren  entscheidend  für  die  Stel- 
lung Pippins  zum  Papsttum.  Beinahe  in  die  gleiche  Zeit  fällt 
seine  die  Kirche  betreffende  gesetzgeberische  Thätigkeit.  Sie  knüpft 
sich  an  die  vier  Synoden,  welche  im  Laufe  von  nicht  ganz 
drei  Jahren    stattfanden. i)      Mit    der  ersten,    der  Synode  zu  Ver- 

1)  Über  die  Chronologie  der  Pippin'schen  Synoden  besteht  keine  Über- 
einstimmung. Sicher  ist  das  Datum  der  Synode  zu  Verneuil,  11.  Juli  755, 
und  so  gut  wie  sicher  das  Jahr  der  Versammlung  von  Compiegne  757.  Was 
die  übrigen  anlangt,  so  verlegt  Rettberg  (KG.  D.'s  1  S.  419)  die  Synode  zu 
Verberie  in  das  Jahr  753;  daran  hält  auch  Hefele  fest  (CG.  III  S.  573) 
wogegen  Oelsner  (JB.  S.  455)  unter  Zustimmung  Mühlbachers  (R.J.  81)  sich 
für  756  entscheidet  und  Boretius  sie  dem  letzten  Jahrzehnt  Pippins  zuweist 
(Cap.  R.  Fr.  S.  39).  Von  den  Beschlüssen  von  Verneuil  scheidet  Oelsner, 
dem  Hefele  beistimmt  (CG.  III  S.  590),  c.  13—25,  die  sogen,  petitio  epis- 
coporum,  ab  (S.  468  ff.);  sie  sei  hervorgegangen  aus  den  Beratungen  der 
Herbstsynode  des  Jahres  755;  das  sogen,  capitulare  incerti  anni  (=  cap.  13 
S.  31)  sei  Pippins  Vorlage  für  diese  Synode.  Auch  nach  Boretius  gehört 
das  letztere  in  das  Jahr  755,  wenn  nicht  schon  754.  Was  nun  die  Synode 
von  Verberie  betrifft,  so  giebt  es  für  das  Jahr  753  genau  genommen  gar 
keinen  Grund;  irgend  ein  Ansatz  lässt  sich  nur  gewinnen  durch  den  Ver- 
gleich mit  den  Beschlüssen  von  Compiegne.  Hier  geht  nun  aber  das  urteil 
auseinander:  während  Oelsner  (S.  450)  sagt,  dass  die  Bestimmungen  von 
Compiegne  sich  zum  Teü  an  diejenigen  von  Verberie  anschliessen,  kon- 
statiert Boretius  das  umgekehrte  Verhältnis.  Vergleicht  man  decret.  Comp. 
1_4  ixiit  Verm.  1,  so  scheint  mir  sicher,  dass  Oelsner  im  Rechte  ist.  Das 
letzte  Dekret  zieht  zwei  Fälle,  Verwandtschaft  im  3.  oder  4.  Glied,  in  Be- 
tracht; das  erstere  noch  einen  dritten,  Verwandtschaft  im  3.  und  4.  Glied; 
es  erweist  sich  dadurch  als  das  spätere;  dafür  spricht  auch  die  strengere 
Strafe  (Comp.  4  vgl.  mit  Verm.  1).  Dasselbe  ergiebt  sich  aus  der  Ver- 
gleichung  von  Comp.  18  und  Verm.  12;  die  erstere  Bestimmung  ist  die 
spätere,  weil  genauere:  sie  unterscheidet  die  zwei  Fälle,  dass  die  betreffenden 
Schwestern  mit  Wissen  oder  ohne  Wissen  sich  vergangen  haben,  während 
die  letztere  ohne  Rücksicht  hierauf  die  Straf  bestimmung  trifft.  Ist  hienach 
die  Synode  zu  Verberie  vor  der  zu  Compiegne  abgehalten,  so  andererseits 
höchst  wahrscheinlich  nach  der  von  Verneuil.  Denn  die  Vorrede  der  letz- 
teren nötigt  anzunehmen,  dass  sie  stattfand,  nachdem  längere  Zeit  keine 
Synode  gehalten   worden  war.     Dann  bleibt   als  Jahr  nur  das  von  Oelsner 

3* 


—     36     — 

neuil.M  1 1.  .Iiili  755,  iiiihin  Pippin  wieder  auf,  was  er  elf  Jahre  vorher 
in  Soissons  begouneu  hatte,-)  Ln  Frühjahr  756  sodann  tajijte  in 
Gegenwart  des  Kcinigs  eine  gemeinsame  Versammlung  der  geist- 
hehen  und  welthdien  Grossen;  im  Herbste  folgte  eine  rein  geist- 
liehe Synode  in  Verberie/^)  endhch  im  Jahre  757  der  Tag  zu 
f'ompiegue,"')  che  letzte  Reichs vei-sanmdung  unter  Pippin,  welche 
kii-ehliche  Gesetze  erhess. 

Man  erkennt  die  Weise  Pijjpins  in  dieser  raschen  Folge  von 
Synoden:  er  drängte  vorwärts,  bis  das  erreicht  war,  was  er  für 
nötig  hielt;  dann  hess  er  die  Dinge  sich  ruhig  weiter  entwickeln. 
Von  Anfang  an  aber  wai'  er  entschlossen,  nicht  mehr  zu  wollen, 
als  er  eri'eichen  konnte.    In  dieser  Hinsicht  ist  kein  zweites  Schiilt- 


angenommene.  Stimme  ich  hierin  Oelsner  zu,  so  nicht  in  der  Abtrennung 
der  CO.  13 — 25  von  der  Synode  von  Verneuil.  Der  handschriftliche  Befund 
ist  hier  für  mich  entscheidend.  Dass  die  Worte  des  cod.  Pal.  577  „Deo 
gratias.  Finit''  das  Gewicht  nicht  haben,  dass  ihnen  Oelsner  beilegt,  und 
dass  sich  in  den  übrigen  Handschriften  die  Überschrift  petitio  episcoponim 
nicht  findet,  ergiebt  sich  aus  den  Angaben  bei  Boretius  (S.  25  Anm.  g.). 
Es  erübrigt  die  Frage,  ob  cap.  13  vor  oder  nach  der  Synode  von  Verneuil 
erlassen  ist.  Boretius  verweist  für  seinen  Ansatz  auf  Vernens.  22 :  De  illos 
alios  telloneos  quod  vos  antea  perdonastis;  er  findet  einen  Bezug  auf  cap. 
13,  4.  Dabei  ist  vorausgesetzt,  dass  teloneum  perdonai'e  einen  Zoll  erlassen 
heisst;  so  versteht  auch  Oelsner  (S.  251)  den  Satz.  Aber  perdonare  ist  hier 
als  synonym  mit  donaro  gebraucht  (donati  non  sint)  und  bedeutet  also 
schenken,  wa.s  es  ja  schon  an  und  für  sich  bedeuten  kann.  Die  Meinung 
ist  diinn:  In  Bezug  auf  die  übrigen,  von  Pippin  an  kirchliche  Institute  ver- 
liehenen Zölle  soll  es  so  gehalten  werden,  dass  in  Fällen,  wo  ein  Zoll  ge- 
setzlicherweise nicht  erhoben  werden  darf,  er  auch  nicht  als  verliehen  zu 
betrachten  ist.  Dadurch  sollte  die  Zollbefreiung  der  Pilger  sichergestellt 
worden:  man  sollte  sich  ihnen  gegenüber  nicht  auf  ein  früher  verliehenes 
Zollrecbt  berufen  dürfen,  da  Zölle  von  Pilgern  überhaupt  nicht  erhoben 
werden  sollten.  Ist  dies  richtig,  so  Hegt  in  dem  antea  kein  Bezug  auf 
cap.  13,  4,  und  es  bleibt  Oelsners  Nachweis  im  Recht,  dass  cap.  13  auf  die 
Vemenaische  .Synode  folgte.  Die  Versammlung,  in  der  das  Kapitel  be- 
schlossen wurde,  niuss  im  Frühjahr  756  stattgefunden  haben,  ehe  Pippin 
den  Zug  nach  Italien  antrat.  Denn  unmöglich  ist  das  cap.  eine  königliche 
Vorlage  für  die  Verhandlungen  einer  Synode,  wie  Oelsner  annimmt  (S.  470). 
Das  ist  durch  cap.  5  und  7  ausgeschlossen.  Es  kann  nur  der  Beschluss 
einer  gemischten  Versammlung  sein.  Die  Anwesenheit  Pippins  bei  einer 
aolcben  ist  selbstverständlich. 

1)  Vemus  palatium  publicum:  Verneuil,  Depart.  Oise,  Arr.  Senlis. 

2)  S.  Bd.  I  S.  528  f. 

3)  Vermeria  palatium:    Verberio   in   demselben   Depart.    und  Arr.  wie 
Verneuil. 

4)  Compendium  palatium:  Compicgne  ebenfalls  im  Depart.  Oise. 


—     37     — 

stück  füi'  den  Geist  der  Pippin'schen  Verwaltung  so  charakteristisch 
als  che  Einleitung  zu  den  Beschlüssen  von  Venieuil.  Es  sind 
Worte  der  Bischöfe,  welche  man  liest,  aber  sie  geben,  wie  aus- 
drücklich hervorgehoben  wird,  die  Gedanken  des  Königs  wieder. 
Es  ist  leicht  möghch,  dass  sie  aus  einer  Vorlage  Pippins  an  die 
Synode  einfach  herübergenommen  worden  sind.  Wir  wissen,  dass 
€r  in  Verneuil  anwesend  war  und  an  der  Beratung  und  Festsetzung 
der  Beschlüsse  teilnahm;  von  einer  Bestimmung  ist  ausdrückhch 
bemerkt,  dass  sie  auf  seine  Anordnung  getroffen  wurde. ^)  In  jeuer 
Einleitung  hören  wu-  nun:  Die  Regeln  der  Väter,  die  Normen  der 
Kirche  würden  ausreichend  gewesen  sein,  wenn  sie  üi  Geltung  ge- 
bheben wären.  Aber  allerlei  misshche  Verhältnisse  und  die  un- 
ruhigen Zeiten  führten  dazu,  dass  ihre  Beobachtmig  zum  Teil 
unterbheb.  Peshalb  hat  der  Erankenkönig  Pippin  die  galhschen 
Bischöfe  fast  vollzählig  zu  einem  Konzile  versammelt,  geleitet  von 
dem  Wunsch,  die  kanonischen  Eimüchtungen  einigennassen  wieder- 
herzustellen. Es  ist  im  Augeuljhck  unmöghch,  das,  was  der  Kirche 
Gottes,  wie  er  wohl  einsieht,  widersprechend  ist,  vollständig  zu 
bessern;  doch  will  er  wenigstens  eine  teilweise  Reform.  Werden 
ihm  von  Gott  friedliche  und  ruhige  Zeiten  gewährt,  so  hat  er  den 
Wunsch,  dass  unter  dem  Beistande  der  götthchen  Gnade  die  kirch- 
hchen  Rechte  wieder  vollständig  in  Geltung  treten. 

So  die  Gesinnung,  in  der  Pippin  das  kirchhche  Reformwerk 
von  neuem  begann.  Was  er  erstrebte,  sieht  man  aus  dem  Inhalt 
der  S}Tiodalbeschlüsse.  Das  erste  Ziel  war,  die  bischöflichen  Rechte 
innerhalb  der  Diözesen  in  vollem  Umfang  zur  Anerkennung  zu 
bringen.  Hiebei  knüpfte  er  unmittelbar  an  die  Bestimmungen  von 
Soissons  an.  Und  da  diese  sich  an  die  Thätigkeit  des  Bonifatius 
anschlössen,  so  diente,  was  er  festsetzte,  der  von  jenem  aus- 
gegangenen Reformbewegung.  Aber  dabei  wiu-de  ihre  Richtung 
verändert:  Bonifatius  hatte  bei  seinen  Reformen  den  Bhck  auf  Rom 
imd  auf  die  Gesamtkirche  gerichtet;  jetzt  "wurde  die  Reform  ganz 
in  landeskirchhcher  Beschränkung  gedacht.  Das  zeigt  sich,  wenn 
man  sich  die  Beschlüsse  der  vier  Sjuoden  im  einzelnen  vergegen- 
wärtigt. 

Die  Anordnungen  der  Synode  zu  Verneuil  über  die  Besetzung 
der  Stadtbistümer,  die  Unterweisung  des  gesamten  Diözesanklenis 
unter  den  Episkopat  und  die  Ausschliessung  der  Wanderbischöfe 
mederholten  Sätze  von  Soissons.-)     Doch   schien  jetzt  bereits  eine 

1)  Cap.  6:  Sed  domnus  rex  dicit,  quod  vellit,  ut  etc. 

2)  Cap.  1;  3;  8;  9;  13;  vgl.  Cap.  Suess.  3—5.  Cod.  Carol.  3  zeigt, 
dass  diese  Fragen  Pippin  auch  in  der  Zwischenzeit  beschäftigten;  vgl. 
cap.  3;  4;  8;  10;  15—17. 


—     38     — 

weitergcheude  Regelung  der  Idrchlicheu  Verhiiltuisse  inöglich. 
Denigeniiiss  wurde  vertiigt,  dass  Vakanzen  die  Frist  eines  Viertel- 
jalu-s  niclit  übei-schreiten  sollten,^)  dass  die  Anlage  von  Tauf- 
kiichen.  also  die  Emchtnng  selbstständiger  Parocjiien  von  der 
Zustimmung  des  Bischofs  abhänge  ,  -)  dass  der  Übergang  der 
Kleriker  von  einer  Kirche  zur  anderen  und  von  einem  Bistum  iu 
das  andere  unzulässig  sei,'^)  dass  die  Priester  regelmässig  an  den 
Bistumssynoden  Anteil  zu  nehmen  hätten/)  und  dass  sie  verl)unden 
seien,  vor  dem  geistlichen  Gerichte  Recht  zu  suchen.^)  In  dem 
allen  ist  die  Absicht  unverkennbar,  die  Stellung  der  Bischöfe  zu 
festigen;  man  daif  den  gleichen  Zweck  wohl  auch  in  den  Be- 
schlüssen über  die  Beobachtung  der  Immunitäten ")  und  die  Giltig- 
kcit  der  bischötlicheu  Exkommunikation  ')  suchen.    Wenn  nun  aber 


1)  Cap.  17.     Zu  (Trunde  liegt  der  25.  Kanon  von  Chalcedon. 

2)  Cap.  7. 

3)  Cap.  12  und  21.  Dem  ersteren  liegt  der  20.  Kanon  von  Chalcedon 
zu  Grunde,  der  jedoch  mit  Rücksicht  darauf,  dass  sich  im  fränkischen  Reiche 
zahlreiche  Kirchen  im  Besitze  von  Laien  befanden,  erweitert  ist.  Die  Worte 
des  21.  Kapitels:  Sicut  in  illo  alio  sinodo  dLxistis,  verweisen  wohl  nicht  auf 
irgend  eine  unbekannte  Synode,  sondern  auf  Cap.  Suess.  4:  Unusquisque 
presbyter,  qui  in  parochia  est,  episcopo  obediens  et  subiectus  sit. 

4)  Cap.  8.  Bistumssynoden  waren  der  fränkischen  Kirche  nicht  fremd 
(Conc.  Autiss.  [a.  573—603]  can.  7,  vgl.  Bd.  I  S.  221);  die  letzte  Synode 
vor  Bonifatius,  Auxerre  695  (S.  Bd.  I  S.  388),  zeigt,  dass  man  länger  an 
ihnen  als  an  den  grösseren  Synoden  festhielt. 

5)  Cap.  18.  Wiederholung  des  can.  9  der  3.  karthag.  Synode,  bezw. 
der  Synode  von  Hippo  (393,  Bruns,  Canones  etc.  1  S.  124).  Beigefügt  sind 
die  Worte:  Et  maxime,  ne  in  talibus  causis  inquietudine  domno  rege  faciant. 

6)  Cap.   19. 

7)  Cap.  9.  Verkehr  mit  einem  Exkommunizierten  zieht  Exkommuni- 
kation nach  «ich.  VA  ut  sciatis,  qualis  sit  modus  istius  excommunicationis: 
in  eccleaia  non  debet  intrare,  nee  cum  nullo  christiano  cybum  vel  potum 
sumere;  nee  eius  munera  accipere  debet,  vel  osculum  porregere,  nee  in 
orutione  inngero,  nee  .•<alutare,  antequam  ab  e])iscopo  suo  sit  reconciliatus. 
Zulä-srtigkoit  der  Appellation  an  die  Metropoliten.  Endlich:  Quod  si  aliquis 
ista  omnia  contempserit,  et  episcopus  hoc  minimo  emendare  potuerit,  regis 
iadioio  exilio  condamnetur.  Das  Kapitel  wiederholt  Beschlüsse  älterer 
fränki.scher  Synoden  (s.  Turon.  [567]  can.  8  S.  124;  Autiss.  [a.  573—603] 
ran.  38  f  S.  182  f.;  Remens.  [c.  a.  625]  can.  5  S.  203).  Es  genügt  nicht, 
mit  Oellner  (JB.  S.  227)  an  Cod.  Carol.  3.  2  S.  481  zu  erinnern.  In  Bezug 
auf  die  Verbannung  vorweist  Oelsner  darauf,  dass  diese  den  Pönitential- 
büchern  nicht  fremd  ist;  es  ist  doch  ein  Unterschied;  denn  sie  kennen  sie 
nur  als  eine  von  der  Kirche  aufgelegte  Busse,  während  sie  hier  als  eine 
vom  König  verhängte  Strafe  in  Betracht  kommt. 


—     39     — 

hiebei    als  "letzte  Instanz    über    den  Bischöfen   der  König  zu  ent- 
scheiden hat,  so  war  offenbar  der  Gedanke  der  Landeskirche  mass- 
gebend:   man    kannte    keine  jenseits   der  staatlichen   Grenzen   ge- 
legene geisthche  Gewalt.     Noch  ein  anderer  Punkt  ist  bemerkens- 
wert.    AVir  erinnern   uns,   dass  Pippin   auf  die  Durchführung  der 
Metropolitan  Verfassung  verzichtet  hatte.  ^)     Indem  man    das  kirch- 
liche Strafrecht  sicherstellen   wollte,    ergab   sich  die  Notwendigkeit 
einer    geisthchen    Appellationsinstanz    über    den    Bischöfen.      Von 
diesem  Punkte    aus    wurde    man    zu  der  Einsicht  gedrängt,    dass 
Metropoliten  nicht  zu  entbehren  seien.    Aber  Pippin  sah  auch  jetzt 
davon  ab,    die  alten  Sprengel,    und  damit  die  alte  feste  Ordnimg 
zu  erneuem;   er  begnügte  sich,  ethche  Bischöfe  in  vicem  metropo- 
litanorum    zu   bestellen,    und  forderte  Gehorsam   gegen    sie   bis  zu 
besserer  Regelung  der  Angelegenheit.-).     Dass  hier  nur  eine  pro- 
visorische Ordnung    getroffen    ward,    bheb  nicht   ohne   Folgen   bei 
dem  Versuch,   das  Synodalwesen  wieder   zu  beleben:   Zweimal  im 
Jahi-e  sollten  Synoden  zusammentreten;   man  konnte   sie  nicht  als 
Versammlungen  der  Bischöfe  einer  kirchhchen  Provinz  konstituieren ; 
vom  landeskirchhchen  Gesichtspunkt  beheiTScht,   schuf  man  Reich- 
synoden.    Die  erste,  im  März  vom  König  berufen,  sollte  in  seiner 
Gegenwart  tagen,    die  zweite  im  Oktober  in  Soissons   oder  einem 
anderen  eigens  bestimmten  Ort.    Während  bei  jener  die  sämtlichen 
Bischöfe  des  Reichs  anwesend  sein   sollten,    hatten   an   dieser    nur 
die   interimistischen  Metropohten   und    andere  von  ihnen  geladene 
Kleriker  teilzunehmen.     Die   Herbstsynoden  waren  demnach   Ver- 
sammlungen kirchhcher  Notabelu,  ohne  Zweifel  bestimmt,  die  Be- 
schlüsse der  Frühjahrssynoden  vorzubereiten.  =^) 

Ein  weiteres  Ziel  der  Synode  von  Verneuil  war  Ordnung  des 
Mönchtums.  Bischöfe  und  Synoden  wurden  zm-  Reform  der  Klöster 
verpflichtet;    man    meinte  so   durchgreifende   Massregeln,    wie   Ab- 

1)  S.  Bd.  I  S.  550  f. 

2)  Cap.  2:  Episcopos  quos  in  vicem  metropolitanorum  constituimus, 
ut  ceteri  episcopi  ipsis  in  Omnibus  oboediant  secundum  canonicam  institu- 
tionem,  interim  quod  secundum  canonicam  constitutionem  hoc  plenius  emen- 
damus.  Die  Annahme  von  Oelsner  (JB.  S.  222),  dass  diese  Bestellung  kurz 
vor  der  Synode  stattgefunden  habe,  scheint  mir  weniger  einfach  als  die 
andere,  dass  die  Synode  selbst  sie  vornahm.  Cap.  4:  Quos  modo  consti- 
tuimus, nötigt  nicht  zu  Oelsners  Annahme ;  denn  modo  kann  sich  ebensogut 
auf  die  Gegenwart  als  auf  die  nächste  Vergangenheit  beziehen;  vgl.  praeL 
S.  33:  Facultas  modo  non  suppetit. 

3)  Cap.  4.  Massgebend  sind  auch  hier  die  älteren  fränkischen  An- 
schauungen; vgl.  Bd.  1  S.  162ff.;  506;  529,  und  über  die  abweichenden  Ge- 
danken des  Bonifatius  ib.  S.  554  ff. 


—     40     — 

Setzung  wiiliTstrobonder  Äbte,  nicht  vermeiden  zu  könnend)  Wur- 
den die  Bisohüte  als  hiezu  liefugt  erkliiii:,  so  konnten  sie  doch  einen 
neuen  Aht  nur  mit  Zustimnumg  des  Königs  einsetzen.'-)  Die 
Mönche  sollten  an  das  Kloster  gebunden  sein,  in  welchem  sie  ihr 
Gelübde  abgelegt  liatten.  i\Ian  gestattete  ihnen  nur  in  dem  Fall  den 
Übergang  in  eine  andere  Mönchsgenossenschaft,  dass  das  Kloster, 
dorn  sie  angehörten,  an  einen  Laien  kam.^)  Zum  zeitweiligen  Ver- 
lassen sollte  zwar  die  Erlaubnis  des  Königs,  den  Hof  zu  besuchen, 
nicht  aber  eine  Walltahrt  nach  Rom  berechtigen.'*)  Dass  man  dem 
fi-eien  Asketentum  entgegentrat,'^)  ist  begi-eithch. 

Neben  dem,  was  zur  Organisation  der  Hierarchie  und  Hebung 
des  Mönchtums  geschah,  treten  die  Massregeln  zurück,  welche  zur 
Förderung  der  allgemeinen  Sittlichkeit  dienen  sollten.  Das  Wich- 
tigste ist,  dass  man  den  Beschluss  eines  früheren  fr-änkischen  Kon- 
zils, der  dritten  S^Tiode  von  Orleans,  über  die  Sountagsfeier  wört- 
hch  wiederholte,  und  dass  man  öffentlichen  A})schluss  der  Ehen 
forderte.")  In  Hinsicht  des  Klerus  beschränkte  man  sich  auf  eine 
nachdrückliche  Erklärung  gegen  die  Simonie  und  auf  das  Verbot 
wcltlirlid-   ( leschäfte. ') 

1)  Cap.  5;  6;  20.  Das  letztere  Kapitel  fordert  Kechnungisablage  an 
den  König  oder  Bischof,  je  nachdem  das  Kloster  königlich  oder  bischöflich 
ist.  Der  Satz  beginnt:  In  illo  alio  sinodo  nobis  perdonastis,  ut  illa  mona- 
steria,  ubi  regulariter  monachi  vel  monachas  vixerunt,  ut  hoc  quod  eis  de 
illas  res  demittebatis  unde  vivere  potuiesent,  ut  exinde  etc.  Boretius  be- 
merkt dazu:  Huius  eynodi  canones  hodie  non  exstant.  Wie  mich  dünkt, 
liegt  auch  hier  ein  Bezug  auf  die  Synode  von  Soissons  vor.  Cap.  3:  De  rebus 
eccle.siasticis  subtraditis  monachi  vel  ancillas  Dei  consolentur,  usque  ad 
illorum  nccessitati  satisfaciant. 

2)  An  Stelle  des  abgesetzten  Abts  ist  per  verbum  et  voluntatem  domno 
rege  vel  consensu  servorum  Dei  ein  neuer  zu  wählen.  Hefele  (CG.  III 
S.  588)  erklärt:  »Unter  Zustimmung  der  Bischöfe";  mir  scheint,  dass  viel- 
mehr an  die  Mönche  zu  denken  ist ;  die  Bischöfe  wählen  ja.  —  Dass  auch 
hier  die  im  fränkischen  Reiche  von  Anfang  an  heimische  Anschauung  fest- 
gehalten wurde,  ohne  dass  das  Vorbild  des  Bonifatius  Nachahmung  fand, 
braucht  kaum  hervorgehoben  zu  werden.     Vgl.  Bd.  I  S.  234  f.  und  566. 

3)  Cap.  10. 

4)  Cap.  6  und  10.  Waren  den  M<".nrhen  Romwiillfahrton  schlechthin 
Vorboten,  .so  unterstützte  man  im  übrigen  die  l'ilger  durch  Gewährung  der 
Zollfreiheit  (cap.  22). 

5)  Cap.  1 1 . 

6)  Cap.  14;  vgl.  Aurel.  III  (a.  538)  can.  31  S.  82,  vgl.  Bd.  I  S.  213; 
cap.  15.  Oelsner  (JB.  S.  219)  überschätzt  die  Synode,  indem  er  sagt,  es 
flollt«  das  gesamte  religiöse  Leben  der  Nation  neugestaltet  werden. 

"1  r.n.    21   und   IR;   Ipt/toros  nach  Conc.  Chalc.  can.  3. 


—     41     — 

Die  ^iTüijahrss\Tiode  des  Jahi'es  756  baute  an  dem  in  Ver- 
neuil  begonnenen  Werke  fort,  indem  sie  eine  Frage  zu  entscheiden 
unternahm,  die  längst  auf  der  Tagesordnung  stand,  die  man  aber 
in  Yerneuil  nur  eben  berührt  hatte, ^)  die  Frage  der  verbotenen 
Ehen.  Wii-  wissen,  wie  weit  in  dieser  Sache  die  fränkischen 
ßechtsanschauungen  und  die  kirchlichen  Vorschriften  auseinander- 
gingen.') Die  letzteren  waren  im  Jahre  747  von  Papst  Zacharias 
auf  Anlass  Pii^pins  in  ihrer  ganzen  Schärfe  formuliert  worden,"^) 
aber  die  ersteren  waren  gleichwohl  in  ungestörter  Geltung  geblieben. 
Jetzt  erst  legte  man  Hand  an,  das  iränkische  Eherecht  den  kirch- 
hchen  Normen  anzunähern.  Dabei  blieb  man  weit  hinter  dem 
zurück,  was  Zacharias  gefordert  hatte:  man  verbot  nur  die  Ehe  in 
den  drei  nächsten  Verwandtschaftsgraden,  die  mit  Nonnen  und  die 
zwischen  geistlich  Verwandten.^)  Statt  auf  die  Höhe  der  Forderung 
legte  Pippin  den  Nachdruck  auf  die  strenge  Bestrafung  der  Über- 
tretungen.'^) Wie  sch^\derig  die  Regelung  der  Angelegenheit  war, 
sieht  man  daraus,  dass  auch  die  beiden  nächsten  Versammlungen 
sich  vornehmlich  mit  ilu'  beschäftigten:*^)  man  hatte  gewisse  Ehen 
imter  schweren  Strafen  verboten;  nun  musste  man  Bestimmungen 
daniber  treffen,  vde  mit  den  früher  geschlossenen  iacestuosen  Ehen 
zu  verfahren  sei; ')  noch  eine  Anzahl  anderer  Fragen  war  zu  ent- 
scheiden.^) Nirgends  sind  die  Grundsätze  ausgesprochen,  von  welchen 


1)  Cap.  9.     Vgl.  auch  Suess.  c.  9. 

2)  Vgl.  Löning,  G.  d.  d.  KR.  II  S.  542  ff. 

3)  Cod.  Carol.  3  c.  22  S.  485;  s.  o.  S.  10  Anm.  4. 

4)  Letzteres  ein  Zugeständnis  an  die  kirchlichen  Forderungen;  vgl. 
Cod.  Carol.  1.  c;  Resp.  Steph.  4  Mans.  XII,  559. 

5)  Cap.  Xni.  1—3. 

6)  Von  den  Beschlüssen  von  Verberie  beziehen  sich  nicht  auf  Ehesachen 
c.  4  (die  Nonne  muss  im  Kloster  bleiben,  wenn  sie  nicht  wider  ihren  oder 
ihres  Mannes  Willen  in  das  Kloster  kam),  14  (Wanderbischöfen  steht  das 
Ordinationsrecht  nicht  zu),  15  (ein  degradierter  Priester  darf  die  Nottaufe 
vollziehen),  16  (Kleriker  dürfen  keine  Waffen  tragen).  Von  den  Kapiteln 
von  Compiegne  c.  12  (die  Taufe  durch  einen  nicht  getauften  Priester  ist, 
wenn  formell  richtig  vollzogen,  giltig),  5  und  14  (Wiederholung  von  Verm.  4). 

7)  Verm.  1 ;  Comp.  1 — 3.  Bei  Verwandtschaft  im  dritten  Glied  wurde 
die  Ehe  aufgelöst;  bei  dem  vierten  Glied  wurde  sie  geduldet. 

8)  Dass  die  thatsächlichen  Verhältnisse  zu  weiteren  Bestimmungen 
führten,  ergiebt  sich  aus  der  Form  von  Comp.  9.  Oelsner  erinnert  (JB. 
S.  312)  treffend  auch  an  den  Brief  des  Bischofs  Megingoz  an  Lul  (Bonif. 
etc.  ep.  134  S.  420).  Derselbe  ist  wichtig,  weil  er  zeigt,  wie  ratlos  der 
Einzelne  den  V'erhältnissen  gegenüberstand,  und  weil  er  beweist,  dass  die 
Abweichung  von  den  römischen  Forderungen  den  Ansichten  des  fränkischen 
Episkopats  Entsprach. 


—     42     — 

man  sidi  leiten  liess;  doch  treten  sie  bestimmt  genug  hervor.  Vor 
allenj  sah  man  in  der  Ehe  eine  Verhiiuhing,  die  niu'  dann  zu  Recht 
l)esteht,  wenn  beide  Teile  völhg  freiwillig  auf  sie  eingegangen  sind: 
eine  erzwungene  Ehe  ist  keine  Ehe.^  Von  der  sittlichen  Hoheit 
dieser  Verbindung  wai'  man  so  überzeugt,  dass  man  eine  geschän- 
dete Ehe  nicht  ertragen  konnte:  sie  musste  gelöst  werden.-)  Darunter 
sollte  jedoch  der  Unschuldige  nicht  leiden:  ihm  war  in  diesem  Fall 
wie  überhaupt  die  Wiederverheiratung  gestattet.^)  Man  achtete 
die  Ehe  als  eine  so  innige  Gemeinschaft,  dass  sie  die  Kluft,  welche 
Freie  und  Sklaven  trennte,  überbrücken  könne. ^)  Und  doch  war 
sie  nicht  d;is  höchste  Gemeinschaftsv(»rhältnis,  das  man  kannte: 
über  ihr  stand  das  Verhältnis  des  Lehensträgers  zum  Lehens- 
herrn,'') 

Wir  irren  wohl  nicht,  wenn  wir  in  cheser  Bem-teiluug  der  Ehe 
deutsche  Anschauungen  wirksam  finden.  Auch  indem  man  sich  in  ge- 
wissem Masse  den  Ordnungen  fügte,  Avelche  sich  in  der  römisch-christ- 
lichen Welt  gebildet  hatten,  und  welche  man  den  Deutschen  als  gött- 
liches Gebot  vorhielt,  vermochte  mau  nicht  auf  das  Nationale  ganz 
zu  verzichten.    Des  Unterschieds  war  man  sich  klar  bewusst:  man  be- 


Ij  Verm.  6;  13;  Comp.  6;  7.  —  Verm.  8  bildet  nur  einen  schein- 
baren Wider.spruch:  der  Freigelassene  wird  als  durch  den  freiwilligen  Um- 
gang mit  der  Magd  bereits  gebunden  betrachtet. 

2)  Verm.  2;  10—12;  18;  Comp.  10;  11;  13;  18.  Gestattet  war  die 
Lösung  der  Ehe,  wenn  die  Frau  dem  Manne  nach  dem  Leben  stellte 
(Verm.  5).  Dass  die  Ehe  auch  durch  gegenseitige  Übereinkunft  aufgelöst 
werden  konnte,  zeigt  Formul.  Turon.  19  S.  145:  Placuit  utrisque  volun- 
tatibua,  ut  se  a  consortio  coniugali  separare  deberent,  quod  ita  et  fecerunt. 

3)  Verm.  2;  3;  9;  10;  11;  17;  18;  Comp.  11;  13;  17;  18.  Wie  mich 
dünkt,  widerlegen  diese  Bestimmungen  Rettbergs  (KG.  D.'s  II  S.  757  f.) 
Annahme,  dass  diese  ganze  Gesetzgebung  der  Absicht  diene,  die  Ehe  mög- 
lichst zu  erschweren.  Die  Abweichung  von  den  römischen  Grundsätzen,  die 
in  ihnen  liegt  (siehe  S.  43  Anm.  1),  beweist,  dass  das  nicht  die  Absicht  war. 

4)  Die  Resp.  Steph.  1  wiederholen  den  bekannton  Ausspruch  Leos 
d.  Gr.,  wonach  P^hen  mit  .Sklaven  an  sich  nichtig  sind:  Ancillam  a  toro 
abicere  et  uxorem  certae  ingenuitatis  accipero  non  duplicatio  coniugii  sed 
profectuH  est  honestatis.  Verm.  7  giebt  eine  analoge  Bestimmung,  fügt  aber 
hinzu:  Sed  melius  est  suam  ancillam  tenere;  vgl.  c.  8;  13:  Qui  seit  uxorem 
Buam  ancillam  esse  et  accepit  eam  voluntarie,  semper  postea  permaneat 
cum  ea;  c.  20.     Compend.  8. 

5)  Der  Lebensmann  muss  dem  ins  Ausland  ziehenden  Uorrn  folgen, 
cui  fidem  mentiri  non  poterit.  Weigert  sich  die  Frau,  amore  parentum  aut 
rebus  suis  zu  folgen,  so  wird  sie  nicht  genötigt;  nur  muss  sie  unverheiratet 
bleiben;  dagegen  steht  es  dem  Manne  frei,  wieder  zu  heiraten  (Verm.  9; 
vgl.  Compend.  9). 


—     43     — 

merkte  bei  einer  der- Verfügungen,  dass  die  Kirche  sie  nicht  an- 
erkenne; Gesetzeskraft  hatte  sie  gleichwohl.^) 

Seit  dem  Jahre  757  nihte  die  gesetzgeberische  Thätigkeit 
Pippins;  er  erstrebte  keinen  Abschluss  seiner  Reformgesetze ;  es  lag 
ihm  mehr  an  der  Durchführung  des  Beschlossenen. 

Man  hat  vermutet,  dass  unmittelbar  nach  seiner  Erhebung  zum 
König  die  im  Jahre  744  zu  Soissons  zugesagte  Sicherstellung  des 
kirchlichen  Besitzes  von  neuem  angeordnet  wurde.-)    Das  ist  wahr- 


1)  Verm.  18:  Qui  cum  consobrina  uxoris  suae  manet,  sua  careat  et 
nullam  aliam  habeat.  lUa  mulier  quam  habuit  faciat  quod  vult.  Hoc  aecclesia 
non  recipit.  Auch  Verm.  17  steht  im  Widerspruch  mit  der  Resp.  Steph.  2 
ausgesprochenen  Anschauung;  unter  Zustimmung  des  römischen  Gesandten 
wurde  eine  Abänderung  dieses  Beschlusses  vorgenommen  (Comp.  20);  allein 
diese  Änderung  traf  das  Wesentliche  der  Sache  nicht ;  denn  auch  iru  zweiten 
Beschluss  ist  vorausgesetzt,  dass  bei  zugestandener  Verweigerung  der  ehe- 
lichen Pflicht  die  Ehe  aufzulösen  ist.  Löning  (G.  d.  d.  KR.  II  S.  590)  ver- 
steht die  Bestimmung  anders.  Besonders  die  prinzipielle  Erlaubnis  der 
Wiederverheiratung  für  den  unschuldigen  Teil  steht  gegenüber  der  prin- 
zipiellen Versagung  derselben  (Cod.  Carol.  3  c.  7  und  .12  S.  482  f.;  Resp. 
Steph.  5). 

2)  So  Waitz,  VG.  III  S.  68  Anm.  1,  auf  Grund  der  Notiz  der  Ann. 
Alam.  (Guelf.  Nazar.)  z.  J.  751:  Res  ecclesiarum  descriptas  atque  divisas; 
vgl.  Ann.  Bertin.  z.  J.  749.  Oelsner  (JB.  S.  10)  bezieht  die  Notiz  nur  auf 
ein  lokales  Faktum,  Gütereinziehungen  in  Alamannien  durch  die  Grafen. 
Ribbeck  (D.  s.  g.  Divisio  des  fränkischen  Kirchenguts  [Berlin  1883]  S.  65  ff.) 
sieht  in  der  Notiz  der  Ann.  Bertin,  die  Überlieferung  eines  Ereignisses  von 
hervorragender,  das  ganze  Reich  umfassender  Wichtigkeit:  bis  zum  Jahre 
751  sei  in  den  Bistümern,  die  auf  dem  Reichstage  von  Soissons  kanonische 
Bischöfe  erhalten  hatten,  die  Verwaltung  des  Vermögens  von  der  des  geist- 
lichen Amts  getrennt  geblieben;  als  aber  in  diesem  Jahre  in  mehreren 
Stiftern  beides  wieder  vereinigt  wurde,  habe  man  sich  nicht  auf  die  Um- 
wandlung der  entfremdeten  Güter  in  precariae  verbo  regis  beschränkt, 
sondern  ein  Drittel  oder  die  Hälfte  der  Güter  der  wirklichen  Disposition 
des  Bischofs  zurückgegeben.  Dagegen  versteht  Ribbeck  die  Nachricht  der 
Ann.  Alam  etc.  wie  Oelsner,  mit  dem  Unterschiede,  dass  er  nicht  an  lokale, 
sondern  allgemeine  Einziehung  denkt:  in  völlig  geordnetem  Verfahren  seien 
Einziehung  und  Restitution  neben  einander  hergegangen.  Je  wichtiger  bei 
dieser  Ansicht  die  Notizen  sind,  um  so  unbegreiflicher  erscheint  es,  dass 
die  frühesten  Berichterstatter  von  den  Vorgängen  zum  Teil  nur  halbe,  zum 
Teil  keine  Kunde  geben:  von  der  Restitution  berichtet  ja  nur  ein  Bericht- 
erstatter d.  9.  Jahrh.'s  (Ann.  Bertin.).  Um  so  unbegreiflicher  ist  es  auch, 
dass  sich  von  der  Ausführung  der  doppelseitigen  Massregel  Pippins  kaum 
eine  Spur  fiachweisen  lässt.  Ich  vermag  deshalb  in  der  Angabe  der  Ann. 
Bertin.  nur  eine  bereits  sagenhaft  umgestaltete  (Hereinziehung  des  Boni- 
fatius)  Wiedergabe  der  Thatsache  zu  erkennen,  dass  unter  Pippin  ziemlich 


—     44     — 

f^cheiulioh.  wenn  auch  nicht  geA\iss;  dagegen  ist  sicher,  dass  wäh- 
rend seiner  Regierung  zahh'eiche  entfremdete  Kirchengüter  zurück- 
gegeben wurden.')  Überhaupt  kann  er  nicht  karg  gegen  die  Kirche 
gewesen  sein.  Die  Biscliüfe  hatten  das  Vertrauen,  dass  die  könig- 
hche  Vntei-stützung  anueu  Stiftungen  nicht  fehlen  werde.-)  Er 
selbst  legte  A\'ei-t  darauf,  als  Beschützer  des  Kirchenguts  anerkannt 
zu  sein:  unter  den  Gründen  für  den  aquitanischen  Krieg  wird  die 
Schädigung  der  Kirchen  durch  Waifar  angeführt.-') 

AVar  es  schon  ein  Gewinn,  dass  die  ^\^llkürlichen  Verfügungen 
über  das  Kircheugut  wenn  auch  nicht  unterblieben,  so  doch  ein- 
geschränkt wui'den,  so  war  noch  wichtiger,  dass  in  die  Besetzung 
der  Bistümer  ^vieder  eine  gewisse  Stätigkeit  kam;  länger  dauernde 
Vakanzen  hörten  auf.  So  lückenhaft  die  Bischofsreihen  für  diese 
Zeit  teilweise  noch  sind,  so  giebt  es  doch  kein  deutsches  Bistum, 
von  dem  nicht  ein  oder  der  andere  Bischof  aus  Pippins  Regiei'ungs- 
zeit  bekannt  wäre. 

Fiü-  ^lainz  hatte,    \ne    wii-    sahen,    Bonifatius    dui'ch   die  Er- 


weitgehende Restitutionen  erfolgten,  wogegen  die  Angabe  der  Murbacher 
Annalen  (Ann.  Guelf. :  Res  ecclesiarum  descriptae,  quae  et  divisae)  mir 
allerdings  darauf  zu  führen  scheint,  dass  in  dieser  Zeit  eine  Anordnung 
erging,  welche  das  Besitzrecht  der  Kirche  an  das  in  Laieuhänden  beßnd- 
liche  Kirchengut  sicherstellen  sollte:  es  handelte  sich  um  eine  Verzeich- 
nung der  Kirchengüter,  welche  auch  verteilt  waren.  Mehr  beweisen  die 
Vorgänge  in  Le  Mans,  auf  die  sich  Ribbeck  S.  69  f.  bezieht,  nicht. 

ll  Kin  Beispiel  bietet  St.  Denis,  wo  mit  dem  Amtsantritt  Fulrads  die 
Rückforderungen  des  entfremdeten  Be^sitzc8  beginnen;  die  ersten  Entschei- 
dungen zu  Gunsten  des  Klosters  fallen  noch  in  die  letzten  Jahre  Childe- 
richs  III.  (B.M.  56,  57,  58);  in  zwei  Fällen  handelt  es  sich  um  Güter,  welche 
in  den  Besitz  anderer  Stiftungen  gekommen  waren,  im  dritten  (Nr.  58)  um 
Güter  in  elf  verschiedenen  Gauen;  Fulrad  wollte  oftonl)ar  von  Anfang  an 
reine  Bahn  .schatfen.  Gleichwohl  gehen  die  Rückgaben  noch  fort:  1.  Miirz 
752  (Nr.  63),  754  (Nr.  74',  766  (Nr.  101).    Vgl.  auch  Ribbeck  a.  a.  0.  S.  73  ff. 

2)  Conc.  Vern  c.  6:  Si  aiiqua  monasteria  sunt  qui  eorum  ordinem 
propter  paupertatem  adimplere  non  potuerint,  hoc  ille  episcopus  de  veri- 
tate  praevideat  et  hoc  domno  rege  innotescat.  ut  in  sua  elimosina  hoc 
emendare  faciat. 

8)  Fredeg.  cont.  41  S.  1H6;  Ann.  Lauriss.,  Einh.  z.  .1.  760.  Doch  ist 
zu  bemerken,  daas  Entfremdungen  auch  unter  Pippin  vorkamen.  Das  ist 
in  Bezug  auf  die  Kostnitzer  Diözese  zweifellos  (Walahfr.  V.  Gall.  II,  15 
S.  24:  Vit.  Otmari  4  S.  43),  vgl.  was  Gest.  abb.  Font.  15  S.  44  über  den 
von  Pippin  zum  Abte  von  St.  Wandrille  ernannten  Laien  Wido  erzählt 
wird.  Auch  Iiul  von  Mainz  hatte  über  Beraubungen  zu  klagen  (Bonif.  etc. 
ep.  111  S.  399i;  über  Weomad  von  Trier  .-i.  u.  S.  51  Anni.  3.  Vgl.  Oelsner, 
JB.  8.  7  f.,  und  Ribbeck  a.  a.  0.  S.  70  ff. 


—    45     — 

liebung  Luis  Sorge  getragen.^)  Mau  begreift  die  volle  Sjinpathie, 
welche  zwischen  beiden  Männern  heiTschte;  denn  mancher  Zug, 
der  dem  Lehrer  eignete,  findet  sich  bei  dem  Schüler  wieder.  So 
ü'euhch  wie  Bonifatius  hing  Lul  an  der  Heimat;  sorgsam  pflegte 
er  che  Gemeinschaft  mit  der  enghschen  Kirche;  sein  Briefwechsel 
mit  ihi'en  Bischöfen  war  kaum  minder  lebhaft  als  der  des  Boni- 
fatius: die  Erzbischöfe  Cudberht  und  Bregowin  von  Canterbury, 
Alkuins  Lehrer  Aelljert  von  York,  die  Bischöfe  Milret  von  Wor- 
cester  mid  C}'iiehai'd  von  Winchester  waren  unter  seinen  Korre- 
spondenten.-) Man  hat  den  Eindruck,  dass  er  zu  ihnen  in  einem 
vertrauteren  Verhältnisse  stand  als  zu  seinen  fränkischen  Amts- 
genossen; denn  wälu-end  er  das  Martyiium  des  Erzbischofs  sofort 
nach  England  meldete,  um  die  jährhche  Feier  seines  Todestags  zu 
veranlassen,  wissen  wir  von  einer  gleichen  Mitteilung  an  den  frän- 
kischen Episkopat  nichts.'^)  Mit  Cudberht,  Cynehard  und  Älilret 
stand  er  längst  in  einem  Gebetsvereine,*)  ehe  er  einer  ähnhchen 
Verbindimg  fränkischer  Bischöfe  beitrat.'^)  Wenn  die  fi-änkischen 
Verhältnisse  ihn  bediiickten,  so  erleichterte  er  sein  Herz,  indem  er 
seine  Sorgen  und  Klagen  vor  seinen  enghschen  Kollegen  aus- 
schüttete.**) Auch  daiin  bemerkt  man  das  Vorbild  des  Bonifatius, 
dass  Lul  sich  des  Eingi'eifens  in  che  politischen  Dinge  konsequent 
entliielt.')  Wie  hätte  es  anders  sein  können?  denn  auch  er  war 
beheiTscht  von  der  asketischen  Anschauimg  des  Lebens,  die  ge- 
neigt   war,    selbst    in    kh-chhchen    Würden    welthche    Grösse    zu 


1)  Vgl.  Bd.  I  S.  470  ff.;  568. 

2)  Über  die  englischen  Korrespondenten  Luis  handelt  mit  erschöpfender 
Gründlichkeit  und  in  anziehender  Form  Hahn,  Bonifaz  und  Lul  S.  256  ff. 

3)  Wir  besitzen  die  Antwortschreiben  Cudberhts  und  Milrets  in  der 
Briefsammlung  des  Bonifatius  (ep.  111  f.  S.  397  ff.),  dagegen  keine  Antwort 
eines  fränkischen  Bischofs.  Lul  scheint  zur  jährlichen  Feier  des  Todestags 
aufgefordert  zu  haben  (s.  S.  399). 

4)  Ep.  111  S.  399:  Quod  iam  olim,  vivente  venerandae  memoriae  Boni- 
facio .  .  aeque  conditum  esse  constat,  id  ipsum  semper  renovare  ad  invicem 
satis  necessarium  ducimus;  hoc  est:  ut  mutuae  pro  nobis  nostrisque  et  hie 
viventibus  et  hinc  obientibus  interpellationes,  orationes,  missarumque  reme- 
dia  .  .  agantur;  vgl  112  S.  401;  114  S.  403;  1-38  S.  423. 

5)  Totenbund  von  Attigni  (s.  u.). 

6)  Ergiebt  sich  aus  ep.  111  S.  399. 

7)  Die  Vermutung  Hahns  (B.  und  L.  S.  255),  Lul  habe  vielleicht  bei 
Abschluss  der  Verträge  Pippins  mit  Stephan  H.  über  die  Verhältnisse  der 
römischen  Kirche  mitgewirkt,  halte  ich  für  unwahrscheinlich,  wenn  bei  dieser 
Mitwirkung  an  mehr  gedacht  ist,  als  an  die  mögliche  Teilnahme  an  Be- 
ratungen. 


-     46     — 

sehen.')  Seine  Arbeit  galt  seiner  Diözese.  Dabei  erwiesen  sich  seine 
Bezieluingen  zu  der  enghschen  Kirche  als  wertvoll;  es  war  ihm  mög- 
lich, tnsche  Arbeitskräfte  aus  (lei-selben  zu  gewinnen;-)  noch  waren 
die  Zustände  im  Mainzer  Sprengel  nicht  so  gefestigt,  dass  er  sie 
hättr  entbehren  können.  Freilich  machten  die  Landsleute  ihm  mit- 
unter auch  Sorgen ;  nuinche  machten  die  Fremde  aufsuchen,  da  sie 
sich  den  kirchlichen  Ordnungen  nicht  fügen  wollten.")  Doch  fehlte 
es  Lul  nicht  an  INfut  und  Kraft,  dem  Unrecht  energisch  entgegen- 
zutreten.'') Überhaupt  war  er  zur  Leitung  eines  kirchlichen  Sprengeis 
geeignet;  er  vei-stand  die  Kunst,  Vorgänge,  die  alle  bewegten,  in 
gottesdienstlichen  Handlungen  ausklingen  zu  lassen  i'"*)  er  suchte 
religiös  zu  wirken,  indem  er  die  Gedanken  seiner  Diözesanen  auf 
Tod    lind    Jenseits    richtete:    wir    hören    gelegentlich    von    einem 


1)  Ep.  92  S.  379.  Anlässlich  der  Erhebung  Gregors  zum  Abte  von 
St.  Salvator  in  Utrecht  spricht  Lul  von  temporalis  potestas  et  terrestris 
dicio,  qua  auctore  Deo  iam  nunc  uteris.  Wie  ungefährlich  diese  irdische 
Herrlichkeit  war,  zeigt  der  Scherz  Alkuins,  der  über  Gregors  Nachfolger 
Alberich  als  vaccipotens  praesul  ppottet,  dessen  Gäste  nur  Honig,  Mehlbrei 
und  Butter  vorgesetzt  erhalten  (carm.  4  v.  7  tf.  S.  221). 

2)  Ep.  138  S.  423.  Wie  eng  die  eingewanderten  Angelsachsen  zu- 
sammenhielten, ergiebt  sich  z.  B.  daraus,  dass  Lioba  sich  vor  ihrem  Tod 
von  einem  englischen  Priester,  Torahtbraht,  das  h.  Abendmahl  reichen  liess 
(V.  Liob.  21  S.  130). 

3)  Ep.  110  S.  396  f.  beklagt  sich  Lul  über  zwei  Priester,  Willefrith 
und  P^nraed.  Dem  Namen  nach  ist  der  letztere,  wahrscheinlich  auch 
der  erstere,  ein  Angelsachse.  Willefrith  hatte  Enraed  ohne  die  Zu- 
stimmung Luis  in  die  Mainzer  Diözese  gezogen,  ein  Verstoss  gegen  Vem. 
c.  8.  Beide  hatten  sich  ausserdem  am  Kirohengut  vergriffen.  Die  Vor- 
stellung ist  nicht  adressiert.  Jaöe  betrachtet  sie  als  nach  Rom  gerichtet; 
mit  Unrecht  (s.  Oelsner,  JB.  S.  223).  Oelsner  selbst  nimmt  an,  der  Brief 
sei  entweder  für  eine  fränkische  Synode  oder  für  den  Mt^tropoliten  bestimmt. 
Das  erstere  scheint  mir  unwahrscheinlich,  da  von  den  Bischöfen  in  der 
dritten  Person  die  Rede  ist.  Ist  das  letztere  lier  Fall,  so  kann  der  Kni- 
pfänger  nur  Clirodegang  von  Metz  gewesen  sein.  Dümmler  bezeichnet  in 
der  Überschrift  entweder  die  fränkischen  Bischöfe  oder  Fulrad  als  Empfänger; 
die  letztere  Annahme  ist,  wie  mich  dünkt,  durch  den  Satz:  Vestro  iudicio 
adscribimus  emendanda,  ausgeschlossen;  denn  Fulrad  hatte  keine  kirchliche 
Autorität. 

4)  Er  exkommuniziert  die  Äbtissin  Suitha,  weil  sie  zwei  Nonnen  ohne 
seine  Erlaubnis  eine  Reise  (Wallfahrt  nach  Rom?  in  longinquara  regionem 
ire,  vgl.  Conc.  Vern.  10)  hatte  antreten  lassen  (ep.  128  S.  415  f.).  Suitha 
war  eine  Schülerin  des  Bonifatius. 

.^i  Bei  drohender  Wa.-<8er8not  in  Thüringen  ordnete  er  allgemeine 
Fasten  und  Bittgottesdienste  an  (ep.  113  S.  402). 


—     47     — 

Totenbund , 'dem  auch  Laien  augehörten. i)  Nhnmt  mau  hinzu, 
dass  er  zu  den  literarisch  gebildeten  Männern  gehörte,  so  kann 
man  sich  nicht  wundern,  dass  seine  Landsleute  ihn  rühmten.^) 
Doch  ein  bedeutender  Mann,  der  den  Verlust  des  Bonifatius  hätte 
ersetzen  können,  war  er  nicht;  er  arbeitete  als  treuer  Diözesan- 
bischof,  so  wie  Bonifatius  sich  einen  solchen  gedacht  und  gewünscht 
hatte:  aber  für  die  weitergehenden  Ziele  seines  Vorgängers  in  die 
Bresche  zu  treten,  dazu  wai-  er  nicht  der  Mann;  so  viel  wir  wissen, 
hat  er  das  nie  versucht. 

Noch  w^eniger  als  er  traten  die  Bischöfe  der  Nachbarstädte 
Worms  und  Speier,  Erembert^)  und  Basin,*)  sowie  die  des  schwä- 
bischen Augsbui'g^)  hervor.  In  Strassburg  lag  die  Leitung  noch 
in  den  Händen  Heddos,  der  uns  als  Gesinnungsgenosse  des  Boni- 
fatius bekannt  ist.'')     Der  ehemahge  Mönch  scheint  sich  besonders 

1)  L.  c.  Für  zwei  verstorbene  Laien,  Megenfrith  und  Hraban,  werden 
je  10  Messen  gelesen;  für  den  gleichzeitig  verstorbenen  Bischof  Romanus 
von  Meaux  30. 

2)  Ale.  carm.  4  v.  52  ff.  S.  222 : 

Egregiam  forsan  venies  Maggensis  ad  urbem 
Perpetuumque  vale  doctori  dicite  Lullo. 
Ecclesiae  specimen,  sophiae  qui  splendor  habetur 
Moribus  et  vita  tanto  condignus  honore. 

3)  Erwähnt  in  der  Bestätigungsurkunde  der  Immunität  von  Worms 
764  (B.M.  97);  sodann  als  Teilnehmer  der  Lateransynode  von  769  (V.  Steph. 
in.  17  S.  473);  ferner  770  als  Zeuge  bei  einer  Schenkung  für  Fulda  (Dronke, 
Cod.  dipl.  S.  20  Nr.  31).  Erembert  ist  wahrscheinlich  zugleich  Abt  von 
Weissenburg  (Zeuss,  Trad.  Wiz.  S.  44  Nr.  42  u.  ö.).  Er  stirbt  nach  Ann. 
Xant.  S.  223  i.  J.  793. 

4)  Basin  war  wohl  vorher  Mönch  in  Weissenburg.  Zeuss  S.  139 
Nr.  149  (a.  753)  und  S.  211  Nr.  221  (a.  756)  ist  ein  B.  diaconus  genannt. 
Er  unterschreibt  als  Zeuge  Pippins  Urkunde  für  Prüm  vom  13.  August  762 
(B.M.  93).     Um  780  von  Alkuin  genannt  (carm.  4,  56  ff.): 

0  Basine  bone,  Spirensis  gloria  plebis, 

Me,  rogo,  commenda  Paulo,  pater  alme,  patrono, 

Cuius  et  alma  domus  fratres  nos  fecerat  ambos. 

Er  muss  bald  nachher  gestorben  sein;    denn   am  25.  Juli  782  wird  bereits 

sein  Nachfolger  Fraido  genannt   (B.M.  245). 

5)  Von  Rozilo  (s.  Bd.  I  S.  524)  wissen  wir  nichts  als  den  Namen; 
ebensowenig  von  seinem  Nachfolger  Tazzo  oder  Tozzo.  Den  ersteren  kennen 
die  Augsbuöger  Bischofslisten  nicht;  für  den  letzteren  giebt  der  Katalog 
von  Niederaltaich  eine  Amtsdauer  von  5  Jahren  an,  eine  Angabe,  die  zu 
jung  ist,  um  Wert  zu  haben  (M.G.  Scr.  XIII  S.  334).  Der  Michelfeldcr 
Katalog  (1.  c.  S.  279)  schöpft  aus  der  fabelhaften  Vit.  Magni. 

6)  S.  Bd.  I  S.  337  u.  493. 


—     48     — 

der  Föi(lt>rung  dos  Klostenvesens  gewidmet  zu  haben.')  In  Kou- 
stanz  folgten  auf  Anifnd.  der  unter  Karlmann  starb,-)  Sidonius^) 
und  Johannes  II.,'')  beide  Kirehenfürsten  fränkischer  Art,  die 
Henvn  in  ilirer  Diözese  sein  wollten.  Von  den  durch  Bonifatius 
gestifteten  Bistümern  ging  Erfurt  wahrscheinlich  schon  ujiter  Pi[)i)in '') 
ein.  Wilhliald  vou  Eichstätt  überlebte  den  König;  auch  sein  Haupt- 
interesse scheint  Förderung  der  Klöster  seiner  Diözese  gewesen  zu 
sein.")  Dagegen  starb  Bischof  Burchard  von  Würzburg  in  den 
ei-sten  Jahren  nach  der  Thronbesteigung  Pippins,  für  die  er  selbst 
gearbeitet  hatte.  Die  Sage  lässt  ihn  gegen  Ende  seines  Lebens 
auf  sein  Bistum  verzichten:  durch  Krankheit  gebrochen,  erfiült  von 
Sehnsucht  nach  dem  beschaulichen  Leben,  habe  er  sich  mit  sechs 
Brüdern  nach  dem  Schlosse  Hohenburg  am  Main  zmiickgezogeu ; 
er  hal)e  sich  mit  der  Absicht  getragen,  in  der  Nähe,  im  Dorfe 
Michelnstadt,  ein  Kloster  zu  gründen,  um  dort  zu  sterben. ')  Da- 
gegen kennt  ihn  die  Geschichte   als   den  Manu,   den   die  Franken 

1)  Er  erneuert  Ettenheimmünster  (Monachorum  cella)  mit  Unterstützung 
Pippins  für  30  Mönche ;  er  ernannte  den  Abt  Hildolf  und  führte  die  Bene- 
diktinerregel ein.  Die  reiche  Ausstattung  gab  er  mit  Zustimmung  des 
Klerus  und  der  Bürger  zum  Teil  aus  dem  Besitz  seiner  Kathedrale.  Es 
gehörten  zu  ihr  folgende  Kirchen:  Marienkirche  in  Ettenheim,  St.  Peter  in 
Kuest  (Rustun),  St.  Maria  in  Epfich  (Hepheka),  St.  Sixt  und  Laurentius  in 
Benfelden,  sämtliche  Kirchen  im  Aargau,  genannt  sind  Spiez,  Scherziingen 
(Scartilinga),  Bibersch.  Urk.  v.  13.  März  762,  Mign.  96,  1547  tf.  Vgl.' auch 
die  Urkunde  für  Arnulfsau-Schwarzach  v.  27.  Sept.  749,  Mign.  88  S.  1314. 
Tber  H.'.s  Eingreifen  in  die  St.  Gallischen  Angelegenheiten  s.  u. 

2)  736—746  (s.  Ladewig,  Reg.  ep.  Const.  24—27).  Er  war  zugleich 
Abt  von  Reichenau. 

3)  746 — 4.  Juli  760;  ebenfalls  Abt  in  Reichenau;  nimmt  an  dem 
Reichstage  von  Compiegne  teil  (Urk.  Chrodegangs  Mans.  XII,  656).  Über 
seinen  Streit  mit  St.  Gallen  e.  u. 

4)  760—9.  Februar  782;  seit  759  Abt  von  St.  Gallen,  als  Bischof  zu- 
gleich Abt  von  Reichenau. 

5)  Bonif.  etc.  ep.  113  S.  402  erscheint  die  provincia  Thyringorum  als 
Hestandteil  des  Mainzer  Bistums. 

6)  Vgl.  Bd.  I  S.  .520. 

7)  Vit.  Burch.  U.  c.  11  f.  M.G.  Scr.  XV  S.  58  f.  Die  beiden  Bio- 
graphien Burchard»  sind  wertlos  (s.  Wattenbach,  GQ.  I  S.  126).  Das  hat 
schon  Rettberg  (KG.  D.'s  II  S.  314)  gezeigt:  wenn  er  ihre  Angaben  gleich- 
wohl bonützte,  80  ist  das  eine  bei  ihm  seltene  Inkonsequenz.  Ich  sehe  von 
dem,  waa  sie  berichten,  völlig  ab.  Nicht  einmal  die  Angabe  des  2.  Februar 
als  Todestag  (Vit.  II,  c.  12  S.  59)  scheint  mir  beglaubigt;  das  von  Wegele 
(Abh.  d.  bair.  Akad.  XIII,  3)  edierte  Corpus  regulae  S.  Kiliani  Wirz.  kennt 
den  Todestag  so  wenig  als  die  ältere  Biographie.  Die  Zusätze  zum  Mart. 
Bedae  bei  Eckhart  (Comment.  I  S.  829)  haben  II  Id.  Octobr. 


—     49     — 

neben  dem  "klugen  A-ijte  von  St.  Denis  für  den  geeignetsten  Boten 
hielten,  um  das  Urteil  des  Papstes  über  die  Entthronung  der 
Merowinger  zu  erholen. M  Wie  völhg  muss  dieser  Angelsachse  zum 
Franken  geworden  sein,  wenn  man  ihn  zu  dieser  Sendung  wählen 
konnte.  Sein  Nachfolger  Megingoz")  war  ein  Franke;  die  Famihe, 
der  er  entstammte,   war  im   Wüi'zburger  Bistum  reich  begütert.'') 


1)  Annal.  Lauriss.,  Einh.  z.  J.  749.  Abgesehen  hievon  ist  die  einzige 
sichere  Nachricht  über  Burchard  die  Angabe  Liudgers,  er  sei  vor  Bonifatius 
gestorben  (Vit.  Greg.  6  S.  72).  Das  Jahr  753  als  Todesjahr  ist  lediglich 
Annahme.  Sicher  ist,  dass  er  im  Juni  dieses  Jahres  noch  lebte;  er  unter- 
schreibt Pippins  Urkunde  für  Fulda  (B.M.  70). 

2)  Die  Angaben  der  Vit.  II.  Burch.  über  Megingoz  lasse  ich  ebenfalls 
ausser  Betracht.  Fest  steht,  dass  er  zu  den  Schülern  des  Bonifatius  gehörte 
(Willib.  Vit.  Bonif.  praef.  S.  430,  V.  Greg.  6  S.  72),  dass  er  Juni  753  noch 
Priester  war  (Unterschrift,  B.M.  70)  und  dass  Bonifatius  selbst  ihn  zum 
Bischof  weihte  (s.  M's.  Grabschrift  bei  Eckhart,  Com.  I  S.  524).  Wandel- 
bert von  Prüm  (Mirac.  Goar.  1  S.  364)  möchte  ich  nicht  als  Zeugen  an- 
führen, obgleich  er  bez.  der  Ordination  das  Richtige  hat.  Das  Todesjahr 
ist  unsicher.  Wenn  die  Nachricht,  dass  auf  der  Lateransynode  des  Jahres 
769  bereits  sein  Nachfolger  unterschreibt  (Berohelpos,  episcopus  civitate 
Wirsburgo,  V.  Steph.  III.,  17  S.  478),  richtig  wäre,  so  müsste  man  an- 
nehmen, dass  Megingoz  spätestens  768  gestorben  ist.  Allein  dem  wider- 
spricht die  Angabe  des  Chron.  Lauriss.  (M.G.  Scr.  XXI  S.  348),  M.  habe 
774  an  der  Einweihung  der  Lorscher  Kirche  teilgenommen;  wichtiger  noch 
sind  die  Nachrichten  über  die  Missionsthätigkeit,  die  M.  in  Sachsen  übte 
(s.  u.  Kap.  VI).  Darnach  muss  man  annehmen,  dass  er  das  Jahr  777  über- 
lebte. Die  genaueren,  auf  die  Vit.  Burch.  gestützten  Angaben  Rettbergs, 
Abels  u.  a.  sind  ganz  unsicher.  Was  der  Würzburger  Katalog  (M.G.  Scr. 
Xni  S.  338)  an  Zahlen  giebt,  ist  offenbar  falsch  (vgl.  Schäffler,  Archiv. 
Ztschr.  III  S.  285).  Als  Todestag  giebt  das  Corp.  Reg.  S.  52  den 
26.  September. 

3)  Der  Name  des  Bischofs  wiederholt  sich  in  einer  fränkischen  Grafen- 
familie. Ihn  trug  der  Stifter  des  Klosters  Megingaudeshusen  im  Itfgau 
(Stiftungsurk.  v.  816  bei  Ussermann,  episc.  Wirz.,  Cod.  prob.  S.  7  Nr.  6). 
Aber  schon  vorher  muss  der  Name  in  der  Familie  erblich  gewesen  sein; 
denn  das  Kloster  hiess  nicht  nach  dem  Stifter,  sondern  nach  dem  schon 
vorher  bestehenden  Ort.  Die  Güter,  welche  dem  Kloster  übergeben  wurden, 
lagen  im  Iffgau  und  Rangau.  In  den  Fulder  Traditionen  sind  grosse 
Schenkungen  eines  Grafen  Matto,  Manto  und  seines  Bruders  Megingoz 
verzeichnet;  die  Güter  lagen  im  Salgau,  Grabfeld,  Werngau,  Gozfeld,  Volk- 
feld und  W.aldsazzin  (Urk.  v.  19.  April  788  bei  Dronke,  Cod.  dipl.  Fuld. 
S.  53  Nr.  87;  vgl.  Dronke,  Tradit.  S.  23  f.  Nr.  15;  Cod.  dipl.  S.  54  Nr.  88; 
Tr.  S.  29  Nr.  104,  S.  24  Nr.  21).  Im  letzten  Falle  ist  die  Zeit  der  Schenkung 
,sub  Karolo  imperatore"  angegeben.  Die  Identität  dieses  Megingoz  mit 
dem  Stifter  von  Megingozhausen  folgt  aus  den  Zeitangaben.  In  der  Urkunde 
88    übergeben    Matto    und    Megingoz    nebst    ihrer  Schwester    der    Äbtissin 

Hauck,  Kirchengeschichte.    II.    2.  Aufl.  4 


—     50     — 

Sein  Bild  ist  nicht  ganz  so  versclnvoninion ,  wie  das  seines  heilig 
gesprochenen  Vorgängei-s.  Denn  wir  besitzen  einige  Briefe  von 
ihm.  welche  genügen,  um  eine  Yorstelhmg  von  seiner  PersiinHch- 
keit  zu  gewinnen.  Er  zeigt  sich  als  ein  Mann,  der  so  gut  oder 
so  schlecht  wie  che  meisten  seiner  in  England  gebildeten  Standes- 
genossen einen  lateinischen  Brief  schreiben  konnte;  sein  Stil  hat 
nichts  Eigentümliches:  er  bewegte  sich  nicht  fi'ei  in  der  fremden 
Sprache.  In  den  Kirchenvätern  war  er  einigermassen  bewandert: 
er  hatte  Augustin  und  Hieronymus,  Leo  d.  Gr.  und  Isidor  gelesen: 
al)er  bereitwillig  erkannte  er  die  höhere  Bildung  Luis  an,^)  vne  er 
auch  die  Grösse  des  Bonifatius  verelu'te.  Ihm  verdanken  ^\^r  neben 
Lul  die  Biogi-aphie  des  grossen  Organisators  und  Missionars.-)  In 
seinem  Verhalten  spricht  sich  ein  verstänchger,  gerader  Sinn  aus. 
Er  glaubte  nicht  schroft"  sein  zu  müssen,  um  ein  pHichtgetreuer 
Bischof  zu  sein;'^)  aber  er  war  gewissenhaft;  durch  persönhche 
Rücksichten  Hess  er  sich  in  seinen  Entschlüssen  nicht  bestimmen.^) 


Jaliana  Kirche  und  Klösterlein  in  der  Wangheimer  Mark  an  Fulda.  In  der 
Urkunde  87  hört  man  von  der  Zelle  Einfirst  an  der  Saale.  Wird  in  zwei 
späteren  Urkunden  (Nr.  444  u.  445  vom  18.  Juni  824)  ein  monasteriolum 
Mattencella  im  Salgau  genannt,  so  ist  die  Identifizierung  von  Einfirst  mit 
diesem  Klösterlein,  wie  Rottberg  bemerkt  (KG.  D.'s  II  S.  331),  unbedenk- 
lich. Darin  kann  ich  jedoch  Rettberg  nicht  folgen,  dass  auch  das  unge- 
nannte Kloster  in  Wangheim  mit  Mattencelle  identisch  sei;  denn  Wang- 
heim lag,  wie  Urkunde  87  ausdrücklich  sagt,  im  Grabfeld,  nicht  im  Salgau. 
Auch  das  im  Volkfeld  gelegene  Kloster  Schwarzach  wird  auf  die  gleiche 
Familie  zurückgeführt  (s.  Rettberg  II  S.  331 1.  Der  Vater  der  drei  Ge- 
schwister hiess  Macco  (Urkunde  87);  die  Annahme  Rettbergs,  er  sei  der 
Stifter  von  Mattencelle,  hat  deshalb  nicht  viel  für  sich.  Kommt  nun  in 
demselben  Gebiet,  in  welchem  die  Güter  der  Familie  lagen,  später  ein  Ort 
Maggencelle,  Macchencelle  vor  (Urkunde  831,  833,  849),  so  könnte  man  an 
ein  von  ihm  gegründetes,  im  Verlauf  wieder  eingegangenes  Kloster  denken, 
.ledcnfalls  steht  der  kirchliche  Sinn  dos  Hauses  ausser  Zweifel.  Die  Zu- 
gehörigkeit des  Bischofs  zu  ihr  ist  strikt  nicht  zu  beweisen,  aber  sehr  wahr- 
scheinlich: zu  der  Gleichheit  des  Namens  kommt,  dass  seine  Schwester 
Äbtissin,  »eine  Nichten  Nonnen  in  einem  der  Familie  gehörigen  Kloster  sind 
(ep.  130  8.  417),  ein  Verwandtor  will  sich  des  inijioiliuiontum  saeculi  ent- 
ledigen und  Mönch  werden  (ep.  136  S.  421);  man  könnte  dabei  an  Matto 
oder  den  jüngeren  Megingoz  denken;  der  Bischof  wäre  dann  der  Bruder 
Maccos.  ?3ine  andere  Vermutung  Wirt.  KG.  S.  46.  Vgl.  über  das  Geschlecht 
Stein  G.  F.'s  I  S.  47  f. 

1)  Ep.  134  S.  420. 

2)  Vgl.  die  Widmung  an  beide  S.  429. 

3)  Ep.  134  S.  420;  M.  ist  der  milderen  Ansicht,  Gestattung  der  Wieder- 
verheiratung Geschiedener,  geneigt. 

4;  Ep.  1.30  S.  417  f. 


—     51     — 

Wenn  er  im  asketischen  Leben  die  Blüte  der  Sittlichkeit  sah,  so 
war  er  doch  freidenkend  genug,  dass  er  das  Joch  der  mönchischen 
Pflichten  dem  nicht  aufgelegt  A\issen  wollte,  von  dem  er  voraussah, 
dass  er  es  nicht  werde  tragen  können.^) 

In  Trier  machte  der  Tod  Milos'-)  eine  Neubesetzung  des 
Stuhles  möglich.  Die  "Wahl  traf  einen  jüngeren  Mann,  AVeoraad, 
den  Abt  des  Klosters  St.  Maximin ;  '^j  erst  unter  Karl  "ward  er 
häufiger  genannt.  Von  den  Bischöfen,  von  Toni,**)  Yerdun'*)  und 
Lüttich  ^)  sind  ledighch  die  Namen  überliefert.    Der  Kölner  Bischof 


1)  Ep.  136  S.  421. 

2)  S.  Bd.  I  S.  394  u.  534. 

3)  Rettberg  (I  S.  471)  niDjmt  nach  Milo  eine  Lücke  an,  da  man  sonst 
für  Weomad  eine  40jährige  Regierung  annehmen  müsste.  Der  Grund  scheint 
mir  nicht  stichhaltig,  die  Vermutung  Abels  (JB.  S.  436j,  der  in  der  Urkunde 
Karls  (B.M.  252)  genannte  Bischof  Harthamus  sei  Milos  Nachfolger,  unsicher. 
Nach  der  Urkunde  kann  Harthan>  Klosterbischof  gewesen  sein,  wie  Ratbert. 
Milo  übertrug  ihm  die  Abtei  Mettlach ;  Pippin  belehnte  ihn  nach  Milos  Tod 
mit  ihr.  Weomads  Name  erscheint  zum  ersten  Mal  13.  August  762  unter 
der  Urkunde  Pippins  für  Prüm  (B.M.  93).  Es  ist  auffällig,  dass  er,  wie  seine 
Amtsgenossen  in  Köln  und  Speier,  dem  unmittelbar  darauf  geschlossenen 
Totenbund  nicht  beitrat.  Nimmt  man  hinzu,  dass  unter  ihm  nachweislich 
Entfremdungen  von  Kirchengut  stattfanden  (Urkunde  Ludwigs  IV.  vom 
19.  September  902,  Beyer,  ÜB.  I  S.  214  Nr.  150),  so  liegt  die  Vermutung 
nahe,  dass  er  es  mit  seinen  bischöflichen  Pflichten  nicht  allzu  ernst  nahm. 
Die  Angabe,  er  sei  Abt  von  St.  Maximin  gewesen,  findet  sich  in  einer  Inter- 
polation zu  Gest.  Trevir.  25,  M.G.  Scr.  Vül  S.  163. 

4)  Einen  Bischof  Godo,  welcher  anstatt  der  verbrannten  Urkunden 
des  Bistums  von  König  Pippin  neue  erhielt,  erwähnen  Hug.  Flav.  chronic.  I 
(M.G.  Scr.  Vni,  341)  u.  Gest.  ep.  Tüll.  21  (ib.  S.  636).  Die  Angaben  der 
letzteren  über  die  Bischöfe  dieser  Zeit  sind  übel  verwirrt.  Die  Tuller  Kata- 
loge haben  nach  Godo  die  Namen  Bodo  und  Jakob  (M.G.  Scr.  XIII  S.  308). 
Ein  Bischof  Jakob  unterschreibt  die  Urkunde  Chrodegangs  für  Gorze, 
23.  Mai  757  (Mansi  XII,  655).  Man  identifiziert  ihn  herkömmlich,  jedoch 
ohne  Beweis  mit  Abt  Jakob  von  Hornbach,  der  den  Totenbund  von  Atti- 
gni  als  Bischof  von  Hornbach  unterschrieb.  Vgl.  auch  Gest.  ep.  Tüll.  23 
S.  637,  wonach  er  in  St.  Benignus  zu  Dijon  begraben  liegt. 

5)  Als  Nachfolger  des  Bd.  I  S.  394  erwähnten  Peppo  nennen  die  Gest. 
ep.  Vird.  12  (M.G.  Scr.  IV,  S.  43)  Voschisus,  Agroinus  und  Madalveus,  vor 
und  nach  dem  letzteren  wird  eine  Vakanz  angesetzt.  Madalveus  ist  ge- 
sichert durch  seine  Teilnahme  am  Totenbund  zu  Attigni.  Von  seiner  Reise 
nach  Jerusalem  und  den  Gunstbezeigungen  Pippins  gegen  ihn  und  sein 
Bistum  erzählen  Gest.  ep.  Vird.  1.  c. ;  Hug.  Flav.  chron.  I  S.  340  fi'. ;  vgl. 
Ann.  s.  Benig.  Div.  z.  J.  760  (M.G.  Scr.  V  S.  38). 

6)  Fulchar  von  Lüttich  ist  Teilnehmer  am  Totenbund  zu  Attigni. 
Er  unterschrieb  die  S.  55  Anm.  1  genannte  Urkunde  für  Gorze  und  13.  August 

4* 


52 


Hililc^Mi-  wurde,  als  or  T'ipitiii  auf  einem  Zuge  gegen  die  Sachsen 
lu'gleitete.  ei"schlagen.')  Von  seinem  Nachfolger  Berehtlu^lm  wissen 
wir  wieder  nur  den  Namen.-)  Das  einzige  Bistum,  welches  wäh- 
rend der  ganzen  Regierung  Pippins  unbesetzt  blieb,  ist  Utrecht. 
Aber  hier  hindcrtm  Bedenken  Gregors,  der  das  Bistum  leitete, 
seine  Weihe  zum  Bischof.  Wie  Virgil  in  Salzburg  stand  er  als 
Abt  an  der  Spitze  der  wichtigen  Diözese.'^) 

Der  bedeutendste  der  deutschen  Bischöfe  unter  Pippin  war 
Chrodegang  von  i\Ietz.  AVir  haben  seine  Erhebung  bereits  er- 
wähnt."*) Paulus  Diakonus  rühmt  ihn  als  einen  in  jeder  Hinsicht 
ausgezeichneten  ^NTann;  er  hebt  seine  Gewandtheit,  deutsch  wie 
lateinisch  zu  sprechen,  seine  Fürsorge  fih-  Wittwe?i  und  Waisen, 
auch  seine  imponierende  Erscheinung  hervor.'')  Was  wir  sonst  von 
ihm  wissen,  zeigt,  dass  er  seine  PHichten  nicht  leicht  nahm;  der 
Widerspruch  zwischen  Ideal  und  Wiiklichkeit  konnte  ihn  wx'hmütig 
stimmen;  doch  statt  ihn  zu  lähmen,  drängte  er  ihn  zu  handehi.") 
Er  hatte  Sinn  für  das  Schöne')  und  Würdevolle;  auch  bei  Kleinig- 
keiten bemerkte  er,  ob  sie  passend  oder  unpassend  seien :  "*)  aber  er 
ging    nicht    in    Kleinigkeiten    auf;    seine   Absicht    war,    dauernden 


TOJ  die  Urkunde  Pippins  für  i'rüm ,  (JIM.  93).  Als  Todesjahr  geben  die 
.-Vnn.  Lobb.  S.  195  d.  J.  769  an,  dagegen  lässt  ihn  Oelsner  (JB.  S.  475)  schon 
gegen  Ende  d.  J.  762  sterben;  er  stützt  sich  auf  Gest.  ep.  Leod.  (M.G. 
Scr.  XXV,  47j.     Mir  scheint  die  eine  Annahme  so  unsicher  wie  die  andere. 

1)  Ann.  S.  Amandi  z.  J.  753,  Lauriss.  (in  Castro  quod,  dicitur  luberg, 
Iburg  bei  Osnabrück),  Einh.,  Mett. 

2)  Unterschreibt  762  die  Urkunde  für  Prüm  (B.M.  93). 

3)  Vgl.  über  ihn  Kap.  VI. 

4)  Vgl.  Bd.  I  S.  512  f. 

5)  Gest.  ep.  Mett.  (M.G.  Scr.  IT  S.  268  f.);  vgl.  die  Grabschrift  Chrode- 
gangs  fPoet.  lut.  I  8.  108  f.).  Die  Vit.  Chrod.  (M.G.  Scr.  X  S.  552  tf.)  kommt 
al.M  Quelle  nicht  in  Betracht  (s.  Wattenbach,  (jQ.  I  S.  345). 

6)  Vgl.  die  Vorrede  zur  Regel  S.  1 :  Cum  officii  mei  pastoralis  curam 
invigilare  coepi.isem  et  in  tantara  negligentiam  clerum  plebemque  devenisse 
conspicerem,  coepi  moestus  conqueri,  quid  agero  deberem ;  sed  divino  fultus 
auxilio  .  .  volui  .  .  parvum  decretulum  facere.  Urkunde  für  Gorze  (Migne  89 
8.  1121):  Dum  in  voluminibus  divinarum  soriem  scripturarum  juxta  possi- 
bilitatem  ex  mediocritato  mei  sensus,  attonitis  auribus  et  sedula  considera- 
tione,  inspicerem,  quid  Dei  filiu.s  diceret,  .  .  idcirco  coepi  mocstus  conquirere, 
quid  pro  animae  remedio,  quid  pro  abluendis  ponderibus  peccatorum  face- 
rera  vel  in  q'uibu»  imitarcr  oxempla  prisconim  patrum.  Der  Unterschied 
dos  Sollen«  und  Könnens  beschäftigte  ihn:  s.  Prolog,  reg.  S.  1:  Quantum 
j.'i-.iumu8  fri  non  qnantum  debemuB. 

7)  Gest.  ep.  Mett.  S.  268  über  seine  Bauten. 

8)  Vgl.  unten  S.  62  flP.  über  seine  Regel. 


—     53     — 

Nutzen  zu  schauen.  'Es  gemalmt  an  Bonifatius,  dass  ihm,  dem 
vornehmen,  am  Hofe  erzogenen  Mann,  die  asketische  Beurteilung 
des  Lebens  nicht  fremd  war.  Mit  voller  Überzeugung  ging  er  auf 
die  von  jenem  Ijegonnene  Reform  der  fränkischen  Kirche  ein:  nie- 
mand arbeitete  eifriger  an  der  Hebung  des  Klerus  und  des  Mönch- 
tums  als  er;  auch  die  Verbindung  mit  Rom  fand  an  ihm  einen 
aufrichtigen  Förderer.^)  Aber  nur  in  einzelnen  Punkten,  nicht 
überhaupt  waren  seine  Anschauungen  denen  des  Bonifatius  gleich; 
ja  ihre  Verschiedenheit  ist  A-ielleicht  grösser  als  ihre  Ven\^audtschaft. 
Denn  Chrodegang  fühlte  sich  ganz  als  fränkischer  Bischof;  dass 
die  fränkische  Kirche  Landeskirche  war,  bedrückte  Bonifatius ;  ihm 
schien  es  das  Natürliche  und  Richtige.  Verkehr  mit  England  hat 
er,  so  viel  wir  wissen,  niemals  gepflogen;  dagegen  stand  er  in  der 
innigsten  Verbindung  mit  Pippin,-)  während  Bonifatius  den  Hof, 
so  viel  er  konnte,  gemieden  hatte. 

Ihm  nun  gab  Pippin  den  ersten  Rang  in  der  deutschen  Kirche. 
Denn  nur  auf  Anlass  und  mit  Zustimmung  des  Königs  kann  es 
geschehen  sein,  dass  ihm  Stephan  II.  während  seines  Aufenthaltes 
im  fränkischen  Reich  die  erzbischöfliche  Würde  übertrug.^)  Da- 
durch wurde  Metz  nicht  zum  Erzbistum ;  ^)  aber  Ohrodegangs  Würde 


1)  Gest.  ep.  Mett.  S.  268:  Ipsum  clerum  abundanter  lege  divina  Ro- 
manaque  imbutum  cantilenae  morem  atque  ordinem  Romanae  ecclesiae  ser- 
vare  praecepit.     Vgl.  Regul.  can.  c.  2,  7,  8. 

2)  Grabschrift  v.  17:  Eegibus  acceptus,  pupulo  venerabilis  omni.  Vgl. 
die  Sendung  nach  Rom  (Vit.  Steph.  II.  18  S.  445)  u.  Gest.  ep.  Mett.  1.  c: 
Cum  esset  in  omnibus  locuples,  a  Pippino  rege  omnique  Francorum  coetu 
singulariter  electus  Romam  directus  est. 

3)  Zusatz  zu  Vit.  Steph.  II.  53  S.  456.  Grabschrift  v.  7  f.  Contin.  Bed. 
754:  Pro  eo  (Bonif.)  Redgerus  consecratur  archiepiscopus  a  Stephano  papa. 
Über  die  Contin.  Bed.  s.  Hahn,  Forsch.  XX  S.  558  fi'.;  zur  Sache  Duchesne 
z.  d.  V.  Steph.  Anm.  63  S.  461.  Über  die  Nachricht  des  Änon.  Mog.  Pass. 
Bonif.  S.  477  f.  von  einem  Streit  zwischen  Bonifatius  und  Stephan  über  die 
Ordination  Chrodegangs  s.  Bd.  I  S.  571  Anm.  2. 

4)  Wenn  Hahn  (B.  u.  L.  S.  251)  von  einer  Verschiebung  des  Erzbis- 
tums von  Mainz  auf  Metz  und  von  einer  Loslösung  desselben  von  Trier 
spricht,  so  beruht  das  auf  der  meines  Erachtens  in-igen  Voraussetzung,  dass 
damals  geordnete  Metropolitansprengel  überhaupt  bestanden.  Auch  die 
Annahme  Hahns  von  einer  Nebenbuhlerschaft  Chrodegangs  und  Luis  scheint 
mir  des  Beweises  zu  enthehren.  Bonif.  et  Lul.  ep.  92  S.  379  kann  sich 
nicht  auf  Chrodegang  beziehen:  er  wurde  ja  nicht  Bischof,  sondern  er  war 
Bischof  und  wurde  Erzbischof.  Stichelt  Lul  über  einen  Mann,  qui  semper 
iurare  solebat,  nihil  se  terreni  accepturum,  cum  subito  ex  improviso  velut 
novum  fantasma  episcopus  apparuit,  so  muss  man  an  einen  Mönch  denkeu,^ 
der  Bischof  wurde,   etwa  Weomad   von  Trier.     Ebensowenig  geht   ep.   111 


—     54     — 

Wiir  kein  Mossci-  Titel,  er  hat  erzhischöfliche  Aintsliiiiullungen  voll- 
zogen.') So  lange  er  lelite.-)  hlicl)  er  der  einzige  Erzbischof  im 
(leutvschen  8praehg(>l)iet ; ")  für  den  westlichen  Teil  des  Reichs  wur- 
den, wie  erw."ihnt,  in  Verneuil  einige  Bischöfe  ])ersönlicli  zu  Metro- 
jtoliten  bestimmt:"')  sie  erhielten  demnach  dieselbe  Stellung,  welche 
( 'hrodegang  im  Osten  hatte. 


S.  .399  auf  den  Papst  (Hahn  S.  253  Anm.  3).  Die  Deutung  dieser  Stelle 
unterliegt,  wie  mich  dünkt,  keinem  Zweifel;  der  Mann  magnao  auctoritatis, 
der  i.  J.  7ö4  postpositis  antiquorum  patrum  decretis  ac  legibus  ecclesiasticis 
relictis  iuxta  proprias  adinventiones  prava  et  plurimorum  nociva  saluti  sen- 
tiit  adfirmavit  atque  egit,  ist  Pippins  Bruder  Karlmann,  der  ausdrücklich 
wegen  Verletzung  der  kirchlichen  Gebote  zur  Haft  in  einem  fränkischen 
Kloster  verurteilt  wurde  (Vit.  Steph.  H.  30  S.  448),  dem  man  vorwarf,  er 
strebe  mit  aller  Macht  darnach,  ecclesiae  causas  subvertere,  (ib.).  Ist  diese 
Deutung  richtig,  so  ergiebt  sich  zugleich  Luis  und  also  Bonifatius'  Urteil, 
über  die  römischen  Angelegenheiten.  Es  lautet,  wie  man  es  erwarten  muss. 
1)  Gest.  ep.  Mett.  S.  268:  Hie  consecravit  episcopos  quam  plurimos 
per  diversas  civitatos.  Auch,  dass  er  an  der  Spitze  aller  Bischöfe  den 
Totenbund  von  Attigni  unterschrieb,  zeigt  seine  Stellung,  obgleich  er  sich 
nur  Bischof  nannte  (Cap.  106  S.  221). 

2)  Er  starb   6.  März  766   (Necrol.   Mett.,  Forschungen  XHI,   598;   Ann. 
Lauresh.  z.  J.  766). 

3)  Lul  wurde  erst  zwischen  780  und  7S2  Krzbischof  (s.  u.);  Weomad 
V.  Trier  heisst  772  noch  Bischof  in  der  Urkunde  Karls  (B.M.  142).  ebenso 
in  dem  Brief  Hadrians  an  Tilpin  um  775  (J.W.  2411);  in  der  undatierten 
Urkunde  betr.  Mettlach  (B.M.  252)  aus  den  Jahren  777—791  heisst  es:  Ubi 
Weomadus  archiepiscopus  pontife.x  es.'^e  videtur.  Die  Form  des  Satzes  weist 
darauf  hin,  dass  es  damals  ein  Erzbistum  Trier  nicht  gab.  hi  der  That 
liatte  Trier  noch  unter  Amalarius  keine  Sutfragane  (M.G.  P^p.  V  S.  244  Ni-.  3). 
Hildegar  von  Köln  wird  von  einem  späteren  Verfasser  als  Erzbischof  be- 
zeichnet (Einh.  Ann.  ad  a.  753  S.  11);  allein  auch  angenommen,  dass  hier 
Hildegar  nicht  nur  deshalb  Erzbischof  genannt  wird,  weil  in  der  Zeit  des 
Verfasscra  Köln  Erzbistum  war  (die  Ann.  Laur.  sprechen  nur  von  einem 
Bischof),  kann  der  Titel  nur  persönlich  gewesen  sein.  Denn  Berehthelm 
unterschreibt  Pippins  Urkunde  für  Prüm  vom  12.  August  762  (B.M.  93) 
als  Bischof. 

4)  Auf  dor  Lateransynode  von  760  untorzeichnet  Wulchar  von  Sens 
als  archiepiscopo  provintiae  Galliarum,  civitate  Senense  (V.  Steph.  111.  17 
S.  47.3);  Hadrian  I.  nennt  ihn  ebenfalls  schlechthin  archiepiscopus  provinciae 
Galliarum  (Cod.  Carol.  96  S.  644).  Dagegen  Ado  von  Lyon,  Daniel  von  Nar- 
bonne  und  Tilpin  von  Rheims  nennen  sich  nur  Bischöfe.  Remigius  oder 
Homedins  von  Ronen,  Pippins  Halbbruder,  wird  herkiimmlicherweise  als  Krz- 
bischof bezeichnet  (z.  B.  von  Abel,  JB.  S.  105  f.);  allein  die  älteren  Quellen 
kennen  ihn  nur  als  Bischof:  so  nennt  er  sich  selbst  (Totenbund  zu  Attigni, 
Uap.  106,  S.  221;  Unterschrift  unter  der  Urkunde  Heddos  für  Schwarzach, 
Migne  88  8.  314);  so  kennen  ihn  die  Gest.  abb.  Font.  12  u.  15  S.  36  u.  45. 


—     oö     — 

Ausseiiich  angesehen  war  Clu'odegang  Nachfolger  des  Boni- 
fatms:  er  war  austrasischer  Erzbischof,  wie  es  jener  gewesen  war. 
Doch  möchte  ich  deshalb  beide  Männer  nicht  neben  einander  stellen. 
Weder  was  die  Macht  der  Persönlichkeit  noch  was  die  Tiefe  und 
den  Umfang  des  Einflusses  anlangt,  lässt  Chrodegang  sich  mit 
Bonifatius  vergleichen.  Lumerliin  war  seine  Stellung  so  hervor- 
ragend, dass  seine  Unternehmungen  sofort  allgemeine  Bedeutung 
gewannen.  Das  sieht  man  bei  verschiedenen  Gelegenheiten.  Es 
war  nichts  Sonderliches,  dass  er  wie  so  mancher  andere  Bischof 
ein  Kloster  gründete,  Gorze,  unweit  von  Metz.-^)  Wie  es  auch  sonst 
vorkam,"-)  fundierte  er  die  neue  Stiftung  aus  dem  Gute  seiner 
Kathedrale:  das  Kloster  sollte  im  Besitze  der  Metzer  Kirche  stehen; 
es  sollte  den  Bischöfen  die  Möglichkeit  gewähren,  sich  zeitenweise 
in  die  Einsamkeit  zurückzuziehen.^)  Wer  eiinnerte  sich  dabei  nicht 
an  die  Gedanken  des  Bonifatius  bei  der  Stiftung  von  Fulda  ?  Auch 
darin  dachte  Chrodegang  wie  der  angelsächsische  Bischof,  dass  er 
die  Begel  Benedikts  allen  anderen  Mönchsregeln  vorzog;  besonders 
die  Gütergemeinschaft,  welche  in  den  Benediktinerklöstem  herrschte, 
erschien  ihm  als  ein  hohes  Ideal.*)  Aber  väe  klar  ist  auch  die 
Verschiedenheit  der  Ansichten.  Bonifatius  meinte  seine  Stiftung 
dadurch  vor  verderbhchen  Einflüssen  zu  schützen,  dass  er  sie  aus 
der  Verbindung  mit  der  Landeskirche  löste;  Chrodegang  fügte  sie 
ihr  möghchst  fest  ein:  die  Wahl  des  Abtes  von  Gorze  sollte  zwar 
von  den  Mönchen  vorgenommen  werden,  aber  die  Zustimmung  des 
Bischofs  war  erforderlich;  in  Ausnahmefällen  war  dem  letzteren 
sogar  das  Recht,  den  Abt  zu  ernennen,  gewahrt.  Er  hatte  die 
Pflicht,  das  Kloster  zu  visitieren  und.  wenn  nötig,  auf  Grund  der 


Erst  bei  Nith.  Hist.  IV,  2  heisst  er  Erzbischof.  Auf  Grund  dessen  scheint 
mir  die  Annahme  notwendig,  dass  es  i.  J.  769  im  fränkischen  Reich  wieder 
nur  einen  einzigen  Erzbischof  gab.  Vgl.  Weyl  S.  89  ff.,  dessen  Anschauung 
ich  freilich  nicht  zustimmen  kann. 

1)  Südwestlich  von  Metz,  unweit  der  französischen  Grenze.  Für  die 
Gründung  kommen  in  Betracht  die  in  Andernach  20.  Mai  748  ausgestellte 
Dotationsurkunde  (Migne  89,  1119)  und  das  in  Compiegne  23.  Mai  7-57  ver- 
liehene Privilegium  (1.  c.  1121,  auch  bei  Mansi  XII,  653);  beide  Urkunden 
sind  unter  Zustimmung  Pippins  erlassen.  Undatierte  Bestätigungsurkunde 
Karls  (B.M.  151).     Die  Kirche  wurde  Petrus  und  Stephanus  geweiht. 

2)  S.  S.  48  Anm.  1. 

3)  Urkunde  von  757  S.  654:  Si  praefatus  pontifex  lucranda  oratione 
aut  visitatione  fratrum  quando  ei  placuerit  in  ipso  monasterio  venerit,  vel 
aliquam  moram  pro  lucrandis  animabus  fecerit,  cum  exinde  in  Dei  nomine 
vult  habere  regressum  etc. 

4)  L.  c.  S.  653. 


—     56     — 

Regel  RetV.rnien  vorzunohnien.  Chrodegang  vertrat  hierin  nicht 
neue  Geihink«'n :  es  war  die  Tradition  der  fränkischen  Landeskirche, 
die  in  ihm  k'hte. 

Daraus  erklärt  sich  der  Einfluss,  der  von  Gorze  auf  andere 
Klöster  ausgeiiltt  wurde.  Er  ist  gering  im  Vergleich  mit  dem, 
welcher  im  Jahrhundert  vorher  von  Luxeuil  ausging.  Aber  er  war 
vorhanden.  Auch  Gorze  war  eine  Zeitlang  eine  Musterstiftung.  Im 
Jahre  761  sandte  Chrodegang  Müuche  von  dort  nach  Gengenbach, 
in  der  Strassburger  Diözese;^)  drei  Jahre  später  wurde  in  dem 
damals  waldbedeckten  -)  Weschnitzgrunde  im  ]\Iainzer  Bistum  das 
Kloster  Lorsch  gegründet;  die  Stifter  waren  mit  Chrodegang  ver- 
wandt und  übertrugen  ihm  die  Einrichtiuig.  Sechzehn  ]\lönche  von 
(jorze  waren  die  ersten  Bewohner  des  neuen  Klosters;'')  an  der 
Spitze  stand,  nachdem  Chrodegang  im  Spätjahr  765  die  Leitung 
abgegeben  hatte,  sein  Bruder  Guudeland.'*)  Dass  er  in  den  Klöstern 
der  eigenen  Diözese  die  gleichen  Grundsätze  forderte,  die  er  in 
Gorze  heimisch  machte,  ist  selbstverständhch.'') 

Sie  en-angen  rasch  das  Übergewicht  ül)er  die  von  Bonifatius 
vertretenen  t'berzeugungen.  Unterwerfung  der  Klöster  unter  den 
Episkopat  war  ein  überall  erstrebtes  Ziel.  Auch  ein  so  treuer 
SchiÜer   des  Bnnifitins   wie  Lul   von  Mainz  bilhgte   es.     Die  Ein- 


1)  Ann.  Lauresh.  S.  28:  ,monasterium  Hrorlharti". 

2)  Theoclulf.  carm.  49,  6  S.  550:  Silvestri  in  iure. 

3)  Über  die  Stiftving  Ann.  Lauresh.  S.  28;  Chron.  Laur.  (M.G.  XXI, 
341);  Gest.  ep.  Mett.  S.  268,  Urkunden  Karls  von  772  ( B.M.  141)  u.  773 
(Nr.  14«),  Die  Stifter  waren  die  Grätin  Williswind,  die  Wittwe  eines  Grafen 
Ruoi>ert,  und  ihr  Sohn  Cancer,  Verwandte  Chrodegangs  (Chron.  Lauresh. 
S.  341).  Sie  übergaben  ihm  das  Kloster  zum  Besitz.  Über  das  Gründungs- 
jahr Hufschmied  Ztschr.  f.  G.  d.  Ob.-Rheins,  47.  Bd.  S.  633  ff.  Chrodegang 
erwarb  i.  J.  765  für  das  Kloster  die  Reliquien  des  h.  Nazarius.  Der  Besitz 
de«  Klosters  vermehrte  sich  schon  in  den  ersten  Jahren  seines  Bestandes  un- 
gemein rasch.  Noch  Gundeland  übergab  das  Kloster  an  Karl  d.  (4r.  Es  er- 
hielt im  Mai  772  die  Immunität,  773  freie  Abtswahl  (B.M.  143,  148).  Im 
.lahre  774  wurde  die  von  Gundeland  neuerbaute  Kirche  eingeweiht:  sie  wird 
als  more  antiquorum  et  imitatione  veterum  errichtet  gerühmt.  Eine  Vor- 
stellung davon,  wie  eng  der  Anschluss  an  antike  Vorbilder  gewesen  sein 
wird,  giebt  das  erhaltene  Eingangsthor,  das  wohl  dem  Bau  Richbods  (t  804) 
angehört. 

4)  Hufschmied,  a.  a.  0.  S.  6-35  ff. 

5)  Chrodeganj?  gründete  ausser  Gorze  noch  das  monasterium  St.  Petri 
in  parochia  b.  SteyOiani  in  pago  Mosellensi  (Gest.  ep.  Mett.  S.  268).  Da  er 
Reliquien  des  h.  Naher  nach  St.  Avold  brachte,  scheint  er  zu  diesem  Kloster 
ähnlich  nahe  Beziehungen  gehabt  zu  haben  wie  zu  Gorze  und  Lorsch  (Ann. 
Laurifs.  min.  z.  J.  767,  Fuld.  z.  J.  766). 


—     57     — 

riclituDgen,  "welche  Bonifatiiis  füi-  Fulda  getroffen  hatte,  fanden  an 
ihm  einen  entschiedenen  Gegner.^)  In  Fulda  erklärte  man  die 
Feindseligkeit  des  Bischofs  aus  persönlicher  Eifersucht  gegen  Stm-m;  -) 
schwerlich  mit  Recht;  der  Grund  lag  ohne  Zweifel  tiefer.  Die 
Mönche  von  Fulda  Avaren  eifrige  Prediger;  das  Volk  strömte  ihnen 
zu;  sie  gründeten  in  den  Waldgebirgen  nördlich  des  Mains  eine 
Zelle  und  eine  Kirche  um  che  andere,  Sie  selbst  sahen  darin 
lediglich  Pfhchterfüllung,  Arbeit  zum  Heil  des  Volkes;'^)  aber  ist 
es  zu  verwundern,  wenn  Lul  die  Sache  von  einem  anderen  Ge- 
sichtspunkt aus  beurteilte?  Sie  arbeiteten  in  seinem  Bistum,  ohne 
ihm  irgendwie  verantwortlich  zu  sein.  Eben  strebte  man  die  un- 
kontrolherbare  Thätigkeit  der  Wanderbischöfe  und  fremden  Priester 
zu  beseitigen:  dm'chbrach  nicht  das  Thun  der  Mönche  die  Ordnung 
im  Bistume  in  weit  l)edenklicherer  Weise  ?  Hier  war  ein  sach- 
licher, nicht  nur  ein  persönlicher  Gegensatz  gegeben.  Die  Ent- 
scheidung schien  dadurch  herbeigeführt  zu  werden,  dass  Pippin 
Sturm    aus  Fulda    entfernte*)    und    das  Kloster  an  Lul  überwies. 


1)  Quelle  ist  Eigils  Vit.  Sturm.  16—18.  Sie  giebt  selbstverständlich 
die  fuldische  Anschauung  der  Verhältnisse. 

2)  Vit.  Sturm.  16. 

3)  L.  c. :  Qui  cum  verbum  Domini  instanter  ubique  praedicasset  et 
eum  diligenter  omnes  auscultassent,  hostis  humani  generis  invidus  tantam 
in  plebe  utilitatem  non  sustinens,  discordias  inter  fratres  seminare  coepit. 
Vgl.  Vit.  Gregor.  10:  (Sturmi)  quantum  profecerit  in  eremo  sua  post  mar- 
t}-rium  s.  magistri,  Bocauna  silva  in  testimonio  est,  quae  prius  omnimodis 
inculta  erat  ac  desertum,  nunc  autem  ab  Oriente  usque  ad  occidentera,  a 
septemtrione  usque  ad  meridiem  ecclesiis  Dei  et  electis  palmitibus  mona- 
chorum  repleta  est. 

4)  Die  Darstellung  Eigils  ist  gerade  hier  sehr  wenig  durchsichtig. 
Ich  lasse  sie  auf  sich  beruhen.  Die  Thatsache  der  Verweisung  Sturms  nach 
Jumieges  macht  sehr  wahrscheinlich,  dass  er  nicht  ganz  so  schuldlos  war, 
als  Eigil  behauptet.  Lagen  etwa  Beziehungen  zu  Tassilo  in  der  Mitte  ?  So 
Oelsner,  JB.  S.  516.  Die  Vermutung  hat  viel  für  sich.  Auch  Hahn  (B.  u. 
L.  S.  268)  büligt  sie.  Dass  Lul  eine  Zeitlang  an  der  Spitze  des  Klosters 
stand,  beweisen  die  beiden  Urkunden  Dronke,  Cod.  dipl.  S.  6  Nr.  8  u. 
S.  16  f.  Nr.  26.  Dass  im  Datum  der  ersteren  ein  Fehler  liegt,  ist  sicher: 
im  zweiten  Jahre  Pippins  lebte  Bonifatius  noch.  Da  die  Urkunden  von  dem 
gleichen  Manne  ausgestellt,  von  dem  gleichen  Schreiber  geschrieben,  zum 
Teil  von  den  gleichen  Zeugen  unterfertigt  sind,  und  da  die  Monatstage  nur 
um  drei  Tage  auseinanderliegen,  so  ist  kein  Zweifel,  dass  sie  auch  in  das 
gleiche  Jahr  gehören;  hält  man  das  Jahr  der  zweiten  Urkunde  fest,  so  in 
das  Jahr  763.  Das  ist  bekanntlich  das  Jahr  des  Abfalls  Tassilos  (Ann.  Einh. 
Lauriss.,  z.  d.  J.).  Die  Verbannung  Sturms  würde  darnach  in  den  Sommer 
763  unmittelbar  nach  der  Rückkehr  aus  dem  aquitanischen  Krieg  zu  setzen 


—     58     — 

Dieser  ernannte  einen  Priester,  Namens  Marcus,  zum  Abt.  Aber 
der  AVidei-stand  der  ]\I()nche  machte  es  dem  neuen  "\'orsteher  un- 
möglich, sein  Amt  /u  verwaUen.  Xun  gestattete  Lul  den  Brüdern, 
einen  Aht  aus  ihrer  eigenen  Mitte  zu  wählen:^)  es  hig  ihm  nichts 
an  der  Pei-söidichkeit.  alles  daran,  dass  sein  Aufsichtsrccht  über 
das  Kloster  anerkannt  werde.  Wir  wissen  nicht,  was  Pippin  be- 
wog,  nach  einiger  Zeit  seine  Stellung  zu  ändern.  Er  gestattete 
Stunn  die  Rückkehr  und  übergab  ihm  die  Leitung  des  Klosters 
von  neuem;  auch  das  Privilegium  des  Zacharias  trat  wieder  in 
Kraft:  die  Folge  war,  dass  die  Unterordnung  des  Klosters  untei 
den  Bischof  aufhörte.-)  AVar  Lul  hier  unterlegen,  so  gab  er  doch 
seine  Sache  nicht  verloren:  er  suchte  den  Eintluss  Fuldas  zu  unter- 
graben, indem  er  in  Hersfeld  ein  bischötliches  Kloster,  ein  Trutz- 
Fulda,  grün'lete.'^) 


sein.  Im  Mai  766  war  Sturm  wieder  Abt  (vgl.  Dronke  S.  19  Nr.  29  ff.).  So 
auch  Oelsner.  Gegenhauers  (D.  Kl.  Fulda  I,  1871  S.  28  tl'.)  abweiehendo  Be- 
rechnung scheitert  an  seiner  unmöglichen  Datierung  der  Urkunde  Nr.  8. 
Er  lässt  anno  II  stehen,  setzt  die  Thronbesteigung  Pippins  richtig  751 — 752 
und  lässt  die  Urkunde  nach  Dronke  31.  August  755  datiert  sein.  Dass 
später  das  Verhältnis  Luis  zu  Fulda  ein  freundliches  wurde,  zeigt  die  Ur- 
kunde S.  46  Nr.  75.  Sie  hat  kein  Jahresdatum,  kann  aber  nur  in  das  Jahr 
785  fallen,  da  nur  in  diesem  Jahre  der  25.  September  ein  Sonntag  war,  Lul 
den  Titel  Erzbischof  und  Karl  den  eines  Königs  der  Langobarden  führt. 

1)  V.  Sturm.  17. 

2)  L.  c.  19.  Wenn  Pippin  Lul  gebot,  quod  causam  suam  et  monastorii 
defensionem  a  nullo  alio  quaeroret  nisi  a  rege,  so  erscheint  dadurch  Pippins 
Standpunkt  gewahrt.  Die  Exemption  von  der  bischöflichen  Jurisdiktion 
und  die  direkte  Unterstellung  unter  Rom  sollte  die  königliche  Macht  nicht 
>)e8chränken. 

3)  An  die  Gründung  eines  Klosters  in  Hersfeld,  Herolvesfeld,  hatte 
bereit.s  Bonifatius  gedacht  (s.  Hd.  I  S.  565),  den  Gedanken  aber  wieder  auf- 
gegeben; von  Lul  wurde  er  kurz  nach  Pippins  Tod  ausgeführt.  Er  gründet 
das  Kloster  auf  Eigengut,  übergiebt  es  jedoch  später  an  Karl.  Durch  Karls 
Privilegium  vom  5.  Januar  775  (B.M.  172)  erfahren  wir,  wie  das  Verhältnis 
des  Bi.tchofs  zum  Kloster  geordnet  wurde;  nicht  nur  waren  die  kanonischen 
Rechte  des  Bischofs  ausdrücklich  anerkannt  uml  derselbe  zur  Vornahme  der 
Ordinationen  und  P.enediktionen  für  berechtigt  erklärt,  sondern  es  wurde 
auch  verfügt,  dass  im  Falle  von  Uneinigkeiten  Mit  und  Mönche  sich  an 
den  Bischof  und,  wenn  ihm  die  f'.inigung  nicht  gelinge,  an  die  königliche 
Synode  zu  wenden  hätten.  Das  Kloster  erscheint  also  im  Unterscliiede  von 
Fulda  als  der  Diözese  Mainz  und  der  fränkischen  Landeskirche  eingegliedert. 
Lul  seibat  war  erster  Abt  (BM.  17.S,  188  ff.  u.  ö.);  sein  Nachfolger  ist  Bun 
(Nr.  266);  dann  vereinigt  Riculf  die  Abtei  wieder  mit  dem  Bistum.  Das 
Kloster  war  den  Aposteln  Simon  und  Taddeus  geweiht.  Interessante  Auf- 
schlösse über  den  Besitz  giebt  das  Breviarium  S.  LuUi  von  Landau,  Ztschr. 


—     59     — 

Der  Gegensatz  /wischen  Bischof  und  Kloster  findet  sich  ebenso 
in  der  Konstanzer  Diözese.  Das  Kloster  auf  der  Reichenau  war 
königlich;  aber  die  Bischöfe  Arnfrid,  Sidonius,  Johannes  waren  zu- 
gleich Abte  daselbst;  ^)  sie  hatten  also  das  Kloster  völlig  in  ihrer 
Hand.  Neben  ihm  erljlühte  seit  dem  ersten  Viertel  des  achten 
Jahrhunderts  die  Gallenzelle  zu  einer  reichen  Abtei;  der  Besitz 
melu'to  sich  zum  Teil  durch  Schenkungen,  wohl  auch  durch  Kauf-) 
Die  Güter  lagen  nicht  nur  in  der  nächsten  Umgebung,  dem  Thur- 
gau  und  Zürichgau,  sondern  auch  jenseits  des  Bodensees  und  des 
Eheines;  der  Ruhm  des  heiligen  Gallus  begann  also  weithin  in 
Schwaben  sich  auszubreiten.  Aber  die  rechtliche  Lage  war  unklar 
uiul  deshalb  unsicher;  denn  zu  den  königlichen  Klöstern  gehörte 
St.  Gallen  nicht,  bischöflich  al)er  wollte  die  Stiftung  des  Columba- 
schülers    nicht   sein.'^) 

d.  Yer.  f.  hessische  Gesch.  X  S.  108  ff.  herausgegeben,  auch  bei  Wenk,  ÜB. 
zu  Bd.  II  S.  15  Nr.  12  (vgl.  Schröder  in  den  Mitt.  des  Inst.  XVIII  S.  1  ff.). 

1)  Über  die  Anfänge  Reichenaus  s.  Bd.  I  S.  337.  Als  Heddo  Reichenau 
verliess,  ging  die  Leitung  des  Klosters  an  den  Mönch  Keba,  Geba  über,  7.34. 
Dieser  starb  nach  zwei  Jahren,  in  demselben  Jahre  wie  Bischof  Audoin  von 
Konstanz,  736;  nun  wurden  beide  Würden  vereinigt;  diese  Verbindung 
dauerte  bis  zum  Tode  des  Johannes,  9.  Febr.  782.  Damals  erhielt  Reichenau 
in  Peter  einen  eigenen  Abt.     (Herrn.  Contr.  z.  J.  734  ff.) 

2)  Vgl.  Bd.  I  S.  345;  Meyer  von  Knonau,  Mitteilungen  zur  vaterl.  Ge- 
schichte 1872,  Xm  S.  87  ff.;  Egli,  KG.  der  Schweiz  S.  88  ff. 

3)  Ich  berühre  hier  eine  Frage,  über  welche  die  Meinungen  auseinander- 
gehen. Ich  vermag  keiner  der  einander  gegenüberstehenden  Anschauungen 
mich  vollständig  anzuschliessen.  Dass  St.  Gallen  vor  760  nicht  ein  könig- 
liches Kloster  war,  auch  nicht  in  dem  Sinne,  wie  Oelsner  (JB.  S.  512)  diesen 
Begriff  versteht,  scheint  mir  sicher;  ebensowenig  möchte  ich  es  aber  in 
dieser  Zeit  als  bischöfliches  Kloster  bezeichnen,  was  es  seit  760  ohne  Zweifel 
gewesen  ist.  Ich  halte  demnach  die  Fragestellung,  ob  königlich,  ob  bischöf- 
lich, welche  die  bisherigen  Antworten  bedingt,  für  nicht  ganz  zutreffend. 
Man  muss  sich  erinnern,  dass  Gall  und  seine  Genossen  Schüler  Columbas 
waren,  und  dass  die  Golumbaklöster  ihre  Unabhängigkeit  von  den  Bischöfen 
grundsätzlich  behaupteten  (vgl.  Bd.  I  S.  267,  298  ff.).  Das  geschah  zweifel- 
los auch  in  St.  Gallen.  Die  Lage  des  Klosters  war  dadurch  eine  unsichere, 
dass  es  unabhängig  sein  wollte,  ohne  königlich,  ohne  immun  zu  sein.  Denn 
seit  der  Bonifazischen  Reform  der  fränkischen  Kirche  ei'kannten  die  Bischöfe 
prinzipiell  nur  entweder  königliche  oder  ihrer  Aufsicht  unterstehende  Klöster 
zu.  Dafür  ist  Vern.  c.  20  (vgl.  auch  c.  8)  bezeichnend.  Aus  dieser  Sach- 
lage folgte  ge Wissermassen  mit  Notwendigkeit  der  Streit,  wie  ihn  die  Ur- 
kunde Ludwigs  vom  22.  Juli  854  (Wartmann,  ÜB.  II  S.  50  Nr.  433)  zeichnet. 
Grimald  von  St.  Gallen  und  Salomo  von  Konstanz  haben  berichtet,  quod 
inter  episcopos  praedictae  urbis  et  inter  abbates  praefati  monasterii  tem- 
poribus  attavi  nostri  Pippini  atque  avi  nostri  Karoli  necnon  b.  m.  Hludowici 


—      ÜU      — 

In  Altt  Otinar')  hatte  das  Kloster  einen  tüchtigen,  auf 
seine  Selbstständigkeit  bedachten  Vorsteher.  Er  erweiterte  die 
Klostergebäude,  so  dass  sie  die  steigende  Zahl  der  Mönche 
autnchiiien  konnten,  baute  neben  dem  Arnienhause  ein  Spital 
für  Aussätzige,  sorgte  übcrliaupt  dafür,  dass  di(!  geistlichen  Auf- 
gaben des  Klosters  eiiüllt  werden  koiniten.  Auch  die  Bene- 
diktinerregel wurde  unter  ihm  den  Brüdern  bekannt.')  Allein  er 
ging  im  Kampfe  für  das  Kloster  zu  Grund;  als  Gefangener  ist  er 
am  Itj.  November  759  auf  der  kleinen  Rheininsel  Werd  bei  Stein 
gestorben."')  Seine  Gegner  waren  nicht  nur  die  nach  dem  Besitze 
des  Klosters  lüsternen  Grossen.  Sie  hätten  ihr  Ziel  nicht  erreicht, 
wenn  nicht  Sidonius  von  Konstanz  auf  ihre  Seite  getreten  wäre. 
Die  Absetzung  Otnuirs  brach  für  den  Moment  den  Widerstand  des 
KIo>;fors   gegen   den    Biscliof      Sidonius   ernannte  den  Mönch   Jo- 

.  .  semiier  ilissensio  et  discordia  esset,  quia  episcopi  .  .  inonasterium  ad 
partem  episcopatus  vindicai'e  voluerunt,  eidem  rationi  monachi  cum  propriis 
abbatibus  resistentes  ad  avum  atque  genitorem  nostrura  se  reclamaverunt. 
Sickels  Darstellung  (Mitt. ,  zur  vaterl.  Gesch.  1865,  IV  S.  16  0.)  wird,  wie 
mich  dünkt,  diesem  unanfechtbaren  Bericht  nicht  gerecht;  er  stellt  ausser 
P'rage,  dass  die  Bischöfe  der  angreifende  Teil  waren.  Dass  der  Streit  erst 
unter  Otmar  ausbrach ,  ist  begreiflich :  der  Besitz  des  Klosters  hatte  erst 
Wert,  seitdem  es  nicht  mehr  eine  unbedeutende  Zelle  war.  Oelsner  hat 
mit  Hecht  an  die  angeführte  Stelle  erinnert.  Um  so  autfallender  ist  es, 
dass  er  dann  doch  urteilt  (S.  512),  die  Erklärung  für  alle  Vorgänge  in  St. 
Gallen  liege  ganz  allein  in  der  selbstständigen  Stellung  der  Grafen.  Sie 
liegt  zum  grösst«n  Teile  darin,  dass  der  Plpiskopat  die  Klöster  sich  in 
früherer  Weise  zu  unterwerfen  suchte.     Vgl.  Egli,  S.  89  tf. 

1)  Das  Leben  Otmars  schrieb  der  Mönch  (lozbert,  ungefähr  70  Jahre 
nach  dem  Tode  des  Abts;  Walalifrid  Strabo  gab  der  Biographie  ihre  uns 
vorliegende  Form  (M.G.  Scr.  U  S.  41).  Auch  in  seiner  Fortsetzung  der 
Vit.  S.  Gall.  c.  HS.  23  erwähnt  Gozltert  Otmar.  Kr  war  ein  Alamanne, 
kam  als  Knabe  nach  Chur,  wurde  dort  Priester  und  erhielt  von  Waltrara, 
dem  Grundherrn  der  Gallenzelle  (vgl.  Wartmann,  ÜB.  I  S.  81:  Waldrata, 
qui  fuit  uxor  Waldramno  tribuno),  die  Leitung  des  Klosters.  Was  die  Zeit 
betriflt,  so  darf  man  auf  die  Nachricht  von  einer  vierzigjährigen  Amts- 
führung (Vit.  Gall.  M,  15)  koinon  allzu  grossen  Wert  legen;  doch  muss  eine 
lange  Thätigkeit  Otmars  angenommen  werden;  sie  reicht  sicher  in  die  Zeit 
Karl  Martell»  zurück.    Urkundlich  kommt  er  zuerst  744  vor  (Wartmann  I,  10). 

2)  Pippin  schenkte  747  durch  Karlmann  veranlasst,  libellum,  quem 
lienedictuH  pater  de  coenobitarum  conversatione  composuerat,  einige  zins- 
pflichtipe  Leute  im  Thurgau  und  eine  Glocke  an  das  Kloster  (Mir.  S.  Galli 
II.  11.  M.G.  Scr.  II  8.  23 1. 

3)  Der  Monatstag  ist  Vit.  Otm.  6  erwähnt;  als  Jahr  giebt  Iso  (Mir. 
Otm.  I,  5  S.  49)  das  siebente  Jahr  I'i]»pins  an;  Herim.  Contr.  759;  Ann.  S. 
Gall.  maj.  760. 


—     61     — 

hannes  von  Reichen^i  zum  Abt.')  Dieser  wird  sich  in  ähnlich 
schwieriger  Lage  befunden  haben  wie  Marcus  in  Fulda;  doch  war 
er  ihr  besser  gewachsen  als  jener.  Durch  Heddo  von  Strassburg 
■snu'de  ein  Vergleich  vemiittelt.  in  welchem  St.  Gallen  die  Ab- 
hängigkeit vom  Bischof  anerkannte,  wogegen  die  Abte  die  freie 
Verwaltung  des  Klosters  erhielten.-)  Im  Zusammenhange  damit 
wird  die  Einführung  der  Benediktineiregel  stehen.'^)  Jener  Vertrag 
hinderte  jedoch  die  Vereinigung  der  Abtei  mit  dem  Bistum  nicht; 
denn  er  wurde  dadurch  umgangen,  dass  nach  des  Sidonius  Tod'*) 
Abt  Johann  zum  Bischof  gewählt  wurde.  Da  er  auch  an  die 
Spitze  von  Reichenau  trat,'^)  so  Avaren  die  beiden  Klöster  mit  dem 
Bistume  verbunden.  Was  Lul  vergeblich  erstrebte,  wm-de  hier 
also  eiTeicht. 

Heddo  von  Strassburg  und  Virgil  von  Salzburg  behaupteten, 
wie  es  scheint,  die  Oberleitung  der  Klöster  ihrer  Diözesen,  ohne 
AViderspruch  zu  finden.*')  Ähnlich  wird  es  in  anderen  Bistümern 
gewesen  sein.     Dagegen  wiu'de  das  alte  Kloster  Agaunum  wie  St. 


1)  Die  Darstellung  der  Katastrophe  Otmars  bei  Gozbert-Walahfrid  ist 
bedenklicli.  da  sie  Züge  aus  Eigils  Leben  Sturms  verwertet.  Wie  bei  Eigil, 
so  geht  hier  die  Klage  aus  der  Mitte  des  Klosters  selbst  hervor;  wie  Sturm, 
so  weigert  sich  Otmar,  sich  zu  verteidigen;  wie  jener  erklärt:  Licet  a  pec- 
catis  immunis  non  sim  contra  te  delictum  non  feci,  so  dieser:  Fateor  rae 
supra  modum  peccasse  in  multis,  de  huiusmodi  autem  obiectione  criminis 
secreti  mei  inspectorem  Deum  invoco  testem.  Als  historischer  Kern  bleibt 
nur,  dass  Otmar  von  den  verbündeten  Gegnern  beseitigt  wurde.  Dass  Jo- 
hannes nicht  gewählt  wurde,  liegt  in  der  Natur  der  Sache:  er  kann  nur 
entweder  von  dem  Bischof  oder  von  Warin  und  Rudhard  ernannt  worden 
sein.     Das  Erstere  ist  wahrscheinlicher. 

2)  Wartmann,  ÜB.  I  S.  87  Nr.  92,  die  Bestätigung  des  verlorenen  Ver- 
trags durch  Karl.  Die  Abhängigkeit  vom  Bistum  ausdrücklich  anerkannt: 
Monasthirium  s.  Gallone,  qui  aspicit  ad  ecclesiam  s.  Mariae  urbis  Constan- 
tiae.  Die  gegenseitigen  Zugeständnisse:  üt  annis  singolis  abbates  .  .  partibus 
s.  Mariae  eiusquae  pontificibus  in  censum  uncia  de  auro  et  caballo  valente 
libra  una  persolvere  deberent;  in  reliquo  vero,  quicquid  ad  ipsum  mona- 
sthirium obtingebat,  cum  omni  integritate  .  .  rectores  sui  in  eorum  haberent 
potestatem  pleniter  dominandi. 

3j  Urkundlich  ist  ihre  Herrschaft  i.  .T.  779  bewiesen,  Wartm.  I  S.  85 Nr.  90. 

4)  4.  Juli  760;  Necrol.  Aug.  (M.G.  Necr.  S.  277)  giebt  den  Tag;  das 
Jahr  ergiebt  sich  aus  dem  Todesjahre  Otmars. 

5)  Ladewig,  Reg.  Const.  35. 

6)  S.  oben  S.  48  Anm.  1  und  unten  Kap.  YII.  Die  dort  zu  erwähnende 
Synode  zu  Neuching  zeigt,  dass  der  Gegensatz  zwischen  Episkopat  und 
Mönchtum  auch  in  Baiern  vorhanden  war,  und  dass  er  auch  hier  sachliche 
Gründe  hatte. 


—     Ü2     — 

Gallen  mit  dem  Bistum  vereinigt:  A\'illili;ir  war  Abt  von  St.  Mamice 
und   Hischol  von   Sitten.') 

W't'ini  der  E|)iskoi)at  bestrebt  war,  die  Klöster  in  Unterord- 
nuMir  unter  der  biscbütiicben  Autorität  zu  halten,  so  lag  darin  kein 
Widei-sprucli  gegen  die  Idee  des  Mönchtums.  Nieuiand  bezweifelte, 
dass  das  asketische  Leben  das  religiös  vollkonnnene  Lebeii  sei. 
Die  Bischöfe  sprachen  diese  Überzeugung  in  der  schärfsten  Weise 
aus,  indem  sie  vereucliten,  den  Weltklerus  dadurch  zu  heben,  dass 
sie  Eiiu'ichtungen  des  Mönchtums  auf  ihn  übertrugen.  Auch  hier 
gab  Chrodegang  das  Vorbild.  Nichts  hat  seinen  Namen  so  be- 
kannt gemacht  als  die  Einfiihrung  des  kanonischen  Lebens  für  die 
Metzer  Geisthchkeit.-)  Er  unternahm  dabei  nicht  etwas  völlig 
Neues  und  Unbekanntes,'')  auch  brauchte  er  sein  Vorbild  nicht  in 
Italien  zu  suchen:"*)  Sache  und  Xame  fand  er  schon  in  der  älteren 
fränkischen  Kirche. 

Es  ist  längst  bemerkt  worden,  dass  er  fast  bei  allen  Bestim- 
mungen seines  Statuts  das  Vorbild  der  Benediktinerregel  vor  Augen 
hatte.'')     Er   entnahm    ihr   nicht  nur    eine  iNIenge  einzelner  Anord- 


1)  S.  E-ii  o.  \fö. 

2)  Gest.  ep.  Mett.  S.  2G3.  Die  regula  canonicoriini  in  ursjnüngliclier 
Gestalt  Mansi  XIV,  313  ff.,  Migne  89,  1097  ff.,  neu  herausgcgeb.  v.  W.  Schmitz 
1889;  Tgl.  Ebner  RQS.  1891  S.  82;  die  erweiterte  Fasaung  1.  c.  332  ff.  und 
1057  ff.     Beziehungen  auf  die  Metzer  Kirche  c.  4,  5,  H  u.  ö. 

3)  Vgl.  Bd    I  S.  22.^). 

4)  Annahme  von  Oelsner  S.  209  unter  Beziehung  auf  V.  Steph.  II.  12. 
.\ber  die  Stolle  handelt,  wie  mich  dünkt,  nicht  von  der  vita  canonica, 
sondern  lediglich  von  dem  auf  Klerus  und  Laien  gerichteten  seelsorger- 
lichen  Eifer  des  Papste.s.  Auch  die  4  Stellen  (c.  2,  7,  33),  an  denen  Chrode- 
gang sich  auf  das  römische  Vorbild  beruft,  beweisen  nichts;  denn  sie  beziehen 
sich  mit  Ausnahme  von  2,  10  (Titulatur)  auf  das  V(n-halton  im  Gotteadion.sl : 
Sitzen  nach  dem  Alter,  kein  Stock  in  der  Kirche,  Erwartt-n  des  Bischofs, 
in  c.  8  ist  nicht  von  den  Kanonikern,  sondern  von  den  Stadtgeistlichen  die 
Rede.  Ans  der  Regel  \iUbt  sich  also  auf  das  gemeinsame  Leben  des  rö- 
mischen Klerus  nicht  schliessen.  Eher  auf  das  Gegenteil.  Denn  wenn 
Chrodegang  sich  für  solche  Kleinigkeiten,  wie  dass  der  Kleriker  keinen 
Stock  in  die  Kirche  mitnehmen  soll,  auf  das  römische  Beispiel  beruft,  so 
ist  doch  anzunehmen,  dass  er  sich  auch  für  die  Hauptsache  auf  dies  Bei- 
spiel berufen  hätte,  wenn  er  es  vor  Augen  gehabt  hätte.  Die  Einrichtung 
wird  al.io  vor  7.33  getroffen  worden  sein. 

ö)  Mabillon,  A.  S.  lil,  2  S.  185.  Ohne  Vorbild  in  der  Benediktiner- 
regel  sind  c.  4,  5,  8,  10,  14,  30—34;  im  übrigen  ist  das  Verhältnis  fol- 
gendes: c.  1  beginnt  mit  denselben  Worten  wie  Ben.  7,  geht  aber  nach 
dem  ersten  Satz  seinen  eigenen  Weg;  c.  2  schliesst  eich  an  Ben.  63  an; 
c.  3  entspricht  Ben.  22;  übertragen  ist  der  gemeinsame  Schlafsaal  und  die 


o 


—     6ö 

nungen;  sonclern  die  sittlichen  und  religiösen  Anschauungen,  welche 
Benedikt  aussprach,  dienten  ihm  überhaupt  zu  Wegweisern.  Es 
war  ganz  im  Geist  des  Mönchtums  gedacht,  wenn  er  seinen 
Klerikern  vorhielt:  Mögen  wir  nicht  wert  sein,  mit  den  erhabenen 
Hirten  und  ihren  Herden  von  dem  Herrn  zu  hören:  Ei,  du  frommer 
und  getreuer  Knecht,  so  möge  doch  wenigstens  uns  das  gewährt 
werden,  dass  wir  Vergebung  unserer  Sünden  erlangen.  Denn  dem 
wird  der  Eingang  in  das  Reich  nicht  versagt,  dem  seine  Sünden 
vergeben  smd.  Und  wer  so  glückhch  ist,  irgend  einen  Platz  im 
Paradiese  zu  erreichen,  der  kann  nicht  als  unglücklich  geachtet 
werden.  Am  Himmel  aber  erhält  jeder  Teil,  der,  so  gut  er  kann, 
durch  ein  verdienstliches  Leben  daliin  zu  eilen  sich  bestrebt.  Darauf 
lasst  uns  den  Sinn  richten,  so  viel  wir  können:  wü-  können  ja 
nicht,  so  viel  wir  sollen;  unser  Leben  mag  uns  füi'  eine  kurze  Frist 
bitter  werden  in  der  Busse,  damit  Gott,  der  nun  barmherzig  und 
langmütig  ist,  nicht  zuletzt  den  Ingrimm  seiner  Strafe  über  uns 
ergiesse.-^)  Zieht  man  das  Einzelne  in  Betracht,  so  erinnert  an  das 
mönchische  Vorbild,  dass  der  Hof  der  Kanoniker,  so  weit  es  irgend 
anging,  gegen  die  Laien  abgeschlossen  wurde;  niemand  sollte  ihn 
betreten,  der  nicht  Mitghed  der  Genossenschaft  war;  Handwerker, 
die  innerhalb  der  Mauern  zu  arbeiten  hatten,  mussten  ihn  nach 
Vollendung  der  Arbeit  alsbald  wieder  verlassen.-)  Auch  die  Ge- 
meinsamkeit des  Lebens  bei  der  Arbeit,  bei  der  Mahlzeit,  bei  der 
Ruhe  wurde  von  den  Mönchen  auf  die  Kleriker  übertragen.^) 
Jedoch  nur  in  dem  letzten  Punkte  hessen  sich  die  Vorschiiften 
Benedikts  imverändert  nachahmen.  Dagegen  nahm  Chi'odegaug 
schon  bei  den  Mahlzeiten  auf  die  hierarchische  Ghederuug  des 
Klerus  Rücksicht;  bei  der  Anordnung  der  Tische  \rie  bei  der  Ver- 
Vorschrift, dass  Jüngere  und  Ältere  die  Betten  neben  einander  haben 
sollen;  alles  übrige  ist  selbstständig;  c.  6  Anfang  aus  Ben.  43;  c.  7  erste 
Hälfte  aus  Ben.  19  f.;  c.  9  beginnt  mit  den  Worten  Ben.  48,  ist  aber  im 
•übrigen  selbstständig;  c.  11  erste  Hälfte  aus  Ben.  72;  ebenso  12  aus  Ben.  70; 
c.  13  beinahe  vollständig  =  Ben.  69;  c.  15  berührt  sich  leicht  mit  Ben.  25; 
c.  16  =  Ben.  26;  c.  17  im  ganzen  =  Ben.  23;  c.  18  nimmt  den  Anfang 
aus  der  Überschrift  von  Ben.  48,  ist  aber  im  übrigen  selbstständig;  c.  19 
Anfang  aus  Ben.  24;  c.  20  entspricht  Ben.  49,  weicht  jedoch  in  einem 
Hauptpunkte  ab;  Chrodegang  giebt  Vorschriften,  bei  Benedikt  handelt  es 
sich  um  ein  freiwilliges  Opfer;  c.  21,  22,  23  schliessen  sich  an  Ben.  56,  39, 
40  an;  die  Anordnungen  im  einzelnen  sind  jedoch  selbstständig;  c.  24  zum 
grossen  Teil  aus  Ben.  35;  c.  25 — 29  verwenden  Stellen  aus  Ben.  64  f.,  31, 
66,  36,  55. 

1)  Regul.  can.  prolog. 

2)  C.  3. 

3)  C.  9;  21;  3. 


—     G4     — 

toiluiif?  dos  Weins  wurde  ihr  Rechnung  getragen:  der  Priester  sass 
am  gleichen  Tisch  mit  dem  Priester,  der  Diakon  mit  dem  Diakon, 
jener  erhielt  drei  Becher  Wein,  der  niedere  Kleriker  zwei.M  l  ber- 
hau])t  legte  Throdegang  Wert  darauf,  das  Gefühl  tür  die  Autorität 
zu  stärken :  er  wi<Hlerholte  die  Bestimmung  der  Benediktinerregel, 
dass  niemand  den  anderen  einfach  mit  seinem  Namen  anreden 
sollte ;  aber  während  der  Mönch  dem  Mönche  stets  den  Titel  Bru- 
der oder  Vater-)  gab,  wurde  von  den  Geisthchen  gefordert,  dass 
sie  die  kirchliche  Würde  des  Angeredeten  nicht  zu  nennen  ver- 
gässen.'')  So  war  denn  auch  die  Genossenschaft  der  Kanoniker 
viel  strenger  monarchisch  verfasst  als  die  benediktinischen  Mönchs- 
vereine. Benedikt  wies  den  Abt  an  den  Rat  der  Brüder;  *)  eine 
ähnliche  Bestimmung  ko?mte  Chrodegang  nicht  treffen:  der  Bischof 
war  dem  Klerus  gegenüber  souverän.  Er  ernannte  ohne  Zweifel 
den  Primicerius;  auch  dieser  war  nicht  an  Rat  und  Zustimmung 
seiner  Genossen  gebunden:  er  konnte,  wen  er  wollte,  mit  Aufsicht 
und  Leitung  betrauen.*^)  In  anderer  Hinsicht  waren  die  Klerikei- 
weniger  gebunden  als  die  ^lönche:  ihr  Beruf  führte  sie  häufig  in 
die  Stadt,  es  war  unmöghch,  ihnen  das  zu  verwehren.**)  Nicht 
minder  wird  die  Rücksicht  auf  die  Anforderungen  des  geistlichen 
Amts  gehindert  haben,  die  Besitzlosigkeit  des  Einzelneu  streng 
durchzuführen.  Zwar  wurde  an  dem  Grundsatz,  dass  die  Nachfolge 
Christi  Armut  erheische,  festgehalten:  der  Eintretende  musste.zum 
Besten  der  Kirche  auf  seine  Habe  verzichten;  aber  indem  ihm  ge- 
stattet wurde .  sie  als  Prekarie  auf  Lebenszeit  zurückzunehmen, 
blieb  ihm  die  Nutzniessung;  nni-  das  Recht,  das  Seine  zu  veräussern 
oder  zu  vererben,  war  ihm  entzogen.') 

Das  in  dieser  Weise  streng  durchgeführte  gemeinsame  Leben 
der  Kleriker  sollte  religiösen  Gehalt  bekonnnen  durch  gcmeinschaft- 
üche  Erbauung.   Allen  Gliedern  der  Genossenschaft  war  die  pünkt- 


1)  C.  22  f. 

2)  Nonnus  c.  63  =  Vater. 

3)  C.  2. 

4)  C.  3. 

5)  C.  9. 

6)  C.  4.  Es  wurde  nur  gefordert,  dass  alle  Kanoniker  zum  Komple- 
toriuni  sich  im  claustrum  einfänden. 

7)  C.  31 :  Licet  legamus  antiquam  ecclesiam  sub  tempore  apostolorum 
ita  unnnimem  roncordemque  extetisHO,  et  ita  omnia  reliquisse.  ut  singuli 
predia  sua  vendentes  ad  pedibus  apostolorum  precia  ponercnt.  .  .  Sed  quia 
nostris  temporibus  persuaderi  non  potest,  saltim  vel  hoc  consenciamus,  ut 
ad  aliquantulumcunque  similitudinem  conversacionis  eorum  nostros  animos 
contrahamus. 


—     65     — 

Hellste  Beobachtung  der  kanonischen  Stunden  zur  Pflicht  gemacht.^) 
An  jedem  Sonn-  und  Festtag  empfingen  sie  das  heihge  Abendmahl; 
wenigstens  zweimal  im  Jahre  mussten  sie  die  Beichte  ablegen.'-) 
Dazu  kam  die  Einrichtung  des  Kapitels :  täglich  versammelten  sich 
in  einer  bestimmten  Stunde  alle  Kanoniker,  um  Lektionen  aus  der 
heihgen  Schrift  und  dem  Statut  Chi'odegangSj  an  gewissen  Tagen, 
Sonntag,  Mittwoch  mid  Freitag,  auch  aus  anderen  erbauhchen 
Schriften  beizuwohnen.  In  diesen  Versanmilungen  wurden  die  not- 
wendigen Anordnungen  bekannt  gemacht  und  die  öffentlichen  Rügen 
erteilt.  Es  konzentrierte  sich  in  ihnen  gewissermassen  die  Geraein- 
samkeit des  Lebens.  Zugleich  aber  griff  Chrodegang  hier  über  den 
Kreis  des  Kathedi-alklerus  hinaus;  denn  an  den  sonntäglichen 
Kapiteln  hatte  der  gesamte  Klerus  der  Stadt  Anteil  zu  nehmen.  ■') 

Dm-ch  chese  Einrichtungen '')  hoffte  Chrodegang  seine  Geist- 
lichkeit zu  einem  Stande  zu  erziehen,  der  ebenso  durch  Würde  und 
Haltimg  ^)  wie  durch  Frömmigkeit  **)  ausgezeichnet  war.  Das  Ideal 
war  jene  rehgiöse  Vollkommenheit,  welche  man  sich  in  der  Urge- 
memde  verwirklicht  dachte;  aber  Chrodegang  verzichtete  auf  die 
Übereinstimmung,  er  begnügte  sich  mit  der  Annähenmg  an  das 
Vorbild.') 

Da  die  Genossenschaft  alle  Bewohner  des  bischöflichen  Hofs 
umfasste,  so  gehörten  ihr  im  weiteren  Sinne  auch  die  Knaben  und 
Jünghnge  an,  welche  in  der  Umgebung  des  Bischofs  zu  Geistlichen 
ausgebildet  wm'den.*')  Das  Metzer  Kanonikat  bildete  die  Schiüe, 
durch  welche  der  gi'össte  Teil  des  Diözesanklerus  hindm-chging. 
Dadm'ch  gewann  Chrodegangs  Eegel  den  ausgedehntesten  Einfluss. 


1)  C.  4—6. 

2)  C.  14.  Die  eine  Beichte  sollte  zu  Beginn  der  Fastenzeit,  die  andere 
im  Herbst  von  Mitte  August  bis  Anfang  November  dem  Bischof  abgelegt 
werden.  Die  gewissenhafte  Beobachtung  der  Fastenzeiten  wurde  natürlich 
ebenfalls  gefordert  (c.  20). 

3)  C.  8. 

4)  Es  braucht  kaum  bemei-kt  zu  werden,  dass  die  herkömmlichen 
Mittel  der  Kirchen-  und  Klosterzucht  angewandt  wurden,  um  Ausschreitungen 
zu  bestrafen  und  Widerspruch  niederzuschlagen  (c.  15 — 19);  Beachtung  ver- 
dient besonders  c.  15  über  die  publica  poenitentia  bei  graviores  culpae, 
i.  e.  homieidium,  fornicatio,  adulterium.  furtum  vel  his  similia. 

5)  Vgl.  c.  2,  33  u.  ö. 

6)  C.  1,  9,  11  u.  ö. 

7)  Vgl.  c.  31,  14.  Prol. 

8)  C.  2:  Pueri  parvi  vel  adulescentes  in  oratione  vel  ad  mensas  cum 
disciplina  ordines  suos  custodiant,  foras  autem  ubi  et  ubi  custodiam  habeant 
et  disciplinam. 

Hauck,  Kirchengeschichte.   II.    2.  Aufl.  5 


—     60     — 

Die  Geistlichen  lebten  sich  von  Jugend   auf  in  die  Anschauungen 
ein.  von  welchen  sie  durchdrungen  war. 

Endlidi  galten  aucii  die  Matricularii  als  Zugehörige  des  bischöf- 
lichen Hufes.  Deshalb  unterhess  Chrodegang  nicht.  Bestinnuungen, 
welche  sich  auf  sie  beziehen,  in  seine  Regel  aufzunehmen.')  Sie 
sind  von  besonderem  Interesse,  da  in  ihnen  die  rehgiösen  Ziele 
der  ganzen  Einrichtung  klar  hervortreten.  Chrodegang  verhehlte 
sich  nicht,  dass  die  Armen  in  seelsorgerhcher  Hinsicht  übel  ver- 
wahrlost seien,  sie  lebten  ohne  Predigt  und  ohne  Beichte.^  Um 
dem  abzuhelfen,  richtete  er  eigene  Erbauungsstunden  ein,  welche 
für  sie  je  am  zweiten  Samstag  in  St.  Stephan  gehalten  wurden.'^) 
Wie  von  den  Kanonikern,  so  forderte  er  auch  von  ihnen  in  jedem 
Jahre  zweimahge  Beichte.  Endlich  brachte  er  Ordnung  in  che 
Veileilung  der  Unterstützungen.^) 

Chrodegang  hatte  bei  AufsteUung  seines  Statuts  nicht  die  Ab- 
sicht, eine  allgemeine  kirchhche  Institution  zu  schaften ;  er  be- 
schränkte sich  auf  das  ihm  Naheliegende.'^)  Seine  Regel  war  für 
den  Klerus  der  Kathedrale  von  St.  Stejihan  und  der  von  ilir  ab- 
hängigen Kirchen,  St.  Paul  und  St.  Maiia,  bestimmt.")  Aber  sie 
gewann  bald  eine  viel  weiter  greifende  Bedeutung.  Es  ist  nicht 
unwahrscheinlich,  dass  das  schon  in  Pippins  Zeit  begann;  unter 
Karl  wurde  das  JNIetzer  Kanouikat  ein  Musterinstitut  für  die  fit'äu- 
kische  Kirche. 

Wenn  nun  auch  Chrodegang,  so  viel  wir  wissen,  Massregeln, 

1)  C.  34:  Matricolarii  tarn  domi  quam  et  suborbanis  —  tani  <iui  in 
domo  sunt  quam  illi  qui  per  ceteras  ecclesias  infra  civitate  vel  vicis  matri- 
colas  habent. 

2)  Quia  non  secundum  institutionem  antiqui  ecclesie  eorum  esse  con- 
versatio,  sed  sub  magno  quodam  periculo  et  negligentiam  et,  ut  ita  dixerim, 
absque  praedicatione  et  confessione  erant  in  (juadam  socuritate  positi.  neqne 
ad  domum  ad  stacionom  publicum  ad  audiendum  verbum  Dei  veniebaut 
noque  in  reliquis  stacionibus  sed  erant  omnes  sedentes  unu.squisque  in 
loca  sua. 

3)  In  denselben  wurden  Homilien  verlesen. 

4)  Verteilt  wurde  Brot  und  Speck  oder  Brot  und  Käse;  für  jede  Vor- 
teilung war  bestimmt:  Brot  von  8  Schefl'eln  und  Speck  von  6  MastHchweinen 
oder  eine  pensa  Käse.  Uhlhom  berechnet  aus  dem  Brotverbrauch  240  matri- 
cularii (Liebesthätigkeit  II  S.  25).  In  der  Fastenzeit  wurde  Brot  und  Wein 
verteilt;  für  das  Osterfest  Brot  und  Wein,  Speck  und  Käse.  An  Wein  waren 
jährlich  24  modia  nötig. 

ö)  Vgl.  den  Prolog,  S.  52  Anm.  6. 

6)  Ergiebt  sich  aus  c.  24.  Die  Regel  ist  die  Frucht  von  Beratungen ; 
vgl.  Pro!.:  ,Fratrum  spiritualium  consolatione  adiutus';  c.  34:  Una  cum 
consensu  fratrum  .tpiritualium  constituimus. 


—     67     — 

welche  die  ganze  fränkische  Kh^che  betrafen,  weder  angeregt  noch 
ausgeführt  hat ,  so  gingen  doch  seine  Sorgen  und  Gedanken  auf 
die  Allgemeinheit:  er  erstrebte  den  innigen  Zusammenschluss  des 
Klerus  auf  rehgiöser  Grundlage.  Zeuge  dessen  ist  der  Totenbund 
von  Attigni,  an  dem  er  teilnahm,  den  er  wahrscheinlich  veranlasste.  •*) 
Er  hatte  im  Jahr  762  eine  schwere  Krankheit  zu  überstehen;-) 
sie  wird  ihm  den  Gedanken  nahegelegt  haben,  die  auf  einer  Synode 
zu  Attigni  ^)  versammelten  fränkischen  Prälaten  zum  Abschluss 
eines  Gebetsvereines  zu  ermuntern:  sie  verpflichteten  sich,  füi'  jedes 
verstorbene  Mitghed  hundert  Messen  feiern  und  hundert  Psalmen 
singen  zu  lassen,  jeder  Bischof  hatte  ausserdem  persönlich  dreissig 
Messen  zu  lesen.  Aus  dem  deutschen  Teile  des  Reichs  nahmen 
die  Bischöfe  Heddo  von  Strassburg,  Lul  von  Mainz,  Megingoz  von 
Würzburg,  Baldeberht  von  Basel,  Folcrich  von  Lüttich,  Johannes 
von  Konstanz,  Wilhbald  von  Eichstädt  und  Tello  von  Chm*  An- 
teil, sodann  die  Abte  Jakob  von  Hornbach,  der  sich  als  Bischof 
bezeichnete,  Fabigaud  von  Wessobrunn,  Athalbert  von  Pfäffers  und 
Eborsind  von  Altaich. 

Chrodegang  starb  am  6.  März  766.*)  In  der  letzten  Zeit  vor 
semem  Tode  hatte  ihn  besonders  die  Versorgung  seiner  Klöster 
mit  Reliquien  beschäftigt.'')     Er    war   darin   ganz   ein  Kind  seiner 


1)  Oelsner,  JB.  S.  -360  ff.,  477. 

2)  Ann.  Lauresh.,  Mosell.  z.  d.  -J. 

3)  Die  einzige  Nachricht  über  diese  Synode  enthält  der  Totenbund, 
Capitul.  106  S.  221:  (Episcopi  seu  abbates)  apud  villam  publicam  Attinia- 
cum  pro  causa  relegionis  ac  salute  animarum  congregati  synodali  conventu 
inter  cetera  salubriter  sapienterque  definita  hoc  quoque  statuerunt  etc.  Das 
Jahr  der  Zusammenkunft  steht  nicht  fest.  Sicher  ist  nur,  dass  sie  nicht 
vor  dem  Juli  760  (Stuhlbesteigung  Johanns  II.  von  Konstanz)  stattgefunden 
haben  kann.  Weniger  fest  steht  der  terminus  ante  quem.  Denn  das  Jahr 
762  als  Todesjahr  Fulchars  von  Lüttich  ist,  wie  mich  dünkt,  nicht  so  gut 
beglaubigt,  wie  Oelsner  S.  475  annimmt.  War  Baldebert  von  Basel  iden- 
tisch mit  dem  gleichnamigen  Abte  von  Murbach,  dann  würde  man  nicht 
über  762  hinabrücken  dürfen;  denn  der  Abt  starb  in  diesem  Jahre  (Ann. 
Alam.  S.  28).  Aber  die  Identität  steht  nicht  ausser  Zweifel;  zwar  ist  ge- 
wiss, dass  Baldebert  von  Murbach  den  Bischofstitel  führte  (Confrat.  Aug. 
[ed.  Piper]  171,  7  S.  209);  aber  er  kann  auch  Klosterbischof  gewesen  sein. 
Die  Teilnahme  bairischer  Äbte  an  dem  Bunde  nach  763  ist  zwar  unwahr- 
scheinlich, aber  nicht  geradezu  unmöglich.  Immerhin  macht  das  Zusammen- 
treffen der  Namen  in  der  Urkunde  Pippins  für  Prüm  (B.M.  93)  und  in 
Attigni  die  Gleichzeitigkeit  sehr  wahrscheinlich. 

4)  Ann.  Lauresh.  z.  d.  J. 

5)  Er  liess  sich  von  Paul  I.  die  Reliquien  des  Gorgonius,  Nabor  und 
Nazarius  schenken    und  verteilte   sie   an  die  Klöster  Gorze,    St.  Avold  und 

5* 


—     68     — 

Zeit,  (lass  er  auf  den  Besitz  von  oft^  recht  zweifeil lafteii  Heilig- 
tüineni  den  höchsten  Wert  legte.  Überhaupt  war  er  kein  bahn- 
brechender Mann:  nirgends  vertrat  ei'  einen  neuen  Gedanken  oder 
steckte  er  ein  neues  Ziel.  Es  genügte  ihm,  ein  stets  williger  Mit- 
helfer bei  allen  kirchlichen  Massregeln  seines  Königs  zu  sein. 
Pippin  gab  dem  Verstorbenen  keinen  Nachfolger;  das  Bistum  Metz 
blit'l)  einige  Jahre  lang  erledigt.')  Fand  er  niemand,  der  ihm  den 
Jugendgenossen  einsetzen  konnte? 

Zwei  Jahre  nach  Chrodegang,  am  24.  September  768,  ist  auch 
er  gestorben.-)  Der  Tod  kam  ihm  nicht  unerwartet.  Seine  letzte 
Schenkung  galt  dem  Kloster  St.  Denis;  er  machte  sie  in  Erwartung 
seines  baldigen  Endes.  Es  ist  charakteristisch  für  den  Mann,  der 
stets  mit  klarem  Blicke  den  Ereignissen  ins  Auge  gesehen  hat, 
dass  er  bei  der  Darbringung  seiner  Gabe  den  Wunsch  nach  Ge- 
nesung zurückhielt  odei"  unterdrückte.  Die  IMönche  sollten  für  die 
Gesundheit  seiner  Seele  beten  und  seinen  Leib  in  ihrer  Gruft  be- 
statten.") Wie  oft  sind  ähnhche  Worte  in  Stiftungsbriefen  wieder- 
holt worden.  Der  Augenblick,  in  welchem  sie  diesmal  ausgesprochen 
wurden,  verleiht  der  abgenützten  Formel  individuellen  Gehalt. 

Bei  der  kirchengeschichtlichen  Beurteilung  Pippins  denkt  man 
unAnllkürlich  zuerst  an  sein  Bündnis  mit  Rom.  Ohne  Zweifel  war 
es  das  wichtigste  Ereignis  seiner  Begierung.  Doch  auch  abgeselien 
hievon  war  sie  für  die  Kirche  bedeutungsvoll.  Indem  Pi])pin  in  die 
Arbeit  des  Bonifatius  eintrat,  verhütete  er,  dass  die  Frucht  der 
treuen  Thätigkeit  des  angelsächsischen  Bischofs  verloren  ging.  Aber 
<r  nahm  seine  Gedanken  nicht  auf,  ohne  sie  zu  verändern.  Da- 
durch, dass  er  sie  den  nationalen  Vorstellungen  anpasste,  fügte  er 
die  von  einem  Fremden  begonnene  Reform  in  den  landeskirchlichen 
Rahmen  ein. 


Lorsch  (Gest.  ep.  Mett  S.  268;   Ann.  Laurcsh.  z.  J.  775).     über   die  Mirac. 
Gorg.  8.  Wattenbach,  GQ.  I  S.  370. 

1)  Gest.  ep.  Mett.  S.  209. 

2)  B.M.  112a. 

3)  L.  c.  107:    Pro    animao    no.strae    remodiniu    sou    et    proptor    locum 
sepulttirae  corpori-s   moi. 


Zweites  Kapitel. 

Karl  d.  (jr.  und  die  Päpste. 


Konnten  die  Verhältnisse  auf  dem  Punkte  beharren,  zu  welchem 
Pippin  sie  geführt  hatte? 

Er  hatte  der  fränkischen  Politik  eine  entscheidende  Wendung 
gegeben.  Indem  er  den  römischen  Patriciat  übernahm,  beschritt  er 
den  Weg,  auf  welchem  die  Geschlossenheit  des  fr'änkischen  Staates 
sich  auflöste.  Bis  dahin  war  derselbe  trotz  der  Sprachverschieden- 
heit seiner  Bewohner  ausschliesslich  national.  Weder  Chlodowech 
noch  Dagobert,  weder  Pippin  der  Altere  noch  Karl  Martell  hatten 
jemals  andere  Interessen  zu  vertreten  als  fränkische.  Das  war  seit 
dem  Frühjahr  753  anders.  Seitdem  hatte  der  fränkische  König 
füi'  ein  Gemeinwesen  zu  sorgen,  das  sich  nicht  als  Teil  des  frän- 
kischen Reiches  fühlte  und  das  zu  bedeutend  war,  als  dass  es  je 
im  fränkischen  Reiche  aufgehen  konnte.  Die  Folge  zeigte  sich  so- 
fort :  mit  diesem  Jahr  hatte  die  rein  nationale  Politik  des  Franken- 
reichs ein  Ende :  seit  diesem  Jahr  gab  es  wieder  eine  em-opäische 
Politik.  Karl  d.  Gr.  hat  sie  mit  unvergleichlichem  Talent  und  nie 
versagendem  Glück  geleitet.  Er  schritt  von  Erfolg  zu  Erfolg;  aber 
als  er  sich  König  der  Franken  sowie  der  Langobarden  und  Patri- 
cius  der  Römer  nannte,  war  das  Staatswesen,  das  Chlodowech  ge- 
gründet hatte,  untergegangen:  der  nationale  Staat  hatte  sich  zu 
einem  die  abendländische  Kulturwelt  umspannenden  Reiche  er- 
weitert.    Das  waren  die  Konsequenzen  von  Pippins  Entschluss. 

Dass  die  fränkische  Kirche  Landeskii'che  war,  entsprach  der 
nationalen  Abgeschlossenheit  des  fränkischen  Staats.  Vergebens 
hatte  Bonifatius  versucht,  hier  eine  Änderung  herbeizuführen:   es 


—     70     — 

fjolang  ihm  niclit,  die  fränkische  Kirche  als  untergeordnetes  GHed 
drni  p;ii)stHchon  ^Nfachthereich  einzufügen.  Gerade  Pippin  hatte  ihr 
den  hindeskirchhchen  Charakter  erhalten.  Aber  war  es  möglich, 
dass  sie  ilni  bewahi-te.  während  die  staatliclien  Verhältnisse  sich 
immer  entschiedener  umgestalteten?  In  der  That  verlor  sie  durch 
Karl  ihr  bisheriges  Gepräge:  durch  ihn  geschah  es,  dass  alles,  was 
an  geistigem  Leben  in  der  abendländischen  Christenheit  vorhanden 
war,  sich  in  der  fränkischen  Kirche  sammelte;  alle  kirchlichen 
Fragen,  welche  die  Zeit  bewegten,  wurden  auf  fränkischem  Boden 
besprochen  und  entschieden.  Damit  trat  der  Gedanke  des  landes- 
kirchliclien  Al)schlusses  zurück  hinter  dem  Gedanken  der  alle  um- 
spannenden kirchlichen  Gemeinschaft,  welclie  durcli  die  fränkische 
Kirche  repräsentiert  wurde.  So  wurde  die  Landeskirche  zur  lieichs- 
kirche.  Aber  indem  das  geschali,  bheb  die  Stellung,  welche  der 
HeiTscher  in  der  Landeskirche  inne  gehabt  hatte,  unangetastet;  der 
fi-änkische  König  erscheint  nun  als  Leiter  der  abendländischen 
Christenheit,  wie  er  vorher  Regent  der  fränkischen  Kirche  gewesen  war. 
Das  wai-  möghch,  da  das  Verhältnis  zum  Papsttum  sich  so  ordnete, 
dass  der  Papst  dem  fränkischen  König  als  I^nterihan  gegenüber  trat. 

AVir  werden  dadurch  zur  Betrachtung  der  itahenischen  Ange- 
legenheiten zuriickgeführt. 

Pippin  hatte  es  nicht  unternommen,  die  Stelhnig  des  Papstes 
zum  Patricius  genau  zu  bestimmen.  Das  Verhidtnis  blieb  in  der 
Schwebe.  Doch  gab  es  einen  festen  Punkt:  das  Papsttum  bedurfte 
des  Kückh.ilts.  welchen  ihm  das  fränkische  Büiulnis  darbot.  Des- 
halb bestand  keine  Gefahr,  dass  dasselbe  von  römischer  Seite  ge- 
ltrochen werden  würde.  Tn  den  Erschütterungen,  welche  kurz  vor 
]*il)}iins  Tod  in  Rom  eintraten,  bewies  sich  recht  augenfidlig,  dass 
Sfin  Bestand  unabhängig  von  den  Persönlichkeiten  war,  welche 
jeweilig  den  römischen  Stuhl  einnahmen. 

Am  28.  Juni  767  starb  Papst  Paul  1.  Iva  <ler  Glut  des 
riiniischen  Sftmmers  zu  entfliehen,  hatte  er  sich  nach  St.  Paul  vor 
den  ^fauern  begeben.  Dort  ergriff  ihn  die  Krankheit,  der  er  er- 
lag.') Er  hatte  nicht  an  seinen  Tod  gedaclit,  als  er  die  Stadt  ver- 
liess;  denn  es  waren  keine  Massregeln  für  die  Wiederbesetzung  des 
römischen  Stuhles  getroffen.  Um  so  leichter  konnte  der  Gedanke 
entstehen,  dass  die  päpstliche  Macht  dem  als  sieben-  P)ente  zufallen 
werde,  der  es  wagte,  sie  an  sicli  zu  raffen.  Es  gab  in  Rom  Männer, 
welche  in  dem  Amt  des  Bischofs  zunächst  den  Jk'sitz  der  höchsten 
Gewalt  in  der  Stadt  erblickten:  die  römischen  Grossen.    Zum  ersten 


1)  CoDC.    Later.    (Mansi    XIF.    717).     Über    den   Tag    vgl.    die   Bemer- 
kung bei  .TW.  S.  283,  und  Ducheane.  Lib.  pont.  J  S.  480  Anna.  3. 


—     71     — 

Male  griff  damals   der  römische  Adel  tiimultiiarisch  in  die  Papst- 
wahl ein.-^) 

An  der  Spitze  einer  mächtigen  Familie  stand  Toto,  den  man 
Herzog  von  Xepi  nannte.-)  Seine  Macht  gründete  sich  auf  seine 
Besitzungen  in  Tuscien.  Als  man  stündhch  das  Ende  des  Papstes 
erwartete,  drang  er  an  der  Spitze  der  Miliz  aus  den  toscanischen 
Städten  und  der  von  ihm  bewaffneten  Bauern  in  Rom  ein:  er  l)e- 
sass  auf  dem  Janiculus'')  ein  festes  Haus;  von  da  aus  beherrschte 
er  die  Stadt.  Die  Führer  des  römischen  Klerus  täuschte  er  dm'ch 
Versprechungen,  welche  er  nicht  zu  halten  gedachte.*)  Zum  Papste 
hatte  er  seinen  Bruder  Konstantin,  einen  Laien,  bestimmt.  Rascher, 
als  es  irgend  jemand  erwartete,  handelte  er;  denn  noch  ehe  Paul 
die  Augen  geschlossen  hatte,  war  sein  Nachfolger  erwählt.  Mit 
dem  bewaffneten  Gefolge  Totos  bemächtigte  sich  Konstantin  des 
Lateran;  man  nötigte  den  Bischof  Georg  von  Palestiina,  ihn  am 
Tage  nach  Pauls  Tod  zum  Subdiakon  und  Diakon  zu  weihen. 
Sofort  liess  er  sich  vom  römischen  Volke  den  Treueid  schwören.'^) 
Am  Sonntag  darauf,  5.  Juli  767,  erfolgte  seine  Konseki'ation  in 
St.  Peter.  Der  Klerus  und  die  Bevölkenmg  waren  überrascht  und 
konsterniert.  Konstantin  hatte  wenig  Freunde;  aber  niemand  wagte, 
ihm  offen  Widerstand  zu  leisten.  Toto  meinte  mit  Gewalt  jede 
oppositionelle  Regung  niederhalten  zu  können.  Einen  seiner  Gegner, 
den  Herzog  Gregor,  dessen  Besitzungen  in  der  Campagna  lagen, 
Hess  er  umbringen. 

Die  Erhebimg  Konstantins  war  in  jeder  Hinsicht  unregel- 
mässig, ein  Bnich  mit  den  bisherigen  römischen  Traditionen.  Aber 
Pippin  gegenüber  hielt  er  vollständig  an  der  Stellung  seiner  Vor- 
gänger fest.  Wenige  Tage  nach  seiner  Inthronisation  eröflPuete  er 
den  Verkehr  init  dem  fränkischen  König,  indem  er  ein  Schreiben 


1)  Vgl.  Hegel,  Gesch.  der  Städteverfassung  in  Italien  I  S.  212. 

2)  Quellen  für  die  erzählten  Ereignisse  sind  Vit.  Steph.  III.  2 — 24  und 
der  Bericht  des  Christophorus  vor  der  Lateransynode,  Mansi  XII,  717  f.; 
beide  im  wesentlichen  übereinstimmend.  Vgl.  Baxmann,  Polit.  der  Päpste  I 
S.  262  ff.;  Gregorovius,  Gesch.  der  Stadt  Rom  II  S.  350 ff.;  Reumont,  Gesch. 
der  Stadt  Rom  II  S.  121;  Langen,  Gesch.  d.  röm.  K.  S.  688  ff.;  Dopffel, 
Kaisertum  u.  Papstwechsel  1889  S.  15  ff.;  Duchesne  in  d.  Revue  d'histoire 
et  de  litt,  relig.  1896  S.  245  ff.;  Ketterer,  Karl  d.  Gr.  und  die  Kirche  1898 
S.  19  ff. 

3)  Toto  dringt  durch  die  porta  Pancratii  in  Rom  ein,  seine  Gegner 
nahen  der  Stadt  auf  der  via  salaria,  überschreiten  den  Tiber  auf  dem  pons 
Milvius  und  richten  den  Angriff  ebenfalls  auf  die  porta  Pancratii. 

4)  Conc.  Later.  S.  717. 

5)  V.  Steph.  III.  4  S.  469. 


72 


an  ilm  nchtete,  um  die  Bostätigung  der  seinen  Vorgängern  ge- 
machten Zusagen  zu  erbitten.-')  Man  glaubt  Stephan  II.  oder 
Paul  I.  reden  zu  hören,  so  gleich  sind  die  Phrasen,  in  welchen  er 
von  den  Verdiensten  Pippius  um  die  Kirche,  von  dem  Bund  zwi- 
schen ihm  und  den  Päpsten,  von  seiner  eigenen  Anhänglichkeit, 
ti'euen  Liebe  und  festen  Freundschaft  gegen  den  fränkischen  Herr- 
scher spncht.  Bald  folgte  ein  zweites  Schreiben:  Konstantin 
lüi-chtete,  Pippin  könnte  ungünstigen  Nachrichten  Glauben  schenken, 
die  über  ihn  und  seine  Erhebung  in  das  fränkische  Reich  dringen 
möchten.-)  Dem  wollte  er  vorbeugen,  indem  er  keinen  Zweifel  an 
seiner  Bundestreue  aufkommen  hess.  Deshalb  hob  er  gethssentlich 
hervor,  dass  er  den  Beistand  der  Franken  nicht  entbehren  könne; ^) 
er  sprach  fast  wie  ein  Vasall  dem  Lehensherni  gegenüber.^)  Ein 
Schreiben  der  orientalischen  Patriarcheii.  das  eine  rein  innerkirch- 
liche  Frage  betraf,  beeilte  er  sich  dem  König  vorzulegen.'*)  Von' 
dem  Standpunkt  der  fi'änkischen  Politik  aus  hatte  Pippin  keinen 
Gnmd,  mit  Konstantin  unzufrieden  zu  sein.  Der  Papst  hatte  denn 
auch  von  ihm  nichts  zu  fürchten. 

Allein  er  war  der  Situation  in  Rom  nicht  mächtig.  Seine  Er- 
hebung war  im  Widei-spnich  mit  den  Verabredungen  geschehen, 
welche  zwischen  Toto  und  dem  römischen  Klerus  getroften  worden 
waren.'')  An  der  Spitze  der  Geistlichkeit  stand  der  Primicerius 
< 'hristophonis,  ein  Mann  voll  Selbstgefühl,  stets  bereit,  kircliliche 
l  berzeugungen  nachdrücklich  auszusprechen,  aber  ganz  unliedenk- 
hch  in  der  Wahl  seiner  Mittel:  ein  Eid  hatte  für  ihn  besonders 
deshalb  Wert,  weil  er  das  sichei-ste  Mittel  war,  (he  (legner  zu  be- 
trügen.")    Während    er    sich    in    das  Geschehene   zu  fügen  schien. 


1)  Cod.  Carol.  98  S.  649,  Juli  767. 

2)  L.  c.  99  S.  652,  nach  dem  31.  Aug.  767. 

3)  L.  c.  S.  651 :  Dum  .  .  me  .  .  in  vestro  .solito  auxilio  et  protectiono 
commisi,  paratum  iam  remedium  inveni,  et  afflictus  animus  raeus  paulisper 
expiravit, 

4)  L.  c.  S.  652:  Nos  quidem,  testatur  nobis  Deus  noster,  cui  occulta 
cordi«  manifest^v  sunt,  ut  plus  etium  quam  prplati  nostri  predecessores 
pontificcs  in  vestra  a  Deo  protecti  regni  ve.stri  Francorum  caiitate  et  di- 
lectione  atqne  .sincera  fidel itate  cum  omni  nostro  populo  firma  constantia 
erimuH  pennansuri. 

5)  L.  c.  S.  6-52.     Es  bezog  sich  auf  die  Bilderfrage. 

6)  Conc.  Later.  S.  717. 

7)  V.  Stepb.  in.  .5  S.  469.  Chri>tf)phoni.s  fS.  718)  erwähnt  natürlich 
den  Eid  nicht,  bontätigt  aber  den  Betrug.  Christophorus  war  schon  untor 
Stephan  II.  einflu-ssreich,  Paul  1.  hatte  ungeteiltes  Vertrauen  zu  ihm  (Cod. 
Carol.  36  S.  546). 


—     73     — 

sann  er  darauf,  den  'verhassten  Eindringling  zu  beseitigen.  Dazu 
aber  y\'ar  ihm  die  Unterstützung  einer  auswärtigen  Macht  nötig. 
Da  die  Franken  Konstantin  anerkannten,  so  suchte  und  fand  er 
Anlehnung  an  die  Langobarden.  Dann  warf  er  die  Maske  ab.  An 
der  Spitze  von  Banden  aus  dem  Sabinerlande  und  Langobarden 
aus  Spoleto  zogen  Sergius,  Christophonis'  Sohn,  und  der  lango- 
bardische  Priester  AValdibert  gegen  Rom.  Toto,  der  sich  mannhaft 
verteidigte,  wurde  meuchhngs  erstochen.  Konstantin  hatte  nicht  den 
Mut,  für  seine  Stellung  zu  kämpfen;  er  floh  in  die  Kirche.  Man 
möchte  annehmen,  dass  die  Führung  des  Amts,  das  er  an  sich  ge- 
rissen hatte,  ihn  den  Unterschied  zwischen  einem  geistUchen  Beruf 
und  weltlicher  Macht  lehii;e;  denn  viel  ernster  küngt  sein  zweiter 
Brief  als  sein  erster.^)  Die  Vorwürfe  seines  Gewissens  werden  ihn 
zum  Feighng  gemacht  haben :  so  wurde  er  ruhmlos  beseitigt. 

Einen  Augenbhck  schien  es,  dass  durch  den  Stm'z  Konstan- 
tins das  fränkische  Bündnis  zenissen  werden  wiü'de.  Denn  nun 
machten  die  Langobarden  den  Versuch,  die  Fiiicht  der  gelungenen 
Empömng  für  sich  zu  pflücken.  Von  einigen  Römern  unterstützt 
erhoben  sie  einen  Mönch  aus  dem  Erlöster  des  heiligen  Vitus, 
Namens  Phihpp,'  auf  den  römischen  Stuhl.  Aber  wie  völhg  täuschten 
sie  sich  über  ihre  Macht  in  der  Stadt!  Xm*  ein  paar  Stunden 
konnte  ihr  Erwählter  träumen,  Papst  zu  sein. 

Am  1.  August  768  versammelte  Christophonis  den  Klenis 
und  das  Volk  auf  dem  Forum  vor  dem  Bogen  des  Septimius  Seve- 
rus.-)  Dort  wurde  Stephan  III.  zum  Papste  gewählt.  Er  war  von 
Geburt  ein  Sicihaner;  unter  Gregor  III.  war  er,  noch  ein  Knabe, 
nach  Rom  gebracht  worden,  um  in  einem  römischen  Kloster  er- 
zogen zu  werden.  Herangewachsen  wurde  er  Mönch.  Bald  zogen 
ihn  die  Päpste  in  ihren  Dienst;  Zacharias  machte  ihn  zum  Priester 
bei  S.  Cäciha,  behielt  ihn  jedoch  in  seiner  Umgebung  im  Lateran; 
ebenso  stand  er  Stephan  IL  und  Paul  I.  nahe.-^)  Dass  dieser 
Mann  auf  den  päpsthchen  Thron  "erhöht  wurde,  war  ein  Programm: 
seine  Wahl  bedeutete  Widerstand  gegen  den  Adel,  Behauptung 
der  Selbstständigkeit  gegen  die  Langobarden,  Festhalten  an  dem 
fränkischen  Bündnis.  Man  sieht:  das  letztere  blieb  in  diesen 
Schwankungen  das  unverrtickbare  Fundament  der  päpstlichen  Pohtik. 
Im  übrigen  suchte  Stephan  sich  möghchst  rasch  und  möghchst  voll- 

1)  Vgl.  Sätze  wie  ep.  99  S.  650:  Dum  .  .  considero,  quanta  mihi  in- 
repti  pastoralis  officii  debet  insistere  curandas  ruendasque  dominicas  ratio- 
nales oves,  valde  fateor  intolerabüis  mestitia  cordis  mei  archano  adhesisse. 

2)  V.  Steph.  111.  11  S.  471:  In  Tribus  fatis.  Über  diese  Bezeichnung 
s.  Reumont,  Gesch.  d.  Stadt  Rom  11  S.  172. 

3)  Erwähnt  als  Gesandter  des  Ersteren  V.  Steph.  II.  -50  S.  45.5. 


—     74     — 

ständig  seiner  Gegner  /u  entledigen.  AVenn  es  Widerstand  gegen 
den  Adel  nnd  die  Langobarden  galt,  war  er  der  römischen  Bevöl- 
kemng  sicher;  die  rohe  Grausamkeit,  mit  welcher  Konstantin  und 
seine  Aidiänger.  sowie  Waldibert  misshandclt  wurden,  oti"enl)art 
einen  Abgrund  von  Hass:  der  Papst  l)rauclite  nur  den  Pöbel  ge- 
währen zu  lassen,  so  wiu'de  seine  Arbeit  vollzogen.  Nachdem  er 
auf  diese  AVeise  sich  in  seiner  Stellung  befestigt  hatte,  wandte  er 
sich  an  Pippiu.  Die  Wahl  seines  Gesandten  zeigt,  wie  viel  ihm 
dju-an  lag.  dass  keine  Störung  im  Verhältnis  zu  den  Franken  ein- 
trete; sein  Bote  war  jener  Sergius,  der  eben  als  Führer  der  Er- 
hei)ung  gegen  Konstantin  sich  hervorgethan  hatte.  Er  überbrachte 
ein  päpstliches  Schreiben,  in  welchem  Pippin  aufgefordert  wurde, 
etliche  gelehile,  der  heiligen  Schrift  und  der  kanonischen  Einrich- 
tungen kundige  Bischöfe  nach  Rom  zu  senden.  In  ihrer  Anwesen- 
heit sollte  eine  Synode  statttinden.  um  die  durch  Konstantins  Usur- 
l)ation  verwirrten  Verhältnisse  wieder  zu  regeln.^)  Stephan  konnte 
die  Rechte  des  Patricius  nicht  unumwundener  anerkennen,  als  es 
in  dieser  Aufforderung  geschah;  er  konnte  nicht  vollständiger  sich 
darein  fügen,   dass  Pippin   der  Leiter  der  fränkischen  Kirche  war. 

Während  man  in  dieser  Weise  in  Rom  alle  Berechnungen 
auf  den  unveränderten  Fortbestand  der  Verltindung  mit  den  Franken 
l>aute,  schien  deren  Sicherheit  vom  fränkischen  Hof  aus  erscliüt- 
tert  zu  werden. 

Die  Gesandten  trafen  Pippin  nicht  mein-  am  Leben;  die 
Regierung  war  an  seine  beiden  Söhne,  Karl  und  Ivarlmajm.  über- 
gegangen. Man  konnte  erwarten,  dass  sie  in  jeder  Hinsicht  an  der 
Politik  Pii)i)ins  festhalten  würden.  Denn  so  wenig  wir  über  die 
.lugend  der  beiden  Könige  wissen,-)  so  ergiebt  sich  doch  aus  den 
dürftigen  Notizen  die  eine  Thatsache,  dass  Pi]i]iin  seine  Söhne  un- 
gemein trühzeitig  zur  Teilnahme  an  seinen  Herrscherakten   iierbei- 


1)  Der  Brief  verloron:   Inhaltsangabe  V.  Stejih.  III.  16  S.  473. 

2)  Bekanntlich  steht  weder  das  Jahr  noch  der  Ort  der  Geburt  Karls 
d.  Gr.  fest.  Der  Geburtstag  war  der  2.  April,  s.  die  Notix  aus  einem 
Lor.scher  Kalender  des  9.  .lahrh.'s  bei  Piper,  Karls  d.  Gr.  Kalondar.  S.  7-5. 
Die  einzige  Geschichte,  die  aus  seiner  .Tugend  erzählt  wird  (Tranal.  Ger- 
mani,  M.G.  Scr.  XV  S.  6),  ist  von  mehr  als  fraglicher  Glaubwürdigkeit. 
Man  vgl.  über  die  Jugend  Karls:  Abel,  JB.  des  fränk.  Reichs  unter  Karl 
d.  Gr.,  2.  Aufl.,  von  Simson,  1888,  S.  9  ff.  Für  das  Jahr  742  als  Geburts- 
jahr und  gegen  747  .scheint  mir  die  Thatsache  aus8chla;;gebend,  dass  Karl 
im  Januar  7.">4  zur  Begrüssung  Stephans  11.  von  Pippin  vorausgesandt  wurde 
(V.  Steph.  II.  2ö:  Fred.  cont.  36  S.  183);  wäre  Karl  747  geboren,  so  wäre 
er  damals  noch  nicht  sieben  .Jahre  alt  gewesen,  für  eine  solche  Sendung 
aUo  zweifellos  zu  jung. 


—      70      — 

zog.  Sie  ^^^ren  deni' Knabenalter  kaum  entwachsen,  da  nahm  er 
sie  schon  in  das  Feldlager  mit;  ^)  Urkunden,  die  er  ausstellte,  Hess 
er  von  ihnen  unterzeichnen;-)  als  Stephan  11.  nach  Frankreich  kam, 
sandte  er  den  Jüngling  Karl  ihm  entgegen,  um  ihn  auf  fränkischem 
Boden  willkommen  zu  heissen ;  ■')  selbst  die  päpstliche  Salbung 
wollte  er  nicht  allein  empfangen:  -wie  ihm  selbst  so  erteilte  der 
Papst  auch  seinen  Söhnen  die  königliche  AVeihe.*)  Wer  möchte 
die  Absicht,  welche  in  dem  allen  liegt,  verkennen?  Pippin  wollte, 
dass  seine  Ziele  ihre  Ziele  würden;  sie  sollten  sehie  Lebensarbeit 
fortsetzen.  Von  Karl  d.  Gr.  ist  das  geschehen:  kein  Gedanke  lag 
ihm  so  fern  als  der,  dass  der  Nachfolger  sich  nur  dann  als  sell)st- 
ständiger  Herrscher  beweist,  wenn  er  mit  der  Politik  seines  Vor- 
gängers bricht.  Im  Gegenteil,  ihm  galt  die  Kontinuität  der  Regie- 
rungsgrundsätze etwas.  Schon  die  Weise,  wie  er  die  Männer  be- 
handelte, welche  seinem  Vater  nahe  standen,'^)  bewies,  dass  er 
nichts  anderes  wollte,  als  was  sein  Vater  gewollt  hatte.  Eine  j)äpst- 
liche  Gesandtschaft  konnte  also  des  freundhchsten  Empfangs  sicher 
sein.  Deragemäss  erkannten  die  Söhne  Pippins  Sergius  gegenüber 
ausdrückhch  das  Versprechen  ihres  Vaters  von  754  an;**)  auch  der 
von  Stephan  ausgesprochene  Wunsch  nach  Abordnung  einer  Ge- 
sandtschaft fand  bereitwiUige  Erfüllung.  Indem  der  einzige  frän- 
kische Erzbischof  an  der  Spitze  von  zwölf  Bischöfen  des  Reichs  in 
Rom  erschien,'')   ward  dem  Papste   der  Beweis  geliefert,   dass  die 


1)  Im  Jahre  762  begleiten  Kar]  und  Karlmann  den  König  in  den  aqui- 
tanischen  Krieg  (Ann.  S.  Amand.,  Pet.  z.  d.  J.);  wenn  auch  das  Geburts- 
jahr Karlmanns  nicht  feststeht,  so  war  er  doch  sicher  bedeutend  jünger 
als  Karl,  im  Jahre  762  also  kaum  über  das  Knabenalter  hinaus;  dass  von 
Karl  zum  ersten  Mal  im  Jahre  761  die  Teilnahme  an  einem  Feldzuge  er- 
wähnt ist.  mag  zufällig  sein  (Ann.  S.  Amand.,  Pet.,  Lauriss.,  Einh.  z.  d.  J.). 

2)  Urkunde  für  St.  Calais  vom  10.  Juni  760  (B.M.  89,  zur  Datierung 
s.  Havet,  Quest.  Merov.  S.  168  f.):  Der  König  versichert,  dass  er  das  Kloster 
sub  sermone  tuitionis  nostrae  vel  emunitatibus  ipsius  monasterii  vel  munde- 
burdo  illustris  viri  Caroli  filii  nostri  qui  causas  ipsius  abbatis  vel  monasterii 
habet  receptas,  aufnehmen  wolle.  Urkunde  für  Prüm  vom  1.3.  August  762 
(B.M.  93j. 

3)  Fredeg.  contin.  36  S.  18.3;  Chron.  Moiss.  M.G.  Scr.  I  S.  292. 

4)  Notit.  de  unct.  Pipp.  M.G.  Scr.  XV  S.  1.  Wenn  Stephan  II.  seine 
Briefe  an  Pippin  und  seine  Söhne  richtete,  so  wird  er  bemerkt  haben,  dass 
Pippin  Wert  darauf  legte,  dass  die  politischen  Dinge  seinen  Söhnen  nicht 
fremd  blieben. 

5)  Z.  B.  den  Abt  Sturm,  s.  V.  Sturm.  21  S.  375. 

6)  Cod.  Carol.  45  S.  562,  hier  ist  Sergius  ausdrücklich  genannt. 

7)  V.  Steph.  III.  17  S.  473.  Aus  dem  deutschen  Gebiet  waren  unter 
den  Bischöfen   Lul    von  Mainz   und  Erembert   von  Worms;    Berenwelf   von 


—     70     — 

Söhne  Pippiiis  entsclilossen  waren,  die  enge  Verbindung  mit  Eom 
aufrecht  zu  erlialtcn.  welche  ihr  Vater  gegründet  hatte.  ^)  Gewiss 
hessen  sie  es  auch  an  der  ausdrücklichen  Versicherung  nicht  fehlen, 
dass  sie  ihre  Macht  für  die  Rechte  des  heiligen  Petnis  einsetzen 
würden. '-) 

(ik'icliwohl  war  die  Stellung  des  fränkischen  Hofs  zu  den  ita- 
lienischen Angelegenheiten  nicht  volhg  die  gleiche  wie  zehn  Jahre 
vorher.  Schon  Pijipin  hatte  in  seiner  letzten  Zeit  jeden  neuen 
Konflikt  mit  den  Langobarden  vermieden.^)  Seine  Erben  gingen 
noch  einen  Schritt  weiter:  sie  suchten  zu  einer  vollen  Verständigung 
mit  ihnen  zu  kommen.  Eine  P\amilienverbindung  der  beiden  Königs- 
liäu>er  sollte  die  Eintracht  der  beiden  Völker  sichern.  Diesen  (le- 
daiiken  vertrat  die  Königin  Bertrada;^)  dass  er  })ei  den  fränkischen 
(Jros.sen  Beifall  fand,  ist  mehr  als  wahrscheinlich,  hatten  sie  doch 
nur  widerwillig  dem  Angriff  auf  die  Langol)arden  zugestimmt.  Kein 
Wunder,  dass  die  jungen  Könige  auf  ihn  eingingen.  Sie  schienen 
sich  dadurch  nicht  von  der  Richtlinie  der  Politik  ihres  Vaters  zu 
entfernen:  hatte  er  den  Frieden  aufrecht  erhalten,  so  suchten  sie 
ihm  die  Gewähr  der  Dauer  zu  verleihen.  Einen  Schlag  gegen 
Rom  meinten  sie  dadurch  gewiss  nicht  zu  führen.'')  Aber  sie 
täuschten  sich  über  den  Eindruck,  den  ihr  Verhalten  in  Rom 
macht«' ;  denn  hier  sah  man  in  der  Wiederherstellung  eines  guten 
Verhältnisses  zwischen  Franken  und  Langobarden  eine  ernste  Ge- 
fährdung der  eigenen  Lage. 

Stephan  IIT.  war  von  Anfang  an  nicht  ohne  Argwohn  gegen 
die    fränkische  Politik.     Sie    ergriff    ihm    nicht    entschieden    genug 


Würzburg,  den  eine  Handschrift  nennt,  war  sicher  nicht  Teilnehmer.  Ist 
der  Name  der  Stadt  richtig,  so  kann  nur  Megingoz  gemeint  sein;  vgl.  oben 
S.  49  Anm.  2. 

1)  Auf  die  Verhandlungen  der  Synode  (Mansi  XII,  718  tf.)  habe  ich 
hier  nicht  einzugehen,  da  sie  das  Verhältnis  zum  fränkischen  Reiche  nicht 
berühren.     Sie  fand  im  April  7G9  statt. 

2)  Da89  es  an  solchen  Versicherungen  nicht  fehlte,  zeigt  Cod.  Carol. 
44  S.  559. 

3)  Cod.  Carol.  38  S.  .5.50 ;  Anf.  700. 

4)  Einh.  v.  Kar.  18:  Heirat  Karls  mit  der  Tochter  des  Desideriu.s  auf 
Rat  seiner  Mutter.  Annal.  Mosell.  (M.G.  Scr.  XVJ  S.  496),  Lauresh.,  Lauriss  , 
Einh.  z.  J.  770:  Reise  Bertradas  nach  Italien  des  Friedens  wegen.  Es  liegt 
nahe,  damit  die  Reise  Sturms  nach  Baiern  (V.  Sturm.  22  S.  376)  zu  kom- 
binieren.    So  Abel,  .IB.  S.  65  fl'. 

5)  In  die  Zeit,  in  welcher  die  Unterhandlungen  mit  Desiderius  statt- 
fanden, fällt  der  Cod.  Carol.  44  S.  558  f.  beantwortete  Brief  Karls  und  Karl- 
mann.4  an  Stephan.  Er  enthielt  Versicherungen,  welche  den  Papst  sehr 
befriedigten.     Ferner  die  Sendung  des  Ittherius,  46  S.  564. 


—     77     — 

Partei.^)  Als  er  nuh  erfuhr,  was  im  AYerke  war,  that  er  alles, 
um  die  Verständigung  zwischen  Franken  und  Langobarden  zu  ver- 
hindern. Er  sandte  ein  langes  Schreiben  an  die  beiden  Brüder.-) 
In  ihm  erklärte  er  die  beabsichtigte  Heirat'^)  für  eine  teuflische 
Eingebung;  unter  Anrufung  Gottes,  des  Richters  der  Lebendigen 
und  der  Toten,  kraft  der  Autorität  des  Apostels  Petrus  verbot  er 
sie;  er  sprach  den  Fluch  aus  über  jeden,  der  seiner  Weisung  zu- 
widerhandeln würde.  Er  fabelte,  Pippin  habe  im  Namen  seiner 
Söhne  den  Päpsten  Gehorsam  gelobt;  ja  sie  selbst  hätten  dasselbe 
Versprechen  Paul  I.  gegenüber  abgelegt.  Und  jetzt,  ruft  er  aus, 
ist  das  euer  Versprechen!  Die  Verbindung  mit  den  Langobarden 
betrachtete  er  als  Bruch  des  mit  den  Päpsten  geschlossenen  Bundes. 

Ein  seltsam  leidenschaftlicher  Brief,  und  seltsam  das  Verfahren, 
durch  welches-  Stephan  den  Nachdruck  seiner  Worte  noch  zu 
steigern  suchte.  Bevor  er  sein  Schreiben  absandte,  legte  er  es  auf 
das  Grab  des  Apostels  nieder;  dort  brachte  er  sodann  das  Mess- 
opfer dar:  von  der  Konfession  des  Petrus  hinweg,  gleichsam  ge- 
nehmigt und  bestätigt  durch  ihn,  wurde  es  an  die  fränkischen 
Brüder  abgeschickt. 

Nie  hat  ein  Papst  in  einer  politischen  Angelegenheit  seine 
geisthche  Autorität  entschiedener  in  die  Wagschale  geworfen;  nie 
mit  weniger  Erfolg  und  nie  mit  weniger  Recht.  Mit  weniger  Er- 
folg: denn  Karl  hess  sich  durch  die  päpsthchen  Vorstellungen  nicht 
hindern,  die  Ehe  mit  der  langobardischen  Königstochter  abzu- 
schhessen.*)  Und  mit  weniger  Recht:  denn  nachdem  der  Papst 
kaum  in  solch  massloser  Weise  gegen  die  Langobarden  gesprochen 
hatte,  knüpfte  er  selbst  Beziehungen  zu  Desiderius   an,   die  uner- 

1)  Ergiebt  sich  aus  den  letzten  Sätzen  von  Cod.  Carol.  44  S.  560:  Si, 
quod  non  credimus,  ipsas  iustitias  exigere  neglexeritis  aut  distuleritis,  scia- 
tis,  vos  de  istis  rationes  fortiter  ante  tribunal  Christi  eidem  principi  apos- 
tolorum  esse  facturos.  Si  quis  autem  vobis  dixerit,  quod  iustitias  b.  Petri 
recepimus,  vos  ullo  modo  ei  non  credatis. 

2)  Cod.  Carol.  4ö  S.  560  ff.;  v.  Ranke  (WG.  V,  2  S.  113j  verlegt  den 
Brief  nach  der  Vermählung  Karls;  aber  Stephan  mahnt  nicht,  die  Ehe  wieder 
aufzulösen,  sondern  sie  nicht  einzugehen.  Hefele  (CG.  III  S.  606j  möchte 
das  Schreiben  am  liebsten  für  unecht  erklären,  vragt  es  aber  nicht  geradezu 
und  nimmt  nun  an,  dass  Karl  vielleicht  heiratete,  ehe  das  päpstliche 
Schreiben  in  seine  Hand  kam,  und  seine  Ehe  wieder  löste,  vielleicht  infolge 
des  päpstlichen  Schreibens. 

3)  Offenbar  wusste  er  nicht,  wer  von  den  beiden  Brüdern  die  lango- 
bardische  Prinzessin  heiraten  sollte.  Über  seine  Behauptung,  sie  seien  beide 
verheiratet  gewesen,  s.  Abel,  JB.  S.  82  f. 

4)  Sommer  770,  Ann.  Lauresh.,  Mosell.,   Fukl.  u.  a.  z.  770. 


—     78     — 

wartetste  Wendung,  die  die  päpstliche  Politik  nehmen  konnte. 
Otienhar  glaubte  Stephan,  dass  für  sein  vornehmstes  Ziel,  die  Ab- 
rundung  der  j)äpstlichen  Herrschaft,  von  den  fränkischen  Brüdern 
wenig  oder  nichts  zu  erwarten  sei:  er  hatte  vergel)lich  darauf  ge- 
drungen, dass  sie  die  Langobarden  zur  Befi'iedigung  der  i)äpstlichen 
Ansprüche  nötigten;^)  er  hatte  in  der  Khefrage  vergeblich  seine 
ganze  Autorität  eingesetzt.  Welchen  Wert  hatte  angesichts  dessen 
der  fränkische  Bund?  Die  Möghchkeit  aber,  ihn  durch  ein  Ein- 
verständnis mit  den  Langoliardcn  zu  ersetzen,  wurde  dem  Pa])st 
daduich  geboten,  dass  die  fränkisch-lang()l)Midische  Verbindung,  kaum 
geschlossen,  sich  wieder  löste.  Noch  im  Jahre  770  sandte  Karl 
Uesiderata  nach  Pavia  zurück.-)  Die  Trennung  seiner  Ehe  er- 
klärte das  Bündnis,  das  sie  stützen  sollte,  für  aufgehoben.  A\'ir 
kennen  die  Gründe  nicht,  die  den  jungen  Herrscher  bewogen,  den 
eben  betretenen  Weg  wieder  zu  verlassen;  nur  dies  ist  überliefeit, 
dass  er  es  that  unter  Widerspruch  der  Königin  Bertrada,'^)  und 
dass  es  der  ^leinung  seiner  Mutter  am  Hofe  nicht  an  gewichtiger 
Zustimmung  fehlte.  Neben  anderen  sprach  Adalhard.  der  spätere 
Abt  von  Corbie,  fiii-  das  Recht  der  Königin:^)  ilir  persönlich 
scheint  auch  Karl  selbst  eine  Schuld  nicht  gegeben  zu  haben.'') 
Um  so  gewisser  ist,  dass  er  durch  politisclie  Erwägungen  l)estimmt 
wurde:  er  wird  erkannt  liaben,  dass  die  Sicherheit  des  Fiicdens  in 
Italien  nur  der  langobardischen  Macht  zu  Gute  kam,  während  der 
fränkische  Eintiuss  zuiückging.  Denn  man  bemerkt,  dass  er  sofort 
Massregilii  tnit.  um  die  Verschiebung  der  Machtverhältnisse  zu 
hindeni:  noch  gegen  Ende  des  Jahres  770  musste  der  Usurpator 
Micliael,  der  nach  dem  Tode  des  P]rzl)is(hofs  Sergius  im  Herbst 
7G!t  durch  Desiderius'  Eintiuss  das  Erz])istnm  Ravenna  erhalten 
hatte,  aus  demselben  weichen.  An  seine  Stelh;  trat  der  Archidiakoii 
Ijco,  ein  ausgesjjrochen  fränkisch  gesinnter  Mann.") 

Am  päpstlichen  Hofe  gab  es  eine  l.iiigobardische  Partei.  An 
ihrer   S))itze    stand    Paul    Afiarta,    ein    Kaiiimerherr,    der    sich    in 

1)  Cod.  Carol.  44  S.  060;  45  S.  563.  Die  durch  Bertrada  vermittelten 
Abtretungen,  .\nn.  Lauresh.  z.  770  S.  30,  genügten  offenbar  nicht. 

2i  Kinh.  V.  Kar.  18:  Incertum  qua  de  causa  post  annum  eam  re- 
pudiavit.     Die  Zeitangabe  iat  irrig,  s.  Havet,  C^uestions  Mörov.  fc'.  145  ff". 

3)  Kinh.  a.  a.  0.:  Colebat  eam  (Bertrada)  cum  summa  reverentia  ita 
ut  nulla  unquum  invicem  sit  exorta  discordia  praeter  in  divortio  filiae  Desi- 
derii  regis,  quam  illa  suadente  acceperat. 

4)  V.  Adalh.  7  M.G.  Scr.  II  S.  .525.  Radbert  bringt  mit  seiner  Oppo- 
sition seinen  ?".intritt  ins  Kloster  in  Zusammenhang. 

5)  Da«  ergiebt  sich  aus  der  Anm.  2  angeführten  Äusserung  Einhards. 

6)  V.  Steph.  111.  25  S.  477;  vgl.  Cod.  Caiol.  85  S.  621. 


—     79     — 

Stephans  Gimst  behaiff^tet  hatte,  obwohl  er  aus  seinen  Gesinnungen 
kein  Hehl  machte.^)  Auch  der  Bruder  des  Papstes,  der  Dux  Jo- 
hannes, hielt  sich  zu  den  Langobarden.-)  Unter  der  Vennittelung 
dieser  Männer  kam  im  Winter  770 — 771  eine  Verständigung  zwi- 
schen Stephan  und  Desiderius  zu  Wege.^)  Der  letztere  begab 
sich  in  der  Fastenzeit  771  nach  Rom,  um  den  Bund  zum  Abschluss 
zu  bringen.*)  Aber  das  ganze  Unternehmen  stiess  auf  den  leb- 
haftesten Widerstand  der  fränkischen  Partei.  Christophoinis,  längst 
argwöhnisch  gegen  den  Papst, ■^)  setzte  sich  der  Änderung  der  päpst- 
hchen  Pohtik  entgegen,  die  alles  m  Frage  zu  stellen  drohte,  was 
seit  dem  Jahr  753  erreicht  war.  Bei  ihm  war  der  pohtische 
Gegensatz  gegen  che  Langobarden  zum  persönlichen  Hass  geworden. 
L^nd  reichlich  vergalten  sie  ihm  denselben.  Er  wusste,  dass  er 
nicht  nm*  lun  seinen  Einfluss,  sondern  um  sein  Leben  kämpfte. 
Deshalb  giiff  er  zu  den  äussersten  Mitteln.  Aus  der  Umgegend 
von  Rom  zog  er  bewafl&iete  Banden  in  die  Stadt,  um  sie  gegen 
einen  Angriff  zu  halten.  Dm-ch  die  eiTegte  Bevölkenmg  sollte 
Stephan  genötigt  werden,  von  dem  Plan  einer  Yerbindimg  mit  den 
alten  Feinden  Roms  abzustehen.  Aber  Christophorus  unterlag;  er 
büsste  seine  Opposition  mit  dem  Leben ;  das  gleiche  Schicksal  hatte 
sein  Sohn  Sergius.  Indem  Stephan  die  Männer,  denen  er  seine 
Erhöhung  verdankte,  der  Feindsehgkeit  der  Langobarden  opferte, 
heferte  er  den  Beweis,  dass  der  Plan,  den  sie  bekämpften,  schon 
ziu"  That  geworden  war,  Desiderius  bestätigte  das  dadurch,  dass 
er  die  Abtretung  zahh-eicher  Städte,  auf  welche  der  Papst  An- 
spruch erhob,  gelobte.*^)  Indem  er  das  von  Pippin  geleistete  Ver- 
sprechen einlöste,  zahlte  er  den  Preis  für  die  Beseitigung  des  frän- 


1)  V.  Steph.  m.  28  S.  478;  in  den  Briefen  des  C.  C.  ist  er  nicht 
erwähnt. 

2)  V.  Hadr.  10  f.  S.  489  werden  neben  Paul  Afiarta  als  am  Tode  des 
Sergius  beteiligt  genannt  CTregor,  defensor  regionarius,  Johannes,  dux,  ger- 
manus  domni  Stepbani  papae,  und  Calvulus,  cubicularius. 

3)  Vgl.  V.  Steph.  III.  28  ff.  S.  478;  V.  Hadriani  5  S.  587;  Cod. 
Carol.  48  S.  566  und  die  verlorenen  von  Aventin  benützten  bairischen  An- 
nalen  (s.  Riezler,  SB.  der  Münchener  Akademie  1881  I  S.  247  ff.}. 

4)  Riezler  S.  253:  In  quadragesima.  Als  Jahr  muss  man  771  an- 
nehmen, nicht  wie  Reumont,  G.  d.  St.  Rom  II  S.  122  u.  a.  769,  und  wie 
ich  in  der  1.  Aufl.  dieses  Werkes  770.  Die  erstere  Annahme  beruht  auf 
dem  Ansatz  Sigiberts,  Cbron.  Scr.  VI  S.  333,  der  aber  kein  Gewicht  hat;  die 
letztere  ist  ausgeschlossen,  da  die  Fastenzeit  für  die  Anwesenheit  des  Desi- 
derius in  Rom  feststeht. 

5)  Riezler  a.  a.  0.:  Suspectum  quod  cum  hoste  sentiret. 

6)  Cod.  Carol.  48  S.  567  aus  d.  J.  771. 


—    so    — 

kischen  Parteigängers,  welcher  bisher  die  Kurie  beheri-scht  hatte, 
und  für  den  Vei-zicht  auf  das  Bündnis,  das  gegen  die  Langobarden 
gericlitct  war. 

Was  in  Rom  geschehen  war,  konnte  am  fi-änkischen  Hofe 
nicht  hinge  unbekannt  bleiben.  Stephan  beeilte  sich  denn  auch, 
einen  Bericht  über  die  Ereignisse  an  Kiui  zu  senden.^)  Aber  in 
wie  seltsamem  Lichte  ei"scheinen  sie  in  demselben!  Die  gemordeten 
Führer  der  fi-änkischen  Partei  werden  als  Empörer  gegen  den  Papst 
geschildert,  die  im  Verein  mit  dem  fränkischen  Gesandten  Dodo 
ihn  zu  eiTuorden  suchten.  Dagegen  ist  Desiderius  sein  Retter.  Das 
Urteil  Stephans  über  ihn  ist  völlig  umgesclüagen.  Während  er 
eben  kaum  einen  Ausdruck  gefunden  hatte,  der  der  Tiefe  seines 
Absehens  vor  den  Langobarden  genügte,')  ist  Desiderius  nun  sein 
ausgezeichneter,  erhabener,  von  Gott  geschützter  Sohn.")  Hatte  er 
bisher  alles  von  der  Intervention  der  Franken  erwartet,  so  wünschte 
er  jetzt  jeden  Aiilass  zu  beseitigen,  der  ihr  Eingreifen  hätte  her- 
beiführen können;  er  erklärte,  alle  Gerechtsame  des  heiligen  Petrus 
habe  er  vollständig  von  Desiderius  empfangen.'')  Und  nicht  genug 
daran:  er  suchte  ihre  Einmischung  in  die  italienischen  Angelegen- 
heiten dadurch  unmöglich  zu  machen,  dass  er  neue  Zwietracht 
zwischen  den  kaum  vei^söhnten  Brüdern  erregte.'') 

Der  Papst  schien  in  dem  Schwanken  der  Verhältnisse  das 
beste  Spiel  gespielt  zu  haben:  er  konnte  hoft'en,  zugleich  seine  Un- 
abhängigkeit von  den  Franken  und  die  Erweiterung  seines  Besitzes 
in  Itahen  zu  eneichen.  Und  doch  lag  ein  Fehler  in  seiner  Rech- 
nung. Er  beachtete  nicht,  dass  er  in  dem  iNIoment  machtlos  wai-, 
indem  er  sich  von  den  Franken  trennte.  Er  sollte  es  nur  zu  l)ald 
erfahren. 

Desiderius  fühlte  sich  durch  seine  Zusagen  nicht  gel)unden. 
Als  Stephan  an  die  Herausgabe  der  ihm  versprochenen  (Ort- 
schaften erinnerte,  verweigerte  er  sie:  nicht  ohne  einen  gewissen 
Hohn  lehnte  er  das  Ansinnen  des  Papstes  ab.  Im  Kreise  seiner 
Vertrauten  führte  dieser  bittere  Klage  ül)er  die  Untreue  des  Lango- 
bardenkönigs: alles  habe  er  ihm  gelogen,  was  er  auf  die  Reliquien 


1)  Cod.  Carol.  48  S.  .566  ti.,  an  Bertrada  und  Karl  gerichtet. 

2)  L.  c.  45  S.  560  ff. :  FoetentiHsima  Langobardorum  gens,  quae  in 
numero  gentinm  nequaquatn  conputatur,  de  cuius  natione  et  leprosorum 
genuB  oriri  certnm  est. 

3)  L.  c.  48  .S.  567. 

4)  L.  c.  Da,  die  Behauptung  unwahr  ist  (Vit.  Hadr.  5  S.  487),  so  Ist 
der  Zweck,  zu  dem  sie  ausgesprochen  wurde,  einleuchtend. 

5)  Anders  läast  sich  die  Denunziation  Dodos,  indirekt  Karlmanns,  nicht 
verstehen  iCod.  Carol.  48  S.  566). 


—     81     — 

des  heiligen  t^etrus  geschworen  habe.^)  Aber  er  hatte  nichts  gegen 
ihn  als  Worte.  Denn  wie  hätte  er  wagen  sollen,  die  fränkische 
Hilfe  anzmiifen?"-)  So  trug  ihm  das  Einvernehmen  mit  den  Lango- 
barden die  Früchte  nicht,  die  er  davon  erwartete. 

Der  Eindnick,  den  die  römischen  Vorgänge  am  fränkischen 
Hofe  machten,  war  der  übelste.  Karlmann  soll  an  Ki'ieg  gedacht 
haben.  ■^)  Er  starb  aber,  ehe  es  zur  Ausführung  dieses  Gedankens 
kam,  am  4.  Dezember  7 Tl."*)  Was  Karl  that,  ist  nicht  überliefert. 
Da  das  Verhältnis  zu  seinem  Bnider  in  dessen  letzter  Zeit  getrübt 
war,^)  so  ist  es  möglich,  dass  er  aus  diesem  Grunde  die  Dinge  in 
Itahen  sich  selbst  überHess.  Sicher  ist,  dass  die  langobardische 
Partei  in  Rom  am  Ruder  bheb.  Obgleich  Desiderius  Stephans 
Erwartungen  getäuscht  hatte,  war  Paul  Afiarta  der  einflussreichste 
Mann  an  der  Kurte.  Er  war  entschlossen  seine  Stellimg  zu  be- 
haupten: eme  Anzahl  seiner  Gegner  hielt  er  in  enger  Haft;  als 
man  Stephans  Tod  erwartete,  verwies  er  andere  aus  der  Stadt. ^) 
Er  wollte  die  Wahl  seines  Nachfolgers  beherrschen. 

Stephan  starb  am  3.  Februar  772.')  Aber  nun  erwies  sich, 
dass  die  fr'änkische  Partei  in  Rom  nicht  so  unbedeutend  war,  wie 
es  zuletzt  den  Anschein  gehabt  hatte.  Denn  trotz  der  Massregeln 
Paul  Afiartas  hatte  sie  Erfolg.  Mit  der  Wahl  Hadrians  erlangte 
sie  das  Übergewicht  von  neuem. 

Hadnau  I.^)  war  ein  Römer  aus  vornehmer  FamiHe.  Nach 
dem  frühen  Tode  seiner  beiden  Eltern  wurde  er  unter  der  Obhut 
seines  Oheims  Theodotus  erzogen,  eines  Mannes,  der  in  welthchen 
und  kirchhchen  Geschäften  eine  hei-vorragende  Stellung  einnahm. 
Unter  Paul  I.  trat  er  in  den  Klerus  ein,  Stephan  IH.  erteilte  ihm 
die  Weihe  zum  Diakon.  Sein  Biograph  rühmt  seine  geisthche 
Gesinnung  und  sein  exemplarisches  Verhalten,    auch    seine    allge- 


IJ  Y.  Hadr.  5.  S.  487. 

2)  Der  Brief  über  den  Tod  des  Cbristophorus  und  Sergius  ist  das 
letzte  Schreiben  des  Papstes,  das  der  Cod.  Carol.  enthält. 

3)  V.  Hadr.  5  S.  487. 

4)  Ann.  s.  Amandi  z.  771  M.G.  Scr.  I  S.  12;  vgl.  Abel,  JB.  S.  96; 
Mühlbacher,  ü.  G.  S.  93. 

5)  Einh.  V.  Karol.  3;  vgl.  Cathuulfi  ep.  (Ep.  III  S.  502  Nr.  7):  Ut 
de  fratris  tui  insidiis  .  .  Dens  te  conservavit  .  .  .  Quod  Dens  transtulit 
iUum  (Karlmann)  .  .  et  exaltavit  te  super  omne  hoc  regnum  sine  sanguinis 
effusione.  Die  Sache  ist  nicht  durchsichtig;  die  Grossen  Karlmanns  standen 
auf  Karls  Seite,  Ann.  Laur.  z.  770  S.  82. 

6)  V.  Hadr.  4  S.  486  f. 

7)  S.  Duchesne,  Lib.  pont.  I  S.  CCLVIIIf. 

8)  Über  Hadrian  vgl.  die  S.  18  Anm.  8  u.  S.  71  Anm.2  angeführte  Werke. 
Hauck,  KirehengescMchte.   U.    2.  Aufl.  6 


—     82     - 

meine  Beliebtheit.  Aus  ihr  eiklärt  er  seine  WahU)  Doch  das 
sind  Woi-te:  (he  ersten  Handhnigen  Hadrians  beweisen,  dass  er 
der  Erwähhe  der  fränkischen  Partei  war.-)  Noch  vor  seiner  Kon- 
sekration rief  er  die  von  Paul  Afiarta  Verbannten  zurück;  auch 
die  Gefanirenen  ^^-^u'den  entlassen.  Die  Auffordonuig  des  Deside- 
rius.  in  ein  älmhciies  Verhältnis  zu  ihm  zu  treten  wie  Stei)haii  IIl., 
beantwortete  er  mit  dem  Verlangen,  dass  jener  die  vei-sprocheneu 
Abtretungen  ausliiln-e.  Alsbald  folgte  der  Sturz  der  langobardischen 
Faktion:  Paul  Afiarta  wurde  in  Ravenna,  andere  in  Rom  getötet; 
dagegen  wurden  die  Leichname  des  Christophorus  und  Sergius  aus- 
gegraben und  ehrenvoll  in  St.  Peter  beigesetzt.'^) 

Nun  erhob  sich  Desiderius;  er  besetzte  einen  Teil  des  Exar- 
chats  von  Ravenna,  und  lehnte  jedes  weitere  Zugeständnis  an  Rom 
ab.^)  Er  meinte  den  Papst  zum  Rücktritt  auf  die  langobardische 
Seite  nötigen  zu  können.  Indem  er  sich  zum  Vertreter  der  Rechte, 
welche  die  Kinder  Karlmaims  auf  die  Hen-schaft  ihres  Vaters 
hatten,  aufwarf,  forderte  er  von  Hadrian,  dass  er  ihnen  die  Salbung 
erteile."'^)  Gehorchte  der  Papst,  so  war  seine  Freundschaft  mit  Karl 
für  immer  gestört;  denn  niemals  hätte  dieser,  der  inzwischen  die 
Einheit  der  Regierung  im  fränkischen  Reiche  hergestellt  hatte.") 
eine  solche  Massregel  verziehen.  Die  Lage  Hadrians  war  schwierig. 
Er  war  ein  schöner ')  und  liebenswürdiger  Mann ;  aber,  wie  solche 
Männer  zu  sein  pflegen,  geistig  nicht  eben  hervoiragend ;  besondei-s 
fehlte  ihm  jede  Initiative:  einen  kühnen  Entschluss  fassen,  wjir 
nicht  seine  Sache;  erbebte  es,  in  der  einmal  eingeschlagenen  Rich- 
tung weiter  zu  gehen.  Das  kam  ihm  in  diesem  Momente  zu  gut; 
jeder  Gedanke,  die  Parteistellung,  der  er  seine  Erhei)ung  verdankte, 
zu  verändeni,  lag  ausserhalb  seines  Gesichtskreises;  so  hielt  er  un- 
veniickt  an  dem  fränkischen  Bündnis  fest,  hart  wie  ein  Diamant, 
sagt  sein  Biograph.'') 

Durch  diese  Lage  der  Dinge   war  Jvarl  genötigt  einzugi-eifeu. 


1)  V.  Hadr.  1  ff.  S.  486. 

2)  Die  Phra.sen  im  Wahldekret,  auf  welche  v.  Ranke  (WG.  V,  2  S.  117) 
und  Abel  (JB.  S.  134)  Wert  legen,  halte  ich  für  wertlos.  Die  Biographie 
Hadrians  spricht  nicht  von  einhelliger  Wahl. 

3)  V.  Hadr.  4  ff.  S.  486  ff.;  vgl.  (iregorovius,  Gesch.  der  Stadt  Rom  II 
S.  383  ff. 

4)  L.  c.  6  f.  S.  488;  18  S.  491. 

5)  L.  c.  9  S.  488;  23  S.  493. 

6)  Einh.  vita  Carol.  3;  Ann.  Lauriss.,  P^inh.  z.  771  S.  32  f. 

7)  V.  Hadr.  1 :  Elegans  et  nimis  decorabilis  persona.  Vgl.  Theod. 
carm.  26  v.  7  S.  489:  Forma  decens. 

8)  V.  Haflr.  9  S.  488. 


—     83     — 

Auch  wenn   er  gewolFt  hätte,  konnte  er  sich  dem  Kampfe   nicht 
entziehen.     Aber   er   fasste   den  Entschhiss   nicht  ohne  eingehende 
Beratung  mit  den  fränkischen  Grossen,  und   diesmal  erklärten  sie 
sich  ohne  Widersprach  für  den  Kiieg.')   Der  Erfolg  des  umsichtig 
vorbereiteten  und   nachdrücklich  geführten  Feldzugs   war  die  Ver- 
einigung   des   langobardischen  Reichs    mit   dem    fi-änkischen -)  und 
die   Erneuerung  der  Schenkung   Pippins.     Die    letztere    wurde    in 
Rom  vorgenommen.   Von  dem  belagerten  Pavia  hinweg  begab  sich 
Karl  im  Frtihjahi^  774  nach  der  Stadt  des  Papstes,  um  das  Oster- 
fest dort  zu  begehen.     Hadrian  Hess  den  fränkischen  König  em- 
pfangen,   wie    man   in    früheren   Zeiten   den  Exarchen    einzuholen 
pflegte.     Eine  Tagereise-  weit    sandte    er   ihm  die   städtischen  Be- 
amten mit  dem  Banner  Roms  entgegen.     Als  Karl    am  folgenden 
Tag,  dem  Samstag  vor  Ostern,  sich  der  Stadt  nahte,  fand  er  eine  Milbe 
vor  den  Thoren  die  gesamte  Mihz  miter  ihren  Führern  versammelt: 
mit    lautem   Zm'uf  begriissten    sie    den   Schirmvogt  der  römischen 
Republik.   Dann  kam  die  Schuljugend,  Hymnen  singend,  mit  Palmen 
und  Ölzweigen  in  den  Händen:   das  war  gleichsam  der  Gruss  des 
zukünftigen  Geschlechtes.    Alles  Volk  aber  jubelte  dem  Einziehen- 
den zu :  man  trug  Kreuze  und  Kirchenfahnen  vor  ihm  her.  Hadrian, 
umgeben  von  dem   gesamten   Klerus   der  Stadt,   stand  am  Portal 
der  Peterskirche.     Dort  erwartete   er   den  König.     Aber  nicht  als 
Herrscher,  sondern  als  Pilger  wollte  Karl  das  Heihgtum  betreten, 
das  sich  über  dem  Grabe  des  Apostels  erhob:  er  war  vom  Pferde 
gestiegen    und    folgte    zu  Fuss    den    vorgetragenen  Ki'euzen;  jede 
Stufe  von  St.  Peter  küsste  er,  ehe  er  sie  beschiitt.    Dann  umarmte 
er  den  Papst,  Hand  in  Hand  traten  beide  in  die  Kirche,  empfangen 
von   dem  Gesang:  Benedictus   qui  venit  in   nomine  Domini.     Vor 
der  Konfession   des  Apostels  warfen  sich   die   Franken  zu  Boden, 
um  Gott  flir  den  errungenen  Sieg  zu  danken.'^) 

So  schildert  der  Biogi-aph  Hadrians  die  festhche  Pracht,  mit 
welcher  der  erste  Einzug  eines  fränkischen  Königs  in  Rom  um- 
geben wurde.  Er  schweigt  von  den  Gedanken,  welche  Hadrian 
bewegten,  als  er  an  der  Treppe  von  St.  Peter  dem  Zuge  des  frem- 
den Herrschers  entgegenbhckte.  Aber  es  ist  kein  Zweifel,  dass  die 
beiden  Männer,  die  sich  als  erklärte  Freunde  begrüssten,  von  tiefem 
Misstrauen  gegen  einander  erfüllt  waren.  Karl  benachrichtigte  den 
Papst  nicht  von  seiner  Absicht,  nach  Rom  zu  kommen.  Erwartete 
er  Schwierigkeiten  von  Seiten  Hadrians  ?    Als  dieser  die  unerwar- 


1)  Ann.  Lauriss.,  Einh.  z.  J.  773  S.  34  f. 

2)  Vgl.  Abel,  JB.  139  ff.;  v.  Ranke,  WG.  V,  2  S.  119  ff. 

3)  V.  Hadr.  35  ff.  S.  496  ff. 

6^ 


—     84     — 

tete  Kunde  erhielt,  Karl  ziehe  in  raschen  Märschen  nach  Rom, 
empfand  er  alles  eher  als  Fi'eude;  sein  Erstaunen  war  das  des 
Schreckens.*)  Fürchtete  er,  Karl  werde  in  seiner  Stadt  als  Herr 
auftreten?  Der  Frankenherrscher  durchzog  das  römische  Gebiet, 
ohne  die  Znstinnnung  des  Papstes  eingeholt  zu  haben;  erst  als  er 
ihm  Auge  in  Auge  gegenüberstand,  bat  er  um  (Mo  Erlaubnis,  die 
Stadt  betreten,  sein  Gebet  bei  den  versciiiedenen  Heiligtümern  ver- 
richten zu  dürfen.  Jetzt  konnte  diese  Bitte  nicht  mehr  versagt 
werden.  Und  doch  gewährte  sie  Hadriau  nicht,  ehe  der  König  mit 
seiner  gesamten  Begleitung  ihm  Sicherheit  geschworen  hatte.  Aber 
auch  Karl  forderte,  dass  der  Papst  ihm  eidlich  seine  Treue  ver- 
plände.  Nach  solchen  Vorbereitungen  fand  atn  MittAvoch  nach 
Osteni,  dem  6.  April  774,  in  der  Peterskirche  die  feierliche  Er- 
neuerung des  Pippinschen  Vorsjirechens  statt.  Hadrian  Hess  die 
Urkunde  von  754  verlesen,  Karl  stellte  eine  neue  gleichlautende 
aus,  welche  er  mit  eigener  Hand  auf  das  Grab  des  Apostels  nieder- 
legte.-) Auch  dabei  rausste  er  den  Argwohn  des  Papstes  beruhigen: 
er  versicherte  ihm,  nicht  um  Gold  und  Silber,  Bücher  oder  Lehens- 
leute zu  gewinnen,  sei  er  über  die  Alpen  gezogen,  sondern  allein 
um  die  Rechte  des  heiligen  Petrus  zu  vertreten,  die  Kirche  Gottes 
zu  erhöhen  und  die  päpsthche  Sicherheit  zu  verstärken.'')  Wie  er 
sich  dem  Papste  verpflichtete,  so  dieser  dem  Krjuigc:  man  kann 
nicht  l)ezweifeln,  dass  er  ausdrücklich  und  ohne  Vorbehalt  auf  jede 
selbstständige  Politik  verzichtete.^)     Das   Bündnis,    das  in    Kierzi 

1)  L.  c.  35:  In  magno  stupore  et  extasi  fleductus.  Ahoi  (JB.  S.  154) 
übersetzt:  in  hohem  Grade  überrascht.     Das  ist  doch  zu  schwach. 

2)  Cod.  Carol.  55  S.  578;  V.  Hadr.  41  ff.  S.  498.  Zur  Sache  vgl. 
oben  S.  24  Anm.  1,  und  die  Litteraturangaben  S.  18  Anm.  3. 

3)  Cod.  Carol.  56  S.  581 :  Rccordari  te  credimus,  .  .  qualiter  nobis  .  . 
affati  cstis,  dum  ad  limina  .  .  Petri  et  Pauli  properati  estis.  Hierauf  die 
im  Texte  mitgeteilte  Stelle. 

4)  L.  c.  51  S.  571  :  Ferebatur  in  ipsis  rogalis  vestrae  potontiao  apicibus, 
quod  .  .  missi  vestri  .  .  vobis  retulissent,  quod  ea  quae  eis  a  vobis  essend 
iniuncta,  benignae  atque  amabiliter  a  nobis  esse  suscepta.  Sed  cognoscit 
omnipotens  Deus, .  .  qnia  omnom  missum,  a  vestris  rogales  obtutil)U8  directum, 
cum  nimio  amore  et  decenti  honore  suscipero  studomus;  et  oninem  vestram 
voluntatem  sincera  mentis  integritato  inplere  satagimus  .  .  .  Absit  namquo 
a  nobis,  .  .  ut  ea,  quae  inter  nos  mutuo  coram  sacratissimi  corpus  fautoris 
tui  .  .  Petri  confirmavimus  atque  stabilivimus,  per  quovis  modum  irrituni 
facere  adtemptemus.  Vgl.  .^2  S.  574;  54  S.  577;  55  S.  579;  56  S.  580.  Alcu. 
Epist.  93  S.  137  (Karl  an  Leo  III.):  Sicut  cum  .  .  praedecessoro  vestro  sanctae 
patemitatis  pactum  inii,  ist  in  dieser  Gestalt  wahrscheinlich  verderbt;  JaJBPe 
verändert  paternitatis  in  compaternitatis;  von  Lamprecht  S.  17  gebilligt; 
mir  scheint  die  Konjektur  von  Marlons,   Rom.    Fr.  S.   111,   es   .sei  zu  lesen 


—     85     — 

abgeschlossen,  das  tl\irch  das  Verhalten  Stephans  ins  Schwanken 
gekommen  war,  ^vTirde  erneuert:  Rom  blieb  dem  fränkischen  Eeich 
angefügt;  der  Papst  hatte  ein  Anrecht  auf  den  fränkischen  Schutz; 
er  bheb  in  vieler  Hinsicht  souverän,^)  aber  er  entbehite  des  wich- 
tigsten Souveränetätsrechts :  seine  politische  Stellung  nach  eigenem 
Ennessen  wählen  zu  können. 

Die  Absicht  Karls  war  offenbar,  das  Verhältnis  zu  Rom  imd 
dem  Papste  so  zu  belassen,  wie  Pippin  es  geordnet  hatte.  Aber 
war  das  möglich?  Der  Patriciat  war  aufgerichtet  worden,  als  die 
Stadt  und  ihr  Bischof  den  fränkischen  Schutz  gegen  die  Lango- 
barden bedurften.  Xun  war  der  fränkische  König  zugleich  König 
der  Langobarden,  die  Notwendigkeit  einer  Schutzmacht  hatte  damit 
aufgehört.  Wenn  man  gleichwohl  an  dem  Patiiciate  festhielt, 
musste  der  Titel  dann  nicht,  gewissermassen  naturnotwendig,  einen 
neuen  Inhalt  erhalten?  Titel  sind  wertlos  in  den  Händen  Lässiger; 
von  thatkräftigen,  aggressiven  Männern  geführt,  werden  sie  zu  An- 
sprüchen. 

Die  Pi-age  wurde  alsbald  brennend.  Die  wichtigste  der  Städte, 
die  Pippin  dem  Papst  überlassen  hatte,  war  Ravenna.  Aber  sie 
war  ein  unsicherer  Besitz;  Erzbischof  Leo,  von  Hause  aus  ein 
Parteigänger  der  Franken,-)  fühlte  sich  kaum  minder  als  Herr  in 
seiner  Stadt  wie  der  Papst  als  Herr  in  Rom:  er  übte  ähnhche 
Gewalt  in  ihr,  wie  dieser:  die  Beamten  zu  ernennen,  nahm  er  als 
sein  Recht  in  Anspruch.  Den  zunächst  hegenden  Teil  des  Exai'chats 
betrachtete  er  als  seiner  Verwaltung  unterstellt;  als  i.  J.  774  ein 
päpstlicher  Abgeordneter    die    dortigen    Beamten    füi-   Hadiiau   in 


vestrae  sanctae  paternitatis  viel  wahrscheinlicher.  Denn  das  folgende  be- 
weist, dass  es  sich  nicht  um  das  Taufpatenverhältnis,  sondern  um  den  Bund 
handelt.  Die  Phrase  vestra  sancta  paternitas  ist  ganz  unanstössig:  ich  ver- 
stehe nicht  wie  Lamprecht  daran  Anstoss  nehmen  kann,  nachdem  Karl  den 
Papst  fortwährend  mit  vestra  sanctitas,  vestra  sanctissima  benevolentia,  sanc- 
tissimus  pater  anredet. 

1)  Vgl.  Sickel  Z.  f.  GW.  1894  S.  326  f. 

2)  Vgl.  oben  S.  78.  Eine  fragmentarische  Biographie  Leos  findet  sich 
bei  Ägnellus,  Lib.  pontif.  eccl.  Raven.  160  (Scr.  rer.  Lang.  S  381).  Hier 
ist  Leo  durchaus  fränkischer  Parteigänger:  Hie  primus  Francis  Italiae  iter 
hostendit  per  Martinum  diaconum  suum,  .  .  et  ab  eo  Karolus  rex  invitatus 
Ytaliam  venit.  Dass  die  Nachricht  über  die  Parteistellung  des  Erzbischofs 
Grund  hat,  ergiebt  sich  aus  dem,  was  wir  sonst  über  ihn  wissen.  Paul 
Afiarta  hatte  an  ihm  einen  heftigeren  Feind  als  an  dem  Papst;  er  hat  ihn 
wider  den  Willen  des  letzteren  hinrichten  lassen  (Vit.  Hadr.  14  S.  490). 
Trieb  er  hier  die  Geschäfte  der  fränkischen  Partei,  so  hielt  ihn  anderer- 
seits Karl  trotz  der  Anklagen  Hadrians. 


—     86     — 

Pllidit  uohnu'n  wollte,  sah  or  sich  duich  Leo  gehindert;')  von  den 
Städten  Iniola  und  Bologna  behauptete  dieser  geradezu,  Karl  habe 
sie  mit  nichten  dem  h.  Peter  und  dem  Papst,  sondern  vielmehr 
iiim  geschenkt.  Hadrian  erblickte  in  dem  Auftreten  des  Erzbisehofs 
Empörung:  nicht  mit  Unrecht  urteilte  er,  dass,  wenn  ihm  nicht 
f'ewehrt  werde,  die  Lage  Homs  sclüimmer  sei  als  vor  der  Zer- 
stöning  des  langobardischen  Reichs:'-)  er  ai)pellierte  an  Karl.  Aber 
wenn  er  bat,  Karl  möge  eine  Verfügung  über  die  Stellung  des 
p]r/.bischol's  tretfeu,'*)  so  lag  in  der  Form  wie  in  der  Sache  die  An- 
erkennung der  Oberhoheit  Karls.  Dieser  zögerte  nicht,  eine  Ent- 
scheidung zu  erlassen.  Sie  lautete  nicht  zu  Gunsten  des  Papstes. 
Der  Gesandte,  der  seine  Einsprache  zu  vertreten  gehabt  hatte, 
wurde  wegen  unziemhchen  Auftretens  in  Haft  genommen.')  Leo 
aber,  der  seine  Sache  am  Hofe  persönlich  betrieb,'')  erhielt  Recht; 
Hadrian  klagte,  er  sei  nur  stolzer  und  tyrannischer  zurückgekehrt. 
In  der  That  nahm  er  jetzt  so  wenig  als  vorher  päi)stliche  Befehle 
an,  den  Verkehr  zwischen  dem  Exarchat  und  Rom  wussto  er  zu 
hindern;  die  beiden  von  ihm  beanspruchten  Städte  hielt  er  in 
strenger  Abhängkeit.")  Vergeblich  suchte  der  Papst  auf  wenig 
edle  Weise  den  Argwohn  Karls  gegen  Leo  zu  erregen:')  es  ge- 
hört zu  den  grossen  Eigenschaften  Karls,  dass  er  für  Verläum- 
dungen  ganz  und  gar  unzugänglich  war:  Leo  blieb  im  Besitz,  der 
Papst  musste  sich  gedulden."^) 


1)  Cod.  Carol.  49  S.  568;  54  S.  576  f.;  55  S.  579  f.  Asnell.  Lib.  pon- 
tif.  c.  159  S.  380,  vgl.  Kohr,  Nachr.  d.  G.G.  1896  S.  1B9  ff. 

2)  Cod.  Carol.  49  S.  568,  aus  d.  J.  774. 

3)  L.  c.  S.  509:  Feto  te  coram  Deo  omnipotente,  ut  ita  disponere 
inbea.<<,  eundemque  archiepiscopum  sub  nostra  potestate  contradere  digneris, 
ut  a  nobia  cunctum  exarchatuiii  disponatur,  sicut  .  .  domnus  Stephanus  .  . 
disponere  visua  est. 

4)  L.  c.  51  S.  572,  aus  d.  J.  775;  er  kam  indes  bald  wii>d(>i, .  frei 
53  S.  575,  aus  dcnisielbcn  Jahr. 

5)  L.  c.  53  S.  .575. 

6)  L.  c.  54  S.  577;  55  S.  579. 

7)  L.  c.  54  S.  576  f. 

8)  Nach  Leo.s  Tod  (Febr.  777)  erscheinen  Imola  und  IJologna  als 
päpHtlicher  Besitz;  s.  Kehr  S.  144.  Aug  dem  ferneren  Schweigen  Hadrians 
über  die  Sache  folgert  liindner  S.  47,  dass  Karl  iiini  /.u  gunsten  entschied. 
Dm  scheint  mir  hier  so  wenig  berechtigt,  wie  bei  Uitlä  di  Castello  (s.  S.  87 
Anm.  3).  Die  Verhältnisse  scheinen  mir  vielmehr  die  Annahme  nahezulegen, 
da«s  Karl  zwischen  den  hadernden  Uischöfen  so  vormittolte,  dass  er  Leo  in 
Besitz  lieas,  aber  da.s  Recht  Roms  anerkannte  und  deshalb  den  Übergang 
der  Städte  in  römischen  Besitz  nach  Leoa  Tod  sicherte.  Ähnlich  Schnürer 
S.  96.     Zu  Ende    waren   die   päpstlichen   Beschwerden    bezüglich   Ravennas 


—     87     — 

Dass  Karl  den 'Erzbischof  gewähren  Hess,  war  ein  Verstoss 
gegen  die  Pippinsche  Schenknng;  es  ist  zugleich  ein  klarer  Be- 
weis dafür,  dass  er  sich  als  oberster  Herrscher  über  das  päpstliche 
Temtoriiim  betrachtete.  Demgemäss  handelte  er  auch  sonst.  Im 
Jahr  773  hatte  Cittä  di  Castello^)  am  Oberlaufe  des  Tiber  dem 
Papst  gehuldigt.'-)  Nun  bemächtigte  sich  der  Herzog  Raginald 
von  Chiusi  der  Stadt.  Hadrian  war  empört:  das,  was  Karl  zum 
Heil  seiner  Seele  dem  Apostelfiirsten  dargebracht  habe,  trachte 
der  Herzog  der  Kirche  wieder  zu  entreissen.  Aber  dieser  hatte 
mit  Zustinmmug  Karls  gehandelt:  die  Stadt  war  ihm  vom  König 
überlassen.^) 

Wenn  der  Papst  gelegenthch  päpsthches  und  fränkisches  Ge- 
biet identifizierte,'*)  so  that  Karl  ches  auch.  Jedoch  waren  die 
Konsequenzen,  welche  beide  daraus  zogen,  sehr  verschieden:  Hadrian 
folgerte,  dass  Karl  die  Pflicht  habe,  ihn  in  seinem  Besitze  zu  ver- 
theidigen;  Karl  folgerte,  dass  er  das  Recht  habe,  auch  über  das 
päpstliche  Territorium  zu  verfügen.  Man  bemerkt  durchweg  einen 
Gegensatz  in  der  Auffassung  des  Patriciats.  Karl  war  mit  dem 
Verhalten  Hadrians  nicht  immer  zufrieden:  er  hielt  die  Mahnung 
für  angebracht.  Hadrian  möge  seinen  Patriciat  achten.'^)  Dieser 
erwiderte,  auch  der  Patriciat,  den  Pippin  dem  heihgen  Petrus  über- 


mit  Leos  Tode  nicht.     Nur  richteten  sie  sich  jetzt  gegen  die  Beamten  Karls 
(Leos  IIL  Brief  9  S.  101). 

1)  Castellum  Felicitatis. 

2)  V.  Hadr.  33  S.  496. 

3)  Cod.  Carol.  58  S.  583,  aus  dem  Frühjahr  776.  Hadrian  sagt  zwar, 
er  glaube  nicht,  dass  das  Ganze  auf  einer  Anordnung  Karls  beruhe;  aber 
er  wusste,  dass  es  der  Fall  war.  Das  zeigt  die  Wendung,  die  er  gebraucht: 
Non  vobis  hoc  durum  pareat,  S.  584,ii.  Bei  dieser  Sachlage  ist  es  sehr 
wenig  wahrscheinlich,  dass  er  Recht  erhielt.  Dai-aus,  dass  Hadrian  keine 
weiteren  Klagen  vorbrachte,  lässt  sich  nicht  das  Gegenteil  folgern.  Er 
schwieg  auch  über  Spoleto,  seitdem  er  einsah,  dass  er  nichts  erreichte. 
Ein  Recht  auf  Cittä  di  Castello  hatte  er  nicht. 

4)  L.  c.  64  S.  591 :  Terracinensem  civitatem  .  .  in  servitio  .  .  vestro 
atque  nostro  .  .  subiugavimus ;  ibid.:  .  .  ut  eos  (Gaeta  und  Neapel i  in  Om- 
nibus subiugantes  sub  vestra  atque  nostra  sint  dicione;  90  S.  627  bezeichnet 
Hadrian  die  Herzoge  Konstantin  und  Paul  als  seine  und  des  Königs  Ge- 
treuen.    Vgl.  auch  61  S.  588. 

5)  L.  c.  85  S.  622,  aus  d.  J.  788  oder  789,  beweist,  dass  solche  Er- 
mahnungen erfolgten:  Sicut  in  commonitorium  illud  (eine  von  Karl  dem 
Papst  übersandte  Denkschrift  über  die  Rechte  des  Königs  bei  den  Bischofs- 
wahlen in  Ravenna,  s.  S.  621)  referebatur,  pro  honore  vestri  patriciati  nullus 
homo  esse  videtur  in  mundo,  qui  plus  pro  vestra  regale  excellentia  decer- 
tari  molietur  exaltatione,  quam  nostra  apostolica  assidue  deprecatio.     Eine 


—     88     - 

lassen  habe,  möge  dann  unangetastet  bleiben.^)  Er  glaubte  durch 
den  König  in  seiner  Stellung  geschädigt  zu  sein.  Mau  kann  das 
kaum  schärfer  ausdrücken,  als  er  es  that,  indem  er  an  Karl 
schrieb,  er  möge  ihn  wenigstens  behandeln  wie  den  Herzog  von 
Bejievent.-)  Karl  betrachtete  als  zu  den  Rechten  seines  Patriciats 
gehöng.  dass  er  Appellationen  aus  dem  pä]^=;tliohen  Gelnet  annehmen 
könne.  Man  liegreit't.  dass  Hadrian  das  nicht  dulden  wollte.  Logisch 
war  es  ganz  richtig,  wenn  er  einwandte.  Karl  gestatte  ja  auch 
seinen  Unterthanen  nicht,  ohne  königliche  Erlaubnis  Rom  zu  be- 
suchen.'^) Der  Fehler  war  nur,  dass  er  dabei  voraussetzte,  Karl 
erkenne  ihn  als  gleichberechtigte  Macht  an.  Das  that  jener  nicht. 
Tlun  genügte  es  nicht,  dass  Hadrian  in  rein  pohtischen  Fragen  sich 
jeder  selbstständigen  Bewegung  enthielt'*)  und  alles  vollzog,  was  er 


ähnliche,  wieder  durch  eine  Äusserung  Karls  hervorgerufene  Versicherung 
94  S.  635,  aus  den  Jahren  790—791. 

1)  An  der  zuletzt  angeführten  Stelle;  dass  man  aus  dem  Wortspiele 
nichts  über  einen  Patriciat  des  Papstes  folgern  darf,  ist  klar  (s.  Abel,  JB. 
S.  174j.  Das  Wort  bedeutet  hier  einfach  Herrschaft.  Das  ist  von  Wert 
für  die  Deutung  des  Titels  überhaupt. 

2)  Cod.  Carol.  94  S.  635:  Scripsimus,  ut  eos  —  Leute,  die  an  Karl 
appelliert  hatten  —  nobis  dirigi  sicut  Beneventano  duci  fecistis.  Ep.  84 
S.  620  beschwert  sich  Hadrian,  dass  Karl  Grimoald  besser  behandele  als  den 
heiligen  Petrus. 

3)  L.  c.  94,  635  f.:  Sicut  vestra  regalis  excellentia  in  suis  referuit 
apicibus:  minime  ei  contrarium  videretur,  quicunque  de  epi-scopis  aut 
comitibuB  seu  ceteris  hominibus  partibus  vestris  aut  nostra  iussione  com- 
jilendi  sivae  propria  voluntate  ad  nos  venire  voluerint;  sed  nee  non  nostrae 
paternitati  displicere  rectum  est,  quali.scunque  ex  nostris  aut  pro  saluta- 
tionis  causa  aut  querendi  iustitiam  ad  vos  properavorint.  Nihil  duriu.s 
vobis  exinde  apparet.  Sed  sicut  vestris  hominibus  sine  vestiai  absolutiono 
ad  limina  apostolorum  neque  ad  nos  coniungunt,  ita  et  nostri  homines,  qui 
apud  vos  venire  cupiunt,  cum  nostra  absolutione  et  epistola  veniant.  Vgl. 
auch  ep.  75  S.  606.  Dass  Karl  Beschwerdon,  die  aus  dem  päpstlichen  Ge- 
biet direkt  an  ihn  gerichtet  waren,  annahm,  zeigt  die  Urkunde  für  Co- 
macchio  (B.M.  226). 

4)  Charakteristisch  ist  besonders  das  Verhalten  H. 's  Tassilo  gegenüber 
(vgl.  Ann.  Kinh.;  Tjauriss.  z.  J.  781  und  787).  Auch  das  zweifellose  Erbrecht 
der  Söhne  Karlmanns  anzuerkennen,  versuchte  Hadrian  nicht.  Bei  rein 
politischen  Dingen  liess  er  es  nicht  an  Versicherungen  seines  Gehorsams 
fehlen:  Cod.  Carol.  64  S.  591:  Sine  vestro  consilio  nullatenus  ibidem  — ■ 
gegen  Terracina  —  dirrigere  voluiraus;  79  8.  611;  80  S.  613:  Aec  —  Unter- 
nehmnnjr  gfgfn  Benevent  —  existimantos  in  vestro  .  .  regali  arbitrio  emi- 
simu.s  pertractandum,  ut,  qualiter  vobis  placuerit,  disponere  coleriter  dignetur, 
nobis  intimante  per  suos  regales  affatos  suam  nostramque  securitatis  salutem; 
82  S.  616. 


—     89     — 

forderte.^)  Pippiu  wäre  damit  zufrieden  gewesen;  Karl  ging  weiter: 
er  griff  direkt  in  die  innerstaatlichen  und  innerkirchlichen  Verhält- 
nisse des  römischen  Gebietes,  in  die  gesamte  Staatsverwaltung  ein.-) 
Der  Papst  war  nicht  imstande,  das  zu  verhindern.  "Wohl  oder  übel 
fügte  er  sich  jedesmal.  Es  kam  vor,  dass  von  Rom  aus  Sklaven 
an  Muhammedaner  verkauft  wurden:  Karl  wollte  diese  Barbarei 
so  wenig  dulden,  als  er  in  Deutschland  den  Verkauf  christlicher 
Sklaven  in  das  heidnische  Ausland  gestattete,  und  schrieb  darüber 
an  den  Papst.  Hadrian  war  über  den  Vorwm-f  des  Königs  betreten, 
er  schob  seiner  Gewohnheit  nach  die  Schuld  auf  andere  und  rühmte 
sich  selbst:  aber  er  wagte  nicht,  das  formelle  Recht  des  Königs  zu 
seiner  Einsprache  zu  bestreiten.'^)  Ein  anderes  Mal  veifügte  Karl, 
dass  den  Venetianem  der  Handel  in  Ravenna  nicht  mehr  gestattet 
werde.  Hadrian  erwiderte  auf  das  königHche  Reskript:  „Nachdem 
Eiu-e  könighche  Sieghaftigkeit  den  Befehl  erlassen  hat,  dass  die 
venetianischen  Händler  aus  dem  Gebiet  von  Ravenna  und  der 
Pentapolis  vertrieben  werden  sollen,  so  haben  wir  in  jene  Gegenden 
Schreiben  gesandt,  wodurch  \dv  Euren  königlichen  Willen  erfüllen"'.^) 
Konnte  ein  Vasall  anders  schreiben  ?  Nicht  anders  ging  es  in  den 
kirchlichen  Angelegenheiten:  wie  Karl  die  kirchlichen  Zustände  des 
fränkischen  Reichs  beaufsichtigte,  so  die  des  römischen  Gebiets. 
Hadrian  niusste  sich  Vorstellungen  gefallen  lassen  über  die  mangel- 
hafte Sitthchkeit,  die  den  Frauken  an  dem  römischen  Klerus  auf- 
fiel. Er  erklärte,  tief  gekränkt,  man  habe  den  König  durch  Ver- 
leumdungen hintergangen:  an  seinen  Priestern,  das  vdsse  Gott,  hafte 
kein  Makel. '^j  Aber  es  dauerte  nicht  lange,  so  erhob  Karl  einen 
neuen  Vorwm'f:  seine  Missi  hätten  ihm  berichtet,  dass  in  Ravenna, 
Tuscien  und  anderen  Orten  die  Simonie  an  der  Tagesordnung  sei: 
ein  grosser  Teil  des  kirchlichen  Vermögens  werde  dadurch  ver- 
schleudert: nicht  nur  Gold  und  Silber,  sondern  auch  Grundbesitz. 
Der  Papst  verteidigte  sich,  niemals  habe  er  wissentlich  einen  Simo- 


1)  Vgl.  die  Salbung  der  Söhne  Karls  Ostern  781  (Ann.  Lauriss., 
Einh.  z.  d.  J.). 

2)  Dass  Hadrian  die  unmittelbar  landesherrlichen  Rechte  übte  wie 
Stephan  III.,  ist  selbstverständlich;  daher  auch  die  gleichen  Wendungen: 
Noster  Romanorum  reipublicae  populus  (Cod.  Carol.  57  S.  583);  provincia 
nostra  (56  S.  581);  nostri  Romani  (59  S.  585);  civitas  nostra  Centumcellen- 
sium  (ibid.);  noster  exercitus  (61  S.  589j.  Über  seine  Unternehmungen  zum 
Besten  der  Stadt  und  der  Campagna  s.  Gregorovius,  Geschichte  der  Stadt 
Rom  II  S.  421  fi'. 

3)  Cod.  Carol.  59  S.  584  f.,  aus  d.  J.  776. 

4)  L.  c.  86  S.  622  f.,  zwischen  den  Jahren  787  und  791. 

5)  L.  c.  59  S.  585. 


—     90     — 

nisten  konsekriert;  or  bestritt,  dass  das  überliaupt  vorkommen  könne; 
sclion  in  den  Ordinationsformnlaren  sei  dagegen  Vorsorge  getroften.^) 
Al)er  was  bedenteto  diese  Entgegnung?  Audi  die  Biscbofswablen 
Hess  Karl  nicht  ausser  Betracht:  er  forderte  als  sein  B,echt,  dass 
bei  der  Wahl  des  Erzbischofs  von  Ravennn  ein  fränkischer  Gesandter 
anwesend  sei.  Hadrian  widersprach  lebhatt:  wir  wissen  nicht,  mit 
welchem  Erfolge.-)  Selbst  Eingriti'e  des  Königs  in  die  geistliche 
Gerichtsbarkeit  musste  der  Papst  ertragen.  Ein  Mönch  Johannes, 
wie  es  scheint  ein  schwärmerischer  Kopf,  wandte  sich  klagend  an 
den  König:  dieser  nahm  seine  Klagen  an  und  gebot  dem  Papste 
Abstellung,  zugleich  bedeutete  er  ihn,  Johannes  dürfe  weder  ver- 
urfeilt,  noch  exkommuniziert  oder  gegeisselt  werden,  überhaupt  solle 
nichts  gegen  ihn  unternonnnen  werden.  Der  Papst  erwiderte:  .,In 
dem  allem  haben  wir  uns  Eurer  königlichen  Forderung  gemäss  ver- 
halten, den  Mönch,  so  weit  es  nötig  war,  ermahnt  und  ihn  unge- 
kränkt an  seinen  Ort  entlassen."  Er  unterliess  nicht,  hervorzuheben, 
dass  er  nur  aus  allzu  grosser  Liebe  zu  dem  König  dem  Mönche 
die  verdiente  Strafe  geschenkt  halie.")  In  einem  anderen  Fall 
machte  es  ihm  weniger  Beschwerde,  einem  Befehl  Karls  zu  folgen, 
welcher  ebenfalls  gegen  die  kanonische  Ordnung  verstiess.  Kai'l 
sandte  einen  gewissen  Petrus  nach  Korn,  damit  er  dort  die  bischöf- 
liche Weihe  erhielte.  Hadrian  erteilte  sie  ihm  und  berichtete  darül)er 
an  Karl:  ..AVir  haben  hicbei.  wie  wir  gewohnt  sind,  mit  günstigem 
Willen  Eure  Aufträge  ertiillt."  ■») 

Man  kann  nicht  sagen,  dass  Karl  in  diesen  Fällen  von  den 
Rechten  des  Patriciats  Gebrauch  machte,  wie  er  dessen  Pflichten 
erftillte.  Denn  bei  Abschluss  des  Vertrags  von  Kierzy  hat  sicher 
niemand  an  solche  Rechte  gedacht.    Hadrian  hattp  so  unrecht  nicht, 


1;  L.  c.  ".»4  .s.  634  (a.  790— 791 1.  Dass  Simonie  vorkiim.  orgiobt  sich 
aus  Ale.  ep.  92  S,  1.36  (Karl  an  Angilbert):  De  simoniaca  subvertenda  hae- 
resi  diligentissime  suadeas  illi  (Leo  III.)  .  .  et  quidquid  mente  teneas  nos 
eaepius  querelis  agitasse  inter  no8. 

2)  Cod.  Carol.  85  S.  621.  Der  Präzedenzfall,  der  in  der  Beseitigung 
Michaels  lag  (s.  o.  S.  78),  war  dem  Papste  sehr  unbequem. 

3)  L.  c.  88  S.  624  f.  Dass  der  König  im  Langobardonreich  ebenso  wie 
in  Franken  als  oberster  Leiter  der  Kirche  auftrat,  ist  bekannt  (vgl.  Capit. 
89  ff.  S.  188  fl'.;  Abel.  .IB.  S.  443  ff.).  Gelegentlich  beauftragte  er  den  Papst 
mit  einer  Untersuchung;  dieser  ordnete  dabei  sein  Urteil  ganz  der  könig- 
lichen Entschpidung  unter:  er  spricht  Abt  Potho  von  S.  Vincenzo  frei  und 
bittet  darnach  um  dessen  Wiedereinsetzung  (Cod.  Carol.  66  f.  S.  594  f.). 

4)  L.  c.  70  S.  600.  Man  identifiziert,  ohne  völlig  sichern  Grund,  diesen 
Petnjs  mit  Bischof  Petrus  von  Verdun.  Sicher  ist  nur.  dass  der  vom  Papst 
Ordinierte  für  das  fränkische  Reich  bestimmt  war. 


—     91     — 

wenn  er  sich  über  Neuerungen  beklagte.^)  Aber  auf  Karl  machte 
die  Beschwerde  keinen  Eindruck;  er  schaltete  einfach  als  Oberherr 
von  Rom;  seine  Eechte  bemass  er  nach  dem,  was  dem  König  im 
fi-änkischen  Reiche  zustand.  Der  Papst  aber  konnte  diese  Wendung, 
welche  die  Institution  des  Patriciats  erhielt,  nicht  hindern,  so  wenig 
sie  ihn  befriedigte.-)  Seit  der  Zerstörung  des  Langobardenreichs ^) 
war  er  dem  Frankeukönig  gegenüber  völhg  machtlos;  er  musste 
sich  noch  mehr  in  dessen  AVillen  fügen,  als  es  der  Fall  war,  so 
lange  die  Furcht  vor  den  langobardischen  Nachbarn  der  Kitt  des 
fränkischen  Bundes  war.  AVas  hatte  es  dem  gegenüber  für  einen 
Wert,  dass  Hadrian  vor  den  Orientalen  mit  dem  Gehorsam  Karls 
gegen  seine  AVillensmeinung  prahlte,^)  oder  dass  er  in  voll- 
tönenden Worten  von  Rom  als  der  Hauptstadt  der  AVeit  sprach?'^) 
Ln  fränkischen  Reich  sagte  man  richtiger:  Rom  war  einst  die 
Hauptstadt  der  Welt;'')  man  bezeichnete  sie  als  eine  Karl  gehörige 
Stadt. ")  Der  Papst  selbst  aber  bestätigte,  dass  Rom  einen  fremden 
Herrn  hatte,  indem  er  die  Fiü'bitte  für  den  Frankenkönig  in  die 
gottesdienstHchen  Gebete  aufnalim.-)  Es  war  nm-  konsequent,  dass 
im  päpsthchen  Gebiet  dem  König  und  dem  Papste  der  Treueid 
geschworen  wurde. ^)  Was  Karl  in  Baiern  erst  forderte,  nachdem 
Tassilos  Untreue  weltkundig  war,  geschah  in  Rom  von  Anfang  an. 
Hier  drängt  sich  nun  die  Frage  auf,  wie  die  römische  Bevöl- 
kerung sich  dieser  stärkeren  Betonung  der  fränkischen  Herrschaft 
gegenüber  verhielt.  So  viel  sich  sehen  lässt,  erhob  sie  nirgends 
Widerspruch  oder  Widerstand.    Niemand  verweigerte  die  Ablegung 


1)  L.  c.  94  S.  635. 

2)  Die  nach  Ficker  und  Lamprecht  zuletzt  von  Schnürer  S.  100  vor- 
getragene Vermutung,  dass  i.  J.  781  eine  Verständigung  zwischen  Hadrian 
und  Karl  stattfand,  wobei  Hadrian  auf  die  Zusagen  von  Kierzy  verzichtete, 
scheint  mir  keineswegs  erwiesen.  Notwendig  ist  die  Annahme  nur  infolge 
der  abweichenden  Beui-teilung  des  Versprechens  von  754. 

3)  Martens  (D.  röm.  Frage  S.  236)  urteilt,  der  Fall  von  Pavia  sei  für 
die  Bedeutung,  welche  Karl  dem  Patriciatstitel  zuschrieb,  belanglos.  Das 
heisst  doch  die  Sache  dem  Namen  gegenüber  unterschätzen. 

4)  J.W.  2448  an  Konstantin  und  Irene:  Nostris  obtemperans  monitis 
adque  adimplens  in  omnibus  voluntates. 

5)  Cod.  Carol.  72  S.  602  f.,  vgl.  53  S.  575;  92  S.  629  u.  ö. 

6)  Paul.  diac.  carm.  25  v.  9  S.  60:  Quae  caput  orbis  erat;  vgl.  Bonif 
ep.  14  S.  263. 

7)  Paul.  diac.  ep.  HS.  508:  Civitatis  vestrae  Romuleae. 

8)  Ordo  Romanus  (Mabill.  Mus.  Ital.  II,  17).  Hadrian  bezieht  sich  in 
seinen  Briefen  vielfach  hierauf,  z.  B.  Cod.  Carol.  50  S.  570;  59  S.  584. 

9)  S.  0.  S.  31  Anm.  4  und  Cod.  Carol.  55  S.  579. 


—     92     — 

des  Treueides.  Jene  Appellationen  und  Klagen,  die  wir  erwähnten, 
scheinen  alle  mehr  oder  weniger  spontan  aus  der  "> Titte  der  Be- 
völkerung hervorgegangen  zu  sein.  Man  hatte  ein  lebhaftes  und 
richtiges  Gefühl  für  die  Situation.  Wenn  einmal  das  Gerede  ent- 
stand. Karl  habe  die  Absicht,  Hath'ian  abzusetzen  und  seine  Stelle 
einem  Franken  zu  übertragen,^)  so  ist  unverkennbar,  dass  man 
Koni  als  gänzlich  von  Karl  belierrscht  betrachtete.  Nicht  anders 
dachte  man  diesseits  der  Alpen:  man  pries  den  König,  der  ganz 
Italien  von  Aosta  bis  Calabrien  erobert  habe:  man  war  stolz  darauf, 
dass  Kom,  einstmals  die  Herrin  der  Welt,  jetzt  dem  fränkischen 
Szepter  unterworfen  sei.-) 

Die  Entwickelung.  welche  wir  beobachten,  ist  die  Umwande- 
lung  des  Patriciats  zur  Herrschaft. -^  Sie  war  die  einfache  Kon- 
sequenz der  Machtverhältnisse.  Bündnisse,  bei  welchen  die  Macht 
der  Teilnehmer  völlig  ausser  Gleichgewicht  steht,  haben  stets  zur 
Unterweriung  des  Schwächeren  unter  den  Stärkeren  geführt.  Inso- 
fern trifft  Hadrian  kein  Vorwurf:  die  Verhältnisse  waren  mächtiger 
als  er;  er  nmsste  geschehen  lassen,  was  geschah.*)  So  unbestreit- 
bar das  ist,  so  kann  man  doch  des  Eindrucks  sich  kaum  erwehren, 
dass  er  pei-sönhch  den  Anforderungen  seiner  Stellung  nicht  ge- 
wachsen war.  Sein  höchstes,  um  nicht  zu  sagen,  sein  einziges  In- 
teresse war  die  Vergrösseiiing  des  ])äpstlichen  Besitzes.  Er  war 
unermüdhch,  alte  und  neue  Forderungen  an  Karl  zu  stellen:  bald 
war  die  Ausdehnung  der  päpsthchen  Landeshoheit  das  Ziel  seiner 
Sehnsucht,'')  bald  die  Wiedererlangung  von  alle  dem,  was  irgend- 


1)  Cod.  Carol.  92  S.  629.     Der  Brief  ist  nicht  bestimmt  zu  datieren. 

2}  Einh.  V.  Kar.  6:  Totam  Italiam  .suao  ditioni  subiugaret;  c.  15: 
Italiam  totam,  quae  ab  Augusta  Praetoria  usque  in  Calabriam  inferiorem  .  . 
porrigitur.     Paul.  Diac.  carm.  22  v.  18  S.  ö8: 

Cuniquo  vir  arnii])oten.s  .scoptri.s  iunxisset  avitis 
Cigniferumquo   Padum  Romuleumque  Tybrim. 
1.1.  f;o.«t.  ep.  Mett.  fi.     Vgl.  Cath.  ep.  M.f4.  Ep.  V  S.  502. 

r-5)  Vgl.  Brunner,  D.  RG.  II  S.  87:  Verfa.s8ungsmä.ssig  stellte  sich  das 
päpstliche  Gebiet  als  eine  mit  umfassenden  Hoheits-  und  Iramunitätsrechten 
au.igestattete  geistliche  Herrschaft  dar.  wel<-ho  innerhaU)  des  fränkischen 
Reiches  lag. 

4)  Parallel  geht  die  Lösung  Roms  aus  dem  Vorband  mit  Konstanti- 
nopel. Hadrian  sah  davon  ab  sf-ine  Urkunden  nach  den  Kaiserjahren  zu 
datieren;  er  datierte  sie,  regnante  Deo  et  salvatore  nostro  Jesu  Christo,  nach 
den  Jahren  seines  PontiHkats  {».  J.W.  I  S.  289,  vgl.  Sickel  S.  324  f). 

5)  Vgl.  über  Cittä  di  Castello  oben  S.  87.  über  Spoleto  S.  24  Anm.  1. 
In  beiden  Fällen  handelte  es  sich  um    die  Landeshoheit. 


—     93     — 

wann  ein  Kaiser,  ein  Patricier  oder  irgend  ein  frommer  Mann  der 
römischen  Kirche  geschenkt  hatte.  ^)  Er  wusste  neue  Rechts- 
ansprüche zu  schaffen,  indem  er  die  Bürgerschaft  veranlasste,  ihm 
zu  huldigen.-)  und  er  Avusste  alte  wieder  zu  entdecken,  indem  er 
die  Urkunden  des  päpsthchen  Archivs  durchforschen  liess.'^)  Dass 
Karl  ebenso  zurückhaltend  war  zu  gewähi'en,  wie  er  eifrig  zu  for- 
dern,^) dämpfte  sein  Feuer  nicht:  er  war  so  an  das  Fordern  ge- 
wöhnt, dass  er  es  nie  und  nirgends  unterhess.  Nicht  nur  Kai4 
wurde  dui'ch  immer  neue  Gesuche  überhäuft;   auch  wenn  Hadrian 


1)  Cod.  Carol.  60  S.  587.  Die  bekannte  Stelle,  an  der  auf  die  Schen- 
kungen Konstantins  Bezug  genommen  wird.  Bezeichnend  ist  besonders  die 
Unterscheidung  zwischen  Konstantin,  der  der  Kirche  potestatem  in  his 
Hesperiae  partibus  largiri  dignitas  est,  und  den  diversi  imperatores,  patricii 
etiam  et  alii  Deum  timentes,  von  denen  cuncta  alia  in  partibus  Tusciae, 
Spoletio  seu  Benevento  atque  Corsica  simul  et  Savinensae  patrimonio  b. 
Petro  concessa  sunt. 

2)  V.  Hadr.  33  S.  496. 

3)  Cod.  Carol.  60  S.  587  v.  Mai  778:  Unde  et  plures  donationes  in 
sacro  nostro  scrinio  Lateranensae  reconditas  habemus. 

4)  Über  Cittä  di  Castello  s.  oben  S.  87,  über  Spoleto  S.  24  Anm.  1. 
Über  das  Sabinerland  ep.  68 — 72  S.  597  ff.  Hadrian  verlangte  Savinense 
territorium  sub  integritate,  68  S.  598 ;  in  integro  Patrimonium  nostrum  Savi- 
nense, 69  S.  599;  nach  der  ersten  Verhandlung  beklagte  er  sich:  Minime 
ipsum  suscepimus  in  integro  patrimonium  vel  nostris  missis  contraditus  est, 
ibid.,  vgl.  70  S.  600,  und  71  S.  602;  nach  der  letzteren  Stelle  trugen  per- 
vers! et  iniqui  homines  die  Schuld;  aus  72  S.  603  ergiebt  sich,  dass  sie  dem 
von  Hadrian  geführten  Beweis  widersprachen.  Ihr  Widerspruch  muss  den 
königlichen  Sendboten  begründet  erschienen  sein;  denn  sie  unterliessen 
daraufhin  die  Übergabe.  Lindner  hat  erinnert  (S.  51),  dass  das  Ludovici- 
anum  den  Streit  entschieden  zeigt,  aber  wie  mich  dünkt,  nicht  im  Sinn  des 
Papstes;  denn  die  Worte  territorium  Sabinense,  sicut  a  Karolo  .  .  concessum 
est  sub  integritate,  quemadmodum  ab  Itherio  et  Magenario  .  .  definitum  est, 
Sickel  S.  175,  schliessen  eine  Einschränkung  in  sich.  Hadrian  beklagt  sich 
ja  ep.  72  S.  603  darüber,  dass  er  durch  Maginar  nicht  das  ganze  Sabiner- 
land erhielt.  Über  Populonia  und  Rosellä  ep.  79  S.  611;  hier  werden  die 
Städte  gefordert;  ep.  80  S.  613:  der  Papst  klagt,  dass  er  sie  nicht  bekommen 
hat,  quia  sunt  alii  ex  missis  vestris,  qui  contemnere  moliuntur  et  fedare 
vestram  oblacionem ;  wiederholt  84  S.  620.  Im  Ludovic.  sind  die  Städte 
päpstlich.  Über  Orte  im  Beneventischen  ep.  79  S.  611:  der  Papst  fordert 
ihre  Übergabe;  80  S.  613  f.,  er  beklagt  sich  über  Verzögerungen  durch  die 
missi  Karls,  84  S.  620,  sie  wollen  ihm  nur  episcopia,  monasteria  et  curtes 
pubHcas,  simul  claves  de  civitatibus  sine  hominibus  übergeben.  Der  Grund 
lag  in  der  Abneigung  der  Bevölkerung,  Cod.  Carol.  app.  2  S.  656;  die 
Wünsche  des  Papstes  wurden  also  schwerlich  erfüllt. 


—     94     — 

iiacli  Konstantiuopel  sclirieb,  bat  er  um  Begüustigung-cu.')  Alles 
gab  iliiii  Anlass,  einen  Wunsch  oder  eine  Bitte  auszusprechen: 
l)auto  er  an  der  Peterskirche,  so  liess  er  sich  das  Holz  schenken;-) 
wenn  er  ein  Pferd  geschenkt  bekam,  verlaugte  er  schon  bei  dem 
Dank  ein  schüneres/')  Abgesehen  hievon,  liess  er  die  Dinge  gehen, 
wie  sie  gingen.  Er  machte  keinen  ernstlichen  Versuch,  sich  der 
lur  die  päpstliche  ^Macht  höchst  ungünstigen  Entwickelung  des 
Patriciats  entgegenzustemmen.  Man  sollte  meinen,  er  müsste  in 
den  Griechen  ein  Gegengewicht  gegen  die  Franken  gesucht  haben ; 
aber  wenn  er  einnial  einen  Schritt  that,  um  Beziehungen  zu  ihnen 
anzuknüpfen,  so  geschah  es  ohne  Entschlossenheit  und  ohne  den 
Mut,  etwas  zu  wagen.'')  Kein  Wunder,  dass  es  ihm  nie  gelang, 
durcli  sein  Eingreifen  irgend  eine  Wendung  der  Verhältnisse  her- 
beizutuhren;  was  geschah,  kam  stets  über  ihn  wie  ein  Verlüingnis. 
Karl  hat  den  Papst  ostentativ  verehrt.  Wer  aber  gewohnt  ist, 
mehr  auf  die  Thaten  als  auf  die  Worte  der  Menschen  zu  achten, 
kann  nicht  übersehen,  dass  er  ihn  mit  der  äussersten  Gering- 
schätzung behandelte.  Niemals  hat  er  ihn  zu  Rat  gezogen;  der 
Entschluss  war  stets  schon  gefasgt,  wenn  Hadrian  von  der  Sache 
eHuhr.'')  Seine  Worte  galten  ihm  als  Luft:  wie  viele  Männer  hat 
er   in    seinen  Briefen    an  Karl    der  schlechtesten  Handlungen   ge- 

1)  Mansi  Xli.  1057. 

2)  Cod.  Carol.  65  S.  592  aus  d.  .1.  779  oder  780.     Später  verlangte  er 
ausserdem  noch  das  Blei  für  die  P.fidanhvmg  (78  S.  009  a.  781 — 786\ 

b)  L.  c.  81  S.  614,  wahrscheinlich  Herbst  It^l. 

4)  Vgl.  Abel,  JB.  S.  384,  549,  603;  Harnack,  Die  Beziehungen  des 
fränkisch-italienischen  zu  dem  byzantinischen  Reiche  (1880)  S.  17  tt".  Das 
Verhalten  Hadrians  gegen  Konstantinopel  ist  voll  von  AVidersprüchen,  so 
das«  man  sieht,  es  fehlte  ihm  ein  leitender  Gedanke:  773  verbannte  er  die 
Mörder  des  Sergius  nach  Konstantinopel  (V.  Hadr.  13  und  bes.  15),  d.  Ii. 
er  erkannte  die  staatliche  Zusammengehörigkeit  Roms  \iii<l  Konstantinopels 
an.  Wenn  Martens  (D.  röm.  Frage  S.  134)  sagt,  Hadrian  habe  sich  kon- 
fidentiell  an  einen  ihm  fremd  gegenüberstehenden  Souverän  gewandt,  so 
geben  dazu  die  Worte  des  Biograjihon  keinen  Anlass;  der  Brief  Hadrians 
an  Irene  macht  es  sehr  unwahrscheinlich.  In  derselben  Zeit  begann  er  die 
Kaiserjahre  bei  seinen  Urkunden  wegzulassen  (s.  S.  92  Anra.  4),  d.  h.  er  leugnete 
die  Zugehörigkeit  Roms  zum  griechischen  Reich.  In  soinom  Schreiben 
nach  Konstantinopel  aber  sprach  er  konsequent  von  kaiserlichen  Befehlen 
(Mansi  XII.  1057). 

5)  Besonders  charakteristisch :  das  Verhalten  der  fränkischen  Gesandten 
im  Jahre  775  (vgl.  Cod.  Carol.  56  S.  580  f.);  Karls  Wegbleiben  von  Rom 
im  Jahre  776,  entgegen  früheren  Zusagen  (vgl.  Ann.  Lauriss.,  Kinh.  z,  d.  J. 
mit  Cod.  Carol.  51  8.  571).  Das  Gleiche  wiederholt  sich  im  .Fiihro  77«  (Cod. 
Carol    ^<"   ^'    -'^f' 


—     95     — 

ziehen;  aber  seine  Anklagen  schadeten  bei  dem  König  nicht  einen 
einzigen.^)  Genau  so  wenig  Gewicht  hatten  seine  Empfehlungen 
und  Ratschläge:  den  Cubicularius  Anastasius,  welchen  Hadrian  als 
besonders  treuen  Diener  rühmte,  liess  Karl  in  Haft  nehmen ;  -)  die 
politischen  Ratschläge,  welche  von  Rom  kamen,  befolgte  er  nicht; 
wie  es  scheint,  nahm  er  sich  nicht  einmal  die  Mühe,  zu  sagen, 
wanim  er  sie  nicht  erfüllte,  er  liess  sie  einfach  unausgeführt.^) 
Hadrian  hatte  ein  Gefülil  davon,  dass  er  nichts  vermochte:  als 
Peter  von  Mailand,  Pauhn  von  Aquileja  und  Theodulf  von  Como 
sich  einer  Verfügung  entgegensetzten,  die  er  zu  Gunsten  von  St. 
Denis  erlassen  hatte,  hat  er  sich  in  einem  Schreiben  an  den  Abt 
über  ihre  Einsprache  in  der  schärfsten  Weise  ausgelassen;  man 
kann  kaum  anders  sagen,  als  dass  er  schimpfte.  Aber  gegen  die 
drei  Bischöfe  einzuschreiten  wagte  er  nicht:  das  Überhess  er  dem 
König.  ■^) 

Mehr  als  zwanzig  Jahre  lang  standen  Karl  und  Hadrian  neben 
einander.  Während  derselben  ist  jener  Herr  der  abendländischen 
Welt  und  dieser  Unterthan  des  fränkischen  Königs  geworden.  Es 
war  keine  glückliche  Zeit  fiir  das  Papsttum.^)  Hadrian  starb  am 
Weihnachtsfeste  795.  Noch  liest  man  in  der  Vorhalle  der  Peters- 
kirche die  preisende  Inschrift  auf  schwarzer  Marmorplatte,  welche 
Karl,  um  das  Gedächtnis  des  Verstorbenen  zu  ehren,   nach  Rom 


1)  Cod.  Carol.  54  S.  576:  Leo  von  Ravenna;  56  S.  580:  Bischof  Possessor 
und  Abt  Rabigaud;  57  S.  582:  Hildibrand  von  Spoleto,  Arigis  von  Bene- 
vent, Rodeaus  von  Friaul  und  Raginald  von  Chiusi;  80  S.  613:  die  frän- 
kischen Gesandten;  84  S.  619  if. :  Grimoald  von  Benevent;  vgl.  Anm.  4  über 
Peter  von  Mailand,  Paulin  von  Aquileja  und  Theodulf  von  Como.  Es  ist  be- 
greiflich ,  dass  dieses  Talent  im  Verleumden  unablässig  fürchtete,  ver- 
leumdet zu  werden  (51  S.  573;  59  S.  585). 

2)  L.  c.  49  S.  569;  51  S.  572:  Quod  aliqua  inportabilia  verba,  que 
non  expediaebat,  vobis  locutus  fuisset.  Der  Papst  hatte  Unglück  mit  seinen 
Empfehlungen.  Der  Langobarde  Gausfred,  für  den  er  sich  ebenfalls  ver- 
wandte (50  S.  570),  erwies  sich  als  Betrüger  (51  S    572). 

3)  Vgl.  z.  B.  80  S.  613;  83  S.  618;  84  S.  619  f.  über  die  Einsetzung 
Grimoalds  in  das  Herzogtum  Benevent.  Eine  Ausnahme,  welche  jedoch  die 
Regel  bestätigt,  bildet  der  Zug  gegen  Benevent  im  Jahre  787,  welchen 
Hadrian  anriet,  während  Karl  abgeneigt  war.  Er  liess  sich  wohl  dadurch 
bestimmen,  dass  seine  fränkische  Umgebung  sich  für  den  Zug  erklärte. 
Alsbald  kam  er  jedoch  auf  seinen  ersten  Plan  zurück:  ehe  es  zum  Schlagen 
kam,  legte  er  die  Sache  friedlich  bei  (Ann.  Lauriss.,  Einh.  z.  J.  787). 

4)  M.G.  Ep.  V  S.  3  ff.  Nr.  1 ;  zur  Erklärung  Hampe  NA.  XXH  S.  748  ff. 

5)  Langens  Rede  von  einem  glänzenden  Pontifikate  Hadrians  (Gesch. 
d.  röm.  Kirche  S.  767)  scheint  mir  auch  nach  seiner  eigenen  Darstellung 
nicht  begründet. 


—    96    — 

sandte.  Das  hochgespannte  Lob  der  Persönlichkeit  des  Papstes 
verhüllt  nic-iit  im  gerinofsten.  ^vie  Karl  seine  Stellung  betrachtete: 
er  sah  in  ihm  nur  den  Träger  eines  geisthchen  Amts:  was  er  von 
Hadrian  sagte,  konnte  er  von  jedem  fränkischen  Bischof  sagen 
und  ist  oft  genug  von  fi'änkischen  Bischöfen  gesagt  worden.  Wenn 
er  aber  seinen  und  des  Papstes  Xamen  und  Titel  zusammenstellte, 
so  treten  die  Worte  .Jcli  König"  vor  die  anderen  „Du  Vater".  ^) 

Die  Inschrift  redete  sehr  deutlich  für  den  Nachfolger  Hadrians: 
es  war  Leo  III.,  ein  geborener  Römer.  Er  beeilte  sich  denn  auch, 
darüber  keinen  Zweifel  zu  lassen,  dass  er  (he  Rechte  Karls  in 
ihrem  ganzen  Umfang  anerkenne.-)  Indem  er  Karl  unter  Vorlage 
des  Wahlprotokolls  von  seiner  Erhel)ung  '^)  Mitteilung  machte,  über- 
sandte er  ihm  Schlüssel  zur  Konfession  des  A})Ostels  und  das 
Baimer  der  Stadt;'*)  zugleich  versicherte  er  ihm  seine  Treue  und 
bat  er,  der  König  möge  einen  seiner  Grossen  nach  Rom  senden, 
um  dem  Volke  den  Treueid  abzunehmen."'')    Angilbert,  der  im  Jahre 

1;  i'oet.  lat.  aev.  Carol.  I  S.  113: 

V.  5:  Nobilis  ex  magna  genitus  iam  gente  parentuui, 
Sed  sacris  longe  nobilior  meritis. 
Exomare  studens  devoto  pectore  pastor 

Semper  ubique  suo  templa  sacrata  deo, 
Ecclesias  donis,  populos  et  dogmate  sancto 
Imbuit,  et  cunctis  pandit  ad  astra  viam. 
Pauperibus  largus,  nulli  pietate  secundus, 
Et  pro  plebe  sacris  pervigii  in  precibus. 
Doctrinis,  opibus,  muris  erexerat  ax'ces, 
Urbis  et  orbis  honor,  inclyta  Roma,  tuas. 
V.  23:  Nomina  iuugo  simul  titulis,  clarissima,  nostra 
Hadrianus  Carolus,  rex  ego  tuque  pater. 

2)  Über  Leo  vgl.  die  S.  71  Anm.  2  angeführten  Werke. 

3)  V.  Leon.  111.  c.  2  S.  1.  Die  Wahl  erfolgte  am  26.  Dezember  79."). 
Daas  Leo  das  Wahlprotokoll  Karl  vorlegte,  zeigt  Ale.  ep.  93  S.  136.  Um 
Bestätigung,  d.  h.  um  (Tenehmigung  zur  Konsekration,  hat  er  nicht  gebeten; 
denn  er  wurde  schon  am  27.  Dez.  geweiht.  Gleichwohl  spricht  sich  in  der 
Vorlage  des  Wahlprotokolls  die  Empfindung  au.s,  dass  der  Papst  sich  dem 
König  untergeordnet  fühlt««. 

4)  Ann.  Lauriss.,  Einh.  z.  J.  796  S.  98  f. 

5)  Ann.  Einh.  z.  .1.  796,  und  Ale.  ep.  93  S.  136  f.  Von  Leo  selbst  scheint 
der  Fidelitätaeid  nicht  gefordert  worden  zu  sein.  Ich  glaube  nicht,  dass 
es  berechtigt  ist,  in  der  fidelitas  promissionis  einen  Eid  zu  sehen  (so  Lam- 
preoht  S.  13).  Da  es  nun  sicher  ist,  dass  Gregor  IV.  ihn  geschworen  hat 
(M.G.  Ep.  V  S.  230  Nr.  17),  so  muss  man  annehmen,  dass  er  erst  unter 
Ludwig  d.  Fr.  verlangt  wurde.  Dass  aber  die  Ableistung  des  Treueides  eine 
Konsequenz  aus  der  Stellung  ist,  die  Karl  den  Päpsten  zuwies,  ist  ein- 
leuchtend. 


—     97     — 

796  im  Aufb'ag  des*  Königs  sich  nach  ßom  begab,  wurde  denn 
auch  zur  Erneuerung  des  zwischen  den  Päpsten  und  dem  frän- 
kischen Reich  bestehenden  Vertrags  bevollmächtigt.-^)  Leo  hatte 
Grund,  in  solcher  Weise  das  Licht  seiner  Treue  gegen  das  frän- 
kische Bündnis  leuchten  zu  lassen;  denn  er  beduifte  dringender  als 
Hadrian  des  Schutzes.  Trotz  der  einstimmig  erfolgten  AVahl  stand 
ihm  in  der  Stadt  selbst  eine  mächtige  Partei  entgegen,  die  der 
Optimaten.  Ihre  Führer  waren  zwei  der  ersten  päpstlichen  Beamten, 
der  Nomenciator  Paschalis  und  der  Saccellarius  Campulus.-)  Sie 
gehörten  zu  den  Männern,  welche  imter  Hadrian  I.  hervoiTagenden 
Einfluss  besessen  hatten;  PaschaHs  stand  ihm  dm'ch  Verwandtschaft 
nahe;  er  war  sein  Xeffe.'")  Campulus  hatte  eine  lange  Laufbahn 
an  der  Kurie  hinter  sich;  bereits  im  Jahre  781  erscheint  er  unter 
den  Vertrauensmännern  Hadrians.*)  Jetzt  herrschten  neue  Männer 
am  Hofe;  die  alten  frihlten  sich  geki'äukt  und  zurückgesetzt.  Daher 
ihr  leidenschafthcher  Hass  gegen  Leo.  Denn  lediglich  persönlich, 
nicht  pohtisch  war  der  Gegensatz,  welcher  Rom  spaltete;  er  war 
deshalb  nicht  minder  tief  und  unversöhnlich.  Man  muss  annehmen, 
dass  die  Bemühungen,  Leos  Stm'z  herbeizufühi'en,  alsbald  nach 
seiner  Erhebung  begannen.  Zuerst  suchten  seine  Gegner  dadurch 
ans  Ziel  zu  kommen,  dass  sie  seine  Stellung  den  Franken  gegen- 


1)  Ale.  ep.  93  S.  136  f.  kündigt  Karl  dem  Papst  die  Sendung  Angilberts 
an.  Er  bemerkt:  Uli  omnia  iniunximus,  quae  vel  nobis  voluntaria  vel  vobis 
necessaria  esse  videbantur;  ut  ex  conlatione  mutua  conferatis  quicquid  ad 
exaltationem  s.  Dei  ecclesiae  vel  ad  stabilitatem  honoris  vestri  vel  patri- 
ciatus  nostri  firmitatem  necessarium  intellegeretis.  Sicut  enim  cum  b.  p., 
praedecessore  vestrae  (s.  S.  84  Anm.  4)  sanctae  paternitatis,  pactum  inii, 
sie  cum  beatitudine  vestra  eiusdem  fidei  et  caritatis  inviolabile  foedus  sta- 
tuere  desidero.  Es  giebt  keine  Nachricht  darüber,  dass  die  Bundeserneue- 
rung vollzogen  wurde;  auch  durch  Ann.  Einh.  z.  817  S.  146  ist  diese  An- 
nahme nicht  notvrendig  gefordert;  aber  es  spricht  nichts  dagegen,  dass  es 
geschah.  Ale.  ep.  92  S.  135  ist  eine  Instruktion  für  Angilbei't,  die  von  der 
Vertragserneuerung  nichts  enthält,  in  ihren  Aufträgen  für  den  Papst  aber 
bezeichnend  für  Karls  Urteil  ist. 

2)  Ann.  Einh.  z.  J.  801:  Multi  alii  Romanae  urbis  habitatores  nobiles. 
Ale.  ep.  146  Juni  798  S.  237:  Quid  Romanorum  nobilitas  novi  habeat 
adinventum;  218  S.  362,  nach  d.  4.  April  801:  Qualiter  longa  certatio  pas- 
toris  et  populi  terminata  esset.     V.  Leon.  III.  e.  11  ff.  S.  4  f. 

3)  Cod.  Carol.  61  S.  589,  Mai  778. 

4)  L.  c.  67  S.  595  aus  dem  Mai  oder  Juni  781.  C.  war  Mitglied  der 
Kommission,  welche  über  Potho  von  S.  Vincenzo  zu  richten  hatte  (vgl.  Ale. 
ep.  93  S.  137).  Dass  auch  er  mit  Hadrian  verwandt  war,  lässt  sich,  so  viel 
ich  sehe,  nicht  beweisen.  Denn  Theoph.  chron.  p.  399:  (K  iv  -rj^  'Pw[j.ri  auy- 
Y£vi"i?  .  .  'Aopiavo'j  'juyz'.vr,'jav:c;  tov  Äaöv,  reicht  zum  Beweise  nicht  hin. 

Hauck,  Kirchengescliichte.    II.    2.  Aufl.  7 


—     98     — 

über  untergruben.  Die  sclilinunsten  Gerüclite  über  das  Leben  des 
Papstes  wurden  gotlissentlicli  verbreitet.  Aber  das  fübrte  zu  nichts. 
Denn  iVänkischei-seits  traute  man  dem  Papste  und  dm'chschaute 
man  die  ]\Iotive  seiner  Feinde.  M  Nun  wagten  sie  Gewalt.  Bei 
der  lierküinmlichen  Prozession  am  Markustage  799  -)  ülxM-tielen  und 
misshandelten  sie  den  Papst;  in  der  allgemeinen  Verwirrung  be- 
mächtigten sie  sich  seiner  Person;  sie  schleppten  ihn  in  ein  Kloster; 
wahi-scheinlich  haben  sie  ihn  dort  auf  Gmnd  der  Verbrechen,  die 
sie  ihm  schuld  gaben,  abgesetzt"').  Aber  sie  waren  nicht  stark 
genug,  den  Anhang  des  Papstes  niederzuhalten:  Leo  wurde  befreit, 
und  der  Erfolg  war  nur,  dass  er  sich  ganz  in  die  Arme  Karls 
waif"*).  Indem  er  nach  Deutschland  floh,  übergab  er  die  Ent- 
scheidung über  sein  Schicksal  dem  Spiiich  des  Königs.  Die 
Gegenpartei  widerstrebte  dem  nicht;  denn  sie  hatte  so  gute  Gründe, 
gegen  Leo  zu  klagen,  dass  sie  nicht  daran  zweifelte,  Karls  Ui*teil 
werde  gegen  ihn  fallen''). 


1)  Auf  die  S.  97  Anm.  2  angeführte  Frage  Alkuins:  Quid  Romanorum 
nobilitas  novi  habeat  adinventum,  antwortete  Am  de  domini  apostolici  reli- 
giosa  vita  et  iustitia,  quales  et  quomodo  iniustas  patitur  perturbationes  a 
filiis  discordiae  (ep.  159  S.  258). 

2)  Vgl.  über  dieselbe  Duchesne  Lib.  pont.  II  S.  35  Anm.  17. 

3)  V.  Leon.  III.  c.  11  ff.  S.  4f. ;  Ann.  S.  Amand.,  Lauriss.,  Einh.  z. 
J.  799  und  801;  die  letzteren  Stellen  (auch  theod.  carm.  32  v.  11  S.  523) 
sprechen  von  einer  Absetzung  Leos;  die  Angabe  scheint  mir  sehr  beachtens- 
wert, t'ber  die  Misshandlungen  des  Papstes  vgl.  die  Zusammenstellung 
sämtlicher  Quellen  bei  Simson,  JB.  S.  583  ff.  Was  dem  Papste  wirklich 
geschah,  zeigt  seine  Aussage  ,debilitare  voluerunt"  (M.G.  Ep.  V  S.  63  Nr.  6). 
Dass  die  Nachricht,  er  sei  geblendet  worden,  mit  oder  ohne  sein  Zuthun 
an  den  fränkischen  Hof  kam,  ergiebt  sich  aus  Karls  Erstaunen,  als  er  den 
Papst  gesund  vor  sich  sah;  vgl.  Ale.  ep.  178  S.  295:  Quod  nobis  vestrae 
bonitatis  .  .  voluntas  de  apostolici  pastoris  mirabili  sanitate  demandare  cu- 
ravit.  In  dem  Worte  mirabili  liegt  nicht  die  Annahme  eines  Wunders 
(Jaff4:  mire  sanatus);  denn  Alkuin  spricht  in  dem  Folgenden  nur  von  dem 
Schutz  Gottes,  qui  impias  compescuit  manu«  a  pravo  voluntatis  effectu. 
Wunderbar  war  dem  König  die  gute  Gesundheit  dos  Papstes,  weil  er  ihn 
ganz  anders  zu  sehen  erwartete.  Dass  die  öffentliche  Meinung  alsbald  zur 
Annahme  eines  wirklichen  Wunders  kam,  ist  nicht  weiter  auffällig.  Aus 
Theod.  carm.  32  v.  1.*)  ff.  S.  523  f.  sieht  man,  wie  geneigt  man  war,  unter 
jeder  Bedingung  ein  Wunder  zu  V^ehaupten. 

4)  Ob  er  sich  nach  Deutschlaml  begab,  weil  er  wollte,  oder  weil  ihn 
seine  Befreier  nötigten,  ist  hiefür  gleichgiltig. 

5)  Ale.  ep.  179  S.  297.  V.  Leon.  III.  17  S.  6.  Was  Leo  vorgeworfen 
wurde,  ist  nicht  genau  bekannt.  Alkuin  spricht  im  angeführten  Brief  nur 
im  allgemeinen  von  crimina  adulterii  vel  periurii. 


—     99     — 

So  wurde  Karl  'zum  Richter  des  Papstes.  Es  Avar  nicht  der 
Gewinn,  den  er  durch  khige  Benützung  der  Umstände  aus  denselben 
zog.  Man  könnte  eher  sagen,  er  wiu'de  in  diese  Stellung  gedrängt. 
Aber  es  ist  klar,  dass  er  nun  vollends  als  der  oberste  Herr  über 
Rom  und  über  den  Papst  erschien  und  handelte.  Die  unein- 
geschränkte Herrschaft  über  die  Stadt  der  Cäsaren  fiel  ihm  als 
reife  Fracht  der  Entwickelung  zu,  ohne  dass  er  sie  zu  pflücken 
brauchte. 

Diesseits  der  Alpen  wusste  man  längst  von  dem  Zwiespalt 
zwischen  Leo  lU.  und  den  römischen  Grossen.-')  Karl  selbst  sah 
schai'f  genug,  dass  er  auf  die  sitthche  Integrität  des  Papstes  nicht 
unbedingt  baute;-)  dagegen  zweifelte  er  nicht  an  seiner  politischen 
Zuverlässigkeit.  Die  kü'chhchen  Männer  aber  betrachteten  es  als 
selbstverständlich,  dass  der  rechtmässige  Inhaber  des  päpstlichen 
Stuhles  ein  tüchtiger  Mann  sei,  und  waren  deshalb  geneigt,  alles 
Gute  von  ihm  zu  glauben  und  alles  Üble  als  Verleumdung  der 
Gegner  zu  verwerfen.'^)  Als  vollends  die  übertriebenen  Nachrichten 
von  den  Misshandlungen,  welche  er  erduldet  habe,  über  die  Alpen 
drangen,  erweckten  sie  Teilnahme  und  Mitleid  für  ihn  und  Ent- 
lastung -sN^der  seine  rachlosen  Feinde.  FreiHch  konnte  das  fromme 
Zutrauen  zu  Leo  von  denen  nicht  festgehalten  w^erden,  welche  die 
Dinge  aus  der  Nähe  sahen.  Aber  äusserhch  bewahrten  auch  sie 
die  Verehi'img  gegen  den  Träger  der  höchsten  kirchlichen  Gewalt.^) 
Das  that  besonders  Karl.  Er  empfing  Leo  mit  den  gi'össten  Ehren- 
bezeigungen;^) aber  er  war  nicht  von  Anfang  an  entschlossen,  für 
ihn  zu  entscheiden. 

Die  Gedanken,  welche  am  fränkischen  Hofe  erwogen  wurden, 


1)  S.  die  S.  97  Anm.  2  und  S.  98  Anm.  1  angeführten  Stellen. 

2)  Die  Ermahnungen,  welche  Karl  796  Leo  durch  Angilbert  erteilen 
lässt  (Ale.  ep.  92  S.  135  f.),  zeigen  Misstrauen.  Später  war  die  Stimmung 
der  Franken  gegen  Leo  geradezu  erbittert  (J.W.  2529). 

3)  Ale.  ep.  159  S.  258  Nov.  798  (s.  oben  S.  98  Anm.  1). 

4)  Bekannt  ist,  wie  vollständig  Arns  Urteil  über  den  Papst  umschlug; 
im  Jahr  798  lobte  er  ihn  (s.  Ale.  ep.  159  S.  258,  o.  S.  98  Anm.  1).  Dagegen 
schrieb  Alkuin  i.  J.  799  oder  800  mit  Bezug  auf  einen  Brief  Arns,  184  S.  309: 
Epistola  prior  .  .  quaerimonias  quasdam  habens  de  moribus  apostolici  et  de 
periculo  tuo  apud  eum  propter  Romanos  .  .  .  Quia  ego  nolui,  ut  in  alterius 
manus  pervenisset  epistola,  Candidus  tantum  illam  perlegebat  mecum.  Et 
sie  tradita  est  igni.  Ein  paar  Jahre  später  (802)  klagt  Alkuin  selbst  über 
Simonie  an  der  Kurie  (ep.  258  S.  416). 

5)  Carol.  M.  et  Leo  (Poet.  lat.  I  S.  366  f.);  V.  Leon.  16  S.  5  f.;  Ann. 
Lauriss. ;  Einh.  etc.  Die  Darstellung  des  äusseren  Hergangs  bei  Simson, 
JB.  S.  179  fe.,  und  Langen,  Gesch.  d.  röm.  K.  S.  773  ff. 


—     100     — 

lernen  wir  aus  den  Briefen  Alkuins  kennen.  Er,  der  gewohnt  war, 
die  Dinge  in  Koni  /n  idealisieren,  war  entsetzt,  als  er  die  erste 
Nachricht  von  der  Erhebung  gegen  Leo  erhielt:  dort,  von  wo  aus 
der  Quell  der  Billigkeit  und  Gerechtigkeit  sich  durch  heilige  Rinn- 
sale üherallhin  ergiesseu  sollte,  dampfe  ein  tiefer  Sumpf  der  ärgsten 
Gottlosigkeit,  schrieb  er  an  Arn  von  Salzburg.')  Als  er  von  Karl 
ertiihr,  der  Pai)st  sei  geblendet,  war  sein  einziger  Trost,  dass 
wenigstens  sein  König  auf  dem  Plan  stehe.  Drei  Personen,  so 
lesen  wir  in  seiner  an  den  König  gerichteten  Antwort,  waren  in 
der  AVclt  bisher  die  höchsten:  nämlich  die  apostolische  Erhaben- 
heit, welche  den  Sitz  des  heiligen  Petrus,  des  Apostelfürsten,  stell- 
vertretend einnimmt;  aber  was  an  dem  Heirn  dieses  Thrones  ge- 
schehen ist.  hat  mir  Eure  Güte  kundtiiun  lassen.  Sodann  die 
kaiserliche  "Wüi'de  und  die  weltliche  Macht  des  zweiten  Rom;  aber 
auf  wie  gottlose  Weise  der  Lenker  jenes  Reiches  abgesetzt  ist. 
nicht  von  Fremden,  sondern  von  den  Seinen,  ja  den  eigenen  Brüdern, 
davon  ist  die  Kunde  überallhin  gedrungen.  Endlich  die  könighche 
Würde,  in  welcher  unser  Herr  Jesus  Christus  Euch  zum  Leiter 
des  christlichen  Volks  einsetzte,  die  Ilu-  au  Macht  den  Heiden 
anderen  HeiTscheni  vorangeht,  an  Weisheit  sie  übertrefft  und  an 
Würde  des  Reiches  sie  übeiragt.  Siehe,  auf  Dir  allein  beiiiht  das 
ganze  Heil  der  Kirchen  Christi:  Du  bist  der  Rächer  der  Ver- 
brechen. Du  der  Leiter  der  L-renden,  Du  der  Tröster  der  Betrübten, 
I)u  (lii-  Erhebung  der  Guten.")  Später  liess  Karl  ihn  wissen,  dass 
Leo  nach  Deutschland  kommen  würde.  Er  erwiderte,  indem  er 
von  neuem  die  Überzeugung  aussprach,  dass  nur  Karl  die  ver- 
win-ten  Verhältnisse  zu  ordnen  imstande  sei.'*)  Davon  war  ohne 
Zweifel  jedermann  im  Frankenreiche  durchdrungen.  Aber  als  nun 
Leo  ei-schien.  als  die  gegen  ihn  erhobenen  Klagen  verlauteten, 
begann  der  Zwiespalt:  Alkuiu  vertrat  mit  allem  Nachdruck  den 
Standpunkt,  dass  der  apostolische  Stuhl  von  niemand  gerichtet 
werden  könne:  weder  einen  Reinigungseid  leisten,  noch  freiwillig 
zurücktreten  dürte  der  Papst.  Es  war  nicht  nur  das  Vertrauen 
zu  der  Unschuld  Leos,  was  ihn  so  reden  hiess,  sondern  besonders 
die  Rücksicht  auf  die  Stal>ilität  der  Verhältnisse:  Welcher  Hirte 
in    der   Kirche   Christi    wüi-do    sicher   sein,    wenn   jener    von   t^bel- 


1)  Ep.  173  S.  286.  Mai  799.>' 

2)  Ep.  174  S.  288,  Juni  799. 

3)  Ep.  177  S.  292,  .luli  799:  Quibus  tuam  beatitudinem  Omnibus  ne- 
cessarium  est  votis  exaltare,  intercessionibus  adiuvare,  quatenus  per  vestram 
Prosperitäten!  christianum  tueatur  imperium,  fides  catholica  defendatur. 
iuetitiae  regula  omnibus  innotescat. 


—     101     — 

thätern  abgesetzt  wihxle,  der  das  Haupt  der  Kirchen  Christi  ist? 
Er  wird  seinem  Hen-n  stehen  oder  fallen.^)  Andere  dachten  anders: 
die  Verbrechen,  welche  dem  Papste  vorgeworfen  wurden,  schienen 
ihnen  so  exorbitant,  dass  sie  urteilten,  er  müsse  dm'ch  einen  feier- 
hchen  Eid  seine  Unschuld  beweisen.  Die  Dritten,  überzeugt  von 
seiner  Schuld,  wollten  öflentliches  Ärgernis  vermeiden  und  den 
Papst  in  der  Stille  zum  Rücktritt  bewegen.-) 

Der  König  ging  seinen  eigenen  Weg.  Er  konnte  Alkuins 
Anschauung  nicht  ohne  weiteres  teilen:  die  w'underbare  Gesundheit 
des  eben  geblendeten  imd  verstümmelten  Papstes  machte  auf  ihn 
einen  anderen  Eindruck  als  auf  den  gelehrten  Theologen ;  er  glaubte 
nicht  an  das  Wunder.'^)  Auch  war  sein  Urteil  über  Leo  von  An- 
fang an  weniger  günstig  als  das  Alkuins;  er  vertraute  der  Unschuld 
des  Papstes  nicht. ^)  Deshalb  durchschaute  er  die  Schwierigkeit 
der  Lage  besser.  Dem  alternden  Freunde  ersparte  er  den  Schmerz, 
seinen  Rat  nicht  befolgt  zu  sehen.  Er  lud  ihn  nicht  zu  der  Ver- 
sammlung in  Paderborn,  forderte  auch  kein  Gutachten  von  ihm.'^) 
Ebensowenig  trat  er  den  entgegengesetzten  Vorschlägen  bei.  Das 
Verfahren  war  ihm  wohl  zu  rasch;  denn  niemals  hat  er  seine 
Schritte  vorsichtiger  abgemessen  als  in  diesem  Augenblick. 

Er  konnte  nicht  umhin,  Leo  als  rechtmässigen  Inhaber  des 
römischen  Stuhles  zu  behandeln.  Durch  eine  Empörung  konnte 
der  Papst  seiner  Würde  nicht  beraubt  werden.  Rief  er  den  fi'än- 
kischen  Schutz  an,  so  durfte  ihm  derselbe  nicht  fehlen,  x^ber 
gegen  den  Papst  wurden  laut  und  öffentlich  vor  dem  König  als 
dem  obersten  Richter  die  schwei-sten  Anklagen  erhoben.*^)  Konnte 
er  Papst  bleiben,  wenn  sie  begründet  waren?  War  es  zulässig, 
sie  zu  ignorieren?  Karl  beantwortete  die  letzte  Fi-age  mit  Xein, 
indem  er  den  fi'änkischen  Grossen,  welche  Leo  nach  Rom  zm'ück- 


"  1)  Ep.  179  S.  297,  August  799. 

2)  L.  c.  Ich.  beziehe  diese  Stelle  nicht,  wie  Simson  (JB.  S.  185)  zu 
thun  scheint,  lediglich  auf  die  römischen  Gegner  Leos.  Diejenigen,  welche 
consilio  secreto  suadent,  ut  deponeret  sine  iuramento  pontificatum  et  quie- 
tam  in  quolibet  monasterio  ageret  vitam,  müssen  Männer  der  Umgebung 
Karls  gewesen  sein,  welche  auf  diese  Weise  die  Sache  beizulegen  suchten. 
Wie  wären  die  römischen  Gegner  dazu  gekommen,  dem  Papste  Ratschläge 
zu  erteilen? 

3j  Ale.  ep.  178  S.  295  (s.  o.  S.  98  Anm.  2).  Die  Worte  ^mirabilis 
sanitas"  klingen  ironisch,  zeigen  also  Unglauben;  Alkuin  sieht  sich  denn 
auch  zu  einer  moralischen  Ermahnung  veranlasst. 

4)  S.  oben  S.  99  Anm.  2. 

5)  Ale.  ep.  179  S.  297. 

6)  V.  Leon.  IIL  c.  17  S.  6. 


—     102     — 

begleiteten/)  den  Auftrag  gab,  eine  Untei-sucbimg  zu  veranstalten. 
Sie  sollte  sieb  iiiclit  nui-  auf  die  Empörung,  sondern  aucb  auf  die 
Anklagen  gegen  Leo  erstrocken.-) 

Anfang  Dezember  799  fand  in  Rom  die  merkwürdige  Ver- 
bandlung  statt.  Der  Biograpb  Leos  vei-sicbert,  dass  keine  einklage 
beA\iesen  ^Yerden  konnte.  •')  Erzbischof  Arn  von  Salzburg  jedoch. 
der  zu  den  Richtern  gehörte,  urteilte  anders.  Mochte  es  ihn  auf 
das  tiefste  schmerzen,  er  konnte  sich  der  Einsicht  nicht  verschliessen, 
dass  die  Anklagen  gegen  Leo  stichhaltig  seien.*)  Li  welcher  Lage 
befanden  sich  nun  die  deutschen  Gesandten!  Es  war  unmöghch, 
die  Unschuld  des  Papstes  zu  behaupten;  war  es  möglich,  dass  man 
ihn  fi'änkischerseits  follen  Hess?  Die  Verantwortung  hiefiir  wagten 
sie  nicht  zu  übernehmen:  so  enthielten  sie  sich  des  Urteils.  Leo 
blieb  als  Papst  anerkannt,  aber  Paschahs,  Campulus  und  ihr  An- 
hang wurden  nicht  als  des  Aufinihrs  schuldig  hingenchtet:  sie 
wm-den  über  die  Alpen  gesandt;  der  König  sollte  über  ihr  Schick- 
sal entscheiden.'') 

Im  Herbste  800  begab  sich  Karl  nach  Italien.  Der  ausge- 
sprochene Zweck  seines  Romzuges  war  die  Untersuchung  der  dem 
Papste  schuldgegebenen  Verbrechen.  In  oftencr  Versammlung  er- 
klärte das  der  König  selbst.")  Das  Ende  war,  dass  Leo  sich  vor 
Kai-1  und  allem  Volke  durch  einen  feierlichen  Eid  von  den  gegen 
ihn  erhol)eneu  xA.nklagen  reinigte.  Er  schwiu'  am  23.  Dezember  800 
an  einem  der  Amljonen  der  Peterskirche  auf  das  Evangelium,  dass 
er  die  ihm    vorgeworfenen  Verbrechen    weder    volll)racht,    noch    zu 

1)  Teilnehmer  der  Kommission  waren  die  Erzbischöfe  Hüdibald  von 
Köln  und  Am  von  Salzburg,  die  Bischöfe  Kunibert  (unbekannten  Sitzes), 
Bernhard  von  Worms,  Hatto  von  Freising,  Jesse  von  Amiens  und  der  er- 
wählte Bischof  Erflaious,    ferner  die  Grafen  Helmgot.    Roticar  und  Gerniar. 

2)  Der  Auftrag  ergiebt  sich  aus  der  Thatsache  der  Untersuchung  (1. 
c.  20  S.  6  f.). 

3)  V.  Leon.  III.  c.  20  S.  7. 

4)  Ale.  ep.  184  S.  309  (s.  S.  99  Anm.  4). 

5)  V.  Leon.  lü.  1.  c. 

6)  Ann.  Lauriss.,  Einh.  z.  J.  800:  Post  septem  vero  dies  rex  contione 
vocata,  cur  Koraam  venissot  Omnibus  patefecit,  et  exinde  cotidie  in  ea  quae 
venerat  facienda  operani  dedit.  Inter  quae  vel  maximum  vel  difficillimum 
erat,  quod  primum  inchoatum  est,  de  discutiendis  quae  pontifici  obiecta 
sunt  criminibus.  Vgl.  die  Worto  Karls:  Dum  nos  Romam  .  .  pro  quibu.sdara 
causis  s.  Dei  ecclesiae  ac  domini  Leonis  papae  pervonissimus  (Urkunde  für 
Arezzo,  B.M.  363)  und  Leos  IH.  eigene  Aussage:  Auditum  .  .  est  .  .  qua- 
liter  homines  mali  .  .  miserunt  super  me  gravia  crimina.  Propter  quam 
causam  audiendam  .  .  rex  Carolus  una  cum  sacerdotibus  et  optimatibus 
suis  istam  pervenit  ad  urbem  (M.G.  Ep.  V  S.  63  Nr.  6). 


—     103     — 

vollbi-in gen  "geboten  habe.  Wenn  er  dabei  wiederholt  erklärte,  er 
leiste  seinen  Schwur,  ohne  von  jemand  gerichtet  oder  gezwungen 
zu  sein,  aus  eigenem  freien  Willen  und  um  allen  Verdacht  zu  be- 
seitigen,^) so  werden  dadurch  nicht  viele  getäuscht  worden  sein. 
Ebensowenig  Wert  hatte  die  Erklärung  der  Anwesenden,  sie  wagten 
nicht  über  ihn  zu  richten.-)  Das  alles  war  Form  ohne  Gehalt. 
Denn  Karl  und  die  fränkischen  Bischöfe  hatten  vorher  beschlossen, 
dass  er  den  Reinigungseid  schwören  müsse.  ■^)  Man  stellte  ihn, 
wie  es  scheint,  vor  die  Wahl  zwischen  dem  Schwiu'  und  dem 
Eücktritt.'^) 

Der  Eid  des  Papstes  galt  als  Beweis  seiner  Unschuld,  des- 
halb auch  der  Schuld  seiner  Gegner.  Nach  römischem  Rechte 
venu-teilte  sie  Karl  zum  Tode.  Damach  aber  begnadigte  er  sie ; '") 
hätte  er   es    gethan,   wenn   er  Leo  für  schuldlos  gehalten  hätte  ?^) 

Für  seinen  Entschluss,  den  Papst,  wenn  frgend  möglich,  zu 
halten,  waren  ohne  Zweifel  in  erster  Linie  kfrchliche  Erwägungen 
ausschlaggebend.  Dm-ch  die  Schuld  der  Person  sollte  che  Hoch- 
achtung vor  dem  Amte  nicht  erschüttert  werden.  Deshalb  trug 
Karl  Bedenken,  Leo  zu  entfernen.  Aber  der  Papst  musste  durch 
seinen  Eid  den  Beweis  liefern,  dass  Karl  das  morahsche  Recht 
habe,  ihn  zu  schlimmen. 


1)  M.G.  Ep.  V  S.  63  f.  Nr.  6;  vgl.  V.  Leon.  III.  c.  21  f.  S.  7. 

2)  V.  Leon.  a.  a.  0. 

3)  Nach  den  Ann.  Lauresh.  z.  d.  J.  erfolgte  die  Eidesleistung  gemäss 
•einem  Beschlüsse  Karls  und  der  anwesenden  Bischöfe,  si  eius  (des  Papstes) 
voluntas  fuisset  et  ipse  petisset.  Damit  war  dem  Papste  doch  nur  der 
■Schein  eigener  Entschliessung  gewährt. 

4)  Dass  auch  bei  den  Verhandlungen  in  Rom  die  Entfernung  Leos  aus 
seinem  Amte  in  Frage  kam,  beweist  Ale.  ep.  212  S.  353  an  Riculf  von  Mainz: 
Sicut  audivi,  quod  sine  dolore  cordis  non  dicam,  ipsos  male  inter  se  dissen- 
tire  magistros  (die  mit  Karl  gekommenen  Bischöfe).  Quidam  vero  volentes 
rudis  panni  assumentum  veteri  inmittere  vestimento  et  peiorem  facere  scissu- 
ram ;  quidam  vero  meliori  consilio  vetera  reformare  et  in  antiquum  reponere 
ordinem;  cum  quibus  vestram  sanctissimam  sollicitudinem  laborare  audivimus. 
Es  ist  klar,  das  der  Bericht  der  Biographie  Leos  durch  und  durch  tendentiös 
ist  (vgl.  Döllinger,  Münchener  bist.  JB.  1865  S.  381  ff.,  und  Simson,  JB. 
S.  229);  v.  Ranke  (WG.  V,  2  S.  182)  nimmt  den  Bericht  als  glaubwürdig  hin. 

5)  Ann.  Lauriss.,  Einh.  z.  J.  801 ;  vgl.  Lauresh.,  Laur.  min. 

6)  Ketterer  S.  72,  Ebner,  H.  JB.  XII  S.  550  folgend,  glaubt  an  die  Wir- 
kung der  Fürbitte  Leos  und  an  dessen  Unschuld.  Aber  indem  Karl  den 
Papst  zu  dem  Reinigungseid  nötigte,  that  er  genau  das,  was  diejenigen,  die 
Leo  für  schuldig  hielten,  schon  in  Paderborn  verlangt  hatten  und  was 
Alkuin  mit  allem  Nachdruck  widerriet,  Ale.  ep.  179  S.  297.  Sollte  er  dann 
wirklich  anderer  Meinung  gewesen  sein  als  jene? 


—     104     — 

Zwei  Tat^o  nachdem  Leo  sich  durch  einen  wahrscheinlich 
tidschen  Eid  von  den  schhninisten  Ankhigen,  die  gegen  einen 
Priester  erhohen  werden  konnten,  gereinigt  hatte,  krönte  er  in 
8t.  Peter  Karl  zum  Kaiser.  Ein  Vorgang,  so  bekannt,  dass  mau 
ihn  nicht  zu  schihleru  braucht,  und  doch  in  mancher  Hinsicht  völhg 
dunkel.  Eiidiai'd  erzählt,  Karl  habe  versichert,  er  würde  trotz  des 
Festes  an  jenem  AVeihnachtstage  die  Kirche  nicht  l)etreten  haben, 
wenn  er  den  Plan  des  Papstes  hätte  ahnen  können,^)  War  das 
Heuchelei?  Das  ist  unglaublich;  denn  Karl  hatte  keine  Ui-sache, 
zu  heucheln:  Wer  konnte  ihn  hindern,  die  Kaiserkrone  zu  nehmen, 
wenn  er  sie  wollte?  Aber  er  wollte  sie  nicht.  Wir  wissen  nicht, 
dass  sein  Ehrgeiz  dahin  ging,  römischer  Imperator  zu  heissen;  aber 
wir  haben  Grund,  anzunehmen,  dass  es  ihn  freute,  als  fränkischer 
König  über  die  ehemalige  Welthauptstadt  zu  herrschen.  Als  das 
höchste  Glück,  das  Gott  ihm  gegeben,  priesen  es  die  ^Männer  seiner 
Umgebung,  dass  er,  der  Fi-ankeukönig,  das  goldene,  kaiserliche 
Rom  eingenommen  habe,  dass  Gott  ihm  Italien  mit  allen  seinen 
Schätzen  verliehen  habe.-)  Das  wird  auch  seine  Überzeugung  ge- 
wesen sein;  denn  er  hielt  das  Römische  nicht  für  besser  als  das 
Deutsche;  im  Gegenteil,  auch  in  Rom  wollte  er  als  Deutscher  er- 
kannt sein.'')  So  wenig  einer  seiner  Vorfahren  auf  dem  fränkischen 
Thron  je    nach  dem  Kaisertum  gestrebt  hatte,^)  so  wenig  w'ar  es 


1)  V.  Karol.  28.  Vgl.  Ann.  Mas.  z.  J.  801 :  die  widersprechende  Nach- 
richt, dass  die  Krönung  auf  Grund  eines  Synodalbeschlusses  erfoljft  sei, 
Ann.  Lauresh.  z.  J.  801  und  daraus  in  anderen  Quellen.  Die  Vereinigung 
dieser  Nachrichten  ist  niclit  möglich;  die  Glaubwürdigkeit  Einhards  ohne 
Zweifel  grösser.  Rettbergs  Meinung,  dass  Karl  selbst  im  Einverständnis 
gewesen  sei  und  Alkuin  die  ganze  Idee  erdacht  habe  (KG.  D.'s  I  S.  430), 
klingt  auch  bei  Neueren  wieder,  z.  B.  bei  Martens,  D.  röra.  Frage  S.  212,^ 
beleucht.  S.  39  tf.  Aber  wenn  dieser  sagt:  Die  Hauptsache  ist,  dass  Karl 
die  Würde  begehrte,  so  fehlt  für  diese  Hauptsache  jeder  Beweis.  Aus  den 
im  Texte  dargelegten  Gründen  ist  mir  eine  solche  Annahme  sehr  unwahr- 
scheinlich. Die  Polemik.  Beloucht.  S.  47  f.,  hat  mich  nicht  davon  über- 
zeugt, da.ss  man  Einhards  Worte  anders  zu  verstehen  hat,  als  sie  lauten. 
Auch  der  geistvollen  Hypothese  Düllingers  (a.  a.  0.)  kann  ich  nicht  beitreten. 
Ihre  Voraussetzung,  dass  das  Imperium  Karl  einen  tief  in  der  Meinung  der 
Völker  wurzelnden  Rechtstitel  verliehen  habe,  scheint  mir  nicht  so  sicher, 
als  allgemein  angenommen  wird.  Die  Verehrung  der  mittelalterlichen  Welt 
gegen  da«  Imperium  ist,  so  viel  ich  sehe,  nicht  Voraussetzung,  sondern 
Wirkung  des  Kaisertums  Karls. 

2)  M.G.  Ep.  V  S.  .502  (Brief  des  Priesters  Catuulf  an  Karl  c.  a.  775). 

3)  Man  weiss,  dass  Karl  sich  nur  zweimal  in  seinem  Leben  entscbloss, 
römische  Tracht  anzulegen  (s.  Einh-  V.  Karol.  23). 

4)  Sätze,  wie  der  Giesebrechts  (Geschichte  der  deutschen  Kaiserzeit  I 


—     105     — 

sein  höchstes  poKti^ches  Ideal.  Er  hat  in  einer  offenen  Staats- 
schrift das  herbste  Urteil  über  das  römische  Imperium,  seine  Träger 
und  seine  Institutionen  ausgesprochen:  das  wdldeste,  tapferste  Reich 
sei  es  gewesen,  aber  zugleich  das  eifiigste  in  der  Anbetung  und 
Verehrung  der  Götzen;  die  Kaiser  Männer  voll  ungemessenen  Ehi-- 
geizes;  einzehie  seiner  Einrichtungen  gehörten  zu  den  Übeln,  welche 
die  Christen  gänzlich  abzuschaffen  vei^iflichtet  seien.  ^)  Es  ist,  als 
habe  Karl  absichthch  ausser  Acht  gelassen,  dass  es  auch  christ- 
liche Kaiser  gegeben  hatte:  als  etwas  ünchristliches.  Heidnisches 
sollte  das  Imperium  ei-scheiuen.  Hier  erkhngt  wieder  der  alte, 
aber  unvergessene  Stolz  der  Franken,  welche  sich  als  das  recht- 
gläubige Volk  den  Römern,  den  Mördern  der  Gläubigen,  gegen- 
überstellten.-)    Wenn  ein  Angelsachse  die  Würde   des  fi-änkischen 


S.  123,  3.  Aufl.),  dass  das  Kaisertum  das  höchste  politische  Ideal  gewesen 
sei,  dem  die  deutschen  Machthaber  seit  Jahrhunderten  zustrebten,  sind 
völlig  unrichtig,  wenn  man  sie  auf  die  fränkischen  Könige  anwendet.  Nur 
auf  das  aber,  was  sie  erstrebten,  kann  es  ankommen.  Vgl.  das  sehr  mass- 
volle Urteil  Duchesnes  S.  283. 

1)  Libr.  Carol.  II,  19:  (In  sententia  Joannis  Constantinopolitani  epi- 
scopi  illarum  imaginum  mentio  fit)  quas  gentili  et  superstitioso  ritu-Koma- 
norum  imperatores  ostentabiliter  ob  sui  favoris  arrogantiam  adorare  cen- 
suerunt.  Quam  quidem  sacrilegam  impietatem  ita  nullos  antiquorum  regum 
reperimus  habuisse,  sicut  et  pene  nuUam  gentem  tantae  crudelitatis  tanto- 
rumque  idolorum  servitiis  subditam,  ut  illam,  uspiam  legimus  exstitisse. 
Magnae  ergo  crudelitatis  et  revera  magnae  crudelitatis  et  fortitudinis  quon- 
dam  fuit.  Dan.  7,  7.  Gentes,  quas  delevit,  devorasse,  quas  vero  tributis 
addixit,  pedibus  conculcasse  dicitur.  et  in  tantum  daemonum  culturis  in- 
servivit,  ut  quarundam  gentium  quas  subegerat  idola  suis  nihilominus  idolis 
socians  infeliciter  adoraret.  Unde  vanissimum  et  ab  omni  ratione  seclusum 
est,  ab  ea  re  intra  sanctam  ecclesiam  sumere  exempla  quae  propter  gentili- 
tatis  maculam  prorsus  a  catholicis  creditur  abdicata.  Si  vulgus  .  .  impera- 
torum  imagines  vanis  et  pemiciosis  laudibus  honerat,  quid  ad  nos,  qui 
gloriamur  in  cruce  Domini  .  .  qui  tanto  errori  obniti  potius  quam  assensum 
praebere  debemus,  .  .  qui  .  .  eum  cum  suis  sequacibus  prorsus  exsecrari  debe- 
mus.  Vgl.  III,  15:  Doctor  gentium  non  vos  imperatorum  imitatores,  sed 
6U0S  imo  Christi  fieri  hortatur  .  .  et  ut  imperatorum  fasces  sive  vulgi  bac- 
chatus  a  Christicolarum  mentibus  dirimeret,  ait:  Nobis  Christus  cruciflxus 
est.  Bezug  auf  die  Christenverfolgungen;  dann:  Odisse  debet  christianus  .  . 
eos  qui  oderunt  dominum.  Die  römischen  Kaiser  werden  bezeichnet  als 
homines  protervia  vanii;atis  inflati,  pompa  saeculari  elati,  bonorum  ambi- 
tione  cupidi,  iactantia  pleni.  Über  die  Verehrung  der  Kaiserbilder:  Hoc 
malum  cum  caeteris  malis  quae  Christi  adventu  frustrata  sunt,  frustrari 
omnino  debet. 

2)  Vgl.  den  Prolog  zur  Lex  Salica  (s.  Bd.  I  S.  182).  Dass  diese 
Stimmung  auch  später  noch  vorhanden  war,  zeigt  Mon.  Sangall.  I,  1  S.  631. 


—     106    — 

Königtums  für  erhabener  als  die  des  griechischen  Kaisertums  er- 
klärte, wenn  er  das  rümische  und  das  chnsthche.  d.  h.  das  fi'än- 
kische  Reich  als  das  Niedrigere  und  das  Höhere  einander  gegen- 
ühei-stellte. ')  wie  hätte  es  Karl  gelüsten  sollen,  seinen  deutschen 
Königstitel  mit  dem  römischen  Kaisernameu  zu  vertauschen? 

Dazu  die  Krönung  durch  den  Papst.  AVie  Karl  darüber 
urteilte,  beNvies  er,  als  er  im  Jahre  813  seinem  Sohne  Ludwig  die 
kaiserliche  AViuxle  übertrug:  da  liiess  er  den  König  mit  eigener 
Hand  die  Krone  vom  Altar  nehmen  und  sich  aufs  Haupt  setzen.-) 

Ei-strebt  hat  demnach  Karl  die  kaiserhche  Würde  nicht.  Aber 
als  sie  ihm  dargeboten  wurde,  wies  er  sie  auch  nicht  zurück.  Nach 
einem  Moment  des  Zögeras  begann  er  den  kaiserlichen  Titel  zu 
führen.-')  Und  sehr  rasch  erkannte  er,  dass  auch  in  diesem  Titel 
Gewalten  schhunmerten,  die  er  nui'  zu  wecken  l)rauchte.'^)  Dass 
der  gi'osse  König  den  Kaisernamen  annahm,  hat  dem  Imperium 
den  Schimmer  verheben,  welcher  es  im  Mittelalter  umstrahlt:  er 
ist  der  Wiederschein  von  Karls  erhabener  Person,  nicht  ein  Erbe 
aus  der  Römerzeit. 

Rätselhaft  ist,  Avas  Leo  III.  mit  der  von  ihm  wohl  vorbe- 
reiteten Handlung  l)eabsichtigte.  Wollte  er  sich  dem  König,  der 
ihn  L"r'tt.t  hatte,  dankbar'  beweisen,  oder  wollte  er  dem  Herrscher, 


1)  Ale.  ep.  174  S.  288,  Juni  799.  Die  Stelle  ist  so  klar  als  möglich: 
Tertia  (hohe  Würde  in  der  Welt)  est  regalis  dignitas,  in  qua  vos  domini 
nostri  Jesu  Christi  dispensatio  rectorem  populi  christiani  disposuit,  ceteris 
prefatis  dignitatibus  (Rom  und  Kaisertum)  potentia  excellentiorera,  sapientia 
clariorem,  regni  dignitate  sublimiorem.  Die  Zählung  ist  also  eine 
aufsteigende  Klimax.  Ketterers  ^erst  die  dritte  Würde"  S.  78  ist  irrig.  Ep. 
200  S.  331:  Quae  terra  (Spanien)  olim  .  .  tirannorum  ferax  fuerat,  qui  Ro- 
manum  saepissime  imperium  lacerare  solebant.  Et  nunc  multo  peius  sacra- 
tissimas  christiani  imperii  aures  cjuibusdam  scisuiaticae  perversitatis  novita- 
tibus  fatigare  adgi-editur.  Der  Brief  fällt  in  den  Juni  800.  Ich  brauche 
kaum  zu  bemerken,  dass  man  aus  dem  Worte  imperium  nichts  folgern  darf. 
Von  Karls  Reich  findet  es  sich  schon  im  Jahre  794  verwendet  in  dorn  Libell. 
episcop.  Italiae  (Mansi  XIII,  873):  Caroli  regis  domini  terrae  imperii  eius 
decreto.  Niemand  wird  darin  den  Kaisergedanken  finden.  Imperium  ent- 
spricht einfach  dem  deutschen  , Reich*. 

2)  Thegani  V.  Ludov.  6  (M.G.  Scr.  II  S.  592).  Hemerkenswert  ist 
auch,  da«8  die  Ann.  Fuld.  ant.  z.  801  Leo  ganz  ignorieren;  sie  bemerken 
nur:  Karolua  rex  a  Romanis  est  appellatus  Augustirs  (ed.  Kurze  S.  13«). 

3)  Karl  nennt  sich  in  der  Urkunde  für  Arezzo  vom  4.  März  801  (B.M. 
863)  rex  Francorum  et  Romanorum  atque  Langobardorum.  Alkuin  schreibt 
in  demselben  Jahr,  genau  wie  früher,  an  David  pater  patriae  (ep.  229  S.  372) 
oder  David  rex  (ep.  231.  240.  261). 

4)  Vgl.  die  allgemeine  Eidesleistung  im  Jahre  802  (Capit.  33,  2  S.  92). 


—     107     — 

Tor  dessen  Gericht  er  eben  gezittert,  zeigen,  dass  auch  er  Gaben 
zu  verteilen  habe?  Kein  AVort  der  Überheferung  giebt  hierüber 
Auskunft.  Aber  klar  ist,  dass  er  für  sich  und  für  die  Stellung 
des  Papstes  dui'ch  seine  Handlung  nichts  gewann.  Wenn  auch 
das  immittelbare  Regiment  über  Rom  nach  wie  vor  dem  Papste 
verblieb,  so  konnte  doch  seit  der  Krönung  daran  nicht  mehr  der 
mindeste  Zweifel  sein,  dass  Karl  Herr  in  Rom  und  im  Kirchen- 
staate sei.^)  Die  alte  Hauptstadt  der  Welt  wurde  zur  ersten 
Metropole  des  Karohngerreichs.-)  Die  Rechte,  welche  einst  die 
giieclüschen  Kaiser  besessen  hatten,  wurden  nun  von  dem  fi'än- 
kischen  Kaiser  geübt.  ^) 

Die  Kaiserkröimng  hatte  in  Wü'khchkeit  nicht  jene  epische 
Grösse,  welche  che  Berichte,  die  den  äusseren  Hergang  schildern, 
ihr  verliehen  haben.  Nach  ihnen  handelt  der  oberste  Bischof  der 
Christenheit  wie  geleitet  von  höherer  Eingebung,  das  gesamte  Volk 
aber  diu"chzuckt  bhtzartig  die  Erkenntnis,  was  der  feierhche  Vor- 
gang bedeutet,  der  sich  vor  seinen  Augen  vollzieht,  und  in  lautem 
Zuruf  spricht  es  das  aus,  was  der  Stellvertreter  des  Apostels  durch 
seine  Handlung  andeutet:  ein  Bild  ohne  Schatten,  eine  Melodie 
ohne  Dissonanz.  In  Wirklichkeit  waren  die  Schatten  tief,  die  Disso- 
nanzen grell  genug.  Sie  haften  an  der  Person  Leos.  Er  war  für 
schuldlos  erklärt  worden,  aber  nur  wenige  waren  von  seiner  Schidd- 
losigkeit  überzeugt.  Dass  dieser  Mann  sich  sofort  m  die  erste 
Reihe    drängte,    indem    er   unaufgefordert    dem  König   die  Kaiser- 


1)  Vgl.  die  Klagen  und  Äusserungen  Leos  III.  ep.  2  (M.G.  Ep.  V  S.  89 
11.  91;  9  S.  101;  10  S.  102  f.);  ferner  die  Wegführung  der  Theoderichstatue 
aus  Ravenna  (Agnell.  Lib.  pontif.  c.  94  S.  338).  Leo  wagt  nicht,  Rom  zu 
verlassen  ohne  einen  Auftrag  des  Kaisers  (Einh.  ann.  z.  J.  804).  Dass  in 
der  Reichsteilung  vom  Kirchenstaate  nicht  die  Rede  ist  (Capit.  45  S.  127  f.), 
ist  nicht  weiter  auffällig,  da  er  nicht  unter  unmittelbar  königlicher  Ver- 
waltung stand.  Dem  Gedanken  der  durch  die  Teilung  nicht  aufgehobenen 
Einheit  des  Reichs  entspricht  es,  dass  cura  et  defensio  ecclesiae  s.  Petri 
den  drei  Brüdern  gemeinsam  zur  Pflicht  gemacht  wird  (§  15  S.  129).  Die 
Unterzeichnung  der  Teilungsurkunde  durch  Leo  steht  in  Parallele  zu  der 
Bestätigung  derselben  durch  die  Optimaten  (Einh.  ann.  z.  J.  806). 

2)  Testament  Karls  (Einh.  V.  Karol.  33);  der  Gedanke  lag  dem  An- 
schauungskreis der  Zeit  nicht  ferne,  s.  die  Äusserung  Leos  III.  bei  der  Er- 
hebung Arns  zum  EB.:  Qui  dudum  vester  fuit  coepiscopus,  nunc  autem  frater 
et  coepiscopus  noster,  J.W.  2495;  ebenso  in  Bezug  auf  Hildibald  von  Köln 
J.W.  2521.     Vgl.  Weyl  S.  54  f. 

3)  Dass  irgendwelche  Verhandlungen  über  die  Rechte  des  Kaisers 
stattfanden,  ist  nicht  überliefert  und  sehr  unwahrscheinlich.  Karl  und 
seine  Nachfolger  nahmen  einfach  die  Rechte  in  Anspruch,  welche  die 
griechischen  Kaiser  früher  geübt  hatten. 


—     108     — 

kröne  darbrachte,  nnissto  di'u  p]iiulruck  hervorrufen,  der  sicli  in 
Karls  Äusserung  unverliohlen  ausspricht:  die  Sache  wäre  hesser 
unterhhehen. 

Auch  abgesehen  hievon  ist  die  Bedeutung  der  Kaiserkninung 
nicht  iihcrgross:  sie  war  keine  That.  sie  repräsentierte  nur.  Weder 
wurden  (hu'ch  sie  neue  Verhältnisse  geschaften,  noch  neue  Gewalten 
auf  den  Plan  geführt.  Karls  Reich  war  nach  dem  Weihnachts- 
feste des  Jahres  800  genau  dasselbe,  was  es  vorher  gewesen  war. 
Nirgends  waren  die  Rechtsverhältnisse  geändert.  Nur  ein  neuer 
Name  wuj'de  dem  HeiTscher  desselben  gegeben:  Imperator.  Kaum 
kann  mau  sagen,  dass  er  nun  erst  Landesherr  in  Rom  war;  denn 
schon  vorher  hatten  ihm  die  Römer  den  Treueid  geschworen.  Auch 
die  Politik  Karls  bheb  völlig  die  gleiche.  In  der  inneren  Verwal- 
tung, besondei-s  in  der  Leitung  der  kirchlichen  xVugelegenheiten 
verfolgte  er  diesell)en  Ziele,  die  ihm  seit  seinem  Regierungsantritt 
voi'sch webten.  In  den  äusseren  Verhältnissen  hielt  er  sich  nach 
wie  vor  innerhalb  der  natürlichen  Grenzen  der  fränkischen  Macht- 
sphäre. Es  reizte  ihn  nicht,  seine  Herrschaft  nach  dem  Oriente 
hin  auszudehnen;  im  Gegenteil  vermied  er  Konflikte  mit  den  Griechen. 
Die  Scheidung  Roms  vom  Morgenlande  aber,  seine  Einfügung  in 
die  westeuro])äisciie  Welt  hatte  sic*h  sciion  vor  dem  Jahre  800  voll- 
zogen: Gregor  II.  hatte  sie  geahnt.  Bonifatius  hatte,  ohne  dass  er 
es  wusste,  an  ihr  gearbeitet,  Pippin  und  Karl  haben  sie  herbei- 
geführt. Am  wenigsten  lässt  sich  sagen,  dass  nun  die  beiden  Ge- 
walten nebeneinander  standen,  deren  Ringen  die  Geschichte  des 
Mittelaltei-s  bewegt:  das  Kjiisertum  und  das  souveräne  Papsttum. 
Im  Reiche  Karls  d.  Gr.  war  für  ein  souveränes  Papsttum  kein 
Raum:  es  ist  das  Erzeugnis  der  Schwäche  seiner  Nachfolger. 
Gerade  bei  der  Krönung  bekannte  sich  Leo  vor  allem  Volk  als 
des  Kaisei-s  Unterthan.  Nachdem  er  ihm  die  Krone  aufs  Haupt 
gesetzt  hatte,  huldigte  er  ihm  in  der  Weise,  m  der  einstmals  die 
Römer  ihre  Kaiser  adoriert  hatten.')  Karl  mochte  an  das  Urteil 
denken,  das  er  wenige  Jahre  vorher  über  solche  byzantinische  Sitten 
ausgesprochen  hatte. '^)  Aber  hier  entsprach  die  Form  der  Sache: 
die  Briefe  Leos  an  Karl  sind  Berichte  eines  Unterthanen  an 
den  Herrscher:  er  meldete  ihm  pflichtgemäss,  was  er  erfuhr;^)  er 
legte    ihm    die    Sclu'eiben    vor,    die    er    erhielt,    nicht    minder    die- 


1)  Ann.  LaurisB.,  Einb.  z.  J.  801. 

2)  S.  oben  S.  105  Anm.   1. 

3)  M.<T.  Ep.  V  S.  66  Nr.  8:  Omnia.  quac  de  singrilie  partibus  nobis 
accidunt,  necense  est,  ut  vestrae  intimemuH  imperiali  potostate.  S.  96  Nr.  6; 
S.  97.  Nr.  7. 


—     109     — 

jenigen,  die  er  erlieSs;^)  so  weit  ging  seine  Devotion,  dass  er  an 
ihn  selbst  adressierte  Briefe,  wenn  sie  zugleich  für  den  Kaiser  be- 
stimmt waren ,  nicht  zu  öffnen  wagte ;  -)  hatte  er  sich  zu  be- 
schweren, so  stellte  er  doch  den  Bescheid  ganz  in  des  Kaisers 
Willen;^)  ordnete  Karl  eine  Massrege]  an,  so  war  er  eifrig,  sie 
ganz  nach  dessen  Wünschen  durchzuführen.'*)  Wenn  er  sich  einmal 
als  dessen  Diener  bezeichnete,  so  lag  darin  keine  Übertreibung.'^) 
Es  war  ebenso  sachgemäss,  wie  dass  er  seine  Urkunden  nach  den 
Kaiserjahren  „unseres  Herrn,  des  frommen  Karl"  datierte.^) 

Wir  haben  den  Gang  der  Ereignisse  verfolgt,  welche  dazu 
führten,  dass  Karl  immer  bestimmter  als  der  Herrscher,  der  Papst 
immer  unverhohlener  als  der  Unterthan  erschien.  Fragen  wir  nun, 
wie  sich  dazu  die  Anschauungen  verhielten,  welche  über  das  Ver- 
hältnis der  beiden  Gewalten  verbreitet  waren. 

Auch  bei  grossen  Männern  widersi^richt  nicht  selten  der 
schhesshche  Erfolg  der  m'sprünghchen  Absicht.  Was  ihre  eigene 
Arbeit  herbeigeführt  und  gestaltet  hat,  steht  im  Gegensatz  zu  den 
anfänglichen,  den  manchmal  lange  festgehaltenen  Überzeugungen. 
Dann  bilden  sich  die  letzteren  wohl  dem  Erfolge  gemäss  um;  denn 
durch  nichts  werden  die  Menschen  so  sicher  beherrscht  als  durch 
ihre  eigenen  Thaten.  Bei  Karl  war  dies  nicht  der  Fall.  Die 
Stellung,  welche  Leo  HI.  ihm  gegenüber  einnahm,  entsprach  viel- 
mehr den  Ansichten  über  Papstgewalt  und  Königsmacht,  von 
welchen  er  von  Anfang  an  beseelt  war,  und  welche  auch  von  den 
Männern  seiner  Umgebung  geteilt  wurden. 

Karl  verehrte  das  Papsttum;  in  vielen  Stücken  galt  ihm  ein 
päpsthches  Wort  und  ein  päpsthcher  Rat  als  entscheidend.  Das 
benihte  auf  seiner  Überzeugung  von  der  Lehi^gewalt  des  Papstes: 
er   sah    in    ihm   den   Zeugen  der   apostolischen  Tradition.     Als  er 


1)  M.G.  Ep.  V  S.  66  f.  Nr.  8;  S.  90  Nr.  2;  S.  92  Nr.  3;  S.  97  Nr.  7; 

2)  Ib.  S.  97  Nr.  7.  [S.  99  Nr.  8. 

3)  Ib.  S.  88  Nr.  1  ;  S.  89  Nr.  2.  Besondera  über  die  Sendboten  Karls 
tatte  er  manchfach  zu  klagen  S.  91  Nr.  2;  S.  101  Nr.  9.  Karl  riss  endlich 
die  Geduld,  und  er  antwortete  ihm  spitzig,  er  sei  überhaupt  nicht  imstande 
-einen  Königsboten  zu  finden,  der  Leo  gefiele  S.  102  Nr.  10. 

4)  Ib.  S.  90  Nr.  2;  S.  94  f.  Nr.  5. 

5)  Ib.  S.  103  Nr.  10:  Cogitamus,  quod  nullus  de  antecessoribus  nostris 
partibus  ipsis  (es  ist  wohl  vestris  zu  lesen)  cum  tanto  amore  servierunt, 
quantum  nos  servivimus.  Sed  nostrum  servitium,  ut  videmus,  nemini  ap- 
tum  fuit. 

6)  Imperante  domino  nostro  Carolo  piissimo  perpetuo  Augusto  a  Deo 
coronato  magno  et  pacifico  imperatore  anno  .  .  post  consulatum  eiusdem  .  . 
in  dictione  .  .  (s.  J.W.  S.  307). 


—     110     — 

auf  der  Synode  zu  Fianktuit ')  eine  dogmatische  Frage  entscheiden 
liess,  hegrUndete  er  die  Richtigkeit  seiner  Bestimmung  mit  der 
Erinnerung,  dass  er  den  römischen  Bischof  ethche  Male  deshalb 
befragt  habe,  da  er  zu  ^vissen  wünschte,  was  die  röjuische  Kirche, 
belehrt  durch  apostolische  Überlieferungen,  über  jene  Frage  er- 
kläre.-) \\'enn  er  von  der  Herrschaft  des  Papstes  in  der  Kirche 
sprach,  so  fasste  er  den  vieldeutigen  Ausdruck  sofort  dahin  näher; 
der  Papst  lierrscht  durch  seine  Lehre. ^)  In  den  Karoliuischen 
Büchern  wird  dieser  Punkt  mit  absichthchem  Nachdruck  hervor- 
gehoben: die  römische  Kirche  ist  von  dem  Herni  über  die  andern 
apostolischen  Kirchen  erhöht,  wie  Petrus  über  die  übrigen  Apostel; 
nicht  auf  Grund  von  Spiodalbeschlüssen,  sondern  kraft  der  Auttjrität 
des  HeiTu  besitzt  sie  den  Primat.  Ihr  Rat  ist  von  den  Gläubigen 
zu  hören;  aus  den  Schriften,  welche  sie  als  kanonisch  anerkennt,, 
sind  che  Beweisstellen  zu  entnehmen;  die  Anschauungen  deijenigen 
Kii'chenlehrer,  welche  sie  annimmt,  sind  zu  beobachten.'*)  In  diesem 
Punkte  konnte  man  in  Rom  mit  Karl  zutrieden  sein. 

Aus  der  Hochstellung  der  römischen  Tradition  erklärt  sich 
Karls  Verehrung  gegen  die  kultischen  Ordnungen  der  römischen 
Kirche.  Er  hat  ihre  Einfülnning  in  seinem  Reich  gefördert:  die 
L'rsache  war  nicht,  dass  er  die  römische  Messe  für  erbauhcher  oder 
die  römische  Musik  fiii"  schöner  hielt  als  die  heimische;  nur  der 
Gedanke  an  die  Gleichheit  mit  Rom  bestimmte  ihn  zur  Annahme 
der  fremden  Gewohnheiten.^)  Aus  demselben  Ginmde  forderte  er 
Beobachtung  des  römischen  Ritus  bei  der  Taufe.  Selbst  in  solchen 
Kleinigkeiten  wie  in  der  Form  der  Schuhe  sollten  die  Geistüchen 
sich  an  das  römische  Vorbild  halten.")  Karls  Motiv  liest  man  weder 
in  den  Karoliuischen  Büchern:  von  Anfang  an  sei  die  fränkische 
Kirche  im  Glauben  einig  gewesen  mit  der  römischen,  dagegen  in 
der  Fonn  des  Gottesdienstes  wären  kleine  Verschiedenheiten  vor- 
handen. Diese  berührten  zwar  den  Glauben  nicht,  doch  habe  sein 
Vater  wie  er  selbst  sich  um   ilu-e  Beseitigung   bemüht,    damit  die- 


1)  Juni  794,  Ann.  Mosel!.  (M.G.  Scr.  XVI,  498). 

2)  Carol.  ep.  ad  ?:ii]..  (Mansi  XIII   901). 

3)  Widmung  einer  Prachtband-schrift  des  Psalters  an  Hadrian  I.  (Poet> 
lat.  I  S.  91  f.)  V.  20:  Ecclesiamque  Dei  dogmatis  arte  regas. 

4)  Libr.  Carol.  I,  6  (Migne  98,  1019  ff.). 

5)  Capit.  22,  80  (a.  789)  S.  61 :  Ob  unanimitatera  apostolici  .sedis  et 
s.  Dei  eccleniae  pacificam  concordiara ;  vgl.  30  S.  80;  117,  9  S.  23.5  und 
Leidrads  Verwaltungsbericht,  wonach  Karl  ihm  einen  Metzer  Kleriker  be- 
hufs Reform  des  Gesanges  in  Lyon  zusandte.  M.G.  Ep.  IV  S.  542  f.  Nr.  30. 
In  Metz  herrschte  der  römische  Kirchengesang  seitChrodegang;  vgl.  oben  S.  34. 

6)  Capit.  23,  23  f.  S.  64.     Concil.  Mog.  (813j  c.  4  Mansi  XIV  S.  66. 


—    111    — 

jenigen.  wefche  in  einem  Glauben  vereinigt  seien,  nicht  dui'ch  die 
Verschiedenheit  gottesdiensthcher  Formen  getrennt  wih-den.  Er 
unterlässt  nicht,  hervorzuheben,  dass  Papst  Hadi'ian  ihn  hiezu  er- 
mahnt habe.-') 

Es  geht  über  die  bisher  gezeichnete  Linie  kaum  hinaus,  dass 
er  auch  die  administrative  und  disziphnare  Gewalt  des  Papstes  un- 
bedenkhch  anerkannte,  wo  immer  sie  der  Wahnmg  traditioneller 
Ordnungen  diente.  Als  bei  der  Wiederherstellung  der  Metropoh- 
tansprengel  sich  der  alte  Streit  zwischen  Arles  und  Vienue  erneute,^ 
wurde  die  Entscheidung  getroffen  auf  Grimd  der  Verfügungen 
früherer  römischer  Bischöfe :  Karl  setzte  ihre  Giltigkeit  ebenso  unbe- 
denkhch  voraus,  als  er  die  Erledigung  eines  analogen  Streits  Hadrian 
Überhess.  ^)  Um  die  Bischöfe  Angilram  von  Metz  und  Hildebald 
von  Köln  dauernd  am  Hof  zurückhalten  zu  können,  erwirkte  er 
selbst  füi-  sie  die  Entbindung  von  der  Residenzpflicht.'')  Dass  der 
Papst  falsche  Lehre  durch  Verhängung  des  Bannes  bestrafte,  schien 
ihm  völlig  in  der  Ordnung:  er  hat  es  im  adoptianischen  Streite 
nicht  nm'  zugelassen,  sondern  provoziert.*) 

Allein  diese  Anerkennung  römischer  Rechte  hinderte  nicht,^ 
dass  Karl  sich  selbst  als  den  Leiter  der  fi'änkischen  Kirche  be- 
trachtete. Das  galt  ihm  als  unmittelbarer  Ausfluss  seiner  Königs- 
pflichten und  Rechte.  In  den  Karohnischen  Büchern  erklärte  er,^ 
nach  Gottes  Gabe  habe  er  das  Steuerruder  der  Kirche  im  Umfange 
seines  Reichs  übernommen;  ihm  sei  sie  in  den  stüi'mischen  Fluten 
dieser  Welt  zm-  Leitung  anvertraut.^)  Demgemäss  bezeichnete  er 
die  fi'änldschen  Kirchen  als  seine  Küxhen,  Bistümer  und  Klöster 
als  ihm  zm-  Regierung  überlassen.^)  Das  Verhältnis  der  könighchen 
Macht  zm-  Papstmacht  aber  bestimmte  er  in  einem  Schreiben  an 
Leo  LH.  folgendermassen:  Unsere  Aufgabe  ist  es,  mit  Hilfe  Gottes 
die  heihge  Kirche  Christi  nach  aussen  gegen  den  Einbruch  der 
Heiden  und  die  Verwüstung  durch  die  Ungläubigen  mit  den  Waffen 
zu  verteidigen  und  nach  innen  dm'ch  Anerkennung  des  kathohschen 
Glaubens  zu  festigen.  Em^e  Aufgabe  ist  es,  wie  Moses  mit  zu  Gott 
erhobenen  Händen  unseren  Kjiegsdienst  zu  imterstützen,  damit  das 
christliche  Volk,  dank  Eurer  Fürbitte,  von  Gott  geführt  und  aus- 


1)  Libri  Carol.  I,  6  S.  1021. 

2)  Capit.  28,  8  S.  75  (Frankfurter  Synode). 

3)  Cap.  28,  55  S.  78. 

4)  Vgl.  unten  das  5.  Kap. 

5)  Praef.  lib.  I  S.  1001  f. 

6)  Capit.  30  S.  80:  Quia  curae  nobis  est,  ut  nostrarum  ecclesiarum  ad 
meliora  semper  proficiat  status;  29  S.  79. 


—     112     — 

gestattet,  stets  und  überall  den  Sieg  über  die  Feinde  seines  Namens 
habe.*) 

Man  sieht:  während  Karl  dem  Papst  eine  rein  religiöse  Thätig- 
keit  zuwies,  nahm  er  die  Sorge  tür  die  Kirche  im  weitesten  Umfang 
als  zum  Amte  des  Königs  gehörig  in  Ans])ruch.  Das  war  der 
ausschlaggebende  Grundsatz,  an  den  mau  immer  wieder  eriiuiert 
wird.  Vit'lU'icht  fühii  kein  Schriftstück  so  unmittelbar  in  die  Ge- 
danken ein.  in  welchen  Karl  handelte,  als  das  im  Jahre  789  er- 
lassene Sendschreiben;  der  König  erklärt,  er  wolle  ein  Mitarbeiter 
der  Bischöfe  bei  ilu-er  religiösen  Arbeit  an  dem  Volke  sein:  dazu 
fühle  er  sich  verpflichtet  aus  Dankbarkeit  für  die  ihm  und  seinem 
Volk  erwiesene  götthche  Gnade.  ])ie  königlichen  Sendboten  sollten 
deshalb  vereint  mit  den  Bischöfen  kraft  der  Autorität  des  Herrschers 
bessern,  was  zu  bessern  ist.  Niemand  achte,  so  schliesst  seine  An- 
sprache, diese  fromme  Ermahnung  für  vermessen,  sondern  jeder 
nehme  sie  willigen  Sinnes  an.  Wir  lesen  ja  im  Königsbuche,  me 
der  heilige  Josias  das  ihm  von  Gott  verliehene  Königreich  zum 
Dienste  Gottes  zurückzuführen  bestrebt  war.  Nicht  dass  ich  mich 
dem  heiligen  Könige  gleichstellte;  aber  es  hegt  uns  ob,  dem  Vor- 
bild der  Heihgen  nachzufolgen  und,  dem  Herrn  Jesus  zu  Ehren, 
so  viele  wir  können  zum  Eifer  im  rechten  Leben  zu  versammeln.-) 

Diesen  Uberzeugimgen  gemäss  gestaltete  sich  Karls  Stellung 
zu  der  Kirche  in  ])eutschlaiid  und  Frankreich.  Er  regieite  sie 
genau  so,  wie  er  das  Reich  regierte.  Seine  Herrschaft  war  nicht 
absolut,  sie  war  gesetzmässig:  wie  er  dort  an  die  Volksrechte  ge- 
l)unden  war,  so  achtete  er  sich  hier  zur  Beobachtung  der  kirch- 
hchen  Gesetze  verpflichtet.  Innerhalb  dieser  Schranken  aber  hatte 
seine  Macht  keine  Grenze.  Seine  Kapitulnrien  griften  überall  in 
das  Geljiet  der  kirchlichen  Gesetzgebung  und  der  kirchlichen  Xer- 
waltung  ein;  sie 'i)estimmten  das  Grosse,  wie  sie  das  Kleine  regelten; 
sie  eiTieucrten  altes  und  schufen  neues  Recht. '^)     Die  Königsboten 


1)  Ale.  ep.  93  S.  137. 

2)  Ciipit.  22  S.  53.  Hcfele  (CG.  III  S.  664)  sieht  in  dem  Kapitular 
eine  Vorlage  Karls  für  die  Aachener  Synode  von  789,  welche  die  liischöfo 
annehmen  und  zu  einer  kirchlichen  Vorschrift  erheben  sollten.  Aber  da 
das  Schriftstück  gerichtet  ist  an  omnes  ecdesiasticae  pietatis  ordines  seu 
saecularis  potentiae  dignitates,  so  ist  das  unmöglich.  Die  Worte  der  Ein- 
leitung: Considerans  .  .  una  cum  sacerdotibus  et  consilariis  nostris  zeigen, 
dasa  der  Erlass  als  Resultat  einer  Verhandlung,  an  der  geistliciio  und  welt- 
liche Grosse  teilnahmen,  betrachtet  sein  will.  Der  Satz:  (.^uapropter  et 
nostros  ad  vos  direximus  missos,  lässt  annehmen,  dass  die  königlichen  Send- 
boten den  Erlass  an  die  einzelnen  Bischöfe  überbrachten. 

3)  Die  Belege  hiefür  bringt  das  4.  Kapitel. 


—     113     — 

kontrolierten  die  Ausführung  der  kirchlichen  Vorschriften  ebenso 
wie  sie  die  Beobachtung  der  weltUchen  Gesetze  überwachten.^) 
In  allen  kirchhchen  Angelegenheiten  stand  die  letzte  Entscheidung 
bei  dem  König:  selbst  die  Synoden  legten  ihm  ihre  Beschlüsse 
vor,  dass  er  Fehlendes  beiftige.  Irriges  bessere,  das  Richtige  dui'ch- 
fiihre.-)  Mit  einem  Wort:  Karls  Thätigkeit  umspannte  das  ganze 
Gebiet  des  kii'chhchen  Lebens;  für  die  Herrschaft  der  Päpste  Hess 
sie  keinen  Platz.  Deshalb  sind  direkte  Eingrifte  Roms  in  die  Lei- 
tung der  deutschen  Kirche  unter  Karl  nicht  vorgekommen:  traf 
der  Papst  eine  organisatorische  Massregel,  so  war  er  vom  König 
dazu  beauftragt;-^)  entschied  er  eine  Streitfrage,  so  war  sie  ihm 
vom  König  zui'  Entscheidung  zugevnesen;"*)  verhängte  er  den  Bann, 
so  geschah  es  im  Einvernehmen  oder  auf  Anlass  des  Königs. '') 
Auch  die  Disziphn  über  die  Bischöfe  hat  Leo  III.  ihm  geradezu 
überlassen.*^)  Päpsthche  Erlasse  galten  keineswegs  als  entscheidend 
ftii-  die  königlichen  Bestimmungen:  sie  waren  Autoritäten  neben 
andei-n,  aber  nicht  über  andern.')  Daraus  folgte  nicht,  dass  der 
Einfluss  Roms  unter  Karl  erlahmte  oder  dass  das  Ansehen  des 
Papsttums  sank.  Beides  war  dadui'ch  verhütet,  dass  er  in  dem 
Römischen   das    kirchlich  Normale    sah.     Während    an  Herrschaft 


1)  Vgl.  z.  B.  Cap.  33,  10  ff.  (a.  802)  S.  98  f. 

2)  Synode  von  Arles  813.     Mansi  XIV  S.  62;  vgl.  S.  117  Anm.  3. 

3)  Erhebung  Arns  zum  Erzbischof.  (J.W.  2496 :  Quod  vestra  .  .  excel- 
lentia  mandasset  nobis  .  .,  quod  Arnonem  .  .  archiepiscopum  constitueremus.) 
Entscheidung  über  den  erzbischöflicben  Rang  von  Moustier  en  Tarantaise, 
Embrun  und  Aix,  Cap.  28,  8  S.  75.  Verfügungen  über  Grado  und  Aqui- 
leja  J.W.  2521.  Ich  kann  nicht  finden,  dass  Ketterer  S.  103  mit  Recht 
hieraus  folgert:  die  Abgrenzung  der  einzelnen  Metropolitansprengel  voll- 
zog Rom. 

4)  S.  S.  111  Anm.  2  und  vgl.  Cod.  Carol.  67  S.  594  ff. 

5)  Tassilo,  Ann.  Lauriss.  z.  787  S.  74  f.  Die  Adoptianer,  vgl.  hierüber 
unten.  Die  päpstlichen  Androhungen  des  Bannes  hat  Weyl  S.  72  ff.  zu- 
sammengestellt. Sie  beweisen  natürlich  nichts,  da  an  sich  jeder  Bischof 
berechtigt  war,  den  Bann  zu  verhängen. 

6)  Vgl.  J.W.  2521  über  Fortunat  von  Grado:  Ut  de  anima  eius  curam 
ponatis,  ut  per  vestrum  pavorem  suum  ministerium  melius  expleat.  Quia 
non  audivimus  de  eo,  sicut  decet  de  archiepiscopo.  Der  Gedanke  ihn  zur 
Rechenschaft  zu  ziehen,  kommt  dem  Papst  überhaupt  nicht. 

7)  Bezeichnend  ist  hiefür  Karls  Entscheidung  des  Streites  zwischen 
Arn  und  Ursus  von  Aquileja.  Der  letztere  berief  sich  auf  die  antiqua  auc- 
toritas,  der  erstere  auf  römische  Privilegien.  Karl  erklärte:  Nos  eorundem 
auctoritatem  neutiquam  falsara,  neutiquam  infirmam  facere  volumus,  quia 
una  antiquitate,  altera  s.  Rom.  ecclesiae  sublimitate  praecellebat,  entschied 
aber  secundum  rectitudinis  normam  anders  als  beide  beanspruchten  (B.M.  448). 

Hauck,  Kirchengeschichte.    IL    2.  Aufl.  8 


—     114     — 

Ivoins    nicht    gedaclit    wurde,    stieg    docli  der  geistige  Einfliiss  des 
Papsttums. 

In  letzterer  Hinsiclit  tiinlerte  Karl  die  zuerst  von  Ronifntius 
in  die  fränkische  Kirche  vcrptianzten  Anschauungen.  Al)gesehen 
davon  alu-r  waren  sie  völlig  verschwunden:  die  ^Nlacht  des  Kaisers 
über  die  Kirche  war  im  Reiche  Karls  diesellje  wie  im  Staat  der 
Merowinger  die  Macht  des  Königs. 

In  welchem  Masse  die  v(in  Karl  ausgesprochenen  Anschau- 
ungen herrschend  waren,  tritt  geradezu  überraschend  darin  hervor, 
dass  die  Fremden,  welche  Karl  in  seine  Umgebung  zog,  seine 
Stellung  innerhall)  der  Kirche  nicht  anders  ansahen  als  er  selbst. 
AVie  oft  bezeichnete  Alkuin  Karl  als  den  Schützer  der  heiligen 
Kirche:  er  dachte  dabei  nicht  nur  an  Schutz  gegen  äussere  Feinde, 
sondern  auch  an  Behütung  vor  falscher  Lehre.  ^)  Mit  zwei  Schwertern 
lässt  er  Karl  ausgerüstet  sein:  mit  dem  einen  schlage  er  im  Innern 
der  Kirche  die  falschen  Lehren  nieder,  mit  dem  anderen  wehre  er 
der  Verwüstung  durch  die  Heiden.-)  Daran  fügte  sich  sofort  ein 
anderer  Gedanke:  Karl  ist  der  Leiter  der  Kirche  Christi:'*)  er 
bessert  das  Schlechte,  stärkt  das  Gute,  erhfiht  das  Heilige,  breitet 
den  chnsilichen  Glauben  aus:^)  seine  Autorität  kann  das.  was  in 
der  Kirche  nicht  zu  loben  ist,  leicht  beseitigen.'*)  Man  wundert 
sich  nicht,  dass  er  den  König  schliesslich  geradezu  als  Priester*) 
und  Prediger")  bezeichnet,  dass  er  die  Kirche  seiner  Herrschaft 
untergeordnet  sein  lässt.'')     Er  preist  das  fränkische  Volk  glücklich 

1)  Vgl.  z.  B.  ep.  41  S.  84;  171  S.  281:  202  S.  335. 

2)  Ep.  171  S.  282.  Dümruler  zitiert  zu  dieser  Stelle  Lo.  22,  38.  Ich 
zweifele  doch,  ob  eine  Beziehung  anzunehmen  Ist  (vgl.  die  Auslegung  der 
Stelle  ep.  136  S.  206). 

3)  Ep.  136  S.  209:  Dilectissime  ecclesiarum  Christi  dofensor  ot  rector, 
tuap  nanctissiniae  eapientiae  venerabile  studiuni  alios  aramonendo  exhorte- 
tur,  alios  castigando  corrigat,  alio.s  vitae  distiplinis  erudiat.  ut  omnibus 
omnia  factus  ex  omnibus  mercedem  habere  niereari.s  perpetuam.  Carm.  26 
V.  6  S.  245. 

4)  Ep.  121  8.  176. 

5)  Ep.  136  S.  209;  vgl.  211  S.  351;  carm.  4-5  v.  42  S.  258. 

6)  Adv.  Elip.  I,  16  S.  25:  C'atholicus  in  fide,  rex  in  potestate,  pontifex 
in  praedicatione,  iudex  in  aequitate,  philosophu.s  in  literarum  studiis. 

7)  Ep.  41  S.  84:  Beatus  populus  tali  rectore  exaltatus  et  tali  praedi- 
catore  munitun.  Die  stärkste  .Stelle  ist  wr.lil  ep.  171  S.  281:  guod  olim 
apostolici  patre.M  suis  scriptis  in  contirmationem  fidei  catholicao  diversis 
mundi  partibus  peregerunt,  hoc  vestra  sanctissima  sollicitudo  implere  non 
cetsat;  vgl.  178  S.  294. 

8)  Ep.  198  S.  327:  Dum  vestrae  potentiae  gloriosam  sublimitatem 
non    periturae  Chaldeis    flammis    Hierusalem    imperare   scio,   sed    perpotuae 


—     115     — 

um  seines  Herrschers'  willen:  das  siegreiche  SchAvert  halte  er  in 
seiner  Rechten,  die  Posaune  der  katholischen  Predigt  ertöne  von 
seinen  Lippen.  Deshalb  sei  er  der  neue  David;  denn  auch  der 
israelitische  König  habe  die  Nationen  ringsum  unterworfen,  unter 
seinem  Volk  aber  sei  er  der  Prediger  des  göttlichen  Gesetzes 
gewesen.^) 

Welche  Stellung  bUeb  dann  für  den  Papst?  Wir  wissen,  wie 
hoch  Alkuin  das  Papsttum  stellte;  aber  er  hatte  keine  Ahnung 
davon,  dass  es  je  zu  einem  Gegensatze  der  geistlichen  und  welt- 
hchen  Macht  kommen  könne.  Der  Grund  war,  dass  auch  er  das 
päpstliche  Amt  als  ausschliesslich  in  der  rehgiösen  Sphäre  befind- 
lich betrachtete.  Er  empfahl  sich  einmal  Hadrians  sonderlicher 
Fürbitte;  dabei  äusserte  er.  gewiss  höre  der  Papst  nicht  auf^  täg- 
lich die  ganze  Christenheit  vor  Gott  zu  vertreten  und  besonders 
für  diejenigen  zu  bitten,  welche  ihn  eigens  darum  angingen.  Auch 
er  sei  dui'ch  die  Taufe  Eigentum  des  Hirten,  der  seine  Seele  für 
seine  Schafe  dahingegeben,  und  der  sie  dann  dem  Petrus  zur  Weide 
anvertraut  habe,  indem  er  ihm  zugleich  die  Macht  verlieh,  im 
Himmel  und  auf  Erden  zu  lösen  und  zu  binden.  Seinen  Stell- 
vertreter, so  spricht  er  zu  dem  Papste,  erkenne  ich  in  Dir:  Du 
bist  der  Erbe  wunderbarer  Macht.  Er  fährt  fort,  er  sei  eines  von 
den  dem  Papste  anvertrauten  Schafen,  aber  schwer  krank  durch 
seine  Sünden;  deshalb  komme  er  zu  ihm,  um  geheilt  zu  werden: 
diu-ch  die  ihm  von  Christo  verliehene  Gewalt  möge  er  das  Band 
seiner  Schuld  lösen.-) 

Der  Papst  als  der  vornehmste  Träger  des  Schlüsselamts  war 
für  Alkuin  gewissermassen  der  Repräsentant  der  göttlichen  Gnade 
auf  Erden.  Mit  diesem  Gedanken  verband  sich  leicht  die  Hoch- 
stellung der  päpsthchen  Lehrautorität.  Leo  dem  Dritten  iiift 
Alkuin  zu:  Du.  der  Du  den  Schlüssel  des  Himmelreichs  trägst, 
der  Du  von  dem  Lichte,  das  alle  Menschen  erleuchtet,  diis  Licht 
der  Weisheit  besitzest.  Du  Hirte  der  Schafe  Christi,  weide  die- 
jenigen, welche  Dir  übergeben  sind,  mit  dem  Brote  des  Lebens,  den 
Blüten  der  Tugenden,   dem  Worte  der  Predigt.")     In  einem  Brief 


pacis  civitatem  pretioso  sanguine  Christi  constructam  regere  atque  guber- 
nare,  etc. 

1)  Ep.  41  S.  84. 

2)  Ep.  27  S.  68;  ähnlich  an  Leo  III.  ep.  94  S.  138  f. 

3)  Ep.  234  S.  379f.  Wenn  Alkuin  dabei  sehr  nachdrücklich  bemerkt: 
Hoc  est  opus  tuum,  haec  laus  dignitatis  tuae,  wenn  er  vor  saecularis  ara- 
bitionis  cupiditas  warnt,  so  sieht  man,  dass  er  das  Übergreifen  des  Papstes 
auf  das  weltliche  Gebiet  ebenso  entschieden  missbilligte,  als  er  das  der 
Bischöfe  vei-warf-,  vgl.  ep.  17  S.  48:  Divisa  est  potestas  saecularis  et  potestas 

8* 


—      IIG     — 

an  die  Mönclie  in  Südfrankroich  orklärt  er:  Wer  als  ein  katholischer 
Chnst  und  nicht  als  Schismatiker  erfunden  werden  \vill.  der  folge 
der  hewälirten  Autorität  der  römischen  Kirche;  lasst  uns  das  Vor- 
hild  unseres  Heils  immer  da  nehmen,  woher  wir  im  Anfan";  den 
katliolischen  Glauhen  empfangen  hahen,  damit  nicht  die  (^lieder  von 
ihrem  Haupte  geschieden  werden,  damit  uns  nicht  der  Himmels- 
plortner  als  abtrünnig  von  seinen  Lehren  verwerfe.') 

Von  diesen  Gedanken  ging  nun  aher  Alkuin  niciit  dazu  weiter, 
dass  er  ein  Recht  des  Papstes,  bindende  Vorschriften  zu  erlassen, 
behauptete:  zu  befehlen  gebührt  dem  König.  Der  Papst  herrscht 
nur  diuch  >eine  Lehren  und  Ermahnungen.-)  Hier  ist  die  Schranke 
zwischen  den  beiden  Gewalten. 

Niemand  wird  in  Alkuins  Aussagen  eine  reifhch  erwogene 
Theorie  übei-  wc^ltliche  und  geistliche  Macht  finden  wollen.  Sie 
sind  Reflexe  der  thatsächlichen  Lage,  die  er  im  fränkischen  Reiche 
antraf.  Gerade  darauf  beruht  ihr  Wert;  denn  sie  zeigen,  dass 
ernst  gesinnte  Männer  die  Gewalt,  welche  Karl  in  der  Kirche 
übte,  nicht  als  drückend  empfanden:  sie  erkannten  sie  nur  als 
heilsam. 

Andere  haben  das  nicht  minder  bestimmt  ausgesprochen  als 
Alkuin.  Nicht  in  dem  Papst,  sondern  in  dem  König  sah  Theodulf 
von  Orleans  den  Stellvertreter  des  Petrus:  er  sprach  von  einer 
Kfinigshen-schaft  Karls  über  die  Kirche. "^  Nach  der  Zerstörung 
des  Langobardenreichs  richtete  ein  Priester,  Namens  Cathwulf,  ein 
Schreiben  an  Karl,  das  auf  uns  gekommen  ist.  Da  nennt  er  ihn 
den  Stellvertreter  Gottes,  dessen  PHicht  es  sei,  alle  Glieder  Gottes 
zu  behüten  und  zu  regieren.    In  die  zweite  Reihe  nach  dem  König 


spiritatis;  illa  portat  glarlium  mortis  in  manu,  haec  clavora  vitae  in  lingua. 
Um  80  bemerkenswerter  ist,  dass  er  von  diesem  Grundsätze  dem  Koni«? 
pejfenüber  keine  Anwendung  macht.  Über  die  päpstliche  Lehrautoritäl  vgl. 
femer  oarm.  15  S.  238;  28  8.  247;  adv.  Felic.  VII,  14  S.  227. 

1)  Kp.  137  S.  215. 

2)  Carm.  28  v.  17  £f.  S.  247. 

3)  Carm.  32  v.  31  ff.: 

Caeli  habet  hie  (Petrus)  claves,  proprias  te  jussit  haben", 

Tu  regis  ecclesiac,  nam  regit  ille  poli. 
Tu  regis  eius  opes,  clcrum  popnlumque  gubemaa 
Hie  te  caelicolaB  ducot  ad  usque  choros. 
Von   Ludwig  d.  Fr.   carm.  37  Str.  3: 

Hie  decus  ,Iudae,  ecclesiae  paterque 
Ornat  hanc  sollers,  recreat,  fovetque, 
Erudit,  mnnit,  colit,  instruitque 
Dogmate  largo. 


—     117     — 

steUt  er  d\e  Bischöfe,  seien  sie  doch  nur  Stellvertreter  Christi. 
Sein  Amt  der  Kirche  gegenüber,  hielt  er  sodann  dem  König  vor, 
sei  noch  nicht  ausgelichtet,  wenn  er  den  geistlichen  Stiftungen 
reiche  Pnvilegien  erteile,  nein,  Karl  habe  rechte  Bischöfe  einzu- 
setzen und  mit  ihnen  die  Klöster  zu  regieren.  Cathwulf  hatte  ein 
gewisses  Gefühl  dafür,  dass  das  Kirchhche  und  das  StaatHche 
selbstständige  Gel>iete  sind;  es  dünkte  ihn  ein  Frevel,  wenn  die 
Klöster  durch  Laien,  nicht  durch  ihre  geisthchen  Hirten  reformiert 
würden:  aber  in  dem  König  dachte  er  das  auf  den  unteren  Stufen 
Getrennte  vereinigt.^) 

Dieselbe  Bemerkung  macht  man  bei  Paulinus  von  Aquileja: 
mit  allem  Nachdruck  erklärte  er  sich  dagegen,  dass  Bischöfe 
politisch  thätig  seien  oder  zu  Felde  zögen;  darin  erbhckte  er  eine 
tiefe  Schädigung  der  Kirche.-)  Aber  ebenso  entschieden  war  er 
der  Meinung,  dass  der  Beruf  des  Herrschers  sich  auch  auf  die 
Kirche  erstrecke :  =^)  Geisthches  und  Weltliches  dachte  er  wie  zwei 
Gebiete,  welche  von  einem  Herrn  regiert  werden,  im  übrigen  jedoch 
selbststänchg  neben  einander  stehen.  Seine  Anschauung  teilten  seine 
italienischen  Amtsgenossen;  am  Schlüsse  des  Gutachtens,  welches 
sie  auf  der  Synode  von  Frankfurt  im  Jahre  794  abgaben,  fordern 
sie  Karl  zum  Kampf  wider  die  Feinde  des  christhchen  Namens 
auf;  vor  allem  Geräusche  der  Welt  möge  die  Kirche  behütet  werden, 
damit  die  Priester  dem  Herrn  allein  dienen  mid  nur  in  seinem 
Lager  Kriegsdienste  leisten  können.  Kämpfe  Kaii  gegen  die  sicht- 
baren Feinde  Christi,  so  stritten  sie   mit  geistlichen  Waffen  gegen 

1)  M.G.  Epist.  IV  S.  501  ff.  Nr.  7. 

2)  Bruchstück  eines  Briefs  an  Karl  M.G.  Epist.  IV  S,  52-5  Nr.  18  a; 
vgl.  18  b.  Beinahe  sämtliche  Sätze  finden  sich  wieder  in  dem  sogenannten 
Libell.  sacrosyll.  der  Italiener  auf  der  Frankfurter  Synode. 

3)  Ep.  18  c  S.  527:  Ut  admirabili  in  rerum  eccle&iasticarum  sive  civi- 
lium  administratione  strenuus  et  sapientiae  fönte  redundes  et  virtutis  ex- 
hibitione  triumphes.  Vgl.  das  Schreiben  der  Synode  von  Forumjulii  (Mansi 
XIII,  829  ff.,  auch  M.G.  Ep.  IV  S.  517  Nr.  15):  Quae  cuncta  (die  Synodal- 
beschlüsse) .  .  in  vestro  decrevimus  reservare  iudicio :  quatinus  .  .  si  nullius 
esse  deprehendantur  momenti,  vestrae  auctoritatis  censura  penitus  abolita 
sopiantur;  si  vero  alicuius  fortasse  utilitatis  .  .  poterunt  approbari,  vestris 
fulcita  fortius  adiumentis  vivaciter  convalescant.  S.  520:  Neminem  alium 
(als  Karl)  arbitrati  sunt  s.  ecclesiam  de  inlatis  iniuriis  tam  potentissime 
quam  regali  animadversione  ulcisci,  vicariam  ab  eo  vicissitudinis  expetens 
curam;  ut  quemadmodutn  illa  eum  et  in  praesenti  saeculo  nequam  sacris 
tuetur  perpetem  precibus,  et  inter  bella  spiritalibus  non  cessat  coronare 
triumphis,  et  coelesti  regno  .  .  participem  fieri  imprecatur,  ita  et  ille  princi- 
palem  adeptus  potentiam  et  ab  inimicis  eins  valenter  eam  defendere  et  de 
hostibus  eins  .  .  non  desinat  vindicare. 


—     118     — 

die    unsichtlianMi  Feinde.     Karl    aber  sei  Herr  und  Vater.    Kimig 
und  Priester,  aller  Christen  Leiter  und  Führer.') 

Stellen  wir  nehen  diese  Äusserungen  Ficnider  die  Aussagen 
fränkischer  Männer!  Finer  der  Tiicnldgen,  die  Karl  iil)er  di(!  Frage 
des  Ausgangs  des  heiligen  Geistes  /u  Kate  zog,  äusserte  sich  in 
der  AVidniung  seines  Gutachtens  darüber,  wie  viel  die  Christenheit 
dem  Krmig  verdanke:  nicht  nui-  Friede  und  Ruhe,  sondern  auch 
die  stetig  Avachsende  Ausbreitung  des  christlichen  Glaubens,  die 
Unterdrückung  der  Irrlehren,  die  Pflege  der  geistHchen  und  welt- 
lichen Wissenschaft.  Dabei  ist  es  für  ihn  selbstvei-ständlich,  dass 
die  Kirche  unter  dem  Gebot  seiner  Herrschalt  steht:  Karl  erscheint 
wie  der  Stellvertreter  Christi,  dieser  triumjjhiert  in  seinen  Thaten.-) 
In  derselben  Zeit  schrieb  der  Abt  Smaragdus  von  St.  Mihiel  für 
den  jugendlichen  König  Ludwig  seinen  „Königlichen  Weg".  Hier 
mahnt  er  den  Fürsten:  Der  Eifer  um  das  Haus  des  Heirn  soll 
dich  verzehren;  denn  in  diesem  Hause  Gottes  bist  auch  du  ein 
Glied  Christi.  Siehst  du  etwas  Verkehrtes  in  der  Kirche  CJhristi, 
eile,  es  zu  ändern;  lass  nicht  ab,  es  'zu  bessern.  Siehst  du  im 
Hause  Gottes  einen  in  Üppigkeit  und  Trunkenheit  verfallen,  so 
hindere,  verbiete,  drohe,  wenn  der  Eifer  um  das  Haus  Gottes  dich 
verzehri.  Siehst  du  einen  Stolzen  oder  Zornmütigen,  einen  Trunk- 
süchtigen oder  Neidischen,  einen  l'ppigen.  Geizigen  oder  (Grausamen, 
so  bändige  alle,  bedrohe  alle,  halte  alle  in  strenger  Zucht.  Thue, 
was  du  kannst,  gemäss  der  Stellung,  welche  du  hast,  gemäss  dem 
Königsamte,  das  du  führst,  gemäss  dem  (Jhristennamen,  den  du 
trägst,  als  Stellvertreter  Christi,  der  du  bist.-') 

Das  waren  Anschauungen,  die  num  in  Kom  nicht  teilen  konnte. 
Von  kirchlichen  Aufgaben  Karls  wusste  und  sjjrach  m.in  freilich 
auch  dort.  Aber  man  beschränkte  sie  ;iuf  die  Verteidigung  der 
Kirche  gegen  äussere  Feinde  und  auf  die  Fihöhung  Roms  und  des 


\)  Miinai  XIII.  8^3. 

2)  Vgl.  M.G.  Epist.  IV  S.  490  Nr.  3  die  Widmunpr  'I't  Alkiiin  /.uge- 
8chripl)cnen  Schrift  dp  i)rocos8.  Spir.  s.  Über  die  Frage  <lnr  Aiitorschaft 
unter,  im  5.  Kapitel.  Die  Haiiptstellon  sind:  fllniversalis  occlesia)  sub  ex- 
cencntis.sinio  dominationis  ve.strae  inij»crio  conversatnr.  .  .  Chri.sto,  qui  ve.stri 
est  cordis  possessor,  per  vos  de  ipsis  (haeretifis)  triumphante  .  .  .  Vestrae 
dominationis  titulus  nulla  aetate,  niilla  otiam  vetustato  aliolente,  in  uni- 
versali  manebit  ecclesia. 

3)  Via  Tf-K-  <•■  18  (Mifjne  102  S.  9.*)H).  ('bor  Smanigdus  und  seine  Schrift 
f«.  u.  Buch  V  Kapitel  3.  Statt  violentia  temulentum  ist  offenbar  vinolentia 
7.U  lewn.  Ähnliche  Äusserungen  anderer  fehb-n  nicht,  vgl.  /..  IJ.  Amalar. 
pp.  7  ad  Ludov.  Pium  (M.G.  Kp.  V  S.  258):  Cum  sciamus  vos  roctorem  esse 
totius  christiacae  religionix,  quantum  ad  homine.s  pertinct. 


—     119     — 

Papsttums  durch  immer  neue  Gaben  und  Schenkungen;  höchstens 
dass  man  noch  den  Schutz  des  Glaubens  vor  jeder  Gefalii"  nannte,') 
Dagegen  wurde  mit  absichthchem  Nachdruck  hervorgehoben,  dass 
den  Päpsten  die  Sorge  für  die  Gesamtkirche  übertragen,  dass  ihnen 
die  Herrscliaft  über  dieselbe  verliehen  sei.-)  Man  behauptete,  die 
Kirchen  von  Konstantiuopel.  Alexandria  und  Antiochia  seien  Rom 
nicht  nur  unterworfen,  sondern  sie  wagten  auch  nicht  einer  römischen 
Entscheidung  zu  widersprechen.^)  Die  Rechte,  welche  Karl  in  An- 
spruch nahm,  wurden  nicht  direkt  bestritten;  aber  niemals  wurden 
sie  gebilligt  oder  anerkannt.  Kein  Wunder:  man  hatte  den  orien- 
talischen Kaisern  gegenüber  zu  nachdrücklich  die  Unabhängigkeit 
des  geistlichen  Gebiets  von  der  weltlichen  Macht  vertreten.*)  als 
dass  man  die  h'änkischen  Anschauungen  hätte  annehmen  können. 
Verwarf  man  den  Satz:  Ich  bin  Kaiser  und  Priester,  wenn  ein 
Nachfolger  Konstantins  d.  Gr.  ihn  aussprach,  wie  hätte  man  ihn 
billigen  sollen,  wenn  er  von  dem  Erben  Pippins  behauptet  wurde  ?'^) 
Hier  lag  ein  Keim  künftigen  Zwiespalts.  Im  Momente  frei- 
Kch  w^ar  nichts  davon  zu  bemerken:  zu  überwältigend  war  die 
Pei-sönlichkeit  Karls,  zu  unbedeutend  Hadriau  und  Leo.  Unge- 
hindert von  ihnen  und  kaum  gefördert  durch  sie  waltete  Karl 
in  der  fi'änkischen  Kirche:  das  neue  Leben,  das  in  ihr  erwuchs, 
ist  allein  durch  ihn  geweckt  und  gepflegt,  zur  Blüte  und  Reife 
gebracht. 


1)  Z.  B.  Cod.  Carol.  55  S.  579. 

2)  Hadrian  an  Karl  794  (M.G.  Ep.  V  S.  6):  Evangelium  scientibus 
iiquet,  quod  .  .  Petro  claves  regni  caelorum  et  totius  ecclesiae  cura  com- 
missa  est  (Jo.  21,  17;  Lc.  22,  31;  Mt.  16,  18  f.).  Ecce  cura  ei  totius  eccle- 
siae et  prineipatus  committitur.  Et  ipse  vices  suas  vicariis  suis  pontificibus 
relinquere  dinoscitur  ecclesiae   curam  gerendi.     Vgl.  Cod.  Carol.  94  S.  634. 

3)  Hadrian  an  den  Abt  von  St.  Denis  M.G.  Ep.  Y  S.  4. 

4)  Gregor  IL  an  Kaiser  Leo  Isaur.  (Mansi  XII,  968  f.J :  Scis,  imperator, 
s.  ecclesiae  dogmata  non  imperatorum  esse  sed  pontificum,  quae  tuto  debent 
dogmatizari.  Idcirco  ecclesiis  praepositi  sunt  pontifices  a  reipublicae  negotüs 
abstinentes;  et  imperatores  ergo  similiter  ab  ecclesiasticis  abstineant,  et 
quae  sibi  commissa  sunt,  capessant. 

5)  Derselbe  an  denselben  (1.  c.  S.  976  f.):  Scripsisti:  Imperator  sum 
et  sacerdos  .  .  Non  sunt  imperatorum  dogmata  sed  pontificum;  quoniam 
Christi  sensum  nos  habemus.  Alia  est  ecclesiasticarum  constitutionum  in- 
stitutio  et  alius  sensus  saecularium  .  .  .  Quemadmodum  pontifex  introspi- 
ciendi  in  palatium  potestatem  non  habet  ac  dignitates  regias  deferendi,  sie 
neque  imperator  in  ecclesias  introspiciendi  et  electiones  in  clero  pei'agendi 
neque  consecrandi. 


Drittes  K  a  ])  i  t  e  1. 

Theologie  und  Litteratur. 


Pippiu  hat  die  von  Bonifatius  begonnene  Reform  der  frän- 
kischen Kirche  geüh-dert,  indem  er  die  äussere  Ordnung  in  den 
kirchhchen  Dingen,  so  weit  es  anging,  wiederherstellte.  Karl  fuhr 
darin  fort;  aber  er  beschränkte  sich  nicht  darauf:  er  arbeitete  au 
der  inneren  Erneuerung  der  Kirche.  Das  wichtigste  Mittel,  dessen 
er  sich  bediente,  war  die  Pflege  der  Theologie.^) 

Als  Karl  die  Regierung  antrat,  war  die  fränkische  Kirche 
vollständig  theologielos:  es  fehlte  alles,  was  auch  nur  entfernt  auf 
den  Namen  wissenschaftlicher  Thätigkeit  Anspruch  machen  konnte. 
In  diesem  Punkte  war  der  Untei-schied  zwischen  England  und 
Deutschland  inmiens.  Als  er  starb,  war  der  Yorsprung  Englands 
nicht  nur  verschwunden,  England  wai-  überholt:  nun  deckte  sich 
fränkische  Theologie  und  abendländische  Theologie  überhaupt.  Dass 
es  dazu  kam.  ist  Karls  Werk:  es  ist  das  Grösste,  Reinste,  was  er 
für  die  Kirche  geleistet  hat. 

Er  war  dabei  ganz  (.rigiual.  Als  Politiker  hatte  er  seinen 
Vater  zum  Vorbild;  ohne  den  Riss  zu  verändern.  l»aute  er  auf 
dem  von  ihm  gelegten  Gninde  weiter.  Auch  als  Feldhen-  ist  er 
in  die  Schule  Pippins    gegangen;    wie    das    kriegerische  Talent    in 

1 )  Man  verjfleiche  zu  diesem  Kapitel,  abgesehen  von  der  Spoziallitte- 
rdtur:  Biihr,  Geschichte  der  römischen  Litteratur  im  karolingiscben  Zeit- 
alter (Karlsruhe  1840r,  Ebert,  Allgemeine  Geschichte  der  Litteratur  des 
Mittelalters  im  Abendlande  (2.  Bd.,  Leipzig  1^80);  Wattenbach,  GQ.  I  6.  Aufl. 
S.  150  ff.;  Werner.  Alcuin  und  sein  Jahrhundert  (Wien  1881);  L.  Traube, 
Karolingische  Dichtungen  (Berlin  1888)  S.  46  ff. 


—     121     — 

der  Familie  Arnulfs  -von  Metz  erblich  war,  so  gew-iss  auch  eine 
strategische  Tradition.  Dagegen  fanden  die  Interessen  der  Kultur 
bei  Pippin  wenig  Mege.  Zwar  hören  A\-ir,,  dass  ihm  ein  Mann 
wie  der  Kelte  Yirgil  wegen  seiner  Gelehrsamkeit  wert  war;^)  al)er 
er  schätzte  an  ihm  wohl  vornehmhch  die  Selbstständigkeit  der 
Gedanken,  die  ausser  der  Regel  gingen.  Denn  sonst  Überhess  er 
die  Gelehrten  sich  selbst.  Von  seines  Vaters  Tagen  her  bestand 
am  Hofe  eine  Schule:'^)  dort  lehrte  man  diejenigen  Kenntnisse, 
welche  für  die  Bildung  der  Prinzen  und  der  Söhne  der  Aristo- 
ki-atie  als  unerlässlich  galten.'^)  Aber  die  Aufsicht  über  die  Schule 
lag  in  den  Händen  der  Königin,^),  Pippin  nahm  sich  nicht  darum 
an.  Auch  die  Sorge  für  die  Aufzeichnung  seiner  Thaten  über- 
liess  er  anderen,  seinem  Oheim  Hildebrand  und  seinem  Vetter 
Nibelung.'^) 

In  jener  Schule  wm'de  Karl  unterrichtet;")   schwerlich  würde 


1)  Conv.  Bogoar.  2  (M.G.  Scr.  XI  S.  6). 

2)  Unter  Karl  Martell  war  der  spätere  Abt  Gregor  von  Utrecht  Schüler 
der  Hofschule  (V.  Greg.  2  M.G.  Scr.  XV  S.  67). 

3)  V.  Wal.  I,  6  S.  442  (Mab.):  Fuit  a  puero  inter  tirocinia  palatii 
liberalibus  mancipatus  studiis.  Der  Verfasser  der  V.  Wilh.  Gellon.  liisst 
seinen  Helden  c.  3  A.  S.  Mab.  IV,  1  S.  70  disciplinis  liberalibus,  literis 
divinis  ac  diversis  philosophorum  doctrinis,  ut  erat  moris  fieri  de  principum 
filiis,  unterrichtet  werden.  Das  war  unter  Pippin,  übrigens  nicht  an  der 
Hofschule.  Man  darf  wohl  auch  aus  Cod.  Carol.  24  S.  529  auf  die  Lehr- 
gegenstände an  der  Hofschiile  schliessen;  hier  schreibt  Paul  I.  an  Pippin: 
Direximus  .  .  praecellentiae  vestrae  et  libros,  quantos  reperire  potuimus:  id 
est  antiphonale  et  responsale,  insimul  artem  gramaticam,  Aristolis  (sie!), 
Dionisii  Ariopagitis  geotnetricam,  orthografiam,  grammaticam,  omnes  Greco 
eloquio  scriptas.  Wenn  Paschasius  Radbert  die  deutsche  Bildung  Adalhards 
und  Walas  hervorhebt  (\.  Adal.  77  S.  532;  V.  Wal.  I,  1  S.  533),  so  dient 
auch  dies  zur  Charakteristik  der  Hofschule  unter  Pippin. 

4)  V.  Bened.  1  M.G.  Scr.  XV  S.  201:  Hie  .  .  filium  suum  in  aula 
gloriosi  Pipini  regis  reginae  tradidis  inter  scolares  nutriendum. 

5)  Fredeg.  cont.  34  S.  182. 

6)  V.  Adalh.  7  S.  525;  Ale.  adv.  Elip.  I,  16  S.  251.  Es  ist  herkömm- 
lich, diese  Angaben  als  stark  übertrieben  zu  behandeln  (vgl.  z.  B.  Abel, 
JB.  S.  21).  Ich  bezweifle  nicht,  dass  der  Zustand  der  Hofschule  unter 
Pippin,  verglichen  mit  dem  unter  Karl,  viel  zu  wünschen  übrig  Hess.  Doch 
beweisen  die  Anmerk.  3  beigebrachten  Notizen,  dass  von  einer  Art  wissen- 
schaftlicher Unterweisung,  wissenschaftlich  natürlich  im  Sinne  des  8.  Jahr- 
hunderts, geredet  werden  kann.  Jedenfalls  darf  man  auf  die  Nachricht, 
dass  Karl  nicht  schreiben  konnte,  so  grosses  Gewicht  nicht  legen,  wie 
gewöhnlich  geschieht.  Man  muss  erwägen,  dass  das  Schreiben  eine  Kunst 
war.  und  dass  man  deshalb  ganz  allgemein  zu  diktieren  pflegte.  Das  thaten 
Männer,  die  selbst  schreiben  konnten,  wie  Alkuin  (ep.  207  S.  343  f),  Bene- 


—     122     — 

sie   ilmi   den    Weii  des  Wissens  für  die  meiischliche  Gemeinschaft 
erschlossen   hahen,    wenn   nicht  ein   angeborenes   Rihlungshedürfnis 
in   ihm   gehöht   hätte.     Seinen  Zeitgenossen   fiel   sein  nncrsiitthcher 
Wisscnsdnrst    iinf:')    er    gehcirte    in    der    That    zu    den    Menschen, 
welchen    das  Vnvei-standene   lästig  ist:    mochte  es  sich  um  Namen 
handeln,  welche  jedermann  gedankenlos  gebrauchte,  da  sie  altüber- 
liefert  waren,-)   oder  um  Erscheinungen,    welche  das  Zeitalter  als 
unheindich  anstaunte,  da  sie  aussergewöhnlich  waren  :=')  Karl  wollte 
darüber  unterrichtet  sein.     Auch  da.  wo  anderen  Männern  das  Ge- 
tuhl   der  Ehrfurcht   den  ^NFund  schloss.   wagte  er  zu  fragen:  er  be- 
merkte   Unebenheiten    in    der   h.  Schrift    und    er   wollte    eine   Er- 
klärung  des   Irrationellen*).      Weil    ihm    das  Wissen    [Befriedigung 
gewährte,    schätzte    er    es    als    notwendig    für    die    Allgemeinheit. 
Besoudei-s  für  die  Ausrichtung  des   kirchlichen  Berufs  dünkte  ihn 
ein  gewisses  Mass  theologischer  Bildung  unerUisslich.     Dies  Urteil 
ist  ihm  nicht  erst  erwachsen,   als  er  durch  die  Eroberung  Italiens 
in  Beriihrung  mit  ]\Iäunern  kam,   welche  an  Bildung  die  Franken 
seiner  Umgebung   überragten.''^)     Es  stand   ihm  bereits  fest,   als  er 
den  Thron   bestieg.     Schon  in  seinem  ersten  Kai)itulare")  vei-Tügte 
er,  dass  ungebildete  Priester  so  lange  zu  sus])endieren  seien,  bis  sie 
die   Lücken    ihres   AVissens   ausgefüllt   hätten.      Weigerten   sie  sich 
dessen,  so  sollten  sie  abgesetzt  werden:  denn  die  das  Gesetz  Gottes 
nicht  verstehen,  seien  auch  nicht  imstande,  es  anderen  zu  ])redigen.') 


dikt  von  Aniane  fV.  Ben.  41  S.  218),  selbst  ein  .junger  Mönch  wie  Candidus 
von  Fulda  (V.  Eigil.  1  M.G.  Scr.  XV  S.  222)  oder  der  spätere  Hischof  Lul 
von  Mainz  (Honif.  et  Lul.  ep.  92  S.  379:  Propria  manu  scripsi  haec:  Observa 
quae  precipiuntur  et  salvus  eris).  Vgl.  Monod,  Etudes  crit.  sur  les  sources 
de  l'hist.  Carol.  1898  S.  40 f. 

1)  V.  Ale.  9  8.  190;  vgl.  Servat.  Lup.  ep.  1  S.  44:  Cui  litterae  eo 
usque  deferre  deVjent,  ut  aeternitati  j)arent  memoriam. 

2)  Die  Namen  der  Sonntage  vor  Ostern  (Ale.  ep.  143  S.  225). 

3)  SonnenfinsterniH  (M.G.  ep.  IV  S.  570). 

4)  Vgl.  die  Antworten  Leos  III.  auf  die  Fragen  Karls  nach  dem  ge- 
weissagten Nazarenus  Mi.  2,  23,  und  den  falschen  Zitaten  Mc.  1,  2  u.  1  Co. 
2.  H  (M.G.  Kp.  V  S.  93  Nr.  4).  Die  Theologen  der  Kurie  fanden  nur  recht 
dürftige  Antworten. 

:>)  So  Biihr,  Gesch.  d.  röm.  Lit.  S.  11;  Ehert.  G.  d.  L.  d.  MA.  II  S.  4. 

6)  Die  Zeit  des  ersten  Kapitulars,  das  Karl  erliess  (C'ap.  19.  S  44), 
.Meht  mcht  fest;  doch  verlegt  man  es  allgemein  in  die  ersten  .Tahro  seiner 
Kegierung  (7fi9  oder  770);  so  Al.el,  JB.  S.  68,  Boretius  S.  44.  Mühlbaclier 
Nr.  13fi.  Die  Echtheit  ist  von  Simson  in  der  zweiten  Auflage  von  Abels 
JB.  bezweifelt  (S.  667  ff.),  doch  giebt  er  selbst  seinem  Zweifel  keine  prak- 
ti.sche  Folge. 

7)  C.   i:.  f.  S.  46. 


—     123     — 

In  den  meisten  Vorschriften  dieser  Verordnung  sind  ältere  Bestim- 
mungen wiederholt;  die  angeführten  Sätze  dagegen  haben  kein  Vor- 
bild: sie  enthalten  eigene  Gedanken  des  jungen  Königs. 

Aber  im  fränkischen  Reiche  fehlten  ihm  die  Männer,  deren 
er  zur  Verwirklichung  seiner  Ideen  bedurfte.  Er  musste  sie  in  der 
Fremde  suchen;  es  gelang  ihm  rasch,  einen  Kreis  von  gelehrten 
Ausländern  um  sich  zu  sammeln,  die  vorübergehend  oder  dauernd 
sich  am  Hofe  aufhielten.  Durch  sie  ist  die  theologische  Wissen- 
schaft im  fränkischen  Reich  heimisch  geworden.  Vornehmlich 
waren  es  Angelsachsen:  es  ist  der  zweite  Dienst,  welchen  die  eng- 
lische Kirche  der  deutschen  seit  der  Landung  des  Bonifatius  leistete: 
nach  dem  Reformator  sandte  sie  ihr  die  Gelehrten. 

Der  erste  Angelsachse,  der  in  Karls  Dienste  trat,  war  Beonrad.') 
Schon  im  Jahr  777  ül)ertrug  ihm  der  König  die  Leitung  der  Pip- 
pinidischen  Familienstiftung  zu  Echternach.-)  Er  muss  sich  in  dieser 
Stellung  bewährt  haben;  denn  im  nächsten  Jahrzehnt  wurde  er  an 
die  Spitze  des  Bistums  Sens  gestellt.^)  Seine  Abtei  behielt  er  trotz- 
dem. Man  kann  bemerken,  dass  er  die  philologischen  Neigungen 
teilte,  die  in  den  Klöstern  seiner  Heimat  gepflegt  wurden:  wer  ihm 
grammatische  Schriften  schenkte,  wusste,  dass  er  ihm  damit  eine 
Fi'eude  machte.*)  Die  Theologie  hat  er  deshalb  nicht  vernach- 
lässigt; mit  Interesse  verfolgte  er  neue  Erscheinungen.'^)  Auch  zu 
einer  diplomatischen  Sendung  war  er  zu  gebrauchen;  Karl  hat  ihn 
790.  oder  791  mit  der  Ausrichtung  ziemlich  heikeler  Aufträge  in 
Rom  betraut.*^)    Er  starb  797.') 

Weit  folgenreicher  wurde  der  Eintritt  eines  zweiten  angel- 
sächsischen  Mannes    in    den    fränkischen    Dienst:    Alkuius.*^)     Im 


1)  Seine  angelsächsische  Herkunft  beweist  sein  Name. 

2)  Catal.    abb.    Epternac.      M.G.    Scr.   XIII    S.   738    vgl.   XXIIl    S.   31 

not.  60. 

3)  Er  kommt  in  Alkuins  Schriften  mehrfach  unter  dem  Namen  Samuel 
vor;  carm.  4  v.  25  flf.  S.  221  erscheint  er  als  Abt,  carm.  8  S.  228  u.  carm, 
16  S.  239  als  Bischof  von  Sens.  Über  den  Samuel  der  ep.  88  S.  133  vgl. 
unten. 

4)  Alkuin  schickte  ihm  grammatische  Schriften  von  Priscian  u.  Phokas, 
tali  quia  munere  gaudet,  carm.  4  v.  34  S.  221. 

5)  Er  gehörte  zu  den  ersten  Lesern  des  Johanneskommentars  Alkuins, 
ep.  49  S.  93;  auch  hat  ihm  dieser  die  Biographie  Willibrords  gewidmet, 
v.  Willibr.  S.  39. 

6)  Cod.  Carol.  94  S.  63^  ff. 

7)  Catal.  abb.  Epternac.  1.  c. 

8)  Über  die  Form  des  Namens  s.  Traube,  Karl.  Dicht.  S.  47  Anm.  1. 
Nach  ihm  ist  Alchvine,  Alchvinus  die  richtige  Schreibung.    Alcuini  opp.  ed. 


—     124     — 

März  781  traf  Karl  in  Parma  mit  ihm  zusammen:^)  eine  znCälliwe 
Begeguuuj;,  wi'lrlie  die  weittragendsten  Folgen  hatte.  Denn  in  ihm 
erkannte  der  König  den  Mann,  der  ihm  nötig  war.  Alknin  stand 
damals  im  kräftigsten  Mannesalter:  er  ist  wahrscheinlich  um  730 
geboren. '■■')  Wie  bei  so  vielen  kirchlichen  ^Nfäimern  dieser  Zeit  ist 
sein  Geschlecht  vergessen;*')  mau  weiss  nur,  dass  er  ein  Xorthum- 
berer  war*)  und  dass  er  einer  wohlhabenden  Familie  entstammte.'') 
D;ls   Kloster    in    York    war    seine   Heimat;    dort    erwuchs  er  vom 


Frobenius  (Regensburg  1777).  Ich  zitiere  nach  dem  Nachdruck  bei  Migne 
100  und  101.  Wattenbach  und  Dümniler,  Monumonta  Alcuiniana  (Berlin 
1873),  hier  die  Biographie  Alkuins,  das  Leben  Willibrords,  das  Gedicht 
über  die  Heiligen  der  Yorker  Kirche  und  die  Briefe.  Die  letzteren  auch 
M.G.  ?]pist.  IV.  Die  Gedichte  in  den  Poet.  lat.  I  S.  160  ff.  Briefe  und  Ge- 
dichte sind  nach  diesen  Ausgaben  zitiert.  Disputatio  de  rhetorica  et  de 
virtut.  in:  Rhetor.'lat.  min.,  ed.  Halm  fLeipzig  1863);  Disp.  Pipp.  cum 
Albino  in  Zeitschr.  f.  deutsches  Altert.  N.  F.  II.  Die  V.  Ale.  auch  M.G. 
Scr.  XV  S.  184  ff.  —  Lorentz,  Alkuins  Leben  (1829);  Bahr  a.  a.  0.  S.  302; 
Wattenbach  a.  a.  0.  S.  1.59  ff.;  Werner  a.  a.  0.  S.  22  ff.;  Ebert  a.  a.  0. 
S.  12  ff.;  Düramler  in  der  AUg.  deutschen  Biographie,  ders.  N.A.  XVIII 
S.  .53  ff.  und  SB.  der  Berliner  Ak.  XXVII  S.  49.5  fl\  Möllers  (H.  Hahns) 
Artikel  in  der  P.  RE.;  Sickel.  Wiener  SB.  Bd.  79  (1875)  S.  401  ff;  Monod 
a.  a.  0.  S.  45  ff. 

1)  V.  Ale.  9  S.  190.  Über  diese  Biographie  s.  Wattenbach,  GQ.  I 
S.  163.  Ihr  Verfasser  schrieb  zwischen  821  und  829  auf  Grund  der  Er- 
zählungen de.s  bereits  verstorbenen  Sigulf  (Vetulus;  über  ihn  s.  u.).  Der 
Wert  seines  Werks  wird  beeinträchtigt  nicht  nur  durch  die  Tendenz,  in 
.\lkuin  einen  Mustermönch  zu  zeichnen,  sondern  auch  durch  willkürliche 
Wiedergabe  des  Überlieferten:  dafür  ist  c.  H.  (vgl.  mit  ep.  200  S.  332) 
charaktoristisch  (s.  u.  S.  128  Anm.  2).  Sind  die  Angaben  des  Biograj)hen 
richtig,  da.«s  Alkuin  von  Eanbald  von  York  (llx — 796)  nach  Rom  gesandt 
wurde  und  das.s  er  in  Parma  mit  Karl  zusammentraf  --  was  wir  jedoch 
nicht  kontrollieren  können  — ,  so  fand  das  Zusammentreffen  im  März  781 
statt;  denn  daniale  verweilte  Karl  in  der  genannten  Stadt  (B.M.  226). 

2)  Sein  Geburtsjahr  ist  nicht  überliefert;  das  gewöhnlich  genannte 
.Jahr  735  beruht  auf  Annahme.  Dünnnlpr  iiat  N.A.  XVIII.  S.  54  für  wahr- 
scheinlich erklärt,  dass  er  älter  war.  Mit  Recht;  denn  im  .lahr  767, 
als  Iiiudger  nach  York  kam  (s.  u.),  war  er  bereits  Lehrer  an  der  Schule 
(V.  Liudg.  I,  10  S.  407);  im  .Fahre  796  spricht  er  von  sich  als  einem  (ireise, 
ep.  114  S.  169;  i.  J.  801  meint  er,  er  sei  seinem  Alter  nach  dem  Tod 
unmittelbar  nahe:  Me  tacito  pede  rurva  senectus  festinarc  cogit  ad  praesen- 
tiam  judicis  mei  (ep.  225  .S.  369). 

3)  Seine  Verwandtschaft  mit  Willibrord  erwähnt  er  selbst  V.  Willibr.  1 
S.  41. 

4)  Ep.  122  S.  180. 

5)  V.  Ale.  9  S.  190. 


—     125     — 

Knaben  zum  Jüugliiig  und  Manne.  Die  Pietät  der  Erinnerung 
führte  die  Gedanken  des  Greises  nicht  darüber  hinweg  zum  Eltern- 
haus. M  Was  ihm  das  Kloster  bot.  zeigt  seine  spätere  Thätigkeit: 
ein  gewisses  Mass  universaler  Bildung,  bestimmt,  in  den  Dienst  der 
Theologie,  der  Frömmigkeit  zu  treten.  Nur  das  mönchische  Vor- 
urteil seines  Biographen  weiss  von  einem  Zwiespalt  zwischen  der 
klassischen  Gelehrsamkeit,   welche   man  in  York  pflegte,   und  den 


1)  Vgl.  ep.  42  S.  85.     Dass  Alkuin  Mönch,   nicht  Kanoniker   war,  be- 
hauptete Mabillon,  A.  S.  IV,  1  S.  156  ff.  und  bestreitet  Puckert,  Aniane  und 
Gellone   S.  248  ff.    vgl.    schon   Möller-Hahn:    nicht  Mönch    im   eigentlichen 
Sinn.     Was  Puckert  über  die  Lebensweise  Alkuins  in  Tours  sagt,  ist  nicht 
beweisend ;  denn  hiebei  lässt  er  die  zweifellose  Thatsache  ausser  Acht,  dass 
die    zu    Recht    bestehende   Benediktinerregel    in    den  Benediktinerklöstern 
sehr  schlecht  beobachtet  wurde,  ein  Mangel,  der  seinen  Darlegungen  nicht 
nur  an  diesem  Punkte  anhaftet.     Die  Entscheidung  liegt,  wie  mich  dünkt, 
bei  der  Frage,   ob  das  Haus,   aus  dem  Alkuin  hervorging,  ein  Kloster  oder 
ein  Stift  gewesen  ist.     Diese  Frage  aber  beantwortet  Alkuin  selbst  ep.  42 
S.  86,   indem   er  an   die  Brüder  in  York  schreibt:    Regularis  vitae  vos  or- 
dinet    disciplina,    oder    ep.  43  S.  88:    Concordes    estote    in   omni  regularis 
vitae   disciplina.     Dass   die    regularis  vita  für  Alkuin   das  Leben  nach   der 
Benediktinerregel  ist,  ergiebt  sich  aus  ep.  19  S.  54.     Dort  mahnt  er  Regu- 
laris  vitae   observationem  .  .  custodite.     Dazu  gehört  aber:    Saepius  regula 
s.  Benedicti   legatur  in  conventu  fratrum,   ib.     Die  Brüder  in  York  waren 
also  Mönche  wie  die  in  Durham,  oder  wie  die  Brüder  in  Holy  Island  ep.  21 
S.  58  f.     Da    aber  Alkuin    ep.  42    von  den  b.  patres,   praedecessores   nostri 
spricht,   die   den  Weg   zum  Himmel   ihm   vorangegangen  sind,  da  er  ep.  9 
S.  35  die  Benediktiner  in  Corbie  als  seine  Brüder  bezeichnet,  so  spricht  die 
Wahrscheinlichkeit  dafür,  dass  auch  er  als  Mönch  zu  betrachten  i.st.     Das 
ist  die  Voraussetzung  für   die  Klage:   Temptavi  saepius  ad  portum  stabili- 
tatis  venire.     Sed  rector  rerum  .  .  needum  concessit  posse  quod  olim  fecit 
velle  (ep.  97  S.  141).     Die   stabilitas  loci  gehört  bekanntlich  zu  den  Bene- 
diktinergelübden.    Alkuin  hat  sie  abgelegt:    Fecit  velle.     Aber  sein  Loben 
widersprach    ihr:    Nos    ambos    quaedam    necessitatis   catena    constringit   et 
libero   cursu  voluntatis  castra  intrare   non   permittit.     Alkuin  schreibt  das 
i.  J.  796.     In  dasselbe  fällt  die  Übertragung  der  Abtei  St.  Martin.    Sie  wird 
mit  seinem  Wunsche  (saepius  temptavi),  endlich   seinem  Gelübde  genügen 
zu  können,  zusammenhängen.     Dem  entspricht,  dass  Karl  ihn  als  religiosus 
bezeichnet,    Ale.    ep.    247   S.  400;    denn    die    religiosa    conversatio    ist    das 
Mönchsleben  ep.  54  S.  98.    Die  Stelle  vita  Ale.  prol.  M.G.  Scr.  XV  S.  185 
wo  Benedikt  als  Vorbild  der  Mönche,  Alkuin  als  das  der  Kanoniker  bezeich- 
net wird,  erklärt  sich  genügend  aus  der  Thatsache,  dass  St.  Martin,  als  der 
Verfasser  schrieb,  Kanonikat  war.     Dass  c.  5  S.  187  zur  Beantwortung  der 
Frage  nichts  austrägt,  ist  klar.     Bemerkenswert  scheint  mir  dagegen   die 
Parallelisiei-ung  mit   Benedikt  c.  7  S.  188.     Auch  Alkuin    selbst    hat  wohl 
an  ihn  erinnert  ep.  260  S.  418. 


—     126     — 

religi(»sen  Zielen,  zu  denen  man  sich  bekannte.^)  Alkuin  selbst 
AViir  so  glücklich,  diesen  KoiiHikt  niemals  zu  empfinden.  Obgleich 
er  als  das  Beste,  das  er  den  Brüdern  in  York  verdankte,  die 
Unterweisung  in  den  heiligen  Wissenschaften  betrachtete,'')  wurde 
er  nie  irre  in  der  Freude  an  dem  welthchen  Wissen,  das  er  bei 
ihnen  erworben  hatte. 

Die   Lehrer. in   York   waren  ^Männer   aus  der   Schule   Bedas: 
treulich  hielten  sie  die  Richtung  inne,  welche  der  grosse  Präceptor 
Angliae   den  Studien  gegeben  hatte.     So  war  es  zwar  ein  Irrtum, 
aber  es  hatte  doch  ein  sachliches  Recht,  wenn  man  in  Deutschland 
Alkuin  als  Schüler  Bedas  betrachtete.'^)     An  der  Spitze  der  Schule 
stand  Erzbischof  p]kl)ert;  bewundernd  blickte  Alkuin  auf  die  fürst- 
liche Art  seines  bischöflichen  Regiments;^)  aber  persöidich  scheint 
er   dem  Königssohne   nicht   näher   getreten   zu   sein:    auch  die  Be- 
wunderung  kann'  ferne   halten.     Dagegen   war  er  auf  das  innigste 
verbuiulen  mit  Aelbert,  Ekberts  Gehilfen  und  Nachfolger.'*)    P>  ist 
sein  geliebter  ]Meister;")  alles  Lob,  das  man  einem  Manne  erteilen 
kann,')  knüpfte  er  an  seinen  Namen.    Das  war  nicht  der  verzeihliche 
Irrtum  des  bewundernden  Schülers  in  der  Beuiieilung  des  Lehrei-s. 
Denn   Aelbert  üben-agte   wirklich  das  gewöhnliche  Mass.     Er  war 
ausgezeichnet   durch  Vielseitigkeit   des  Wissens:    nel)en    dem    Alten 
und  Neuen   Testament  lehrte  er  Grammatik,  Rhetorik  und  ^Ictrik, 
dazu  die  Wissenschaften  des  Rechts  und  der  Natur:^)  noch  konnte 
man    widmen,   dass  es  dem   einzelnen  möglich  sei,   alle  Zweige  der 
menschlichen   Erkenntnis    gleichmässig   zu    beherrschen.     Dazu  yvar 
Aelbert    eine  rastlos   vorwärts   drängende   Natur:   die    Summe  von 
Kenntnissen,   welche  er  besass,   genügte  ihm  nicht.     ^Nfehrmals  be- 
suchte er  den  Kontinent  in  der  Absicht,  die  litterarischeii  Schätze 
Yorks  zu  ergänzen  und  zu  vermehren.")     Bald  wurde  Alkuin  sein 
Begleiter  auf  diesen  Forschungsreisen.'")     Er  war  noch  ein  Jüng- 


1)  V.  Ale.  2  S.  185.  Hier  winl  erzählt,  dass  ein  nächtlicher  Spuk  den 
Knaben  von  seiner  verkehrten  Liebe  zu  Vir^il  heilte. 

2)  Ep.  42  S.  85. 

Zj  Monach.  Sangall.  I,  2  S.  632. 

4)  Über  ihn  De  Hanct.  Kubor.  eccl.  v.  1247  ff.;  V.  Ale.  4  S.  186.  Sein 
Todesjahr  766  bei  dem  Contin  IJed.,  «br  Tag  (19.  November)  V.  Ale.  6. 
S.  188. 

5)  Vgl.  über  ihn   Huhn,  H.  und  L.  S.  300  tf. 

6)  Kp.   114  S.  167.     Vgl.  carm.  2  S.  206. 

7)  De  sanct.  Eubor.  eccl.  v.  1397  ff. 
8j  L.  c.  v.  1431  ff. 

9)  L.  c.  V.  1453  ff. 
10)  Vgl.  Ep.  271   S.  429:  Magistri  mei  vestigia  secutus. 


—     127     — 

ling,  als  er  im  Gefblge  seines  Lehrers  Rom  zum  ersten  Male 
sah;^)  in  Pavia  lernte  er  damals  jenen  Petrus  von  Pisa  kennen, 
der  später  am  Hofe  Karls  Grammatik  lehrte.-)  Die  Reise  nach 
Italien  führte  durch  das  fränkische  Reich;  man  wurde  hier  auf 
den  jungen  Gelehrten  aufmerksam.  Es  ist  nicht  zu  bezweifeln, 
dass  er  in  Berührung  mit  dem  Hofe  kam;^)  Karl  hat  ihn  in  Parma 
nicht  zum  ersten  Male  gesehen.  Bei  diesem  und  jenem  fränkischen 
Bischof  und  Abt  genoss  er  die  herkömmhche  Gasttreundschaft:  ver- 
ehrend blickte  er  zu  den  älteren  Männern  empor,  während  er  mit 
den  Kleiikern  am  Hofe  als  gleicher  mit  gleichen  verkehrte.*)  Gerne 
weilte  er  in  Murbach;  dort  war  es  ihm  wohl;  er  hätte  ein  Glied 
der  Kongregation  sein  mögen. '^) 

Frühzeitig  erhielt  Alkuin  die  Diakonenweihe,''')  die  einzige 
kirchliche  AYürde.  die  ihm  je  zu  Teil  ward.  Er  strebte  nicht  weiter; 
seine  Lebensaufgabe  fand  er  im  wissenschaftlichen  Unterricht.    Als 


1)  Ep.  172  S.  285,  vgl.  143  S.  22.5.  Dass  Alkuin  als  Lehrer  einzelne 
Schüler  nach  Rom  sandte,  bezeugt  V.  Liuclg.  I,  12  S.  408. 

2)  Ep.  172  S.  285.  Er  war  Zeuge  eines  Streitgesprächs  zwischen  Petrus 
und  einem  Juden  Namens  Lullus. 

3)  V.  Ale.  9.  S.  190.  Diese  Nachricht  wird  bestätigt  durch  carm.  4 
S.  220  ff.  Ich  lasse  dahingestellt,  ob  das  Gedicht  in  das  Jahr  780  fällt,  wie 
Frobenius  annahm ;  jedenfalls  ist  es  geschrieben,  ehe  Alkuin  in  Karls  Dienste 
trat.  Eberts  Annahme  (L.  d.  MA.  II  S.  30),  das  Gedicht  gehöre  in  das  Jahr 
790,  lässt  sich  nicht  festhalten:  da  Alberich  und  Fulrad,  welche  v.  6  u.  59 
als  lebend  erwähnt  werden,  784  starben  (Ann.  Mosell.  z.  d.  J.,  M.  G.  Scr. 
XVI,  497).  Auch  Lul  von  Mainz  v.  53  und  Basin  von  Speier  v.  56  waren 
i.  J.  790  schon  tot.  Ist  es  richtig,  dass  Beonrad  777  Abt  von  Echternach 
wurde,  so  ist  damit  das  Datum  gegeben,  nach  dem  das  Gedicht  geschrieben 
sein  muss.  Die  Annahme  Jaffes  zu  ep.  1.  S.  144  (70  S.  113  ed.  Dümmler), 
Alkuin  sei  identisch  mit  dem  V.  Hadr.  26  genannten  Albuinus  deliciosus 
ipsius  regis,  ist,  obwohl  von  Duchesne  in  der  Anmerkung  z.  d.  a.  St.  gebilligt, 
schwerlich  richtig,  s.  Dümmler,  N.A.  XVIU  S.  57  f.  Da  Alkuin  sicher  nach 
dem  Rücktritt  Aelberts  (778)  in  York  lehrte,  wie  hätte  er  schon  773  ein 
Vertrauter  Karls  sein  sollen?  Aus  dem  Namen  allein  lässt  sich  nichts 
schliessen;  denn  der  Name  Albinus  kommt  in  dieser  Zeit  öfters  vor.  Monods 
Erinnerung,  dass  die  Stelle  erst  geschrieben  ist,  als  Alkuin  hoch  in  Karls 
Gunst  stand,  S.  45  Anm.  2  scheint  mir  die  Schwierigkeit  nicht  zu  beseitigen. 

4)  Carm.  4  S.  220  ff. 

5)  Ep.  271  S.  429.  Ob  der  Besuch  Murbachs  mit  der  Romreise  zu- 
sammenfällt, wie  Abel  JB.  S.  391  und  Dümmler  zu  dem  angef.  Brief  an- 
nehmen, lasse  ich  dahingestellt:  man  kann  es  weder  beweisen  noch  wider- 
legen. Die  Erwähnung  Aelberts  scheint  mir  nicht  zwingend,  vgl.  die  Grab- 
schrift: Quem  .  .  secutus  eram,  dum  Romam  .  .  vel  Francorum  .  .  regna  petit 
(Poet.  lat.  I  S.  206). 

6)  V.  Ale.  8  S.  189. 


—     128     — 

Af'lheii  im  Jahre  778  auf  seine  Amter  vei'zichtete.  übertrug  er  ihm 
denn  auch  die  Leitung  der  Yorker  Sclude  und  die  Verwaltung 
der  Bil)liotht'k.')  Xacli  einigen  Jahren  trat  er.  wie  erwähnt,  in  die 
Dienste  Karls,  ^fan  nuiss  in  England  die  Regierungsmassregeln 
des  fränkischen  Königs  mit  dem  lebhaftesten  Interesse  veHblgt 
hal)(>n:  es  ist  Alkuin  vorausgesagt  worden,  dass  das  Leben  ihn 
schhosslich  in  das  Frankenreich  führen  werde."-)  Anfangs  dachte 
er  nicht,  sich  für  immer  zu  binden;'^)  i.  J.  786  treft'en  wir  ihn  denn 
auch  wieder  in  England;'*)  nicht  minder  hat  er  die  Jahre  790 — 793 
in  der  Heimat  zugebracht;'')  aber  das  war  doch  nur  eine  Unter- 
brechung seiner  fränkischen  Thätigkeit,"),  nicht  eine  RückktOn-  zu 
dauernder  "Wirksamkeit  in  England.  Seit  793  ist  er  der  neuen 
Heimat  treu  geblieben.  Es  ist  bezeichnend  für  ihn.  dass  er  auf 
der  Eraukfui-ter  Synode  von  794  sich  in  aller  Form  in  die  Gebets- 
gemeinschaft der  deutschen  Kirche  aufnehmen  liess,  Karl  selbst 
hat  seinen  Wunsch  der  Synode  vorgetragen.')  Er  stattete  den 
Gelehrten  mit  den  Abteien  Ferrif-res  und  St.  Lupus  in  Troyes 
aus;"*)  im  Jahre  796  übertrug  er  ihm  ausserdem  St.  Martin  in 
Toui-s,  eine  der  reichsten  Abteien  Fi-ankreichs.")    Aber  der  äussere 


1)  De  sanct.  Eubor.  eccl.  v.  152.5  ff.  ("vgl.  ep.  114  S.  167).  Aelbert  starb 
780  (Ann.  Lindisf.  z.  d.  J.)  am  8.  November  (V.  Ale.  8  S.  189).  Da  er  zwei 
Jahre  vorher  sein  Amt  niedergelegt  hatte  (v.  1.564  f.),  so  ergiebt  sich  die 
angegebene  Zahl.  Unrichtig  ist  Werner.'?  Angabe  (Alcuin  und  sein  Jahr- 
hundert S.  10,1,  Alkuin  habe  schon  im  Jahre  766  die  Leitung  der  Schule 
übernommen  (s.  Ebert,  Lit.  d.  MA.  S.   13). 

2i  Ep.  200  S.  332:  Divina  ut  credo  iubente  dispensatione  ad  .  .  Carolum 
vocatufl  adveni;  sicut  mihi  quidam  sanctissimus  vir  prophetiaeque  epiritu 
preaditus  Dei  esse  voluntatem  in  mea  praedixerat  patria.  Dass  der  hier 
Erwähnte  nicht  Aelbert  war,  zeigt  das  Folgende.  Die  Biograj)hie  Alkuins 
wirrt  c.  8  S.  189  die  Angaben  ineinander. 

3)  V.  Ale.  9  S.  190. 

4)  Von  Dümmler,  N.A.  XVlil  S.  60  ö'.  auf  Grund  von  Sdralek  Wolfon- 
biittler  Fragmente  S.  124  ff.  (=  Ale.  ep.  8  S.  19  ff.)  nachgewiesen. 

•5)  V.  AI«'.  9.  Über  die  Zerwürfnisse  zwischen  Karl  und  König  Offa  von 
Mercia,  mit  denen  Alkuins  Rückkehr  zusammenhängt,  s.  Simson  JB.  S.  7  ff. 
Ep.  7  S.  31  f.  schrieb  Alkuin  Anfanp  790  vom  Kontinente  aus;  dagegen 
8 — 15  S.  33  ff.  von  P'.ngland  an  Freunde  im  fränkischen  Reich;  ep.  16  S.  42 
vom  Sommer  793  ist  wieder  von  hier  aus  ge.schrieben. 

6)  Dass  Alkuin  von  Anfang  an  die  Absicht  hatte,  zurückzukehren, 
zeigt  ep.  8.  S.  33. 

7)  C.  56  S.  78:    Eo    qund  e-sset  vir  in  ecclcsiasticis  doctrinis  eruditus. 

8)  V.  Ale.  9  S.  190. 

9)  L.  c;  vgl.  ep.  101  S.  148  aus  d.  J.  796.  Nach  der  angeführten 
Stelle    der   Biographie    erhielt  Alkuin    noch    andere   KUister.     Jaffe   (S.    18 


—     129     — 

Glanz  hat  Alkuin  nicht  gefesselt.  Es  lag  ihm  daran,  keinen  Iit- 
tum  über  die  Motive  aufkommen  zu  lassen,  welche  ihn  in  das 
fränkische  Reich  führten:  nachdrücklich  hat  er  versichert,  dass  ihn 
nm-  der  Gedanke  an  das  Wohl  der  Kirche  bewogen  habe.^)  Er 
war  glücklich,  denn  es  war  ihm  vergönnt,  zu  schauen,  welche  reich- 
liche Fnicht  seine  und  seiner  Genossen  Arbeit  trug.  Die  Freude 
über  diese  Erfolge  wii-d  ihn  zum  Franken  gemacht  haben;-)  denn 
leicht  wui-zelt  man  da  ein,  wo  man  Empfänghchkeit  für  die  eigenen 
Lebensziele  findet.  Das  kleine  Städtlein  Tom's  =^)  wurde  ihm  zur 
Heimat:  Karl  spottete  wohl  des  Fremides,  den  die  russigen  Dächer 
Tom-s'  schöner  dünkten  als  die  goldenen  Zinnen  Roms.*)  Er  aber 
meinte  den  König  darüber  bedauern  zu  müssen,  dass  die  Zwie- 
tracht Roms  ihn  nötige,  die  liebHchen  Stätten  Deutschlands  zu 
verlassen.')  Dem  alten  Vaterlande  wurde  er  nach  und  nach  fremd: 
was  er  von  den  enghschen  Verhältnissen  hörte,  stiess  ihn  ab:  er 
war  sich  klar  darüber,  dass  er  nicht  zm'ückkehren  könne;  er  hätte 
nicht  mehi-  dortliin  gepasst.*^)  Einmal  dachte  er  daran,  in  Fulda 
den  Rest  seines  Lebens  zuzubringen.'^)  Hat  ihn  der  Gedanke  an 
Bonifatius  dorthm  gezogen?  Denn  in  einem  Brief  an  die  Fulder 
Mönche  nemit  er  ihn  „unseren"  Vater,  auf  dessen  Fürbitte  er 
grosses  Vertrauen  setze.*)  Schhesshch  galten  die  Lebenden  ihm 
doch  mehr  als  die  Toten;  auf  Karls  Wunsch  ging  er  statt  nach 
Fidda  nach  Tom'S.'-*)  Im  Alter  erblindet,  Hess  er  sich  von  der 
Leitung  seines  Klosters  entbinden;  ^'0  er  starb  am  19.  Mai  804.^^) 

Anm.  1)  rechnet  dazu  Flavigni  unter  Verweisung  auf  M.G.  Scr.  VIII,  352 
und  502.  Ferner  übertrug  ihm  Karl  die  cella  s.  ludoci  (S.  Josse  sur  mer) 
Serv.  Lup.  ep.  16  S.  80.  Ich  vermute,  dass  Alkuin  auch  Leiter  des  Klosters 
Berg  bei  Roermund  war  (vgl.  carm.  31  v.  9  S.  249). 

1)  Ep.  43  S.  89;  vgl.  adv.  Elip.  I,  16. 

2)  Auch  790  von  England  aus  nennt  er  Karl  „unseren  König"  (ep.  8  S.  33). 

3)  V.  Wülibr.  I,  32  S.  62:  ,Muris  parvula  et  dispectibilis." 

4)  Ep.  178  S.  295. 

5)  L.  c.  S.  296:  „E  dulcibus  Germaniae  sedibus." 

6)  Ep.  44  S.  90  von  795  wünscht  er  England  vor  seinem  Tode  noch 
einmal  zu  sehen.  Dagegen  ep.  101  S.  147  aus  d.  J.  796:  Melius  visum  est 
mihi,  .  .  in  peregrinatione  permanere ;  nesciens,  quid  fecissem  inter  eos,  inter 
quos  nuUus  securus  vel  in  aliquo  salubri  consilio  proficere  potest.  Ep.  102 
S.  149:  Reverti  timeo. 

7)  V.  Ale.  11  S.  191;  vgl.  ep.  229  S.  373  f.  aus  dem  Herbst  801. 

8)  Ep.  250  S.  405,  801—802. 

9)  V.  Ale.  11  S.  191. 

10)  L.  c.  19  S.  194;  ep.  233  S.  378  aus  d.  J.  801. 

11)  V.  Ale.  26   S.  196  (vgl.   die   von  Wattenbach   zu   dieser    Stelle  ge- 
sammelten  annalistischen  Angaben).     Das  Jahr  ist  von  Mabillon  (A.  S.  IV, 

Hauck,  Kirchengeschichte.    II.    2.  Aufl.  9 


-      130     — 

Alkuin  war  zum  Gelelirteu  geschliffen.  Die  Existenz,  welche 
ihm  ertVeuHcli  schien,  schildert  er  anschauUch  iu  einem  Brief  an 
einen  iu  Itahen  weilenden  Schüler:  ..Deine  xlbwesenheit  ist  ftu- 
mich  eine  grosse  Last.  (J  wie  war  das  Leben  süsse,  als  wir  nn- 
gestört  an  den  Schreinen  sassen,  welche  den  Weisen  ei-fi-euen.  zwischen 
den  Keihen  der  Bücher,  vor  den  eluwürdigeu  Aussprüchen  der 
Väter:  da  fehlte  nichts,  was  für  frommes  Leben  und  Studium 
der  Weisheit  eribrderhch  ist.''^)  Es  war  ihm  heimlich  in  der 
Enge  und  Stille  des  Klosters.  Unter  seinen  vielen  Gedichten-) 
ist  eines  der  wenigen,  die  man  gerne  liest,  das  an  seine  Zelle: 
sie  hegt  versteckt  in  einem  Wald  von  Obstbäumen,  ringsum 
Gärten  voll  Blumen  und  Vogelsaug,  dann  die  fruchtbare  Aue,  die 
sich  hinal)  zum  Fluss  ausdehnt:  drinnen  aber  ein  regelmässiger 
Wechsel  ernsten  Studiums  uud  erhebender  Feier.'')  Was  dies  ge- 
lehrte Stilllebeu  störte,  war  ihm  widerwärtig:  von  welthchen  Ge- 
schäften wollte  er  nichts  wissen.-*)  Als  er  Abt  von  St.  Martin 
Avm-de,  war  er  ein  grosser  Herr;  er  hatte  gegen  zwanzigtausend 
Knechte.  Dass  ihm  v'm  Idi'chhcher  Gegner  daraus  einen  Vorwurf 
machte/')  regte  ihn  nicht  auf:  er  fühlte  sich  nicht  getroffen.  ,.Er 
weiss  nicht,''  urteilte  er,  „in  welchem  Sinne  man  die  Welt  be- 
sitzt: es  ist  etwas  anderes,  die  AVeit  besitzen,  etwas  anderes,  von 
ihr  gefangen  sein;  man  kann  Reichtümer  haben  und  doch  nicht 
haben,  entbehren  und  doch  haben."  Wer  möchte  ihm  nicht  glauben, 
wenn  er  behauptet,  er  habe  nie  einen  Menschen  füi'  seinen  pei-sön- 
lichen  Dienst  gekauft? ")  Seinen  Keichtum  betrachtete  er  eher  als 
eine  Gefahr  fdi'  sein  Seelenheil,  denn  als  ein  besonderes  Glück.") 
Er  Hess  sich  dui'ch  ihn  nicht  aus  der  gewohnteu  Bahn  drängen. 
Überhaupt  wusste  er,  was  ihm  lästig  Avar,  von  sich  zu  schieben: 
er  vfiiiiied  den  Aufenthalt  in  dem  von  Parteien  zerrissenen  Rom;^) 


1  S.  174)  bezweifeh;  Alkuin  könne  erst  nach  809  ge.storben  sein.    Die  Gründe 
sind  unzureichend. 

1)  Ep.  281  S.  439;  vgl.  ep.  215  S.  359. 

2)  Vgl.  über  dieselben  Bahr,  Gesch.  d.  röm.  Litt.  S.  78  ft'.;  Ebort,  Litt, 
d.  MA.  II,  20«. 

.3)  Carm.  23  S.  243  f.  Nachdem  Mabilion  mit  einem  Vielleicht  das 
Gedicht  Fridugisus  zugeschrieben  hatte,  erklärt  Dümmler  1.  c.  Anm.  2 
Alkuin  für  den  Verfasser. 

4)  Ep.  2-54  S.  411;  Quid  scire  valet  de  iudicio  saeculari  mea  aocordia, 
inter  quae  nunquam  fieri  volui;  vgl.  253  S.  409. 

5)  Elipandus  von  Toledo  (ep.  182  S.  302). 

6)  Ep.  200  S.  332. 

7)  Ep.  53  S.  97;  nach  Dümmler  sicher  vor  796. 

8)  Ep.  178  S.  295. 


—     131     — 

war  von  einer  Reise  'nach  ItaKen  die  Rede,  so  dachte  er  nur  an 
das  Fieber;^)  vollends  den  Anbhck  des  Kriegs  scheute  er:  „Ich 
bitte  flehend,"  schreibt  er  an  Karl,  „dass  mü'  gestattet  wird,  das 
Glück,  Dich  zu  sehen,  im  Lande  des  Friedens  und  der  Fi'eude  zu 
geniessen,  nicht  im  Lande  der  Zwietracht  und  des  Ki'ieges.  Was 
vermag  meine  Schwäche  unter  den  Waffen?  was  ein  Häslein  unter 
Wildschweinen?  was  ein  in  Frieden,  nicht  auf  Kampfplätzen  heran- 
gewachsenes Lamm  unter  den  Löwen?  Nach  der  Vorschrift  Gottes 
soll  der  Furchtsame  zu  Hause  bleiben,  damit  er  nicht  andere 
fürchten  mache;  Virgil  aber  schreibt  an  Augustus:  Du  jagst  die 
Eber;  ich  hüte  die  Netze."') 

So  nahe  er  den  pohtischen  mid  besonders  den  kirchenpohtischen 
Ereignissen  stand,  so  kann  man  doch  nicht  sagen,  dass  er  irgend 
den  Drang  hatte,  thätig  in  sie  einzugreifen.  Es  fehlte  ihm  die 
politische  Ader,  Sprach  er  sich  einmal  über  einen  politischen  Plan 
aus,  so  erwog  er  nicht,  was  der  Moment  forderte,  sondern  er  urteilte 
nach  allgemeinen  religiösen  Gesichtspunkten.  Als  Karl  im  Früh- 
jahr 801  die  beneventische  Sache  dm-ch  einen  Kriegszug  zur  Ent- 
scheidung zu  bringen  dachte,  machte  er  ihm  Vorstellungen:  er 
mderriet  den  Krieg;  denn  wenn  es  Gottes  Wille  sei,  werde  der 
Herzog  sterben,  ohne  dass  auch  niu-  einer  von  Karls  Getreuen  in 
Gefahi^  komme;  je  tiefer  sich  der  Mensch  unter  die  Hand  des  all- 
mächtigen Gottes  demütige,  um  so  schneller  räche  Gott  das  Un- 
recht, das  seinen  Knechten  geschehe.'^)  Alkuin  war  nicht  gewöhnt, 
dem  Kaiser  unaufgefordert  Ratschläge  zu  erteilen;  er  ftii'chtete,  Karl 
möge  ihm  darüber  zürnen. '')  Dazu  hatte  er  ohne  Zweifel  keinen 
Anlass.  Aber  wer  möchte  sich  wundern,  dass  Karl  seinen  politischen 
Rat  selten  begehrte  und  nie  befolgte?'^)  Diesem  Maugel  an  Ver- 
ständnis flu'  die  staatlichen  Dinge  entsprach  es,  dass  er  den  un- 
beschränkten Absolutismus  des  Herrschers  vertrat.  Karl  legte  ihm 
einmal  die  Frage  nach   dem  Verhältnis    von  Fürst  und  Volk  vor. 


1)  Ep.  281  S.  439;  vgl.  224  S.  367.  Er  litt  freilich  seit  seinem  Aufent- 
halt in  Eom  am  Fieber  (146  S.  236;  175  S.  290  u.  ö.). 

2)  Ep.  145  S.  234. 

3)  Ep.  211  S.  351  f.;  vgl.  178  S.  294. 

4)  Ep.  211  S.  352:  Deum  invoco  testem  cordis  mei,  me  haec  plena 
fide  et  perfecto  prosperitatis  vestrae  in  Omnibus  desiderio  scripsisse;  ob- 
secrans  supplici  devotione,  haec  eadem  patienter  vestram  legere  beatitudinem, 
nee  aliquid  iracundiae  in  meam  habere  praesuraptionem  talia  vestrae  inge- 
rentis  sapientiae.     Vgl.  ep.  179  S.  297. 

5)  Ausser  den  im  Text  erwähnten  Fällen  —  Sache  Leos  TIT.  S.  100 
und  Unternehmung  gegen  Benevent  —  kommt  in  Betracht  ep.  174  S.  289 
(Friede  mit  den  Sachsen). 

9* 


—     132     — 

Er  antwortete :  ,,Nach  göttlichem  Rechte  niuss  man  das  Volk  führen, 
nicht  ihm  folgen.  Auf  diejenigen,  welche  zu  sagen  pflegen:  Vox 
poi)uli  vox  Dei,  darf  mau  nicht  hören.  Denn  das  unruhige  Volk 
ist  stets  unvernünftig."'')  Man  begreift,  dass  er  die  Teilnahme 
kirchlicher  Männer  an  den  rein  staathchen  Geschäften  durchaus 
missbilligte.  Glaubte  er,  dass  sich  ein  Bischof  selbst  dazu  dränge, 
so  tadelte  er  ihn;-)  war  er  ül)erzeugt,  dass  er  sie  nur  widerwillig 
übernahm,  so  tröstete  er  ihn.  In  einem  Brief  an  Erzljischof  Arn 
von  Salzburg,  der  sich  mitten  im  grossen  Leben  bewegte  und  ge- 
legentlich darüber  seufzte,  stellt  er  die  Christenverfolgungen  und 
die  Notwendigkeit,  staatliche  Geschäfte  zu  übernehmen,  neben 
einander:  das  seien  die  Bedrängnisse,  durch  welche  die  Diener 
(Tottes  stets  ermüdet  würden.") 

Es  war  natürhch,  dass  er  sich  der  pohtischen  Thätigkeit  ganz 
entschlug:  er  konzentrierte  sich  auf  das  gelehrte  Studium  und  den 
Untenicht.  Sein  Sinn  hing  an  den  Büchern.  Die  von  Aelbert 
in  York  gesammelte  Biljliothek  war  ihm  so  heb,  dass  er  es  nicht 
unterlassen  konnte,  seinem  Gedichte  über  die  Heiligen  Yorks  einen 
Katalog  dei-selben  einzufügen.*)  Da  findet  man  die  gewichtigsten 
Bepräseutanten  der  Kirchenlehre  aus  dem  Morgen-  und  Abend- 
lande genannt;'^)  neben  ihnen  die  Mittelsmänner  z^s-ischen  Altertum 
und  Mittelalter,  Cassiodor  und  Boethius,  und  che  Begründer  der 
theologischen  Gelehrsamkeit  in  England,  Aldhelm  und  Beda.  Es 
fehlten  nicht  che  heichiischeu  und  christhcheu  Dichter,  die  ersteren 
freiUch  nur  dm'ch  einige  Lateiner  vertreten,")  um  so  vollzähliger 
die  letzteren. ")  Unbedeutend  war  der  Besitz  an  prosaischen  Werken 
der  antiken  Litteratur;  *^)  um  so  gi'össer  der  an  Schulbüchera.") 

1)  Ep.  132  S.  199. 

2)  Ep.  233  S.  378;  vg\.  230  S.  374  f.;  194  S.  322. 

3)  Ep.  265  S.  423;  vgl.  253  S.  409. 

4)  V.  1.540  ff.  S.  203  f. 

5)  HieronymuB,  Hilarius,  Aiubrosius,  Augustinus,  Athanasius,  Orosius, 
(iregor,  Leo,  Hasilius,  Fulgentius,  Chrysostomus,  Victorinus.  Lactanz  ist  bei 
den  Dichtern  genannt;  es  ist  deshalb  zu  vermuten,  dass  man  in  York  nur 
das  ihm  zugeschriebene  Gedicht  ,De   Phoenice'  besass. 

6)  Virgil,  Statins,  Lucanus.  Es  fällt  auf,  dass  Horaz  nicht  erwähnt 
wird,  nach  welchem  doch  Alkuin  .selbst  im  Kreise  der  Freunde  genannt 
wurde.     Dass  ihn  Alkuin   gleichwohl    kannte,   hat  Dümmler  Berl.  SB.  1891 

S.  505  f.  gezeigt. 

7)  Sedulius,    Juvencus,    Avitus,   Prudentius,  Prosper,  Paulinus,  Arator, 

Venantius  Fortunatu.'«,  Lactanz  (s.  o.). 

8)  V.  1548  ff.:  Historici  veteres,  Pompeiua,  Plinius,  ipse 

Acer  Aristoteles,  rhetor  quoque  Tullius  ingen«. 

9)  Alkuin  nennt  nicht  alle  Bücher  der  Bibliothek;    es   fehlen  in  dem 


—     133     — 

Der  Yorker  Bibliothek  entspricht  im  grossen  und  ganzen  der 
Umfang  des  Wissens  Alkuins;  von  den  Schriftstellern,  die  er  dort 
fand,  war,  ^xie  es  scheint,  keiner  ihm  ganz  unbekannt;  er  hat  noch 
viele   andere   zitiert,   dabei    manchmal   fremde   Zitate   Anederholt,^) 
anderes  jedoch   im    Original    gelesen.-)     Aber  die  Grenzen    seines 
Wissens  wurden  nicht  eigenthch  erweitert:    die  Litteratur  der  vor- 
konstantinischen  Kirche    bheb    ihm   fremd,  ^)   von    antiken  Werken 
kannte  er,    abgesehen   von  Lehrbüchem,   nur  einige  Dichter.     Da- 
gegen war  er  belesen  m  den  Schi-iftstellern  der  orthodoxen  Periode. 
Man  kann  nicht   erwarten,    dass  er  sie  in  anderem  Sinne  las,    als 
es    damals   und    noch   lange    allgemein   geschah.     Er   studierte  sie 
nur,  um  von  ihnen  zu  lernen.     Dass   er  sich  rieles  gemerkt  hatte, 
darin    bestand    seine    Gelehrsamkeit.     Er   war    sich   ihrer  bewusst. 
Während  er  im  allgemeinen  sehr  bescheiden  von  sich  dachte,*)  liielt 
er  etwas  auf  die  Anerkennung  seiner  Autorität  als  eines  Gelehrten: 
es  kränkte  ihn,  wenn  man  ihm  widersprach;^)  schon  der  Gedanke, 
dass   eine    von   der    seinen    abweichende    Anschauung   vorgetragen 
werde,    vollends,    dass,    was  er  schrieb,   Gegenstand  einer  vielleicht 
nicht  wohlwollenden  Kritik  werden  könne,  beriihrte  ihn  unangenehm.*^) 
Das  war  nicht  Unsicherheit  der  eigenen  Meinung,  sondern  die  leicht 
verletzte  EmpfindHclikeit   des  Stubenmenschen.     Denn    er  war  ge- 
wohnt, die  Dinge  genau  zu  nehmen:    wie^  ein  moderner  Philologe 
legte  er  Wert  auf  die  treue  und  richtige  Überhefemng  der  Texte.  ^) 
Dazu  passt,  dass  ihm  ein  Stück  von  der  Pedanterie  anhing,  welche 
Gelelu'ten  eigen  zu  sein  pflegt:  wer  möchte  nicht  über  die  Konse- 

Yerzeichnis  Werke  über  Arithmetik,  Geometrie  etc.,  die  man  bei  dem  Unter- 
richt nicht  entbehren  konnte. 

1)  Das  gilt  besonders  von  griechischen  Schriftstellern.  Cyrill  von 
Alexandria  wird  mehrfach  von  ihm  zitiert,  s.  ep.  28  S.  63  und  die  von 
Dümmler  notierten  Parallelen  aus  adv.  haer.  Fei.  und  adv.  Elip.,  und  vgl. 
vita  Ale.  10  M.a,  Scr.  XV  S.  190.  In  Joann.  VII,  40  S.  971  B  findet  sich 
eine  angeblich  aus  Josephus  entnommene  Notiz,  welche  jedoch  aus  Hiero- 
nymus  stammt  (in  Math.  26,  57). 

2)  Z.  B.  Jordanes,  den  er  sich  von  Angilbert  leihen  liess  (ep.  221 
S.  365) ;  Ambrosius  Autbert,  den  er  exzerpierte  (s.  u.).  Über  seine  Kenntnis 
des  Pseudo-Seneca  s.  Dümmler  Berl.  SB.  1891  S.  502. 

3)  Einzelne  Zitate  aus  Origenes  (ep.  203  S.  337)  und  Cyprian  (ep.  307 
S.  469  f.)  widersprechen  natürlich  nicht. 

4)  Ep.  172  S.  284 f.;  adv.  Felic.  VE,  1  S.  213. 

5)  Ep.  145  S.  231. 

6)  Ep.  149  S.  245:  Obsecro,  ut  piissima  bonitatis  vestrae  sapientia 
meum  magis  emendare  curet  errorem,  quam  scripta  parvitatis  meae  in 
manus  mittere  reprehendentium;  vgl.  ep.  214  S.  358;  carm.  42  v.  11  ff.  S.  254. 

7)  Ep.  172  S.  284;  carm.  94  S.  320. 


—     134     — 

(jueuz  lächeln,  mit  welcher  er  Männer  und  Frauen  seiner  Umge- 
bung statt  mit  ihren  guten  deutschen  Namen  mit  allerlei  vornehm 
klingenden  fremden  nannte,  und  über  die  Ernsthaftigkeit,  mit  der 
er  versichert,  darin  zeige  sich  die  Vertraulichkeit?') 

Der  Einfiuss,  welcher  von  Alkuin  ausging,  wai'  sehr  gross. 
Das  beruhte  in  erster  Ldnie  darauf,  dass  er  als  Gelehrter  seines 
Gleichen  im  fränkischen  Reiche  nicht  hatte.'-)  Sodann  aber  war 
er  ein  geborener  Lehrer:  alles,  was  er  unteniahm,  that  er  methodisch 
und  ordentlich;  er  vermied  es,  seine  Schüler  durch  Überhäufung  mit 
gelehi-tem  Stoft"  zu  verwirren,  und  suchte  sie  zunächst  zu  klarem  Ver- 
ständnis der  Hauptpunkte  anzuleiten.*'')  Endlich  konnte  die  sittliche 
Energie  seines  Wesens  nicht  ohne  Eindruck  bleiben.  Es  hat  frei- 
lich wieder  etwas  Pedantisches,  dass  er  Freunde,  denen  er  briefhch 
gute  Lehren  elteilte,  aufforderte,  sie  recht  häufig  durchzulesen.'*) 
Aber  dass  er  immer  neue  Briefe  lediglich  zu  dem  Zwecke  schrieb, 
die  Empfänger  zum  rechten  Vei'halten  zu  ermahnen,  lässt  doch 
ermessen,  mit  welchem  Nachdruck  er  in  seinem  Kreise  auf  sittliche 
Haltung  und  Charakterbildung  drang.'')  Es  gereicht  ilnn  zur  Elu'e, 
dass  er  solche  Mahnungen  selbst  seinen  königlichen  Zöglingen  nicht 
ersparte.")  Auch  in  seinen  Büchern  brachte  er  gerne  da  und  dort 
eine  moralisierende  Sentenz  an.^)  Demgemäss  galt  ihm  die  for- 
male Schulung  des  Geistes  nur  als  Mittel  zum  Zweck:  sie  sollte 
der  AVeisheit  dienen,  dem  höchsten,  weil  allein  l)leibenden,  unter 
allen  menschhcheu  Gütern.''*)     Die  AVeisheit  war  ganz  religiös  ge- 


1)  Ep.  241  S.  386.  Ebert  (Lit.  d.  MA.  II  S.  6)  erinnert  daran,  dass 
Alkuin  diese  Spielerei  von  England  her  gewöhnt  war.  Am  pedantischesten 
war  Alkuin,  wenn  er  Witze  machte;  er  unterliess  dann  nicht  anzumerken, 
dass  er  propter  refectionem  animi  sich  den  Scherz  erlaubt  habe  (ep.  97 
S.  141). 

2)  Dass  Alkuin  etwa.«  (Griechisch  verstand,  ergiebt  sich  aus  seinen 
Zitaten  aus  der  griechischen  Bibel  (ep.  102  S.  261  f.);  auch  sonst  erwähnt 
er  gelegentlich  ein  griechisches  Wort,  z.  B.  Dialog,  de  rhet.  S.  94.5.  Aber 
daas  seine  Kenntnis  sich  auf  eine  Anzahl  von  Wcirtern  beschränkte,  ohne 
dass  er  über  die  grammatischen  Formen  sicher  war,  beweisen  die  Irrtümer, 
«lie  ihm  begegneten  (vgl.  z.  B.  De  dial.  1  S.  952  und  16  S.  972). 

3j  Vgl.  was  .Tosephus  Scottus  in  der  Widmung  seines  Jesaiaskommen- 
tare  sagt,  M.G.  Epist.  IV  S.  483. 

4)  Z.  B.  ep.  114  S.  170. 

.5)  Lorentz  (Alknins  Leben  S.  50)  urteilt  oberflächlich,  wenn  er  in 
den  V^rieflichcn  Ermahnungen  Alkuins  nur  gut  gemeinte,  aber  rhetorische 
Floskeln  sieht. 

6)  Ep.  119  S.  174;   217  S.  .361   u.  ö. 

7)  Z.  B.  adv.  Felic.  1,  2  f.  S.  129  f. 

8)  riramm.  S.  849  ff. 


—     135     — 

fasst:  sie  besteht  in  tler  Erkenntnis  Gottes;  der  menschlichen  Seele 
Schönheit  und  Zier,  sagt  Alkiiin  einmal,  ist  das  Streben  nach  der- 
jenigen Weisheit,  in  welcher  Gott  geehrt  und  geliebt  wii'd.^)  Man 
begreift,  dass  von  Gleichstellung  der  klassischen  und  der  theo- 
logischen Studien  bei  ihm  genau  genommen  nicht  die  Rede  war. 
Er  tadelte  es,  wenn  er  zu  bemerken  glaubte,  dass  die  Yorhebe  ftir 
Virgil  dem  Stucüum  der  Bibel  Eintrag  thue.'-)  Freute  er  sich  an 
manchem  Goldkom  der  Wahrheit,  das  er  in  der  Litteratur  des 
heidnischen  Altertums  fand,'^)  so  konnte  er  doch  nicht  vergessen, 
dass  ihr  Inhalt  nicht  christhch  ist.  Und  dachte  er  hieran,  so  ti-ug 
er  kein  Bedenken,  sie  und  ihre  erhabensten  Vertreter  mit  herben 
Worten  zu  verwerfen.'*)  Wer  möchte  ihn  darob  tadeln?  Es  w^ar 
das  Urteil  des  ganzen  Jahi'hunderts.  Die  blosse  Freude  an  der 
Form,  die  über  den  Inhalt  hinwegsieht,  ist  jugendkräftigen  Zeit- 
altem fi-emd:  sie  eignet  dem  kühl  gewordenen  Alter.  Neben  die 
theologische  Erkenntnis  stellte  Alkuin  die  Naturerkenntnis.  Auch 
das  war  ein  Erbe  aus  der  Schule  Aelberts;  denn  den  höchsten 
Wert  hatte  dieser  der  Natm'wissenschaft  beigelegt:  es  erschien  ihm 
wie  eine  Schmach  ftir  das  lebende  Geschlecht,  wenn  sie,  die  vordem 
von  den  weisesten  Männern  gepflegt  worden  sei,  nun  zurückgehe. 
Doch  auch  sie  war  nicht  Selbstzweck;  denn  die  Beschäftigung  mit 
der  Natur  hatte  einen  theologischen  Hintergrund:  man  suchte  die 
Weisheit  des  Schöpfers  in  seinen  Werken  zu  erkennen.  Alkuin 
war  so  tief  von  der  Überzeugung,  die  Welt  sei  eine  Offenbarimg 
Gottes,  dm'chdrungen,  dass  er  den  Gedanken  aussprach,  Abraham 
habe  Gott  aus  der  Betrachtimg  der  Gestirne  erkannt.'') 

Wie  als  Lehrer,  so  wirkte  Alkuin  auch  als  Schriftsteller. 
Beides  huig  auf  das  innigste  zusammen.  Eine  ganze  Reihe  seiner 
Schriften  diente  einfach  dem  Unterricht.  Wenn  er  seinen  Lehi'- 
büchern  die  F'onn  von  Dialogen  mit  dem  König  oder  einem  Prinzen 


1)  Ep.  309  S.  475;  vgl.  280  S.  437  f.;  comm.  in  Eccl.  I,  1  S.  609. 

2)  Ep.  13  S.  39  (an  Kicbod  von  Trier). 

3)  Ep.  207  S.  345:  Paulus  aurum  sapientiae,  in  stercore  poetarum 
inventum,  in  divitias  ecclesiasticae  transtulit  prudentiae;  sicut  omnes  sancti 
doctores,  eius  exemplo  eruditi,  fecerunt,  vgl.  203  S.  337. 

4)  Ep.  309  S.  475:  Virgiliaca  mendacia.  Ebert  (Lit.  d.  MA.  II  S.  345 
Anni.  1)  beurteilt,  wie  mich  dünkt,  derartige  Äusserungen  Alkuins  nicht 
ganz  richtig,  wenn  er  darin  nur  Scherze  oder  Anschluss  an  den  herkömm- 
lichen christlichen  Jargon  findet.  Er  unterschätzt  die  Macht  des  asketischen 
Gedankens  über  einen  Mann  wie  Alkuin. 

5)  Ep.  148  S.  239.  Beachtenswert  ist,  dass  Alkuin  über  Abneigung 
gegen  die  Naturwissenschaft  klagt:  Rarus  est,  qui  taüa  scire  curet.  Et 
quod  peius  est,  reprehendunt  haec  scire  studentes. 


—     136     — 

gab/)  so  wird  man  daran  erinnert,  dass  er  der  Lehrer  des  könig- 
lichen Hauses  war.  Diese  Gespräche  eröffnen  zugleich  einen  Ein- 
blick in  die  Art,  wie  er  unterrichtete:  er  wollte  nicht  n\u'  trockenes 
AVissen  mitteilen,  sondern  eben  so  sehr  die  Rasclihcit  der  Auf- 
fossung,  die  Schlagfertigkeit  des  Witzes  üben.-) 

Mit  ein  paar  Kleinigkeiten  versuchte  er  sich  auf  dem  histo- 
rischeu Felde.  Die  Biographien  der  Heihgeu  Vedast  und  Richar 
sind  jedoch  nur  Überarbeitungen  älterer  Vorlagen;^)  ein  eigenes 
AVerk  ist  die  Lebensbeschreibung  Willibrords.  Der  Stotl"  Avar  ihm 
lieb:  er  hat  ihn  in  doppelter  Form,  prosaisch  und  metrisch,  be- 
arbeitet; aber  man  kann  nicht  sagen,  dass  er  sich  über  das  Niveau 
der  übrigen  Heihgenbiographen  erhob."*) 

Doch  vornehmlich  war  er  theologischer  Schriftsteller.  Er  ver- 
fasste  eine  stattliche  Reihe  von  Bibelkonnnentareu;  aber  er  machte 
nicht  den  Anspruch,  als  selbstständiger  Ausleger  der  heihgen  Schrift 
zu  gelten:  seine  Thätigkeit  beschiiiukte  sich  auf  che  Auswahl  und 
Zusammenstellung  von  Exzeipten  aus  älteren  Werken.  Diese  Weise, 
ein  Buch  zu  schreiben,  war  nicht  neu.  Schon  Hieronymus  hatte 
sie  geübt;  nur  nicht  immer  mit  derselben  Ehrhchkeit  wie  Alkuin. 
Bei  ihm  hing  sie  wohl  mit  seiner  Lehrthätigkeit  zusammen:  er  las 
und  besi)rach  mit  seinen  Schülern  patristische  Werke:  den  Ertrag 
der  gemeinsamen  Arbeit  gestaltete  er  zu  einem  neuen  Buch.'*)  Er 
wollte  ja  lediglich  von  den  alten  Meistern  lernen;  jeder  Gedanke 
an  Kritik  ihrer  Ansichten  lag  ihm  ferne:  man  hat  den  Eindruck, 
dass  die  Bewundenmg  fiu'  die  Grösse  der  Vergangenheit  ihn  miss- 

1)  Vgl.   Ebert,   Lit.   d.  MA.  II  S.  15—21;  Werner,  Alcuin  S.  21—30. 

2)  Hiefür  ist  besonders  die  diaputatio  Pippini  cum  Albino  lehrreich. 
Alkuin  ist  wahrscheinlich  auch  hier  nicht  original;  man  kennt  ähnliche 
Fragebüchlein  aus  dieser  Zeit,  s.  z.  B.  Wilmanns,  Eine  Fragebüchlein  aus 
dem  9.  Jahrh.  (Z.  f.  d.  Altert.  N.  F.  Bd.  3  S.  166  ff.). 

3)  Alkuin  unternahm  die  Arbeit  auf  Wunsch  der  Äbte  Kado  von 
St.  Vedast  in  Arras  (790—808,  Chr.  Ved.,  M.f4.  Scr.  XIII,  705  f.)  und  Angil- 
bert  von  Centula  (s.  ep.  74  S.  116  nnd  306  S.  465).  Die  Abfassungszeit 
der  ersten  Schrift  lässt  .sich  nicht  genau  fixieren;  in  Bezug  auf  die  zweite 
ergiebt  sich  aus  ep.  306  vgl  mit  Einh.  ann.  z.  .T.  800,  dass  sie  frühestens 
im  Sommer  dieses  .Tahres  geschrieben  .sein  kann. 

4)  Verfasst  auf  Wunsch  des  Erzbi.schofs  Beonrad  von  Sens  (777 — 797), 
der  zugleich  Abt  von  Echternach  war,  s.  das  Widmungsschreiben  S.  39. 

5)  Vgl.  ep.  149  S.  244,  wo  mit  Rücksicht  auf  eine  gegen  Felix  von 
Urgel  zu  richtende  Schrift  ge.sagt  ist:  Detur  ei  (Albino)  spatium,  ut  quiete 
et  diligenter  liceat  illi  cum  pueris  suis  considerare  patrum  sensu»:  quid 
unusquisque  diceret  de  sententiis,  quae  po.suit  praefatus  subver.sor  (Felix) 
in  sao  libello.  Et  tempore  praefinito  a  nobis  ferantur  vestrae  auctoritati 
singulorum  responsa. 


—     137     — 

trauisch  gegen  die  wissenschaftliche  &aft  der  Gegenwart  machte.^) 
Wenn  er  bei  der  Beschreibung  der  Yorker  Biljhothek  die  Werke 
des  Hieronymus  zuerst  nannte,  so  ist  das  nicht  zufälhg;  denn  sie 
vor  allem  benützte  er  als  Fundgrube  für  die  eigene  Bibelauslegung: 
seine  Schriften  über  die  Genesis,-)  den  Prediger,-^)  die  Briefe  an 
Titus  und  Pliilemon^)  sind  aus  Hieronjmus  geschöpft.  Augustin 
war  sein  voraehmster  Gewährsmann  fiü'  die  Erklärung  des  Jo- 
hannesevangehums/^)  des  119.  Psalmes  und  der  Stufenheder;'^)  auf 


1)  Ep.  23  S.  61:  Quid  nos  homunculi  in  fine  seculi  .  .  melius  excogi- 
tare  poterimus,  quam  ut  tota  animi  intentione  apostolicam  et  evangelicam 
omni  ficlei  firmitate  et  veritate  sequamur  doctrinam. 

2)  Interrogationes  et  responsiones  in  Genesim,  gewidmet  dem  Pres- 
byter Sigulf;  das  Widmungsschreiben  ep.  80  S.  122.  Quelle  ist  des  Hierony- 
mus Schrift  Quaestiones  in  Genesin;  doch  ist  es  unrichtig,  wenn  Werner 
(Alcuin  S.  125)  behauptet,  Alkuin  halte  sich  in  allen  Responsionen  an 
Hieronymus;  das  ist  nicht  einmal  bei  der  Hälfte  der  Fall;  ebenso  ist  es 
unrichtig,  dass  die  geistliche  Deutung  des  Segens  Jakobs  aus  Gregors  d.  Gr. 
Moralia  entnommen  sei.  Frobenius  hat  nur  an  zwei  Stellen  (Segen  über 
Isaschar  und  Dan)  Abhängigkeit  von  Gregor  nachgewiesen;  Werner  selbst 
hat  die  Nachweise  nicht  vermehrt.  Die  grösserek  Ausführlichkeit  der  letz- 
teren Partie  wird  sich  daraus  erklären,  dass  Alkuin  hier  eine  ältere  Ab- 
handlung dem  neuen  Werke  einfügte  (vgl.  ep.  88  S.  133).  Als  Abfassungs- 
zeit ergiebt  sich  aus  den  Worten:  Qui  saeculi  occupationibus  distrahimur 
et  diversis  itenerum  molestiis  fatigamur  (ep.  80  S.  122)  die  Periode  seines 
Lebens,  in  welcher  er  der  Hofschule  vorstand. 

3)  Drei  Schülern,  Onias,  Fridugisus  und  Witto,  gewidmet.  Als  Haupt- 
quelle nennt  Alkuin  selbst  in  dem  Widmungsbriefe  Hieronymus.  Wenn 
Frobenius  genau  verglichen  hat  (s.  d.  Anm.  S.  719),  so  war  er  seine  einzige 
Quelle. 

4)  Die  geringfügigen  Abweichungen  von  Hieronymus  hat  Frobenius 
bemerklich  gemacht.  Der  V.  Ale.  21  S.  195  erwähnte  Kommentar  zum  Epheser- 
brief  ist,  wie  es  scheint,  verloren. 

5)  Gewidmet  Gisla,  Äbtissin  des  Klosters  Kala,  der  Schwester  Karls, 
und  Rodtrud,  der  Tochter  des  Königs:  ep.  195  f.  S.  322  ff.  und  213  f.  S.  354  ff. ; 
vgl.  209  S.  349.  In  der  von  Sickel  (Wiener  SB.  79  S.  509)  zu  ep.  49  mit- 
geteilten Ergänzung  heisst  der  Kommentar  libellus  excerptionis  in  Johannis 
evangelium.  Als  Quellen  werden  im  213.  Briefe  S.  357  neben  Augustin 
Ambrosius,  Gregor  d.  Gr.  und  Beda  genannt.  Welche  Stellen  den  einzelnen 
angehören,  hat  Frobenius  gezeigt.  Ambrosius  ist  nur  an  einer  einzigen 
Stelle  benützt  (II,  6  S.  793).  Als  Abfassungszeit  zeigen  die  angeführten 
Briefe  die  Jahre  795  —  801.  tlber  das  Verhältnis  dieses  Kommentars  zu 
dem  Beda  zugeschriebenen  s.  Frobenius  S.  735  f.  Was  Werner  (Beda  S.  185) 
beibringt,  ist  geistiges  Eigentum  des  Regensburger  Abts. 

6)  Die  enarrationes  Augustins  sind  übrigens  nur  stellenweise  benützt; 
die  Erklärung  ist  keineswegs  ein  gleichmässiges  Exzerpt.    Bei  der  Erklärung 


—     138     — 

Beda  beruht  die  Ausleihung  des  hohen  Liedes,^)  auf  den  Honiihen 
des  Chiysostonius  die  des  Hebriierbricfs.-)  Im  Koninientar  zur 
Offenbanuig  folgte  er  dem  AVerke  eines  wenig  älteren  Zeitgenossen, 
des  Ambrosius  Autbert,  Abtes  des  Vincentiusldosters  bei  Benevent. ■^) 
Als  sein  theologisches  Hauptwerk  betrachtete  Alkuin  selbst 
sein  Buch  über  den  Trinitätsglauben.^)  Nicht  nur  einem  so  ver- 
trauten Freunde  wie  Arn  von  Salzburg  gegenüber  urteilte  er/')  es 
sei  liir  jeden,  der  den  katholischen  Glauben  keuneu  wolle,  sehr 
notwendig;  sondern  indem  er  es  dem  Kaiser  widmete,  sprach  er 
die  Hoffnung  aus,  es  werde  durch  seine  Billigung  zur  allgi-meineu 
x\nerkennung  in  der  Kirche  kommen.")  Es  sollte  das  ot^ziell  ein- 
geführte dogmatische  Handbuch  werden.  liest  niaii  die  Schrift, 
so  bemerkt  man  sofort,  dass  Alkuin  auch  in  ihr  nicht  original  ist; 
er  arbeitete  mit  fremdem  Gedankengut,  wenn  er  sich  auch  nicht 
im  gleichen  Masse  fremder  Worte  bediente  wie  in  seinen  Kommen- 
taren. Deshalb  wäre  es  müssig,  seiner  Darstellung  des  trinitarischen 
und  christologischen  Dogmas  im  einzelnen  nachzugehen.')  Wir 
würden  nm*  augustinische  Anschauungen  und  Formeln  wiederfinden.'') 
Für  uns  kann  es  sich  nur  darum  handeln,  zu  erkennen,  welchen 
Wert  Alkuin  diesen  Lehren  beilegte,  und  in  welcher  Beziehung  sie 
zu  seinen  rehgiösen  Grundanschauungen  standen.  In  ersterer  Hin- 
sicht ist  die  Antwftit:   die  Annahme   dieser  Formeln  galt  ihm  als 


der  Busapsalmen    scheint    Alkuin    eine    bestimmte  Vorlage    nicht    vor    sich 
gehabt  zu  haben. 

1)  S.  Werner,  Alcuin  S.  139,  und  Beda  der  Rlirwilrdipe  S.  179  f.  Der 
V.  Ale.  21  S.  19.5  genannte  Kommentar  zu  den  Proverbien  scheint  nicht 
auf  die  Gegenwart  gekommen  zu  sein. 

2)  S.  Bahr,  G.  d.  röm.  Litt.  S.  320.  —  Zu  den  exegetischen  Schriften 
ist  auch  das  Büchlein  ^Interpretationes  nominum  Hebraicorum  progenitorum 
domini  nostri  .Jesu  Christi"  zu  rechnen. 

3)  S.  die  praef.  Migne  100  S.  1088.  Ambrosius  Autbort,  ein  geborener 
Franke,  starb  wahrscheinlich  781;  vgl.  seine  kurze  Selbstbiographie  am 
Schlüsse  seines  Apokalypsekommentars,  und  Haussleiters  Art.  in  der  P.  RE"  11 
S.  308  f. 

4)  Ep.  2.57  S.  414.  Da  der  Brief  in  das  .hihr  802  gehört,  so  ist  die 
Schrift  in  diesem  Jahr  vollendet. 

.5)  Ep.  258  S.  416. 

6)  Ep.  257  S.  414  f. 

7)  Eine  Übersicht  des  Inhaltes  bei  Werner,  Alcuin  S.  159  H". 

8)  Es  wird  kaum  nötig  sein,  zu  erinnern,  dass  Alkuin  nicht  den  ganzen 
Augu.stin  reproduziert.     Gerade  der  Mittelpunkt  der  religiösen  Anschauung 
Augustins,  das  Prädestinationsdograa,  ist  ihm  fremd,  obgleich  er  gelegent- 
lich daran  anklingende  Äusserungen  thut;  vgl.  z.  B.  ep.  232  S.  376  AT.;  carm 
9  V.  7  S.  229,  V.  85  f.  S.  231. 


—     139     — 

Bediugimg  cler  Seligkeit.  Er  beginnt  die  ganze  Schiift  mit  der 
Reflexion  darüber,  dass  die  Sehnsucht  nach  Glück  dem  Menschen- 
geschlecht unvertilgbar  eingepflanzt  sei,  das  letzte  Erbe  des  ver- 
lorenen Paradieses:  nicht  Herrschaft,  nicht  Reichtum,  nicht  Ruhm 
und  Lust  vermögen  sie  zu  stillen,  nur  im  Himmel  findet  sie  Be- 
friedigung. Den  Eintritt  in  das  Himmelreich  aber  erschhesst  der 
Glaube,  denn  ohne  ihn  ist's  unmöglich,  Gott  zu  gefallen:  er  ist 
das  Fundament  alles  Guten,  der  Anfang  des  menschhchen  Heils; 
niemand  gelangt  zur  Gerechtigkeit,  niemand  zum  Anschauen  Gottes, 
dem  der  Glaube  fehlt.  Und  worin  besteht  nun  der  Glaube?  Alliuin 
antwortet:  Darin,  dass  man  weiss,  dass  Vater,  Sohn  und  Heihger 
Geist  sei  ein  Gott,  derselben  Substanz,  eines  Wesens,  untrennbarer 
Einheit  in  der  Gottheit;  dass  deshalb  nicht  drei  Götter  sind,  son- 
dern ein  Gott,  Vater,  Sohn  und  Heihger  Geist,  wicAvohl  der  Vater 
den  Sohn  gezeugt  hat  und  deshalb  der,  welcher  Vater  ist,  nicht 
Sohn  ist,  und  der  Sohn  vom  Vater  gezeugt  ist  und  deshalb  der, 
welcher  Sohn  ist,  nicht  Vater  ist,  und  der  Heihge  Geist  weder 
Vater  noch  Sohn  ist,  sondern  niu-  Geist  des  Vaters  und  des  Sohnes, 
auch  er  dem  Vater  und  Sohne  gleich  und  zur  Einheit  der  Dreiheit 
gehörig.  Dieses  Wissen  von  dem  Wesen  Gottes  ist  der  kathohsche 
Glaube;  jeder  katholische  Christ  kann,  soll  ihn  lernen.^)  Und 
macht  er  nun  selig?  Wie  gesagt,  Alkuin  behauptete  es.  Das  war 
die  Konsequenz  seines  grundsätzlich  traditionahstischen  Standpunkts. 
Aber  er  fühlte,  dass  Ursache  und  Wirkung  sich  hier  nicht  ent- 
sprechen: darum  suchte  er  wie  unwillkürhch  die  Ursache  gewich- 
tiger zu  machen:  zur  ewigen  Sehgkeit,  hören  wir  nun,  kann  nie- 
mand gelangen,  es  sei  denn  dm-ch  den  Glauben  unter  Mitwirkung 
der  Liebe  Gottes  und  des  Nächsten.-)  Die  letzten  Worte  ent- 
stammen dem  Gedankenzusammenhang,  den  Alkuin  darlegt,  mit 
nichten;  es  wird  auch  im  weiteren  nicht  von  dem  gehandelt,  was 
sie    aussprechen;    um  so   gewisser  sind  sie  ein  Beweis  dafür,  dass 


1)  Vgl.  I  praef.  und  elf. 

2)  Man  kann  die  gleiche  Bemerkung  auch  am  Prolog  des  2.  Buchs 
machen.  Auch  hier  ist  Glaube  =  recte  de  Deo  credere,  d.  h.  die  Einsicht, 
quam  proprie  Trinitas  sit  unus  et  solus  et  verus  Deus,  et  quam  recte  pater 
et  filius  et  Spiritus  s.  unius  eiusdemque  substantiae  vel  essentiae  dicatur, 
credatur,  intelligatur  Von  diesem  Glauben  wird  gesagt,  dass  er  das  Herz 
reinige  und  deshalb  selig  mache;  denn  selig  sind,  die  reines  Herzens  sind. 
Man  würde  auch  hier  die  von  der  Annahme  jener  Formeln  abgeleitete  Wir- 
kung nicht  verstehen,  wenn  nicht  jenem  dürftigen  Begriff  von  Glauben  sich 
eine  vollere  Vorstellung  unterschöbe:  mentis  humanae  visio  invalida  est  ad 
aspiciendam  divinae  maiestatis  lucem,  nisi  iustitia  fidei  et  dilectionis,  divina 
donante  gratia,  illustretur  splendore. 


—     140     — 

sein  religiöses  Bewusstseiii  :m  der  Dialektik  fler  dogmatischen  For- 
meln sich  nicht  ])efriedigeu  konnte:  es  suchte  als  Grundlage  des 
Heils  eine  andere  Basis. 

Alkuins  Buch  ist  der  Anfang  der  mittelalterlichen  Theologie: 
es  ist  tyjjisch  lur  dieselhe.  ^Slan  nahm  als  wertvollstes  Erhe  der 
Vergangenheit  die  Dogmen  der  alten  Kirche  in  die  neue  Zeit 
herülier;  jedoch  die  rehgiösen  Voraussetzungen,  aus  welchen  sie 
einstmals  erwachsen  waren,  wurden  nicht  mehr  verstanden.  Des- 
halh  lührte  keine  Brücke  von  dem  Dogma  zur  Religiosität:  was 
man  als  die  seligmachende  Wahrheit  hetrachtete,  verehrte,  hütete, 
das  gab  keine  rehgiösen  und  sittlichen  Motive  fiü'  das  Leben  ab. 
Die  Theologie  wurde  zum  dialektischen  Spiel  mit  Formeln,  welche 
die  Einsicht  in  das  Wesen  der  Gottheit  erschhessen  sollten;  der 
Glaube  aber  ging,  beherrscht,  wohl  auch  irre  geleitet  von  den  reli- 
giösen Bedürfnissen,  seine  eigenen  Wege. 

Man  ist  erstaunt,  wie  klar  das  bei  Alkuin  an  den  Tag  konnnt. 
Während  man  von  irgendwelcher  Eigentündichkeit  seiner  Theologie 
nicht  reden  kann,  so  von  einer  bestimmten  Färbung  seiner  rehgiösen 
Anschauung.  Sie  spricht  sich  in  vielen  gelegenthchen  Äusserungen 
seines  Briefwechsels,  aber  auch  in  einer  Anzahl  seiner  Schriften 
aus;  Beziehungen  zu  der  Summe  von  Lehrsätzen,  welche  er  als 
katholischen  Glauben  bezeichnete,  hat  sie  kaum;  dagegen  lehnt  sie 
sich  in  ziendich  freier  Weise  an  die  heilige  Schrift  an. 

Auf  den  Wunsch  des  Grafen  Wido  verfasste  er  für  denselben 
die  Schrift  von  den  Tugenden  und  Lastern,  ein  Erbauungsbuch  für 
einen  Laien.')  Wir  finden  uns  in  den  ersten  Abschnitten  im  Zu- 
sammenhang bekannter  Gedanken:  jeder  INIensch  muss  nach  der 
wahren  Weisheit  strel)en;  denn  auf  ihrem  Besitz  beruht  das  sehge 
Leben.  Sie  wird  durgeboten  im  katholischen  Glauben;  denn  ohne 
Glauben  ist's  unmöghch,  Gott  zu  gefallen.  Genau  so  hatte  Alkuin 
iVu-  Theologen  in  seinem  Buch  über  die  Trinität  geredet.    Hier  folgt 


1)  Die  Ablaseungszeit  läest  sich  darnach  vermuten,  dass  Wido  im 
.Tahre  799  die  Bretagne  unterwarf  (Ann.  Lauriss.,  Einh.  z.  d.  J.).  Da  Alkuin 
in  der  Widmung  seines  Buchs  von  den  kriegerischen  Geschäften  des  Grafen 
spricht  (ep.  305  S.  404:  Tuae  occupationi,  (juam  te  in  bellicis  rebus  habere 
novimu»),  so  wird  das  Buch  in  diesem  Jahre  verfasst  sein.  Weshalb  JaflF^ 
801—804  annimmt,  kann  ich  nicht  absehen.  Wido  war  ein  Nachkomme 
Liutwins  von  Trier  und  Vorfahr  des  Kaisers  Berengar  (h.  Waitz,  Forsch.  III, 
149  ff.,  und  Wöstenfeld  1.  c.  S.  383  ff.).  Dass  Alkuin  bei  den  acht  Haupt- 
lastern Cassian,  beziehungsweise  Aldhelm  folge,  bemerkt  Ebert  (Lit.  d.  MA. 
II  S.  22);  doch  gilt  es  nur  im  allgemeinen:  er  behandelt  die  gleichen  Laster, 
aber  nicht  in  der  gleichen  Reihenfolge;  direkt  aus  Cassian  genommene 
Sätze  habe  ich  nicht  bemerkt. 


—     141     — 

nun  aber  der  wunderbarste  Übergang:  Von  der  Erhalienlieit  des 
Glaubens  ist  zu  anderer  Zeit  zu  handeln;  denn  in  einem  kurzen 
Handbüchlein  können  die  tiefen  Gründe  desselben  nicht  dargelegt 
werden.^)  Und  so  ist  denn  im  weiteren  vom  Glauben  auch  nicht 
mit  einem  Worte  mehr  die  Eede:  und  doch  sollte  das  Büchlein 
ein  Handleiter  auf  dem  Weg  zur  ewigen  Seligkeit  sein,  die  man 
ohne  Glauben  nicht  erlangen  kann.  Es  ist  unmöghch,  jenes  Neben- 
einander von  Dogma  und  Rehgiosität  drastischer  auszusprechen,  als 
es  hier  von  Alkuin  selbst  geschieht.  Ohne  in  einem  Gegensatz 
zu  stehen,  berührten  sie  sich  nirgends. 

Wenn  Alkuin  im  weiteren  den  Grafen  Wido  nur  über  die 
Tugenden  und  Laster  belehren  wollte,  so  hat  er  diese  Absicht  nicht 
genau  festgehalten;  sein  Buch  bietet  mehr  als  Moral:  die  rehgiöse 
Grundlage  tritt  überall  zu  Tage.  Man  bemerkt  leicht,  dass  die 
Frömmigkeit,  die  er  lehrte,  im  wesenthchen  in  dem  unbeschränkten 
Vertrauen  zu  dem  götthchen  Erbarmen  besteht:  niemand,  so  ver- 
sichert er,  darf  an  der  Güte  des  frommen  Gottes  verzweifeln,  mag 
er  auch  durch  eine  unermesshche  Last  von  Sünden  gech'ückt  sein.-) 
Schon  hierin  ist  ausgesprochen,  dass  das  Gottvertrauen  bei  ihm 
eine  ganz  bestimmte  Färbung  hatte:  es  war  vor  aUem  Vertrauen 
auf  die  sündenvergebende  Gnade.  Denn  der  S.chwerpunkt  des 
geistUchen  Lebens  lag  füi'  ihn  in  der  Befreiung  von  Sünden.  Es 
ist  verständlich,  dass  er  mit  ernstem  Nachdi'uck  die  subjektiven 
Voraussetzungen  derselben  hervorhob.  Er  zeichnet  gleichsam  die 
Stufen,  welche  die  Seele  zu  überschreiten  hat,  um  zu  ihrem  Ziel 
zu  gelangen:  die  Zerknirschung  des  Herzens  entspringt  aus  der 
Demut  und  fülni  zum  Bekenntnis  der  Sünden,  das  Bekenntnis  ziu* 
Busse:  aus  der  wahren  Busse  kommt  die  Vergebung.  Fi-agt  man 
nun  aber,  von  wo  der  erste  Anstoss  zu  dieser  Bewegung  ausgeht, 
so  ist  man  auf  die  götthche  Seite  gewiesen:  das  Versprechen  der 
Vergebung,  das  wir  von  Gott  haben,  lässt  die  Thränen  der  Busse 
aus  unserem  Herzen  quellen.^) 

1)  C.  2  S.  615. 

2)  C.  4  S.  616;  vgl.  ep.  15  S.  41  (an  Gisla):  Ne  tardaveris  de  die  in 
diem  reverti  ad  illum.  Haec  enim  duo  mala  niaxime  odit  in  hominibus, 
neglegentiam  revertendi  et  desperationem  salvantis.  Tantum  haec  absint 
a  cogitationibus  procul  nostris,  et  ille  tunc  animis  prope  erit  nostris.  Ideo 
nomen  habet  salvator,  quia  semper  salvat  et  salvare  cupit.  Ähnliche  Ge- 
danken in  dem  Trostbrief  eines  sonst  unbekannten  Priesters  Paulus  M.G. 
Ep.  IV  S.  515  No.  14. 

3)  De  virt.  et  vit.  HS.  620  f.  Ähnliche  Gedanken  vielfach  in  den 
Briefen;  vgl.  31  S.  72;  51  S.  94;  105  S.  152;  114  S.  169;  125  S.  184  u.  ö. 
Es  entspricht  dem,  dass  für  Alkuin  Christus  der  Erlöser  ist  nicht  nur  wegen 


-     142     — 

Wir  stehen  hier  nicht  vor  einmal  ausgesprochenen  Reflexionen, 
sondern  in  diesen  Gedanken  lebte  Alkuin.  Sein  Biograph  erzählt. 
Benedikt  von  Aniane  habe  ihn  einmal  gefragt,  wie  das  Gebet  laute, 
das  er  täglich  für  sich  bete.  Alkuin  habe  geantwortet:  Herr,  ver- 
leihe mir,  meine  Sünden  zu  erkennen,  sie  aufrichtig  zu  l)ekennen 
und  rechte  Busse  zu  thun,  und  gieb  mir  Vergebung  meiner  Sünden. 
Benedikt  sei  nicht  ganz  befriedigt  gewesen;  wollen  wir,  so  habe  er 
erwidert,  chesem  Gebet  ein  Wort  'beifügen:  Und  nach  der  Ver- 
gebung mache  mich  sehg.^)  Er  verstand  nicht,  dass  für  Alkuin  in 
der  Vergebung  alles  andere  schon  beschlossen  lag. 

Dieselbe  rehgiöse  Stimmung  spricht  sich  in  den  Messen  Alkuins 
aus:-)  Sünde  und  Sündenvergebung,  Vei-suchung  und  Bewahrung, 
rnvollkommenheit  und  Vollendung  --  in   diesen  Gegensätzen   be- 

dessen,  was  er  einstmals  vollbracht  hat,  sondern  zunächst  wegen  dessen, 
was  er  jetzt  an  der  Seele  thut.  So  an  zahlreichen  Stellen  der  Briefe: 
2  S.  19;  43  S.  87;  52  S.  96;  105  S.  151;  106  S.  153  u.  ö.;  nicht  anders  in 
den  Gedichten:  20  v.  36  ff.  S.  241;  41  v.  5  S.  253;  53  v.  10  ff.  S.  265; 
85,  2  V.  31  ff.  S.  303  u.  ö.  Dass  von  Alkuin  die  Bedeutung  des  Todes 
Christi  nicht  geleugnet  wird,  ist  selbstverständlich  (vgl.  z.  B.  carm.  6  S.  224 
und  besonders  ep.  307  S.  466  ff.),  allein  in  dem  religiösen  Gedankenkreis, 
in  dem  er  lebte,  war  der  Tod  Christi  nicht  eines  der  grundlegenden  Ele- 
mente, auch  kann  man  nicht  sagen,  dass  Alkuin  eine  durchsichtige  Theorie 
über  seine  Bedeutung  gehabt  hätte;  das  zeigt  gerade  der  307.  Brief  sehr 
augenfällig. 

1)  V.  Ale.  14  S.  192.  Die  volkstümliche  Anschauung  vom  Verdienst 
ist  Alkuin  dabei  keineswegs  fremd;  vgl.  z.  ß.  ep.  17  S.  45  ff.;  43  S.  88; 
51  S.  95  u.  ö.;  ebenso  in  den  Gedichten  9  v.  118  S.  232;  98  v.  19  f. 
S.  322  u.  ö.;  auch  in  Predigten  Adhort.  ad.  iuiit.  virt.  Ved.  3  (Migne  101 
S.  680). 

2)  Alkuin  sendet  den  Mönchen  von  Fulda,  wie  es  scheint,  kurz  vor 
Baugulfs  Rücktritt  (a.  802,  s.  Ann.  Fuld.  z.  d.  J.)  ein  Missale.  dessen  Inhalt 
er  angiebt  (ep.  250  S.  405)  und  de.ssen  Gebete  von  ihm  verfasst  waren; 
das  letztere  wird  sich  aus  den  Worten  S.  406  ergeben:  Haec  vobis  dirigere 
curavimus,  deprecantes  .  .  benigne  suscipere  .  .  Faciat  quislibet  de  eis, 
fiuodcunque  placeat,  et  ne  me  reprehendat  in  caritatis  officio.  Die  Inhalts- 
angabe stimmt  mit  dem  ihm  zugeschriebenen  liber  sacramontorum  überein, 
nur  das«  in  dem  letzteren  eine  missa  a.  Bonifatii  sich  nicht  Kndet.  Der 
letztere  Umstand  i-st,  wie  mich  dünkt,  kein  (irund,  an  der  Authentie  des 
Saki-amentars  zu  zweifeln:  möglicherweise  dachte  Alkuin  bei  der  betr. 
Stelle  seines  Briefes  einfach  an  die  missa  in  veneratione  unius  martyris 
(c.  10  S.  457),  oder  hatte  er  für  Fulda  eine  eigene  Bonifatiusmeese  bei- 
gefügt, die  nicht  auf  uns  gekommen  ist.  Frobenius  spricht  in  seinem 
nionitum  praevium  die  Vermutung  aus,  Alkuins  Sakramentar  .sei  später 
vorändert  und  vermehrt  worden;  besonders  erklärt  er  die  7  missae  s. 
.-Vugustini    für  zweifellos   späteren  Zusatz.     Werner  (Alkuin  S.  198)  wieder- 


—     143     — 

wegt  sich  der  religiöse  Gedanke.  Vergebung,  Bewahrung  und 
Vollendung  aber  werden  betrachtet  und  erfleht  als  Gaben  Gottes. 
Wohl  bringt  man,  um  sie  zu  erlangen,  das  eucharistische  Opfer  dar, 
wohl  wendet  man  sich  an  die  Füi'bitte  Marias,  der  Heihgen  und 
der  Engel:  schUesshch  ist  es  doch  Gott  allein,  der  alles  frei  giebt.^) 
Unter  den  biblischen  Büchern  hielt  Alkuin  vor  anderen  die 
Psalmen  hoch.  Hören  wir,  weshalb.  Hier  findest  du,  schreibt  er 
in  der  Vorrede  zu  seinem  Büchlein  über  den  Gebrauch  der  Psalmen, 
die  Fleisch  werdung,  das  Leiden,  die  Auferstehung  und  Himmel- 
fahrt des  götthchen  Logos;  hier  findest  du  so  mniges  Gebet,  wie 
du  es  selbst  nimmermehr  ausdenken  kannst,  das  auh'ichtigste  Be- 
kenntnis deiner  Sünden,  das  reinste  Flehen  um  das  göttliche  Er- 
barmen. Auch  findest  du  hier  die  herzhchste  Danksagung  fih^  alles, 
was  dir  begegnet.  Wirst  du  deine  Schwäche  und  dein  Elend  in 
Psalmen  bekennen,  so  rufst  du  schon  dadurch  das  göttliche  Er- 
barmen auf  dich  herab.    Alle  Tugenden  wirst  du  in  den  Psalmen 


holt  das.  Ich  gestehe,  dass  mir  das  ,abs  dubio"  Frobens  und  die  ,,augen- 
scheinliche  Unechtheit"  Werners  gleich  ungenügende  Gründe  zu  sein 
scheinen.  An  sich  widerspricht  der  Inhalt  dieser  Gebete  den  Anschauungen 
Alkuins  nicht  (man  vgl.  die  Bitten  missa  Aug.  S.  446  und  carm.  85,  3  S.  303), 
die  Bezeichnung  aber  ist  auffällig,  mögen  sie  von  Alkuin  oder  von  einem 
Späteren  stammen.  Die  Entscheidung  kann  nur  durch  die  handschriftliche 
Überlieferung  gegeben  werden.  Sie  ist  mir  unbekannt.  In  einem  Sakra- 
mentar  der  Pariser  Nationalbibliothek,  das  dem  Ende  des  10.  oder  dem 
11.  Jahrh.  angehört,  finden  sich  die  Messen  Alkuins  (s.  Delisle,  Memoire 
sur  d'anc.  sacram.  1886  Nr.  97  S.  247).  Doch  bemerkt  Delisle  nichts  darüber, 
ob  auch  die  fraglichen  Stücke  in  dem  Kodex  enthalten  sind.  Dagegen 
notiert  er,  dass  man  in  einem  angeblich  Regensburger  Sakramentar  des 
9.  Jahrh.  missa  s.  Augustini  per  totam  hebdomatam  findet.  Das  ist  min- 
destens eine  Parallele.  Dies  Sakramentar  stammt  jedoch  nicht  aus  Regens- 
burg, wie  Delisle  (Memoire  S.  153),  einer  modernen  Notiz  folgend,  annimmt, 
sondern  aus  Mainz.  Das  beweist  die  Angabe  des  auf  Fol.  18  befindlichen 
Kalendariums:  Kalendis  decembris.  Dedicatio  eoclesiae  s.  Albani  martyris. 
Gemeint  ist  die  Albanskirche  in  Mainz,  welche  wirklich  am  1.  Dezember  805 
von  Kiculf  geweiht  wurde  (Poet.  lat.  I  S.  431).  Nach  ep.  296  S.  455  sandte 
Alkuin  auch  nach  St.  Vaast  eine  Sammlung  von  Messgebeten.  Dieselbe 
war  der  Inhaltsangabe  nach  nicht  identisch  mit  der  nach  Fulda  geschickten, 
auch  nicht  von  Alkuin  verfasst,  sondern  aus  dem  Missale  von  St.  Martin 
entnommen.  Die  Angaben  dieses  Briefes  lassen  sich  also  nicht  zur  Kritik 
des  liber  sacramentorum  verwenden. 

1)  C.  7  ff.  S.  455  ff.;  vgl.  de  usu  psalm.  I,  6  S.  477  den  charakte- 
ristischen Übergang  von  der  Anrufung  der  Heiligen  zu  dem  Gebet  um  das 
Erbarmen  Christi,  quia  in  te  speravi.  Für  den  Gedanken  überhaupt  carm. 
85,  3  S.  303. 


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tiiideu,  wenn  Gott  dich  würdigt,  dir  ihre  Geheimnisse  zu  enthüllen.') 
Tnd  nun  wird  daran  erinnert,  wie  alles,  was  den  Christen  erregt, 
in  den  Psalmen  wiederklingt:  das  Bewusstsein  der  Sünde  und  die 
Zuvei-sicht  auf  die  Vergebung,  die  Freude  über  die  götthchen  AN'ohl- 
thaten  und  die  Lust  an  der  götthchen  Herrlichkeit,  die  Angst  in 
den  Versuchungen  und  das  Entbehren  der  götthchen  Xähe,  der 
Überdniss  an  der  gegenwärtigen  AVeit  und  das  Heimweh  nach 
dem  himndischen  Vaterland,  das  Gefühl  des  Glückes  und  der  Enist 
der  Heiligung:  für  dies  alles  fand  Alkuhi  das  passende  Wort 
in  den  Psalmen.  Hier  haben  wir  die  Schwingimgen  seines  inneren 
Lebens. 

Er  hatte  das  Buch  vom  Gebrauch  der  Psalmen  für  Mönche 
geschneben;  der  jüngere  Karl  forderte  ihn  auf.  ein  Haudbüchlein 
des  Stundengebets  für  Laien  zu  verfassen.-)  Indem  er  dem  AVunsch 
des  Prinzen  nachkam,'')  griff  er  wieder  zu  dem  Psalter:  für  jeden 
Tag  wählte  er  eine  Anzahl  Psalmen  aus  und  begleitete  sie  mit 
kurzen  Gebeten.  Jedes  enthält  nm-  ein  paar  Worte;  aber  völhg 
die  gleiche  Richtung  der  Frömmigkeit  setzt  Alkuin  bei  den  Laien 
voraus  wie  bei  den  Mönchen.  Denn  obwohl  selbst  Mönch,  stellte 
er  den  Stand  der  ^Mönche  nicht  w^senthch  höher  als  den  der  Laien. 
Den  Grafen  AVidn  mahnte  er,  sich  dadurch,  dass  er  im  welthchen 
Leben  stehe,  nicht  Ijeunruhigen  zu  lassen,  als  sei  ihm  the  Hinnnels- 
thür  vei-schlossen ;  denn  wie  die  Seligkeit  des  Reiches  Gottes  allen 
gleichennassen  verkündigt  wird,  so  stehe  die  Tliür  des  Hinnnel- 
reichs  jedem  Geschlecht,  jedem  Alter,  jeder  Person  gleichermassen 
offen.'*)  In  dem  Eintritt  in  den  Mönchstand  sah  er  nicht  eine 
verchensthche  Handlung:  der  Mönch  sucht  ja  im  Kloster  innerlich 
frei  zu  werden.'')  Zwar  hielt  er  es  für  leichter,  die  eigenen  Fehler 
im  Kloster  als  in  der  Welt  zu  überwinden;  al^er  die  Erfahnuig  war 
ihm  nicht  fremd,  dass  man  auch  dort  der  Fehler  nicht  ganz  lechg 


1)  Praef.  S.  465  f.  Es  luuss  dahingestellt  bleiben,  ob  und  welche 
der  nachfolgenden  Gebete  Alkuin  angehören.  Ihr  Inhalt  erregt  an  sich 
kein  Bedenken;  Gewissheit  könnte  jedoch  nur  das  handschriftliche  Zeugnis 
geben. 

2)  Vgl.  ep.  304  S.  462  f.  JJass  der  Brief,  dem  die  Überschrift  fehlt, 
nicht  an  den  Kaiser,  sondern  an  seinen  Sohn  gerichtet  ist,  macht  der  Ton 
des  Schreibens  wahrscheinlich.  Dünimler  erinnert  dagegen  an  V.  Ale.  15 
S.  193,  nach  welcher  Stelle  Alkuin  für  den  Kaiser  einen  libellus  de  ratione 
orationis  verfasste.  Aber  ist  diese  Angabe  nicht  blosse  Folgerung  aus  der 
Widmung  der  Schrift? 

3)  Officia  per  ferias  S.  509  ff. 

4)  Ep.  305  S.  465. 

5)  De  U8U  psalm.  I,  4  S.  474. 


—     145     — 

wird.^)  Er  wollte  auch  nicht,  dass  der  Mönch  fiii-  alles  ersterbe, 
was  jenseits  der  Klostermaiiern  lag.  Wie  er  ihn  für  die  Kkche, 
für  Papst,  Bischof  und  Abt  beten  lehiie,  so  auch  für-  den  König, 
die  Füi-sten  und  Herren,  wie  flu-  die  Wohlthäter  des  Klosters,  so 
auch  flu-  Vater,  Mutter  und  Gesch-^äster. -) 

Wenn  man  den  rehgiösen  Gehalt,  der  in  solchen  Äusserungen 
sich  ausprägt,  mit  dem  vergleicht,  was  wir  von  Männern  wie  Columba 
oder  auch  Bonifatius  wissen,  so  ist  offenbar,  dass  die  Zahl  der  Töne, 
die  bei  Alkuin  ankhngeu,  eine  grössere  ist  als  bei  jenen.  Sein 
inneres  Leben  war  reicher,  was  ihm  dm'ch  die  Seele  zog,  mannisr- 
facher  abgestuft.  Das  ist  der  Segen  der  Bildung.  Er  war  fi-ucht- 
bar  für  viele ;  denn  Alkuin  war  wie  kern  zweiter  Mann  der  Leln^er 
des  jüngeren  Geschlechtes  theologischer  und  kirchUcher  Männer  im 
fränkischen  Reich. 

Als  er  England  verHess,  begleitete  ihn  eine  Anzahl  von  Schülern ; 
andere  folgten  ihm  später  nach.  So  bildete  sich  ein  Kreis  jüngerer 
Gelehrter,  in  welchem  er  als  Meister  verehi't  wurde  imd  von  welchem 
aus  sich  der  Samen  des  Wissens  nach  den  verschiedensten  Seiten 
hin  verbreitete. 

Der  älteste  von  ihnen  war  SiguK  mit  dem  Beinamen  Yetulus. 
Sein  Leben  giebt  einen  Eindnick  von  dem  geistigen  Austausch,  der 
schon  in  der  Älitte  des  achten  Jahi-hunderts  zwischen  den  ver- 
schiedenen Ländern  des  Abendlandes  stattfand.  Als  Knabe  kam  er 
mit  seinem  Oheim  Autbert  nach  Franki'eich;  von  hier  sandte  um 
Autbert  nach  ItaHen:  er  sollte  den  römischen  Gottesdienst  kennen 
lernen;  aus  Eom  ging  er  nach  Metz  an  die  dortige  Gesangschule; 
endlich  kehrte  er  nach  York  zurück.^)  Hier  wm'de  er  Seelsorge- 
priester an  der  Metropohtankirche:'^)  auf  das  engste  schloss  ersieh 
an  Alkuin  an.  Die  Anhänghchkeit  an  den  Lehrer  war  grösser  als 
die  an  das  Vaterland;  er  folgte  ihm  über  den  Kanal.  Alkuin  hat 
das  dankbar  anerkannt;  er  widmete  ihm,  als  seinem  mizertreim- 
hchen  und  treuen  Genossen  wähi'end  so  vieler  Jahi-e,'^)  seine  Schiifb 


1)  L.  c.  I,  3  S.  471;  E,  9  S.  500  f. 

2)  L.  c.  I,  14  S.  487  f.;  II,  3  S.  493  f. 

3)  V.  Ale.  8  S.  189. 

4)  So  verstehe  ich  die  Worte  custos  Eboricae  civitatis  ecclesiae. 
Puckert  Aniane  S.  258,  13  findet  das  eine  schwer  begreifliche  Tautologie 
und  erklärt,  Hüter  der  gottesdienstlichen  Geräte ;  allein  custos  ecclesiae  ist 
eine  ganz  gewöhnliche  Bezeichnung  für  den  Pfarrer  (s.  z.  B.  Capit.  114,  5 
S.  232) :  bei  einer  MetropoHtankirche  muss  es  also  den  Priester  bezeichnen, 
dem  die  Seelsorge  an  der  Gemeinde  übertragen  ist. 

5)  Ep.  80  S.  122:  Quia  individuus  et  fidelis  mihi  socius  tanto  tempore 
fuisti;  vgl.  V.  Ale.  11  fle.  S.  191  f.    Über  die  Datierung  s.  oben  S.  187  Anm.  2. 

Hauck,  KlrchengescMchte.    n.    2.  Aufl.  \Q 


—     146     — 

über  die  Genesis.  Wir  i^ewiniieu  aus  ilu-  eine  Vorstellung  der 
Geistesart  Sigults:  denn  Alknin  beantwortete  in  ihr  Fi-agen,  welche 
jeuer  gelegentlich  aufgewoifen  hatte.  Zum  geringsten  Teil  be- 
treffen sie  Schwierigkeiten,  welche  diu'ch  den  Text  dargeboten 
werden,  sondern  fast  durchweg  richten  sie  sich  auf  Dinge,  welche 
hinter  dem  Texte  liegen:  die  Absicht  ist.  die  göttUche  Telcologie  in 
den  Ursprungsgeschichten  der  Menschheit  aufzufinden.  Sigulf 
wurde  Alkuins  Xaclifolger  in  Ferri^res^)  als  Abt  dieses  Klosters, 
sclihesslich  auch  Mcinch.-')  Wie  treulich  er  das  Andenken  au  sei- 
nen Lehrei'  pflegte,  zeigt  Alkuins  Biographie;  von  einem  ^lönch 
seines  Klosters  geschrieben,  l)erulit  sie  auf  seinen  Mitteilungen;^) 
freilich  giel)t  sie  weder  ein  völlig  treues  Bild  seiner  Persönlichkeit 
noch  eine  eingehende  Schilderung  seines  Lebens.  Die  Absicht,  den 
modernen  Gelehrten  wie  einen  alten  Heihgen  erscheinen  zu  lassen^ 
wirkte  schädlich. 

Neben  Sigulf  gehört  Witto  zu  den  ältesten  Schülern  Alkuins.^) 
Er  wurde  i.  J.  793  von  Bischof  Hygbald  von  Lindisfarne  zu  ihm 
gesandt,  damit  er  in  seiner  Umgebung  seine  Bildung  vollende. 
Schon  nach  einem  Julu-e  suchte  er  das  Vaterland  meder  auf;^) 
aber  er  blieb  nicht  in  England;  bald  findet  man  ihn  wieder  auf 
dem  Kontinent,  zuerst  in  der  Nähe  Alkuins:")  dann  hören  wir  von 
einer  Wallfahrt  nach  Rom  und  von  einem  ungefähr  einjährigen 
Aufenthalt  in  Salzburg,  wo  er  als  Lehrer  wirkte.')     Doch  scheint  es, 


1)  Servat.  Lupus  ep.  94  S.  195  ed  Desdevises  du  Dezert. 

2)  Ders.  ep.  114  S.  195. 

3)  Prol.  S.  IM  f. 

4)  Wizzo,  Candidas.  Vgl.  über  ilin  Richter  im  Progr.  des  k.  Gymn. 
zu  Leipzig  1890. 

5)  Ale.  ep.  24  f.  S.  65  f.  Üter  das  Datum  .der  Briefe  s.  die  Anm.  .Taftes 
und  Dilmmlers. 

6)  Die  römische  Reise  untornahni  Witto  von  Tours  aus;  Alknin  er- 
wartete auch,  dass  er  dahin  zurückkehren  würde  (carm.  44  S.  255  tt'.). 

7)  Wahrscheinlich  reiste  Witto  mit  Arn  im  Frühjahr  798  nach  Rom. 
(Sickel,  Alcuinstudien  S.  19).  Er  wird  im  Lauf  des  Sommers  nach  Tours 
zurückgekehrt  sein.  Im  Herbst  reiste  er  von  dort  nach  Salzburg,  s.  ep.  156 
S.  253:  Si  Witto  veniat  ad  vos.  Der  Brief  i.st  nach  der  Ernte,  also  August 
oder  September  798  geschrieben,  vgl.  ep.  153  S.  248  aus  dem  August  798; 
Düminlers  Annahme,  dass  dieser  Brief  an  Arn  gerichtet  ist,  scheint  mir  wahr- 
scheinlicher als  die  Sickels,  Witto  sei  der  Empfänger;  dann  ist  der  frater 
noster  et  amicus  der  letztere;  nach  ep.  157  S.  265  aus  der  zweiten  Hälfte 
de«  September  798  war  Alkuin  noch  ohne  Nachricht  über  Wittos  Ankunft 
in  Salzburg.  Ep.  184  S.  309,  198  S.  320,  204  S.  328.  207  S.  345  von  Ende 
799,  oder  wenn  ep.  184,  wie  mir  wahrscheinlicher  ist,  erst  im  Anfang  800 
geschrieben  ist,  von  da  bis  26.  Juni  800  zeigen  Witto  wieder  in  Tours;  er 


—     147 


dass  Alkiiiu  iliu  nicEt  für  die  Dauer  entbehren  wollte;  denn  er 
kehrte  nach  St.  Martin  in  Toiu-s  zm^ück;')  dort  verweilte  er,  bis 
ihn  Karl  gegen  Ende  des  Jahres  801  an  die  Hofschule  zog.-) 
Wie  es  scheint,  ist  er  bald  danach  gestorben.-^)  Wenn  die  kleine 
Abhandlung  über  das  Ebenbild  Gottes,  welche  unter  seinem  Namen 
auf  uns    gekommen    ist,    ihm    angehören    sollte,    so  würde  sie  den 


kehrte  wohl  dorthin  zurück,  als  Arn,  Spätjahr  799  sich  nach  Rom  begab. 
Sein  Aufenthalt  in  Salzburg  dauerte  also  ungefähr  ein  Jahr.  Nach  ep.  211 
S.  351  ging  er  von  Tours  nach  Rom  mit  einem  Brief  Alkuins  an  Karl;  das 
war  Ende  800  oder  Anfang  801;  denn  vor  d.  4.  April  801  war  er  schon 
wieder  in  Tours,  ep.  216  S.  360  u.  225  S.  368.  Im  Herbst  801  sandte 
Alkuin  ihn  zu  dem  zurückkehrenden  Kaiser  ep.  229  S.  873  und  242  S.  387. 
Seitdem  erscheint  er  am  Hof  s.  ep.  245  S.  393,  251  S.  406,  254  S.  411. 
Der  letztere  Brief  ist  v.  24.  Mai  802,  die  beiden  ersteren  vom  Ende  801 
oder  Anfang  802.  Nicht  sicher  zu  datieren  ist  ep.  163  S.  263;  Dümmler 
bestimmt  sie  —  799,  wohl  mit  Rücksicht  darauf,  dass  Karl  nicht  als  Kaiser 
bezeichnet  ist;  allein  das  ist  nicht  entscheidend  s.  S.  106  Anm.  3;  der  In- 
halt ist  gänzlich  neutral,  einen  Anhaltspunkt  giebt  nur  die  Erwähnung 
Wittos;  so  aber  wie  der  betr.  Satz  gedruckt  ist,  giebt  er  keinen  rechten 
Sinn.  Es  wird  zu  lesen  sein  revertens  a  vobis.  Dann  gehört  der  Brief  in 
die  Zeit  des  Hofaufenthalts  Wittos,  801  oder  802. 

1)  Sickel  hat  (Wiener  SB.  79  S.  536)  die  Hauptstellen  eines  Briefes 
eines  ungenannten  Slawenpredigers  mitgeteilt,  derselbe  liegt  nun  M.G.  Epist. 
IV  S.  484  ff.  ganz  vor.  Er  ist  von  Sickel  Witto  zugeschrieben,  diese  Ver- 
mutung von  Dümmler  mit  einem  Fragezeichen  aufgenommen  worden,  wie 
auch  ich  ihr  in  der  1.  Aufl.  dieses  Buches  S.  141  Anm.  6  zustimmte  und 
daraus  auf  die  Beteiligung  Wittos  an  der  Slawenmission  schloss.  Ich  gestehe, 
dass  Sickels  Gründe  mir  jetzt  nicht  mehr  so  beweiskräftig  erscheinen,  wie 
früher,  die  Bedenken  gegen  seine  Hypothese  dagegen  gewichtiger.  Richtig 
ist,  dass  der  Verfasser  des  Briefes  ein  Alkuinschüler  war.  Aber  dass  Witto, 
auch  wenn  er  sich  in  Baiern  aufhielt,  sich  als  Noricus  bezeichnete,  ist 
wenig  wahrscheinlich;  noch  weniger  passt  auf  ihn  die  Bezeichnung  als  Greis, 
wenn  es  richtig  ist.  dass  er  vor  Alkuin  starb.  -  Blancidius  als  Hindeutung 
auf  den  Namen  Witto  zu  fassen  geht  deshalb  nicht  an,  da  dabei  an  sein 
Aussehen  gedacht  ist,  wir  aber  keineswegs  wissen,  ob  Witto  wirklich  blond 
war.  Wie  mir  scheint,  muss  man  darauf  verzichten,  den  Schreiber  des 
Briefs  zu  nennen.  Dann  fällt  auch  die  Annahme  einer  Missionsthätigkeit 
Wittos,  für  die  ohnehin  in  seinem  Leben  kein  rechter  Platz  ist. 

2)  Vgl.  oben  Anm.  7. 

3)  Witto  ist  wahrscheinlich  vor  Alkuin  gestorben,  da  sein  Name  früher 
als  der  seines  Lehrers  unter  den  ep.  et  abb.  defuncti  in  das  Verbrüderungs- 
buch von  St.  Peter  in  Salzburg  eingetragen  worden  ist  (Sp.  47,  10).  Zu- 
gleich ergiebt  die  Stelle,  dass  er  in  seiner  letzten  Zeit  Abt  war.  Dass  in 
dem  Albinus  abbas  Alkuin  und  nicht  irgend  ein  unbekannter  bairischer 
Abt  gemeint  ist,  scheint  mir  sehr  wahrscheinlich. 

10* 


—     148     — 

Beweis  liefern,  dass  er  ein  Theologe  nach  Alkuins  Vorhikl  war. 
Wie  bei  jenem,  so  l)ildeu  auch  hier  aiigustinische  Gedanken  den 
Inhalt  der  theologischen  Wissenschaft.') 

AValn-scheinlich  ei-st  nach  dein  Jahre  793  trat  Fiidugisus-)  in 
den  Schülerkreis  Alkuins  ein;  wie  es  scheint,  war  er  bereits  zum 
Diakon  geweiht,  als  er  England  verUess,  noch  ein  Jüngling,  aber 
wohl  unterrichtet;^)  bald  wurde  er  Archidiakon,*)  zugleich  mit  Witto 
kam  er  im  Jahre  801  an  den  Hof.^)  Karl  muss  sehr  günstig  ül)er 
ihn  geurteilt  haben;  denn  als  Alkuin  starb,  übertrug  er  ihm  die 
Abtei  St.  Martin,  die  reichste  Stiftung,  die  er  zu  vergeben  hatte.") 
Das  Talent,  eine  grosse  Koiporation  zu  leiten,  und  Ernst  der  Ge- 
sinnung') wird  er  bei  ihm  verbunden  gesehen  haben.  Nicht  minder 
schätzte  ihn  Ludwig  der  Fr.;  denn  als  Helisachar  i.  J.  819  aus 
der  Kanzlei  austrat,  berief  er  Fridugis  an  seine  Stelle.'^)  Dazu  ver- 
heb er  ihm  im  Jahr  820  die  alte  Stiftung  Sithiu,  d.  i.  die  ver- 
bundenen Klöster  St.  Omer  und   St.  Bertin.")     Als   Kanzler  hat 


1)  Migne  101,  1359  f.;  neu  herausgegeben  von  Richter  S.  34  f.  (Dicta 
Candicli  presbyteri  de  imagine  Dei).  Die  Zugehörigkeit  zu  unserem  Can- 
didus  ist  allerdings  alles  eher  als  sicher.  Ich  glaube  nur  deshalb  die  Schrift 
hier  erwähnen  zu  dürfen,  weil  ich  annehme,  dass  sie  nicht  denselben  Ver- 
fasser hat,  wie  der  Brief  über  das  Schauen  Gottes  (M.G.  Papist.  IV  S.  557 
Nr.  39)  und  die  Auslegung  der  Leidensgeschichte  (Migne  106  S.  57  ff.). 
Das  ergiebt  die  Verschiedenheit  des  Stils  und  der  Gedankenverbindung. 
Da  ich  für  einigermassen  wahrscheinlich  halte,  dass  die  zwei  zuletzt  ge- 
nannten Schriften  von  Bruun-Candidu.s  von  Fulda  herrühren  (s.  u.  5.  Buch 
3.  Kap.),  so  ist  die  Möglichkeit  vorhanden,  dass  die  dicta  dem  Alkuinschüler 
Witto-Candidus  angehören. 

2)  Nach  V.  Ale.  11.  S.  191  kamen  Fredegisus  et  eius  socii  nach  Sigulf 
und  Witto  zu  Alkuin.  Im  .lahr  796  kannte  ihn  Thoodulf  als  levita  (carm. 
25  v.  175  S.  487);  Alkuin  bezeichnete  ihn  zwei  Jahre  später  noch  als  puer 
(ep.  154  S.  249).  Sein  Beiname  war  Nathanael.  Man  vgl.  über  ihn  Bahr, 
Gesch.  d.  röm.  Litt.  S.  378;  Ahnor,  Fredegis  v.T.,  1878;  Simson  JB.  Lud- 
wigs, Bd.  2  S.  236  ff. ;  Puckert,  Aniane  S.  33  u.  259. 

3)  Theod.  I.  c.  v.  176:  Gnarus  arti.i,  doctn.s  bene. 

4)  Ale.  ep.  210  S.  351.    Der  Brief  gehört  wahrscheinlich  in  das  Jahr  800. 

5)  Ib.  ep.  244  f.  S.  392  f. 

6)  Als  Abt  V.  St.  Martin  unterschrieb  er  Karls  Testament,  Einh.  vita 
Kar.  32.  Urkunden  für  die  Abtei,  die  er  erhielt,  B.M.  499.  609—612  u.  ö., 
vgl.  Form.  imp.  29  S.  307  f. 

7)  Vgl.  Karls  Motive  für  Alkuins  Ernennung,  Ale.  ep.  247  S.  400. 

8)  Sickel  Acta  I  S.  89;  Mühlbacher  Reg.  imp.  S.  LXXXVI;  Bres.slau 
Urk.  Lehre  1.  S.  287.  Die  erste  Urkunde,  die  seinen  Namen  trägt,  ist  am 
17.  August  819  ausgestellt.     Er  blieb  bis  832  in  der  Kanzlei. 

9)  Folcw.  Gesta  abb.  s.  Bert.  47  ff.  M.G.  Scr.  XIII  S.  614  ff.  Ser.  abb. 
Scr.  XIII  S.  390. 


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Fridugis  länger  als  ein  Jahrzehnt  gearbeitet.  Man  kann  bemerken, 
dass  das  verwilderte  Urkundenlatein  seitdem  glätteren  Formen 
weicht;^)  erst  dui'ch  ihn  kam  der  Ertrag  der  Schule  Alkuins  der 
Kanzlei  zu  gute.  Die  Sammlung  neuer  Urkundenformulare,  die 
von  der  Kanzlei  in  dieser  Zeit  hergestellt  wiu-de,-)  mag  ebenfalls  von 
ihm  angeregt  sein.  Man  erkennt  den  entschlossenen  Mann,  der 
sich  nicht  scheute  das  Überlieferte  zu  ändern.  Die  gleiche  Energie 
bewies  Fridugis  in  der  Verwaltung  seiner  Klöster:  unter  ihm  ist 
der  unklare  Zustand,  in  dem  sich  St.  Mai-tin  Avähi'end  Alkuins 
Leitimg  befand,'^)  geändert  worden:  das  alte  Kloster  wurde  zu 
einem  Chorherrenstift. "^)  xluch  hat  man  keinen  Grund,  die  Nach- 
richt zu  bezweifeln,  dass  unter  seiner  Verwaltung  die  Zahl  der 
Mönche  in  St.  Bertin  beschränkt  und  St.  Omer  wie  St.  Martin 
Kanonikern  übergeben  ^^Tn-de.'^)  Das  waren  eingreifende  Mass- 
regeln,   die    ihm    die  Mönche    von  St.  Bertin  nie  verziehen  haben. 


1)  Vgl.  Mühlbacher  a.  a.  0. 

2)  Die  Formulae  imperiales  S.  283  ff.,  vgl.  Sickel  Urkundenlehre  S.  116  ff. 

3)  Vgl.  Ale.  ep.  247  S.  400  f. 

4)  Die  Urk.  Gallia  christ.  XIV  Instr.  S.  15  Nr.  12  zeigt  St.  Martin  als 
Kanonikat. 

5)  Beides  behauptet  Folcwin  a.  a.  0.  Puckert,  Aniane  S.  259  ff',  be- 
streitet seinen  Bericht  in  einer  sehr  umständlichen  Darlegung.  Aber  der 
Grund,  den  er  für  entscheidend  erklärt,  dass  Fr.  nicht  ohne  Zuthun  des 
Kaisers  hätte  handeln  können  (S.  264),  ist  doch  nur  ein  argumentum  e 
silentio;  wie  wenig  das  königliche  Eigentum  derartige  Umbildungen  aus- 
schloss,  zeigt  das  Beispiel  von  St.  Martin  sehr  anschaulich.  Ferner  ist 
sicher,  dass  die  Beschränkung  der  Zahl  der  Mönche  in  St.  Bertin  unter 
Ludwig  d.  Fr.  geschah  (Gart,  de  S.  Bert.  S.  123  Nr.  56);  betrachtet  F.  Fri- 
dugis als  unbeteiligt  an  der  Sache  S.  267,  so  ist  dieser  Schluss  doch  allzu 
vorschnell:  denn  es  ist  selbstverständlich,  dass  eine  solche  Festsetzung  nicht 
ohne  Vorwissen  des  Abts  geschah.  Weiter  bemerkt  Puckert  selbst,  dass 
zum  ersten  Mal  unter  Fridugis  St.  Omer  und  St.  Bertin  gesonderte  Schen- 
kungen erhielten  (Gart,  de  S.  Bert.  Nr.  85  S.  158  Puckert  S.  287).  Es 
ist  nun  freilich  möglich,  dass  aus  diesen  Urk.  in  St.  Bertin  die  Vorstellung 
erwuchs,  Fridugis  habe  die  Herabsetzung  der  Zahl  der  Mönche  und  die 
Lösung  der  engen  Verbindung  von  St.  Bertin  und  St.  Omer  herbeigeführt. 
Aber  notwendig  scheint  mir  diese  Annahme  nicht:  das  nächstliegende,  ist 
vielmehr,  dass  diese  urkundlichen  Notizen  Folcwins  Bericht  bestätigen. 
Nimmt  man  endlich  Hilduins  Aussage  über  Hugo  (ordinationem  illius  s. 
loci  competentem  summa  devotione  disponere  voluisse  et  cepisse,  sed  morte 
praeventum  non  perfecisse,  Gart.  S.  123  Nr.  56)  hinzu,  so  ist  auch  die  Re- 
formbedürftigkeit des  Klosters  nicht  allzu  lange  nach  Fridugis  Tode  erwiesen. 
Seine  Verwaltung  wird  also  wirklich  hier  wie  in  Tours  zu  wünschen  übrig 
gelassen  haben. 


—     150     — 

xA.ber  es  scheint,  ilass  doch  nicht  nur  das  verletzte  Selbstgefiihl  der 
Mönche  iinixünstig  über  ihn  luieilte.  sondern  dass  er  wirkhch  in 
der  Venvaltung  des  Besitzes  seiner  Stifter  nicht  immer  gUickUch 
war.*)     Er  starb  im  Jahr  834.-) 

"Was  seine  wissenschaftHche  Haltung  anlangt,  so  bewegte  er 
sich  wie  sein  Meister  in  den  von  Augiistin  dargebotenen  theolo- 
gischen Vorstellungen.  Das  sieht  man  schon  an  seinem  Verkehr 
mit  Alkuiii.  Nachdem  er  Lehrer  an  der  Hotschule  geworden  war, 
richtete  er  eine  Anzahl  Fragen  über  die  Trinitätslehre  an  jenen. 
Die  Fragen  gehen  ebenso  wie  Alkuins  Antworten  von  der  augus- 
tiuischen  Anschauung  aus.^)  Doch  versuchte  er  sich  auch  in  selbst- 
ständigen Spekulationen.  Das  zeigt  sein  Schriftchen  über  das 
Nichts  und  die  Finsternis.'*)  Die  Abhandlung  ist  der  Hofgesell- 
schaft Karls  gewidmet;  sie  charakterisiert  die  wissenschaftlichen  In- 
teressen derselben.  Man  kam  einmal  auf  die  Frage,  ol)  das  Nichts 
etwas  sei  oder  nicht.  Lebhaft  sprach  man  darüber  hin  und  her; 
doch  konnte  man  sich  nicht  einigen  und  liess  zuletzt  das  Problem 
als  unlösbar  fallen.  Fridugisus  überdachte  es  weiter,  kam  zu  einer 
bestimmten  Ansicht  und  legte  diese  in  seinem  Büchlein  den  Freun- 
den vor.  Uns  interessiert  weniger  das  Resultat,  zu  dem  er  ge- 
langte, das  Nichts  sei  etwas,  als  die  Art,  wie  er  seinen  Satz  zu 
beweisen  unternahm.  Es  genügte  ihm  nicht,  ihn  auf  die  Autorität, 
d.  h.  die  heilige  Schrift  zu  begi-ünden,  sondern  er  suchte  ausserdem 
einen  Vernunftbeweis.  AVie  in  der  späteren  mittelalterlichen  Theo- 
logie, so  stehen  schon  bei  diesem  Schüler  Alkuins  Vernunft  und 
Autorität  als  die  zwei  sich  gegenseitig  stützenden  Quellen  der  Er- 
kenntnis neben  einander.'')  Und  felsenfest  baute  mau  auf  die  Re- 
sultate der  dialektischen  Kunst.  Das  tritt  in  der  zweiten  Hälfte 
der  Abhandlung  in  beinahe  seltsamer  Weise  hervor.  Auch  zu  ihr 
gaben  die  Gespräche  am  Hof  den  Anlass:  Ist  die  Finsternis  oder 
ist  sie  nicht  ?  Diese  Frage  beschäftigte  die  Geister.  Von  den  einen 
^vlu•de  der  Satz  veribchten.  die  Finsternis  sei  nicht,  könne  niciit 
sein;    von    den    anderen    wurde    er  bestritten.     Fridugisus  war  der 


1)  B.M.  800. 

2)  Folcw.  fiesta  53  S.  ßlß. 

3)  Migno  101  S.  •">?  ff.  Cbrigons  ist  die  Form ,  in  welcher  uns  die 
Fragen  vorliegen,  von  Alkuin  goprägt.  Frage  12  z.  B.  bezieht,  sich  auf  die 
vorhergehende  Antwort. 

4)  M.G.  Ep.  IV  S.  552  ft.  Nr.  36.  Von  Fridugis  noch  als  Diakonns 
verfaest. 

5)  Vgl.  S.  553:  Huic  responsioni  obviandum  est,  primum  ratione,  in 
quantum  hominis  ratio  patitur,  deinde  auctoritate,  non  qualiV>et,  sed  divina 
duntaxat,   quae  sola  auctoritas  est,  solaque  immobilem  obtinet  firmitatem. 


—     151     — 

letzteren  ^Meinung:  er  wagte  den  Beweis  zu  führen  nicht  nur,  dass 
die  Finsternis  ist,  sondern  auch,  dass  sie  etwas  Körperhches  ist. 
Es  war  die  von  einem  theologischen  Gegner  getadelte  Lust  an 
Syllogismen,^)  welche  ihn  zu  dieser  Behauptung  führte;  das  Ver- 
trauen auf  che  Kraft  des  logisch  richtigen  Schlusses  hess  ihn  nicht 
auf  den  Gedanken  kommen,  dass  man  sich  über  die  Greifbarkeit 
der  Finsternis  durch  che  Erfahrung  überzeugen  könne. 

Mancher  andere  enghsche  und  deutsche  Schüler  Alkuins  wird 
noch  genannt.  Von  den  meisten  wissen  wir  wenig  mehr  als  den 
Namen,-)  anderen  begegnet  man  in  den  wichtigsten  kirchhchen 
Stellungen:  Sens  und  Autim,  Mainz,  Trier  und  Worms  zählen 
Alkuinschiüer   unter   ihi-en   Bischöfen,'^)    Ferrieres.    Lorsch,    Fulda 


1)  Ägob.  Adv.  Fredeg.  16  (M.G.  Ep.  V  S.  218):  Cum  vestris  syllogismis 
affirmare  nitimini.  Reuter  (Gesch.  d.  Aufkl.  I  S.  37)  schildert  Fridugisus  als 
grämlichen  Kritiker.  Wie  mich  dünkt,  beweist  das  die  Stelle  aus  Agobards 
Schrift,  die  er  als  Beleg  aufführt  (c.  2  S.  210  f.l,  nicht,  da  das  Wort  omnia 
hier  sich  nicht  auf  alles  überhaupt,  sondern  nur  auf  die  ganze  Abhandlung 
Agobards  bezieht. 

2)  Onias,  mehrfach  mit  Fridugisus  zusammen  genannt;  Alkuin  wid- 
mete beiden  u.  Witto  seinen  Kommentar  zum  Prediger  Salomonis;  vgl.  ep. 
210  S.  351;  251  S.  406;  276  f.  S.  433  f.  —  Martin:  ep.  25  S.  66;  210 
S.  351;  vgl.  Poet.  lat.  I  S.  402  carm.  7.  —  Oduin:  ep.  8  S.  33;  134  S.  202. 
—  Osulf:  V.  Ale.  12  S.  191.  Frobenius  lässt  an  ihn  ep.  294  f.  S.  451  ge- 
richtet sein.  Die  Vermutung  wird  von  Werner  (Ale.  S.  11  f.)  als  That- 
sache  behandelt,  ist  jedoch  höchstens  halb  richtig.  Ep.  294  ist  an  einen 
kirchlichen  Würdenträger  (S.  451 :  Quae  nee  tuae  conveniant  dignitati) 
Englands  (ib.:  Tuam  laudem  tota  -pene  decantat  Brittania)  gerichtet,  der 
in  Frankreich  persönlich  unbekannt  war  (ib.:  Latior  est  fama  nominis  tui 
quam  notitia  faciei  tuae).  Das  alles  passt  nicht  zu  Osulf.  Ebensowenig  zu 
dem  Empfänger  von  ep.  295;  denn  dieser  ist  adolescentulus  (S.  452).  Dass 
ep.  295  an  Osulf  gerichtet  war,  ist  möglich,  lässt  sich  aber  nicht  beweisen. 
Theodulf  nennt  Osulf  im  Jahre  796  zusammen  mit  Fridugisus,  carm.  25  v. 
175  S.  487;  später  begegnet  er  in  der  Umgebung  des  jüngeren  Karl, 
ep.  188  S.  315.  —  Dodo;  an  ihn  Ale.  ep.  65  S.  107;  Dümmler  nimmt  mit 
grosser  Wahrscheinlichkeit  an,  dass  Dodo  den  Beinamen  Cuculus  trug;  dann 
ist  auch  ep.  66  S.  109  (von  Arn)  an  ihn  gerichtet,  und  handelt  über  ihn  in 
carm.    57  S.   269 ;   vgl.  ep.  226  S.  370  u.  232  S.  378.     Ebert  (Lit.  d.  MA.  H 

.  S.  68,  vgl.  S.  31)  hält  ihn  für  den  Verfasser  des  Conflictus  veris  et  hiemis 
(Ale.  carm.  58  S.  270).  S.  dagegen  Dümmler,  Z.  f.  d.  Altert.  N.  F.  XI 
S.  67  ff.  —  Daphnis:  ep.  133  S.  200;  carm.  57  S.  269.  —  Eaganardus 
und  Waldramnus:  V.  Ale.  11  S.  191.  Über  beide  wissen  wir  nichts.  — 
Putul:  V.  Liudg.  I,  12  S.  407,  ebenfalls  unbekannt. 

3)  Nach  V.  Ale.  16  S.  193  war  Aldrich,  Schreiber,  später  Notar  in 
der  Kanzlei  Karls  (Bresslau,  ürk.  Lehre  I  S.  286),  Abt  von  Ferrieres,  seit 
829  EB.  von  Sens,  gest.  836,   Alkuins  Schüler;  vgl.  ep.  260  S.  418,  wo  der 


—     152     — 

unter  ihren  Ahteu.^)     iNIan  möchte  sich  wundern,  dass.  von  Fridu- 
gisus    abgesehen,    unter    ihnen    allen    nur    zwei:    Hraban"-)    und 


Diakon  Adheh-ich  als  filius,  d.  i.  als  Schüler  Alkuins  bezeichnet  wird.  Er 
hat  das  Verdienst,  Servatus  Lupus  für  die  gelehrte  Laufbahn  bestimmt  zu 
haben,  Serv.  Lup.  ep.  1  S.  44,  6  S.  62.  Schüler  Alkuins  waren  ferner 
Moduin  von  Autun;  denn  er  ist  nach  Dümmlers  Nachweisen  Poet.  lat.  I 
S.  382  ft'.  identisch  mit  dem  Alkuinschüler  Naso;  seine  Eklogen  Poet.  lat.  I 
S.  384;  vgl.  Ebert,  Lit.  d.  MA.  II  S.  64  ff.;  sodann  Riculf  (Damöta),  seit 
787  EB.  von  Mainz,  s.  ep.  4  S.  29  f.;  25  f.  S.  66  ff.;  35  S.  77;  212  S.  352; 
Alkuin  kanrr,  wie  sich  aus  der  Chronologie  ergiebt,  seine  Bildung  höchstens 
vollendet  haben;  ebenso  Hraban  von  Mainz  (s.  u.),  Ricbod  (Makarius),  seit 
784  Abt  von  Lorsch,  seit  791  Bischof  von  Trier,  s.  ep.  13  S.  38  f.;  49  S.  93; 
78  S.  119;  191  S.  318;  endlich  Samuel,  Bischof  von  Worms  und  Abt  von 
Lorsch.  Er  war  ein  Genosse  Hrabans,  s.  dessen  carm.  25 — 31,  nach  28  v.  19 
S.  190  wie  Hraban  ein  Schüler  Alkuins,  und  starb  in  demselben  Jahr  wie 
er.  Auf  ihn  wird  sich  die  Stelle  Ale.  ep.  88  S.  133  beziehen.  Denn  es 
scheint  mir  unmöglich,  mit  Dümmler  hier  Beonrad,  Abt  von  Echternach 
und  Bischof  von  Sens  genannt  zu  finden.  Zwar  ist  es  gewiss,  dass  Beonrad 
mit  dem  Namen  Samuel  bezeichnet  wurde,  s.  Ale.  carm.  4  v.  25  S.  221  und 
carm.  8  S.  228.  Aber  er  war  schon  seit  777  Abt  von  Echternach,  also 
798 — 796  sicher  ein  ziemlich  bejahrter  Mann;  er  ist  797  gestorben.  Er 
kann  also  nicht  der  Mitschüler  des  Empfängers  von  ep.  88  gewesen  sein, 
da  der  letztere  in  dieser  Zeit  als  junger  Mann  angeredet  wird.  Ist  der 
Samuel  condiscipulus  nicht  Beonrad,  dann  liegt  es  nahe  an  den  Wormser 
Bischof  zu  denken.  Ist  er  gemeint,  dann  gewinnt  Dümmlers  frühere,  jetzt 
von  ihm  aufgegebene  (S.  132  Anm.  1)  Vermutung,  der  Empfänger  sei  Hraban, 
einen  ziemlich  sicheren  Halt. 

1)  Sigulfs  Nachfolger  in  Ferneres  war  Adelbert,  nach  v.  Ale.  11 
S.  191  ein  Schüler  Alkuins,  vgl.  v.  Aldrici  Senon.  11  A.  S.  Mab.  IV,  1 
S.  541.  Aus  Alkuins  Briefen  ergiebt  sich,  dass  er  ein  Deutscher  war,  in 
Alkuins  Kreis  den  Beinamen  Magus  führte,  und  mit  Witto  nach  Salzburg 
kam,  wo  er  mehrere  Jahre  lang  verweilte,  ep.  156  S.  254;  193  S.  320;  194 
S.  322;  258  S.  416;  260  S.  418;  vgl.  264  S.  422.  Der  früheste  dieser  Briefe 
gehört  in  den  September  798,  der  letzte  wahrscheinlich  in  den  April  808.  Sein 
Nachfolger  in  Ferneres  war  Aldrich,  s.  oben  S.  151  Anm.  3.  Äbte  in  Lorsch 
waren  Ricbod  und  Samuel  s.  oben  S.  151  Anm. 3,  in  Fulda  Hraban  s.  u.  und 
Hatto,  den  Cat.  abb.  Fuld.  M.G.  Scr.  XIII  S.  272  als  Alkuinschüler  nennt. 

2)  über  ihn  Buch  5,  Kap.  3.  Seine  Beziehungen  zu  Alkuin  werden 
bezeugt  1.  durch  den  Cat.  abb.  Fuld.  M.G.  Scr.  XIII  S.  272;  hienach  hat 
Abt  Ratgar  ihn  zugleich  mit  Hatto  nach  Tours  geschickt;  Ratgar  leitete 
die  Abtei  802—817.  2.  Durch  Ale.  ep.  142  S.  223  und  carm.  51,  2  S.  264. 
3.  Durch  eine  Notiz  Hrabans  in  der  Vorrede  .leinea  Kommentars  zu  den 
Büchern  der  Könige,  ep.  14  S.  403:  Magister  meus,  b.  m.  Albinus.  Die 
Notiz  des  Katalogs  hat  Ebert  in  den  Berichten  der  Sachs.  Ges.  d.  W.  1878 
S.  98  in  Zweifel  gezogen,  da  Hraban  dann  nur  .sehr  kurz  in  Tours  hätte 
verweilen  können.     Dümmler  N.A.  XVIII  S.  67  hat  zugestimmt;    er   nimmt 


—     153     — 

Amalai'-^)  als  Schriftsteller  sich  einen  Namen  machten,  und  dass 
allein  der  erstere  eine  litteraiische  Thätigkeit  entfaltete,  die  sich 
mit  der  ALkiiins  vergleichen  lässt;  doch  giebt  schon  die  Menge 
der  Schüler  Alkuins  einen  Beweis,  wie  verbreitet  die  theologische 
Bildung  in  der  späteren  Zeit  Karls  war. 

Neben    den    Angelsachsen   fehlten    am    Hofe    Karls    die    Ii'O- 
schotten  nicht,  wenn  auch  der  Zuzug  dieser  Fremden  im  Vergleich 


an,  der  Katalog  habe  sich  in  der  Person  des  Abts  getäuscht,  nicht  Ratgar, 
sondern  Baugulf  habe  die  beiden  Fuldischen  Mönche  zu  Alkuin  gesandt. 
Die  Annahme  scheint  mir  sehr  schwierig;  der  Verfasser  des  Katalogs  ist 
anerkanntermassen  gut  unterrichtet;  auch  steht  die  Notiz  über  Hraban  und 
Hatto  nicht  für  sich  allein,  neben  ihr  steht  die  andere,  Ratgar  habe  Modest 
und  andere  zu  dem  Schotten  Clemens  geschickt.  Hier  ist  ein  Irrtum  aus- 
geschlossen: denn  Clemens  war  erst  einige  Zeit  nach  Alkuins  Rücktritt  an 
der  Hofschule  thätig.  Um  so  schwieriger  ist  die  Annahme  eines  Irrtums 
bezüglich  Hrabans.  Auch  ist  die  Erwägung,  dass,  wenn  Hraban  erst  unter 
Ratgar  nach  Tours  kam,  sein  dortiger  Aufenthalt  für  die  Bedeutung,  die 
Alkuin  ihm  beilegte,  zu  kurz  gewesen  sei,  wie  mich  dünkt,  nicht  gerade 
zwingend.  Alkuin  hat  dem  Jüngling  den  Namen  Maurus  gegeben;  das  be- 
deutet doch  nichts  anderes,  als  dass  er  in  ihm  einen  exemplarischen  Nach- 
folger Benedikts  sah.  Um  dies  Urteil  zu  gewinnen,  bedurfte  er  sicher  nicht 
Jahre,  dazu  genügten  Monate.  Mehr  wissen  wir  aber  über  die  Bedeutung 
von  Hrabans  Aufenthalt  in  Tours  nicht;  denn  carm.  51,  2  ist  ein  ziemlich 
inhaltsloses  Abschiedsgedicht,  man  möchte  sagen:  ein  Stammbuchvers,  und 
ep.  142  ist  die  Erinnerung  an  ein  versprochenes,  aber  nicht  geliefertes  Buch. 
Der  Zettel  ist  offenbar  geschrieben  kurz  nach  Hrabans  Rückkehr  aus  Tours ; 
von  Wichtigkeit  ist  er  nur  insofern,  als  er  zeigt,  dass  Hraban  in  Fulda 
sofort  Lehrer  wurde.  Das  macht  nicht  gerade  wahrscheinlich,  dass  er  ins  Jahr 
798  gehört.  Denn  wenn  Hraban  776  oder  nach  Dümmler  784  geboren  wurde, 
so  wäre  er  damals  für  einen  Lehrer  noch  sehr  jung  gewesen;  fällt  der  Brief 
in  Alkuins  Todesjahr,  so  verschwindet  diese  Schwierigkeit.  Unter  Voraus- 
setzung des  früheren  Aufenthalts  Hrabans  in  Tours  finden  Ebert  und  Dümmler 
in  dem  Corvinianus  oder  Corvulus  des  Theodulfischen  Gedichts  a.  796  (Poet, 
lat.  I  S.  490  ff.)  Hraban  wieder.  Ich  muss  meine  schon  früher  ausge- 
sprochenen Bedenken  festhalten:  gerade  bei  dem  ironischen  Ton  des  Ge- 
dichtes scheint  es  mir  wenig  wahrscheinlich,  dass  hier  der  damals  doch 
noch  recht  junge,  nach  D.  12  jahrige,  Schüler  gemeint  ist:  er  passt  nicht  in 
den  Kreis  der  sonst  ironisierten.  Ob  der  nicht  genannte  Schüler  Alkuins, 
an  den  ep.  88  S.  132  gerichtet  ist,  Hraban  war,  ist  eine  Frage,  die  sich  mit 
Sicherheit  natürlich  nicht  beantworten  lässt.  Dümmler  hat  die  von  ihm 
aufgestellte  Vermutung  jetzt  aufgegeben  (S.  132  Anm.  1);  ich  möchte  sie, 
wie  oben  S.  152  bemerkt,  trotzdem  für  möglich  halten. 

1)  Über  ihn  ebenfalls  im  nächsten  Buch.  Als  Schüler  Alkuins  nennt 
er  sich  selbst  de  ord.  antiph.  58  Migne  105  S.  1303  und  67  S.  1307;  über 
sein  Verhältnis  zu  Amalar  von  Trier  s.  u. 


—     154     — 

mit  IriilitT  abualiin.')  Ein  religiöser  oder  A\issenscliaftlicher  Gegen- 
satz zwischen  den  Kelten  und  den  Germanen  ist  nicht  wahrzu- 
nehmen: im  Gegenteil,  sowohl  die  formale  Bildung  als  die  theolo- 
gischen und  religiösen  Anschauungen  sind  identisch.  ]\Ian  arbeitete 
und  dichtete,  man  betete  und  fastete  genau  auf  dieselbe  AW'ise. 
Von  einem  dieser  Kelten,  Josephus  Scottus.  welcher  Alkuin  beson- 
dere nahe  stand,')  wissen  wir,  dass  er  eine  Erklärung  des  Jesajas 
verfasste;  er  ging  zu  Werke  wie  Alkuin  und  exzerjjierte  sie  aus 
dem  Kommentar  des  Hieronymus/')  Er  machte  auch  Veree;  aber 
er  hatte  dazu  so  wenig  Anlage  als  die  meisten  der  karolingischen 
Dichter;  die  Buchstabenkünsteleien,  welche  er  Karl  widmete,'*)  sind 
mehr  Beweise  einer  unermüdlichen  Geduld  als  poetischen  Talentes. 
Ein  anderer  Schotte,  Namens  Duugal,  lebte  und  lehrte  in  dem 
Kloster  St.  Denis: '^)  er  w-ar  ein  armer  Mönch,  der  ])ald  da  bald 
dort  bittend  anklopfen  mussto;  aber  manchfach  unternchtet  wie  er 
war,  wahrte  er  sich  ein  auffällig  unbefangenes  Urteil  über  die 
wissenschafthche  Ki-aft  von  Vergangenheit  und  Gegenwart.  Auch 
er  blickte  zu  dem  Altertum  auf,  aber  es  schien  ihm  nicht  unmög- 
lich, sein  Vorl»ild  zu  erreichen;  er  meinte:  wenn  es  den  Zeit- 
genossen nicht  an  Energie  der  Forschung  fehlte,  könnten  sie  es 
den  Früheren  gleichtluni.")    Er  selbst  hat  iudess  nichts  Eigenartiges 


1)  V^l.  Ale.  ep.  280  S.  437:  Antiquo  tempore  doctissinii  solebant 
magistri  de  Hibemia  Brittanniam,  Galliara,  Italiam  venire. 

2)  Kp.  8  S.  33  redet  ihn  Alkuin  als  Sohn  an;  der  Brief  ist  790  aus 
P^ngland  geschrieben.  Es  scheint,  dass  Alkuin  Joseph  zu  seinem  Stellver- 
treter während  seiner  Abwesenheit  in  England  machte.  Das  wird  sich  aus 
den  Aufträgen  des  8.  Briefes  folgern  lassen  (vgl.  aucli  ep.  14  S.  40;.  Als 
«einen  Lehrer  verehrte  Joseph  einen  schottischen  Priester  Colcu  (ep.  7  S.  32; 
8  S.  34),  der  794  starb  (Jaffe  S.  166  Anm.  3). 

3)  Die  Widmung  des  Kommentars  an  Alkuin  Poet.  lat.  I  S.  1.51,  auch 
Ep.  IV  S.  483.  Der  Kommentar  i.st  handschriftlich  erhalten  (s.  Dümmler 
1.  c.  S.  149  f ). 

4)  Poet.  lat.  I  S.  1-52  ff.  Joseph  starb  vor  Alkuin;  (ep.  77  8.  119  ist 
er  tot;  der  Brief  ist  aber  nicht  datierbar. 

5)  Seine  Briefe  in  den  M.G.  Ep.  IV  S.  .568  ff.;  auch  bei  Jaffe,  Bibl. 
IV  S.  429  ff.  TTcdichte  in  den  Poet.  lat.  I  S.  893  ff.  und  II  S.  664;  vgl. 
Dümmler  a.  a.  0.  S.  393  ff.;  Traube  in  ilm  Abh.  der  Münchener  Akad.  Phil. 
Cl.  XIX  S.  332  ff. 

6)  Ep.  I  S.  .577:  Si  quis  etiam  in  hoc  tempore,  tanto  sensus  acumine 
praeditus,  tanta  instantiae  diuturnitate  nisus,  tanta  explorationis  et  obser- 
vationi«  diligentia  intentus,  eadem  ociositate  et  curiositiite  sicut  priori  aetate 
geniti  sollicitus,  tantum  studium  erga  .  .  cuiuscunque  diaoiplinae  adsecta- 
tionem  adhibuerit,  nonne  idem  facile  credendus  est  ad  eandem  .  .  scien- 
tiam  .  .  posse  pervenire?     Voluntas  enim  dispar  non  natura. 


—     155     — 

geschaffen,  und  wenn  tbm  eine  im  zweiten  Jahrzehnt  Ludmgs  d.  Fr. 
gegen  Claudius  von  Turin  gerichtete  Streitschrift  angehört/)  so 
war  er  auch  nicht  fähig,  das  Eigenartige  richtig  zu  beurteilen.  Ein 
keltischer  Bischof,  der  ebenfalls  Dungal  hiess,  scheint  nur  vorüber- 
gehend im  fränkischen  Eeich  geweilt  zu  haben.'-)  Tiefere  Ein- 
mrkungen  sind  von  den  Kelten  in  dieser  Zeit  nicht  mehr  aus- 
gegangen. Sie  wurden  dm'ch  die  energische  Thätigkeit  der  Ger- 
manen zurückgedrängt.  Dazu  kam  die  Abneigung  der  Franken 
gegen  die  Ali  der  Iren;  die  letzteren  verhehlten  sich  selbst  nicht, 
dass  sie  im  fränkischen  Reich  w^enig  behebt  waren. ^)  Eine  Fi^eund- 
schaft,  wie  sie  zwischen  Joseph  und  Liudger  bestand,'*)  war  eine 
Ausnahme;  die  Meisten  hatten  unter  der  nationalen  Antipathie  zu 
leiden;  besonders  scheinen  Theodulf  und  Einhard  wenig  duldsam 
gegen  die  keltischen  Eigentümhchkeiten  gewesen  zu  sein.'^) 

Wenn  Angelsachsen  und  Kelten  den  Einfiuss  der  nordischen 
Kultur  auf  das  Eeich  Karls  darstellten,  so  die  Langobarden  den 
der  itahenischen.'*) 

Der  erste  Langobarde,  welchen  Karl  in  seine  Dienste  zog,  war 
Petrus  von  Pisa.'^)  Er  war  theologisch  gebildet;  Alkuin  hat  noch 
als  junger  Mann  einer  Disputation  beigewohnt,  in  der  Petras  die 


1)  Dungali  responsa  contra  perversas  Claudii  sententias,  Migne  105 
S.  465  ff.  Die  Identität  Dungais  von  St.  Denis  mit  dem  Verfasser  der 
Responsa  vertritt  Traube  S.  333,  wogegen  Dümmler,  Berl.  SB.  XXIII  S.  437 
vielmehr  den  letzteren  mit  dem  Lehrer  Dungal  in  Pavia  (Cap.  163,  6  a. 
825  S.  327)  identifiziert,  die  Frage  aber  offen  lässt,  ob  nicht  auch  dieser 
mit  dem  älteren  Dungal  eine  Person  war.  Ich  vermag  zwischen  den  ver- 
schiedenen Möglichkeiten  nicht  zu  entscheiden. 

2)  Ale.  ep.  280  S.  437.  Über  den  Schotten  Dicuil  s.  Wattenbach  GQ. 
I  S.  1.54. 

3)  Vgl.  Dungais  Äusserung  ep.  4  S.  580:  Nos  pauperes  et  peregrini 
oneri  forsitan  et  fastidio  vobis  videamur  esse  propter  nostram  multitudinem 
et  importunitatem  et  clamositatem.  Vgl.  v.  Ale.  18  S.  193;  Conc.  Cabil. 
(a.  813)  can.  43  (Mansi  XIV,  102). 

4)  V.  Liudg.  I,  17  S.  409. 

5)  Theod.  carm.  25  v.  159—174  S.  487. 

6)  Den  ziemlich  sagenhaft  aussehenden  Zusatz  zu  den  Ann.  Lauriss. 
787  über  artis  grammaticae  et  computatoriae  magistros,  welche  Karl  aus 
Rom  nach  Franken  brachte,  lasse  ich  ausser  Betracht. 

7)  Vgl.  über  ihn:  Bahr,  Gesch.  d.  röm.  Litt.  S.  12  und  87:  Ebert,  Gesch. 
d.  1.  Lit.  d.  MA.  II  S.  48  ff.;  Dümmler,  Poet.  lat.  I  S.  29.  Wann  Peter  in 
Karls  Dienste  trat,  ist  unbekannt;  nur  wird  sich  aus  Ale.  carm.  4  v.  42 
S.  222  folgern  lassen,  dass  er  eher  als  Paulus  Diakonus  an  den  Hof  kam. 
Einhard  (V.  Kar.  25)  bezeichnet  ihn  als  Greis.  Im  Jahre  799  war  er  ent- 
weder tot  oder  in  die  Heimat  zurückgekehrt  (Ale.  ep.  172  S.  285). 


—     156     — 

Sache  des  Christentums  gegen  einen  Juden  Namens  Lullus  führte.^) 
Aber  Kai-1  suchte  in  ilim  nicht  den  Theologen,  sondern  den  Gram- 
matiker. ■)  Als  solcher  wirkte  er,  vielleicht  schon  vor  der  Eroberung 
Italiens,  an  der  Hoi'sclmle.  Alkuin  bezeugt  das  hohe  Ansehen, 
dessen  er  sich  als  Mensch  und  als  Gelehrter  erfreute.  Auch  litte-- 
rainsch  versuchte  er  sich  auf  dem  grannnatischen  Gcl)iet.'^)  Ausser- 
dem hat  er  ein  paar  Gedichte  geschrieben.^)  Obgleich  er  in  ihnen 
nicht  im  eigenen  Namen  si)richt,  haben  sie  etwas  Individuelleres  als 
die  meisten  Verse  Alkuins.  Besonders  verleugnen  sie  den  spötti- 
schen ToiT  nicht,  der  Alkuin  auffiel,  als  er  den  Hof  Karls  zuerst 
kennen  lernte."^)  Wenn  Petrus  einmal  sich  selbst  als  den  Mann 
bezeichnet,  den  man  am  Hof  niemals  zornig  sehen  könne,**)  so 
passt  solcher  Gleichmut  wohl  zu  der  ironischen  Kühle  seines 
AVesens. 

Gleichzeitig  mit  ihm')  wai'  PauUnus.'')  ein  Aquilejenser  am 
jOfänkischen  Hofe  thätig,")  auch  er  als  Grammatiker.  Karl  rechnete 
es  ihm  hoch  an,  dass  er  ihm  unverrückt  Treue  hielt,  als  die  Lango- 
barden sich  gegen  seine  Hen-schaft  erhoben.  Zum  Lohn  Überhess 
er  ihm  den  Besitz  eines  mit  Hrodgaud  gefallenen  Aufständischen.^*') 


1)  Ale.  ep.  172  S.  28.5;  s.  o.  S.  127  Anm.  2. 

2)  L.  c. ;  vgl.  auch  Einh.,  V.  Kar.  2-5. 

3)  Vgl.  die  von  H.  Hagen  Anecdota  Helvetica  Lpz.  1870  S.  159  tt". 
herausgegebenen  Exzerpte. 

4)  Poet.  lat.  I  S.  48  Nr.  11;  S.  50  Nr.  1-3;  S.  52  Nr.  15. 

5)  Ale.  carni.  4  v.  40  ff.  S.  222: 

Tu  mihi  protector,  tutor,  defensor  adesto, 
Invida  ne  valeat  mo  carpere  lingua  nocendo 
Paulini,  Petri,  Albrici,  Samueli.s,  Jone. 

6)  Carm.  15  v.  30  S.  53. 

7)  S.  die  Anm.  5  angeführte  Stelle.  Über  die  Abfassungszeit  des  Ge- 
dichtes s.  S.  127  Anm.  3. 

8)  Man  vergl.  über  ihn:  Bahr,  (iesch.  d.  röm.  Litt.  S.  336  Ü.;  Ebert, 
Gesch.  d.  1.  Lit.  d.  MA.  II  S.  89  ff.;  Dümmler,  Poet.  lat.  I  S.  123  ff.;  Gian- 
noni,  Paulin  II.,  Wien  1896.  —  Seine  Briefe  sind  M.G.  Ep.  IV  S.  516  ff.  ge- 
sammelt. 

9)  Dass  Paulins  Heimat  A<|uiloja  war,  ergiebt  sich  aus  Ale.  carm.  17 
v.  14  S.  239:  Laus  Ausoniae,  patriae  decus.  Der  Widerspruch  Giannonis 
gegen  dies  Verständnis  der  Worte  ist  nicht  überzeugend.  Denn  gerade 
weil  die  Vaterstadt  nicht  genannt  ist,  konnte  der  Leser  nur  an  Aquileja 
denken.  Die  Vermutung.  Cividale  sei  P.'s  Heimat,  scheint  mir  ganz  in  der 
Luft  zu  stehen. 

10)  Urkunde  vom  17.  .Juni  776,  ausgestellt  in  Ivrea  (B.M.  198):  Dona- 
mas a  nobis  viro  valde  venerabili  Paulino  artis  grammaticae  magistro.  Wo 
sieb  Paulin  aufhielt,  sagt  die  Urkunde  nicht;  die  nächstliegende  Annahme 


—     157     — 

Unter  den  Männern  seines  litterarischen  Hofstaats  schlössen  sich 
Paiüinus  und  Alkuin  am  engsten  an  einander  an.  Ihre  Freund- 
schaft erHtt  keine  Störung,  als  PauKn  im  Jahre  787  den  Patriar- 
chat von  Aquileja  erhielt.^)  Nun  wurde  der  Verkehr  schriftHch 
fortgesetzt.  Alkuins  Briefe  an  seinen  Freund  entbehren,  wie  das 
bei  ihm  gewöhnhch  ist,  vielfach  des  sachhchen  Inhalts;  aber  sie 
offenbaren  seine  Gesinnung:  sie  atmen  nichts  als  Verehrung  gegen 
den  Bischof  wie' gegen  den  Mann.-)  Die  Freundschaft  beider  be- 
ruhte auf  der  Gleichheit  der  theologischen  und  kirchhchen  Über- 
zeugungen. Verfasste  Alkuin  ein  Buch  über  den  Trinitätsglauben, 
so  bemühte  sich  Paulin,  die  dogmatischen  Formeln  in  Verse  zu 
bringen.^)  Wie  aber  jener,  wenn  er  für  Laien  schrieb,  seine  theo- 
logischen Begriffe  vergass,  so  auch  dieser.  Sein  dem  Herzog  Erich 
von  Friaul  gewidmetes  Erbauungsbuch  *)  ist  eine  warme  Ermahnung 
zu  einem  Leben  in  den  christHchen  Tugenden.  Die  reHgiöse  Stim- 
mung, welche  es  erfüllt,  ist  die  gleiche  wie  bei  Alkuin:  Vertrauen 
auf  das  grenzenlose  Erbarmen  Gottes.'^)  Nur  tritt  bei  Pauhnus 
mehr  in  den  Vordergrund,  dass  der  Reichtum  der  götthchen  Gnade 
sich  in  dem  Erlösungswerk  Christi  beweist.*')  Dadm'ch  erhält  die 
Gesamtanschauuug  etwas  Geschlossneres. 

Der    Untergang    des  Langobardenreichs    führte   Fardulf  und 


scheint  mir,  am  Hofe.  Jedenfalls  ist  die  Behauptung  Werners  (Alcuin  S.  5), 
die  Giannoni  wiederholt  S.  12,  Karl  habe  Paulin  erst  776  kennen  gelernt, 
nicht  zu  beweisen.  Ihr  widersprechen  die  Worte  der  Urkunde:  Merito  a 
nobis  sublevantur  muneribus,  qui  nostris  fideliter  obsequiis  famulantur. 
Denn  sie  setzen  voraus,  dass  sich  Paulin  im  Dienst  des  Königs  bereits 
bewährt  hatte. 

1)  Vgl.  Jaffes  Anm.  zu  Ale.  ep.  11  S.  162  (28  S.  70  ed.  Dümmler); 
Paulin  starb  i.  J.  802  (Annal.  Fuld.  z.  d.  J.  S.  15). 

2)  Ep.  28;  86;  95  f.;  99;  139. 

3)  Regula  fidei  (Poet.  lat.  I  S.  126  ff.). 

4)  Liber  exhortationis  bei  Migne  99  S.  197  ff.  Erich  war  795—799 
Herzog  in  Friaul  (s.  Abel,  JB.  S.  254).  Paulins  schöne  Elegie  auf  den  Tod 
Erichs  Poet.  lat.  I  S.  131  f. 

5)  C.  8  S.  204  ist  die  oben  S.  141  Anm.  2  aus  Ale.  ep.  15  zitierte  Stelle 
wiederholt;  vgl.  den  Schluss  des  Gebets  um  die  christlichen  Tugenden  c.  66 
S.  282:  Colloca  me  in  caulis  tutissimis  gregum  tuorum,  quia  tu  es  pastor 
bonus,  qui  requiris  et  reducis  perditam  ovem,  tueris  et  salvas  inventam, 
Sanas  et  foves  languidam.  Et  du  es  misericors  Dominus,  qui  sperantes  in 
te  non  confundis,  requirentes  te  non  derelinquis;  revertentes  ad  te  non 
respuis,  sed  exsultando  et  laudando  suscipis,  atque  in  aeterna  beatitudine 
una  cum  sanctis  et  electis  tuis  aeternaliter  regnare  concedis. 

6)  Vgl.  c.  8  S.  203  f.;  21  S.  214;  46  S.  248  f.;  51  S.  254  f.;  57  f. 
S.  265  f. 


—     158     — 

Paulus  Diakonus  zu  Kall.  Der  erstere  folfjte  den)  Iränkischen 
König  als  Verbannter:  er  muss  bei  der  Verteidigung  seines  Vater- 
landes in  vorderster  Reihe  gestanden  sein.^)  Aber  in  der  Ver- 
bjinnung  lernte  er  den  ]\Iann  lieben,  der  die  Selbstständigkeit  seines 
A'olki's  zerstört  hatte.  Als  im  Jahre  792  die  Verschwörung  Pippius 
des  Höckerigen  das  Leben  Karls  bedrohte,  rettete  ihn  Fardulf. 
indem  er  den  verbrecherischen  Plan  enthüllte.  Karl  belohnte  ihn 
durch  die  Übertragung  der  Abtei  St.  Denis.-')  Dort  l)aute  er  iür 
den  König  einen  Palast  im  Stil  der  Alten. •"')  Es  hegt  ein  schöner 
Stolz  diuiti,  dass  er  in  der  Inschrift  an  diesem  Bau  sich  rühmt,  er 
habe  den  Fürsten  des  eigenen  Volks  die  Ehre  der  Treue  gewahrt, 
auch  als  für  ihr  Reich  die  letzte  Stunde  geschlagen  hatte.  Dass 
er  Vei'se  zu  machen  verstand  wie  die  übrigen  Litterateji  dieser  Zeit, 
zeigt  diese  und  manche  andere  Inschrift  füi-  seine  Bauwerke.  Theodulf 
legte  auf  sein  Urteil  Wert:  er  widmete  ihm  ein  paar  seiner  Arbei- 
ten.^) Doch  scheint  Fardulf  htterarisch  nicht  weiter  thätig  gewesen 
zu  sein:  ihn  beheri-schte  die  vornehmere  Lust,  zu  bauen.  Als 
Lehi'er  rühmt  ihn  seine  Grabschrift.  ^') 

Der  hervorragendste  Langobarde  an  Karls  Hofe  war  Paulus 
Diakonus.")  Es  lag  ein  wechselvolles  Lel)en  hinter  ihm,  als  er 
Karl  aufsuchte.  Entsprossen  einer  langobardischen  Familie  Friauls,') 


1)  Fard.  carm.  1  v.  .3  £F.  (Poet.  lat.  1  S.  353): 

Quem  quondam,  propriae  fuerat  dum  sceptra  secutus 

r4entis,  in  adversas  fata  tulere  vias. 
Attamen  hie  fidei  dominis  servavit  honorem, 

His  regni  quamvis  ultima  meta  foret. 
Tandem  rectoris  Caroli  felicibus  armis 

Cessit,  et  in  melius  fors  sibi  cessit  iter. 

2)  L.  c.  V.  9  ff.;  Einh.  ann.  z.  .T.  792.  über  die  Verschwörung  Simsou, 
JB.  S.  39  ff. 

3)  Carm.  1  v.  17:  More  veterum  avorum. 

4)  Theod.  carm.  33  S.  .524  f. 

5)  Poet.  lat.  I  S.  404  Nr.  13.  Sein  Todesjahr  806  ergiebt  sich  aus 
Herim.  Contr.  Chron.  z.  d.  J. 

6)  Zur  Littenitur  über  Paulu.s  erwähne  ich  au.sser  Biihr,  Ebort,  Dümmler 
(a.  a.  0.),  Bothmann  in  Pertz  Archiv  X  S.  247  ff.;  Dahn,  De.s  Paulus  Diakonus 
Leben  und  Schriften  (1876);  Weizsäcker,  P.  R.E.  XI"  S.  389  ff.;  Mommsen, 
N.  Arch.  V  S.  53  ff.;  Waitz  a.  a.  0.  S.  417  ff.;  Schmidt  a.  a.  0.  XV  S.  391  f. 
Ich  zitiere  die  Gedichte  nach  Poet.  lat.  I  S.  123  ff.,  die  Briete  nach  Ep.  IV 
S.  .505  ff.,  die  Langoliardengeschichte  nach  der  Oktavausgabe  von  Waitz,  die 
theologischen  ."Schriften  nach  Migne. 

7)  Cber  seine  Familie  handelt  Paul  Hist.  Lang.  IV,  38  S.  164;  vgl. 
die  etwas  breit  geratenen  Ausführungen  Dahns,  Paulus  Diakonus  S.  1  ff. 


—     159     — 

deren  Glieder  gewöhnt'  waren,  die  Waffen  zu  führen,  erhielt  er  doch 
eine  gelehi-te  Erziehung.  Durch  einen  gewissen  Flavianus  wurde 
er  in  die  antike  Bildung-  eingeführt.  Dieser  gehörte  einer  Familie 
an,  in  welcher  der  Lehrberuf  gleichsam  erbhch  betrieben  wurde; 
sicherlich  war  er  also  ein  Romane.^)  Nicht  nur  die  lateinische, 
auch  die  griechische  Litteratur  lernte  Paul  durch  ihn  kennen  und 
heben.-)  Mehr  als  bei  den  meisten  Zeitgenossen  hörte  bei  ihm 
die  klassisch-römische  Bildung  auf,  Maske  zu  sein;  sie  war  sein 
Eigentum.  Aber  die  Freude  an  der  Vergangenheit  des  eigenen 
Volks,  die  Lust  an  den  Sagen  und  Geschichten,  die  unter  seinen 
germanischen  Landsleuten  von  Mund  zu  Mund  gingen,  wurde  ihm 
dadm-ch  nicht  getrübt.  So  wenig  er  dem  nationalen  Leben  ent- 
fremdet wm'de,  ebenso  wenig  dem  thätigen:  obgleich  Htteraiisch 
gebildet,  glaubte  er  weder  Mönch  noch  Kleriker  werden  zu  müssen;-^) 


1)  Hist.  Lang.  VI,  7  S.  215. 

2)  Carm.  12  Str.  12;  Poet.  lat.  I  S.  50.  Die  gewöhnliche  Annahme, 
Paulus  sei  am  Hof  des  Königs  Ratchis  erzogen  worden  (so  z.  B.  Ebert, 
Lit.  d.  MA.  II  S.  37),  hat  Dahn  (S.  9  ff.)  bestritten  und  meines  Erachtens 
wenigstens  so  viel  bewiesen,  dass  die  Annahme  durch  keine  Stelle  Pauls 
selbst  gestützt  wird.  Sie  findet  sich  in  der  Grabschrift  Pauls  v.  14  f.  (Poet, 
lat.  I  S.  85);  aber  diese  Quelle  ist  wenig  zutrauenerweckend. 

3)  Ebert  (S.  37)  lässt  ihn  unter  dem  Einfiuss  des  Ratchis  den  Laien- 
stand mit  dem  geistlichen  vertauschen,  vor  749;  den  Beweis  findet  er 
V.  18  f.  der  Grabschrift.  Dagegen  kommt  Dahn  , durch  psychologische  Zer- 
gliederung" Pauls  zu  dem  Resultat ,  dass  Paul  erst  775  oder  776  Mönch 
geworden  sei  (S.  23).  Ich  bin  Jahreszahlen  gegenüber,  welche  durch  psy- 
chologische Zergliederung  gewonnen  werden,  nur  skeptisch.  Doch  wird 
Dahn  im  Recht  sein.  Nimmt  man  das  Wort  exul  (carm.  2  v.  128  S.  40) 
so,  wie  es  lautet,  so  hat  es  im  Leben  Pauls  einen  Zeitpunkt  gegeben,  in 
welchem  er  sich  als  verbannt  betrachtete,  und  fiel  dieser  Zeitpunkt  mit 
seinem  Aufenthalt  in  Monte  Oassino  zusammen.  Wäre  Paul  ganz  freiwillig, 
nur  dem  inneren  Trieb  folgend,  dorthin  gegangen,  so  hätte  er  sich  nicht 
so  bezeichnen  können.  Verbannt  war  er  nur,  wenn  er  die  Heimat  meiden 
musste.  Wodurch  war  dies  veranlasst?  Die  Worte  (carm.  10  v.  3  S.  47) 
,ut  mereor"  beweisen,  dass  sein  Verhalten  gegen  Karl  die  Ursache  war. 
AVäi'e  nun  Paul  schon  viele  Jahr  vor  dem  Sturz  des  Desiderius  Kleriker 
und  Mönch  gewesen,  so  Hesse  sich  schwer  denken,  wodurch  er  den  Zorn 
des  Königs  in  ähnlichem  Masse,  wie  später  Arichis  durch  die  Teilnahme 
an  dem  Aufstand  Hrodgauds,  auf  sich  ziehen  konnte.  Es  scheint  deshalb 
die  Annahme  natürlich,  dass  sich  Paul  am  Kampf  gegen  Karl  beteiligte. 
Und  darauf  führt,  wie  mich  dünkt,  auch  carm.  37  S.  70  f.  Ganz  durch- 
sichtig ist  das  Gedichtchen  ja  nicht,  da  die  Verse  Pauls,  welche  es  erwidert, 
nicht  erhalten  sind.  Doch  sieht  man,  dass  Paul,  wie  Alkuin  in  einem  ähn- 
lichen Fall  (ep.  145  S.  234  f.),  abgelehnt  hat,  den  König  im  Lager  zu  be- 
suchen.    Spottet  Karl: 


—     160     — 

als  Laie  kam  er  an  den  Hof  von  Benevent.  ^)  Dort  traf  er  frisches 
geistiges  Leben:  man  interessierte  sich  für  Geschichte  wie  für  Poesie, 
tiü'  ethische  wie  für  natui-wisseuschafthche  Probleme.  Den  geistigen 
Mitteli)unkt  bikleten  Herzog  Arichis  imcl  seine  Gemahhn  Adel- 
perga."-)  Die  Fürstin  hat  den  jungen  Mann  zu  seinem  ersten  Buch 
angeregt.  Er  hatte  ihr  che  Lektüre  des  Eutropius  empfohlen;  aber 
Adelperga  fand  wenig  Gefallen  an  diesem  Kompendium;  es  war 
ihr  zu  düi-ftig;  sie  vermisste  besonders  die  Nachrichten  über  die 
christliche  Kirche.  Ihr  zu  Dienst  hat  Paidus  seine  römische  Ge- 
scliichte  'geschrieben.^) 

Dieses  glückhche  Leben  wurde  gestört  dm'ch  Karls  Angriff 
auf  das  Langobardenreich.  Paulus  scheint  die  Waffen  zur  Ver- 
teidigung des  Vaterlands  getragen  zu  haben. "•)  Um  so  schwerer 
traf  ihn  der  unglückhche  Ausgang  des  Kriegs.  Er  musste  fliehen: 
in  der  Verbannung  ward  er  Mönch.  Der  Entschluss  sieht  aus  wie 
ein  Schritt  der  Verzweiflung.  Al)er  er  führte  zu  einem  guten 
Ende.  Paul  fand  Beruhigung,  ja  Glück  im  Umgang  mit  gleich- 
gesinnten  Genossen  und  in  den   gelehiien  Stuchen.-')     Alsbald  je- 


Quid  modo  miles  agis,  cultro  qui  colla  secare 

Hostibus  a  nostris,  Paule,  paratus  eras? 
Nunc  titi  dextra,  senex,  elanguit  effeta  belli, 
Leva  Caput  supra  aut  acuta  levare  nequit, 
80  ist  der  Spott  doch  nur  verständlich,  wenn  Paulus  wirklich  einmal  Krieger 
war.    Dann  konnte  er  etwa  sagen  :  In  früheren  Jahren  hätte  er  das  Schwert 
für  den  König  gezogen,  jetzt,  als  Mönch,  habe  er  als  Waffe  höchstens  ein 
Messer,  überhaupt  sei  er,  der  Greis,  zu  schwach,  Waft'en  zu  führen.    Nahm 
Paul    im  Jahr  774   an   dem  Kampf  teil ,   so   kann    er    frühestens    nach    der 
Niederlage    des   Desiderius   Münch    geworden   sein.     Er   floh   wohl,   wie    so 
mancher  andere  am  Kampf  Beteiligte,  nach  Benevent. 

1)  Die  Zeit  ist  unbekannt.  Aus  carm.  1,  das  im  Jahre  763  in  Bonevent 
verfasst  ist,  ergiebt  sich  nur,  dass  er  in  dem  genannten  Jahr  bereits  in 
Benevent  war. 

2)  Ep.  ad  Adelperg.  S.  506:  Cum  ad  imitationem  excellontissimi  com- 
paris,  qui  nostra  aetate  solus  paene  principum  sapientiae  palmam  tenet, 
ipsa  quoque  .  .  prudentium  arcana  rimeris,  ita  ut  philosophorum  aurata 
eloquia  poetarumque  gemmea  dicta  tibi  in  promptu  sint,  historiis  etiam  seu 
commentis  tani  divinis  inhaereas  quam  mundanis.  Vgl.  die  Grabschrift  des 
Arichis  V.  11  f.  S.  67: 

Quod  logos  et  phisis,  moderansque  quod  ethica  pangit, 
Omnia  condiderat  mentis  in  arce  suae. 
.3)  Ep.  ad  Adelperg.  1.  c. 

4)  S.  S.  159  Anm.  .3. 

5)  Von  Deutschland  aus  schreibt  Paul  am  10.  Januar  783  an  Abt  Theu- 
demar  von  Monte  Cas.sino  S.  507:  Videor  mihi  nunc  suavibus  niraium  vest- 


—     161     — 

doch  scheuchte  ihn  ne'ues  UngUick,   das  seine  Famihe  traf,   wieder 
auf;  er  wurde  genötigt,  sich  dem  Mann  zu  nähern,  in  welchem  er 
den  Urheber    alles    des  Übels    erblicken   musste,    das  über  ihn  ge- 
kommen war.     Arichis,    Pauls  Bruder,   gehörte    wie    er  selbst   der 
langobardischen  Nationalpartei  an.     Als   sich  Hrodgaud  gegen  die 
Franken  erhob,  schloss  er  sich  ihm  an ;  aber  die  Empörung  endete 
ebenso  unglückhch  wie  ein  paar  Jahre  vorher  die  Verteidigung  des 
Vaterlands.     Aiichis  wurde    gefangen,    nach    Frankreich   verbannt, 
sein  Vermögen  eingezogen.     Mit  einer  Füi'bitte  für  den  verbannten 
Bruder  wandte  sich   Paul  im   Jahr  782   an  Karl.     Das  Gedicht, 
in  welchem  er  sie  vortrug,   ist  Aveitaus   die  anziehendste  von  allen 
poetischen  Produktionen  der  karolingischen  Epoche.     Paul  vermied 
jeden  rhetorischen  Prunk,  aber  seine  einfache  Schilderung  des  Un- 
glücks der  Familie  hat  etwas  Ergreifendes:  der  Bruder  seit  sieben 
Jahren  als  Verbannter  in  der  Fremde,  seine  Gemahhn  zur  Bettlerin 
geworden,  heischt  auf  den  Strassen  der  Heimat  Brot;  es  zuckt  ihr 
die  Lippe  vor  Schmerz  über  die  Schmach,  wenn  sie  um  die  Gaben 
bittet;  aber  nur  so  vermag  sie  ihre  Kinder  vor  dem  Hungertod  zu 
bewahren;    eine  Schwester,    seit  der  Jugend  Nonne,    ist  schier  er- 
bhndet  vor  Weinen:  die  Famihe  ist  vernichtet.    In  den  einfachsten 
Worten  bittet  Paulus  um  INIitleid,  Karl  möge  endhch  diesem  Jamme  r 
ein  Ziel  setzen,  den  Gefangenen  in  die  Heimat  zm-ückkehren  lassen 
und  ihm  seine  Habe  zmückgeben.  ^)     Paulus   reiste   selbst   in    das 
fränkische  Reich,  um  seine  Bitte  persönhch  vor  den  König  zu  bringen.-) 

ris  interesse  concentibus,  nunc  consedere  satiandis  in  caenaculo  plus  lec- 
tione  quam  cibo,  nunc  singulorum  considerare  in  diversis  officiis  stud  ia, 
nunc  gravium  iam  senio  seu  languidorum,  quomodo  quisque  valeat,  per- 
discere  causas,  nunc  adinstar  mihi  paradisi  dilecta  sanctorum  terere  limina. 

1)  Carm.  10  S.  47.  Dass  die  Bittschrift  im  Jahre  782  abgefasst  ist, 
wird  seit  Bethmann  (Pertz,  Archiv  10  S.  294)  allgemein  angenommen,  von 
Dahn  (S.  28  f.)  jedoch  nur  als  wahrscheinlich  betrachtet,  wie  auch  Beth  - 
mann  selbst  geurteilt  hatte.  Doch  darf  man  die  Annahme  für  ziemlich 
sicher  halten;  der  Beweis  liegt,  soviel  ich  sehe,  in  v.  3 — 5.  Hier  spricht 
Paul  von  seinem  eigenen  Schicksal:  Sum  miser,  ut  mereor,  und  fährt  dann 
fort:  Septimus  annus  adest,  ex  quo  nova  causa  dolores  multiplices  gene  rat. 
Dadurch  ist  zwischen  seiner  eigenen  Katastrophe  und  der  seines  Brud  ers 
unterschieden:  jene  fällt  früher  als  diese.  Dann  kann  die  letztere  aber  nur 
776  eingetreten  sein.  Und  da  Paul  sagt:  das  7.  Jahr  ist  da,  so  schreibt  er 
im  Beginn  desselben.     Die  Bittschrift  ist  also  im  Frühjahr  782  verfasst. 

2)  Gewöhnliche  Annahme,  die  von  Dahn  (S.  29  f.)  überflüssigerweise 
bezweifelt  wird.  Sie  ergiebt  sich  schon  daraus,  dass  sich  Paul  in  der  Über- 
schrift des  Briefes  an  Theudemar  als  pusillus  filius  supplex  bezeichn  et. 
Carm.    11    Str.    4    S.    48    schliesst    aus,    dass    Karl   Paulus    an    seinen     Hof 

berief. 

Hauck,  Kirckengeschichte.   11.    2.  Aufl.  '  11 


—     162     — 

"Wurde  sie  auch  nicht  sofort  erfüllt/)  so  wurde  er  doch  wohl  auf- 
^enoninieu.  Ich  verweile,  schrieb  er  an  Abt  Theudeniar  von  Monte 
Cassino,  bei  Katholiken  und  frommen  (^bristen;  alle  cnipfangen 
mich  freiuidhch;  die  Liebe  zu  unserem  Vater  Benedikt  lässt  sie 
günstitr  gegen  mich  gesinnt  sein.-) 

Kai'l  minschte  den  Gelehrten,  dessen  sprachliche  Kenntnisse 
er  besonders  schätzte,  in  seinem  Reich  zurückzuhalten.'')  Dass 
Paul  einige  Jahre  bheb,  betrachtöte  er  als  ein  Opfer,  das  ei-  dem 
König  brachte:  der  Palast  ersetzte  ihm  Monte  Cassino  nicht.^) 
Das  wtlr  nicht  mönchische  Enge;  denn  von  ihr  war  er  völlig  frei: 
das  thätige  Leben  galt  ihm  als  ebenso  berechtigt  wie  das  beschau- 
hche:  das  Beste  sei  die  Vereinigung  von  Handeln  und  Meditation.'') 
Allein  die  Liebe  zur  Heimat  wird  ihn  diesseits  der  Alpen  nicht 
haben  heimisch  werden  lassen. 

Nicht  zumeist  als  Schriftsteller,  sondern  hauptsächlich  durch 
seine  Pei-sönhchkeit  wirkte  Paul,  so  lange  er  in  der  Umgelnmg 
Karls  verweilte.  Ausser  dem  Büchlein  über  die  Metzer  Bischöfe"), 
der  ei-sten  Bistumsgeschichte,  die  es  giebt,  und  einigen  Gedichten 
schrieb  er  in  dieser  Zeit  nur  den  Auszug  aus  dem  Werk  des  Poni- 
peius  Festus  De  verborum  significatu ') ;  daneben  arl)eitete  er,  dui'ch 
Krankheit  lange  gehindert,  an  der  Emendation  der  Briefe  Gregors.**) 


1)  Ep.  ad  Theudem.  S.  507  zeigt,  dass  Arichis  im  Januar  783  noch 
nicht  freigegeben  war:  Quam  primum  mihi  .  .  Dominus  .  .  noctem  raaeroris 
meisque  captivis  iuga  miseriae  dimiserit.  Die  endliche  Gewährung  der  Bitte 
Pauls  scheint  mir  nicht  zweifelhaft.  Carm.  13  v.  9  S.  50:  Quod  te  post 
tenebras  fecit  cognoscere  lumen,  macht  sie  gewiss,  zumal  wenn  man  die 
Verwertung  des  gleichen  Bildes  hier  und  in  dem  Binef  an  Theudemar  be- 
achtet (vgl.  carm.  14  v.  15;  15  v.  28).  Dahn  (S.  39)  übt  seinen  Scharfsinn 
auch  hier,  indem  er  das  Naheliegende  und  Einfache  bezweifelt. 

2)  L.  c.  Der  Brief  ist  datiert  vom  10.  Januar  margine  de  vitreae 
Mosellae  Das  Jahr  783  ergiebt  sich  aus  dem  über  die  Abfassung  der  Bitt- 
schrift Bemerkten.  Paul  erwähnt  Hist.  Lang.  1,  5  einen  Aufenthalt  in  Diedon- 
hofen  während  der  Weihnachtszeit. 

3)  Carm.  11  Str.  5  S.  48. 

4)  Ep.  ad  Theudem.  Der  König  zweifelte  zuerst,  ob  er  Paul  halten 
könne  (carm.  11  Str.  8,  vgl.  6).  Seinen  gewöhnlichen  Aufenthalt  hatte  er 
in  der  Nähe  des  Königs  (carm.  17  S.  54).  Von  fränki.schen  Orten  kannte 
er  Poitiers,  er  besuchte  dort  das  Grab  des  Venantius  Fortunatus  (Hist. 
Lang.  II,  13),  Metz  (1.  c.  VI,  16),  auch  den  Nordwesten  (ep.  ad  Adal.). 

5)  Homil.  2  (Migne  95  S.  1570  f.). 

6)  Vgl.   Hist.    Lang.  VI,  IR. 

7)  Was  diese  Exzerpte  anlangt,  so  schreibt  sie  Waitz  mit  viel  Wahr- 
scheinlichkeit unserem  Paul  zu  (s.  Hist.  Lang.  S.  10). 

8)  Vgl.  Ep.  11  f.   S.  508  f.;    von  Wattenbach   S.   169  u.   a.   bezweifelt. 


—     163     — 

Aber  der  Eindruck  seiner  Persönlichkeit  muss  ein  ausserordentlich 
einnehmender  gewesen  sein:  ohne  jede  Spur  von  Neid  erkannte 
Petrus  von  Pisa,  der  ältere  Mann,  die  geistige  Überlegenheit  Pauls 
an.^)  Besonders  Karl  selbst  war  von  ihm  hingenommen:  ihm 
gegenüber  hat  er  nie  den  König  herausgekehrt,  was  er  Alkuin 
gegenüber  doch  ab  und  zu  that.  Im  Vergleich  mit  dem  schwer- 
fälhgen,  stets  moralisierenden  Alkuin  hatte  Paul  etwas  Beweg- 
hcheres,  Freieres:  er  vennied  es,  mit  der  ernsthaften  Miene  Alkuins 
dem  König  Huldigungen  darzulningen,  al^er  gewandt  wusste  er  in 
der  Er^dderung  auf  einen  ziemhch  j^lumpen  Scherz  Karls  ihm  et- 
was Freundhches  zu  sagen.-)  Lehnte  er  mit  feiner  Selbstironie 
übertriebenes  Lob  ab,^)  so  mussten  auch  seine  Freunde  sich  ge- 
fallen lassen,  dass  sein  Spott  sie  nicht  schonte.-*)  Für  die  Schön- 
heit der  Natur  hatte  er  das  offenste  Auge:  wie  freute  er  sich  an 
dem  Reiz  des  Comei-sees,-^)  an  dem  ewigen  Frühhng,  der  an  seinen 
üppigen  rfern  herrscht,  oder  an  der  Pracht  des  Sonnenaufgangs.  *0 
Mit  ein  paar  Strichen  wusste  er  das  anschaulichste  Bild  zu  zeichnen: 
die  wenigen  Worte,  in  denen  er  den  verfallenen  Stammsitz  seiner 
FamiHe  schildert,  sind  eines  Meisters  wert:  ein  ödes  Haus,  das 
Dach  eingestürzt,  zwischen  den  Steinen  Brombeergesträuch  und 
Hagebutten  emporspriessend,  in  der  Glitte  eine  mächtige  Esche, 
die  ihre  Zweige  über  die  Verwüstung  ausbreitet.')  Paulus  war  ein 
Gelehi'ter,^)  aber  noch  weniger  als  Alkuin  ausschhesshch  Theolog: 
in  seiner  Langobardengeschichte  überwuchert  nicht  wie  bei  Gregor 
von  Tours  die  Gescliichte  der  Kirche  oder  der  Bischöfe  die  des 
Volks  ^  sogar  in  seinen  Erzählungen  über  die  Bischöfe  von  Metz 
drängt  sich  der  Gedanke  an  die  HeiTscherfamihe  in  den  Vorder- 
gnmd.  Als  StiHst  war  er  eigenartiger  als  die  meisten  seiner  Zeit- 
genossen: er  beabsichtigte  weder  gleich  Alkuin  zu  schreiben  wie 
ein  Kirchenvater,  noch  gleich  Einhard  wie  Sueton:  sondern  er 
schrieb  wie  er  selbst.  Auch  das  gehört  zu  der  Fiische  und  Wahr- 
haftigkeit seines  Wesens. 

Wahrscheinhch    im    Jahi^    TSe'-*)    kehrte    Paul    nach    Itahen 

1)  Ergiebt  sich  trotz  der  ironischen  Übertreibung  aus  carm.  15  S.  52  ff. 

2)  Carm.  13  v.  13—20  und  14  v.  9  f.;  v.  25  ff. 
.     3)  Carm.  12  S.  49  f.;  vgl.  14  v.  21  f.  S.  52. 

4)  Carm.  15  v.  29  f. 

5)  Carm.  4  S.  42  f. 

6)  Carm.  17  S.  54  f. 

7)  Hist.  Lang.  IV,  37. 

8)  Über  seine  Litteraturkenntnis  s.  Bethmann  1.  c.  S.  276 ;  vcl.  auch 
ep.  12  S.  509  seine  Ablehnung  von  Hypothesen. 

9)  Bethmann  1.  c.  S.  266  f. 

11* 


—     164     — 

zurück:  er  lobte  wiodor  in  ^Nfontc  Oassino.^)  Dort  vcrfassto  er 
seine  LantfobardoiifTcscliichtc  sein  Homiliariinn  ■')  und  seinen  Kom- 
mentar ziu-  Benediktinerregel;'')  auch  einige  seiner  Predigten  sind 
auf  uns  gekommen."*) 

Kin  Ausländer  war  endlich  auch  Theodulf ; '')  er  selbst  nennt 
sich  wiederholt  einen  Goten;")  als  seine  Heimat  darf  man  Spanien 
betrachten.^  Dort  hatte  die  arabische  HeiTschaft  vielfach  ver- 
wüstend gewirkt,  doch  das  Fortleben  der  lateinisch -christlichen 
Kultur  nicht  ganz  unmöglich  gemacht.  Das  sieht  man  an  iMännern 
wie  Felix  von  Urgel.  So  ist  es  erklärlich,  dass  Theodulf  über 
eine  ähnliche  Summe  litterarischer  Kenntnisse'')  und  ein  ähnliches 


1)  Zeitenweise  auch  in  Rom;  dort  ist  die  V.  Greg,  verfasst  (s.  Waitz, 
llist.  Lang.  S.  14;  Ebert,  Litt.  d.  MA.  II  S.  41  f.). 

2)  Vgl.  über  dasselbe  Kap.  IV. 

3)  Dass  ihm  der  Bibl.  Casin.  IV  S.  3  tt'.  gedruckte  Kommentar  ange- 
hört, ist  nicht  sicher.  Um  d.  J.  790  konnte  man  noch  nicht  sagen,  dass 
das  Allerheiligenfest  per  totum   mundum   gefeiert  werde,  c.  14  S.  91. 

4)  Von  den  Predigten  sind  von  Dahn  (S.  69)  verworfen  die  zu  Maria 
Himmelfahrt  und  die  über  Matth.  20.  Der  C4rund,  dass  die  Neigung  zu 
allerlei  subtilen  Erklärungen  der  etwas  hausbackenen  Verständigkeit  des 
Paulus  fem  liege,  scheint  mir  ungenügend.  Exegetische  Spielereien  sind 
in  dieser  Zeit  zu  gewöhnlich,  als  dass  sie  bei  irgend  einem  Schriftsteller 
auffallen  könnten.  Die  Predigt  auf  St.  Benedikt  erkennt  Dahn  an;  die  über 
Maria  und  Martha,  die  interessanteste  der  vier  (s.  S.  162  Anm.  ä),  erklärt 
er  für  farblos. 

5)  Cuissard  in  denMem.  de  la  soc.  arch.  et  hist.  de  rOrleanai8Bd.24,  S.  1  if. 

6)  Carm.  25  v.  165  S.  487;  27  v.  62  S.  492;  28  v.  139  ff.  S.  497. 

7)  Zu  den  von  Ebert  (Leipziger  Berichte  Bd.  30,  2  S.  95  ff.)  vorge- 
tragenen Gründen  füge  ich  hinzu,  da.ss  Theodulf  die  Bücher  des  N.  T.  in 
derjenigen  Reihenfolge  abschreiben  Hess,  welche  in  Spanien  üblirh  war: 
Evang.,  Briefe  Pauli,  kathol.  Briefe,  Apost.-Gesch.,  Apokalypse;  s.  carm.  il 
V.  85—136  S.  534  ff.  und  vgl.  Corssen,  Ep.  ad  Gal.  ad  fid,  opt.  codd.  Vulg. 
reo.  1885  S.  5:  Codices  in  Hispania  eodem  tempore  (saec.  IX — X)  scriptos 
hunc  ordinem  habuisse:  Ev.,  Ep.  Pauli,  Ep.  cath.,  Act.  ap.,  Apok.  est  cur 
putemus.  Doch  spricht  S.  Berger,  Hist.  de  la  Vulg.  S.  147  für  die  septi- 
manische  Herkunft  T's.    Die  Gründe  für  Spanien  scheinen  mir  zu  überwiegen. 

8)  "Was  seine  Kenntnis  der  lateinischen  Dichter  anlangt,  so  verweise 
ich  auf  Düromlers  wertvolle  Anmerkungen  und  Cuissard  S.  50  ff.  über  sein 
patristisches  Wissen  giebt  Aufschluss  carm.  4."»  S.  543  und  die  Schrift  de 
spirit.  s.  (Migno  105  S.  239  ff.).  Auch  Thoodulf  kannte  zunächst  die  latei- 
nischen Väter  seit  dem  4.  Jahrhundert.  Nur  war  ihm  auch  Cyprian  nicht 
unbekannt  (carm.  45  v.  6).  Dümmler  hat  darauf  aufmerk.sam  gemacht,  dass 
er  Gedanken  aus  Cyprians  Schrift  ad  Demetr.  kopierte  (carm.  14  S.  468). 
Unter  dem  Namen  des  Athanasius  zitiert  er  die  pseudoath.  libr.  XI  de  trinit. 
Ausserdem   zwei  Stellen   aus  Cyrill   und   etliche  aus  des  Hieronymus  Über- 


—     165     — 

Mass  wissenschaftlicher  Schulung  verfügte  wie  Alkuin.  Er  war 
Kleriker,^)  vielleicht  Mönch.-)  Es  scheint,  class  er  wie  andere 
Spanier  seine  Sympathien  für  die  Franken  nicht  verhehlte  und 
deshalb  genötigt  wurde,  sein  Vaterland  zu  verlassen;  er  betrachtete 
sich  als  Exulanten:-^)  die  Berufung  an  den  Hof  Karls  versetzte 
ihn  in  eine  ihm  durchaus  zusagende  Umgebung.*)  Er  war  nicht 
das  unbedeutendste  Glied  der  Gelehrtenakademie  Karls;  im  Gegen- 
teil hat  man  den  Eindrack,  als  fühlte  er  sich  den  meisten  Genossen 
einigermassen  überlegen.  In  der  That  war  er  es  auch.  So  wenig 
seine  Gedichte  verleugnen,  dass  er  in  der  Prägung  des  poetischen 
Ausdi'ucks  der  Nachahmer  Alterer  war,  so  haben  sie  doch  mehr 
Originalität,  als  es  in  dieser  Zeit  gewöhnHch  ist.  Im  Wesen 
Theodulfs  lagen  schärfere  Kontraste  als  etwa  in  dem  Alkuins  oder 
Einhards:    das  reflektiert  sich  in  dem,   was  er  schrieb.     Der  Ton 


Setzung  des  Didymus.  Carm.  45  v.  5  nennt  er  auch  Johannes  Chrysostomus ; 
es  wird  sich  um  eine  lateinische  Übersetzung  gehandelt  haben.  Von  Kennt- 
nis der  griechischen  Väter  ist  also  nicht  die  Rede. 

1)  Carm.  1  und  2  verfasste  Theodulf  als  Diakon  (s.  2  v.  31  S.  453; 
207  iF.  S.  457).  "Wir  wissen  weder,  wann  noch  wo  das  Gedicht  entstand, 
dessen  Bruchstücke  uns  in  carm.  1  und  2  vorliegen.  Nur  steht  es  nach 
2  V.  107  f.  S.  454  ausser  Zweifel,  dass  es  nicht  in  Spanien  unter  arabischer 
Herrschaft  geschrieben  sein  kann. 

2)  Carm.  17  v.  75  ff.  S.  474  legen  diese  Vermutung  nahe;  vgl.  c.  21 
V.  108  S.  480,  beweisen  lässt  sie  sich  nicht. 

3)  Carm.  23  v.  28  S.  481.  Das  Nähere  ist  unbekannt;  doch  mag  eine 
Vermutung  gestattet  sein.  Aus  cap.  76  S.  169  wissen  wir,  dass  vor  dem  Jahr 
782  zahlreiche  Spanier,  sowohl  Goten  als  Araber,  Priester  als  Laien,  die 
Heimat  verliessen  und  bei  Karl  in  Südfrankreich  Aufnahme  fanden;  vgl. 
Ann.  Lugd.  z.  J.  782  (M.G.  Scr.  I,  110).  Es  hat  an  sich  nichts  Unwahr- 
scheinliches, dass  Theodulf  zu  ihnen  gehörte.  Diese  Annahme  aber  findet 
eine  Stütze  an  carm.  28  v.  137  ff.  S.  497.  Hier  wird  eine  Begegnung  mit 
Goten  erwähnt,  welche  Theodulf  sofort  als  Landsmann  erkennen.  Mög- 
licherweise war  er  mit  ihnen  ausgewandert.  Er  sieht  Carcassonne  wieder: 
Eevisentes  te,  Carcasona;  war  diese  Stadt  der  Ort  seines  Exils?  Nimmt 
man  an,  dass  er  755 — 760  geboren  wurde,  so  war  er  bei  seiner  Ankunft  im 
fränkischen  Reich  20 — 25  Jahre  alt. 

4)  Das  Jahr  steht  nicht  fest,  ebensowenig  dasjenige  der  Ernennung 
Theodulfs  zum  Bischof.  Woher  Werner  (Alcuin  S.  81)  weiss,  dass  Theo- 
dulf 781  an  den  Hof  kam  und  788  Bischof  wurde,  ist  mir  unbekannt. 
Nimmt  man  an,  dass  der  Brief  Hadrians  (J.W.  2491)  sich  auf  Theodulf  von 
Orleans  bezieht,  so  ist  die  Annahme  notwendig,  dass  er  spätestens  im  Jahr 
795  das  Bistum  erhielt.  Aber  Hampe  hat  N.A.  XXII  S.  748  gezeigt,  dass 
vielmehr  Theodulf  von  Como  gemeint  ist.  Sicher  erwiesen  ist  Theodulf  als 
Bischof  erst  im  Juli  798  durch  Ale.  ep.  149  S.  242;  als  in  Beziehung  zu 
Karl  zuerst  durch  das  Epitaph  für  Fastrada,  also  794. 


—     166     — 

ist  ein  ungemein  wecliselnder,  auch  wenn  man  von  den  Gedichten 
ahsieht  welche  er  nach  seiner  Katastrophe  unter  Ludwig  d.  Fr, 
verfasste.  'Mau  erstaunt,  wie  trüb  er  die  Gegenwart  beurteilte: 
dem  scharten  Beobachter  entgingen  die  mancherlei  Schattenseiten 
in  den  kirchlichen  und  staatlichen  Verhältnissen  nicht;  der  Ein- 
druck davon  war  so  tief,  dass  er  sich  mit  dem  Gedanken  trug, 
das  Weltende  stehe  unmittelbar  bevor.  ^)  Auf  der  anderen  Seite 
zeigt  sich  Theodulf  als  der  witzigste  Spötter,  er  verhöhnte  nicht 
nm-  die  kleinen  Poeten  am  Hof  —  Elster  und  Papagei,  Tauchente 
und  i^t'au.  Kukuk  und  Kriilic  niachte]i  dort  Lärm:  da  flögen  die 
Schwäne  davon,  Amsel  und  Käuzlein  schwiegen  — ,  sondern  seine 
L'onie  wagte  sich  auch  an  den  König:  er  zeichnet  ihn,  wie  er 
mitten  an  der  Tafel  sitzt  und  mit  seinem  Sz('})ter  das  Ganze  re- 
giei-t.  indem  er  in  friedlicher  Ordnung  mächtige  Portionen  austeilt; 
er  i)ersiriieii:e  den  würdigen  Alkuin,  der  immer  von  Knal)en  und 
Gechchten  umschwirrt  sei,  der  Gewicht  darauf  lege,  dass  die  Würde 
seines  Alters  anerkannt  wird,  und  der  stets  für  sich  und  seine 
Schüler  zugleich  spreche.  Die  satirische  Ejjistel  ist  einem  Freund 
Alkuins  gewidmet,  Theodidf  scldiesst  sie,  indem  er  wie  Alkuin  in 
seinen  Ermahnungsschreiben  den  Em])ränger  auffordert,  seine  Verse 
ja  zu  merken  und  durch  häufiges  Lesen  sich  wohl  einzuprägen.-) 
In  nicht  wenigen  Gedichten  tntt  das  Theologische  stark  hervor: 
Theodulf  bringt  Stellen  der  Bibel  in  Verse;"')  er  rellektiert  ül)er 
die  Rätsel  der  göttUchen  Weltregierung,  die  er  schliesslich  zwar 
bewundern,  aber  nicht  ganz  verstehen  kann;*)  nicht  minder  über 
den    Zusammenhang   des   Leidens   Chi-isti    und   unsere    Erlösung.*^) 


1)  Vgl.  carm.  2  v.  53  ff.  S.  45.3;  14  S.  468  f.;  17  v.  7  tf.  S.  472;  18  S.  475. 

2)  Carm.  27  S.  490  f.  Man  ist  nicht  einig,  an  wen  das  Gedicht  ge- 
richtet ist.  Die  Älteren  nahmen  offenbar  irrig  au,  an  Angilbert.  Dagegen 
betrachtet  Ebert  (Leipziger  Berichte  30  S.  98  ff.)  Hraban  als  den  Empfänger, 
er  sieht  in  Corvinianus  eine  Übersetzung  von  Ilrabanu.s.  Dümmlor  (N.A. 
XVIll  S.  67  stimmt  zu,  und  folgert  daraus  einen  mohrjilhrigen  Aufenthalt 
Ihabans  bei  Alkuin.  ich  bin  nach  wie  vor  wegen  der  Angabe  in  dem  Cat. 
abb.  Fuld.  (M.(i.  XIII  S.  272)  bedenklich.  Sollte  nicht  Arn  von  Salzburg 
der  Empfänger  sein?  V.r  hat  einen  Vogolnamen;  man  weiss,  dass  Alkuin 
etwas  schwerrällig  mit  demselben  sincite.  Der  spöttischen  Art  Theodulfs 
würde  es  ganz  entsprechen,  dass  er  aus  dem  Adler  eine  Krähe  macht.  Dazu 
kommt,  dass  Am  schwarzhaarig  war  (Ale.  ep.  194  S.  321)  und  zu  den  ge- 
oaucsten  Freunden  Alkuins  gehörte. 

3)  Carm.  4  f.;  7  ff . ;  15  f.;  vgl.  41  S.  -532;  69  S.  5-58. 

4)  Carm.  13  v.  2:    Quae  mirari  omnos.   noscere  nemo  valet;   carm.   18. 
.5)  Carm.  11  v.  15ff.:  Der  auferstandene  Christus  trägt  die  Wundenmale, 

.  .  .  .  ut  humana  pro  nobis  sorte  precando, 
In  se  demonstret  vulnera  nostra  patri, 


—     167     — 

über  die  göttliche  Gnttde  und  das  menschliche  Verdienst.^)  Aber 
dies  Sinnen  und  Grübehi,  dies  Leben  in  der  Welt  der  Gedanken 
machte  ihn  nicht  blöde  für  die  Schönheit  der  Xatm'  und  der  Kunst. 
"Wie  emplänglich  war  sein  Bhck  fiii*  landschaftUche  Bilder:  die 
hohen  Mauern  Lyons  prägten  sich  ihm  ebenso  ein  wie  die  Lage 
Yiennes.  das  von  Fluss  und  Fels  ^\ie  eingeengt  erscheint,  und  wie 
der  statthche  Anbhck  von  Nimes.-)  In  ein  paar  Versen  auf  den 
heiligen  Nazarius  drängt  die  lebhafte  Vorstellung  der  Reise  nach 
Lorsch  den  Gedanken  an  den  Märtp-er  in  den  Hintergrund: 
Theodulf  kam  von  Worms;  im  Einbaum  setzte  er  über  den  Rhein, 
schwer  fielen  die  Schneeflocken  vom  bewölkten  Himmel;  so  nahte 
er  dem  in  einem  waldigen  Grund  gelegenen  Kloster,  jener  schim- 
mernden Halle,  welche  ihn  entzückte,  wie  wir  sie  jetzt  noch  be- 
■^iindern.'")  Alte  imd  neue  Kunstwerke  wusste  er  zu  schätzen  und 
anschauhch  zu  beschreiben;^)  manche  Prachthandschi-ift  wm-de  in 
seinem  Auftrag  hergestellt.'^)  Er  war  einer  der  wenigen  Männer 
dieser  Zeit,  welche  die  Kunst  als  solche  hebten,  nicht  nur  auf  ihren 
Lihalt  achteten.  Und  doch  war  er  alles  eher,  als  nur  ein  ästhetisch 
gerichteter  Geist,  der  über  das  Kleinliche  lachte,  an  dem  Schönen 
sich  erfreute  und  das  Grosse  be-s^-underte.  Scharf  und  klar  stand 
er  dem  Leben  gegenüber:  er  flammte  entriistet  auf,  wo  ihm  die 
Gemeinheit  entgegentrat;  mit  wuchtigen  Worten  hat  er  das  gebrand- 
mai'kt,  was  andere  thaten,  ohne  Bedenken  darüber  zu  empfinden.*) 
Alt,  überkommene  Rechtsanschauungen  erkannte  er  nicht  deshalb 
schon  für  berechtigt,  weil  sie  Geltung  hatten:  er  hat  das  germanische 


Quosque  sit  humana  passus  pro  gente  labores, 

Adsiduo  Clemens  monstret  et  officio, 
Ut  reminiscatur,  retinet  quem  oblivio  nunquam, 

Et  misereatur  semper  id  almus  agens. 
Admonet  instanter,  hominum  ut  meminisse  per  aevum, 

Et  misereri  almo  semper  amore  velit, 
Quorum  naturae  sit  consors  unica  proles. 

Pro  quibus  et  voluit  vulnera  tanta  pati. 

1)  Carm.   3: 

Tanta  dei  bonitas  fragiles  nos  instruit,  ornat 

Ut  sua  de  propriis  nostra  gerat  merita. 
Et  sine  qua  bona  nuUa  fiunt,  quaeque  efficit  eius 

Gratia,  sint  nostris  adnumeranda  bonis. 

2)  Carm.  28  v.  123,  125  f.,  131  S.  497. 

3)  Carm.  49  v.  7  ff.;   v.  8:   In  vacuis  syrtibus   aula  micat.     Vgl.  oben 
•56  Anm.  3. 

4)  Carm.  28  v.  179  ff.  S.  498;  221  ff.  S.  499;  carm.  46  f.  S.  544  ff. 

5)  Vgl.  Carm.  41  ff.  S.  532  ff. 

6)  Carm.  28  v.  167  fl\  S.  498  ff.;  v.  255  ff.  S.  500  u.  ö. 


—     168     — 

Strafreclit  mit  allem  Xaclulruck  als  unvernünftig  hart  getadelt.') 
Ebenso  wenig  Achtung  hatte  er  vor  den  kirchlichen  Gewohnheiten 
als  solchen:  die  Romwallfahrten  hatten  an  ihm  kennen  Freund.-) 

Unter  den  fremden  Gelehrten  war  Theodulf  neben  Paulin  der 
einzige,  welclieni  Karl  ein  Bischofsamt  übertrug:  ein  Beweis,  wie 
hoch  er  ihn  stellte.  Er  täuschte  sich  dal)ei  nicht;  denn  Theodulf 
ging  als  Bischof  ganz  auf  die  Reformgedanken  des  Königs  ein. 
AVii'  werden  das  später  zu  erwähnen  haben. 

Es  ist  eine  Reihe  bedeutender  Männer,  deren  Bild  wir  an  uns 
vorübergehen  Hessen.  Karl  gelang  es,  alle  hervorragenden  litte- 
rarischen Persönlichkeiten  der  Zeit  in  seinem  Reich  und  an  seinem 
Hof  zu  vei*sammeln.  Unmöglich  aber  hätten  sie  so  viel  gewirkt, 
als  es  der  Fall  war,  wenn  sie  nicht  auf  empianglichen  Boden  ver- 
pflanzt worden  wären.  In  der  That  waren  im  fränkischen  Reich 
die  Vorbedingungen  für  einen  Aufschwung  der  Bildung  in  höherem 
(xrad   vorhanden,   als  man  auf  den  ersten  BHck  vermuten  möchte. 

An  gelehrtem  Untenicht  mangelte  es  nicht  ganz.  Dass  die 
Hofschule  schon  unter  Karl  ^Nlartell  und  Pippin  bestand,  bemerkten 
Avir  bereits.'')  Aber  auch  in  nicht  wenigen  Klöstern  wurde  gelehrt 
und  gelernt.  Abt  Theutsind  hat  St.  Martin  in  Toui-s  niclit  so 
vollständig  zu  Gnmde  genchtet,^)  dass  der  Unterricht  aufgeh(>rt 
hätte.  Der  jüngere  Wido.  dem  Pijipin  die  Abtei  St.  Wandrille 
verlieh,  war  in  St.  Martin  gebildet.  So  wenig  rülimliches  die 
Mönche  von  ihm  zu  sagen  wussten,  so  haben  sie  doch  anerkannt, 
dass  er  in  der  T^ittcratur  bewandert  war.'')  Ein  Mönch  in  Worms, 
Xamens  Adam,  widmete  im  Jahr  780  dem  König  Karl  eine  Ab- 
schrift der  Ars  grammatica  des  Dioinedes.  Da  er  sich  selbst  einen 
Elsässer  nennt,  so  wird  er  einem  der  vielen  Klöster  des  Elsass 
seine  Bildung  verdanken:  er  lernte  dort  nicht  nur  die  Kunst  des 
Schreibens,  sondern  auch  die  andere,  lateinische  Verse  zu  machen.") 
Stellte  ihn  Kail    an  die  Spitze  des  Klosters  Masmünster.')   so  ge- 


1)  Cann.  29  S.  517  ff.  Vgl.  carm.  34  S.  526  die  Missbilligung  einer 
Teilung  des  Reichs. 

2)  Carm.  67  S.  557. 

3)  S.  oben  S.  121. 

4)  S.  Bd.  I  S.  .386  u.  398. 

5)  Gest.  abb.  Font.  c.  15  S.  44  f.  Wido  war  von  TöS— 787  Abt.  Unter 
den  Gaben,  welche  er  dem  Kloster  überlies.s,  fehlen  Bücher  wenigstens  nicht 
ganz.  Kr  war  ein  Laie.  Sein  Nachfolger  richtete  in  St.  Wandrille  eine 
Schule  wieder  ein  (1.  c.  16  S.  47). 

6)  Poet.  lat.  I  S.  94. 

7)  Die  Gründung  dieses  Klo.sters  liegt  ganz  im  Dunkeln.  Der  Name 
Masunvillare  zeigt,  dass  der  Ort  älter  war  als  das  Kloster. 


—     1(39     — 

schah  das  ohne  Zwdfel  mit  Rücksicht  auf  seinen  Bildungsgrad. 
Ist  die  Nachricht  beglaubigt,  dass  Angih-am  von  dem  Mönch 
Nargaud  in  Gorze  untemchtet  wiu-de,^)  so  kann  auch  in  diesem 
Kloster  das  Bildungswesen  nicht  ganz  yernachlässigt  gewesen  sein. 
Dass  in  St.  Gallen  das  Bedürfnis  nach  Vermehrung  des  litte- 
rarischen Besitzes  empfimden  wm'de.  sieht  man  aus  den  Abschriften, 
welche  in  diesem  Kloster  entstanden.-)  Einer  der  eifrigsten  Schreiber 
St.  Gallens,  der  Mönch  und  Presbyter  Winidharius,  begann  seine 
Arbeiten  im  letzten  Jahrzehnt  Pippins.^)  Er  war  dann  Zeuge 
des  Aufschwungs,  den  die  Bildung  unter  Kari  erfuhr,  und  hat  des 
Königs  Teilnahme  für  das  Buchwesen  warm  gepriesen.*)  In  Fulda 
bestand  von  Anfang  an  eine  Schule.  Nm'  wird  sie  rein  theologisch 
gewesen  sein.'^)  Ihr  Lehrziel  lässt  sich  aus  dem  entnehmen,  was 
wir  über  den  Unterricht  in  Fritzlar  wissen:  liier  wie  dort  waren 
ja  Anordnungen  des  Bonifatius  massgebend.  Er  erstrebte  die  Vor- 
bildung für  den  geistlichen  Beruf;  deshalb  wurden  Psalmen  und 
andere  Lektionen  gelernt,  überhaupt  der  Inhalt  der  Heihgen  Schrift 
dm-ch  oft  wiederholtes  Lesen  derselben  dem  Gedächtnis  eingeprägt. 
Das  höchste  Ziel  war,  den  Schülern  das  Verständnis  der  Bibel  zu 
erschhessen.  indem  man  sie  in  die  Geheimnisse  der  allegorischen 
Auslegimg  einweihte.*')  Der  Unterricht  in  den  von  Pirmin  gestifteten 
Klöstern  war  schwerlich  viel  anders  beschaffen:  doch  war  es  immer- 


1)  Abel,  JB.  S.  38. 

2)  Das  Verzeichnis  der  30  libri  scottice  scripti,  des  ältesten  Bücher- 
besitzes von  St.  Gallen,  findet  sich  in  einem  Katalog  des  9.  Jahrb.  (Becker, 
Catalogi  1885  S.  43).  Es  enthält  vornehmlich  biblische  Bücher,  sodann 
einzelnes  von  Beda,  Augustin,  Sedulius,  Juvencus,  Boethius,  endlich  Bücher 
für  den  Gottesdienst.  Über  Reste  dieser  Bücher  s.  (Scherer)  Verzeichnis 
der  Handschriften  der  Stadtbibliothek  von  St.  Gallen  (1875)  S.  27,  459  und 
462  f. 

3)  Vgl.  Wartmann  ÜB.  I  Nr.  30  S.  34;  32  S.  35;  39  S.  41;  49  S.  50; 
die  Urkunden  fallen  zwischen  761  und  766;  eine  Reihe  noch  vorhandener 
Handschriften  Winidhars  verzeichnet  Scherer  Verzeichnis  S.  1  Nr.  2;  4  Nr. 
11;  30  Nr.  70;  86  Nr.  238;  324  Nr.  907;  eine  unter  Abt  Johann  H.  760—781 
gefertigte  Handschrift  S.  19  Nr.  44.  Doch  begründete  erst  Abt  Gozbert 
(816—836)  den  Ruhm  der  St.  Galler  Bibliothek  (Ratb.  Gas.  St.  Galli  6 
S.  66;  s.  Weidmann,  Geschichte  der  Bibliothek  von  St.  Gallen  [1841]  S.  Iff.). 

4)  Poet.  lat.  I  S.  89  f.  Nr.  2. 

5)  Candid.  V.  Eigili  1  Scr.  XV  S.  223:  Huic  (Styrmi)  .  .  Aegil  .  .  a 
parentibus  praesentatur;  quem  .  .  scolae  congregationi,  ubi  lex  divina  iugi 
exercitatione  discitur  et  docetur,  cum  summa  industria  causa  literarum  so- 
ciare  mandavit.     Vgl.  Walahfr.  prol.  zu  V.  Kar.  S.  507. 

6)  V.  Sturm.  2  S.  366. 


—     170     — 

hin  vou  AVert.  dass  sowohl  iu  Keicheiiau')  wie  in  Miu'bach'-)  stets 
imten-ichtet  worden  ist.  Unter  den  Frauenklöstern  hatte  die  Schule 
Liobas  in  Tauberbischofsheini  den  höchsten  Ruhm/')  "Wollte  man 
auch  in  den  Klosterschulen  nur  Kleriker  l)ilden,  so  konnte  man 
doch  das  sprachliche,  grannnatische  Studium  nicht  entbehren.  Es 
"vsTirde  denn  auch  nicht  völhg  vernachlässigt.  Selbst  eine  freilich 
schwache  litterarische  Thätigkeit  war  vorhanden.  In  Mainz  schrieb 
der  Priester  Willibald,  ein  Kanoniker  au  der  Viktorskirche  vor  der 
Stadt,  eine  Biographie  des  Bonifatius.'*)  So  un])efriedigeud  sie  iu 
vieler  iSnsicht  ist,  so  kann  man  doch  nicht  verkennen,  dass  ihm 
der  Gedanke  vorschwcljte,  eine  vornehme  Biographie  zu  verfassen. 
Das  ist  ihm  misslungen;  die  Kraft  reichte  nicht  so  weit,  als  der 
Vorsatz  zielte.'^)  Aber  wenigstens  darin  steht  er  weit  über  den 
alteren  Heihgenbiographen,  auch  über  Alkuin.  dass  er  nicht  für 
notwendig  hielt,  seinem  Helden  Wunder  anzudichten,  um  ihn  zum 
Heiligen  zu  machen.  In  diesem  Punkt  l)erührt  er  sich  mit  seinem 
jüngeren  Zeitgenossen  Eigil,  gleich  ihm  einem  Schriftsteller  aus 
der  Schule  des  Bonifatius:**)  in  der  Biographie  Sturms  wird  eben- 
falls kaum  eine  Wundergeschichte  erzählt.  Sie  übertriftt  jedoch 
Willibalds  Werk  dadurch,  dass  sie  nichts  prätendiert:  sie  will  sein, 
was  sie  ist,  ein  schlichter  Bericht  üljer  das  Leben  des  ei-sten  Abts 
von  Fulda.  Gern  sieht  man  ül)er  die  si)rachlichen  Mängel,  die 
ihr  ankleben,  hinweg.  Die  Heideidieimer  Nonne,  welche  das  Leben 
Willibalds  und  Wunnibalds  beschrieb,  erinnert  darin  an  den  Bio- 
graphen des  13ouifatius,  dass  auch  sie  glaubte,  geziert  schreiben  zu 
müssen,  um  schön  zu  schreiben.") 

Wenn  num  im  mittleren  uiul  südlichen  Deutschland  die  Nach- 
wirkungen der  Thätiirkeit  des  Bonifatius'')  und  Pirmin  bemerkt,  so 


1)  In  Reichenau  erhielten  Haito,  der  spätere  Abt  und  Bischof  von 
Ba.sel  (vis.  Wett.  v.  40  tt'.,  Poet.  lat.  II  S.  305),  ferner  Tatto,  später  Lehrer 
daselbst,  ihre  Bildung  (vis.  Wett.  v.  875—879  S.  331).  Ebenso  Bernakl, 
Bischof  von  Strassburg  (epit.  Bernaldi  v.  5,  1.  c.  S.  420). 

2)  Ale.  ep.  271  S.  430. 

3)  V.  Leob.  c.  11.     Scr.  XV  S.  126. 

4)  Passio  s.  Bonif.  S.  481.  Die  Zeit,  in  der  Willibald  schrieb,  lässt 
sich  nicht  sicher  bestimmen;  es  kann  ebensowohl  in  den  letzten  Jahren 
Pippins,  wie  in  den  ersten  Jahren  Karls  gewesen  sein.  So  oder  so,  gehört 
er  seinem  Bildungsstand  nach  in  die  Zeit  vor  Karl. 

5)  Vgl.  das  Urteil  Wattenbachs  (GQ.  I  S.  135). 

6)  V.  Eig.  1  S.  223. 

7)  Vgl.  Bd.  1  S.  521. 

8)  Auch  Karls  Brief  an  einen  Erzbischof,  wahrscheinlich  Lul,  M.G. 
Ep.  IV.  S.  532  Nr.  22   zeigt,   dass  die  Wirkung  der  Thätigkeit   des  Boni- 


—     171     — 

trifft  mau  iin  niederen  Deutschland  auf  die  Spuren  WiUibrords; 
in  seinem  Kloster  Echternach  fanden  grammatische  Studien  eine 
Heimat;^)  sein  Nachfolger  in  Utrecht,  der  Abt  Gregor,  war  ebenso 
angesehen  als  Lehrer  wie  hervorragend  als  Missionar.  Dass  er 
Franken,  Friesen  und  Sachsen  um  sich  sammelte,  ist  nicht  auf- 
fälhg;  doch  zog  sein  Name  auch  Baiern  und  Schwaben  nach  dem 
Niederland;  selbst  Angelsachsen,  denen  es  doch  im  eigenen  Land 
nicht  an  Gelegenheit  zur  Bildung  mangelte,  suchten  bei  dem  frän- 
kischen Abt  Unterweisung.-)  Er  muss  ein  seltenes  Lehrtaleut  be- 
sessen haben.  Freihch  mit  dem,  was  in  England  dargeboten  wurde, 
Hess  sich  der  Unterricht  in  Utrecht  nicht  vergleichen:  der  junge 
Liudger  wurde,  sobald  er  Alkuin  kennen  lernte,  des  Unterschieds 
inne:'^)  während  Gregor  seine  Kleriker  schidte,  pflegte  man  in  Eng- 
land die  liberale  Bildung.  Das  war  überhaupt  der  Unterschied 
zwischen  den  deutschen  und  den  enghschen  Schulen.  Der  Gesichts- 
kreis war  dort  weiter;  der  Zweck  nicht  rein  praktisch.  Was  man 
erstrebte,  näherte  sich  dem,  was  wir  mit  den  Worten  Bildung  und 
AVissenschaft  bezeichnen. 

Doch  darf  man  die  Bedeutung  der  Thatsache  nicht  unter- 
schätzen, dass  es  schon  unter  Pippin  im  fi'änkischen  Reich  nicht 
an  Orten  fehlte,  an  denen  man,  wenn  auch  in  mangelhafter  Weise 
und  auf  einem  engen  Gebiet,  studierte;  denn  dadurch  war  der 
Boden  flu*  die  Wirksamkeit  der  fremden  Gelehrten  bereitet;  sie 
fanden  überall  Männer,  Avelche  ihre  Bestrebungen  verstanden,  billig- 
ten, mit  Freuden  auf  sie  eingingen.  Wenn  man  das  Gedicht 
Alkuins  an  seme  fränkischen  Bekannten  liest,*)  so  sieht  man,  wie 
zahlreich  sie  waren.  Er  sandte  es  wie  einen  Boten  diu-ch  Deutsch- 
land: überall  hatte  er  Freunde  zu  grüssen;  zu  ihnen  gehörten  nicht 
nm'  die  Schüler  seiner  enghschen  Landsleute,  Alberich  und  Haddo 
in  Utrecht  und  Lul  in  Mainz,  sondern  auch  Bischöfe,  über  deren 
Bildungsgang  wir  nichts  wissen,  Ricvulf  von  Köln''')  und  Basin  von 
Speier,  ^')  die  Abte  Fulrad  von  St.  Denis  und  Beonrad  von  Echternach,'^ 


fatius    in    dieser  Hinsicht   lange    fortdauerte:    Omnes   qui  te  discipulum  b. 
Bonifacii  martyris  norunt,  prestolantur  e  vestris  studiis  ratissimum  fructum. 

1)  Ale.  carm.  4  v.  33  f.  S.  221. 

2)  V.  Greg.  11  S.  75. 

3)  V.  Liudg.  I,  HS.  407. 

4)  Carm.  4  S.  220  ff. 

5)  Nachfolger  des  Kap.  1  S.  52  erwähnten  Berehthelm. 

6)  S.  Kap.  I  S.  47. 

7)  Willibrord  starb  am  7.  November  739.  Sein  Nachfolger  in  Echter- 
nach war  Albert,  Aldebert  oder  Adebert,  der  nach  dem  Cat.  abb.  Eptern. 
(M.G.   Scr.  Xin  S.  738)    38  Jahre    lang    an    der  Spitze    des   Klosters   stand 


—    1 


7  0 


am  Hofe  neben  den  lanj^oljardischen  Geleinten  auch  Deutsche,  wie 
der  Notar  Karls,  Eado.'j 

So  ist  es  begreitlich,  dass  mit  den  fremden  Litteraten  fränkische 
Mämier  gemeinsam  arbeiteten,  welche  von  jenen  als  völlig  eben- 
bürtig betrachtet  wurden.  Zu  ihnen  gehörte  Adalhard,-)  Karls 
Vetter.'*)  Als  Alkuiii  in  das  fränkische  Reich  kam,  war  er  ein 
gereifter'*)  Mann,  seine  Bildung  also  bereits  zu  einem  gewissen  Ab- 
schluss  gekommen.  Er  Avar  am'  Hof  herangewachsen;''')  dann 
aber  wfy-  er  ^löiich  geword(Mi.  Um  jedoch  führte  nicht  die  Nei- 
gung zum  l)eschaulichcn  Leben  in  das  Kloster;  er  verliess  den  Hof, 
weil  er  in  einer  wichtigen  politischen  Angelegenheit  nicht  einer 
Meinung  mit  Karl  war:  der  Unnmt  über  den  Bruch  Karls  mit 
den  Langobarden")  trieb  ihn  aus  der  Heimat;  nachdem  er  einige 
Jahre  in  Corbie  verweilt  hatte,  ging  er  nach  Monte  Cassino."^  Es 
lag  nicht  in  Karls  Art,  Männer,  die  er  schätzte,  deshall)  fahren 
zu  lassen,  weil  sie  in  diesem  oder  jenem  Punkt  seinen  Massregeln 
widersprachen:  er  Hess  sich  seinem  Vetter  durch  dessen  Verlialten 
nicht  entfremden.  Nachdem  er  ilm  eine  Zeitbmg  hatte  gewähren 
lassen,   berief  er   ihn    zurück^)    und   stellte  ihn  an  die  Spitze  der 


(739—777);  in  Urkunden  mehrfach  genannt  (B.M.  109,  118,  145).    Sein  Nach- 
folger   ist  Beonrad  (777—797;  1.  c.  S.  738),  über  ihn  oben  S.  123. 

1)  Über  ihn  Sickel,  Act.  Kar.  I  S.  78.  Er  wird  790  Abt  von  St.  Ve- 
dast  in  Arras.     S.  auch  Dümmler  N.A.  XVIIT  S.  59. 

2)  Paechasius  Radbert  verfasste  eine  umfiinpliche  Biographie  Adal- 
hards  (M.G.  Scr.  II  S.  524  im  Auszug;  vollständig  A.  8.  Mab.  IV,  1 
S.  289  ff.);  ihr  Inhalt  i.st  dürftig  (vgl.  Ebert,  Litt.  d.  MA.  II  S.  236  ff.; 
Traube  in  den  Münch.  Abh.  Phil.  Kl.  19.  Bd.  S.  310  f.).  Ein  seltsames  Ge- 
misch von  Missverständnissen  ist,  was  Werner  (Alcuin  S.  78)  über  Adalhard 
berichtet. 

3)  A.'s  Vater,  Bernhard,  war  ein  Bruder  Pippins  (V.  Adalh.  Ol  S.  530; 
vgl.  Oelsner  JB.  S.  425).  Seine  Muttor  stammte,  wie  sich  aus  V.  Wal.  I, 
12  S.  537  ergiebt,  aus  Sachsen.  Paschasius  nennt  zwei  Brüder  nml  zwei 
Schwestern  Adalhards,  Wala.  der  ihm  als  Abt  nachfolgte,  und  Bernar, 
Gundrada  und  Theodrada  (c.  32  f.  S.  527). 

4)  Nach  V.  Adalh.  8  S.  525  war  Ailalhard  im  Jahr  771  ungofiihr 
20  Jahre  alt. 

5)  V.  Adalh.  7. 

6)  L.  c.  7  und  8;  vgl.  oben  S.  78. 

7)  L.  c.  11  f.  Paschasius  motiviert  den  Eintritt  in  Monte  Cassino  nur 
durch  die  Erinnerung  an  Gen.  12,  1.  Nach  don  vorhergehenden  Angnben 
offenbar  irrig;  er  selbst  hatte  kein  rechtes  Vertrauen  zu  seiner  Nachricht 
fvgl.  recordatus  fuisse  dicitur). 

-)  L.  c.  13. 


—     173     — 

Abtei  Corbie.^)  Das*  war  vor  Alkuins  Eintritt  in  den  Dienst  des 
Königs.-)  Kann  man  Adalhard  demnach  nicht  zu  den  Schülern 
Alkuins  rechnen,  so  hegten  beide  doch  ähnhche  Gesinnungen  und 
schlössen  sich  deshalb  gern  aneinander  an/')  Auch  mit  Paulus 
Diakonus  stand  Adalhard  in  freundschafthchem  Verkehr.^)  Dabei 
ist  die  Verschiedenheit  zwischen  ihm  und  diesen  Gelehrten  gross 
genug.  Während  sie  ganz  in  den  litterarischen  Interessen  auf- 
gingen, brachte  es  sein  Verhältnis  zum  König  mit  sich,  dass  er 
nicht  aufhörte,  pohtisch  thätig  zu  sein:^)  er  bewies  dabei  eine 
glückhche  Hand.*^)  Aber  auch  persönhch  war  er  aus  anderem 
Holz  geschnitzt  als  jene.  Sein  Schüler  Paschasius  Eadbert  rühmt 
A\dederholt  seine  Beredsamkeit:  sie  war  anders  geartet  als  die  der 
frommen  Rhetoren;  er  verstand,  was  sie  nicht  vermochten,  gerad, 
knapp  und  klar  zu  reden;  so  -werden  auch  seine  Briefe  beschaffen 
gewesen    sein');    seine  Statuten   füi-  Corbie    zeigen  den  Mann   des 

1)  L.  c.  14.  Radbert  spricht  vonWahl.  Ich  lasse  dahingestellt,  ob  mit  Recht. 

2)  Das  Jahr  steht  nicht  fest.  Abel  nimmt  nach  Mabillon  an  etwa  780 
(JB.  S.  361).  Wie  mich  dünkt,  wird  man  etwas  höher  hinauf  zu  gehen 
haben.  Die  Erhebung  zum  Abt  geschah  non  longe  postquam  redierat 
(c.  14),  der  Aufenthalt  in  Monte  Cassino  war  ganz  kurz  (c.  12:  pauUulum); 
die  vorhergehenden  Ereignisse  scheinen  ebenfalls  rasch  aufeinander  gefolgt 
zu  sein.  Dass  Adalhard  auf  Karls  Befehl  zum  Gärtner  bestellt  wurde  (c.  9j, 
ist  nur  verständlich,  wenn  Karl  ihm  dadurch  den  Aufenthalt  im  Kloster 
verleiden  wollte :  er  wollte  ihn  offenbar  wieder  in  seiner  Umgebung  haben. 
Diese  Absicht  wird  er  nicht  erst  gefasst  haben,  nachdem  eine  längere  Reihe 
von  Jahren  verflossen  war,  sondern  sobald  er  sich  überzeugt  hatte,  dass 
es  Adalhard  Ernst  damit  sei,  ein  Mönch  zu  sein  und  zu  bleiben.  Adalhard 
aber  musste  die  Absicht  des  Königs  alsbald  durchschauen;  um  sie  zu  ver- 
eiteln, ging  er  nach  Monte  Cassino.  Das  diu  (c.  9  und  11)  kommt  völlig 
zu  seinem  Recht,  wenn  man  an  einen  drei-  bis  vierjährigen  Aufenthalt  in 
Corbie  nach  dem  Novizenjahr  denkt:  dann  würde  Adalhard  schon  775  oder 
776  Abt  geworden  sein. 

3)  Lehrreich  hiefür  ist  besonders  Ale.  ep.  9  S.  84  f.,  von  Alkuin  un- 
mittelbar nach  seiner  Rückkehr  nach  England  geschrieben.  Alkuin  konnte 
es  nicht  unterlassen,  auch  ihm  einen  neuen  Namen  zu  geben;  er  nannte 
ihn  Antonius  (vgl.  ep.  175  S.  290;  V.  Adalh.  21  S.  526). 

4)  Vgl.  ep.  ad  Adalh.  S.  508  f. 

-5)  V.  Adalh.  16  S.  525;  29  S.  527:  Einh.  ann.  z.  J.  809;  Transl.  Viti  6 
S.  578;  Capit.  85  S.  183.  —  Die  V.  Adalh.  16  gegebene  Nachricht, 
Adalhard  habe  während  der  Minderjährigkeit  Pippins  Italien  verwaltet, 
wird  von  Simson  (JB.  S.  436)  verworfen.  Ein  Irrtum  des  Paschasius  ist  nicht 
ausgeschlossen,  da  er  unzuverlässig  ist  und  seine  Nachricht  allein  steht; 
durchschlagend  sind  jedoch  die  Gründe  Simsons  nicht. 

6)  Vgl.  bes.  V.  Adalh.  16. 

7)  C.  63  S.  530;  77  S.  532. 


—     174     — 

praktisclien  Lebens,  der  vor  allem  auf  geordnete  ^'er waltung  be- 
dacht war;')  kein  Wunder,  dass  er  nicht  so  rede-  und  schreib- 
sehg  wie  Alkuiii  und  andere  gewesen  ist:  Alkuin  beklagte  sich 
mehrfach  über  seine  Scliweigsamkeit,-)  Unter  seinen  Mönchen  war 
es  ganz  bekannt,  dass  er  es  nicht  liol)te,  wenn  man  auf  Reisen 
viel  mit  ihm  sprach;  er  zog  es  vor,  allein  zu  sein."'')  Dass  Briefe, 
die  an  ihn  gerichtet  waren,  von  anderen  gelesen  wurden,  mochte 
er  nicht  leiden.'*)  Unter  den  Tugenden  des  Mannes  galt  ihm  die 
Zuverlässigkeit  als  die  höchste.'')  Es  hegt  etwas  Stolzes,  Ver- 
schlossenes in  seinem  Wesen,  seine  Schüler  zitterten  vor  dem  durch- 
diingenden  Blick  seiner  feurigen  Augen.")  Man  begreift,  dass  Karl 
viel  auf  Hin  hielt,  während  des  grossen  Kaisers  kleiner  Sohn  ihn 
nicht  ertragen  konnte. 

So   wenig    als  Adalhard  war  Angilbert')   nur  Litterat.     Von 
vornehmer   Geburt,^)    am   Hof   erzogen,")    tand   er    frühzeitig  Ver- 


1)  Migne  105  S.  535  fF. ;  die  Schrift  ist  nur  fragmentarisch  erhalten. 
Ein  verlorenes  Werk  Adalhards  fällt  in  das  politische  Gebiet:  de  ordine 
palatii;  es  ist  von  Hincmar  exzerpiert  in  seinem  Buch  Ad  proceres  regni 
c.  13 — 36.  Vgl.  c.  12  M.G.  Cap.  II  S.  522:  Adalhardum  scnem  et  sapientem 
domni  Caroli  .  .  propinquum  .  .  inter  primos  consiliarios  primum  in  adoles- 
centia  mea  vidi. 

2)  Ale.  ep.  9  S.  35:  Nee  tibi  sit  durum  scribere,  quod  mihi  aviditas 
est  legere;  175  S.  290;   181  S.  299;  237  S.  381. 

3)  V.  Adalh.  28  S.  526. 

4)  Ale.  ep.  221  S.  365:  Antonio  .  .  has  litteras  alias  deprecor,  ut  quam 
citissime,  clausa  cartula  sicut  est,  deprecor,  ut  dirigas.  Quia  si  discincta 
veniat  in  praesentium  illius,  vilescit  apud  eum. 

5)  V.  Adalh.  18  S.  526,  Bruchstück  aus  einem  Brief  an  Kaiser  Lothar: 
Quid  putas,  o  princeps,  si  fides  saepe  inter  cruores  et  saevientium  arma, 
fttiam  inter  paganos  tantum  valuit,  ut  quisque  se  committeret  alterius  fidei 
sacramentis,  quantum  valere  debeat  foedus  christiani  in  veritate  promissum? 
Non  te  decipiat  aliquis,  obsecro,  Imperator,  quia  fides  cum  contra  aliquem 
violatur,  non  homo  sed  Deus  testis  et  veritas  mea  contemnitur.  Vgl.  V. 
Adalh.  7  S.  525  und  17  S.  526. 

6)  V.  Adalh.  74:  Fateor  .  .  nil  flammantius  aut  horribilius  aliquid  me 
vidisse,  quam  in  tuis  oculis. 

7)  Zwei  junge  Biographien  Angilberts  bei  Mab.  A.  S.  IV,  1  S.  103  ff. 
vgl.  M.G.  Scr.  XV  S.  173  ff. 

8)  Nith.  Hist.  IV,  5:  Hand  ignotao  familiae.  Nithard  nennt  die  Brü- 
der Angilberts  Madhelgaud  und  Richard.  Ob  der  erstere  mit  dem  Cap.  34 
S.  100  genannten  Madelgaud,  oder  mit  dem  Cap.  44  S.  123  genannten 
Madalgaud,  oder  mit  keinem  von  beiden  identisch  ist,  lässt  sich  nicht  er- 
weisen. Da  Nithard  im  Reich  Karls  d.  K.  lebte,  so  wird  die  Familie 
neustrisch  gewesen  sein. 

9)  Ale.  ep.  33  S.  246  (ed.  Jaffe).    Als  seinen  Lehrer  bezeichnet  Angil- 


—     175     — 

Wendung  in  der  königlichen  Kapelle.^)  Im  Jahr  790  erhielt  er  die 
reiche  Abtei  St.  Riqiiier.-)  Doch  scheint  es,  dass  er  nach  wie  vor 
in  der  Nähe  Karls  lebte :  man  kennt  sein  Verhältnis  zu  des  Königs 
Tochter  Bertha/^)  In  Aachen  besass  er  zwischen  weiten  Gärten 
ein  Haus:  dort  wohnte  er  für  gewöhnlich  mit  den  zwei  Knaben, 
die  ihm  Bertha  geboren  hatte.^)  Von  Karl  wurde  er  in  pohtischen 
Geschäften  mehrfach  benützt.  In  den  Jahren  792,  79-4  und  796 
war  er  im  Dienst  des  Königs  an  der  päpstlichen  Kurie.  ^)  Die 
Zuverlässigkeit,  die  Alkuin  an  ihm  rühmte,^)  wird  ihn  füi'  solche 
Sendungen  empfohlen  haben.  Auch  nahmen  die  öifentlichen  Ver- 
hältnisse ^sein  ganzes  Interesse  in  Anspruch;  er  vergass  darüber 
das    eigene    Ergehen.     Wisse,  schrieb   er  einmal   an  Arn,  dass  es 


bert  selbst  Peter  von  Pisa  (carm.  42  v.  1  f.  S.  75;  vgl.  Ale.  ep.  172  S.  28-5). 
Dass  er  auch  von  Alkuin  lernte,  ergiebt  ep.  12.5  S.  184.  Aber  da  er,  wie 
es  scheint,  alsbald  nach  Alkuins  Ankunft  bei  Karl  sich  nach  Italien  begab 
(s.  unten  Anm.  .5),  so  ist  an  eigentlichen  Unterricht  nicht  zu  denken. 

1)  Ale.  ep.  33  S.  246  (ed.  Jaffe).  Karl  bezeichnet  Angilbert  als  seinen 
Auricularius  (92  f.  S.  13.5  f.).  Alkuin  nennt  ihn  regiae  voluntatis  secretarius 
(ep.  27  S.  69). 

2)  Das  Jahr  nach  Ale.  ep.  9  S.  35.  Im  Jahr  798  schenkt  Karl  mit 
Eüeksicht  auf  die  Verdienste  Angilberts  die  Zelle  Foreste,  in  welcher  Richar 
lebte  und  starb,  an  St.  Riquier  (B.M.  328).  Über  ein  angebliches  Privile- 
gium Leos  in.  für  das  Kloster  s.  J.W.  2504. 

3)  Nith.  Hist.  lY,  5.  Bertha  war  £:arls  Ebenbild  (s.  Karoi.  Mag.  et 
Leo  pap.  V.  220  ff.  S.  371).  In  Angilberts  Gedieht  auf  Karl  und  die  Seinen 
beziehen  sich  auf  Bertha  nur  die  drei  Verse  (carm.  2  v.  48  ff.  S.  361): 

Virginis  egregriae  Bertae  nunc  dicite  laudes, 
Pierides,  mecum,  placeant  cui  carmina  nostra: 
Carminibus  cunetis  musarum  digna  puella  est. 

4)  L.  c.  V.  93  ff.  Die  Söhne  sind  der  Geschichtschreiber  Nithard  und 
dessen  Bruder  Hamid  (Nith.  Hist.  IV,  5). 

.5)  Vgl.  Ann.  Lauriss.  z.  J.  792;  Ale.  ep.  25  S.  66;  27  S.  69  [eine 
andere  Datierung  dieses  Bfs.  bei  Hampe  N.  A.  21  S.  94];  92  S.  135;  94  S.  139; 
97  S.  141.  Ale.  ep.  11  S.  37  wird  Angilbert  Primicerius  genannt;  zwei 
Handschriften  der  Briefe  Alkuins  machen  ihn  zum  Primicerius  des  Königs 
Pippin  (s.  Jaffes  Anm.  g).  Jaffe,  Ebert  (Lit.  d.  MA.  H  S.  62)  u.  a.  betrach- 
ten die  Angabe  als  begründet;  dagegen  verwirft  sie  Simson  (JB.  S.  435) 
unter  Zustimmung  Dümmlers  (z.  ep.  11)  als  haltlos.  Es  ist  auch  hier  zu- 
zugeben, dass  das  für  sich  allein  stehende  Zeugnis  keinen  sichern  Halt 
gewährt.  Aber  die  Handschrift  von  Troyes  gehört  dem  9.  Jahrhundert  an 
(s.  Jaffe  S.  135);  der  Titel  Primicerius  wird  von  Angilbert,  wie  der  Inhalt 
des  Briefes  zeigt,  in  Italien  geführt,  in  Deutsehland  später  nicht.  Da 
scheint  mir  doch  die  von  Simson  verworfene  Nachricht  sehr  wahrscheinlich. 

6)  Ep.  27  S.  69:  Quem  omnibus  amicis  valde  esse  fidelem  probavimus; 
vgl.  75  S.  118:  Gerulus  fidelis;  125  S.  184. 


—     176     — 

uns  gut  geht,  abgesehen  davon,  dass  mein  Unwohlsein  sich  mehr 
und  mehr  steigert.')  Am  Hof  wai-  man  voll  Bewunderung  seiner 
poetischen  Begabung,  er  galt  als  göttlicher  Dichter,-)  den  höchsten 
Poetennamen,  den  man  kannte,  den  Homers,  legte  man  ihm  bei.*') 
Erhalten  ist  nicht  gerade  viel  und  das  Erhaltene  erhebt  sich  keines- 
wegs über  den  Durchschnitt:*)  die  Künstelei  erdrückt  die  Kunst;'"') 
die  Gabe,  scharf  /u  beobachten  und  lebhaft  zu  schildern,  welche 
Angilbert  nicht  fehlte,")  konnte  dabei  nicht  aufkommen.  In  seinem 
Auftreten  zeigte  er  sich  vornehm  und  prächtig.  Alkuin  stellt,  gut- 
mütig spottend,  seine  eigene  Rusticität  der  Nobihtät  Angilberts 
gegenül)er. ')  Er  hatte  seine  Freude  an  dem  grossaitigen  Neubau 
seines  Klosters,**)  an  der  Vermehrung  der  Bibliothek  desselben,") 
an  Schauspiel  und  ^Mummenschanz.  Die  letztere  Neigung  fesselte 
ihn  so  sehr,  dass  es  dem  ernsthaften  Alkuin  einigermassen  bedenk- 
lich wurde.'") 

Jünger  als  Adalluud  und  Angilbert  war  Einhard;'')  doch  kam 
er  an  Ansehen  und  EiuHuss  ihnen  l)ald  gleich.  Er  stammte  aus 
dem  östlichen  Franken;   seine  Heimat  war  der  Maiugau '-)     Dort 

1)  Ale.  ep.  147  S.  236;  vgl.  ep.  152  S.  248. 

2)  Paul  et  Petr.  carm.  44  v.  17  S.  77;  vgl.  Naso  I  v.  85  ft'.  (N.  Archiv 
XI  S.  85!. 

3)  Vgl.  selbst  in  einem  Brief  Karls  Homeriano  puer,  Ale.  ep.  92 
S.  136. 

4)  Poet.  lat.  1  S.  355  ff.  Dass  die  carmina  Bernowini  S.  414  ff. 
VI— XXVI  vielmehr  Angilbert  angehören,  hat  Traube  Karol.  Dicht.  S.  51  ff. 
schlagend  bewiesen;  vgl.  dens.  in  d.  Abh.  der  Münch.  Ak.  Phil.  Kl.  XIX 
S.  322  ff'. 

5)  Vgl.  Paul,  et  Petr.  carm.  42  S.  75;  Angilb.  carm.  2  S.  360. 

6)  Nicht  übel  ist  z.  B.  die  Schilderung  carm.  1  v.  13  ff.  S.  358  f. 

7)  Ep.  97  S.  141. 

8)  Der  Bericht  Angilberts  über  den  Neubau  A.  S.  Mab.  IV,  1  ^.  106  ff.; 
auch  bei  Migne  99  S.  841,  und  M.G.  Scr.  XV  S.  174  ff. 

9)  Dass  die  Bibliothek  von  St.  Riquier  verhältnismässig  reich  war,  kann 
man  aus  Ale.  ep.  221  S.  365  schliessen;  Alkuin  vermutet,  dass  Angilbert 
die  ihm  fehlende  gotische  Geschichte  des  .Tordanes  besitzen  werde. 

10)  Ep.  175  S.  290;  237  S.  381.  —  Angilbert  starb  am  15.  Februar  814, 
drei  Worhen  nach  Karl  d.  Gr.     Vgl.  Nitb.  Hist.  IV,  5  S.  671. 

11)  l'ber  Einluird  s.  ausser  den  mehrfach  angeführten  Werken  von 
Bahr  und  Ebert  besonders  Wattenbach,  GQ.  I  S.  169;  Manitius,  N.  Archiv 
VII,  517  ff.;  XII,  206;  Mitt.  des  Instit.  XVIII  S.  610;  Bernheim  in  d.  hist. 
Aufa.  d.  And.  v.  Waitz  gewidmet  1886  S.  73  ff.;  Ilampe,  N.  Arch.  XXI, 
601  ff.  Ich  zitierte  die  V.  Kar.  nach  Jaffe,  Bibl.  IV  S.  507  ff.;  die  Briefe 
nach  .M.G.  Ep.  V  S.  105  ff.;  die  Tran.sl.  Petr.  et  Marcell.  nach  Scr.  XV  S.  238. 

12)  Walahfr.  Prolog,  zur  V.  Kar.  S.  507. 


—     177     — 

lebte  sein  Vater  als  ein  angesehener  Mann:  man  meint  seinen 
Namen  unter  den  Wohlthätern  Fuldas  zu  finden.^)  Um  so  fi-eund- 
lichere  Berücksichtigung  fand  Eiuhard,  als  er.  noch  ein  Knabe,  dem 
Kloster  zur  Erziehung  übergeben  wurde.  Doch  wusste  er  die  Zu- 
neigung, die  ihm  entgegengebracht  wiu'de,  bald  selbst  zu  verdienen: 
man  erwartete  in  Fulda  viel  von  dem  mannigfach  begabten  Jüng- 
ling. Darin  lag  wohl  der  Grund,  dass  ihn  Abt  Baugulf  an  die 
Hofschule  sandte.  -)  Seitdem  bheb  Einhard  in  der  Umgebung 
Karls;'')  er  wurde  Ijald  ein  geschätztes  Mitghed  des  Gelehrten- 
kreises, den  der  König  um  sich  sammelte,^)  von  allen  seinen  GHe- 
deni  der  einzige  Laie.'') 

Er  hatte  etwas  an  sich,  das  zmn  Spott  reizte.  Seine  kleine 
Gestalt,  sein  eiliges,  geschäftiges  Wesen  bewirkten,  dass  man  über 
ihn  lächelte.*')    Gleichwohl  erkannte  man  ihn  an:  man  bewunderte 


1)  Die  von  Hraban  verfasste  (irabschrift  Einhards  scheint  anzudeuten, 
dass  Vater  und  Sohn  denselben  Namen  führten  (Hrab.  carm.  85  v.  4  S.  238: 
Einhardus  nomen  cui  genitor  dederat).  Eine  Schenkungsurkunde  Einhards 
und  seiner  Gemahlin  Engilfrit  an  Abt  Baugulf  von  Fulda  über  Besitzungen 
in  Urithorpfe  (ürdorf  im  Saalagau)  bei  Dronke,  Cod.  dipl.  Fuld.  Nr.  185. 
Jaffe  nimmt  die  Identität  beider  als  sehr  wahrscheinlich  an  (Bibl.  IV  S.  487). 
Genau  genommen  ist  sie  doch  nicht  mehr  als  eine  Möglichkeit.  Der  Name 
Einhard  scheint  im  östlichen  Franken  nicht  selten  gewesen  zu  sein.  In  den 
fuldischen  Urkunden  kommen  Männer  dieses  Namens  in  Swanafeld  im  Gau 
Gozfeld  und  in  Dienenheim  im  Wormsgau  vor  (Nr.  124,  360j;  dazu  noch 
andere,  deren  Persönlichkeit  sich  nicht  weiter  fixieren  lässt. 

2)  Walafr.  1.  c. ;  Hrab.  1.  c.  v.  7.  Der  Zeitpunkt  steht  nicht  fest. 
Sicher  ist  nui-,  dass  Einhard  nach  791  Fulda  verliess:  in  diesem  Jahr  er- 
scheint er  noch  als  Schreiber  von  Fulder  Urkunden  (Nr.  100,  102).  Die 
erste  von  ihm  geschriebene  Urkunde  ist  von  788  datiert  (Nr.  87);  die  Ur- 
kunden 183,  184,  185,  welche  er  ebenfalls  konzipierte,  entbehren  der  Jahres- 
angabe. 

3)  Hrab.  1.  c.  v.  7:  Quem  Carolus  princeps  propria  nutrivit  in  aula. 
Einhard  nennt  Karl  seinen  Nutritor  (V.  Kar.  prol.  S.  509). 

4)  Man  nannte  ihn  in  Erinnerung  an  Ex.  31,  2  Beselel  (Ale.  ep.  172 
S.  285),  auch  Nardulus  (Ale.  carm.  30,  2  S.  248). 

5)  Einhard  war  bekanntlich  verheiratet.  Ein  paar  Briefe  seiner  Ge- 
mahlin Imma  stehen  unter  den  seinen  ep.  37  f.  S.  128  f.  In  einer  gemein- 
sam ausgestellten  Urk.  v.  12.  September  819  übergeben  beide  ihre  Zelle 
Michelstadt  im  Odenwald  dem  Kloster  Lorsch  M.G.  Scr.  XXI  S.  360.  Zwei 
Briefe  über  ihren  Tod  bei  Servatus  Lupus,  ep.  2  f.  S.  40  ff.  ed  De.sdevises 
da  Dezert.  Über  die  Sagen,  die  sich  an  ihn  und  Imma  knüpften,  s.  Abel, 
Gesch.Schr.  d.  d.  Vorz.,  9.  Jahrb.,  Bd.  1  S.  56  ff. 

6)  Theod.  carm.  25  v.  155  ff.  S.  487: 

Nardulus  huc  illuc  discurrat  perpete  gressu, 
Ut  formica  tuus  pes  redit  itque  frequens. 
Hauck,  Khcliengeschichte.    II.    2.  Aufl.  12 


—     178    — 

seinen  beweglichen  Geist,  seine  Geleln-sanikcit  und  Kunstfertigkeit; 
man  vertraute  seinem  rechtlichen,  geraden  Sinn.^)  Er  gehörte  zu 
den  liiltri'ichen  Menschen,  deren  Fürsi^rache  jedermann  hegehrt. 
Bald  suchte  der  Klerus  einer  Kirche,  der  seinen  Kandidaten  hei 
der  Bischotswahl  zuriickgewesen  sah,'^  um  sein  Fürwort  nach;  bald 
trat  er  tlir  einen  Hörigen  ein,  der  nicht  zu  seinem  Recht  kam;  ein 
anderes  Mal  für*  einen  bedrängten  Priester  oder  einen  beschäftigungs- 
losen ^faler;  aber  auch  Wilddiebe  und  Totschläger  und  dann 
AN-iedei-^Verliebte,  deren  Verheiratung  Schwierigkeiten  machte,  findet 
man  unter  seinen  Klienten.'')  Der  hervorstechende  Zug  seines 
A\'esens  Avar  die  Anlage  tiir  die  Form.  Wenn  man  den  AVert  der 
litterarischen  Werke  nur  nach  der  formellen  Abrundung  bemessen 
wollte,  so  müsste  man  ohne  Zweifel  seiner  Lebensbeschreibung 
Karls  unter  allen  Schriften,  welche  die  karolingische  Epoche  hervor- 
gel)racht  hat,  den  höchsten  Preis  zuerkennen.  Denn  so  zweifellos 
CS  ist,  dass  Einhard  bei  der  Anlage  wie  bei  der  Ausführung  seines 
Werkes  fremde  Muster  nachgeahmt  hat,  so  ist  es  ihm  doch  ge- 
lungen, seiner  Arbeit  eine  so  abgerundete  Gestalt  zu  geben,  \v\e, 
sie  kein  zweites  Werk  dieser  Epoche  besitzt.  Und  was  noch  mehr 
sagt:  l)ei  ihr  allein  hat  man  den  Eindruck,  dass  der  Schriftsteller 
Herr  seines  Gegenstands  ist:  der  Gedanke  durchdringt  den  Stoff: 
uicht  die  nackte  Thatsache  hat  Wert,  sondern  die  Verkettung  der 
Ereignisse  als  Ursache  und  AVirkung;  der  Schriftsteller  steht  nicht 
mehr  stumm  dem  Geschehenen  gegenüber:  er  wagt  es  wieder,  die 
Einzelvorgänge  zu  kombinieren  und  dadurch  zu  beleuchten;  er  wagt 
es.  zu  uileilen.  (Tcwiss,  auch  dabei  war  Einhard  ein  Schüler  der 
Alten;  aber  ist  nicht  schon  dies  ein  Lob,  dass  er  der  i'inzige  war, 
der  dies  bei  ihnen  gelenit  hat?  AVeit  anspnichsloser  ist  der  Bericht 
von  der  Übertragung  der  Reli(iuien  der  ^lärtyrer  Petrus  und  Alar- 
cellinus   aus   Rom   nach   Seligenstadt:    aber  jeder  Leser  freut  sich 


Cuius  parva  domus  habitatur  ab  hospite  magno, 

Res  nia^na  et  parvi  pectoris  antra  colit. 
Et  nunc  ille  Hbros,  oi)ero8as  nunc  ferat  et  res 

Spiculaque  ad  Scotti  nunc  i^aret  apta  necem. 

1)  Ale.  ep.  172  S.  285:  Veeter  immo  et  noster  familiaris  adiutor;  carm. 
30,  2  (b.  unten  S.  179  Anm.  3).  Hrab.  1.  c.  v.  6:  Ingenio  hie  prudens,  pro- 
bu8  actu  atque  ore  facundus.  Phm.  Nig.  In  hon.  Hlud.  U  v.  32  S.  25: 
Ingenioque  sagax  et  bonitate  vigens.  Poet.  Sax.  V.  Kar.  IV  v.  116  f.:  ClaruB 
veraxque  relator  ac  summe  prudens.  Walahfr.  1.  c.  S.  508:  Merito  prudentiae 
et  probitatis.  Servat.  Lup.  ep.  1  S.  42:  Facilis  et]  modesta  et  quae  sane 
philosophiam  deceat  auimi  vestri  natura. 

2)  Frotharii  TuU.  ep.  14  S.  286. 

3)  Ep.  7.  30,  18,  47  f..  37,  46. 


—     179     — 

der  frischen,  anschaulichen  Darstenuog.  Darf  man  in  Einhard  den 
Verfasser  der  kleinen  Abhandlung  über  die  Verehrung  des  Kreuzes 
sehen, ^)  so  besitzen  wir  auch  ein  theologisches  Schinftchen  von  ihm. 
Die  massvolle,  vorsichtige  "Weise  des  Urteils  in  dieser  Schrift  würde 
wohl  füi'  ihn  passen.  Von  den  barocken  Ansichten  seiner  Zeit- 
genossen über  stilistische  Schönheit  war  er  unberührt:  er  konnte 
Werke  heiTorbnngen,  welche  sich  von  den  üblichen  Veiirrungen 
des  Geschmacks  fast  ganz  frei  hielten.-)  Wie  er  schrieb,  so  war 
er.  Er  hebte  überall  das  Hübsche,  Zierhche :  seine  Freunde  scherzten 
wohl  über  das  kleine  Thürlein  am  Hause  des  kleinen  Einhard,'^) 
des  Männleins,  Avie  sie  ihn  nannten."*)  Aber  dass  das  Wohlgefallen 
am  Zierhchen  bei  ihm  den  Sinn  für  den  Eh}i;hmus  weiter  Räume 
nicht  ausschloss,  bewies  er  in  seinen  Bauten;  ist  der  Plan  zu  dem 
Münster  in  Aachen  sein  Werk,'^)  so  war  imter  allen  Zeitgenossen 
keiner  einer  grösseren  Konzeption  fällig.*^)    Auch  die  von  ihm  ge- 

1)  Zuerst  von  Dümmler,  N.  Archiv  XI  S.  233  fF.  veröiFentlicht ;  nun  auch 
M.6.  Epist.  V  S.  146  ff.  Erwähnt  von  Servat.  Lupus  ep.  4  S.  56;  es  war 
ihm  gewidmet. 

2)  Das  hat  schon  Servatus  Lupus  bemerkt,  ep.  1  S.  45. 

3)  Ale.  carm.  30,  2  S.  248: 

Janua  parva  quidem  et  parvus  habitator  in  aede  est. 
Non  spernas  nardum,  lector,  in  corpore  parvum; 
Nam  redolet  nardus  spicato  gramine  multum. 
Mel  apis  egregium  portat  tibi  corpore  jiarvo. 
Parva  quidem  res  est  oculorum,  cerne,  pupilla, 
Sed  regit  imperio  vivacis  corporis  actus. 
Sic  regit  ipse  domum  totam  sibi  Nardulus  istam 
Nardule,  die  lector  pergens,  tu  parvule,  salve. 

4)  Walahfr.  1.  c.  S.  508:  Homuncio;  id.  carm.  23  v.  226  S.  377: 
Homullus. 

5)  Die  Annahme  ist  bekanntlich  nicht  sicher,  doch  sehr  wahrschein- 
lich (vgl.  Dehio  und  v.  Bezold,  Die  kirchliche  Baukunst  des  Abendlandes 
S.  152  ff.  und  Hampe  S.  613;  dagegen  J.  v.  Schlosser  Wiener  SB.  1890  Bd. 
123  S.  30  f.).  Dehio  und  v.  Bezold  heben  hervor,  dass  die  Bedeutung  des 
Werkes  nicht  sowohl  im  Künstlerischen  als  im  Konstruktiven  zu  suchen  sei, 
urteilen  jedoch  schliesslich,  das  Münster  sei  ein  wahrhaft  weihevoller  Raum. 
Ich  möchte  die  letztere  Seite  etwas  stärker  betonen.  Das  Bedeutende 
scheint  mir,  dass  man  hier  einer  Konstruktion  aus  dem  Grossen  gegenüber- 
steht, bei  welcher  die  Wirkung  nicht  durch  die  Einzelheiten,  sondern  aus- 
schliesslich durch  die  räumlichen  Verhältnisse  erzielt  und  erreicht  wird. 
Seiner  Basilika  in  Seligenstadt  freute  sich  Einhard  als  non  indecori  operis 
(Transl.  Marcell.  I,  1  S.  239  f.). 

6)  An  Trennung  der  Künste  ist  in  dieser  Zeit  so  wenig  zu  denken  als 
an  Trennung  der  Wissenschaften.  Wie  Architekt,  so  scheint  Einhard  auch 
Maler    gewesen    zu    sein.     Der  Cat.  abb.  Fuld.   (M.G.  XIII,  272)  bezeichnet 

12* 


—     180     — 

baute  Abtcikirclic  in  Soligoiistndt  ist  i'in  in  mancher  Hinsitlit  eigen- 
artigcs  und  wohldisponiortes  AWu'k. ')  AVeun  er  die  Vernachlässigung 
der  A[iu'tyrergräh('i'  in  Koni  tadelnd  bemerkte,  so  war  es  schwerlich 
seine  Frömmigkeit  allein,  die  sich  daran  stiess,  sondern  ebeusoselu* 
sein  Sinn  fiir  Ordnung  und  .ScluJuheit.'-)  Karl  setzte  volles  Ver- 
trauen in  Einhard;''")  niclit  nur  übertiiig  er  ihm  die  Oberleitung 
seiner  Bauwerke;'*)  er  hörte  auch  in  Fragen,  welche  den  Staat 
betrafen,  auf  seinen  Rat."^)  So  bietet  Einhards  Leben,  so  lange 
Karl  ^regierte,  das  Bild  einer  nach  jeder  Seite  hin  glücklichen 
Existenz. 

Ein  Altei-sgenosse  Einhards  mag  der  Trierer  Bischof  Amalar 
gewesen  sein,")  nicht  eigenthch  ein  Litterat,  nielu'  ein  Gelegenheits- 


ihn  als  variarutn  artiuiu  doctorem  peritissimum.  Der  Maler  Bruun  (Can- 
didus)  ist  sein  Schüler:  V.  Aeigili  II,  17  v.  1.34—136  S.  112,  verbunden  mit 
der  angeführten  Stelle  des  Fulder  Abtkatiiloges. 

1)  Hampe  hat  gezeigt,  dass  ihr  Bau  erst  nach  830  begonnen  hat, 
S.  613  ff.  Seine  Annahme,  dass  der  Bau  der  Basilika  und  die  Klostergrün- 
dung zusammenfallen,  scheint  mir  jedoch  unrichtig.  Denn  ep.  10  S.  114 
setzt  den  Bestand  einer  geistlichen  Genossenschaft  am  Grab  der  Heiligen 
voraus:  Si  per  vos  .  .  locus  requictionis  sanctorum  martyrum  tarn  in  aedi- 
ficiis,  quam  in  aliis  necessariis  rebus  fuerit  auctus.  Auch  die  Worte:  His, 
quoa  ad  servitium  vestrura  enutrivi  zeigen,  dass  eine  geistliche  Genossen- 
schaft i.  J.  830  vorhanden  war.  Ihre  Gründung,  nicht  die  Erbauung  der 
Basilika  ist  für  die  Entstehung  des  Klostors  entscheidend. 

2)  Transl.  Marcell.  1  S.  240:  De  neglectis  martyrum  sepulchris,  quo- 
rum  Romae  ingens  copia  est. 

H)  Walahfr.  Prol.  S.  508;  vgl.  Einhards  Prolog  S.  510. 

4)  Gest.  abb.  Fontan.  17  S.  50.  Hier  wird  erwähnt,  dass  Ansigis,  Abt 
von  St.  Germer,  unter  ?]inhard  exactor  operum  regalium  in  Aachen  war; 
vgl.  auch  Transl.  Marcell.  IV,  7  S.  258,  wo  von  dem  l'alastbiljliothekar 
Gervard  erzählt  wird,  da.ss  ihm  palatinorum  operum  ac  structurarura  a  rege 
cura  commissa  erat. 

5)  Erm.  Nig.     In  hon.   Illudov.  II  v.  31  ff.;    vgl.  Ann.  Kinh.  z.  .1.  80(1. 

6)  Die  Frage,  ob  der  Bischof  Amalar  mit  dem  gleichnamigen  litur- 
gischen Schriftstoller  identisch  gewesen  ist,  wird  verschiedoji  l)eantwortet. 
Man  hat  sie  seit  Sirmond  so  gut  wie  allgemein  verneint;  neuerdings  jedoch 
hat  sich  Dümmler  M.G.  Ep.  V  S.  241,  einem  Aufsatz  Morins  in  dor  Hevuo 
Bf'nödiot.  VIIl  S.  433  und  IX  S.  337  folgond,  für  die  Bojahung  ausgesprochen, 
ivnrrogen  Mönchemeier,  Amalar  S.  259  ff.  an  dor  Vernoinung  festhält;  ebenso 
^.liire  P.  UK.  P  S.  430.  Auch  mir  scheint  die  letztere  notwendig.  Denn 
der  Identität  der  beiden  Amalare  bereitet  die  Chronologie  unüberwindliche 
Schwierigkeiten.  Den  Episkopat  Amalars  von  Trier  lässt  man  um  809  be- 
ginnen, so  Mönchenifier  und  Suhre,  wie  Dümmler.  Aber  wio  mich  dünkt, 
muss  man  etwas  hinaufrücken.  Denn  Amalar  hat  die  erste  Kirche  in  Ham- 
burg geweiht:  es  ist  aber  sehr  unwahrscheinlich,  dass  Karl  nach  Herstellung 


—     181     — 

schriftsteiler:  eine  Frage  Karls  über  die  Taufe  gab  ihm,  wie  meh- 
reren seiner  Amtsgenossen  Anlass,  sich  über  diesen  Gegenstand  zu 
äussern.^)  Karl  hat  ihm  flu-  seine  iVrbeit  freundlich  gedankt;  sie 
erregte  auch  bei  anderen  Interesse.-)  Im  Jahr  813  schickte  er  ihn 
als  seinen  Gesandten  nach  Konstantinopel.  Die  Müsse,  die  die 
lange  Seefohrt  gewährte,  füllte  Amalar  aus  durch  ein  kleines 
Schrift chen  iihev  che  Messliturgie,  wie  es  scheint  Reflexionen  über 
ihren  mystischen  Sinn.'')  Auch  seine  dichterische  Anlage  wm-de 
durch  die  Abenteuer  jener  Reise  geweckt:  er  hat  sie  in  nicht  gerade 
bedeutenden  Versen  geschildert.^)  Liturgische  Fragen  haben  ihn 
auch  später  beschäftigt,  ohne  dass  er  doch  sich  anders  als  brieflich 
darüber  äusserte.^) 

Amalar  ist  keine  litterarische  Individuahtät;  aber  man  irrt 
schwerhch.  wenn  man  ihn  als  einen  Zeugen  fiir  den  Durchschnitt 
des  schi'iftstellerischen  Vei-mögens  l)etrachtet,  das  sich  bei  dem 
höheren  Kleras  am  Ende  der  Regierung  Karls  fand.  Die  mauch- 
fachen  Antworten,  die  Karls  Frage  über  die  Taufe  hervorrief,  be- 
weisen das  Recht  dieser  Annahme.^)  Sie  zeigen  zugleich,  dass  es 
Karl  gehmgen  war,  den  Klenis  "vrieder  theologisch  zu  schulen. 


der  Ruhe  in  Nordalbingien  5—6  Jahre  verstreichen  Hess,  ehe  er  eine  Kirche 
baute.  War  aber  Amalar  schon  805  oder  806  Bischof,  dann  kann  er  unmög- 
lich als  Knabe  Schüler  Alkuins  in  Tours  gewesen  sein,  was  der  Schrift- 
steller von  sich  selbst  sagt.  Dazu  kommt,  dass  sich  bei  der  Identifizierung 
die  Annahme  notwendig  macht,  dass  derselbe  Mann  zweimal  über  den 
gleichen  Gegenstand  geschrieben  hat:  der  Bischof  verfasste  ein  opusculum 
de  officio  missae  auf  seiner  CTesandtschaftsreise  813  (ep.  5  S.  245),  das  Werk 
des  Schriftstellers  ist  819—831  geschrieben,  s.  u.  Bei  des  letzteren  Gewohn- 
heit, seinen  eigenen  Ruhm  zu  verkündigen,  ist  es  schwer  glaublich,  dass  er 
von  dem  früheren  Werk  geschwiegen  hätte,  wenn  es  sein  Werk  wäre.  Ich 
halte  deshalb  trotz  des  seltsamen  Parallelismus  im  Leben  der  beiden  gleich- 
namigen Kleriker  für  wahrscheinlicher,  dass  wir  zwei  Männern  als  dass  wir 
einem  gegenüberstehen.  Von  den  M.G.  Ep.  V  S.  242  ff.  gedruckten  Briefen 
gehören  Nr.  1 — 7  dem  Bischof,  Nr.  8—11  dem  Schriftsteller. 

1)  Ep.  1 — 3  S.  242;  von  der  Abhandlung  A.'s  hat  Dümmler  nur  Anfang 
und  Schluss  abgedruckt,  ep.  2.  Man  findet  sie  bei  Migne  99  S.  893;  vgl. 
Haussleiter  in  d.  N.  kirchl.  Zeitschr.  IX  S.  341  ff. 

2)  Peter  von  Nonantula,  Amalars  Reisegefährte,  bittet  um  eine  Ab- 
schrift, die  er  auch  erhält,  ep.  4  f. 

3)  Erwähnt  von  Peter  und  Amalar  in  den  angeführten  Briefen,  aber 
wie  es  scheint,  nicht  erhalten.  Über  die  Sendung  M.G.  Ep.  IV  S.  556  Nr. 
37  und  Ann.  Lauriss.  z.  813  S.  137;  vgl.  auch  ep.  6  S.  247. 

4)  Poet.  lat.  I  S.  426  f. 

5)  Ep.  6  S.  247  ff.  an  Hilduin  von  St.  Denis. 

6)  Vgl.  Wiegand,    EB.  Odilbert  von  Mailand    über   die   Taufe,  1899. 


—     182     — 

Das  Leben  und  Treiben  der  litterarischen  Männer  am  Hof 
Kai'ls  ist  oft  genug  geschildert  worden.  Es  wai'  zum  Teil  Schule 
halten  im  eigentlichen  Sinn  des  AVorts.  Jedermann  weiss,  dass 
Karl  selbst  niemals  aufliörte  zu  lernen,  dass  seine  Schwester,  seine 
Söhne  und  Töchter  an  dem  Unterricht  teilnahmen.  Was  iniiii 
lehrte  und  lernte  aber,  wurde  bald  das  gemeinsame  geistige  Interesse 
(\or  ßeteihgten.  Man  freute  sich  an  einem  mehr  oder  weniger 
geistreichen  Spiel  des  Scherzes  und  Witzes;  bei  Tisch  las  mau 
vor:  bald  ein  Gedicht,  bald  einen  Abschnitt  aus  einem  Geschichts- 
werk oder  einem  Kirchenvater.^)  AVie  die  Litteraten  des  5.  und 
6.  Jahrhunderts  wechselte  man  prosaische  und  poetische  Episteln: 
Freunde  spendeten  sich  gegenseitig  reichliches  Lob,  Gegner  vei*- 
folgten  einander  mit  launigem  oder  derbem  Spott.  Ahmte  man 
liiebei  bewusst  und  unbewusst  die  alten  Schriftsteller  nach,  so  war 
das  Interesse  für  historische  Darstellungen  eine  natürliche  Folge 
des  mächtigen  Aufschwungs,  den  der  fränkische  Staat  genommen 
hatte.-)  Dazu  kam  in  der  Freude  an  Rätseln  und  Allegorien*"*) 
ein  volkstümhches  Element,  eines  der  wenigen,  das  in  diesen  Kreis 
einzudringen  vermochte.  Um  so  bedeutender  war  der  theologische 
Bestandteil   im   Geistesleben  des  Hofes.    Bald  waren  es  exegetische 


Karls  Ausschreiben  war  an  dio  Erzbi.schöfe  des  Reichs  gerichtet;  erhalten 
sind  die  an  Odilbert  von  Mailand  und  Anialar  adressierten  Kxemplare,  das 
erstere  Cap.  125  I  S.  24ü,  das  letztere  Ep.  V  S.  242  Nr.  1.  Antworten  sind 
erhalten:  von  Magnus  von  Sens,  Ep.  IV  S,  534  Nr.  25,  Migne  102 
S.  981  ti'.,  Maxentius  von  Aquiloja,  ib.  S.  537  Nr.  27,  Migne  106,  51  fl'., 
Lt'idrad  von  Lyon  ib.  S.  539  Nr.  28  f.,  Migne  99  S.  853  tt'.,  einem  ungenann- 
ten Bischof,  ib.  S.  535  Nr.  26,  Migne  98  S.  939,  Odilbert  Cap.  126  S.  247, 
die  Denkschrift  zum  ersten  Mal  von  Wiegand  bekannt  gemacht,  von  Ainalar. 
80  wie  ein  Schreiben  Theodulfs  an  Magnus  Ep.  IV  S.  533  Nr.  24,  Migne 
105  S.  223  ff.  Wiegand  sieht  auch  in  den  Collectanea  dicta  de  antiquis 
ritibus  V>apti8mi  eorumque  significatu  Pez  Thes.  II,  2  S.  12  ff.  eine  durch 
Karls  Autforderung  veranlasste  Antwort;  und  bringt  Jesses  von  Aniiens 
Schreiben  an  seinen  Klerus  U.(i.  Ep.  V  S.  300  Nr.  1,  Migne  105  S.  781 
mit  Karls  Aufforderung  in  Zusammenhang.  Das  Letztere  halte  ich  inin- 
de.stens  für  zweifelhaft.  Ferner  hat  Morin  Rev.  liened.  1H96  S.  289  tf.  auf 
zwei  Antworten  aufmerksam  gemacht;  die  eine  nun  auch  M.G.  Ep.  V  S.  273  f. 
Nr.  14.  Von  dem  Abschreiber  ist  sie  mit  Unrecht  Amalar  zugeschrieben; 
doch  stammt  sie  sicher  von  einem  deutschen  Metropoliten;  denn  der 
Schreiber  erklärt  die  pompas  diaboli  deutsch  siniu  gelp  anda  sinen  willon. 
Endlich  gehört  hieher  die  Haluz.  11  S.  1402  Nr.  22  gedruckte  anonyme 
Responsio  iHaec  sunt  causao). 

1)  Einh.  V.  Karol.  24;  Theod.  carm.  27  v.  51  tf.  S.  492. 

2)  Vgl.  Wattenbach,  GQ.  I  S.  190  ff". 

3)  Theod.  c.  25  v.  135  ff.  S.  486. 


—     183     — 

Fragen,  welche  das  Interesse  erregten,^)  bald  antiquarische;^)  auch 
über  dogmatische  Probleme  kam  es  mitunter  zu  lebhaftem  Woii;- 
kampf :  ^)  manche  Frage  liess  man  als  unlösbar  fallen,'*)  bei  anderen 
suchte  man  zu  einem  bestimmten  Resultat  zu  kommen,'')  Darauf 
drang  Karl;  er  hebte  das  Unfertige  nicht. 

Fragt  man  nach  dem  Charakteristischen  der  neuen  höfischen 
Bildung,  so  besteht  es  nicht  nur  darin,  dass  in  ihr  die  Kultur 
einer  vergangenen  Periode  wieder  erweckt  werden  sollte  und  in 
ge\s-issem  Mass  erweckt  wurde.  Wichtiger  ist  das  gleichberechtigte 
Nebeneinander  des  Allgemeinen  und  Theologischen,  das  man  in 
der  Epoche  Karls  bemerkt.  Dadurch  hebt  sie  sich  scharf  von  der 
vorhergehenden  Zeit  ab.  Die  Reste  oder  Ansätze  htterarischer 
Thätigkeit  vor  Karl  waren  stets  theologisch  gefärbt.  Jetzt  war 
dies  nicht  mein-  der  Fall.  Die  Poesie  und  Geschichtschreibung 
kamen  zu  so  ki-äftiger  Entwickelung,  dass  sie  etwas  für  sich  bedeu- 
teten. Das  hängt  mit  den  Fortschiütten  der  Form  zusammen:  ein 
gi-össerer  Abstand  als  der  zwischen  Gregor  von  Tom^s  und  Einhard 
lässt  sich  kaum  denken.  Mehr  noch  ist  es  bewirkt  diu'ch  einen 
Wandel  der  Anschauungen.  Die  älteren  Schriftsteller  waren  sämt- 
lich von  der  asketischen  Lebensanschauung  beherrscht.  Im  Kreis 
Karls  d.  Gr.  dagegen  war  sie  nicht  massgebend;  auch  die  Mönche, 
welche  zum  Hof  des  Kaisers  gehörten,  sprachen  es  unumwunden 
aus,  dass  es  für  das  Heil  des  Menschen  gleichgiltig  sei,  ob  man 
im  Kloster  oder  in  der  Welt  lebt.  Darin  lag  die  Anerkennung 
des  Rechts  einer  welthchen  Kultur.  Es  konnten  Frieder,  wie  in 
der  ausgehenden  Römerzeit,  geisthche  und  welthche  Wissenschaft 
und  Kunst  neben  einander  stehen.  Und  doch  ist  der  Unterschied 
zwischen  der  letzteren  Epoche  und  der  Karls  noch  gi'össer.  Denn 
in  ihr  gab  es  keinen  Gegensatz  zwischen  Weltlichem  und  Geist- 
lichem. Auch  wenn  man  welthche  Gegenstände  behandelte,  waren 
die  Massstäbe,  nach  Avelchen  jedermann  urteilte,  die  kirchhchen: 
es  gab  keine  prinzipiellen  Differenzen. 

Es  war  ein  Ge^\inn  für  die  Nation,  dass  das  geistige  Leben, 
das  bisher  auf  die  Klöster  beschränkt  war,  hinaustrat  in  den  Kreis 
der  Laien. '^)  Aber  um  so  schärfer  tritt  der  Mangel  dieser  ganzen 
Bildung  hervor:  sie  war  nicht  national.     Nur  dann  ist  die  Kultur 


1)  Vgl.  Ale.  ep.  149  S.  244:  308  S.  471. 

2)  Theod.  carm.  96  S.  390  ff. 
8)  Ale.  ep.  307  S.  466  ff. 

4)  Vgl.  oben  S.  150. 

5)  Ergiebt  sieh  aus  Alkuins  Brief  307. 

6)  Das    hat  besonders    Ebert  (Lit.   d.  MA.  If   S.  5  fl\)   hervorgehoben, 
leh  vermisse  nur,    dass  er  kein  Wort  für  die  Beschränktheit  dieser  ,Welt- 


—     184     — 

in  Wahiheit  lebenskräftig  und  fruchtbar,  wenn  sie  die  Verklärung 
des  Volkstüniliclien  ist.  Die  karolingische  Kultur  war  das  nicht; 
daher  der  nniniienhafte  Zug,  der  ihr  anhängt.  Die  Träger  der 
neuen  Bildung  ha])eu  diesen  Mangel  nicht  bemerkt,  noch  weniger 
streljten  sie  ül)er  ihn  hinaus.  Für  sie  war  die  Erneuerung  des 
Alten  die  höchste  Idee.  Die  unabwendbare  Folge  war,  dass  die 
Kultur  tienidsprachlich  blieb  und  dass  deshalb  auch  die  Theologie 
nicht  national  wurde.  So  war  sie  .abgeschnitten  von  der  befruch- 
tenden ,  Berührung  mit  dem  Glauben  der  Gemeinde.  Iirt  man, 
wenn  man  in  diesem  Mangel  einen  der  hauptsächlichsten  Gründe 
dafür  sieht,  dass  sie  lange  zu  keiner  fiüschen  Entfaltung  kommen 
konnte,  und  dass  sie,  als  diese  endlich  eintrat,  als  Scholastik  nur 
tür  einen  engen  Kreis  Wissender  vorhanden  war? 

Niemand  kann  sagen,  dass  diese  Entwickelung  notwendig  und 
unvenneidhch  war.  Karl  d.  Gr.  hat  auch  in  diesem  Punkt  weiter 
gebhckt  als  die  Gelehrten,  die  ihn  umgaben.  Mau  weiss,  wie  ent- 
schieden national  er  empfand;  wir  pflegen  ihn  zu  rühmen,  dass 
er  freisinnig  und  unbefangen  nel)eu  dem  Fremden,  das  er  bewun- 
derte, das  Volkstümliche  nicht  geringschätzte:  er  hat  die  alten 
Lieder  des  Volkes  aufzeichnen  und  sammeln  lassen.^)  Aber  wenn 
es  wahr  ist,  dass  er  den  Gedanken  hegte,  dass  die  deutsche  Si)rache 
ebenso  wie  die  lateinische  der  grannnatischcn  Bearbeitung  wert  und 
fähig  sei,  so  gingen  seine  letzten  Ziele  weit  über  die  Absicht 
hinaus,  das,  was  das  Volk  zu  singen  und  sagen  liebte,  der  Zukunft 
zu  bewahren.  Denn  war  jener  Gedanke  mehr  als  eine  Laune  — 
und  Karl  wai'  fi'ei  von  Launen  — ,  so  kann  er  nur  aus  der  Vor- 
stellung entspningen  sein,  dass  das  Deutsche  bestimmt  sei,  Schrift- 
sprache des  fränkischen  Volkes  zu  Averden:  nur  die  Schriftsprache, 
nifht  das  gesprochene  Wort  sucht  die  grammatische  Regel  und 
bedaif  sie.  Die  Deutschen  an  seinem  Hof  waren  für  diese  Ideen 
nicht  unempfänglich:  Adalhard  von  Corbie  und  sein  Bruder  AVala 
werden  wie  Karl  selbst  gerühmt  als  glänzende  Redner  in  deutscher 
Sprache:'-)  man  muss  annehmen,  dass  sie  das  Deutsche  <li'm  Latei- 
nischen als  gleichwertig  betrachteten.  Das  fränkische  Volk  aber 
fiihlte  sich  in  jeder  Hinsicht  den  alten  Nationen  gewachsen.")  Die 
Voraussetzungen  für  die  Entstehung  einer  nationalen  Kultur  waren 


litteratur"  hat.     Denn  die  Welt,  für  welche  sie  vorhanden  war,  bestand  aus 
einem  recht  engen  Krei.s. 

1)  Einh.V.  Karol.  29.  Hier  i.staiich  sein  Versuch  einer  deutschen  Gramma- 
tik erwähnt,  sowie  die  deut><cben  Bezeichnungen  für  Winde  und  Monate. 

2)  V.  Adalh.  77  S.  532;  V.  Wal.  I,  1  S.  533. 

3)  S.    Otfrids    Kri.«t,    Prolog,    ad    Liutb.    S.   6  f.    (ed.    Piper)    und  I,  1 
S.  22  ff.     Auch  Hibern.  exul.  carm.  2  v.  85  ff.  S.  398. 


—     185     — 

somit  gegeben.  Aber-  es  kam  doch  imr  zu  Anfängen,  und  diese 
fanden  nicht  dieselbe  sorgsame  Pflege  und  Fördermig  wie  die  latei- 
nischen Stuchen.  Man  ^ärd  nicht  leugnen  können,  dass  den  Ge- 
lehi-ten  Karls  das  Verständnis  für  das,  was  nötig  war,  abging. 
Alkuin  kannte  volkstümhche  Lieder;  aber  es  fehlte  ihm  der  Sinn 
für  ihren  Wert:  er  sah  in  ilmen  nur  Reste  des  Heidentums  und 
in  den  Helden,  die  sie  besangen,  nur  Opfer  der  ewigen  Verdamm- 
nis.^) Wenige  seiner  Schüler  werden  anders  geurteilt  haben.  Wie 
fern  musste  ihnen  dann  der  Wunsch,  das  Bestreben  hegen,  die 
Übermacht  des  Lateinischen  zu  erschüttern.  Sie  war  überdies 
geschützt  dadm-ch,  dass  das  Lateinische  allein  die  im  ganzen  Abend- 
land verstandene  Sprache,  dass  es  die  von  der  Kirche  privilegierte 
Sprache  wai\ 

Die  Bildung,  an  der  Karl  sich  ei-freute,  sollte  Besitz  des 
fränkischen  Volkes,  sie  sollte  dem  jüngeren  Geschlecht  erhalten 
werden.  Li  diesen  Gedanken  wm-zelte  Karls  Sorge  für  das 
Schulwesen. 

Die  wichtigste  Lehranstalt  war  die  Hofschule.  Es  lag  in  der 
Natm-  der  Sache,  dass  sie  keinen  festen  Sitz  hatte.  Lehrer  und 
Schüler  folgten,  wenigstens  im  AVinter,  dem  König  an  seinen  jedes- 
mahgen  Aufenthaltsort.  Karl  betrachtete  sie  recht  eigenthch  als 
seine  Schule:  er  unterliess  nicht,  die  Zöghnge  persönhch  zu  er- 
mahnen.-) Die  Unten-ichtsgegenstände  ersieht  man  aus  Alkiüns 
Lehrbüchern:  während  das  Theologische  zurücktrat,  wurde  das  all- 
gemein Bildende  stark  lietont.  Was  man  erstrebte  und  eiTcichte, 
zeigt  ein  Mann  wie  Einhard.    Tatto,  welcher  Lehrer  in  Eeichenau,'^) 


1)  An  Bischof  Higbad  von  Lindisfarne  schreibt  Alkuin  im  Jahr  797 
(ep.  124  S.  183):  Yerba  Dei  legantur  in  sacerdotali  convivio.  Ibi  decet 
lectorem  audiri,  non  citharistam;  sermones  patrum.  non  carmina  gentilium. 
Quid  Hinieldus  (der  Sagenheld  Ingeld;  s.  Haupt,  Zeitschr.  f.  d.  Altert.  XV 
S.  314)  cum  Christo?  Angusta  est  domus;  utrosque  tenere  non  poterit. 
Non  vult  rex  celestis  cum  paganis  et  perditis  nominetenus  regibus  com- 
munionem  habere;  quia  rex  ille  aeternus  regnat  in  caelis,  ille  paganus  per- 
ditus  plangit  in  inferuo.  Man  kann  sich  denken,  wie  Alkuin  über  deutsche 
Sagen  geurteilt  haben  wird. 

2)  Ale.  ep.  121  S.  177. 

3)  Vis.  Wettini  v.  875  S.  331.  Es  scheint,  dass  gleichzeitig  mit  Tatto 
der  spätere  Bischof  Otgar  von  Mainz  an  der  Hofschule  war  (ep.  Mag.  6 
S.  324).  Ihr  Aufenthalt  fällt  wahrscheinlich  in  Karls  Zeit.  Ebenfalls  unter 
Karl  waren  Schüler  der  Hofschule  der  spätere  Bischof  von  Strassburg,  Bernald 
(Erm.  Nig.,  In  Laud.  Pipp.  reg.  v.  147  f.  S.  84;  epit.  Bern.  v.  6  S.  420),  und 
Ebo,  später  Erzbischof  von  Rheims  (Karol.  C.  ep.  ad  Nie.  I.  Mansi  XV, 
797). 


—     186     — 

Gnniald,  dci- Al)t  in  St.  Gallen  \^  wurde,  verknüpfen  die  berühmten 
Schulen  dieser  Klöster  mit  jener  Zentralschule.-) 

Tm  T  iiterschied  von  ihr  war  die  von  Alkuin  lokonstruierte 
Klostei'schule  in  Tours  eine  vorwiegend  theologische  Anstalt:  zwar 
lehrte  man  auch  hier  die  freien  Künste,  aber  das  Ziel  des  Tutcr- 
richts  war  theologisch.'^)  Die  jüngeren  Schüler  Alkuins  werden 
ihn  sämtlich  in  Tours  gehört  hal)en.'*) 

Doch  begnügte  sich  Karl  nicht  mit  der  Herstellung  einiger 
Mittelpunkte  für  wissenschaftliche  Studien  in  seinem  Eeich;  sein 
Gedanke  ging  weiter. ■'^)  Er  wünschte  das  ganze  Reich  gleichsam 
mit  einem  Netz  von  Lehranstalten  zu  überziehen.  Seine  Absicht 
war  dabei  einerseits  die  Heranbildung  eines  tüchtigen,  wissenschaft- 
lich geschulten  Klerus,  andererseits  die  Verbreitung  eines  gewissen 
Masses  allgemeiner  Bildung  auch  unter  der  Laienwelt. 

Als  naturgemässe  Orte  für  Schulen  erschienen  ihm  die  Klöster 
und  Domstifter.  Demnach  verfugte  er  auf  Grund  einer  l^eratung 
mit  seinen  Grossen,  dass  an  allen  Kathedralkirchen  und  in  allen 
Klöstern    regelmässig  Unterricht    erteilt   werde. ^')     Wir  bemerkten. 


1)  Der  Mönch  von  St.  Gallen  macht  Grimald  zum  Schüler  Alkuins 
0,  9  S.  638|.  Da  Grimald  im  .Tahr  872  starb  (Ann.  Alam.  S.  51),  so  ist 
diese  Nachricht  höchst  unwahrscheinlich;  zu  Grunde  liegt  ihr  vermutlich 
die  Thatsache,  dass  Grimald  die  Hofschule  besuchte,  s.  Ep.  Krmenr.  ad 
Grim.  M.G.  Ep.  V  S.  536. 

2)  Unter  Ludwig  d.  Fr.  war  ein  Kelte,  Namens  Clemens,  Leiter  der 
Hofschule  (s.  Simson,  JB.  Ludw.  11  S.  257).  Alkuins  unmittelbarer  Nach- 
folger scheint  er  jedoch  nicht  gewesen  zu  sein  (so  Mabillon,  A.  S.  IV,  1 
p.  LXXXV);  vgl.  oben  S.  14«  über  Witto  und  Fridugis. 

3)  Man  lehrte  die  alte  Litteratur,  Grammatik  und  Astronomie  (Ale.  ep. 
121  S.  176  f.;  vgl.  161  S.  260);  das  theologische  Ziel  zeigt  Ale.  carm.  113 
v.  19  f.  S.  344;  die  Weise  des  theologischon  Unterrichts  wird  anschaulich 
aus  den  interrogationcs  et  respons.  in  Genes. 

4)  S.  oben  S.  151  Anm.  2  u.  3. 

.5)  Vgl.  zum  Folgenden  Specht,  Geschichte  des  Unterrichtswesens  in 
Deutschland  (1885). 

6)  Gap.  29  S.  79:  Notum  sit  .  .  ,  «juia  nos  una  cum  fidelibus  nostris 
consideravimus  utile  esse,  ut  episcopia  et  monasteria  nobis  Christo  propitio 
ad  gubernandum  commissa  praeter  regularis  vitae  ordinem  atque  sanctae 
religionis  convcrsationem  etiam  in  litterarum  meditationibus  eis  qui  donante 
Domino  discerc  possunt  secundum  uniusruiusque  capacitatem  docendi  Stu- 
dium debeant  impendero.  t'hor  die  Wahl  der  Lehrer:  Tales  ad  hoc  opus 
viri  eligantur,  qui  et  voluntatem  et  possibilitatcm  discendi  et  desiderium 
habeant  alios  instruendi.  Das  Jahr  dieser  Verordnung  steht  nicht  fest; 
während  die  Meisten  sie  dem  Jahr  787  zuweisen,  V^cgnügt  sich  Boretius 
festzustellen,    dass   sie   zwischen  780  und  800  erlassen  sein  muss.     Cap.  22, 


—     187     — 

dass  man  in  einer  Anzahl  von  Klöstern  bereits  an  Lehrtliätigkeit 
gewöhnt  war;  jedoch  gewiss  nicht  in  allen.  Denn  es  gab  kaum 
eine  INIönchsregel,  welche  den  Religiösen  die  Pflicht,  Schule  zu 
halten,  auflegte:^)  sie  setzten  sämthch  die  Aufgabe  der  Mönche 
ausschhesslich  in  das  Streben  nach  eigener  Vollkommenheit.  Da- 
gegen entsprach  es  Karls  Gesinnungen,  wissenschafthche  Arbeit 
und  religiöse  Betrachtung  mit  einander  zu  verbinden.  Indem  er 
auch  der  ersteren  in  den  Klöstern  eine  Heimat  bereitete,  hob  er 
zugleich  das  Mönchtum.  Es  hatte  offenbar  an  Bedeutimg  verloren, 
seitdem  die  kirchhche  Ordnung  in  der  fränkischen  Kirche  Avieder 
hergestellt  war;  mehr  und  mehr  nahm  die  WeltgeistHchkeit  den 
Mönchen  die  pastorale  Thätigkeit  ab,  welche  sie  eine  Zeitlang 
geübt  hatten.  Dadurch,  dass  Karl  die  Klöster  zu  Lehi'an stalten 
machte,  wurden  sie  von  neuem  zm^  Arbeit  für  die  Allgemeinheit 
herangezogen.  Was  sie  eingebüsst  hatten,  w^urde  ihnen  reichhch 
ersetzt-,  denn  neben  den  bischöf heben  Höfen  wurden  sie  die  Pflanz- 
stätten des  Klerus,  vor  jenen  wmxlen  sie  bleibende  Sitze  wissen- 
schafthcher  Studien. 

Karls  Massregel  sollte  zunächst  der  Theologie  und  der  Kirche 
zu  gute  kommen.  Von  diesem  Gedanken  ist  sein  eben  erwähntes 
Ausschreiben  dm'chaus  beherrscht:  er  fürchtete,  der  Mangel  an 
Bildung  möge  zu  irrigen  Lehren  führen.-)  Aber  darüber  liinaus 
musste  ein  gelehrter  Klerus  unmittelbar  zm-  Hebung  des  Biidungs- 

72  S.  60  verfügt  ebenfalls:  Ut  scolae  legentium  puerorum  fiant.  Psalmos, 
notas,  cantus,  compotum,  grammaticam  per  singula  monasteria  vel  episcopia, 
et  libros  catholicos  bene  emendate.  Dieses  Kapitulare  ist  vom  23.  März 
789.  Die  Fassung  beider  Vorschriften  lässt  nicht  ersehen,  welche  die 
frühere  ist:  möglicherweise  sind  sie  gleichzeitig.  So  auch  Monod  S.  57. 
Ein  weiterer  Beleg  dafür,  wie  ernstlich  Karl  darauf  drang,  dass  die  Bischöfe 
ihren  Lehrberuf  nicht  ausser  Acht  Hessen,  ist  sein  Brief  an  einen  unge- 
nannten Schüler  des  Bonifatius,  wahrscheinlich  Lul  von  Mainz  (Ep.  IV 
S.  532  Nr.  22).     Endlich  vgl.  Conc.  Gab.  (813)  c.  3. 

1)  Unterrichtet  wurden  in  der  Regel  nur  die  sog.  Oblati;  sie  werden 
auch  in  der  Regul.  Magistri  c.  50  (Holstenius  Brokie  Cod.  Reg.  2  S.  266) 
gemeint  sein:  In  his  tribus  horis  (von  6—9  Uhr)  infantuli  .  .  in  tabulis  suis 
ab  uno  litterato  litteras  meditentur.  Cäsarius  von  Arles  verbot  den  Nonnen 
die  Aufnahme  von  Mädchen  zur  Erziehung:  Nobilium  filiae  sive  ignobilium 
ad  nutriendum  aut  docendum  penitus    non    accipiantur    (Reg.    ad    virg.   5 

a.  a.  0.  356). 

2)  Cap.  29  S.  79:  Factum  est,  ut  timere  inciperemus,  ne  forte  sicut 
minor  erat  in  scribendo  prudentia,  ita  quoque  et  multo  minor  esset  quam 
recte  e.-^se  debuisset  in  sanctarum  scripturarum  ad  intelligendum  sapientia. 
Et  bene  novimus  omnes,  quia  quamvis  periculosi  sint  errores  verborum, 
multo  periculosiores  sunt  errores  sensuum. 


—     188     — 

Standes  der  Laien  beitragen.  Eino  strenge  Scheidung  geistlicher 
und  welthcher  ^^'issenschaft  gal)  es  ja  nicht:  je  nacli  der  vei-schie- 
denen  Lebensstelhmg,  die  man  erstrebte,  wurde  der  Nachdruck  nur 
nn'ln-  auf  diese  oder  jene  Seite  gelegt. M  So  suchte  man  denn  auch 
dahin  zu  wirken,  dass  der  Unterricht  möglichst  allgemein  wuriU'.-) 
Der  (icdanke  eigentlichen  Volksuntcrnchts  war  dem  Zeitalter  Karls 
nicht  fremd.  Bekanntlich  verordnete  Theodult^  dass  die  Priester 
seiner  Diözese  in  Flecken  und  Dörfern  Schule  hielten;  wenn  irgend 
ein  Gläubiger  seine  Kinder  ihnen  zu  wissenschafthchem  Unterricht 
übergebe,  so  sollten  sie  sich  dessen  nicht  weigern,  auch  keine  Be- 
zahlung fordern."^)  Was  im  Bistum  Orleans  geschah,  kam  auch 
anderwärts  vor.  Wir  wissen,  dass  bei  einer  bairischen  Kirchen- 
visitation der  Bischof  mahnte,  dass  alle  Fannlien  ihre  Kinder  zur 
Schule  schickten.')  Mau  kann  es  deshalb  nur  für  einen  Zufall 
halten,  dass  allein  Theodulfs  Verordnung  erhalten  ist.  In  der 
späteren  Zeit  Karls  war  es  allgemein  üblich,  dass  die  Priester 
Schüler  in  ihren  Häusern  hatten.'*) 


1^  ikt.  et  Beat,  ad  Elip.  ep.  II,  35  (Migne  96  S.  998):  Ex  ipsis  bap- 
tizatis  alii  traduntur  scholae  et  otferuntur  a  parentibus  Christo,  ut  possint 
futuri  esse  sacerdotes  et  serviant  Christo.  Alii  tantum  doctrinae  traduntur, 
ut  legant  et  oognoscant  Christum  et  accipiant  cum  benedictione  intra  ec- 
clesiam  uxores. 

2)  Conc.  Mog.  (813j  c.  45  (Mansi  XIV  S.  74):  Dignum  est,  ut  filios 
8U08  donent  ad  scholara  sive  ad  monasteria  sive  foras  presbyteris,  ut  fidem 
catholicam  recte  discant  et  orationem  dominicam.  Vgl.  Interrog.  exam. 
cap.  116.  12  S.  285:  Ut  unusquisque  filium  suura  litteras  ad  discendum 
mittat,  et  ibi  cum  omni  sollifitudine  permaneat,  usqiio  dum  bene  instructus 
perveniat.  Die  Fragen  sind,  wie  es  scheint,  Aufzoichnungon  eines  Hischofs 
für  eine  Kirchenvisitation.  Von  Klosterschulen,  von  denen  nach  Specht 
(S.  26)   diese  Bestimmung    handeln    soll,    ist,    wie    man    sieht,    hier    nichts 

zu  lesen. 

3)  Thcod.  cap.  20  i.Mignc  lü5  .S  lUßj.  Dabei  handelte  es  sich  nicht 
um  Vorbildung  zum  geistlichen  Stand.  Theologische  Schulen  waren  bei 
der  Krouzkirche  in  Orh-ans  uml  in  den  Klöstern  (c.  19).  Für  die  Unent- 
geltlichkeit des  Unterrichts  vgl.  Ale.  carm.  101  S.  343. 

4)  Cap.  116,  12  S.  235  (s.  Anm.  2).  Tber  den  bairischen  IVsprung 
des  Kapitulars  s.  unten  Kapitel  IV.  Dass  das  im  Text  Gesagte  das  Schul- 
wesen des  9.  Jahrhimderts  nicht  mit  dem  modernen  Volksachulwesen  in 
Parallele  stellen  soll,  brauche  ich  wohl  nicht  zu  betonen.  Bedeutend  ist 
nur  die  Absicht,  den  Unterricht  auch  tlenjenigen  zn  ermöglichen,  die  nicht 
für  die  klerikale  Larifbahn  bestimmt  waren. 

5)  Ciip.  120,  5  und  7  S.  238.  Specht  (S.  26)  hält  die  Bestimmung  für 
eine  Verordnung  Karls;  ob  sie  das  ist,  ist  ganz  ungewi-ss.  Conc.  Mog.  (a.  813) 
can.  45:  Filios  suoa  donent  ad  scholam  sivS;  ad  monasteria  sive  foras  pre- 
byteris.     Ale.  ep.  169  S.  278.     Der  Katechumenenunterricht  ging  selbstver- 


—     189     — 

» 

Die  Zahl  der  Scliüler  in  den  Kloster-  und  den  Kathedral- 
scliulen  war  eine  sehr  bedeutende.  Angilbert  bestimmte,  dass  die 
Schule  von  St.  Eiquier  stets  hundert  Schüler  haben  sollte.  Ent- 
sprechend den  drei  Kirchen  des  Klosters  teilte  er  sie  in  drei  Chöre, 
welche  abwechselnd  beim  Gottesdienst  mitzuwirken  hatten.^)  Ge- 
wöhnlicher war  die  Teilung  der  Schüler  nach  den  Unterrichtsgegen- 
ständen. Die  Ratschläge,  welche  Alkuin  dem  Erzbischof  Eanljald  II. 
von  York  gab,  werden  das  enthalten,  was  sich  im  fränkischen 
Reich  bewährt  hatte.  Er  riet,  die  Schüler  in  die  Klassen  der 
Leseschüler,  Singschüler  und  Schreibschüler  zu  sondern:  jede  Klasse 
sollte  ihre  eigenen  Lehrer  haben.-)  Die  Leseschüler  wurden  ein- 
geführt in  die  Sprache  und  Litteratur:  man  erstrebte  als  höchstes 
Ziel  das  allegorische  Verständnis  der  heihgen  Schrift.'^)  Die  Pflege 
des  Gesanges  war  durch  die  Bedürfnisse  des  Gottesdienstes  gefor- 
dert und  musste  wegen  der  von  Karl  geförderten.  Reform  des 
Kirchengesanges*)  doppelt  nötig  erscheinen.  Als  ungemein  wichtig 
galt  (he  Schreibkunst;-')  handelte  es  sich  zunächst  um  eine  schöne, 


ständlich  daneben  her  (cap.  38,  3  S.  110).    Conc.  Cabil.  (a.  813)  can.  3  S.  94 
spricht  dagegen  von  der  Heranbildung  der  Kleriker. 

1)  M.C4.  Scr.  XV  S.  178.  Eigene  Schulgebäude  in  den  Klöstern  ver- 
stehen sich  hienach  von  selbst.  Die  Einrichtung  zeigt  der  Bauriss  von  St. 
Gallen  (s.  Specht  S.  151  flf.). 

2)  Ep.  114  S.  169;  vgl.  de  sanct.  Eborac.  eccl.  v.  1433  £f.  über  den 
Unterricht  Älberts  in  York. 

3)  Ale.  ep.  161  S.  260:  Velim  te  .  .  ordinäre  puerorum  lectiones,  quis 
grammaticam  discat.  quis  epistolas  et  parvos  libellos  legat,  quis  sanctam 
scribturam  sobria  mente  haurire  dignus  sit.  Ep.  280  S.  437:  Exhortamini 
iuvenes  vestros,  ut  diligentissime  catholicorum  doctorum  discant  traditiones 
.  .  Nee  tarnen  saecularium  litterarum  contempnenda  est  scientia,  sed  quasi 
quoddam  fundamentum  tenerae  infantium  aetati  tradenda  e.st  grammatica 
aliaeque  philosophicae  subtilitatis  disciplinae,  quatenus  quibusdam  sapientiae 
gradibus  ad  altissimam  evangelicae  perfectionis  culmen  ascendere  valeant. 
Gramm.  Migne  101  S.  853  f.  werden  die  7  freien  Künste  als  die  Stufen  be- 
zeichnet, aufweichen  der  Schüler  ad  culmina  sanctarum  scripturarum  empor- 
steigt. Ob  überall  der  Unterricht  sich  so  weit  erstreckte,  ist  fraglich;  s. 
cap.  22,  72  S.  60  (oben  S.  186  Anmerk.  6.). 

4)  S.  oben  S.  110.  Es  mag  daran  erinnert  werden,  dass  Alkuin  eine 
Schrift  de  musica  verfasste. 

5)  Cap.  22,  72  S.  60:  Si  opus  est,  euangelium,  psalterium  et  missale 
scribere,  perfectae  aetatis  homines  scribant  cum  omni  diligentia.  Vgl.  die 
Verse  Alkuins  für  das  Schreibzimmer  in  Tours  (carm.  94  S.  320.  bes.  v. 
Ulf.): 

Est  opus  egregium  sacros  iam  scribere  libros, 
Nee  mercede  sua  scriptor  et  ipse  caret. 


—     100     — 

lesbare  Schrift^)  und  die  fehlerlose  Wiedergabe  der  Texte,  so  war 
von  da  der  Übergang  einerseits  zur  Koini)ilation  eigener  Schriften 
aus  den  Werken  Alterer,  andererseits  zur  Malerei  sehr  leicht. 
Analog  war  die  Einrichtung  in  Lyon,  nur  dass  Leidrad  davon  ab- 
sah, eine  eigene  Schreibschule  zu  errichten.-)  AVas  die  Weise  des 
Unterrichts  anlangt,  so  war  man  nicht  nur  auf  die  gedächtnismässige 
Aneignung  von  Wissen  bedacht,  sondern  auf  die  Schulung  des 
I'rteils  und  des  Auschucks:  man  legte  auf  das  Disputieren  grossen 
Wert.') 

Waren  Ziel  und  ]\rethode  im  allgemeinen  gleich,  so  brachte 
die  Verschiedenheit  der  Lehrkräfte  doch  hier  diesen,  dort  jenen 
Zweig  des  Unterrichts  zu  besonderer  Blüte.  Abt  Gervold  von  St. 
Wandrille  war  hervorragend  musikalisch  begabt:  seine  Schule 
zeichnete  sich  denigemäss  im  Gesang  aus;*)  dagegen  legte  der 
Piiester  Harduin.  der  in  der  benachbarten  Zelle  des  h.  Saturninus 
lehrte,  den  Nachdruck  auf  die  Arithmetik  und  die  Schreibkunst.'') 
Die  wichtigste  Gesangsschule  des  Reiches  befand  sich  in  Metz.") 
Manche  andere  Schule  mag  ziemhch  exklusiv  theologisch  gewesen 
sein.') 

Es  wurde  daran  erinnert,  dass  die  Bildung,  die  auf  diese  Weise 
dem  Zeitalter  überhefert  wurde,  fremdsprachlich  war.  In  allen 
Schulen  wurden  nur  lateinische  Werke  gelesen  und  erklärt,  nur  in 
ihnen  fanden  Lehrer  und  Schüler  die  Muster,  denen  sie  nacheiferten. 
Die  Übung  des  Lateinischen  schien  so  ausschhesslich  wichtig,  dass 
man   an   einzelnen  Orten   thöricht  genug  war,  zu  fordern,  dass  die 


Fodere  quam  vites  melius  est  scribere  libros, 

nie  8U0  ventri  serviet,  iste  animae. 
Vel  nova  vel  vetera  poterit  prof'erre  maxister 

Plurima,  quisque  lejpt  dicta  sacrata  patrum. 

1)  Vgl.  über  die  Schriftreform  K.  Menzel  in  Die  Trier  Ada-Hand- 
schrift S.  3  ff. 

2)  Vgl.  den  Bericht  Loidrads  Ep.  IV  Nr.  30  S.  543.  Kr  spricht  von 
.scolae  cantorum  et  lectorum  und  bemerkt  dann:  In  libris  quoque  con.scri- 
bendis  in  eadem  ecclesia,  in  qnantum  potui,  laboravi.  Benedikt  von  Aniane 
stellte  in  seinem  Kloster  Singmeister,  Lektoren,  Grammatiker  und  Schrift- 
kundige als  Lehrer  auf  (V.  Benod.  18  M.G.  Scr.  XV  S.  206;  20  S.  208). 

3)  V.  Eigil.  Praef.  S.  222;  20  S.  231. 

4)  Gest.  abb.  Font.  16  S.  47. 

5)  L.  c.  S.  48. 

6)  V.  Ale.  8  S.  189;  vgl.  den  Zusatz  zu  ann.  Lauriss.  mai.  z.  J.  787. 
Wie  Specht  (a.  a.  0.  S.  2.'»)  aus  den  zwei  Worten  cap.  43,  2  S.  121:  De 
cantu,  herauslesen  kann,  das.f  die  Kirchenvorstelier  ihre  Kantoren  zur  höheren 
Ausbildung  nach  Metz  senden  mussten,  ist  mir  unverständlich. 

7)  Vgl.  die  sog.  Murbacher  Statuten  2  (Migne  90  S.  740). 


—     191     — 

Schüler  nicht  deutsch,  sondern  lateinisch  mit  einander  sprächen.^) 
Aher  die  Natur  der  Sache  führte  darüber  hinaus.  Besonders  Avar 
Alkuiu  Lehrer  genug,  um  einzusehen,  dass  nur  derjenige  einen 
Gegenstand  Avirkhch  behen-scht,  der  im  Stande  ist,  ihn  in  die 
eigene  Sprache  umzusetzen.  Riet  er  deshalb  seinen  enghschen  Lands- 
leuten im  Kloster  zu  Durham,  die  Benediktinerregel  in  angel- 
sächsischer Sprache  ausziüegen,-)  so  wird  er  seine  Überzeugimg 
auch  diesseits  des  Kanals  nicht  verleugnet  haben.  Man  kann  in 
der  That  mit  aller  Sicherheit  behaupten,  dass  ihr  gemäss  verfahren 
wurde.  In  allen  Schulen  des  deutschen  Sprachgebiets  wurden  die 
Schüler  angeleitet,  den  lateinischen  Bildungsstoff  in  die  heimische 
Sprache  umzusetzen.  Der  Beweis  hegt  in  den  altdeutschen  Glossen. 
Denn  wie  sie  aus  Klöstern  aller  deutschen  Landschaften  stammen, 
erstrecken  sie  sich,  wenn  auch  nicht  gleichmässig,  über  den  ganzen 
Umfimg  der  in  den  Schulen  gelesenen  Schriften.  Am  zahh'eichsten 
sind  die  Bibelglossen;  von  den  übrigen  fällt  die  Hauptmasse  auf 
die  kirchhchen  Schriftsteller  der  orthodoxen  Periode,  besonders 
Gregor  d.  Gr.  und  Prudentius  wurden  erläutert;  bei  den  klassischen 
Schriftstellern  überwiegen  Dichter  und  Grammatiker,  endhch  fehl- 
ten auch  die  Schriftsteller  der  jüngsten  Vergangenheit  und  der 
Gegenwart  nicht:  Beda,  Aldhelm,  Alkuin,  Paulus,  Diakonus,  selbst 
der  sächsische  Dichter,  der  Karls  Leben  besang.") 

Der  Zweck  dieser  deutschen  Beschäftigung  mit  den  fremden 
Schriftwerken  war  nicht,  die  deutsche  Sprache  zu  einem  Auscfrucks- 
mittel  für  die  fremde  Gedankenwelt  zu  bilden:  mau  wollte  nm"  das 
verstehen,  was  man  las.*)     Aber  es  war  der  ungesuchte  Lohn  der 

1)  Sog.  Murb.  Stat.  Migne  99  S.  744:  Usum  latinitatis  potius  quam 
rusticitatis ,  qui  inter  eos  scliolastici  sunt,  sequuntur.  In  tali  etiani  con- 
fabulatione  notitia  scripturarum  aliquotiens  magis  quam  lectione  penetratur, 
et  dictandi  usus  discitur  et  ad  discendum  sensus  acuitur. 

2)  Ep.  19  S.  54:  Saepius  regula  s.  Benedict!  legatur  in  conventu  fra- 
trum  et  propria  esponatur  lingua,  ut  inteliigi  possit  ab  Omnibus. 

3)  Steinmejer  und  Sievers,  Altdeutsche  Glossen.  4  Bde.  1879 — 1898. 
Für  die  Kirchengeschichte  sind  die  beiden  ersten  Bände  am  wichtigsten, 
der  erste  enthält  die  alphabetischen  Bibelglossare  und  die  Glossen  zu  den 
einzelnen  biblischen  Büchern,  der  zweite  die  zu  den  nichtbiblischen  Schrift- 
stellern. Es  ist  lehrreich,  dass  Augustin  sehr  wenig  glossiert  wurde,  am 
meisten  Gregor,  von  Hieronymus  der  Kommentar  zum  Matthäus,  von  Isidor 
die  Schrift  de  officiis. 

4)  Das  zeigen  ferner  die  St.  Galler  Übersetzung  der  Benediktinerregel 
(Hattemer,  Denkmale  des  MA.  I  S.  15  ff.)  und  die  sog.  Murbacher  Hymnen, 
die  prosaische  Übersetzung  von  26  bezw.  27  lateinischen  Hymnen  in  einer 
aus  Murbach  stammenden,  aber  wahrscheinlich  auf  eine  Reichenauer  Vor- 
lage zurückgehenden  Handschrift  des  beginnenden  9.  Jahrhunderts.    Es  sind 


—     192     — 

Arbeit,  die  man  aut'w  iuidte.  dass  man  fähig  wurde,  theologische  Ge- 
danken in  deutscher  Sprache  auszudrücken;  man  lernte  Begriffe 
wiederzugeben,  für  welche  die  jMuttei"sprache  zunächst  keine  Worte 
darbot.  Damit  hörte  das  Lateinische  auf  die  einzige  Schriftsprache 
des  fränkischen  Reichs  zii  sein:  das  Deutsche  trat  neben  sie.M 

Der  Übergang  liegt  in  dem  Beginn  der  Ubersetzungsthätigkeit. 
Zu  unmittelbar  praktischen  Zwecken  hatte  man  natürlich  das  Ver- 
schiedenartigste stets  übei-setzt.  Aber  das  Litteraturwerk  blieb  da- 
l)ei  lateinisch.  Nun  al)er  begann  man  die  Übertragung  theologischer 
Stücke  aufzuschreiben  und  zu  vervielfältigen:  die  Übersetzung 
sollte  bleiben  wie  das  Original.  Xoch  besitzen  wir  einige  Proben, 
Bi-uchstücke  der  Übei-setzung  von  Isidors  Schrift  de  fide  catholica,-) 
eines  anonymen  Traktats  über  die  Berufiing  der  vielsprachigen 
Völker  zum  christlichen  Glau])en  und  einer  Rede  Augustins  über 
das  Wandeln  Petri  auf  dem  Meer.^)  Ursprünglich  im  rhcinlVän- 
kischen  Dialekt  geschrieben,  fanden  sie  alsbald  auch  in  Baiern 
"V'erbreituug.'')  Man  wagte  sich  sofort  an  das  Schwierigste  und 
Notwendigste:  die  Übersetzung  biblischer  Bücher.  Zeuge  dessen 
ist  der  altdeutsche  Matthäus;  seine  Heimat  ist  ebenfalls  das  rhei- 
nische Franken.'^)  Es  sind  geringe  Werke,  Übersetzungen,  und 
doch  haben  sie  historisch  betrachtet  grösseren  Wert  als  manches 
Original;  denn  sie  bezeichnen  den  Anfang  der  deutschen  Litteratur 
und  der  deutschen  Theologie. 

Dass  Karls  Bemühungen  um  Hebung  der  theologischen  Bil- 
dung von  Erfolg  gekrönt  waren,  ist  eiue  Thatsache,  die  sich  am 
Kleinsten  wie  am  Grössten  l)emcrkbar  macht.  Es  sind  Kleinig- 
keiten,   dass    die    klösterlichen    Schreil)er    unter   seiner    Regienuig 

zumeist  Lieder  für  die  Hören,  eodann  für  die  Passionszeit  und  die  MärtjTGr- 
tage,  endlich  das  Te  Deum  (herausj^egeben  von  Sievers  1874).  Möfjlichpi- 
weise  sind  sie  in  den  Carmina  Theodiacae  des  Reichenauer  Katalogs  von  822 
gemeint  (Becker  Catal.  d.  8). 

1)  Vgl.  den  Aufsatz  W.  Scherers  Über  den  Ursiirung  d.  deutschen 
Litteratur,  Preuss.  Jahrb.  1864  I  S.  44-5. 

2)  Herauspegeben  v.  K.  Woinbold,  Bibliothek  der  ältesten  deutschen 
Literaturdenkmäler,  6.  Bd.   1874. 

3)  Beide  bei  Müllenhoff  u.  Scherer  Denkmäler  I  S.  210  fi". 

4j  Die  Bruchstücke  .stammen  aus  dem  Kloster  Monsee,  über  die  rhein- 
fränkische Herkunft  s.  Müllenhoff  S.  XXni,.er  denkt  geradezu  an  die  Hof- 
Bchule. 

5i  Die  Bruchstücke  in  Fragmonta  theoti.sca  herausgegeben  von  End- 
licher und  Hoffmann,  1834.  Schorer  urteilt:  die  Übersetzung  klingt  schön 
und  würdevoll,  Gesch.  d.  deutschen  Lit.  S.  43.  Die  Bibliothek  des  Klosters 
Weissenburg  besass  ein  Evangelium  theodiscum  (Becker,  Catal.  S.  37). 


—     193     — 

lernten,  deutlich  und  gefälüg  zu  schreiben,^)  und  dass  das  fränkische 
Volk  erst  seitdem  den  Namen  Jesu  richtig  ausspricht:  man  sagte 
vorher  Gisus.-)  Dagegen  ist  es  nichts  Geringes,  dass  unter  ihm 
die  Reinigung  des  verwilderten  Bil)eltextes  einsetzt'^)  und  dass  alles, 
was  man  schrieb,  sich  dm"ch  Gewandtheit  und  Richtigkeit  des  Aus- 
drucks scharf  abhebt  von  den  litterarischen  Erzeugnissen  des  vor- 
hergehenden Jahrhunderts.  Xicht  nm*  das  Letztere  beweist,  dass 
der  Bildungsdurchschnitt  sich  gehoben  hatte,  sondern  auch  das 
Erstere.  Denn  wenn  Karl  die  Besserung  der  Bibelhandschiiften 
gebot,*)  so  handelte  es  sich  dabei  nicht  um  eine,  an  einem 
Ort  von  einem  Mann  vorgenommene  Revision  des  Textes  der 
Vulgata;  man  kann  die  Karohngische  Bibelverbessenmg  nicht 
ebenso  an  den  Xamen  ALkuins  knüpfen,  wie  die  Neubearbeitung  des 
Homihars  an  den  des  Paulus  Diakonus.')  Sondern  an  den  ver- 
schiedensten Orten  hat  man  in  verschiedener  AVeise  gebessert  oder 
zu  l)essern  gesucht:  was  eiTeicht  wurde,  war  die  Frucht  der  neu 
erblühten  theologischen  Bildung.  **)  Am  deuthchsten  zeigt  sie  sich 
in  dem  raschen  Steigen  der  litterarischen  Produktion.  Auch  sie 
ist  nicht  nur  bedingt  durch  die  zufälhge  Existenz  einzelner  begabter 
Persönlichkeiten:  denn  der  Begabteste  verstummt,  wenn  diejenigen 
fehlen,  (he  geneigt  sind  zu  hören  oder  zu  lesen.  Das  Geschlecht 
aber,  das  in  den  Jahrzehnten  der  Regierung  Karls  heranwuchs, 
war  bereit,  sich  belehren  zu  lassen.  Der  Beweis  liegt  darin,  dass 
der  Bücherbesitz  des  fränkischen  Reichs  sich  wähi-end  der  Regie- 
imng  Karls  ungemein  vennehrte.  Ursprünghch  war  er  sehr  gering. 
Die  Handschriften,  welche  dm'ch  die  keltischen  Missionare  in  ein- 
zelne Klöster  kamen,   waren  wenig   zahfreich:')    dazu  fehlte  es  an 


1)  Menzel  in  Trierer  Adahandschrift  S.  5. 

2)  Amal.  ep.  8  f.  M.G.  Ep.  V.  S.  259  f. :  Antequam  i^ergeret  domnus 
Karolus  Romam  novissime,  audivi  sacerdotes  Galliae  nostrae  sonare  Gisus 
.  .  Ab  illo  tempore  audio  Jesus. 

3)  Ich  verweise  über  die  Geschichte  des  lat.  Bibeltextes  auf  Berger, 
Hist.  de  la  Vulgate  1893. 

4)  Cap.  30  S.  80:  lam  pridem  universos  veteris  ac  novi  instrumenti 
libros,  librariorum  imperitia  depravatos  .  .  examussim  correximus.  Ein  darauf 
bezüglicher  früherer  Erlass  ist  nicht  erhalten. 

5)  Dass  Ale.  ep.  195  S.  323  (a..  800):  Si  me  non  oecupasset  domni 
regis  praecepturD  in  emendatione  veteris  novique  testamenti,  sich  auf  eine 
von  Alkuin  geleitete  Revision  des  lat.  Bibeltextes  bezieht,  ist  von  Corssen 
(Die  Trierer  Adahandschrift  S.  31  ff.)  mit  guten  Gründen  bestritten.  Nach 
Cap.  80  muss  in  der  That  Karls  Anordnung  weiter  zurückliegen. 

6)  Corssen,  a.  a.  0.  S.  61. 

7)  Vgl.   S.  169  Anmerk.  2.     Über   irische  Handschriften   in  Würzburg 

Pertz,  Archiv  VE  S.  106. 

Hauck,  Kirchengeschichte.    II.    2.  Aufl.  13 


—     194     — 

Männera,  welche  im  Stande  wai-en.  sie  zu  vervielfältigen.  Man 
war  darauf  angewiesen.  Abschriften  aus  dem  Ausland,  aus  Eng- 
land und  Italien  zu  beziehen.  So  erhielt  Pippin  durch  Papst  Paul 
Bücher  aus  Rom;  so  viele  er  finden  konnte,  sagt  der  Papst:  es 
waren  wenig  genug.  ^)  Ebenfalls  aus  Rom  brachte  Gregor  von 
Utrecht  Bücher  nach  Deutschland.-)  Als  sein  Schüler  Liudger 
Eugland  verliess.  nahm  er  von  dort  eine  Menge  Bücher  mit  sich.'') 
Besondei-s  Lul  von  Mainz  sah  in  seiner  Heimat  die  Bezugsquelle 
für  Litteratur:  theologische  wie  naturmssenschaftliche  Schriften  erbat 
und  erhielt  er  von  seinen  enghschen  Freunden.*)  Xicht  nur  diese 
Männer,  welche  in  jungem  Kulturland  arbeiteten,  litten  unter  dem 
^langel  an  litterarischen  Hilfsmitteln:  auch  ein  so  altes  und  reiches 
Kloster  vde  St.  Martin  in  Tours  fand  Alkuin  im  Vergleich  mit 
York  arm  an  Büchern.  Als  er  dort  zu  lehren  anüng,  musste  er 
durch  Sendungen  aus  England  seine  Bibliothek  vervollständigen;'^) 
manches,  z.  B.  die  Briefe  Gregors  d.  Gr.,  erlüelt  er  von  Rom.") 
Aber  auch  später  noch  fehlte  ihm  dies  und  jenes.')  Man  begi'eift 
es,  dass  er  sehr  genau  darauf  sah,  dass  Bücher,  welche  er  seiuen 
Freunden  lieh,  ihm  Avieder  zurückgegeben  wurden.^) 

Doch  dauerte  es  nicht  lange,  bis  man  überall  Büchersamm- 
lungen fand.  Anregend  wirkte  auch  in  diesem  Punkt  das  Beispiel 
Karls.")  Die  von  ihm  gegründete  Hofl)ibliothek  war  ohne  Zweifel 
die  grösste  Bibliothek  Deutschlands.^^')  Wir  wissen  nicht  mehr, 
woraus  sie  bestand;  denn  die  kostbare  Samndung  wurde  nach  dem 
Tod  des  Kaisei-s  zei'streut.  Aber  so  viel  lässt  sich  aus  ge- 
legentlichen ErwiÜmungen  sehen,  dass  sie  in  dem  uuivei'sellen 
Geist  Karls  angelegt  war:  Prachthandschriften '^)  und  theologische 


1)  Cod.  Carol.  24  S.  529. 

2)  V.  Greg.  8  S.  73. 

3)  V.  Liudg.  ],  12  S.  408. 

4)  Bonif.  et  Lul.  ep.  116  S.  406  (Beda,  V.  Cudberti);  124  S.  413  (lib. 
cosmografiorum);  125  S.  414  (Kommentare  Bedas);  126  S.  414  (l^eda,  De 
templo  Salom.;  in  cant.  cant.,  epigramra.);  127  S.  415  (Beda,  De  templo). 

5)  Ale.  ep.  121  S.  177. 

6)  Ep.  137  S.  215. 

7)  Ep.  221  S.  365  (.lordanis  Getica);  191  S.  318  (Homilie  Leos  und 
Traktat  Bedas  über  Tobias);  309  S.  474.  (Schriften  von  Augustin  und 
Hieronymusj. 

8)  Ep.  193  S.  320;  216  S.  360. 
9j  Einh.  V.  Kar.  33. 

10)  Was  ihm  fehlto.  vermutete  Alkuin  in  ihr  fep.  309  S.  474).  Bährs 
Zweifel,  ob  es  eine  Hufbibiiothek  gegeben  habe  (Gesch.  d.  röm.  Lit.  S.  20), 
iat  demnach  unbegründet. 

11)  Evangeliar  des  Godescalcus   in  Paris  (Poet.  lat.  I  S.  88  Nr.  7  und 


—     195     — 

Werke ^)  bildeten  einen  Haniitbestanclteil;  dazu  kamen  die  Gramma- 
tiker;-) aber  auch  naturwissenschaftliche'^)  und  juristische^)  Bücher 
fehlten  nicht.  Mit  der  Hofbibliothek  wetteiferten  die  Bücherschätze 
der  reichen  Klöster,  wohl  auch  der  Kathedralkirchen.'')  Will  man  sich 
eine  Vorstellung  von  dem  Wachstum  der  Klosterbililiotheken  machen, 
so  bietet  St.  Wandrille  ein  Beispiel.  Unter  Pippin  legte  Abt 
Wando  den  Grund;  es  waren  lauter  kleine  Stücke,  welche  er  zu- 
sammenbrachte, die  Auswahl  getroffen  vom  Standpunkt  des  Abts 
aus:  eine  Anzahl  Mönchsregeln,  etliche  Homihen  und  Heiligen bio- 
graphien,  kurze  EvangeHenerklärungen ;  einzelne  Stücke  aus  Rufin 
und  Isidor,  Augustin  und  Gennadius,  auch  ein  paar  Briefe:  man 
erstaunt,  unter  dieser  Mönchshtteratur  die  Gotengeschichte  des 
Jordanes  zu  finden.''')  Die  nächsten  Nachfolger  Wandos,  Austrulf 
und  Wido,  Hessen  sich  die  Vermehrung  der  Bibhothek  wenig  an- 
gelegen sein;')  dagegen  nahm  die  Zahl  der  Bücher  unter  Gervold 
bedeutend  zu:  er  selbst  schenkte  einiges:  ausser  zwei  Handsclii'iften 
biblischer  Bücher  und  einem  Homiliar  den  Kommentar  Augustins 
zum  Johannesevangeliima  imd  das  Enchiridiimi.  Hauptsächlich 
aber  machte  sich  der  Priester  Harduin  verdient.  Er  schrieb  die 
Bücher  selbst,  welche  er  dem  Kloster  überKess :  die  grössere  Hälfte 
war  fiii'  gottesdiensthche  Zwecke  bestimmt;  daneben  sieht  man, 
dass  er  mit  seinem  Abt  die  Vorliebe  für  Augustin  teilte :  er  schrieb 
einen  grossen  Teil  der  Schrift  de  civitate  Dei.  Bereits  macht  sich 
auch  das  Interesse  für  die  allgemeine  Bildung,  wie  sie  Karl  pflegte, 
bemerklich:  man  findet  mathematische  Schriften.  Endlich  bemerken 
wir  die  Biographien  ethcher  fränkischer  Heihgen,  Wandi-egisels, 
Ansberts  imd  Wulfi-ams.^)  Eine  neue  l^edeutende  Vermehmng  seiner 
Bibliothek  verdankte   das  Kloster  dem  Abt  Ansegis  in  den  ersten 


S.  94  carm.  7);  Bibelhandschrift  der  Vallicelliana  (ib.  S.  283  carm.  65,  1)  ; 
Evangelienkodex  in  Trier  (Ale.  ep.  261  S.  419;   Pertz,   Archiv  VH  S.  139). 

1)  Poet.  lat.  I  S.  87  (Origenes  zum  Römerbrief);  89  (Pelagius  zu  den 
paulinischen  Briefen). 

2)  Poet.  lat.  I  S.  88  Nr.  6  (Diomedes). 

3)  Ale.  ep.  155  S.  250  (Plinius,  Nat.  hist.);  Poet.  lat.  I  S.  88  Nr.  9 
(Q.  Seren.  Sammon.  de  curandis  morbis}. 

4)  Wattenbaeh,  GQ.  1  S.  156  Anmerk.  1. 

5)  In  Rheims  begann  die  Sammlung  einer  Bibliothek  unter  Bischof 
Tilpin.     Flod.  h.  Rem.  eccl.  11,  17  S.  464. 

6)  Gest.  abb.  Font.  13  S.  38  f.     Wando  war  Abt  742—747. 

7)  Austrulf  747—753;  Wido  753—787.  Unter  den  Geschenken  des 
letzteren  sind  angeführt  antiphonarium  Turonensis  und  libellus  de  miraculis 
s.  Andreae  apostoli  (1.  c.  15  S.  44). 

8)  L.  c.  16  S.  47  f.     Gervold  787—806. 

13* 


—     196     — 

.Jahren  Ludwigs  d.  Fr.  \nu  gottesdienstlichon  Hücliern  hört  man 
nun.  abgesehen  von  dfiii  Honiihar  des  Pauhis  Diakonus,  nicht  mehr; 
»trt'('nl)ar  war  für  dies  Bedürfnis  reichhch  gesorgt.  An  dtr  Si)itze 
des  Vei*zeiclmisses  steht  ein  Prachtkodex  der  ganzen  hcihgcn  Schrift; 
es  folgen  zwölf  Handscln-iften  von  Werken  Augnstins,  vier  des  Ani- 
hrosius.  einzohies  von  Hieronynius,  Gregor.  Fulgontius,  Beda  u.  a., 
schhesshch  eine  Sammlung  von  Konzilicnheschlüssen:  man  sieht, 
die  Auswahl  ist  wieder  spezitisch  theologisch.  Mit  derselben  E'rei- 
gebigkeit  sorgte  Ansegis  für  die  Bibhothek  des  Klosters  St.  Germer 
de  Flay.') 

In  ähnlicher  AVeise  wie  in  St.  AV^andrille  wird  der  Besitz  an 
Büchern  in  den  meisten  fränkischen  Klöstern  gewachsen  sein;  das 
■wird  von  den  verschiedensten  Orten  erwähnt.  Angilbert  schenkte 
dem  Kloster  St.  Ri<iuier  zweihundert  Bände ;^)  in  St.  Amand  wird 
der  Mönch  Lothar  gerühmt,  dass  er  die  Bibliothek  vermehrt  haljc'') 
Der  Gründer  des  Klosters  Charroux  in  Poituu,  der  Graf  Ivotharius, 
stattete  sein  Kloster  schon  bei  der  Gründung  reichlich  mit  Büchern 
aus;*)  ebenso  hielt  es  Benedikt  von  Aniane.'^)  Auf  deutschem 
Boden  hören  wir  von  Arn  von  Salzburg,  dass  er  mehr  als  hundert- 
undfünfzig Bände  liabe  abschreil)en  lassen.")  Auch  den  Frauen- 
klöstera  fehlten  Bildiotheken  nicht,  wie  man  denn  auch  in  ihnen 
die  Kunst  des  Schreibens  übte.')    Eine  Anschauung  von  der  P)il)li()- 


1)  L.  c.  17  S.  54  und  56  f.  Prachthandschriften  der  Evangelien  (Reihen- 
folge: Matth.,  Joh.,  Luc),  des  Lekt.  und  Antiphonars  S.  53;  der  Bibel  S.  54. 
Ansegis  817—827. 

2)  Angilb,  de  eccl.  Cent.  lib.  .S  M.G.  «er.  XV  S.  177.  Die  Bibliothek 
dieses  Klosters  war  nicht  ausschliesslich  theologisch  (Ale.  op.  221  S.  365). 
Eine  Prachthandschrift  der  Evangelien  wird  auch  hier  genannt  (Angilb.  1.  c). 

3)  Lothar  stirbt  828  (s.  Ann.  S.  Amand.  brev.  z.  d.  J.).  Seine  Grab- 
schrift bei  Mab.  A.  S.  IV,  1  S.  60: 

Respicis  oppositum   marmor  procul?    Huius  in  urna 
Lotharius  pausat  celeberrimus  illc  sacrista 
Qui  pius  et  jirudens,  industrius  et  reverendus 
Sanguine  vernantem  tumulo  relevavit  Amanduni, 
Nostras  structuras  aagens  et  bibliothocain. 
Lothar  wird  auch  von  Alkuin  genannt  (carm.  88,  4  v.  13  S.  306). 

4)  Theodulfi  carm.  50  v.  10  S.  550. 

5)  V.  Bened.  18  S.  207;  30  S.  213;  33  f.  S.  214;  vgl.  V.  Wilh.  Gell.  21 
A.  S.  Mab.  IV,  1  S.  78. 

6)  M.f;.  Scr.  IX  S.  770  Anm.  54.  Vgl.  Ale  ep.  113  8.  166;  259  S.  417. 
Arn  sorsrte  dafür,  dass  die  Werke  zeitgenössischer  Schriftsteller  nicht  fehlten 
(pp.  254  .S.  412). 

7)  Ale.  ep.  196  S.  .324;  216  S.  360.  Heiligenbiographien  als  Frauen- 
lektnre  ep.  279  S.  435. 


—     197     — 

thek  eines  grossen  deutschen  Klosters  giebt  der  älteste  Katalog 
von  Reiclienau,  von  der  eines  kleinen  der  Katalog  von  Staffelsee, 
Hier  besass  man  nur  neunzehn  Bände,  fast  ausnahmslos  solche,  die 
man  täglich  bedurfte:  die  l)iblisehen  Schriften,  jedoch  nicht  voll- 
ständig, die  für  den  Gottesdienst  notwendigen  Bücher,  und  die 
Regel  Benedikts.  Die  Theologie  war  nur  vertreten  durch  eine 
anonyme  Psalm enauslegung  und  den  Matthäuskommentar  des  Hie- 
ronymus.^)  Dagegen  zählte  man  in  Reichenau  im  Jahr  822  vier- 
hundertundfüufzig  Handschiiften :  Werke  der  lateinischen  Kirchen- 
schiiftsteller  von  Cyprian  bis  Alkuin,  einiges  von  griechischen  Vätern, 
eine  Menge  Heiligenbiograi^hien  und  Klosterregeln,  den  Codex 
Theodosianus  und  die  deutschen  Volksrechte,  Josephus  und  Gregor 
von  Tom's,  viele  Grammatiker,  die  christlichen  Dichter,  von  heid- 
nischen nur  Virgil,  einen  Band  deutscher  Gedichte,  einige  Schriften 
über  Xaturwissenschaft  und  Technik.-)  Keine  Bibliothek  giebt  ein 
so  genaues  Bild  von  dem  Umfang,  den  das  gelehrte  Wissen  unter 
Karl  erreichen  konnte,  als  chese. 

Es  war  ohne  Zweifel  berechtigt,  dass  es  in  den  ersten  Jahren 
Ludwigs  d.  Fr.  als  selbstverständlich  galt,  dass  jedes  Kloster  seine 
Bibhothek  besitze.'')  Aber  nicht  genug  daran:  eine  kleine  Bücher- 
sammlung erwartete  man  bei  jeder  Pfarrkirche  zu  finden.  Sie  sollte 
nicht  nur  aus  den  liturgischen  Büchern  bestehen,  sondern  auch 
solche  Werke  in  sich  schhessen,  welche  dem  Priester  Anweisung 
zur  Ausiichtung  des  pastoralen  Amtes  darboten.^)  Am  höchsten 
schätzte  man  in  cüeser  Hinsicht  das  AVerk  Gregors  d.  Gr.  de  pasto- 
rali  cura:  man  betrachtete  es  wie  ein  Handbüchlem  für  die  Amts- 
führung des  Bischofs  und  Priesters."^)    Wenn  der  Besitz  der  Kirche 

1)  Cap.  128,  5  S.  251  c.  a.  810.  In  dem  Abdruck  bei  Becker  (Cat. 
S.  4)  fehlen  liber  expositio  psalmorum  sine  auctore  I,  liber  quattuor  euan- 
geliorum  vetustus  1.     Wie  es  scheint,  liegt  nur  ein  Versehen  vor. 

2j  Brevis  librorum,  qui  sunt  in  Coenobio  Sindleozes-Auua,  facta  anno 
VIII.     Hludovici  Imperatoris  (bei  Becker  a.  a.  0.  S.  4  flf.). 

3)  Cap.  170,  19  S.  345  a.  817. 

4)  Cap.  117.  13  f.  S.  235:  Haec  sunt  quae  iussa  sunt  discere  omnes 
ecclesiasticos  .  .  Librum  pastoralem  (d.  h.  Gregors  d.  Gr.  1.  pastoralis  curae) 
canonici  atque  librum  officiorum;  epistulam  Gelasii  pastoralem.  Cap.  38, 10 
S.  110  a.  802.  In  einem  anonymen,  der  Karolingerzeit  angehörigen  Com- 
monitorium  fc.  47  Migne  96  S.  1380;  vgl.  c.  9;  über  das  Schriftstück  unten 
S.  234,  Anm.  7)  wird  gefordert,  dass  jeder  Priester  ein  Martyrologium  und 
ein  Pönitentiale  besitze.  Desgleichen  verlangt  Ghärbald  von  Lüttich,  dass 
die  Priester  dafür  sorgen,  dass  die  Kirchen  Missale,  Lektionar,  Martyrolo- 
gium, Pönitentiale,  Psalterium  und  andere  Bücher  zu  eigen  haben  (Cap.  123, 
9  S.  243). 

5)  Ale.    ep.    113    S.    166;    116    S.    171;    Conc.    Mog.    (a.    813)    praef. 


—     l'JS     — 

nicht  ausreichte,  hat  mancher  Kleriker  aus  seinen  eigenen  Mitteln 
die  nötigen  Bücher  erworben.')  Es  gab  noch  Orte,  wo  das  not- 
wendig war.  wo  nian  kaum  das  nötigste,  die  heilige  Schi'it't. 
fand.-')  Aber  häutig  können  sie  nicht  gewesen  sein;  denn  man  ting 
wieder  an,  die  Bücher  zu  lieben.  Man  kamite  kaum  kostbarere 
Geschenke  als  sie,'')  und,  vielleicht  noch  l^ezeichnender,  man  be- 
dauerte denjenigen,  dem  kein  grosser  Büchervorrat  zur  Verfügung 
stand.^) 

Das  sind  Beweise  für  den  Aufschwung  der  geistigen  Bildung 
unter  dem  fränkischen  Klerus.  Freilich  muss  man  ihn  bemessen 
in  Erinnerung  an  die  Verwilderung  der  Geistlichkeit  in  der  ersten 
Hälfte  des  8,  Jahrhunderts.  Ihr  gegenüber  hat  man  das  Recht, 
von  einem  grossen  Fortschritt  zu  reden.  An  sich  war  das  Resultat 
von  Karls  Massregeln  ein  bescheidenes.  Es  gelang  nicht,  originale 
1  Produktivität  zu  wecken:  alle,  auch  die  besten,  reproduzierten  nur: 
jedermann  arbeitete  mit  fremden  Ideen.  Nie  sind  die  Männer 
des  Gedankens  so  weit  hinter  den  Männern  der  That  zurück- 
gt.'blieben  als  in  diesem  Jahrhundert.  Während  Pippin  mid 
Karl  den  Neubau  der  abendländischen  Welt  unternahmen,  fürch- 
teten   sich    die    Gelehrten    vor   jedem    eigenen,    voi-   jedem    neuen 


(Mansi  XIV  S.  64);  Rem.  c.  10  S.  78;  Tur.  c.  3  S.  84.     Vgl.  Urkunde  Karls 
für  St.  Peter  in  Fritzlar  (B.M.  242). 

1)  Der  Priester  Liobakl  vermacht  dem  Kloster  Fulda  seinen  Besitz, 
darunter  psalterium,  lectionarium ,  evangelium,  antiphonarium,  gregorialia 
onielie  de  plurimorum  sanctorum  dictis  (Dronke,  CD.  202  S.  lO'Jj.  Ein 
anderer  Priester,  Hiltun ,  überlässt  ebenfalls  Bücher  an  Fulda  (1.  c.  363 
S.  169).  Vgl.  die  Geschenke  von  Priostorn  im  Reichenauer  Katalog  von 
823—838  bei  Becker,  Cat.  8.  17  f. 

2)  Freculf  von  Lisieux  (Hrab.  op.  7  S.  392)  klagt  in  einem  nach  dem 
Jahr  H22  an  Hraban  gerichteten  Brief,  dass  er  beim  Antritt  seines  Amtes 
in  Lisieux  nicht  einmal  eine  Bibelhandschrift  vorfand. 

3)  Vgl.  das  unter  den  Salzburger  Formeln  erhaltene  Dankschreiben 
eines  Bischofs  (wahrscheinlich  Arn;  an  ein<>n  Priester  (M.G.  Form.  S.  444 
Nr.  19  :  Magnas  gratias  vobis  referimus  pro  omnibus  bonis,  quibus  ante- 
cossori  et  patri  nostro,  ill.  cpiscopo,  deinde  post  illum  nobis  immerito  sem- 
]>or  largiter  et  abundanter  ministratis.  Oinnes  libros,  quos  ill.  episcopo  et 
patrono  nostro  tradidisti.s,  deinde  nobis  innumera  dona  librorum  paterno 
more  impendistis,  illos  omnes  ad  sorvitium  Dei  de  vestra  gratia  nunc  pro- 
prio iure  possidemus.  Pro  quibus  omnibus  dignam  mercedem,  Deo  vitam 
nostrani  gubernante,  satagimus. 

4)  Hrab.  ep.  ad  Haistulf.  (ep.  5  S.  3«xj:  Lector  pauporculus,  qui 
librorum  copiam  non  habet.  F'raef.  in  Daniel.  (Kunstmann.  Hrabanus, 
Anhang  III  S.  211):  Nostrorura,  qui  nee  multos  libros  habent,  nee  diver- 
sorum  auctorum  Codices. 


—     199     — 

Gedanken :  nur  das  Überlieferte  hatte  im  Gebiet  des  geistigen  Lebens 
ein  Recht. 

Doch  es  wäre  ungerecht,  darüber  zu  vergessen,  dass  Karl  viel 
erreicht  hat,  indem  er  den  Klerus  erneuerte.  Was  gewonnen  war, 
sollte  alsbald  für  das  Volk  fi-uchtbar  gemacht  werden.  Wir  werden 
dadurch  zur  Erwägung  der  weiteren  kirchhchen  Massregelu  des 
grossen  Königs  geführt. 


Viertes  Kapitel. 

Karls  kirchliches  Regiment. 


Für  manchen  Mann  ist  das,  was  er  unterlässt,  nicht  minder 
charakteristisch  als  das,  was  er  thut.  Während  Karl  mit  unermüd- 
licher Energie  daran  arbeitete,  die  theologische  Wissenschaft  in  die 
fränkische  Kirche  zu  verpflanzen  und  den  Stand  der  allgemeinen 
Bildung  unter  dem  Klerus  zu  heben,  liess  er  die  kirchlichen 
Verfassungsverhältnisse  im  grossen  und  ganzen  in  demselben  Zu- 
stand, in  welchem  sie  unter  der  Regierung  seines  Vaters  gewesen 
waren. 

Man  wusste  am  fränkischen  Hofe  sehr  gut,  dass  ursprünglich 
die  Bischöfe  durch  Klenis  und  Volk  gewählt  wui'dcn,  und  dass  das 
kirchliche  Recht  diese  Weise,  die  Bistümer  zu  besetzen,  forderte. 
In  Briefen  nach  England  kam  Alkuin  gelegentlich  auf  die  Frage 
der  AVahl  oder  der  Ernennung  der  Bischöfe  zu  reden;  er  vcifocht 
nachdriicklich  die  Ansicht,  die  fi*eie  Wahl  sei  das  einzig  Richtige 
und  Zulässige.  Die  Eniemiung  erklärte  er  für  frevelhafte  Ver- 
gewaltigung der  Kirche;  er  legte  es  den  englischen  Bisduifen  auf 
das  Gewissen,  in  dieser  Hinsicht  keine  Verletzung  des  R(;chts  der 
Kirche  zu  dulden.')  ÄJiders  wenn  er  an  Karl  schrieb;  ihm  gegen- 
über trat  er  aus  seiner  gewohnten  Zurückhaltung  nicht  heraus:  in 


1)  Ep.  44  S.  90  (an  Eanbald  von  York,  795):  Rogo  ut  nullam  violen- 
tiam  super  ecclesiam  Christi  fieri  uUatenus  permittas,  sed  fratrea  libera 
electione  in  timore  Dei  summi  optimuin  Deo  donante  elegant.  C^uia  in 
sancti»  canonibus  tembile  anathcma  legitur  super  omnes,  qui  violcntiam 
aliquam  inferunt  super  ecclesiam  Christi.  Vgl.  ep.  48  S.  92  f.  an  die 
Yorker. 


—     201     — 

keinem  seiner  Briefe  "an  den  König  berülirte  er  die  Sache.  Er 
machte  nicht  den  Versuch,  für  Anerkennung  des  Grundsatzes,  den 
er  seinen  enghscheu  Freunden  predigte,  im  ft-änkischen  Reiche  zu 
wirken.  Vielleicht  sagte  er  sich,  dass  das  vergeblich  gewesen  wäre. 
Denn  ohne  Bedenken  und  ohne  Einwand  übte  Karl  sein  Ernennungs- 
recht. ^)  Ihm  galt  es  als  AusHuss  der  ihm  von  Gott  verliehenen 
Gewalt,  und  niemand  nahm  Anstoss  daran;  sondern  jedermaim 
betrachtete  es  als  naturgemäss,  dass  die  Bischöfe  „durch  die  All- 
macht Gottes  und  die  Anordnung  des  Königs*'  mit  der  Führung 
ihrer  Gemeinden  betraut  würden.-)  Wahl  und  Ernennung  bil- 
deten nicht  schlechthin  Gegensätze:  Karl  hat  gelegentlich  Walil- 
privilegien  erteilt;  aber  er  that  es  unter  ausdrücklicher  Wahrung 
der  könighchen  Eechte;'^)  dem  gemäss  sahen,  auch  wenn  gewählt 
wm-de,  die  Wahlberechtigten  selbst  in  ilirem  Votum  nur  einen  Vor- 
schlag, der  nicht  aufhob,  dass  die  Wiederbesetzung  der  Stelle  von 
dem  König  ausging."*)     So  regelmässig  übertrug  Karl  das  bischöf- 

1)  Über  den  angeblichen  Verzicht  Karls  auf  das  Ernennungsrecht 
8.  Waitz,  YG.  III  S.  421. 

2)  Schreiben  Karls  an  Ghärbald  von  Lüttich  (Cap.  124  S.  245):  K.  Ghaer- 
baldo  episcopo  cum  universis  tibi  omnipotente  Deo  et  nostra  ordinatione 
commissis  s.  Karl  an  Amalar  von  Trier:  In  qua  (eccl.  Trevir.)  te  praesulem 
esse  voluimus  (Ep.  V  S.  244  Nr.  3).  Leidrad  von  Lyon  nennt  sich  in  einem 
Brief  an  Karl  divina  dispensatione  et  vestra  miseratione  Lugdunensis 
ecclesiae  episcopus  (Ep.  IV  S.  540  Nr.  29);  er  sagt  ein  anderes  Mal:  Me  ad 
regimen  ecclesiae  Lugdunensis  destinare  voluistis  (1.  c.  S.  .542  Nr.  30).  Von 
einer  Reihe  von  Bischöfen  wird  die  Ernennung  erwähnt:  Liudger  von  Münster 
(V.  Liudg.  I,  20  S.  411),  Frothar  von  Toul  (Flodoard.  h.  eccl.  Rem.  II,  17 
S.  466),  Petrus  von  Verdun  (s.  unten  S.  202  Anm.  4),  Gervold  von  Evreux 
(Gest.  abb.  Font.  16  S.  45). 

3)  Für  Chur  gewährte  Karl  die  Wahl  durch  das  Volk  unter  Vorbehalt 
der  königlichen  Bestätigung  (B.M.  155).  Die  Urkunde  ist  von  Rettberg 
(KG.  D.'s  II  S.  139  f.)  mit  Unrecht  bezweifelt  (s.  Sickel,  Wiener  SB.  47 
S.  191  f.).  Vgl.  das  Priv.  für  Aquileja,  durch  das  dieser  Kirche  die  kano- 
nische Wahl  salva  principali  potestate  nostra  gewährt  wird  (B.M.  310). 
Immer  wurde  dieser  Vorbehalt  nicht  gemacht,  s.  die  Urk.  für  Reggio  B.M. 
230.  Es  mag  auch  anderwärts  vorgekommen  sein,  dass  ein  Bischof  gewählt 
wurde  (vgl.  die  Grabschrift  Gilleberts  von  Noyon,  Poet.  lat.  I  S.  111  c.  7 
V.  5f. :  Quem  pretulit  Helnoniensis  grex  sibi  pastorem,  post  clerus  Novi- 
omensis);  aber  sicher  konnte  er  sein  Amt  nur  kraft  der  königlichen  Ge- 
nehmigung antreten. 

4)  Vgl.  Form.  Marculf.  aevi  Karol.  12  S.  119;  sie  beruht  auf  Form. 
Marc.  I,  7  S.  47,  ersetzt  aber  das  instituere  dignetis  durch  subrogari  fatiatis. 
Die  Formeln  für  die  königlichen  Schreiben  18  und  14  beruhen  ganz  auf 
den  markulfischen  und  drücken  die  alte  fränkische  Rechtsanschauung  aus: 
Pontificalem  vobis  commisimus  dignitatem. 


—     202     — 

liehe  Amt.  dass  man  im  Beginn  der  Hegierung  Ludwigs  d.  Fr. 
die  Ernennung  eines  Bischofs  und  eines  Grafen  auf  die  gleiche 
Linie  stellte.^) 

im  allgemeinen  bewährte  sich  Karls  scharfer  Blick  hei  der 
Auswahl  der  Bischöfe.  Da  er  zumeist  tüchtige  Männer  mit  den 
hohen  kirchlichen  Stellen  betraute."-)  so  hört  man  unter  seiner  Regie- 
rung weniger  Klagen  über  den  Episkopat  als  vorher  und  nachher. 
Unregelmässigkeiten,  an  welchen  es  nicht  fehlte,  Avarendocli  zu 
ertragen.  Am  häutigsten  war  die  Vereinigung  mehrerer  Amter  in 
einer  Hand.  Zwar  hat  es  Karl  stets  vermieden,  mehrere  Bistümer 
einem  Bischof  zu  übertragen;  um  so  unbedeidvlicher  war  er  bei  der 
Verleihung  von  Abteien:  es  wird  kaum  einen  Bischof  gegeben  haben, 
der  nicht  zugleich  Abt  eines  oder  mehrerer  Kleister  war,  sei  es, 
dass  er.  vorher  Abt,  bei  der  Erhebung  zum  Bischof  im  Besitz  des 
Klosters  blieb,  oder  dass  er  es  erst  als  Bischof  erhielt."*)  Auch 
verdiente  Abte  mit  mehreren  Klöstern  auszustatten,  trug  er  kein 
Bedenken;  bekannt  ist  Alkuins  Beispiel.  Seltener  war  es,  dass  er 
l)olitische  Verdienste  mit  kirchlichen  Würden  belohnte  oder  dass  er 
Bistümer  während  längerer  Zeit  erledigt  liess.  Das  erstere  weiss 
man  nur  von  den  zwei  Langobarden  Peter  von  Verdun  und  Far- 
dulf    von    St.    Denis.'')      Das    letztere    widersprach    Karls    Uber- 


1)  Cap.  136,  3  S.  271:  Volumus,  ut  lii  cluo  fratres  —  ri)t)>in  und  Lud- 
wig d.  D.  —  in  cunctiR  honoribus  intra  suani  potestatcni  distribuendis  pro- 
pria  potestate  potiantur,  tantum  ut  in  episcopatibus  et  abbatiis  ecclesiasticus 
ordo  teneatur  et  in  ceteris  honoribus  dandis  honestas  et  utilitas  servetur.  Vgl. 
mit  der  o.  S.  201  Anm.  4  angeführten  Formel  der  Ernennung  eines  Hischofs  die 
lür  die  Ernennung  eines  Graten  lActionom  comitatus  tibi  committimus,  158.120. 

2)  S.  Beilage  1. 

3)  Angilram  von  Metz,  Abt  von  Chiemsee  (B.M.  289)  und  von  Senones, 
Diözese  Toul,  Gest.  Sen.  ecci.  H,  1,  M.G.  Scr.  XXV,  269;  Hildebold  von  Köln, 
Abt  von  Mondsee,  l'li.  d.  L.  o.  Enns  1  S.  7  Nr.  11  u.  ö.;  liii'hbod  von  Trier,  Abt 
von  Lorsch,  Ser.  abb.  Lauresh..  M.G.  Scr.  XIII  S.  817;  Fleido  von  Speier, 
Abt  von  Klingenmünster,  Reichen.  Verbr.  Buch  20.S,  2;  Bernhar  von  Worms, 
Abt  von  Weissenburg,  Einh.  ep.  8  S.  110;  Waldo  von  Basel,  Abt  von  Rei- 
chenau,  Ann.  Alara.  z.  .1.  ^<06  8.  49;  Heito  von  Basel,  Abt  von  Reichenau. 
1.  c. ,  B.M.  .581;  Liudger  von  Münster,  Abt  von  Lotusa,  V.  Liud.  I.  21: 
Agilfrid  von  Lüttich,  Abt  von  St.  Bavo,  Ann.  Gand.  S.  1H7,  vielleicht  auch 
von  EIno,  Ser.  abb.  Ein.,  M.G.  Scr.  XIII  S.  386;  Beonrad  von  Sens,  Abt  von 
Echternach,  s.  S.  123  u.  171  Anm.  7;  Gillebert  von  Noyon,  Abt  von  Elno,  Poet, 
lat.  I  S.  111  c.  7  V.  ö  f.;  Fortunat  von  Grado,  Abt  von  Moyen  Montier. 
Chron.  Med.  mon.  3,  M.G.  Scr.  IV  S.  88;  vgl.  .I.W.  2-521  und  Frothar.  Tull. 
ep.  21  S.  290;  Theodulf  von  Orleans,  Abt  von  St.  Aignan  und  Lobbes,  B.M. 
Ö24;  Gest.  abb.  Lob.  8,  M.G.  Scr.  IV  S.  59. 

4)  Peter   von   Verdun,    zuerst    erwähnt    in    der    Urkunde    Karls    vom 


—     203     — 

* 

Zeugungen;')  wo  es  doch  geschah,  wird  es  durch  besondere  Ver- 
hältnisse notwendig  oder  wünschenswert  geworden  sein. "-)  Wird 
einmal  eine  Klage  über  Stellenjagd  der  Kleriker  laut,^)  so  wäre 
dieser  Missstand  auch  durch  die  Wahl  nicht  ausgeschlossen  ge- 
wesen . 

Wie  in  Bezug  auf  die  Ernennung  der  Bischöfe,  so  waren  auch 


Oktober  781  (B.M.  236).  Über  seine  Yorgangenheit  widersprechende  An- 
gaben bei  Hugo  von  Flavigni  (Chron.  I,  M.ß.  Scr.  VITI,  351j  und  Bertar 
(Gest.  ep.  Vird.  14,  M.G.  Scr.  IV  S.  44j.  Gemeinsam  ist  beiden  die  Behaup- 
tung, Peter  sei  ein  Italiener  gewesen,  und  Karl  habe  ihm  zum  Lohn  eines 
an  seinem  König  verübten  Verrats  das  Bistum  übertragen.  Dass  er  ein 
italienischer  Parteigänger  der  Franken  war,  wird  als  historisch  gelten  dürfen. 
Ob  er  mit  dem  Cod.  Carol.  70  S.  600  genannten  Bischof  identisch  ist,  lässt 
sich  nicht  entscheiden  (s.  o.  S.  90  Anm.  4).  Nimmt  man  es  an,  so  fällt  seine 
Ernennung  in  das  Frühjahr  oder  den  Sommer  781.  Nicht  lange  darnach 
wurde  er  der  Untreue  gegen  Karl  geziehen  und  suspendiert.  Auf  der  Frank- 
furter Synode  von  794  gelang  es  ihm,  sich  zu  reinigen,  obgleich  er  keinen 
Eideshelfer  gefunden  hatte:  er  wurde  in  seine  Ehren  wieder  eingesetzt. 
Seinen  Tod  verlegt  Abel  (.JB.  S.  405)  um  das  Jahr  806.  Über  Fardulf  s.  oben 
S.  158  Anm.  1. 

1)  Cap.  20,  2   S.  47    (März  779):    De  eplscopis,  ubi  praesens  episcopi 
ordinati  non  sunt,  sine  tarditate  ordinentur. 

2)  Längere  Erledigungen  deutscher  Bistümer  sind  unter  Karl  nach- 
weisbar: 1.  In  Metz,  wo  nach  Angilrams  Tod  das  Bistum  unbesetzt  blieb 
(Nom.  pontif.  Mett.  sed.,  M.G.  Scr.  XIII  S.  306).  Da  Angilram  durch  sein 
Amt  an  den  Hof  gebunden  war,  so  hat  man  wohl  anzunehmen,  dass  die 
Verwaltung  des  Bistums  einem  Chorbischof  anvertraut  war;  als  Angilram 
starb,  Hess  Karl  die  Verhältnisse,  wie  sie  waren.  2.  In  Toul.  Hier  klatft 
eine  Lücke  zwischen  Jakob,  der  757  Chrodegangs  Urkunde  für  Gorze  unter- 
zeichnet (Migne  89,  1121),  und  Borno,  der  782  bei  dem  Urteil  über  Mett- 
lach  mitwirkt  (B.M.  252;  über  die  Datierung  s.  Abel,  JB.  S.  436).  Bornos 
Nachfolger  Frothar  wmrde  von  Wulfar  von  Rheims  konsekriert  (Flod.  H.  Rem. 
eccl.  11,  18,  M.G.  Scr.  XIII  S.  466),  nach  Görz  (Mittelrh.  Reg.  418)  im  Jahr 
813;  doch  ist  das  Jahr  unsicher;  während  der  Gesandtschaftsreise  des 
Amalarius  fand  die  Weihe  jedenfalls  nicht  statt,  da  A.  nach  Flodoard  an- 
wesend war.  3.  In  Verdun.  Hier  spricht  Bertar  (Gest.  ep.  Vird.  13,  M.G. 
Scr.  IV  S.  44|  von  einer  zwölfjährigen  Sedisvakanz  nach  Madalveus  (gestorben 
am  6.  Oktober  776),  während  welcher  ein  Chorbischof  Amalbert  das  Bistum 
verwaltet  habe.  Die  zwölf  Jahre  sind  sicher  unrichtig;  denn  in  der  Urkunde 
Karls  vom  Oktober  781  (B.M.  236)  wird  Bischof  Petrus  bereits  erwähnt. 
4.  In  Bremen  nach  Willehads  Tod  (s.  u.).  Der  Grund  lag  in  der  Unsicher- 
heit der  Verhältnisse. 

3)  Grabschrift  Gilleberts  von  Noyon   (Poet.  lat.  I   S.  111  c.  7  v.  1  f.): 
Qui  pastoralis  fastus  ambitis  honores, 
Cernite  quam  cito  gloria  preterit  huius  honoris. 


-     204     — 

in  Bozuf?  ;uif  das  Gericht  über  sie  die  bisherigen  Grundsätze^) 
lieri-schend :  in  Kriniinaltallcn  wurde  die  Ankhige  vor  einer  Synode 
vt'rhandelt.  abor  Kicliter  \v;ii'  der  König.'-)  Ebenso  blieben  die 
ül)rig('n  Kleriker  den  bürgerlichen  (berichten  unterwoHen,  nur  dass 
diese  niciit  ohne  Vorwissen  des  Bischofs  einschreiten  sollten.'')  Das 
letztere  scheint  nicht  immer  beobachtet  \vord(Mi  zu  sein.'*)  Neu 
war.  dass  Karl  das  Recht,  die  Amtstührung  der  Kleriker  7,u  über- 
wachen und  Amtsvergehen  zu  bestrafen,  in  einem  Umfang  in  An- 
spruch nahm,  der  bisher  unbekannt  war:  er  bedrohte  ptiichtwidrige 


1)  Vgl.  Bd.  I  S.  143. 

2)  Bezeichnend  sind  die  Verhandlungen  gegen  Peter  von  Verdun  (s.  o. 
S.  202  Anm.  4)  vor  der  Frankfnrtor  Synode,  Cap.  28,  9  S.  75.  Bei  dem 
Entscheid,  der  den  Beweis  der  Unschuld  von  dem  Angeklagten  fordert, 
heisst  es:  Definitum  est  a  domno  n'go  sive  a  s.  synodo,  bei  dem  Schluss- 
urteil: dementia  regis  episcopo  gratiam  suam  contulit,  et  pristinis  hono- 
ribus  cum  ditavit. 

3)  i'hor  die  frühere  Rechtslage  s.  Bd.  I  S.  144  und  161  Anm.  5.  Unter 
Karl  sind  die  Verhältnisse  nicht  völlig  durchsichtig.  Denn  einerseits  wie- 
derholt Cap.  19,  17  S.  46  den  sechsten  Kanon  der  Pariser  S^'node  v.  614 
(Conc.  S.  187),  nach  welchem  der  weltliche  Richter  handelt,  jedoch  nicht 
sine  scientia  pontificis,  und  wird  demgemäss  verfügt,  dass  der  verbreche- 
rische Priester  nach  der  durch  den  Bischof  verfügten  Absetzung  dieselbe 
Strafe  erleide  wie  der  Laie  (vgl.  Cap.  61,  10  S.  149;  62,  21  S.  150  vgl.  55,  1 
S.  142).  Andererseits  wird  die  ältere  kirchliche  Vorschrift  wiederholt,  da88 
der  geistliche  Verbrecher  von  dein  Bischof  nach  dem  kanonischen  Rocht 
bestraft  werde,  Cap.  22,  38  S.  56;  28,  39  S.  77;  35,  17  S.  103;  84,  9  S.  183 
vgl.  Conc.  Carth.  111,  9  Bruns  S.  124.  Cod.  eccl.  Afric.  15  S.  142.  Das 
Nebeneinander  der  beiden  Reihen  von  Sätzen  schliesst,  wie  mich  dünkt,  die 
Behauptung  aus,  dass  unter  Karl  Bischöfe,  Priester  und  Diakonen,  was 
Kriminalsachen  betrifft,  im  geistlichen,  nicht  im  weltlichen  Gericht  gerichtet 
wurden  (Ketterer  S.  164).  Die  Worte  apud  ecclesiasticos  non  apud  saecu- 
lares  sind  im  Sinn  von  non  extra  conscientiam  pontificis  vorstanden. 

4)  Dass  Priester  thatsächlich  vor  dem  weltlichen  Gericht  gerichtet 
wurden,  zeigen  die  Vorgänge  in  Tours,  von  denen  Alkuin  ej».  245  ff.  S.  393  ff. 
berichtet.  Der  Königsbote  hält  Gericht:  quos  volebat  flagellavit,  quos  vole- 
bat  in  catenam  misit,  quos  volebat  iurare  fecit,  quos  placuit  ad  vestram 
vocavit  praesentiam,  ep.  249  S.  402.  Hiebei  siml  wie  die  vorhergehoudon 
Worte  accusatores  nostri  zeigen,  keineswegs  nur  die  Tnmultuanten  aus  der 
Stadt  gemeint,  sondern  in  erster  liinio  die  Kanoniker  von  St.  Martin.  Sie 
werden  vor  das  Placitum  des  Königs  geladen  und  zwar  nach  den  tironischen 
Noten  der  Dekan,  einige  Priester,  andere  aus  der  eigenen  Mitt«  (lewählte 
und  6  .Matricularii.  Der  Bischof  von  Tours  war  bei  der  ganzen  Unter- 
suchung, wie  der  Absatz  Fit  mirum  zeigt,  nicht  beteiligt.  Erst  nach  Karls 
Tod  haben  die  kirchlichen  Forderungen  sich  durchgesetzt,  vgl.  z.  B.  Cap. 
258,  5  II  S.  265. 


—     205     — 

Handlungen  der  Geistlfclien  mit  den  strengsten  Strafen,  selbst  mit 
der  Absetzung.^) 

Gegen  die  kirchliche  Regel  bewies  sich  Karl  also  gleichgiltig; 
aber  er  sorgte  dafür,  dass  das  geschah,  Avas  der  Kirche  frommte. 
Ähnlich  in  anderen  Fällen.  Während  man  in  Rom  die  Erneuerung 
der  Metropolitanverftissung  als  eine  überaus  mächtige  Angelegen- 
heit betrachtete,-)  behandelte  sie  Karl  wie  eine  Kleinigkeit.  Er 
förderte  sie  so  lässig,  dass  es  Ijeinahe  bis  zu  seinem  Tode 
dauerte,  ehe  eine  feste  Orchiung  hergestellt  war.  Zunächst  bUeb 
alles  wie  in  den  letzten  Jahren  Pippins:  Wulchar  von  Sens  war 
der  einzige  Erzbischof  des  Reichs.'^)  Ungefähr  zehn  Jahre  nach 
seinem  Regierungsantritt  ersuchte  Karl  den  Papst,  den  Bischöfen 
Tilpin  von  Rheims  und  Lul  von  Mainz  das  Palhum  zu  erteilen.^) 
Hadi'ian  hatte  bezüglich  Luis  Bedenken;'')  doch  müssen  sie  zerstreut 


1)  Vgl.  z.  B.  Cap.  33,  19  a.  802  S.  9-5. 

2)  Vgl.  Bd.  I  S.  527,  551,  555  flf.,  oben  S.  10.  Auf  das  Zeugnis  der 
ep.  Hadr.  ad  Bertar.  Vienn.  (J.W.  2412  M.G.  Ep.  III  S.  96  Nr.  17)  muss 
man  verzichten,  nachdem  von  Gundlach  die  ganze  Reihe  der  Vienner  Briefe 
als  Fälschung  erwiesen  ist ,  N.  A.  XV  S.  9  ff.  und  XX  S.  263  ff.  Weyl's 
Verteidigung  der  Urkunde  S.  133  ff',  beseitigt  die  Bedenken  nicht. 

3)  S.  S.  54  Anm.  4. 

4)  Brief  Hadrians  an  Tüpin  (.J.W.  2411).  Eie  Echtheit  ist  von  Hinschius 
(KR.  I  S.  602  f.)  bestritten ;  ich  habe  kein  Bedenken.  Der  wichtigste  Ein- 
wand, die  Primatial-Idee  sei  dem  8.  Jahrhundert  fremd,  trifft  nicht  zur 
Sache,  da  in  dem  Schreiben  zwar  der  Erzbischof  Primas  genannt  wird,  von 
der  Anschauung  des  9.  Jahrhunderts  über  den  Primatenrang  aber  keine 
Spur  sich  findet:  die  Rechte  des  Primas  sind  hier  durchaus  auf  seine  Diözese 
beschränkt.  Um  so  unwahrscheinlicher  ist  eine  spätere  Ei-findung;  vgl. 
Weyl  S.  148  ff.  Jaffe  setzt  den  Brief  um  das  Jahr  775 :  richtiger  scheint  es, 
ihn  dem  Jahr  779  zuzuweisen,  da  doch  nicht  anzunehmen  ist,  dass  Lul  mit 
seinem  Bekenntnis  zögerte  (s.  Hahn,  Bonif.  und  Lul  S.  276).  Dasselbe  (ab- 
gedruckt bei  Will,  Reg.  Mog.  49  S.  40)  ist  aus  dem  12.  Jahr  Karls  datiert. 
Weyl  entnimmt  der  Urkunde,  dass  Rheims  wahrscheinlich  schon  vor  771 
dem  Tilpin  als  Erzbistum  verliehen  worden  sei  (S.  150  f.)  Aber  mit  Un- 
recht.    Ipsas  res  bezieht  sich  lediglich  auf  entfremdete  Kirchengüter. 

5)  Im  angeführten  Brief  schreibt  Hadrian:  Iniungimus  fraternitati 
tuae,  ut  quia  de  ordinatione  episcopi  nomine  Lulli  s.  Maguntinae  ecciesiae 
ad  nos  quaedam  pervenerunt,  assumpti  tecum  Viomago  (Weomad  von  Trier) 
et  Possessore  episcopis  et  missis  .  .  Caroli  Francorum  rcgis  diligenter  in- 
quiras  omnia  de  illius  ordinatione  et  fidem  ac  doctrinam  illius  atque  con- 
versationem  et  mores  ac  vitam  investiges,  ut  si  aptus  fuerit  et  dignus  ad 
episcopalem  cathedram  gubernandam,  expositam  et  conscriptam  et  manu 
sua  propria  subscriptam  catholicam  et  orthodoxam  fidem  .  .  ad  nos  dirigat, 
ut  pallium  illi  secundum  consuetudinem  transmittamus  et  ordinationem 
illius  flrmam  iudicemus   et  in  eadem  s.  ecclesia  Maguntina  archiepiscopum 


—     20G     — 

worden  sein,  denn  ^Nlain/,  wurde  jNIetropolo.^)  Nun  ruhte  die  Sache 
wieder  einige  .Jahre  Umg.  dann  erhielt  Erminhert  von  Bourges  das 
PalhuiiK*'^)  zugleich  aher  wurde  Karls  Hol'kai)ellan.  Angilram  von 
Metz,  mit  der  erzhiscluitlichen  Würde  ausgezeichnet.'^)  Als  er  starb, 
trat  Bischof  Hildehold  von  Köln  in  seine  Stellung  am  Hof  ein; 
auch  er  wurde  nach  einiger  Zeit  Erzhischof;  *)  ein  ])aar  Jahre  nach 
ihm  erhielt  Theodulf  von   (Jrhnins  den  gleichen  Rang.'^) 

Man  sieht,    Karl  ül)ertrug  eirtzelnen  IVIännern,    zu  welciien  er 
Vertrauen  hatte,  die  erzhischöfliche  Stellung,   aher  er  that  es  ohne 


constitutum  esse  faciamus.  Hinschius  sieht  auch  in  dieser  Stelle  einen  Grund 
cjegen  die  Echtheit  des  Briefs;  diese  Anweisungen  seien  unmöglich.  Da 
sie  mit  Rücksicht  auf  Luis  Erhebung  zum  Erzbischof  erteilt  wurden,  und 
da  Luis  Eintritt  in  das  bischöfliche  Amt,  mit  römischem  Masse  gemessen, 
in  der  That  nicht  ganz  regelmässig  war  (s.  Bd.  I  S.  568  und  vgl.  das 
Urteil  Ados  von  Vienne  über  einen  analogen  Fall  in  Lyon,  chron.  z.  .J.  814 
S.  320),  so  scheinen  mir  auch   diese  Bedenken  unerheblich. 

1)  Lul  wird  urkundlich  zum  letzton  Mal  Bischof  genannt  am  8.  März 
780  (B.M.  220),  zum  ersten  Mal  Erzbischof  am  4.  Juli  782  (a.  a.  O.  242). 
Ob  sein  Nachfolger  Riculf  sofort  EB.  wurde,  lässt  sich  mit  voller  Sicherheit 
nicht  entscheiden.  Es  scheint  mir  aber  nach  Lage  der  Dingo  sehr  wahr- 
scheinlich. 

2)  Cod.  Carol.  91  S.  628.  Der  Brief  gehört  zwischen  784  und  791. 
Hadrian  erfüllte,  indem  er  Erminbert  das  Pallium  erteilte,  einen  Auftrag 
des  Königs.  f]rminbert  musste  ihm  aber  zuerst  die  Versicherung  geben, 
dass  er  unter  keinem  Erzbischof  stehe.  Man  sieht  auch  hieraus,  dass  das 
Metropolitanverhältnis  im  fränkischen  Reich  ganz  aufgelöst  war. 

3)  Das  .Tahr  ist  unbekannt.  .Vngilram  kann  frühestens  im  Jahr  784 
(Tod  Fulrads)  Hofkapellan  geworden  sein.  Erzbischof  wird  er  zuerst  in  einer 
Urkunde  des  Jahres  788  (B.M.  289)  genannt.  Da  Alkuin  eines  Aufenthalts 
Angilrams  in  Italien  gedenkt  (ep.  90  S.  134),  so  wird  Karl  auch  ihn  nach 
Rom  gesandt  haben,  um  dort  das  Pallium  zu  empfangen. 

4)  Hildebold  heisst  auf  der  Frankfurter  Synode  von  794  noch  Hischof 
fCap.  28,  55  S.  78);  dagegen  wird  er  795  als  Erzbischof  bezeichnet  (Ur- 
kunde für  St.  Cassius  und  Florentius  in  Bonn,  N.  A.  XHI  S.  161  Nr.  32); 
desgleichen  799  (V.  Leon.  III.  20  S.  6);  ebenso  im  gleichen  Jahr  in  einer 
Urkunde  für  8t.  Cassius  und  Florentius  in  Bonn  (N.  A.  XIII  S.  159  Nr.  26) 
und  in  der  Urkunde  bei  Lacomblet  (I  Nr.  15  S.  9).  deren  Fassung  jedoch 
nicht  gleichzeitig  ist.  In  Urkunden  von  801  und  804  für  St.  Cassius  und 
Florentius  ist  von  ihm  als  s.  Agripi)irenHis  urbis  episcopus  et  sacri  pallatii 
capellanus  die  Rede  (N.  A.  Xill  S.  155  Nr.  12,  S.  161  Nr.  30). 

5)  Ale.  ep.  225  S.  368.  Der  Brief  ist  nach  dem  4.  A]<n\  801  ge- 
schrieben. Vgl.  Theod.  carm.  72  v.  66  S.  565,  wo  Theodulf  erwähnt,  dass 
er  das  Pallium  aus  der  Hand  Leos  III.  empfangen  habe.  Ein  Irrtum 
Alkuin«,  den  Weyl  als  möglich  annimmt  S.  156,  ist  demnach  ausge- 
Hchlo8.<<en. 


—     207     — 

Rücksicht  darauf,    ob   ilire  Bistümer  je  den  Rang  von  Metropolen 
gehabt  hatten. 

Die  erzbischöfliche  Würde  war  jedoch  nicht  nur  als  Ehren- 
stellung gedacht,  sondern  als  kirchliches  Amt.  Kaum  hatte  Karl 
für  jeden  Hauptteil  des  Reichs  wenigstens  einen  Erzl)ischof  bestimmt, 
so  erhess  er  eine  Verfügung,  welche  von  den  Bischöfen  Gehorsam 
gegen  die  Anordnungen  der  Metropoliten  forderte.^)  Als  er  ein 
Jahrzehnt  später,  789,  sein  grosses  Ausschreiben  an  alle  Stände 
seines  Reichs  richtete,  erneuerte  er  in  demselben  die  älteren  kirch- 
hchen  Bestimmungen  über  das  Zusammenwirken  der  Bischöfe  imd 
Metropoliten.'^)  Sie  mochten  als  durchführbar  erscheinen,  obgleich 
das  Reich  nicht  in  eine  Reihe  wohl  abgerundeter  erzbischöflicher 
Sprengel  eingeteilt  war;  fehlte  es  doch  nirgends  an  Trägem  des 
erzbischöflichen  Amtes.  Als  jedoch  die  Frankfurter  Synode  von 
794  verordnete,  dass  Appellationen  gegen  das  Urteil  der  Bischöfe 
stets  an  die  Metropoliten  und  erst  in  dritter  Instanz  an  den  König 
gehen  sollten,^)  drängte  sich  die  Notwendigkeit  einer  festen  Ab- 
grenzung der  Erzbistümer  auf.  In  der  deutscheu  Reichshälfte  war 
die  Sache  einfach:  hier  war  Riculf  von  Mainz  der  einzige  Erz- 
bischof; *)  im  Westen  scheinen  Sens,  Rheims  und  Bourges  sich  ver- 
ständigt zu  haben ;  auch  erscheint  jetzt  Ronen  zimi  ersten  Mal  als 
Erzbistum.-^)  Dagegen  mussten  die  Grenzen  der  südfranzösischen 
Sprengel  erst  festgestellt  werden.  Die  Bestimmung  geschah  auf 
Gmnd  der  altkirchHchen  Zustände  unter  Mitwirkung  Roms.**) 

Vier  Jahre  später  wurde  eine  eigene  bairische  Kirchenpro\inz 
mit  Salzburg  als  Metropole  konstitmert.  Jedoch  waren  es  nicht 
kirchhche  Gedanken,  welche  zur  Entstehung  des  Salzburger  Erz- 
bistums fülu-ten;  sondern  es  hat  alle  Wahrscheinlichkeit,  dass  der 
Anlass  in  den  politischen  Verhältnissen  lag.  Solange  das  bairische 
Herzogtum  bestand,  bildete  die  bairische  Kii'che  einen  eigenen 
kirchhchen  KöqDer,  welcher  selbstständig  neben  der  deutschen  Kirche 


1)  Cap.  20,  1  S.  47  (März  779).  Da  damals  die  Erhebung  Luis  und 
Tilpinsim  Werke  war  (s.  o.  S.  205  Anm.  4),  so  konnte  man  an  drei  Erzbischöfe 
denken;  ausser  den  Genannten  an  Beonrad  von  Sens.  Über  den  Brief 
Hadi-ians  an  Bertar  von  Vienne  J.W.  2412,  s.  o.  S.  205  Anm.  2. 

2)  Cap.  22,  8,  10,  13  S.  54  f. 

3)  Cap.  28,  6  S.  74. 

4)  Lul  war  am  16.  Oktober  786  gestorben. 

5)  Cap.  28,  10  S.  75.  Er  ist  auch  in  Angilberts  Denkschrift  über  den 
Bau  von  St.  Riquier  als  solcher  genannt,  M.G.  Scr.  XV  S.  173. 

6)  Cap.  28,  8  S.  75.  Vienne  sollte  fünf,  Arles  neun  Suffragane  haben. 
Über  Moutier  en  Tarantaise,  Embrun  und  Aix  zu  bestimmen,  überliess  man 
dem  Papst.     Aix  wurde  nicht  Metropole  (s.  Einh.  V.  Karol.  33). 


—     208     — 

stand:  sie  war  eine  Landeskirche.  Die  01)erleitung  lag  in  der 
Hand  des  Herzogs;  eines  Erzbischofs  bedurfte  man  nicht.  Durcli 
Tassilos  Absetzung  war  sie  als  Landeskirche  aufgelöst.  Dass  der 
Wunsch  entstand,  die  bisherige  Verbindung  der  bairischen  Bistümer 
zu  erhalten,  ist  begreiflich.  Demgemäss  richteten  die  Bischöfe  die 
Bitte  an  Karl,  er  möge  Arn  von  Salzburg  als  Erzbischof  an  die 
Spitze  der  bairischen  Kirche  stellen.  Karl  stimmte  zu,  und  Leo  IIT, 
verli(?h  dem  Nachfolger  Ruperts   das  Pallium.^) 

In  derselben  Zeit  wird  die  Erhebung  Hildebolds  -')  zur  Bildung 
des  Kölner  Sprengeis  geführt  haben.  Am  längsten  dauerte  es,  bis 
Trier  seine  alten  Metropolitanrechte  anerkannt  sah.  Noch  Richbod 
nahm  niu-  die  Stellung  eines  Bischofs  ein;  erst  für  Amalarius  bil- 
dete Karl  einen  erzbischöflichen  Sprengel.'")  Aber  die  Art,  wie  er 
verfuhr,    zeigt    augenfällig,    dass    er    der  Sache  nicht   viel  Gewicht 


1)  J.W.  2495  f.  V.  April  798;  vgl.  2498  und  2.50.S.  Man  betrachtete 
die  Herstellung  eines  Erzbistums  gewissermassen  als  zur  '^)rdnung  der  Pro- 
vinz gehörig.  In  Leos  Schreiben  249.5  heisst  es:  Quoniam  prouincia  ipsa 
mirifice  a  .  .  Carolo  .  .  penitus  ex  omni  parte  sicut  decuit  ordinata  est.  id- 
circo  conuenit  nos  ipso,  nerape  ecclesiastico  nioderainine  in  sacro  ordine 
fideliter  atque  spiritualiter  secundum  canonicam  censuram  ipsam  ordinäre 
Baiowariorum  prouinciara.  Zum  Salzburger  Sprengel  gehörten  Sehen,  Frei- 
sing, Regensburg,  Passau,  Nenburg. 

2)  S.  S.  206  Anm.  4.  Zu  Köln  gehörten  Lüttich  und  Utrecht;  dazu 
kamen  später  die  sächsiechen  Bistümer  Mindon,  Münster,  Bremen  und 
OsnaVjrück. 

3)  Über  Weomad  s.  S.  54  Anm.  3.  Richbod  nennt  sich  im  Jahr  800 
nur  Bischof  (Görz,  Mittelrh.  Reg.  377)  und  wird  von  Alkuin  Bischof  ge- 
nannt (ep.  149  S.  243  f.).  Über  die  Lage  unter  Amalarius  geben  Aufschluss 
die  zwischen  Karl  und  ihm  gewechselten  Briefe,  M.G.  ?'p.  V  S.  242  tf. 
Nr.  1 — 3.  In  dem  ersten  behandelt  Karl  Amalarius  als  Metropolit:  Nosse 
volumus,  qualiter  tu  et  saffraganei  tui  doceatis.  Amalarius  erwidert:  Sutfra- 
ganeuB  sei  ein  mehrdeutiges  Wort,  man  könne  dabei  an  Priester,  Äbte  etc. 
denken.  Si  forte  episcoporum  nomen,  qui  aliquando  vestrae  civitati  su- 
biecti  erant,  addere  debemus,  oro,  ut  hoc  non  imputet  dominus  servo  suo, 
quia  usque  in  presens  tempus  non  sum  ausus  ea  attingere,  que  nobis  ini- 
uncta  non  sunt.  Darauf  antwortet  der  Kaiser:  De  episcopis  suftraganeis 
ad  ecclesiam  Treforum  .  .  sicut  anterius  nostram  ordinacionem  et  disposi- 
cionem  atque  iussionem  expectasti,  volumus,  ut  interim  qiiod  ad  nostrum 
veneris  conloquium,  ita  expectes.  Dif  erste  Stelle  setzt  eine  Anordnung 
voraus,  dass  die  alten  Metropolen  in  ihren  Rang  wiederhergestellt  seien. 
Die  zweite  zeigt,  dass  sie  nicht  durchgeführt  und  das«  speziell  die  Abgren- 
zung eines  Sprengeis  für  Trier  nicht  erfolgt  war.  Aus  der  dritten  ergiebt 
sich,  dass  Karl  diese  Abgrenzung  sich  selbst  vorbehielt.  Aus  dem  Testa- 
ment Karls  wird  man  schliessen  dürfen,  dass  sie  vor  811  erfolgte.  Zu  Trier 
kamen  Metz,  Toul  und  Verdnn. 


—    209     — 

beilegte.  Überhaupt  wurde  die  Abgrenzung  der  Erzdiözesen  erst  in 
den  letzten  Jahren  Karls  zu  Ende  geführt.^)  An  der  Südgrenze 
Frankreichs  und  in  der  spanischen  Mark  unterblieb  sie  noch  länger.-) 

Es  war  naturgemäss,  dass,  nachdem  einige  Erzbistümer  her- 
gestellt waren,  diese  Einrichtung  nach  und  nach  auf  das  ganze 
Reich  ausgedehnt  wurde.  Der  Einfluss  B.oms,  die  Erinnerung  an 
altkirchliche  Zustände,  die  in  der  Kirche  vorhandene  Neigung,  zu 
uniformieren,  warkten  dabei  zusammen.  Doch  hatte  Karls  Gleich- 
giltigkeit  gegen  diese  Organisation  guten  Grund.  Die  neuge- 
ordneten Kirchenprovinzen  führten  stets  nur  ein  Scheinleben. 
Das  Amt  der  Erzbischöfe  w^ar  viel  zu  inhaltslos,  ihre  kirchliche 
Macht  viel  zu  beschränkt,  als  dass  sie  zu  Führern  ihrer  Sprengel 
hätten  werden  können.  Nach  wie  vor  gingen  alle  Anregungen  in 
kirchlichen  Dingen  vom  Hof  aus. 

Dem  entsprach  die  Gestalt,  welche  das  Synodalwesen  unter 
Karl  gewann.  Synoden  waren  nicht  selten;  aber  man  kann  nicht 
entfernt  sagen,  dass  Karl  das  synodale  Leben  der  alten  Kirche 
erneuerte  oder  auch  nur,  dass  er  das,  was  Bouifatius  begonnen 
hatte,  förderte.  Denn  noch  entschiedener  als  unter  Pippin  w^aren 
unter  ihm  die  S}Tioden  Versammlungen,  welche  der  König  entbot, 
um  sich  ihres  Eates  bei  der  Ordnung  der  Idi'chhchen  Verhältnisse 
zu  bedienen.  Aus  Organen  der  kirchhchen  Selbstverwaltung  waren 
sie  Organe  der  Regierung  der  Kirche  durch  den  König  geworden; 
von  Selbstständigkeit  dieser  Versammlungen  neben  dem  Herrscher 
war  nicht  die  Rede.  Was  die  Reichs-  und  Hoftage  für  den  Staat 
waren,  das  waren  sie  für  die  Kirche.     Gemäss  der  engen  Verbin- 


1)  S.  0.  S.  208  Anm.  3.  Einen  weiteren  chronologisclien  Antaltspunkt 
giebt  Cap.  47,  3  S.  133:  Ut  nequaquam  inter  duos  metropolitanos  provincia 
dividatur.  Als  diese  Verfügung  erlassen  wurde,  muss  die  Abgrenzung  der 
Sprengel  im  Werk  gewesen  sein.  Boretius  verlegt  das  Kapitular  in  das 
Jahr  806  oder  später.  Als  Metropolen  der  westlichen  Reichshälfte  sind  in 
Karls  Testament  genannt:  Sens,  Besan^on,  Lyon,  Ronen,  Rheims,  Arles, 
Vienne,  Moutiers  en  Tarantaise,  Embrun,  Bordeaux,  Tours  und  Bourges. 

2)  Nebridius  von  NarboDue  erscheint  auf  der  arelatensischen  Synode 
von  813  als  Erzbischof  (Mansi  XIV  S.  57);  Aix  ist  als  Erzbistum  im  Jahr 
828  nachweisbar  (Schreiben  Ludwigs,  B.M.  827).  Die  Annahme  von  Weyl 
S.  160,  dass  in  den  Jahren  752 — 754  u.  784  ff.  das  päpstliche  Mitwirkungs- 
recht bei  Besetzung  der  erzbisch.  Stühle  anerkannt,  731 — 747  u.  um  780 
dagegen  bestritten  worden  sei,  scheint  mir  unbegründet.  Von  Konflikten 
ist  so  wenig  überliefert,  wie  von  Anerkennung  des  Mitwirkungsrechtes.  Die 
Mitwirkung  beschränkte  sich  auf  die  Pallienverleihung  und  die  Einweisung 
in  die  geistliche  Thätigkeit.  Voraussetzung  dafür  war  die  von  dem  König 
einseitig  vollzogene  Organisation  des  Erzbistums.  Das  ergiebt  sich  aus 
J.W.  2495  u.  2498  ganz"  klar. 

Hauck,  Kirchengeschichte.   II.    2.  Aufl.  14 


—     210     — 

(luDg  des  Staatlichen  und  Kirchliclien  im  fi'änkischen  Reich  wnren 
sie  von  den  Reichsvei-sanindungen  niclit  streng  gescliieden.  Die 
Bischüte  nidinicn  ;ni  dm  h-tztoren  Anteil;  indem  sie  zu  gesonderten 
T^eratungen  zusammentraten,  war  die  Synode  konstituiert.  Schon 
darin  liegt,  dass  die  Synoden  Karls  nicht  kirchliche  Kruper  icpräsen- 
tierten;  es  war  stets  der  Episko])at  des  Reichs,  der  aul'  ilmen 
handelte,  so  ungleichmässig  auch  die  einzelnen  Teile  des  Reichs 
vertielen  sein  mochten.')  Nur  von  einigen  Synoden  wissen  wii'. 
dass  sie  olme  gleichzeitige  'J'agnng  einer  Reichsversamnilung  statt- 
fanden;-) dann  scheint  Karl  nicht  den  gesamten  R))iskopat,  sondern 
nur  Xotabeln  herul'en   zu    liahcn.      liid    nur   einmal,    im  Jalii-  81.-}, 


Ij  Hefele,  CG.  III  S.  606  zählt  eine  Menge  von  Synoden  unter  Karl, 
verführt  durch  das  Wort  synodus  in  den  Ann.  Lauriss.,  aber  dasselbe  be- 
ileutet  nichts  anderes  als  generalis  conventus,  die  Roicbsversammlung.  Deni- 
gemäss  sind  die  Synoden  von  Worms  770,  Valenciennes  771,  Worms  772, 
Düren  775,  Worms  776  u.  a.  zu  streichen.  Wir  wissen  nicht,  ob  es  auf 
ihnen  zu  gesonderten  Beratungen  der  Bischöfe  kam.  Diigegen  ist  das 
wahrscheinlich  bei  der  Versammlung  von  Paderborn  777  auf  (iriind  der 
Urkunde  B.M.  20iS;  diese  zeigt  zugleich,  dass  der  König  den  Synodalbe- 
schluss  bestätigte.  Darf  man  Caji.  21  S.  52  dem  Tag  von  Li]ipsiiring  780 
.Ann.  Lauriss.  S.  56  zuweisen,  was  mir  nicht  unwahr.scheinlich  ist,  so  ist 
auch  l»ei  ihm  eine  eigene  bisch(>fliche  Beratung  anzunehmen.  Für  die 
Augustversammliing  von  Worms  786  ist  ausdrücklirh  ein  synodus  episco- 
pnrum  bezeugt  Ann.  bauresh.  S.  32;  aber  von  den  Verhandlungen  wissen 
wir  nichtii.  Dass  auf  dem  Aachener  Reichstag  von  789  (vgl.  Cap.  22 — 23 
S.  52  tf.)  die  Bischöfe  gesondert  berieten,  ist  nicht  zu  beweisen.  Hefele  irrt 
offenkundig,  wenn  er  in  der  A<lmonit.io  generalis  eine  Vorlage  für  die  Ver- 
handlungen der  Synode  sieht.  iJagegen  verbanden  sich  Synoden  mit  den 
Keichsversammlungen  in  Regensburg  7'.*2,  s.  u.,  Frankfurt  7it4,  Ann.  ?]inh. 
S.  9.^,  Aachen  707,  Ann.  s.  Amandi  S.  14.  Dass  die  Synode  im  iMärz  802  (s.  u. 
Anm.  2),  sich  an  eine  Reichsversammlung  anschloss,  ist  möglich,  aber  nicht 
gewiss.  Ich  bezweifele  nicht,  dass  noch  öfter  als  in  diesen  nachweisbaren 
Fällen  synodale  Beratungen  in  Verbindung  mit  Roichsversanindungen  statt- 
fanden; man  wird  die  meisten  kinlilirhcn  Kapitularir'n  als  nach  Beratung 
mit  dem  Kjtiskojiat  erlassen  zu  betrachten  haben.  Aber  beweisen  lässt  es 
flieh   nicht. 

2)  .luni  800  zu  Aachen  in  Sachen  des  Adoptianismus,  s.  u.  Nov.  80l 
ebenfalls  in  Aachen,  Ann.  .Tuvav.  M.(t.  Scr.  III  S.  122.  Zu  ihr  gehört  w.ahr- 
Rfheinlich  Cap.  36  S.  106:  Capitula.  fpiae  electi  sacordotes  custodienda  .  . 
censuerunt;  ob  auch  die  übrigen  von  Müllenhott"  und  Scherer  II  S.  329  an- 
geführten Stücke,  scheint  mir  zweifelhaft.  März  und  Herbst  802,  Aachen, 
Ann.  .Tuvav.  a.  a.  O.,  vgl.  Ann.  s.  Amandi  z.  802  S.  11,  Lauresh.  S.  38 f. 
Zu  der  Miirzpynode  gehören  Capit.  33 — 35  S.  91  ff.,  zu  der  Merbs{.'<ynodo 
wahrscheinlich  Cap.  37  u.  38  S.  107  fl".  Die  letzte  Synode,  an  der  Karl 
teilnahm,  ist  die  Aachener  vom  Nov.  809  s.  u. 


—    211     — 

wich  Karl  von  der  Übung  ali,  dass  der  Episkopat  des  Reichs  ge- 
meinsam beriet.  Damals  tagten  die  deutschen  Bischöfe  in  Mainz,  ^) 
die  ])urgundischen  in  Chalon  s.  S.,-)  die  neustrischen  in  Eheims, 
die  aus  Aquitanien  und  dem  ehemals  gotischen  Südfrankreicli  in 
Toui-s  und  Arles.'^)  Aber  auch  ihre  Beschlüsse  wareu  mu-  Gut- 
achten für  den  König.  Er  hat  sie  dem  Reichstag  zu  Aachen  voi-- 
gelegt  und  eine  Auswahl  aus  ihnen  bekannt  gegeben."*) 

Zu  den  Verhältnissen,  welche  seit  Bonifatius  Fürsten  wie 
Biscliöfe  beschäftigten,  gehörte  die  Regelung  des  Kirchenguts.  Wir 
halben  gesehen,  dass  man  zuerst  versuchte,  dem  Buchstaljen  des 
kirchlichen  Rechts  zu  genügen,  dass  man  sich  jedoch  bald  genötigt 
sah,  auch  auf  die  staatlichen  Bedürfnisse  Rücksicht  zu  nehmen, 
welche  die  volle  Restitution  der  entfremdeten  Besitzungen  ver- 
Avehrten.'')  Dies  Nebeneinander  entgegengesetzter  Gesichtspunkte 
bemerkt  mau  auch  in  Karls  Verhalten.  Nichts  lag  ihm  ferner  als 
der  (Tedanke  einer  durchgreifenden  Säkularisation;  er  erkannte  be- 
reitwilhg  das  Eigentumsrecht  der  Kii-che  an  den  ihr  überlassenen 
Gütern  an.  Demgemäss  verfügte  er  in  zahlreichen  Fällen  die  Rück- 
gahe  entfremdeter  geistlicher  Besitzungen/')  Er  verordnete  all- 
gemein, dass  den  Nutzuiesseru  gegenüber  das  Besitzrecht  der  geist- 


1)  Mansi  XIV  S.  64:  Hildebaldus  sacri  palatii  arcbiepiscopus,  Eicholfus 
et  Arno  archiepiscopi  seu  Bernharius  (von  Worms)  una  cum  reliquis  coepis- 
copis.  Die  Art,  wie  Hildebold  sieb  bezeicbnet,  zeigt,  dass  man  auch  da- 
mals nocb  sieb  von  der  Anschauung  nicht  losgemacht  hatte,  die  erzbischöf- 
licbe  Würde  sei  eine  persönliche  Auszeichnung. 

2j  L.  c.  S.  93:  Episcopi  et  abbates  totius  Galliae  Lugdunensis. 

3)  In  den  Akten  von  Rheims  und  Tours  findet  sich  keine  Angabe  über 
den  Bezirk  der  Synode.  In  Arles  präsidierten  Johannes  von  Arles  und  Ne- 
bridiiis  von  Narbonne  (I.  c.  S.  57). 

4)  Ann.  Lauriss.  z.  813  S.  138,  vgl.  Gap.  78  S.  173. 

5)  Vgl.  Band  I  S.  507,  513  f.,  516,  529. 

6)  In  St.  Denis  war  die  Restitution  unter  Pippin  erfolgt;  Karl  be- 
stätigte die  Urkunde  seines  Vaters  (B.M.  186).  Ebenso  begann  die  Resti- 
tution der  Rheimser  Güter  unter  Pippin  und  wurde  unter  Karl  fortgesetzt 
(Flod,  H.  Rem.  ecc.  II,  18  f.  S.  464f.).  Zwischen  772  und  774  verfügte  Karl 
die  Rückgabe  der  Güter  an  Kloster  Honau  (B.M.  152);  im  Jahr  780  erhielt 
St.  Viktor  in  Marseille  seinen  Besitz  wieder  (Abel,  JB.  S.  370  f.);  in  einem 
der  nächsten  Jahre  wurden  die  Rechte  von  Trier  auf  Mettlach,  das  in  Be- 
sitz der  Widonen,  der  Familie  Bischof  Milos,  gekommen  war,  anerkannt 
(B.M.  252).  Im  Jahr  752  wurde  das  Kirchengut  in  Narbonne,  dessen  sich 
der  Graf  Milo  bemächtigt  hatte,  restituiert  (Abel,  JB.  S.  438  f);  um  das 
Jahr  798  erfolgte  die  Rückgabe  der  Einkünfte  der  Kirche  von  Lyon  (M.G. 
Ep.  IV  S.  542  Nr.  30) ;  nach  800  eine  grosse,  wenngleich  nicht  vollständige 
Restitution  an  St.  Wandrille  (Gest.  abb.  Font.  16  S.  47).  —   Schädigungen 

14* 


—     212     — 

lieben  Stiftungen  uikunillich  festfjestellt  wordo;')  auch  suchte  er  zu 
verhüten,  dass  das  verhehene  Gut  in  das  Eigentum  des  Belehnten 
übergehe.-)  Aber  er  war  nicht  blind  für  die  Gefahren,  Avelche  in 
der  übermässigen  Ausdehnung  des  kirchlichen  Grundbesitzes  lagen. 
Er  selbst  hielt  deshali)  in  der  Freigebigkeit  gegen  die  Kirche 
Mass.'')  Auch  traf  er  Massregeln,  um  zu  verhüten,  dass  die  könig- 
lichen Einkünfte  bei  dem  Übergang  von  Gütern  an  die  Kirche 
Enit)usse  erlitten,*)  und  suchte  er  die  Schädigung  der  Privaten 
dadurch  abzuschneiden,  dass  er  bei  Schenkungen  wie  bei  Verkäufen 
an  die  tote  Hand  ütl'entliches  Verfahren  forderte."'')  Das  war  ein 
gewisser  Schutz;  aber  ein  sehr  schwacher.  Und  nicht  wirkungs- 
voller waren  seine  moralischen  Vorstellungen  an  die  Bischöfe. 

Er  durchschaute  das  verwerfhche  Spiel,  welches  die  Männer 
der  Kirche  vielfach  trieben,  um  das  Kirchengut  zu  vermehren.  Sie 
missbrauchten  Glaube  und  Aberglaube  der  Menge,  scheuten  selbst 
vor  Gewaltthaten  nicht  zurück,  um  die  kleinen  Besitzer  zum  Ver- 
zicht auf  ihr  freies  Gut  zu  bewegen.  Karl  hat  ihnen  dies  offen 
zum  Vorwurf  gemacht.  Wir  besitzen  aus  seinen  letzten  Jahren 
ein  paar  Aufzeichnungen,  welche  sich  auf  diese  Dinge  beziehen, 
kiu'ze  Notizen  über  die  Punkte,  welche  er  auf  Versannnlungen  der 
Bischöfe  zur  Sprache  bnngen  wollte.  Es  sind  die  herbsten  und 
spitzigsten  Äusserungen  Karls,  welche  überhaupt  auf  uns  gekonnnen 
sind.     Da  liest  man:  "Wie  wollen  die  Männer,   welche  die  heiligen 

durch  die  Grossen  kamen  auch  unter  Karl  vor,  z.  B.  in  Murbach  unter 
Abt  Amico  (Forniul.  Alsat.  4  S.  330). 

1)  Cap.  20,  13  S.  50  (Heristall,  März  779):  De  precariis,  ubi  modos 
sunt,  renoventur,  et  ubi  non  sunt,  scribantur. 

2)  Cap.  .59,  3  S.  146  (a.  803  —  813):  ^ui  beneliciuni  doinni  iniporatoris 
et  aecclesiarum  Dei  habet,  nihil  exinde  ducat  in  suani  hereditateni,  ut 
ipsum  beneficium  destruatur.     Vgl.  33,  15  (a.  802)  S.  94. 

3)  S.  V.  Inatna-Stemegg,  Deutsche  Wirtschaftsgeachichte  I  S.  284. 

4)  Cap.  80,  11  (a.  811—813)  S.  177:  Ut  de  rebus,  unde  census  ad 
partem  regis  exiro  .solebat,  si  ad  alifiuam  ecclesiam  traditac  .sunt,  aut  red- 
dantur  propnis   heredibus,  aut  qui  ea.s  rctinuerit,   illum   censum  persolvat. 

5)  Cap.  39,  6  S.  113  (a  803):  Qui  res  suas  pro  aninia  sua  ad  casam 
Dei  tradere  vohierit,  domi  traditionein  faciat  coram  testibus  legitirais;  et 
quae  actenus  in  hoste  factae  sunt  traditiones,  de  quibus  nulla  est  quesitio, 
stabilis  pennaneant.  Mainzer  Synode  von  813  c.  7  (Mansi  XIV  S.  67): 
Propter  proviHiones  pauperum,  pro  quibus  curani  habere  debemus,  placuit 
nobis,  ut  nee  episcopi  nee  abbaten  .  .  nullusque  oranino  sub  mala  occasione 
vel  malo  ingenio  res  pauperum  vel  minus  potentum  nee  emere  nee  vi  tollere 
audeat.  Sed  si  quis  ex  eis  aliquid  comparare  voluerit,  in  publico  placito 
hoc  faciat.  Vgl.  c.  5  f.  der  Synode  von  Chalon  s.  S.  (von  H13)  1.  c.  S.  94; 
Cap.  33.  15  (a.  802)  S.  94;  Stat.  Risbac.  11  S.  227. 


—     213     — 

Schriften  nicht  allein'  selbst  lernen,  sondern  auch  andere  lehren 
sollen,  fragen,  wer  diejenigen  sind,  denen  der  xA.postel  ziuiift:  Seid 
meine  Nachfolger,  von  denen  er  sagt:  Kein  Kriegsmann  Gottes 
vei-flicht  sich  in  welthche  Geschäfte,  imd  wie  man  dem  Apostel 
nachfolgen  oder  den  Kriegsdienst  Gottes  leisten  soll.  Sodann  sollen 
sie  uns  die  "Wahrheit  darüber  sagen,  was  es  bei  ihnen  heisst,  die 
Welt  verlassen,  oder  woran  die.  welche  die  Welt  verlassen,  von 
denen,  welche  ihr  folgen,  unterschieden  werden  können,  ob  daran 
allein,  dass  sie  kein  Schwert  tragen  und  nicht  öfi'enthch  verheiratet 
sind.  Auch  muss  man  sie  fragen,  ob  der  die  Welt  verlassen  hat, 
der  nicht  ablässt.  Tag  fifr  Tag  seinen  Besitz  zu  vermehren,  auf 
jede  Weise  und  diu-ch  jeden  Kunstgriö',  indem  er  bald  die  Sehgkeit 
des  Himmelreichs  verheisst.  bald  die  ewige  Pein  der  HöUe  droht, 
indem  er  im  Xamen  Gottes  oder  irgend  eines  Heiligen  die  Eeichen 
wie  die  einfältigen  Armen  ihi-er  Habe  beraubt,  den  rechtmässigen 
Erben  ihr  Erbteil  entzieht,  dadurch  eine  Menge  Leute  in  Armut 
stürzt  und  so  zu  Verbrechen  und  Übelthaten  anti-eibt;  sie  werden 
gewissermassen  gez^vungen,  zu  stehlen  und  zu  rauben,  da  ihnen  ihr 
väterhches  Erbteil  von  einem  anderen  weggenommen  ist.  Weiter 
muss  man  untersuchen,  wie  der  die  Welt  verlassen  hat,  welcher 
vor  Begierde  nach  Dingen,  die  er  einen  anderen  besitzen  sieht, 
brennt  und.  um  sie  zu  erlangen,  Leute  bezahlt,  dass  sie  falsch 
schwören  und  falsch  Zeugnis  geben,  der  nicht  einen  gerechten  und 
gottesfiirchtigen  Yogt  oder  Propst  sucht,  sondern  einen  harten, 
habsüchtigen,  gewissenlosen,  der  bei  dem  Erwerb  nicht  nach  dem 
Wie,  sondern  nach  dem  Wieviel  fragt.  ^)  Auf  einem  zweiten  Zettel 
notierte  sich  der  Kaiser,  dass  die  Armen  sich  darüber  beklagten, 
dass  man  sie  ihres  Eigentums  beraube:  diese  Vorwüi-fe  richteten 
sich  gegen  die  Bischöfe  und  Abte  wie  gegen  die  Grafen.  Sie  be- 
haupteten, dass  geisthche  und  weltliche  Grosse  diejenigen,  welche 
sich  weigerten,  ihnen  ihre  Güter  zu  übergeben,  so  lange  bedriickten, 
bis  sie  ruiniert  seien  und  nun  das  Ihre  mit  oder  gegen  ihren  Willen 
den  Grossen  übergäben  oder  verkauften.-)  Das  alles  war  ebenso 
richtig  als  einleuchtend;  aber  es  war  erfolglos.  In  diesem  Punkte 
ei*^\-ies  sich  der  Eigennutz  des  Klems  als  grösser  denn  seine  Ge- 
wissenhaftigkeit. Die  Synode  von  Tours  im  Jahr  813  hatte  sogar 
den  Mut,  jedes  Uiu-echt  zu  leugnen:  es  gebe  niemand,  der  sich 
auch  nur  beklagen  wollte.  Denn  bei  den  Schenkungen  an  die 
Kirche  hätten  die  Geber  noch  einen  Yermögensvorteil.'^) 


1)  Cap.  72,  3  ff.  S.  162  f.;  vgl.  71,  5  S.  161;  72,  7  S.  163. 

2)  Cap.  73,  2  f.  S.  165;  vgl.  44,  16  S.  125  und  Conc.  Mog.  (a.  813)  6  S.  66. 

3)  C.  15  Manai  XIV  S.  91  f.:   Neminem  reperimus,    qui  de  hac  re  ad- 


—     214     — 

Es  ist  bcjiireit'licli,  dass  der  Besitz  der  Kirche  wüluciid  Karls 
Re,c;ieriing  uiiimterbruchen  %vuelis.  Der  Gewinn  dmvli  Kodiiiig  von 
Neuland,  dureh  Kaut"  und  Tauseh  tiel  dabei  kaum  ins  Gewicht, 
sondern  die  Vermehrung  des  Besitzes  erfolgte  fast  ausschliesslich 
dureh  Schenkung.^) 

Die  reichste  Ernte  sammelten  die  Klöster.  HcrstMd  erwarb 
in  ungelahr  dreissig  Jahren  gegen  2000  grössere  und  kleinere  Höfe 
in  T\)i)  ( )rtschaften.-)  Weisseidjur'g  fielen  in  Karls  Zeit  1 1 1  Schen- 
kungeir')  zu,  St.  Gallen  119,*)  Lorsch  weit  iiljer  lOOO;'")  in  Fulda 
waren  es  schwerlich  weniger.")  Prüm  besass  i.  .1.  893  an  Herren- 
land 2402  Morgen  nebst  Ackeni  zu  1 180  Scheffel  Aussaat,  AVeinberge 
zu  265  Fuder,  Wiesen  zu  1271  Fuhren  und  Widder  zur  Afast  von 
8296  Schweinen;  dazu  kamen  119  Villen  mit  1530  Höfen.")  Das 
kleine  Klösterlein  Statfelsee  hatte  in  eigener  Verwaltung  eine  Acker- 
fläche von  740  Morgen  und  Wiesland  zu  610  Fuder  Heu;  es 
besass  ausserdem  23  Freigüter  und  10  Höfe  von  Hörigen,  welche 
Frohnden  und  Naturalleistungen  an  das  Klost<'r  zu  entrichten 
hatten.^)      Wie    stark    das    Anwachsen    des    kiichlichen    Besitzes 


vprsuB  DOS  conqueri  voluisset.  Nam  peno  nullus  est.  qui  res  suas  ad  eccle- 
siara  donet  nisi  de  rebus  ecclesiasticis  aut  tantum  quantum  donavit  mit 
dupluni  aut  triplum  uhu  fructario  accipiat. 

1)  V.  Jnama-.Sternogg,  Deutsche  Wirtschaftsgeschichte  1  6.  'JU4. 

2)  Das  Güterverzeichnis  von  Horsfeld  (Brcviar.  s.  Lulli  Ztschr  d.  Vor. 
f.  hess.  Gesch.  X  S.  184,  auch  bei  Wenck,  ÜB.  II  S.  15  ü.  Nr.  12)  zählt  als 
von  Karl  geschenkt  auf:  420  Hüben  und  290  Mausen,  als  von  Lul  bis  zur 
Übergabe  an  Karl  erworben:  414  Hüben  343  Mausen,  als  seit  der  Übergabe 
geschenkt:  205  Hüben  und  113  Mausen.  Die  Gesamtzahl  wird  auf  1050 
Hüben  uml  795  Mansen  berechnet.  Die  Zahl  der  Mönche  war  150  (vgl. 
Hahn,  Bonif.  und  Lul  S.  284  f.). 

3)  S.  den  Index  chronol.  bei  Zeuss,  Tradit.  Wizenb.  S.  345  ff. 

4)  Wartniann,  ÜB.  I  S.  52 ff.;  neben  den  119  Schenkungen  nur  2  Kilufe. 

5)  Cod.  Lauresh.  I  S.  285  tf. 

6)  Bekanntlich  ist  ein  grosser  Teil  der  fuldischen  Urkunden  verloren; 
bei  Dronke,  (J.  D.  S.  20  tf.  finden  sich  demgeinäss  nur  248  Schenkungsur- 
kunden aus  der  Regierung  Karls.  Man  kommt  zu  der  im  Text  ausge- 
.sprochenen  Vermutung,  wenn  man  die  fuldischen  Traditionen  hinzunimmt, 
die  der  Mönch  Kberhard  im  12.  Jahrhundert  nach  den  ruldischcn  Kopial- 
büchern  des  9.  .Tahrhundert.s  herstellte  Kr  verzeichnet  ungofiihr  2000  Tra- 
ditionen, Dronke,  Tradit.  et  anti<i.  Kuld.  S.  5  ff. 

7)  Güterverzeichni.s  bei  Beyer  ÜB.  I  S.  142  Nr.  135.  Die  Summen 
nach  V.  Inama- Sternegg,  Gnindherrschaften  S.  41.  —  Über  den  Besitz  von 
St.  Maximin  vgl.  .Jörres,  West.l.  Ztschr.  Vlll  S.  234  f. 

8)  C'ap.  128,  7  ff.  S.  251.  Hier  auch  das  Inventar:  De  annona  nihil 
repperimus   excepto  quod   dedimus  provendariis  (  -  praebendarii,   qui  vic- 


—     215     — 

während  Karls  RegiCTimg  war,  ergiebt  der  Vergleich  mit  der  zu- 
nächst vorhergehenden  Zeit,  So  hatte  Weisseuburg  in  den  sechzig 
Jahren  seines  Bestandes  unter  den  Merowdngern  74  Erwerlnmgen 
zu  verzeichnen,  ihnen  stehen  die  111  Traditionen  in  den  46  Jahren 
Karls  gegenüber,  St.  Gallen  hatte  bis  zum  Jahr  768  nur  in 
6 — 8  Orten  des  heutigen  Württemberg  Grundbesitz  zu  eigen,  da- 
gegen sind  im  Jahr  800  in  76  Orten  St.  Gallische  (jüter  nach- 
gewiesen.^) Es  ist  nicht  zu  viel  gesagt,  dass  es  in  weiten  Gegenden 
wenig  Orte  gab,  in  denen  nicht  ein  grösserer  oder  kleinerer  Teil 
des  Grundes  und  Bodens  kirchlichen  Stiftungen  gehörte.  Im 
Elsass  sind  bis  zum  Jahr  900  überhaupt  bekannt  435  Ortschaften; 
in  399  unter  ihnen  ist  Grundbesitz  oi-tsfremder  Kirchen  nachweis- 
lich.-) Daran  partizipieren  41  Klöster  und  Stifter.-')  In  den  meisten 
Orten  war  eine  einzige  Stiftung  begütert,  in  anderen  drei,  vier  und 


tualia  recipiunt)  carradae  XXX;  qui  sunt  provendati  usque  ad  luissani  s. 
Johannis,  et  sunt  LXXII.  De  brace  (Malz)  modii  XII.  Caballum  domitum  I, 
boves  XXVI,  vaccas  XX,  taurura  I,  animalia  luinora  (.Tungvieh)  LXI,  vi- 
tulos  V,  vervices  LXXXII,  ao-nellos  XIY,  hircos  XVII,  capras  LVIII,  bedi- 
culos  XII,  porcos  XL,  porcellos  L,  aucas  (Hühner)  LXIII,  pullos  L,  vasa 
apium  XVII.  De  lardo  baccones  (Speckseite)  XX,  pariter  cum  minutiis 
(Würste),  unctos  (Schmalz)  XXVII,  verrem  occisum  et  suspensum  I,  forma- 
ticos  XL.  De  melle  sicclus  dimidius,  de  butiro  sicli  II,  de  sale  modii  V, 
de  sapone  sicli  III.  Culcita  (Matratzen)  cum  plumatiis  V,  caldaria  aerea  III, 
fei-rea  vero  VI,  gramacula  (Kesselhaken)  V,  luminare  ferreum  I,  tinas 
(Zuber)  ferro  ligatas  XVII,  falces  X,  falciculas  XVII,  dolaturas  (Beile)  VII, 
secures  VII,  coria  hircina  X,  pelles  vervicinas  XXVI,  sagenam  ad  pis- 
candum  I. 

1)  V.  Inama-Sternegg,  CTrundherrschaft  S.  37. 

2)  Ich  verweise  auf  den  instruktiven  Aufsatz  v.  Jans  in  d.  Ztschr.  f. 
Gesch.  des  O.-Rheins  Bd.  46  S.  193,  wobei  freilich  zu  bemerken  ist,  dass 
seine  Angaben  deshalb  nicht  ganz  genau  sind,  weil  er  auch  gefälschte  Ur- 
kunden benutzt.  Auch  das  ist  nicht  ausser  Acht  zu  lassen,  dass  die  erhal- 
tenen Urkunden  nur  einen  Teil  der  einst  vorhandenen  repräsentieren.  Der 
kirchliche  Besitz  war  demnach  noch  bedeutend  grösser,  als  es  uns  erscheint; 
endlich  muss  man  sich  erinnern,  dass  Angaben  über  den  Besitz  der  Orts- 
kirchen fehlen.     Auch  er  war  ohne  Zweifel  nicht  unbedeutend. 

3)  Strassburg  begütert  in  11  Orten,  Speier  1,  Chur  1,  Rheims  2,  Strass- 
burg  Domstift  2,  St.  Stefan  8,  St.  Thoraas  -5,  Andlau  8,  Ebersheimmünster  51, 
Erstein  1,  Eschau  7,  Haslach  4,  Hohenburg  lo,  Honau  41,  Lnberau  11,  Mas- 
münster 20,  Maurmünster  14,  Münster  im  Gregorienthai  24,  Murbach  71, 
Niedermünster  18,  St.  Avold  1,  St.  Pilt  8,  St.  Sigmund  3,  VVeissenburg  13.5, 
Ettenheimmünster  7,  Fulda  26,  Gengenbach  2,  Hornbach  2,  Etival  2,  Lu- 
xeuil  13.  Moyenmoutier  4,  St.  Denis  15,  St.  Die  4,  Senones  2,  Klingen- 
münster 1,  Lorsch  1,  Schuttern  1,  Schwarzach  14,  Granfelden  1,  St.  Gallen  5, 
Zürich  1. 


—     210     — 

mehr;')  in.UK-lmial  liMudcltc  es  sicli  nur  um  einen  Hof,  anderwärts 
scheint  schier  der  ganze  Ort  im  Besitz  der  Kirche  gewesen  zu  seiu.^) 

Weit  gi'össer  als  der  Besitz  der  jungen  deutsehen  Klöster  war 
der  Reichtum  der  alten  Stiftungen  des  Westens.  Der  Grundbesitz 
von  St.  Uermain  des  Pres  wird  auf  221.187  Hektar  mit  10.282 
Hörigen  herechnet.'')  Ist  die  Angabe  richtig,  dass  St.  Martin  in 
Toui"s  20,000  Hörige  hatte,"*)  so  darf  man  auf  einen  noch  bedeu- 
tendt^en  Grundbesitz  schhesseu.  St.  AVandrille  nannte  im  Jahr  788 
über  4000  Höfe  sein  eigen.'')  Unter  den  Kanonikaten  hielt  man 
diejenigen  für  arm,  welche  200 — 300  Hufen  besassen;  um  für  reich 
zu  gelten,  war  ein  Besitz  von  mindestens  8000  Gütern  nötig.") 

Xicht  in  demselben  Mass  wie  der  Besitz  der  Klöster  dehnte 
sich  der  der  übrigen  kirchlichen  Stiftungen  aus;  besonders  der 
Grundbesitz  der  Bistümer  war  wohl  in  der  Regel  kleiner  als  der 
der  mächtigen  Abteien:  wir  wissen,  dass  Augsburg  in  Karls  Zeit 
etwas  über  1500,')  Salzburg  etwas  ü1)er  1600  Höfe^)  besass.    Lyon 


1)  Z.  B.  in  Barr:  Ebersheimuiünster,  Niedormiinster,  Fulda,  Weissen- 
liurf?,  Honau.  In  Gemar:  St.  Pili,  Leberau,  St.  Denis,  St.  Gallen.  In 
Kinzheim:  Hohenburg,  St.  Pilt,  Zürich,  Chur,  Andlau,  Ebersmünster,  Eschau, 
Gengenbach  etc. 

2)  Von  den  Weissenburger  Traditionen  beziehen  sich  z.  B.  30  auf  das 
Dorf  Laubach  bei  Wiirtb;  5  davon  fallen  vor  Karl,  1  nach  Karl,  die  übrigon 
in  seine  Regierungszeit. 

3)  Guerard,  Polypt.  de  l'abbe  Irminon  I  S.  901  f. 

4)  S.  o.  S.  130. 

5)  Gest.  abb.  Font.  15  S.  45:  Mansi  integri  1326,  medii  238,  uian- 
operarii  18,  absi  158,  Mühlen  30;  dazu  die  verliehenen  Güter,  nian.si  int. 
2120,  med.  40,  manop.  235,  abs.  156,  Mühlen  24.  Dass  die  Einkünfte  der 
Klöster  sich  nicht  überall  auf  den  Ertrag  des  Grundbesitzes  beschränkton, 
zeigt  das  Verzeichnis  der  Einkünfte  von  St.  Riquier,  welches  Angilberts 
Nachfolger  Herich  anlegte;  von  der  Ortschaft  Centula  wurden  sehr  bedeu- 
tende Leistungen  erhoben;  die  Obhitio  am  Grab  Kichars  schätzte  man  auf 
wöchentlich  200—300  Mark  Silber,  ausser  den  übrigen  Geschenken  (Mab. 
A.  S.  IV,  1  S.  99  f.) 

6)  Conc.  Aquisgr.  a,  816  c.  122  (Mansi  XIV,  232):  In  locis  ubi  niaiorea 
facultates  sunt  ecclesiae,  verbi  gratia  tria  ant  quatuor  aut  certe  octo  et  eo 
amplius  millia  mansi  etc.  In  mediocribus  locis,  mille  aut  nu'Ilo  quingentos 
vel  certe  duo  millia  niansos  habentibus  etc.  In  minoribus  locis  ducentos 
aut  trecentos  mansos  habentibus. 

7)  C'ap.  128,  9  S.  252:  Habet  summa  Augustensis  episcopatus  mansos 
injjenuilea  vestitos  MVI,  absos  XXXV,  .serviles  vero  vestitos  CCCCXXI,  absos 
XXXXV.  ^fiinsi  ingenuiles  vestiti  sind  die  mit  freien,  mansi  serviles  vesti'ti 
die  mit  unfroicn  Hintersassen  besetzten  Höfe,  mansi  absi  die  nicht  zum 
Herrenhof  gehörigen,  aber  von  ihm  aus  bewirtschafteten  Hufen. 

8)  Indic.  Arnonis  (ed.  Keinz)  1869. 


—     217     — 

noch  weniger/)  Im  'Elsass  ist  in  der  Karolingerzeit  für  die  vier 
Bistümer  Strassburg,  Sjieier,  Rheims  und  Chiir  zusammen  nur  in 
15  Orten  Grundbesitz  nachzuweisen.-)  Hier  lag  vermutlich  der 
Grund,  weshalb  Karl  so  häufig  den  Bischöfen  zugleich  Abteien 
Übertrag."^) 

Am  wenis;sten  wissen  wir  über  den  Besitz  der  Ortskirchen, 
der  sich  nun  vöUig  von  dem  der  bischöfhchen  Kirche  schied.  Sie 
waren  zum  grossen  Teil  Eigenkirchen,  d.  h.  sie  standen  im  Besitz 
der  Grundherren.  Es  konnte  deshalb  vorkommen,  dass  Kirchen 
oder  Kapellen  völlig  besitzlos  Avaren.^)  Sie  bildeten  dann  nur  ein 
Zubehör  des  Gutes.  Aber  gewöhnhch  war  das  ohne  Zweifel  nicht, 
sondern  in  der  Eegel  wird  zur  Kirche  abgesehen  vom  Pfarrhaus'^) 


1)  Vgl.  den  Bericht  Leidrads  M.G.  Ep.  IV  S.  544  Nr.  30.  Nach  ihm 
standen  zur  Verfügung  Leidrads  727  an  Hintersassen  vergebene  und  33  selbst 
bewirtschaftete  Höfe,  seiner  2  Chorbischöfe  Amalbert  und  Agobard  30  und 
17,  bezw.  44  und  4;  St.  Stephan  mit  52  Kanonikern  hatte  83  und  50,  St. 
Paul  mit  24  Kanonikern  und  12  Armen  22  und  21,  das  Hospital  St.  Romans 
22  und  10,  das  St.  Genesiushospital  6  und  2,  das  Nonnenkloster  St.  Peter 
188  und  47,  das  Martinskloster  auf  Ile  Barbe  105  und  53,  das  Kloster  St. 
Ragnebert  40.  Eine  Vorstellung  von  den  Einkünften  von  Rheims  giebt  die 
Notiz  Flodoards  (H.  Rem.  eccl.  II,  18  S.  466):  Reditus  villarum  quarundam 
ecclesiae  in  elemosina  .  .  distributi,  quibusdam  adhuc  descriptionibus  tunc 
(c.  814)  factis  leguntur;  in  quibus  inveniuntur  inter  Termidum,  Grandem- 
pratum,  Vindicum,  FarvlUam,  Gramadum,  Pidum,  Cadevellum  et  Cortem 
Magnaldi  in  distributione  elemosinae  de  annona  modii  1985,  de  animalibus 
inter  maiora  et  minora  capita  168.  Item  inter  villas  Fagum  sive  Boleticum 
et  alias  quasdam  annonae  modii  1052,  vini  modii  64,  salis  modii  V  cum 
diversis  animalibus  et  aliis  variis  rebus  expensa;  ad  opus  quoque  fratrum 
Orbacensis  coenobii  quantum  sufficeret  eis.  Unde  datur  intelligi  in  maiori- 
bus  quoque  locis  multo  tunc  plura  fuisse  dispensata. 

2)  Vgh.  S.  215   Anm.  3. 

3)  S.  S.  202  Anm.  3. 

4)  unter  Ludwig  d.  Fr.  beklagten  sich  die  Bischöfe,  es  gebe  zahlreiche 
Kirchen  mit  keinem,  oder  nur  geringem  Grundbesitz  (Cap.  178,  5  S.  367). 
Nun  wird  man  zwar  die  jjleraeque  ecclesiae  und  das  nihil  aut  parum  quid 
exterius  nicht  allzu  wörtlich  fassen  dürfen.  Aber  wenn  die  Schwestern 
Gerlind  und  Irmindrud  i.  J.  836  mit  anderem  Besitz  unam  capellam  cum 
duabus  capsis  et  reliquo  ornatu  im  Dorfe  Sondheim  vor  d.  Rhön  an  Fulda 
geben  (Dronke,  C.  D.  S.  218  Nr.  492),  so  ist  klar,  dass  das  Kirchlein  sonst 
nichts  be.sass.  Stutz,  Benefizialwesen  S.  164  Anm.  54  verweist  auf  eine 
italienische  Kirche  quae  nullum  adiutorium  habet  nisi  decimam. 

5)  Cap.  128,  10  S.  252  f.  ist  die  casa  dominicata  bei  den  Kirchen  von 
Hessheim  und  Unkenstein  wohl  als  Pfarrhaus  zu  verstehen.  Meichelbeck 
Hist.  Frising.  I,  2  S.  106  Nr.  151  ist  die  ecolesia  cum  domo  wohl  auch 
Kirche  mit  Pfarrhaus. 


—     218     — 

und  (Il'111  S;illaii(l  ')  iimli  v'uw  ,ü;rössere  ocler  kleinere  An/alil  von 
Hüten  i^eliört  liaben.  Dass  dii'  von  Karl  geifriintleten  14  Slawen- 
kirclu'ii  nur  je  einen  Hof  besassen,  ersdiien  als  unj^enüijfeiKle  Aus- 
stattuni;.-)  Aller  (in  Dureliselniitt  lässt  sieh  hier  nielit  ziehen;  denn 
neben  Angaben  über  verhältnismässig  sehr  grossen  Besitz")  fehlt 
es  nicht  an  solchen,  die  eine  dürftige  Ausstattung  zeigen.')  DlVen- 
bar  waren  die  lokalen  Verschiedenheiten  sehr  gross. 

^('un    darf  man   freilich    den  Reichtum  der  Kirchen  nicht  ein- 

1)  Das  ist  der  mansus,  super  quem  primitus  ecclesia  aeilificata  est, 
wie  es  in  der  Form,  iiiij).  40  S.  318  lieisst.  Ludwig  verfügte  818  Cap.  138,10, 
dass  unicuiquo  ecclesiae  unus  mansus  integer  absque  alio  servitio  ad- 
tribuatur,  et  presbyteri  in  eis  constituti  .  .  non  do  doinibus  ne(iue  de  atriis 
vei  hortis  iiixta  ecclesiara  positis  nequo  de  praescripto  manso  ahquod  sor- 
vitium  faciant.  Vgl.  auch  Trad.  Wizenb.  S.  207  Nr.  I'IT.  Ipso  vilari,  iilii 
ipsa  ecclesia  superstabilitum  est.  Dronke  C.  D.  S.  218  Nr.  493,  wo  eine 
Kirche  cum  loco  suo  in  der  Nordheimer  Mark  an  Fulda  geschenkt  wird. 

2)  Form,  imper.  40  S.  318. 

3)  Allgemeine  Krwähnungen  des  Besitzes  der  Kirchen  sind  in  don  Ur- 
kunden sehr  häuHg,  vgl.  z.  B.  Tradit.  Wizenb.  S.  191  Nr.  200;  S.  196 
Nr.  205;  S.  207  Nr.  217  u.  ö.:  Trad.  Fuld.  S.  125  Nr.  44,  i;  Wartmann, 
UJ5.  1  S.  16  Nr.  13;  S.  24  Nr.  20;  S.  80  Nr.  85;  S.  89  Nr.  94;  S.  98  Nr.  1U4-. 
l'B.  V.  Oberüsterreich  I  S.  455  Nr.  28;  S.  460  Nr.  38;  S.  464  Nr.  44  u.  ö. 
Hi'iibo  .Ausstattung  lässt  sich  nachweisen  z.  B.  von  der  iui  .lahr  772  <^e- 
gründeten  Kirclie  in  Willmaudingen,  OA.  Reutlingen;  sie  wurde  von  ihrem 
Stifter  dotiert  mit  8  Casaten,  12  Hüben  und  32  Hörigen  (Wartmann,  ÜB.  I 
S.  65  Nr.  66).  Im  Jahr  773  wurde  die  Dotation  vermehrt  um  11  Hüben 
und  42  Hörige  (1.  c.  S.  68  Nr.  70).  Ferner  von  der  Kirche  in  Dürrmonz, 
OA.  Maulbrunn;  sie  besass  ausser  dem  Frohnhof  cum  solario  lapidoo  et  casa 
lignea,  einem  Hot  mit  (lebäuden  und  einer  Mühle  an  der  Knz,  7  Höfe  in 
Dürrmenz,  Besitz  in  4  anderen  Orten  und  52  Eigenleute  (Cod.  Lauresh.  H 
S.  446  Nr.  2337).  Geringer  ist  der  Besitz  in  Hessheim  und  Inkenstein;  er 
besteht  au.sser  dem  Frohnhof  in  4,  bezw.  6  Hörigenhöfen  und  etwas  Wein- 
borg und  Wiese  (Cap.  128,  10  S.  252).  Ebenso  zu  (iunthcim  im  Wormsgau. 
Die  dortige  Kirche  hatte  auf  ihrem  (Irundbesitz  im  .lahr  71)1  14  Hörige 
(Cod.  Lauresh.  1114,  H  S.  116).  Zu  der  Kirche  in  Mcckenheim  bei  Speier 
gehörten  im  Jahr  831  atrium  curtis  et  caaa  cum  diversis  mansionibus,  9  Leib- 
eigene, 95  Morgen  Ackerland,  4Vv;  Morgen  Weinberg  und  Wiesen  für 
6  Fuder  Heu  (Beyer,  Mittelrh.  ÜB.  I  S.  67  Nr.  59). 

4)  Werden  Form.  Senon.  12  S.  217  als  Ausstattung  einer  neu  errich- 
teten Kirche  2  Mansen  und  l'/»  Aripennen  Acker  und  Weinberg  genannt, 
80  i.st  dies  noch  nicht  das  dürftigste.  Die  Kirche  in  Brizenhoim  besass  bei 
ihrer  Übergabe  an  Fulda  nur  die  areola  in  qua  aedificata  est  und  einen 
Weinborg.  Doch  wurde  sie  gleich  bei  der  Übergabe  reichlicher  ausgestattet 
(Dronke  C.  D.  S.  34  Nr.  52  f.).  Über  Besitz  der  Kirchen  in  Westfrankroich 
8.  Stutz,  Benetizialwesen  S.   174;    Imbart  de  la  Tour,  Rev.  bist.   63  S.  25  f. 


—     219     — 

fac'li  nach  der  Auscieliiiimg  des  Grundbesitzes  bemessen.  Gross- 
wirtschaft triel)en  selbst  die  Klöster  nicht,  sondern  überall  war  der 
Besitz  anfgelöst  in  eine  Eeihe  von  Kleinwirtschaften.  Auch  waren 
die  Leistunoen,  zu  welchen  die  Xutzniesser  vernfliclitet  Avaren.  in 
der  Regel  gering.^)  Manchmal  scheinen  sie  nur  festgesetzt  Avorden 
zu  sein,  um  das  Besitzrecht  der  Kirche  nicht  in  Vergessenheit 
konnnen  zu  lassen.-)  Fulda  z.  B.  war  trotz  seines  grossen  Ijesitzes 
kein  reiches  Kloster,  es  konnte  geradezu  Mangel  eintreten.-^)  Aber 
das  hob  nicht  auf,  dass  die  Verschiebung  des  nationalen  Besitz- 
standes, welche  in  dem  Anwachsen  des  Kircheugiits  lag,  für  die 
Gesundheit  der  sozialen  Verhältnisse  höchst  bedenklich  war.  Die 
Verminderung  der  Zahl  der  Gemeinfreien,  die  Vermehrung  der 
Zahl  der  Hörigen,  welche  in  der  letzten  MeroAAängerzeit  begonnen 
hatte,  setzte  sich  ungehindert  fort.  Denn  wie  die  Kirche,  so  Avaren 
auch  die  grossen  Familien  bestrebt,  den  Umfang  ihres  Besitzes,  die 
Zahl  der  von  ihnen  abhängigen  Leute  stetig  zu  vermehren."*)  Das 
freie,  gleichberechtigte  Volk  verschwand  mehr  und  mehr;  es  spaltete 


1)  Eine  Vorstellung  giebt  das  Inventar  von  Staflfelsee  (Cap.  128,  8 
S.  252).  Von  den  mansi  ingenmles  hatten  6  jährlich  zu  leisten:  je  14  Scheifel 
Getreide,  4  Frischlinge,  eine  Partie  Flachs,  2  Hühner,  10  Eier,  1  Sextar 
Leinsamen,  1  Sextar  Linsen,  5  Wochen  Frohndienst,   3  Morgen  zu  pflügen, 

1  Fuhr  Heu  zu  mähen  und  einzufahren,  endlich  das  Sehaarwerk.  Andere 
6  Höfe  hatten  2  Morgen  zu  bestellen,  3  Fuhren  Heu  zu  mähen  und  einzu- 
führen, 2  Wochen  zu  fröhnen.  4  Höfe  hatten  9  Morgen  zu  bestellen,  3  Fuhren 
Heu  zu  mähen,  6  Wochen  zu  fröhnen,  den  Wein  zu  fahren,  1  Morgen  zu 
düngen  und  10  Fuhren  Holz  zu  geben.  Von  den  19  mansi  serviles  hatte 
jeder  jährlich  1  Frischling,  5  Hühner  und  10  Eier  zu  geben,  4  Ferkel  zu 
mästen,  ^k  Morgen  zu  pflügen,  3  Tage  in  der  Woche  zu  fröhnen,  Fuhren 
und  Vorspann  zu  leisten.  Die  Frauen  hatten  zu  spinnen  und  zu  weben, 
Malz  zu  dörren  und  Brot  zu  backen.  Vgl.  v.  Inama-Sternegg,  Grundherrschaft 
S.  81;  er  zählt  über  30  verschiedene  Produkte,  welche  von  den  dienenden 
Mausen  zu  liefern  waren. 

2)  Vgl.  Waitz,  VG.  IV  S.  179  und  v.  Inama-Sternegg,  Deutsche  Wirth- 
schaftsgeschichte  I  (1879)  Beilage  III  S.  510  f. 

3)  Vgl.  die  Urkunde  Ludwigs  vom  4.  Februar  836  (B.M.  923):  Kaba- 
nus .  .  nostrae  notescere  studuit  maiestati  monachos  sibi  commissos  .  .  maxi- 
mam  vestimentorum  pati  penuriam  neque  prorsus  consequi  valere,  unde 
tante  multitudini  sufficientiam  vestium  procurare  possit.  Zur  Beleuchtung 
verwendete  man  in  Fulda  Schweinefett,  da  man  kein  Olivenöl  hatte.  Lud- 
wig d.  Fr.  versprach  den  Mönchen,  um  dem  Mangel  abzuhelfen,  einen 
Olivengarten  in  Italien,  hielt  aber  sein  Versprechen  nicht,  Ep.  Fuld.  fragm. 

2  M.G?  Ep.  V  S.  517. 

1)  Vgl.  V.  Inama-Sternegg,  Deutsche  Wirthschaftsgeschichte  I  S.  287  f. 
Ausbildung'  der  Grundherrschaften  S.  54  tf. 


—     220     — 

sich  in  Stiiiidc  wclclic  mit  sein-  uiifj^lciclKMi  Roclitoii  cinniuler  gcgcii- 
übei'standen.  A\'ir  wei-dcii  solion.  wolclie  tiefgroifeii(lcii  Folgen  das 
iVn-  die  kirehliclio  Entwickelnng  Initte. 

Es  ist  die  dunkelste  Seite  der  glanzvollen  Eegierung  Karls, 
dass  er  der  fortschreitenden  Vernichtung  des  Volks  nicht  energischer 
entgegentrat.  An  Einsicht  in  die  üblen  Folgen,  welche  das  An- 
■wachsen  des  Kirchenguts  hatte,  fehlte  es  ihm  nicht.  Alxu-  durch- 
gri'ifeiide  Massregeln,  welche  dem  Fortschreiten  des  Übels  hätten 
Einhalt  thun  kciimen,  unterblieben.  Sie  waren  unmöglich;  denn  sie 
hätten  die  religiösen  Anschauungen  verletzt,  welche  Karl  teilte.  Er 
war  wie  alle  seine  Zeitgenossen  davon  iil)erzcugt,  dass  di'v  Ver- 
zicht auf  eigenen  Besitz  zu  Gunsten  eines  kirchlichen  Instituts  ver- 
dienstlich sei.^)     Dadurch  waren  ihm  die  Hände  gebunden. 

Wenn  man  diese  Sachlage  erwägt,  so  erscheint  es  begreiflich, 
dass  Karl  unverriickt  daran  festhielt,  dass  der  König  ein  gewisses 
Verfügungsrecht  über  das  Kiirbengut  habe.  Diese  Anschauung 
hatte  sich  unter  seinen  Vorfdn-en  gebildet;  das  öftentliche  Urteil 
nahm  keinen  Anstoss  an  ihr.'-)  und  sie  bot  die  Möglichkeit,  die 
Masse  des  Kirchenguts  dem  allgemeinen  Interesse  dienstbar  zu 
niaclicii.  Karl  verfügte  dciiii  auch  in  ausgedehntem  Masse  über 
kirchliche  Güter.'')  In  Kheims  nahm  er  den  Gesamtbesitz  des  Bis- 
tums in  eigene  Verwaltung;"*)  in  Metz,  Toni  und  Venlun  hängt 
vielleicht  die  Erledigung  der  Bistümer  mit  ähnlichen  Verhältnissen 
zusanmien : '•)    in  Tiiei-  wurde    der   grösstc  Teil  der    Pjnkünfte  dem 

1)  Vgl.  z.  J3.  Cap.  39,  6  S.  113:  Qui  res  suas  pro  aninia  sua  ad  casam 
Dci  tradere  voluerit;  und  die  Eingangsformoln  seiner  Schenkungsurkunden, 
z.  B.  Schenkung  Holzkirchens  an  Fulda:  Quicquid  ad  loca  sanctorum  veno- 
rabilium  congruenter  ob  amorem  Dei  concedimus  vel  confirmanuis,  hoc  nobia 
ad  mercedem  vel  stabilitatem  regni  nostri  provenire  confidiinus. 

2)  V.  Wal.  II.  4  S.  470.  Conc.  Aciuisgr.  a.  836  c.  19  (Mansi  XIV 
S.  694):  Monasteria  .  .  non  debere  saecularibus  dari,  canonica  prodit  aucto- 
ritas  .  .  .  Sed  quia  id  exigit  reipublicae  necessitas  etc.  Hralian  sagte  ge- 
radezu: Sunt  .  .  possessiones  i.stius  raonasterii  et  ecclesiao  ad  eam  pertinentes 
l»roprieta8  doininicalis,  quae  domino  iniperatori  ex  paterna  successione 
haereditario  iure  provenit,  ?]p.  Fuld.  fragin.  10  S.  520. 

3)  Nicht  hieliergehörig  ist  die  Vergel)ung  königlicher  Kirchen  als  Lohon 
oder  zu  lebenslänglichem  Eigentum,  die  sehr  häufig  war,  s.  Stutz,  Benc- 
fizialwesen  S.  164  ff. 

4)  Urkunde  Ludwigs  bei  Flodoard.  H.  Rem.  eccl.  II,  19  S.  469:  (Carolus) 
eundem  episcopatum  contra  salutem  suam  aliquamdiu  tenuerat  et  in  suos 
u.<»us  contra  ecclesiasticas  regulas  et  res  ac  facultates  ecclesiae  ipsius  ex- 
pcnderat 

5)  Vgl.   S.   203   Anm.   2.      Man    beachte,    dass    in    diesem    Landstrich 


—     221     — 

Bischof  entzogen  unct  dem  Grafen  überlassen.^)  Als  Karl  Episkopat 
und  Grafschaft  in  Chur  schied,  führte  die  Auseinandersetzung  zu 
dem  grössten  Schadeu  des  Bistums.'^)  Vor  allem  hörte  Karl  nicht 
auf,  Kirchen  guter  als  Lehen  zu  vergeben ;  bald  ganze  Klöster,  bald 
einzelne  Besitzungen.  Eine  Menge  Kirchen  kam  dadurch  in  Laien- 
hände ;-^)  aus  den  Eigenleuten  der  Klöster  wurden  Dienstleute 
Fremder.-')  Es  machte  wenig  Unterschied,  _ ob  der  König  sell)st 
solche  Lehen  erteilte,  oder  ob  Bischöfe  oder  Abte  auf  seinen  Befehl 
die  Verleihung  vollzogen:  in  jedem  Fall  war  sein  Wille  massgebend.'^) 
Auf  diese  Weise  sollte  das  Kirchengut,  dessen  Vermehrung 
nicht  zu  hindern  war,  dem  Staat  nutzbar  werden.  Aber  wie  die 
Dinge  einmal  lagen,  hatte  nicht  das  Volk  den  Gewinn  von  Karls 
Massregeln,  sondern  derselbe  fiel  zum  grössten  Teil  dem  aufkom- 
menden   neuen    Adel    zu.'')     Die    Entstehung    geistlicher   Fürsten- 

zwischen  Maas  und  Rhein  das  karolingische  Hausgut  lag  (Bonnell,  Anfänge 

S.  76  ff.). 

1)  Urkunde  Ludwigs  IV.  vom  19.  September  902  (Beyer,  Mittelrh. 
TJB.  I,  150  S.  214):  Treviricae  civitatis  monetam,  theoloneum,  censales,  tri- 
butum  atque  medemam  agrorum  cum  fiscalibns  horainibus,  quae  quondam 
tempore  Uuiomadi  eiusdem  urbis  archiepiscopi  de  episcopatu  abstracta  et 
in  comitatum  conuersa  fuissent,  etc. 

2)  S.  die  Eingabe  Viktors  an  Ludwig  d.  Fr.  M.Q.  Ep.  V  S.  309  Nr.  7. 

3)  Vgl  Stutz,  Benefizialwesen  S.  182. 

4)  Amico  von  Murbach  an  Karl,  Form.  Alsat.  5  S.  331:  Alii  homines 
per  alios  comitatos  dicunt  se  ipsos  (die  mancipia  des  Klosters)  in  vestro 
beneficio  habere. 

5)  Cap.  20,  13  (a.  779)  S.  50:  Sit  discretio  inter  precarias  de  verbo 
nostro  factas  et  inter  eas  quae  spontanea  voluntate  de  ipsis  rebus  eccle- 
siarum  faciunt.  35,  56  (a.  802?)  S.  104:  Qui  per  beneficium  domni  impera- 
toris  ecclesiasticas  res  habent.  46,  18  (a.  806)  S.  132:  Cuncti  fideles,  qui 
beneficia  regalia  tam  de  rebus  ecclesiae  quamque  et  de  reliquis  habere 
videntur.  Urkunde  für  Alkuin  vom  3.  Juni  800  (B.M.  346):  Divina  paren- 
tibus  nostris  nobisque  pietas  potestatem  contulit  totius  monasterii  s.  Mar- 
tini, rerumque  illius  facultatem  dandi  cui  voluissemus.  Form.  Sal.  Merk.  61 
S.  262.  Form,  imper.  6  S.  291  f.  (Güter  v.  St.  Johannis  in  Angers).  Lud- 
wigs d.  Fr.  cap.  138,  29  (a.  818  oder  819)  S.  279:  De  bis  rebus,  quae  nuper 
necessitate  compellente  a  nonnullis  ecclesiis  sunt  ablatae.  Bischof  Gerfrid 
von  Münster  fordert  826  einen  Hof  zurück,  den  der  Graf  Liutrig  per  vesti- 
turam  Karoli  inne  hatte  (cap.  155,  2  S.  314).  Agobard,  De  disp.  eccl.  rer.  4 
S.  271:  Quod  de  sacris  rebus  in  laicales  usus  inlicite  translatis  dicimus,  non 
fecit  iste  dominus  Imperator  (Ludwig)  sed  praecessores  eius.  Über  die  Art 
der  Verleihung  s.  Waitz,  VG.  IV  S.  189  f.  Übrigens  hat  auch  Ludwig  d.  Fr. 
Benefizien  aus  Kirchengut  erteilt  (Form.  imp.  21  S.  302):  Ex  largitione 
nostra.     Man  sieht,  wie  fest  die  Sitte  war. 

6)  Vgl.  Waitz,  VG.  IV  S.  182  f. 


—     222     — 

tiinier  liat  Karl  aufiiolialten ;  die  Uiiibildung  des  Yolksstaat«  in  den 
Jjehensstaat  ging  jedoch  unaufhaltsam  weiter.  Und  auch  jenes 
Ankämpfen  gegen  che  l^ikhnig  geisthcher  Fürstenmacht  hheh  nni- 
eine  halhe  ^fassregcl.  Denn  durch  die  regehnlissige  Verleihung  der 
Immunität  an  die  kirchlichen  Stiftungen.')  durch  die  Verwendung 
der  Ihschüfe  zur  Jiüsung  staatlicher  Aufgahen  wurde  den  kiri-h- 
lichen  INIännern  eine  politische  Stellung  angewiesen,  die  sie  an  die 
Spitz(^  des  Volks  erhob. 

Hier  tritt  der  iVIangel  eines  klaren  sozialpolitischen  Ziels  an 
den  Tag.  Nicht  nur  die  jMenschen,  auch  die  Zustände  lassen  sich 
heherrschen;  aber  dieser  Gedanke  iehlte  dem  Mittelalter:  deshalb 
wai'  Karl  gross  als  Feldherr,  glücklich  als  Politikei'.  erfolgreich  in 
der  Fcirderung  der  Bildung,  aber  machtlos  gegenüber  der  Ver- 
schiebung der  sozialen  Verhältnisse,  die  sich  voi'  seinen  Augen 
vollzog,  die  er  missbilligte  und  gegen  die  er  doch  inu'  mit  höl/einen 
Waffen   kämpfte. 

Wenn  Karl  über  das  Kirchengut  ziendich  willkiiilieh  verlügto. 
so  sollten  dadurch  die  kirchlichen  Institute  eines  festen  Einkommens 
nicht  beraubt  werden.  Im  (icgenteil,  es  lag  ganz  im  Geiste  seiiun- 
Verwaltung,  dass  ei'  :iul  Sicherung  dei'  kii'chlichen  Pjinkünfte  Be- 
dacht nahm.  Zu  diesem  Zweck  erneuerte  und  bestätigte  er  ältere 
kirchliche  ^'orschriften.  Es  w;ir  voidem  Sitte  gr-wesen,  dass  die 
Kleriker  über  ihr  VeriiM'igen  zum  P>esten  der  Kii'che  testierten."-') 
Das  scheint  ausser  l'buiig  g(Ocomnien  zu  sein.  .Jetzt  wurde  kirch- 
licherseits  gefordert,  dass  von  dem  Besitz  der  Priester  wenigstens 
dei-  Teil  der  Kirche  zidalle.  den  sie  nach  ihrer  Weihe  ei-worben 
hätten.'')  Karl  erkannte  dies  \'erlangen  :ils  berechtigt  an.^)  Ijängst 
erhob  die  Kirche  .\nspi-uch  auf  die  Ix'istung  des  Zehnten  als  auf 
ihr  Beeilt.'')  Allein  das  zähe  Gedächtnis  des  Volks  für  öffentliche 
Beeilte  und  Lasten  hatte  nicht  vergessen,  dass  der  Zehnte  msprüng- 
lich  eine  freiwillige  (i.-ibe  war:  man  wollte  von  einer  V'erpllichtung 
nichts  wissen,     Karl  stellte  .sich,  wie  schon  sein  Vater,")  aui'  Seite 


1)  Karl  vnrleilit,  bozw.  bestätigt  »li(>  Immunitüt  der  bLschiinichon  Kir- 
chen v.w  Trier  (Ü.M.  142),  Met/.  (174>,  Speier  (245),  Worms  (517),  Sal/.burg 
(58R),  Wiirzburj,'  (742l.  Über  den  regoliiiiLsHigcii  liibalt  der  linmnniliU  h. 
Md.  I  S.  876  .\nm.  3;  vgl.  Waifz  V(i.  IV  8.  3UÜ  I". 

2)  Vgl.  1!<1.  1    S.   18;-if.;   Conc.  Paris,  von  014  can.  1»,  In.   12  S.   1.S8  f. 

3)  Stat.  Bonif.  11  (Man.si  XII  S.  3M4).  Über  di.'  Herkunft  dieser  Sta- 
tuten 8.  unten. 

4)  Cap.  28,  41  (a.  71)4)  S.  77;  Ml,  10  (a.  yiU— 813)  S.  178. 
0)  Vgl.  Bd.  I  S.  137. 

6)  C'aji.  17  8.  42:  Sic  previdere  faciatiH  et  ordinäre  de  verbo  nostro, 
ut  unuflquisque  homo,  aut  vellet  aut  noUet,  suaiu  deciniani  donet. 


—     223     — 

der  Kirche:  er  gebot  die  ausnahmslose  Entrichtung  dieser  Abgabe.'') 
Die  Durchführung  seiner  Vorschriften  Hess  er  durch  die  Königs- 
boten ül)erwachen.-)  In  der  Leistung  des  Zehnten  ging  er  selbst 
mit  gutem  Beispiel  voran,  indem  er  die  Verwalter  der  Königshöfe 
ausdrücklich  7,u  gewissenhafter  Erfüllung  der  Zehntpflicht  anwies.^) 
K^un  ist  freilich  nicht  zu  bezweifeln,  dass  es  Grundbesitzer  gab.  die 
sich  der  Leistung  der  widerstrebend  übernommenen  Pflicht  zu  ent- 
ziehen wussten.  Weder  Ermahnungen,  noch  geistliche  und  bürger- 
liche Strafen  konnten  das  verhindern.^)  Aber  ebenso  sicher  ist, 
dass  der  grösste  Teil  der  Bevölkerung  die  Zehnten  w^irklich  ent- 
richtete, und  dass  dadurch  das  kirchliche  Einkommen  sehr  bedeu- 
tend erhöht  wurde.'')    Die  grossen  Zehntbesitzer,  die  Bistümer  und 


1)  Cap.  20,  7  (a.  779)  S.  48;  24,  11  (a.  789)  S.  65;  26,  17  (a.  775—790) 
S.  69;  28,  25  (a.  794)  S.  76;  36,  6  (a.  801)  S.  106;  78,  7  (a.  813)  S.  174; 
83,  3  (a.  813?)  S.  181;  84,  7  (vor  800;  Boretius  weist  dies  Kapitulare  mit 
einem  „vielleicht"  dem  Jahr  813  zu;  da  aber  c.  10  ein  missus  domni  regis 
genannt  wird,  so  wird  es  älter  sein  als  800)  S.  182;  87,  3  f.  (787—813) 
S.  186.  Vgl.  die  Beschlüsse  der  Synoden  von  813  (Arles  c.  9  S.  60;  Mainz 
c.  58  S.  73;  Rheims  c.  38  S.  81).  Über  die  angebliche  Zehntfreiheit  der 
Thüringer  s.  Bd.  UI  S.  731  Anm.  1. 

2)  Cap.  34,  17  S.  101. 

3)  Cap.  32,  6  (a.  800)  S.  83. 

4)  Dass  die  Zehntleistung  vielfach  unterlassen  wurde,  zeigen  Ermah- 
nungen wie  die  in  einer  Predigt  aus  St.  Gallen  Baluz.  IT  S.  1376,  Beicht- 
formeln wie  bei  Alkuin,  De  us.  ps.  11,  10  S.  499  f.,  die  Beschwerden  des 
Konzils  von  Tours  813  (can.  46  S.  90),  thörichte  Massregeln  wie  die  von 
Hraban  getadelten  Ep.  Fuld.  fi-ag.  16  S.  521,  besonders  die  strengen  Straf- 
bestinimungen  (cap.  87,  3  f.  [a.  787 — 813]  S.  186):  A  quibus  deciniae  retente 
sunt,  de  prima  contentu  fl.  retentu)  sit  culpavilis  qui  eas  retenuit  solidos  VI, 
ipsa  decima  sub  iuramento.  De  secundo  componat  bannum  no.strum  (d.  h. 
60  solidi),  et  eidem  sacerdoti  qui  preest  solidos  VI  sit  culpavilis  et  tamdiu 
extra  eeclesia  excommunicetur  donec  sacerdoti  satisfaciat;  de  tertio  autem. 
ut  sacrilegus  habeatur,  sit  in  exilium  missus  et  res  eius  in  fiscum  nostrura 
redigantur. 

5)  Ein  Anhaltspunkt  zur  Schätzung  des  durchschnittlichen  Ertrags  der 
Zehnten  für  die  Kirche  fehlt.  Die  einzige  mir  bekannte  Notiz,  die  man 
hieher  ziehen  kann,  ist  Ale.  ep.  298  S.  457.  Darnach  forderte  Raganbert 
von  Limoges  von  den  Priestern  seiner  Diözese  jährlich  IV2  Scheffel  Brot, 
1  Eimer  Wein,  4  Scheffel  Hafer,  6  Käse,  100  Eier  und  eine  angemessene 
Menge  von  Fischen,  Hülsenfrüchten  und  Gartengewächsen.  Das  ist  doch 
wohl  als  Durchschnitt  des  dem  Bischof  zukommenden  Zehntviertels  zu  be- 
trachten. Der  Zehnte  ist  überall  vom  Ertrag  des  Grundbesitzes  zu  leisten. 
Darüber  hinaus  geht  die  Forderung  Theodulfs  von  Orleans,  welcher  den 
Zehnten  auch  vom  Ertrag  des  Handels  beanspruchte  (cap.  35  Migne  105 
S.  202). 


—     224     — 

Klöster,  wussten  das  zu  schätzen :  sie  waren  bedacht  sich  über  ihre 
Rechte  khir  auseinander  zu  setzen.')  Aber  nach  Lage  der  Dinge 
werden  die  (Irtskirchen  den  grössten  Gewinn  davon  gehabt  hal)en, 
dass  die  Zelintleistung  nun  staathch  überwacht  wurde.  EndUch 
solhe  auch  das  veilichene  Kircliengut  der  Kiivhe  einen  gewissen 
P^rtrag  gewähren.  Es  mag  in  einzehien  Fidlen  schon  vor  Karl 
üblich  gewesen  sein,  dass  vou  Kirchenlehen  der  Neunte  entrichtet 
wurde;  bei  der  allgemein  herrschenden  Naturalwirtschaft  zog  man 
dies  wohl  einer  Geldabgabe  vor.-)  Karl  machte  diese  Einrichtung 
allgemein,  ermässigte  jedoch  zugleich  die  von  Karlmann  eingeführte 
Geldzahlung.'^)  Ausserdem  wurden  die  Inbaljcr  von  Lehen  aus 
dem  kirchlichen  Eigentum  verpflichtet,  die  Lehensgiiter  in  gutem 
Stand  zu  halten'*)  und  die  l^iaulast  an  den  kirchlichen  Gebäuden 
zu  übernehmen.'') 

Karl  d.  Gr.  ist  der  erste  deutsche   Fürst,  welcher  den  AVert 


1)  Vgl.  den  zwischen  Wolfger  von  Würzburg  und  Ratgar  von  Fulda 
815  abgeschlossenen  Vertrag,  Kckhart,  Franc.  Orient.  II  S.  867  f.  Nr.  2  (ich 
habe  gegen  diese  Fassung  kein  Bedenken,  der  Zweck  der  Fälschung  Eber- 
hards Dronke  Nr.  323  S.  156  ist  durchsichtig),  und  die  Verständigung  zwi- 
schen Otgar  von  Mainz  und  Kl.  Hersfeld  i.  J.  845,  Annal.  Ilild.,  Quedl., 
Weissenb.  z.  d.  J.  M.G.  Scr.  III  S.  46,  Lamb.  z.  d.  J.  S.  24  f.  Das  Recht 
Zehnton  von  den  eigenen  Besitzungen  zu  erhoben,  hat  Fulda  von  Karl  er- 
halten, B.M.  1468. 

2)  Ich  stimme  der  Annahme  zu,  dass  von  der  Einführung  des  Neunten 
durch  Pippin  nicht  die  Rede  sein  kann  (s.  Waitz,  VG.  IV  S.  193;  Abel, 
JB.  S.  325);  jedoch  möchte  ich  nicht  geradezu  sagen,  dass  der  doppelte 
Zehnt  jetzt  zuerst  eingeführt  wurde  (Waitz  a.  a.  0.).  .Tctlonfalla  war  das 
die  Anschauung  des  nur  wenig  jüngeren  langobardischen  Bearbeiters  des 
Kapitulars  von  Heristall  nicht.  Er  fasst  Karls  Bestimmung  in  die  Worte: 
Si  inde  usque  nunc  ad  partem  aecclesiae  decima  et  nona  exivit,  et  nunc 
inantea  faciat.  Daraufhin  scheint  mir  <lio  im  Text  gegebene  Fassung 
möglich. 

3)  Cap.  20,  13  (779)  S.  50:  De  rebus  ecclesiarum,  unde  nunc  ceusus 
exeunt,  decima  et  nona  cum  ipso  censu  sit  soluta;  et  unde  antea  non 
exierunt,  sirailiter  nona  et  decima  detur,  atque  de  casatis  quinquaginta  soli- 
dum  unum,  et  de  casatis  triginta  dimidium  aolidum  et  de  triginta  trimisse 
uno.  Die  .\bgabe  betrug  nach  c.  2  des  Cap.  Lipt.  S.  28  einen  Solidus  von 
jeder  Casata.  Die  Bestimmung  über  die  Neunten  wiederholt  cap.  28,  25 
(a.  794)  S.  76;  34,  17  (a.  802)  S.  101;  35,  56  (a.  802)  S.  104;  59,  2 
(a.  803—813)  S.  146;  84,  12  (vor  800)  S.  183;  vgl.  auch  Form.  imp.  21 
S.  301.  Von  der  Leistung  des  Neunten  war  entbunden,  wer  zur  Frohnarbeit 
verpflichtet  war. 

4)  Cap.  35,  49  (a.  802)  8.  104;  49,  4  (a.  807)  S.  136. 

5)  Cap.  21,  2  (a.  789;  S.  65;  28,  26  (a.  794)  S.  76;  35,  56  S.  104;  Conc. 
Arel.  (a.  813)  c.  25;  Mog.  (a.  813)  c.  42. 


—     225     — 

einer  geordneten  Administration  klar  erkannte.  In  allen  Zweigen 
des  Staatslebens  suchte  er  sie  einzuführen.  Es  entspricht  dem,  dass 
er  auch  über  die  Verwaltung  der  kirchlichen  Einkünfte  genaue 
Vorschnften  erhess.  Er  veranlasste  vor  allem  die  Liventarisierung 
des  Kirchenguts. ^)  Sodann  bestimmte  er.  dass  bei  jeder  Kirche 
ein  Verzeichnis  der  zehntpflichtigen  Höfe  angelegt  werde;'-)  auch 
über  die  eingehenden  Zehuten  war  Buch  zu  führen.'^)  Den  Zustand 
des  kirchhchen  Besitzes  hatten  die  Königsboten  zu  untersuchen, 
die  darüber  dem  König  berichteten.'*)  Ebenso  wui'de  die  Verwen- 
dung kontrolliert:  die  Verteilung  der  Zehnten  für  die  verschiedenen 
kirchhchen  Zwecke ')  musste  hi  Anwesenheit  von  Zeugen  ge- 
schehen.*^) Auch  von  dem  übrigen  Besitz  sollte  nichts  verschleudert 
werden. ') 

Man  sieht,  Kai'l  wollte  eine  geordnete  Verwaltung,  er  unter- 
liess  jedoch  eine  neue  Gesetzgebimg  über  das  Kirchengut. 

1)  Cap.  80,  7  (a.  811— 813j  S.  177;  vgl.  die  Formeln  128  S.  250  ff. 

2)  Cap.  81,  10  (a.  810—813)  S.  178.  Die  Frage,  welcher  Kirche  der 
einzelne  Ort  oder  Hof  zehntpflichtig  sei,  machte  vielfach  Schwierigkeiten, 
da  fortwährend  neue  Kirchen  entstanden.  Karl  stellte  den  Grundsatz  auf: 
Ut  ecclesiae  antiquitus  constitutae  nee  decima  nee  alia  nulla  possessione 
priventur,  ita  ut  novis  tribuatur  ecclesiis  (cap.  78,  19  a.  813  S.  174;  vgl. 
42,  2  f.  a.  803—804  S.  119;  Hefeies  Inhaltsangabe,  CG.  III  S.  746,  ist  hier 
irreführend;  Conc.  Arel.  a.  813  c.  20  f.;  Mog.  a.  813  can.  41).  Für  die 
königlichen  Güter  bestimmte  Karl,  dass  der  Zehnte  stets  an  die  auf  den- 
selben errichteten  Kirchen  geleistet  werde,  wenn  nicht  ältere  Rechte  in 
Frage  kamen  (cap.  32,  6  a.  800  S.  83).  Abweichend  verordnete  die  Synode 
von  Chalon  s.  S.  (a.  813)  c.  19:  Familiae  ibi  dent  decimas  suas,  ubi  infantes 
eorum  baptizantur  et  ubi  per  totum  anni  circulum  missas  audiunt.  Vgl. 
Form.  Senon.  12  S.  217. 

3)  Cap.  36,  7  (a.  801)  S.  106. 

4)  Cap.  49,  4  S.  136. 

5)  Cap.  36,  7  wird  eine  Dreiteilung  der  Zehnten:  für  Instandhaltung 
der  Kirche ,  für  Arme  und  Fremde ,  für  den  Priester  verfügt.  Den 
Einfluss  des  Bischofs  auf  die  Verteilung  wahrt  cap.  81,  4  (a.  810 — 813) 
S.  178.  Die  bairische  Synode  von  Riesbach  teilt  den  Zehnten  nach  römi- 
scher Weise  in  vier  Teile,  indem  hier  auch  der  Bischof  einen  Teil  erhält 
(cap.  112,  13  S.  228).  Dass  das  letztere  üblich  war,  lehrt  die  ürk.  Meichel- 
beck  I,  2  S.  121.  Es  scheint  auch  ausserhalb  Baierns  ziemlich  allgemein 
gewesen  zu  sein:  man  findet  es  bei  Haito  von  Basel  (cap.  177,  15  S.  364) 
und  Theodulf  von  Orleans  (cap.  II,  Migne  105  S.  209).  Über  Raganbert 
von  Limoges  s.  oben  S.  223  Anm.  5. 

6)  Cap.  36,  7  S.  106. 

7)  Cap.  46,  4  (a.  806)  S.  131.  Der  Grand:  Quia  dictum  est  nobis,  quod 
negotiatores  Judaei  necnon  et  alii  gloriantur,  quod  quicquid  eis  placeat, 
possint  ab  eis  emere. 

Hauck,  Kirchengeschichte.    II.    2.  Aufl.  15 


—     226     — 

Dagegen  ergab  sicii  die  Notwendigkeit  gesetzlicher  Bestim- 
mungen bezüglich  der  vt»n  Grundherren  auf  ihrem  Grund  und 
Boden  enichteten  Kirchen.^)  Sie  fügten  sich  nicht  unter  die  älteren 
Mimischen  Verordnungen;  -mr  eriimeru  uns,  dass  Pai)st  Zacharias 
demgemäss  zn  vei'hindern  gesucht  hatte,  dass  Eig(>nkirchen  jemals 
die  Kc'chte  ötfenthcher  Kirchen  erhielten:  sie  sollten  Privatkapellen 
mit  Uüvnllständigem  Gottesdienst  bleiben."')  Aber  die  Durchführung 
dieser  Anordnung  war  unmöglich.  Denn  nicht  nur  widersprach  sie 
dem.  was  im  fi-änkischen  Reiche  Rechtens  war,  sondern  besonders 
beruhte  die  immer  noch  sehr  notwendige  Vermehrung  der  Gottes- 
häuser voiTiehmlich  auf  der  Zunahme  der  Zahl  der  Eigenkirchen. 
Sie  zu  hemmen  konnte  also  Karl  nicht  in  den  Sinn  kommen. 
Allein  die  Rechts])ildung  in  Bezug  auf  die  Eigenkirche  war  unvoll- 
kommen: es  war  ein  AN'iderspruch,  dass  sie  als  Taufkirche  einer 
Gemeinde  diente,  und  dass  der  Grundherr  doch  das  Recht  hatte, 
in  jedem  Augenblick  sie  als  sein  Eigentum  abbrechen  oder  schliessen 
zu  lassen.  Diesen  Punkt  hat  Karl  geregelt:  er  schränkte  die  Frei- 
heit Kirchen  zu  erbauen  nicht  ein,  er  beseitigte  auch  nicht  das 
Eigentumsrecht  der  Grundherren:  nach  wie  vor  wurden  die  Kirchen 
vererbt  und  konnten  sie  verkauft  oder  verschenkt  werden.  Nur 
insofern  wurde  die  freie  Vertilgung  des  Eigentümers  ül)er  seineu 
Besitz  beschränkt,  als  es  ihm  nicht  zustand,  die  einmal  gegründete 
Kirche  wieder  zu  zerstören:  sie  musste  für  ihren  Zweck  erhalten 
bleiben.'^)  Ergänzend  trat  die  weitere  Bestimmung  hinzu,  dass 
auch  der  Besitz  der  Kirche  ihr  stets  ungemindert  verbleiben  müsse."*) 
Bereits  bestehende  Reclite  konnten  durch  den  Neubau  von  Kirchen 
nicht  aufgehoben  werden.  Demgemäss  sollten  die  Zehnten  älterer 
Kirchen  diesen  bleiben.'^) 

Karls  Anordnungen  sind  von  AVert  für  seine  Beurteilung  als 
Gesetzgeber:  er  unteiljess  es,  neue  Rechtsnormen  aufzustellen,  wenn 


1)  Vgl.  zum  Folgenden  Stutz,  Benefizialwesen  S.  223  ff. 

2)  S.  oben  S.  10. 

3)  Cap.  28,  54  (a.  794)  S.  78:  De  ecclesiis  quae  ab  ingeniii.s  hominibu« 
construuntur:  licet  eas  tradere,  vendere,  tantumiiiodo  ut  eeclesia  non  de.stru- 
atur,  sed  serviuntur  cottidie  honore.s.  Vgl.  Cup.  42,  8  fa.  803— 804)  S.  119: 
Quicumque  voluerit  in  aua  proprietate  ecclesiam  aedif'icare,  .  .  licentiam 
habeat.     Über  den  Vorbehalt  der  Zustimmung  des  Biechofa  s.  u. 

4)  Cap.  .33,  15  (a.  802)  S.  94:  De  rebus  ipee  basilicae  nemo  ausus  sit 
in  divisione  aut  in  sorte  mittere.  Et  quod  semel  offeritur,  non  revolvatur 
et  sanctificetur  et  vindicetur. 

5)  Cap.  42,  3  S.  119:  Omnino  praevidendum  est,  ut  aliae  eccleniae 
antiquiores  propter  hanc  occadionem  nullat«nu.s  suam  iustitiam  aut  decimam 
perdant.     Cap.  78,  19  (a.  813>  S.  17t. 


—     227     — 

sie  nicht  notwendig  waren;  wenn  er  aber  Gesetze  gab,  so  schloss 
er  sich  dabei  eng  an  die  gegebenen  Verhältnisse  an.  Nicht  die 
kirchliche  Eegel,  sondern  die  Sachlage  im  fi-änkischen  Reich  war 
flu'  seine  Entscheidnngen  massgebend. 

Man  kann  die  gleighe  Bemerknng  an  dem  Eherecht  machen. 
Pippin  hatte  in  gewissem  Masse  das  ft"änkische  Recht  den  kano- 
nischen Bestimmungen  angenähert.^)  Doch  war  der  Unterschied 
zwischen  dem,  was  an  der  Kurie,  und  dem.  was  im  fi'änkischen 
Reich  als  verbotene  Ehe  betrachtet  und  behandelt  -sMU'de,  immer 
noch  gross  genug.  An  Übereinstinunung  in  Bezug  auf  die  Ehe- 
scheidung und  die  Wiederverheiratung  Geschiedener  war  vollends 
nicht  zu  denken.  Karl  änderte  in  der  Kapitulariengesetzgebung  in 
dieser  Hinsicht  nichts:^)  er  begnügte  sich  die  bischöfliche  Disziplinar- 
gewalt in  Bezug  auf  verbotene  Ehen  anzuerkennen;  aber  als  ver- 
boten galten  nach  wie  vor  nur  die  Ehen  bis  zum  fünften  Verwandt- 
schaftsgrad."^)   Er  wiederholte  die  Bestimmung  seines  Vaters  gegen 


1)  Vgl.  oben  S.  41  f. 

2)  Ketterers  Behauptung,  dass  im  Zeitalter  Karls  die  rückhaltlose  An- 
erkennung der  kirchlichen  Ehegesetzgebung  sich  vollzogen  habe  (S.  146), 
ist  geradezu  erstaunlich.  Denn  bekanntlich  nimmt  die  Kapitulariengesetz- 
gebung so  gut  wie  keine  Rücksicht  auf  das  Ehewesen.  Die  einzigen  hieher 
gehörigen  Verordnungen  sind  die  im  Text  angeführten:  1.  Anerkennung 
der  bischöflichen  Disziplinargewalt  gegen  homines  incestuosi,  Cap.  20,  5 
S.  48;  33,  38  S.  98  und  2.  Wiederholung  des  9.  Kap.  von  Soissons  (Cap. 
12,  9  S.  30)  22,  43  S.  56  und  35,  22  S.  103. 

3)  Das  unter  Karl  in  dieser  Hinsicht  geltende  Recht  ergiebt  sich  mit 
aller  wünschenswerten  Klarheit  aus  den  Bestimmungen  Haitos  von  Basel 
Cap.  177,  21  S.  305.  Hier  sieht  man  1.  dass  Ehen  nur  bis  zum  5.  Ver- 
wandtschaftsgrad als  verboten  galten ,  vgl.  dagegen  das  päpstliche  Recht 
S.  10    Anm.  4    und    Bd.  1    S.   461    Anm.  1.     2.    Dass    im    Fall    Verwandte 

4.  Grades  verheiratet  waren,  die  Ehe  zwar  als  unrecht  galt,  aber  toleriert 
wurde:  non  separentur.  3.  Dass  bei  Verwandtschaft  im  3.  Grad  zwar  die 
Scheidung  vorgenommen  wurde,  aber  die  Verheiratung  der  Getrennten  mit 
anderen  Personen  zulässig  war.  4.  Dass  nur  bei  Ehen  in  der  Verwandt- 
schaft 1.  und  2.  Grades  die  Getrennten  niemals  wieder  heiraten  durften. 
Solche  Verbindungen  belegte  Karl  überdies  mit  Strafe,  Cap.  56,  3  S.  143. 
Mit  den  Kap.  Haitos  sind  zu  vgl.  die  sog.  Cap.  Remedii  5,  ein  im  Anfang 
des    9.  Jahrh.'s    zur  Lex  Rom.  Raet.  Cur.    gemachter  Zusatz,    M.G.  Leg.  V 

5.  443,  die  sehr  lehrreiche  Bemerkung  Hrabans  ep.  29  S.  446:  Quod  pro- 
ximis  temporibus  Rom.  pontificum  scripta  continent  usque  ad  VI.  vel  VII. 
generationem  coniugii  usum  esse  differendum  magis  ex  consuetudine  humana 
quam  ex  lege  divina  hoc  eos  praecepisse  credendum  est ,  und  die  Bestim- 
mungen der  Bussbücher,  Schmitz,  Bussbücher  II  S.  126  ff.  Erst  die  Mainzer 
Synode  von  813  c.  54  Mansi  XIV  S.  75  dehnt  das  Verbot  auf  den  4.  Ver- 
wandtschaftsgrad aus.  aber  diese  Bestimmung  wurde  nicht  in  das  Aachener 

15* 


—     228     — 

die  Wiederverheiratung  Geschiedener;  aber  dabei  kann  nur  an  will- 
kürlich Geschiedene  gedacht  worden  sein.  Denn  solchen,  deren 
Ehe  aus  einem  berechtigten  Grund  gelöst  war,  stand  regelmässig 
die  Wiederverheiratun.i^  zuJ) 

Dass  Karl  Rechtsoi-dnungen  bestehen  liess,  obgleich  sie  den 
kirchlichen  Geboten  nicht  entsprachen,  bedingte  nicht  einen  prinzi- 
piellen Gegensatz  gegen  das  von  der  älteren  Kirche  ausgel)ildete 
Recht.  Seine  Stellung  war  im  wesentlichen  keine  andere  als  die 
der  t'ränkischen  Könige  seit  Chlodowech.  Alan  beugte  sich  der 
Autorität  der  kirchlichen  Vergangenheit  und  erkannte  deshalb  ihre 
Gesetze  als  giltig  an,  aber  man  liihi*te  sie  nm'  so  weit  aus,  als  sie 
den  fränkischen  Rechtsanschauungen  nicht  widersprachen.^)  Es  ist 
keine  Frage,  dass  man  in  Rom  wünschte,  Karl  über  diese  Linie 
hinauszudrängen.  Als  er  sich  im  Jahr  774  in  Rom  aufhi(>lt.  be- 
schenkte ihn  Papst  Hadrian  mit  einer  Abschrift  der  kirchlichen 
Rechtssammlung  des  Dionysius."')  Dem  Geschenk  war  eine  Wid- 
mung in  Versen  beigegeben,  vielleicht  das  barbarischeste  Gedicht, 
welches  das   8.  Jahrhundert  hervorgebracht  hat.^)     Aber  aus    den 


Kajtitular  aufgenommen.     Ilraban  hat  sie  auf  der  Mainzer  S^-node  von  847 
wiederholt  (Cap.  248,  30  S.  183). 

1)  Dass  es  in  Bezug  auf  die  Anerkennung  berechtigter  Gründe  nicht 
gerade  streng  genommen  wurde,  beweist  das  Urteil  Otgars  von  Mainz  op. 
Fuld,  fr.  40  S.  533,  nicht  nur  Karls  eigenes  Beispiel.  Man  vgl.  Form.  Sal. 
Merk.  18  S.  248,  wo  als  Scheidungsgrund  nur  disoordia  (ob  hoc  ad  invicem 
feibi  adversantur  et  minime  po.'^sunt  se  habere)  genannt  ist.  Noch  unter 
Ludwig  d.  Fr.  war  die  Wiederverheiratung  nur  ausgeschlossen  bei  böslicher 
Verlassung  oder  bei  der  Hinrichtung  der  Frau  sine  culpa  (Cap.  193,  3 
a.  829  11  S.  18).  Auf  dem  Mi.ssionsgebiet  ging  man  noch  weiter,  vgl.  Lex 
Fris.  add.  III:  Si  quis  illicitas  nuptias  contraxerit,  separabitur  ab  uxore  sua 
et  liceat  tam  ei  quam  et  uxori  legitime  nubere;  Cap.  de  part.  Sax.  20  S.  69, 
hier  wird  die  verbotene  Khe  lediglich  mit  f4eld  gebüsst. 

2)  Vgl.  Bd.  I  8.  1.50;  407  f.  u.  ö.  und  Bd.  11  8.  10. 

3)  Eckhart  (Comm.  I  S.  768)  erwähnt  eine  Würzburger  Handschrift  des 
codex  canonum,  welche  die  Bemerkung  trägt:  Iste  codex  est  scriptus  de 
illo  authentico,  quem  domnus  Hadrianus  apostolicus  dedit  gloriosissimo 
Carolo  regi  Francorum  et  Langobardorum  ao  patricio  Romanorum  quando 
fuit  Romac.  Die  Beziehung  dieser  Notiz  auf  das  .Jahr  774  i.st  jetzt  allge- 
mein (s.  Abel,  JB.  I  S.  179  f.).  Den  Inhalt  der  Sammlung  bildeten  die  50 
Bog.  apostolischen  Kanones,  die  Beschlüsse  der  Synoden  von  Nicea,  Ancyra, 
Neocäsarea,  Gangra,  Antiochien  (.341;,  Laodicea,  Konstantinopel,  Chalcedon, 
Sardica,  Karthago  (419),  päpstliche  Dekretalen  von  Siricius  —  Gregor  II. 
(8.  Maaasen,  Geschichte  der  Cjuellen  des  kanon.  Rechts  I  11^701  S.  444  tf.; 
Richter-Dove,  KR.,  8.  Aufl.,  S.  76  f.). 

4)  Poet.  lat.  I  S.  90. 


—     229     — 

vielen  Worten,  die  zum  Teil  nicht  zu  verstehen  sind,  hebt  sich  ein 
sehr  bestimmt  ausgesprochener  Gedanke  empor:  Das  kirchliche 
Gesetz  ist  imüberwindlich;  glücklich,  wer  es  beobachtet:  weiche  nie 
von  ihm.  indem  du  diese  Vorschriften  erfüllst.^)  Das  konnte  nicht 
missverstanden  werden.  Karl  nahm  das  Geschenk  an;  aber  er 
that  nichts,  um  die  Zustände  zu  ändern,  welche  den  kirchhchen 
Ordnungen  zuwider  waren,  geschweige  denn,  dass  er  je  diese  Deki-ete 
als  von  nun  an  im  fränkischen  Reich  giltiges  Recht  bekannt  gemacht 
hätte.-)  Sie  galten  nach  dem  Jahr  774  genau  so  weit,  als  sie  vor 
demselben    gegolten    hatten:   wie  Pippin   an  kü'chliche  Rechtssätze 


1)  V.  1 :  Divina  fulgens  doctrina  sceptra  praecellit  regni. 
V.  5:  Nusquam  enim  vinci  potest  disciplina  caelestis. 

Olim  eam  sumens  paterni  triumphans  regni 
Exemplum,  quo  devota  fides  victoria  gaudet. 
V.  45:  A  lege  nunquam  discedi  haec  observans  statuta. 

2)  So  Rettberg.  Er  spricht  von  Annahme  des  damals  bestehenden 
kanonischen  Rechts  zu  voller  C4eltung  im  fränkischen  Reich  und  lässt  die 
Veröffentlichung  durch  das  Kapitular  vom  23.  März  789  erfolgen  (KG.  D.'s  I 
S.  426);  ebenso  Abel  (JB.  S.  180).  Allein  die  admonitio  generalis  setzt 
voraus,  dass  die  canonica  instituta  befolgt  werden  müssen.  Seit  namque, 
hält  Karl  den  Bischöfen  vor,  prudentia  vestra,  quam  terribili  anathematis 
censura  feriuntur  qui  praesumtione  contra  statuta  universalium  conciliorum 
venire  audeant  (cap.  60  S.  57).  Auf  Grund  dessen  erinnert  Karl  an  eine 
Reihe  kanonischer  Vorschriften,  welche  er  nach  der  Dionysio-Hadriana 
zitiert.  Aber  das  war  nicht  mehr,  als  was  Chlothachar  II.  ebenfalls  gethan 
hatte,  wenn  er  in  seinem  Edikt  vom  18.  Oktober  614  bestimmte,  ut  canonum 
statuta  in  omnibus  conserventur,  et  quod  per  tempore  ex  hoc  praetermissum 
est  vel  dehac  perpetualiter  conservetur  (cap.  9,  1  S.  21).  Volle  Geltung 
aber  hatte  das  kanonische  Recht  nach  789  ebensowenig  als  nach  614,  Das 
beweisen,  um  nur  zwei  Punkte  anzuführen,  die  Ernennungen  der  Bischöfe 
und  die  Unterwerfung  der  Geistlichen  unter  das  weltliche  Gericht,  die  in 
Strafsachen  statthatte.  Ebensowenig  ist  es  richtig,  dass  auf  der  Aachener 
Synode  von  802  die  Dionysio-Hadriana  förmlich  rezipiert  wurde  (Maassen 
a.  a.  0.  S.  469).  In  Aachen  geschah  nichts  anderes,  als  was  vorher  und 
nachher  auf  anderen  Synoden  auch  geschah:  man  verlas  kanonische  Vor- 
schriften und  bekannte  sich  dadurch  zu  der  Verpflichtung,  sie  zu  beobachten 
(Ann.  Lauresh.  z.  J.  802  S.  39  und  Chron.  Moiss.  S.  306;  vgl.  Bonif.  ep.  78 
S.  351  über  die  Synode  von  747  und  Syn.  Mog.  [a.  813]  praef.  S.  64). 
Jedoch  unbedingte  Geltung  hatten  die  kanonischen  Vorschriften  auch  nach 
802  nicht,  und  hatten  sie  so  lange  nicht,  als  man  nicht  die  Kirche  dem 
Staat  überordnete.  Nur  dies  ist  richtig,  dass  seit  774  die  Kanones  aus 
der  Dionysio-Hadriana  zitiert  wurden.  Aber  sie  hatten  Geltung,  nicht  weil 
sie  in  dieser  Rechtssammlung  standen,  sondern  weil  sie  Beschlüsse  der  all- 
gemeinen Kirche  repräsentierten.  Jene  Sammlung  aber  benützte  man,  weil 
sie,    um    mit    den    Worten  jener    Würzburger    Handschrift    zu    reden ,    die- 


—     230     — 

ennnert  hatte,  so  tliat  es  auch  Karl,  und  so  wenig  sich  jener  (hncli 
sie  gel)un(len  liiflt.  so  wenig  dieser:  seine  Voi'schriften  waren  bald 
Wioderht »hingen  älterer  Synodalheschlüssc.  bald  Verfügungen,  die 
er  kraft  seiner  Königsgewalt  nach  Beratung  mit  seinen  Grossen 
erliess:  beide  wurden  als  ganz  gleichwertig  neben  einander  gestellt.') 
Die  Anerkennung  des  kanonischen  Kechts  hob  die  Thatsache  nicht 
auf,  da*  der  König  der  oberste  Leiter  der  ü'änkischen  Kirche  war. 
seiiu'  Geltung  hatte  deshalb  ihre  Grenzen  an  der  Macht  des  Königs 
und  dem  Gesetz  des  Volks. 

PVagt  man  nun.  was  Karl  für  die  Kirche  und  durch  die 
Kirche  erstrebte,  so  ist  unverkennbar,  dass  er  sie  als  ehrwürdige 
und  mächtige  Institution  verehrte  und  dass  er  in  ihr  die  wertvollste 
Stütze  für  die  Ausbreitung  der  Kultur  erkannte.  Beides  beweist 
seinen  klaren  Blick.  Grösser  jedoch  ist  er  darin,  dass  er  der  reli- 
giösen Aufgabe  der  Kirche  volles  A'erständnis  entgegenbrachte.  In 
allen  seinen  Massregeln  tritt  das  hervor,  mögen  sie  sich  auf  das 
Amt  der  Bischöfe,  auf  die  Thätigkeit  der  Priester  oder  auf  die 
Zustände  der  Gemeinden  beziehen. 

Was  das  erete  aidangt,  so  erhielt  der  Episkopat  durch  ihn 
jene  leitende  Stellung  innei'halii  der  Diözesen,  welche  Bonifatius 
und  Pijipin  für  ihn  erstrebt  hatten.  Die  noch  vorhandenen  Reste 
konkuirierenden  Einflusses  wui-den  beseitigt:  AVander-  und  Dorf- 
bisdicife  verschwanden.-')  die  Chorbischöfe  fügten  sich  als  unter- 
geordnete Gehilfen  unter  die  Herrschaft  des  Bischofs:"')  die  ge- 
saniti-  ( Jeistlichkeit  wurde  seiner  Aufsicht  unterworfen.^)    Sein  Ein- 


authentische Fassung  der  Kanones  darbot:    war    sie    doch  durch  den  Ver- 
treter der  kirchlichen  Tradition,  den  Bischof  von  Rom,  verbürgt. 

1)  Vgl.  cap.  22,  1—59  und  60—82  S.  58  ff. 

2)  Cap.  19,  4  (a.  769)  S.  45;  22,  19  (a.  789)  S.  55,  Erneupruncr  do.s  57. 
can.  von  Laodicea  und  des  6  can.  von  Sardica;  28,  22  (a.  794 1  8.  70;  vgl. 
Conc.  Cal)il.  (a.  813)   can.  43  S.  102. 

3)  Cap.  22,  9  S.  .54;  47.  4  (c.  a.  806)  S.  133;  hier  erscheinen  die  Chor- 
bischöfe als  vicarii  episcoporuin.  So  sind  wolil  amh  Ainalbnrt  und  Agobard 
unter  Leidrad  von  Lyon  zu  betrachten,  Leidrad  np.  ad  Carol.  M.*;.  Kp.  iV 
S.  544.     Vgl.  auch  Cod.  Carol.  3,  1  8.  481. 

4)  Cap.  20,  4  (a.  779)  8.  47;  22,  10,  28  f.,  37  (a.  789)  8.  55  f.;  33,  21 
(a.  802)  S.  95;  84,  4—6  (vor  800)  8.  182;  vgl  Conc.  Arel.  (a.  813j  can.  24 
S.  62;  Mog.  (a.  813)  can.  22,  31  S.  71  f.  \>hsh  die  Durchführung  Schwierig- 
keiten hatte,  ergiebt  sich  au.'«  cap.  73,  1  (a.  811)  8.  164;  jedoch  waren  die 
Zustände  unter  Karl  besser  als  früher;  vgl.  Conc.  Tiir.  fa.  813)  c.  13  8.  !^5 : 
Ne  aliquis  presbytor  ab  alterius  parochia  in  suam  commigrans  officium 
celebrare  pmesumat  sine  Uteri»  eommendatitiis,  sicut  olim  multis  in  locis 
actum  esse  repertum  est. 


—     231     — 

fluss  erstreckte  sich  awf  alle  kirchlichen  Institute  seines  Sprengeis: 
auch  die  Eigenkirchen  wurden  von  ihm  visitiert:  er  hatte  üher  ihre 
würdige  Ausstattung  und  ühei'  den  Gottesdienst  in  ihnen  zu  wachen.^) 
Kein  Giiindherr  konnte  eine  Kapelle  ohne  seine  Zustimmung  er- 
richten.-) an  keiner  Kirche  konnte  ein  Kleriker  ohne  seinen  AVillen 
angestellt  oder  entlassen  werden."^)  Die  Klöster  mussten  sich 
wieder  "svie  vordem  in  vielen  Stücken  der  hischöflichen  Aufsicht 
unterordnen:  sie  ei-streckte  sich  nicht  nur  auf  das  kirchhche  Ver- 
halten der  Rehgiosen  im  allgemeinen,  sondern  auch  auf  die  Be- 
obachtung der  Regel,  die  Bestellung  der  Klosterbeamten,  bei  Nonnen- 
klöstern selbst  auf  die  Aufnahme  neuer  Mitglieder  und  die  Grün- 
dmig  neuer  Konvente."^)  Aber  dadurch  die  Bischöfe  zu  Fürsten 
zu  machen.  Avar  nicht  nach  dem  Sinn  des  Königs:  er  verwarf  es, 
wenn  sie  sich  in  die  Geschäfte  der  Grafen  mischten.'^)  und  miss- 
bilhgte  es,  wenn  sie  einen  glänzenden  Hof  hielten  oder  sich  mit 
bewaifiaetem  Gefolge  umgaben.^)  Sie  sollten  sich  nicht  als  HeiTen, 
sondern  als  Hii-ten  der  Kirche  Christi  fühlen.')    Karl  erinnerte  sie 


1)  Cap.  42.  1  (a.  803—804)  S.  119:  77,  1  (a.  801—813)  S.  170;  83,  4 
(a.  813?)  S.  182:  84,  8  (a.  813?)  S.  182.  In  diesen  Bestimmungen  sind  die 
Bischöfe  ausdrücklich  genannt ;  77,  1  auch  die  königlichen,  sowie  die  Eigen- 
kirchen erwähnt.  Nicht  genannt  sind  die  Bischöfe  33,  15  fa.  802)  S.  94 
und  81,  5  f.  (a.  810—813)  S.  178.  Doch  sind  sie  in  beiden  Stellen  gemeint. 
Mit  der  bischöflichen  Aufsicht  konkurrierte  die  der  Königsboten  s.  40,  1 
(a.  803)  S.  115;  43.  8  (a.  805)  S.  121.  Die  Niederreissung  einer  überflüssigen 
Kirche  konnte  nach  40,  1  nur  der  Königsbote  anordnen. 

2)  Cap.  42,  3  (a.  803—804)  S.  119;  57,  6  (a.  801—814)  S.  144.  Vgl. 
Stutz  S.  225  f. 

3)  Cap.  19,  9  (a.  769)  S.  45;  38,  12  (a.  802)  S.  110;  78,  2  f.  (a.  813) 
S.  173;  81,  2  (a.  810—813)  S.  178:  83.  7  (a.  813)  S.  182;  vgl.  33,  21  (a.  802) 
S.  95;  Conc.  Arel.  (a.  81-3)  c.  4  S.  59  f.;  Mog.  c.  29  S.  72;  Tur.  c.  15  S.  85; 
Cabil.  c.  42  S.  102. 

4)  Cap.  23,  19  (a.  789)  S.  63:  der  Bischof  bestimmt,  wo  ein  Nonnen- 
kloster passend  errichtet  werden  kann;  28,  17  S.  76:  (a.  794j  die  Abtswahl 
per  consensu  episcopi.  ib.  47  S.  77:  die  Bischöfe  haben  zu  untersuchen,  ob 
die  Äbtissinnen  nach  der  Kegel  leben;  33,  15,  17,  18,  20  (a.  802)  S.  94 f.: 
Disziplinarbefugnis  des  Bischofs  über  die  Mönche,  Anstellung  weltlicher 
Güterverwalter  mit  Zustimmung  des  Bischofs,  Aufsicht  des  Bischofs  über 
Annahme  von  Nonnen;  77,  1  (vor  802)  S.  170:  Visitation  der  Klöster  durch 
den  Bischof;  84.  4  (vor  800)  S.  182:  kanonische  Gewalt  der  Bischöfe  über 
die  Klöster;  Conc.  Mog.  (a.  813)  c.  20  S.  70:   Visitationsrocht. 

5)  Cap.  71,  5  (a.  811)  S.  161. 

6)  Cap.  72,  8  und  11  (a.  811)  S.  163  f. 

7)  Cap.  22  (a.  789)  praef.  S.  53:  Placuit  nobis  vestram  rogare  soler- 
tiam,    0   pastores   ecclesiarum    Christi   et   ductores  gregis  eius  et  clarissima 


—     232     — 

an  den  Vntei"schied  zwischen  der  Herrschaft,  welche  Zwangsmittel 
verwendet,  und  der  Leitung,  welche  sich  auf  ethische  Einwirkung 
beschränkt.')  Wie  er  selbst  in  jedem  Augenblick  König  war  und 
als  König  handelte,  so  sollten  sie  in  jedem  Moment  in  der  Aus- 
richtimg ihres  Amtes  aufgehen.  Deshalb  forderte  er,  dass  sie  sich 
regehnässig  in  ihren  Diözesen  aufhielten.  Er  legte  solches  Gewicht 
hierauf,  ^lass  er  ihnen  die  Erlaubnis  verweigerte,  länger  als  drei 
Wochen  auf  ihrem  Eigengut  zu  verweilen.-)  Auch  die  äusseren 
Geschäfte,  welche  mit  der  Güterverwaltung  und  dem  Rechtswesen 
zusammenhingen,  sollten  sie  nicht  von  ihrer  eigenthchen  Aufgabe 
abziehen.  Mit  Rücksicht  darauf  förderte  der  König  die  Aufstellung 
von  Kirchen  Vögten.  Die  Einrichtung  war  nicht  neu.  Längst  vor 
Karl  liessen  Bischöfe  und  Abte  Rechtsgeschäfte  durch  Bevollmäch- 
tigte vollziehen.'')  AVas  üblich  war,  wurde  von  ihm  geboten;  zu- 
gleich empfahl  er  Sorgfalt  in  der  AusAvahl  der  Personen.  Die 
Yögte  sollten  in  der  betreffenden  Grafschaft  begütert  sein;  man 
sollte  sie  als  gesetzeskunchge.  bilhgdeukende  und  friedfertige  Männer 
kennen.    Jeder  Missbrauch  ihrer  Macht  sollte  verhütet  werden.'*) 

Unter  den  Amtspflichten   der  Bischöfe    hob    Karl    neben    der 
Sorge  ftir  die  Bildung  des  Klerus  besonders  die  regelmässige  Vor- 


mundi  luminaria,  ut  vigili  cura  et  sedula  animonitione  populum  Dei  ad 
paecua  vitae  aeternae  ducere  studeatis  et  errantes  oves  bonorum  exem- 
plorum  seu  adhortationum  huraeris  intra  ecclesiasticae  firmitatis  muros  re- 
portare  satagimini  etc.  Vgl.  72,  2  (a.  811)  S.  162  und  Äuaserungen  Alkuins 
wie  ep.  184  S.  310;  193  S.  321;  225  S.  368  f. 

1)  Cap.  33,  11  (a.  802)  S.  93;  (Episcopi)  non  potentiva  dominationera 
vel  tyrannide  sibi  subiectos  premant,  sed  simplici  dilectionem  cum  man- 
suetudinem  et  caritatem  vel  exemplis  bonorum  opernm  commissa  sibi  grege 
sollicite  custodiant. 

2)  Cap.  22,  41  (a.  789)  S.  56;  28,  41  (a.  794)  S.  77. 

3)  Vgl.  Foruiul.  Marc.  I,  36  S.  66. 

4)  Cap.  33,  13  (a.  802)  S.  93  und  77,  14  (vor  802)  S.  172.  Da  in  dem 
letzteren  Erlas«  geboten  ist,  ut  episcopi  et  abbates  advocatcs  babeant,  in 
dem  erfteren,  ut  episcopi  .  .  advocatos  .  .  legem  scientes  et  iustitiam  diii- 
gentes  .  .  habeant,  so  wird  cap.  77  vor  cap.  33  erla.ssen  sein;  zu  vergleichen 
ist  Conc.  Mog.  c.  50  S.  74.  Die  Einrichtung  scheint  in  Karls  Zeit  ziemlich 
allgemein  gewesen  zu  sein;  das  zeigen  die  karolingi.schen  P'ormeln  S.  211, 
212,  213.  2.30,  282,  ferner  einzelne  bestimmte  Erwähnungen:  P'ulda  a.  793 
und  796  (Dronke  107,  117  —  119),  Reichenau  (Form.  Aug.  13  S.  .3.54), 
Prüm  (Commem.  de  cella  s.  Goar.,  M.G.  Scr.  XV  S.  373),  Freising  (Meichel- 
beck  I,  2  S.  93  Nr.  121),  Sens  (Form.  Senon.  34  S.  200).  l'ippin  suchte  die 
Einrichtung  in  Italien  einzuführen  (cap.  95,  3  S.  201,  von  Rettberg,  KG. 
D.'s  II  S.  614,  ahs  von  Karl  erlassen  betrachtet). 


—     233     — 

nähme  der  Kirchenvisitationen  ^)  und  die  Abhaltung  von  Diözesan- 
synoden  -)  hervor. 

Mehr  als  gegenwärtig  pflegte  im  Mittelalter  die  Ausfiilirung 
der  Gesetze  hinter  ihrem  Wortlaut  zurückzubleiben.  Das  Pflicht- 
gefühl der  Vorschrift  gegenüber  ist  ebenso  Ertrag  einer  langen 
sitthchen  Kultur  wie  der  bereitwillige  Verzicht  darauf,  das  eigene 
Ich  geltend  zu  machen.  Beides  wai'  in  der  Karohngerzeit  nur 
schwach  entwickelt;  so  wird  denn  auch  der  kirchliche  Zustand 
dem,  was  Karl  wollte,  nicht  gleich  gewesen  sein.  Jedoch  giebt 
es  Anhaltspunkte  dafür,  dass  seine  Anordnungen  nicht  fruchtlos 
waren. 

Was  tüchtige  Bischöfe  leisteten,  zeigt  anschaulich  der  Verwal- 
tungsbericht Leidrads  von  Lyon.^)  Der  Bischof  erwähnt  im  Ein- 
gang seiner  Denkschrift  die  Mahnungen,  welche  ihm  der  König 
bei  seiner  Ernennung  ans  Herz  legte.  Karl  wies  ihn  auf  den  Ver- 
fall der  kirchlichen  Zustände  in  Lyon  hin :  möge  man  auf  das 
Innere  oder  auf  das  Äussere  blicken,  so  habe  man  ein  Bild  der 
Verkommenheit;  weder  sei  der  Gottesdienst,  wie  er  sein  sollte,  noch 
die  kii'chlichen  Gebäude,  wie  es  sich  geziemte.  Die  Aufgabe  des 
Erzbischofs  sei  es,  gewissenhaft  für  seine  Kirche  Sorge  zu  tragen, 
an  ihrer  Hebung  zu  arbeiten.  Leidrad  stellt  nun  dar,  Avas  er  that 
und  was  er  erreichte.  Als  sein  erstes  Ziel  habe  er  die  Heran- 
bildmig  eines  tüchtigen  Klerus  betrachtet,  der  seinen  Pflichten 
genügen  könne.  Das  Ziel  sei  zum  grossen  Teil  bereits  erreicht. 
Dadurch,  dass  Karl  die  Einkünfte  seiner  Kirche  zmiickgegeben 
habe,  sei  die  Neuordnung  des  Gottesdienstes  möglich  geworden;  er 
habe  ihn  nach  dem  Vorbild  der  Palastkapelle  eingerichtet.  Auch 
die  Gründung  von  Schulen,  die  Ausstattung  der  Kirchen  mit 
gottesdiensthchen  Geräten  und  reichen  Priestergewändern  sei  bereits 
vollzogen.  EndHch  berichtet  Leidrad  über  die  von  ihm  unter- 
nommenen Bauten:  Kirchen'*)  und  Klöster  seien  wiederhergestellt, 
ein  Haus  für  die  Kanoniker  neu  eirichtet,  der  eine  der  bischöf- 
hchen  Höfe  sei  restauriert,  der  andere  werde  erweitert,  um  Raum 
für  die  Aufnahme  des  Kaisers  zu  bieten. 


1)  Cap.  19,  7  (a.  769)  S.  45;  22,  70  S.  59;  77,  1  (vor  802)  S.  170; 
78,  16  und  23  (a.  813)  S.  174;  vgl.  Conc.  Arel.  la.  813)  c.  17  S.  61. 

2)  Cap.  22,  13  S.  55:  zweimal  im  Jahr  Provinzialsynoden  nach  Conc. 
Antioch.  c.  20;  Chalced.  c.  19;  37,  7  (a.  802)  S.  108;  47,  1  (a.  806?)  S.  133; 
84,  5  (vor  800)  S.  182. 

3)  M.G.  Ep.  IV,  S.  542  S.  Nr.  30. 

4)  Es  sind  6  Kirchen  namhaft  gemacht:  St.  Johannis,  Stefan,  Nicetius, 
Maria,  Eulalia,  Paul,  das  Nonnenkloster  St.  Peter  mit  30  Nonnen,  und  die 
beiden  Mönchsklöster  St.  Martin  mit  90  und  St.  Kegnebert  mit  56  Mönchen. 


—     234     — 

Leidiad  übertraf  viele  seiner  Aintsgenossen  an  Geist  und 
rascher  Tliatkrat't:  aher  etwas  von  dein,  was  er  vollendete,  liahen 
ohne  Zweifel  die  meisten  Bischöfe  des  Reichs  unternommen.  Der 
Fortscln'itt  war  unverkennliar:  Ordnunir  und  Tjchon  iuiiorhallt  der 
fränkischen   Kirche  erstarkten  wieder. 

Das  zeigte  sich  im  Synodalwesen.  Es  ist  sicher,  dass  die 
bisclK'if liehen  Synoden  mit  einer  gewissen  Regelmässigkeit  abgehalten 
wurden.  Den  Beweis  kann  man  für  Orleans^)  wie  für  Limoges"), 
für  Lüttich ^)  wie  l'ür  Basel ^).  für  Freising"')  wie  für  Passau*) 
führen:  man  wird  es  von  allen  Bistümern  annehmen  dürfen.  Diese 
Vei-samndungen  iHenten  vornehndich  der  Disziplin  des  Klerus:  die 
Bischöfe  benützten  sie.  um  den  Priestern  ihre  Amtspflichten  vorzu- 
halten. Di(^  Tagesordnungen  einiger  Diözesansynoden.  die  auf  uns 
gekommen  sind,  gewähren  eine  Vorstellung  von  der  Weise,  in 
welcher  man  dabei  verfuhr.')    Oder  der  Bischof  forderte  von  seineu 


1)  TheoduCfi  cap.  I,  4  S.  193:  Quando  iiiore  solito  ad  synodum  con- 
venitis,  vestimenta  et  libros  et  vasa  sancta,  cum  quibus  vostrum  ministeriuiu 
et  iniunctum  officium  peragitis,  vobiscum  deferte;  neenon  duo.s  aut  tres 
clericos,  cum  quibus  missarum  solemnia  celebratis,  vobiscum  adducite,  ut 
probetur,  quam  diligenter,  quam  studiose  Dei  servitium  peragitis. 

2)  Ale.  ep.  298  S.  457  an  Raganbcrt  von  Limoges  über  Priester  in 
dessen  Diözese,  deren  Pfarreien  der  .Abtei  St.  Martin  gehörten:  .\d  tuam 
■sinodum  venire  debcnt  et  rationem  reddere   de  officiis  spiritaliVms. 

3j  Unter  Ghärbald  von  Lüttich  (784-810)  sind  zwei  Lütticher  Synoden 
nachweisbar  (cap.  123  S.  242  ft".  und  Mansi  XIII,  1090  ft'.).  Hefele  hat  in 
seiner  Konziliengeschichto  beide  übersehen. 

4)  Die  sogen.  Kapitel  Huitos  von  Basel  (caj).  177  S.  362tf.)  sind  offen- 
bar Tagesordnung  einer  Baseler  Synode.  Das  zeigen  die  ersten  Worte: 
Prirao  oranium  discutienda  est  sacerdotum  fides,  qualiter  credant  et  alios 
credere  doceant. 

5)  Meichelbeck,  Urkunde  29  S.  45:  Arbeo  episcopus  cum  cuncto  clero, 
quia  synodalis  accesserat  dies,  quod  erat  Y  feria  ante  Pascha,  in  qua 
chrisma  conticitur  (a.  775).  Nr.  170  S.  114:  Actum  est  haec  in  i)ublico 
synodo  ad  Frigisinga  in  praesentia  domni  Attoni  ep.  il.  Mai  809).  Nr.  139 
S.  101 :  Hoc  factum  est  .  .  in  praesentia  domni  Attoni  ep.  seu  cuncto  clero 
in  publico  synodo  congrogato  (16.  September  H04).  Nr.  192  S.  122,  ebenso 
(4.  Augu.st).  Man  sieht,  dass  in  der  Freisinger  Diözese  Frühjahrs-  und 
Horbst.synoden  stuttzuHnden  pflegten. 

6)  M.  B.  28,  1  S.  57  Nr.  70:  In  sidone  coram  omnibus  sacerdotibus 
et  popnlo  qui  ibidem  congregatus  erat  (Passau,  7.  .luni  788 — 800). 

7)  Ausser  den  Kapiteln  fthärbalds  und  Haitos  kommen  als  Tagesord- 
nungen, bezw.  Beschlüsse  von  Difize.sansynoden  in  Betracht  cap.  119  S.  236 
und  120  S.  237  ff.:  da  das  letztere  Kapitulare  nur  von  den  Pflichten  der 
Priester  handelt,  so  wird  es  nicht  einer  Provinzial-.  sondern  einer  Diözesan- 
synode   angehören;    sodann    das   Mansi  XIV,   889  ff.   und   Migne  96,  1375  ff. 


—     235     — 

Geistlichen 'Bericht  «her  ihre  Wirksamkeit;  so  that  Theodulf;^) 
aiicli  Alkuin  l)etrachtete  es  als  selbstverständHch,  dass  die  Pfarrer 
auf  der  Synode  Rechenschaft  über  ihre  geisthchen  Pflichten  ab- 
legten."-) 

Dagegen  bürgerte  sich  das  Institut  der  Provinzialsynoden  nicht 
ein,  wenngleich  einzelne  unter  Karls  Regierung  stattfanden.^)    Schon 

gedruckte  Commonitorium  cuiusque  episcopi  =  homilia  Leonis  pap.  IV  und 
identisch  mit  dem  von  Wattenbach  (N.  A.  VI  S.  192  ff.)  veröffentlichten 
Pastoralschreiben  und  dem  von  Sdralek,  Wolfenb.  Fragm.  S.  180  ff.  heraus- 
gegebenen Schriftstück.  Ich  halte  es  für  unmöglich,  dass  das  Commoni- 
torium ursprünglich  nach  Rom  gehört:  dann  würde  der  Vergleich  des 
Papstes  mit  Petrus,  der  Bischöfe  mit  den  übrigen  Aposteln  nicht  fehlen. 
Da  sich  der  Redende  mit  einem  Apostel  vergleicht,  so  war  er  ein  Bischof, 
und  da  er  seine  Zuhörer  mit  den  70  Jüngern  vergleicht,  so  sprach  er  nicht 
als  Erzbischof  zu  Bischöfen,  sondern  als  Diözesanbischof  zu  Priestern. 
Stammt  aber  das  Commonitorium  nicht  aus  Rom,  so  macht  die  inhaltliche 
Übereinstimmung  seiner  Forderungen  mit  den  Kapitularien  und  Synodal- 
statuten der  Zeit  Karls  sehr  wahrscheinlich,  dass  es  in  diese  Zeit  oder  in 
den  Anfang  der  Regierung  Ludwigs  d.  Fr.  gehört.  Die  Annahme,  dass 
Rather  von  Lüttich  der  Verfasser  des  Commonitoriums  sei,  die  Loofs  PRE. 
II  S.  191,  12  fi".  als  zweifellos  bezeichnet,  scheint  mir  keineswegs  sicher. 
.Gewiss  zitiert  Rather  Itin.  6  S.  588  f.  eine  Synodica.  Aber  die  Stelle  Moneo 
igitur  paternaliter  etc.  findet  sich  nicht  in  dem  Commonitorium,  demnach 
ist  die  Synodica  Rathers  auch  nicht  mit  dem  letzteren  identisch.  Die  Wahr- 
scheinlichkeit, dass  dieses  in  das  9.  Jahrh.  gehört,  scheint  mir  viel  grösser 
als  die,  dass  es  aus  dem  10.  stammt. 

1)  S.  0.  S.  234  Anm.  1.  Vgl.  c.  28  S.  200:  Cum  ad  synodum  in  unum 
conveneriraus,  sciat  nobis  unusquisque  (presbyterj  dicere,  quantura  Domino 
adiuvante  laboraverit. 

2)  S.  0.  S.  234  Anm.  2. 

3)  Die  Mainzer  Synode  von  813  setzt  voraus,  dass  ab  und  zu  Provinzial- 
synoden stattfanden  (c.  22  S.  71).  Die  Tagesordnung  einer  Provinzialsynode 
ist  cap.  118  S.  236;  sie  ist  auffällig  dürftig.  Beschlüsse  einer  Provinzial- 
synode liegen  vor  in  den  sog.  Synodalstatuten  des  Bonifatius  (Mansi  XII 
S.  383  ff.).  Dass  sie  mit  Bonifatius  nichts  zu  thun  haben,  beweist  die  Er- 
wähnung des  Kaisers  c.  11;  und  dass  dieser  Kaiser  Karl  d.  Gr.  war,  ergiebt 
die  Übereinstimmung  der  einzelnen  Verfügungen  mit  Anordnungen  Karls. 
Einem  fränkischen  Erzbistum  können  diese  Statuten  'nicht  angehören,  da  sie 
den  Martinstag  nicht  als  Fest  kennen  (c.  36);  aus  dem  gleichen  Grund 
können  sie  nicht  aus  Baiern  stammen  (vgl.  Stat.  Risbac.  5  S.  227);  an  Italien 
zu  denken,  verwehrt  c.  27.  Es  liegt  nahe,  an  ein  Erzbistum  zu  denken, 
dessen  Bevölkerung  zum  Teil  deutsch,  zum  Teil  romanisch  sprach.  Ein 
solches  p]rzbistum  war  das  burgundische  Besan^on.  Hier  aber  wurde,  wie 
die  Kapitel  Haitos  zeigen  (c.  8  S.  364),  in  der  That  das  Martinsfest  nicht 
gefeiert.  Die  Statuten  gehören  also  wahrscheinlich  dem  genannten  Erz- 
bistum an.     Ebensowenig  können  die  Mansi  XII  app.  S.  107  ff.   gedruckten 


—     236     — 

die  langsame  Durclifülirung  der  Metropolitanciiiteikiug  niusste  hin- 
derud  wirken.  Besonders  aber  war  dieser  Einrichtung  der  Boden 
dadurch  entzogen,  dass  alle  Fragen  von  allgemeinerer  kii-chlicher 
Bedeutung  auf  den  Reichssynoden  erledigt  wurden,  die  sich,  wie 
wir  sahen,  an  die  Keichsversannnlungen  anschlössen.^)  Diese  Be- 
handlung der  kirchlichen  Angelegenheiten  entsi)rach  zu  sehr  den 
alten  Gewohnheiten  der  fränkischen  Kirche,  als  dass  rein  kirchliche 
Provinzialsynoden  hätten  Bedeutung  gewinnen  köimen.  Wie  die 
Dinge  lagen,  waren  sie  überflüssig. 

Bischöfliche  Kirchenvisitationen  fanden  während  Karls  Regie- 
rung sehr  häufig  statt;-)  sie  waren  zugleich  Predigtreisen  der 
Bischöfe.'')  In  gewissem  ]V[ass  fühlten  sich  die  letzteren  noch  zur 
Verkündigung  des  Evangeliums  in  ihrer  ganzen  Diözese  verpflichtet. 
Das  lebhaft(!  Bild  einer  Kirchenvisitation  erhalten  wir  durch  eine 
Aufzeichnung,  die  von  einem  bairischen  Bischof  dieser  Zeit  zu 
stammen  scheint.  Priester  und  Mönche,  Kanoniker  und  Laien  sind 
in  der  Kirche  versammelt:  der  Bischof  wendet  sich  zuei-st  an  die 
Priester,  er  fi'agt  sie  nach  ihrem  Glaul)en,  forscht,  ob  sie  das 
Symbol  und  das  Vaterunser,  auch  die  Kirchengesetze  und  das 
Pönitentiale  recht  verstehen,  wie  sie  die  gottesdienstlichen  Hand- 
lungen, Messe,  Predigt,  Taufe,  vollziehen.  Sodann  Avird  die  Be- 
obachtung der  Regel  von  Seiten  der  Kanoniker  und  der  Mönche 
untei-sucht.  Zuletzt  fragt  der  Visitator  die  Laien,  wie  sie  „ihr 
Gesetz''  kennen  und  verstehen,  und  mahnt  sie,  ilafiir  zu  sorgen,  dass 
ihre   Kinder  nicht  ohne    rnterricht    aufwüchsen."*)     Karl   erkannte 


Kapitel  von  Bonifatius  zusammengestellt  sein,  wie  Ilefele  (CG.  III  S.  560) 
u.  a.  annehmen.  Doch  erweisen  sie  sich  auch  nicht  als  ein  Synodalbeschluss, 
sondern  sie  sind  ein  köni;,'lichf's  Kapituhiro.  Da  c.  8  von  den  Königen  die 
Kede  ist,  so  sind  sie  zwischen  dem  24.  September  768  und  dem  4.  De- 
zember 771  erlassen.  liairiache  Provinzialsynoden  fanden  unter  Erzbischof 
Arn  mehrfach  statt.     Darüber  unten  Kajiitel  Vll.      ■ 

1)  Vgl.  oben  S.  209  f. 

2)  Die  Häufigkeit  der  Visitationen  orgiebt  sich  aus  den  Klagen  über 
die  Beschwerung  der  Gemeinden  durch  dieselben;  vgl.  Ludwigs  cap.  138, 
19  (a.  818—819)  S.  278. 

3)  Cap.  19,  7  S.  45:  Populum  contirmare  et  plebes  docere  et  investi- 
gare  et  prohibere  paganas  observationes.  77,  1  S.  170;  78,  16  8.  174:  Cir- 
cumeat  parochiam  suam  docendo  et  ammonendo. 

4)  Cap.  116  S.  2.34.  Dass  diese  Kragtm  nirht,  wie  l'oretius  annimmt, 
l'jaminationsfragen  sind,  weiche  vor  der  Ordination  an  einen  Priester  ge- 
richtet wurden,  ergiebt  sich  daraus,  daas  sich  der  Fragende  auch  an  Kano- 
niker, Mönche  und  Laien  wendet.  Der  Satz  .In  ))alatio  regis  etc."  ist 
deshalb  nicht  die  (berschrift.    Die  Handschrift,  der  die  Fragen  entnommen 


—     237     — 

den  Wert  Sieser  Einrichtung:  er  erleichterte  den  Bischöfen  die 
Ausführung,  indem  er  sie  auf  die  Unterstützung  der  Grafen  ver- 
wies.*)    Hier  ist  der  Urspmng  des  Sendgerichts. 

Für  die  Tüchtigkeit  des  Episkopats  konnte  Karl  unmittelbar 
Sorge  tragen,  da  die  Auswahl  der  Bischöfe  in  seiner  Hand  lag. 
Dagegen  hatte  er  keinen  direkten  Eintluss  auf  die  Zusammen- 
setzung des  Priesterstandes.  Die  Ordination  der  Pnester  fiel  in 
den  Berufskreis  der  Bischöfe,  ihre  Bestellung  zum  Dienst  an  be- 
stimmten Kirchen  und  Kapellen  gehörte  zu  den  Rechten  der  Be- 
sitzer der  letzteren,  mochten  sie  Geistliche  oder  Laien  sein.^) 
Gleichwohl  war  das  Bestreben  des  Königs  von  Beginn  seiner 
Regierung  an  darauf  gerichtet,  den  gesamten  geisthchen  Stand  zu 
heben. ^)  Li  diesem  Punkt  Hess  er  nicht  nach;  man  kann  im 
Gegenteil  bemerken,  dass  er  in  seiner  späteren  Zeit  häutiger  darauf 
zm-ückkam  als  in  den  früheren  Jahren.  Es  ist,  als  habe  er  je 
länger  je  mehr  sich  mit  der  Überzeugung  durchdrungen,  dass  die 
Erfüllung  der  Aufgaben  der  Kirche  in  erster  Linie  von  der  Tüchtig- 
keit der  Pfan-er  abhängt. 

Mit  seinen  Massregeln  setzte  er  zunächst  die  Reformen  fort, 
welche  Bonifatius  und  Pippin  begonnen  hatten.  Er  griff  mit  neuer 
Energie  die  Reinigung  cles  geistlichen  Standes  von  unwürdigen 
Gliedern  an;  schon  in  seinem  ersten  Kapitulare  vom  Jahr  769 
verfügte  er,  dass  Priester,  welche  mehrere  Frauen  gehabt,  Blut 
vergossen,  überhaupt  den  kirchlichen  Vorschriften  entgegengehandelt 
hätten,  der  geisthchen  Würde  zu  entkleiden  seien. ^)  AhnKche 
Bestimmungen  hat  er  öfter  wiederholt.'^)  Sie  wurden  auch  aus- 
geführt. Als  ein  schottischer  Priester,  der  in  der  Diözese  Köln 
Verwendung   gefunden  hatte,  sich  eines  Bnichs   der  Fastengebote 


sind,  stammt  aus  Regensburg;  der  Bischof,  der  sie  niederschrieb,  wird  also 
in  Baiern  zu  suchen  sein.     Vgl.  auch  Cap.  22,  70  f.  S.  -59. 

1)  Cap.  19,  6  f.  S.  4-5;  der  Satz  „adiuvante  grafione  qui  defensor  eccle- 
siae  esf  stammt  aus  Karlmanns  cap.  10,  5  S.  25;  69,  4  (c.  a.  810)  S.  158. 
Bestimmter  ausgesprochen  in  dem  auf  Italien  bezüglichen  cap.  90,  6  (a.  781) 
S.  190. 

2)  In  Bezug  auf  die  Anstellung  von  Priestern  an  den  Kirchen  der 
Königshöfe  verfügte  Karl :  Non  alii  clerici  habeant  ipsas  ecclesias,  nisi  nostri 
aut  de  familia  aut  de  capella  nostra  (cap.  32,  6  S.  -32). 

3)  Die  Erhöhung  des  Wehrgelds  der  Kleriker  (cap.  39,  1  [a.  803] 
S.  113)  wird  damit  in  Verbindung  stehen. 

4)  Cap.  19,  5  und  15  S.  45  f. 

5)  Cap.  22,  58  (a.  789)  S.  57;  37,  5  und  13  (a.  802)  S.  108;  vgl.  Conc. 
Mog.  (a.  813)  can.  10  S.  67  f. 


—     238     — 

sclmklig    machte,    Hess    ilm  Karl    in    seine   Heimat    zurückbringen. 
Sein    Heimatl)iscliof  sollte  ihn  richten.') 

Die  gleiche  Ahsiclit  verfolgte  Karl,  indem  er  die  älteren  Vor- 
schriften erneuerte,  durch  welche  der  ]\risslirau(h  des  Ordinations- 
rechtes  der  Bischöfe  verhütet  werden  sollte,-')  und  indem  er  auf 
Ausfüln-ung  iler  kirchlichen  Ciebote  drang,  durch  die  das  Lehen 
der  Kleiiker  geregelt  war."')  Neben  die  alten  Anordnungen  gegen 
die  nie  ganz  ausgerottete  I'nzucht  der  Kleriker  und  ihre  Beteili- 
gung an  weltlichen  Beschäftigungen,  besonders  an  Krieg  und  Waid- 
werk, traten  da  und  dort  neue,  welche  jedocli  im  Geist  der  alten 
gedacht  waren."*)  »Sittliche  Integrität  und  Konzentration  auf  den 
geistlichen  Beruf  war  das  Ziel,  das  erreicht  werden  sollte.  Es  ist 
begreiflich,  dass  Karl  die  Einfühi'ung  des  kanonischen  Lebens  be- 
günstigte;   er  wünschte,   dass   der   Klerus  der  grösseren  Kirchen  es 


1)  Ale.  ep.  87  S.  131.  Der  Vorwurf  w:ir  nicht  eigentlich  erwiesen; 
gleichwolil  wollten  die  Bischöfe  den  Ausländer  nicht  länger  in  seinem  Amt 
dulden,  ne  sacerdotalis  honor  apud  iniperituni  vulgus  vilesceret  vel  rumi- 
gera  loquela  aliqui  hortarentur  violare  sanctum  ieiunium. 

2)  Keine  Ordination  um  Geld:  cap.  22,  21  f.  (a.  789)  S.  55;  81,  1 
(810— 813V)  S.  178;  vgl.  Haiton.  cap.  12  S.  364;  Theod.  c.  16  (Migne  105 
S.  196j;  Conc.  Cabil.  (a.  813)  c.  16  8.  97.  Keine  Ordination  vor  dem 
30.  Lebensjahr:  cap.  22,  50  S.  57;  28,  49  (a.  794)  S.  76;  vgl.  Conc.  Tur. 
(a.  813)  12  S.  85.  Keine  Ordination  fremder  Kleriker:  cap.  20,  6  (a.  779) 
S.  48;  22,  3  und  .56  S.  54  und  57;  37,  2  f.  (a.  802)  S.  108.  Keine  ordinatio 
absoluta:  cap.  22,  25  S.  55;  28,  28  S.  70.  Analog  ist  das  Verbot  der  Auf- 
nahme fremder  Kleriker  ohne  vorhergehende  Prüfung  cap.  19,  4  (a.  769) 
S.  45;  vgl.  Haito  von  Basel  cap.  177,  13  S.  364. 

3)  C4egen  Unzucht:  cap.  19,  5  S.  45;  33,  24  (a.  802)  S.  96;  35,  3 
(a.  802)  S.  102;  36,  15  (a.  802)  .S.  107;  37.  9  und  13  S.  108;  38,  5  (a.  802) 
S.  110.  Vgl.  123,  1  S.  243  (Ghärbald  von  Liittich);  177,  9  S.  304  (Haito); 
Conc.  Mog.  (n.  813)  c.  49  S.  74;  Rem.  c.  22  S.  79.  Gegen  Teilnahme  an 
Krieg  und  .Jagd:  cap.  19,  1-3  S.  44;  22,  70  S.  59;  23,  31  (a.  789)  S.  64; 
33,  19  S.  95;  35,  37  S.  103;  36,  18  S.  107.  Vgl.  123,  3  S.  243;  177,  11 
S.  304;  Conc.  Mog.  can.  17  S.  70;  Tur.  c.  8  S.  84.  Gegen  weltliche  Be- 
schäftigungen: cap.  22,  23  S.  55;  23,  30  S.  64;  28,  24  S.  76;  37,  1  S.  108; 
81,  13  (a.  .slO— 813)  S.  179.  Vgl.  121  S.  240;  123,  10  f.  S.  244:  Conc.  Mog. 
c.  14  S.  69;  Cabil.  c.  12  S.  96. 

4)  Cap.  33,  10  (a.  802)  S.  94:  Vi  neque  episcopu.s  neque  abbaa  in 
monasterio  vilioros  meliori  plus  diligit  et  cum  sihi  propter  consangiiini- 
tatem  suam  vel  aliqua  adolationem  melioribuH  suis  praeferre  studeat  et 
talem  nobi«  ducere  ordinandum ,  cum  meliorem  eo  habet  occultato  et 
oppressu.  22,  72  S.  60:  iSacerdotes)  non  solum  servilis  conditionis  infantea 
aed  etiam  ingenuorum  filios  adgregent,  siVjique  socient;  vgl.  72,  10  (a.  811) 
S.  16.3. 


—     239     — 

allgemein  annehme;^)'  eine  Analogie  meinte  er  sogar  bei  dem  Klerus 
der  Pfarrkirchen  verwirklichen  zu  können.-) 

In  allen  diesen  Punkten  führte  er  alte  Reforniforderungen  aus. 
Neu  war,  dass  er  ein  Minimum  theologischen  Wissens  als  unerläss- 
hch  von  jedem  Priester  verlangte.  Die  Prüfung  der  Ordinanden, 
welche  gemäss  dem  neunten  Kanon  der  Synode  von  Nicäa  vor- 
genommen werden  sollte,  erstreckte  er  auch  auf  die  theologische 
Bildung  der  Kleiiker.**)  Wie  sitthche  Verfehlungen  durch  Aus- 
schluss aus  dem  Priesterstand  bestraft  wurden,  ebenso  auch  Un- 
wissenheit.'') Karl  machte  es  den  Bischöfen  zum  Vorwurf,  wenn 
sie  nicht  auf  alle  Weise  dafür  sorgten,  die  fiü-  das  geisthche  Amt 
nötige  Bildung  unter  ihrem  Diözesanklerus  zu  verbreiten :  mit  guten 
und  strengen  Worten  sollten  sie  in  die  Nachlässigen  dringen,  Un- 
bemittelte mit  den  nötigen  Hilfsmitteln  versehen,  aus  den  Hörigen 
begabte  Jünghnge  auswählen  und  sie  ausbilden;  überall  finde  man 
solche,  die  dazu  geeignet  seien.  ■^)    Gefordert  wurde  Verständnis  des 

1)  Cap.  22,  73  S.  60;  33,  22  S.  95  f.;  34,  2  S..  100;  35,  27  S.  103:  Ut 
episcopi  et  reliqui  sacerclotes  .  .  secunclum  canonicam  institutionem  vivant. 
71,  11  (a.  811)  S.  161;  78,  4  (a.  813)  S.  173;  79,  3  (a.  813)  S.  175.  Vgl. 
116,  9  S.  234;  Conc.  Mog.  c.  9  S.  67;  20  S.  70  f. 

2)  Cap.  33,  23  S.  96:  Presbyter!  cleros  quos  secum  habent  sollicite 
praevicleant,  ut  canonice  vivant,  non  inanis  lusibus  vel  conviviis  saecularibus 
vel  canticis  vel  luxuriosis  usum  habeant,  sed  caste  et  salubre  vivant;  vgl. 
c.  120,  7  S.  238. 

3)  Die  Untersuchung,  welche  der  9.  Kanon  von  Nicäa  als  üblich  vor- 
aussetzt, bezieht  sich  lediglich  auf  die  sittliche  Lebensführung  der  Ordinanden. 
Karl  führt  die  Bestimmung  bereits  cap.  22,  2  S.  54  erweitert  an:  Fides  et 
vita  discutiatur.  Und  die  nun  übliche  Examination  (cap.  116  S,  234:  In 
palatio  regis  inventum  habent,  ut  presbyteri  non  ordinentur  priusquam 
examinentui-)  musste  sich  sachgemäss  auf  dieselben  Stücke  beziehen,  nach 
welchen  bei  den  Visitationen  geforscht  wurde.  Die  Vorschrift  der  examinatio 
mehrfach  wiederholt:  cap.  37,  10  S.  108;  40,  2  (a.  803)  S.  115;  Stat.  Risb. 
35  S.  229. 

4)  Cap.  19,  15  f.  S.  46.  Lehrreich  ist  die  Umgestaltung,  welche  mit 
der  Formel  für  das  Schreiben  über  die  Bischofswahl  vorgenommen  wurde. 
Bei  Markulf  I,  7  S.  47  wird  der  gewählte  Bischof  gerühmt  wegen  praespi- 
cuetas  sublimis,  ingenuetas  nationis,  elegantia  refulgens,  diligentia  castitatis, 
caritatis  locuplex.  In  der  entsprechenden  karolingischen  Formel  liest  man 
(form.  12  S.  119):  Paret  esse  circumspecta  moderatio,  sublimis  scientia, 
nobilitas  generis,  elegantia  morum,  continentia  laudabilis,  amor  civium, 
sollicitudo  pastoralis  seu  bonae  voluntatis  adsensus.  Es  war  in  das  allge- 
meine Bewusstsein  übergegangen,  dass  ein  Geistlicher  theologisches  Wissen 
nötig  habe. 

5)  M.G.  Ep.  IV  S.  532  Nr.  22  an  einen  ungenannten  Schüler  des  Boni- 
fatius  (vielleicht  Lul),  der  in  der  Bildung  seines  Klerus  lässig  war. 


—     240     — 

apostolischen  Symbols   und   dt's  Vaterunsers,    des  Pönitentiale   und 
der  gottesdienstlic'lien  Formulare,  die  Fähigkeit,  das  Evaugehum  zu 
lesen  und  zu  erläutern,    ältere  Homilien   zu  verstehen  und  wieder- 
zugehen, endlich  Kenntnis  der  kirchlichen  Gesetze.^)     Das  war  das 
geringste  Mass;    spannte  man  die  xVnsprüche   höher,    so  kam  etwa 
noch  hinzu  Kenntnis  des  Kalenders,  des  sog.  athanasiauischen  Sym- 
bols, der  .Pastoralan Weisung  Gregors  d.  Gr.  und  des  Gelasius,  sowie 
die  Kunst,  Urkunden  und  Briefe   zu  schreiben;-)   vereinzelt  wurde 
verlangt,  dass  der  Priester  den  Psalter  im  Gedächtnis  habe.'^)    Das 
war    nicht    viel.     Erinnert    man    sich    jedoch,    welches    Mass    von 
Unwissenheit    Bonifatius    bei    den    deutschen    Klerikern    gefunden 
hatte,   so    ist    klar,    dass  ein  mächtiger  Schritt  vorwärts  geschehen 
war.    Die  Berufung  der  fremden  Gelehrten  in  das  fränkische  Reich 
trug    reiche    Frucht.      Denn    nicht    einzelne    glänzende    Leistungen 
bieten  einen  sicheren  Beweis  des  Fortschritts,  sondern  die  Erhöhung 
des  Durchschnittsmasses.     Sie  trat  in  Bezug  auf  die  Bildung  des 
E^enis  in  Karls  Zeit  ein. 

^ran  versteht  den  Nachdi-uck,  welchen  Karl  auf  die  theo- 
logischen Studien  der  Priester  legte,  wenn  man  bedenkt,  dass  er 
die  Predigt  als  die  weitaus  wichtigste  Thätigkeit  der  Geistlichen 
betrachtete.  Für  seine  Anschauungen  ist  bezeichnend,  dass  er  in 
dem  Rundschreiben  vom  28.  März  789  die  Vcri)riichtung  zur  Predigt 
an  der  Spitze  dessen  nannte,  was  er  für  nützlich  erklärte,  ohne 
dass  er  sich  dafür  auf  einen  kirchlichen  Kanon  berufen  konnte.*) 
Als  er  anordnete,  dass  unter  den  zum  Würzburger  Bistum  gehörigen 
]Main-  und  Rednitzwenden  vierzehn  Kirchen  gel)aut  würden,  hatte 
er  ebenfalls  vor  allem  die  Notwendigkeit  der  Predigt  für  die  Neu- 


1)  Vgl.  die  Visitations fragen  aus  cap.  116,  1 — 8  S.  234  oben  S.  213. 
Damit  stimmen  die  gplegentlichen  Anordnungen  Karls  überein:  cap.  22,  70 
S.  59:  Ut  episcopi  .  .  discutiant  per  suas  parochias  presbyteros,  eorum 
fidem  bapiisma  et  missarum  celebrationes,  ut  et  fidem  rectam  teneant  et 
haptisma  catholicum  observent  et  missarum  preces  bene  intellegant,  et  ut 
psalmi  digne  secundum  divisiones  versuum  modulentur  et  dominicam  ora- 
tionera  ipsi  intellegant  et  omnibus  praedicent  intellegendam,  ut  quisque 
sciat  quid  petat  a  Deo;  .38,  1—4  (a.  802)  S.  110. 

2)  Cap.  117,  1  fV.  S.  235.  Boretius  erinnert,  dass  es  ganz  ungewiss 
sei,  von  wem  dieses  VerzeichniB  der  Stücke,  welche  die  Kleriker  wissen 
sollten,  zusammengestellt  ist.  Doch  lässt  sich  kaum  bezweifeln,  dass  es  in 
die  Zeit  Karls  gehört.  Man  vgl.  femer  cap.  119,  1—5  S.  236  f. ;  Haito  c.  177, 
4—8  S.  363;  Theodulf  c.  1,  2  f.  S.  193  und  c.  II  .S.  209;  Common,  cuiusq. 
ep.  47  S.  1379;  Conc.  Turon.  (a.  813)  c.  2  S.  84. 

3)  Cap.  119,  2  S.  236. 

4)  Cap.  22,  61  S.  58;  82  S.  61. 


—     241     — 

bekehrten  im  Auge.^)^  Er  dachte  sie  überhaupt  als  regelmässigen 
Bestandteil  des  Sonn-  und  Festtagsgottesdienstes,  von  keinem  Priester 
sollte  sie  unterlassen  werden.-)  Deshalb  wurde  bei  der  Kirchen- 
visitation der  Kleriker  gefragt,  wie  er  das  Evangelium  lese  und 
die  Unwissenden  darin  unterrichte.^)  Ein  paarmal  finden  wir  Äusse- 
rungen über  den  Inhalt  de;r  Predigten.  Dabei  wird  die  Überein- 
stimmung mit  der  heihgen  Schrift  im  Gegensatz  zu  neuen  und 
eigenen  Ei-fiudungen  hervorgehoben;^)  oder  es  wird  der  Inhalt  des 
Taufs}nnbols  wiedergegeben,  indem  zugleich  auf  den  rehgiösen  "Wert 
der  Bekenntnisformeln  hingedeutet  wird.'^)  Das  Hauptgewicht  fällt 
jedoch  auf  die  ethische  Seite,  auf  die  Warnung  vor  Sünden,  die 
Mahnung  zu  den  ckristhchen  Tugenden.^)  Man  merkt,  dass  ein 
König  spricht:  die  Predigt  war  ihm  wertvoll  als  mächtiger  Hebel 
zur  Sittigung  des  Volks.  Daher  denn  auch  die  Mahnung,  so  zu 
reden,  dass  das  Volk  es  verstehe.')  Der  Ungedanke,  dass  man  in 
einer  anderen  Sprache  als  der  des  Landes  predigen  könne,  war 
dem  8.  Jahrhundert  gänzhch  fremd.  ^) 

1)  Urk.  Ludwigs,  Form.  imp.  40  S.  317  f.:  Quatenus  ille  populus  noviter 
ad  chtistianitatem  conversus  habere  potuisset,  ubi  et  baptismum  perciperet 
et  praedicationem  audiret  et  ubi  inter  eos  sicut  inter  ceteros  christianos 
divinum  officium  celebrari  potuisset.  Es  ist  einleuchtend,  dass  die  Voraus- 
setzung für  einen  solchen  Befehl  war,  dass  bei  den  Deutschen  gepredigt 
wurde. 

2)  Cap.  36,  4  (a.  801)  S.  106;  -38,  4  und  10  (a.  802)  S.  110;  64,  6 
(a.  810)  S.  153;  65,  2  (a.  810)  S.  154.  Albert  bestreitet,  dass  hier  überall 
von  Predigen  die  Eede  ist,  und  erklärt  Cap.  36,  4:  der  Priester  soll  das 
Evangelium  Christi  vorsagen,  Gesch.  d.  Pred.  I  S.  121.  Es  wird  nicht  nötig 
sein,  über  diesen  Scherz  ein  Wort  zu  verlieren. 

3)  Cap.  116,  5  S.  234:  Evangelium  quomodo  legere  potestis  vel  alios 
inperitos  erudire  potestis.     Vgl.  S.  236  Anm.  4. 

4)  Cap.  22,  82  S.  61:  Ut  (presbyteri)  recte  et  honeste  praedicent :  et 
non  sinatis  nova  vel  non  canonica  aliquos  ex  suo  sensu  et  non  secundum 
scripturas  sacras  fingere  et  praedicare  populo. 

5)  Cap.  22,  82  S.  61. 

6)  L.  c.  Wo  die  Bischöfe  reden,  wie  z.  B.  Conc.  Tur.  (a.  813)  c.  17 
S.  85,  tritt  das  Dogmatische  stärker  hervor. 

7)  Cap.  78,  14  (a.  813)  S.  174:  Juxta  quod  intellegere  volgus  possit. 
Vgl.  Conc.  Mog.  (a.  813)  c.  25  S.  72.  Linsenmayer  (Clesch.  d.  Pred.  S.  14) 
versteht  den  Ausdruck  von  der  Volkssprache;  wie  mich  dünkt,  mit  L'nrecht; 
vgl.  Conc.  Tur.  c.  17  S.  85:  De  fide  catholica,  prout  capere  possint.  Hier 
ist  durch  den  Zusammenhang  der  Gedanke  an  das  Idiom  ausgeschlossen, 
da  die  Vorschrift,  die  Homilien  zu  übersetzen,  nachfolgt. 

8)  Conc.  Rem.  fa.  813)  c.  15:  Secundum  proprietatem  linguae  prae- 
dicare studeant.  Tur.  c.  17  S.  85:  Homilias  quisque  aperte  transferre  stu- 
deat  in  rusticam  Romanam   linguam   aut   Theodiscam.     Vgl.   Cruel,  Gesch. 

Hauck,  Kirchengeschichte.    II.    2.  Aufl.  \Q 


242     

^lit  der  Durcliführung  der  Predigt  stand  olme  Zweifel  die  auf 
Karls  Geheiss  von  Alkuin  vorgenommene  Emendation  des  sog.  Comes, 
des  Periknpeuverzeichnisses,  in  Zusammenhang.-') 

"Was  Karl  forderte,  blieb  nicht  nur  Vorschrift.  An  Schwierig- 
keiten fehlte  es  natürlicli  nicht.  Die  grösste  lag  dai'in,  dass  die 
ungenügend  gebildeten  Kleriker  nicht  auf  einmal  beseitigt  werden 
konnten r  ei'st  nach  und  nach  wuchs  ein  besser  unterrichteter 
Klerus  heran.  Dazu  kam,  dass-  das  bischöfHche  Selbstgefühl 
wohl  daran  Anstoss  nahm,  dass  Priester  und  Diakonen  die 
gleiche  Thätigkeit  übten,  wie  die  Bischöfe.-)  Aber  diese  Schwierig- 
keiten wurden  überwunden.  Gerade  hier  lässt  sich  bemerken, 
dass  das  sachliche  Recht,  das  Karls  Anordnungen  hatten,  von 
seinen  Zeitgenossen  anerkannt  wurde:  der  Kleiiis  fühlte  sich 
dui'chweg     zur    Predigt     verpthchtet.       Bischöfe     wie    TheoduHV') 


a.  d.  Pred.  S.  21.3  «F.;  Linsenmayer,  Gesch.  d.  Pred.  S.  36  fi'.  Herrn  Professor 
Dr.  Baist  in  Freiburg  i.  B.  verdanke  ich  den  Hinweis  auf  das  Fragment  der 
ahfranzösischen  Jonaspredigt,  Koschwitz,  Les  phis  anciens  Monuments  de  la 
langue  Fran^.  4.  Aufl.  Heilbronn  1886  S.  6Ö".;  vgl.  Koschwitz,  Komment,  zu 
d.  alt.  französ.  Sprachdenkm.  Heilbronn  1886  S.  120  ü".  Die  Bruchstücke 
sind  wichtig  als  ein  Beispiel  der  vulgär-sprachlichen  Predigt.  Sie  gehören 
zu  einer  sog.  Horailie. 

1)  Ranke,  Das  kirchl.  Perikopen-^^ystem  Anh.  S.  IV  f1'.  Praof.  8.  XXI: 
HuDC  codicera  .  .  tua  noverit  perspicacitas  ab  eo  codico  sumjjtum,  quem 
constat  ab  Albino  .  .  Karolo  .  .  imp.  praecipiente  lima  vectitudinis  esse 
politum  atque  emendatum.  Qui  codex  licet  a  multis  haberetur  a  plerisquo 
tarnen  mendose  et  non  bene  distincte  legebatur;  ob  id  studii  fuit  eiusdeui 
Dci  cultoris,  ut  a  praefato  viro  ad  jjurum  corrigeretur  et  distinctionibus 
artis  gi'ammaticae  pronuntiandi  gratia  distinguerotur.  Wie  aus  dem  Sohluss 
der  Vorrede  sich  ergiebt,  kürzte  Alkuin  das  herkömmliche  Perikopen Ver- 
zeichnis, indem  er  imitando  ac  sequendo  libellum  papae  Gregorii  sacramen- 
torum  die  Lektionen  für  die  dort  nicht  vorkommenden  Officien  wegliess. 

2i  Vgl.  Ale.  ep.  136  S.  209:  Dicunt,  ab  episcopis  intordictum  e.sso 
presbyteris  et  diaconibus  praedicare  in  ecclesiis.  Das  Verbot  war  gotjen 
das  kirchliche  Recht,  vgl.  Conc.  Vas.  a.  .529  c.  2  S.  56:  Ut  non  soluni  in 
civitatibus  sed  etiam  in  omnibus  parrociis  verbum  faciendi  daremus  presbyteris 
potestatem,  ita  ut,  si  prebyter  nliqua  infirmitate  prohibentc  per  sc  ipsuni 
non  potuerit  praedicare,  sanctonim  i)atrum  homiliae  a  diaconibus  recitontur. 

3)  Cap.  I,  28  8.  200:  Qui  scrijiluras  seit,  praedicet  scripturas,  qui  vero 
nescit,  saltcm  hoc  quod  notissimum  est,  plebibus  dicat,  ut  declinent  a  nialo 
etc.  C.  46  S.  206:  Discito  tideni  catholicam,  praedieate  diligentissirac  et 
eam  populo  praedieate  unusquisque  in  ecclesia  vestra.  Der  Inhalt  der  Pre- 
digt vornehmlich  moralisch,  s.  Cap.  11  8.  209:  Commonondi  .sunt,  ut  diebus 
dominicis  pro  captu  ingenii  unustjuisque  sacerdos  ad  pl<>bom  sermonem 
praedicationis  faciat,  primum  admonens  plebem,  ut  invicem  se  diligant  etc. 
Deinde,   si  Dominus   dat  intellectnm,  hoc  quod  sacerdos  veraciter  intelligit 


—     243     — 

Ghärbald,^)  Haito'-)  und  audere'^)  richteten  an  ihre  GeistHch- 
keit  treffende  Worte  über  diese  Seite  des  priesterHchen  Amtes. 
Sie  trugen  Bedenken,  die  Anforderungen  zu  hoch  zu  spannen; 
waren  sie  sich  doch  bewusst,  dass  sie  zum  Teil  mit  ungenügend 
vorgebildeten  ]\[ännern  zu  arbeiten  hatten;  aber  dann  waren  sie 
einig,  dass  sie  in  allen  Kirchen  an  jedem  Sonntag  gepredigt  wissen 
wollten.  Dieselbe  Bestimmung  trafen  die  Synoden  des  Jahres  813: 
keine  Parochie  ohne  Predigt,  jeder  Bischof  und  Priester  ein 
Prediger,  das  sind  die  Grundsätze,  welche  man  durchzuführen 
unternahm.*)  Sie  wurden  von  jedemiann  gebilligt:  ein  anonymes 
Gedicht  dieser  Zeit  betrachtet  es  als  selbstverständhch,  dass  der 
tüchtige  Priester  predigt,  während  die  Untüchtigkeit  der  schlechten 
Priester  sich  besonders  darin  zeigt,  dass  sie  das  Volk  unbelehrt 
lassen.'^)  Niemand  war  tiefer  von  dem  Wert  der  Predigt  überzeugt 
als  Alkuin;*^)  er  woUte  keine  Beschränkung  auf  wenige  Berechtigte. 

de  evangelio,  de  epistola  s.  Pauli,  quantum  potest,  dicat  illis  etc.  His  et 
aliis,  quantum  potest  singulis  diebus  dominicis,  plebem  suam  instruat. 

1)  Cap.  123,  12  S.  243:  Ut  unusquisque  presbyter  in  suam  ecclesiam 
admonitionem  aliquam  et  exbortationem  ad  populum  faciat,  ut  unusquisque 
se  corrigat  ab  iniquitate  et  transeat  ad  bonitatem  sicut  scriptum  est:  Declina 
a  malo  et  fac  bonum. 

2)  Cap.  177,  22  S.  365:  Admonendi  sunt  (sacerdotes),  ut  sciant  populis 
denuntiare,  quae  sunt  opera  misericordiae  cum  fructibus  suis,  quae  evan- 
gelica  et  apostolica  pagina  complectitur  etc. 

3)  Commonit.  cuiusq.  ep.  18  S.  1377:  Unusquisque  vestrum,  quantum 
sapit,  plebi  suae  de  evangelio,  de  epistola  vel  aliqua  divina  scriptura  domi- 
nico  die  vel  festis  diebus  annuntiet.  Paul.  Aquil.  Conc.  Foroiul.  (a.  796) 
c.  13  (Mansi  XIII,  852).  Ein  ungenannter  Alkuinsschüler  an  seine  Schüler 
(s.  0.  S.  147,  1)  M.G.  Ep.  IV  S.  487  Nr.  2:  Quia  sacerdotes  estis,  dicamus 
breviter;  sacerdos  ergo  si  predicationis  est  ignarus,  quam  clamoris  vocem 
daturus  est  preco  mutus? 

4)  Conc.  Arel.  c.  10  S.  60:  Non  solum  in  civitatibus,  sed  etiam  in 
Omnibus  parochiis  presbyteri  ad  populum  verbum  faciant.  Mog.  c.  25  S.  72: 
Si  forte  episcopus  non  fuerit  in  domo  sua  .  .,  nunquam  tamen  desit  diebus 
dominicis  aut  festivitatibus,  qui  verbum  Dei  praedicet.  Rem.  c.  14  f.  S.  78; 
Tur.  c.  4  und  17  S.  84  f. ;  Cabil.  c.  1  f.  S.  93  f. 

5)  Cai-m.  de  bon.  sacerd.  Str.  9  (Poet.  lat.  I  S.  80): 

lubar  solis  ut  refulgens  noctis  fugat  tenebras, 
Lumine  sie  verbi  lustrat  audientum  pectora 
Bonus  praesul,  et  expellit  vitiorum  nebulas. 
De  mal.  sacerd.  Str.  4  S.  81: 

Divinae  legis  abdita  mysteria 

Plebibus  Christi  non  est  qui  aperiat 

Nee  est  ieiunis  mentibus  qui  praebeat  pabula  verbi. 

6)  Vgl.  z.  B.  ep.  136  S.  208  f.  255  S.  413  u.  ö. 

^      "  16* 


—     244     — 

Als  er  einmal  lir>rte.  dass  gewisse  Bischöfe  den  Priestern  und  Dia- 
konen das  freie  Predigen  untereagt  und  ihnen  inu*  die  Verlesung 
älterer  Honiilien  gestattest  hätten,  wandte  er  sich  au  Karl:  er  hat 
den  König,  die  Durcliführung  dieser  Massregel  zu  lündeni:  sie 
schien  ihm  sinnlos,  da  auch  das  Verlesen  einer  Homilie  eine  Art 
des  Predigens  sei,  und  zweckwidiig,  da  der  Priester  das  Amt  habe, 
dem  Volke  die  Liebe  Christi  eifrig  vor  Augen  zu  stellen.') 

Man  wird  deslialb  niclit  bezweifeln  köiuien,  dass  in  den  frän- 
kischen Gemeinden  regelmässig  gepredigt  wurde.-)  Eifrige  Prediger 
Hessen  es  niclit  an  einer  Predigt  am  Sonntag  bewenden;  sie  pre- 
digten   mehrmals."^)      Aber   nur    sehr    wenige    Beispiele    geisthcher 


1)  Ep.  136  S.  209.  Die  Stelle  ist  interessant,  da  sie  beweist,  dass  die 
Verlesung  von  Homilien  nie  ausser  Übung  gekommen  war.  Quare  in  ecclesia 
ubique  ab  omni  ordine  clericornm  omeliae  leguntur?  Quid  est  omelia  nisi 
praedicatio?  Mirum  est,  quod  legere  licet  et  interpretari  non  licet,  ut  ab 
Omnibus  intellegatur. 

2)  Cruel  (Gesch.  d.  d.  Pred.  S.  55)  urteilt,    dass   mit  der   Ausführung 
der  karolinischen  Verordnungen   nur   hie    und   da    vielleicht  ein  schwacher 
Anfang    gemacht    worden    sei.     Albert    sagt    geradezu,    dass   es  vor  814  zu 
keiner   Predigt    in    deutscher   Sprache    gekommen    ist    (II   S.  1).     Hiegegon 
etwas   zu   sagen,   ist  nicht  nötig.     Denn  man  kann  niemand  verwehren  die 
Augen   zu  schliessen  und  dann  zu  sagen,   es  sei  dunkel.     Aber  auch  Cruels 
Behauptung  ist  unrichtig.    Denn  1.  beweisen  die  angeführten  bischöflichen 
Anordnungen,   dass  Karl   bei   den  unmittelbaren  Leitern  der  Kirche  Unter- 
stützung fand;  vgl.  Cap.  116,  5  und  117,  11  S.  284  f.,  ebenfalls  bischöfliche 
Äusserungen,  welche  den  Vollzug  der  Vorschriften  beweisen.     2.  lässt  sich 
beweisen,  dass  er  durch  die  Königsboten  die  Ausführnng  seiner  Vorschriften 
kontrollierte  (cap.  64,  6  [a.  810]  S.  153;   65,  2  [a.  810]  S.  154);  3.  fehlt  es 
nicht    an   Nachrichten    über    die   Predigt:    vgl.    Karls   Zeugnis    selbst    oben 
S.  241,  1 ;  sodann  eine  Erklärung  aus  den  Verhandlungen  einer  Synode  um  811 : 
Nos  populum  nobis  commissum  iuxta  nostram  .  .  scientiam  praedicamus  et 
ammonemus,  sicut  s.  iam  nobis  patres  per  illorum  reliquerunt  exempla,  Au- 
gustinus .  .   caeterique    usque    modo    verbi    Dei    praedicatores  (Haluzius   II 
S.   1402  Nr.  22);    ferner    Alkuins    eben    angeführte    Äusserung    Ale.  ep.   136 
S.  209:    In    ecclesiis    ubique    ab   omni   ordine  clericorum  omeliae  leguntur; 
vgl.  ep.  169  S.  278:   Arn  von  Salzburg  sollte  seine  Priester  de  praedicationis 
instantia   crmahnen:   unusquisque  subiectam  sibi  plebem  bene  in  voluntate 
Dei  eruditam  habeat;  ep.  74  S.  117:  Alkuin  wünscht  an  Festtagen  auch  in 
den  Klo.sterkirchen  eine  Predigt  für  das  Volk.    K.irls  Anordnungen  blieben 
demnach  nicht  unausgeführt.    Dass  es  nicht  an  Ausnahmen  fehlte,  ist  sellist- 
verständlich;  das  Mittelalter  ist  überhaupt  die  Zeit  der  Ausnahmen. 

3)  Liudger  predigte  am  Sonntag  vor  seinem  Tode  zweimal ,  früh  in 
Koesfeld  und  um  9  Uhr  in  Billerbek  (V.  Liurlg.  II,  7  S.  414).  Theod.  carm. 
71.  16  S.  561  über  Ajulf  von   Kourges. 


—     245     — 

B^eden  dieser  Zeit  sind  auf  uns  gekommen.^)  Sie  sind  sämt- 
lich lateinisch;  man  hat  also  Musterpredigten  in  ihnen  zu  er- 
kennen. Schon  dämm  geben  sie  nicht  den  vollen  Eindruck  von 
der  Ai-t,  wie  man  i^redigte.  Dieser  Mangel  wird  noch  dadurch 
verstärkt,  dass  ^\dr  nur  den  Gedankenaufbau  vor  uns  haben:  die 
Ausfühmng  in  der  fi-eien  und  deutschen  Rede  musste  umschreiben 
und  erweitern.  Immerhin  kann  man  aus  ihnen  eine  Vorstellung 
geA\-innen,  wie  man  auf  das  Volk  einzuwirken  suchte.  Unzweifel- 
haft waren  die  meisten  Predigten  einfache  Textauslegungen,  soge- 
nannte Homilien;  die  lateinisch  gelesene  Schriftlektion  wurde  deutsch 
wiedergegeben  und  erläutert.-)  Doch  ist  unter  den  erhaltenen 
Predigten  eine  einzige  solche;  sie  behandelt  die  Geschichte  vom 
bannherzigen  Samariter  und  erklärt  ihe  Erzählung  Zug  filr  Zug 
als  Allegorie  auf  Fall  und  Erlösung  der  Menschheit.  Sieht  man 
liier,  dass  die  theologische  Weisheit  gelegenthch  für  das  Verständnis 
hinderlich  sein  konnte,  so  tritt  daneben  die  grosse  Anspruchslosig- 
keit des  Predigers  hervor,  seine  Rede  soll  nichts  sein  als  eine  Er- 
klärung der  evangelischen  Lektion;  er  hat  kein  anderes  Bestreben 
als  möglichst  klar  und  fasslich  zu  reden;  damit  seine  Auslegung 
leichter  behalten  werde,  rekapituliert  er  sie  am  Schluss.  Die  übri- 
gen Predigten  sind  textlose  Reden.  Bei  ihnen  ist  die  erste  Bemer- 
kung, die  sich  aufdrängt,  dass  die  rehgiöse  Belehrung  die  schwächste 
Seite    war:    die  Glaubens  Verkündigung    war   zur  Überlieferung  der 


1)  Der  Zeit  Karls  d.  Gr.  oder  der  ersten  Zeit  nach  ihm  werden  ange- 
hören die  unter  dem  Namen  des  Bonifatius  überlieferten  Reden  (vgl.  Bd.  I 
S.  462  Anm.  4);  eine  von  Scherer  in  Haupts  Zeitschr.  f.  deutsch.  Alterth. 
XII  S.  436  ff.  herausgegebene  Predigt;  ein  Auszug  aus  einer  anderen  ebenda 
S.  444;  die  Homilie  über  den  barmherzigen  Samariter  bei  Caspari,  Briefe, 
Abhandlungen  etc.  S.  206  vgl.  S.  429;  die  Predigt  über  die  Zehnten  und  das 
Fasten  bei  Baluzius  II  S.  1376  Nr.  6.  Auch  die  in  der  V.  Elig.  enthaltene 
Predigt  kann  man  als  eine  Art  Musterpredigt  betrachten,  über  die  von 
Nürnberger  (Aus  der  litterarischen  Hinterlassenschaft  des  h.  Bonifatius  etc  , 
Neisse  1888,  S.  42  ff.)  aus  einem  St.  Galler  Codex  mitgeteilte  Homilie  s.  Bd.  I 
S.  458,  3  und  über  die  von  Caspari  (Eine  Augustin  fälschlich  beigelegte 
Homilia,  1886)  herausgegebene  Rede  und  die  beiden  Ansprachen  Mansi  XII 
S.  376  ff.  s.  unten  Kap.  VI.  Über  Predigten  in  Münchener  Handschriften 
des  8. — 9.  Jahrhunderts  s.  Linsenmayer,  Gesch.  d.  Predigt  S.  35. 

2)  Folgt  aus  den  S.  240  ff.  angeführten  Stellen;  vgl.  die  Äusserung 
Hrabans  de  cleric.  instit.  III,  8  S.  385:  Ut  ex  his,  der  h.  Schrift,  unaquaeque 
gens  et  natio  propriae  linguae  adminiculo  intellectum  sibi  salubrem  attra- 
heret,  interpretando  ac  colloquendo  sensum  eundem  canonicum  propriis 
verbis;  de  eccles.  disc.  IH  S.  1234:  Qui  sensum  locutionis  sacrae  ex  lectione 
non  possunt  percipere,  attentius  audiant  interpretantem,  ut  recipiant  salteni 
in  aedificationem. 


—     246     — 

Gliiul)onstbrniel  geworden.*)  Was  wir  l>ei  der  Theologie  bemerkten, 
wiederholt  sich  in  der  Pi'edigt:  die  Verbindungsl'ädcii  zwischen 
Dogma  und  Predigt  sind  gelockert,  fast  zerrissen.  Kinen  um  so 
breiteren  Kaum  nimmt  die  Paränese  ein:  bald  ist  sie  an  die  Gläu- 
bigen insgemein,  bald  an  die  einzelnen  Stände  gerichtet,  bald  wird 
sie  gestaltet  als  Mahnung  zu  den  Tugenden,  bald  als  Warnung 
vor  deh  Lastern.  Immer  aber  soll  sie  unmittell)ar  wirken:  nicht 
das  asketische  Ideal,  sondern  schlichte,  durch  die  kirchlichen 
Gnaden  mittel  untei-stützte  Sittlichkeit  hält  sie  vor.-')  Freilich  fehlt 
auch  das  Beispiel  dafür  nicht,  dass  der  Prediger  sich  begnügte, 
seinen  Hörern  kirchliche  Vorschiiften  einzuprägen,  die  er  mu-  not- 
dürftig mit  der  sittlichen  Grundforderung  des  Christentums  in  Ver- 
bindung setzte."') 

Dass  alle  Priester  eigene  Predigten  hielten,  war  ein  Ziel,  das 
man  nicht  ins  Auge  fassen  konnte;  man  wai-  zufrieden,  wenn  sie 
ältere  Honiilien  in  die  deutsche  Sj)rache  übersetzten.')  Dass  sie 
dazu  im  Stande  waren,  dafür  sorgte  der  Unterricht  in  der  Kloster- 
und  Kathedralschule.'') 

Das  Bedürfnis  der  Prediger  führte  zur  Abfassung  von  Homilien- 
sammlungen.  Jedermann  weiss,  dass  Karl  den  Langobarden  J^udus 
mit  der  Bearbeitung  eines  Uomiliars  betraute.")  Es  war  nicht  zur 
Benützung  im  Gemeindegott(!sdienst  bestimmt,  sondern  für  das  of- 
ficium nocturnum  der  Kleriker.')  Hiei"  waren  die  Verlesungen  längst 
ül)lich;   Karls  Absic-ht  war  denn  auch   nicht,   eine  Neuerung  einzu- 

1)  Vgl.  besonders  Bonif.  serm.  1  und  5.  Auch  dio  1.  der  Scherer'schon 
i'redigten.     Weit  lebendiger  handelt  Bonif.  seruj.  2  von  der  Inkarnation. 

2)  Es  ist  hiebei  ohne  Relang,  «lass  die  angeblichen  Predigten  des 
Bonifatiu.s  sich  vielfach  an  ältero  Kodon  anschliessen  (s.  Halm.  Forschungen 
1881  S.  604  ff.). 

3)  Die  Predigt  über  die  Zehnten  und  das  Fa.sten  beginnt  mit  dem  Satz 
Totos  homines  debetis  amare  et  benefacere,  und  leitet  darau.s  die  Pflicht 
dor  Zehntleistung  ab. 

4)  Cap.    3«,    10   S.  lOö;    Ur,,   6   S.  234;    117.    12   S.  23.").     Conc.  Rem. 

c.  15  S.  78;  Tur.  c.   17  S.  85. 

5)  Vgl.  oben  S.   191  f. 

6)  Cap.  30  S.  80;  Poet.  lat.  I,  34  S.  68  f. 

7)  Das  sagt  Karl  a.  a.  0.  über  das  Homiliar  handelten  besonders 
Ranke,  Theolog.  Stud.  und  Krit.  (18.-).5)  11  S.  382  ff.;  Cruel,  He.sch.  d.  d. 
Pied.  S.  47  ff.  und  Linsenmayer,  (icsch.  d.  Pred.  S.  42  ft'.  Dorh  .sind  ihre 
Anschauungen    antiquiort   durch  Wieganda   Schrift,   Das  Homiliarium  Karls 

d.  Gr.  auf  seine  ursprüngliche  Gestalt  hin  untersucht,  Leipzig  1897.  Denn 
ihm  ist  es  gelungen,  die  von  den  Druckausgaben  weit  abweichende  Urgestalt 
Dachzuwei.sen. 


—     247     — 

führen;  er  ^vollte  lediglich  an  die  Stelle  verderbter  Texte  gute 
setzen.  Dass  Pauls  Werk  seinen  Beifall  fand,  ist  bekannt:  er  hat 
es  ausdrücklich  gebilligt,  seine  Einführung  angeordnet,  es  auch  ge- 
legentlich an  Klöster  verschenkt.^)  Ohne  Zweifel  ist  es  nicht  nur 
von  den  Mönchen,  sondern  auch  in  den  Kollegiatkirchen  benutzt 
worden:  es  musste  bald  die  bekannteste  Predigtsammlung  werden. 
Lag  es  dann  aber  nicht  in  der  Natur  der  Sache,  dass  die  Priester  diese 
ihnen  bekannten  Homilien  alsbald  auch  für  die  Gemeindepredigt 
verwandten?-)  Die  von  Paulus  getroffene  Auswahl  legte  diese 
Benützung  ül^erdies  nahe.  Eine  zweite  Predigtsammlung  dieser 
Zeit  ist  von  Alkuin  verfasst  worden."^)  Sie  unterscheidet  sich  von 
der  des  Paulus  Diakonus  dadurch,  dass  sie  für  die  Verlesung  im 
Gemeindegottesdienst  bestimmt  war.  In  diesem  Zwecke  trifft  ein 
gleichzeitiges  drittes  Predigtbuch,  das  Würzburger  Homiliarium,  das 
man  nach  Burkhard  zu  nennen  pflegt,  mit  ihr  überein.'^)    Während 

1)  Chron.  Bened.  7  Zusatz  M.G.  Scr.  IX  S.  216. 

2)  Cruel  bestreitet  a.  a.  0.  S.  47.  dass  das  Homiliar  des  Paulus  irgend 
welchen  Einfluss  auf  die  Predigtweise  des  Pfarrklerus  geübt  habe.  Ich  ver- 
stehe den  Eifer  nicht,  mit  welchem  diese  Behauptung  verfochten  wird,  und 
kann  mir  nicht  vorstellen,  dass  die  Homilien,  welche  die  Kleriker  am  besten 
kannten,  von  ihnen  am  wenigsten  sollen  benützt  worden  sein. 

3)  V.  Ale.  21  S.  195.  In  der  Rev.  Bened.  1892  S.  491  hat  Morin 
über  ein  in  dem  Cod.  lat.  14302  der  Nationalbibliothek  in  Paris  enthaltenes 
Homilarium  berichtet,  das  unterschriftlich  Alkuin  zugeschrieben  wird.  Der 
Beweis  für  die  Richtigkeit  dieser  Angabe  ist,  wie  mich  dünkt,  nicht  völlig 
zwingend,  aber  die  Wahrscheinlichkeit  ist  doch  sehr  gross.  Morin  hat  nicht 
beachtet,  dass  Pertz  längst  auf  einen  Prager  Codex  mit  Alkuinischen  Homi- 
lien hingewiesen  hat  (Pertz,  Archiv  IX  S.  469).  Es  wäre  wünschenswert, 
dass  festgestellt  würde,  wie  sich  die  Homilien  der  beiden  Handschriften  zu 
einander  verbalten,  bezw.  ob  die  junge  Prager  Handschrift  nicht  etwa  das 
Homiliar  des  Paulus  wiedergiebt.  Die  Alkuinische  Sammlung  besass  man 
im  9.  Jahrhundert  in  Fulda,  Becker  Catal.  S.  31  Nr.  13,  17. 

4)  Die  Annahme,  dass  diese  Sammlung  Burchard  gehörte,  stammt  von 
J.  G.  von  Eckhart,  Comraent.  de  reb.  Franc.  Orient.  I  S.  846.  Auf  dem 
letzten  Blatte  der  Handschrift  findet  sich  ausserhalb  des  Textes  zweimal 
der  Buchstabe  B,  einmal  am  Schluss,  das  andere  Mal  zwischen  einem  kurzen 
Gebet.  Eckhart  sagt  von  dem  ersteren:  quibus  aHquis,  ut  puto,  indicavit, 
codicem  hunc  s.  Burchardi  fuisse,  und  von  dem  letzteren:  forte  propria 
ipsius  manu  eflformatum  est.  Das  vorsichtige  forte  und  ut  puto  des  gelehrten 
Geschichtschreibers  Ostfrankens  ging  unter  den  Händen  der  Späteren  ver- 
loren, und  das  Homiliar  Burchards  war  fertig.  Die  Würzburger  Handschrift, 
welche  Eckhardt  exzerpierte,  gehört  jedoch  nach  dem  zuverlässigen  Urteil 
E.  Steinmeyers  dem  Ende  des  8.  oder  Anfang  des  9.  Jahrhunderts  an,  vgl. 
auch  Alth.  Glossen  IV  S.  666  über  die  Handschrift;  sie  kann  also  nicht  im 
Besitze  Burchards  gewesen,   noch   von   ihm  geschrieben  worden  sein.     Der 


—     248     — 

in  dem  AVerk  Alkuins  sicli  seiue  reiclie  Belesenheit  in  den  Schrif- 
ten der  Väter  beweist,  legte  der  "Würzburger  Summier  dem  seinen 
eine  Auswahl  von  Prechgten  des  Cäsarius  von  Arles  zu  Grunde, 
die  er  mit  einigen  fi'emden  Stücken  verband.')  Man  bemerkt  leicht, 
dass  ihm  überall  die  Bedürfnisse  der  Gemeinde  vor  Augen  standen. 
Er  sprk^ht  gegen  Aberglauben  und  Tnsittlichkeit,  schäift  die  Be- 
obachtung der  kirchhclien  Gebote  und  der  sittlichen  Anforderungen 
des  Christentums  ein ,  verkündigt  die  Erlösungsthaten  und  das 
kommende  Gericht.-)  Da  die  Handschrift  eine  Anzahl  deutscher 
Glossen  enthält,  so  darf  man  wohl  annehmen,  dass  sie  als  direkte 
Unterlage  tiir  deutsche  Ansprachen  benützt  wurde.  Schwerlich 
waren  diese  Predigtwerke  die  einzigen,  welche  in  der  Zeit  Karls 
entstanden;  und  sicher  waren  sie  nicht  die  einzigen,  die  man  be- 
nützte: man  hat  sich  wohl  auch  an  die  Predigten  eines  der  Alten, 
wie  Gregoi"s,  gehalten.  Das  Homiliar  gehörte  zur  Kirchenbibliothek 
wie  das  Missale  oder  das  Evangelienbuch.*') 

Wie  Karl  auf  das  Predigen  (h'aug,  so  erinnerte  er  auch  an 
che  Pfhcht  der  Seelsorge.  Schon  in  seinem  ersten  Erlasse  vom 
Jahre  769  mahnte  er  die  Priester,  grosse  Sorge  für  die  Kranken 
und  tiir  die  öffentlichen  Sünder  zu  tragen.  Es  sollte  nicht  vor- 
kommen, dass  ein  Christ  ohne  die  letzte  Ölung,  ohne  Al)solution 
und    Abendmahl    stürbe*)     Auch    diese   Mahnungen    wurden    von 


Einwand  Alberts,  Gesch.  d.  Pred.  S.  92,  sie  sei  jedenfalls  erst  eine  Abschrift 
der  ursprünglichen  Sammlung,  steht  völlig  in  der  Luft.  Dann  ist  aber  die 
Herstellung  dieser  Sammlung  mit  viel  grösserer  Wahrscheinlichkeit  der 
Zeit  Karls  d.  Gr.  als  der  Karl  Martells  zuzuschreiben. 

1)  Über  die  Autorschaft  der  einzelnen  Homilien  s.  die  Nachweise  bei 
Nürnberger,  Aus  der  litterrarischen  Hinterlassenschaft  des  h.  Bonifatius  etc., 
Neisse  1888,  S.  27  S.,  und  bei  Morin  in  der  Rev.  Bened.  1896  S.  97  ff.  Der 
letztere  zeigt,  dass  von  45  Stücken  12  nicht  von  Cäsarius  sind. 

2)  Vgl.  die  Predigten:  Nr.  .3  de  calendis  Januar,  (von  Cäsarius);  20  de 
his  qui  filios  per  aliquas  sacrilegas  superstitioncs  habere  volunt  (unbe- 
kannter Herkunft);  23  ammonitio  ut  fana  destruantur  (ebenso);  24  de  prae- 
gnantibus  et  nutrientibus  (Cäsarius);  25  de  martyribus  et  de  lunae  defectu 
et  de  sortibus  vel  pbjlacteriis  (unbekannter  Herkunft!;  1  .sittliche  Bereitung 
auf  die  Feier  des  Weihnacht«festes  (Cäsariu.si;  4  Beobachtung  der  Fasten 
I Cäsarius)  etc.  Die  Urteile  Alberte  über  diese  Predigten  S.  95  ff.  sind  .schief, 
da  er  sich  nicht  die  Mühe  genommen  hat,  die  Predigten  nachzuschlagen, 
BOndern  sich  mit  Eckhart«  Exzei-pten  begnügte  (s.  S.  98). 

3;  Cap.  128,  5  (c.  a.  810)  S.  251;  Common,  cuiusq.  ep.  9  S.  1376;  vgl. 
che  Kirchenbibliothek  in  Tannkirchen  bei  Wolfratshausen,  die  zwei  Hand- 
^.chriften  mit  Homilien  besass,  Meichclbeck,   H.  Fr.  I,  2  S.  351  Nr.  704. 

4)  Cap.  19,  10  S.  45;  vgl.  36,  21  f.  (a.  801  j  S.  107. 


—     249     — 

den  Bischöfen  Aviederholt;  ^)   man  wird  annehmen   dürfen,    dass  sie 
im  grossen  und  ganzen  ausgeführt  wurden. 

Schwierig  war  die  Seelsorge  an  den  Sündern.  Wir  haben 
früher  beobachtet,  dass  die  altkirchhche  Busszucht  im  6.  Jahr- 
hundert noch  liestand.-)  In  den  wirren  Zeiten  der  späteren  Mero- 
winger  war  sie  abgekommen.^)  Nun  sollte  sie  erneuert  werden. 
Man  kam  auf  den  Grundsatz  zurück,  dass  öffenthche  Sünden  öffent- 
lich gebüsst  werden  müssten."^)  Allein  die  Anwendung,  welche  man 
von  ihm  machte,  führte  nicht  zu  den  Einrichtungen  der  alten 
Kirche;  denn  als  öffentlicher  Sünder  galt  der  bestrafte  Verbrecher: 
er  wurde  ausser  ziu'  Zahlung  des  Wehrgelds  auch  zur  Leistung 
der  Kirchenbusse  genötigt:'^)  sie  diente  nur  zur  Verschärfung  der 
staathch  verhängten  Strafe.  Den  Charakter  der  Gemeindezucht 
hatte  sie  gänzlich  verioren.  Es  entsprach  dem,  dass  sie  nicht  mehr 
im  Ausschluss  aus  der  Gemeinde  bestand.  Zwar  bestimmte  man 
den  Sündern  wieder  gewisse  Busszeiten,  man  glaubte  dadurch  den 
kirchhchen  Satzungen  zu  genügen;  aber  man  veränderte  das  AVesen 
der  Busszeit,  indem  man  Absolution  und  Rekonciliation  am  An- 
fange derselben,  nicht  mehr  am  Ende  vornahm.**)  Früher  war  der 
Büsser  während  ihrer  Dauer  nicht  Ghed  der  Gemeinde  gewesen; 
nun  war  er  es;  er  war  nur  zu  gewissen  Leistungen,  l)esonders  Fasten 


1)  Ghärbald:  cap.  123,  11,  15,  19  f.  S.  243  f.;  Common,  cuiusq.  ep.  14 
S.  1376. 

2)  Vgl.  Bd.  I  S.  222  ff. 

3)  Conc.  Cabil.  (a.  813)  can.  25  S.  98:  Poenitentiam  agere  iuxta  an- 
tiquam  canonum  institutionem  in  plerisque  locis  ab  usu  recessit.  Stat. 
Bonif.  31  S.  386:  Quia  varia  necessitate  praepedimur  canonum  statuta 
de  reconciliandis  poenitentibus  pleniter  observare  propterea  omnino  non 
dimittatur. 

4)  Conc.  Arel.  (a.  813)  c.  26  S.  62:  üt  qui  publice  crimine  convicti 
sunt  rei,  publice  iudicentur  et  publicam  poenitentiam  agant  secundum  ca- 
nones;  Conc.  Cab.  (a.  813)  c.  25  S.  98;  Cap.  78,  25  (a.  813)  S.  175;  Theo- 
dulfi  cap.  II  S.  211  flf.;  vgl.  Conc.  Rem.  31  S.  80. 

5)  Cap.  33,  32  f.  und  37  f.  (a.  802)  S.  97  f. 

6)  Stat.  Bonif.  81  S.  386.  Nach  der  oben  Anm.  3  angeführten  Stelle 
heisst  es:  Curet  unusquisque  presbyter  statim  post  acceptam  confessionem 
poenitentium  singulos  data  oratione  reconciliari.  Ebenso  Ghärbald,  cap.  123, 
10  S.  243:  üt  qui  homicidium  confessi  fuerint,  iubeat  eos  presbyter  abstinere 
XL  diebus  ab  ecclesia  et  a  communione,  antequam  ab  episcopo  reconcilietur 
aut  episcopus  eos  presbyteris  reconciliari  iusserit.  Abweichend  hievon  hielt 
Theodulf  daran  fest,  dass  der  Büsser  aus  der  kirchlichen  Gemeinschaft 
ausgeschlossen  sei  (cap.  II  S.  212).  ühlhorns  Angabe  (Liebesthätigkeit  II 
S.  47)  ist  demnach  unrichtig. 


—     250     — 

yeqifliclitot.')  Das  waron  die  Vorschriften.  Sie  stiessen  bei  der 
Bevölkerung  auf  Widerstand.  Es  kam  vor.  dass  die  Vorbrecher 
sich  weigerten,  die  Busse  zu  üliernehnien.-)  Offenbar  empfand  man 
die  doppelte  Strafe  für  dasselbe  Vergehen  als  unbillig.  Sollte  dann 
der  AVidei-stand  durch  die  Exkommunikation  gebrochen  werden,  so 
geschah^  es  wohl,  dass  auch  dieses  IVIittel  vei"sagte.=')  Mit  einem 
Worte:  die  Erneuerung  der  Kirchenzucht  in  der  alten  Weise  erwies 
sich  als  unmöglich. 

l'm  so  eifnger  war  man,  die  Sitte  einzuführen,  das  jedermann 
freiwiUig  beichte.  Was  einst  Cohunba  gewünscht  hatte,  war  nun 
allgemeine  Forderung  der  Frommen.  Besonders  Alkuin  wurde  nicht 
müde,  die  Beichte  zu  empfehlen;  er  sah  in  iin*  gewissermasseu  die 
Gegenleistung  für  die  Sündenvergebung.  Glaube  mir,  so  erklärte 
er,  jede  Sünde  wird  lä.sslich.  wenn  du  dich  nicht  scheust,  sie  zu 
bekennen.  Gott  erwartet  von  uns  das  Opfer  der  Busse,  damit  er 
uns  das  freundhche  Geschenk  der  Vergebung  erteilen  könne.'')  In 
einem  langen  Briefe  legte  er  den  Schülern  von  St.  Martin  in  Tours 
die  Notwendigkeit  des  häufig  wiederholten  Sündenbekenntnisses  ans 
Herz.  i\Iau  bemerkt  an  der  Wärme  und  dem  Eifer,  mit  welchem 
er  spricht,  wie  grossen  Wert  die  Beichte  in  seinen  Augen  hatte. •'^) 
Sein  l^iiief  muss  Eindruck  gemacht  haben;  von  Salzburg  aus  wurde 


1)  Schmitz  (Die  Bussbücher  etc.  I  S.  56  ff.)  sucht  nachzuweisen,  dass  die 
kanonische  Busse  im  7. — 9.  Jahrh.  bezüglich  der  wesentlichen  Requisite 
keine  Veränderungen  erlitt.  Dies  Resultat  erreicht  er,  indem  er  alle  Ver- 
iinderungen,  welche  eintraten,  für  unwesentlich  erklärt:  als  wesentlich  gilt 
ihm  nur  die  Auflage  einer  gewitisen  Busszeit.  Ist  bei  dieser  Verdünnung 
des  Begriffs  kanonische  Busse  Schmitz'  Resultat  des  Aufhebens  noch  wert? 
Er  hat  doch  nur  das  Wort  kanonische  Busse  gerettet.  Dass  die  Zeitge- 
nossen anders  urteilten  als  der  moderne  Gelehrte,  zeigen  die  S.  249  Anm.  3 
angeführten  Stellen. 

2)  Gonc.  Mog.  fa.  813)  c.  53  S.  75:  Ut  episcopi  incestuosos  investi- 
gare  studeant  omnino  praecipimus.  Et  si  poenitere  noluerint  de  ecclesia 
expellantur.  Conc.  Tur.  c.  41  S.  89:  Incestuosi,  parricidae,  homicidae  multi 
apud  nos  reperiuntur ;  sed  aliqui  ex  illis  sacenlotum  nolunt  admonitionibus 
aurem  accomodare  .  .  .  Quos  oportet  per  saecularis  potentiae  disciplinam 
.  .  coerceri  .  .  .  Quorum  aliquos  iam  excommunicavimus;  sed  illi  hoc 
parvipendentes  in  eisdem  perdurarunt  criminibus.  Theod.  cap.  I,  26  S.  199: 
Si  quis  perpetrato  periurio  aut  quolibet  criminali  peccato,  tiniens  poeniten- 
tiae  longnm  aerumnam,  ad  confessinnem  venire  noluorit,  ab  ecclesia  re- 
pellendus  est.  Vgl.  die  Erzählungen  V.  Liudg.  III,  lH  S.  4l!=<  un.l  V.  Leob. 
22  f.  (M.G.  Scr.  XV)  S.   130. 

3)  Conc.  Tur.  c.  41  S.  89. 

4)  p:p.  131  S.  194  ff. 

5)  S.  den  angeführten    Brief. 


—     251     — 

er  später  e»6uclit.  auch  an  die  Klosterschüler  von  St.  Peter  eine 
Mahnung  zur  Beichte  zu  richten:  er  sandte  eine  Abschrift  des 
älteren  Briefes.')  Es  war  nicht  seine  Meinung,  dass  nur  die  Mönche 
und  ihre  Schüler  die  Pflicht  zu  beichten  hätten:  jedermann,  ob  jung 
oder  alt.  ob  ^Nlann  oder  Frau,  ob  er  im  Kloster  oder  in  der  Welt 
lebe,  habe  seine  Sünden  dem  Priester  zu  bekennen,"')  Dasselbe 
verlangte  Theodulf:  das  Sündenbekenntnis  vor  Gott  schien  ihm 
ungenügend,  wenn  nicht  die  dem  Priester  abgelegte  Beichte  der 
That-  und  Gedankensünden  hinzukomme.'')  Anderwärts  wurde  be- 
stimmt, dass  die  Priester  am  Aschermittwoch  ihre  Pfarrkinder  zur 
Beichte  einlüden.^) 

Die  Form  der  Beichthandlung  war  im  ganzen  einfach.  Nach 
Theodulf  begann  sie  mit  einem  gemeinsamen  Gebete  des  Priesters 
und  des  Konfitenten;  es  folgte  das  Sündeubekenntnis  des  letzteren, 
wenn  nötig  unterstützt  durch  Fragen  des  Priesters.  Darauf  hatte 
der  Beichtende  das  Glaubensbekenntnis  zu  sprechen,  denen  zu  ver- 
geben, die  an  ihm  gesündigt  hatten,  und  Besserung  zu  geloben. 
Nun  bestimmte  der  Priester  die  Busszeit,  betete  darauf  die  sieben 
Busspsalmen  und  ethche  Gebete;  den  Schluss  bildete  die  Abso- 
lution.') 

Auch  die  Einführung  der  Beichte  geschah  nicht  ohne  Wider- 
spruch. Im  Süden  des  Reichs  weigerten  sich  die  Laien  allgemein, 
die  Pflicht  des  Bekenntnisses  vor  dem  Priester  anzuerkennen;  sie 
waren  der  Überzeugung,  dass  das  Bekenntnis  vor  Gott  genüge. *"') 
Das  war  altkirchhcher  Boden,    wohin    der   Einfluss  Columlms   und 


1)  I]p.  258  S.  416. 

2)  Ep.  280  S.  438;  vgl.  169  S.  278;  250  S.  405. 

3)  Cap.  I,  30  f.  S.  200  f.     Vgl.  Conc.  Cabü.  (a.  813)  c.  32  S.  99. 

4)  Common,  cuiusq.  op.  33  S.  1378.  Vgl.  den  Anm.  5  erwähnten  Ordo 
privatae  .  .  poenitentiae:  Premonere  debet  omnis  sacerdos  eos  qui  sibi  con- 
fiteri  solent.  ut  in  capite  ieiunii  (Aschermittwoch)  concurrere  incipiant  ad 
renovandam  confessionem. 

5)  Cap.  II  S.  219.  Hiemit  stimmt  im  grossen  und  ganzen  der  ordo 
privatae  seu  annualis  poenitentiae,  den  Schmitz,  Die  Bussbücher  II 
S.  57  aus  einer  ehemals  Fuldischen  Handschrift  herausgegeben  hat,  und 
der  ordo  feriae  IUI  in  capite  ieiunii  überein,  bei  Schmitz  (a.  a.  0.  I, 
S.  87  ff.)  aus  einem  aus  Mainz  stammenden  cod.  Valicell.  saec.  X.  Die  Vor- 
schriften Theodulfs  sind  hier  zur  Formel  geworden.  Die  Beschreibung  der 
Handlung  bei  Pseudo-Alkuin  (de  divin.  offic.  13)  weicht  ab;  sie  entspricht 
im  ganzen  den  Anweisungen  in  Pönitentialien  des  7.  und  8.  Jahrhunderts 
(Wasserschieben,  Bussordnungen  S.  59;  360;  388  ff.);  der  ordo  ad  dandam 
poenitentiam  bei  Schmitz  I  S.  98  ff.  ist  eine  jüngere  Erweiterung. 

6)  Ale.  ep.  138  S.  216:  Dicitur  neminem  ex  laicis  suam  velle  confes- 
sionem sacerdotibus  dare.     Conc.  Cabil.  (a.  813)  c.  33  S.  100:   Quidam  Deo 


252     

der  keltischen  Mciiiclie  niclit  gedrungen  war.  Leichter  scheint  sich 
die  Sitte  zu  beichten  im  Norden  eingebürgert  zu  haben:  von  Oppo- 
sition hcirt  man  liier  nicht;  auch  beweisen  die  deutschen  Beicht- 
fonneln,  dass  die  Tjaien  in  der  That  gebeichtet  haben.') 

Karl  enthielt  sich  dessen,  die  Beichte  zu  gebieten.  Auch  die 
Konzilien  haben  sie  noch  nicht  als  unerlässliche  kirchliche  PHicht 
verlangt.-')  Doch  förderte  er  die  Bestrebungen  der  kirchlichen 
Männer  dadurch,  dass  er  die  Priester  zum  Beichthören  verptiich- 
tete,'^)  auch  durch  die  Königsboten  die  AmtsfühiTing  der  Geistlichen 
in  dieser  Hinsicht  beaufsichtigen  liess.'*) 

Bei  Bestimmung  der  Busszeit  hielt  man  sich  an  die  seit  Co- 
lumba  in  der  fränkischen  Kirche  bekannten  Bussbücher.''')  Karl 
forderte,  dass  jeder  Priester  ein  Pönitentiale  besitze.")  Es  war 
eine  Menge  derselben,  zum  Teil  von  unbekannten  Verfassern,  im 
Gebrauche.  Man  nahm  bald  wahr,  dass  ihre  Ansätze  vielfach  nicht 
übereinstimmten.     Das  machte  gegen  diese  Litteratur  argwöhnisch; 

fiolunuiiDilü  conhteri  debero  dicunt  pcccata.  Auch  die  hier  bezeugte  That- 
sacho   wird   von  Schmitz  nicht  beachtet. 

1)  Müllenhoft"  und  Scherer,  Denkmäler  Nr.  72—77  I  S.  236  ft'.  Die 
P'ormeln  sind  zum  Teil  jünger,  setzen  aber  einen  älteren  Text  voraus  (s. 
Scherer  II  S.  376  ti'.;  Kossinna  in  Quellen  und  Forschungen  XLVI  1881  S.  95  f. 
bestimmt  die  Entstehung  der  Fulder  Beichte  Nr.  73  auf  die  Zeit  um  830, 
der  Würzburger  Nr.  76  auf  etwa  85.5.  Zur  altsächsischen  vgl.  Jostes,  Z.  f. 
d.  A.  40  S.  134  tt'.).  Zahlreiche  lateinische  Beichtformeln  werden  Alkuin 
zugeschrieben:  de  psalm.  us.  S.  470  f.,  49.5  tf.;  off.  per  fer.  S.  524  f.,  553. 
Eine  Beichtanweisung  Othmars  von  St.  Gallen  bei  Wasserschieben,  Buss- 
ordnungen etc.  S.  437.  t'ber  den  Inhalt  der  IJeichtforraeln  unten  Buch  5 
Kap.  5.  —  Die  Sitte  des  Beichtens  wird  auch  bewiesen  durch  cap.  79,  1 
(a.  813)  S.  175:  Ut  hoc  inquiratur,  si  de  partibus  Austriae  verum  est  quod 
dicunt  an  non,  quod  presbyteri  de  confessionibus  accepto  pretio  manifestent 
latrones. 

2)  Conc.  C'abil.  c.  32  S.  90:  Instruendus  est  .  .  confessor,  ut  de  octo 
principalibus  vitiis  .  .  confessionem  faciat.  Vgl.  c.  33,  wo  die  Beichtpliicht 
nur  auf  .Tac.  5  gegründet  wird :  Confiteamur  alterutrum  peccata  nostra. 

3)  Cap.  36,  21  (a.  801)  S.  107:  Ut  cuncti  sacerdotes  omnibus  illis  con- 
fitentibus  eorum  crimina  dignam  poenitontiam  cum  summa  vigilantia  ipsis 
indicent. 

4)  Cap.  38,  4  (a.  802)  S.  110:  ¥.»  ist  zu  untersuchen  die  Amtsführung 
der  Priester  in  confessione  peccatorum,  qualiter  eos  agere  doceant,  qualiter 
eis  remedium  peccatorum  iraponere  sciant  vel  procurent.  Schutz  des  Beicht- 
geheimnisses  cap.  79,  1   (s.  oben  Anm.  1). 

5)  S.  die  angeführten  Werke  von  Wassorschlebcn  und  Schmitz. 

6)  Cap.  81,  15  (a.  810—813)  S.  179:  Ut  unusquisque  presbyter  capitula 
habeat  de  maioribus  vel  de  minoribus  vitiis;  vgl.  c.  20;  Theod.  cap.  II 
S.  219. 


—     253     — 

die  Synode  ^on  Chalon  s.  S.  verwarf  die  Bussbücher  überhaupt,') 
die  von  Tours  erklärte  wenigstens  eine  Bestimmung  darüber,  welches 
Bussbuch  zu  gebrauchen  sei,  für  notwendig.-)  Aber  zu  einer  all- 
gemein giltigen  Eegehmg  kam  es  nicht:  man  benützte  nach  wie 
vor  hier  dieses  und  dort  jenes  Pönitentiale. 

AVas  die  Gestalt  des  Gottesdienstes  anlangt,  so  befand  sich  die- 
selbe, als  Karl  ziu-  Regierung  kam,  in  unverkennbarem  Schwanken. 
Es  scheint  nicht,    dass  sich  feststellen  lässt,    wann   und  wo  zuerst 
römische  Formen  in  die  gallische  Liturgie   eindrangen.     Sicher  ist 
indes,  dass  schon  vor  Bonifatius  das  Bestreben  vorhanden  war,  die 
galhsche    Liturgie    den    römischen   Ordnungen    anzupassen.  =')      Der 
rege  Verkehr,  der  seit  Bonifatius  und  mehr  noch  seit  Pippin  zwischen 
Rom  und  dem  fränkischen  Reich  stattfand,  musste  in  weiten  Kreisen 
die  unterschiede  der  Liturgie  zum  Bewusstsein  bringen ;  es  ist  ver- 
ständlich,   dass    man    vor    allem  die  Verschiedenheit  des  Gesanges 
hier   und    dort   wahrnahm.     Wie    erwähnt,    hat  Pippin    in    diesem 
Punkte  die  Ausgleichung  herbeizuführen    begonnen,    indem    er    die 
Annahme    des    römischen    Kirchengesangs    gebot. '^)      Bischöfe    wie 
Chrodegang  von  Metz  und  Remedius  von  Ronen  haben  seine  Ab- 
sichten ausgeführt.-^)     Es  war  unvermeidhch,    dass  man  sofort  den 
nächsten  Schritt  that:  die  Gleichheit  des  Gesangs  forderte  die  Gleich- 
heit der  IVIessordnung.    So  besassen  denn  auch  schon  in  den  ersten 
Jahren  Karls  einzelne  deutsche  Kirchen  Sakramentare,  welche  die 
römische  Messe  wiedergaben.") 

Wie  man  sieht,  hat  Karl  diese  auf  Einheit  der  Kultusformen 
gerichtete  Bewegung  nicht  geschaffen.')     Aber  er  hat  sie  gebilligt 

1)  C.  38  S.  101:  Quorum  sunt  certi  errores,  incerti  auctores. 

2)  C.  22  S.  86:  Necessarium  videbatur  nobis,  cum  omnes  episcopi  ad 
sacrum  palatium  congregati  fuerint,  ab  eis  edoceri,  cuius  antiquorum  liber 
poenitentialis    potissimum    sit    sequendus.     Einen    Erfolg   hatte    dieser  Be- 

schluss  nicht. 

3)  Vgl.  Duchesne,  Origines  du  culte  chretien  S.  9-5  f. 

4)  Vgl.  S.  34  Anm.  1.  Yon  einem  Versprechen  Pippins,  den  römischen 
Ritus  einzuführen,  Rietschel,  Lehrb.  d.  Liturgik  S.  331,  ist  in  den  Quellen 
nicht  die  Rede. 

5)  Vgl.  S.  53  Anm.  1  und  34  Anm.  1. 

6)  Metz,  Gest.  ep.  Mett.  S.  268.  Ein  1870  verbranntes  Strassb.  Pracht- 
sakramentar  bezeichnete  sich  als  liber  sacramentorum  Romane  ecclesie 
(Delisle,  Memoire  sur  d'auciens  sacram.  S.  90  in  den  Mem.  de  l'acad.  des 
Inscr.  t.  XXXII).  Da  in  der  missa  pro  regibus  das  Gebet  für  den  König 
lautete:  Da  servis  tuis,  regibus  nostris,  triumphum,  so  ist  es  in  einer  Zeit 
geschrieben,  in  der  das  fränkische  Reich  mehrere  Könige  hatte,  demnach 
768—771.     Vgl.  auch  Mönchemeier,  Amalar  von  Metz  S.  129  ff. 

7)  Man  bemerkt  sie  gleichzeitig  auch  in  England  (Ale.  ep.  226  S.  370). 


—     254     — 

und  unterstützt.')  Tn  seiner  klaren  AVeise  erkannte  er  sofort,  dass 
es  unniöirlich  sei.  auf  lialheni  Wege  stehen  zu  bleiben.  Denigemäss 
Hess  er  sich  vun  Hadrian  I.  eine  Abschrift  des  gregorianischen 
Sakranientars  übergeben:'-)  er  wollte  ein  authentisches  Dokument 
über  den  römischen  Gottesdienst  besitzen,  und  dann  -wiederholte  er 
nicht  nnr  die  Verfügung  seines  Vaters  über  den  nimischen  Kirchen- 
gesang,"') sondern  er  ordnete  an,  dass  die  ^Nlcsse  nach  dem  Gebrauch 
der  römischen  Kirche  gesungen  werde.^)  Auch  in  anderen  Punkten 
förderte  er  den  Anschluss  an  die  römische  Praxis.")  Infolgedessen 
wurde  nach  und  nach  die  gallische  Messe  durch  die  römische  ver- 
drängt.") Allein  es  ist  doch  auch  hier  unverkenn])ar,  dass  Karl 
mit  der  Freiheit  schaltete,  die  man  au  ihm  gewohnt  ist.  Denn 
das  Gregoriauum  wurde  keineswegs  in  der  Form  rezipiert,  wie  es 
von  Hadrian  gesandt  war;  es  wurde  Ijedeutend  erweitert.'')  Mög- 
lich, dass  aucli  hier  Alkuin  die  Ausführung  von  Karls  Gedanken 
zufiel:^)    aber   auch   wenn   dies   nicht   der  Fall   war.    so  konnte  die 


1)  Über  seine  Motive  s.  o.  S.  110. 

2)  Cod.  Carol.  89  S.  626.  Es  ist  bezeichnend,  dass  Karl  ein  nicht 
interpoliertes  Exemplar  verlangte. 

3j  Cap.  22,  80  (a.  789)  S.  61;  30  (a.  786—800)  S.  80;  vgl.  Adern,  hist. 
II,  8  (M.Ü.  Scr.  IV  S.  1171'.). 

4)  Eine  hierauf  bezügliche  Verordnung  Kiirls  i.st  nicht  erhalten.  Dass 
sie  aber  erlassen  wurde,  zeigen  die  Visitation.st"ragpn  Cap.  116,  4  S.  2'M: 
Missam  vestram  secundum  ordincm  Ronianum  quomodo  nostis  vel  intelli- 
gitis,  und  7:  Otficium  divinum  secundum  rituni  Komanorum  in  statutis  so- 
lemnitatibus  ad  tecantandura  quomodo  scitis.  Vgl.  117.  10  S.  235.  Die 
Zeit  ist  nicht  festzustellen. 

öj  In  Bezug  auf  den  cursus  diurnus  et  nocturnus  cap.  38,  2  (a.  802) 
S.  110;  vgl.  Chron.  Moiss.  z.  J.  802  S.  306.  In  Bezug  auf  die  Taufe  cap.  23,  22 
(a.  789)  S.  64;  vgl.  Conc.  Mog.  (a.  813)  c.  4  S.  6fi;  besonders  Beobachtung 
der  kanonischen  Taufzeiten  cap.  36,  10  f.  (a.  801)  S.  106;  83,  5  (a.  813) 
S.  182;  119,  10  S.  237;  Haito  cap.  177,  7  S.  363;  Theod.  cai».  II  S.  200; 
Common,  cui.  ep.  29  S.  1377;  .Mc.  ep.  68  S  312  (ed.  .JattV-;.  liier  überall 
ist  von  den  zwei  legitimen  Taufzeiton  die  Rede:  doch  nennt  Karl  (ep.  ad 
Tihaerb.  S.  241)  auch  Epiphanias. 

6)  Hilduin  von  St.  Denis  (c.  a.  835),  Areop.  Prolog.  5  (M.G.  Kp.  V 
S.  330):  Mis.sales  libri  continentcs  missao  ordinem  more  Ciallico,  (pii  ab 
initio  recpptae  fidei  usu  in  liac  occidentali  plaga  est  habitus,  usquo  quo 
tenorem,  quo  nunc  utitur,  Homanura  8u.sceperit.  Vgl.  das  Verzeichnis  der 
Sukramentarien  bei  Delisle  a.  a.  0. 

7).*^.  Duchesne  S.  114  f.;  Bi.nhop  in  Dublin  Heview  115.  I5d.  1894 
S.  247  tf.  Gegen  Duchesnes  Beurteilung  des  (iregorianums  der  letztere 
S.  252;  er  ist  meines  Erachtens  durchaus  im  Recht. 

8)  Bi.shop  S  258  tr.,  Mönchemeier,  Amalar  S.  137  f.  Die  Hypothese 
ist  bestechend;  aber  mehr  als  eine  Möglichkeit  ist  sie  nicht.     Das  Zeugnis 


—     255     — 

Änderung  mcht  ohne-  sein  Yorwissen  geschehen.  Die  Folge  Avar, 
dass  man  niclit  zu  voller  Übereinstimmung  gelangte:^)  weder  der 
Text  der  gelesenen  und  gesungenen  Stücke  noch  die  Auswahl  der- 
selben waren  identisch.-)  Die  gottesdienstlichen  Formen  bewiesen 
die  ihnen  eigene  Zähigkeit.^)  Auch  sonst  gab  es  Verschiedenheiten 
genug:*)  das  wichtigste  war,  dass  in  der  sog.  offenen  Schuld  sich 
ein  deutsches  Stück  des  Gottesdienstes  behauptete.^)  Nicht  minder 
hielt  man  füi'  die  Bekenntnisfragen  und  die  Abrenuntiation  in  der 
Taufe    an    der  deutschen  Sprache  fest.^)     Verschieden  dachte  man 


des  Micrologus  de  eccl.  observ.  Migne  151  S.  1020  ist  so  mit  Irrtümern 
durchsetzt,  dass  mit  ihm  nichts  anzufangen  ist.  Auch  der  Missalis  Gre- 
gorianus  et  Gelasianus  ab  Albino  ordinatus  in  der  Bibliothek  von  St.  Ri- 
quier  (Becker,  Cat.  S.  28)  scheint  mir  nicht  beweiskräftig. 

1)  Übrigens  war  die  Übereinstimmung  schon  deshalb  unmöglich,  weil 
in  Rom  selbst  zwischen  den  verschiedenen  Kirchen  keine  Übereinstimmung 
bestand.  Das  bemerkte  Amalar,  de  eccl.  offic.  I,  15  Migne  105  S.  1032; 
IV,  40  S.  1235.     Flori  Lugd.  ep.  ad  Drog.  7  M.G.  Ep.  V  S.  270. 

2)  Allgemein  bekannt  ist  die  verschiedene  Fassung  des  3.  Art.  im 
konstantinopolitanischen  Symbol.  Dass  in  Rom  das  Symbol  in  der  Messe 
überhaupt  nicht  gesungen  wurde,  ist  Bd.  III  S.  523  Anm.  3  gezeigt.  Ich 
füge  die  Verweisung  auf  die  Ratio  de  symb.  v.  809—810  Mansi  XIV  S.  18  ff. 
hinzu.  Leo  III.  bemerkt:  Nos  id  ipsum  non  cantamus.  Eine  Menge  Ver- 
schiedenheiten konstatiert  Amalar:  hinsichtlich  der  Kollekten  de  eccl.  off. 
praef.  alt.  S.  987  C;  des  Gebets  des  Vaterunsers  ib.  III,  6  S.  1114;  der  Lek- 
tionen praef.  prim.  S.  985,  vgl.  Hrab.  ep.  50  ad  Lothar.  S.  505;  des  Anti- 
phonars de  ord.  antiph.  prol.  S.  1243  vgl.  Helisach.  ep.  ad  Nidibr.  M.G. 
Ep.  V  S.  308  Nr.  6.  Vgl.  auch  Hrab.  ep.  33  S.  466  über  den  Text  der 
Hymnen.     Die  Beispiele  liessen  sieh  noch  vermehren. 

3)  Der  Widerspruch  des  Magisters  Florus  von  Lyon  gegen  Amalars 
ausschliessliche  Betonung  des  Römischen,  vgl.  M.G.  Ep.  V  S.  270,  ist  hier 
bemerkenswert. 

4)  Ich  verweise  auf  Stat.  Risb.  43  Cap.  112  S.  230:  üt  si  vobis  vide- 
tur  usum  Romanum  habere  velle,  feria  IUI  ante  cenam  Domini  orationes, 
quae  scripta  sunt  ad  feriam  VI  parasceue,  .  .  hora  tertia  .  .  dicantur  in 
ecclesia  cum  genuflexione  nisi  tantum  pro  ludaeis.  Die  Stelle  lehrt,  dass 
man  aus  dem  Text  der  Handschriften  nicht  sofort  auf  die  wirkliche  Übung 
schliessen  kann. 

5)  Vgl.  darüber  Buch  V  Kap.  5. 

6)  Stat.  Bonif.  27  S.  386.  Deutsche  Tauffragen  bei  Müllenhoff  und 
Scherer  51—53  S.  155  f.  In  Betracht  kommt  besonders  Nr.  52:  Forsahhistü 
unhoklün?  ih  fursahhu.  Forsahhistü  unholdün  uuerc  indi  uuillon?  ih  fur- 
sahhu.  Forsahhistü  allem  them  bluostrum  indi  den  gelton  indi  den  gotura 
thie  im  heidene  man  zi  bluostrum  indi  zi  geldom  enti  zi  gotum  habent? 
ih  fursahhu.  Gilaubistü  in  got  fater  almahtigan?  ih  gilaubu.  Gilaubistü 
in  Christ   gotes   sun   nerjenton?   ih   gilaubu.     Gilaubistü   in  heilagan  geist? 


—     256     — 

endlich  :mch  iilier  die  Frage,  ob  ein  Priester  mehrere  Messen  an 
einem  Tage  singen  dürfe  oder  nicht.') 

Grossen  Wert  hat  man  diesen  T unterschieden  nicht  beigelegt.-) 
Nach  und  nach  glichen  sich  die  meisten  aus.  Aber,  bezeichnend 
für  die  Bedeutung  Karls,  es  geschah  nicht  so.  dass  man  im  frän- 
kischeji  Reiche  zu  der  ursprünglichen  Gestalt  des  Gregorianums  zu- 
rückkehrte, sondern  so,  dass  man  in  Rom  die  fränkischen  Ergän- 
zungen aufnahm:  der  Gottesdienst  in  der  Aachener  Palastkapelle, 
nicht  der  im  Lateran,  ist  für  die  spätere  katholische  Messe  mass- 
gebend. 

Für  alles,  was  die  Würde  des  Gottesdienstes  erforderte,  hatte 
Karl  das  offenste  Auge.  Wenn  seine  Persönlichkeit  einen  so 
durchaus  harmonischen  Eindruck  macht,  so  beruht  das  vor  allem 
darauf,  dass  in  diesem  gi'ossen  Staatsmann  und  Feldherra  das 
ästhetische  Gefühl  ungemein  lel)haft  entwickelt  war.  Es  war  ihm 
Bedürfnis,  dass  in  seiner  Umgebung  das  Kleinste  wie  das  Grösste 
eine  ansprechende  Form  trug.'^)  Als  er  den  Thron  bestieg,  hatte 
die  abendländische  W^elt  Jahrhunderte  künstlerischer  Verarmung 
hinter  sich.  Zwar  war  das  Erbe  aus  der  Römerzeit  nicht  ganz 
verloren  gegangen:  die  Bauformen  des  4.  Jahrhunderts  herrschten 
noch  im  6.  und  7.  Auch  fehlte  es  den  Baumeistern  dieser  späteren 
Zeit  nicht  an  neuen  Gedanken,  die  sich  im  Verlauf  als  sehr  frucht- 
bar erwiesen.  Es  genügt  zum  Beweise  das  Eine  zu  erwähnen,  dass 
die  Kreuzform  der  Basihka  eine  Erfindung  der  älteren  fränkischen 
Architekten  ist.^)  Aber  wie  hätte  unter  den  unablässigen  Kämpfen, 
welche  dem  Königtum  der  Karolinger  vorhergingen,  die  ruhige 
Freude  an  dem  Schnnick  des  Daseins  aufkommen  sollen,  ohne  die 
das  Gedeihen  der  Kunst  nicht  möghch  ist?  Erst  unter  Karls 
Regiment  fing  man  wieder  an,  von  den  Verhältnissen  in  Staat, 
Kirche  und  Gesellschaft  befriedigt  zu  sein.    Damit  war  die  Voraus- 


ih  gilaubu.  Gilaubistü  einan  got  almahtigan  in  tiinisse  inti  in  finisse?  ih 
gilaubu.  Gilaubistü  heilaga  gotes  chirichün?  ih  gilaubu.  Gilaubistü  thuruh 
taufwnpa  sunteöno  forläznessi?  ih  gilaubu.  Gilaubistü  Hb  after  töde?  ih 
gilaubu.     Vgl.  auch  o.  S.  182  Anm. 

1)  Für  das  erster«  berief  man  sich  auf  Papst  Leo,  für  das  letztere  auf 
Honifatius.  Walahfrid  Strabo  de  exord.  et  increm.  22  S.  49.5  f. 

2)  Walahfrid  urteilt  an  der  angeführten  Stelle  sehr  verständig  nach 
dem  Vorgang  dos  Apostel  Paulus:  Itaque  unusquisque  in  suo  sensu  abun- 
dot.  dum  fides  concordet  (S.  49G). 

3)  Hiefür  ist  besonders  das  cap.  de  villis  charakteriatisch  (32,  24,  34, 
48  S.  8.5  ff.j. 

4)  Kirche  in  Rebais  (V.  Agil.  15,  A.  S.  Mab.  II  S.  308),  Jumieges 
(V.  Filib.  7  S.  786). 


—     257     — 

Setzung  für  "das  Aufblühen  der  Künste  gegeben.  Anregend  und 
fordernd  wirkte  die  enge  Verbindung,  der  ununterbrochene  Ver- 
kehr mit  Itahen.  Karl  ist  der  erste  Deutsche,  der  die  bezaubernde 
Schönheit  Roms  nicht  nur  dumpf  empfunden,  sondern  Mar  erkannt 
hat.  Wenn  er  seinen  Palast  in  Aachen  Lateran  nannte,  so  zeugt 
der  Name  von  seiner  Freude  an  dem  sonnigen  Süden.  ^)  So  sehr 
er  unter  den  Welschen  ein  Deutscher  bheb,  so  war  es  ihm  doch 
wohl  in  dem  goldenen  Rom.  Und  wie  in  Rom,  so  in  Ravenna. 
Mit  den  Kunstwerken,  die  er  von  dort  entnahm,  schmückte  er  seine 
Residenz ;  -)  S.  Vitale,  die  schönste  Kh'che  Ravennas,  wählte  er 
zum  Vorbild  für  seine  Palastkirche.  ■^) 

Das  Kirchliche  wäre  nicht  das  vornehmste  geistige  Interesse 
der  Zeit  gewesen,  wenn  nicht  Karl  in  ausgedehntem  Masse  die 
Kunst  in  den  Dienst  der  Kirche  gestellt  hätte.  Er  sprach  es  als 
seinen  Grundsatz  aus,  dass  der  Ort,  in  welchem  das  gläubige  Volk 
sich  versammele,  in  welchem  die  Geheinmisse  des  Heils  gefeiert 
wiü'den,  mit  mannigfachem  Schmucke  zu  zieren  und  zu  ehi'en  sei."*) 
Und  bei  ihm  ersetzten  nicht  die  Grundsätze  die  Thaten,  sondern 
sie  regelten  sie.  Die  Kunstgeschichte  rühmt  ihn  als  den  Erbauer 
des  Aachener  Münsters:  schon  die  Zeitgenossen  erwähnen  das  Werk 
mit  Worten  der  höchsten  Bewunderung;')  die  nächsten  Generationen 
haben  es  hier  und  dort  nachgeahmt   und  damit  bezeugt,    dass    es 


1)  Chron.  Moiss.  z.  J.  796  S.  303;  vgl.  oben  S.  129. 

2)  Cod.  Carol.  81  S.  614.  Die  Profanbauten  bleiben  hier  natürlich 
ausser  Betracht.  Über  den  Palastbau  s.  Reber  in  den  Abb.  der  Münch. 
Akad.  XIX  1891  S.  715  ff. 

3)  Dehio-Bezold,  Die  kirchl.  Baukunst  des  Abendlandes  S.  153. 

4)  Libr.  Carol.  IV,  3  S.  1188. 

5)  Einh.  V.  Karol.  17:  Basilica  s.  Dei  genitricis  opere  mirabili  con- 
structa;  Chron.  Moiss.  z.  J.  796  S.  303.  Vgl.  die  weiteren  von  J.  v.  Schlosser, 
Schrittquellen  S.  26  f.  gesammelten  Stellen.  Worauf  sich  die  Annahme  bei 
Dehio-Bezold  (a.  a.  0.  S.  152)  gründet,  dass  das  Münster  dereinst  des 
Kaisers  Grab  aufnehmen  sollte,  weiss  ich  nicht.  Kraus,  Gesch.  d.  ehr. 
Kunst  II,  1  S.  7  hätte  sie  nicht  wiederholen  sollen.  Denn  Einhard  sagt 
V.  Karol.  31  ganz  bestimmt:  Quod  ipse  vivus  de  hoc  (Ort  seiner  Beerdi- 
gung) nihil  praecepisset.  Auch  Dohmes  Angabe  (Gesch.  d.  d.  Baukunst 
S.  8),  die  Kirche  sei  zur  grossen  Hof-  und  Staatskirche  des  Reichs  bestimmt 
gewesen,  lässt  sich,  so  viel  ich  weiss,  nicht  belegen;  ich  zweifele,  ob  ein 
solcher  Gedanke  im  8.  Jahrhundert  möglich  war.  Einhard  äussert  sich  c.  17 
über  die  Motive  Karls  mit  den  Worten:  Propter  amorem  Dei  et  domini 
nostri  J.  Chr.  et  ob  honorem  sanctae  et  aeternae  virginis.  Aus  der  Er- 
bauung eines  Baptisteriums  in  Aachen,  auf  welche  Dohme  Wert  legt,  folgt 
nicht  das  Mindeste:  es  sollte  ja  bei  jeder  Parochialkirche  ein  Baptisteriuui 
erbaut  werden  (cap.  112,  32  S.  229). 

Hauck,  Kirchengeschichte.    II.    2.  Aufl.  17 


—     258     — 

ihnen  als  unül)ertret'tliches  Vorbild  galt.-*^  Aber  auch  heute  noch 
kann  man  den  weiten,  schlichten  Raum  nicht  betreten,  ohne  von 
der  Erhabenheit  berührt  zu  werden,  welche  dieses  Erstlingswerk 
deutscher  Baukunst  auszeiclniet. 

l'nd  doch  ist  die  Errichtung  des  Aachener  Münsters  das  ge- 
ringst? Yerdit-nst  Karls:  denn  ein  vereinzeltes  Kunstwerk  ist  wert- 
los, die  Prahlerei  eines  Barbaren.  Karl  ist  deshalb  gross,  weil  er 
dem  deutschen  Volk  die  Überzeugung  einprägte,  dass  die  gottes- 
dienstliciien  Räume  überall  würdig  und  schön  ausgestattet  sein 
müssten.  Unbenutzte  und  ülxn-flüssige  Kirchen  Hess  er  ai)brechen;-) 
aber  um  so  mehr  drang  er  dai'auf,  dass  den  übrigen  nichts  fehlte, 
was  zur  Zier  diente  und  tiir  den  Kultus  notwendig  war.^)  Auch 
nicht  die  geringste  Dorfkirche  sollte  dadurch  entstellt  werden,  dass 
man  sie  zur  Aufbewahrung  von  Vorräten  u.  dgl.  miss])rauchte.^) 
Er  fand  für  diese  Bestrebimgen  einen  emptanglichen  Boden.  A\'ohl 
gab  es  noch  manche  ärmliche  Holzkirche. '^I  aber  überall  im  Reiche 
wiu'de  gebaut,  gemalt  und  gemeisselt.")    Der  König  hatte  schliess- 


1)  Vgl.  Kraus  II,  1  S.  6  f. 

2)  Cap.  40,  1  (a.  803)  S.  115:  Ubi  in  unum  locum  plures  (ecclesiae) 
sunt,  quam  necesse  sit,  ut  destruantur,  quae  necessaria  non  sunt,  et  alia 
conserventur.     Ebenso  in  Bezug  auf  die  Altäre  (cap.  43,  8  [a.  805]  S.  121). 

3)  Cap.  22,  71  (a.  789)  S.  59;  42,  1  (a.  803—804)  S.  119;  46,  3  (a.  806) 
S.  131;  49,  4  (a.  807?)  S.  136;  62,  1  (a.  809)  S.  150;  63,  1  (a.  809)  S.  152; 
83,  4  la.  813)  S.  182. 

4)  Cap.  81,  5  (a.  810—813)  S.  178;  Theo.!,  cap.  I,  8  S.  194.  Die  Ab- 
haltung der  Placita  in  den  Kirchen  und  Kirchhöfen  wurde  ebenfalls  unter- 
sagt (cap.  78,  21  [a.  813]  S.  174;  83,  8  [a.  813V]  S.  182,  hier  als  Grund: 
t^uia  solent  ibidem  omines  ad  mortem  iudicare:  Conc.  Arel.  [a.  813]  c.  22 
S.  62;  Mog.  c.  40  S.  73).  In  den  Kirchen  zu  beerdigen  wurde  nur  aus- 
nahmsweise gestattet  (cap.  78,  20  S.  174;  81.  14  S.  178;  Conc.  Arel.  21 
S.  62;  Mog.  c.  52  S.  75;  Theod.  cap.  I,  9  S.  194;  II  S.  210;  V.  Liudg.  II, 
8  S.  414). 

5)  In  Michelstadt  im  .Jahre  815  eine  Holzkirche,  dagegen  in  Mühlheiiii 
ein  Steinbau  (Urkunde  Ludwigs,  B.M.  549),  eine  Steinkirche  in  Diirrmenz, 
OA.  Maulbronn,  im  .Tahre  835  Cod.  Lauresh.  2337  ( VVürtt.  GQ.  II  S.  76); 
vgl.  Cap.  128,  32  S.  255.  Noch  in  der  zweiten  Hälfte  des  9.  .Tahrhunderts 
waren  in  P'rankreich  nicht  alle  Dorlkirchen  Steinbauten.  Das  ergiebt  sich 
daraus,  dass  Regino  von  einer  Kirche  einmal  eigens  bemerkt,  sie  sei  massiv 
gewesen  (Chron.  z.  .T.  867  S.  578).  Deutschland  stand  ohne  Zweifel  hinter 
dem  Weston  zurück. 

6)  Kinh.  V.  Karol.  17:  Praccipue  aedos  sacras,  ubicunque  in  toto  regno 
800  vetustate  conlapsas  comperit,  pontificibus  et  patribus,  ad  quorum  curam 
pertinebant,  ut  restaurarentur,  imperavit,  adhibens  curam  per  legatos,  ut 
imperata  perficerent. 


—     259     — 

lieh  Anlass,  *  die  Geistlichkeit  daran  zu  erinnern,  dass  eine  sittHch 
tüchtige  Gemeinde  doch  wertvoller  sei  als  eine  schöne  Kirche.^) 
Stolz  konnte  er  die  Griechen  auf  den  Unterschied  zwischen  ihrer 
Heimat  und  seinem  Reiche  hinweisen:  dort  eine  Menge  Kirchen, 
die  so  heruntergekommen  seien,  dass  sie  nicht  einmal  ordentliche 
Dächer  besässen.  denen  es  an  Lichtern  und  AVeihrauch  gebreche; 
hier  dagegen  glänzten  die  Kirchen  von  Gold  und  Silber,  edlem 
Gestein  und  Perlen;  es  gebe  nichts  Kostbares,  das  man  nicht  zu 
ihrem  Schmucke  verwende.-) 

Die  meisten  Kirchen  waren  ohne  Zweifel  Basiliken;^)  so  hatte 
man  unter  den  Merowingern  gebaut,  so  waren  die  Vorbilder  ge- 
staltet, die  man  in  Rom  und  Ravenna  bewunderte.  Auch  das 
Studium  Vitruvs  f(3rderte  naturgemäss  die  Bewahning  der  alten 
Formen.^)  xlber  die  Baumeister  Karls  waren  doch  nicht  nur  Nach- 
ahmer. Schon  vor  Karl  hatte  die  Umbildung  der  altkirchlichen 
zur  romanischen  Basilika  begonnen;  in  seiner  Epoche  wurde  sie  in 
den  Grundzügen  vollendet:  die  Kreuzform ''')  und  die  Erhöhung  des 
Chors'')    kamen    nun   in  Übung,    auch   Doppelchöre')    und  Pfeiler- 


1)  Cap.  72,  11  (a.  811)  S.  164. 

2)  Libr.  Carol.  IV,  3  S.  1183;  doch  vgl.  Ale.  ep.  136  S.  210. 

3)  Vgl.  Dohme,  Gesch.  d.  d.  Baukunst  S.  11;  Dehio-Bezold,  Die  kirchl. 
Baukunst  d.  Abendl.  S.  157;  Krau.s,  Gesch.  der  ehr.  Kunst  II,  1  S.  Iff.; 
V.  Schlosser,  Schriftquellen  z.  Gesch.  der  Karoling.  Kunst  S.  3  ff.  Ich  stimme 
der  Ansicht  zu,  dass  die  karolingische  Baukunst  den  Übergang  von  der 
altkirchlichen  zur  romanischen  Kunst  bezeichnet,  also  zu  letzterer  zu 
rechnen  ist;  nur  scheinen  mir  Dehio  und  v.  Bezold  die  Thätigkeit  Karls  zu 
sehr  als  epochemachend  zu  betrachten ;  die  Formen,  welche  nun  herrschend 
wurden,  waren  vorher  schon  vorhanden.  Es  ist  bemerkenswert  und  ent- 
spricht der  Sachlage,  dass  schon  V.  I  Leodeg.  20  S.  667  von  neuen  Formen 
die  Rede  ist. 

4)  Vgl.  Einh.  ep.  57  S.  138.  Hier  ist  von  einer  capsella  die  Rede, 
quam  domnus  E.  columnis  eburneis  ad  instar  antiquorum  operum  fabricavit. 

5)  Salvatorkirche  in  Fulda,  Dom  zu  KölnC?),  Hersfeld,  Bauriss  von 
St.  Gallen,  s.  Dehio-Bezold  a.  a.  0.  S.  157  ff.  Irrig  ist  nur,  dass  die  Ver- 
fasser die  Erfindung  der  Kreuzform  der  Zeit  Karls  zuschreiben  (S.  160);  sie 
ist,  wie  die  S.  256  Anm.  4  angeführten  Stellen  beweisen,  älter. 

6)  Beispiele  des  Ausbaues  der  Krypta  zu  einem  Oratorium :  Fulda,  östl. 
Krypta  von  St.  Salvator  (V.  Leob.  23  S.  131),  St.  Gallen  (V.  Gall.  II,  25 
S.  27;  32  S.  28;  Mirac.  Othm.  I,  10  S.  51),  St.  Denis  (Urkunde  Ludwigs 
vom  20.  Januar  833,  Bouq.  VI  S.  588),  Elno  (Ale.  carm.  58,  4  S.  306), 
St.  Avold  (Transl.  Chrys.  15  A.  S.  Mab.  IV,  1  S.  579j.  Beispiele  auf  Denk- 
mälern bei  Dehio  u.  v.  Bezold  S.  183  f. 

7)  St.Riquier.  Fulda,  St.  Gallen,  s.  Dehio  u.  v.  Bezold  S.  167  ff.;  Dohme 
S.  12.     Dass  doppelchörige  Kirchen   schon   vor  Karl  vorkommen,   bemerken 

17* 


—     260     — 

})aiitcn  ^)  begegnen  da  und  dort;  endlich  suchte  man  durch  symme- 
trische Anordnung  der  Thürme  diese  in  ein  ästhetisch  ansprechendes 
Verhältnis  zur  Kirche  zu  setzen.-)  Damit  war  die  neue  Bahn 
eröft'net. 

Den  Schmuck  der  Kirchen  bildeten  fTomälde"')  und  Inschriften,^) 
Wie  m  den  Bauten  der  altkirchlichen  Zeit  so  wurden  auch  jetzt 
die  Halbkuppel  der  Apsis,  die  breiten  AN'andtlächen  des  Triuniph- 
})ogens  und  der  Langwände  des  Mittelschiffs  mit  Bildern  bedeckt, 
^lan  malte  sie,  wie  es  scheint,  gewöhnlich  auf  die  trockene  oder 
nasse  Wand;'')  doch  m()gen  auch  nmsivische  Bilder  nicht  gefehlt 
liaben.    Denn  noch  war  die  Kunst  der  Mosaicisten  nicht  vergessen.") 


Dfihio  u.  V.  Bezold  S.  169;  vgl.  Kraus  II,  1  S.  14.  Das  doppelte  Querschiff, 
die  Konsequenz  des  doppelten  Chors,  scheint  nur  in  St.  Kiquier  vorgekommen 
zu  sein. 

1)  Michelstadt  und  Seligenstadt  (Dohme  S.  1.5). 

2)  S.  die  bekannte  Anordnung  zweier  Türme  auf  dem  Bauriss  von 
St.  Gallen  c.  830.  Da.ss  es  auf  fränkischem  Gebiete  schon  in  der  vorkaro- 
lingischen  Zeit  Kirchtürme  gab,  zeigt  V.  Anstrud.  14  (A.  S.  Mab.  II  S.  940). 
Ich  stelle  ein  paar  Erwähnungen  von  Türmen  und  turmlosen  Kirchen  zu- 
sammen: Aachen,  Einh.  Transl.  Marcell.  III,  lö:  Turricula,  quae  signa 
basilicae  continebat;  a.  835  St.  Wandrille:  In  s.  Petri  basilica  pyra- 
midum  quadrangulam  altitudinis  triginta  quinque  podum  de  ligno  tornatili 
compositam  in  culmine  turris  eiusdom  aecclesiae  collocari  iussit;  quam 
plumbo,  stagno  ac  cupro  deaurato  cooperiri  iussit,  triaque  ibi  signa  posuit; 
nam  antea  nimis  humile  hoc  opus  erat  (Gest.  abb.  Font.  17  S.  55),  so  viel 
ich  weiss,  die  erste  Erwähnung  eines  spitzen  Turmhelmes;  a.  857:  Turris 
campanarum  der  Kathedrale  zu  Trier  (Ann.  Bertin.  z.  d.  J.  S.  48).  Vgl. 
Ale.  cp.  226  S.  370  über  York:  Videtur  condignum,  ut  domuncula  cloccarum 
stagno  tegatur  propter  ornamentum  et  loci  celebritatem.  Kirchen  ohne 
Turm:  a.  835  St.  Peter  in  Corbie  (V.  Adalh.  87  f.  S.  320  f.),  oder  ist  an 
einen  Turm  über  der  Vierung  zu  denken,  in  dem  die  Glocken  hingen? 
c.  a.  853:  St.  Avold  (Transl.  Ghrys.  22  S.  581). 

3)  Cap.  49,  4  (a.  «07?)  S.  136  erscheinen  Bilder  als  gewöhnlicher  Be- 
standteil des  Kirchenschmuckes.     Vgl.  Ale.  carm.  66,  2  v.  6  f.  S.  286. 

4)  Vgl.  die  Inschriften  Alkuins  für  St.  Peter  in  Köln  carm.  107,  2 
S.  333;  Salzburg  c.  109  S.  335  ff.;  Elno  c.  88  S.  305  f.;  St.  Vaast  c.  89 
S.  309;  für  eine  von  Alkuin  erbaute  Marienkirche  c.  90  S.  313  u.  a.;  In- 
schriften für  St.  Alban  in  Mainz  und  Bleidenstadt  Poet.  lat.  1  S.  4'M,  für 
das  Aachener  Münster  1.  c.  S.  432.  Steinraann,  Die  Tituli  und  die  kirch- 
liche Wandmalerei,  Leipzig  1892,  S.  98  f. 

5)  Vgl.  den  Brief  Frothars  von  Toni  an  den  Abt  Aglemar:  Peto  ut 
nobis  raittas  ad  decorandos  parietes  colores  divernos,  «pii  ad  manum  habentur, 
videlicet  auri  pigmentum,  folium  Indicum,  minium,  lazur  adque  prasinum 
et  de  vivo  argento  iuxta  facultatem. 

6)  Libr.  Card.  III,  30  S.  1179:    Si  qui«   ligneam  doraum  aedificans,  si 


—     261     — 

Zu  den  Wandbildern  traten  die  Tafelljilder  hinzu;  sie  werden  in 
Wachsmalerei  ausgeführt  gewesen  sein;  denn  auch  diese  Technik 
wusste  man  noch  zu  gebrauchen.^)  Kaum  wird  es  ein  Münster 
gegeben  haben,  das  nicht  wenigstens  ein  jjaar  Bildtafeln  besass: 
man  weiss,  dass  sie  dem  kleinen  Klösterlein  in  Solnhofen  nicht 
fehlten;  aber  auch  die  reichere  Stiftimg  Einhards  in  Seligenstadt 
legte  Wert  auf  ihi-en  Besitz:  der  Maler  Hilperich  in  Prüm  malte 
Bilder  füi-  sie.-) 

Ausser  den  Wänden  scheinen  die  flachen  Holzdecken  der 
Kirchen  bemalt  gewesen  zu  sein.-^)  EndHch  hat  es  alle  Wahr- 
scheinlichkeit, dass  die  ersten  bunten  Glasfenster  der  karohngischen 
Zeit  angehören:  die  technische  Voraussetzung  war  noch  gegeben, 
und  der  Eindruck  war  unvenneidlich,  dass  das  farbenglänzende 
Innere  der  Kirche  gedämpftes  licht  forderte.^) 


parietes  cupit  marmoreis  exornare  tabulis  aut  variare  multicoloribus  vitri 
frustulis,  dum  cernit  ligno  earlem  metalla  per  naturam  minima  posse  cohaerere, 
spretis  bis  metallis  .  .  lignis  domus  conatur  pei-ficere. 

1)  L.  c.  III,  15  S.  1145;  Imagines  hominum  vel  ceris  pictae  vel  metallis 
conflatae;  vgl.  I,  2  S.  1013. 

2)  Über  Seligenstadt  Servat.  Lup.  ep.  67  S.  135;  über  Solnhofen  (Ta- 
bulae  pictatoriae  ibidem  pendentes)  V.  Sual.  8  M.6.  Scr.  XV  S.  160.  Die 
Karoliniscben  Bücher  nennen  Tafel-  und  Wandgemälde  nebeneinander  (III, 
16  S.  1147).  Die  Werke,  mit  denen  Angilbez't  die  Altäre  in  St.  Riquier 
schmücken  Hess,  vgl.  Angilb,  libell.  de  eccl.  Cent.  3  S.  177  und  carm.  1 — 7 
waren  natürlich  keine  Gemälde,  sondern  Antependien;  ebenso  war  die  Holz- 
tafel, welche  Ansegis  für  den  Marienaltar  in  Luxeuil  stiftete  (Gesta  abb. 
Font.  17  S.  52),  ein  Antependium  mit  Metallfiguren  und  kein  Bild. 

3)  Ich  weiss  keinen  Beleg;  aber  die  Notiz  über  die  nobilissime  picturis 
geschmückte  Decke  im  Dormitorium  von  St.  Wandrille  macht  die  Annahme 
sehr  wahrscheinlich  (Gesta  abb.  Font.  17  S.  54). 

4)  V.  II  Liudg.  II,  29  S.  423  von  einem  wunderbar  geheilten  Blinden: 
Luce  paulatim  per  fenestras  (der  Kirche  zu  Werden)  irradiante  imagine.s 
in  eis  factas  monstrare  digito  coepit.  So  die  Lesart  nach  Mabillon.  Pertz 
(M.G.  Scr.  II,  423)  liest  in  eo,  eine  Lesart,  bei  der  jede  Konstruktion  un- 
möglich ist,  weshalb  ich  die  Lesart  Mabillons  für  richtig  halte.  Damit  ist 
das  Vorkommen  gemusterter  Glasfenster  in  der  Karolingerzeit  bewiesen. 
Die  Lebensbeschreibung  Liudgers  gehört  der  Mitte  des  9.  Jahrhunderts  an 
(c.  864).  In  Reichenau  lebte  um  840  ein  vitrearius  Namens  Matthäus;  die 
Mönche  von  Corveyi?)  wünschten,  dass  er  dorthin  komme,  quatenus  ad  basi- 
licam  s.  Viti  martyris  summe  fenestre  exemplar  ostentet  infantulis  nostris. 
Dabei  kann  man  verständigerweise  doch  auch  nur  an  die  Zeichnung  eines 
Musters  für  das  betreifende  Fenster  denken  (Form.  Aug.  coli.  C  Nr.  13 
S.  370).  Die  Sache  hat  an  sich  nichts  L'nwahrscheinliches.  denn  die  Ver- 
wendung von  Glasmosaik  zum  Fensterverschluss  lag  in  einer  Zeit,  in  welcher 


—     262     — 

Erhalten  ist  von  diosom  Rciclituin  malerischer  AVerke  nicht 
das  geringste.  Die  Vorstcllnnu  wäre  auf  schwankende  Vermutungen 
augewiesen,  wenn  nicht  die  Miniaturen  der  Prachthandschriften  eine 
Anschauung  von  den  Formen  und  ^JVpon  gäl)en.  welche  hei  den 
Künstlern  in  Karls  Zeit  herrschten.  JJenn  nehen  der  grossen 
Kunst^  welche  das  Innere  der  Kirchen  mit  üherlehensgrosscn 
Figuren  erfüllte,  wurde  mit  gleichem  Eifer  die  kleine  Kunst  ge- 
pflegt, für  die  der  TJmfang  eines  massigen  Blattes  den  Raum  dar- 
hot.  In  der  Schreil)stube  der  Hofschule,  in  den  Klöstern  zu  Tours, 
Metz  und  anderwärts  wirkten  diese  Kleinmeister.')  'M<m  hat  be- 
merkt, dass  unter  Karls  Regierung  der  Kreis  der  dargestellten 
Gegenstände  noch  sehr  enge  ist:  die  Kanonestafeln,  die  Bilder 
Christi  und  der  Evangelisten,  das  Ijamm  Gottes  und  die  vierund- 
zwanzig Altesten,  endlich  der  Lebensbruunen  und  einige  Bilder  aus 
der  Anfangsgeschichte  der  Menschheit,  dazu  reichliches  Ornament, 
das  ist  alles.-)  Aber  das  Wenige  genügt,  um  zu  zeigen,  dass  die 
Künstler  Karls  d.  Gr.  keine  neuen  Formen  und  Typen  ausluldeten. 
Überall  liegen  die  Zusammenhänge,  welche  die  Kunst  des  achten 
und  neunten  Jalu-hundeits  mit  der  früheren  Zeit  verbinden,  often 
zu  Tage:  wie  die  Schriftsteller  von  der  altkirchlichen  Litteratur,  so 
waren  die  Künstler  von  dem  altkirchlichen  Vorbild  al)hängig.  Nicht 
die  freie  Eründung,  sondern  die  Überlieferung  beherrschte  wie  die 
Gedanken  so  auch  Auge  und  Hand:    die  Künstler  arbeiteten  stil- 


raan  Glaspasten  zur  Anfertigung  musivischer  Arbeiten  überall  herzustellen 
verstand  (vgl.  Hraban  de  univ.  XVII,  10  S.  474),  vio]  näher  al«  in  oinor 
Zeit,  in  welcher  «lie  musivische  Malerei  so  gut  wie  verschwunden  war,  wie 
im  10.  oder  gar  im  11.  .Tahrhundert.  Glasfenster  werden  auch  sonst  ge- 
legentlich erwähnt  V.  Filib.  7  (A.  S.  Mab.  II,  786);  Gesta  abb.  P'ont.  17 
S.  54.  Mir  scheint,  dass  sie  auch  jetzt  noch  gewöhnlicher  waren,  als  man 
anzunehmen  pflegt.  Glas  war  in  dieser  Zeit  nichts  überaus  »Seltenes,  also 
Kostbares;  wie  hätte  man  sonst  Glaskelche  auf  die  gleiche  Stufe  mit  Holz- 
kelchen gestellt  und  vorboten  (Common,  cuiusq.  ep.  6  8.  187ß)V  wie  hätte 
man  einen  zinnernen  Kelch  für  kostbarer  als  einen  gläsernen  halten  können 
(V.  Bened.  5,  M.G.  Scr.  XV  S.  204)V     Vgl.  H.l.  1  S.  215  Anm.  5. 

1)  Vgl.  .lanitschok,  Gesch.  der  deiitachon  Malerei  8.  15  fl'.;  rlers.  in  Die 
Trierer  Ada-Handschrift  8.  R3  ff.  Hier  sind  die  sämtlichen  einschlägigen 
Handschriften  besprochen.  Kraus  II.  1  8.  24  ft. ;  Leitschuh,  Gesch.  der  Karol. 
Malerei  8.  70  ff.;  v.  Schlosser  8.  392  ff.;  ders.  in  den  Wiener  SB.  1890  Bd.  123 
S.  1  ff ;  Lamprecbt,  Initialornamentik  8.  26  ff.;  Wattenbach  NA.  VIII  8.  458f.; 
Braun.  Beiträge  zur  Geschieht«  der  Trierer  Buchmalerei,  Westdeutsche  Zeit- 
schrift Krgänzungsheft  9,   1896. 

2)  .lanitschek,  Ada-Handschrift  8.  65  f.  Die  Ableitung  aus  Karls 
Stellung  im  Bilderstreit  acheint  mir  indessen  irrig;  sie  wird  durch  das,  was 
wir  über  die  Kirchenbilder  wissen,  widerlegt. 


—     263     — 

gerecht,  weil*  sie  nur  Jernten.  nicht  selbst  beobachteten.  Aber  so 
sicher  das  ist.  so  wird  doch  auch  die  andere  Bemerkung  nicht 
trägen,  dass  trotzdem  im  Zeitalter  Karls  die  Umprägung  der  alten 
Fomien  zum  Mittelalterlichen  beginnt.  Das  Ornament  ist  anti- 
kisierend; die  Figuren  schhessen  sich  in  Gestalt.  Gesichtst}-pus  und 
Gewandung  an  das  Überkommen  au.  Aber  dort  treten  neben  das 
Akauthusblatt,  den  Eierstab  und  den  Mäander  andere  Formen, 
sowohl  li'änkischen,  als  angelsächsischen  und  keltischen  Ursprungs. 
Schwerlich  sind  die  Zeichner,  die  so  verschiedene  Formen  benützten, 
sich  dessen  bewusst  gewesen,  dass  sie  durch  den  gleichzeitigen  Ge- 
brauch derselben  die  bisherige  Regel  durchbrachen,  xlber  dass  es 
ihnen  gelang,  sie  nicht  nur  nebeneinander  zu  stellen,  sondern  zu 
einem  harmonischen  Ganzen  zu  lugen,  darin  liegt  das  Neue.  Mit 
den  Figuren  ist  es  nicht  anders:  die  Evangehsten  der  Adahand- 
schrift ^  siiul  ganz  im  antiken  Schema  gezeichnet;  aber  diese  Ge- 
stalten, die  bald  schwermütig  siimend  niederbhcken,  bald  gespannt 
lauschend  das  Auge  erheben,  sind  von  tieferer  Empfindung  beseelt 
als  alles,  was  die  altchristhche  Kunst  hervorgebracht  hat.  Darin 
liegt  die  Umbildung. 

Es  wäre  irrig,  aus  dem  engen  Bilderkreis  der  Handschriften 
zu  folgern,  dass  die  Kirchenbilder  sich  innerhalb  einer  ähnhch  be- 
schi-änkten  Grenze  hielten.  Die  htterarische  Überlieferang  beweist, 
dass  das  nicht  der  Fall  war.  Wie  hätte  es  anders  sein  sollen? 
Denn  schon  dm'ch  die  Vorbilder  Roms  und  Ravennas  war  hier 
eine  freiere  Bewegung  gesichert.  Bis  ins  einzelne  entsprach  dem 
dortigen  Vorbild  che  Anordnung  des  bildnerischen  Schmuckes:  hoch 
am  Triumphbogen  sah  man  das  Bildnis  Christi  und  die  Evan- 
gelistensymbole,-) von  den  Wänden  des  Hauptschiffes  leuchteten 
historische  Darstellungen  und  die  Bilder  von  Bischöfen  und  Heihgen^^) 
in  der  Kuppel  der  Apsis  hinter  dem  Hauptaltar  thronte  Christus 


1)  Tafel  10,  15—17. 

2)  Vo-1.  Ale.  carm.  117  S.  346  f.  Dass  die  Verse  zu  den  4  Gestalten 
gehören,  unterliegt  keinem  Zweifel;  höchst  eigenartig  ist  aber  die  Deutung 
dieser  auf  Christus.  Christus  zwischen  den  4  Gestalten  auch  Flor.  Lugd. 
carm.  20  S.  548. 

3)  Vgl.    die  aus  Meaux  stammenden  Verse   (Poet.  lat.  I  S.  115   c.    11 

V.  7 ff.): 

Vertice  siderio  prefert  pictura  figuras 

Et  monstrat  Christi  effigiem  domini. 
Historias  medius  sacras  pulcrasque  fenestras 

Ordo  gerit,  patrum  pontificumque  decus. 
Infimus  ast  loculus,  veluti  de  marmore  comptus 

Et  decus  et  specimen  contulit  egregium. 


—     264     — 

als  der  Herrscher  oder  der  "Weltenricliter.^)  Die  Vorwürfe  zu  den 
Historienbildern  entnahm  man  dem  Alten  und  dem  Neuen  Testa- 
ment, seltener  den  Lehrenden  der  Heilip;on.'-)  Deutlich  zeigt  sich 
das  Fortlehen  in  den  alten  Anschauungskreisen  darin,  dass  da  und 
dort  die  Darstellung  des  Gekreuzigten,  an  die  man  längst  gewöhnt 
war.  ausgeschlossen  blieb.  In  der  Ansiuhrung  waren  die  aus  der 
vorgermanischen  Zeit  überkommenen  Typen  beibehalten;  neben  den 
freundlichen  Zügen  des  jugendlichen  Christus  sah  man  auch  dies- 
seits der  Alpen  die  ernsten,  strengen  des  Weltenrichters,  die  man 
aus  St.  Paul  V.  d.  M.  kennt. ^)  Auch  die  aus  der  antiken  Kunst 
stammenden  Personifikationen  von  Meer  und  Erde.  Sonne  und  Mond 
u.  dgl.  fehlten  nicht."*) 

Die  Menge  der  erhaltenen  Inschriften  zeigt,  wie  gewühiilich  es 
war.  sie  den  Bildern  beizufügen.  ]\[an  konnte  sich  nicht  mehr,  wie 
in  der  altchristhchen  Zeit,  darauf  verlassen,  dass  der  Beschauer 
das  Bild  auch  ohne  Deutung  vei-stehen  würde.  Denn  währeud  der 
kunstannen  Jahrhunderte  seit  dem  Untergang  dei-  antiken  Kultur 
war  die  Kunst  zum  Fremdling  geworden,  dessen  Sprache  man  nicht 
mehr  verstand.  Deshalb  trat  die  erklärende  Inschrift  neben  das 
Bild:  sie  erst  machte  jetzt  das  Bild  zu  einei-  gemalten  Predigt. 
Doch  wurden  Inschriften  in  kunstvoller  Ausführung  an  Wänden, 
Thüren  und  Altären  auch  ohne  Bilder  angel)racht;  dann  deuteten 
sie  dem  Leser  den  Zweck  des  Gotteshauses,  oder  sie  mahnten  zur 
Andacht  und  erinnerten  an  den  Trost  des  christhchen  Glaubens.'^) 

Die  Skulptur  verfügte  über  verschiedene  Arten  der  Technik: 
neben  der  Kunst  des  Marmorarbeiters  und  Stukkateurs  findet  man 

1)  Inschrift  einer  musivisch  verzierten  Apsis  (Poet.  lat.  I  S.  77c.  46  v.  5  f.): 

In  quo  terribilis  vultus  dominantis  et  una 
Sanctorum  eftijries  pulchro  .sub  cnigmate  vernant. 

In  flor  Kirche  zu  Gorze  Christus  als  "Wcltonrichtor  zwischen  Seraphim  und 

Cherubim,  vor  ihm   die   fünf  klugen  Jungfrauen  (Ale.  carm.  103,  1  S.  330). 

Eine  Darstellung   des  Weltgerichts   an   der  Westwand    in  St.  Gallen  (Poet. 

lat.  II  S.  481  f.  III.  IV). 

2)  Bilder  aus  dorn  Alt.  Test.  Ale.  carm.  11.'»  S.  346;  aus  dem  Leben 
.Jesu  Poet.  lat.  I  S.  413  f.;  II  S.  480  ff.  Nr.  VII.  aus  St.  fallen.  Bemerkens- 
wert ist,  dass  eigentliche  Loidcnsdarstellungen  hier  vermieden  werden.  Libr. 
Carol.  IV,  21  S.  1229;  Darstellung  des  Gekreuzigten  Ale.  carm.  116  S.  346; 
Heiligenbilder  V.  Sual.  8  S.  160. 

3)  Vgl.  oben  Anm.  1    , terribilis  vultus-*. 

4)  Ale.  carm.  70  S.  293;  Theod.  carm.  47  S.  547  f.;  46  S.  544  f.;  vgl. 
Libr.  Carol.  III,  23  S.  1162;  IV,  21  S.  1230. 

5)  Ale.  carm.  88  M.G.  Poet.  lat.  I.  S.  308:  die  Anweisung  in  pariete 
scribendum ;  die  Inschrift  des  Aachener  Münsters  a.  a.  0.  S.  432  Nr.  3; 
vgl.  Steinmann  S.  118  ff. 


—     265     — 

in  den  Karoliuischen  -Büchern  die  im  Norden  altheimische  Holz- 
schnitzerei erwähnt.^)  Griffen  die  Schnitzer  bei  kleinen  Arbeiten, 
dem  altchristlichen  Vorbilde  folgend,  gerne  zu  dem  kostbarsten  und 
bildsamsten  Material,  dem  Elfenbein,  so  waren  dagegen  die  Stein- 
bildhauer genötigt,  sich  mit  den  gewöhnlichen  heimischen  Steinarten 
zu  begnügen;  es  fehlte  der  Marmor.  Auch  an  den  Erzguss  hat 
man  sich  in  Karls  Zeit  gewagt,  besonders  aber  wurde  die  Gold- 
schmiedekunst gepflegt. 

Marmorarbeit  fand  sich  wohl  höchstens  an  den  Altären,  die 
man  auf  das  reichste  zu  schmücken  liebte."-)  Wie  in  der  altchrist- 
lichen Zeit  überbaute  man  den  Hauptaltar  mit  einem  säulenge- 
tragenen Ciborium;'^)  die  Stirnseite  des  Altartisches  erhielt  wohl 
eine  Bekleidung  von  edlem  Metall.  Diese  kostbaren  Antependien 
können  nicht  allzu  selten  gewesen  sein:  man  weiss  von  den  Kirchen 
in  Köln  und  St.  Vaast,  in  Lorsch  und  Fulda,  in  Milz  und  Staffel- 
see, dass  sie  in  dieser  Weise  geschmückt  waren.'*) 


1)  Libr.  Carol.  I,  2  S.  1012:  Ecce  cernuntur  plures  stare  imagines, 
quorum  quaedam  sunt  colorum  fucis  campaginatae,  quaedam  auro  argentove 
conflatae,  quaedam  in  ligno  caelatoris  scalpello  fignratae,  quaedam  in  mar- 
more  incisae,  quaedam  in  gypso  vel  testa  formatae.  Vgl.  III,  15  S  1142. 
In  der  Zeitschrift  für  christliche  Kunst  (1888)  S.  313  veröffentlicht  G.  Schöner- 
mark die  Abbildung  eines  Holzkruzifixes  aus  Obernkirchen,  das  er  der  Zeit 
Karls  d.  Gr.  zuschreibt.  Wie  mir  scheint,  mit  Unrecht.  Der  von  ihm  her- 
vorgehobene Umstand,  dass  „hier  keine  Spur  antiker  Technik  mehr  nach- 
wirkt", widerlegt  seine  Datierung. 

2)  Ein  Marmoraltar  in  St.  Stephan  in  Metz  ist  Gesta  ep.  Mett.  S.  263 
erwähnt.  Der  Altartisch  war  überall  von  Stein,  s.  Cap.  19,  14  S.  46.  Die 
Altäre  waren  vielerorts  schon  sehr  zahlreich:  die  Kirche  von  St.  Vaast  hatte 
14,  St.  Peter  in  Arras  9  (Ale.  carm.  88  S.  309  ff.),  St.  Salvator  in  Centula  11, 
St.  Benedikt  daselbst  3,  St.  Maria  daselbst  13  (Bericht  Angilberts  M.G. 
Scr.  XV  S.  174  f.),  Klingenmünster  5  (Hrab.  carm.  74  S.  227j,  die  kleine 
Michaelskirche  in  Fulda  3  (ib.  42  S.  209),  der  Bauriss  von  St.  Gallen  hat  17. 
Dagegen  wird  in  St.  Alban  in  Mainz  nur  ein  Altar  erwähnt  (Poet.  lat.  I 
S.  431  0.  2  v.  4),  St.  Peter  in  Köln  hatte  im  Jahre  857  3  Altäre  (Ann.  Fuld. 
z.  d.  J.  S.  48).  Karl  war  ein  Gegner  der  Überzahl  der  Altäre;  cap.  48,  8 
(a.  805)  S.  121:  De  altaribus,  ut  non  superflua  sint  in  ecclesiis-,  vgl.  Stat. 
Bonif.  3  S.  383.  Über  den  Schmuck  der  Altäre  J.  v.  Schlosser,  Wiener  SB. 
1890  Bd.  123  S.  69  ff. 

3)  Von  den  27  Altären  in  den  3  Kirchen  von  St.  Riquier  hatten  nur 
3  Ciborien  (Angilberts  Bericht  a.  a.  0.).  Ähnliche  Baldachine  auch  über 
den  Gräbern  s.  V.  Sturm.  20  Scr.  II  S.  375. 

4)  St.  Peter  in  Köln  (Ale.  carm  107,  2  v.  1  f.  S.  333),  St.  Vaast  (ib.  88 
V.  7  S.  309),  Lorsch  (Chron.  Lauresh.  z.  805  M.G.  Scr.  XXI  S.  356),  Fulda 
(V.  Sturm.  20  S.  375),  Milz  (Dronke,  Cod.  dipl.  157  S.  88),  Staffelsee  (cap. 
128,  2  S.  250).     Das  bekannte   Aachener  Antependium   halte  ich  nicht  für 


—     266     — 

Einfacliei"  als  der  Altar  sclieint  der  Aniboii.  das  Lesepult,  ge- 
lullten worden  zu  sein.  Denn  Nachrichten  über  künstlerisch  ver- 
zierte Anihonen  sind  aus  dieser  Zeit  nicht  erhalten.  Auch  fehlte 
der  Ainl)()n  wohl  ganz.^) 

Ebenso  werden  künstlerisch  durchgebildete  Taut'brunnen  nir- 
gends* envähnt:  man  wird  sich  in  der  Kegel  mit  einem  einfachen 
Kessel  begnügt  haben.-) 

Die  Steinbildhauerei  fand  vornehmlich  bei  der  Herstellung  von 
Sarkophagen  und  Graljplatten  Verwendung,  Man  wagte  nicht  mit 
dem  reichen  Schmuck  der  altchristlichen  Voi'bilder  zu  wetteifern, 
sondern  man  begnügte  sich  in  der  Regel,  die  Platte  mit  einem 
Kreuz  zu  belegen  und  mit  einer  Zierleiste  einzufassen;'')  an  die 
Stelle  des  ohne  Worte  redenden  Bildes  trat  auch  hiei-  die  Inschrift.'*) 
A'erwendete  n)an  das  alte  Motiv,  die  Flächen  durch  Pylaster  in 
Felder  zu  teilen,  so  entbehrten  die  letzteren  der  schmückenden 
Rehefs;   sie   Ijlieben  glatt. ■^)     Ersetzte  somit  die  Handfertigkeit  des 


krirolingisch.  Ähnliche  Verzierunfren  erhielten  wohl  auch  Grabmäler,  s.  die 
Nachrichten  Aribos,  V.  Corb.  1.3  S.  259  u.  16  S.  262  über  Bilder  auf  des 
letzteren  Grab. 

1)  AiitTallenderweise  werden  in  den  S.  267  Anm.  ö  <,'enannten  Ver- 
zeichnissen Ambonen  nicht  genannt.  Auch  die  Benediktskirche  in  St.  Ri- 
<[uier  hatte  kein  Lektorium,  dagegen  die  Salvatorkirche  2.  Gewöhnlich 
fehlten  sie  jedoch  nicht;  in  einem  Kapitular  Ludwigs  von  818 — 819  wird 
vorausgesetzt,  dass  in  jeder  Kirche  ein  Ambo  vorhanden  ist  (cap.  138,  6 
S.  277):  man  verlas  vom  Ambo  kaiserliche  Verordnuni^on.  Auch  gepredigt 
wurde  von  da  aus  (Mirac.  Othm.  1,  4  S.  49;  Ann.  IJortin  /..  .1.  849  S.  36); 
ein  vergoldetes  Lesepult  aus  etwas  jüngerer  Zeit  erwähnt  in  St.  Gallen:  Gas. 
8.  Galli  S.  88. 

2)  Haito  von  Basel  giebt  für  den  Taufkessel  folgende  Vorschrift:  Ut 
vas  ad  fontom  baptismatis  habeant.  quod  ad  reliquos  usus  nullatenus  assu- 
matur,  Cap.  177,  7  S.  363.     Der  Taufkessel  war  also  beweglich. 

3)  Kraus,  Inschriften  S.  52  Nr.  106;  S.  88  Nr.  194;  S.  234  f.  Nr.  502. 
.504.  505.  506.  Vgl.  Giemen,  Merow.  u.  Karol.  Plastik,  Bonner  JB.  92.  Bd. 
8.  103. 

4)  Kraus  S.  88  Nr.  194  die  Grabschrift  eines  (»erhöh,  monachus  et 
presbyter  in  Lorsch  mit  dem  Gebet:  Christe  resuscita  me  in  resurroctione 
iustorum.     S.  235  Nr.  505   Grab  einer  Witwe(?)  Remich   mit  der  Legende: 

Diligamus   nos  invicem   quia  Caritas  ex  Deo  est,  et  oninis  qui  diligit 

ex  Deo  natus  est  et  vivit  in  Deo.  So  ergänzt  Kraus.  An  der  von  ihm  nicht 
erpiinzton  Stolle  stehen  die  Buchstaben  KRATKMS.  V  ...  VII  ...  .  Es  ist 
auf  den  ersten  Blick  klar,  dass  das  erste  Wort  verschrieben  ist  für  fratrem 
and  dass  also  zu  lesen  ist  fratrem  suum  sicut  se  ipsum. 

5)  Vgl.  den  bei  Adamy,  Die  Fränkische  Thorhalle  S.  33  Nr.  43  abge- 
bildeten Steinsarg  aus  Lorsch. 


—     267     — 

Steinmetzen  die  Kunst  .des  Bildhauers,  so  erlahmte  doch  die  letztere 
nicht  vollständig.  Ein  Gedenkstein  aus  St.  Alhan  in  Mainz  zeigt 
Christum  als  Welteurichter  mit  dem  Kreuz  in  der  Rechten,  das 
geöffnete  Buch  in  der  Linken  haltend.') 

Von  kirchlichen  Werken  des  Erzgusses  erwähnt  Einhard  die 
Thüren  und  Gitter,  die  Karl  fiu-  sein  Münster  in  Aachen  herstellen 
Hess.-)  Die  erhaltenen  Werke  sind  von  allem  was  diese  Zeit  her- 
vorgehracht  hat,  am  freiesten  von  nordischen  Motiven :  man  kann 
nicht  umhin,  an  direkte  Nachahmung  älterer  Vorbilder  zu  denken. 
Das  technische  Vermögen  musste  dadurch  zunehmen,  dass  kaum 
einer  Kirche  die  Glocken  fehlten;-^)  Giesshütten  muss  es  also  in 
grösserer  Zahl  gegeben  haben. 

Die  Elfenbeinschnitzerei  war  schon  unter  den  Merowingern  im 
fränkischen  Reiche  heimisch  geworden.  Da  die  geschnitzten  Platten 
besonders  zu  Bucheinbänden  benützt  wurden,  so  wirkte  die  Vorhebe 
für  Prachthandschriften  auf  diese  Technik  fördernd  ein.  Neben  den 
westfränkischen  Orten  waren  unter  und  bald  nach  Karl  Metz,  die 
niederrheinischen  und  oberdeutschen  Klöster  Sitze  dieser  Technik.^) 

Die  Blüte  der  Goldschmiedekunst  war  bedingt  durch  den  Eifer, 
mit  dem  die  Kirchen  allüberall  einen  Schatz  wertvoller  Kirchen- 
geräte sammelten:  goldene  und  silberne  Kreuze  und  Reliquien- 
behälter, Kelche  und  Patenen,  Kronleuchter  und  Giessgefässe,  Weih- 
rauchbüchsen und  Räucherpfannen  werden  in  den  Schatzverzeichnissen 
wohlhabender    Kirchen    in   Menge    aufgezählt;'^)    mindestens  Kelch 

1)  Abbildung  bei  Adamy  S.  41  Nr.  49  und  50.  Auf  der  Rückseite  ein 
Kreuz  mit  der  Inschrift  Sancta  crux  nos  salva.  Bei  Giemen  seltsamer  Weise 
als  Gestalt  eines  Geistlichen  bezeichnet  (a.  a.  0.  S.  105). 

2)  V.  Carol.  26.  Über  die  Werke,  Falke,  Deutsches  Kunstgewerbe 
S.  26  f. 

3)  Staffelsee  hatte  2  Glocken,  Milz  4,  Münnerstadt  1  (s.  die  Anm.  5 
angeführten  Verzeichnisse),  2  Glocken  in  der  Dorfkirche  zu  Dürrmenz  im 
Enzgau  OA.  Maulbronn,  cod.  Lauresh.  II.  S.  447  Nr.  2337. 

4)  Vgl.  Giemen,  Merowing.  und  Karol.  Plastik  (Bonner  JB.  92.  Bd. 
S.  108  ff.) 

5)  Inventar  von  St.  Michael  in  Staffelsee:  1  gold-  und  silberge- 
schmückter Altar,  5  vergoldete,  mit  Edelsteinen,  Glas  und  Krystall  verzierte 
Reliquienkapseln,  1  desgl.  von  Kupfer,  an  einzelnen  Stellen  vergoldet, 
2  kleine  Reliquienkreuze,  1  grösseres  Kreuz  von  Gold  und  Silber  mit  Glas- 
flüssen, über  dem  Altar  ein  silberner  Kronleuchter  im  Gewicht  von  2  Pfund, 
2  silberne  Kelche,  an  den  Aussenseiten  skulpiert,  jeder  mit  Patena,  im  Ge- 
wicht von  30  und  15  Solidi,  1  silbernes  Offertorium  und  2  silberne  Büchsen 
für  Weihrauch,  1  silberne  und  1  kupferne  Räucherpfanne,  1  kupferne, 
1  zinnerne  und  2  gläserne  Ampullen  (für  Chrisma  und  Salböl,  s.  cap.  81, 
17   S.  179),   1   kupferner  Krug  mit  Giessgefäss,    1  grosse    gläserne  Schüssel, 


—     26ö     — 

und  Patenc.  Kreuz  und  R(di([uienkapsel  fand  man  wohl  in  jeder 
Dorfkirclie.')  Erlialten  ist  von  allem  diesem  Keiclitum  nur  sehr 
weniu'.  l^och  geben  die  Kelche  Tassilos'-')  und  Liudgers^)  eine  Vor- 
stellung von  der  ühlichen  Gestalt  und  der  kostbareren  odei-  ein- 
facheren  Verzierung    des  Kelches    und   zeigt  die  sogenannte  AN'illi- 


3  Planeta,  2  Dalmatika,  7  Alba,  4  Ainiktus,  13  Fanones  (Hrab.  de  instit. 
cleric.  I,  18:  Mappula  sacerdotis  indumenlum  est,  «luod  vulgo  Phanonem 
vocant,  quod  ol»  hoc  eorum  tunc  manibus  tenetur,  quando  misae  officium 
agitur,  ut  parates  ad  ininisteriuui  mensae  domini  populus  conspiciat), 
12  Altarpallia,  20  linnene  Altartücher,  8  Manipoln,  4  Korporale,  2  Stolen 
(cap.  128,  2—4  S.  250).  Kirchenschatz  von  Kloster  Milz:  gold-  und  silber- 
geschmückter  Altar,  3  goldene  Kreuze,  11  vergoldete  Kapseln,  4  silberne 
Kelche  mit  Patenen,  3  silberne  Ampullen,  3  kupferne  Kelche  mit  Patenen, 
9  vergoldete  Figuren,  1  goldene  Corona,  14  Kasein,  2  Dalmatika,  6  Alba, 
22  Altartücher,  16  Manipeln,  4  Stolon,  10  Fanones  (Dronke,  Cod.  dipl.  157 
S.  88).  Kirchenschatz  zu  Münnerstadt  in  Unterfranken:  2  vergoldete,  1  mit 
Perlen  verzierte  Kapsel,  9  Altargewänder,  1  silberner  Kelch  mit  Patene, 
6  Vela,  1  Kasel  mit  Alba,  3  petiu  cum  tribus  eapitalibus  (mir  unverständlich, 
Dronke  vermutet  statt  petiu  pixides),  2  vasa  ad  ministrandum  (Messkolche), 
2  Schreine  (Dronke  1.  c.  131  S.  76).  Über  den  Schmuck  der  Kirche  St.  Vaast 
durch  Abt  Rado  s.  Ale.  carm.  88  v.  7  ff .  S.  309: 

Cancellos,  aras  voliiit  vcstire  raetallis, 

Vedasti  fabricans  sarcofagumque  patris. 
l'allia  suspendit  parietibus  atque  lucernas 

Addidit,  ut  fierot  lumen  in  aedo  sacrum. 
Officiis  domini  focit  quoque  vasa  sacrata 

Argento,  necnon  aurea  tota  quidem. 
Indult  altaris  speciosa  vesto  ministros, 

Ut  foret  ogregium  semper  ubique  decus. 
Kirchengeräte  der  im  Jahre  772  von  Benedikt  von  Aniane  ge.stifteion  Sal- 
vatorkirche  V.  ßened.  17  S.  205  f.;  desgl.  der  Kirchen  von  St.  Kiquier 
(Bericht  Angilberts  a.  a.  0.).  Stiftungen  der  Äbte  Wido  und  Gervold  für 
St.  Wandrille  Gest.  abb.  Font.  15  f.  S.  44  und  17,  des  Abts  Ansigis  (unter 
Ludwig  d.  Fr.)  für  das  genannte  Kloster  und  Luxeuil  1.  c.  17  S.  52  tf.  Vgl. 
Stutz,  Benefizialwpsen  S.   143  Anm.  43. 

1)  Bischof  (fhärbald  rechnete  zur  notwendigen  Au.s.stattung  der  Kirchen 
ausser  den  Büchern  jiatena  et  calix,  jilaneta  et  alba,  crux,  capsa  (Cap.  123, 
9  S.  243).  Sie  sind  auch  bei  der  Schenkung  der  Kirche  Hozheim  in  der  Wetterau 
an  Lorsch  als  Besitz  der  Kirche  genannt  (Cod.  Lauresh.  II  S.  623  Nr.  2966). 

2)  In  Kronismünster  mit  der  Inschrift:  Tassilo  dux  fortis -j-Liutpirg  virga 
rcgalis:  Abbildung  bei  Falke  Tafel  zu  S.  22.  Das  Urteil  Clemens,  der  den 
Kelch  der  iri.^chen  Kunst  zuweist,  scheint  mir  unliogründet  (a.  a.  0.  S.  65). 

3l  In  Werden  mit  der  Inschrift:  Hie  calix  sanguinis  domini  nostri 
Jesu  Christi  —  agitiir  hec  summus  per  pocla  triumphus,  Abbildung  in  den 
Kunstdenkmälern  der  Rheinprovinz  II  S.  345  f.  Fig.  44. 


-     269     — 

brordsarche  iiT  Emmerich  die  gefällige  Bildung  und  die  reiche  Aus- 
stattung der  Reliquiare.-') 

Endlich  erwähnen  die  Schatzverzeichnisse  einen  überfluss  an 
kostbaren  Altartüchern  und  Priestergewändern,  auch  Teppiche  zur 
Bekleidung  der  Wände  fehlten  nicht.") 

Die  Frömmigkeit  des  Volkes  stiftete  und  spendete  diese 
Kunstwerke,^)  und  die  Kultur  des  Volkes  hatte  den  Segen  davon: 
an  tausend  Orten  sah  man  Schönes,  manches  wiu'de  im  eigenen 
Hause  gearbeitet:  die  Freude  an  dem  Schönen  wurde  Gemein- 
gut.^) 

Noch  war  die  Kunst  nicht  ausschliesslich  Eigentum  der 
Mönche;'^)  aber  die  Klöster  bewiesen  sich  doch  bereits  als  frucht- 
bare Pflegstätten  für  dieselbe.  Fulda  war  früher  wegen  seiner 
Kunstwerke,  als  wegen  seiner  litterarischen  Betriebsamkeit  berühmt. 
Schon  unter  Abt  Sturm  besclu'änkte  die  Bauthätigkeit  sich  nicht 
mehr  auf  das  Notwendige.  Ausserdem  liess  er  für  das  Grab  des 
Bonifatius  einen  kostbaren  Schrein  aus  Gold  und  Silber  anfertigen, 
der  noch  die  Bewunderung  der  Späteren  erregte.")  Unter  Abt 
Baugulf  baute  Ratgar  die  Bonifatiuskirche  und  die  Kirche  auf  dem 


1)  A.  a.  0.  II  S.  46.  Auf  der  einen  Schmalseite  Christus  am  Kreuz 
zwischen  den  4  Tliieren,  auf  der  anderen  die  letzteren  wiederholt.  Inschrift: 
He  sunt  reliquiae,  quas  sanctus  Willibrordus  Rome  a  papa  Sergio  accepit 
et  Embrike  transportavit.  Die  Bezeichnung  Willibrords  als  sanctus  zeigt, 
dass  die  Arche  nach  seinem  Tode  hergestellt  wurde.  Ein  verwandtes  Werk 
ist  der  Reliquienschrein  aus  Herford  im  Berliner  Kunstgewerbemuseum 
(Giemen  a.  a.  0.  S.  41). 

2)  S.  0.  S.  267  Anm.  5. 

3)  Vgl.  Cap.  81,  7  (a.  810—813)  S.  179:  üt  presbyteri  per  parochias 
suas  feminis  praedicent,  ut  linteamina  altaribus  praeparent,  womit  zu  ver- 
gleichen die  Urkunde  Meichelbeck  179  S.  117:  Et  feci  ego  ipse  (Oazo  von 
Rothbach  bei  Dachau)  et  Engilsnot  (dessen  Tochter)  manibus  nostris  altarem. 
Ein  Priester  Tutilo  schenkt  gleichzeitig  für  den  Altar  Kelch,  Patene  und 
Sakramentar. 

4)  Bilder  aus  der  Biblischen  Geschichte  auf  Geräten  des  täglichen 
Gebrauchs  (Libr.  Car.  IV,  21  S.  1230);  vgl.  c.  29:  Tarn  in  ecclesia  quam 
extra  ecclesiam. 

5)  Einhard  war  Laie;  ebenso  ein  von  ihm  in  einem  Briefe  des  Jahres 
830  erwähnter  Maler  (ep.  18  S.  119).  Ob  der  Gest.  abb.  Font.  17  S.  55 
genannte  Madalulf,  egregius  pictor  Gameracensis  ecclesiae,  Laie  oder  Kle- 
riker war,  lässt  sich  nicht  sehen;  jedenfalls  ist  das  Letztere  nicht  gesagt. 

6)  V.  Sturm.  20:  Area,  quam,  ut  tunc  moris  erat,  pulcro  opere  con- 
didit.  Hat  man  hiebei,  im  Unterschied  von  der  antikisierenden  Richtung 
der  Späteren  an  eine  Dekoration  zu  denken,  bei  welcher  die  volkstümlichen 
Elemente  überwogen? 


—     270     — 

Petersberge.')  Neben  Einliard  war  er  wnlil  der  hervorragendste 
Architekt  der  Zeit  Karls.  Als  er  selbst  Abt  geworden  war.  Hess 
er  seiner  Banlust  die  Zügel  schiessen:  seine  Pläne  gingen  so  in  das 
Weite,  dass  die  ]M()nchc  sich  gegen  ihn  enip()rten.-)  Zwar  nmsste 
er  weichen;"')  a])er  auch  sein  Nachfolger  f]igil  war  ein  kunsterfahrener 
Manu,  der  an  Eifer  nnd  Verständnis  für  die  Kunst  hinter  llatgar 
kaum  zurückstand. ■') 

Mit  Fulda  Avetteiferten  St.  Kiquier'^')  und  St.  AVandrille,")  Moyen- 
Moutier')  und  St.  Gallen. '=')  Irgend  welche  Kunstübung  wiid  in 
den  meisten  Klöstern  zu  linden  gewesen  sein.")  Sie  wurde  offenbar 
dui'ch  die  Forderung  der  Handarl)eit  der  Mönclie  begünstigt. 

Ui)erblickt  mau  die  manclierlei  Anordnungen  Karls  für  die 
Hierarchie  und  den  Klerus,  so  ist  es  leicht,  den  Gedanken  zu  ent- 
decken, welcher  das  \'ereinzelte  verband.  Karl  dachte  an  das  Volk: 
er  wollte,  dass  die  Aufgabe,  welche  die  Jvirclie  für  das  Volk  hat, 
gelöst  werde.  Aus  dieser  Kücksicht  entsi)rangen  schliesslich  auch 
die  Verfügungen,  welche  direkt  für  die  Gemeinden  bestinnnt  waren. 


1)  Lib.  mort.  fratr.  3  (Dronke,  Trad.  Fuld.  S.  762);  nsich  Ann.  Fuld. 
antiq.  S.  138  wurde  der  Bau  der  Bonifatiuskirche  im  Jahre  791  begonnen 
nnd  die  Kirche  819  geweiht;  Dronke  1.  c.  25  S.  60. 

2)  Lib.  mort.  fratr.  B:  Tortius  abbas  ratger  sapiens  architertns  occi- 
dentale  templum  (d.  h.  die  unter  Baugult"  erbaute  Bonifatiuskirche)  iani 
arrepta  potestate  mira  arte  et  immensa  magnitudine  alteri  copulans  unam 
fecit  ecclesiam  .  .  .  Studuit  et  auro  argentoi(ue,  coronis  et  lucernis  et 
Omnibus  bonis.  Die  an  Karl  gerichtete  Beschwerdeschrift  der  Fulder  Mönche 
(suppl.  libfll.  M.G.  Ep.  IV  S.  548  Nr.  3:^)  fordert  c.  l'i.  ut  aedificia  immensa 
atque  superfiua  et  cetera  inutilia  opera  omittantur,  (piibus  fratres  ultra 
modum  fatigantur.  Die  Ann.  Lauriss.  min.  erwähnen  z.  J.  809  die  Dedikation 
der  Marienkirche  auf  dem  Bischofsberge,  z.  .T.  812  die  der  Johanni-skirche 
im  östlichen  Teile  des  Klosters;  der  Bau  des  Klosters  auf  dem  Bischofs- 
berge durch  Katgar  ist  Trad.  Fuld.  23  S.  60  erwähnt. 

3)  R.  wurde  817  von  Ludw.  d.  Fr.  abgesetzt  (Ann.  Fuld.  S.  356;  Lauriss. 
min.  S.  123).     Vgl.  unten  Buch  5  Kap.  2. 

4)  Lib.  mort.  fratr.  3  S.  163.  V.  Eig.  14  f.  S.  229  f.:  17  S.  230;  19  S.  231. 
Vgl.  Dohme,  Gesch.  d.  d.  Baukunst  S.   16  f. 

5)  Bericht  Angilberts  S.   174  tf. 

6)  Gest.  abb.  Font.  17  S.  49  und  5tf. 

7)  Chron.  med.  Mon.  2  (M.G.  Scr.  IV,  87). 

8)  Die  eigentliche  Kunstblüte  St.  Gallens  beginnt  bekanntlich  etwas 
später.  Doch  zeigt  V.  Othm.  12  H.  46,  dass  man  bereits  im  H.  .lahrhundert 
in  St.  Gallon  zu  bauen  verstand;  vgl.  Kahn   8.  88. 

9j  Diingal  l)C8tellte  bei  einem  ungenannten  Abte  Kelch  und  Patene, 
die  im  Kloster  gnarbeitet  werden  sollten:  ut  inbeatis  uni  bono  et  perito  de 
vestris  fabricare  illud  iDung.  ep.  6  S.  581). 


—     271     — 

Wie   der  König  von  jedem  Priester  ein,    wenn  auch  kleines  Mass 
theologischer  Bildung  verlangte,  so  forderte  er  von  jedem  Christen 
Kenntnis  der  fundamentalen  Glaubenswahrheiten:  alle  Erwachsenen 
sollten  wenigstens  das  Taufsymbol  und  das  Vaterunser  inne  haben.  ^) 
Wir  besitzen  noch   eine  Ansprache,  in   welcher   ein  Priester  seine 
Gemeinde  zum  Lernen  der  Glaul^ensformel  und  des  Gebets  ermahnt. 
Da  heisst  es:   Höret,  ihr  hebsten  Kinder,  die  Regel  des  Glaubens, 
welche    ihr    im    Herzen   haben    sollt,    die    ihr   den    Christennamen 
empfangen  habt.    Sie  ist  das  Zeichen  eures  Christentums,  von  dem 
Herrn  eingegeben  und  von  seinen  Jüngern  aufgesetzt.    Dieser  Glaube 
hat  nur  wenig  Worte,  aber  grosse  Geheimnisse  sind  darin  enthalten. 
Der  Heihge  Geist  hat  den  Meistern  der  Christenheit,  den  heiligen 
Boten,   diese  Worte  in  solcher  Küi'ze  diktiert,    damit  die  Christen 
verstehen  und  im  Gedächtnis  behalten  können,  was  sie  glauben  und 
liekennen  sollen.     Wie  kann   sich  der  einen  Christen  nennen,   der 
diese  wenigen  Worte  des  Glaubens,   durch  die  er  erlöst  und  selig 
werden  soll,  und  die  Worte  des  heiligen  Gebets,  welches  der  Herr 
selbst  zu  sprechen  verordnet  hat,   nicht  lernen  noch  behalten  will. 
Oder  wie    vermag    der   für  einen  anderen  des  Glaul)ens  Bürge  zu 
sein,  der  den  Glauben  selbst  nicht  weiss?    Deshalb  bedenket,  meine 
Kindlein,   dass  jeghcher  von  euch  seines  Versprechens  vor  Gott  so 
lange  schuldig  ist,  bis  er  seinen  Paten,   den  er  aus  der  Taufe  ge- 
hoben hat,  seinen  Glauben  lehrt.    Und  wer  das  versäumt,  muss  an 
dem  Gerichtstage  Rechenschaft    geben.     Dmm    soll  jeder,    der  ein 
Christ  sein  will,  den  Glauben  und  das  heihge  Gebet  mit  allem  Eifer 
lernen    und    die  lehren,    welche  er  aus  der  Taufe  empfängt,  damit 
er  am  Gerichtstage   nicht    genötigt  werde,    Rechenschaft  zu  geben. 
Denn  das  ist  Gottes  Gebot,  unser  Heil  und  unseres  Herrn  Vorsclu-ift; 
auch    mögen  Avir  nicht  anders  Vergebung  der  Sünden  gewinnen."^) 
Neben    dieser  Ansprache  zeigen   Übersetzungen   und  Erläute- 
rungen des  Gebets  und  Glaubens,   dass  Karls  Vorschriften  befolgt 
wurden.'^)     Im  Kloster  Weissenburg  hatte  man  den  Gedanken,  der 


li  Cap.  28,  33  (a.  794)  S.  77:  Ut  fides  catholica  sanctae  trinitatis  et 
oratio  dominica  atque  symbolum  fidei  omnibus  praedicetur  et  tradatux. 
35,  30  (a.  802)  S.  103:  Ut  omnis  populus  christianus  fidem  catholicam  et 
dominicam  orationem  memoriter  teneat;  vgl.  29:  Dominicam  orationem  .  . 
praedicent  intelligendam,  ut  quisque  sciat,  quid  petat  a  Deo.  36,  5  (a.  801) 
S.  106;  38,  8 f.  (a.  802)  S.  110;  60,  2  (a.  802—813)  S.  147.  Common,  cuiusq. 
ep.  31  S.  1378;  Stat.  Bonif.  25  f.  S.  385;  Theod.  cap.  I  22  S.  198;  Conc. 
Mog.  (a.  813)  c.  45  S.  74. 

2)  Müllenhoff  und  Scherer,  Denkmäler  Nr.  54  S.  157. 

3)  Aus  Freising  und  St.  Gallen  (Müllenhoff  und  Scherer  a.  a.  0.  Nr.  55 
und  57  S.  158  und  164). 


272 


viele  Jahrhuiulerte  später  klar  erfasst  wurde:  Zusaminenstellung 
der  Hauptstücke  christlicher  Lehre:  man  verband  mit  der  Aus- 
legung; des  Vaterunsers  eine  Tafel  der  Hauptsünden,  das  Tautlje- 
kenntnis,  an  das  sich  eine  Erläuterunpf  des  sog,  Athanasianums 
anschloss,  das  Gloria  in  excelsis  und  das  Laudamus.^)  In  der 
Schlichtheit  und  der  Herzlichkeit  des  Tones  treften  diese  Auslegun- 
gen mit  jener  Rede  zusammen;  inancher  Satz  klingt  noch  fort  in 
Luthei-s  kleinem  Katechismus.  So  lernen  unsere  Kinder  dieselben 
l'ormehi.  durch  welche  man  vor  einem  Jahrtausend  den  Deutschen 
die  hohen  Gedanken  des  Gebets  des  Herrn  verständhch  zu  machen 
suchte. 

Die  Arbeit  war  sch\\ierig.  Karl  sah  sich  genötigt,  diejenigen 
vom  Rechte  der  Patenschaft  auszuschliessen,  denen  Glaube  und 
Vaterunser  fremd  Avaren.-)  Und  doch  gab  es  noch  gegen  Ende 
seiner  Regierung  eine  Menge  Leute,  welche  seinen  Anforderungen 
nicht  genügten.'^)  Erleichtert  wurde  der  Erfolg  dadurch  gewiss 
nicht,  dass  einzelne  Bischöfe  die  Kenntnis  auch  der  lateinischen 
Formeln  forderten.^)  Das  war  nicht  nach  Karls  Sinn :  denn  er 
rechnete  den  Wahn,  dass  man  Gott  nur  in  drei  Sprachen  anrufen 
kcinne,  zum  heidnischen  Aberglauben.'^)  Aber  es  weist  auf  die 
grösste  Schwierigkeit  fiii"  sein  Zeitalter,  den  Zwiespalt  zwischen 
der  lateinischen   Bildung  und  der  deutschen  Volksart. 

Das  Zweite,  was  Karl  und  die  Theologen  seiner  Umgebung 
erstrebten,   war  allgemeine   Teilnahme   am   kirchlichen   und  gottes- 


1)  Möllenhoff  und  Scherer  a.  a.  0.  Nr.  56  S.  1.59.  Piper,  Älteste  Lit. 
S.  84  vermutet  die  Zeit  bald  nach  789  als  Abfassungszeit. 

2)  Cap.  38,  14  S.  110;  Conc.  Mog.  c.  45  S.  74.  Der  Grund  ergiebt 
sich  aus  cap.  78,  18  (a.  813)  S.  174;  Common,  cuiusq.  ep.  45  S.  1378;  Conc. 
Arel.  (a.  813)  c.  19  S.  62;  Amalar.  de  caerem.  bapt.  (Migne  99  S.  898  B). 
Da.s3  cap.  130,  2  von  Karl  herrührt,  wie  Cruel  (Gesch.  d.  d.  Pred.  S.  45), 
Scherer  (Denkmäler  S.  503)  u.  a.  annehmen,  halte  ich  für  durchaus  unwahr- 
scheinlich; 8.  die  Bemerkung  von  Boretius  S.  257. 

3)  Karl  an  Ghilrbald  von  Lnttich:  Plnros  fuorunt,  qui  nulla  exinde  in 
memoriam  habebant  (cap.  122  S.  241).  Der  Bi-schof  hielt  den  Vorwurf  des 
Königs  für  berechtigt;  er  schrieb  an  seine  Priester  (S.  242):  Ex  parte  credo, 
quod  vestra  aliquorum  negligentia  sit. 

4)  Haito  von  Basel  (cap.  177,  2  S.  363).  Eine  kaiserliche  Verordnung 
dieses  Inhalts,  von  M-elcher  z.  B.  Specht  (Gesch.  des  F^rziehungswesens  S.  29) 
spricht,  ist  mir  nicht  bekannt.  Ein  karolingisches  Sakramentar  aus  Angou- 
lerae  hat  für  die  traditio  syraV)oli  vollends  noch  die  griechische  Formel 
(Delisle,  Memoire  S.  92).  Die  Mainzer  Synode  von  813  verzichtet  c.  45  aus- 
drücklich auf  Kenntnis  der  lateinischen  Formeln. 

b)  Cap.  28,  52  (a.  794)  S.  78. 


—     273     — 

dienstlichen  Ceben.  Wenn  man  sich  erinnert,  welches  Gewicht  auf 
die  Predigt  gelegt  wurde,  so  ist  man  übeiTascht,  dass  der  Besuch 
der  Predigt  nicht  geboten  wurde.  ^)  Das  ist  nur  dann  erklärhch, 
wenn  ein  solches  Gebot  nicht  nötig  war:  das  Volk  muss  im  allge- 
meinen wilUg  zum  Hören  der  Predigt  gewesen  sein.  Nm-  die  An- 
ordnung scliien  notwendig,  dass  die  Gemeinde  dem  Gottesdienste 
nicht  schweigend  anwohne:  sie  sollte  das  Gloria  patri  und  das 
Sanctus  gemeinsam  mit  dem  Priester  singen;^)  sie,  nicht  nur  die 
Kleiiker  und  Nonnen,  sollte  im  Gottesdienste  respondieren.^)  Der 
Gedanke  war  gut ;  aber  die  Durchführung  unmöglich ;  sie  scheiterte, 
weil  man  nicht  wagte,  dem  Satze  gemäss  zu  verfahren,  dass 
es  heidnischer  Aberglaube  sei,  dass  das  Gebet  lateinisch  sein 
müsse. 

Ebensowenig  war  es  notwendig,  den  Empfang  der  kirchhchen 
Weihen  und  Segnungen  zu  gebieten.  Jedermann  begehrte  sie  von 
selbst.  Karl  verhütete  nur,  dass  diese  Sitte  gestört  wurde,  indem 
er  den  Priestern  untersagte,  füi-  ihre  Amtshandlungen  Bezahlung 
zu  heischen.*)     In  Bezug  auf  den  Abendmahlsgenuss  gab  es  keine 

1)  Geboten  wurde  nur  der  Besuch  des  Gottesdienstes  in  den  Haupt- 
kirchen (cap.  23,  25  [a.  789]  S.  25;  47,  21  [a.  806]  S.  133;  Theodulfi  cap.  I, 
45  f.  S.  205  f.),  das  Verweilen  bis  zum  Schluss  der  Feier  (cap.  22,  71  S.  59) 
und  die  Sorge  dafür,  dass  auch  die  Knechte  nicht  fehlten  (Common,  cuiusq. 
ep.  44  S.  1378).  In  der  Predigt  unterblieb  natürlich  die  Aufforderung  zum 
regelmässigen  Kirchenbesuch  nicht;  s.  die  S.  245  Anm.  1  erwähnte,  etwas 
ältere,  St.  Galler  Homilie  (Nürnberger  S.  45):  Omnes  dies  dominicus  ad 
ecclesiam  convenite  et  ibi  non  causas  aut  rixas  uel  otiosas  fabulas  agite, 
sed  lectiones  divinas  cum  silentio  audite  et  pro  peccatis  vestris  orate  .  .  . 
Qui  ad  ecclesiam  tarde  veniebat,  frequentius  currat.  Als  üblich  erscheint 
der  Kirchenbesuch  am  Sonntag  V.  Emmer.  44  S.  252:  Erat  dominicus  dies, 
quo  multitudo  virorum  ac  mulierum  non  modica  ad  ecclesiam  b.  patroni 
sub  omni  celeritate  properabat. 

2)  Cap.  22,  70  S.  59. 

3)  Cap.  177,  3  S.  363  (Haito).  Vgl.  Theod.  cap.  I,  7  S.  194;  Conc. 
Mog.  c.  43  S.  74.  Dass  der  Wunsch  undurchführbar  war,  gesteht  Common. 
cuiusq.  ep.  13  S.  1376  zu:  Quisque  presbyter  clQricum  habeat,  qui  .  .  ei  ad 
missam  respondeat. 

4)  Cap.  36,  12  (a.  801)  S.  106;  Ghaerb.  cap.  123,  5  S.  243;  Theod. 
cap.  II  S.  209;  Common,  cuiusq.  ep.  15  S.  1376.  Dass  es  vorkam,  dass  man 
den  Priestern  für  ihre  Amtshandlungen  Geschenke  gab,  zeigt  Reg.  Chrodeg. 
32:  Si  aliquis  uno  sacerdoti  pro  missa  sua  vel  confessione  aut  infirmitate 
seu  pro  quolibet  caro  suo  aut  vivente  aut  mortuo  aliquid  in  eleemosyna 
dare  voluerit,  hoc  sacerdos  a  tribuente  accipiat.  Vgl.  auch  die  St.  Galler 
Urk.  V.  772  Wartmann  I  S.  66  Nr.  68:  Quicquid  .  .  pro  missas  et  oracionis 
meas  adquisi.     Hier  liegt  der  Ausgangspunkt  der  Stolgebühren. 

Hauck,  Kirchengeschichte.    II.    2.  Aufl.  18 


—     274     — 

feste  Sitte.  Die  täf^liche  Kommunion  war  überall  abgekommen,') 
ancli  war  es  nicbt  niclii-  iiblicb,  dass  die  in  der  Messe  Anwesenden 
sämmtlicb  kommunizierten."-)  Umsonst  versuchte  man,  diese  erstor- 
benen (Tewohnhciteii  wii'dor  zu  beleben:'')  man  musste  sich  im  all- 
gemi'inen  mit  der  Forderung  mclintialiger  Kommunion  im  Jahre 
begnügen. ^^ 

Nach  alter  Regel  versammelten  sich  die  Kleriker  und  Afönche 
siebenmal  am  Tage  zu  gemeinsamem  Gebet.  Teilnahme  daran  war 
für  die  Laien  unmöglich :  doch  ting  man  nun  an.  die  Gemeinden 
auf  die  Gebetsstunden  aufmerksam  zu  machen,  indem  man  die 
Glocke  läutete.'*)  Das  noch  ühliclic  Gebetläuten  zu  Morgen.  Mit- 
tag und  Abend  ist  wohl  der  !Nachl)li(d)  dieser  Einrichtung.  In  der 
Passionszeit  schwiegen  die  Glocken.") 

Die  Soimtagsrnhe  sollte  am  Samstag  Abend  beginnen:")  noch 
ist  es  weithin  Sitte,  dass  der  Soinitag  am  Samstag  Xaclimittag  ein- 
geläutet wird.     Während  des  Sonntags  sollten  die  öflentlichen  Ge- 


1)  Theodulf  (cap.  I.  44  S.  205)  erwähnt  als  Ausnahme,  dass  manche 
Religiösen  fast  jeden  Tag  kommunizierten.  In  Spanien,  wo  sich  altkirchliche 
Anschauungen  und  Gewohnheiten  länger  erhielten  als  im  fränkischen  Reiche, 
forderte  man  am  Ende  des  S.  Jahrhunderts  täglichen  Abendmahlsgenuss; 
üblich  jedoch  war  er  nicht  mehr  (Hether.  et  Beat.  ep.  ad  Elip.  1,  77,  Migne 
96  S.  941). 

2)  Das  ergiebt  sich  daraus,  dass  die  Vorschrift  notwendig  war,  dass 
der  Messe  lesende  Priester  kommuniziere  (cap.  22,  6  S.  54:  Audituni  est 
aliquos  presbyteros  missam  celebrarc  et  non  commnnicare). 

3)  Cap.  47,  23  (a.  806)  S.  133;  84:  1  (vor  SOOj  S,  182. 

4)  Conc.  C'abil.  (a.  813)  c.  47  S.  103:  In  Coena  Domini  a  quibusdam 
perceptio  eucharistiao  negligitnr.  (^uae  quoniam  in  eadem  die  ab  omnibus 
fidelibuB  exceptio  his,  quibus  pro  gravibus  criminibus  inhibituni  est,  perci- 
jiienda  sit,  ecclesiasticus  usus  demonstrat.  Conc.  Tur.  c.  •'iO  S.  91:  Ut  si  non 
frcquentius  vel  ter  laici  homines  in  anno  communicent.  Common.  cuius(|. 
ep.  34  S.  1378:  Tribus  vicibus  in  anno  scilicet  in  natale  Domini,  Pascha, 
Pentecostes  omnes  fideles  communicent.  Theod.  cap.  [.  41  S.  204:  Singulis 
diebus  dominicis  in  quadragesima  .  .  sacramenta  corporis  et  sanguinis  Christi 
sumonda  sunt,  et  in  coena  Domini  et  in  parasceve  in  vigilia  Paschao  et  in 
die  roaurrectionis  domini  })f>nitus  ab  omnibus  communicandum  et  ii»ai  dies 
paschalis  hebdoraadae  omnes  aequali  religione  colendi  sunt. 

5)  Cap.  36,  8  (a.  801 1  S.  100:  Ut  omnes  sacerdotes  horis  corapeten- 
tibus  diei  et  noctis  suarum  sonent  aecclesiarum  signa  et  sacra  tunc  Deo  cele- 
brent  nffiria  et  populos  erudiant.  quomodo  aut  (juibus  Dens  adorandus  est 
horis.     Theod.  cap.  I,  39  S.  2U4. 

6)  Vgl.  Amal.  ep.  6  M.G.  Ep.  V  S.  249. 

7)  Cap.  22,  15  (a.  789)  S.  15:  A  vespera  u.sque  ad  vesperam;  28,  21 
(a.  794)  S.  76;  35,  46  (a.  802i  S.  104;  Common,  cuiusq.  ep.  38  S.  1378. 


—     275     — 

Schäfte,  landwirtschaftliche  und  Bauarbeiten  ruhen,  Jagd  und  Schau- 
spiel unterbleiben.^)  Märkte  durften  nur  da  gehalten  werden,  wo 
sie  von  altersher  üblich  waren.-) 

Den  Sonntagen  stand  eine  massige  Zahl  allgemeiner  Fest- 
tage gleich:  es  waren  Weihnachten,  die  Tage  Stephans,  Jo- 
hannes Er.,  der  unschuldigen  Kindlein,  die  Weihnachtsoktave, 
Epiphanias  und  Oktave,  Maria  Reinigung,  die  Osterwoche,  die 
Letania  maior,  d.  h.  die  Eogationstage,  Himmelfahrt,  Pfingsten, 
Johannes   der    Täufer,    Peter  und    Paul,    Martin    und    Andreas."^) 


1)  Cap.  22,  81  S.  61;  35,  46  S.  104;  59,  11  (a.  803—813)  S.  146;  78, 
15  (a.  813)  S.  174;  79,  2  (a.  813)  S.  175;  83,  2  (a.  813)  S.  182;  Conc.  Arel. 
c.  16  S.  61;  Mog.  c.  37  S.  73;  Rhem.  c.  35  S.  80;  Tur.  c.  39  f.  S.  89;  Stat. 
Bonif.  23  (Mansi  XII  app.)  S.  100;  Theod.  cap.  I,  24  S.  198;  vgl.  die  sog. 
Cap.  Rem.  I  M.G.  Leg.  V.  S.  442. 

2)  Cap.  61,  8  (a.  809)  S.  149. 

3i  Diese  Festtage  nennt  cap.  81,  19  (a.  810—813)  S.  179.  Maria 
Himmelfahrt  bleibt  fraglich:  Interrogandum  reliquimus.  In  dem  Suppl. 
lib.  3  (M.G.  Ep.  IV  S.  549  Nr.  33)  beschweren  sich  die  Mönche  von  Fulda, 
dass  Abt  Ratgar  sie  in  festivitate  s.  Mariae  et  XII  apostolorum,  S.  Stephani 
et  s.  Laurentii  et  ceterorum,  quorum  memoriae  apud  ecclesias  Germaniae 
celebres  fiunt,  zu  arbeiten  zwinge.  Die  gesetzliche  Anerkennung  der  Fest- 
tage lief  also  thatsächlich  auf  eine  Beschränkung  derselben  hinaus.  Übrigens 
war  die  Zahl  der  Festtage  landschaftlich  verschieden:  Im  Verzeichnis  der 
Mainzer  Synode  von  813  fehlen  die  Epiphaniasoktave  und  die  Rogationstage, 
dagegen  ist  die  Feier  von  Maria  Himmelfahrt  geboten  und  sind  St.  Michael 
und  St.  Remigius  aufgenommen  (c.  36  S.  73).  Der  Remigiustag  wurde 
auch  in  Metz  gefeiert,  Reg.  Chrod.  30.  In  den  sog.  Statuten  des  Bonifatius 
sind  die  Epiphaniasoktave  und  die  Rogationstage  ebenfalls  nicht  genannt; 
auch  vermisst  man  St.  Martin;  die  Feier  des  Osterfestes  ist  auf  vier  Tage 
beschränkt;  dagegen  kommt  Maria  Geburt  hinzu.  Das  Fehlen  des  Pfingst- 
festes  beruht  ohne  Zweifel  auf  einem  Versehen  (c.  36  S.  386).  In  den 
Kapiteln  Haitos  bleibt  die  Epiphaniasoktave  weg;  die  Feier  von  St.  Moritz, 
St.  Remigius  und  St.  Martin  ist  freiwillig;  dagegen  werden  allgemein  ge- 
feiert die  Aposteltage,  St.  Michael  und  Maria  Himmelfahrt  (cap.  177,  8 
S.  362).  Die  Aposteltage  und  St.  Michael  begegnen  auch  in  den  Riesbacher 
Statuten  (cap.  112  5  S.  237).  In  Ludwigs  d.  Fr.  capitulare  monasticum  von 
817  (c.  170,  46  S.  346)  fehlen  die  Epiphaniasoktave  und  die  letania  maior, 
dagegen  finden  sich  St.  Lorenz,  St.  Benedikt  und  die  Aposteltage.  Maria 
Himmelfahrt  erscheint  als  anerkanntes  Fest;  doch  wissen  wir,  dass  an  diesem 
Tage  noch  im  Jahre  862  in  Therouanne  nicht  gefeiert  wurde,  er  war  nur 
kirchlicher  Festtag  (Ann.  Bertin.  z.  d.  J.  S.  59).  Am  geringsten  war  die 
Zahl  der  Festtage  in  Sachsen  (Lex  Sax.  23  [M.G.  Leg.  V  S.  61]):  Ostern, 
Pfingsten,  Weihnachten,  St.  Maria  (=  Maria  Reinigung),  Johannis,  Peter, 
Martin.  Das  Allerheiligenfest  ist  von  Alkuin  ep.  193  S.  321  erwähnt;  er 
legte  Wert  auf  seine  Feier;   auch  in  einem  Mainzer  Kalender  des  9.  Jahr- 

18* 


—     276     — 

Auch  die  Beobachtuug  der  kirchlichen  Fastenvoi"schriften  wurde 
geboten.') 

Besonderes  Gewicht  legte  Karl  darauf,  dass  die  Kirche  Ereig- 
nisse, welche  das  ganze  Volk  berührten,  nicht  unberücksichtigt  Hess. 
Er  selbst  ordnete  Bitttage  und  Dankfeste  an'-)  und  er  erwartete, 
dass  die  Bischöfe  auch  ohne  Aufforderung  in  solchen  Fällen  handeln 
würden.^) 

Hier  konnte  man  auf  die  religiöse  Empfänglichkeit,  besonders 
auf  die  religiöse  Naturbetrachtung  des  Volks  rechnen.  Die  Leben- 
digkeit der  letzteren  be\vies  sich  nach  einer  anderen  Seite  in  dem 
unausrottbaren  Aberglauben.*)  EigentümUch  ist  Karls  Stellung  in 
diesem  Punkte:  auch  er  stand  unter  dem  Banne  der  allgemeinen 
Uberzeugimg;  es  war  ihm  nicht  zweifelhaft,  dass  durch  Zauberei 
thatsächlich  Schaden  angerichtet  werden  könne.'')  Um  so  geneigter 
war  er.  die  mosaischen  Verbote  der  Zauberei  als  veiiiflichtende 
Gesetze  zu  betrachten.")  Daneben  aber  findet  man  Gedanken, 
welche  sich  von  der  volkstümlichen  Anschauung  losgerissen  haben: 
abergläubische  Handlungen  sind  thöricht;  sie  werden  unternommen, 
um  die  Leute  zu  betrügen."^  So  oder  so,  Karl  hielt  sich  für  ver- 
pflichtet, den  Aberglauben  auszurotten:  aber  hier  fühi-te  er  einen 
erfolglosen  Kampf 

Richten  wir  endlich  den  Blick  auf  das,  was  Karl  für  die 
Armenpflege  that.  so  drängt  sich  vor  allem  die  Bemerkung  auf, 
dass  riele  altkirchhche  Anschauungen  noch  fortwirkten.     Aber  mit 


hunderts  findet  man  zum  1.  November  die  Bemerkung:  Memoria  omnium 
sanctorum  (Delisle,  Memoire  S.  154;  vgl.  über  die  Herkunft  dos  Kalenders 
oben  S.  143  Anm.).  ÖfiFentlich  anerkannt  war  er,  wie  man  sieht,  noch 
nicht. 

1)  Cap.  19,  11  (a.  769)  S.  46;  84,  2  (vor  800)  S.  182;  vgl.  Conc.  Mog. 
a.  813)  c.  34  S.  73;  Stat.  Bonif.  30  S.  386;  Common,  cuiusq.  ep.  32 
S.  137H;  Theod.  cap.  I,  37  ff.  S.  203  f.  St.  Galler  Predigt,  Haluz.  II 
S.  1376  Nr.  6. 

2)  Cap.  21  (a.  780)  S.  52;  Brief  Karls  an  Faatrada,  MM.  Ep.  IV 
S.  528  Nr.  20  (a.  791)  mit  der  Nachricht  von  drei  von  dem  Heere  gefeierten 
Bettagen;  Form.  Sal.  Merk.  63  S.  262;  cap.  124  (a.  807)  S.  245;  127  (a.  810) 
S.  249;  vgl.  72,  1  (a.  811)  S.  162. 

3)  Cap.  44,  4  (a.  805)  S.  122. 

4)  Über  den  Aberglauben,  insofern  er  die  Zustände  des  Volks  charak- 
terisiert, s.  u.  Buch  5  Kapitel  5.  Ich  begnüge  mich,  hier  auf  die  Stellung 
Karls  hinzuweisen. 

5)  Cap.  28,  25  (a.  794)  S.  76;   32,   51  (a.  800?)   S.  88;  35,  40  S.  104. 

6)  Cap.  22,  65  S.  58  wird  auf  Lev.  19,  26  und  Deut.  18,  10  f.  Bezug 
genommen. 

7)  Cap.  19,  6  (a.  769)  S.  45 ;  35,  41  und  45  (a.  802)  S.  104. 


—     277     — 

ihuen  verbatfden  sich,  andere,  ursprünglich  deutsche.  Dass  die 
Bischöfe  als  Versorger  der  Annen  galten,  stammte  aus  der  alten 
Kirche;  wenn  al^er  der  König  sich  als  der  von  Gott  bestellte 
SchutzheiT  aller  Schwachen  und  Hilfs])ediii-ftigen  betrachtete,  so 
war  das  deutsch:^)  die  Bischöfe  erschienen  nur  als  seine  Gehilfen, 
wie  das  auch  die  welthchen  Beamten  waren.-)  Wenn  ein  Teil 
des  kirchhchen  Einkommens  fiii'  die  Armen  bestimmt  wiurde,^)  wenn 
die  Klöster  zugleich  Wohlthätigkeitsanstalten  waren,"')  so  war  auch 
das  ein  Erbe  aus  der  Vergangenheit.  Neu  war  der  Gedanke,  dass 
die  Gesamtheit  verpflichtet  sei,  füi'  alle  Volksgenossen  einzustehen. 
Hier  hat  Kai'l  das,  was  der  deutschen  Rechtsanschauung  und  wohl 
auch  der  Sitte  entsprach,  zur  Rechtsvorschi-ift  erhoben.  Dem  Rei- 
senden dmite  niemand  Dach,  Herd  und  Feuer  versagen.'^)  Wer 
sich  weigerte,  einem  gefähi'deten  Schiff  zu  Hilfe  zu  kommen,  ver- 
fiel schwerer  Strafe.**)  Derselbe  Gmndsatz  wurde  auf  die  Armen 
überhaupt  angewandt:  unter  Karl  ist  die  erste  allgemeine  Armen- 
steuer erhoben  worden.')     Zwar  geschah  es,  so  ^-iel  wir  wissen,  nm- 

1)  Cap.  33,  5  (a.  802)  S.  93:  Ipse  domnus  Imperator  post  Domini  et 
sanctis  eius  eorum  (der  Kirche,  der  Witwen,  Waisen,  Fremden)  et  protector 
et  defensor  esse  constitutus  est.  Vgl.  44,  2  S.  122;  68,  1  (a.  801—813) 
S.  157;  69,  3  (a.  810?)  S.  158:  Ut  viduae  etc.  sub  Dei  defensione  et  nostra 
mundeburdo  pacem  habeant  et  eorum  iustitiam.     77,  2  (vor  802)  S.  171. 

2)  Cap.  33,  14  S.  94. 

3)  S.  oben  S.  225  Anm.  5.  Docb  erinnert  Uhlhom  (Liebesthätigkeit 
S.  43)  mit  Recht,  dass  die  altkirchliche  Anschauung  des  Kirchenguts  als 
Armengut  verschwand. 

4)  In  St.  Gallen  endchtete  schon  Abt  Otmar  ein  Leprosenhaus  und 
eine  Herberge  für  andere  Arme  (V.  Otm.  2  S.  42);  die  cura  suscipiendorum 
pauperum  war  einem  der  Mönche  als  Amt  übertragen  (V.  Gall.  II,  43  S.  30). 
Eine  Fremdenherberge  in  Fulda  erwähnt  V.  Leob.  23  S.  131;  ein  Kranken- 
haus in  Werden  V.  III  Liudg.  5  S.  416;  in  St.  Avold  pauperum  hospitale 
(Transl.  Chrys.  19  S.  580),  desgl.  in  Kl.  Monheim  (Mir.  Waldb.  M.G.  Scr.  XV 
S.  542).  Über  die  matricularii  in  Metz  s.  oben  S.  66.  Das  Hospiz  auf  dem 
Septimer  war  Eigentum  der  Kirche  von  Chur  (Urkunde  Ludwigs,  U.M.  864). 
Um  einige  Stifternamen  zu  nennen,  so  erbaute  Alkuin  ein  Xenodochium  ad 
duodecim  pontes  im  Gau  von  Troyes  an  der  Seine  (A.  S.  Mab.  IV,  1  S.  169  f.), 
Theodulf  ein  solches  in  Orleans  (carm.  59  S.  5.54  f.),  Adalhard  in  Corbie 
(V.  Adalh.  59  S.  530,  vgl.  s.  Statuten  Migne  105  S.  538  ff.).  Auch  die 
Almosenverteilung  wurde  nirgends  reichlicher  vorgenommen  als  in  den 
Klöstern:  in  St.  Riquier  wurden  täglich  300  Arme  und  140  Witwen  versorgt 
(A.  S.  Mab.  IV,  1  S.  100),  aber  auch  nach  Solnhofen  strömten  die  Armen 
orationis  causa  ac  eleemosynae  (V.  Sol.  8  S.  159'. 

5)  Cap.  33,  27  (a.  802)  S.  96;  57,  1  (a.  801—814)  S.  144. 

6)  Cap.  34,  13  b  (a.  802)  S.  100  f. 

7)  Cap.  21  (a.  780?)  S.  52:  die  Bischöfe,  Abte,  Äbtissinnen  und  Grafen 


—     278     — 

«'iniiia].  um  einem  sondcrliclKiii  Notstand  abzuliolten;  immerhin  ist 
die  Thatsache  wiclitig;  nicht  mindei-.  d;uss  Karl  den  Grundsatz  auf- 
stellte, jeder  Grundherr  müsse  für  die  von  ihm  al)liängij,M'n  Leute 
sorgen.')  Auch  den  Iidiahern  königliciier  Lehen  machte  er  es  zur 
Ptlicht,  dafür  Sorge  zu  tragen,  dass  kein  zum  Gut  gehöriger  Leib- 
eigener durch  Not  zu  Grunde  gehe.-)  Dadurch  sollte  zugleich  das 
Umherziehen  der  Bettler  abgestellt  werden.'*)  In  dem  Moment, 
als  die  Resitzverhältnisse  zum  Nacliteile  der  grossen  Masse  der 
Minderbemittelten  sich  änderten,  sollte  die  Bildung  eines  Bettler- 
proletariats verhindert  \verd(,'n.  Eben  indem  das  Volk  in  Stände 
auseinanderging,  sollte  das  Verhältnis  der  Stände  zu  einander  einen 
ethischen  Gehalt  gewinnen.  Das  war,  was  die  Zeit  forderte.  Da- 
gegen verschwand  die  Organisation  der  kirchlichen  ArmenpHege. 
Die  weiten,  in  selbstständige  Parochien  zerlegten  Di<izesen  Deutsch- 
lands waren  etwas  ganz  anderes  als  die  Stadtbistümer  des  Südens. 
Institutionen,  die  sich  hier  bewährt  hatten,  konnten  auf  jene  nicht 
übertragen  werden.  Die  kirchhche  Armenptlege  wurde  zur  mehr 
oder  weniger  regellosen  Almosenverteilung.  Kail  hat  sie  geübt^) 
und  gefordert;'')  aber  sie  galt  ihm  nicht  als  die  Hauptsache:  das 
Almosen  ist  eine  Gabe,  welche  verweigert  werden  kann;  Karl 
gewährte  durch  seine  Vorschriften  den  Bedrängten  das  Recht  auf 
Hilfe. 

In  mancher  Hinsicht  erscheint  Karl  wie  ein  moderner  Mensch. 


sollten  je  nach  ihrem  Verniö(,'en  1  oder  Va  Pfund  Silbor  entrichten,  armo 
Bischöfe  •")  Solidi,  wer  200  Haben  zu  Lehen  hatte,  '/»  Pfund,  wer  100  Hüben 
5  Solidi,  wer  30  oder  40  eine  Unze.  Ausserdem  sollte  jeder  einige  Arme 
bis  zur  nächsten  Ernte  versorgen. 

1)  Cap  46,  9  (a.  806)  S.  132:  De  mendici-s,  qui  per  patrias  discurrunt, 
volumus.  ut  unuscjuisquo  tideliuni  nostrorum  suuni  pauperoni  do  boneficio 
aut  do  propria  familia  nutriat  et  non  permittat  aliubi  iro  inendirando;  et 
ulji  tales  invonti  fuerint,  nisi  manibiis  laborent,  nuUus  eis  quicquum  tribuero 
praesuinat.  Damit  ist  zu  vergleichen  die  Vorschrift  für  die  Verwalter  der 
Königshöfe  cap.  32,  2  S.  83:  Ut  familia  nostra  .  .  a  nemino  in  paupcrtate 
missa  sit;  cap.  44.  4  (a.  80."))  S.  123:  In  i)raesenti  anno  de  famis  inopia, 
ut  8U08  quisque  adiuvet;  ähnlich  cap.  54,  1  la.  805-. ^08j  S.  141 ;  62,  24  (a.  809) 
S.  151;  78,  11  (a.  813)  S.  174;  noch  besonders  für  die  Klöster  cap.  54,  5: 
Ut  eorum  pauperes  et  familias  iuxta  possibilitateni  nutrire  faciant. 

2)  Cap.  28,  4  (a.  794)  S.  74;  46,  18  (a.  806)  S.  132. 

3)  Vgl.  Anm.  1. 

4)  Einh.  V.  Kar.  21. 

5)  Cap.  .54,  1  S.  141;  62,  24  (a.  809);  63.  10  (a.  X09)  ü.  152;  64,  5 
a.  809)  S.  1.53;  78,  11  f.  (813)  S.  174.  Vgl.  auch  die  Ermahnung  eines 
Königsboten  cap.  121  S.  239;  es  ist  ungenau,  wenn  sie  Uhlhorn  (Liebe.s- 
thätigkeit  S.  62)  als  eine  Art  Predigt  des  Kaisers  an  das  Volk  bezeichnet. 


—     279     — 

Die  Orflnun*  der  jetzigen  Staatsverwaltimg  beruht  zum  grossen 
Teil  auf  der  allgemein  durchgeführten  Kontrolle  der  Thätigkeit  der 
Beamten.  Kai'l  hatte  den  Gedanken,  eine  solche  einzuführen. 
Längst  war  es  üblich,  dass  zu  gewissen  Zwecken  königliche  Send- 
boten in  diesen  oder  jenen  Teil  des  Reiches  geschickt  wurden:  sie 
waren  königliche  Kommissäre  mit  einem  einmaligen,  bestimmt 
umgi'enzten  Auftrag.^)  Unter  Karl  Martell  und  Pippin  begegnen 
die  wandernden  Königsboten  als  ausserordentliche  Beamte,  Vertreter 
der  Macht  des  Hausmeiers  und  des  Königs  fih-  bestimmte  Zwecke.") 
Karl  machte  aus  dieser  Einrichtung  eine  regelmässige  Institution. 
Die  Königsboten  wurden  zu  Vertretern  des  Königs  den  Lokalge- 
walten gegenüber  mit  dem  allgemeinen  Auftrag,  Recht  und  Ge- 
rechtigkeit zu  wahren.  So  erscheinen  sie  seit  Beginn  der  Regierung 
Karls^).  Im  Jahre  802  ei-folgte  eine  Reorganisation.  Waren  bis 
dahin  zum  Teil  könighche  Vasallen  zu  Königsboten  ernannt  worden, 
so  teilte  Karl  jetzt  das  Reich  in  eine  Anzahl  grosser  Bezirke.  Für 
jeden  derselben  wurden  alljährhch  etliche  der  angesehensten  Männer, 
Geistliche  und  Laien,  zu  Königsboten  ernannt.  Die  Aufgabe  dieser 
persönHchen  Vertreter  des  Königs  war,  die  Ausführung  der  Gesetze, 
die  Handhabung  der  Rechtspflege,  die  Amtsthätigkeit  der  Beamten 
zu  beaufsichtigen,  die  Ablegung  des  Treueides  hinzunehmen,  den 
Hilfsbedürftigen,  besonders  den  Witwen  und  Waisen,  Schutz  zu 
gewähren.  Die  kirchlichen  Angelegenheiten  unterstanden  ihrer  Über- 
wachung nicht  minder  wie  die  staatlichen:  allgemeine  Rechtssicher- 
heit sollte  auf  diesem  Wege  endlich  hergestellt  werden.*)  Wir 
besitzen  eine  Reihe  von  Aufträgen  füi'  die  Königsboten,  auch  x4.usse- 
rungen  dieser  über  ihre  Aufgabe,^)  so  dass  es  keinem  Zweifel 
unterliegt,  dass  diese  Visitationen  des  Reichs  sich  vielfach  wieder- 
holten,") und  dass  Karl  sich  Beiicht  über  sie  erstatten  Hess.    Liest 


1)  Über  die  Missi  s.  Dobbert,  Über  das  Wesen  und  den  Geschäfts- 
kreis  der  missi  dominici,  Heidelberg  1861  S.  6  und  Krause  in  den  Mitt.  des 
Instit.  XI  (1890)  S.  193  ff. 

2  t  Krause,  a.  a.  0.  S.  198  ff. 

3)  A.  a.  0.  S.  204  ff'. 

4)  Ann.  Lauresh.  z.  J.  802  S.  38;  cap.  33—35  S.  91. 

5)  Cap.  85  S.  183:  Ut  vobis  ex  parte  domni  imperatoris  iuberemus  .  ., 
ut  de  omni  re,  quantum  ad  ministerium  vestrum  pertinet,  tarn  ex  bis,  quae 
ad  Dei  cultum,  quamque  ex  bis,  quae  ad  domni  nostri  servitium  seu  ad 
christiani  populi  salvationem  vel  custodiam  pertinet,  totis  viribus  agere 
studeatis.  Praeceptum  est  enim  nobis  omnino  et  omnibus  reliquis  missis 
a  domino  nostro,  ut  medio  Apreli  ei  veraciter  renunciemus,  quid  in  regno 
suo  ex  bis  quae  ipse  in  istis  annis  per  missos  suos  fieri  iussit,  factum  sit 
vel  quid  dimissum  sit. 

6)  Vgl.  die  Zusammenstellung  Krause  S.  258  ff. 


—     280     — 

Hl  an  die  Ansprache,  welche  von  einem  der  Königsboten  auf  uns 
gekommen  ist,  so  gewinnt  mau  einen  Eindruck  davon,  wie  nach- 
driickhch  an  die  religiösen  und  sittlichen  Überzeugungen  der  Be- 
völkerung appelliert  wurdet)  Und  doch  war  die  Einrichtung  un- 
genügend: sie  fungierte  nur,  wenn  der  Wille  eines  tliatkrüftigen 
Könige  sie  in  Bewegung  setzte:  auch  hier  hing  alles  von  der  einen 
Persönlichkeit  ab,  die  an  der  Spitze  stand. 

Nie  ist  in  der  fränkischen  inid  deutschen  Kirche  so  viel  regiert 
worden,  als  in  dem  hall)en  Jahrhundert  der  Herrschaft  Karls  d.  Gr. 
Es  bedui-fte  dieser  nachdrücklichen,  rastlosen  Thätigkeit,  um  die 
Spuren  des  kirchlichen  Ycrfolls  zu  tilgen,  der  in  dem  letzten  Jahr- 
hundert der  Merowingerherrschaft  eingerissen  war.  So  weit  das 
fränkische  Reich  sich  ausdehnte,  wurde  jetzt  die  von  Bonifatius 
geplante  und  begonnene  Reform  zur  That.  Dass  der  König  das 
zur  Vollendung  führte,  was  der  Bischof  angefangen  hatte,  entsj)rach 
dem  geistlichen  Charakter,  den  das  fränkische  Königtum  trug,  der 
Hen-schaft  über  die  Kirche,  welche  es  seit  Chlodowech  geübt  hatte. 
Man  kaim  deshalb  nicht  sagen,  dass  die  Gedanken  frir  Karls 
Thätigkeit  durch  die  Beziehungen  zu  Rom  oder  durch  die  Gründung 
des  Kaisertums  dargeboten  worden  wären.  Die  Vorstellung  von 
dem,  was  erstrebt  und  erreicht  werden  müsse,  schwebte  ihm  schon 
vor,  als  er  den  Thron  bestieg :  zum  Teil  war  sie  durch  die  Reform- 
massregeln der  letzten  frinfruidzwanzig  Jahre  gegeben,  zum  Teil 
war  sie  Karls  Eigentum.  Die  epochemachenden  Jahre  für  seiu 
kirchliches  Regiment  sind  769,  789,  802  und  81 H.  Im  Jahre  7()9 
erliess  er  sein  eretes  kirchliches  Kapitular:  es  schloss  sich  ziemhch 
eng  an  ältere  fränkische  Bestimmungen,  besonders  an  die  Verord- 
nung Karlmanns  vom  Jahre  742  an.'-)  Aber  sein  Inhalt  geht  doch 
bereits  darüber  hinaus:  die  kirchlichen  Ziele,  welche  KiU'l  stets  fest- 
gehalten hat,  sind  bereits  klar  angedeutet."')  Das  Jahr  789  ist  aus- 
gezeichnet durch  den  grossen  Erlass  des  Königs  an  alle  geistlichen 
und  weltlichen  Stände  seines  Reichs.'*)  Was  dort  Miigedeutet  war, 
ist  hier  zu  einem  bis  ins  einzelne  ausgearbeiteten  Programm  für 
die  weitere  Thätigkeit  geworden.  Reichstag  und  Synode  zu  Aachen 
im  Jahre  802  sind  denkwürdig,  da  auf  diesen  Versammlungen  die 
grosse  Visitation  des  ganzen  Reiches  beschlossen  und  zugleich  die 
Verptiichtuug,    die    kirchhchen    Zustände    gemäss    dem    kirchlichen 

1)  Cap.  121  S.  239. 

2)  Vffl.  rap.  19,  1,  .3,  4,  6,  8  mit  cap.  10,  2—5. 

•3)  Hebung  des  geistlichen  Standes  (c.  8);  gelehrte  Bildung  desselben 
(c.  15  f.);  Sorge  für  die  Religiosität  unter  dem  Volke  (c.  7,  10,  11);  Aner- 
kennung der  bischöflichen  Autorität  in  den  Diözesen  (c.  9). 

4)  Cap.  22  S.  52  ff. 


—    281     — 

Recht  zu  ge!?talten,  feierlich  ausgesprochen  wurde.')  Endlich  im 
Jahre  813  verfügte  Karl,  dass  in  Mainz,  Rheims,  Tours,  Chalon 
s.  S.  und  Arles  Synoden  zur  Untersuchung  der  kirchlichen  Ver- 
hältnisse gehalten  werden  sollten.  Die  Beratungen  und  Beschlüsse 
derselben  betrafen  die  verschiedensten  Seiten  des  kirchlichen  Lebens:^) 
man  gewinnt  eine  Vorstellung  von  dem,  was  Karl  am  Ende  seines 
Lebens  wollte:  es  ist  nichts  anderes,  als  was  er  durch  die  Kapitu- 
larien von  769  und  789  erstrebt  hatte.  Es  handelte  sich  auch  jetzt 
um  die  Verwirkhchung  der  alten  Gedanken. 

Dass  Karls  Ziel  nicht  vollständig  erreicht  wurde,  wer  möchte 
sich  darüber  wundern?  Aber  vergeblich  war  seine  Arbeit  nicht. 
Wir  haben  das  im  einzelnen  beobachtet;  man  dai-f  vielleicht  im 
allgemeinen  sagen,  dass  für  die  Entstehung  kirchhcher  Sitten  im 
deutschen  Volke  niemand  so  Adel  gethan  hat  als  er. 

Auf  der  Blüte  der  fränkischen  Kirche  beruhte  der  Anspruch, 
den  Karl  erhob,  dass  die  Kirche  seines  Reichs  als  die  Vertreterin 
der  abendländischen  Christenheit  anerkannt  werde.  Wie  entschie- 
den er  dies  that,  zeigt  sich  nirgends  so  deutlich,  als  in  seinem  Ver- 
halten den  Lehrverschiedenheiten  gegenüber,  welche  während  seiner 
Regierung  auftauchten.  Er  zog  die  Entscheidung  vor  das  Forum 
der  fränkischen  Kirche  und  traf  sie  mit  dem  Papste  oder  gegen 
den  Papst. 

Wir  wenden  uns  zm-  Betrachtung  dieser  Streitigkeiten. 


1)  Ann.  Lauresh.,  Chron.  Moiss.  z.  J.  802. 

2)  Mansi  XIV,  64  ff. 


Fünftes  Kapitel. 

Lehrverhandlungen. 


Je  entschiedener  die  fränkische  Theolocfio  den  Charakter  des 
Schuhiiiissiiion  tmg.  um  so  weniger  bot  die  fränkische  Kirche  einen 
fruchtban-n  Boden  für  die  Entstehung  eigenartiger  Anschauungen 
und  Lehren.  M.in  lernte  aus  den  gleichen  Büchern,  man  studierte 
m  der  gleichen  Weise,  man  hatte  das  gleiche  Ziel:  die  Schätze 
der  altkirchlichen  Theologie  wieder  zu  beleben  und  sich  anzueignen. 
Der  Gedanke,  von  den  Lehren  der  Alteren  Mlizuweichen.  hätte 
ebenso  sehr  den  wissenschaftlichen  Grundsätzen  der  karolingischen 
Theologen  widers])rochen  wie  ihren  kirchlichen  Lberzeugungen. 
Das  Tlx'rliefcrtc  galt  ihnen  als  das  Wnhic.  die  Theologie  des  4. 
und  5.  .Jahrhunderts  erblickten  sie  im  Scbinnner  des  Klassischen; 
diidurch  war  sie  vor  jedem  Tadel  gedeckt.  Auch  kannte  man  sie 
gut  geiHig,  um   vor  unwillkürlichen   Verstössen  sicher  zu  sein. 

Andei>;  lagen  die  Dinge  in  dem  benachbarten  Spanien.  Die 
dortige  Theologie  trug  nicht  den  Stempel  der  Jienaissance;  sie  war 
vielmehr  der  letzte  Ausläufer  der  altkirchlichen  Wissenschaft.  Manche 
alte  Idee  lebte  noch  fort,  besonders  waren  die  ;tlt<'n  J'robleme  nicht 
ganz  vergessen;  ai>er  der  Anschluss  an  die  alten  Formeln  war  bei 
weitem  nicht  so  enge  und  ängstlich  wie  l)ei  der  fränkischen  Theo- 
logie: man  hatte  sie  nicht  wie  jene  aus  Büchern  gelernt,  man  hatte 
sie  ererbt  Das  hinderte  nicht,  dass  die  Spanier  sich  ihrer  Ortho- 
doxie ebenso  lei)haft  bewusst  waren,  als  Alkuin  und  seine  Schüler. 
Nur  war  dies  Bewusstseiu  andere  begründet:  bei  den  letzteren  be- 
nihte  es  darauf,  dass  sie  die  eigenen  Ansichten  direkt  aus  der 
Litteratur   des   4.   und    5.  Jahrhunderts   entnommen  hatten,    Beleg- 


—     283     — 

stellen  für  iln-e  Behaiyitungen  Avaren  ihnen  stets  zur  Hand;  bei 
den  Spaniern  war  es  sozusagen  Parteisache:  sie  waren  lange  genug 
den  Arianeru  als  Vertreter  der  Rechtgläubigkeit  gegenüber  ge- 
standen, um  dessen  gewiss  zu  sein,  dass  ein  Spanier  stets  orthodox 
ist.  Und  hielten  sie  nicht  jetzt  das  Banner  der  christhchen  Wahr- 
heit dem  Muhammedanismus  gegenüber  aufrecht?  Das  stark  ent- 
wickelte Selbstgefühl  der  Spanier  war  die  Frucht  der  stets  gefähr- 
deten Lage  der  spanischen  Kirche.  Es  fehlte  ihm  das  sichere 
Fundament  glücklicher  Zustände.  Am  wenigsten  waren  die  Ver- 
hältnisse der  Wissenschaft  günstig.')  Zwar  hörten  Unterricht  und 
Studien  nicht  ganz  auf;  aber  die  Christen  waren  die  Unterdi'ückten ; 
ihr  Verkehr  mit  den  übrigen  Kirchen  war  gehemmt.  Dadurch 
musste  der  Gesichtskreis  eng  begrenzt,  das  Urteil  einseitig  werden. 
Das  wai-  der  rechte  Boden  für  sektiererische  Lehren. 

Man  kann  die  theologische  Verwilderung  der  spanischen  Kjrche 
an  dem  ermessen,  was  Avir  über  Migetius")  wissen. 

Das  Problem  der  Trinitätslehre,  das  Jahrhunderte  lang  die 
Theologen  der  alten  Kirche  Ijeschäftigt  hatte,  hielt  ihn  in  seinem 
Banne.  Die  fränkischen  Gelehrten  fühlten  keine  Schwierigkeit:  die 
glatten  Formeln,  welche  sie  aus  Augustin  gelernt  hatten,  enthielten 
ja  die  Lösung  aller  Rätsel.  Dieser  Spanier  dagegen  rang  wie  ein 
christlicher  Lehrer  des  3.  oder  4.  Jahrhunderts  mit  der  Schwierig- 
keit, die  Einheit  Gottes  und  die  Dreiheit  göttlicher  Personen  zumal 
festzuhalten.  Er  glaubte  Licht  in  dem  Dunkel  zu  finden,  wenn 
er  Vater,  Sohn  und  Geist  mit  den  hervorragendsten  Männern  der 
heihgen  Geschichte  —  David,  Jesus,  Paulus  —  identifizierte.  =') 
Aber  was  ihn  Lösung  einer  Glaubensfrage  dünkte,  war  doch  nur 
ein  Beweis  für  die  Willkür  der  theologischen  Reflexion  eines  schlecht 
geschulten  Klerikers.  Die  Art  vollends,  wie  er  seine  Behauptung 
beleste,  zeigte,  dass  man  in  Sijamen  verlernt  hatte,  die  Bibel 
methodisch  zu  gebrauchen. 

1)  S.  Graf  Baudissin,  Eulogius  und  Alvar,  1872,   S.  28  tf. 

2)  Ich  verweise  neben  den  Dogmengeschichten  besonders  auf  Möller, 
P.  RE.  I  2.  Aufl.  S.  151  ft". 

3l  Elipandi  ep.  1,  3  (Migne  96  S.  860  f.).  Die  Frage,  ob  rauhammedanische 
oder  priscillianische  Einflüsse  bei  Migetius  anzunehmen  sind,  lasse  ich  da- 
hingestellt. Die  ersteren  scheinen  mir  sehr  unwahrscheinlich;  jedenfalls 
erinnert  Möller  (S.  152j  mit  Recht,  dass  an  eine  bewusste  Analogie  mit 
muhammedanischen  Vorstellungen  nicht  gedacht  werden  kann.  Nachweisen 
lässt  sich  auch  der  Einfluss  des  Priscülianismus  nicht.  Freilich  bemerkt 
man  in  den  Traktaten  Priscillians  leicht,  dass  ihn  dasselbe  Problem  be- 
schäftigte wie  Migetius;  aber  die  unendlich  oft  wiederholte  Betonung  des 
Christus  Dens  zeigt,  dass  er  es  anders  löste  als  dieser. 


—     284     — 

Schwerlich  würde  ]\[igotius  tiefen  Eindruck  gemacht  lial)en, 
wenn  er  nur  seine  Trinitiitslehre  verkündet  hätte.  Ein  zweiter  Zug, 
der  ihn  chai'akterisiert  ist  sein  schroffer  sitthcher  liigorismus;  er 
verwarf  den  Verkehr  mit  den  MuhainniedanfTu:  die  Speise  der 
I  ngliiuhigcn  hcHeckt  die  Seelen  der  Gläubigen,  liörte  man  ihn 
behaupten.')  Er  weigerte  sich,  mit  offenbaren  Sündern  an  einem 
Tiscli  zu  essen;-)  er  war  also  übei-zeugt,  dass  die  Duldung  un- 
würdiger Glieder  in  der  christlichen  Gemeinschaft  unzulässig  sei. 
Besonders  forderte  er  Heiligkeit  von  den  Priestern.  Warum,  fragte 
er,  nennen  sie  sich  Sünder,  wenn  sie  in  Wahrheit  heilig  sind?  Oder, 
wenn  sie  im  Ernste  sich  als  Sünder  bekennen,  wie  massen  sie  sich 
an,  den  kirchlichen  Dienst  zu  vemchten,  während  doch  Gott  sagt: 
Ihr  sollt  heilig  sein,  denn  ich  bin  heilig.'^)  Mit  solchen  Sätzen 
wird  er  seinen  Anhang  an  sich  gefesselt  haben.  Er  wusste  ihn 
fiir  sein  kirchliches  Ideal  zu  begeistern,  indem  er  behauptete,  es 
könne  verwirklicht  werden,  ja  es  sei  verwirklicht.  Er  sprach  von 
Rom,  das  er  wohl  nie  betreten  hatte:  in  leuchtenden  Farben  schil- 
derte er  die  Hauptstadt  der  christlichen  Welt:  dort  finde  man  die 
Kirche,  in  der  Christus  Wohnung  gemacht  habe,  deren  Glieder 
alle  heihg  seien,  ohne  Flecken  und  Runzel.  Rom  sei  die  auf  den 
Felsen  Petri  gebaute  Kirche,  in  die  nichts  BeÜecktes,  keiner,  der 
Greuel  und  Lügen  wirkt,  eingeht:  ja  Rom  sei  das  neue  Jeinisalem, 
das  Johannes  vom  Himmel  herabkommen  sah."*)  Wie  hätten  solche 
Worte  ohne  Wirkung  auf  das  leicht  zu  begeisternde  Volk  bleil)en 
sollen?  Es  bewunderte  Migetius  als  einen  Heiligen;"'^)  was  er  sagte, 
galt  vielen  als  unanfechtbare  Wahrheit.") 

Und  an  ihn  schloss  sich  nun  ein  tVemder  an,  durch  den  sein 
Einfluss  mächtig  verstärkt  werden  musste.  Wir  berühren  damit 
eine  Thatsache.  welche  vereinzelt  dasteht,  die  aber  ein  unerwartetes 
Licht  auf  die  Vorgänge  wirft.  In  derselben  Zeit,  in  welcher  Migetius 
Aufsehen  zu  machen  begann,  weihte  Erzbischof  Wilchar  von  Seus 
unter  Zustimmung  Hadrians  I.  einen  Priester  Namens  Egila  zum 
Bischof  und  sandte  ihn  zur  Predigt  nach  Spanien.  Er  sollte  nicht 
irgend  eines  der  spanischen  Bistümer  verwalten,  sondern  in  S])anien 
arbeiten    ähnlich    wie    die    irischen  Wanderbischöfe  im  fränkischen 


1)  Elip.  ep.  1,  11   3.  Se.'if. 

2)  L.  c.  S.  866. 

3)  L.  c.  10  S.  864. 

4)  L.  c.  12  f.  .S.  866  f. 

5)  L.  c.  2  S.  859:    liumore   percuirent«   vulgi    insipientis,   nonnuUa  de 
te  recta  eRse  credeVjamus. 

6)  L.  c.  :j  S.  863:    Plebs    illa    de    massa  perditionis  effecta  quae  tuia 
erroribus  con.sentieD<<  noscitur  esae  decepta. 


—     285     — 

Reich;  sein  i^uftrag  war  nur.  „den  Gewann  der  Seelen  Gott  zu 
opfern".-')  Da  die  spanische  Kirche  eine  solche  Unterstützung 
weder  begehrte  noch  bedurfte,  so  Aväre  die  Sendung  Egilas  unver- 
ständhch,  wenn  man  nicht  wüsste,  dass  Karl  ihr  nicht  ferne  stand: 
er  hat  den  Verkehr  zwischen  Egila  und  dem  Papste  vermittelt.-) 
Ohne  Zweifel  handelte  Wilchar  in  seinem  Auftrage;  die  Absicht 
des  Königs  ist  klar:  wie  die  schottische  und  enghsche  Kirche  in 
fi-eier  Weise  sich  an  die  fränkische  Kirche  anschloss,  so  sollte  das 
auch  hinsichtlich  der  spanischen  geschehen.  Egilas  Sendung  sollte 
dem  fränkischen  Einfluss  auf  die  Nachbai'kirche  den  Weg  bahnen. 
Möghch,  dass  auch  politische  Motive  mit  ins  Spiel  kamen. 

Egila,  der,  von  einem  Priester  Xamens  Johannes  begleitet, 
nach  Spanien  zog,  nahm  dort  manches  wahr,  was  er  missbilhgte: 
man  feierte  Ostern  nicht  regelmässig  mit  Rom;  man  erklärte  es  für 
unverständig,  sich  vom  Genüsse  des  Bluts  und  des  Erstickten  zu 
enthalten;  weit  verbreitet  war  che  unbekümmerte  Freiheit  des  Ver- 
kehrs mit  Juden  und  Arabern;  an  gemischten  Ehen  nahm  niemand 
Anstoss.  Auch  die  sittliche  Haltung  des  Klerus  fanden  die  frän- 
kischen GeistHchen  wenig  befriedigend;  endlich  traten  ihnen  Lehr- 
verschiedenheiten entgegen,  welche  ihnen  in  der  Heimat  völlig  fremd 
waren:  die  einen  lehrten  schroft' prädestinatianisch,  andere  vertraten 
ebenso  entschieden  den  Gedanken  der  Willensfreiheit.'^) 

Nicht  gegen  dies  alles,  aber  gegen  einzelnes  war  auch  Migetius 
aufgetreten.  Der  gemeinsame  Gegensatz  führte  ihn  und  den  Send- 
ung des  fränkischen  Königs  zusammen;  die  gleiche  Begeisterung 
füi'  Rom  musste  die  Verbindung  festigen.^)    Der  spanische  Schwärmer 

1)  Cod.  Carol.  95  f.  S.  636  ff.  Nach  beiden  Briefen  ist  sicher,  dass  die 
Sache  nicht  von  Hadrian,  sondern  von  Wilchar  ausging.  Dass  Egila  zum 
Bischof  von  Elvira  bestimmt  war,  scheint  mir  durch  den  päpstlichen  Auf- 
trag: Nullam  quamlibet  alienam  sedem  ambiret  vel  usurparet,  S.  6-37,  aus- 
geschlossen. Auch  ep.  96  S.  644  ist  nur  die  praedicatio  orthodoxae  fidei 
genannt. 

2)  L.  c.  97  S.  648. 

3)  L.  c.  96  S.  644  ff.  Man  nimmt  ziemlich  allgemein  an,  Migetius 
habe  die  antirömische  Berechnung  der  Osterfeier  vertreten;  so  besonders 
Hefele,  CG.  III  S.  631  f.  Das  ist  jedoch  im  höchsten  Grade  unwahrschein- 
lich ;  der  Mann,  der  in  Rom  das  Reich  Gottes  verwirklicht  sah,  hat  sich 
sicher  in  diesem  Punkte  nicht  in  Gegensatz  zur  römischen  Übung  gestellt. 
Dass  Elipandus  an  der  in  Spanien  heimischen  Berechnung  festhielt,  hat 
nichts  gegen  sich. 

4)  Cod.  Carol.  95  S.  637.  Baudissin  (a.  a.  0.  S.  26)  lässt  Egila  zum 
Zwecke  der  Predigt  gegen  Migetius  nach  Spanien  gesandt  werden.  Ich 
weiss  keine  Stelle,  wodurch  sich  diese  Annahme  belegen  liesse,  auch  wider- 
spricht ihr,  dass  Egila  in  seinem  Berichte  nach  Rom  über  Migetius  schwieg: 


—     286     — 

und  der  fränkisclic  Bischof  wurden  zu  Bundesfreiiossen.  Das  vor- 
eiuigte  Wirken  beider  Männer  erregte  nun  vollends  die  spanische 
Kirche.  Ini  so  mehr  suchte  der  spanische  Episkoj)at  ihm  mög- 
hchst  rascii  ein   Ende  zu  bereiten. 

Gegen  Migetins  erklärte  sich  der  Erzbischot'  Elii)andus  von 
Toledo»  in  einem  Lehrbriefe.  Es  war  nicht  ungeschickt,  dass  er 
die  dogmatische  Differenz  in  den  Vordergrund  rückte;  hier  wurde 
es  ihm  leicht,  seinen  Gegner  zu  schlagen,  l^jcr  seine  Stellung  zu 
Korn  erkläi'te  er  sich  erst  am  Schlüsse  des  Briefs:  er  stellte  Rom 
die  allgemeine  über  den  ganzen  Erdkreis  verbreit<'te  Kirche  gegen- 
über; ohne  das  Römische  anzugreifen,  wollte  er  doch  nicht  zugeben, 
dass  die  römische  Gemeinde  wesentlich  höher  stehe  als  irgend  eine 
andere  Kirche.^)  War  das  nicht  ein  Rest  der  altkirchlicheu  Selbst- 
ständigkeit der  Kirchenprovinzen  ? 

Eine  Synode  in  Sevilla  erklärte  sich  in  demselben  Sinne  wie 
pjlipandus  gegen  Migetius.  Der  Erzbischof  konnte  sich  rühmen, 
die  Migetianische  Häresie  unterdrückt  zu  haben.-) 

Des  fränkischen  Wanderbischofs  aber  entledigten  sich  die 
Spanier,  indem  sie  ihn  als  Anhänger  des  Ketzers  Migetius  bei 
Hadrian  denunzierten.'')  Es  war  klar,  dass  sie  fremde  Einflüsse 
in  ihrer  Kirche  nicht  zuzulassen  entschlossen  waren:  so  willig  wie 
die  Briten  oder  die  Mönche  orientalischer  Klöstei-  fügten  sie  sich 
nicht  in  (he  Rolle  fränkischer  Schützlinge.  Das  hindeile  schon  die 
Persönlichkeit  ihres  kirchlichen   Fühlers. 

Elipandus  war  ein  Greis;  "•)   aber  die  .Taluc  hatten  das  Feuer 

er  hätte  dann  doch  vornehmlich  von  ihm  reden  miisaen.  L  bcrUefert  ist 
nur  die  Thatsache  der  Verbindung;  .sie  scheint  mir  durch  die  im  Texte 
pegehtene  Kombination  einfacher  erklärt. 

1 )  Ep.  1  S.  859  ff. 

2)  Kp.  ad  Fidel.  (Migne  %  8.  918). 

'i)  Cod.  Carol.  95  S.  636  f.  Beachtet  man  die  vorsichtigen  Wendungen: 
ut  eiu.s  fama  in  auribus  nostris  sonuit;  ut  fcrtur;  quod  si  ita  est,  so  kann 
man  kaum  zweifeln,  dass  Hmlrinn  der  Denunziation  nicht  glaubte;  er  geht 
deshalb  auch  eiligst  zu  den  wirklichen  spanischen  Häretikern  Elipandus 
und  Ascarirus  über.  Zu  beachten  ist  auch,  dass  Hadrian  Egila  nicht  fallen 
Hess;  das  ergiobt  die  von  mir  in  der  I.  Aufl.  vorgoschhigono,  von  (lundlacb 
gebilligte  Folge  der  Briefe.  Hadrian  setzt  ep.  96  f.  die  Anklage  gegen  Egila 
(ep.  95)  und  dessen  Verteidigung  voraus:  die  letztere  hat  ihn  befriedigt: 
Audientes  orthodoxam  vestrae  dilectionis  constantiam  (S.  644);  er  hat  nur 
nötip,  vor  der  Anstorkung  durch  die  Irrlohrer  zu  warnen  (S.  644  und  648) 
und  aufzufordern:  Habeto  pro  nihilo  eorum  infrunitas  insidias  (S.  648;. 
Jaffe  hatte  ep.  95  (=  99)  den  beiden  anderen  (=  78  und  79)  nachfolgen 
lassen. 

4i  Er  ist  einer  der  wenigen  kirchlichen  Männer,  deren  Geburtstag  wir 


—     287     — 

seiner  leidensdiaftlichen  Natur  nicht  gedämpft;  jede  abweichende 
Meinung  erzürnte  ihn;  wer  anders  dachte  als  er,  galt  ihm  als  per- 
sönlicher Feind.  In  seinen  Adern  floss  germanisches  Blut;^)  aber 
wie  stolz  war  dieser  Gote,  ein  Spanier  zu  sein;  er  sonnte  sich  in 
dem  Ruhme  der  berühmten  Männer  Spaniens;'"^)  keine  Würde 
dünkte  ihn  erhabener  als  die  seine:  es  ist  allem  Volk  bekannt, 
schrieb  er  einmal,  dass  der  Stuhl  von  Toledo  vom  ersten  Ursprung 
des  Glaubens  an  durch  Heiligkeit  der  Lehre  geglänzt  hat,  dass 
niemals  irgend  etwas  Schismatisches  von  hier  ausgegangen  ist.'^) 
Er  empfand  es  als  eine  persönliche  Kränkung,  wenn  man  behaup- 
tete, dass  aus  seinem  Erzbistum  eine  felsche  Lehre  entspringen 
könne.^)  Voll  Zorn  und  Verachtung  verdammte  er  die  In-lelu-er 
aller  Zeiten,  auch  wenn  er  kaum  mehr  von  ihnen  wusste  als  den 
Namen.  ■'^)  Denn  gelehrt  war  er  nicht.  Der  lateinischen  Sprache 
war  er  wenig  mächtig;  manchen  älteren  Väterspruch  hat  er  übel 
missverstanden;  zwar  schrieb  er  lateinisch;  aber  wie  der  vollkommene 
Barbar.  Briefe  ins  Ausland  hess  er,  wie  es  scheint,  von  anderen, 
die  der  Sprache  besser  kundig  waren,  durchsehen.^')  Ein  selbst- 
ständiges dogmatisches  Urteil  hatte  er  nicht.')  Aber  das  schadete 
weder  seinem  Ansehen  noch  seinem  Selbstbewusstsein;  denn  die 
Bildung  seiner  Umgebung  stand  tief  genug,  dass  man  ihn  für  ge- 
lehrt hielt, ^)  da  er  über  einen  ziemlich  grossen  Vorrat  von  Zitaten 
verfügte.  Man  mag  bezweifeln,  ob  er  sie  selbst  gesammelt  hatte; 
wahrscheinHch  verdankte  er  sie  den  Mönchen  in  Corduba  und 
anderen  Freunden.'*')     Sie    schickten  ihm  nicht  nur  echte,    sondern 

wissen:   25.   Juli  718  (Ale.  ep.  183  S.  308).     Bischof   wurde    er    um  780  (s. 
Grössler,  Die  Ausrottung  des  Adoptian.  S.  4j. 

1)  V.  Beat.  1  (Migne  96  S.  891). 

2)  Ep.  4,  9  S.  873.  Charakteristik  Isidors:  lubar  ecclesiae,  sidus 
Hesperiae,  doctor  Hispaniae. 

3)  Ep.  ad  Fidel.  S.  918. 

4)  L.  c:  Ignominia  erit  mihi,  si  in  traditione  Toletana  hoc  malum 
fuerit  auditum. 

5)  L.  c.  S.  919.  Ep.  episc.  Hisp.  18  (Migne  101  S.  1330);  hier  über  Mani, 
qui  Christum  solum  Deum  et  non  hominera  fuisse  praedicat. 

6)  Es  ist  ein  augenfälliger  Unterschied  zwischen  seinen  Briefen  an 
Felix  und  an  Karl  oder  Alkuin.  Dass  er  die  letzteren  Schreiben  Felix  mit- 
teilte, sieht  man  aus  Ale.  ep.  183,  1  S.  307;  Felix  wird  sich  schwerlich 
begnügt  haben,  eine  Abschrift  zu  nehmen. 

7)  Einh.  ann.  sprechen  z.  J.  792  S.  91  von  einer  Anfrage  Elipands  bei 
Felix,  quid  de  humanitate  salvatoris  sentire  deberet.  Das  Jahr  ist  offenbar 
falsch,  die  Nachricht  selbst  schwerlich  zu  verwerfen. 

8)  Das  bezeugt  die  Elipandus  feindliche  V.  Beati  1  S.  890. 

9)  Ale.  ep.  183,  1  S.  307  von  einem  frater  Milita:  Quatuor  mihi  qua- 


—     288     — 

auch  gefälschte  Väterstellen  iu  gi'osser  Menge.')  Das  bemerkte  er 
ebenso  wenig,  wie  dass  er  gelegenthch  einmal  eine  catonische  Sen- 
tenz als  Bibelspruch  zitierte.")  Auch  er  selbst  hielt  sich  für  gelehrt; 
er  fiililto  sich  angegriffen,  wenn  er  meinte,  jemand  wolle  ihn  be- 
lehren: von  ihm  sollte  man  lernen.") 

Kaum  waren  Migetius  und  Egila  überwunden,  so  wurde  Eli- 
pandus  in  einen  neuen  Lehrstreit  verwickelt.  Diesmal  aber  traf  ei 
als  Gegner  nicht  einen  vereinzelten  fränkischen  Bischof,  sondern 
die  Gesamtkirche  des  Xachbarreichs.*) 

In  der  spanischen  Kirche  war  es  üblich,  von  Christi  mensch- 
licher Xatur  als  von  dem  adoptierten  Menschen  zu  sprechen.*] 
Diese  Formel  war  geheiligt  durch  den  gottesdienstlichen  Gebrauch 
man  sang  in  der  Messe  von  dem  Leiden  des  adoptierten  Menscher 
und  von  seiner  Aufnahme  auf  den  Thron  der  Gottheit,  man  betete 
dass  die  Gläubigen,  welche  mit  Christus  adoptiert  seien,  auch  mi' 
ihm  Erben  würden.*) 


torniones  direxerat;  183,  2  S.  308  von  den  Mönchen  in  Corduba:  Mihi  multi 
scripserunt,  quae  in  tuo  (Felix)  adiutorio  debueram  dirigere;  ib.  von  einen 
Verstorbenen:  Audivi  quod  aliquid  nobis  mandarat  dirigere;  es  waren  woh 
Auszüge  aus  Hieronymus  und  Isidor;  diese  Werke  hatte  ihm  Elipandu: 
geliehen. 

1)  Weitaus  die  meisten  Stellen,  welche  Elipandus  zitiert,  sind  gefälscht 

2)  Ep.  ad  Fid.  S.  918:  Proximus  ille  Deo  est  qui  seit  ratione  tacere 
Nicht  einmal  der  Vers  machte  ihn  irre. 

3)  Ep.  1,  2  S.  860  tadelt  er  Migetius,  quod  non  interrogantis  sed  priu 
docentis  arripueris  officium;  ep.  ad  Fid.  S.  918  von  Beatus  und  Het«riu9 
Non  me  interrogant,  eed  docere  quaerunt,  quia  servi  sunt  antichri.sti ;  da 
gegen  wird  Ascaricus  gelobt,  cum  non  docentis  imperio  sed  interrogantii 
voto  scribere  voluit. 

4)  über  den  Adoptianismus  handeln  eingehend  Hefele  (CG.  III  S.  642  flF.) 
der  auch  die  ältere  Litteratur  anführt;  Garns  (KG.  von  Spanien  II,  2  S.  261  ff. 
und  Grössler  (Die  Ausrottung  des  Adoptianismus  im  Reiche  Karls  d.  Gr. 
Eisleben  1879).  Neben  de»  Dogmengeschichten  kommen  ausserdem  der  Auf 
satz  Möllers  P.  RE.  I  3.  Aufl.  S.  180  ff.  und  die  betr.  Abschnitte  bei  Simsoi 
(.IB.  II  8.  29  ff.,  67  ff.,  1.54  ff.)  in  Betracht.  Auch  Reuter  streift  den  Strei 
(Gesch.  d.  relig.  Aufkl.  1  S.  10). 

5)  Vgl.  Ale.  ep.  166  S.  274. 

6)  Sieben  Stellen  aus  der  sog.  mozarabischen  Liturgie  (Elip.  ep.  4 
11  S.  874  und  Ale.  adv.  Elip.  II,  7  S.  264.  Hefeies  Erläuterungen  S.  65 
sind  wenig  befriedigend.  Wenn  er  zu  der  ersten  Stelle:  Qui  per  adoptiv 
hominis  paä.^ionem  dum  suo  non  indulsit  corpori,  nostro  demum  pepercit  (si 
nach  der  Verbesserung  von  Game  8.  272  Anm.  1  zu  lesen),  zu  der  sechsten 
Qui  adoptivi  hominis  non  horruisti  vestimentum  sumere  camis,  und  zu  de 
vierten:    Per  adoptivi   hominis   passionem   bemerkt,   adoptivus  homo  könm 


—     289     — 

Eine  Lehi-e.  welche  der  alteu  Kirche  des  Abendlands  entgegen- 
gesetzt oder  fremd  gewesen  wäre,  sollte  in  diesen  und  ähnhchen 
Sätzen  nicht  ausgesprochen  werden.  Im  Gegenteil,  sie  waren  ein 
Erbe  der  älteren  Anschauung;  denn  stets  hatte  die  Frömmigkeit 
des  Abendlandes  Wert  darauf  gelegt,  dass  die  Vollkommenheit  der 
menschhchen  Natur  Christi  anerkannt  werde.  Unbedenklich  hatten 
die  Theologen  von  der  Annahme  eines  Menschen  durch  den  gött- 
lichen Logos  gesprochen.  1)  Auch  die  Verwendung  des  Begrifife 
Adoption  war  ihnen  nicht  ganz  fremd.-)    Aber  diese  Formeln  wai'en 


hier  in  der  Bedeutung  von  assumta  humaiia  natura  genommen  werden,  so 
ist  das  richtig,  trifft  jedoch  nicht  zur  Sache.  Denn  den  Spaniern  kam  es 
zunächst  darauf  an,  das  Recht  der  Formel  zu  beweisen.  Bei  der  siebten 
Stelle:  Quos  fecisti  adoptionis  participes  iubeas  haereditatis  tuae  esse  con- 
Bortes,  der  zweiten:  Respice.  domine,  tuorum  fidelium  multitudinem,  quam 
per  adoptionis  gratiam  filio  tuo  facere  dignatus  es  cohaeredem,  und  der 
dritten  Stelle:  Praecessit  in  adoptione  donum,  hat  Hefele  den  Gedanken 
der  Spanier  nicht  gefunden.  Sie  wussten  natürlich  so  gut  wie  Alkuin  und 
Hefele,  dass  sich  adoptionis  participes  auf  die  Gläubigen  bezieht;  aber  sie 
pressten  das  "Wort  , Teilhaber",  so  dass  sie  darin  finden  konnten,  dass 
Christus  zuerst  der  Gegenstand  der  Adoption  war.  Daraus  erklärt  sich  die 
Verwertung  der  zweiten  und  dritten  Stelle.  Bei  der  sechsten  Stelle:  Sal- 
vator  per  adoptionem  carnis  sedem  repetiit  deitatis  sagt  Hefele  etwas  Zweck- 
loses, weil  Selbstverständliches,  wenn  er  bemerkt,  dabei  sei  an  die  Aufnahme 
Christi  in  den  Himmel  gedacht.  Der  Erzbischof  von  Toledo  zweifelte  daran 
gewiss  nicht :  aber  es  war  ihm  wertvoll,  dass  diese  Aufnahme  als  Adoption 
bezeichnet  wurde:  er  trat  ja  für  das  Recht  ein,  diese  Formel  auf  Christus 
anzuwenden.  Dass  nicht  alle  von  Elipandus  angeführten  Stellen  sich  in 
der  mozarabischen  Liturgie  nachweisen  lassen,  wird  gegen  die  Richtigkeit 
der  Zitate  des  Elipandus  nicht  bedenklich  machen  dürfen.  Bei  der  sechsten 
Stelle  ist  klar,  dass  er  den  ursprünglichen  Text  hat:  per  assumtionem  ist 
eine  verfehlte,  weil  sinnlose  Korrektur.  Ebenso  ist  in  Nr.  4  per  assumti 
hominis  passionem  eine  offenbare  Verbesserung:  sie  sollte  das  anstössige 
Wort  beseitigen,  sie  liess  jedoch  die  Vorstellung,  an  der  man  irre  geworden 
war,  bestehen.  Thatsächlich  stimmt  die  Formel,  dass  Christus  einen  Menschen 
angenommen,  dass  der  von  ihm  angenommene  Mensch  gelitten  hat  und 
verklärt  wurde,  nicht  mit  der  seit  dem  5.  Jahrhundert  orthodoxen  Vor- 
stelluncr  überein:  sie  stammt  aus  einer  älteren,  in  der  Wahl  der  Ausdrücke 
unbefangeneren  Zeit.  Auf  Grund  dessen  darf  man  annehmen,  dass  die  von 
Elipandus  angeführten,  in  der  Liturgie  nicht  vorfindlichen  Stellen  getilgt 
wurden. 

1)  S.  Hamack,  DG.  H  S.  342  f.     P.  RE.  I  S.  180,  26  ff. 

2)  Hilar.  de  trinit.  II,  27:  Potestatis  dignitas  non  amittitur,.  dum  carnis 
humilitas  adoptatur.  Mar.  Vict.  adv.  Arium.  I  (Bibl.  patr.  Lugd.  IV  S.  256  E): 
Quadam  adoptione  filius  et  Christus,  sed  secundum  camem.  Vgl.  Am- 
brosiaster zu  Phil.  2,  10  ff.,  Migne  17  S.  411:   Sed  forte  ut  adoptione  Dens 

Hauck,  Kirchengeschichte.   11.    2.  Aufl.  19 


—     290     — 

nach  und  uacli  ausst-r  Gebrauch  gekoimiipii.  Nur  vereinzelt  l)e- 
gegnet  man  ihnen  noch  bei  fränkischen  Theologen  der  Karolinger- 
zeit; ^)  sie  waren  geeignet.  Anstoss  zu  erregen."') 

Elipandns  musste  seiner  ganzen  Art  nach  alles,  was  in  der 
spanischen  Kirche  üblich  Avar,  für  nnantastl)ar  lialteu.  Schon  in 
dem  Briefe  gegen  Migetius  äusserte  er  sich  in  einer  Weise,  welche 
zeigt,  dass  seine  Ansicht  von  jenen  Formeln  beherrscht  war."')  T'nd 
nun  wurden  sie  angegrit^en.  Die  Ojiponenten  waren  zwei  Asturier: 
der  Priester  Beatus  und  der  Mönch  Heterius  von  Libana.'*) 

AVahi-scheinlich  wurden  sie  nicht  allein  durch  theologische 
Gründe  zum  AV'iderspruch  bestimmt.  Man  weiss,  dass  zwischen 
Astuiien  mid  Toledo  eine  gewisse  Spannung  bestand.    Der  Metro- 

essotv  Et  hie  color  est;  incipiet  enim  ex  parte  Deus  verus  esse  Christus 
et  ex  parte  adoptivus  aut  duo  dii. 

1)  Ale.  adv.  Felie.  II,  12  S.  156:  Ille  homo  in  Deum  assumptus.  Eligii 
honi.  2  MSL.  87  S.  599  findet  sich  die  Stelle:  Jesus,  plenus  et  perfeetua 
Deus,  plenum  et  perfectum  hominera  ex  matre  sine  patro  suscipiens  etc. 
Ich  benutze  den  Anlass,  um  auf  die  Untersuchung  von  E.  Vacandard  über 
die  Homilien  des  Eligius  in  der  Rev.  des  fpiestions  bist.  1898  Dez.  S.  471  tt'. 
hinzuweisen,  die  ich  Bd.  I  S.  303,. 3  noch  nicht  benützen  konnte.  Vacandard 
spricht  die  Homilien  dem  Eligius  ab  und  weist  sie  dorn  9.  Jahrh.  zu. 

2)  Die  herkömmlichen  Ableitungen  des  Adoptianismus  aus  dem  Nesto- 
rianismus  oder  aus  dorn  fiegensatz  gegen  Migetius  halte  ich  für  mehr  als 
fraglich.  Die  erstere  als  Vermutung  bei  Neandor,  DG.  III  S.  26  ff.,  als  Mög- 
lichkeit bei  Möller  RE.  I  S.  158,  vgl.  auch  Harnack,  DG.  111  S.  253,  als  Ge- 
wis.shcit  bei  Werner,  Alcuin  S.  54;  die  letztere  bei  Hefele,  CG.  III  S.  657 
nach  Älteren,  Schwane,  DG.  S.  228,  Bach,  DG.  I  S.  104.  Wie  mich  dünkt, 
ist  dabei  zu  viel  Theologie  in  der  spanischen  Kirche  dos  8.  .Jahrhundorts 
vorausgesetzt:  der  Adoptianismus  erklärt  sich  aus  dem  Fortwirkon  illterer 
religiöser  Anschauungen,  dem  Hängen  an  der  kirchlichen  Formel  und  der 
mangelhaften  theologischen  Bildung.  Deshalb  ist  er  nicht  eine  Erfindung 
des  Felix  von  Urgol,  wie  V.  Beat.  1  S.  891  annimmt;  er  ist  überhaupt  nicht 
eine  theologische  Theorie  über  das  Verhältnis  der  zwei  Naturen  in  Christo, 
sondern  er  war  da  in  dem  Moment,  als  die  Berechtigung  einer  liturgischen 
Formel  angegriHon  wurde.  Denn  nun  steifte  sich  die  eigensinnige  Unwissen- 
heit auf  diese  Formol,  nun  zog  sie  aus  ihr  die  Konsequenzen,  ohne  zu  be- 
merken, d-i-SB  dabei  der  stolze  Ruhm  der  eigenen  Orthodoxie  in  Stücke  ging. 

3)  Ep.  1,  4  S.  862  und  7  S.  863. 

4)  ÜV)er  Beatus  s.  Game,  KG.  von  Spanien  II,  2  S.  276  f.  Er  findet 
die  theologische  Gelehrsamkeit  des  Beatus  staunenswert;  ich  führe  zu  ihrer 
Charakteristik  nur  an.  dass  Beatus  den  Arius  für  einen  Tritheisten  hielt 
(ad  Klip.  ep.  11,  23  S.  992)  und  dass  er  das  konstantinopolitanische  SymVjol 
als  Bekonntnis  der  .Synode  von  Ephesus  zitierte  (1.  c.  1,  38  S.  915).  Heterius 
war  der  jüngere;  er  wurde  später  Bischof  von  Osma.  Dass  der  Streit  von 
den  Asturiem  begonnen  wurde,  zeigt  des  Elipandus  ep.  ad  Fidel.  S.  918  f. 


—     291     — 

polit  wie  der*  Herzog  setzten  sich  dem  Einfliiss  des  toledanischen 
Erzbischofs  entgegen.^)  Während  dieser  eben  den  fränkischen  Send- 
ung entfernt  hatte,  pflegte  man  in  Asturien  die  Beziehungen  zum 
fränkischen  Reich.'-)  In  Toledo  war  man  voll  Verachtung  gegen 
die  Leute  aus  den  astuiischen  Bergen  ;=^)  in  Astuiien  aber  stellte 
man  die  Gemeinschaft  mit  der  allgemeinen  Kirche  höher  als  die 
spanischen  Eigentümlichkeiten.*)  Man  glaubte  nun  wohl  die  Autorität 
des  Erzbischofs  nicht  gründlicher  erschüttern  zu  können  als  dui'ch 
den  Vorwurf  der  LTlehre. 

Je  stolzer  Elipandus  auf  seine  Rechtgläubigkeit  war,  um  so 
schwerer  fühlte  er  sich  durch  denselben  verletzt.  Er  warf  sich  voll 
Eifer  in  den  Kampf;  ohne  Ahnung  von  den  Bedenken,  durch  welche 
seine  Lehre  betroffen  wurde,  erwartete  er  einen  leichten  und  raschen 
Sieg.  In  einem  Brief  an  den  asturischen  Abt  Eidehs  erklärte  er: 
Wer  nicht  bekennt,  dass  Jesus  Christus  seiner  Menschlieit  nach 
adoptiert  ist,  der  ist  ein  Häretiker  und  werde  ausgerottet:  Fort  mit 
dem  Übel  aus  eurem  Lande !  Er  verlangte,  dass  die  Asturier  selbst 
seinen  beiden  Gegnern  wehrten,  und  drohte,  wenn  dies  nicht  ge- 
schehe, so  werde  er  die  Sache  auf  einer  toledanischen  Synode  ent- 
scheiden. Er  rühmte  sich,  wie  er  die  migetianische  Häresie  ver- 
nichtet habe,  so  werde  er  auch  die  beatianische  ausrotten.  Denn 
besonders  durch  Beatus  fand  er  sich  gekränkt:  das  sei  nie  erhört, 
dass  ein  Mönch  aus  Libana  einen  Toledauer  unterwiesen  hal)e.^) 
Wie  in  diesem  Briefe,  so  äusserte  er  sich  auch  mündhch:  man 
wollte  ihn  haben  sagen  hören,  der  Herzog  und  Metropolit  Asturiens 
müssten  aus  dem  Lande  weichen,  da  sie  die  Lehre  von  der  Adop- 
tion nicht  duldeten.'^) 

Wenn  Elipandus  in  Fidehs  einen  Gesinnmigsgenossen  gesehen 
hatte,  so  täuschte  er  sich.    Fidelis  teilte  sein  Schreiben  den  beiden 


1)  Het.  et  Beat.  ep.  I,  13  S.  901:  Et  episcopus  metropolitanus  et  prin- 
ceps  terrae  —  pari  certamine  haereticorum  schismata,  unus  verbi  gladio 
alter  virga  regiminis  ulciscens  —  de  terra  vestra  funditus  auferantur.  Der 
Satz  ist  Elipandus  in  den  Mund  gelegt;  die  Worte  pari  —  ulciscens  müssen 
jedoch  als  parenthetische  Bemerkung  der  Verfasser  verstanden  werden. 

2)  Ann.  Lauriss.  z.  J.  798;    Einh.  z.  J.  797   und  798;  V.  Karol.  c.  16; 

Poet.  Sax.  III,  419. 

3)  V.  Beat.  4  S.  892,  nach   einer  abweichenden  Rezension  der  ep.  ad 

Fidel. 

4)  Het.  et  Beat.  ep.  I,  47  S.  921;  II,  8  S.  982. 

5)  Ep.  ad  Fidel,  von  Beatus  und  Heterius  in  ihre  Schrift  aufgenommen 
I  c.  43  f.  S.  918  f.;  ein  Auszug,  der  eine  etwas  abweichende  Rezension  voraus- 
setzt, V.  Beat.  4  S.  892. 

6)  Het.  et  Beat.  ep.  I,  13  S.  901;   s.  o.  Anni.  1. 

19* 


—     292     — 

Angogriffeucii  mit.')  uiul  diese  antworteten  sofort  in  einer  gemein- 
sam verfassten  Al)luin(llnng. 

Sie  ist  unendlich  breit,  aber  sehr  wenig  belehrend.  Die  Ver- 
fasser fühlten  sich  berechtigt,  von  allem  zu  reden,  was  sie  wussten, 
aber  nicht  verptiichtct.  von  dem  zu  handeln,  was  zur  Sache  geholte. 
Sie  vertraten  mit  Eini)hase  Sätze,  welche  Elipandus  nicht  leugnete, 
und  warfen  ihm  voll  Abscheu  Irrlehren  vor,  von  Avelchen  er  voll- 
ständig frei  war.-)  Doch  tntt  in  dem  wirren  Durcheinander  ihrer 
Streitschrift  die  Thatsache  klar  hervor,  dass  man  über  das  Recht 
jener  Formel  verschieden  urteilte,  "weil  die  religiöse  Stimmung  auf 
beiden  Seiten  verschieden  war.  Füi'  Eli})andus  hatte  der  Satz  von 
der  Adoption  des  Menschensohnes  Wert,  da  er  von  der  Anschau- 
ung ausging,  dass  Christus  wurde,  was  wir  sind,  damit  wir  würden, 
was  er  ist:  Er  Mensch  und  wir  Menschen;  er  Gott  und  wir  (lötter; 
er  Sohn  und  wir  Söhne;  er  Ohiistus  und  wir  Ohristi;  er  Knecht 
und  wir  Knechte;  er  Kind  und  wir  Kinder.  Dies  Wort  ist  für 
seine  Ansicht  charakteristisch.'^)  Dagegen  verwarfen  Beatus  und 
Heterius  die  Zusammenstellung  Christi  und  der  Gläubigen:  Kein 
Mensch  ist  ihm,  insofern  er  Mensch  ist,  ähnhch.'')  Das  war  ihr 
Satz.  Sie  sahen  in  den  Behauptungen  des  Elipandus  einen  Angiift" 
auf  die  Gottheit  Christi:''')  an  ihr  hatten  sie  das  Unterpfand  der 
einstigen  Verklärung  der  Kirche;")  sie  hielten  um  so  mehr  an  ihr 
fest,  als  der  AVidcn'sprnch  der  Muhammedaner  und  .luden  sich 
gerade  auf  die  Anbetung  Christi  richtete.') 

So  siegessicher  Heterius  und  Beatus  sprachen,  so  bauten  sie 
doch  nicht  auf  den  Eindruck  ihrer  Schrift  allein.  Sie  suchten  aus- 
wärtige Bundesgenossen.     Vor    allem    wandten    sie    sich    an  Papst 


1)  L.  c.  I,  1  S.  895.  Hier  erfährt  man  zugleich,  dass  der  Brief  des 
Elipandus  im  Oktober  785  geschrieben  ist  „clam  sub  sigillo'.  Am  26.  No- 
vember lasen  ihn  die  beiden,  und  noch  im  gleichen  .Tahre,  d.  h.  vor  dem 
März  786,  dem  .Jahresanfang  in  Sjianien,  wnrdon  sie  mit  ihrer  Streit- 
schrift fertig. 

2)  Nestorianismus  haben  sie  Elipandus  nicht  vorgeworfen,  obgleich  sie 
Nestorius  einmal  erwähnen   (II,  94  S.  1025). 

3)  L.  c.  1,  .59  S.  929;  vgl.  112  S.  963:  Christus  adoptivns  et  nos 
adoptivi. 

4)  L.  c.  1,  57  S.  928;  vgl.  112  S.  963;   118  S.  968. 

5)  L.  c.  I,  119  S.  969;  II,  6  S.  981. 

6)  L.  c.  II,  40  S.  1001:  Dominus  ac  redemptor  noster  cum  sancta 
ecclesia,  quam  rcdemit  sorundum  carnem,  una  substaiitia  est.  illius  capitis 
corpus  ecclesia  est  et  buius  corporis  caput  est  Christus.  De  <\nn  suo  capile 
exnltat  corpus  i.  e.  sancta  ecdpsia, 

7)  L.  c.  I,  83  S.  944;  II,  42  S.  1003. 


—     293     — 

Hatkian.  Ei''  naliin  die  Anklage  gegen  Elipandus  an  und  ver- 
dammte seine  Lehre  als  Nestorianismus. ^)  Damit  war  das  Schlag- 
wort ausgegeben,  das  von  nun  an  gegen  die  Spanier  verwandt 
wurde.  Sodann  aber  rief  Beatus  auch  die  fränkischen  Bischöfe 
zum  Streite  wider  che  neue  Häresie  auf.-)  Den  Anlass  dazu  bot 
der  Umstand,  dass  der  bedeutendste  Gesinnungsgenosse  des  Eli- 
pandus, Bischof  Fehx  von  ürgel,  seinen  Sitz  auf  fränkischem  Ge- 
biete hatte. 

FeUx^)  stand  allgemein  iii  hohem  Ansehen.  Er  war  ein 
Apologet  des  Chi-istentums  gegen  den  Islam;*)  an  seiner  Persön- 
lichkeit haftete  kein  Makel.  Franken  und  Spanier  schätzen  ihn 
gleich  hoch.  Alkuin  richtete,  bald  nachdem  er  sich  im  fränkischen 
Eeiclie  niedergelassen  hatte,  eine  Zuschrift  an  ihn,  um  ihn  um  seine 
Fürbitte  zu  ersuchen:  er  sei  ihm  zwar  unbekannt  von  Person,  aber 
bekannt  durch  den  Ruf  seiner  Frömmigkeit.^)  Auch  der  stolze 
Ehpandus  freute  sich  an  den  Briefen  „seines  Herrn  Felix",  als 
„wären  sie  ihm  vom  Himmel  zugefallen- ■.")  Das  ist  begreiflich; 
denn  Felix  war  an  geistiger  Bedeutung  den  besten  unter  seinen 
gelelu-ten  Zeitgenossen  ebenbürtig.    Er  war  dialektisch  wohlgeschult; 


1)  Cod.  Carol.  95  S.  637.  Den  Urheber  des  lugubre  capitulum,  das 
Hadrian  aus  Spanien  erhielt,  nennt  er  nicht;  das  Nächstliegende  ist,  an 
Heterius  und  Beatus  zu  denken,  zumal  da  auch  Hadrian  den  Verdacht  hegt, 
die  Ansicht  der  Spanier  sei  gegen  den  Glauben  an  die  wahre  Gottheit 
Christi  gerichtet.  Dass  die  Denunziation  gegen  Elipandus  von  anderer 
Seite  ausging  als  die  gegen  Migetius,  ist  nach  der  Art,  wie  er  spricht,  nicht 
zu  bezweifeln.  Von  S.  640  an  bezieht  sich  Hadrian  auf  Mitteilungen  Egilas; 
vgl.  ep.  96  S.  644  ff. 

2)  Elip.  ep.  3,  2  S.  868.  Wenn  Heterius  und  Beatus  ep.  1,  13  S.  901 
ausrufen:  Jam  rumor  est,  jam  fama  est,  et  non  solum  per  Asturiam,  sed 
per  totam  Hispaniam  et  usque  ad  Franciam  divulgatum  est,  quod  duae 
quaestiones  in  Asturiensi  ecclesia  ortae  sunt,  so  stimmt  das  damit  überem. 

3)  Felix  war  wahrscheinlich  ein  Altersgenosse  des  Elipandus;  Paulin 
bezeichnet  ihn  als  Greis  (ctr.  Felic.  I,  15  S  366).  Wenn  die  Biographie  des 
Beatus  I  S.  891  ihn  als  Lehrer  des  Elipandus  bezeichnet,  so  ist  diese  Nach- 
richt, wie  man  sieht,  nicht  ganz  unmöglich,  wahrscheinlich  jedoch  beruht 
sie  nur  auf  einem  ungeschickten  Schluss  aus  der  S.  287  Anm.  7  erwähnten 
Notiz  der  ann.  Einh.  Nach  der  letzteren  war  Felix  ein  Spanier.  Mabillon 
war  sehr  indigniert,  dass  die  V.  Beat,  diesen  Ketzer  zu  einem  Gallier  machte. 

4)  Er  verfasste  eine  disputatio   cum  Saraceno;   s.  Ale.  ep.  172  S.  284. 

5)  Ep.  5  S.  30;  vgl.  ep.  166  S.  269.  Jaffe  hatte  ep.  5  in  das  Jahr  785 
verlegt.  Aber  die  von  ihm  auf  Karl  bezogene  Stelle  bezieht  sich  vielmehr 
auf  Christus;  demgemäss  datiert  Dümmler  c.  789.  Über  Felix  vgl.  Agob. 
adv.  Fei.  2  S.  3  ed.  Baluz.  ^ 

6)  Ale.  ep.  183,  2  S.  307. 


—     294     — 

Alktiiii  spielte  nicht  ijcnule  eine  gläii/.cmlc  Rolle,  ^velln  er  versiu-lite, 
ihn  mit  logisclioii  Grihulcn  ans  dtMii  Felde  zu  schlugen.')  8oinc 
theologische  Belesenheit  war  umfassender  als  die  des  Elii)andus. 
Vor  allem  aber  war  der  persönlich  wenig  mutige  Gelehrte  kühn 
auf  dem  Gebiete  der  Gedanken.  Er  ei-schrak  nicht  vor  Sätzen, 
welche  seinen  (^egnern  gefährlich,  ja  frivol  erschienen,  wenn  sie  nur 
irgend  eine  A\'ahrheit  scharf  aussprachen.  Den  Gedanken,  dass 
alle  Geschöpfe  Gott  unterworfen  sind,  spitzte  er  dahin  zu.  dass  der 
8atan  kraft  der  Schöpfung  ein  Diener  Gottes  sei.  Alkuin  war 
entrüstet  über  eine  solche  Blasphemie.")  Vor  unzutreflendi-n  Formeln 
liatte  er  keine  Achtung:  sein  Grundsatz  wai',  man  müsse  das  glauben 
und  sagen,  was  wirklich  ist.'')  Dabei  lebte  er  noch  unmittelbar  in 
dem  Kreis  der  altkirchlichen  Anschauungen  und  A\)rstellungen :  in 
gewissem  Sinne  ist  er  der  letzte  altkirchliche  Theologe. 

Wenn  man  seine  Lehre  verstehen  wül,  so  darf  man  nicht  von 
den  adoptianischen  Formeln  ausgehen :  sie  waren  tur  ihn  nur  Folge- 
sätze. Der  Mittelpunkt  seiner  Überzeugungen  lag  in  dem  Gedanken: 
Christus  ist  der  Erlöser,  weil  er  der  zweite  Adam  ist.^)  Ihm  ver- 
danken die  Gläubigen  die  Neugeburt,  wie  sie  durch  die  erste  Geburt 
von  Adam  abstannnen.  Als  der  neue  Mensch  aber  nuisste  der 
Erlöser  durch  alles  Menschliche  hindurchgehen.  ])emgemäss  Ichi'tc 
Felix,  er  sei  von  Ewigkeit  her  erwählt.'')  als  Knecht  geboren,*')  in 


1)  Vgl.  actv.  Folie.  II,  12  S.  155. 

2)  Adv.  Felic.  VT,  4  S.  203;  \al.  VI.  7  S.  208. 

3)  L.  c.  III,  13  S.  109:  Christus  non  vult  do  so  credere  vel  praedicare, 
quam  id  quod  est. 

4)  L.  c.  II,  16  S.  157:  Sicut  in  prima  gonerationc,  ox  qua  sooundum 
carnem  nascimur,  nullus  homo  esse  potest,  (|ui  aliundo  origiiiem  trahit  nisi 
de  primo  11  lo  Adam.  <|ui  ex  terra  virgine  crcatus  est;  ita  in  hac  secunda 
generatione  spiritali,  in  qua  renascimur  ox  aqua  et  spiritu  sancto,  nemo 
gratiam  adoptionis  con.'^oqui  valet  praetor  illum.  qui  oam  in  Christo  ex 
carne  virgini.s  crcato  et  nato,  qui  est  secundus  Adam,  accepit.  Has  geminas 
generationes,  )irimam  videlicet,  quae  secundum  camera  est,  secundani  vero, 
quae  per  adoptionom  fit,  idem  redemptor  noster  secundum  hominem  com- 
plexus  in  scnietipso  continet.  Dass  dor  verderbte  Text  in  dieser  Weise 
wiederherzustellen  i.'^t,  unterliegt  keinem  /woif'ol.  Die  Stelle  zeigt  zugleich, 
dass  Bach  irrt,  wenn  er  (DG.  1  8.  110  lt.)  («eine  Dar.stollung  dor  adop- 
tianischen Lehre  in  den  Satz  auslaufen  läs.st:  Dem  Adojitianismus  ist  der 
Mensch  Christus  ein  gewöhnlicher  Mensch  wie  jedes  andere  Individium 
des  Geschlechts  und  keineswegs  ein  zweiter  Adam  (S.  113). 

5)  L.  c.  II,  13  S.  156. 

6)  L.  c.  IV,  8  S.  182  unter  Derul'ung  auf  .los.  4'.),  5:  c.  10  S.  184; 
c.  12  S.  186.  Vgl.  III,  1  S.  164;  VI,  1-4  S.  199  ft".;  Paul  c.  Fei.  I,  9 
S.  361. 


—     205     — 

der  Taufe  atk)ptiert.  dadurch  aus  dem  Tudc  erweckt,  ja  vergottet;^) 
aber  die  Yergottung  habe  nicht  bewirkt,  dass  er  aufhörte  Mensch 
zu  sein;  alles  Menschliche  sei  ihm  geblieben,  deshalb  habe  er  für 
sich  gebetet,  habe  er  vor  dem  Tode  gezagt,  im  Tode  sich  selbst 
an  Gott  dahingegeben,  ja  bleibe  er  in  Ewigkeit  Gott  unterworfen.-) 
Es  ist  klar,  dass  die  adoptianische  Behauptung  nur  ein  Glied  in 
dieser  Kette  ist.  Sie  hatte  nicht  entfernt  den  Zweck,  die  Gottheit 
Christi  zu  leugnen:  hier  war  Felix  so  unbezweifelt  orthodox  als 
irgend  ein  anderer  Zeitgenosse.  Auch  die  Einheit  der  Person  des 
Erlösers  AvoUte  er  so  wenig  auflösen  als  seine  Gegner:'^)  seine  Sätze 
waren  religiös  motiviert:  Christus  musste  durch  alles  Menschliche 
hindurchgehen,  weil  alles,  was  er  that  und  was  ihm  widerfuhr,  un- 
mittell)ar  auf  die  Christen  übertragen  wird:  seine  Erwählung,  Adop- 
tion, Vergottung  ist  die  ihre.*) 

Das  Avaren  altkirchliche  Ideen,  welche  für  Felix  noch  reli- 
giösen Gehalt  hatten,  wäihrend  sie  seinen  fränkischen  Gegnern  zu 
Schulsätzen  geworden  waren. 

Beatus  hatte  die  fränkischen  Bischöfe  auf  Felix'  Irrlehre  auf- 
merksam gemacht,  aber  im  fränkischen  Reiche  konnten  die  Bischöfe 
kirchhche  Fragen  nicht  erledigen  ohne  den  König.  Karl  hielt  die 
Angelegenheit  für  wichtig  genug,  um  sie  in  aller  Form  durch  eine 
Synode  entscheiden  zu  lassen.  Er  versammelte  im  Jahr  792  die 
bei  der  Reichsversanmiluug  in  Regensburg  anwesenden  Bischöfe  zu 
einem  Konzil,  vor  welches  Felix  gestellt  wurde.'')  Dieser  hatte 
nicht  den  Mut  eines  Bekenners:   er  liess  sich  bewegen,   einem  von 


1)  Ale.  adv.  Felic.  II,  16  S.  157  f.;  IV,  2  S.  173;  Ale.  ep.  166  S.  269; 
Paul.  c.  Fei.  I,  44  S.  398.  Der  Satz  von  Bach  (DG.  I  S.  105),  dass  die 
Spanier  die  Menschennatur  oft  unter  die  Kategorie  der  Sündhaftigkeit 
gesetzt  hätten,  ist  wieder  irrig.  Eine  solche  Annahme  haben  Elipandus 
und  Felix  ausdrücklich  ausgeschlossen:  der  Erstere  nennt  ep.  3,  2  S.  868 
Christus  perfectum  hominem  praeter  delicti  eontagium ;  der  Letztere  sagt 
(Ale.  adv.  Felic.  V,  10  S.  198) :  Ipse  qui  essentialiter  cum  patre  et  spiritu 
s.  solus  est  bonus,  est  (?  ut)  Deus,  ipse  in  hominem  licet  sit  bonus  non 
tarnen  naturaliter  a  semetipso  fit  bonus.  Auch  Alkuin  hat  diesen  Vorwurf 
Felix  nicht  gemacht,  ep.  166  S.  270:  Dicit,  quod  sit  per  omnia  aequalis 
nobis,  nisi  tantummodo  quod  sine  peccato  natus  est. 

2)  Ale.  adv.  Felic.  VII,  15  S.  228;  Paul.  c.  Fei.  IH,  4  S.  436;  c.  15  S.  448. 

3)  Vgl.  z.  B.  Ale.  adv.  Felic.  V,  1  ff.  S.  189  ff.;  111,  16  S.  171;  Paul, 
c.  Fei.  I,  9  S.  360. 

4)  Ale.  adv.  Felix.  II,  11  S.  154;  c.  14  S.  156;  c.  16  S.  157;  IV,  2 
S.  173;  V,  7  S.  194.  Agob.  adv.  dogm.  Felic.  37  S.  47:  Quae  capitis  sunt 
i.  e.  Christi,  referuntur  ad  corpus  i.  e.  eeelesiam,  et  ea  quae  corporis  sunt, 
adscribuntur  capiti. 

5)  Ale.  adv.  Elip.  I,  16  S.  351  f.;  Ann.  Lauriss.,  Einh.  z.  J.  792  S.  90  f. 


—      296     — 

der  Synode  aufg(>sti'llti'ii  Bekeimtiiis,  diis  den  AdoptianiMUius  ver- 
daninite.  l)eizustinmn'ii,  und  fi;(^lobte,  nnwandelbar  lu'i  deniselhen  zn 
beharren.')  Naclideni  die  fränkische  Kirche  gesprochen  hatte,  sollte 
der  röniisclie  Bischof  ihrem  Urteil  beitreten:  Karl  sandte  Felix  in 
der  Begleitung  Angilberts  nach  Rom:  dort  Aviederholte  er  vor 
Hadrian  deh  in  Kegensburg  geleisteten  Eid  in  der  feierlichen  AVeise, 
die  man  in  Kom  liebte.") 

So  >var  der  Ado})tianismus  verworfen.  AVar  das  die  Antwort 
Karls  auf  die  Abweisung  seines  SendUngs  Egila? 

Die  Regensburger  Entscheidung  beruhigte  den  Sti'eit  nicht. 
Felix  kehrte  nach  Urgel  zurück:'')  man  traute  ihm  nicht;  deiui  er 
bheb  seines  Amtes  entsetzt/)  und  er  rechtfertigte  das  Misstrauen; 
denn  nach  kurzer  Zeit  tloh  er  auf  sarazenisches  Gebiet.  Von  hier 
aus  suchte  er  in  einem  Briefe  seinen  Schritt  zu  rechtfertigen.'') 

Die  Spanier  bewiesen  bald,  dass  sie  nicht  gesonnen  waren, 
sich  dem  fräid<ischen  Urteil  zu  fügen.")  Als  P^rwiderung  des  Rcgens- 
l)urger  Bescldusses  richtete  der  s])anisclie  Episkopat  an  den  frän- 
kischen ein  Schreiben.  Es  wahrte  die  Form  des  brüderlichen  Ver- 
kehrs: aber  in  der  Sache  gaben  die  Spanier  nichts  nach:  sie  be- 
standen auf  dem  Rechte  der  in  ihrer  heimischen  Kirche  üblichen 
Formel,  da  dieselbe  von  allen  Kirchenlehrern  von  Hilarius  bis 
Isidor  und  Ildefons  gebraucht  werde.  Sie  zu  verwerfen  sei  unver- 
ständig, da  man  kein  Bedenken  trage,  Christum  einen  Knecht  zu 
nennen,  und  sei  gottlos,  da  man  damit  die  wahre  Menschheit  Jesu 
leugne. ') 


1)  Paul.  c.  Fei.  I,  5;  Leo  111.  auf  der  römischen  Synode  von  798. 
Mansi  XIII,   1031. 

2)  Die   Sendung  Angilberts   erwähnen    auch  Ann.  Fuld.  z.  d.  J.  S.  12. 

3)  Einh.  ann.  z.  J.  792:  Quo  facto  (nach  Leistung  des  Widerrufs)  ad 
civitatem  suam  revorsus  est.  Durch  diese  Notiz  wird  die  Annahme  <4rösslers 
widerlegt,  Felix  sei  von  Koni  zu  den  Sarazenen  gcHohon  (S.   11). 

4)  P^lip.  ep.  3,  3  S.  868  f.:  Poscimus,  ut  famulura  tuuui  Felicem  in 
proprio  honore  restaurea  et  pastorem  gregi  a  lupis  rapacibus  diaperso 
reformes. 

5)  Conc.  Rom.  a.  798  (Mansi  XIII,  1031).  Der  Brief  des  Felix  ist 
erwähnt  bei  Ale.  adv.  Felic.  II,  HS.  154.  Da  der  Brief  durch  Alkuius 
Schrift  adv.  haer.  Felic.  beantwortet  wurde,  so  kann  er  erst  nach  der  Flucht 
geschrieben  sein. 

6)  Es  scheint  sicher,  dass  die  adoptianischo  Ansicht  in  Spanien  die 
vorherrschondc  war,  obgleich  einzelne  <iegnor  der-sselben  bekannt  sind  (Alvar. 
ep.  4,  27  f.  Migne  121  S.  443).  Von  iiropagandisti.schcr  Thätigkeit  der 
Adoptianer  erzählt  Jonas  de  cult.  imag.  I  (Migne  106  S.  307  ft".). 

7)  Migne  101  S.  1321  ff.;  besonders  in  Betracht  kommen  c.  3 — 8  mit 
den  zum  grossen  Teil  unechten  Zitaten;  c.  13,  1.'»,  18. 


—     297     — 

Zugleich-  wandten,  sie  sich  an  den  König  :^)  sie  appellierten 
lür  Felix  von  dem  Urteil  der  Bischöfe  an  sein  Gericht.  Mit  pathe- 
tischen AVorteu  erkannten  sie  dabei  die  Stellung  Karls  in  der 
christhchen  AVeit  an;  aber  voii  jenem  bereitwiUigen  Gehorsam,  den 
man  ihm  überall  entgegenbrachte,  ist  in  ihrem  Schreiben  nichts  zu 
finden:  sie  trugen  kein  Bedenken,  den  König  zu  warnen,  er  möge 
nicht  wie  einst  Konstantin  vom  echten  Glauben  zur  Häresie  abfallen; 
sie  sprachen  den  Argwohn  aus,  dass  dies  schon  geschehen  sei;  sie 
forderten,  dass  sich  Karl  auch  von  einem  Geringereu  unterweisen 
lasse,  "vvie  Petras  von  Paulus. 

Das  Schreiben  ist  äusserst  ungeschickt;  Elipandus,  der  es  ohne 
Zweifel  verfasst  hat,-)  fand,  weder  Avenn  er  entgegenkommend, 
noch  wenn  er  imponierend  sein  AvoUte,  die  rechten  Worte;  aber 
eines  musste  sein  Schreiben  klar  beweisen:  dass  er  und  seine  Ge- 
sinnungsgenossen in  dem  fränkischen  König  nicht  den  Leiter  der 
Kirche  erkannten. 

Um  so  mehr  Ursache  hatte  Karl,  die  Sache  nicht  auf  sich 
beruhen  zu  lassen.  Er  legte  sie  der  Frankfurter  Synode  vom  Jahre 
794  vor.  Sie  sollte  eine  Repräsentation  der  Gesamtkirche  sein; 
deshalb  versammelten  sich  nicht  nur  auf  Geheiss  des  Königs"^)  die 
Bischöfe  des  fränkischen  Eeichs,  sondern  er  bewog  auch  Hadrian  I., 
die  Bischöfe  Theophylakt  und  Stephan  als  seine  Vertreter  nach 
Frankfin't  zu  senden;"')  nicht  minder  war  die  enghsche  Kirche  durch 
einige  Abgesandte  vertreteu.'')  Der  König  selbst  wohnte  der  Synode 
nicht  allein  als  Zeuge  bei:  er  führte  den  Vorsitz,**)  er  traf  Anord- 
nungen über  den  Geschäftsgang,  er  erörterte,  vor  dem  Throne 
stehend,  in  ausführlicher  Rede  die  Streitfrage ; ')  sein  Wort  war  ent- 
scheidend für  den  Beschluss.*^)  Wie  kein  zweites  Mal  erschien  er 
als  der  Regent  der  Gesamtkirche. 

Selbstverständlich  herrschte  über  die  dogmatische  Frage  volle 
Einigkeit.    Sie  wurde  konstatiert  durch  die  Denkschriften  der  frän- 


1)  Elip.  ep.  3  S.  867  ff. 

2)  S.  Grössler  S.  46. 

3)  Cap.  28,  1  S.  73:  Eegis  iussione.  Das  übersetzt  Schwane  (DG. 
S.  238):  Auf  die  Einladung  des  Kaisers.  Papst  Leo  III.  war  noch  nicht  so 
bedenklich;  er  wiederholt  auf  der  Synode  von  798  die  Worte  des  Kapitulars 
(Mansi  XIII,  1031).  Paulinus  vollends  lässt  die  Bischöfe  imperii  eius  decreto 
und  sacris  obtemperando  praeceptis  zusammenkommen  (S.  873). 

4)  Ann.  Lauriss.,  Einh.,  Chr.  Moiss.  z.  J.  794. 

5)  Carol.  ep.  ad  Elip.  (Mansi  XIII,  901  C). 

6)  Synodica  ep.  Germ.  (Mansi  XIII,  884):  Praeeipiente  et  praesidente. 

7)  Lib.  sacrosyll.  (Mansi  XIII  S.  873  und  874). 

8)  Caroli  ep.  ad.  Elip.  S.  903:  Auditor  et  arbiter  assedi. 


—     208     — 

kisclicii  1111(1  it;ilieiiis('li(Mi  J^isdüife,  diircli  das  päpstliclio,  an  dir 
Spanier  gerichtete  Schreiben  nnd  duirli  Ivarls  eigene  Erklilrnng, 
in  -welcher  er  den  Spaniern  die  Verwerl'ung  des  Ad()])tianisinus  er- 
ütVnete.  Er  tliat  es  als  Scluitzvogt  der  heiligen  Kirche  Gottes,  der 
dt'ii  rechten  Ulauhen  überall  zu  bewahren  und  zu  bekennen  hat.') 
In  Wort  und  That  hielt  er  an  der  Stellung  innerhalb  der  Kirche 
fest,  -welche  die  Spanier  nicht  anerkannten. 

Hiichst  charakteristisch  sind  diese  vier  Aktenstücke.  Am  ent- 
schiedensten stellten  sich  die  Deutschen  auf  den  traditionalistischcn 
Standpunkt.  Das  für  sie  Anstössige  war,  dass  die  Spanier  sich 
nicht  an  den  Aussprüchen  der  Väter  genügen  Hessen:  Sind  wir 
klüger,  den  Weg  der  Wahrhoit  zu  finden,  als  die  apostolischen 
Ix^hrer?  Sie  verstanden  nicht,  wie  man  wagen  könne,  Jk'hau])tiin- 
gen  über  die  Geburt  des  Sohnes  Gottes  aufzustellen,  sage  doch 
die  Schrift:  Forsche  nicht  nach  dem,  was  dir  zu  hoch  ist,  und: 
AVer  vermag  von  seiner  Geburt  zu  reden?-)  Mit  dieser  Scheu  vor 
eigenen  Behauptungen,  dieser  resignierten  Skepsis  gegen  die  theo- 
logische Erkenntnis  kontrastiert  seltsam  die  Sicherheit,  mit  Avelcher 
die  von  den  Spaniern  vorgebrachten  Beweisstellen  kritisiert  wurden : 
man  kannte  die  iUtere  Litteratur  hinreichend,  um  die  Fälschungen 
und  MissveiNtändnisse,  Avelche  hier  mit  unterhefen,  sofort  zu  er- 
kennen.'') Überraschend  tritt  am  Schluss  die  Verschiedenheit  der 
religiösen  Stimmung  an  den  Tag:  die  Deutschen  waren  in  der  Lehre 
von  den  zwei  Naturen  Christi  gründlich  unterwiesen;  aber  für  ihre 
i-eligiöse  Anschauung  war  CHiristus  eigentlich  nichts  anderes  als 
Gott:  sie  nannten  ihn  geradezu  den  Gott  der  Christen.'*)  AVie 
hätten  sie  eine  Ansicht  verstehen  können,  die  in  ihm  zunächst  den 
Menschen  bedurfte? 

Das  italienische,  von  dem  Patriarchen  Paulin  von  Aciuileja 
vertässte  Gutachten  hielt  sich  nicht  gleich  vorsichtig  von  theolo- 
gischen Erörterungen  ferne.  Im  Gegenteil  wagte  J^aulin  eine  AV'ider- 
legung  des  Adoptianismus  aus  der  Heiligen  Schritt.'')  Gleich- 
wohl blieb  auch  er  ganz  inncrli.ilb  der  Schranken  der  orthodoxen 
Lehre.") 


1)  L.  c.  S.  899:  Defensor  s.  Dei  ecclesiae;  ib.:  Fiilem  oithodoxain  .  . 
nos  pro  virium  noHtiarum  portiono  ubiquo  in  oninibus  servare  ot  praedicaio 
profitemur. 

2)  Mansi  XIII  S.  884;  vgl.  895  f. 

3)  Auffällig  ist  das  wegwerfende  Urteil  älter  die  mozarabische  Liturgie 
S.  886. 

4)  S.  898  f. 

5)  S.  87.5  ff. 

6)  Bemerkenswert  ist  am  Schlüsse  (S.  882)   die  Wahrung  der  Rechte 


—     299     — 

Im  Untet-schiede  ^^on  diesen  beiden  Denkschriften  ist  das  päpst- 
liche Schreil)en  ein  urteil;  aber  der  Richter  spricht  im  Tone  leiden- 
schaftlicher Feindseligkeit.  Schon  die  Form  der  Zuschrift  war 
kränkend,^)  nicht  minder  die  Weise,  wie  die  ..blinden,  verworfenen, 
hartnäckigen  und  verwoiTenen"  Adoptianer  auf  den  Weg  der  Wahr- 
heit zurückgeführt  werden  sollten.-)  Schliesslich  wird  für  den  Fall, 
dass  sie  sich  nicht  bekehren,  „dass  sie  der  böse  Geist  mit  so  starken 
Fessehi  des  Missglaubens  gebunden  habe,  dass  sie  nicht  aufgelöst 
werden  können",  der  ewige  Fluch  über  sie  verhängt  kraft  der 
Autorität  des  apostolischen  Stuhls  des  sehgen  Apostelfürsten  Petrus, 
auf  Grund  der  ihm  verliehenen  Schlüsselgewalt.^) 

Wie  sachlich  und  ruhig  ist  dagegen  das  Schreiben  des  Königs: 
er  unterHess,  verletzende  Vorwüiie  auszuspreclien,  und  suchte  soweit 
als  möghch  auch  den  Gegnern  gerecht  zu  werden.  Deshalb  erkannte 
er  die  Forderung  einer  neuen  Untersuchung  als  berechtigt  an.^) 
Auch  persönlich  wollte  er  nicht  als  erbittert  erscheinen;  er  ver- 
säumte nicht,  seinen  Dank  dafür  zu  äussern,  dass  man  in  Spanien 
ftir  ihn  bete.''^)  Jedoch  die  Streitfi-age  galt  ihm  als  entschieden: 
die  adoptianischen  Formeln  sind  verwerflich;  denn  sie  widersprechen 
der  überheferten  Wahrheit.  Auf  Grund  dessen  forderte  Karl  von 
den  Spaniern,  sie  zu  lassen  und  sich  mit  der  Gesamtkirche  wieder 
zu  vereinigen.  Er  erklärte  schliesslich,  dass  er  sonst  genötigt  sei, 
sie  als  Häretiker  zu  betrachten,  die  Gemeinschaft  abzubrechen  und 
den  Gedanken  aufzugeben,  sie  von  dem  Joche  der  Ungläubigen  zu 
befreien.*^) 

Aber  die  Adoptianer  beugten  sich  nicht.  In  den  Briefen  Al- 
kuins  aus  den  nächsten  Jahren  ist  da  und  dort  die  Angelegenheit 
berührt.  Man  sieht,  wie  schmerzlich  sie  ihm  war,  zugleich  aber, 
dass  sie  nicht  von  der  Stelle  rückte.') 


Hadrians.  Dass  sie  im  Wortlaut  mit  dem  Briefe  Hadrians  zusammentrifft, 
ist  ein  Beweis  dafür,  dass  das  päpstliche  Schreiben  vor  der  Synode  verfasst 
ist  (vgl.  Grössler  S.  47). 

1  Er  fü?t  dem  Grusse  die  Worte  hinzu:  Si  tamen  licet  de  omnibus 
„fratribus  et  consacerdotibus"  dici  (S.  865). 

2)  S.  869  ff.  Unbedachterweise  wird  auch  die  Bezeichnung  Knecht 
Gottes  für  Christus  verworfen.  Alkuin  wusste  sich  hierüber  viel  vorsichtiger 
zu  äussern  (adv.  Felic.  III,  9  S.  168). 

3)  S.  872  f. 

4)  S.  900. 

5)  S.  902  0. 

6)  S.  903  f. 

7)  Ep.  113  S.  164  (a.  796);  137  S.  211  (c.  a.  798);  146  S.  236  (a.  798) 
168  S.  276  (a.  799). 


—     300     — 

Alkiiin  li.itto  vorläiigst  seiüc  Meinung  über  die  Streitfrage  aus- 
gesproclien.  Kurz  nacli  seiner  Rückkehr  aus  England  hatte  er  ein 
langes  Schreiben  an  Felix  gerichtet.  Jede  Zeile  zeigt  den  gebil- 
deten Mann,  den  liebenswürdigen  Geist,  den  gelehrten  Kenner  der 
altkirciiluhen  Litteiatur:  er  schrieb  nicht,  um  zu  streiten,  sondern 
um  freundschal'thch  und  gründlich  zu  belehren;  mit  peinlicher  Sorg- 
falt vermied  er  jedes  verletzende  Wort.')  Nach  der  Fiankfurter 
S}iiode  verötientlichte  er  eine  grössere  Schrift  gegen  ihn,  sein  Buch 
gegen  die  Häresie  des  Felix.-)     So  trat  die  neue   gelehrte  Theo- 


1)  Ep.  23  S.  60  ff.  Für  die  Datierung  ist  adv.  Elip.  I,  16  S.  251  aus- 
schlaggebend; die  Stelle  verwehrt,  weit  über  das  .Tahr  793  herabzugehon  ; 
es  scheint  mir  deshalb  unmöglich,  den  Brief  mit  Grössler  über  die  Frank- 
furter Synode  herabzudrücken;  so  auch  Dümmler. 

2)  Opp.  II  S.  87  ff.  In  Bezug  auf  die  Abfassungszeit  der  beiden 
Schriften  Alkuins  gegen  Felix,  des  lib.  adv.  haeres.  Felicis  und  der  libr.  VII. 
adv.  Felic. ,  mag  bemerkt  sein ,  dass  ich  in  Bezug  auf  die  erstere  Schrift 
trotz  der  Wiederholung  des  .Taffe'schen  Ansatzes  (799)  durch  Dümmler,  z. 
ep.  171  S.  282,  8,  glaube  an  meinem  abweichenden  Ansatz  festhalten  zu 
müssen.  Der  sichere  Beweis  liegt  in  ep.  160  S.  259,  einem  Schreiben,  das 
mir  in  der  1.  Auflage  dieses  Buchs  entgangen  war.  Dieser  Brief  ist  mit 
voller  Sicherheit  zu  datieren:  mit  Recht  weist  ihn  Dümmler  dem  Jahre  798 
zu;  der  Vergleich  mit  ep.  148  S.  241  zeigt  aber,  dass  man  ihn  noch  be- 
stimmter in  den  Sommer  dieses  Jahres  zu  verlegen  hat;  vgl.  Nuper  mihi 
venit  libellus  a  Feiice  infelice  directus  S.  241,  ii  und  Nuper  ab  codem  venit 
nobis  libellus  S.  259,  17.  Nun  sendet  Alkuin  schon  mit  diesem  Brief  an 
Theodiilf  seinen  libellus  fidei  catholicae  sanctarum  scripturarum  auctori- 
tatibus  [nisujm  et  catholicorum  doctorum  testimoniis  [fultum].  Dass  hier 
der  lil)er  adv.  haeres.  Felic.  gemeint  ist,  darf  als  sicher  gelten,  s.  Dümmler 
Note  1.  Derselbe  war  also  im  Sommer  798  schon  vorhanden.  Er  ist 
spätestens  im  Winter  797—798  verfasst;  denn  ep.  145  S.  233  aus  dem  März 
798  wird  er  Karl  in  noch  nicht  abgeschlossener  Gestalt  zur  Prüfung  vor- 
gelegt, 8.  Dümmler  S.  233  Anm.  4.  Ep.  207  S.  345  widerspricht  nicht; 
denn  priore  anno  muss  nicht  heissen:  im  vergangenen  Jahr  =  799,  sondern 
kann  heissen:  im  Jahre  vorher,  d.  h.  im  Jahre  vor  der  Abfassung.  Dass  es 
hier  so  übersetzt  werden  muss,  bewei.st  ep.  160.  Karl  muss  die  Schrift  ge- 
billigt haben;  denn  sonst  würde  sich  ihre  Bekanntmachung  ep.  160  nicht 
erklären.  Ist  das  rirhtig.  so  erschoint  mir  ausgeschlossen,  dass  ep.  171 
S.  282  sich  auf  diese  Schrift  bezieht;  sie  kann  .sich  nur  auf  die  7  Bücher 
gegen  Felix  beziehen.  Alkuin  hatte  im  Frühsommer  798  eine  Schrift  des 
Felix  erhalten,  ep.  148  S.  241,  und  eofort  die  Notwendigkeit  einer  gründ- 
lichen Widerlegung  erkannt,  ibid.  Karl  ging  auf  seine  Gedanken  ein,  ep. 
149  S.  243.  Darülior  war  Alkuin  sehr  befriedigt,  meinte  aber  für  diese 
Arbeit  einige  Zeit  zu  bedürfen,  ib.  S.  244;  auch  op.  160  S.  259  ist  von 
dieser  beabsichtigten,  später  zu  publizierenden  neben  der  schon  vorher 
fertigen    die    Rede.     Der    Entwurf   dieser    Schrift    scheint    nun    im  Winter 


—     301     — 

logie  in  den  Kampf  gegen  die  letzten  Ausläufer  der  alten,  schöpfe- 
rischen ein. 

An  Wissen  zeigte  sich  Alkuin  seinem  Gegner  überlegen:  die 
von  ihm  ausgewählten  Stellen  aus  älteren  Schriftstellern  bewiesen, 
was  sie  beweisen  sollten,  dass  die  adoptianischen  Sätze  mit  dem 
kirchlichen  Dogma  sich  nicht  vertrugen.  Denn  dies  darzulegen, 
war  das  Bestreben  Alkuins:  er  verwarf  die  Behauptung  der  Adop- 
tion als  eine  Neuerung,  als  eine  Lehre,  welche  weder  im  Alten 
noch  im  Neuen  Testamente  sich  finde  und  welche  der  ganzen  Kirche 
fi'emd  sei.^)  Aber  indem  er  in  der  schweren  Waffenmstung  seiner 
Gelehrsamkeit  auf  den  Blan  trat,  verzichtete  er  zugleich  auf  die 
Aufgabe  der  Wissenschaft:  Wie  können,  so  schiieb  er  an  Felix, 
wir  geringen  Menschen  am  Ende  der  Welt,  während  die  Liebe 
^deler  erkaltet.  Besseres  erdenken,  als  dass  wir  mit  ganzer  Seele 
der  apostolischen  und  evangelischeu  Lehre  folgen,  ohne  neue  Be- 
zeichnungen zu  bilden  oder  etwas  Ungewohntes  vorzubringen,  ohne 
durch  eine  neue  Weisheit  eitlen  Ruhm  für  unseren  Namen  zu 
suchen.-)  Auch  für  die  rehgiöse  Grundlage  der  adoptianischen 
Lehre  hatte  er  kein  Auge.  Der  Gedankenzusammenhang,  aus  dem 
heraus  sie  gedacht  war,  blieb  ihm  fremd.  Für  seine  Frömmigkeit 
genügte  der  Apell  an  die  götthche  Allmacht:  Gott  vermag  im 
Himmel  aus  seinem  Wesen  ewig  einen  Sohn  zu  haben,  der  ihm  in 
allen  Stücken  gleich  ist,  und  nicht  minder  auf  Erden  aus  der  Jung- 
frau einen  eigenen  Sohn,  obwohl  derselbe  in  der  Knechtsgestalt 
kleiner  ist  als  er.^) 

Fehx    wich    dem   litterarischen  Streit   nicht  aus.     Den   Brief, 


798 — 799  fertig  geworden  zu  sein,  denn  im  Frühjahr  799  lag  er  Karl  vor, 
ep.  171  S.  282.  Der  Bezug  auf  die  grosse  Gegenschrift  gegen  Felix  ergiebt 
sich  aus  der  Beziehung  des  Satzes  Unde  et  S.  282.  6  auf  den  Satz  De 
libello  vero  S.  243,  2.S;  vgl.  auch  ep.  202  S.  335,  18.  Der  „libellus"  macht 
keine  Schwierigkeiten,  da  natürlich  nicht  das  siebenbändige  Werk  auf  ein- 
mal, sondern  der  Entwurf  zum  1.  Buch  zunächst  vorgelegt  sein  wird;  vgl. 
ep.  202  S.  335,  23.  Karl  hat  ihn  empfangen,  aber  noch  nicht  approbiert. 
Nach  ep.  172  S.  284  erfolgte  die  Durchsicht  alsbald:  sie  führte  nicht  zur 
Billigung,  sondern  zur  Zurückgabe  unter  Hinweis  auf  Mängel,  die  der  Ver- 
besserung bedürfen.  Alkuin  hat  nun  an  der  Schrift  weiter  gearbeitet. 
Ep.  202  S.  335  ergiebt,  dass  sie  vor  dem  Aachener  Gespräch  vollendet  war; 
doch  fehlte  noch  die  Billigung  durch  Karl.  Um  sie  zu  erlangen,  legte  Al- 
kuin die  7  Bücher  durch  Candidus  dem  Kaiser  vor  (ep.  203  S.  336;  204 
S.  338;  205  S.  340).  Die  Nachricht  über  die  erlangte  Bestätigung  fehlt 
auch  hier.     Sie  findet  sich  dagegen  adv.  Elip.  I,  16  S.  252. 

1)  Ep.  23  S.  62. 

2)  L.  c.  S.  61. 

3)  Adv.  haer.  Felic.  36  S.  101  f.;  vgl.  48  S.  107. 


—    :^02    — 

den  Alkuiii  iiacli  der  Rogensbiirger  Synode  an  ihn  gei-iclitet  liatte. 
beantwortete  er  jetzt  mit  einer  Streitschrift:')  er  ^\■^^v  nach  wie  vor 
der  ^Meinung,  dass  seine  Ansicht  innerhalb  des  Rahmens  des  kirch- 
lichen Dogmas  berechtigt  sei.")  Sein  Bnch  sandte  er  wie  au  Alkuin, 
so  auch  au  Karl:'')  er  hatte  die  Hoti'nnng  nicht  aufgegeben  den 
letzteren  zu  gewinnen,  Alkuin  erschrak,  als  er  es  zu  Gesichte  l)e- 
kam.  Wenn  Felix  dargelegt  hatte,  dass  Christus  als  Mensch  nur 
dem  Namen  nach  Gott  sei,  so  war  das  in  seinen  Augen  eine  uner- 
trägliche Blasphemie.  Wehe  der  Welt  der  Ärgernis  halber,  ruft 
er  aus.  Siehe,  der  von  den  Engeln  im  Himmel  angebetet  w-ird, 
der  wird  von  den  ]\[enschen  auf  Erden  nicht  als  wahrer  Gott  an- 
erkannt. Dass  diese  Schrift  nicht  ohne  gründliche  Widerlegung 
bleiben  dürfe,  stand  ihm  im  ersten  Augenblick  fest;  nur  meinte  er 
allein  der  Aufgabe  nicht  gewachsen  zu  sein;  die  Entgegnung  müsse 
sorgfältig  von  mehreren  Gelehrten  erwogen  werden.  Er  schlng  dem 
Könige  vor,  Papst  Leo  III.,  Paulin,  Theodulf  und  Richijod  von  Trier 
Abschriften  zu  überschicken.  Für  sich  selbst  bat  er  um  Zeit:  er 
wünsche  gemeinsam  mit  seinen  Schülern  die  zur  Widerlegung  dien- 
hchen  iA.ussprüche  aus  den  Vätern  zusammenzutragen.'')  Im  Fridi- 
jahr  799  konnte  er  dem  König  die  vollendete  Schrift  ül)ersenden; 
er  bat  um  dessen  Billigung.'') 

Man  kann  nicht  sagen,  dass  Alkuin  den  Streit  durch  diese 
neue  Schrift  üi)er  die  Linie  hinausführte,  auf  welcher  er  sich  bisher 
bewegt  hatte.")  Auch  jetzt  wai'  seine  Absicht,  nachzuweisen,  dass 
die  Lehre  der  Adoptianer  einen  Widerspruch  gegen  das  von  ihnen 
anerkannte  kirchliche  Dogma  in  sich  schliesse.")  Er  war  billig 
genug,  Felix  nicht  für  einen  Nestorianer  zu  ei'klären;  aber  er  urteilte, 
die   Behauptungen    seines   Gegners   führten  notwendig   zum  Nesto- 


1)  Ale.  adv.  Felic.  I.  1  S.  127.  Da  Alkuin  in  Briefen  aus  dem  Sommer 
798  erwähnt,  dass  er  das  Buch  vor  kurzem  erhalten  habe  (ep.  148  S.  241 
und  160  .S.  2.'>9),  so  ist  es  schwerlich  vor  797  vollendet.  Feli.x  citierte 
in  seiner  Schrift  eine  Stelle  ans  Ale.  op.  2:^  (S.  CA);  s.  adv.  Felic.  II,  5 
S.  150). 

2)  Ale  adv.  Felic.  I,  1  S.  128:  In  cuius  (libelli  Felicis)  principio  de 
confessione  verae  fidei  quaedam  ex  sanctorum  patrum  catholicis  sensibus  ab 
eodeni  bene  prolatA  Icgebam;  Paul.  c.  Fei.  I,  9  S.  3G1  giebt  sein  (^laubens- 
bekenntni.s  wieder. 

3)  Ale.  adv.  Felic.  I,  1  S.  127  f.  und  ep.  202  S.  33-5. 

4)  Ep.   148  S.  241;  149  S.  243  f.  (Juli  798);  160  S.  2-59. 

5)  Kp.  202  S.  3.3.5;  171  f.  S.  282  und  284. 

6)  Eine  Inhaltiangabe  der  Schrift  adv.  Felicom  giebt  Werner,  Ale. 
S    .-.Ttf.;  vgl.  Bach,  DG.  I  S.  128  ff. 

1)  Adv.  Felic.  I,  2  S.  129;  III,  2  S.  163;  IV,  5  S.  177  u.  ö. 


—     303     — 

rianismiis.^)  "Bietet  Aikuins  Schrift  insofern  wenig  Interesse,  so 
möchte  man  sie  docli  deshalb  nicht  missen,  da  sie  die  Verschieden- 
heit der  rehgiösen  Ansichten  deiithch  zeigt.  Für  Fehx  hing  die 
WirkHchkeit  der  ErUisung  davon  ab,  dass  der  Erlöser  in  jedem 
Moment  als  der  Repräsenteut  der  Seinen  handelte.  Deshalb  be- 
durfte er  des  Gedankens  des  zweiten  Adam.  Für  den  Germanen 
Alkuiu  hatte  dieser  Gedanke  nichts  Packendes;  er  mag  ihn  wieder- 
holt haben,'-)  aber  er  hat  ihn  nicht  benützt.  Er  bedurfte  keiner 
Vermittelung  der  Erlösung.  Denn  war  nicht  Christus  der  reiche 
Gott  vom  Himmel,  der  den  Seinen  alles  Heil  schenken  konnte?^) 
Alkuin  bemerkte  nicht,  dass  er  von  da  aus  zu  Sätzen  kam,  welche 
sich  vor  dem  Dogma  der  alten  Kirche  kaum  besser  rechtfertigen 
hessen  als  che  seiner  Gegner.*)  Er  bemerkte  noch  weniger,  dass 
für  seine  Ansicht  die  Lehre,  welche  er  so  nachdrücklich  vertrat, 
ganz  in  der  Luft  schwebte. 

Sodann  liess  sich  Rom  vernehmen.  Die  Zusendung  von  Felix' 
Schrift  gab  Leo  HI.  Anlass,  noch  einmal  die  adoptianische  Lehre 
zu  verdammen.  Es  geschah  auf  einer  römischen  Synode  am 
23.  Oktober  798  in  der  Peterskirche. '^j  Er  genügte  damit  einer 
Aufforderung  des  Königs.*') 


1)  I,  11  S.  136;  IV,  11  S.  186.  Schärfer  adv.  haer.  Felic.  2  S.  88;  de 
fide  trin.  III,  9  S.  43. 

2)  Ich  habe  mir  keine  Stelle  notiert,  an  der  dies  der  Fall  wäre,  gebe' 
aber  natürlich  zu,  dass  Alkuin  den  pauliuischen  Gedanken  wiederholt  haben 
kann.  Die  Stelle  im  Kommentar  zur  Apokalypse  (II,  3  S.  1112)  ist  wahr- 
scheinlich aus  Ambrosius  Autbert  oder  einer  anderen  Quelle  Alkuins  ent- 
nommen. 

8)  Am  bezeichnendsten  ist  der  Schluss  der  Schrift  gegen  Elipandus 
(IV,  15  S.  298);  doch  herrscht  natürlich  in  der  Schrift  gegen  Felix  die 
gleiche  Grundanschauung ;  vgl.  I,  15  ff.  S.  139  ff.;  II,  1  ff.  S.  146  ff.;  c.  11 
S.  154  f.;  III,  14  S.  170;  IV,  4  f.  S.  176. 

4)  Z.  B.  III,  17  S.  172:  Non  Deus  conversus  in  hominem,  sed  homo 
glorificatus  in  Deum.  Auch  der  von  Loofs  hervorgehobene  Satz  aus  II,  12 
S.  156:  In  assumptione  carnis  a  Deo  persona  perit  hominis,  non  natura, 
scheint  mir  mit  dem  Masse  der  cjTillisch-chalcedonensischen  Orthodoxie 
gemessen  nicht  einwandfrei.  Höchst  seltsam  ist  dabei,  dass  Alkuin  hier 
sofort  in  die  alten,  dem  Adoptianismus  zu  Grunde  liegenden  Formeln  zurück- 
fällt und  sagt:  Ille  homo  in  Deum  assumptus  habet  etc. 

5)  Mansi  XIH,  1031.  Das  Datum  hat  Sägmüller,  ThQS.  1894  S.  296  ff. 
aus  einem  Fragment  des  Synodalprotokolls  konstatiert.  Karl  hatte  im 
Sommer  dieses  Jahres  die  Schrift  des  Felix  nach  Rom  gesandt  (Ale.  ep.  149 
S.  243). 

6)  So  Felix  in  seinem  Briefe  an  die  Urgellitaner  (Ale.  ep.  199  S.  329: 
Praecipiente  Carolo). 


—     304     — 

Endlich  sollte  die  Synode  zu  A:uhen  im  Juni  800  den  Streit 
zur  Lösunc;  bringen.')  Kail  kannte  Felix  gut  genug,  um  von  münd- 
liehen Verhandlungen  mehr  Frucht  zu  erwarten  als  von  scluü'tlichen, 
und  er  verstand  die  Kunst,  seinen  Gegner  dadurch  zu  gewinnen, 
dass  er  ihm  einen  Schritt  entgegen  tat.  Als  er  Felix  durch  Leid- 
rad nach  Aachen  fordern  liess,  erteilte  er  ihm  die  Zusage,  dass  es 
iinn  unverwehrt  sein  sollte,  seiuQ  Meinung  vor  den  Bischöfen  zu 
verteidigen.  Daraufhin  schwur  Kelix  dem  Boten  des  Königs,  er 
werde  kommen.-)  Er  hielt  seinen  Eid  und  Karl  sein  Versprechen. 
Mehrere  Tage  lang  disputierte  Felix  mit  Alkuin.")  Dass  dieser 
der  AVoi-tführer  der  fränkischen  Kirche  sein  würde,  stand  von  An- 
fang an  fest:  voll  guten  Vertrauens  zu  seiner  Sache,  aber  doch 
nicht  ohne  einiges  Bangen'')  hatte  er  der  Unterredung  entgegen 
gesehen.  Er  hatte  gewünscht,  dass  wenigstens  Paulin  und  Arn 
ihm  zur  Seite  stünden.'*)  Sie  fehlten  jedoch  beide:")  er  nmsste 
allein  das  verfechten,  was  ihm  als  Wahrlu^t  heilig  war. 

Dass  Alkuin  die  Unterredung  führte,  wirkte  unmittelbar  auf 
ihren  Gang.  Denn  nach  der  ganzen  Weise,  wie  er  den  Adop- 
tianismus  von  Anfang  an  beui-teilt  und  bekämpft  hatte,  musste  er 
die  Fiage  in  den  ]\Iittelpunkt  stellen,  ob  die  adoptianischen  Ft)nneln 
den  kirchlichen  Autoritäten  gegenüber  zulässig  seien.  ])adurch 
war  Felix  die  Verteidigung  seiner  Ansicht  ungemein  erschwert. 
Das  Ende  war  (lenii  auch,  dass  er,  nachdem  die  Unterredung 
mehrere  Tage  gedauert  hatte,  sich  für  überzeugt  erklärte.  Er 
beugte  sich   den   Autoritäten,   die   man  ihm  entgegenstellte:    Cyiill 


1)  Alkuin  giebt  adv.  Elip.  I,  \C<  S.  252  als  Jahr  dieser  Synode  das 
32.  .Tahr  Karls  an;  darnach  fällt  die  Synode  in  den  .Juni  SOO.  Ale.  ep.  207 
S.  344  vom  26.  .Iiini  berichtet  von  der  ab<;ehaltenen  Disputation.  Das  Jahr 
799,  das  in  der  ersten  Auflage  angenommen  wurde,  beruhte  auf  irriger 
Auslegung  der  Worte  priore  anno,  ep.  207  S.  34.5  (s.  o.  S.  300,  2).  Die  Be- 
ziehung von  ep.  207  8.  344  auf  die  angebliche  Ermordung  Leos  III.  (Gian- 
noni  S.  89  f.)  scheint  mir  schon  deshalb  unmöglich,  weil  l'aulinus  auf  eine 
Papstwahl  ebenso  wenig  ^^inHuss  hatte,  als  er  Macht  besass,  in  Rom  be- 
gangene Verbrechen  zu  bestrafen. 

2)  Ale.  ep.  193  S.  320  n.  199  S.  329.  Die  letztere  Stelle  crgiebt,  dass 
Felix  nach  Urgel  zurückgekehrt  war.  Auf  die  pathetischen  Worte,  in 
welchen  Elipandus  die  Lage  seines  Freundes  schildert  (ep.  182  S.  301), 
mochte  ich  kein  riewicht  legen. 

3)  Ale.  ep.  207  S.  344;  adv.  Elip.  1,  Ifi  S.  2.V2;  V.  Ale.  10  S.   190. 

4)  Ep.  193  S.  320  bittet  er:  Ideo  diligentius  orate  pro  nobis. 

5)  Ep.  194  S.  322. 

6)  GröBsler  bezieht  Paulin.  adv.  Felic.  I,  5  S.  355  mit  Unrecht  auf 
die  Aachener  Versammlung  und  behauptet  daraufhin  die  Anwesenheit 
Paulins;  das  zeigt  der  Anfang  des  6.  Kapitels. 


_     305     — 

von  Alexandrien,  Gregor  und  Leo  nannte  er  selbst  als  die  Männer, 
deren  Aussprüche  ihn  überführt  hätten.^)  Durch  ein  vor  der  Synode 
abgelegtes  Glaubensbekenntnis  bezeugte  er  seine  Übereinstimmung 
mit  dem  Glauben  der  katholischen  Kirche.-)  Liest  man  hier  eine 
Stelle  Cj-rills,  in  welcher  der  Nachdruck  darauf  gelegt  wird,  dass 
Christus  als  Mensch  leiden  und  sterben  musste,  um  als  Gott  unser 
Heil  zu  wirken,  so  darf  man  wohl  vermuten,  dass  solche  Ausspriiche 
ihm  die  Unterwerfung  sittlich  möghch  machten:'^)  es  konnte  ihm 
scheinen,  als  habe  er  nur  auf  etliche  Formeln  zu  verzichten,  ohne 
dass  er  seiner  Anschauung  entsagen  müsse.  Auf  Grund  seines 
Bekenntnisses  wurde  Fehx  vom  Banne  gelöst.*) 

Der  ganze  Verlauf  war  recht  nach  dem  Sinne  Alkuins;  voll 
Befriedigung  berichtete  er  an  Am,  Felix  habe  lange  den  Aus- 
sprüchen der  Väter  widersprochen  und  eigensinnig  an  seiner  Meinung 
festgehalten;  endhcli  habe  er  doch  seinen  IiTtum  eingesehen.") 
Zwischen  beiden  Gegnern  bildete  sich  ein  beinahe  freundschaft- 
hches  Verhältnis.*') 

Aber  bekehrt  war  Felix  nicht:  man  ändert  die  Überzeugung 
eines  Menschenlebens  nicht  in  ein  paar  Tagen.  Als  er  sich  in  der 
Stille  fand,  tauchten  die  alten  Gedanken  wieder  auf;  sie  hatten 
dieselbe  Gewalt  über  sein  Gemüt  wie  ii'üher;  nur  wagte  er  nicht 
mein-,  sie  ofiFeu  zu  vertreten.  Aber  den  schweigenden  Blättern  ver- 
traute er  sie  an:  nach  seinem  Tode  wurden  diese  beredten  Zeugen 
seines  gebrocheneu  Mutes  und  seines  ungebrochenen  Glaubens  auf- 
gefimden. ") 

Doch  füi-  die  Welt  wai-  er  bekehrt,  seitdem  er  sich  in  einem 
der  Klöster  Lyons  befand.*)  Der  Sieg  über  den  Führer  sollte 
vollendet  werden  durch  die  Bekehrung  seiner  Gesinnungsgenossen. 
Damit  wurden  die  Bischöfe  Leidi-ad  von  Lyon  und  Mfrid  von  Nar- 


V 


1)  Ale.  ep.  199  S.  329. 

2)  Jaffe  und  Dümmler  haben  das  Bekenntnis  des  Felix  nicht  abge- 
druckt; man  findet  es  bei  Mansi  XIII  S.  1035. 

3)  L.  c.  S.  1038.  Nach  V.  Ale.  10  S.  190  wurde  er  durch  eine  — 
nicht  nachweisbare  —  Stelle  Cyrills  überwunden:  Ea  natura  quae  per  dia- 
bolum  vitiata  est,  super  angelos  exaltata  est  propter  triumphum  Christi 
atque  ad  dexteram  Patris  collocata.  Dass  sie  sich  leicht  in  die  Felicianisehe 
Theorie  einfügen  Hess,  ist  klar. 

4)  Ale.  adv.  Elip.  1,  16  S.  252. 

5)  Ep.  207  S.  344. 

6)  Ep.  208  S.   346. 

7)  Agob.  adv.  Felie.  1  S.  34  und  6  S.  38. 

8)  Ale.  ep.  207  S.  345. 

Hauck,  Kircliengeschichte.    11.    2.  Aufl.  20 


—     306     — 

bonue,  sowie  der  Abt  ßeuedikt  von  Aniaiic  betraut.')  Alkuiii  war 
eiüig,  sie  mit  btterarischen  Hilfsniittehi  zu  versebeu.-)  So  weit 
die  Autorität  Karls  reicbte,  hatten  seine  Beauftragten  Erfolge;  aber 
sie  fehlteif  ibnen  jenseits  der  Grenzen.^) 

Begreiflich,  dass  trotz  der  Unterwerfung  des  Felix  die  litte- 
rarische Fehde  nicht  verstummte.  Alkuin  hatte  im  Sommer  799 
in  der  entgegenkommendsten  Weise  an  Elijiandus  geschrieben.^) 
Er  hatte  damit  nur  den  Zorn  des  Greises  wachgerufen;  seine  Ant- 
wort, war  eben  so  schroff  als  der  Brief  Alkuins  gelassen.'')  Dass 
Elipandus  sein  Schreiben  in  die  OÜ'entlichkeit  kommen  Hess,  noch 
ehe  es  Alkuin  erhalten  hatte.")  nötigte  diesen,  den  Streit,  den  er 
beendet  geglaubt  hatte,  mit  Elii)andus  fortzuführen.  Auch  er  schrieb 
nun  gereizter  und  heftiger  als  im  Anfang.')  Vn\  dieselbe  Zeit,  in 
der  seine  vier  Bücher  gegen  Elipandus  ei'schienen,  veröft'entlichte 
Paulin  von  A(|uileja,  nachdem  er  schon  im  Jahre  796  auf  einer 
Provinzialsynode  seines  Sprengeis  die  Verwerfung  des  Adoptiauismus 
wiederholt    hatte,**)    eine  Streitschrift    gegen   Fehx.")     Er    war  von 


1)  Ale.  ep.  200  S.  331;  207  S.  345;  vgl.  206  S.  342;  V.  Bened.  8 
S.  204. 

2)  Ale.  ep.  207  S.  345:  Quos  nostra  parvitas,  quantum  potuit,  scviptis 
ecclesiasticis  adiuvabat;  maxime  co  libello,  quem  nuper  edidiiuus  contra 
libellum  illius  Folicis,  quam  priore  anno  nobis  direxit.  Es  fragt  sieh,  an 
welche  Schrift  hier  gedacht  ist,  ob  an  das  Hüchlein  adv.  haeres.  Fei.  oder 
an  die  7  Bücher  adv.  Felic.  Jaffe  und  Dümmler  denken  an  das  erstere  auf 
Grund  der  Annahme,  es  sei  799  entstanden.  Ich  habe  die  Stelle  in  der 
ersten  Auflage  auf  die  letzteren  bezogen.  Die  Annahme  .Taffös  ist,  wie  oben 
bemerkt,  unrichtig;  aber  in  der  Sache  haben  er  und  Dümmler  recht.  Die 
7  Bücher  waren  zwar  geschrieben,  aber  noch  nicht  publiziert,  und  sind  hier 
nicht  gemeint.     Das  zeigt  der  Vergleich  mit  ep.  205  S.  340. 

3)  Ale.  ep.  208  S.  346. 

4)  Ep.   166  S.  268  ff. 

5)  Die  Antwort  gehört  in  den  Oktober  799;  Ale.  ep.  182  S.  300  ff.; 
Migne  96  S.  870  f. 

6)  Ale.  ep.  200  S.  .331. 

7)  Adv.  Klip.  libr.  IV  (Migne  101  S.  243  ff.).  Sie  sind  nach  dem  Tage 
von  Aachen  geschriebon  1,  16  S.  252.    Inhalt.sangabe  bei  Werner,  Ale.  S.  64. 

8)  Mansi  XIII,  829  ff.,  besonders  842  und  844.  Über  das  .lahr  s.  Hefele, 
CG.  III  S.  718. 

9)  Migne  99  S.  343  ff.  Die  Zuschrift  an  Karl  an.  h  M.G.  Ep.  IV  S.  523. 
Die  Schrift  ist  nach  der  Regensburger  Synode  verfasst  (I,  5  S.  355),  und 
zwar,  wie  die  von  Jaffe  hervorgehobene  Beziehung  auf  das  Schaltjahr  in 
der  Zu.schrift  an  Karl  ergiebt,  im  .Tahr  800;  Alkuin  lernte  sie  noch  im 
Sommer  800  kennen  (ep.  208  S.  346).  Eine  Inhaltsangabe  giebt  Bach, 
DG.  I  S.  121;  auch  Giannoni  S.  72  ff. 


—     307     — 

m 

Karl  dazu  aufgefordert  worden.  Alkuiu  begrüsste  sein  Werk  mit 
neidloser  Bewunderung.  Im  Sommer  800  schreibt  er  an  Arn  von 
Salzburg:  Wenn  Du  den  Patriarchen  Paulinus  siehst,  so  grüsse  ihn 
von  mir  viel  tausendmal.  Sein  Buch  voll  katholischen  Glaubens, 
das  er  an  den  König  sandte,  habe  ich  durchgesehen,  und  es  gefällt 
mir  überaus  ob  seiner  Beredsamkeit,  der  Zierlichkeit  der  Sprache, 
des  Verständnisses  im  Glauben,  und  des  Gewichts  der  Belege.  Er 
meinte,  jetzt  sei  gegen  die  Felicianer  nichts  mehr  zu  thun.^) 

Der  Unterschied  zwischen  seinen  eigenen  Schriften  und  der 
seines  Freundes  ist  gross  genug;  so  schmucklos,  rein  sachlich  jene 
gehalten  sind,-)  ebenso  prunkend  und  rhetorisch  ist  diese.  Doch 
mehr  noch  fällt  eine  gewisse  Verschiedenheit  des  Inhalts  auf.  So 
sehr  beide  Autoren  in  der  Verwerfung  der  adoptiaiiischen  Lehre 
und  dem  Bekenntnis  zum  kirchlichen  Dogma  übereinstimmten,  der 
Romane  Paulinus  stand  Felix  bedeutend  näher  als  Alkuin:^)  auf 
ihn  war  jene  volkstümliche  deutsche  Anschauung,  an  welcher  Alkuin 
sich  genügen  liess,  ohne  Einfluss. 

Etwas  später  sammelte  Benedikt  von  Aniane  aus  der  Heiligen 
Schrift  Zeugnisse  gegen  die  Adoptianer.*)  Schliesshch  trat  auch 
Leidrads  Nachfolger  Agobard  mit  einer  Schrift  gegen  sie  hervor.'^) 
Neue  Gesichtspunkte  findet  man  in  diesen  Büchern  nicht;  der 
Kampf  wurde  nach  wie  vor  in  derselben  Weise  gefülu-t.  Zweifellos 
erschien  der  Adoptianismus  als  der  schwächere  Teil;  aber  erst  nach 
vielen  Jahrzehnten  ist  er  aus  Spanien  ganz  verschwunden.**) 


Klarer  als  in  den  adoptianischen  Irrungen  tritt  bei  Karls  Ein- 
greifen in  den  Bilderstreit '^)  an  den  Tag,  dass  der  König  bei  seinen 
Massregeln  ein  politisches  Interesse  hatte.    Doch  wäre  die  Annahme 


1)  Ep.  208  S.  346. 

2)  Alkuin  bemerkte  die  Mängel  seiner  eigenen  Schrift  (s.  adv.  Felic.  II, 
1  S.  14.5;  ep.  202  S.  335  f.),  die  der  fremden  jedoch  nicht. 

3)  Das  Menschliche  geht  ihm  nicht  ähnlich  in  dem  Göttlichen  unter 
wie  Alkuin  (vgl.  I,  17  S.  369;  51  S.  407  u.  ö.).  Der  Grundgedanke  des 
Felix  war  ihm  ebenfalls  fremd  (I,  43  S.  396). 

4)  Testimoniorum  nubecula  (Migne  103  S.  1381  ff.)  und  Disputatio  adv. 
Felician.  impietatem  (S.  1399  ff.). 

5)  Lib.  adv.  dogma  Felic.  (Agob.  opp.  ed.  Baluzius  I  S.  1  ff.)  Das 
Buch  ist  Ludwig  d.  Fr.  gewidmet. 

6)  Graf  v.  Baudissin,  Eulogius  und  Alvar  S.  65  ff. 

7)  Über  den  Bilderstreit  vgl.  besonders  v.  Ranke,  WG.  V,  2  S.  78  ff.; 
Leist,  Die  literarische  Bewegung  des  Bilderstreits  (Magdeburg  1870);  Schwarz- 
lose, Der  Bilderstreit  (Gotha  1890) ;  Kattenbusch,  Konfessionskunde  I  (Frei- 
burg 1892)  S.  467;  Bonwetsch,  P.  RE.  IIP  S.  221  ff. 

20* 


—     308     — 

inng.  dass  es  allein  Avirksam  war.  Vielmehr  handelte  es  sich  den 
Griechen  ^vit■  den  Spaniern  gegenüber  vornehndich  um  die  Stellung, 
welche  Karl  in  den  kirchlichen  Angelegenheiten  für  sich  und  für 
die  fränkische  Kirche  i)rätendierte.  Er  wollte  als  der  Leiter  der 
Kirche  anerkannt  sein.  Im  adoptianischen  Streite  trat  er  mit 
diesem  Anspruch  einer  unbedeutenden  IVovinzialkirche  gegenüber; 
kühni-r  war  das  Unternehmen,  ihn  auch  im  Gegensatze  zu  den 
Orientalen  zur  Aüerkcnnung  zu  bringen.  Denn  in  diesem  Fall 
war  Koni  der  natürliche  Bundesgenosse  der  Griechen.  Die  nie 
ausgesprochene  und  doch  unleugbare  Antagonie  zwischen  den  kirch- 
lichen Ansprüchen  Karls  und  den  Rechten  des  Papstes  wurde  hier 
wirksam. 

Es  war  lange  her,  dass  man  in  der  orientalischen  Kirche  über 
das  Recht  der  Anfertigung  und  Verehrung  von  Bildern  stritt. 
Rohtische  und  religiöse  IMeinungen  und  Absichten  kamen  in  Frage; 
staatliche  und  kirchliche  Männer  und  Parteien  wirkten  zusannnen, 
die  Angelegenheit  hotfnunglos  zu  verwirren.  Dem  AViilen  des 
Kaisers  Konstantin  V.  gemäss  verwarf  eine  Reichssyuode  in  Kon- 
stantinopel 754  den  Bilderdienst  als  Abgötterei.')  Aber  das  war 
keine  Entscheidung,  die  den  Streit  beendete. 

Von  Anfang  an  hatten  die  römischen  Bischöfe  das  (Gewicht 
ihres  Ansehens  für  die  Bilder  in  die  Wagschale  geworfen.-)  Der 
Zwiespalt,  in  welchen  sie  dadurch  mit  dem  Hofe  in  Konstantinopel 
gerieten,  trag  nicht  wenig  dazu  bei,  der  römischen  Politik  die  Kich- 
tung  auf  das  Abendland  zu  geben.  Denn  hier  fanden  die  Päpste 
in  dem  Streite  für  die  Bilder  bereitwillige  Sym})athie  und  oftene 
Unterstützung.     Schon  Gregor   II.  hat  dies  gewusst   und  benutzt.'^) 

Je  enger  die  Verbindung  zwischen  Rom  und  dem  fräid<ischen 
Reiche  wurde,  um  so  unvermeidlicher  war,  dass  das  letztere  zu  den 
orientalischen  Verhältnissen   Stellung    nahm.')      Die  Päpste  wollten 


1)  Mansi  XIII  S.  205  ff. 

2)  V.  Greg.  II.  17  S.  404.  Brief  Gregors  an  Leo  den  Isaurier  J.W.  2180 
und  2182,  die  Bedenken  Schwarzloses  gegen  die  Echtheit  dieser  Briefe 
S.  11.3  ff.  scheinen  mir  nicht  durchschlagend;  an  den  J'atriarchen  Germanus 
2181  ;  an  den  Patrianhon  Anastasius  21H3.  Synode  zu  Kom  untor  Gregor  III., 
im  Jahro  IM,  V.  (irog.  III  3  S.  416.  Verlorene  Briefe  von  ihm  erwähnt 
1.  c.  2  S.  415,  von  Zacharias  erwähnt  in  dem  Briefe  lladrians  an  Konstantin 
und  Irene  Mansi  XII  S.  1061. 

3)  Vgl.  den  Brief  2180  und  Bd.  I  S.  466. 

4)  Stephan  II.  scheint  der  erste  gewesen  zu  nein,  der  die  p'ranken 
auch  in  diese  Sache  hineinzog.  Cod.  Carol.  ep.  11  S.  506:  Ohnixe  postu- 
lamus  .  .  ut  .  .  ita  disponere  iubeas  de  parte  Graecorum,  ut  fides  sancta 
catholica  et  apostolica  per  te  Integra  et  inconcussa  permaneat  in  etemum, 


—     309     — 

auch  liier  ihre  sichere  Stütze  nicht  entbehren.  Man  sieht  es  aus 
dem  Briefwechsel  Pauls  I.  mit  Pippin:  bald  rühmte  er  den  König 
als  den  erfolgreichen  Verteidiger  des  rechten  Glaubens;^)  bald  drang 
er  in  ihn,  dass  er  der  Kirche  seinen  Schutz  gegen  die  häretischen 
Griechen  gewähre,  welche  eifrig  daran  arbeiteten,  den  katholischen 
Glauben  zu  zertreten  und  die  von  den  Vätern  überkommene  Tra- 
dition zu  vernichten.-)  Man  sollte  nun  meinen,  dass  wenigstens  in 
dieser  Sache  dem  Papste  die  Führung  gebheben  wäre.  Aber 
Pippin  war  nicht  der  Mann,  sich  einfach  benützen  zu  lassen.  Es 
machte  sich  wie  von  selbst,  dass  er  alsbald  an  dem  ersten  Platze 
stand,  während  Paul  sich  in  die  zweite  Linie  gedrängt  sah.  Pippin 
forderte  Xachrichten  und  Aufschlüsse  von  ihm ;  ^)  Paul  legte  ihm 
Aktenstücke,  die  nach  Rom  kamen,  vor;*)  galt  es  Unterhandlungen, 
so  wurden  die  päpstlichen  Boten  durch  fränkische  Gesandte  be- 
gleitet.-^) 

Dies  Hervortreten  einer  dritten  Macht  nahm  man  nirgends 
besser  w^ahr  als  in  Konstantinopel.  Wie  die  dortigen  Politiker  das 
Verhältnis  des  Königs  und  Papstes  beurteilten,  zeigt  sich  darin, 
dass  Konstantin  V.  im  Jahre  765  mit  Umgehung  des  letzteren  eine 
Gesandtschaft  an  den  ersteren  schickte.  Piijpin  setzte  seine  Pflicht 
als  Bundesgenosse  nicht  aus  den  Augen:  er  lehnte  ein  einseitiges 
Vorgehen  ab  und  empfing  die  Boten  des  griechischen  Kaisers  in 
Gegenwart  der  päpstlichen  Legaten;  das  von  ihnen  überbrachte 
Schreiben  und  seine  Antwort  teilte  er  dem  Papste  mit.^)  Das  war 
jedoch  nicht  mehr  als  eine  rücksichtsvolle  Form.  Denn  thatsäclilich 
handelte  Pippin  allein.  Nicht  um  die  Zustimmung  des  Papstes  zu 
erlangen,  hat  er  sein  Schreiben  nach  Rom  gesandt,  sondern  damit 
Stephan  wdsse,  was  er  geschrieben.  Es  war  ganz  in  demselben 
Geiste  gedacht,  wenn  Pippin  die  Anw'esenheit  der  griechischen 
Gesandten  benützte,  um  durch  eine  fränkische  Synode  in  seiner 
Gegenwart  eine  dogmatische  Entscheidung  der  zwischen  Orient  und 
Occident  strittigen  Frage  herbeizuführen.  Seine  Absicht  eröffnete 
er  dem    Papst,    aber  um   dessen    Zustimmung  hat  er  dabei  nicht 


et  s.  Dei  ecclesia  sicut  ab  aliis  et  ab  eorum  pestifera  malitia  liberetur. 
Der  Brief  gehört  in  das  Frühjahr  757.  Vgl.  zu  dem  Briefwechsel  Kehr, 
Nachr.  d.  G.  d.  W.  zu  Göttingen  1896  S.  109  ff. 

1)  Cod.  Carol.  ep.  19  S.  519  (April  760). 

2)  L.  c.  32  S.  539  (c.  a.  760). 

3)  L.  c.  28  S.  533  (a.  763—764). 

4)  L.  c.  40  S.  553  (a.   761—767). 

5)  L.  c.  28  S.  533;  29  S.  534  (a.  764);  37  S.  549  (a.  765). 

6)  L.   c.   37   S.  549;    36  S.   544  f.   (a.   766).     Über    die    chronologische 
Folge  der  beiden  Briefe  s.  Kehr  S.  126. 


—     310     — 

geboten.')  Die  Synode,  an  der  auch  die  fränkischen  Grossen  Anteil 
nahmen,  trat  7A1  Gentilli  im  Beginn  des  Jalires  7(57  znsanniien:'^) 
es  war  das  erste  Mal.  dass  die  fränkisclie  Kirche  selhststänchg  in 
eine  allgejnein  kirchhche  Angek'genheit  eingriff.  Der  nächste  Gegen- 
stand, um  den  es  sich  liandelte,  war  oime  Zweifel  die  Bilderver- 
ehrung: das  war  die  Frage  des  Moments.  Zog  man  auch  die 
Trinitätslehre,  also  die  Frage  nach  dem  Ausgang  des  Heiligen 
Geistes  herbei,  so  war  sie  w^ohl  durch  die  römischen  Gesandten 
angeregt.  Sie  warfen  einen  zweiten,  wichtigeren  Streitpunkt  auf, 
um  eine  Vei-ständigung  zwischen  den  Griechen  und  den  Franken 
unmöglich  zu  macheu.  Zu  einer  solchen  kam  es  denn  auch  nicht. 
Sie  war  an  und  für  sich  unmöglich.  Denn  die  Beschlüsse  von 
754  konnten  im  fränkischen  Keich  ebensowenig  Billigung  finden 
als  in  Rom;  sie  widersprachen  allem,  was  hier  und  dort  üblich  war. 

Paul  I.  hatte  wenig  dazu  beigetragen,  die  Entscheidung  Pippins 
herbeizuführen;  nachdem  sie  erfolgt  war,  unterliess  er  nidit.  das 
Geschehene  dui'ch  seine  pathetischen  Lobsprüche  zu  verherrlichen."') 

In  den  nächsten  Jahren  blieben  die  Verhältnisse  unverändert: 
auf  der  Lateransynode  des  Jahres  769  stimmten  wieder  Koni  und 
die  Vertreter  der  fränkischen  Kirche  in  der  Verteidigung  der  Bilder- 
verehrung  gegen  die  Griechen  überein."*) 

Dagegen  brachte  der  Tod  des  Kaisers  Leo  IV. ^)  einen  Um- 
schwung hervor.     Seine  Gemahlin  Irene  war,   wie  es  scheint,  stets 


1)  Ep.  37  S.  549:  Pippin  hat  an  den  Papst  geschrieben,  eos  (die  Ge- 
sandton) apud  vos  (Pippin)  esse  detentos,  interim  quod  aggregatis  vestris 
sacerdotibus  atque  obtimatibue,  conicere  seu  perpetrare  valoati.s,  quid  de 
bis,  quae  vobis  directa  sunt  (Schreiben  des  Kaisers)  respondendum  sit. 

2)  Ann.  Lauriss.,  Einh.  z.  J.  767.  Über  die  Zeit  s.  Oelsner,  JB.  S.  403  f., 
und  B.M.  101  f.  Hofele  (CG.  III  S.  432)  giebt  irrig  Ostern  als  Zeit  der 
Synode  an.  Gentilli  bei  Paris;  die  Ann.  Mett.  z.  d.  a.  .T.  verlegen  die  Synode 
nach  Salmuntiacum,  Samoussi  bei  f/ion.  wo  Pippin  das  Woilinaflitsfest  766 
feierte  (Ann.  Lauriss.  /..  d.  J.). 

3)  Langen  (Gesch.  d.  röni.  K.  S.  654)  bezweifelt,  dass  die  Synode  die 
Bilderverehrung  sanktionierte -.  doch  schliessen,  wie  mich  dünkt,  die  Lob- 
sprüche Pauls  einen  solchen  Zweifel  aus;  er  schreibt  Cod.  Carol.  ep.  42 
S.  554,  indem  er  Pippin  mit  Moses  vergleicht:  Per  te  rodcmptor  noster  .  . 
ecciesiae  auae  .  .  pacem  tribuit  et  eins  fidei  orthodoxae  perfectam  contulit 
defensionem.  Et  sicut  Moyses  .  .  culturam  demonum  exterminavit,  ita  et 
tu  .  .  hereticorum  schisma  et  auctores  impii  dogniatis  respuisti.  Hier  ist, 
wie  mif-h  dünkt,  der  Beschluss  von  Gentilli  vorausgesetzt.  Ich  Jiiöchte  also 
den  Brief  bestimmt  dem  Jahr  767  zuweisen. 

4)  Mansi  XII,  720;  XIII,  764.     V.  Steph.  III,  23  S.  476. 

5)  8.  September  780.  Er  regierte  seit  dem  Tode  Konstantins  V., 
14.  Sept.  775. 


—     311     — 

den  Bildern  geneigt  gewesen.  Sie  war  eine  Athenerin  oder  hatte 
wenigstens  ihre  Aiisbikiung  in  Athen  erhalten.  Regte  sich  in  ihr  der 
ästhetische  Sinn  der  Griechen  gegen  die  fanatische  Bildeifeindschaft, 
die  seit  zwei  Menschenaltern  im  ^Orient  eine  gewaltthätige  Herr- 
schaft behauptet  hatte?  Auch  abgesehen  von  ihrer  persönhchen 
Geshmung  nötigte  sie  ihre  politische  Stellung,  andere  Wege  zu 
gehen  als  ihr  Gemahl  und  ihr  Schwiegervater.  Sie  war  Regentin 
fih'  ihren  Sohn  Konstantin  YI.  Aber  die  Herrschaft  einer  Frau 
stand  nicht  so  fest  wie  die  eines  Kaisers:  sie  musste  versuchen, 
im  Innern  die  mächtige  Opposition  der  Bildei-ireunde  zu  beruhigen, 
im  Äussern  gegen  die  Bekenner  des  Islam  einen  Stützpunkt  im 
christHchen  Abendlande  zu  gewinnen:  nur  dann  konnte  sie  hotfen, 
dass  die  Macht,  an  der  ihr  Ehrgeiz  hing,  von  Dauer  sein  werde.  ^) 
Was  sie  thun  wollte,  war  zugleich  das,  was  sie  thun  musste:  nach 
mehr  als  fünfzigjähriger  Verfolgung  wurde  der  Bilderdienst  im 
Morgenlande  wieder  anerkannt. 

Der  Beschluss  eines  allgemeinen  Konzils  sollte  die  Entschei- 
dung der  Kaiserin  sanktionieren  und  die  Lehre  der  Synode  vom 
Jahre  754  zurücknehmen.-)  Wie  hätte  Irene  unterlassen  sollen, 
den  Papst  zur  Teilnahme  aufzufordern  ?  Sie  konnte  auf  das  bereit- 
■willigste  Entgegenkommen  rechnen;  waren  doch  ihre  Massregeln 
die  Ausfühiamg  der  seit  Gregor  II.  so  oft  ^\•iederholten  römischen 
Forderungen.  In  ihres  Sohnes  und  ihrem  eigenen  Xamen  lud  sie 
im  Jahr  785  Papst  Hadrian  ein,  selbst  oder  durch  einen  Vertreter 
einer  neuen  allgemeinen  Synode  beizuwohnen,  in  welcher  die  von 
den  Vätern  überheferte  Lehre  bestätigt  werden  sollte.  =^)  Mit  un- 
verhohlener Freude  nahm  Hadrian  diese  Zuschrift  in  Empfang:*) 
er  erinnerte  sich  noch  einmal  daran,  dass  der  Kaiser  der  Landes- 
herr von  Rom  sei,  und  sprach  von  dem  li'ommen  Befehle  des 
Kaisers,  der  an  ihn  ergangen  sei;  ^)  im  Gehorsam  gegen  denselben 
erklärte  er  sich  bereit,  einige  Legaten  zu  dem  Konzil  abzuordnen. 
Aber  sein  Gehorsam  ging  doch  nicht  zu  weit:  che  Annäherung  der 
Griechen  war  ihm  besonders  deshalb  von  Wert,  weil  er  hoffen 
konnte,  sie  ftir  seine  Zwecke  auszunützen,  für  die  grossen  wie  für 
die  kleinen :  der  Primat  des  Petrus  steht  in  seinem  Schreiben  chrekt 
neben   den  in  Unteritahen   eingezogenen  Landgütern.     Die  Weise, 

1)  Vgl.  V.  Ranke,  WG.  V,  2  S.  88. 

2)  Die  Akten  dei-  zweiten  nicänischen  Synode  bei  Mansi  XII  und  XIII; 
eine  eingehende  Darstellung  des  Verlaufs  bei  Hefele,  CG.  III  S.  441  if.;  vgl. 
auch  Langen.  Gesch.  d.  röm.  K.  S.  748  tf. 

3)  Mansi  XII,  984  ff. 

4)  Seine  Antwort  von  26.  Oktober  785  Mansi  XII,  1056  ff. 

5)  Kv    Tlü    süasjjsi    ÜjJLWV    /.EAcÜ'Jct. 


—     312     — 

wie  vr  von  K;irl  nml  dcsson  Gehoi-sain  gegen  den  römischen  Stuhl 
sprach.')  sollte  die  Griechen  davon  üherzeugen,  dass  seine  Lage 
dank  der  l'nterstützung  Karls  eine  ungemein  günstige  sei:  sie 
sollten  dadurch  gefügig  werden. 

Doch"  in  der  Bilderfrage  war  das  Einverständnis  aufrichtig; 
die  zweite  nicänische  Synode  fand  unter  Teilnahme  der  Gesandten 
Hadrians  statt:')  sie  bestimmte,  es  sei  die  Pthcht  der  Gläubigen, 
die  Bilder  zu  verehren,  war  aber  zugleich  bemüht,  zwischen  Ver- 
ehrung und  Anl)etung  eine  klare  Grenzlinie  zu  ziehen.'^) 

Irene  hatte  unterlassen,  die  fränkische  Eürche  zur  Teilnahme 
an  jener  Synode  aufzufordern.  Di<'  politische  Macht  des  Frankeu- 
reichs  verkannte  sie  nicht:  sie  daclite  dui'ch  die  Vermählung  ihres 
Sohnes  mit  einer  fränkischen  Prinzessin  ilu-e  Stellung  zu  verstärken.'*) 
Aber  in  der  fränkischen  Kirche  sah  sie  nur  einen  Bestandteil  des 
römischen  Patriai'chats.  Ihr  Urteil  war  nicht  so  klar  als  das  Kon- 
stantins V.  Hadrian  war  das  willkommen;  wenn  er  über  Karl 
nach  Konstantinopel  berichtete,  dass  er,  gehorsam  den  Ermahnungen, 
die  er  ihm  erteilt,  die  Völker  des  Abendlands  unterworfen,'^)  so 
musste  dadurch  der  Gedanke  ausgeschlossen  werden,  dass  Karl 
kirchliche  Rechte  auch  über  den  Papst  in  Anspruch  nehme.  In 
seinen  Bnefen  an  den  König  berührte  er  die  Sache  nicht  mit 
einem   AVorte.")     Man   möchte    sich    darüber  wundern.     Denn    das 


1)  L.  c.  S.  1075  f. 

2)  24.  September  bis  13.  Oktober  787  in  Nicäa,  die  8.  Sitzung  am 
23.  Oktober  in  Konstantinopel. 

3)  Bescbluss  der  7.  Sitzung  vom  13.  Oktober  (Mansi  XIll,  ^lS):'ih-X'j<x^^  .  . 

tcool;  -jxcüiai  /.OL'.  j-jD-^at,  T0701;  T£  xa\  Taviatv,  o\/.'a;  xoi  oSoi;  .  .  "()(i(.)  yap  luvs- 
■/fÖ;  Ol'  c'/.ov'./.T^;  avaTu-dJicf);  öpo'vTai,  to-joütov  y.ai  0'.  tau-a;  !h«»[JL£vot  StavirravTat 
npo?  TTjV  T«ov  -o».)-orjr«i>v  jj.vi^[j.r,v  ts  x.ai  £-i-ÖI)tjT'.v  /.a-  Taütai;  äTTraijjLOV  xa\  Tt|ir,ti/,rjV 
npoT/.üw(itv    anoViWiv,    Ol»  \xr^'j  Tr,v    zari    -'ITiv    t,;jhÖv    äXr,!)'.VT;v   Xatpsiav,    r    zp;'n£i 

4)  WerbunfT  um  die  Iliiml  Kutruds  für  Konstantin  VI.  im  Jahre  781 
(Abel,  JB.  S.  384  f.). 

5)  Mansi  XII,  107.5. 

6)  Die  römischen  Gesandten  reisten  im  Sommer  786  nach  Konstanti- 
nopel, am  17.  August  waren  sie  dort  schon  anwosond  (Hofcle,  CG.  III 
S.  4.')f));  sie  reisten  also  vor  Karls  Romfuhrt,  Winter  786—787.  Müudlicho 
Besprechungen  des  Papstes  mit  dem  Könige  sind  demnach  ausgeschlossen. 
Nun  weiss  man  aus  Gest.  abb.  Font.  16  S.  46,  dass  nach  Rotruds  Verlobung 
und  vor  Auflösung  derselben  fränkische  Gesandte  in  Konstantinopel  waren. 
Die  Zoitangaben  der  Gest.  sind  wid<Ms)irei'h<'nd:  die  .Annahme,  dass  sie 
während  der  Synode  in  Konstantinopel  anwesend  gewesen  seien,  scheint 
mir  ausgeschlossen:  Karl  hätte  in  den  Libr.  Carol.  diese  Thatsache  schwer 


—     313     — 

Unternehmen  einer  ökumenischen  Synode  war  doch  so  bedeutend, 
dass  der  Schutzvogt  der  römischen  Kirche  erwarten  konnte,  etwas 
darüber  zu  hören. ^)  Um  so  gewisser  ist,  dass  Hadrians  Schweigen 
nicht  zufällig,  sondern  absichtlich  war:  er  wollte  die  Einmischung 
Karls  in  die  Verhältnisse  zum  Orient  vermeiden. 

Die  Folge  war,  dass  eine  Synode,  die  sich  den  Namen  einer 
allgemeinen  gab,  ohne  jede  Beteihgung  der  mächtigsten  und  wich- 
tigsten Kirche  der  christlichen  Welt  tagte.  Schwerhch  war  das 
von  dem  geringsten  Einfluss  auf  die  Beschlüsse,  welche  gefasst 
wurden.  Aber  wie  völlig  widersprach  es  der  Stellung,  welche  Karl 
und  die  fränkische  Kirche  einnahmen!    Konnte  er  sich  darein  fügen? 

Er  hatte  noch  einen  zweiten  Grund,  sich  gegen  die  griechische 
Synode  zu  erklären.  Das  politische  Verhältnis  zu  den  Griechen 
hatte  sich  seit  der  Verlobung  seiner  Tochter  mit  dem  Kaiser  wieder 
getrübt.  Die  Zustände  sind  undurchsichtig.  Doch  ist  so  viel  ge- 
wiss, dass  Karl  irgendwie  Grund  zu  haben  glaubte,  sich  über  die 
Griechen  zu  beklagen:  denn  er  brach  mit  ihnen.  Als  sich  im 
Winter  786  auf  787  griechische  Gesandte  in  Itahen  einfanden,  um 
die  Verlobte  ihres  Kaisers  abzuholen,  löste  er  die  Verlobung  auf: 
sie  kehrten  unverrichteter  Sache  zurück.  Alsbald  begann  der  offene 
Streit  zA\dschen  den  beiden  Reichen.-) 


umgehen  können.  Sollten  sie  Zeugen  des  vergeblichen  Konzilsversuchs  im 
August  786  gewesen  sein?  Auch  hier  -würde  man  nicht  verstehen,  warum 
dieses  Ereignis,  das  sich  doch  leicht  gegen  die  nicänische  Synode  verwerten 
Hess,  in  Karls  Streitschrift  unerwähnt  blieb.  Ich  nehme  deshalb  an,  dass 
sie  vor  dem  17.  August  786  wieder  abreisten;  ihre  Fahrt  nach  Konstanti- 
nopel fällt  dann  in  das  Frühjahr  785;  die  Nachrichten,  welche  sie  zurück- 
brachten, werden  für  den  Verlauf  der  Besprechung  in  Capua  massgebend 
gewesen  sein.  Doch  wie  dem  auch  sei,  dass  fränkische  Gesandte  in  der 
Zeit,  als  man  das  Konzil  vorbereitete,  in  Konstantinopel  waren,  und  dass 
gleichwohl  Karl  in  die  Verhandlungen  über  das  Konzil  nicht  hereingezogen 
wurde,  zeigte  ihm,  dass  man  seine  Beteiligung   an  demselben  nicht  wollte. 

1)  Später  stellte  Hadrian  die  Sache  so  dar,  als  sei  die  Synode  eigent- 
lich sein  Werk  (M.G.  Ep.  V  S.  56:  Statira  nostras  apostolicas  amplectentes 
syllabas,  concilium  fieri  iusserunt). 

2)  Einh.  ann.  z.  J.  786  S.  75  und  z.  J.  788  S.  83.  Die  letztere  Stelle 
lehrt,  dass  der  Bruch  von  Karl  hervorgerufen  wurde,  indem  er  dem  Kaiser 
seine  Tochter  versagte.  Darin  stimme  ich  Abel  (JB.  S.  569)  und  Harnack 
(Das  karol.  und  byz.  Reich  in  ihren  Bezieh.  S.  18  f.)  zu.  Wie  Harnack 
die  Auflösung  erklärt,  erscheint  mir  dagegen  wenig  wahrscheinlich.  Da 
die  Annäherung  zweifellos  von  griechischer  Seite  ausgegangen  war,  so 
konnte  man  doch  nicht  Bedingungen  stellen,  am  wenigsten  durch  die  Boten, 
welche  die  Braut  einholen  sollten.  Karl  muss  durch  die  Nachi'ichten  seiner 
Gesandten  gegen  die  griechische  Politik  argwöhnisch  geworden  sein.    Dass 


—     RU     — 

K;irls  \Vid('rs])nK'li  gegen  die  niciinische  8yiiO(U'  ist  (IciuiKieli 
vei"st;iiullicli.  ;iucli  wenn  man  in  ihm  lediglich  einen  politischen 
Schachzug  erblickt.  Doch  werden  Motive  anderer  Ali  mitgewirkt 
haben.  Der  Beschluss  von  Nicäa  bot  au  sich  kaum  Anlass  zu 
einem  Angriti":  er  entfernte  sich  nicht  allzuweit  von  dem,  was  man 
aucli  im  fränkischen  Keiche  bisher  gebiUigt  liatte:  aber  die  Über- 
treibungen der  Bilderverehrung,  die  im  Morgeidande  heimisch  waren,') 
konnttm  Karl  nur  unangenehm  berühren.  Alles  Übertriebene  und 
Ungesunde  hatte  für  diesen  klaren  Geist  etwas  Abstossendes.  Es 
nnisste  ilm  reizen,  seinem  A\'iderspnich  gegen  die  Synode  dadurch 
grösseres  Gewicht  zu  geben,  dass  er  in  der  Bilderü'age  eine  von 
der  griechischen  abweichende  Meinung  vertrat. 

Alsbald  nach  Schluss  der  Synode  erhielt  Karl  eine  lateinische 
Übersetzung  der  Synodalakten.-)  Sollte  es  unmöghch  sein,  dass 
sie  ihm  von  einem  Gliede  der  dui'ch  Irene  gestürzten  Partei  der 
Bilderfeinde  übermittelt  wurde?  Wenigstens  war  die  Übersetzung 
so  schlecht,'')  dass  man  kaum  annehmen  kann,  dass  sie  im  Auftrag 
des  Papstes  oder  des  Hofs  in  Konstantino])el  angefertigt  wurde. 
Besondei*s  ay)er  verrät  die  in  ihr  liegende  A'erschärfung  der  nicänischen 
Beschlüsse^)  die  Hand  eines  Gegnei*s,  der  die  Synode  ins  Unrecht 


dabei    mit    in  Betracht    kam,    dass    er    bei    der  Berufung   der    allgemeinen 
Synode  ausser  Acht  gelassen  worden  war,  ist  nicht  unwahrscheinlich. 

1)  Vgl.  z.  B.  Libr.  Card.  III,  16  S.  1146  ff.;  IV,  3  S.  11«7  f.;  10  S.  1222. 

2)  Hefc'le  |CG.  III  S.  694)  u.  a.  nehmen  an,  dass  Hadrian  die  Cber- 
setzung  anfertigen  Hess  und  an  Karl  sandte.  So  auch  Hampe  N.A.  XXI 
S.  86.  Diese  Angabe  stützt  sich  auf  das  Zeugnis  Hincmars  (ctr.  Hincm. 
Laud.  c.  20,  Migne  126  S.  360);  aber  wie  unzuverlässig  dasselbe  ist,  braucht 
man  nicht  zu  beweisen;  lässt  doch  Hincmar  die  niciinische  Synode,  welche 
er  jedoch  nach  Konstantinopel  verlegt,  ohne  pa]istlicho  .Autorität,  die  Frank- 
furter dagegen  auf  Befehl  des  Papstes  zur  Widerlegung  jener  abhalten. 
Die  northurabrischen  Annalen  berichten  zum  Jahre  792  (M.G.  Scr.  XIII 
S.  155):  Karolus  misit  sinodalera  librum  ad  Britanniam  sibi  a  Constantino- 
poli  directum.  Diese  Angabo  ist  weit  glaubwürdiger.  Nur  wird  man  sie 
nicht  80  verstehen  dürfen,  dass  Karl  die  Akten  von  der  Kaiserin  erhielt. 
Das  war  bei  dem  feindlichen  Verhältnis  beider  Höfe  ausgeschlossen.  Karl 
selbst  erklärt  Libr.  Carol.  praef.  S.  1005:  Cuius  scripturae  textus  eloquentia 
sensuque  carens  ad  noa  usque  pervenit  Er  wollte  offenbar  seinen  Gewährs- 
mann nicht  nennen.  Bei  dieser  Sachlage  scheint  mir  die  im  Texte  gegebene 
Vermutung  nahe  zu  liegen. 

3i  Mit  Karls  Lrteil,  das  freilich  nicht  gegen  die  Übersetzung,  sondern 
gegen  das  Original  gerichtet  war,  stimmt  das  des  Anastasius  Biblioth. 
überein  iMansi  XII,  981). 

4)  Dass  die  Verwischung  des  Unterschieds  zwischen  Verehrung  und 
Anbetung  schon  der  Übersetzung  zur  Last  fällt,   dünkt  mich  deshalb  wahr- 


—     315     — 

zu  setzen  versucht.  Karl  legte  die  Akten  seinen  Gelehrten  vor;  er 
selbst  besprach  die  Angelegenheit  mit  ihnen:  das  Eesultat  war  die 
entschiedene  Ablehnung  der  in  Nicäa  gefassten  Beschlüsse.^) 

scheinlich,  weil  auch  die  Engländer  den  Beschluss  von  Nicäa  dahin  ver- 
standen (Ann.  Nordhumbr.  z.  J.  792,  M.G.  Scr.  XIII  S.  155). 

1)  Convent.   Paris,   a.  825   (Mansi  XIV,  422).     Die   zeitliche  Folge  der 
weiteren  Schritte  des  Königs  ist  nicht  sicher.     Ich  habe  in  der  ersten  Auf- 
lage   die    Abfassung    der    Libri    Carolini    der  Übersendung    der   85  Kapitel 
vorangehen  lassen.     Dagegen    vertritt  Hampe   in   der  angeführten  Abhand- 
lung die  Ansicht,    dass  die  85  Kapitel   die  Grundlage   für   die   Denkschrift 
seien  ;  jene  enthielten  die  während  des  Lesens  von  dem  und  jenem  gemachten 
Ausstellungen,    ohne  Ordnung,    so   wie   man   sie  gesammelt  habe,    seien  sie 
dem  Papste  gesandt  worden.    Als  Hadrian,  statt  das  Anstössige  zu  bessern, 
eine  Widerlegung  der  Kapitel  zurückgeschickt,    habe  Karl  eine  grossartige 
Kundgebung  geplant  und  nun  die  Ausarbeitung  einer  Denkschrift  angeordnet. 
Dass    diese    Folge    an    sich    denkbar    ist,    wird    niemand    bestreiten.     Eine 
Schwierigkeit  springt  indes  sofort  in   die  Augen:    Ausstellungen,    die    man 
sich  beim  Lesen   notiert,    folgen   der  Ordnung   der  gelesenen  Schrift:    hier 
ist    das    Gegenteil     der    Fall.      Dazu    kommt,    und    dieser    Punkt    scheint 
mir  entscheidend:    Wenn   durch   die   Zurückweisung    der  Kapitel    die  karo- 
linischen  Bücher  veranlasst  sind,  so  muss  man  erwarten,  dass  in  ihnen  auf 
das    päpstliche  Schriftstück  Rücksicht    genommen    wird.     Diese   Erwartung 
ist  um  so  notwendiger,  als  der  Bezug  auf  Hadrians  Brief  an  Konstantin  und 
Irene  nicht   fehlt;   aber  sie  wird  in   der  königlichen  Denkschrift  nicht  be- 
friedigt.    Auch  Hampe  findet  nur,  dass  Libr.  Carol.  T,  6  durch  den  Anfang 
von  Hadrians  Brief  beeinfiusst  sein  könne,  und  urteilt,  die  Thatsache  erkläre 
sich  hinlänglich  aus  der  Vermeidung  jeder  offenen  Polemik  gegen  den  Papst 
in  dem  ganzen  Vorgehen  Karls.    Ich  halte  es  ebenfalls  für  unwahrscheinlich, 
dass   Karl    einen    litterarischen   Streit   mit  dem  Papste    wollte;    aber    eben 
deshalb  glaube  ich  nicht,  dass  er  die  päpstliche  Zuschrift  mit  einer  offenen, 
wenn  auch  nicht  adressierten  Entgegnung   erwidert   hat.     Dagegen  scheint 
mir  die  Annahme  viel  naheliegender,   dass  Karl,   nachdem    er  sich  von  den 
Irrtümern  der  griechischen  Synode  überzeugt  und  diese  Überzeugung  kund 
gethan  hatte,  von  dem  Papste  die  Rektifikation  der  Irrtümer  verlangte,  und 
dass    er    bei    diesem  Verlangen   beharrte,   obgleich  Hadrian    es    zurückwies. 
Ich   halte   deshalb   nach  wie   vor  für  wahrscheinlich,    dass    die  Libri  Carol. 
vor  den  Kapiteln  verfasst    sind.     Hampe   wendet  ein,   dann   hätte   man  die 
ganze  in  den  Libri  Carol.   mühsam   hergestellte  Ordnung    über  den  Haufen 
geworfen,    um    etwas    schlechthin    Ungeordnetes    an    die    Stelle    zu    setzen 
(S.  97).     Ich   glaube   nicht,    dass   wir   darüber   verschiedener  Meinung  sind, 
dass  man  an  die  Ordnung   einer  Kapitelsammlung   des  8.  Jahrh.'s  nur  sehr 
geringe  Anforderungen  stellen  darf.    Solchen  aber  scheint  mir  genügt.    An 
die  Spitze  gestellt   sind   die   dogmatischen  Irrtümer  der  Synode  c.  1 — 6;  es 
folgt  ein  Einwand  gegen  das  formelle  Recht  derselben  c.  7 ;  dann  die  Haupt- 
sache, die  Ablehnung  ihrer  Erklärungen  über  die  Bilderverehrung  c.  8—10, 
die  Zurückweisung  ihrer  Beweise  für  dieselben,  c.  11—39,  wie  ihrer  Polemik 


—     316     — 

Alle  Wi'lt  sollte  erf:iliren,  dass  der  tVänkisclie  König  die  letzte 
allgemeine  Synode  nicht  anerkannte.  Deshalb  heanttragte  ei"  seine 
Theologen,  in  seinem  Namen  eine  Streitschrift  gegen  die  Synode 
zu  verfassen.  Man  kennt  sie  unter  dem  Namen  der  Karolinisclu'n 
Bücher.^)  Schwerlich  wird  je  das  Dunkel  gelichtet  werden,  das 
den  Verfasser  dieses  Werkes  verl)irgt.  In  seiner  stolzen,  herben 
Art  erinnert  es  wenig  an  den  vorsichtigen,  selbst  gegen  die  Gegner 
billigen  Alkuin,-)  um  so  mehr  an  die  jungen  Hoftheologen,  deren 
schneidendes  Urteil  auch  Alkuin  scheute.'')  Als  ihr  gemeinsames 
"Werk  ist  es  wohl  zu  betrachten.  Sie  lieferten  einen  Beweis  der 
dialektischen  Gewandtheit  und  theologischen  Gelehrsamkeit,  über 
welche  die  fränkische  Kirche  verfügte.  Jedoch  die  Kichtpunkte 
wird  der  König  selbst  angegeben  haben.  Denn  nicht  nur  durch 
die  Aufschiift  legitimierten  sich  die  Karolinischen  Bücher  als  sein 
AVerk,*)  sondern  auch  durch  die  überall  neben  der  theologischen 
Polemik  sich  hervordrängende  politische  Betrachtung  der  Angelegen- 


gegen die  Bildorgegner  c.  40—43;  einzelne  Irrtümer  in  der  Schriftanwen- 
dung c.  44—49 ;  die  Berechtigung  des  Widerspruchs  gegen  die  Synode 
c.  50  —  60;  Aussprüche  derselben,  die  als  läppisch  und  lächerlich  getadelt 
werden  c.  1  —  18;  andere  Einwände  c.  19 — 24.  Schluss:  die  Stellung  der 
fränkischen  Kirche  c.  25.  Die  Unordnung  dünkt  mich  also  nicht  so  ver- 
zweifelt wie  Hampe  annimmt;  die  Folge  der  Kapitel  entspricht  aber  ersicht- 
lich dem  Zweck,  eine  Erklärung  des  Papstes  gegen  die  Synode  hervor- 
zurufen. 

1)  Ich  zitiere  nach  dem  Abdruck  bei  Migne  98  S.  999  ü'.,  bezw.  nach 
den  Exzerpten  bei  Jaffe,  Bibl.  VI,  220  flF.  Man  vgl.  Hefele,  CG.  III,  694  ti.; 
Leist,  Die  litterarische  Bewegung  des  Bilderstreits  (Magdeburg  1871);  Bon- 
wetsch,  P.  RIO.  IIP  S.  221  tf.  —  hier  Angaben  über  die  ältoro  Litteratur — ; 
Reuter,  Gesch.  d.  rel.  Auf  kl.  I  S.  11  ff.  Die  Frage  der  Echtheit  darf,  wie 
allgemein  angenommen  wird,  als  entschieden  gelten.  Die  Abfassung  begann 
zwischen  dem  September  789  und  dem  September  791  (s.  Hampe  S.  99). 

2)  Ältere  Ansicht,  von  Mühlbacher  (DG.  unter  den  Karolingern  S.  194) 
als  wahrscheinlich  festgehalten. 

3)  S.  0.  S.  133  Anm.  6.  Dass  Angilbert  an  tler  Abfassung  beteiligt 
war,  i.st  deshalb  nicht  unwahrscheinlich,  weil  Karl  seine  85  Kapitel  durch 
ihn  nach  Rom  sandte  (Ale.  cp.  33  S.  246  ed.  Jaffe).  Dass  er  den  römischen 
Verhältnissen  ähnlich  kritisch  gegenüberntand  wie  Karl,  zeigt  des  letzteren 
Brief  V.  796  (Ale.  ep.  92  S.  136),  er  sollte  Leo  vorhalten:  Quidquid  mcnte 
teneas  nos  saepius  querelis  agitasse  inter  nos. 

4)  Jaff«'  S.  220:  In  nomine  domini  et  salvatoris  nostri  .Jesu  Christi 
incipit  opus  inluHtris.siuii  et  oxcellentissimi  seu  spectabilis  viri  Caroli,  nutu 
Dei  regi.s  Francorum,  Gallia.s  Germaniam  Italiaraque  sive  haruni  finitimas 
provinciaa,  doraino  opitulante,  regcntis  contra  synodum  quae  in  partibus 
Graetiae  pro  adorandis  imaginibus  stolide  sive  arroganter  gesta  est. 


—     317     — 

heit.  Man  bemerkt  sie  schon  in  der  Überschrift:  Karl  erklärt, 
was  in  Nicäa  geschehen  war,  für  eine  Auniassung.  Nachdem  er 
sich  eben  als  durch  den  Willen  Gottes  König  der  Franken  und 
Herrscher  über  GaUien,  Germanien,  Itahen  und  die  benachbarten 
Provinzen  bezeichnet  hatte,  war  der  Vorwurf  der  Anmassung  für 
jeden  Leser  verständlich:  sie  bestand  darin,  dass  die  Griechen  in 
Nicäa  ohne  ihn  gehandelt  hatten.  Das  hielt  ihnen  der  König  noch 
eigens  vor:  die  Heihge  Schrift  und  die  kirchliche  Sitte  fordere, 
dass  die  Kirchen  der  ganzen  Welt  um  ihr  Urteil  befragt  wüi'den, 
ehe  ein  Beschluss  gefasst  werde:  das  sei  aus  Unbedachtsamkeit 
oder  aus  Dreistigkeit  unterblieben.^)  Man  sieht,  Karl  Avollte  in 
der  Kirche  weder  ignoriert  noch  übersehen  werden.  Das  Vorgehen 
der  Griechen  nahm  er  als  Angriff  auf  seine  Stellung  auf;  denn 
ihm  sei  die  Kirche  in  den  Sturmfluten  dieser  Welt  zu  leiten  an- 
vertraut.-) Dann  war  es  sein  Recht,  gehört  zu  Averden,  seine  Pflicht, 
sich  Gehör  zu  verschaffen.  Um  die  Orientalen  vollends  ins  Un- 
recht zu  setzen,  legte  er  in  den  Beschluss  von  Nicäa  eine  Tendenz, 
die  ihm  vollständig  fremd  war:  das  Auathema  über  die  Bilderfeinde 
sei  gegen  die  fränkische,  die  abendländische  Kirche  gerichtet."^) 
Wie  Feinde  brächen  die  Orientalen  über  sie  herein:  es  sei  seines 
Amtes,  diesen  Angriff"  abzuschlagen.'*)  Fifr  gefährlich  hielt  er  diese 
Feinde  nicht;  er  spottet  über  ilire  dürftigen  Gründe;  er  höhnt:  Mit 
diesen  Waffen  versuchten  sie  uns  zu  schlagen,  die  wir  zufrieden 
sind,  Gott  allein  zu  verehren  und  anzubeten;  mit  diesen  Pfeilen 
unternahmen  sie  uns  zu  durchbohren;  mit  diesen  Lanzen  wagten 
sie,  uns  zu  bekriegen;  mit  diesen  Schwertern  wähnten  sie,  unsere 
Freiheit  übermüden  zu  können.^)  Aber  schon  gegen  den  Angriff' 
bäumt  sich  das  stolze  Selbstbewusstsein  der  fränkischen  Kirche  auf. 
Ihre  Eechtgläubigkeit  sei  über  jeden  Zweifel  erhaben.     Zum  Be- 


1)  III,  11  (Migne  S.  1131  f.);  vgl.  praef.  libr.  I  S.  1000,  wo  schis- 
matici  vel  arrogantes  als  die  Störer  des  kirchlichen  Friedens  zusammen- 
gestellt sind. 

2)  Praef.  S.  1001  f.  Hefele  (CG.  HI  S.  699)  erklärt  die  Worte:  nobis, 
quibus  .  .  ad  regendum  commissa  est  =  ihr  weltlicher  Arm,  Steuermann, 
Beschützer.  Karl  hat  jedenfalls  Steuermann  nicht  =  Beschützer  gefasst: 
er  wollte  der  Regent  der  Kirche  sein  und  war  es. 

3)  Vielfach,  s.  z.  B.  II,  12  S.  1077:  De  nobis,  qui  imaginum  adoratio- 
nem  spernimus.  III,  11  S.  1132:  Unius  partis  ecclesia  .  .  totius  mundi 
ecclesias  conatur  anathematizare.     III,  18  S.  1152. 

4)  Praef.  S.  1005:  Scribere  compulsi  sumus,  ut  .  .  inertem  vel  potius 
inermem  orientali  de  parte  venientem  hostem  occidua  in  parte  per  nos, 
favente  Deo,  allata  sanctorum  patrum  sententia  feriat. 

5)  IV,  25  S.  1241. 


—     318     — 

weise  muss  ihre  VerbiiuUmg  mit  Rom  dienen:  alle  Kirchen  ülier- 
rage  die  römische,  in  Petrus  habe  Gott  selbst  ihr  den  Primat 
übertragen.  Während  mm  viele  andere  Kirchen  sich  von  ikrer 
Gemeinschaft  trennten.  lial)e  die  fränkische  Kirche  nie  von  ihr 
gelassen:  von  den  ersten  Zeiten  des  Glaubens  an  sei  sie  mit  ihr 
in  (h'r  Einigkeit  lieihger  Fnimmigkeit  gestanden;  wenn  sich  im 
Laufe  der  Zeit  ge>visse  Verschiedepheiten  in  den  kirchhclien  Ge- 
bräuchen bildeten,  so  habe  dadurch  die  Ghiubenseinheit  keinen  Ein- 
trag erhtten;  auch  arbeite  ja  die  Gegenwart  daran,  sie  auszugleiclien.') 
Die  Karohnischen  Bücher  geben  dem  Pewusstsein  der  jungen 
germanischen  Welt  Aus(h'uck,  dass  sie  der  alternden  griechischen 
ebenbürtig  sei.  Mit  offener  Absichthchkeit  räumte  Karl  den  Orien- 
talen in  keiner  Hinsicht  den  ersten  Platz  ein.  Man  bemerkt  es, 
wo  immer  die  politische  Stellung  der  Reiche  berührt  wird.  Denn 
wer  möchte  es  für  zufällig  halten,  dass  Karl  den  Kaiser  als  Kcinig 
anredete?-)  Es  war  tendentiös.  Er  vermied,  einen  Titel  zu  ge- 
brauchen, in  welchem  die  Zeitgenossen  eine  höhere  Würde  an- 
erkannt finden  konnten,  als  er  sie  selbst  besass.  Der  fränkische 
HeiTscher  des  Abendlandes  wollte  ganz  auf  gleichem  Fusse  mit 
dem  griechischen  Herrscher  des  Morgenlandes  stehen.  Dass  sich 
der  letztere  als  römischer  Kaiser  bezeichnete,  lässt  Karl  im  Lichte 
eines  Unrechts  erscheinen;  sei  doch  das  römische  Kaisertum,  das 
von  Daniel  im  Gesicht  gesehene  vierte  Tier,  die  Verkörperung  der 
Feindschaft  gegen  das  Christentum,  die  Stätte  des  exzessivsten 
Bilderdienstes.'*)  Wie  rein  stehe  dem  gegenüber  das  fränkische 
A'olk  da,  das  seine  Ehre  darein  setze,  Gott  allein  zu  dienen.^)  Zu 
gleicher  Verui-teilung  musstcn  die  geschmacklosen  Phrasen  des 
Inzantinischen  Hofstils  dienen;  grosse  Worte,  die  ihre  Bedeutung 
völlig  eingebüsst  hatten,  verwarf  Karl  voll  bitterer  Indignation  als 
Gotteslästei-ungen ;  das  staatliche  Leben  der  Franken  sei  davon 
ganz  unberührt. ••)     Das   Gefühl    der    Ebenbürtigkeit   steigerte    sich 


1)  I,  6 ;  .Taffe  S.  222  ff. 

2)  Praef.  S.  1002  (Mi^nei:  Tnflammiivit  ventosae  arrogant iao  inflatii 
ambitio  et  vanae  laudis  insolentissimus  appotitu.s  qiiosdam  orientaliiini 
partium  non  solura  reges  sed  etiam  eacerdotes.  Ib.:  Quod  rex  eorum  Con- 
atantinus  eos  ab  idolis  liberassot;  gemeint  ist  Konstantin  V.  III,  19  S.  ll.)2 
(Migne)  von  Konstantin  und  Irene:  Principoa  eorum.  III,  22  8.  1159:  Dum 
a  regibus  et  a  saiordotibus  .  .  recto  vivondi  atudiiini  ])raotoriiiittitur.  Doch 
IV,  20  S.  1227:  Imperatores  eorum. 

?>)  II,  19  S.  1082  f.:  III,  1')  S.  1142:  Doctor  gentium  non  vos  impe- 
ratorum  imitatores  sed  suos  imo  Christi  fieri  hortatur;  vgl.  S.   1143  f. 

4)  IV,  2.5  S.  1241. 

5)  l.  1  ff.  S.  1005  ft\ 


—     319     — 

vollends  zu  dem  der  Überlegenheit,  wenn  von  der  kirchlichen 
Wissenschaft  die  Rede  war:  hier  standen  nicht  mehr  nur  die 
Franken  gegen  die  Griechen,  sondern  der  Occident  gegen  den 
Orient.  Wie  die  römische  Kirche  den  Theologen  Karls  als  die 
erste  unter  den  alten  Kirchen  galt,  so  meinten  sie,  au  den  be- 
rühmten lateinischen  Kirchenlehrern  hinreichende  Meister  zu  haben: 
wozu  bedürfe  man  der  Orientalen?  Die  Werke  eines  so  berühmten 
Heihgen  der  griechischen  Elirche  wie  Gregor  von  Nyssa  nicht  zu 
kennen,  machte  den  Verfassern  geringe  Sorge:  möge  das  Urteil 
über  seine  Schriften  dahingestellt  bleiben;  es  sei  übei-flüssig,  sie  zu 
kennen.^)  Man  kann  sich  denken,  wie  geringschätzig  die  zeit- 
genössischen Orientalen  l)ehandelt  wurden.  Neben  dem  Tadel  der 
Anmassung  wird  kein  zweiter  Vorwuri'  ihnen  so  oft  und  so  nach- 
driickhch  entgegengeschleudert  als  der  der  Thorheit  und  Absurdität.-) 
Im  Unterschied  von  den  Vätern  von  Nicäa  gaben  sich  die  frän- 
kischen Theologen  als  die  echten  Vertreter  der  gründhchsten  Ge- 
lehrsamkeit und  des  schärfsten  Urteils.  Wie  oft  hätten  jene  Aus- 
sprüche der  Schrift  und  der  Kirchenlelu^er  nicht  verstanden ;  ^)  aber 
sie  begnügten  sich  nicht  mit  zweifelhaften  Übersetzungen  alttesta- 
menthcher   Stellen:    sie    kannten    den    rechten    hebräischen    Texf*) 


1)  II,  17  S.  1082:  Dum  Gregorii  Nysseni  episcopi  et  vita  nobis  et 
praedicatio  sit  ignota,  testimonia  quae  de  eius  opusculis  proferuntur  ad 
res  dubias  confirmandas,  minus  cernuntur  esse  idonea;  unde  eius  doctrina 
nee  a  nobis  est  insigni  laude  praeferenda  nee  admodum  reprehendenda,  sed 
illius  dogmate  eum  caeterorum  dogmatibus,  quos  ignoramus,  postposito  re- 
stat,  ut  post  proplietieas  et  evangelicas  sive  apostolieas  scripturas  illustrium 
etiam  Latin orum  doctorum,  quorum  nobis  et  vita  et  praedicatio  innotuit, 
sive  Graecorum,  qui  et  catholici  fuerunt  et  a  catholicis  aeque  in  nostram 
linguam  translati  sunt,  tantum  dogmatibus  content!  simus. 

2)  Diesen  Punkt  hebt  Reuter  a.  a.  0.  S.  11  f.  besonders  hervor. 

3)  I,  7  S.  1022  flf.  mit  Bezug  auf  Gen.  1,  26  f.:  A  quorum  (der  Väter) 
sensu  et  doctrina  quantum  distent  qui  hoc  testimonium  imaginibus  .  .  acco- 
modant,  non  nostro  est  disserendum  eloquio  sed  lectoris  reservandum  iudicio, 
ut  quantae  in  hac  parte  sint  vecordiae  non  noster  eum  stilus,  sed  suus 
permoneat  sensus.  I,  9  S.  1027:  Hoc  peculiariter  atque  familiariter  exemplo 
utuntur,  quod  Abraham  filios  Heth  et  Moyses  lethro  sacerdotem  Madiam 
adorasse  leguntur.  Quorum  quidem  adoratio  tantum  distat  a  pictae  imaginis 
adoratione  quantum  pietus  ipse  homo  a  veri  hominis  ratione.  I,  10  S.  1029 : 
Non  mediocris  socordiae  est  hoc  etiam  ad  imaginum  adorationem  adstruen- 
dam  exemplum  proferre  quod  Jacob  lapidem  erexit  in  titulum.  In  ähnlicher 
Weise  geht  es  fort  bis  II,  12;  von  11,  1:3  an  beginnt  die  Polemik  über 
patristische  Stellen. 

4)  I,  13  S.  1034:  Magnum  se  ob  adorandas  imagines  in  hac  re  (Gen.  47, 
31)  gratulantur   habere   exemplum;   cum   videlieet   in   latinis   codieibus  non 


—     820     — 

Jenen  imponiere  jedes  Väterzitat;  al)er  sie  wahrten  sich  auch  den 
bewährtesten  Lehrern  gegenüber  das  Recht  des  Urteils,  gegebenen 
Falls  die  Priicht  einer  abweichenden  Meinung;^)  selbst  Wundern 
ffegenüber  bestünden  sie  auf  dem  Recht  des  Zweiiels.^)  Falsche 
Urkunden  und  erdichtete  Geschichten  vermöchten  sie  nicht  7.11 
täuschen.  Mit  welchem  sicheren  Vertrauen  in  die  Überlieferung 
hatte  el)en  Hadrian  den  Griechen  die  fabelhafte  Geschichte  Papst 
Silvesters  erzählt,  um  die  Rereditigung  der  Bilderven'hrung  zu 
beweisen.'')  Die  fränkischen  Theologen  sind  dagegcMi  mit  d(Mn  Ur- 
teile bei  der  Hand,  die  Akten  Silvesters  seien  wertlos.^)  Seit  lange 
gehörte  zu  den  Prunkstücken  in  der  Wattenrüstung  der  Bilder- 
freunde der  J3rief\vechsel  (Christi  mit  Al)gar  von  Edessa.'')  Sie 
dagegen  erklärten  diesen  Briefwechsel  für  apokryph,  da  die  Evan- 
gehen.  diese  wahrhaftigen  Zeugen  von  dem  Leben  des  Herrn,  nichts 
von  ihm  wüssten.")  Unter  den  Aktenstücken,  welche  die  nicänische 
Synode  zum  Beweis  ihrer  Ansicht  hatte  verlesen  lassen,  befand 
sich    ein   Biief  des   Styhten    Simon    an  Kaiser  Justin  IL")     Aber 

legatur:  Adoravit  summitatpin  virgae  Joseph,  sed  in  quibusdam:  Adoravit 
super  Caput  virgae  et  in  Hebraea  veritate,  cui  potissimum  tides  adhibenda 
est,  nullani  ponitus  vel  tenaciter  mentionem  virgae  faciat,  sed  dicat  tantum : 
Adoravit  Israel  Deum  conversus  ad  lectuli  caput.     I,  9  S.  1028;  I,  15  S.  1039. 

1)  IV,  16  S.  1146  wird  gegen  einen  Satz  des  Basiliua  polemisiert,  den 
der  Diakon  Epiphanius  in  der  G.  Sitzung  zu  Nicäa  wiederholt  hatte  (Mansi 
XIH,  826;:  'II  tf,;  ei/.ovo?  Tiaf  zri:  tÖ  -ptoTOTunov  o-x^^iaiv:-..  Die  fränkischen 
Theologen  erklären:  Quod  quidcm  quomodo  fieri  valeat  et  utrum  fiori  va- 
leat,  nulla  ratione  percipitur,  nee  divinorum  eloquiorum  testiuioniis  appro- 
batur.     Das  Urteil  über  Gregor  von  Nyssa  s.  0.  S.  319  Anni.  1. 

2)  III,  25  S.  1167:  Hör  etiam  illis  ad  suum  errorem  adstruenduni 
familiäre  est,  qviod  jier  quasdam  imagines  nonnulla  miracula  facta  fuisse 
perhibent.  Quod  tarnen  nee  Vetoris  nnc  Novi  Tcstamenti  itagina  demonstrat, 
quae  quidem  et  si  uspiam  visa  vel  audita  fuisse  probarentur,  dubitandura 
erat.     IV,  12  S.  1200. 

8)  Hadr.  ep.  (J.W.  244«). 

4)  11,  13  S.  1078. 

5)  K]..    Greg,    ad    bcon.    (Mansi    XII    S.    064),   Conr.   Nir.  ad.  V  (XIII 

S.  191). 

6)  IV,  10  S.  1202  f.:  Sunt  fluenta  veritatia,  quae  fallere  fallique  ne- 
Hciunt,  in  quonim  va-stissimis  amnibus,  cum  plura  dominicorum  gestorum 
insignia  habeantur,  eundem  dominum  Abgari  ruiusdam  regis  epistolam 
8U8ceY>i.s9e  cique  reciprocara  destina.'^se  minime  habetur.  Quae  dnae  opistolae, 
cum  a  sancti  evangelü  lectione  sint  pcnitus  extraneae  et  a  b.  Gelasio  .  . 
inter  apncrypba«  scripturaa  prorsus  deputatae,  non  sunt  in  tostimonium 
quodammodo  producendae. 

7)  Conc.  Nie.  act.  V  (Mansi   XIH  S.  159). 


—     321     — 

dieses  Heiliojtum  machte  auf  die  Theoiocren  Karls  keinen  Eindruck: 
man  argwöhnte,  es  sei  nicht  das  Werk  eines  heiligen  Mannes, 
sondern  das  irgend  eines  schlauen  Betrügers.^)  Ja  man  hatte 
keine  Scheu  vor  den  bestbezeugten  Ereignissen.  Hatte  nicht  der 
grosse  Eusebius  ausdrücklich  zum  Besten  der  Nachwelt  von  der 
wunderkräftigen  Blume  vor  dem  l^ildnis  des  Erlösers  zu  Paneas 
Bericht  gegeben.-)  Die  fränkischen  Theologen  bezweifelten,  kühl 
ironisch,  ob  die  heilende  Pflanze  je  gewachsen  sei.^)  Sie  wussten 
zu  gut,  wie  Heiligenbiographien  entstehen,  um  ihnen  unbesehens 
zu  glauben:  daher  erklärten  sie,  dieser  ganzen  Litteraturgattung 
gegenüber  gelte  der  apostolische  Ausspruch:  Prüfet  alles.^) 

In  dieser  kiitischen  Stimmung  traten  sie  den  Verhandlungen 
und  den  Beschlüssen  von  Nicäa  gegenüber.  Sie  waren  geneigt, 
jedes  Woi-t  zu  bestreiten,  das  dort  gefallen  war.  Es  ist  oft  genug 
gesagt  worden,  wie  häufig  sie  dabei  über  das  Ziel  hinausschössen, 
wie  manches  Missverständnis  und  wie  manche  Missdeutung  der 
Äusserungen  der  Griechen  mit  unterlief,  wie  manche  Sophismen  und 
Flüchtigkeiten  sich  die  Verfasser  zu  Schulden  kommen  liessen."'') 
Aber  damit  ist  dock  das  Urteil  über  die  Karolinischen  Bücher  nicht 
gesprochen;  ebensowenig  damit,  dass  man  daran  erinnert,  dass  die 
Synode  selbst  zwischen  Verehrung  und  Anbetung  unterschieden 
hatte,  und  die  Franken  also  gegen  einen  eingebildeten  Feind  kämpften, 
indem  sie  das  Recht  der  Anbetung  der  Bilder  bestritten.*^) 

Denn  das  Urteil ,  das  Karl  über  die  Bilderverehrung  fällen 
Hess,  war  von  demjenigen,  das  die  Griechen  unter  Zustimmung  des 
Papstes  gefällt  hatten,  thatsächlich  doch  verschieden.  Die  nicänische 
Synode  behauptete  den  religiösen  Wert  der  Bilderverehrung,  Diese 
Behauptung    bestritt   der    fränkische  König.     Die  iVn sieht,    welche 


1)  IV,  5  S.  1191:  Timendura  est,  ne  epistola  .  .  non  verba  sint  viri 
sancti,  sed  cuiusdam  machinamenti  versuti. 

2)  Eus.  h.  eccl.  "VII,  18;  von  dem  Diakon  Epiphanias  in  der  6.  Sitzung 
erwähnt,  ohne  Nennung  des  Eusebius. 

3)  IV,  15  S.  1216:  In  quo  facto  si  tarnen  factum  esse  credatur,  nulla 
imaginum  adoratio  commendatur. 

4)  IV,  11  S.  1203:  Cum  pene  in  omnibus  huiuscemodi  scripturis  haec 
regula  (omnia  probate)  prorsus  sit  observanda,  in  libris  quoque,  qui  gesta 
quorundam  patrum  retinent,  penitus  est  eustodienda. 

5)  Besonders  Hefele  hat  viel  Fleiss  darauf  verwandt,  die  Irrtümer  der 
Karolinischen  Bücher  darzulegen.  Die  Sache  leidet  nur  an  der  Schwierig- 
keit, dass  wir  die  Übersetzung,  welche  ihren  Verfassern  vorlag,  nicht  kennen, 
also  nicht  wissen,  wo  sie  irre  führte,  und  wo  jene  irrten. 

6)  Dieser  Gesichtsj)unkt  von  Mühlbacher  (DG.  unter  d.  Karol.  S.  195) 
stark  betont. 

Hauck,  Kirchengeschichte.   II     2.  Aufl.  21 


—     322      - 

er  durcli  seine  Theologen  vertrat,  war,  class  es  religiös  ganz  gleich- 
giltig  sei,  Bilder  zu  haben  oder  nicht  zuhaben;^)  mit  der  Religion 
habe  iln\e  Verehrung  nichts  zu  tliun,  es  sei  weder  Pflicht,  sie  zu 
verehren,  noch  sie  zu  vernichten;")  man  bringe  sie  in  dmi  Kirchen 
an  zum  Gedächtnis  der  Ereignisse,  welche  sie  darstellen,  und  zum 
Schmucke;  eine  andere  Bedeutung  hätten  sie  nicht,  Karl  liebte 
die  Kunst;  er  hatte  kaum  nötig,  daß  Missverständiiis  auszuschliessen, 
dass  er  ihr  abgeneigt  sei.'')  Aber  er  wusste  zu  unterscheiden 
zwischen  ästhetischer  Erhebung  und  religiöser  Erbauung.  Deshalb 
wies  er  immer  wieder  von  dem  fanatisch  geluhrten  Streit  hinweg 
auf  das  Einzige  hin,  das  in  der  Beligiou  Wert  hat:  die  Projjlieten 
und  Apostel  hätten  nicht  gepredigt:  Verehrt  die  Bilder,  sondeiii: 
Fürchtet  Gott."*)  Der  Herr  sage  nicht:  AVas  ihr  den  Bildern,  son- 
dern: Was  ihr  einem  dieser  (xeringsten  getlian  hal)t,  das  habt  ihr 
mir  gethan;  nicht:  Wer  die  Bilder,  sondern:  Wer  euch  aufnimmt, 
der  nimmt  mich  auf.  Der  Apostel  gel)iete  nicht:  liasst  uns  die 
Bilder  lieben,  sondern:  Lasst  uns  unter  einander  lieben. ''*)  Nicht 
mittelst  sichtl)arei'  Dinge  sei  Gott  zu  suchen,  sondei'n  mit  dem 
Herzen;  nicht  mit  den  Augen  des  Leibes,  sondern  mit  denen  des 
(jleistes  müss(>  man  ihn  erschauen.  Unseliges  Gedächtnis,  rufen  die 
Veifasser  aus,  das,  um  Christi  zu  gedenken,  eines  gemalten  Hildes 
l)edarf,  wiüireiul  doch  Christus  nie  aus  dem  Herzen  der  Frommen 
weichen  daif  das  Chiistum  nicht  anders  in  sich  gegenwärtig  habcMi 
kann,  als  wenn  es  ihn  ;nii  dci'  Wand  oder  sonst  irgendwo  gemalt 
sielit")     .Jene,  heisst  es  ein  anderes  Mal,   riilimen  sich  der  l^ilder, 

1)  II,  21  S.  1085  f.:  Solus  Deus  colondus,  solus  adoramlus,  solus  glori- 
ficandus  est  .  .;  cuius  etiain  sanctis,  qui  triumphato  diabolo  cum  oo  regnant, 
sive  quia  viriliter  certaverunt,  ut  ad  nos  incolumis  status  ecclesiae  perve- 
niret,  .sivo  qvua  eandeni  ecclesiam  assiduis  suHragÜH  ot  intorcossionibiis 
adiuvare  noscuiitur,  veneratio  cxliibenda  ost.  Imagiiics  voro  omni  sui  cultuia 
et  adorationo  seclusa,  utrum  in  Ijasilicis  proptor  mcmoriani  rerum  gostaruni 
et  ornaraentiim  sint  an  etiam  non  sint,  nnlhnn  fidei  catholicao  aHerre  po- 
torunt  praeiudicitini.  quijipo  «uiii  ad  poragonda  nostrae  salutiH  mysteria 
iiiilliim  jionituH  officium  liabpro  noscaniiir. 

'Jj  I'raef.  S.  1000:  Nos  .  .  imaginos  in  oinanioniis  ecclosianuu  ot  memoria 
rorum  gcstarum  habontea  et  solum  Deum  adorantns  ot  oius  sanctis  op))Or- 
tunam  venemtionem  exhibentoB,  noo  cum  illis  trangimu«,  nee  cum  istis 
adoramuB,  sed  illiuH  ineptissimae  synodi  scrijituram  .  .  abnuontos,  institutoris 
noatri  Rormonis  vidpüfot  dominici   nitiTuur  finri  iiKi|ii('<|iia<|iio  s»!quiico3. 

.3)  111,22  8.  1160:  Nullus  sani  rapitis  noquo  imaginibus  dotraliit  noqiio 
arti  pictoriae. 

4)  I,  9  S.  1027;  II,  21  S.  lOxr,;  IV.  18  S.  1222. 

5)  III,  16  S.  1147. 

6)  IV,  2  S.  1187. 


—     323     — 

\vii'  aber  rühmen  uns  des  Kreuzes  unseres  Herrn  Jesu  Christi,  durch 
welches  uns  die  Welt  gekreuzigt  ist,  und  wir  der  Welt.^)  Die 
Anfertigung  und  Verehrung  der  Bilder  wird  unter  den  Gesichts- 
punkt des  äusseren,  in  Gottes  Augen  wertlosen  Dienstes  gestellt: 
sittlich  wertvoll  sei  in  Wahrheit  nur  Gesinnung  und  Wille.-) 

Solche  Stellen  zeigen,  dass  bei  dem  Einspruch  gegen  die  zweite 
nicänische  Synode  neben  den  pohtischen  Motiven  auch  religiöse 
wirksam  waren.  Man  nahm  Anstoss  an  dem  Aberglauben,  der 
sich  in  den  Verhandlungen  der  nicänischen  Synode  breit  machte,^) 
den  man  aber  ebenso  in  dem  Vorgehen  der  Synode  von  754  fand.^) 
Vor  ihm  die  abendländische  Kirche  zu  behüten,  fühlte  sich  der 
König  verpflichtet;  er  fürchtete  von  ihm  eine  Schädigung  der 
Frömmigkeit.  ■"*) 

Die  Karohnischen  Bücher  waren  bestimmt,  auf  die  öffentliche 
Meinung  einzuwirken.  An  nicht  wenigen  Stellen  appellieren  die 
Verfasser  an  das  Urteil  des  Lesers.*"')  Es  ist  charakteristisch,  dass 
Karl  sich  bei  seinem  Vorgehen  gegen  die  nicänische  Synode  auf 
die  Bevölkerung  zu  stützen  suchte.  Nicht  minder,  dass  er  nicht 
im  Namen  der  fränkischen  Kirche  allein  zu  handeln  gedachte, 
sondern  im  Namen  der  abendländischen  Christenheit.  In  Kon- 
stantinopel hatte  man  natürlich  noch  weniger  daran  gedacht,  die 
englische  Kirche  zur  Teilnahme  an  der  Synode  einzuladen.     Hier 


1)  I,  9  S.  1029. 

2)  III,  22  S.  1161:  Omnipotens  Deus  non  opera  sed  devotionem  operum, 
nee  actus  sed  voluntates  actuura,  nee  res  sed  causas  rerum,  nee  quisquis 
faciat,  sed  qua  mente  id  faciat,  plerumque  aut  probat  aut  improbat. 

3)  II,  13  S.  1078:  Saepe  .  .  fateri  cogimur,  quod  .  .  (imaginum)  in- 
solentissima  vel  potius  superstitiosissima  execranda  sit  adoratio;  ebenso  II, 
9  S.  107.5. 

4)  Praef.  S.  1002:  Gesta  est  ante  hos  annos  in  Bithyniae  partibus 
quaedam  synodus  tarn  ineautae  tamque  indiseretae  procacitatis,  ut  imagines 
in  ornamentis  eeclesiae  et  memoria  rerum  gestarum  ab  antiquis  positas 
incauta  abolerent  abdicatione.  Gemeint  ist  die  Synode  von  Konstantinopel. 
S.  1003:  Gesta  praeterea  est  ferme  ante  triennium  et  altera  synodus  illis 
in  partibus  ab  eorum,  qui  priorem  gesserant,  successoribus  vel  a-  plerisque, 
qui  in  priore  fuisse  narrantur:  quae  tarnen  quamquam  a  priore  distet  voto, 
non  tamen  distat  errore,  et  si  dispar  est  negotio,  est  tarnen  compar  flagitio, 
et  cum  sit  posterior  tempore,  non  tamen  est  posterior  crimine. 

5)  II,  21  S.  1085:  Cavendum  illis  est  et  modis  omnibus  pertimescendum, 
ne  dum  imaginum  cultum  et  adorationem  ehristianae  religioni  ingerere 
nituntur,   singularem    unius  Dei   cultum  et   adorationem  frustrari  videantur. 

6)  I,  7  S.  1022;  Quod  ab  illis  est  negligenter  usurpatum  et  a  viris 
venerabilibus  et  spiritu  sancto  repletis  spiritualiter  prolatum,  lectoris  in- 
dustria  sit  diligenter  acceptum.     Ib.  S.  1023  u.  ö. 

21* 


—     324     — 

setzte  der  König  ein.  Er  sandte  im  Jahre  792  die  Synodalakten 
nach  Britannien.  Voll  Schmerz  fanden  die  angelsächsischen  Theo- 
logen liier  Lehren  vorgetragen,  welche  sie  nicht  zu  hilligen  ver- 
mochten: auch  sie  lasen  in  dem  Beschlüsse  von  Nicäa  das  Gehot 
der  Bilderanhetung.  Sofort  war  Alkuin.  der  in  jenen  Jahren  in 
der  Heimat  weilte,  bereit,  aus  der  Heiligen  Schritt  zu  erhärten, 
dass  eine  solche  Lehre  der  Wahrheit  entgegen  sei.  Die  Könige 
und  Bischöfe  der  Angelsachsen  unterzeichneten  seine  Denkschrift. 
So,  als  Erklärung  der  englischen  Kirche,  wurde  sie  dem  Franken- 
könig wieder  übergehen.') 

Auch  Papst  Hadiian  sollte  zustimmen.  Es  giebt  kaum  eine 
zweite  Thatsache,  welche  gleich  drastisch  beweist,  dass  Karl  Hadiian 
ganz  als  abhängiges  Werkzeug  betrachtete,  als  dieser  Vei"such,  den 
Papst  zu  einer  Erklärung  gegen  die  nicänische  Synode  zu  veran- 
lassen. Denn  Karl  konnte  es  nicht  unl)ckannt  sein,  dass  Hadrian 
ihrer  Berufung  zugestimmt,  dass  sie  in  Gegenwart  römischer  Legaten 
stattgefunden  hatte,  und  dass  ihre  Beschlüsse  von  diesen  gebilligt 
w(jrden  waren.  Er  rächte  sich  gi'ausam  für  das  eigenmächtige  Vor- 
gehen Hadrians,  indem  er  von  ihm  die  offene  ISIissbilligung  des- 
selben fordert«".  f]in  demütigenderes  Verlangen  ist  nie  an  einen 
Papst  gestellt  worden. 

Karl  liess  aus  den  Karolinischen  Büchern  fünfundachtzig  Kapitel 
ausziehen,  in  welchen  die  Punkte  verzeichnet  waren,  welche  er  als 
Tn-tümer  der  nicänischen  Synode  betracht^'te.-)  Durch  Angilbert 
von  St.  Riquier  sandte  er  sie  im  Jahre  792  nach  Koni:  Hadrian 
sollte  kraft  seiner  päpstlichen  Autorität  diese  Iirtümer  verwerfen.^) 


1)  Ann.  NordhumL.  z.  J.  792  (M.G.  Scr.  XIII  S.  155). 

2)  Die  Kapitel  sind  in  dor  Gogenschrift  Hadrians  (M.G.  Ep.  V  S.  6  ff.) 
erhalten.  Man  vgl.  über  sie  Hefele,  CG.  III  S.  712  tf.  und  Hanipe,  NA. 
21.  Bd.  8.  bS  ff. 

3)  Hadr.  ep.  S.  7:  Inter  qiiibns  (Angilbertu.s)  edidit  nobis  cai>itularn 
adversum  synoduni,  quae  pro  sacris  iniaginibus  erectione  in  Nicaea  acta 
est.  Syn.  Paris,  a.  825  (Mansi  XIV  S.  422 j:  Cum  (Caiobis^  fjuardani  capi- 
tnla,  quae  roprehonsioni  patebant,  praonotasset  eaquo  per  Angiibcrtuin  ab- 
baten! Hadriano  papae  diroxissnt,  ut  illius  indicio  et  auctoritate  corrigerentur, 
ipse  nirsus  .  .  per  singula  ca]iitula  .  .  rospondere  quae  voluit,  non  tarnen 
quae  decuit  conatus  est.  Da  Angilbert  792  in  Rom  war,  so  unterliegt  die 
Annahme,  er  habe  damals  die  Kapitel  nach  Rom  ülterbracht,  keinnr  Schwierig- 
keit. Karl  übersandte  dann  gleichzeitig  die  Akten  nach  England  und  die 
Kapitel  nach  Rom.  Dasj  dies  Zusammentreffen  jene  Annahme  empfiehlt, 
liegt  auf  der  Hand.  Hampe  wendet  ein,  damals  habe  Angilbert  Felix  von 
Urgel  nach  Rom  geleitet,  und  es  sei  seltsam,  dass  Hadrian  dieser  Ange- 
legenheit nicht   gedenkt  (S.  100  f.).     Allein   sie    war   mit    der   Sendung   des 


—     325     — 

Vergleicht  man  diesen  EntAvoiif  zu  einer  päpstlichen  Erkläiiing 
mit  der  Denkschrift,  welche  im  Namen  des  Königs  ausgegangen 
war,  so  fallen  trotz  der  vollen  Übereinstimmung  des  Inhalts  ■')  ge- 
wisse Verschiedenheiten  auf.  Die  Hauptsache  ist,  dass  die  frän- 
kischen Theologen  der  Stellung  des  Papstes  insoferne  Rechnung 
trugen,  als  sie  den  Kapiteln  einen  ausschliesshcher  theologischen 
Charakter  gaben  wie  den  Karohuischen  Büchern.  An  die  Spitze 
der  ganzen  Reihe  traten  die  Bedenken  gegen  die  dogmatische  Recht- 
gläubigkeit der  Orientalien:  Tarasius  irrt,  da  er  nicht  den  Ausgang 
des  Heihgen  Geistes  aus  Vater  und  Sohn  bekennt;-)  auch  die 
Lehre  der  Orientalen  über  das  Verhältnis  des  Sohnes  zum  Vater 
ist  nicht  unbedenklich;'^)  die  von  einzelnen  Bischöfen  verlesenen 
Bekenntnisse  sind  mangelhaft.*)  Es  stimmt  dazu,  dass  die  Polemik 
gegen  Konstantin  und  L'ene  wenn  nicht  ganz  beseitigt,  doch  be- 
schränkt wurde. ■^)  Auch  das  ist  ein  Unterschied,  dass  man  einiges 
wegliess,    was    dem    Papste    die    Zustimmung    allzusehr    erschwert 


Felix  erledigt,  eine  schriftliclie  Äusserung  des  Papstes  über  sie  bedurfte  es 
nicht  mehr. 

1)  Die  in  zwei  Reihen  von  60  und  25  Sätzen  angeordneten  Kapitel 
stimmen  fast  durchweg  mit  den  Überschriften  der  einzelnen  Abschnitte  der 
Earolinischen   Bücher  überein.     Ohne  Vorlage  in   den  letzteren  sind  II,  19 

,S.  49;  22  S.  53  und  25  S.  54.  Die  Echtheit  des  letzteren  hat  Hampe  S.  89 
dargethan.  Andererseits  werden  folgende  Kapitel  der  Karolinischen  Bücher 
in  dem  nach  Rom  gesandten  Kapitulare  nicht  reproduziert:  I,  2,  3,  6,  19 — 21, 
23,  24,  29,  30;  II,  11,  13,  15-17,  24;  m,  1,  2,  8,  9,  12,  15;  IV,  7,  12,  14—29. 
Man  hat  den  Grund  hiefür  wohl  in  der  Absicht  zu  finden,  die  Zahl  der 
Kapitel  nicht  zu  sehr  anschwellen  zu  lassen.  Die  Ordnung  im  Kapitulare 
weicht  durchweg  von  der  in  der  Denkschrift  ab,  s.  darüber  oben  S.  315,  1. 

2)  I,  1  S.  7.  Der  "Wortlaut  ist  zugleich  verschärft  durch  die  Umsetzung 
des  jUtrum  recte"  in  ,quod  non  recte"  und  durch  die  —  freilich  unglück- 
liche —  Berufung  auf  das  nicänische  Symbol.  Auffäüig  ist,  dass  Hadrian 
diesen  Fehler  übersah,  obgleich  in  Rom  die  konstantinopolitanische  Formel 
ohne  die  Worte  et  filio  in  Übung  war.  Vgl.  I,  3  S.  13  =  L.  C.  III,  5 
S.  1123. 

3)  I,  2  S.  11  =  L.  C.  III,  4  S.  1121. 

4)  I,  4  S.  14  =  L.  C.  III,  6  S.  1124;  I,  5  S.  15  =  L.  C.  III,  7  S.  1127; 
I,  6  S.  16  =  L.  C.  III,  10  S.  1131. 

5)  Der  Vorwurf,  die  Phrase  „per  eum  qui  conregnat  nobis  Dens"  sei 
blasphemisch  (Libr.  Carol.  I,  1  S.  1005),  wird  II,  21  S.  53  zwar  nicht  aus- 
drücklich wiederholt,  aber  die  Wendung  gilt  doch  als  anstössig;  ebenso 
verhält  es  sich  mit  dem  gleichen  Vorwurf  mit  Bezug  auf  die  Worte  ,Ro- 
gamus  tuam  paternitatem  et  maxime  Deus  rogat"  aus  L.  C.  I,  4  S.  1016 
cap.  II,  8  S.  45.  Dagegen  bleiben  Libr.  Carol.  I,  2  und  3  S.  1011  und 
1014  weg. 


—     326     — 

hiittc.  Hadriaii  liatto  seinen  Bedenken  gef^en  die  Reehtnl;is^sigkeit 
der  ( )rdination  des  Tarasius  keine  weitere  Folge  gegel)en  und  mit 
ilmi  als  Patriarchen  verkehrt;^)  dagegen  war  in  den  Kai'oliniselien 
J3ücliern  in  der  sclirutlsteu  AVeise  die  Ungesetzlichkeit  seiner  Weihe 
behau])tet  worden.-)  Man  überging  diesen  Punkt.  Ebenso  unter- 
drückte man  die  Bedenken  gegen  die  von  dem  Papste  benützten 
Silvesterakten. ^)  Das  war  eine  gewisse  Rücksicht.  Aber  sie  ging 
doch  nicht  sehr  weit.  Wenn  schon  in  den  Karolinischen  Büchern 
an  manchen  Stellen  nicht  Sätze  der  Synode,  sondern  Sätze  aus 
dem  Schreiben  Hadrians  bestritten  waren,  so  wiederholte  sich  das 
in  den  Kapiteln.  Karl  mutete  dem  Papste  zu,  dass  er  AVorte,  die 
er  selbst  geschrieben  hatte,  als  nichtig  und  absurd,"*)  Zitate,  die  er 
gebraucht  hatte,  als  irrig  tadelte.'') 

Hadrian  hat  es  an  Fügsamkeit  gegen  den  Willen  Karls  nie- 
mals fehlen  lassen.  Aber  diese  Forderung  ging  ihm  zu  weit.  Er 
antwortete  in  der  friedfertigsten  Weise;  kein  ungehaltenes  Wort 
über  das  exorbitante  Verlangen  Karls  entfuhr  ihm.")  Aber  er 
wahrte  seine  Stellung.  Es  war  wohl  überlegt,  dass  er  sein  Ant- 
wortschreiben mit  einer  Erinnerung  an  den  Primat  des  Petrus  und 
seiner  Nachfolger  begann.^  Das  war  der  schwache  Punkt  in  ilcr 
Stellung  Karls,  dass  er  den  päjistlichen  Primat  anerkannte,  widn'end 
die  liechte,  die  er  in  der  Kirche  übte,  die  ganze  Stellung,  die  er 
in  ihr  einnahm,  den  Primat  verletzten.  Im  weiteren  aber  wagte' 
Hadiiin  die  Verteidiginig  aller  von  Karl  angegritleneii  Sätze.  Er 
vei*walirte  sich  dagegen,  dass  er  rede,  um  irgend  einen  Menschen 
zu  rechtfertigen:  er  vertrete  die  alte  Tradition  der  römischen  Kirche 


1)  Hrief  Hadrians  an  Tarasius  (J.W.  2449). 

2)  111,2  S.  lllö:  (Tarasius)  por  roni  penitus  intonlict;im  et  nuIlatonuR 
proficientom  —  Beförderung  der  Hildcrvorehrung  —  nititur  omendaro  rem 
ponitus  intordictam  et  prorsus  officientem  —  seine  Ordination. 

3)  S.  o.  S.  320  Anm.  3. 

4)  I,  24  S.  27:  Indoctc  et  inordinate  di<unt,  die  Stelle  ist  aus  Hadrians 
Krief  an  Konstantin  und  Irene  (Mansi  XII,  10(i4).  I,  26  S.  27:  Quod  vana 
sit  spcs  eorum  etc.  Der  Papst  sjuicht  in  seinem  Hriefe  S.  1005  die  j,'ntado]lo 
Hntl'nung  aus.  I,  47  S.  36:  Quam  absurde  agunt,  das  tritl't  wieder  Hadriiin 
S.  1064. 

5)  I,  37  S.  33  ein  Zit«t  aufl  Cyrill  als  unbrauchbar  verworfen;  s.  «Inn 
Brief  des  Papstes  S.  106^. 

6)  Hadrian  hebt  seinrn  sanften  Ton  sollist  horvor:  1,  47  S.  36:  lam 
superius  mitissime  exaravimus.  Doch  ist  der  Text  zweifelhaft;  nach  Hampo 
lautet  die  Lesart  nitissime.  Er  lässt  die  Frage,  ob  raitissime  oder  nitidissime 
zu  verbessern  sei,  offen. 

7)  S.  6. 


—     327     — 

aß 

und  die  Lehre  seiner  Vorgänger.^)  Aber  wie  die  fränkisclien  Theo- 
logen alles  angriffen,  so  vertrat  er  alles,  was  von  der  nicänischen 
Synode  ausgegangen  war:  weder  schreckte  ihn  die  thatsächliche 
Verschiedenheit  der  niorgenländischen  und  abendländischen  Lehre 
über  den  Ausgang  des  Heiligen  Geistes  davon  ab.  die  Äusserungen 
der  Orientalen  über  diesen  Punkt  für  rechtgläubig  zu  erklären,-) 
noch  konnte  er  sich  entschhessen,  die  sinnlosesten  Phrasen  byzan- 
tinischer Kiiecherei  zu  tadeln.*^)  Der  Einfluss,  den  die  Kaiserin 
L-ene  auf  die  Synode  geübt  hatte,  schien  ihm  so  wenig  gegen  das 
kirchhche  Dekorum  zu  Verstössen,"*)  als  die  Beziehung  von  Schrift- 
stellen wie  Psalm  12,  4  auf  die  gestürzten  Bilderfeinde, ''^)  oder 
Psalm  125,  3  auf  den  Sieg  der  Bilderverehrer*^)  gegen  jeden  Ver- 
stand in  der  Schi'iftanwendimg.  Von  den  kritischen  Neigungen  der 
fränkischen  Theologen  war  er  ganz  unberührt.  Hatten  sie  die 
Authentie  des  Briefwechsels  Jesu  mit  Abgar  angefochten,  da  die 
Evangehen  nichts  davon  A\üssten,  so  hielt  er  sie  fest,  da  sein  Vor- 
gänger, Papst  Stephan,  den  Brief  Jesu  ausdrückhch  zitiert  habe.'^) 
Hatten  jene  behauptet,  dass  die  Bilderverehrung  weder  diu-ch  das 
Beispiel  noch  durch  die  Lehre  der  Apostel  gestützt  werden  könne, 
so  erwiderte  er  triumphierend,  der  heihge  Dionysius.  der  Areopagit, 
der  Bischof  von  Athen  gewesen,  bezeuge  sie  in  seinem  Briefe  an 
den  Evangelisten  Johannes.**)  Urteilten  jene,  keine  der  sechs  all- 
gemeinen Synoden  habe  die  Bilders^erehnmg  geboten,  so  entgegnete 
er,   es    habe  sie   auch  keine  verboten,    vielmehr  sei  schon  auf  dem 


1)  L.  c. 

2)  I,  1  S.  7:  Hoc  dogma  Tarasius  non  per  se  explanavit  sed  per  doc- 
trinam  sanctorum  patrum  confessus  est. 

3)  I,  16  S.  22  werden  die  , göttlichen  Ohren"  Justinians  verteidigt. 

4)  I,  53  S.  39:  auch  Helena  habe  mit  ihrem  Sohne  Konstantin  und 
Papst  Silvester  eine  Synode  abgehalten.  Gemeint  ist  die  angebliche  erste 
Synode  gegen  die  Juden  (Mansi  11,  85  f.).  Dass  in  der  Schlusssitzung  die 
Kaiserin  Irene  den  Vorsitz  führte,  war  durch  diese  Analogie  freilich  nicht 
gerechtfertigt.  Diese  im  Protokoll  rühmend  erwähnte  Thatsache  (S.  413: 
a-jTTJ;  -po/.xiJ-i^ä'jrjc)  verschweigt  übrigens  nicht  nur  Hadrian.  Auch  aus 
Hefeies  Erzählung  (CG.  III  S.  474)  kann  sie  derjenige,  welcher  sie  nicht 
kennt,  unmöglich  herauslesen. 

5)  I,  40  S.  34:    Disperdat   dominus    universa    labia    dolosa    et    linguam 
magniloquam. 

6)  I,  43  S.  35:  Quoniam  non  derelinquet  dominus  virgam  peccatorum 
super  sortem  iustorum,  ut  non  extendant  iusti  ad  iniquitatem  manus  suas. 

7)  I,  18  S.  23;  vgl.  Stephans  Erklärung  auf  der  Lateransynode  von  769 
(Mansi  XH  S.  722). 

8)  I,  36  S.  32. 


—     328     — 

ersten  h.  Konzil  ineln-facli  dargetliau  worden,  dass  Papst  Silvester 
und  der  allercluistliebste  Kaiser  Konstantin  die  Bilder  verehrten.') 

Doch  wichtiger  als  dieser  Streit  über  Einzelheiten  ist,  dass  die 
päl)stliche  Autwort  deutlich  erkennen  lässt,  wie  klar  Hadrian  sich 
ül)er  die  Tragweite  der  Verhandlungen  war.  Er  verbarg  sich  nicht, 
dass  der  Widerspruch  der  Fraidcen  die  römischen  Päpste  traf.  Den 
gegen  seinen  Brief  an  Konstantin  und  Irene  gerichteten  Einwand, 
es  sei  absurd,  sich  für  die  Bilderverehrung  auf  die  Heiligtümer  des 
Alten  Testaments,  Bundeslade  und  Cherubim,  zu  berufen,  beant- 
wortete er  mit  der  Bemerkung,  dass  seine  Vorgänger  auf  ihren 
Synoden  dies  gethan  hätten.')  Je  bestimmter  Karl  seine  L'berein- 
stimmung  mit  der  Lehre  der  römischen  Kirche  liehauptete,  um  so 
mehr  Gewicht  hatte  diese  Antwort.  Den  Anspnich  der  fränkischen 
Kirche,  gehört  zu  werden,  wenn  es  sich  um  eine  Entscheidung  der 
allgemeinen  Kirche  handelte,  erkannte  er  nicht  an:  er  wies  den 
Vorsvuif  zurück,  dass  die  Griechen  durch  die  Synode  zu  Nicäa 
sicli  einen  Übergriff  hätten  zu  Schulden  kommen  lassen;"')  in  der 
entschiedensten  Weise  behauptete  er  die  Kechtsgiltigkeit  der  nicä- 
nischen  Beschlüsse:  wer  von  ihnen  abweiche,  der  sei  auch  von  den 
sechs  ersten  Synoden  abgefallen.^). 

Niemals  ist  Hadrian  Karl  so  entschieden  entgegengetreten  als 
in  diocni  Moment.  Auch  wenn  man  mit  seinem  Standpunkt  in 
der  Bildeifrage  nicht  symi)athisiert,  könnte  man  geneigt  sein,  seinem 
Mut  die  Anerkennung  nicht  zu  vei-sagen,  die  der  Schwache  findet, 
wenn  er  das  Kecht  seiner  Überzeugung  gegen  den  Stäi-keren  ver- 
teidigt. Aber  der  Schluss  seines  Briefes  macht  jede  Anerkennung 
unmöglich.  Er  erwähnt  die  von  den  Griechen  eingezogenen  Patri- 
monien der  römischen  Kirche:  zwar  habe  er  sie  von  Konstantin 
zuiückgefordert,  al)er  dieser  habe  nicht  mit  einem  Worte  darauf  er- 
widert; das  zeige,  dass  er,  zwar  in  einem  Piuikte  von  dem  Irrtum 
bekehrt,  im  übrigen  an  ihm  festhalte.  Gefalle  es  nun  dem  König, 
so  werde  er  Konstantin  kund  thuii.  dass.  wenn  er  sich  weigere,  die 
Patrimonien  zu  restituieren,  er  ob  solchen  hartnäckigen  Irrtums 
h.iliter  als  Häretiker  von  der  Kirche  ausgeschlossen  sei.  Denn,  so 
schhesst  Hadrian,    wir    wünschen   sehnücher,    das  Heil   der  Seelen 


1)  II,  19  S.  49. 

2)  I,  47  S.  36. 

3)  I,  52  S.  .30:  Uli  non  anathpmatiz.iverunt  catliolicam  ecclesiara,  sed 
magi.s  ad  eam  revorsi  anathomatizaverunt  pseudosillogum  illud  una  cum 
complicilius  eiua  haereticis,  qui  eacras  imagines  in  sancta  ecclesia  a  priscis 
temporiV)U3  constitutafl  inverecunde  et  incaute  non  soluni  deposuerunt,  sed 
insuper  inccnderunt. 

i)  I,  60  S.  42. 


—     329     — 

und  die  Beständigkeit  des  rechten  Glaubens  zu  bewahi-en,  als  diese 
Welt  zu  besitzen.^) 

Man  möchte  wünschen,  dass  Hadrian  diese  Zeilen  nicht  ge- 
schrieben hätte;  sie  stellen  ihn  morahsch  tiefer  als  alles,  was  sonst 
von  ihm  und  über  ihn  erhalten  ist.-) 

ßom  und  die  fränkische  Kirche  nahmen  im  Momente  einen 
ausgesprochen  entgegengesetzten  Standj^unkt  ein.  Doch  von  Anfang 
an  war  es  wenig  wahrscheinlich,  dass  es  zu  einem  emsthchen  Streit 
zwischen  beiden  kommen  würde.  Die  Kräfte  waren  zu  ungleich; 
Hadrian  war.  schon  als  er  sich  zur  Verteidigung  der  nicänischen 
Synode  aufralfte,  zm-  Nachgiebigkeit  verurteilt.  Durch  seinen  Vor- 
schlag, Konstantin  VI.  als  Räuber  des  Kirchenguts  zu  bannen, 
hatte  er  seine  BereitwiUigkeit,  nachzugeben,  bereits  angekündigt. 
Auf  diesen  Vorschlag  ging  Karl  indes  nicht  ein;  wie  es  scheint, 
wih'digte  er  ihn  nicht  einmal  einer  Antwort.  Er  wollte  klare  Bahn: 
die  griechische  Synode  sollte  durch  eine  fränkische  verworfen  werden, 
und  diese  sollte  als  Synode  der  abendländischen  Welt  in  Gegen- 
wart päpsthcher  Legaten  tagen.  Die  Demütigung,  welche  Hadrian 
meinte  vermeiden  zu  können,  war  Karl  entschlossen,  ihm  nicht  zu 
ersparen. 

Wir  -«issen  nicht,  wie  Hadrian  diese  Forderung  au&ahm.  Die 
wortkarge  Überlieferung  dieser  Zeit  berichtet  nur  die  nackte  That- 
sache,  dass  er  die  Bischöfe  Theophylakt  und  Stephan  als  Stellver- 
treter zu  der  Spiode  von  Frankfiu-t  794  abordnete."^)  Von  den 
Verhandlungen  in  Frankfurt  ist  keine  Kunde  auf  uns  gekommen. 
Alkuin,  der  sonst  nicht  gerade  verschwiegen  war,  wohnte^)  der  Ver- 

1)  S.  57. 

2)  Hampe  S.  93  beurteilt  Hadrians  Äusserung  weit  milder;  er  findet 
nur  gesagt,  Hadrian  wolle  nicht  um  die  Welt  von  dem  orthodoxen  Glauben 
abweichen.  Dabei  ist  aber  auf  den  unmittelbaren  Anschluss  des  Satzes 
Plus  enim  an  das  Vorhergehende  verzichtet;  dieser  fordert  das  im  Text  ge- 
gebene Verständnis. 

3)  Ann.  Einh.  Lauriss.  Fuld.  Chron.  Moiss.  z.  J.  794. 

4)  Cap.  28,  56  S.  78.  Hefele  (CG.  III  S.  712)  findet,  dass  die  päpst- 
lichen Legaten  bei  Aufstellung  des  zweiten  Kanons  der  Synode  „in  nicht 
geringe  Verlegenheit"  gebracht  werden  mussten.  Das  ist  sehr  sachte  ge- 
redet. Ich  finde,  dass  Karl  nicht  einmal  Tassilo  so  grausam  bestrafte  als 
Hadrian:  er  hat  ihn  durch  die  Frankfurter  Synode  moralisch  vernichtet. 
Was  er  den  Franken  noch  galt,  sieht  man  aus  dem  Urteil  der  Pariser 
Synode  von  825  (Mansi  XIV  S.  422):  Hadrianus  favendo  illis,  qui  eins 
instinctu  tarn  superstitiosa  quamque  incongrua  testimonia  memorato  operi 
inseruerant,  per  singula  capitula  in  illorum  excusationem  respondere  quae 
voluit,  non  tarnen  quae  decuit,  conatus  est.  Talia  quippe  quaedam  sunt, 
quae    in   illorum   obiectionem  opposuit,   quae  remota  pontificali  auctoritate 


—      330     — 

sMinuiliuig  bei:  mIut  in  kciucin  seiner  Jiriet'e  eiwiilint  er  sie.  War 
ihiu  der  Zwiespalt  zwischen  seinem  König  und  dem  Papste  leid, 
oder  missbilligte  er  das  Verhalten  des  letzteren?  Doch  das  knappe 
Protokoll  verkündigt  die  völlige  Unterwerfung  Hadrians  unter  den 
AVillen  des  Königs:  Nachdem  unter  Gottes  Schutz  kraft  aposto- 
lischer Autorität  und  nach  dem  Befehl  unseres  fronnuen  Herrn,  des 
Königs  Karl,  im  26.  Jahre  seiner  Regienmg  alle  Bischöfe  und 
Priester  des  Reichs  der  Franken,  auch  Italiens,  Atpiitaniens  und 
der  Provence  in  AnAvesenheit  unseres  gnädigen  Herrn  selbst  sich 
zu  einer  Synode  versannnelt  hatten,  wurde  die  Frage  nach  der 
neuen  Synode  vorgelegt,  welche  die  Griechen  über  die  Anbetung 
der  Bilder  zu  Konstantinopel  gehalten  haben,  und  in  welcher  sie 
bestimmten,  dass,  wer  den  Bildern  nicht  ebenso  wie  der  heiligen 
Dreieinigkeit  Dienst  und  Anbetung  zollt,  mit  dem  Anathema  be- 
legt sei.  Unsere  heiligen  Väter  aber  verweigerten  duix'haus  den 
Bildern  Anbetung  und  Dienst,  verwarfen  die  Synode  und  verdamm- 
ten alle,  die  ihr  beistinmiten.^) 

Karl  setzte  seinen  Willen  durch:  Hadrian  inusste,  wie  alle, 
die  ihm  zu  widersprechen  w^agten,  erfidiren,  dass  er  keine  llber- 
zeugung  duldete,  die  von  der  seinen  abwich:  das  ist  der  dämo- 
nische Zug  in  Karls  Wesen;  aber  darauf  l)erulit  die  Kraft  des 
HeiTschers.'^ 

Die  öftentliche  Stimme  hatte  Karl  auf  seiner  Seite:  die  Fran- 
ken freuten  sich  der  ..allgemeinen"  Synode,  welche  ihr  König  in 
ihrem  Laiule  versannnelt  hatte,'')  und  sprachen  voll  Abscheu  von 
der  Pseudosyuode  der  Griechen,  welche  diese  die  siebente  uiul  allge- 


ct  voritati  ot  auctoritati  refragantur.  Sed  licet  in  ipsis  obioctionibus  ali- 
i|uando  absona,  aliqiiando  inconvenientia,  ali(|uando  etiam  roprehensioni 
ilii,'na  tostimonia  dofonsionis  pratia  proferre  nisus  sit,  etc.  Man  bemerke 
die  Bjiitzige  Beziehung  auf  die  Versicherung  des  Papstes  S.  7.  Was 
Langen  (r4e.'?ch.  d.  röm.  K.  S.  758  f.)  sagt,  scheint  mir  aller  Wahrschein- 
lichkeit zu  entbehren.  Dass  die  Voranstelhing  dor  päpstlichen  Autorität 
im  Frankfurter  Kapitular  tendentiös  ist,  liegt  auf  der  Hand.  Sie  muss  die 
Verdammung  der  nicänischen  Synode  decken.  Karl  hatte  also  don  Tapst 
zur  Unterwerfung  gezwungen. 

1)  Cap.  28,  1  f.  S.  73  f. 

2)  Hampe  nimmt  nach  Hino.  adv.  Hinc.  Laud.  20  an,  dass  die  Karol. 
FJürher  nach  der  Frankfurter  Synode  durch  die  päpstlichen  Legaten  an  Hadrian 
geschickt  worden  seien.  Auch  hier  scheint  mir  Hinkmars  Zeugnis  nicht 
gerade  viel  Gewicht  zu  haben.  Die  Annahme  aber  wird  dadurch  schwierig, 
dass  dann  Hadrian  auf  die  Zusendung  geschwiegen  hätte.  Er  konnte  aber 
viel  leichter  einen  ohne  ihn  gefassten  Beschluss  ignorieren  ,  als  auf  eine 
solche  direkte  Anffordcning  zu  reden,  schweigen. 

3)  Chron.  Moiss.  z.  .T.  794  S.  300:   Congregavit  universalem  synodum. 


—     331     — 

meine  zu  nennen  sich  anmasstenJ)  Die  Verwerfung  der  nicänischen 
Synode  stand  noch  lange  nach  Karls  Tod  im  fränkischen  Reiche 
als  zweifellos  berechtigt  fest.^) 


Karl  hatte  in  den  Verhandlungen  ül)er  die  nicänische  Synode 
gelegentlich  die  Frage  über  den  Ausgang  des  Heiligen  Geistes  be- 
rührt."^) Er  Amsste  sehr  wohl,  dass  sie  ihm  eine  scharfe  Waffe 
gegen  die  Griechen  darbot.  Nachdem  er  die  Anerkennung  der 
siebenten  allgemeinen  S}Tiode  von  Seiten  der  abendländischen  Kirche 
verhindert  hatte,  dachte  er,  me  es  scheint,  den  Streit  gegen  die 
Griechen  fortzusetzen,  indem  er  diesen  Lehrpunkt  in  den  Vorder- 
grund rückte.  Dass  Hadrian  keine  Neigung  gezeigt  hatte,  hier 
einen  L-rtuni  der  Griechen  anzuerkennen,  hinderte  ihn  nicht  im 
mindesten.  Der  Theologen  seines  Reichs  war  er  auch  in  dieser 
Frage  sicher.  Einer  der  hervorragendsten,  Paulinus  von  Aquileja, 
scheint  beauftragt  gewesen  zu  sein,  den  ersten  Scluitt  zu  thun.  Er 
hielt  im  Jahre  796  eine  Provinzialsynode  in  Cividale.  "Wenn  er 
diesellje  mit  einer  eingehenden  Rede  über  die  Lehre  vom  Ausgang 
des  Heiligen  Geistes  eröffnete  und  wenn  er  sodann  als  sein  Glau- 
bensbekenntnis die  im  dritten  Artikel  erweiterte  konstantinopoli- 
tanische  Formel  vortrug,'*)  so  liegt  hier  gewiss  kein  Spiel  des  Zu- 
falls vor:  er  war  zu  dieser  Rede  aufgefordert,  er  hatte  ihre  Abhal- 


1)  Ann.  Lauriss.  Einh.  Fuld.  z.  J.  794. 

2)  Syn.  Paris,  a.  825  (Mansi  XIV  S.  421):  Ex  buius  epistolae  textu 
(dem  Briefe  Hadrians)  imperator  et  clerus  simulque  et  populus  auctoritatem 
sumentes  synodum  fecerunt,  in  qua  .  .  non  mediocriter  erraverunt,  qui  eas 
non  solum  coli  et  adorari  et  sanctas  nuncupari  sanxerunt,  verum  etiam 
sanctimoniam  ab  eis  se  adipisci  professi  sunt.  Die  im  Texte  gegebene  Dar- 
stellung weicht  von  der  herkömmlichen  ab;  die  letztere  lässt  die  Karoli- 
nischen  Kapitel  nach  der  Frankfurter  Synode  nach  Rom  gesandt  werden. 
Hadrian  behält  dann  das  letzte  Wort.  Die  ganze  Unwahrscheinlichkeit 
dieser  Fassung  tritt  an  den  Tag,  wenn  Langen  (Gesch.  d.  röm.  K.  S.  764) 
bemerkt:  Karl  scheint  geschwiegen  zu  haben,  weil  er  sich  mit  dem  Papste 
nicht  verfeinden  wollte.  In  der  That  hatte  Karl  nicht  den  mindesten  Grund, 
die  Feindschaft  Hadrians  zu  fürchten,  Hadrian  dagegen  sehr  viel  Ursache, 
vor  dem  König  zu  zittern.  Karl  hat  sich  niemals  Hadrians  Ansichten  ge- 
fügt, Hadrian  dagegen  immer  dem  Willen  Karls.  So  wird  das  Verhältnis 
auch  in  diesem  Falle  gewesen  sein.  Die  von  Langen  behauptete  , sonder- 
bare Lage"  des  Papstes,  dass  er  von  Karl  dogmatisch  getrennt  war, 
muss  nach  der  herkömmlichen  Darstellung  angenommen  werden.  Sie  wäre 
so  sonderbar  gewesen ,  dass  man  sie  einfach  für  unmöglich  erklären  darf; 
sie  wurde  vermieden,  indem  Hadrian  that,  was  er  immer  that:  er  gab  nach. 

3)  Libr.  Carol.  HI,  3  S.  1117;  Cap.  Carol.  I,  1  S.  7. 

4)  Mansi  XIII  S.  842. 


—     332     — 

tuii^'  vei-sprochcn.')  Die  poleinisclie  Beziehung  aiit"  die  Erkläningon 
Hiidriaiis  ist  augeiitallig:  dieser  hatte  nicht  nur  die  griechische 
Formel  als  rechtgläuhig  gehilhgt,  er  hatte  auch  erklärt,  sie  sei  in 
der  römischen  Kirclie  üblich,'^)  er  hatte  jede  iVbvveichung  von  den 
Symbolen  venvoifen.'^)  Paulinus  wusste  nun  sehr  gut,  dass  das 
nicänische  Symbol  im  dritten  Artikel  nur  die  "Worte  enthielt  „und 
an  den  Heiligen  Geist";*)  er  wusste  natürlich  auch,  dass  in  Rom 
die  koiistantinopolitanische  Formel  als  nicänische  üblich  war;  und 
er  argumentierte  deshalb  e  concessis,  wenn  er  behauptete:  eine  Er- 
weiterung, eine  schärfere  Fassung  des  Symbols  sei  keine  ^'erände- 
rung  desselben,  und  wenn  er  deshalb  die  Einfügung  des  fibocjue  in 
den  dritten  Artikel  für  berechtigt  erklärte/') 

Er  vertrat  damit  die  abendländische  Lehre,  zugleich  aber  auch 
das  Reclit  der  in  der  fiänkischen  Kirche  üblichen  Formel  gegen- 
über der  in  Rom  festgehaltenen  lUteren. 

Weitere  Schritte  unterblieben  zunächst.  Der  Grund  liegt  da- 
nn, dass  die  Beziehungen  zu  Konstantinopel  sich  wieder  freund- 
licher gestalteten.  Konstantin  VI.  knüpfte  die  abgerissene  Verbin- 
dung mit  dem  abendländischen  Herrscher  wieder  an,  indem  er  im 
Herbste  797  durch  einen  eigenen  Gesandten  Karl  einen  Brief  über- 
bringen Hess.  Karl  zeigte  durch  den  grossartigen  Empfang,  den 
er  dem  Gesandten  bereitete,  und  durch  seine  rasche  Wiederent- 
lassung, dass  er  sehr  bereit  war,  auch  seinerseits  entgegen  zu 
kommen.'')  Das  gute  Verhältnis  zwischen  den  beiden  Mächten 
wurde  in  den  nächsten  Jahren  nicht  gestört:  zumal  s(Mt  der  Kaiser- 
krönung  bildete  dessen  Erhaltung  eines  der  Ziele  der  Politik  Karls. '^ 

Dagegen  kam  es  in  den  letzten  Jahren  Karls  zu  neuen  Ver- 

1)  L.  c.  S.  835:  De  mysterio  namque  sanctae  et  mirabilis  Trinitatis 
planioiR  me  repromisisse  protitoor  sermone  dicturum. 

2)  Kp.  ad  Carol.  Kesp.  1  S.  10.  Sed  et  sancta  catholica  et  apostolica 
eccleeia  ab  ipso  s.  Gregorio  papa  ordo  missarum,  .soloranitatum,  orationum 
suscipiens,  plura»  nobis  edidit  orationes,  ubi  Spiritum  sanctum  per  dominum 
nostrum  Jesum  Christum  inf'undi  atque  illustrari  et  confimiari  noa  suppli- 
citer  pctere  docuit.  Dass  damit  gepen  den  Satz  der  fränkischen  Theologen 
nichts  bewiesen  war,  ist  klar. 

3)  L.  c,  Resp.  2  S.  11:  Si  quis  alium  tcrminum  fidei  sive  symbolum 
aut  doctrinam  habet  praeter  quod  traditum  est  a  sanctis,  magnis  et  uni- 
versalibus  sex  synodis  .  .  talem  impium  anathcmatizamus.  Aus  den  Akten 
der  Lateransynode  von  TGit  wiederholt. 

4)  Syn.  Korojul.  (Mansi  XIII  S.  8.%). 

5)  L.  c.  S.  835  f. 

6)  Ann.  Laurisa.  Einh.  z.  J.  797;  vgl.  Harnack  ,  Das  karol.  und  byz. 
Reich  S.  37. 

7)  Vgl.  Simson,  JB.  S.  281  f. 


—     333     — 

handlungen  über  den  Ausgang  des  Heiligen  Geists.  Sie  spitzten 
sich  jetzt  dahin  zu,  ob  die  in  der  Laterankirche  oder  die  im  Aachener 
Münster  gebräuchhche  Formel  massgebend  sein  solle. 

Karl  fühlte  sich  als  Beschützer  der  Christen  im  heiligen  Land.^) 
Er  stand  in  Verkehr  mit  dem  Patriarchen  von  Jerusalem;  dieser 
sandte  ihm  Reliquien  vom  heiligen  Grab;-)  der  König  erwiderte 
die  Gabe,  indem  er  Weihgeschenke  für  die  heiligen  Orte  und  Gaben 
für  die  Armen  nach  Palästina  scliickte."^).  Überhaupt  fehlte  es 
nicht  an  Verkehr  zwischen  dem  fränkischen  Reich  und  Palästina. 
Auch  Alkuin  w^echselte  wohl  einmal  einen  Brief  mit  dem  Bischof 
von  Jerusalem:  er  bat  ihn  um  seine  Fürbitte,  versicherte  ihn  des 
gleichen  Dienstes,  den  er  ihm  leiste.'*)  Dass  fränkische  Bischöfe 
Jerusalem  besuchten,  luu  dort  den  Reliquienschatz  ihrer  Kirchen 
zu  bereichern,  Avar  nicht  ganz  selten.''^)  Besonders  aber  führte  die 
Sehnsucht  nach  den  heihgen  Orten  fränkische  Mönche  dauernd  ins 
Morgenland:  sie  hatten  ein  Kloster  auf  dem  Ölberge.")  Dort  leb- 
ten sie  in  der  heimischen  Weise,  hielten  besonders  den  Gottesdienst 
so,  wie  sie  es  in  der  Heimat  gewohnt  w^aren:  das  konstantinopoli- 
tauische  Symbol  gebrauchten  sie  mit  dem  Filioque.') 

AVie  hätte  das  unbemerkt  bleiben  können.  Die  Eifersucht  der 
einheimischen  Mönche  gegen  die  fremden,  die  nationale  Antipathie 
der  Griechen  gegen  die  Abendländer  wirkten  zusammen,  den  Streit 
zu  erregen.  Der  AVortführer  der  Giiechen  war  der  Mönch  Johannes 
aus  dem  Sabaskloster  bei  Jerusalem:  er  erklärte  die  h'änkischen 
Mönche,  ja  die  Franken  insgesamt  für  Häretiker.  Als  die  Brüder 
aus  dem  Olbergkloster  am  Weihnachtsfeste  808  die  Kirche  ad 
praesepe   in  Bethlehem  besuchten,    erregte  er  das  Volk  gegen  sie: 


1)  Vgl.  V.  Karol.  16. 

2)  Ann.  Lauriss.  Einh.  z.  J.  799  und  SOO;  Chron.  Moiss.  z.  J.  801  S.  305; 
vgl.  Ale.  ep.  214  S.  358;  Ann.  Einh.  z.  .1.  807. 

3)  Ann.  Lauriss.  z.  J.  800,  Einh.  z.  J.  799;  V.  Karol.  16  und  27. 

4)  Ale.  ep.  210  S.  350. 

5)  Madelveus  von  Verdun  um  750  (Gest.  ep.  Vird.  12,  M.G.  Scr.  IV 
S.  44),  Fortunatus  von  Grado  (Ann.  Einh.  z.  J.  803). 

6)  Brief  der  Congreg.  mont.  Oliv,  an  Leo  lU.  M.G.  Ep.  V.  S.  64  ff. 
Nr.  7.  Die  congregatio  montis  Oliveti  bezeiehnet  ihre  Glieder  als  nos  qui 
sumus  hie  in  sancta  civitate  Jerusalem.  Die  Griechen  sagen:  Franci,  qui 
sunt  in  monte  Oliveti. 

7)  L.  c.  S.  65  erklären  die  fränkischen  Mönche:  Dieimus  in  nostra 
lingua,  quae  vos  non  dieitis  in  Graeca:  et  in  , Gloria  patri"  non  dicitis 
jsieut  erat  in  principio";  et  in  , Gloria  in  excelsis"  non  dicitis  ^tu  solus 
altissimus";  et  , Pater  noster"  alio  modo  dicitis;  et  in  symbolo  nos  dieimus 
plus  quam  vos  ,qui  ex  patre  filioque  procedit". 


—     334     — 

man  wollte  sie  aus  der  Kirche  vertreiben;  sie  aber  erklärten,  sie 
^viirden  lieber  sterl)eu  als  weichen,  und  widersetzten  sieh.  Mau 
wagte  doch  nicht.  Gewalt  anzuwenden. 

Die  Mönche  beschwerten  sich  nun  über  Johannes  bei  dem 
Klerus  von  Jerusalem.  Es  kam  am  Sountaji  darnach  zu  einer  Art 
Synode,  auf  der  sie  verh<irt  wurden :  die  Verschiedenheit  des  Gottes- 
dienstes und  des  Symbols  war  unleugbar.  Doch  begnügte  sich  die 
Synode  mit  der  Erklärung  der  fränkischen  Mönche,  dass  sie  den 
gleichen  Glauben  hätten  wie  die  Kirchen  zu  Jerusalem  und  Rom, 
und  erkannte  sie  für  rechtgläubig.') 

Durch  diese  Verhandlungen  waren  nun  aljer  die  ]\rönche  selbst 
ül)er  die  Berechtigung  ihres  Symbols  zweifelhaft  geworden.'^)  Sie 
suchten  Belehrung  bei  der  höchst(>n  kirchlichen  Autorität  des  Abend- 
landes. In  einem  offenen,  treuherzigen  Schreiben  legten  sie  IjCO  111. 
die  ganze  Sache  vor.  Dieser  übci'gab  ihnen  alsbald  ein  Glaubens- 
synd)ol,'')  überschickte  al)er  zu  gleicher  Zeit  ihren  Brief  samt  seiner 
Formel  an  Kail^) 

Man  l)emerkt  wieder,  wie  dieser  seine  Stellung  in  der  Kirche 
ansah,  da  er  die  päpstliche  Antwoil  nicht  als  Erledigung  der  An- 


1)  L.  c.  S.  65. 

2)  A.  a.  0.:  J)ura  essem  ego  Leo  servus  vester  atl  sancta  vestigia 
vestra  et  ad  iiia  vestigia  doiiini  Karoli  pii.ssinii  imj>oratoris  tilii((iie  vestri, 
anilivimus  in  capclla  eius  dici  in  synibolo  tidoi:  Qui  ex  i»alio  filiixjuo 
piocodit.  Kt  in  liomilia  8.  Gregorii,  quam  noUis  iiliu«  vester  doninu.s  Karolus 
imperator  dedit,  in  parabola  octavanim  paHchae,  ubi  dixit:  Sed  eiuH  missio 
ijisa  processio  est,  (pii  de  patve  procedit  et  tilio.  Kt  in  regula  s.  Henedicti, 
(juani  nobis  dedit  filins  vester  doninus  Karolus  .  .  dicit:  Credo  spiritum 
sanrtuni  Deum  verum,  ex  patre  procednntom  et  lilio.  Kt  in  dialogo,  (|uom 
nobis  vostra  sanctitas  daro  dignata  est,  similiter  dicit.  Kt  in  lido  s.  Athanasii 
oodem  modo  dicit.  S.  66:  Kt  in  Graeco  non  dicunt  sicut  nos;  sed  dicunt: 
<.2ui  ex  patre  procedit,  et  vidont  istum  sermonem  graveni,  (jucm  nos  dicimus 
in   Latino. 

'A)  Man  nimmt  allgemein  an.  dasa  die  Mansi  Xlil  S.  97H  gedruckte 
Formel  damals  nach  .Terusalem  übersandt  wurde.  Die  gleiche  liezeichnuug 
.Symbolum  orthodoxae  fidei  dort  und  im  l'.riefe  Leos  IH.  an  Karl  {MM. 
Ep.  V.  S.  66  Nr.  8)  macht  das  auch  wahrscheinlich.  Ist  die  Annahme 
richtig,  80  ergiebt  sich,  dass  Leo  die  Frage  der  Mönche  nur  halb  beant- 
wortete: sie  wollten  nicht  nur  über  die  Lehre  unterwiesen  sein  —  das 
leistete  ihnen  die  päpstliche  Zu.schrift  — ,  sondern  auch  üijer  das  Recht 
des  Filioque  im  Symbol;  ep.  7  S.  66:  Ut  digneris  inquirere  tarn  in  Graeco 
quam  in  Latino  de  sanctis  patribus,  qui  symbolum  composuerunt,  istum 
sermonem,  ubi  dicitur:  Ex  patre  filioque  procedit.  So  ungeschickt  der  Satz 
ist,  sein  Sinn  ist  doch  nicht  zweifelhai't.     Hier  unterldieb  die  Antwort. 

4)  Kp.  a  Ö.  66  t. 


—     335     — 

gelegenheit  gelten  Hess.  Er  forderte  etliche  der  fränkischen  Theo- 
logen auf,  sich  über  die  Lehre  zu  äussern.  Theodulf  von  Orleans 
stellte  eine  lange  Reihe  von  Belegen  für  die  abendländische  Lehre 
zusammen.  Er  war  um  so  fester  von  ihr  überzeugt,  als  er  auch 
Athanasius  als  Zeugen  meinte  anführen  zu  können.^)  Eine  ähn- 
liche Autoritätensammlung  verfasste  ein  ungenannter  fränkischer 
Bischof.-)  Smaragdus  von  St.  Mihiel  endhch  versuchte  aus  der 
Heiligen  Schiift  den  Beweis  für  die  Berechtigung  seines  Glaubens 
zu  führen :  er  freute  sich,  dass  die  lange  nicht  beachtete  Streitfrage 
nun  plötzlich  wieder  aufgetaucht  sei.  Sie  nötige,  die  Schätze  der 
göttlichen  Wahrheit  eifrig  zu  durchforschen.^) 

Nach  diesen  Vor])ereitungen  brachte  der  Kaiser  die  Sache  vor 
eine  fränkische  Synode,  die  im  November  809  in  Aachen  tagte.^) 
Man   kann    kaum    zweifeln,    dass    sie    ebensowohl    die    Lehre    als 


1)  Migne  105  S.  239  ff.  Die  metrische  Vorrede  auch  Poet.  lat.  I 
S.  527  f.  Die  angeblich  athanasianischen  Stellen  sind  sämtlich  der  pseudo- 
athanasianischen  Schrift  de  trinitate  entnommen. 

2)  Libell.  de  process.  Spir.  s.,  von  Frobenius  unter  die  Werke  Alkuins 
aufgenommen,  wiederholt  bei  Migne  101  S.  64  ff.  Die  Widmung,  in  der  der 
Verfasser  sich  nicht  nennt,  auch  M.G.  Ep.  IV  S.  490  f.  Nr.  3.  Die  Schrift 
ist  in  der  Handschrift  von  Laon,  der  Frobenius  sie  entnahm,  überschriftlich 
als  Werk  Alkuins  bezeichnet.  Da  die  Handschrift  ein  Geschenk  des  Bischofs 
Dido  von  Laon  war,  der  dem  Ende  des  9.  Jahrhunderts  angehörte  (die  Ann. 
Vedast.  erwähnen  ihn  zu  895  M.G.  Scr.  I  S.  529),  so  glaubte  Frobenius  ihr 
Zeugnis  über  den  Autor  festhalten  zu  müssen,  obgleich  er  sich  die  Bedenken 
dagegen  nicht  verhehlte.  Dagegen  hat  Dümmler  mit  Bezug  auf  die  Be- 
denken des  Regensburger  Abtes  die  Schrift  Alkuin  abgesprochen  M.G.  Ep. 
IV  S.  482.  Wie  mich  dünkt,  ist  er  darin  im  Rechte,  dass  das  Zeugnis  Didos 
das  grosse  Gewicht  nicht  besitzt,  das  Frobenius  ihm  beilegte;  man  wird 
vielmehr,  besonders  auf  Grund  der  Stilverschiedenheit,  die  Annahme  der 
Autorschaft  Alkuins  aufgeben  müssen.  Dann  ist  auch  der  chronologische 
Ansatz  gegeben:  die  Schrift  kann  nicht  gleichzeitig  mit  den  Karolinischen 
Büchern  geschrieben  sein  (Hefele,  CG.  III  S.  749);  denn  Karl  ist  dem  Autor 
Kaiser.  Es  ist  auch  nicht  nötig,  sie  in  der  Pause  zwischen  796  und  808 
verfasst  sein  zu  lassen,  wie  ich  in  der  ersten  Auflage  dieses  Buches  an- 
nahm; sondern  sie  wird  gleichzeitig  mit  den  Schriften  Theodulfs  und 
Smaragds  sein. 

3)  Das  kurze  Gutachten  des  Smaragdus  unter  den  Briefen  Karls 
Migne  98  S.  923  ff. ;  die  Überschrift  bezeichnet  es  als  ep.  Karoli  ad  Leonem 
a  Smaragdo  edita.  Der  Inhalt  ergiebt,  dass  das  Schriftstück  nicht  als  Brief 
des  Kaisers  an  den  Papst  konzipiert  ist.  Es  ist  eine  Abhandlung.  Immer- 
hin mag  sie  mit  den  Akten  der  Aachener  Synode  nach  Rom  übersandt 
worden  sein. 

4j  Ann.  Lauriss.  Einii.  z.  J.  809. 


—     336     — 

die  in  der  kaiserliclien  Kapelle  übliche  Formel  billigte.')  Kai-1 
sandte  darauf  den  Bischof  Beruhard  von  Worms  und  den  Abt 
Adalhard  von  Corbie  nach  Rom,  um  die  Zustimmung  Leos  zu 
diesem  Beschlüsse  zu  erholen.-) 

Sie  stiessen  auf  unerwarteten  Widerstand.  Leo  hatte  in  der 
Sakristei  der  Peterskirche  eine  lange  Verhandlung  mit  den  Ge- 
sandten. =^)  Der  Lehre,  die  sie  ihm  vorlegten,  als  solcher  stinnnte 
er  lebhaft  bei.')  Aber  als  sich  nun  die  Frage  erhob,  ol)  das  Filio(iue 
in  das  Symbol  aufzunehmen  sei,  ergal)  sieh  eine  ]\[einungsversehieden- 
heit.  Die  fränkischen  Bischöle  urteilten,  da  die  Lehre  richtig  sei 
und  da  sie  durch  die  Aufnahme  der  Formel  in  den  gottesdienstlichen 
Gebrauch  verkündigt  werde,  so  sei  die  Änderung  des  Symbols  zulässig, 
ja  nützlich.-')  Dagegen  liess  sich  eigentlich  nichts  einwenden.'')  Aber 
Leo  luhlte  sich  dadurch  ge])unden,  dass  in  Rom  die  ältere  Formel 
noch  üblich  war.'\)  Es  kam  ihm  vor,  als  achteten  sich  die  Franken 
den  alten  Vätern  der  Kirche  gleich  :"*)  er  selbst  wagte  kein  lirteil, 
das  nur  entfernt  eine  Missbilliguni,^  des  B(^steheiid(>n  in  sich  schloss.") 

1)  Über  den  Beschluss  sagen  die  Reichsannalen  nichts ;  dass  aber  nicht 
nur  die  Lehre,  sondern  auch  die  Erweiterung  dos  Symbols  gebilligt  wurde, 
ergeben  die  Verhandlungen  in  Rom;  vgl.  Hefele,  Cd.  III  S.  7.51. 

2)  Ann.  Einh.  z.  J.  801)  nennen  nur  Bernhard  und  Adalhard;  in  der 
Überschrift  des  Protokolls  (a.  Anm.  3)  ist  auch  .Tcsse  von  Aniiens  genannt. 
Man  kann  zweifeln,  ob  mit  Recht;  da  auch  Leo  in  seinem  Briefe  an 
Riculf  von  Mainz  (M.G.  Ep.  V  S.  67  Nr.  9)  nur  .jene  beiden  nennt. 

3)  Ein  Protokoll  desselben  Mansi  XIV  8.  18  tf. 

4)  L.  c.  Ita  sentio,  ita  teneo,  cum  his  auctoribus  et  sacrae  scripturae 
auctoritatibus. 

.5)  S.  19  f.:  Qnia  praefatum  symbolum  a  quibusdam  ita  cantari  re- 
perimus  et  quod  id  ecclesiasticae  congruero  fidei,  sicut  sentimus,  atfiue  per 
hoc  nunc  iara  plurimos  doctos  et  sine  fine  usque  in  tineni  saeculi  de  tanto 
mysterio,  si  ita  tencatur,  instruendos  esse  cognovinius,  qui  nequaquam  in- 
struerontur,  nisi  cantarctur,  melius  nobis  visum  fuit  cantando  tantos  instru- 
ere  quam  tacendo  indoctos  relinquere. 

6)  Der  Papst  hatte  nur  den  nicht  gerade  geistreichen  Einwand  zur 
Hand,  ob  man  denn  alle  f^laubenswahrheiten,  die  im  Symbole  nicht  aus- 
gesprochen seien,  in  dasselbe  aufnehmen  solle  (S.  20). 

7)  S.  21:  Quod  vero  asseritis  ideo  vos  ita  cantare,  quoniam  alios  in 
istis  partibus  vobis  priores  audistis  cantasse,  quid  ad  nos?  Nos  enim  ul 
ipsum  non  cantaraus,  sed  legimus  et  legendo  docere,  non  tarnen  legende 
aut  docendo  addere  quidpiam  eidom  symboln  inferondo  praesumimus. 

8)  S.  19. 

9)  Ib.:  Sicut  non  audeo  <licere  non  bene  fecisse,  si  fecissent  —  wenn 
die  Väter  das  filioque  ins  Symbol  aufgenommen  hätten  — ,  .  .  ita  non  audeo 
dicere  istud  eos  nobis  minus  intellexisse  .  .  Nam  ut  ego  me  illis,  non  dico, 
praeferam,  sed  etiam  illud  absit  mihi,  ut  coaequare  praesumam. 


—     337      — 

Deshalb,  meinte  er,  müsse  das  Symbol  bleiben,  wie  es  war:  es 
dürfe  ihm  nichts  zugesetzt  werden.  Er  konnte  sich  nicht  darein 
finden,  dass  die  Franken  diese  Sache  mit  solcher  Energie  aufge- 
griffen hatten.^)  Eine  Verständigung  gelang  nicht.  Der  Papst 
riet  dringend,  das  FiHoque  aus  dem  Symbol  zu  entfernen.  Mit 
diesem  Bescheide  kehrten  die  Gesandten  zurück.^) 

Man  weiss,  dass  Leo  seinen  Protest  gegen  die  Veränderung 
des  Symbols  möglichst  öffentHch  und  feierhch  wiederholte.  In  der 
Peterskirche  liess  er  zwei  grosse  silberne  Tafeln  aufstellen,  in  welche 
das  Symbol  von  Konstantinopel  ohne  die  strittigen  AVorte  einge- 
graben war.^) 

Aber  was  nützte  das?  Aus  dem  Gebrauch  der  fränkischen 
Kirche  verschwanden  sie  nicht.  Und  es  dauerte  nicht  lange,  bis 
sie  auch  in  Eom  üblich  waren. 


1)  Es  streift  ans  Komische,  dass  der  Papst  den  fränkischen  Gesandten 
sagt :  Hoc  est,  quod  miramur,  qui  sine  profectuoso  labore  potestis  quiescere, 
laboratis,  ne  quiescatis.  Sie  erwidern:  Non  ideo  laboramus,  ne  quiescamus, 
sed  ne  propter  inertiam  pii  laboris  praemium  amittamus  (S.  20). 

2)  Leo  drückte  sich  vorsichtig  aus:  Die  Gesandten  fragen:  Ergo  illud 
a  vestra  paternitate  decernitur,  ut  primo  illud,  de  quo  quaestio  agitur,  de 
saepe  fato  symbolo  tollatur  et  tunc  denium  a  quolibet  licite  ac  libere  sive 
cantando  sive  tradendo  discatur  et  doceatur.  Er  erwidert:  Ita  procul  dubio 
a  nostra  parte  decernitur,  ita  quoque  ut  a  vestra  assentiatur,  a  nobis  omni- 
modis  suadetur. 

3)  V.  Leon.  IIL  S4  S.  26.     Vgl.  Duchesnes  Anm.  110  S.  46. 


Hauck,  Kirchengeschichte.   II.    2.  Aufl.  22 


Sechstes  Ka  pi  t  c]. 

Ausbreitung  der  Kirche. 


Al>  Karl  d.  (ir.  (k-n  Tliroii  bestieg,  war  das  Heidentum  inner- 
hall) der  Grenzen  des  fränkischen  Reichs  noch  nicht  völlig  überwun- 
den, geschweige,  dass  der  christliche  Glaube  unter  den  unal)häng- 
igen  Stämnifn  im  Osten  und  Norden  Fuss  gefasst  hätte.  Seine 
Regierungszeit  ist  eine  Missionsepoche.  In  demselben  Masse,  in 
welchem  die  fränkischen  Grenzen  sich  ausdehnten,  breitete  sieh  die 
christliche  Kirche  aus:  sie  hat  in  diesen  Jalirzelinten  weite  ( iebieto 
dauernd  eingenommen. 

Aber  wie  ganz  anders  vollzogen  sich  jetzt  die  (•hri>tlichen  Er- 
oi)erungen  als  in  der  Zeit  der  keltischen  Missionare  und  des  Boni- 
fatius.  Zuerst  hatte  der  christhche  Glaube  in  Deutschland  sich 
ausgebreitet,  wie  wenn  der  A\'ind  die  Samenkörner  dahin  und  dort- 
hin trägt:  hunderte  gehen  zu  Grunde,  andere  keimen  am  ungeeig- 
neten ( )rt.  wiihrend  daneben  besserer  Roden  ungenützt  bleibt:  aber 
sdiliesslich  bedeckt  doch  ein  grüner  AnHug  das  ganze  Gelände. 
Dann  hatte  ein  kirehlicher  Mann,  gestützt  und  gefördert  von  den 
Herrschern,  das  Werk  in  die  Hand  genommen  und  seinen  Über- 
zeugungen gemäss  geleitet.  Reides  war  jetzt  vorbei:  die  Missions- 
arbeit lag  nicht  mehr  in  den  Händen  eines  (hir(  h  seine  moralische 
Autorität  mächtigen  Rischofs  oder  namenloser  PVemdlinge,  die,  von 
phantastischer  Frömmigkeit  in  die  Feme  geführt,  sich  aufojiferten, 
um  als  die  Heimatlosen  ihrem  Heirn  nachzufolgen,  und  mit  viel 
Eif<-r  und  wenig  Überlegung  geringe  Erfolge  erzielten.  Nun  war 
Methode  und  Plan  in  allem,  was  geschah :  dei-  Wald  wurde  gleich- 
sam   gerodet,    das  Feld    geklärt   und   dann    «h-i-   Same    ausgestreut. 


—     339     — 

Überall  niacLte  sich  bemerklich,  dass  ein  kräftiges,  geordnetes  Staats- 
wesen dem  Fortschreiten  der  Kirche  die  Bahn  brach,  dass  ein 
mächtiger  Wille  alles  bestimmte:  der  Widerstand  wurde  mit  Ge- 
walt überwunden,  die  Erfolge  wurden  erzwungen.  Denn  nicht  mehr 
die  Kirche  missionierte,  vom  Staate  geschützt,  wie  in  den  Tagen 
Karl  Martells  und  Pippins,  sondern  der  König  gebot,  den  christ- 
lichen Glauben  anzunehmen,  und  die  langsame  Arbeit  der  Kirche 
vermochte  kaum  dem  vorwärts  drängenden  Herrscher  zu  folgen. 

Das  ist  der  Eindruck,  den  Karls  Thätigkeit  macht.  Wir  ver- 
folgen sie  im  einzelnen. 

Im  Osten  stiessen  die  Deutschen  an  che  zersplitterte  nnd  doch 
auch  geschlossene  Welt  der  Slawen.^)  Elbe  und  Saale  boten  im 
nördlichen  Deutschland  eine  natürliche  Grenze;  sie  hinderte  aber 
nicht,  dass  zahlreiche  Slawen  sich  jenseits  derselben  niederliessen.-) 
Im  mittleren  Deutschland  fehlte  das  trennende  Wasser  oder  das 
scheidende  Gebirge.  Hier  drängten  sich  slawische  Horden  weit  nach 
Westen  zwischen  die  Deutschen:  im  Fiddischen,^^)  in  Thüringen,^) 
an  zahlreichen  Orten  rntcr-  und  Mittelii-ankens''^)  begegnet  man 
ihren  Spuren.  Sie  stahlen  sich  ein  wie  Diebe;  man  weiss  nicht, 
wie  und  wann  sie  kamen;  man  kann  nur  vermuten,  dass  die  Er- 
schütterung der  ü-änkischen  Macht  durch  die  Niederlage  Dagoberts'"') 
ihr  Vordringen  mö^hch  machte.    Überall  Avaren  sie  in  der  ^Sfinder- 


1)  Zeuss,  Die  Deutschen  und  ihre  NachLarstämme  S.  592  fF. 

2)  Wie  weit  sie  vordrangen,  sieht  man  daraus,  dass  im  Kreise  Helm- 
stedt 12^0  der  Ortschaften  slawische  Namen  haben,  s.  P.  J.  Meier,  Bau- 
und  Kunstdenkmäler  von  Braunschweig  I  S.  XVII. 

3)  Eigil.  V.  Sturm.  7  (M.G.  Scr.  II,  369). 

4)  Zeuss  a.  a.  0.  S.  646.  Nach  dem  Brev.  Lulli,  Zeitschr.  d.  Ver.  f. 
hess.  Gesch.  X  S.  184,  waren  von  den  Hersfelder  Gütern  in  Thüringen  mit 
Slawen  besetzt  30  Hufen  in  Bischhausen  (Biscofeshusun,  es  giebt  3  Orte 
dieses  Namens  in  Thüringen  bei  Waldkappel,  Witzenhausen  und  Heiligen- 
stadt, s.  Dobenecker  I  S.  22 1,  7  Hufen  in  Mühlhausen,  Remda  und  Rudol- 
stadt,  12  Hufen  in  Buttstädt,  Tüngeda  und  Schwabhausen  (?  bei  Jena), 
14  Hufen  zu  Rothenstein,  30  Hufen  zu  Wennungen  an  d.  Unstrut,  3  Hufen 
zu  Balgstädt,  4  Hufen  zu  Zeissdorf,  3  Hufen  zu  Lissdorf,  2  Hufen  zu  Ruders- 
dorf, 4  Hufen  zu  Ramuchesdorf  (eingegangen),  3  Hufen  zu  Emsen.  In  den 
Fulder  Traditionen  werden  ebenfalls  vielfach  Slawen  genannt,  z.  B.  c.  43 
in  den  meisten  Nummern  S.  Hoff. 

5j  Hier  zahlreiche  Ortsnamen:  Burgwindheim,  Geisseiwind,  Neidhards- 
winden,  Walburgswinden,  Buschwindbach,  Egiofswinden,  Meinhardswinden, 
Dautenwinden,  Bernhardswinden,  Brodswinden,  Wolfhardswinden,  Ratzen- 
winden, Schweikarts  winden,  Reinswinden,  Abtswinden,  Bisch  wind  (=  Bischofs- 
winden). 

6)  Fredeg.  chron.  IV,  68  S.  154  f. 

22* 


—     340     — 

zahl.  Sie  konnten  denn  auch  ihre  Freiheit  niclit  lu'haupten.  Dass 
eine  Menge  shiwiseher  Ortsnamen  mit  deutschen  rersoneinuimen  zu- 
sammengesetzt ist,')  legt  die  Annahme  nahe,  dass  die  AVenden  sich 
den  Gnmdherren  als  unfreie  Knechte  unterwarfen.  Für  das  Bi'- 
wusstsein  der  Deutschen  tiosseu  ja  ül)erhauj)t  die  Yoi-stellungen 
Slawe  und  unfreier  Kneclit  in  einander. 

Anders  war  es  im  heutigen  Oherfranken:  es  war  Slawenland. 
An  der  Aisch,  im  Gau  Yolkfeld  und  in  dem  Bergland  östlich  der 
Regnitz  und  am  oberen  Main,  dem  Radenzgau.  wohnten  die  Wen- 
den in  geschlossenen  ^Massen.-)  Von  Hallstadt  bei  Bamberg  und 
Forchheim  aus  trieb  der  deutsche  Kaui'mann  seinen  Handel  ins 
Slawenland.")  Dagegen  behaupteten  die  Deutschen  das  Pegnitz- 
thal:  Yelden  und  Schuaittach  gehörten  zum  bairischen  Xordgau.*) 

Die  Slawen  in  Thüringen,  Hessen  und  den  ostfränkischen 
Gauen  wohnten  in  christlichem  Land;  al)er  sie  blieben  länger  Hei- 
den als  die  übrigen  Bewohner.  Bonifatius  kannte  sie  als  Ungläu- 
bige.""*)     Es    ist    nicht    überliefert,   dass    er    den  Versuch    gemacht 


1)  S.  S.  339  Anm.  5. 

2)  Dies  ergiebt  sich  aus  der  S.  5  Anm.  1  ciwähntcn  Urkunde  Arnulfs. 
Hier  ist  de  partibus  orientalium  franchorum  vel  de  sclavis  die  Rode.  Als 
ostfränkische  Gaue  werden  aufgeführt:  Waldsazzi,  Taubergau,  Wingurtoiba, 
.Tagstgau,  Mulachgau,  Neckargau,  Kochergau.  Rangau,  Gollachgau,  Iffgau, 
Hassgau,  Grabfeld,  Tullifeld,  Saalegau,  Werngau,  (lozfold,  Hadanachgau, 
d.  h.  Unter-  und  Mittelfranken  mit  einem  Teil  der  angrenzenden  Gebiete. 
Als  terra  Sclavornm  bleiben  übrig  Volkfeld  und  Radenzgau,  d.  h.  der  grö.sste 
Teil  von  Oberfranken.  Doch  hielt  sich  das  Deutsche  auch  hier  vereinzelt, 
wenigstens  in  den  Thälern.  Zenss  zeigt,  dass  sich  deutsche  Namen  schon 
in  alter  Zeit  im  Mainthale  oberhalb  Bamberg  finden  (S.  648);  erst  bei 
Statfelstein  fängt  das  rein  slawische  Gebiet  an  (S.  6.Ö0).  Die  Deutschen 
waren  Christen:  schon  Karlmann  und  Pippin  haben  den  Zehnten  von  Hall- 
stadt an  Würzburg  geschenkt;  s.  S.  5  Anm.  2. 

3)  Cap.  44,  7  (a.  80.5)  S.  123. 

4)  Vgl.  über  Velden  M.B.  28.  2.52  S.  899;  über  Scbnaittach  1.  c.  271 
S.  429. 

5)  Ep.  87  S.  372,  Antwort  des  Papstes  Zacharias  auf  einen  verlorenen 
Brief  des  Bonifatius:  De  Sclavis,  christianorum  terram  inhabitantibus,  si 
oporteat  censum  accipere,  interrogasti  frater.  Hie  quidem  consilium  non 
indigot,  dum  rei  causa  est  manifosta.  Si  enim  sine  tributo  sederint,  ipsam 
quandoque  propriam  sibi  vindicabunt  terram;  si  vero  tributum  dederint, 
nomnt:  dominatorem  ipsam  habere  terram.  Rettberg  {KG.  D.'s  II  S.  555) 
entnimmt  ans  dieser  Stelle,  dass  Bonifatius  erfolgreich  unter  den  Slawen 
arbeitete.  "Wie  mich  dünkt,  mit  Unrecht:  die  Worte  Sciavi  christianorum 
terram  inhabitantes  haben  nur  einen  Sinn,  wenn  die  Slawen  Nicht-Christen 
waren;  ebenso  ist  nur  dann  die  Frage  verständlich;  denn  dass  die  Christen 


—     341     — 

hätte,  sie  dem  Christentum  zuzuführen.  So  viel  er  in  seinen  Briefen 
von  seinen  Missionsplänen  spricht,  den  Gedanken  äussert  er  nie, 
den  Slawen  zu  predigen.  Er  war  von  der  gut  germanischen  Alj- 
neigung  gegen  das  slawische  Wesen  nicht  frei:  kaum  kommt  er 
auf  die  Wenden  zu  reden,  ohne  dass  er  seiner  Verachtung  gegen 
„dies  ahscheuhchste  und  schlechteste  Geschlecht  der  Menschen-' 
einen  Ausdruck  gegeben  hätte. ^)  Seine  Bedenken,  Abgaben  von 
ihnen  zu  nehmen.-)  hatten  wohl  in  seiner  Abneigung  gegen  sie 
ihren  Grund.  Überhess  er  die  nach  Westen  zersprengten  Slawen 
sich  selbst,  so  ist  vollends  imwahrscheinhch,  dass  er  dem  rein  sla- 
wischen Lande  seine  Aufmerksamkeit  zuwendete.^) 

Dass  die  unter  den  Deutschen  zerstreuten  Slawen  sich  nach 
und  nach  der  Kirche  anschlössen,  lag  in  der  Xatur  der  Sache:  es 
wird  an  dem  einen  Orte  früher,  an  dem  andern  später  geschehen 
sein,*)  ohne  dass  Zwang  nötig  gewesen  wäre.  Mit  der  eigenen 
Sprache  verloren  die  Fremden  ihre  Religion  oder  mit  der  Religion 
ihre  Sprache.  Einen  festeren  Halt  hatten  beide  in  dem  rein  oder 
überwiegend  slawischen  Lande.  ■^)  Radenzgau  und  Volkfeld  gehörten 
seit  der  Konstituierung  des  Bistums  Würzburg  zu  dessen  Sprengel. 
Doch  muss  man  bezweifeln,  ob  die  ersten  Bischöfe  den  fremdsprach- 
Hchen  Gliedern  ihrer  Diözese  viel  Sorgfalt  zuwandten.  Erst  unter 
Bischof  Berenwelf**)  erscheinen  die  Slawen  an  Main  und  Regnitz 
als  Christen.^     Aber  sie   waren  nicht  dm'ch  die  geduldige  Arbeit 


kirchliche    Abgaben  —  an    solche    denkt    auch    Rettberg  —  zu    entrichten 
hatten,  daran  hat  Bonifatius  nie  gezweifelt. 

1)  Ep.  73  S.  342;  vgl.  Bonif.  carm.  v.  324  (Poet.  lat.  I  S.  13):  Rustica 
gens  hominum  Sclaforum. 

2)  S.  die  S.  340  Anm.  5  angeführte  Stelle. 

3)  Doch  hängt  vielleicht  die  Ordination  Willibalds  von  Eichstätt  mit 
Missionsplänen  im  Slawenland  zusammen;  s.  Bd.  I  S.  519  f. 

4)  Christliche  Slawen  im  Würzburgischen  i.  J.  838  erwähnt  Rudolf 
(Mir.  sanct.  12,  M.G.  Scr.  XV  S.  338).  Bemerkenswert  ist,  worauf  P.  J.  Meier 
a.  a.  0.  S.  XX  f.  hinweist,  dass  in  fast  allen  slawischen  Ortschaften  Braun- 
schweigs  eine  Pfarrkirche  fehlt,  und  dass  die  Kapellen,  die  sie  bisweilen 
haben,  vielfach  sehr  später  Gründung  sind.  Man  sieht,  dass  selbst  in 
Sachsen  die  Bekehrung  der  Deutschen  und  der  Slawen  nicht  zusammenfiel. 

5)  Man  vergleiche  zum  folgenden  meinen  Aufsatz  „Zur  Missionsge- 
schichte Oberfrankens "  in  den  Blättern  f.  bayer.  KG.  (1888)  S.  114  ff. 

6)  C.  a.  785—800. 

7)  Urkunde  Ludwigs  d.  Fr.  (Form,  imper.  40  S.  317  f.):  Notum  fieri 
volumus  omnium  vestrum  fidelitati ,  qualiter  vir  v^nerabilis  Wolfgerius, 
Wirciburgensis  ecclesie  episcopus  .  .  indicavit  nobis,  quod  pie  recordationis 
domnus  et  genitor  noster  Karins  serenissimus  imperator  antecessoribus  suis, 
illis  et  illis  episcopis  praecepisset,   ut  in  terra  Sclavorum,   qui  sedent  inter 


—     342      — 

der  Missionare  liekelirt.  Sie  grüiKl<'t  Kirclic  um  Kirche  und  j^e- 
winut  so  allniälilich  das  Volk.  Hier  al)er  ward  das  Volk  mit  einem 
]\[ale  christlieli:  die  rasch  Bekehrten  hatten  nirgends  Kirchen  oder 
Kapellen,  um  den  Ptlichteii  ihres  neuen  Glauhens  zu  genügen. 
Man  kann  nicht  umhin,  an  einen  Befehl  des  Königs  zu  denken, 
der  die  Annahme  des  Christentums  gehot  und  dadurch  mehr  den 
Namen  als  die  Keligion  des  Landes  änderte.  Solche  einschneidende 
Anordnungen  entsprachen  seinem  Sinne:  nicht  minder  ai)er,  dass 
er  sofort  Hand  aidegte.  um  das  Land  kirchlich  zu  organisieren:  die 
Slawen  sollten  wie  alle  Ul)rigen  Christen  Orte  hahen.  avo  sie  die 
Taufe  empfangen  und  die  Predigt  hören  könnten,  wo  der  christ- 
liche Gottesdienst  gefeiert  werde.  x4uf  Karls  Geheiss  erbauten  die 
Bischöfe  Bereuweif,  Liuderich  und  Egilward  vierzehn  Kirchen  im 
I^ande  der  Slawen.  Die  Überlieferung  meldet  ihre  Xamen  nicht; 
doch  wird  man  mit  ziemlicher  Sicherheit  einige  im  Aischthal,')  die 
grössere  Zahl  am  oberen  Main  und  in  den  Thälern  der  fränkischen 
Schweiz'-)  suchen  dürfen. 

Nur  langsam  schlug  das  schnell  angenommene  Christentum 
Wurzel.  Noch  Jahrhunderte  später  hört  man  Klagen,  dass  diese 
Gegenden  zum  grossen  Teile  von  Slawen  bewohnt  seien,  welche 
heidnischem  Aberglauben  ergeben,  von  christlicher  Frömmigkeit  nichts 
wissen  wollten.^)  Aber  vergeblich  waren  Karls  Anordnungen  nicht: 
durch  sie  ist  der  ei-ste  Schritt  geschehen,  um  dieses  Gebiet  für  den 
christlichen  Glauben    und    die    deutsche  Nationalität    zu    gewimien. 


Moinum  el  Radanziam  fluvioe,  qui  vocantiir  Moinwinidi  et  l^adanzwinidi, 
una  cum  comitibus,  qui  super  eosdem  Sclavos  constituti  ovant,  piocurasseni, 
ut  inibi  sicut  in  ceteris  christianorum  locis  Rcclesie  lonstruercntur,  quatonus 
ille  populus  noviter  ad  chiistianitatem  conversus  habere  i)0tuis6et,  ubi  ot 
baptismum  perciperet  et  praedicationem  audiret  et  ubi  inter  eos  sicut  inter 
coteros  christianos  divinum  officium  celebrari  potuisset;  et  ita  a  memoratis 
episcopis  et  comitibus,  qui  tunc  tempoiis  eidem  populo  praepositi  fuorant, 
adserit  esse  completum  et  ecclesias  quatuordecim  ibi  fuisse  constructas,  sed 
easdem  ecclesias  minime  eo  tempore  fuisse  dotatos,  sed  sicut  primum  con- 
Btructae  fuerunt,  sie  usque  in  praesentem  diem  sine  dote  remansisse.  Die 
hier  nicht  genannten  Würzburger  Bischöfe  waren  Bercnwelf,  Liuderich 
(800—802)  und  f^gilward  (802— ><10i.  Dies  ergiebt  die  Bestätirrungsurkunde 
Ludwig?  d.  D.  vom  b.  .Tuli  846  iMon.  Boir.  2>(.  2  S.  40  f.). 

1)  Lonnerstadt,  Wachenroth  und  Mühlhausen ;  8.  den  S.  341  Anjj.  5 
angeführten  Aufsatz  S.   116. 

2)  Ich  denke  an-Orte  wie  Schesslitz,  Staffelstein.  Pretzfeld,  Altcnkund- 
stadt,  Graiz  a.  d.  Rodach  u.  a.  Aber  ein  sicherer  Beweis  lässt  sich  nirgends 
führen;  s.  a.  a.  O.   S.  11«  f. 

3)  Bamberger  Synode  von  1058  (Mansi  XIX  S.  883);  vgl.  Bd.  III  S.  417. 


—     343     — 

Wie  die  Slawen  iiii  Radeiizgau  zwar  dem  fränkischen  Reiche 
angehörten,  aber  Heiden  bhebeu,  so  auch  ein  Teil  der  Friesen. -') 
Der  südwestliche  Teil  des  Landes  bis  zum  Fli  war  das  alte  li'än- 
liische  Missionsgebiet;  er  wurde  unter  Pippiu  als  chnstlich  be- 
trachtet, und  war  es  wohl  auch.  Aber  Avenn  man  zu  dem  christ- 
lichen Friesland  auch  die  mittleren  Landschaften  vom  Fli  bis  zur 
Lauwers")  rechnet,  so  entsprach  das  der  Wirklichkeit  sehr  wenig. '^j 
Dort  überwog  in  der  Glitte  des  achten  Jahrhunderts  noch  weit  das 
Heidentum.  Das  östliche  Friesland  vollends  war  rein  heidnisch. 
Die  Friesen  aber  standen  anders  zu  der  Religion  ihrer  Väter  als 
die  Wenden.  Als  Karl  diesen  gebot,  den  christlichen  Xamen  an- 
zunehmen, fügten  sie  sich  ohne  Widerstand;  dagegen  setzten  sich 
jene  der  Annahme  des  Christentums  nachdrücklich  entgegen.  Sie 
hingen  an  ihrer  Religion  und  glaubten  an  die  Macht  der  Götter. 
Nirgends  fehlte  es  an  Tempeln,  deren  Schätze  ein  Geschlecht  um 
das  andere  durch  seine  Weihegaben  vermehrte.  An  heiligen  Quellen'*) 
und  an  der  von  der  wechselnden  Flut  bespülten  Düne'^)  empfand 
mau  besonders  die  Nähe  der  unbesiegbaren  Himmlischen;  aber  auch 
in  Wald,  Acker  und  Moor  gab  es  manchen  Platz,  der  den  Göttern 
sonderlich  heilig  war.  AVer  ihre  Heihgtümer  verletzte,  den  belegte 
das  Volksrecht  mit  schwerer,    grausamer  Strafe.*')     W^ie  leicht  der 


1)  Über  den  Anfang  der  Bekehrung  der  Friesen  s.  Bd.  I  S.  415  ff. ; 
vgl.  V.  Richthofen,  Untersuchungen  zur  friesischenRG.il,  1  S.  .369  ff.;  Moll, 
Kerkgeschiedenis  van  Ncderland  I  S.  LSOff. ;  Patetta,  Memor.  della  r.  Acad. 
di  Torino  S.  II  Bd.  43  (1893)  S.  5  ff. 

2)  Der  Fli,  dessen  Namen  in  der  Insel  Fliland  noch  erhalten  ist,  ver- 
band vor  dem  Einbruch  des  Meers  i.  J.  1287  den  See  Almere  mit  dem  Meer. 
Die  Lauwers  mündet  südlich  der  niederländischen  Insel  Schiermonnikoog 
in  das  Meer. 

8)  V.  Gregor.  .5  S.  71:  In  ripam  occidentalem  fluminis  qui  dicitur 
Lagbeki,  ubi  confinium  erat  christianorum  Fresonum  et  paganorum  cunctis 
diebus  Pippini  regis.  Dagegen  Willib.  v.  Bonif.  8  S.  463  von  Friesland 
östlich  des  Zuiderzee:  Gentem  paganam  Fresonum  visitavit.  Vgl.  v.  Willeh. 
2  M.G.  Scr.  II  S.  880. 

4)  Über  die  heilige  Quelle  auf  Helgoland  s.  V.  Willibr.  10  S.  48.  Es 
ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  der  heilige  Quell  bei  Heilo  im  Kenemerlande, 
an  den  die  Legende  ein  Wunder  Willibrords  knüpfte  (V.  Wülibr.  16  S.  51), 
auch  längst  vor  ihm  heilig  war. 

5)  Ergiebt  sich  aus  Lex  Frison.  Add.  XI  S.  696  f.  (s.  die  folgende 
Anmerkung). 

6)  Lex  Frison.  tit.  V,  1  (M.G.  Leg.  III  S.  668):  Qui  fanum  eftVegit, 
sine  compositione  occidi  potest.  Add.  sap.  XI  S.  696  f. :  Hoc  trans  Laubachi 
—  die  Lauwers,  d.  h.  im  heidnischen  Friesland;  s.  Anm.  3  —  de  honore 
templorum :  Qui  fanum  effVegerit  et  ibi  aliquid  de  sacris  tulerit,  ducitur  ad 


—     344     — 

heidnische  Fauiitismus  zu  entflammen  war,  zeigte  der  Tod  des 
Bnnifatius.^) 

Pippin  wusste  das  wohl;  obgleich  das  Land  die  fränkische 
Herrschati  anerkannte,-)  that  er  keinen  Schritt,  um  die  Ermordung 
des  Erzlüschots  zu  rächen.  Er  fürchtete  wohl,  eine  allgemeine  Er- 
iiebung  des  friesischen  Volkes  hervorzurufen.  Jedoch  wurde  die 
Friesenmission  durch  den  Fall  des  grossen  Führers  nicht  vernichtet. 
AVaren  die  heidnischen  Friesen  fanatisch,  so  waren  die  christlichen 
nnitig:  sie  wagten,  alsbald  nach  der  Katastrophe  des  Bonifa tius  am 
Orte  seines  Todes  eine  Gedächtniskirche  zu  errichten. =')  Ein  Ge- 
winn war.  dass  das  Christentum  im  Süden  des  Landes  schon  zu 
fest  stand,  als  dass  es  erschüttert  werden  konnte:  von  da  aus 
arbeitete  man  an  der  Bekehrung  der  noch  heidnischen  Gaue.  Das 
Martinskloster  in  Utrecht  war  ebensosehr  Missionanstalf*)  als  Schule ;•') 
auch  die  seelsorgerliche  Pflege  der  Bekehrten  wiu-de  von  dort  aus 
unternommen. 

Die  Leitung  lag  in  den  Händen  des  Abts  Gregor,  eines 
Schülers  des  Bonifatius.  Ihn  beauftragten  Pippin  und  Papst  Stephan 
ausdrücklich  mit  der  Predigt  unter  den  Friesen.") 

Gregor  war  ein  fränkischer  Mann.  Als  Spriissling  einer  vor- 
nehmen   fränkischen  Familie')  wurde  er  in  der  Hofschule  erzogen; 


mare,  et  in  sabulo,  quod  accessus  maris  operire  solet,   fimluntur  aures  eius 
et  castratur  et  immolatur  das,  quorum  templa  violavit. 

1)  Über  das  friesische  Heidentum  s.  v.  Richthofen  a.  a.  0.  S.  403  flf. 

2)  Willibr.  V.  Bonif.  9  S.  470. 

3)  V.  Bonif.  1.  c.  Als  Willehad  nach  Dockum  kam,  stand  sie  schon; 
das  ergiebt  der  Name  Dockynchiriia  (V.  Willeh.  2  S.  380).  Alkuin  hat 
später  für  diese,  wie  es  scheint,  von  Liudger  erneuerte  Kirche  eine  Inschrift 
in  lateinischen  Hexametern  verfasst;  man  erfuhrt  aus  ilir,  dass  sie  Paulus 
und  Bonifatius  geweiht  war  (carm.  Xß  S.  304). 

4)  In  dor  Fiknnde  Karls  vom  1.  März  TfiO,  welche  die  rrkundc  I'ii)pins 
U.M.  t>  und  verlorene  Urkunden  Pipi)ins,  Karl  Martells  und  Karlmanns 
bestätigt,  heisst  es  von  den  Mönchen  und  Kanonikern:  Qui  ibidem  gentile.i 
ad  christianitatem  convertunt,  et  domini  misericordia  ipsos  conversos.  quos 
habent,  doceant,  iuxta  quod  christiiini  eorum  christianitatem  consorvant 
(B.M.  129). 

5)  S.  o.  S.  171. 

6)  V.  Greg.  10  (M.G.  Scr.  XV  S.  7.3):  Suscepit  auctoritatem  seminandi 
verbum  Dei  in  Fresonia. 

7)  Nur  dies  sagt  Liudger  (V.  Greg.  1  f.  S.  60  f.).  Noch  für  HucbaM 
von  St.  Amand  ist  Gregor  nur  ex  nobili  Francorum  .sanguine  procrcatus 
(V.  Lebuin.  .S.  .381).  Zu  einem  Merowinger  wurde  er  erst  durch  das  ge- 
fälschte Testament  der  Adala,  Tochter  Dagoberts  (M.G.  Dipl.  I  S.  177  f.), 
die  man  mit  Addula  identifizierte;  vgl.  Bd.  I  S.  289  Anm.  3. 


—     345     — 

dann  kam  er  vierzehn-  oder  fünfzehnjährig^)  iji  das  Kloster  Pfalzl 
bei  Trier,  das  seine  Grossmutter  Addida  als  Äbtissin  leitete.  Bei 
einem  Besuche  des  Klosters  wurde  Bonifatius  auf  den  geweckten 
Knaben  aufmerksam:  es  gefiel  ihm,  dass  derselbe  frisch  und  ge- 
wandt die  Bibel  vorzulesen  im  Stande  war;  freilich,  das  Gelesene 
deutsch  wiederzugeben,  wie  Bonifatius  es  wünschte,  vermochte  er 
nicht.  Dass  der  fremde  Missiojiar  ihn  deutsch  unterwies,  gewann 
das  Herz  des  Knaben;  der  widerstrebenden  Grossmutter  drängte 
er  die  Erlaubnis  al),  ihn  begleiten  zu  dürfen.  In  der  Umgebung 
des  Bonifatius,  als  Zeuge  seiner  Thätigkeit  in  Thüringen  und 
Hessen  ist  er  zum  Manne  erwachsen."^)  Auch  Rom  sah  er  in  der 
Begleitung  seines  Meisters.^)  Für  seine  gelehrten  wie  für  seine 
Missionsinteressen  suchte  er  Gewinn  von  dieser  Reise  zu  ziehen: 
er  erwai'b  in  Rom  einen  nicht  unbedeutenden  Bücherschatz.  Dazu 
folgten  ihm  zwei  englische  Knaben,  ]\Iarkhelm  und  Markuwin  nach 
Deutschland:  er  dachte  ohne  Zweifel,  sie  zu  Mitarbeitern  zu  er- 
ziehen. AVann  er  die  wichtige  Stellung  an  der  Si^itze  des  Mar- 
tinsklosters m  Utrecht  erhielt,  wissen  -wir  nicht;  sicher  ist  nur,  dass 
es  vor  dem  Tode  des  Bonifatius  geschah.^)  Jener  Auftrag  Pippins 
und  des  Papstes  war  um  so  wichtiger,  da  die  friesische  Kirche  seit 
Willibrords  Tod    eines  Bischofs    entbehrte.'^)     Es    machte  sich  wie 


1)  V.  Greg.  2  S.  67.  Gregor  ist  demnach  707  oder  708  geboren.  Denn 
der  Aufenthalt  des  Bonifatius  in  Pfalzl  fällt  in  das  Jahr  722;  doch  sind 
Liudgers  chronologische  Angaben  sämtlich  von  zweifelhaftem  Werte,  wie 
überhaupt  seine  Genauigkeit  alles  eher  als  Lob  verdient.  Die  dreizehn  Jahre 
der  Thätigkeit  des  Bonifatius  c.  2  sind  ein  offenbarer  Irrtum;  auch  die 
Chronologie  Gregors  ist  nicht  eben  sicher.  Nach  Liudger  müsste  sein  Tod 
780  oder  781  fallen  (s.  Rettberg  II  S.  583).  Aber  nach  der  Urkunde  Karls 
(B.M.  206)  ist  Alberich  bereits  im  Jahre  777  Leiter  der  Utrechter  Kirche. 
Die  nächste  Annahme  ist,  dass  Gregor  damals  schon  tot  war;  dann  ist  er 
entweder  nicht  so  alt  geworden,  wie  Liudger  angicbt  (c.  14  S.  78:  nahezu 
73  Jahre},  oder  er  ist  vor  707  geboren  und  ist  also  sein  Alter  i.  J.  722 
falsch  angegeben.  Moll  (S.  158)  lässt  ihn  denn  auch  702  geboren  und  775 
gestorben  sein.  Dies  Datum  wiederholt  Dehio  S.  14.  Es  findet  sich  in  dem 
Fragment  eines  Utrechter  Katalogs  M.G.  Scr.  XV  S.  79  Anm.  4.  Doch  bleibt 
möglich,  dass  er  einige  Jahre  vor  seinem  Tode  die  Leitung  L'trechts  nieder- 
legte: der  electus  rector  der  Urkunde  würde  das  nicht  ausschliessen.  Auch 
liesse  diese  Vermutung  sich  dadurch  stützen,  dass  Gregor  die  letzten  drei 
Jahre  vor  seinem  Tode  gelähmt  war  (V.  Greg.  15  S.  78).  Aber  Liudger 
deutet  nichts  davon  an.     Doch  vgl.  u.  S.  353  Anm.  1. 

2)  V.  Greg.  2  ff.  S.  67  f. 

3)  L.  c.  8  S.  73.     Gemeint  ist  die  Romreise  des  Jahres  737—38. 

4)  Vgl.  Bd.  I  S.  572  Anm.  7. 

5)  Die  Urkunde  Pippins   vom   23.  Mai   753  (B.M.  68)   macht  es  wahr- 


—     346     — 

von  seihst,  class.  iuicIkIciu  Bischof  Eohaii  mit  Honitatius  gefallen 
-Nvai',  Gregor  die  Leitung  der  verwaisten  Kirche')  /.nli<l. 

Wir  hesit/.en  eine  Lehensheschreilmng  Gregors,  vcrfasst  von 
seinem  Sehüler  Liudgcr  von  Münster.  Die  dankhare  Begeisterung 
hat  ihm  die  Feder  geführt;  auch  gelang  es  ihm.  diesen  und  jenen 
anschaulichen  Zug  festzuhalten:  aher  sein  Werk  ist  einseitig.  Es 
schildert  in  (jiregor  fast  nur  den  asketisch  gerichteten  Mönch:  den 
Besitz  von  Gold  und  Silher  hetrachtete  er  wie  eine  Art  Befleckung, 
was  er  erhielt,  verteilte  er  sofort  unter  die  Armen;  er  verschmähte 
es,  in  Kleidung  und  Speise  sich  irgend  von  den  anderen  Mönchen 
zu  unterscheiden.-)  Das  Gefidd  für  das  Kränkende  einer  Be- 
schimpfung meinte  er  in  sich  ertöten  zu  müssen:  es  dünkte  ihn 
ein  Verstoss  gegen  das  Gehot  der  Liehe,  wenn  der  oft'enhare  Ver- 
In-echer  hestraft  wurde.'')  Auf  alles  Irdische  konnte  er  verzichten: 
gehörte  ihm  doch  die  Welt  der  Zukunft;  sein  Liehlingsspruch  war 
das  Wort  des  Apostels:  Was  kein  Auge  gesehen  und  kein  Ohr 
gehöi-t  hat  und  in  keines  Menschen  Herzen  gekommen  ist,  hat  Gott 
bereitet  denen,  die  ihn  liei)en.'')  Zu  solcher  Gesiimung  seine 
Schüler  zu  ei-ziehen.  war  seine  stete  Sorge:  er  Hess  keinen  Tag 
vergehen,  ohne  ihnen  geistlichen  ]^it  zu  erteilen.'') 

Diese  Schilderung  ist  kein  Roman.  So  Avar  Gregor  gesinnt: 
es  sind  die  Üherzeugungen,  die  im  Schülerkreise  des  Pxinifatius 
heimisch  waren.  Das  Zeugnis  des  Bi()graj)hen  wird  duich  den 
Ihief  eines  Freundes  hestätigt.  Als  (Jregor  die  Würde  des  Abts 
erhielt,  richtete  Lul  ein  Schreiben  an  den  älteren  (icnossen.")  Es 
ist  erfüllt  von  der  beiden  gemeinsamen  Leben.sanschauung:  Was 
ist  das  vergängliche  Glück  dieser  \\elt  und  ihr  liinfälliges  Gedeihen 


scheinlich,  dass  .schon  damal-s  Gregor  in  mancher  Hinsicht  den  fehlenden 
lU.schof  ersetzte.  Darauf  weist,  die  Verbindung  des  Marlinsklosters  und  des 
Kjäskopiit-s  hin:  Ad  ipsa  ca.sa  Dei  conccs.sit  vel  ad  illo  ei)iscnpatu.  Ich 
nuM-hto  (loshallj  in  diesen  Worten  ni(  ht  mit  Oel.sner  (.115.  S.  .')!)  eine  ab- 
sichtliche oder  unalj.sichtlicho  l'ngenaiiigknit  der  Ab.schrift  sehen,  über 
die  Verhältnisso  in  Friesland  nach  Willibrords  Tod  s.  IM.   1  S.  .^T'i  f. 

1)  V.  Lebuin.  S.  361:  Oregorium  —  gradu  ecclesiastico  pre.sbyterum 
8cd  tunc  pro  tempore  opiscopalis  officii  in  eidcm  castro  vel  etiara  parochia 
vicarium. 

2)  V.  Greg.  12  S.  76. 

3)  L.  c.  S.  77. 

4)  L.  c. 

5)  L.  c.  11  S.  7.".  f. 

6)  Bonif.  et  Lull.  ep.  92  S.  377  ff.  Über  die  Datierung  s.  lid.  1  S.  572 
Ann).  7. 


—     347     - 

als  Eauch  und  Dimst?^)  Das  ist  der  Grundton.  Lul  erinnert 
den  Freund  daran,  welche  Grundsätze  sie  in  ihren  Gesprächen 
billigten:  es  gehörte  zu  den  Idealen  dieser  jungen  Mönche,  auch 
ein  bischöfliches  Amt  als  -weltliche  Grösse  alizuweisen."-)  Lul  hat 
sich  bald  darein  gefügt,  dass  Bonifatius  ihn  zu  seinem  Nachfolger 
in  Mainz  bestimmte:  das  Leben  berichtigte  die  sclnväi-merischen 
Gedanken  der  Jugend.  Dagegen  blieb  Gregor  sich  treu:  auch 
nachdem  er  an  der  Spitze  einer  Diözese  stand,  vermied  er,  die 
Würde  eines  Bischofs  sich  erteilen  zu  lassen :'')  er  wollte  nichts 
Höheres  sein  als  ein  Mönch.  Man  versteht  den  leisen  Zweifel 
Luis,  ob  Gregor  seinem  Amte  ganz  gewachsen  sein  werde:  er  er- 
schien zu  sanft.  Wohl  weiss  ich,  schreibt  der  spätere  Bischof, 
dass  du  dieses  Amt  nur  übernommen  hast,  um  Seeleu  zu  gewinnen 
und  Gott  reichlichen  Dienst  zu  leisten,  gleichwohl  liedenke:  Der 
raiüie  Schwertgriff  härtet  die  weiche  Hand.^) 

Gregor  ist  kein  streitbarer  Kämpfer  geworden:  aber  auch  er 
hat  gearbeitet.  Das  Martinskloster  l)lühte  unter  seiner  Leitung; 
mit  welcher  Energie  er  seine  Schule  förderte,  wurde  früher  er- 
wähnt:'^) aus  den  verschiedenen  deutschen  Stämmen  zog  er  Schüler 
herbei;  auch  xA.ngelsachsen  fehlten  nicht.'^)  überhaupt  hielt  er,  der 
Schüler  des  Bonifatius  und  der  Nachfolger  AVillibrords,  an  der  Ver- 
bindung mit  England  fest.  Seinen  Genossen  Alubert,  den  er  dazu 
bestimmte,  in  der  Utrechter  Diözese  die  bischöflichen  Amtshand- 
lungen zu  venichten.  liess  er  im  Jahre  767  in  York  zum  Bischof 
weihen.')  Zwei  seiner  Schüler.  Sigibod  und  Liudger,  sandte  er 
mit  ihm  nach  England;  jener  wurde  zum  Priester,  dieser  zum 
Diakon  ordiniert.  Doch  dachte  Gregor  bei  dieser  Sendung  nicht 
nur  an  eine  Vermehrung  der  geisthchen  Kräfte  seiner  Diözese.  Er 
hatte  vor  allem  die  Vollendung  der  Bildung-  seiner  Schüler  im 
Auge,  Denn  er  täuschte  sich  darüber  nicht,  dass  die  Schule  in 
Utrecht  den   englischen  Klosterschulen  nicht  gleichstehe.     Es   war 


1)  L.  c.  S.  379. 

2)  L.  c. 

3)  Rettbergs  Motivierung  der  Thatsache,  dass  Gregor  bis  an  sein  Ende 
Abt  blieb  (KG.  D.s  II  S.  533),  ist  hinfällig,  da  die  Zugehörigkeit  Gregors 
zum  Merowingerhause  Legende  ist  (s.  oben)  und  da  Rettberg  das  Verhältnis 
Kölns  zu  Utrecht  irrig  bestimmt  (s.  Bd.  I  S.  542).  Abel  (JB.  S.  115)  folgt 
Rettberg.     Auch  Moll  (KG.  I  S.  158j   hält  an   dem   Merowingerspross   fest. 

4)  L.  c.  S.  379. 

5)  S.  S.  162. 

6)  V.  Greg.  11  S.  75. 

7)  V.  Liudg.  J,  10  S.  407:  Ann.  vet.  Nordhumbr.  z.  d.  J.  M.G.  Scr.  XIII 
S.  154;  vgl.  Diekamp  in  d.  Forsch.  XXII  S.  425  ff. 


—     348     — 

die  Zeit,  wiilircnd  wolclicr  Alkuin  in  ^'ork  Irlirtc.  Bei  ilini  ver- 
weilten die  filenannteii  ein  .I.ilir  hiiiu. ')  Ijiudifer  kdirte  später  für 
lungere  Zeit  zu  ihm  zurück.-')  8ie  waren  schwerlich  die  einziijen 
Friesen,  die  der  Kuf  seiner  Gelehrsamkeit  über  das  Meer  tührte: 
noch  leistete  England  dem  Kontinent  die  Dienste  einer  Hochschule. 
Von  Gregors  Thätigkeit  als  Glaul)ensi)rcdiger  gieht  Tiiudger 
keine  Anschauung:  er  hegnügt  sich.  Ttrcclit  und  die  damals  als 
Haiidclsplatz  bedeutende  Stadt  Wijk  l)ei  J)uurstedc,  im  weiteren 
Sinne  auch  das  mittlere  Friesland  bis  zur  Lauwers  als  Orte  seines 
W'ii-kens  zu  nennen."')  Auch  von  seinen  iMitarbeitern  sind  uns 
nur  wenige  Xamen  bekannt.  Alubert  wurde  eben  erwähnt;  er  war 
ein   Angelsachse.*)     Von  jenseits   des  Kanals  kam  auch  Liafwin."') 


1)  V.  Lindg.  1.  c. 

2)  L.  c.  11  S.  407. 

3)  V.  Greg.  5  S.  71:  15.  (iregorius  Traiectuni  antiquam  civitatem  et 
vicum  famosum  Dorstad  cum  illa  irradiavit  parte  Fresoniae,  quae  tunc  tem- 
poris  christianitatis  nomine  censebatur,  id  est  usque  in  ripam  occidentaleni 
fluminis  qui  dicitur  Laybeki,  ubi  confinium  erat  christianorum  Fresonum 
et  paganorum  cunctis  diobns  I'ippini  rog'is.  Pjne  Kirche  obei-halb  Diiiir- 
stedes,  genannt  ^Upkirika",  wird  in  der  Urkunde  Karls  von  777  (H.M.  20fi) 
an  Alberich  vergabt. 

4)  V.  Grog.   10  S.  75;  V.  Liudg.  1,  10  S.  407. 

5)  Nachrichten  über  Liafwin  bietet  die  V.  liiudgeri.  Benutzt  sind 
dieselben  von  Hucbald  von  St.  Amand  in  seiner  V.  Lebuini,  jedooli  mit 
anderen  Angaben  verbunden,  welche  sich  mit  den  Notizen  Altfrids  nicht 
vereinigen  Iwssen.  Ein  Widerspruch  ist,  dass  nach  V.  Liudg.  13  S.  408 
(iregor  Markhelm  beauftragt,  Liafwin  an  die  Yssel  zu  begleiten,  ut  eum 
praeponorct  pojiulo;  dass  dagegen  die  V.  Leb.  S.  361  Marcellin  zu  einem 
Gefährten  Lialwins  macht.  Demnach  arbeiten  hier  beide  gemeinsam  an  der 
Ys.sel,  während  nach  der  V.  Liudg.  Liafwin  allein  arbeitet.  Ein  weiterer 
Widerspruch  ist,  dass  nach  der  V.  Liudg.  Liafwin  von  Averhild  ceterisquo 
tidoliljiis  froundlifh  aufgonnnimen  wird,  während  nach  der  V.  Leb.  Abachild 
die  einzige  Chri.stin  ist,  sonst  gicbt  es  nur  erbitterte  Heiden.  Kin  dritter 
Widerspruch  ist,  dass  nacli  der  V.  Liudg.  Liafwin  auch  in  Deventer  nicht 
auf  Widerstand  slösst,  wogegen  iliii  dii'  \'.  Lei),  auch  hier  von  arger  Feind- 
seligkeit umgeben  sein  läast.  Deragemäss  wird  nach  V.  Liudg.  die  Kirche 
in  Deventer  durch  oinen  rborfall  der  Sachson  zerstört,  während  nach  V. 
Leb.  die  llevölkerung  sich  selbst  gegen  den  Prediger  erhebt.  Ein  vierter 
Widerspruch  ist,  dass  die  V.  Liudg.  Liafwin  zu  Gregor  fliehen  lässt,  während 
die  V.  Leb.  ihren  Helden  nun  mitten  in  das  Sachsenland  zu  der,  der  V. 
Willeh.  3  S.  380  nachgebildeten  Szene  in  Marklo  führt.  Wo  hier  übonill 
die  glauV)würdigen  Nachrichten  vorliegen,  ist  schon  danach  zweifellos,  dass 
Altfrid  hun'Iert  Jahre  vor  Hucbald  schrieb.  Des  letzteren  Werk  ist  als 
historische  Quelle  schlechthin  wertlos;  es  führt  nicht  nur  dadurch  irre,  dasd 
es    legendarische  Nachrichten    bietet,    sondern    vor  allem  dadurch,    dass    es 


—     349     — 

Er  war  schon  Priester,  als  er  sich  Gregor  auschloss:  in  einem  drei- 
mal wiederholten  Gesicht  glaubte  er  den  göttlichen  Auftrag  zur 
Predigt  au  der  Yssel  empfangen  zu  haben.  Gregor  widerstrebte 
nicht:  durch  den  Mönch  Markhelm,  einen  Genossen  Willibrords,*) 
liess  er  den  Ankönnnling  an  die  Yssel  geleiten.-)  Dieser  Grenz- 
bezirk, in  dem  Franken  und  Sachsen  sich  berührten,  war  nicht 
eigentlich  Missionsgebiet;  denn  Liafwin  traf  bereits  Christen;  nament- 
hch  eine  angesehene  Frau.  Namens  x^verhild,  nahm  sich  seiner 
freundlich  an:  bald  konnte  er  am  Westufer  des  Flusses,  in  AVulpen, 
dem  späteren  Wilp.  ein  Oratorium  erbauen.  Offenbar  handelte  es 
sich  mehr  um  die  Herstellung  einer  kirchlichen  Organisation  als 
um  die  erste  Predigt  des  clu-istlichen  Glaubens.  Deshalb  koimte 
er  sich  auch  rasch  weiter  wagen:  in  Deventer,  am  Ostufer  der 
Yssel,  errichtete  er  eine  zweite  Kirche.  Auch  hier  fand  er  uner- 
Avartete  Empfänglichkeit  für  seine  Predigt.  Aber  die  neue  Stiftung 
war  durch  ihre  Lage  gefährdet:  Liafwin  nnisste  bald  erfahren,  wie 
bedrohliche  Nachbarn  die  Sachsen  für  christliche  Kirchen  seien : 
Deventer  wurde  von  ihnen  übertällen  und  verl)rannt.  die  Christen 
veijagt.  Doch  die  Sachsen  hielten  den  Ort  niclit.  Liafwin,  der 
zu  Gregor  geflohen  war,  kehrte  nach  einiger  Zeit  zurück;  er  stellte 
die  abgebrannte  Kirche  wieder  her  und  wirkte  an  ihr  ungestört  bis 
zu  seinem  Tod.  Dann  überfielen  die  Sachsen  den  Ort  von  neuem. 
Die  Zerstörung  war  diesmal  so  vollständig,  dass  man  die  Gruft, 
in  welcher  Liafwin  begraben  Avar,  nicht  mehr  zu  entdecken  ver- 
mochte.^) 

Unter    den   Schülern    Gregors    ist    der   bekannteste    Liudger;"*) 


Liafwin  zum  Heidenprecliger  macht,  was  er  nacli  der  V.  Liudg.  nicht  oder 
nur  in  sehr  geringem  Umfange  war.  Die  Verwendung  der  V.  Leb.  bei 
Rettberg  (KG.  D.'s  11  S.  536),  Moll  (KG.  I  S.  165  ff.),  Zöckler  (P.  RE.  YIIl 
S.  518  f.)  ist  demnach  unstatthaft. 

1)  Möglicherweise  ist  dieser  Markhelm  identisch  mit  dem  angelsäch- 
sischen Jünglinge  dieses  Namens,  den  Gregor  von  Rom  nach  Deutschland 
mitnahm  (s.  o.  S.  345).  Man  müsste  dann  annehmen,  dass  Gregor  ihn 
nach  Utrecht  zu  Wilhbrord  sandte.  So  Rettberg,  KG.  D.'s  II  S.  536.  Aber 
das  „sicher"  Rettbergs  steht  hier  doch  nur  an  Stelle  eines  „vermutlich". 
Zöckler  (P.  RE.  YIU  S.  518)  lässt  Markhelm  „angeblich"  unter  Willibrord 
gebildet  sein.  Nach  V.  Liudg.  ist  das  gerade  das  Sicherste,  was  wir  von 
ihm  wissen. 

2)  Wulpen  und  Deventer  liegen  nicht  mehr  in  Friesland,  gehören  je- 
doch zur  Diözese  Utrecht. 

3)  V.  Liudg.  14  S.  408. 

4)  Altfrids  Biographie  Liudgers  ist  glaubhaft  und  zuverlässig.  Die 
beiden  jüngeren  Biographen  kommen  neben  ihr  kaum  in  Betracht.  Über 
das  Verhältnis   der  Biographien   s.  Diekamp,   GQ.   des  Bistums  Münster  IV 


—     350     — 

die  ( ii'schiclite  si'iiKT  Fiiniilie  hängt  enge  mit  der  Bekeliriing  Fries- 
lands  zusiiiimien.^)  Zu  sell)stständiger  Wirksamkeit  kam  er  jedoch 
erst  nach  Cirogors  Rücktritt  oder  Tod. 

Endlich  hat  in  Dockum  jalirehmg  ein  angelsächsischer  Missionar 
gewirkt,  jedocli ,  wie  es  scheint,  unahliängig  von  Utrecht  und  nur 
gestützt    auf   (he    lieimisdie    Kirche.      Es    war    Willehad.-)      Seine 


S.  XV  ff.  Über  Liudgor  handeln  Rettberg,  KG.  D.'s  II  S.  424  ff.,  538  ff.; 
Moll.  KG.  I  S.  171  ff.:  Rifhthofon,  Friesische  RG.  II,  1  S.  376  ff.;  Uhlhorn, 
P.  RE.  VIII  S.  702  ff.  Die  Chronologie  des  Lebens  Liudgers  ist  unsicher, 
fhlhorn  giebt  folgende  Zahlen:  c.  744  Geburt,  767  erste  Reise  nach  York, 
769—772  zweiter  Aufenthalt  in  England,  777  Priesterweihe,  777—784  in 
Dockum,  784—786  in  Italien,  zwischen  802  und  805  Bischof,  26.  März  809 
Todestag.  Von  diesen  Zahlen  stehen  nur  767  als  .lahr  der  ersten  englischen 
Keise  (s.  o.  S.  347),  und  das  Todesjahr  809  fest.  Unsicher  dagegen  ist  die 
Zeit  der  Geburt:  wir  wissen  nur,  dass  Liudger  eigene  Erinnerung  an  Boni- 
fatius  hatte:  quem  oculis  raois  ipso  vidi  (V.  Greg.  10  S.  75);  aber  er  konnte 
ihn  ebensogut  vierzehn-  oder  sechsjährig  als  zehnjährig  gesehen  haben. 
Hier  ist  also  der  Spielraum  sehr  gross.  Das  .lahr  767  für  die  Diakonen- 
weihe führt  übrigens  über  744  hinauf:  er  muss  spätestens  742  geboren  sein. 
Wie  gross  die  Pause  zwischen  dem  ersten  und  zweiten  englischen  Aufent- 
halte war,  wissen  wir  wieder  nicht;  der  Ansatz  von  einem  Jahre  lässt  sich 
nicht  beweisen.  Unsicher  ist  ferner  das  Jahr  777  als  .lahr  der  Priesterweihe: 
wir  wissen  nur,  dass  dieselbe  nicht  vor  dem  Juni  777  stattfand  (Urkunde 
Karls,  B.M.  206).  Wie  lange  nachher,  dafür  foldt  jeder  Anhaltspunkt.  Un- 
sicher endlich  ist  der  Aufenthalt  in  Dockum  777—784.  Nur  das  Jahr  784 
als  Ende  dieses  Aufenthalts  scheint  mir  einigermassen  wahrscheinlich.  Die 
Vertreibung  Linilgers  hängt  mit  einer  Erhobung  der  Sachsen  zusaninion. 
Dabei  kann  nicht  an  die  des  Jahres  782  gedacht  werden  (s.  v.  Richthofen, 
K.  RG.  S.  380),  denn  während  dieses  Aufstands  starb  Alberich  (V.  Liudg. 
18*S.  410).  Als  sein  Todesjahr  steht  aber  nüch  Ann.  Uauresh.  z.  J.  784  dos 
zuletzt  genannte  Jahr  fest.  Nun  giebt  allerdings  Altfrid  a.  a.  0.  an,  dass 
Liudger  fast  sieben  Jahre  in  Dockum  gewirkt  liabo.  Allein  es  ist  doch  im 
hnrhsten  .Masse  unwahrscheinlich,  dass  er  jahrelang  daselbst  neben  Wille- 
had  thiltig  war.  Der  letztere  aljor  wurde  erst  7^0  aus  der  Friesenmission 
abgerufen  (V.  Willeh.  5  S.  381).  Es  steckt  deshall)  wahrscheinlich  in  «Umi 
fast  sieben  Jahren  ein  Irrtinn.  Das  schlechte  Zahlengedächtnis  Liudger«, 
von  dem  die  Biograjihio  (Jregors  Prolien  genug  giolit.  wird  auch  die  Er- 
zählungen aus  .seinem  eigenen  Leben  verwirrt  haben,  an  die  sich  Altlrid 
zunächst  hielt. 

1)  S.  Bd.  I  S.  423. 

2)  Quelle  über  Willehad  ist  dessen  Biographie,  welche  man  allgemein 
als  Werk  Anskars  betrachtete.  Dagegen  hat  Dehio  (Gesch.  des  Er/.bisfh. 
Hamburg-Bronion  I  S  51  f.)  sehr  wahrscheinlich  gemacht,  da.ss  dies  unrichtig 
ist.  Kr  betrachtet  nur  die  miracula  als  von  .Xnskar  verfivsst,  sieht  dagegen 
in  der  Vita  eine,  unbekannt  von  wem,  nach  dem  .Jahre  838  verfasste  Schrift- 


—     351     — 

Heimat  war  Xorthumberland.^)  Vielleicht  war  er  ein  Schüler 
Ekberts;  denn  er  war  mit  Alkuin  befreundet,  scheint  aber  älter  als 
dieser  gewesen  zu  sein.  Denn  Alkuin  spricht  später  von  ihm  in 
einer  Weise,  die  zeigt,  dass  er  zu  ihm  aufblickte;  er  hat  eine  Zeit- 
lang als  sein  Genosse  mit  ihm  gearbeitet."^)  Die  Nachrichten  von 
den  Fortschritten  des  Christentums  in  Friesland,  welche,  vermittelt 
durch  die  Beziehungen  Gregors  zu  Alkuin,  nach  England  drangen, 
erweckten  in  Willehad  den  Wunsch,  in  diese  aussichtsvolle  Arbeit 
einzutreten.  König  Alchred  gal)  seine  Zustimmung.'^)  Daraufhin 
ordnete  ihn  eine  Versammlung  englischer  Bischöfe  und  Priester 
zur  Predigt  unter  den  Friesen  ab.  Er  begab  sich  nach  Dockum. 
Dort  war  die  Lage  gefährlicher  als  an  der  Yssel:  Heiden  und 
Christen  wohnten  nebeneinander.  Voll  Freude  empfingen  ihn  die 
letzteren:  rasch  konnte  er  die  Frucht  seiner  Predigt  und  seines 
Unteirichts  wahrnehmen.  Es  gelang  ihm,  eine  Anzahl  vom  Glauben 
Abgefallener  wieder  zu  gewinnen.  Auch  unter  den  Heiden  fand 
das  Christentum  neue  Anhänger.^) 

Der    glückliche    Erfolg    gab    Mut    zu    weiterem    Vordringen: 
AVillehad  zuerst  übei-schritt  mit  der  christlichen  Predigt  die  Lauwers. 


welche  kurze  Nachrichten,  die  alsbald  nach  dem  Tode  Willehads  aufge- 
zeichnet wurden,  mit  der  mündlichen  Tradition  verbindet.  Über  Willehad 
vgl.  Rettberg,  KG.  D.'s  II  S.  450  fF.,  .>S7;  Moll,  KG.  I  S.  168  f.;  Dehio  a.  a. 
0.  S.  12  ff-.;  Klippel,  P.  KE.  XVII  2.  Aufl.  S.  143  ff. 

1)  V.  Willeh.  I  S.  380.  Die  Beziehungen  Willehads  zu  Utrecht,  welche 
Dehio  a.  a.  0.  S.  14  u.  ö.  annimmt,  sind,  .so  viel  ich  sehe,  ohne  Anhalt  in 
den  Quellen. 

2)  Ale.  ep.  6  S.  31  aus  dem  Jahre  789:  Saluta  millies  dilectissimum 
meum  Uilhaed  episcopura.  Multura  nie  poenitet,  quod  recessi  ab  eo.  Utinam 
videam  eum  et  sit  cur.sus  vitae  meae  consummatus  in  peregrinatione.  Nimmt 
man  an,  dass  er  772  England  verliess  (s.  Anm.  4),  so  war  er  vor  742 
geboren;  denn  er  war  bereits  Priester,  als  er  den  Entschluss  fasste,  sich 
der  Mission  zu  widmen  (V.  Willeh.  I  S.  380).  Alkuin  ist  vor  78.5  geboren; 
8.  0.  S.  124.  Anm.  2.  Man  wird  also  mit  dem  Ansatz  für  W.'s  Geburt  über 
730  emporrücken  müssen. 

3)  Von  765  bis  Ostern  774;  s.  Winkelmann,  Geschichte  der  Angel- 
sachsen S.  116.  • 

4)  V.  Willeh.  2  S.  380.  Die  Zeit  der  Landung  Willehads  steht  nicht 
fest.  Die  Biographie  sagt  nui-.  dass  er  lange  Zeit  in  Dockum  wirkte.  Da 
er  nun  im  Jahre  780  durch  Karl  nach  Sachsen  berufen  wurde,  und  da  seiner 
Abberufung  die  wahrscheinlich  kurze  Wirksamkeit  östlich  der  Lauwers 
vorherging,  so  wird  Willehad  eher  zu  Ende  als  zu  Anfang  der  Regierung 
Alchreds  die  Heimat  verlassen  haben.  Ebenso  Dehio  a.  a.  0.  S.  14:  Anfang 
der  siebziger  Jahre.  Patetta  (S.  10)  nimmt  779  an;  das  ist  aber,  wie  man 
sieht,  unmöglich. 


—     352     — 

Er  predii^te  im  Gau  Hiigiiierki'.  Mit  dein  Stolz  eines  W-rtretei^s 
der  vernünftigen  Religion  gogen  die  T'nvernunft  des  Heidentums 
trat  er  den  Fliesen  entgegen  und  forderte  sie  auf.  die  Götzen  ab- 
zutimn.  Aber  liier  war  die  Autorität  der  nationalen  Religion  iiocli 
uncrsehüttert :  der  jiili  auflodernde  heidnische  Fanatismus  bedrohte 
ihn  mit  dem  Tode :  wie  einst  Willibrord  verdankte  er  nur  dem  Um- 
stände seine  Rettung,  dass  das  Los  ihm  günstig  fiel.  Doch  das 
Land  musste  er  räumen:  er  wandte  sieh  nach  dem  südlich  an- 
grenz(;nden  sächsischen  Gau  Tliriaiite. ') 

Fasst  man  diese  Züge  zusammen,  so  scheint  das  X'rteil  be- 
rechtigt, dass  es  an  der  straffen  Konzentration  der  Kräfte  und  an 
dem  mutigen  Vorwärtsdringen  felilte,  so  lange  Gregor  lebte:  das 
schon  vorher  besetzte  Gel)iet  wurde  nicht  überschritten,  oder  wenn 
es  geschah,  so  glich  das  Vorgehen  mehr  einem  Freibeuterzug  als 
einem  regelrechten  Angriff;  auch  mangelte  die  einheitliche  Ijcitung: 
es  gal)  Arbeiter,  die  nicht  mit  l'ti'echt,  wohl  aber  mit  ^'ork  in 
Verbindung  standen.  Mit  einem  Worte:  es  machte  sich  bemerk- 
lich.  dass  dem  Bistume  der  Rischof  fehlte;  der  Mönch  konnte  ihn 
nicht  ei-setzen. 

Karl  hat,  so  lange  Gregor  lel)te,  in  die  Verhältnisse  nicht  ein- 
gegriffen. Uass  aber  die  ]Jinge  nicht  nach  seinem  Sinne  waren, 
zeigt  sein   Vorgehen  nach  Gregors  Tod. 

Zum  Nachfolger  Gregoi"s  war  längst  sein  Neffe  Alberich  be- 
stimmt.^) Schon  während  des  jahrelangen  Siechtums  Gregors  lag 
die  Leitung  der  kirchlichen  Angelegenheiten  in  seiner  Hand.  Er 
war  aus  anderem  Holze  wie  sein  Oheim,  sc,hr(»ffer,  energischer,  auch 
in  den  Dingen  dieser  AVeit  gewaiidtt  r  als  jener. '')  Alsbald  liess 
er  durch  Liudger  die  zerstörte  Kirche  in  Deventer  wieder  er- 
richten. An  derseli)en  entstand  ein  Stitt  von  Kanonikern.  Die 
Kirche  ist  nicht  wieder  zerstört  worden.'*)    Nach  dem  Tode  Gregors 


1)  V.  Willeh.  3  f.  S.  380  f.    Tlniante  entspricht  deni  j(>t/i<ron  Drentbe. 

2)  V.  Greg.  !•')  S.  79.  Die  Angalion  über  Alberich  niml  dürftig;  er 
war,  wie  es  scheint,  nicht  Mönrh  genug,  um  einen  Biogniphon  zu  finden. 

3)  L.  c. :  Qui  tunc  temporis  in  Italia  erat,  regali  .servitio  occupatus. 
Alkuin  nennt  etwas  spöttisch  (carm.  4  v.  6  S.  221)  Alberich  .vaccipotens 
pniesul".  Man  darf  daraus  schliessen,  dass  Alberich  üi)or  den  Besitz  anders 
urteilte  als  (Tregor. 

4)  V.  Liudg.  I,  14  S.  408.  Kin  Zeugnis  der  Wirksamkeit  Liudgera 
an  der  Yssel  sind  die  späteren  Schenkungen  in  Withmund  (Wichniund)  bei 
Zütphen  (Lacomblet,  UH.  Nr.  4  S.  3  vom  4.  Oktober  794;  Nr.  9  S.  6  vom 
29.  Juni  797;  Nr.  16  S.  10  vom  Iß.  September  800;  hier:  ad  construcndam 
ecclesiam.  Es  handelt  sich  nur  um  einen  Neubau;  vgl.  Nr.  9:  ad  reliquias 
8.  salwatoris,  ceterorumque  sanctorum  que  a  liudgero  abbatc  in  uuithmundi 


o  -  o 
OOO 


tnig  er  kein  Bedenken,  die  bisehöfliche  Würde  zu  übernehmen, 
oljgleich  er  auf  das  Martinskloster  nicht  verzichtete.  Auch  darin 
zeigt  sich  die  Verschiedenheit  beider,  dass  Alberich  sich  in  Köln 
die  Bischofswürde  erteilen  liess:  die  Verbindung  mit  England 
löste  sich:  die  friesische  Kirche  ghederte  sich  der  fränkischen 
Landeskirche  an.^) 

Noch  hatte  Alberich  mit  dem  Mangel  an  geeigneten  Mit- 
arbeitern zu  kämpfen ;  -)  gleichwohl  wagte  er  den  Versuch,  die  Beste 
des  Heidentums  im  fränkischen  Fiiesland  gewaltsam  auszurotten. 
Er  sandte  seine  Mönche  mit  dem  Befehl  durch  das  Land,  die 
Götterbilder  zu  zerschlagen,  die  heidnischen  Heihgtünier  zu  zer- 
stören und  was  in  ihnen  wertvoll  war,  zu  rauben.  Er  glaubte,  es 
sei  möghch,  eine  neue  Religion  zu  pflanzen,  indem  er  die  alte  mit 
(j-ewalt  vernichtete.  Aber  das  war  die  Vorstellung  der  Zeit:  die 
Religionen,  ja  die  Götter  kämpften  miteinander:  AVehe  dem  Unter- 
liegenden! Ein  solcher  Auftrag  konnte  nur  ausgeführt  werden, 
wenn  die  Macht  des  Königs  den  Bischof  schützte.  Es  ist  denn 
auch  kein  Zweifel,  dass  die  Mönche  ebenso  im  Auftrag  des  Königs 
wie  des  Bischofs  handelten:  einen  Teil  der  Schätze  der  heidnischen 
Tempel  überliess  Karl  an  Alberich  für  die  Zwecke  der  Kfrche.'^) 


constituta   sunt.     Weiterhin  ist   von    servis   Dei  qui   eas  legitime   custodire 
reperientur  die  Rede). 

1)  V.  Liudg.  I,  15  S.  408.  Die  Weihe  fand  nicht  vor  dem  Sommer 
777  statt  (Urkunde  Karls,  B.M.  206).  Berücksichtigt  man  nun,  dass  Liudger 
wahrscheinlich  780  nach  Dockum  kam  (s.  o.  S.  349  Anm.  4)  und  dass  nach 
V.  Liudg.  I,  15  seine  Priesterweihe  mit  der  tlbertragung  jener  Stelle  in 
Zusammenhang  steht,  so  wird  es  wahrscheinlich,  dass  seine  Ordination  und 
dann  auch  die  Weihe  Alberichs  in  das  Jahr  780  fallen.  Dadurch  wird  die 
oben  S.  345  Anm.  1  ausgesprochene  Vermutung,  dass  780  als  Todesjahr 
Gregors  richtig  ist,  dass  aber  Alberich  schon  seit  seiner  Erkrankung  die 
Leitung  der  Utrechter  Angelegenheiten  führte,  eine  gewisse  Stütze  erhalten. 
Dass  V.  Liudg.  I,  14  ihn  erst  nach  dem  Tode  Gregors  die  Zügel  ergreifen 
lässt,  wird  kaum  Schwierigkeiten  machen.  Die  Angabe  ist  ein  leicht  er- 
klärlicher Irrtum  Altfrids.  Beachtenswert  ist,  dass  auch  er  weiss,  dass  die 
Übernahme  der  Leitung  und  die  Bischofsweihe  nicht  zusammenfallen.  Als 
Prior  des  Martinsklosters  nennt  V.  Liudg.  I,  16  S.  409  den  Mönch  Haddo, 
den  auch  Alkuin  kannte;  carm.  4  v.  8  S.  221: 

Nam  tibi  Hadda  prior  nocte  non  amplius  una 
In  Traiect  mel  compultimque  buturque  ministrat: 
Utpote  non  oleum  nee  vinum  Fresia  fundit. 

2)  Der  Beweis  liegt  in  der  seltsamen  Einrichtung  des  Unterrichts  in 
St.  Martin :  Alberich,  der  Priester  Adalgar,  Liudger  und  Thiatbrat  (s.  Bd.  I 
S.  401)  unterrichteten  abwechselnd  je  ein  Vierteljahr;  V.  Liudg.  I,  15  S.  409. 

3)  V.  Liudg.  I,  14  S.  408. 

Hauck,  KirchengeschicMe.    II.    2.  Aufl.  23 


—     354     — 

Dass  Karl  übprall  in  die  kirchlichen  Verhältnisse  emgriff,  zeigt 
die    Abberufung   Willehads    aus    Dockuni    im    Jahre    780.^)     Karl 
glaubte  den  tüclitigon,  l)ewährteu  Mann  anderwärts  besser  gebrauchen 
zu  können.      Doch  war  Dockuni  ein   zu  wichtiger  Posten,   als  dass 
es  unbesetzt  bleiben  konnte.    In  die  Stellung  Willehads  trat  Liudger 
ein.-)     Wie   sein  Vorgänger   wirkte   er  zugleich   als  Missionar  und 
Organisator;   er   hatte   den   grossen  Vorteil  vor  jenem  voraus,   dass 
er  nicht    ein  Fremder,    sondern  ein  Friese   war:    ein    bewundernder 
Freund  hat  ihn  die  berühmte  Säule   seines  Volkes   genannt:'')   wäe 
anders  nnisste  sein  Wort  wirken  als  das  der  Franken  und  Angel- 
sachsen.     Willehad    war    ei'   an    kühnem   Wagenmt   vielleicht  nicht 
gleich:  aijer  er  wird  gerühmt  als  gelehrt,  klug  und  tiefer  Gedanken."*) 
Westlich  der  Lauwers  gründete  er  eine  Anzahl  Kirchen:  vor  allein 
aber  hat  er  die  ersten  klösterlichen  Niederlassungen  in  diesem  Teile 
Fiieslands  gestiftet.     Er  selbst  hatte   die  Mönchsgelübde  nicht  ab- 
gelegt:   aber   auch  in  ihm   lebte   die   asketische  Lebensanschauung 
des  ßonifatius  foii.^')     Mit    welcher  Liebe    er   das  Gedächtnis   des 
angelsächsischen  Märtyrers  pflegte,  dafür  ist  ein  sprechender  Beweis 
seine  Biographie   Gregors:    der  nächste  Held    seines   Buches   wird 
durch  seinen  grossen  Lehrer  gewissermassen  verdunkelt.    Wie  hätte 
er  unterlassen  können,  den  Ort  des  Martyriums   auszuzeichnen:   er 
scheint  die  Gedächtniskirchc  erneuert  zu  haben.     Alkuin.  der  erste 
Dichter  des  Jahrhunderts,  schrieb  ihm  die  preisende  Inschrift.") 

Jahrelang  war  Liudger  an  der  Lauwers  thätig;')  der  Bestand 
des  Christentums  seiden  gesichert:  da  wurde  alles,  was  seit  deni 
Tode  des  Bonifatius  eiTeicht  war,  wieder  in  Gefahr  der  Vernichtung 
gebracht.  Die  Erhel)ung  der  Sachsen  gegen  die  fränkische  Herr- 
schaft   im  Jahre  784   riss    auch    die  Friesen    mit   fort:    der   ganze 


1)  V.  Willeh.  .5  S.  381. 

2)  V.  Ihulfy.  1.  15  S.  408  f. 

3j  Joseph.  Scott,  ciirin.  1  v.   4  S.  1.50. 

4)  L.  c.  V.  6. 

5)  V.  Liudg.  1,  17  S.  409.  Kirchen  östlich  dor  Lauwers  in  Liiulgers 
Zeit:  zu  Wiscwirt  bei  Holwyrde  ein  Oratorium  (V.  Liudg.  II,  1  S.  412),  zu 
Werdina  (Wirdum)  eine  von  Liudger  auf  orerhtem  Besitze  am  Meer  erbaute 
Kirche  fll,  3  S.  412).  in  Loor  an  der  Leda  ill.  5  S.  413).  Die  Gründung 
der  letzteren  fällt  wahrachoinlich  in  die  Zeit  nach  der  Rückkehr  Liudgers 
aus  Italien.  Von  seinen  Genossen  nennt  V.  Liudg.  I,  18  seinen  Bruder 
Hildigrim,  den  späteren  Bischof  von  Chälons,  und  Gerbert  mit  dem  Bei- 
namen Castus;  8.  über  ihn  Diokamp,  Geschichtsquellen  IV  S.  25  Anm.  3. 

6)  Die  Verse  V.  Liudg.  I.  17;  auch  Poet.  lat.  1  S.  .304. 

7)  Über  die  fere  septeni  annos  der  V.  Liudg  T,  18  S.  410  s.  o.  S.  349 
Anm.  4. 


—     355     — 

Landstrich  zwischen  Lauwers  und  Fli  fiel  vom  Christentum  ab: 
man  opferte  wieder  den  alten  Göttern.  Die  Kirchen  wurden  ver- 
brannt, die  Priester  veijagt,  auch  Liudger  sah  sich  zur  Flucht  ge- 
nötigt. Er  ging  nach  Italien:  in  Rom  und  Monte  Cassino  brachte 
er  zweiundeinhalbes  Jahr  zu:  obgleich  er  kein  Mönch  war,  freute 
ev  sich,  im  Kloster  Benedikts  nach  Benedikts  Regel  leben  zu 
können.^) 

Doch  bewies  gerade  dieser  Sturm,  dass  der  christhche  Glaube 
im  mittleren  Friesland  schon  so  tiefe  Wurzeln  geschlagen  hatte, 
dass  er  nicht  mehr  ausgerottet  werden  konnte.  Zu  den  von  Liudger 
flu-  die  christliche  Wahrheit  gewonnenen  Friesen  gehörte  ein  sanges- 
kundiger Mann,  Namens  Bernlef.  Jedermann  liebte  ihn,  denn  nie- 
mand verstand  es  wie  er,  von  den  Grossthaten  der  Vorfahren  und 
den  Kämpfen  der  Könige  zu  singen  und  zu  sagen.  Der  nordische 
Sänger,  dessen  Phantasie  die  kühnen  Seefahrten  seines  Volkes  und 
dessen  trotziger  Schlachtenmut  erfüllten,  wurde  ergriffen  von  der 
erhabenen  Poesie  der  Psalmen:  Liudger  konnte  ihn  nicht  genug 
von  diesen  Liedern  lehren.  Als  mm  die  Priester  aus  dem  Lande 
weichen  mussten,  Übertrag  Liudger  ihm  die  Aufgabe,  die  Christen 
im  Glauben  zu  stärken;  er  hat  sie  treuhch  gelöst:  hin  und  her  im 
Lande  suchte  er  die  Gläubigen  in  ihren  Häusern  auf,  ihm  wehrte 
imd  schadete  niemand.  Manches  Kind  ist  dmcli  ihn  getauft  worden, 
bis  endlich  che  Priester  zurückkehren  konnten.  Der  alte  Sänger 
ist  wie  eine  Verkörperung  der  besten  Seiten  seines  Volks:  des  un- 
verzagten Mutes  und  der  hingebenden  Treue.  Von  einer  Treue, 
die  sich  stark  fühlt,  über  das  Grab  hinauszureichen,  zeugte  auch  sein 
Tod.  Als  es  mit  ihm  zum  Sterben  kam,  klagte  seine  Frau  im  Ge- 
danken an  ihr  einsames  Leben;  er  aber  tröstete  sie:  Wenn  ich  von 
Gott  etw'as  erbitten  kann,  dann  w^irst  du  nach  meinem  Tode  nicht 
lange  auf  dieser  Erde  bleiben:  vierzehn  Tage  danach  ist  sie  ge- 
storben.-) 

Der  Aufstand  der  Sachsen  wurde  in  harten  Kämpfen,  welche 
die  Jahre  784  und  785  erfüllten,  niedergeworfen.")  Die  Folge  war, 
dass  auch  die  Friesen  sich  wieder  unter  die  ü'änkische  Herrschaft 
fügten.  Alberich  w^ar  im  ersten  Jahr  der  Erhebung  gestorben.*) 
Das  Bistum  Utrecht  wm'de,  vne  es  scheint,  sofort  wieder  besetzt;'^) 


1)  V.  Liudg.  I,  18  f.  S.  410. 

2)  V.  Liudg.  II,  1  f.  S.  412. 

3)  S.  Abel,  JB.  I  S.  469  ff.,  493  ff. 

4)  Ann.  Lauresli.  z.  J.  784.     Rettberg,  KG.  D.'s  II  S.  534  irrig:  782. 

5)  Ein  Utrecbter  Bischofskatalog  aus  der  Mitte  des  14.  Jahrhunderts 
{M.Ct.  Scr.  XIII  S.  295)  giebt  zwischen  Alberich  und  dem  815  nachweisbaren 
Hrikfred  (Urkunde  Ludwigs  vom  18.  März  815,  B.M.  558)   die   zwei  Namen 

23* 


—     B56     — 

aber  der  neue  Bischof  tritt  wenig  liervctr.  Vielnu'iir  leitete  Kall 
die  kirehlichen  Verhältnisse.  Als  Liiidger  im  Jahre  786  aus  Italien 
weder  nach  Deutseliland  kam,  gab  er  ihm  den  Auftrag,  nach  Fiies- 
land  zurückzukehren,  seinen  AVohnsitz  aber  östHch  der  Lauwers  zu 
nehmen:  die  überwiegend  heidnischen  Gaue  an  der  Mündung  der 
Ems')  sollten  für  das  Cbiistentum  gewonnen  werden.  Auf  die 
Macht  des  Königs  gestützt,  zerstörte  Liudger  die  heidnischen  Heihg- 
tümer:  die  Niederlage  der  Götter  sollte  dadurch  gleichsam  besiegelt 
werden.  Dagegen  erhoben  sich  da  und  dort  christliche  Kirchen. 
Nun  hört  man  zuei-st  den  Namen  der  Stadt  Leer.-)  Auch  auf  den 
friesischen  Inseln  wurde  das  Kreuz  aufgerichtet.^)  Man  hatte  in 
Utrecht  Willibrords  kühne  Fahit  nach  Helgoland  nicht  vergessen. 
Es  reizte  Liudger,  die  damahge  Niederlage  auszuwetzen :  mit  Karls 
Zustinnnung  schiffte  er  nach  der  Insel:  ihm,  der  im  Schutze  des 
mächtigen  Heirschers  kam,  wagte  man  keinen  Widerstand  entgegen- 
zusetzen. Die  Opferstätten  Fosetes"*)  Avurden  verwüstet  und  christ- 
liche Kapellen  errichtet.  In  jenem  Quell,  den  Willibrords  nuitige 
That  den  Cluisten  geheiligt  hatte,  wurden  die  Bewohner  des  Felsen- 
eilands getauft.  Landerich,  der  Sohn  eines  der  Häuptlinge,  erhielt 
die  Würde  eines  Presb}i;ers:  er  ist  der  neuen  Religion,  die  seine 
Heimat  wie  im  Sturm   überrannt  hatte,    treu    gebheben.''')     Allein 


Thiaterd  und  Erniacker.  Der  Erstero  ist  vielleicht  in  dem  Besitzer  des 
Wiener  Livius  wiederzufinden  nach  der  Notiz  Iste  codex  est  Theatberti 
episcopi  de  Dorostat,  s.  Wattenbach,  GQ.  I  S.  245  Anm.  1,  der  aber  über 
den  Besitzer  anders  vermutet;  er  identifiziert  ihn  mit  dem  Thiatbraht  der 
V.  Liudg.  I,  1-5.  Unmöglich  ist  es  nicht,  dass  dieser  wieder  mit  dem  späteren 
Bischof  identisch  ist.  Eine  längere  Erledigung  des  Bistums  ist  also  nicht 
wahrscheinlich.  Dass  die  Verbindung  zwischen  dem  Martinskloster  und  dem 
Bistum  fortbestand,  ergiebt  sich  aus  der  angeführten  Urkunde:  ^Veteris 
Traiecti  ecclesiae  episcopus,  quae  est  constructa  in  honore  s.  Martini"  und 
„Ipsi  servi  Dei,  qui  ibidem  consistunt.  cum  eorum  episcopo*.  Eigentlich 
war  nicht  St.  Martin,  sondern  St.  Salvator  die  Kathodralo.  FAne  3.  Kirche 
in  Utrecht,  8t.  Trinitatis,  ist  in  einem  Zusätze  zu  Willib.  V.  Bonif.  erwähnt 
M.G.  Scr.  II  S.  353  Anm.  39. 

1)  Genannt  sind  die  Gaue  Hugmerchi,  Hunusga,  Fivilga,  Emisga,  Fedi. 
ritga  (V.  Liudg.  I,  19  S,  410);  sie  lagen  östlich  von  der  Lauwers.  Vgl. 
V.  Ledebur,  Die  fünf  Münsterschen  Gaue  und  die  sieben  Seelande  Fries- 
lands,  1836. 

2)  V.  Liudg.  II,  5  S.  413. 

3)  Die  untergegangene  Insel  Bant  gehörte  zu  dem  Liudger  eigens  an- 
gewiesenen Bezirke  (V.  Liudg.  I,  19  S.  410). 

4)  Über  Fosete  s.  v.  Richthofen,  Fries.  RG.  II,  1  S.  434  f.;  Grimm,. 
Deutsche  Mythologie  S.  210. 

5)  V.  Liudg.  I,  10  S.  41Ü. 


—     357     — 

alte  Heiligtümer  werden  nicht  leicht  vergessen.  Den  nordischen 
Seefahrern  galt  Helgoland  nach  wie  vor  als  die  heilige  Insel.  Es 
mag  unter  den  schwachen  Nachfolgern  Karls  gewesen  sein,  dass 
die  chiistlichen  Einwohner  diu^ch  sie  aus  der  Lisel  verjagt  wiu'den. 
Im  11.  Jahrhundert  wm'de  sie  gewissermassen  neu  entdeckt.^) 

■  Auf  dem  Festland  hatte  Liudger  mit  offenem  Widerstand 
eines  Teils  der  Bevölkerung  zu  kämpfen.  Unter  Führung  Unnos 
und  Eilrats  erhohen  sich  die  Heiden,  sei  es,  dass  die  immer  von 
neuem  aufflammenden  Empörungen  der  Sachsen  wdeder  üher  die 
fiiesische  Grenze  hinübergriflfen,  sei  es,  dass  Liudgers  gewaltsames 
Vorgehen  den  Aufstand  wachrief.  Die  Empörten  rächten  die  ver- 
brannten Heiligtümer  au  den  christHchen  Kirchen.  Liudger  musste 
noch  einmal  das  Land  verlassen.-)  Aber  das  war  nur  ein  Hemm- 
nis, kein  Hindernis.  Ehe  das  Jahi'hundert  abgelaufen  war,  war 
die  L'nterwerfimg  Frieslands  unter  die  Kirche  vollendet.  Voll 
Freude  berichtete  Alkuin  über  das  erreichte  Ziel:  die  Stämme  der 
Friesen  hätten  sich  zum  Glauben  an  Christus  l^ekehrt.  Er  schreibt 
das  Verdienst  Karl  d.  Gr.  zu,  und  ohne  es  zu  wollen,  tadelt  er 
das  Verfahren  des  von  ihm  Gerühmten:  er  habe  die  einen  durch 
Belohnungen,  die  anderen  durch  Drohungen  gewonnen.^)  Es  sind 
die  Mittel,  die  deijenige  nicht  entbehren  kann,  der  rasche  Erfolge 
erstrebt. 

Von  dem  Zustand  Frieslands  in  der  letzten  Zeit  des  8.  Jahr- 
hunderts giebt  das  iriesische  Gesetz  •*)  eine  Vorstellung.    Das  Land 


1)  Adam.  Brem.  Gest.  Hamab.  eccl.  pontif.  IV,  3  S.  156  (der  Oktav- 
ausgabe): Eilbertum  (Bischof  von  Fünen)  tradutit,  conversum  a  pyratis, 
Farriam  insulam,  quae  in  ostro  fluniinis  Albiae  longo  secessu  latet  in  oceano, 
primum  repperisse,  constructoque  ibi  monasterio  fecisse  habitabilem.  Haec 
insula  contra  Hadeloam  (Land  Hadeln)  sita  est.  Cuius  latitudo  vix  octo 
miliaria  panditur,  latitudo  quatuor;  homines  Stramine  fragmentisque  navium 
pro  igne  utuntur.  Sermo  est,  piratas,  si  quando  praedam  inde  vel  minimam 
tulerijit,  aut  niox  perisse  naufragio  aut  occisos  ab  aliquo,  nullum  domum 
redisse  indempnem.  Quapropter  solent  heremitis  ibi  viventibus  decimas 
praedarum  offerre  cum  magna  devotione.  Est  enira  haec  insula  feracissima 
frugum,  ditissima  volucrum  et  pecudum  nutris,  collem  habet  unicum,  arborem 
nullam,  scopulis  includitur  asperrimis,  nuUo  aditu  praeter  unum,  ubi  et 
aqua  dulcis,  locus  venerabüis  omnibus  nautis,  praecipue  vero  pyratis.  Unde 
accepit  nomen  ut  Heiligland  dicatur. 

2)  V.  Liudg.  I,  19  S.  411. 

3)  Ep.  7  S.  32.  Der  Brief  gehört  in  das  Jahr  790.  Doch  ist  noch 
in  der  Urkunde  Ludwigs  von  815  (B.M.  558)  davon  die  Rede,  dass  die 
Martinskirche  gentiles,  qui  ad  christianitatem  convertuntur  alere  et  docere 
possit. 

4)  M.G.  Leg.  III  S.  656  ff.    Man  vergleiche  über  dasselbe  ausser  v.  Rieht- 


—     358     — 

war  (.•liristlicli:  es  fehlte  nicht  :in  Kirchen.')  welche  wie  andenviirts 
von  einem  unnnaneiteu  Hot"  umgehen  waren. -'l  Aher  es  gah  doch 
auch  Landstriche,  von  denen  aus  man  nur  schwer  eine  Kirche 
eiTeichen  konnte  und  in  denen  man  nicht  leicht  einem  Priester 
begegnete.'')  Die  christlichen  Institutionen  waren  anerkannt:  man 
feierte  den  »Sonntag:  wer  ihn  durch  schwere  Arbeit  brach,  luitte 
Busse  zu  zahlen:  östlich  der  Lauwers  12,  westlich  4  Solidi:^)  das 
neubekehi-te  Land  tilgte  sich  nur  widerstrebend  in  die  christliche 
Ordiumg.  Auch  die  kirchhchen  Ehehindernisse  sollten  beobachtet 
werden:  aber  es  fehlte  doch  viel,  dass  das  Volksrecht  und  das 
kh'chliche  Eherecht  sich  deckten,  ^fan  löste  verbotene  Ehen :  aber 
man  verwehrte  den  Getrennten  nicht,  wieder  zu  heiraten.  Und 
man  wusste,  dass  nicht  alle  die  über  sie  verhängte  Trennung  an- 
erkennen   würden:    wer   sich  nicht  fügte,    zahlte   sein    Wehrgeld. •^) 


hofens  Einleitung,  Bnanner,  D.  RG.  I  S.  340 f.,  Patetta  in  den  Memorie 
della  r.  Aoadomia  di  Torino  S.  II  Bd.  43  (1893)  S.  1  ff.  Derselbe  .ijiol.t  eine 
Übersicht  über  den  jetzigen  Stand  der  Frage  nach  dem  Ursprung.  Dass 
das  Gesetz,  so  wie  es  vorliegt,  chi'istlich  ist,  darüber  besteht  kein  Zweifel. 
Sein  Ursprung  unter  Karl  d.  Gr.  scheint  mir  sicher.  Patetta  nimmt  die 
Jahre  785 — 790  an.  Der  christlichen  Rezension  ist  eine  heidnische  voran- 
gegangen. Dies  ergiebt  sich,  entgegen  der  Annahme  v.  Richthofons,  der 
a.  a.  0.  S.  651  alle  Teile  des  Gesetzes  erst  unter  fränkischer  Herrschaft, 
den  ältesten  zwischen  734  und  785  aufgezeichnet  sein  lässt,  aus  tit.  V,  1 
S.  663:  Sine  compositione  occidi  potest,  qui  fanum  etfregit.  v.  Richthofen 
versteht  freilich  unter  fanum  eine  christliche  Kirche  (Fries.  RCi.  II,  1  S.  502); 
aber  ist  das  möglich?  Beweisen  nicht  auch  die  folgenden  Worte  ^ot  in- 
fans  ab  utero  sublatus  et  onecatus  a  matre'',  dass  hier  eine  ältere  heidnische 
Aufzeichnung  unverändert  stehen  geblieben  ist?  Den  letzten  Satz:  Et  si 
hoc  quaelibet  femina  fecerit,  leudem  suam  regi  componat,  betrachte  ich  als 
Zusatz  der  christlichen  Revisoren.  So  auch  Patetta  S.  33  f.  DasseUie  gilt 
aber,  wegen  tit.  XVII,  2  S.  <>70.  auch  von  dem  zweiton,  nach  v.  Rirhthofen 
im  Jahre  785  publizierten  Teil  des  (icsetzes.  Hier  wird  der  Herzogshof 
erwähnt;  v.  Richthofen  denkt  an  einen  fränkischen  in  Friesland  wohnenden 
Herzog;  aber  was  er  S.  649  zur  Hegründiing  dieser  .Annahme  beibringt, 
scheint  mir  nicht  ausreichend.  P^s  ist  einfacher,  auch  hier  den  Ro.st  einer 
älteren  Rezension  anzuerkennen.  Oti'en  heidnisch  ist  Addit.  XI;  mit  Recht 
deshalb  von  Schröder,  RU.  S.  236  als  eine  durch  AbschriMbervorsehen  in 
den  Text  gekommene  Randbemerkung  betrachtet. 

1)  Tit.  XIV.  1  S.  667;  XVII.  2  S.  670. 

2)  Tit.  XVII  S.  670:  In  ecclesia  aut  in  atrio  ecclesiae.    Der  altdeutsche 
Matthäus  hat  für  atrium  friithoua  (26,  3). 

3)  Tit.  XIV.  1  S.  667 :  Si  iuxta  ecdesiam  fieri  non  potuerit.     Si  pres- 
bvter  deest. 

4)  Tit.  XVI M.  1  f.  S.  671. 

5)  Addit.  II,  77  f.  S.  692.     Das  Wehrgeld  des  Freien  betrug  Ursprung- 


—     359     — 

Die  kirchlichen  Gebäude  genossen  eleu  gleichen  Schutz  wie  der 
Herzogshof:  der  Friede  in  ihnen  war  besonders  heihg;  wer  ihn 
störte,  des  Strafe  wurde  verneuufecht.^)  Der  ]\Iörder  hatte  Frieden 
wie  in  seinem  Hause,  so  auch  in  der  Kirche;  wie  auf  dem  Wege 
zm-  Volksversammlung,  so  auch  auf  dem  Wege  zum  Gotteshause.  ^) 

Auch  darin  erscheint  Friesland  als  christlich,  dass  der  Ver- 
kauf von  Sklaven  an  heidnische  Stämme  verpönt  war.^) 

Im  germanischen  Rechtsleben  stösst  man  überall  auf  ein  nicht 
unbedeutendes  religiöses  Element.  Es  erhielt  bei  den  Friesen  nun 
eine  christliche  Färbung,  welche  jedoch  das  ursprünghch  Heidnische 
deutlich  durchschimmern  lässt.  Der  Eid  war  Zauberformel:  man 
schwur  auf  Reliquien  oder  in  der  Kirche  am  Altar.*)  Man  wähnte, 
dass  Gott  im  Zufall  des  Loses  entscheide.  Am  schroffsten  tritt  das 
zu  Tage  in  der  Art,  wie  der  Mörder  eines  im  Tumult  Erschlagenen 
erkundet  wmxle.  Wer  das  Wehrgeld  fiir  ihn  heischte,  hatte  das 
Recht,  sieben  Beteiligte  des  Todschlags  zu  beziehten;  jeder  der- 
selben musste  mit  zwölf  Eideshelfern  schwören,  dass  er  unschuldig 
sei.  Dann  wm-den  die  Beklagten  in  die  Kirche  geführt,  damit  hier 
über  Schuld  oder  Unschuld  gelost  werde.  Man  legte  zwei  Ruten, 
deren  eine  mit  einem  Kreuze  bezeichnet  war,  mit  reiner  Wolle 
umwickelt  auf  den  Altar.  Ein  Priester  oder,  wenn  keiner  gegen- 
wärtig war,  ein  unschuldiger  Knabe  nahm  eines  der  Lose  auf, 
während  die  Anwesenden  Gott  anriefen,  er  möge  kund  thun,  ob 
die  Sieben,  Avelche  geschworen,  einen  rechten  Eid  geleistet  hätten. 
Wurde  das  Los  mit  dem  Kreuz  aufgehoben,  so  waren  sie  un- 
schuldig. Wenn  das  andere,  so  musste  weiter  nach  dem  Mörder 
geforscht  werden.    Jeder  der  Beklagten  hatte  eine  Rute  mit  seiner 


lieh  53^/3  Solidi,  das  des  Edeln  l^/amal  so  viel  (=  80  Solidi),  das  des  Liten 
die  Hälfte  (262/3  Solidi).  Im  westlichen  und  östlichen  Friesland  erhielt  der 
Edle  das  doppelte  Wehrgeld  des  Freien.  Später  wurden  alle  Summen  ver- 
doppelt (v.  Richthofen  S.  650  und  Fr.  KG.  II,  1  S.  499). 

1)  Tit.  XVn,  2  S.  670. 

2)  Addit.  tit.  I,  1  S.  682. 

3)  Tit.  XVII,  5  S.  671.  Es  fällt  auf,  dass  das  friesische  Eecht  für  den 
Kleriker  kein  eigenes  Wehrgeld  kennt;  v.  Richthofen  erklärt  (Fries.  RG.  II, 
1  S.  506),  Bestimmungen  darüber  könnten  nicht  gefehlt  haben.  Das  scheint 
mir  doch  nicht  über  jeden  Zweifel  erhaben.  Denn  sollte  sich  das  Fehlen 
der  fraglichen  Bestimmungen  nicht  sehr  einfach  daraus  erklären,  dass  das 
friesische  Gesetz  christliche  Revision  einer  heidnischen  Vorlage  ist?  Da 
analoge  Bestimmungen  dort  fehlten,  wurde  ihre  Aufnahme  hier  übersehen. 

4)  Tit.  III,  6^ S.  661;  X,  1  S.  665;  XII,  1  S.  666;  XIV,  1  S.  667. 
Handelte  es  sich  um  Kleinigkeiten,  so  wurde  der  Eid  in  vestimento  vel 
pecunia  abgelegt;   IE,  5  S.  661;  XII,  2  S.  666. 


—    :^()0    — 

Hausmarke  zu  bozeiclmen;  wieder  wurden  die  Lose  mit  reiner 
\\'olle  umwunden  und  auf  den  Altar  niedergelegt.  Nun  nahm  der 
Priester  ein  Tjos  um  das  andere:  das  letzte  bezeichnete  den 
Mörder.^)  Man  erkundete  den  Willen  des  christlichen  Gottes 
nicht  anders,  als  einstmals  Radbot  den  Willen  seiner  Götter'-)  er- 
foi*scht  hatte. 


An  historischer  Bedeutung  ist  unter  den  deutschen  Stänunen 
nur  einer  dem  der  Franken  ebenhüi-tig:  der  sächsische.'^) 

In  mancher  Hinsicht  war  er  vor  den  Franken  begünstigt. 
Während  die  Völkerschaften,  welche  im  Fraidcenl)unde  zusammen- 
traten, sehr  vei-schiedener  Art  gewesen  sind,  bildete  sich  der  Bund 
der  Sachsen  aus  Stänunen,  die  von  Hause  aus  nahe  verwandt 
waren:  deshall)  wurde  hier  der  Völkerbund  zu  einem  geschlossenen 
Volke  von  durchaus  einheithcheni  Gepräge.  In  unwandelbarer 
Treue  hing  das  Sachsenvolk  an  der  von  den  Vorfahren  ererbten 
Scholle.  In  dem  allgemeinen  \'orwärtsdrängen  der  deutschen 
Stämme  blieben  allein  die  sächsischen  Gaue  immer  in  dem  gleichen 
Besitz.  AVas  für  vei'schiedene  Stänimc  haben  im  Laufe  weniger 
Jahrhunderte  am  ^fain  gewohnt:  Burgunder  und  Alan)anueu, 
IMiüringer  und  Franken:  das  Land  zwischen  Elbe  und  Ems  da- 
gegen wechselte  nie  seinen  Herrn.  Wohl  hört  man  seit  der  Mitte 
des  4.  Jahrhunderts  auch  von  Zügen  dci'  Sachsen  nach  Westen. 
Neben  den  Franken  gelten  sie  als  gefürchtete  Feinde  dei-  römischen 
Kidtur.*)  Im  Nordwesten  Galliens  koimte  es  eine  Zeit  lang  zweifel- 
haft scheinen,  ob  Franken  oder  Sachsen  die  Erben  der  römischen 
Heri-schaft  sein  würden.'')  England  haben  sie  wirklich  besetzt. 
Allein  dabei  wurden  die  alten  Sitze  nicht  verlassen:  nur  der  Uber- 
schuss  des  Volkes  zog  in  die  Fremde;  die  Hauptmasse  hielt  zidie 
an  der  alten   Heimat  fest. 

Durch  die  Lage  ihres  T^andes  w;n'en  die  Sachsen  vor  dei-  un- 
mittelbai'cu  Berührung  mit  der  fremdailigi'u  Kultur  der  liömerwelt 


1)  Tit.  XIV,  1  S.  667  f. 

2)  Vpl.  Bd.  I  S.  403.  Und  übpr  das  Losnn  überhaupt  Homeyer,  Über 
da«  gennanisrh«?  Losen  fMonatsbor.  d.  HpH.  Akail.  1!^.")3  S.  747). 

3)  Vgl.  über  dn.s  Ethnographische  Zeuas,  Die  Deutschen  und  ihre  Nach- 
barstämtne  S.  380  ff. 

4)  Ammian.  Marrell.  XXVIII,  5  S.  419:  XXX.  7  S.  480  (ed.  ?:y8sen- 
hardt);  Oros.  hi.^t.  VII.  '25  S.  4S8  (ed.  ZangemeiHter);  VII,  32  S.  513f.;  Sid. 
Apoll,  (ed.  Luetjohanni.  ep.  VIII.  6  S.  132:  9  S.  1.36:  carm.  7  v.  369  8.  212; 
390  S.  213:  Knnod.  V.  Ant-n  S  ?.f<r.  (ed.  llarf.-l>:  S.ilvian.  de.  gub.  Dei  IV, 
67  S.  89  (ed.  Pauly). 

5)  Greg.  Tor.  Hi^t.  Franc.  11,   18  f.  S.  83;    (ed.  Arndt);    V,  26  S.  221. 


—     361     — 

behütet.  Das  fräntische  Gebiet  bildete  gleichsam  einen  Schiitz- 
wall.  Während  die  Franken  an  tausend  Punkten  von  den  zer- 
setzenden Einflüssen  des  fremden  Wesens  getroffen  wurden,  konnte 
die  deutsche  Art  im  Sachsenvolk  sich  ungestört  und  ungehemmt 
entfalten.  Das  war  Gewinn  und  Verlust.  Kulturelemente  in 
Menge  überkamen  die  Franken  aus  der  Gemeinschaft  mit  den 
Eomanen:  ihr  verdankten  sie  es,  dass  die  fränkische  Kultur  die 
Überleitung  von  der  römischen  zur  mittelalterlichen  bildet.  Aber 
sie  bezahlten  den  GcAvinn  an  Gesittung  mit  einer  unendlich  grossen 
Einbusse  an  Sittlichkeit.  Dass  die  Sachsen  noch  Barbaren,  ein 
Volk  laiegstüchtiger  Bauern  waren,  während  die  christHche  Bildung 
Europas  ihren  Mittelpunkt  am  fränkischen  Königshofe  hatte,  das 
lohnte  sich  darin,  dass  die  sitthchen  Gnmdlagen  des  Volkslebens 
bei  ihnen  unerschüttert  blieben. 

Diese  Verschiedenheit  zeigt  sich  nirgends  so  deuthch  als  in 
der  Stellung  zur  Behgion.  Das  fi-änkische  Volk  wechselte  seinen 
Glauben  so  leichthin,  dass  man  sieht:  der  alte  Glaube  war  längst 
entwurzelt,  und  dass  man  sich  nicht  wundern  kann,  wenn  der  neue 
sich  als  kraftlos  bewies.  Die  Sachsen  dagegen  setzten  ihre  Existenz 
daran,  sich  der  neuen  Keligion  zu  erwelu'eu,  die  ihnen  mit  Gewalt 
aufgedrängt  wurde.  Allerdings  unterhegt  es  keinem  Zweifel,  dass 
ihre  Abneigung  gegen  das  Christentum  dadurch  verschärft  wurde, 
dass  die  Verehrung  des  fremden  Gottes  die  Unterwei-fung  unter  die 
fremde  Herrschaft  besiegeln  sollte.  Der  alte  Glaube  war  ihnen 
auch  deshalb  wertvoll,  weil  er  ein  Beweis  der  alten  Freiheit  war. 
Man  mag  auch  vermuten,  dass  ihr  stark  entwickelter  Stammes- 
stolz ^)  ihnen  die  fremde  Rehgion  verächtHch  scheinen  liess,  und 
dass  ihr  schwer  beweghches  Wesen-)  sich  gegen  den  neuen  Glauben 
ebenso  ablehnend  verhielt,  wie  gegen  alles  neue.  Allein  ihr  zäher 
Widerstand  ist  doch  nur  dann  begreif hch,  wenn  man  annimmt, 
dass  die  nationale  Religion  bei  ihnen  weit  mehr  Kraft  und  Leben 


1)  Rudolfi  Transl.  Alex.  1  M.G.  Scr.  11  S.  675:  Generis  ac  nobilitatis 
suae  providissimam  curam  habentes,  nee  facile  uUis  aliarum  gentium  vel 
sibi  inferiorum  connubiis  infecti,  propriam  et  sinceram  et  tantum  sui  simi- 
lem  gentem  facere  conati  sunt.  Die  auf  nee  facile  folgenden  Worte  stammen 
aus  Tacit.  Germ.  4;  die  vorausgestellte  Begründung  gehört  Rudolf  und 
spriclit  also  eine  ihm  eigene  Bemerkung  aus.  Adam  von  Bremen  hat  den 
ganzen  Abschnitt  in  seine  Gesta  Hamab.  eccl.  pontif.  I,  4  if .  S.  5  if .  auf- 
genommen. 

2)  Alkuin  spricht  ep.  110  S.  157  von  der  duritia  infelicis  populi  Saxo- 
num.  Beda  lässt  die  beiden  Ewalde  ermordet  werden  auf  Grund  der  Be- 
fürchtung, ne  paulatim  omnis  provincia  veterem  cogeretur  nova  mutare 
culturam  (hist.  eccl.  gent.  Angl.  V,  10  S.  242  [ed.  Holder]). 


—     -MVl     — 

l)esass  als  bei  den  Franken.  P'.s  stimmt  damit  überein,  dass  die 
Energie  ihrer  Religiosität  fränkischen  Beobachteni.  wie  Eigil  und 
Rudolf  von  Fulda,  auttiel.')  Wenn  die  Angaben  des  letzteren"-) 
ein  der  AValnheit  entsprechendes  Bild  gewähren,  so  war  das  reli- 
giöse Interesse  des  Volkes  vor  allem  darauf  gerichtet,  nichts  wider 
den  Willen  der  Götter  zu  unternehmen.  Auf  ninnchcrlci  Weise 
suchte  man  ihren  verborgenen  Rat  zu  erkunden:  l)al(l  warf  man  das 
Los,  und  gaben  die  in  die  Stäbe  geritzten  Runen  Aufschluss 
darüber,  was  den  Göttern  genehm  sei;  bald  deutete  der  Flug  der 
Vögel  und  das  Wiehern  der  Pferde  oder  de'-  aufsteigende  Rauch 
das  an.  was  sich  im  Geheimen  vorbereitete,  oder  es  zeigte  der  Aus- 
gang des  Zweikampfs,  wie  das  Los  der  Schlacht  fallen  würde.  Nie 
handelte  ein  Sachse  dem  Zeichen  entgegen,  das  von  dem  göttlichen 
Willen  Kunde  gab.'")  oder  begann  er  irgend  etwas  an  einem  Un- 
lilückstag."*)  Es  liegt  etwas  Grossartiges  darin,  dass  man  unweiger- 
lich auf  jedes  TTnternehmen  verzichtete,  dem  die  Götter  den  Segen 
versagten.  Aber  diese  Selbstbezwingung  ist  herb  und  hait;  sie 
glaubte  nicht  an  die  ^Nlacht  der  Bitte,  sond<in  lügte  sich  wortlos 
der  unbezwinglichen  Gewalt  der  Unsichtbaren,  der  Furchtbaren. 
Dasselbe  Getühl,  bis  zum  Grausigen  gesteigert,  führte  dazu,  dass 
man    wähnte,    die    (uitter    durch    Menschenopfei'    zu    ehi-eii:')    den 

1)  Ei^.  V.  Sturm.  22  S.  376:  Paganis  ritibu.s  niniis  dcfliti:  Kud.  Transl 
Alex.  8  .S.  67."):  CuHui  deiuonura  dediti  veraeque  religioni  contraiii;  Fredeg. 
contin.  c.  19  S    177:  Paganissinii. 

2)  Tranxl.  Alex.  2  S.  675.  Rudolfs  Nachrichten  werden  bestätigt  und 
ergänzt  durch  den  Indiculus  superstitionum  et  paganiarum  (cap.  108  S.  223). 
Deshalb  kann  der  Umstand,  dass  sie  aus  Tacit.  Geira.  '.)  rt'.  entnommen  sind, 
keinen  Zweifel  an  ihrer  Richtigkeit  erregen;  er  dient  nur  zum  Beweise  der 
Unveränderlichkeit  der  religiösen  Anschauungen.  Der  aufsteigende  Rauch 
ist  von  Rudolf  nicht  genannt,  dagegen  im  Indiculus  c.  17  S.  223.  Dort 
werden  noch  etlich  '  andere  Mittel,  die  Zukunft  zu  erforschen,  genannt: 
c.  13  auguria  de  bovum  stercora  vel  sternutationes  und  c.  17  de  obser- 
vatione  paganorum  in  incoatione  rei  alicuius.  Hefele  (C(j.  III  S.  508)  findet 
in  dem  ersteren  den  ttlauben,  es  bedeute  Unglück,  wenn  beim  Ausdreschen 
der  Frucht  durch  Ochsen  Kot  derselben  auf  die  Tenne  falle.  Ich  be- 
zweifele, ob  diese  Krkliirung  richtig  ist;  doch  nx'igen  darüber  die  Kenner 
des  deutschen  Altertums  entscheiden.  Den  Uebrauch  des  Loses  in  den 
wichtigsten  Anpelegenheiten  erwähnt  auch  Bed.  bist.  eccl.  gent.  Angl.  V, 
10  S.  242. 

3)  Rud.  1.  c. :  Si  prohibuorunt,  nulla  de  eadem  re  ipsa  die  consultatio, 
ni  perniissum  est,  eventum  adhuc  fides  exigebatur.  .\uch  dieser  Satz  aus 
Tacit.  r^erm.  10. 

4)  Rud.  1.  c.  nach  Tacit.  (Term.   11. 
ö)  Rud.  1.  c.     Vgl.  cap.  26,  9  S.  69. 


—     363     — 

Übermenschliclien  gebühi't  die  Gabe,  vor  der  Menschen  sich  ent- 
setzen. AVenn  es  wahr  ist,  dass  die  Sachsen  keine  Götterbilder 
kannten,-')  so  wird  man  daiin  nicht  den  Gedanken  des  geistigen 
Wesens  der  Gottheit  ausgedrückt  tinden  dürfen:  es  ist  das  Gefühl 
der  unnahbaren  Furchtbarkeit  der  Götter,  das  die  Hand  fesselte^ 
die  ein  Abbikl  derselben  herstellen  sollte. 

Dieser  Art  der  Rehgiosität  entspricht,  was  wir  über  die  sitt- 
lichen Zustände  des  Stammes  wissen.  Wieder  ist  es  ein  fränki- 
sches Zeugnis,  welches  die  sitthche  Tüchtigkeit  der  Sachsen  rühmt.-) 
Aber  sie  bethätigte  sich  nur  auf  eijiem  eng  umgrenzten  Felde. 
Was  das  Volksrecht  vorschrieb,  das  wurde  gehalten;  was  die  Volks- 
sitte heiligte,  das  wirrde  beobachtet.-)  Aber  sitthch  durchgebildete 
Charaktere  mangelten,  wie  sie  bei  den  Barbaren  überhaupt  fehlen: 
die  Kultur,  welche  Individualitäten  bildet,  ist  die  Voraussetzung  für 
den  sittlichen  Charakter.  Wo  die  Stütze  von  Gesetz  und  Sitte 
dem  Sachsen  fehlte,  da  war  er  auch  in  sittlicher  Hinsicht  Barbar. 
Rudolf,  der  von  vielem  Tüchtigen  und  Guten  bei  den  Sachsen  zu 
reden  weiss,  urteilt  doch  auch,  dass  sie  göttliche  und  menschliche 
Rechte  migescheut  brächen.'^)  Das  ist  schwerhch  ein  gedanken- 
loser Widerspruch.  Eine  Menge  h'änkischer  Orte  vom  Thüringer- 
wald bis  zum  Xiederrhein  hatte  die  wilde  Zerstörungswut  der 
Sachsen  zu  erfahren.^)  Und  zeigte  sich  nicht  in  den  Kriegen  mit 
den  Franken,    dass   die    sächsische   Treulosigkeit    der  beriichtigteu 


1)  Rud.  1.  c.  nach  Tacit.  Germ.  9.  Zweifel  daran,  ob  hier  Rudolfs 
Nachricht  der  Wirklichkeit  entspricht,  begründet  nicht  die  Irminsul  (s. 
unten),  sondern  die  Thatsache,  dass  die  den  Sachsen  verwandten  Friesen 
zweifellos  Götterbilder  hatten.  Eigil  spricht  V.  Sturm.  22  S.  376  von  idola 
et  simulacra  der  Sachsen;  vgl.  auch  cap.  108,  28  S.  223. 

2)  Rud.  1.  c.  1  S.  675:  Erant  inquieti  nimis  et  finitimorum  sedibus 
infesti,  domi  vero  pacati  et  civium  utilitatibus  placida  benigaitate  consu- 
lentes;  c.  2:  Legibus  etiam  ad  vindictam  malefactorum  optimis  utebantur. 
Et  niulta  utilia  atque  secundum  legem  naturae  honesta  in  morum  probitate 
habere  studuerunt.  Charakteristisch  für  die  sächsische  Art  ist,  was  Nithard 
bist.  IV,  2  S.  669  über  den  Aufstand  des  Jahres  842  erzählt:  Lothar  ver- 
spricht den  Gemeinfreien  und  Liten,  ut  legem  quam  antecessores  sui  tem- 
pore, quo  idolorum  cultores  erant,  habuerant,  eamdem  illis  deinceps  haben- 
dam  concederet.  Quo  supra  modum  cupidi  .  .  dominis  e  regne  pene  pulsis, 
more  antiquo  qua  quisque  volebat  lege  vivebat. 

3)  Rud.  1.  c.  3  S.  675. 

4)  Das  Nebeneinander  von  guten  und  schlimmen  Zügen  fiel  schon 
Salvian  auf,  de  gub.  Dei  VII,  64  S.  176:  Saxones  crudelitate  efferi  sed 
castitate  rairandi.  Man  sieht  zugleich  die  Macht  der  Sitte:  sie  wahrte  die 
Keuschheit  und  gestattete  die  Grausamkeit. 


—     364     — 

friiukisclieu  Eidlniichigkeit  luiuclestons  gewachsen  war?')  Trotz 
des  Tags  bei  Verden  erscheint  Karl  d.  dir.  seinen  trotzigen  sächsi- 
schen Gegnern  anch  sittlich  ül)erlegeu. 

Die  Beriihnnig  der  Sachsen  mit  den  Franken  nnd  dem 
Christentum  reichte  weit  zurück.  Als  im  G.  Jahrhinulert  die  frän- 
kische Macht  sich  unter  Chlodowechs  Siihuen  weithin  ausbreitete, 
erkannten  auch  die  Sachsen  die  Oberherrschaft  der  Fraidcen  an. 
Theudebert  I.  spricht  in  seinem  Briefe  an  Justinian  davon,  dass 
Sachsen  und  Jütländer  sich  freiwillig  seinem  Szepter  unterwoifen 
hätten.-)  Jedoch  schon  Chlothachar  I.  musste  um  die  Anerkennung 
seiner  Heirschaft  kämpfen:  er  Avar  dabei  nicht  immer  im  Vorteil. 
Hören  wir  einei-seits,  dass  er  an  der  AVeser  mit  den  Sachsen 
schlug/')  so  andererseits,  dass  die  Sachsen  bis  au^  den  Ehein  vor- 
drangen.^) Doch  behaui)tete  er  im  ganzen  das  Übergewicht:  die 
Sachsen  räumten  ihre  Al)hängigkeit  ein.  indem  sie  einen  jährlichen 
Tribut  von  500  Kühen  entrichteten.  Wenn  Dagobert  auf  diese 
Leistung  verzichtete,'^)  so  wurde  sie  doch  nach  ihm  wieder  gefordert.") 

Dies  unklare  Verhältnis  der  beiden  A'ölker  führte  zu  fort- 
währenden Reibungen.  Die  Sachsen  machten  bald  da,  bald  dort 
einen  Beutezug  auf  fiänkisches  Gebiet;  die  Franken  rächten  sich 
durch  Verwüstungszüge  in  das  sächsische  Land.') 

WiUn-end  der  letzten  Merowingerzeit  war  an  durcligrcifende 
]Massregeln  nicht  zn  denken.  Auch  mitor.  Karl  Martell.  Karlmann 
nnd  Pi])piu  kam  man  über  jenes  ziellose  Bingen  an  der  Grenze 
nicht  hinaus.  Erst  unter  Karl  d.  Gr.  beginnt  das  planmässige  Vor- 
dringen der  fränkischen  Macht  nach  Norden. 

Die  Kämpfe  zwischen  Franken  und  Sachsen  hatten  schon  seit 
Karlmann    und    Pippiu**)    eine    religiöse    Seite:    nach    fränkischen 

1)  Ale.  ep.  207  S.  344:  Aestiuiatur.  ut  cito  finiatiu-  causa  cum  Saxo- 
nibus,  si  tarnen  in  mendaciis  veritas  inveniri  i.otont. 

2)  M.G.  Kp.  III  S.  133  Nr.  20. 

3)  Gre{?.  Tur.  Hist.  Krane.  IV,  10;  14.     Marc.  Com.  z.  .1.  553. 

4)  Greff.  Tur.   1.  c   IV.   Kl  S.   155. 

5j  Fredeg.  chron.  IV.  74  S.  158;   chron.  Moiss.  zum  10.  Jahre  Dagoberts 

S.  286  f. 

6)  Fredep.  eontin.  31   S.   ISl. 

7)  Einhard  liebt  V.  Karol.  7  bervor,  da.s8  eine  natürliche  Grenze 
nianKelte;  wiederholt  von  dem  Poet.  Sax.  I  v.  25  fl".  S.  545. 

5)  Ob  in  der  Erzählung  V.  Faron.  71  fiF.  (A.  S.  Mab.  II  S.  589)  irgen.l 
ein  historischer  Kern  steckt,  lasee  ich  .lahingestellt  Bei  den  Kämpfen 
untor  Karl  Martell  i.'-t,  so  viel  ich  sehe,  von  der  Fordorung  der  Taufe  noch 
nicht  die  Rede;  vgl.  z.  J.  718  Ann.  S.  Amand.  Tilian.  Pet.  Mosell.;  z.  .1. 
720  Ann.  S.  Amand.  Tilian.  Laubac;    z.  J.  724  Fred.  cont.  11   S.   175;  z.  .1. 


—     865     — 

m 

Siegen  wurden  die  Übermiudenen  zum  Empfang  der  Taufe  ge- 
zwungen.^) Dauernde  Frucht  konnte  daraus  nicht  erwachsen;  es 
war  wertvoller,  dass  die  Sachsen  die  Predigt  der  fränkischen  Bischöfe 
gestatteten  und  die  Freilieit  des  Übertritts  zum  Chiistentum  ge- 
währten.-) Aber  auch  von  diesem  Zugeständnis  konnte  man  bei 
den  unablässigen  Feindsehgkeiten  an  der  Grenze  nur  massigen 
Erfolg  erwarten.  Die  Sachsen  mussten  in  jedem  fränkischen 
Missionai'  einen  feindhchen  Spion,  in  jeder  chnstHchen  Nieder- 
lassimg einen  Stützpunkt  flir  die  angi-eifenden  fränkischen  Heere 
erbhcker.  Mag  nun  auch  die  christHche  Predigt  nicht  ganz  ver- 
gebhch  gewesen  sein,  so  shid  doch  die  schwachen  Spuren  des 
Christentums,  die  man  in  den  südösthchen  sächsischen  Gauen  zu 
finden  glaubt,  sehr  unsicher.    Weder  im  Fnesenfeld  und  Hassegau ^) 

738  Fred.  cont.  19  S.  177;  Ann.  Pet.  Lauresh.  Mosell.  Dagegen  unter  Karl- 
mann 744;  Pred.  cont.  27  S.  180;  Ann.  Mett.  z.  J.  74-5. 

1)  Fred.  cont.  31  S.  181;  Ann.  Lauriss.  z.  J.  747;  Mett.  z.  J.  748.  Nach 
Hahn  (JB.  S.  92  ff.)  gehört  der  Zug  in  das  Jahr  747. 

2)  Ann.  Mett.  z.  J.  753:  Saxones,  dum  aliter  facere  non  possent,  sacra- 
menta  et  obsides  Pippino  regi  dederunt  hoc  modo,  ut  quicunque  de  sacer- 
dotibus  in  Saxoniam  ire  voluisset,  ad  praedicandum  nomen  Domini  et  ad 
baptizandum  eos  licentiam  habuisset.  Ist  diese  Angabe  glaubwürdig,  so  ist 
sie  insofern  wichtig,  als  man  aus  ihr  schliessen  darf,  dass  Missionsversuche 
von  Seiten  der  fränkischen  Bischöfe  vorhergingen  und  sie  von  den  Sachsen 
verhindert  wurden.  Nun  ist  freilich  die  Autorität  der  Metzer  Annalen 
gering;  aber  ihre  Angabe  scheint  durch  eine  Stelle  aus  dem  Briefwechsel 
Luis  bestätigt  zu  werden  (s.  u.  S.  869  Anm.  4).  Ich  glaube  deshalb, 
dass  sie  benützt  werden  kann.  Bei  dem  Sachsenkrieg  des  Jahres  758  ist 
von  Taufen  nicht  die  Rede  (Ann.  Einh.  Lauriss.  Fuld.).  Doch  sind  mög- 
licherweise ähnliche  Zusagen  wie  im  Jahre  753  erfolgt.  Das  kann  in  den 
Worten:  poUiciti  sunt  contra  Pippinum  omnes  voluntates  eins  faciendum, 
liegen.  Dass  es  jedenfalls  darin  liegt  (Abel,  JB.  S.  114),  möchte  ich  nicht 
behaupten. 

3)  Rettberg  II  S.  401  hat  sich  sehr  vorsichtig  geäussert;  um  so  be- 
stimmter spricht  Grössler,  Die  Einführung  des  Christentums  im  Friesenfeld 
und  Hassengau,  Halle  1883,  seine  Meinung  dahin  aus,  Wigbert  habe  per- 
sönlich im  Friesenfeld  den  Grund  des  Christentums  gelegt  und  seine  Schüler 
seien  noch  weiter  nordwärts  vorgedrungen  (S.  36  f.).  Das  Fundament,  auf 
welches  diese  Annahmen  begründet  werden,  ist  jedoch  sehr  unsicher. 
Grössler  beruft  sich  1.  auf  die  Urkunde  Karls  vom  21.  Oktober  777  über 
die  Schenkung  der  Kirchen  in  Allstedt,  Riestedt  und  Osterhausen  an  Hers- 
feld  (B.M.  207).  Aber  diese  Urkunde  ist  eine  Fälschung.  Wenn  nun  auch 
die  Schenkung  von  Allstedt  und  Osterhausen  durch  das  Diplom  Ottos  I.  vom 
26.  August  960  (Dipl.  I  Nr.  215  S.  297)  gesichert  ist,  so  steht  die  Zeit  doch 
ganz  dahin.  Er  verweist  2.  auf  die  Wigbertskirchen  in  den  genannten  drei 
Orten,  in  Creisfeld  und  Strenz  im  Friesenfeld,  München-Nienburg  in  Nord- 


—     366     — 

iioc'li  im  Xordtliünnggau')  lässt  sicli  die  Existenz  cliiistliclier  Kirclu'U 
vor  Karl  tl.  (-Ir.  beweison  oder  auch  nur  walu-scheiulich  machen. 


thüringen  und  Quedlinburg  im  Harzgau.  Er  geht  dabei  von  der  Voraus- 
setzung aus,  dass  der  Verbreitungskreis  von  Kirchen,  die  einem  ehemaligen 
Missionar  geweiht  sind,  das  Gebiet  andeute,  innerhalb  dessen  er  nach  münd- 
licher Überlieferung  thätig  gewesen  sei  (S.  14).  Aber  dieser  Satz  ist  un- 
haltbar. Abgesehen  von  den  Fällen,  wo  der  Besitz  von  Reliquien  die  Wahl 
des  Kirchenheiligen  erklärt,  kann  man  aus  den  Kilianskirchen  nicht  auf 
den  Wirkungskreis  Kilians  schliessen,  sondern  nur  auf  Beziehungen  zu 
Wiirzburg,  aus  den  Bonifatiuskirchen  nicht  auf  die  Thätigkeit  dos  Bonifaz, 
sondern  nur  auf  Verbindungen  mit  Mainz  oder  Fulda.  Es  ist  geradezu 
auftYillig,  dass  Grössler  durch  seine  eigene  Bemerkung,  das  Verbreitungs- 
gebiet der  Bonifatiuskirchen  decke  sich  mit  der  Ausdehnung  des  Mainzer 
Sprengeis,  nicht  an  seinem  Satze  irre  gew^orden  ist.  Die  Wigbertkirchen 
im  Friesenfeld  weisen  demnach  auf  Beziehungen  entweder  zu  Fritzlar  oder 
zu  Hersfeld.  Im  ersteren  Fall  kann  man  an  eine  Thätigkeit  vor  Karl 
denken,  im  letzteren  Fall  jedoch  nicht.  Denn  erst  unter  Karl  sind  die 
Wigbertsreliquien  nach  Hersfeld  gekommen  (V.  Wigb.  24  M.G.  Scr.  XV 
S.  42).  Erwägt  man  nun ,  dass  Karl  die  Zehnten  im  Friesenfeld  an  Hers- 
feld schenkte,  während  von  Fritzlarer  Zelmten  nicht  die  Rede  ist,  so  er- 
giebt  sich,  dai<s  man  an  Missionsthätigkeit  der  Hersfelder  zu  denken  hat,  und 
dass  die  Wigbertskirchen  nicht  älter  sind  als  die  Zeit  Karls  d.  Gr.  Un- 
brauchbar ist  auch  eine  Urkunde  Lothars  von  1134  (Schmidt,  ÜB.  I 
Nr.  172  S.  143),  welche  die  Nachricht  bringt,  mehr  als  dreissig  Jahre  vor 
der  Konstituierung  der  sächsischen  Bistümer  hätten  die  Kirchen  zu  Allstedt, 
Riestedt  und  Osterhausen  cum  omni  decimatione  de  i'riesenevelt  et  Hassega 
zu  Mainz  gehört,  sie  seien  dann  aber  auf  Bitten  Luis  an  Hei'sfeld  verliehen 
worden.  Dass  diese  Nachricht  wertlos  ist,  folgt  daraus,  dass  sie  auf  zwei 
Privilegien  Karls  Bezug  nimmt,  während  wir  aus  der  Urkunde  Ottos  L  vom 
26.  .\ugust  060  (Di]il.  1  Nr.  215  S.  2i>7)  wissen,  dass  die  Schenkung  von  Karl 
überhaupt  nicht  beurkundet  worden  ist.  Dieselbe  Angabo  in  der  Fälschung 
J.W.  2571.  Noch  unmöglicher  als  die  Wigbertmission  scheint  mir  die  An- 
nahme, dass  die  Radegundskircho  in  Helfta  im  Hassegau  (Thietm.  ehr.  11, 
37  S.  42)  auf  die  Pflanzung  des  Christentums  in  Thüringen  durch  die  Königin 
Radegunde  hinwoise.     Hier  fohlon  alle  ^littolglioder. 

1)  Ein  unsicherer  Beleg  für  Christen  in  Nordthüringen  ist  v.  Emmer.  39  f. 
.\nal.  BoU.  VIII  S.  249,  die  Erzählung  von  einem  Sklaven,  der  von  Franken 
nach  Thüringen  in  confinio  parahtanorum  gentis.  quae  ignorat  Deum,  verkauft 
worden  sei.  Indem  man  die  parahtani  im  Bardengau  sucht,  denkt  man  bei 
don  Thüringern  an  die  Nordthüringer,  die  man  zur  Not  als  Nachbarn  des 
Bardengaus  betrachten  kann.  Bei  der  offenbar  sehr  unklaren  Vorstellung 
Aribos  von  der  norddeutschen  Geographie  scheint  mir  die  Sache  recht 
fraglich.  Sicher  ist  nur,  dass  nach  seiner  Anschauung  die  Sachsen  Heiden 
waren  (vgl.  c.  40  S.  250:  Genti  te  saxonum  tradam,  quae  tot  idolorum  cul- 
tibus  dcdita  esti,  die  Thüringer  dagegen  Christon;  eben  deshalb  aber  wird 
man  bei  den  letzteren  an  Thüringen  im  engeren  Sinn  zu  denken  haben. 


—     367     — 

Wenn  die  Franken  durch  poKtische  Gründe  veranlasst  waren, 
dem  Christentum  einen  Weg  in  das  niedersächsische  Land  zu 
öffiien.  so  wurden  angelsächsische  Missionare  durch  die  Erinnerung 
an  die  Stammverwandtschaft  beider  Völker  dorthin  geführt.  Jahr- 
zehntelang hat  Bonifatius  den  Gedanken  der  Sachsenmission  treu- 
lich gehegt,  obwohl  es  ihm  nie  beschieden  war,  denselben  zu  ver- 
wirklichen. Bei  der  Gründung  x\möneburgs  war  die  Rücksicht  auf 
die  Xähe  der  sächsischen  Grenze  mitbestimmend.^)  Als  er  im 
Herbste  722  sich  nach  Rom  begab,  begleitete  ihn  sein  Liebhngs- 
wunsch  dorthin;  er  hess  sich  von  Gregor  II.  die  Vollmacht  zur 
Sachsenmission  erteilen:  ein  an  den  sächsischen  Stamm  gerichtetes 
Schreiben  des  Papstes  sollte  das  Werk  erleichtern.-)  Mit  beredten 
AVorten  forderte  er  ein  Jahrzehnt  später  die  Christenheit  seiner 
Heimat  auf,  sich  zm*  Fürbitte  für  die  Bekehrung  der  stammver- 
wandten Sachsen  zu  vereinigen.  =^)  Er  freute  sich  jeder  Förderung, 
die  ihn  diesem  Ziele  näher  zu  führen  schien.*)  Aber  erreicht  hat 
er  es  nicht. 

Was  ihm  versagt  war,  versuchten  vor  ihm  und  nach  ihm 
andere:  mancher  hat  dabei  die  Märtyrerki'one  errungen:  aber  Er- 
folg hatte  keiner.  Trotz  ihres  Mutes  und  iln-er  Aufopferung  ver- 
mochten diese  Männer  nicht,  über  die  Abneigung  der  Sachsen 
gegen  die  Religion  der  Franken  Herr  zu  Averden. 

Zuerst  trat  ihnen  Suidberct  nahe,  den  wir  als  einen  der  Ge- 
nossen Wilhbrords  kennen.'^)  Als  er  Fiiesland  verhess,  suchte  und 
fand  er  einen  Ort  für  seine  Thätigkeit  bei  den  Borukterern.")  Der 
kleine  Stamm  wohnte  unabhängig  von  Fi-anken  nnd  Sachsen  an 
der  Lippe  und  Ruhr.  Vielleicht  waren  schon  Anfänge  der  Missions- 
arbeit vorhanden,  an  die  Suidberct  anknüpfen  konnte.')  Beda 
spricht  von  grossen  Erfolgen,  welche  seine  Predigt  hatte.  Aber 
dass  die  Borukterer  dem  Christentmne  sich  zuwandten,  wurde  ihnen 
verderbhch.  Sie  erlagen  einem  Angriff  der  Sachsen.  Diese  wollten 
offenbar  keine  christhche  Pflanzung  in  ihrer  Nähe  dulden:  die  Be- 
kehrten wiu'den  zersprengt,  der  Rest  des  Stammes  vereinigte  sich 
mit  den  Sachsen;  als  selbstständiger  Stamm  gingen  die  Borukterer 

1)  Vgl.  Bd.  I  S.  446  f. 

2)  Ep.  21  S.  269;  vgl.  Bd.  I  S.  451. 

3)  Ep.  46  S.  295. 

4)  Eine  Antwort  auf  den  46.  Brief  ist  der  47.  S.  295  von  Bischof  Torht- 
helm  von  Leicester.  Der  Überbringer  des  Briefs  brachte  zugleich  eine  Gabe 
für  die  Sachsenmission  an  Bonifatius. 

5)  Vgl.  Bd.  IS.  421. 

6)  Über  sie  Zeuss,  Die  Deutschen  und  ihre  Nachbarstämme  S.  350  ff. 

7)  Vgl.  Bd.  I  S.  316  f. 


—     3(38     — 

unter. ^)  AV^ir  liöivu  nicht,  dass  Suidherct  den  YerMicli  niachtcv 
den  Sachsen  zu  predigen.  Fehlte  ihm  der  Mut  oder  wurde  es 
ilun  verweint?  Er  zog  sich  nach  dein  fränkischen  Gebiet  zurück. 
Auf  einer  flachen  Rheininsel  giündete  er  mit  Unterstützung  Pipi)ins 
das  Kloster  Kaiserswertli.  Dort  ist  er  im  Alärz  713  gestorben,") 
nachdem  er  den  Rest  seiner  Tage  nicht  dem  Missiouswerk,  sondern 
der  Arbeit  an  dem  eigenen  Ich  in  dem  Ringen  nach  asketischer 
VoUkonmienheit  gewidmet  hatte.  •^) 

Zeitgenossen  AMllibrords  waren  auch  die  beiden  Ewalde,  die 
man  durch  die  Beinamen  des  Weissen  und  des  Schwarzen  unter- 
schied.*) Von  Geburt  Angelsachsen,  hatten  lieide  jahrelang  unter 
den  Mönchen  Irlands  als  Fremdhnge  gelebt.  Der  asketische  Ge- 
danke, der  ihnen  die  freiwillige  Verbannung  aus  der  geliebten 
Heimat  als  verdiensthches  Werk  erscheinen  hess,  führte  sie  weiter 
aus  der  Gemeinschaft  der  Christen  in  das  heidnische  Land:  konnten 
sie  nicht  vielleicht  durch  ihre  Predigt  etliche  Seelen  tur  Christus 
gewinnen?  Mehrere  Genossen  begleiteten  sie,  blieben  aber  auf 
Mnkischem  Gebiete  zurück,  bis  die  beiden  Führer  die  Erlaubnis 
zur  Predigt  erlangt  hätten.  Sie  wussten  also,  welche  Schwierig- 
keiten ihrem  Unternehmen  im  AVege  standen.  Aber  sie  ahnten 
doch  nicht,  wie  eiregt  der  heidnische  Fanatismus  gegen  alles  Christ- 
liche sei.  Dass  sie  Psalmen  imd  Gebete  sangen  und  das  Abend- 
mahl feierten,  genügte,  die  Bevölkerung  gegen  sie  zu  empören. 
Noch  che  sie  mit  der  Missionspredigt  begonnen  hatten,  wurden  sie 
ermordet     Der  weisse  Ewald    war   glücklich  zu  preisen,    dass    ein 


1)  Beda  bist.  eccl.  gent.  Angl.  V,  11  S.  244.  Die  wenigen  Sätze  Bedas 
über  Suidberct  sind  die  einzige  Quelle  über  die^ien  Missionar.  Über  die 
V.  Swidberti  s.  Kettberg,  KG.  D.'s  II  8.3%  f.;  Bouterwek,  Swidbert,  der 
.Apo.stel  des  bergischen  Landes  (Elberfeld  1859)  S.  15  ff.  und  Diekamp,. 
Bist.  JB.  II  S.  272  ff. 

2)  S.  Bd.  I  S.  421  Anm.  1. 

3)  Beda  1.  c  \V.  Kraft  (P.  RE.^  XV  S.  .^)9)  bezeichnet  Kaiserswerth 
als  Pflanzstätte  zur  Mission  unter  den  angrenzenden  Völkerstänimen.  Davon 
sagt  Beda  nichts:  Aliquamdiu  continentissimam  gessit  vitam,  diese  Worte 
enthalten  alles,  was  wir  über  die  spätere  Zeit  Suidbercts  wissen.  Dass 
niederrheinische  Kirchen  Suidberct  als  ihren  Patron  verehren,  führt  natürlich 
nicht  darauf,  das»  sie  von  ihm  gegründet  .sind,  sondern  darauf,  dass  man 
ihn  frühzeitig  als  Heiligen  verehrte.  Kaiserswerth  erhielt  als  monasterium, 
quod  est  constructura  in  honore  sancti  petri  principis  apostolorum  necnon 
et  sancti  suidberti  confessoris  christi  in  loco  qui  dicitur  uuerid,  von 
Ludwig  III.  13.  Juni  877  die  Immunität  (B.M.  1514). 

4i  Auch  über  sie  ist  Beda  (1.  c.  V,  10  8.  241  f.)  die  einzige,  freilich 
schon  getrübte  Quelle;  Alkuin  de  sanct.  Jlub.  eccl.  v.  1043  ff.  8.  192  schreibt 
Beda  aus;  das  einzige  ihm  Eigentümliche  ist  die  Namensform  Herwald. 


—     369     — 

rascher  Schwerthieb  ihm  den  Tod  gfib;  ungUicMicher  war  das 
Schicksal  seines  Genossen:  die  heidnische  Grausamkeit  marterte  ihn 
zu  Tode.^) 

Ihr  Schicksal  schreckte  andere  nicht  ab:  immer  neue  Diener 
des  Wortes,  sagt  Alkuiu,  kamen  aus  Northumberlaud  zu  den 
Sachsen.-)  Doch  nennt  er  nur  noch  einen  Namen,  den  des  Priesters 
Vira.^)  Willehads  kühner  Zug  nach  dem  sächsischen  Gau  Thri- 
ante  ist  schon  erwähnt.  Er  schien  anfangs  erfolgreich;  allein  dass 
eine  Anzahl  Heiden  sich  taufen  hess  und  dass  nun  Willehads  Ge- 
fährten im  Vollgefühl  des  errungenen  Sieges  heidnische  Heiligtümer 
zu  zerstören  wagten,  rief  sofort  einen  Ausbruch  der  heidnischen 
Feindseligkeit  hervor.  Es  zeigte  sich,  dass  die  Christen  eine  schwache 
IVIinorität  bildeten:  nur  wie  dm'ch  ein  Wunder  entgingen  Willehad 
und  die  Seinen  einem  ähnhchen  Tod,  ANäe  er  die  beiden  Ewalde 
getroffen  hatte.'')  Auch  aus  dem  Briefwechsel  Luis  erfahren  wir, 
wie  lebhaft  das  Interesse  für  die  Missionieritng  der  Sachsen  in 
England  war;  es  gebe,  berichtet  ein  Presbyter  Wigberht  von  dort 
an  Lul,  viele  Männer,  die  der  Sachsenmission  zu  dienen  wünschten. 
Man  sieht  zugleich,  dass  man  sich  nicht  darüber  täuschte,  dass  der 
Zugang  zu  diesem  Stamm  zunächst  verschlossen  war.'^) 


1)  Der  3.  Oktober  als  Todestag  der  beiden  Märtyrer  ist  durch  die  Ein- 
tragung in  einem  angelsächsischen  Kalender  des  ausgehenden  7.  Jahrhun- 
derts gesichert,  s.  Arndt,  NA.  II  S.  293.  Dagegen  steht  das  Jahr  ihres 
Todes  nicht  fest.  Nach  Beda  war  es  das  Vorbild  Willibrords  und  seiner 
Genossen,  das  die  Ewalde  zu  ihrem"  Missionszug  bewog.  Derselbe  fällt 
demnach  frühestens  in  das  letzte  Jahrzehnt  des  7.  Jahi-hunderts  und,  da 
Pippin  die  Leichname  der  Märtyrer  nach  Köln  bringen  Hess,  spätestens  in 
das  Jahr  714. 

2)  De  sanct.  Eubor.  eccl.  v.  1071  S.  193: 

At  alii  atque  alii  praefata  ex  gente  ministri 
Sermonis  fuerant  illis  in  partibus  orbis. 

3)  L.  c.  V.  1073.  Diese  Erwähnung  ist  das  einzig  Sichere,  was  wir 
über  Vira  wissen.  In  der  abgeänderten  Form  Wiro  hat  sich  sein  Name 
im  Gedächtnis  der  Kirche  von  Roermond  an  der  Maas  erhalten.  Die  ano- 
nyme V.  Wiron.  (A.  S.  Boll.  Mai  II  S.  315  ff.)  ist  wertlos.  Sie  sieht  in  Wiro 
den  Stifter  des  Klosters  Bergh  bei  Roermond  (St.  Peter,  später  St.  Odilien), 
c.  7  S.  317,  weiss  jedoch  von  Missionsthätigkeit  nichts.  Das  Kloster  Bergh 
kannte  Alkuin  (s.  carm.  31  v.  9  f.  S.  249);  wie  sich  aus  der  Urkunde 
Lothars  II.  von  858  (B.M.  Nr.  1248)  ergiebt,  war  es  königlich. 

4)  V.  Willeh.  4  S.  381.  Dass  ich  die  Thätigkeit  Liafwins  in  Sachsen 
für  fabelhaft  halte,  s.  o.  S.  348  Anm.  5. 

5)  Bonif.  etc.  ep.  137  S.  422:  Si  in  regione  gentis  nostrae,  id  est 
Saxanorum,  aliqua  ianua  divinae  misericordiae  aperta  sit,  remandare  nobis 
id  ipsum  curate.     Quam  multi  cum  Dei  adiutorio   in  eorum  auxiliuoi  festi- 

Hauck,  Kirchengeschichte.    U.    2.  Aufl.  24 


—     370     — 

Karl  (1.  Gr.  hat  ihn  mit  dem  Scliwert  geöffnet.') 

Man   kann   hezweitelu.    oh  Kail  von  Anfang  an   die   Absicht 

gehabt  hat.  das  siiclisische  Gebiet  dem  Frankenreiche  einzuverleiben 

und  deshalb  die  Sachsen   zur  Annahme    des   christlichen  Glaubens 

zu  nötigen.-)    Sein  erster  Zug  im  Jahre  772  war  nur  gegen  einen 


nare  cupiunt.  Jaffe  und  Dümmler  datieren  den  Brief  nicht,  indem  sie  ledig- 
lich die  Zahlen  des  Episkopats  Luis  angeben.  AVie  mich  dünkt,  muss  der 
Brief  vor  dem  Frieden  des  Jahres  776  geschrieben  sein;  denn  seitdem 
konnte  man  nicht  mehr  fragen,  ob  die  Thüre  für  die  Predigt  geöffnet  sei. 
Ist  dies  richtig,  so  ist  wahrscheinlich,  dass  der  Brief  bald  nach  dem  Frieden 
des  Jahres  753  (s.  o.  S.  365  Anm.  2)  geschrieben  ist,  also  in  der  ersten  Zeit 
Luis.  Die  Frage  erklärt  sich  dann  aus  einem  Bezug  auf  jenen  Frieden. 
Dadurch  erhält  die  Nachricht  der  Metzer  Annalen  eine  Stütze. 

1)  Die  Litteratur  über  die  Sachsenkriege  ist  sehr  reich.  Ich  verweise 
besonders  auf  Abel  und  Simson,  JB.  zu  den  betrefl'enden  Jahren;  v.  Ranke, 
Weltgeschichte  V,  2  S.  115  tf.;  (riesebrecht,  Gesch.  d.  d.  Kaiserzeit  I 
S.  110  flF.  (3.  Aufl.);  Mühlbacher,  D.G.  S.  114  ff.;  Nitzsch,  Gesch.  d.  d.  V.  I 
S.  199  ft'.;  Waitz,  VG.  III  S.  125  ff.;  Kentzler  in  den  Forsch.  XI  S.  79  ff"., 
XII  8.  317  ff  ;  Dehio,  Gesch.  d.  Erzb.  Hamburg-Bremen  I  S.  9  ff.;  Ritter,  Karl 
d.  Gr.  und  die  Sachsen  I  1894,  II  1895;  Reinecke,  Die  Einführung  des 
Christenthums  im  Harzgau,  Osterw.  1888;  Uhlhorn  in  d.  Zoitschr.  des  bist. 
Ver.  f.  N.-Sachsen  1894  S.  367  ff".;  Hüffer,  Korveier  Studien,  Münster  1898; 
und  meinen  Aufsatz  in  P.  RE.  XIIP  S.  196  ff.,  wo  weitere  Litteraturangaben. 

2)  Diese  Frage  ist  für  die  Beurteilung  der  Sachsenkriege  und  der 
Sachsenmission  Karls  massgebend.  Ich  glaube  sie  verneinen  zu  müssen, 
obgleich  gewichtige  Forscher  wie  Abel  (JB.  8.  119  f.)  sie  bejahen.  Auch 
V.  Ranke  (WG.  V,  2  S.  116)  und  Rettberg  (KG.  D.'s  II  S.  874)  sprechen 
in  diesem  Sinne.  Gestützt  ist  diese  Ansicht  besonders  durch  Ann.  Einh. 
z.  J.  772;  vgl.  V.  Karol.  7;  Poet.  Sax.  I  v.  22  ff.  S.  514  f.;  V.  Sturm.  22 
S.  376;  Transl.  Libor.  2  S.  150  u.  a.  (^.  Sie  ist  jedoch  schon  deshalb  be- 
denklich, weil  die  (^uellenaussagen  als  Rückschluss  aus  dem  schliesslichen 
Erfolg  auf  einen  von  Anfang  an  gesteckten  Zweck  erscheinen:  da  das  Ende 
der  Kriege  die  Unterwerfung  und  Bekehrung  des  Stammes  war,  so  soll 
dieser  Ausgang  von  Anfang  an  beabsichtigt  gewesen  sein.  Die  Darstellung 
der  Ann.  Einh.  wird  nodi  dadurch  verdächtigt,  dass  ein  gleicher  Plan 
Karls  zum  Jahr  775  berichtet  wird.  Pvigil  aber  fasst  alles,  was  bis  zum 
.lahr  776  geschah,  in  ein  paar  Sätzen  zusammen;  man  kann  sie  nicht  auf 
einzelne  Jahre  verteilen.  Geht  man  von  der  Regel  aus,  da.ss  die  ganze 
Quellenklasse,  aus  welcher  wir  schöpfen,  zuverlässiger  ist,  wenn  sie  That- 
aachen,  als  wenn  sie  Motive  berichtet,  so  hat  man  aus  dem,  was  als  that- 
sächlicher  Erfolg  der  Kriege  von  772  und  775  erzählt  wird,  auf  die  Ab- 
sichten, die  beim  Beginn  vorhanden  waren,  zu  schliessen ;  nicht  jedoch  aus 
den  im  Jahre  804  erreichten  Erfolgen  auf  die  im  Jahre  772  gefassten  Ab- 
sichten. Da  nun  weder  beim  Frieden  von  772,  noch  bei  dem  von  775  vom 
l' bertritt  vieler  oder  weniger  Sachsen  zum  Christentum  die  Rede  ist,  so 
wird  Karl   bei    diesen  Zügen   die  Bekehrung  nicht   haben  erreichen  wollen. 


—     371     — 

der  säclisiscben  Stämme,  die  Eiigern,  gericlitet,  und  er  war,  was 
die  Sacbsenkriege  seines  Vaters  gewesen  waren,  ein  Verwüstungs- 
zug. Die  unruhigen  Nachbarn  sollten  für  die  Verletzung  der  frän- 
kischen Grenzen  bestraft  und  dadurch  abgeschreckt  werden,  das 
fi-änkische  Gebiet  fernerhin  zu  belästigen.  Wenn  die  Zerstörung 
nicht  nur  die  sächsische  Grenzfeste,  die  Eresburg,^)  sondern  auch 
ein  Stammesheiligtum,  die  Irminsul,  traf,  wenn  Karl  die  Schätze 
des  Heiligtums  als  Beute  behandelte  und  au  seüie  Getreuen  ver- 
teilte, so  war  das  die  Rache  für  die  verbrannten  und  geplünderten 
christlichen  Kirchen.  Je  fester  die  Sachsen  an  ihren  Heiligtümern 
hingen,  um  so  tiefer  mussten  sie  davon  betroffen  werden,  dass  jene 
rohe  Holzsäule,  in  der  ihr  Glaube  das  Hehrste,  das  Sinnbild  der 
das  Weltall  stützenden  Kraft,  verehrte,  gestürzt,  dass  der  das  Heilig- 
tum einschliessende  Hain  vernichtet  ward.  Aber  der  Eindruck 
war  doch  nicht  gross  genug,  um  sie  zur  Unterwerfung  zu  bewegen. 
Erst  als  Karl  die  Höhenzüge,  welche  ihn  von  der  Weser  schieden, 
überstiegen  hatte,  als  er  bis  ins  Herz  des  sächsischen  Landes  vor- 
gedi'ungen  war,  verstanden  sie  sich  dazu,  als  Bürgschaft  für  die 
Sicherheit  des  Friedens  Geiseln  zu  stellen.-)  Nur  darum  handelte 
es  sich :  wir  hören  nichts  von  der  Annahme  des  Christentums  oder 
dem  Versprechen  der  Taufe. ^) 

Ein  Sommer  war  nun  ruhig.     Doch  im  Jahre  774  benützten 
die  Sachsen    die  Abwesenheit   des  Königs    aus    dem    Norden,    um 


Noch  weniger  vermag  ich  mir  die  Anschauung  von  Nitzsch  (Gesch.  d.  d. 
Volks  I  S.  197)  anzueignen.  Vielleicht  scheint  Karl  bei  dieser  Ansicht  an 
Grösse  zu  verlieren:  er  hat  sich  nicht  vier  Jahre  nach  seinem  Regierungs- 
antritt ein  erhabenes  Ziel  gesteckt,  sondern  dasselbe  ist  ihm  erst  im  Ver- 
laufe erwachsen.  Jedoch  besteht,  wie  mich  dünkt,  die  wahre  Grösse  des 
Staatsmannes  darin,  dass  er  die  nächstliegende  Aufgabe  löst  und  dass,  wenn 
ihre  Lösung  eine  neue  Aufgabe  zeigt,  er  sie  sofort  als  nächstes  Ziel  ins  Auge 
fasst.     Das  hat  Karl  in  den  Kämpfen  vor  776  und  nach  776  gethan. 

1)  Obermarsberg  o.  d.  Diemel,  Kreis  Brilon. 

2)  Ann.  Lauriss.,  Einh.,  Fragm.  Basil.  z.  J.  772.  In  der  letzteren  Stelle 
(M.G.  Scr.  XIII  S.  28)  die  Bemerkung:  Aurum  et  argentum,  quod  super- 
stitiosum  ibi  adunatum  fuerat,  suis  fidelibus  distribuit.  Über  die  Irminsul 
Transl.  Alex.  3  S.  676  und  Poet.  Sax.  I  v.  64  f.  S.  546.  Ich  verstehe  nicht, 
dass  Abel  (JB.  S.  126)  einen  Widerspruch  zwischen  beiden  Beschreibungen 
findet:  denn  ein  truncus  ligni  und  eine  factura  similis  columnae  ist  doch 
nicht  verschieden.  Was  die  Bedeutung  der  Säule  anlangt,  so  halte  ich  mich 
einfach  an  die  Angaben  Rudolfs  von  Fulda;  man  vgl.  übrigens  Grimm, 
Mythologie  S.  95  ff. 

3)  Die  Angabe  Erhards  (Reg.  Westf.  Nr.  140  S.  64),  dass  die  Sachsen 
das  Versprechen  der  ungehinderten  Einführung  des  Christentums  gaben, 
ist,  so  viel  ich  sehe,  aus  den  Quellen  nicht  zu  belegen. 

24* 


—     372     — 

die  Niederlage  von  772  wett  zu  iiiadicn.  Nun  erhoben  sich  die 
drei  St:iinnie;M  sie  drangen  sengend  und  brennend  in  Hessen  ein: 
die  Bevölkerung  war  zum  Widerstand  nieiit  gerüstet:  sie  flüchtete 
in  die  festen  Orte,  um  den  Sturm  vorübergehen  zu  lassen.  Be- 
sondei-s  hielt  sich  das  durch  seine  Lage  fast  uneinnehmbare  Bura- 
hurg;  die  Eingeschlossenen  konnten  bald  wagen,  von  der  Verteidi- 
gung zum  Angriff  überzugehen.  Auch  anderwärts  scheint  das 
Vordringen  der  Sachsen  rasch  zum  Stillstand  gekommen  zu  sein. 
Fritzlar  fiel  zwar  in  ihre  Hände;  aber  dass  die  von  Bonifatius  ge- 
gründete Kirclie  der  Vernichtmig  entging,  holj  den  Mut  der  Christen: 
sie  sahen  darin  ein  Wuiuler,  ein  iruterpfand  des  göttlichen  Schutzes. 
Bald  brachte  die  Bückkehr  Karls  Hilfe:'-)  noch  im  Herbste  sandte 
er  vier  Streifschaaren  gegen  die  Sachsen,  welche  das  Übergewicht 
der  fränkischen  Waffen  sofort  herstellten.-'')  Im  Frühjahr  775  brach 
der  König  selbst  in  Sachsen  ein:  die  sächsische  Feste  Sigiburg*) 
fiel  beim  ersten  Angriff:  durch  das  Land  der  Westfalen  und  Engern 
drang  er  bis  in  das  ostfälische  Gebiet  vor:  es  gelang  ihm.  die  drei 
sächsischen    Stämme    gesondert   zu    unterwerfen.'*)     Der    Sieg    war 


1)  Dass  der  Aufstand  möglicherweise  schon  im  .Tahre  773  ausbrach, 
zeigt  Abel,  JB.  S.  197. 

2)  Höffer  S.  114  läset  Karl  den  Plan  zur  Unterwerfung  und  Bekehrung 
der  Sachsen  Ostern  774  auf  Anregung  des  Papstes  in  Kom  fassen.  Er  stützt 
sich  dabei  auf  eine  Quelle  von  sehr  zweifelhaftem  Wert,  das  Bruchstück 
eines  Briefwechsels  Egiberts  von  Osnabrück  mit  WilliViert  von  K<"iln  (Osna- 
brücker ÜB.  I  S.  30  f.  Nr.  45).  Selbst  wenn  es  echt  wäre,  würde  es  nichts 
beweisen:  denn  auch  dann  läge  ein  .Jahrhundert  zwischen  dem  Brief  und 
dem  Faktum.  P^s  ist  bezeichnend  für  Hüffers  optimistische  Weise,  Quellen 
zu  beurteilen,  dass  er  erklärt,  an  der  Echtheit  und  vorzüglichen  Verwend- 
barkeit des  Bruchstücks  könne  ,.gar  kein  Zweifel  sein*.  Die  Nachricht  von 
der  Mitwirkung  dos  Papstes  kehrt  in  den  gofälschtcn  Königsdiplomon  für 
sächsische  Bistümer  regelmässig  wieder:  für  Bremen  B.M.  286,  für  Verden 
287,  für  Osnabrück  841  und  1349,  während  die  echte  Überlieferung  sie  nicht 
kennt:  man  wird  sie  überall  als  Kennzeichen  des  späteren  Ur.«prungs  be- 
trachten dürfen.  Entstanden  sein  kann  sie  nicht  vor  der  Demütigung  des 
Kaisertums  unter  das  Papsttum,  also  nicht  vor  der  späteren  /oit  Ludwigs 
d.  Fr.  Hadrian  in  seinem  (Tlückwunsch  zu  den  Sachsensiegen  des  Jahres 
774  erwähnt  die  Sachsenmission  nicht  mit  einer  Silbe,  Cod.  Card.  50  S.  569  f. 

3)  Ann.  Lauriss.,  Einh.,  Kuld.  z.  J.  774;  V.  Wigb.  16  ff.  fM.G.  Scr.  XV 
S.  42);  Cod.  Carol.  50  S.  569  f. 

4)  Syburg  an  der  Ruhr,  südlich  von  Dortmunil. 

6)  Ann.  Petav.,  S.  Amand.,  Lauriss.  min.,  Lauriss.,  Einh.,  Fuld,  Chron. 
Moigs.,  Mett.  (M.O.  Scr.  XIII  S  29)  z.  J.  775.  Über  die  kriegerischen  Er- 
eignisse s.  Abel,  JB.  223  fr.;  Mühlbachor,  J)(i.  S.  119  f.;  Ritter  S.  13  ff.  Die 
Kombinationen   des  letzteren  scheinen   mir  nicht   alle  sicher. 


—     373     — 

vollständig:  die  Sachsen  stellten  Geiseln  und  leisteten  dem  Könige 
den  Treueid.  Daraufhin  wurde  ihnen  der  Friede  gewährt.^)  Von 
Bedingungen,  welche  sich  auf  die  Rehgion  beziehen,  hören  wir 
wieder  nichts;  gleichwohl  hat  dieser  Sieg  dem  Vordringen  der 
Kirche  gedient.  Denn  indem  die  Sachsen  dem  Könige  Treue 
schworen,  erkannten  sie  die  fränkische  Oberherrschaft  über  ihr  Land 
von  neuem  an.  Erst  dadurch  war  der  Boden  für  Missionspläne 
Karls  geebnet. 

Das  grosse  Zugeständnis,  durch  das  die  Sachsen  den  Frieden 
erkauften,  stand  in  keinem  Verhältnis  zu  den  Verlusten,  welche 
sie  in  dem  kurzen  Feldzug  erlitten  hatten.  Um  so  begreiflicher 
ist,  dass  es  ihnen  unerträghch  war.  So  erhoben  sie  sich  denn 
bereits  im  Sommer  776  gegen  die  fränkische  Herrschaft.  Der  Zeit- 
punkt war  geschickt  gewählt;  denn  Karl  schien  durch  Unruhen 
in  Italien  ferne  gehalten.  Aber  wenn  auch  der  Aufstand  sich 
sicher  nicht  nur  auf  die  Westfalen  beschränkte,")  so  war  er  doch 
nicht  allgemein:  einzelne  Grosse  haben  die  Karl  gelobte  Treue 
nicht  gebrochen.^)     Mit  halber  Kraft  unternommen,  hatte  die  Em- 


1)  Die  ganz  vereinzelte  Notiz  der  Ann.  Sangall.  Baluz.  z.  J.  775: 
Karolus  plurimos  ex  ipsis  ad  baptismi  gratiam  perduxit,  kann  gegenüber 
dem  Schweigen  aller  anderen  Quellen  nicht  beweisen,  dass  Karl  die  An- 
nahme des  Christentums  als  Friedensbedingung  forderte.  Nach  den  übrigen 
Quellen  verlangte  der  König  nur  das  sacramentum  fidelitatis  gegen  seine 
Herrschaft.  Das  entspricht  um  so  gewisser  der  Wirklichkeit,  als  ja  die 
Ann.  Einh.  von  einem  Plan  Karls,  die  Sachsen  zur  Annahme  des  Christen- 
tums zu  nötigen,  reden.  Wäre  dieser  angebliche  Plan  damals  schon  aus- 
geführt worden,  so  hätten  sie  es  gewiss  nicht  verschwiegen.  Vgl.  auch  das 
tandem  der  Ann.  Lauriss.  min.  z.  J.  778  oder  776.  Möglicherweise  bezieht 
sich  die  Notiz  der  St.  Gallischen  Annalen  nur  darauf,  dass  Karl  die  säch- 
sischen Geiseln  in  verschiedene  Klöster  verteilte  (cap.  115  S.  223).  Wahr- 
scheinlicher ist  mir  jedoch,  dass  die  Annalen  an  die  Taufe  der  Sachsen 
im  Jahre  776  denken,  welche  alle  übrigen  Annalen  erwähnen,  während  sie 
davon  schweigen. 

2)  Diese  Annahme  Ritters  I  S.  22  ff.  scheitert  schon  daran,  dass  weder 
die  Eresburg  noch  Paderborn  auf  westfälischem  Boden  liegt.  Dagegen  ist 
es  wahrscheinlich,  dass  die  Sachsen  nördlich  der  Elbe  sich  weder  am  Auf- 
stande noch  an  der  Unterwerfung  beteiligten.  Denn  ihr  Land  wurde  durch 
die  kirchlichen  Massregeln  der  Paderborner  Synode  nicht  betroffen.  Amalar 
von  Trier,  der  erst  nach  804  Bischof  wurde,  hat  dort  die  erste  Kirche  ge- 
weiht, V.  Ansk.  12  S.  33.  Die  Worte  maximam  partem  Saxoniae  der  Ann. 
Laure-sh.  haben  also  guten  Grund.  Die  Notiz  der  Ann.  Brem.  M.G.  Scr. 
XVII  S.  854,  die  d.  J.  810  giebt,  ist  natürlich  belanglos. 

3)  Das  wissen  wir  von  dem  Ostfalen  Hassio  (Hessi),  der  sich  775  unter- 
worfen hatte,  V.  Liutbirg.  I  Scr.  IV  S.  158;  über  seine  Unterwerfung  Ann. 
Lauriss.,  Einh.  z.  775  S.  40  f. 


—     H74     — 

pürung  lU'iin  aiuli  nur  halben  Erfulg.  Z^val■  gelang  es  den  Sachsen 
die  Eiesl)urg.  die  Karl  im  Jahre  vorher  wieder  aufgebaut  hatte, 
■wie  es  seheint,  durch  Veirat  einzunehmen,  dagegen  hielt  sich  die 
Sigil»urg,  und  als  vollends  Km'l  unerwai-tet  rasch  persönlich  in  den 
Kampf  eingreifen  konnte,  war  das  Schicksal  der  Aufständischen 
entschieden:  sie  wagten  keinen  ernstlichen  AViderstand,  sondern 
erklärten  ihre  Unterwerfung;  sie  verpfändeten  dem  König  für  die 
Zuverlässigkeit  ihres  Wortes  ihr  Landeigentum.')  Und  hier  wurde 
nun  zum  ei-sten  Äfale  die  Frage  der  Religion  in  den  Friedensver- 
handlungen berührt.  Sie  ist  nicht  von  Karl  angeregt  worden, 
sondern  the  Sachsen  erboten  sich  freiwillig  zur  Taufe,  ohne  Zweifel, 
um  eine  Gewähr  für  die  Aufrichtigkeit  ihrer  Unterwerfung  unter 
die  fränkische  Herrschaft  zu  gel)en.-) 

Man  sieht,  wenn  der  Erfolg  der  Siege  des  Jahres  775  über 
das  im  Fiieden  von  772  EiTeichte  hinausging,  so  führte  der  Friede 
des  Jahres  77»)  wieder  um   einen  Schritt  weiter.  •  Seit  dem  Jahre 


1)  Ann.  Lauriss.,  Einh.  etc.  z.  J.  776. 

2)  Ann.  S.  Amand.  z.  J.  776:  Subiufjati  Saxones  dederiintquo  hospites 
(=  obsides),  ut  fiorent  christiani.  Petav. :  Timore  iterculsi  voncrunt  niaioros 
natu  ad  domnum  regem  Karoluiu  postulantes  paceni  et  bapti/.ata  niulta 
turba  populi.  Lauresh.:  Et  indo  revertene  conquisivit  niaxiuiam  partcni 
Saxoniae;  et  converei  sunt  Saxones  ad  fidem  Christi  et  baptizata  est  eorum 
multitudo  innumera.  Ann.  Fuld.  ant.  (ed.  Kurze  S.  137)  und  Ann.  (Jol.: 
Convcrsio  Saxonum.  Die  Notiz  der  Ann.  Lauriss.  min.:  Saxones  non  valentes 
reeistero  taudcni  christiani  otlerti  Francoruni  dicioni  subdnntur  bozieht  sich, 
wie  mir  scheint,  auch  auf  776  und  nicht  auf  778.  Dass  die  Annahme  des 
Christentums  von  den  Sachsen  ausging,  ist  in  diesen  C^ucUen  noch  niclit 
ausgesprochen;  dagegen  ergiobt  es  sich  aus  Ann.  Lauriss.  mai.:  Saxones 
))erterriti  omnes  ad  locum,  ubi  Lippia  consurgit,  venicutes  ex  omni  parte 
et  reddiderunt  patriam  ))er  wadium  onincs  manibus  eorum  (d.  h.  sie  er- 
klärten, das  Recht  am  Grundeigentum  vorwirkt  zu  haben,  wenn  sie  von 
der  gelobten  Treue  Hessen;  Waitz,  V(i.  111  S.  128)  et  spoponderunt  se  esse 
christianos  et  sub  dicioni  domni  Caroli  regia  et  Francorum  subdiderunt. 
Noch  bestimmter  Ann.  Kinli.:  Ad  foiiteni  liippiae  veniens  immensam  illius 
perfidi  populi  niultitudincm  vohit  dovotam  ac  suppiicem  et  quam  erroris 
sui  poeniteret,  voniam  poscentem  invenit.  Cui  cum  et  misericorditer  igno- 
viseet,  et  eos  qui  se  christianos  fieri  velle  adfirmabant,  baptizari  feci.sset, 
datis  et  acceptis  pro  fide  servanda  fraudulentis  eorundem  promissionibus  .  . 
ipse  in  (jalliam  rever.sus  in  villa  Horistallio  hiemavit.  Ann.  Maxim.  (M.G. 
Scr.  XIII  S.  21):  Eodom  anno  raulta  turba  de  Saxonibus  baptizata  est.  Ann 
Mosell.  (M.G.  Scr.  XVI  S.  436):  Conversi  sunt  Saxones  ad  fidem  Christi  et 
baptizata  est  eorum  innumera  multitudo.  Man  sieht,  dass  es  die  Anschau- 
ung sämtlicher  Annalen  ist,  das«  es  sich  um  den  auf  einmal  vollzogenen 
Übertritt  des  ganzen  Stammes  zum  Christentum  handelte. 


—     375     — 

776    war  Sachsen    in    den  Augen    des  Königs  ein  Teil  des  frän- 
kischen Reichs  und  christhches  Land. 

Wenn  Karl  die  Reichsversammlung  des  Fi'ühjahres  777  auf 
sächsischem  Boden  in  Paderborn  hielt,  ^)  so  ist  die  Absicht  nicht 
zu  verkennen;  es  sollte  die  Zugehörigkeit  Sachsens  zum  fränkischen 
Reiche  dem  allgemeinen  Bewusstsein  eingeprägt  werden.  Wie 
gewöhuhch  erschienen  auch  die  fränkischen  Bischöfe  auf  dem  Reichs- 
tage. Karl  vereinigte  sie  zu  einer  S}Tiode.-)  Auf  derselben  wurde 
über  die  kii'chliche  Ordnung  Sachsens  beraten  und  beschlossen."^) 
Dies  rasche  Vorgehen  war  ganz  in  Karls  Art:  was  er  wie  im 
Sturm  gewonnen  hatte,  sollte  sofort  befestigt  werden.  Die  christ- 
hche  Predigt  sollte  die  Arbeit  des  Schwertes  vollenden.  Ein  etwas 
jüngerer  Berichterstatter,  Eigil  von  Fulda,  erzählt  von  der  Vertei- 
lung des  Landes  in  bischöfliche  Diözesen;  aber  wie  hätte  man  an 
eine  regefrechte  kirchhche  Organisation  denken  können?  es  handelte 
sich  um  ein  Land,  das  zwar  den  chiistlichen  Namen  angenommen 

1)  Ich  glaube  auch  hier,  dass  die  Motivierung  der  Thatsache  in  den 
Ann.  Einh. :  Propter  fraudulentas  Saxonum  promissiones,  quibus  fidem  habere 
non  poterat,  historisch  wertlos  ist.  Auch  hier  lesen  wir  nur  einen  Schluss 
ex  eventu.  Weil  die  Versprechungen  der  Sachsen  sich  als  unzuverlässig 
erwiesen,  so  soll  Karl  von  Anfang  an  argwöhnisch  gegen  sie  gewesen  sein. 
Ich  halte  deshalb  die  Verwertung  der  Stelle  bei  Abel  (JB.  S.  267)  für  un- 
zulässig.    Die  Versammlung  selbst  ist  in  den  meisten  Annalen  erwähnt. 

2)  Urkunde  Karls  für  das  Kloster  Salona  (B.M.  208):  Senodalis  consi- 
lius  anno  nono  ad  Patris  Brunna.  Hefele  (CG.  III  S.  622)  erzählt,  dass  die 
Sjmode  beschloss,  von  allen  getauften  Sachsen  einen  Eid  zu  verlangen,  dass 
sie  dem  Christentume  treu  bleiben  wollten  bei  Strafe  der  Güterkonfiskation, 
und  dass  alle  Sachsen  mit  Ausnahme  Widukinds  diesen  Synodalbeschluss 
angenommen  hätten.  Wie  ungenau  dies  Referat  ist,  zeigen  die  S.  374 
Anm.  2  angeführten  Stellen. 

3)  Die  Annalen  erwähnen  von  der  Verteilung  des  Landes  an  frän- 
kische Kirchen  und  Klöster  nichts;  erst  zum  Jahr  780  erzählen  die  Ann. 
Lauresh. :  Divisit  ipsam  patriam  inter  episcopos  et  presbyteros  seu  et  ab- 
bates,  ut  in  ea  baptizarent  et  praedicarent.  Gleichwohl  steht  fest,  dass 
eine  solche  Massregel  schon  vor  780  getroffen  wurde.  Abt  Sturm  von  Fulda, 
der  779  starb,  hat  in  Sachsen  gewirkt.  Dann  kann  sie  aber  nur  in  Pader- 
born vorgenommen  worden  sein.  Was  beschlossen  wurde,  ersieht  man  aus 
Eig.  V.  Sturm.  22  S.  376:  Post  non  longam  tempus  (Carolus)  totam  pro- 
vinciam  illam  in  parochias  episcopales  divisit  et  servis  domini  ad  docendum 
et  baptizandum  potestatem  dedit.  Die  Ansicht  Abels  (JB.  S.  337  f.),  dass 
die  Verteilung  Folge  des  Todes  Sturms  gewesen  sei,  widerspricht,  wie  man 
sieht,  diesen  Worten.  Abel  selbst  hat  übrigens  S.  268  das  Richtige.  Vgl. 
Transl.  Libor.  2  (M.G.  Scr.  IV  S.  150).  Die  Verteilung  des  Jahres  780  war 
demnach  nur  die  Erneuerung,  wohl  auch  vollständige  Durchführung  einer 
früher  getroffenen  Einrichtung. 


—     •M{\     — 

hatte,  (liMii  al)or  (Ihn  ('liiisteiituin  noch  so  gut  wie  iVenul  war.  Die 
ungowtilinliclu'u  Veiliiiltuissc  orlieiscliten  uugewühuliche  Mittel. 
l)f>liall)  winde  zwar  eine  Teilung  der  weiten,  für  die  Arbeit  der 
Kirche  erschlossenen  Landstriche  vorgenommen;  aber  man  dachte 
dabei  nicht  an  die  Abgrenzung  genau  bestinnnter  SprengeV)  son- 
dern nin-  an  die  Erleichterung  der  Missionsarbeit  durch  die  J^ilduiig 
von  iSIissionsgebieten.  Dadurch  wurde  verhütet,  dass  an  einem 
Oi-te  die  Unternehmungen  sich  kreuzten,  während  andere  unberück- 
sichtigt Idieben.  An  die  Spitze  der  ]\Iissioiisl)ezirke  wurden  nicht 
eigene  Kischöte  gestellt,  sondern  Karl  übergab  sie  kirchlichen  In- 
stituten des  fränkischen  lieichs  zur  geistlichen  Versorgung.  Es 
lag  in  der  Natur  der  Sache,  dass  zunächst  die  Grenzbistümer  heran- 
gezogen wurden.  Demgenüiss  erhielt  Köln  das  einstmals  l)oruk- 
terische  Land  zugeteilt,  Gegenden,  in  denen  vielleicht  schon  im 
siebenten  Jahrhundert  von  Köln  aus  die  Mission  versucht  worden 
war;-)  Mainz  die  südlichen  säclisischen  Gaue  an  der  hessischen 
und  thüringischen  Grenze,'')  Ttrecht  wahrscheinlich  die  Landstriche 
nördhch  der  Lippe."*)     Von   entfernter  hegenden   Bistümern  wurde 


1)  So  HüiFer  S.  125  f.:  Die  Paderborner  Teilung  von  777  hat  die  be- 
liiinnten  acht  Bistumssprengel  der  späteren  Zeit  geschuHen.  Aber  dazu 
fehlten  doch,  zwei  .Jahre  nach  dem  Beginn  der  Sachsenmission,  alle  Voraus- 
setzungen. 

2)  Es  blieb  stets  bei  dem  Kölner  .Sprengel.  Rettberg  (KCi.  D.".s  II  S.  419) 
leitet  das  von  älteren  Rechten,  d.  h.  älterer  Missionsthiltigkeit  Kölns  her, 
Ich  halte  nun,  wie  früher  bemerkt  (Bd.  I  S.  316  f.),  für  möglich,  dass  Kunibert 
rechts  des  Rheins  missioniert  hat;  aber  von  dauernden  Erfolgen  und  daraus 
erwachsenen  Rechten  kann  doch  keine  Rede  sein:  das  beweist  das  Schicksal 
Suidborcts  (s.  o.  S.  3G7  i'.).  Die  Zuteilung  des  sächsischen  Teils  der  Kölner 
Diözese  an  dies  Bistum  ist  deshalb  nur  verständlich,  wenn  bei  jener  Tei- 
lung des  Landes  Köln  diesen  Landstrich  angewiesen  erhielt;  bei  der  Kon- 
stituierung von  sächsischen  Bistümern  verblieb  er  dann  in  dem  anfangs  nur 
als  provisorisch  gedachten  Verbände. 

3)  Mit  dem  sächsischen  Teil  des  Mainzer  Sprengcls  verhält  es  sich 
ebenso  wie  mit  dem  des  K()lner:  die  einfachste  Hypothese  ist  die  einer 
Zuteilung  im  .lahre  777  oder  780.  Ich  halte  es  auch  hier  nicht  für  un- 
möglich, dass  an  eine  über  die  Sachsenkriege  Karls  zurückliegende  Missions- 
thätigkeit  zu  denken  ist  (s.  o.  S.  365).  Diese  Gaue  gehörten  den  Kngern; 
es  ist  möglich,  das»  Mainz  auch  im  benachbarten  Ostfalen  arbeitete;  denn 
dass  Ostfalen  im  9.  .lahrh.  in  St.  Alban  in  Mainz  ihre  Ausbildung  fanden, 
hat  .Tostes  Z.  f.  d.  A.  40  S.   131  wahrscheinlich  gemacht. 

4)  Es  ist  unwahrscheinlich,  da.ss  der  zwischen  dem  Kölner  Missione- 
gebiet  und  dem  Utrochter  Bistum  gelegene  Landstrich  übergangen  wurde. 
Für  die  Thätigkeit  Utrechter  Missionare  spricht  die  spätere  Berufung  des 
ütrechter  Priesters  Liudgcr  zum  Bischof  von  Münster. 


dem  grossen  ostfriuikisclien  Bistum  Würzbiirg  die  Gegend  um 
Paderborn,')  dem  ebenfalls  sehr  bedeutenden  Bistum  Lüttich 
das  im  Osten  der  oberen  Ems  gelegene  Gebiet  um  Osnabrück 
zugewiesen.^)  Möghcherweise  nahmen  das  alte  Erzbistum  Rheims 
und  das  kleine  Bistum  Chalous  s.  M.  schon  damals  an  der 
Missionsarbeit  am  nördlichen  und  östlichen  Harz  Anteil.^)  Neben 
den  Bistümern  wurden  einige  Klöster  zur  Arbeit  unter  den 
Sachsen    verpflichtet:    wir    wissen    das    von    Fulda ^)    und    Amor- 


1)  Transl.  Libor.  5  (M.G.  Scr.  IV  S.  150).  Bischof  in  Würzburg  war 
Megingoz;  s.  über  ihn  oben  S.  46. 

2)  Die  Sache  ist  nicht  sicher,  da  sie  nur  durch  eine  im  10.  oder  11. 
Jahrhundert  angefertigte  falsche  Urkunde  Ludwigs  d.  D.  (B.M.  1349)  bezeugt 
wird,  nach  der  Bischof  Agilfrid  769 — 787  die  erste  Kirche  in  Osnabrück 
geweiht  hat.  Philippi,  Mitth.  des  bist.  Ver.  zu  Osnabrück  XXII  S.  30,  be- 
zweifelt die  Annahme. 

3)  Was  Chälons  anlangt,  so  erklärt  sich  dann  am  leichtesten,  dass  Hildi- 
grim,  der  Bruder  Liudgers,  Bischof  daselbst  wurde,  und  als  Bischof  die 
Mission  im  späteren  Halberstädtischen  leitete.  In  Bezug  auf  Rheims  giebt 
es  eine  nur  sehr  unsichere  Spur  darin,  dass  sich  das  Stift  an  der  Domkirche 
von  Hildesheim  als  Tochter  von  Rheims  betrachtete.  Das,  wie  es  scheint, 
unter  Bischof  Adelog  angelegte  Konfraternitätsbuch  (Leibnitz  Script.  I 
S.  767  f.),  enthält  die  Nomina  ecclesiarum,  quae  nobis  fratres  et  sorores  in 
Christo  nostras  orationes  in  cotidianis  sacrificiis  a  nobis  expectant  et  suas 
debent  nobis  vivis  et  defunctis,  sicut  a  maioribus  nostris  accepimus,  und  führt 
zuerst  an  Remensis  ecclesia,  quae  mater  fuit  Hildeneshemensi  ecclesie  in 
canonica  institutione.  Es  folgen:  Paris,  St.  Gereon  in  Köln,  Bamberg, 
Münster,  Paderborn,  Halberstadt  und  eine  Anzahl  Klöster  darunter  Monte 
Cassino  und  Tours.  Die  Kirchenheiligen  widersprechen  nicht:  der  Dom  zu 
Rheims  wie  der  zu  Hildesheim  waren  Marienkirchen.  Der  von  Jostes,  Z.  f. 
d.  A.  40  S.  148  ff.  publizierte  Kalender  aus  Hildesheim  von  ca.  9-50  giebt 
ebenfalls  eine  schwache  Stütze;  denn  er  enthält  eine  auffallend  grosse  Zahl 
von  Heiligen  aus  der  Rheimser  Erzdiözese:  Remigius,  Vedastus,  Trudo, 
Bavo,  Audomar,  Eligius,  Medardus,  Aldegundis,  von  Pariser  Heiligen  Ger- 
manus, Clodoald  und  Genovefa.  Da  Rheims  Güter  in  Thüringen  besass 
(Flod.  H.  Rh.  eccl.  Ill,  10  M.G.  Scr.  XIH  S.  484),  so  lag  der  Gedanke  an 
sächsische  Missionsthätigkeit  nicht  ganz  fern.  Thüringischer  Besitz  von 
Chälons  s.  M.  ist  ebenfalls  nachweisbar,  Dobenecker  I  S.  58  Nr.  265. 

4)  V.  Sturm.  22  S.  376:  Tunc  pars  maxiraa  beato  Sturmi  populi  et 
terrae  illius  ad  procurandum  committitur.  Rettberg  nimmt  (KG.  D.'s  II 
S.  404)  die  Gegend  von  Paderborn  an,  Dehio  (Gesch.  d.  Erzb.  Hamburg- 
Bremen  I  S.  11)  denkt  an  das  Land  an  der  oberen  Weser  um  Eresburg 
(nach  V.  Sturm.  24  S.  377),  Meinardus  (ÜB.  von  Hameln  S.  VII)  an  die 
Gegend  von  Hameln.  Die  letzteren  beiden  Annahmen  schliessen  einander 
nicht  aus  und  sind  wahrscheinlich.  Dagegen  aus  der  Urkunde  Dronke,  Cod. 
Dipl.  Nr.  82  f.  S.  50  auf  eine  Wirksamkeit  Fuldas  in  Paderborn  zu  schliessen 


—     378     — 

bach;^)  Wi  Hei-sfeld-')  imil  Cüi-bie*^)  ist  es  mindestens  wahrscliein- 
licli.  Es  mögen  noch  aus  manchem  anderen  Kloster  JMönche  in 
Sachsen  gearbeitet  haben,  aber  von  ihrer  Tliätigkeit  ist  keine  Kunde 
zu  uns  gehmgt.^)  Der  ganze  nördUche  Teil  Sachsens  von  der  Ems 
bis  zur  Elbe  und  das  jenseits  der  Elbe  gelegene  Land  scheint 
bei  cheser  ersten  Aufteilung  des  Missionsgebiets  unbesetzt  gebheben 
zu  sein.     Der    am  weitesten  vorgeschobene  Punkt  war  ^\'rden.■') 

Karl  hoffte  wohl,  dass  auf  diese  AVeise  die  Arbeit  an  vielen 
Orten  zu  gleicher  Zeit  nachdrücklich  aufgenonnuen  werden  würde. 
Er  vermied  zugleich,  den  Stolz  der  Sachsen  durch  Einsetzung 
fränkischer  Bischöfe  in  ihrem  Lande  zu  kränken,")  und  er  umging 
die  Schwierigkeit,    dass    das    kirchliche  Recht  die  Errichtung    von 


(Abel,  JB.  S.  349),  scheint  mir  bedenklich.  Schenkungen  an  den  heiligen 
l'.onifatius  kommen  in  allen  Gegenden  Deutschlands  vor  und  beweisen 
also  nichts. 

1)  Auch  hier  ist  die  Quelle  jung;  doch  scheint  die  Annahme  un vor- 
werf bch.  Sie  stützt  sich  darauf,  dass  in  dem  Chron.  episc.  Verdens.  2  f. 
(Leibnitz,  Script,  rer.  Brunsvic.  II,  211)  die  ersten  Bischöfe  von  Verden, 
Spatto-Pacificus-Patto  und  Tanco,  zugleich  als  Äbte  von  Amorbach  bezeich- 
net sind.  Der  erstere,  ein  Kelte,  starb  nach  den  Ann.  necrol.  Fuld.  (M.(i. 
Scr.  XIII,  168)  am  2.  Juni  788.  Uhlhorn  S.  377  verlegt  Amorbach  in  den 
Schwarzwald;  es  liegt  bekanntlich  im  Odenwald. 

2)  Da  Karl  am  8.  März  780  dem  Kloster  Horsfeld  den  Zehnten  im 
Hessengau  giebt  (B.M.  220),  so  ist  die  Verpflichtung  Hersfelds  zur  Missions- 
thätigkeit  in  diesem  Gau  sehr  wahrscheinlich.  Auch  die  Zehnten  im 
Friesenfold  gehörten  Hersfeld  s.  Dipl.  11  S.  218  Nr.  191  und  vgl.  l  S.  21)8 
Nr.  215.  Ein  Verzeichnis  der  zohntpflichtigen  Orte  veröH'onllichto  Grössler, 
Ztschr.  des  Harzvereins  1874  S.  85,  wieder  abgedruckt  bei  Dobeneckor, 
Kegestu  Thuringiae  I  S.  64 f.;  und  neu  herausgegeben  von  Schröder  in  den 
Mitth.  des  Instit.  XVII  S.  12.  Er  bestimmt  die  Abfassung  um  8-50.  Des- 
gleichen war  Quedlinburg  hcrsfeldisch,  Mir.  Wigb.  19  M.G.  IV  S.  227.  Das 
ganze  Gebiet  gehörte  später  zu  dem  Bistum  Ilalberstadt. 

3)  t'orbie  be.sass  Güter  in  Sachsen  (Wilmans,  Kais.  Urkunden  Nr.  7  ö.  20). 

4)  Wenn  Wiho,  der  angebliche  erste  Bischof  von  Osnabrück,  wirklich 
eine  historische  Person  sein  sollte  (Philippi,  Osn.  ÜB.  I  S.  1  und  4;  ders. 
zur  Osn.  V(i.,  Mitth.  a.  a.  0.  S.  30),  so  muss  man  ihn  zu  diesen  unbekann- 
ten Sachspnmissionaren  zählen.  Aber  vgl.  die  Bemerkung  von  Jostcs,  11. 
JB.  XV  S.  111,  wonach  Wiho  kein  Name  sein  kann.  Das  Wort  bedeutet 
Heiliger,  Geweihter.  Hütfer,  Korv.  Studien  S.  188  f.  lässt  ihn  780  dem 
0.snabrüoker  Sprengel  vorgestellt,  7«5  konsekriert  werden,  vgl.  dagegen 
Philippi  in   d.  (4ött.  H.A.   1899  S.  494  f. 

5)  Man  bemerkt  auch,  dass  nicht  jeder  Missionsbezirk  sich  im  Verlauf 
zu  einem  eigenen  Biätum  auswuchs. 

6)  Dieses  Motiv  nennt  V.  Willeh.  8  S.  371. 


—     379     — 

Bistümern  nur  in  Städten  zuliess,^)  während  dem  sächsichen  Lande 
Städte  fast  völlig  fehlten. 

Das  sächsische  Volk  schien  bereitwiUig  auf  die  Pläne  Karls 
einzugehen:  grosse  Scharen  drängten  sich  in  Paderborn  ziu-  Taufe. 
In  der  feierhchsten  Weise  versicherten  sie  ihre  Treue  gegen  den 
König  und  ihre  Anhänghchkeit  an  den  christhchen  Glauben.-)  Die 
fränkischen  Prediger  begannen  voll  froher  Hoffnung  ihre  Arbeit. 
Eigil  schildert  die  Thätigkeit  des  Abts  Sturm  von  Fulda:  wie  er 
auf  alle  Weise  strebte,  dem  Herrn  ein  nicht  geringes  Volk  zu  ge- 
winnen; unermüdlich  hal^e  er  gemahnt,  dass  das  Volk  den  Götzen 
entsage  und  den  Glauljen  an  Christus  annehme,  die  Göttertempel 
zerstöre,  die  heiligen  Haine  umschlage  und  an  ihrer  Statt  Kirchen 
erljaue;^)  ja  er  habe  alsbald  mit  der  Errichtung  christlicher  Kirchen 
begonnen.^)  Was  von  Sturm  erzählt  wird,  wurde  gewiss  von  vielen 
anderen  ebenso  treu  geübt,  deren  Namen  nicht  auf  uns  ge- 
kommen sind. 

Karl  selbst  bewies  in  jeder  Weise,  dass  es  ihm  ernst  sei  mit 
der  kirchlichen  Pflege  der  Neubekehrten:  noch  während  seiner  An- 
wesenheit in  Paderborn  wurde  der  Grundstein  zu  einer  Kirche  zu 
Ehren  des  Heilands  gelegt.'^)  In  den  von  den  Fi-anken  besetzten 
Burgen  liess  er  ebenfalls  Kirchen  bauen. *^)  Auch  die  Hauptsache: 
geeignete  Priester  für  die  Sachsenpredigt  zu  gewinnen,  hess  er 
nicht  aus  dem  Auge.') 

Doch  stand  aUes  bisher  EiTeichte  auf  einem  sehr  schwanken 
Fundament.  Der  sächsische  Stamm  war  nicht  einig  in  dem  Ent- 
schlüsse, auf  den  Kampf  mit  den  Franken  zu  verzichten.  Hervor- 
ragende Grosse,  wie  der  ostfälische  Herzog  Hessi'')  und  der  Graf 
Emmigg  im  Gau  Leri,  gehörten  der  Friedenspartei  an;  ihr  Anschluss 
an    den    chi'istlichen   Glauben  war  aufrichtig  imd  ernsthaft.     Von 


1)  Hierauf  weist  Transl.  Libor.  2  S.  150  hin;  c.  5  S.  151  wird  hervor- 
srehoben,  dass  die  Sache  doch  auch  ihre  Schattenseiten  hatte. 

2)  Ann.  Petav.,  Lauriss.,  Einh.,  Fuld.,  Mosell.  z.  J.  776. 

3)  V.  Sturm.  22  S.  376. 

4)  L.  c.  23  S.  376:  Cum  per  regiones  quasque  singulas  ecclesias  con- 
struxisset. 

5)  Ann.  Petav.,  Sangall.  Baluz.  z.  J.  777. 

6)  Ann.  Lauriss.  z.  .J.  776  erwähnen  die  Kirche  in  Eresburg,  cf. 
Stumpf  2140. 

7)  Vgl.  Transl.  Viti  4  S.  577:  Quaesivit  sacerdotes  bonae  spei  quos  in 
Saxoniam  dirigeret,  qui  ipsos  secundum  ecclesiasticam  fidem  docerent,  domos 
episcoporum  atque  ecclesias  constituerent.  Die  Aussage  ist  allgemein:  man 
wird  sie  bereits  auf  diese  Zeit  beziehen  dürfen. 

8)  Ann.  Lauriss.,  Einh.  z.  J.  775;  vgl.  oben  S.  373  Anm.  3. 


—     38Ö     — 

Ht'ssi  ^viss^'n  wir.  dass  die  iluistlichu  lU'lii^non  in  seiner  Familie 
lierrschend  war;')  er  selbst  trat  später  als  Älöneli  in  das  Kloster 
Fulda;  dort  ist  er  im  Jahre  804  gestorben.-)  Der  Graf  Emmigg 
aber  ist  einer  der  wenigen  Märtyrer  des  christlichen  Glanbens  in 
Deutschland.^)  Andererseits  jedoch  fehlte  es  nicht  an  Männern, 
welche  den  Widerstand  gegen  die  fränkische  Herrschaft  liir  nuig- 
lich  hielten.  Sie  gaben  die  sächsische  Freiheit  noch  nicht  ver- 
l()i-(ni.  .Vugenblicklich  befanden  sie  sich  in  der  Minorität:  ihr 
Führer  W'idukind.  einer  der  ersten  ]\Iänner  des  westfiUischen  Adels, 
hatte  das  Land  verlassen  und  in  Dänemark  Aufiudnne  gefunden. 
Er  erkannte,  dass  die  Fortsetzung  des  AViderstandes  im  Lande  selbst 
im  Momente  aussichtslos  sei.  Aber  nur  im  Momente.  Denn  bei 
dem  starren  Fnabhängigkeitssinu  des  sächsischen  Stammes  war  zu 
erwarten,  dass  die  Unterwerfung  unter  den  fremden  Herrscher  nicht 
von  langer  Dauer  sein  würde.  Karls  rasches  und  nachdrückliches 
Handeln,  das  den  Sachsen  die  Eniptindung  der  grossen  Verände- 
rung in  ihren  Verhältnissen  aufdrängen  niusste,  war  recht  geeignet, 
einen  l'mschlag  der  Stimnnnig  hervorzurufen. 

Er  trat  alsbald  ein.  Als  Karl  im  .Tahre  7 TS  duich  die  Kämpfe 
in  Spanien  ferne  gehalten  war,  kehrte  Widukind  zurück;  von  ihm 
geführt,  erhoben  sich  die  Sachsen  von  neuem.'*)  INfan  hat  bemerkt, 
dass  sie  d'  ii  Krieg  leidenschaftlicher  begannen  als  je  vorher:  sie 
suchten  nicht  mehr  Beute,  sondern  Eache.'')  In  der  Heimat  duldeten 
sie  keinen  AViderspruch :  wer  es  nicht  mit  den  Aufständischen  hielt, 
wer  den  christlichen  Glauben  nicht  verleugni^te,  musste  eilends  ent- 
Hiehen:  mancher  sächsische  Manu,  dei'  durch  den  Kail  geschwo- 
renen Eid  sich  gebunden  fühlte,  hat  damals  als  Flüchtling  die 
Heimat    verlassen.")      Dasselbe    Schicksal    hatten    die    christlichen 


1)  V.  Liuthirg.  1  (M.r;.  Scr.  IV,  V>S). 

2)  Necrolog.  Fuld.  (M.G.  Scr.  XIII  S.  169). 

3)  V.  Willoh.  6  S.  382.  Als  treue  Sachsen  werden  aussenleni  geniuint 
Amalung  (Urkunde  Karls  vom  I.Dezember  811,  H.M.  4.53)  und  Hiddi  (Ur- 
kunde vom  9.  August  813,  a.  a.  0.  464).  v.  Inania-Sternegg  betrachtet 
beide  mit  Unrecht  als  zu  den  weggeführten  Sachsen  gehörig  (Ausbildung 
der  Grundherrschaft  S.  47  f.). 

4)  Ann.  Laurisa.,  Einh.  z.  J.  778. 

5)  Ann.  Kinh.  1.  c:  Ut  appareret,  eos  non  praedandi,  sed  ultionem 
oxeroendi  gratia  Francorura  terrainos  introisse. 

6)  S.  die  oben  Anm.  3  genannten  Namen.  Kine  Anschauung  der  Zu- 
stände erhält  man  durch  das,  was  in  der  Urkunde  von  Amalung  erzählt 
wird:  Dum  ceteri  Saxones  i)aronto8  illius  contra  nos  infidcliter  egissent, 
AmalunguH  mallons  fidem  suam  seruare  quam  cum  ceterin  infidelilnis  per- 
seuerare  relinquens  locum  natiuitatis  suae  ucnicns  ad  nos  et  dum  in  nostro 


—     381     — 

Priester.  Sturm  gelang  es,  nach  Fulda  zu  entkommen;  auch  dort 
entging  er  nur  mit  knapper  Not  dem  Tode.  Als  die  schlimmste 
Gefahr  schon  vorüber  war,  bedrohte  eine  sächsische  Schar  das 
Kloster;  die  Mönche  flüchteten  mit  den  Reliquien  des  Bonifatius 
nach  der  Rhön;  erst  jenseits  des  Waldes,  in  Hammelburg,  meinten 
sie  sicher  zu  sein.  Doch  wurde  Fulda  nicht  zerstört.-^)  Der  Sieg 
der  Franken  bei  Laisa-)  hat  das  Kloster  gerettet.  Der  Vorgang  ist 
nur  eine  Episode.  Denn  der  Angriff  der  Sachsen  kehrte  seine 
Spitze  nicht  gegen  Süden,  sondern  gegen  Westen;  sie  drangen  bis 
an  den  Rhein  vor,  indem  sie  die  ganze  Gegend  von  Deutz  bis  zur 
Mündung  der  Lahn  verheerten;"'')  selbst  der  breite  Strom  gewährte 
keine  Sicherheit:  St.  Martin  in  Köln  ist  wie  so  manche  andere 
Kirche  in  jenen  Tagen  in  Flammen  aufgegangen.^) 

Es  bedurfte  zweier  Jahre,  bis  die  Verhältnisse  so  weit  ge- 
ordnet waren,''')  dass  die  kirchliche  Arbeit  wieder  beginnen  konnte. 
Karl  hatte  sie  auch  während  des  Kampfes  nicht  aus  den  Augen 
verloren.  Abt  Sturm  von  Fulda  begleitete  ihn  auf  dem  Feldzuge 
des  Jahres  779.  Wir  hören,  dass  er  ihn  amvies,  noch  einige  Zeit 
in  Eresburg  zu  verweilen:  ohne  Zweifel  im  Interesse  der  kirchlichen 
Zustände.  Doch  der  treffhche  Mann  stand  am  Ziele  seiner  Lauf- 
bahn. Krank  kam  er  von  der  Eresburg  nach  Fulda  zurück;  hier 
ist  er  am  17.  Dezember  779  gestorben.**) 

Nachdem  der  Friede  wiederhergestellt  schien,  nahm  Karl  eine 
neue  Verteilung  des  Landes  an  die  kirchlichen  Institute  des  frän- 
kischen Reiches  vor.'^)  Nun  scheinen  auch  die  nördhchen  Gaue 
bis  zur  Elbe  einbezogen  worden  zu  sein.  Damals  war  es,  dass  er 
Willehad  aus  Friesland  abrief:  er  übertrug  ihm  die  kirchhche  Lei- 


eeset  obsequio  uenit  ad  uillam  cuius  est  uocabulum  Uuluisangar  (Wolfsanger 
an  der  Fulda  bei  Kassel),  quam  tum  tcmporis  Franci  et  Saxones  inhabitare 
uidebantur  cupiens  ibi  cum  eis  manere  sed  minime  potuit,  tunc  pergens  ad 
locum  qui  dicitur  Ualdisbeecchi  (am  Wallebach  bei  Wolfsanger)  inter  Uise- 
raha  et  Fuldaha  proprisit  sibi  partem  quendam  de  silua  quae  uocatur 
Bocchonia.  Dasselbe  Schicksal  hatte  Hiddi,  der  sich  zuletzt  in  Hawca- 
brunno  (Habichtsborn  bei  Escherode)  niederliess. 

1)  V.  Sturm.  23  S.  376. 

2)  Lihesi,  ob  der  Eder,  westlich  von  Fritzlar. 

3)  Ann.  Lauriss.,  Einh.  z.  J.  778. 

4)  Chron.  S.  Martini  S.  214:  Huic  suffectus  est  Herbodus,  qui  rexit  sub 
annum  778,   quo  monasteriura  a  Saxonibus  est  destructum. 

5)  Über  die  kriegerischen  Ereignisse  s.  Abel,  JB.  S.  313  ff.,  333  ff.    Die 
Darstellung  von  Ritter  scheint  mir  keinen  Fortschritt  zu  bezeichnen. 

6j  V.  Sturm.  24  f.  S.  377. 

7)  Ann.  Lauresh.,  ehr.  Mois.  z.  J.  780;   s.  oben  S.  375  Anm.  3. 


—     382     — 

tnni:  (los  rianes  AVigniorlin.  an  dvv  Nordsee  zwisohon  Woser  und 
Elho:  er  sollU'  kral't  küniglichei-  Autorität  Kirchen  ,ü:riinden  und 
dem  Volke  das  Evan<jeliuni  verkündigen.  Willehads  Tüchtigkeit 
bewährte  sich  hier  niclit  minder  wie  bei  der  Arbeit  in  Friesland: 
es  gelang  ihm  schon  im  zwi'iten  Jahre,  die  Sachsen  und  Friesen 
auf  dem  rechten  Ufer  der  Weser  zur  einhelhgen  Annahme  des 
Christentums  zu  bewegen;  er  begann  mit  der  Errichtung  von 
Kirchen  und  der  Anstellung  von  Priestern  bei  densellien.^)  Wie 
es  scheint,  setzten  die  Sachsen  für  den  Augenblick  den  Priestern 
nirgends  Widei-stand  entgegen:  selbst  von  Bekehrungen  bei  den 
Sachsen  im  Norden  der  Elbe  hört  man  jetzt  zuerst.-)  Auch  die 
auf  sächsischem  Gebiete  wohnenden  AVenden  trafen  Anstalt,  sich 
dem  christlichen  Bekenntnis  anzuschhessen.'')  Karl  war  des  Friedens 
so  sicher,  dass  er  im  Sommer  782  auf  einer  Reichsversammlung 
am  Ursprung  der  Lippe  nach  fränkischer  Weise  Grafen  tiir  das 
Sachsenland  bestellte  und  sie  aus  den  grossen  Familien  des  Landes 
.selbst  nahm.^)  Da  warf  die  Empörung  des  Jahres  782  alles  aus 
dem  Geleise. 

Widukind.  der  wieder  an  der  Spitze  stand,  gelang  es,  eine 
gleichzeitige  Erhebung  der  Sachsen  und  Wenden  zu  Stande  zu 
bringen.'')  Es  lag  in  den  Verhältnissen,  dass  auch  diesmal  der  In- 
grinnn  der  Aufständischen  sich  gegen  die  Kirchen  und  die  Pi-iester 
richtet^:'.  Die  Erinnerung  der  nächsten  Zeit  sah  in  AN'idukind 
einen  Christenverfolger,")  während  den  späteren  Generationen  der 
Nationalheld  zu  einem  Heiligen  ward.  Das  erstere  war  nicht  ganz 
unrichtig.  Das  zeigt  das  Schicksal  AVillehads  und  seiner  Clenossen. 
Als  die  Empörung   ausbrach,    tloh   W'iUehad   nach  dem  Meere  zu; 

1)  V.  Willeh.  5  S.  381.  Wigmodia  zwischen  Weser  und  Elbe;  s.  über 
den  Umfiiiip  Dehio,  a.  a.  0.  Krit.  Ausf.  VI  S.  r,0  f. 

2)  Ann.  Lanriss.  z.  .1.  780  S.  56.  Uemerkenswert  ist  aber,  dass  die  Taufe 
der  Nordleudi  zu  Orhaim  (Ohrum  an  der  Ocker,  südlich  von  Wolfenbnttel) 
stattfand.  Denn  darin  liegt,  dass  es  sich  nicht  um  Frucht  der  Missions- 
thiitifjkeit  handelte,  sondern  um  ein  dem  König  gemachtes  Zugeständnis. 

3)  Ann.  Mosoll..  Lauresh.,  Petav.,  Chron.  Mois«.  z.  .T.  780.  Die  Nach- 
richt ist  an  sich  so  wahrscheinlich,  dass  ich  sie  trotz  dieser  spärlichen  He- 
zeugung  für  begründet  halte.  Man  kann  bei  ihr  jedoch  nur  an  die  Wenden 
im  östlichen  Sachsen  denken.  Dass  Mühlbacher  (Reg.  Imp.  222b)  auch  die 
Main-  und  Regnitzwenden  herbeizieht,  ist  irrig,  da  jeder  Zusammenhang 
zwischen  ihnf-n  und  den  Sachsen  fehlt. 

4;  Ann.   Mosell.,  Lauresh.,  Chron.  Moiss.  z.  .T.  782. 

5)  Ann.  Lauriss.,  Kinh.  z.  J.  782.  Die  Erhebung  der  Wenden  wird  hier 
nicht  auf  Widukind  zurückgeführt.  Es  ist  aber  einleuchtend,  dass  ein  zu- 
fälliges Zusammentreffen  nicht  vorliegt. 

6)  V.  Mathild.  1  (M.G.  Scr.  IV  S.  2H4j. 


—     383     — 

es  glückte  ihm.  ein  Schiff  zu  erreichen,  das  ihn  um  die  friesische 
Küste  herum  in  das  fränkische  Land  führte.  Yon  seinen  Schülern 
und  Mitarbeitern  aber  wurden  nicht  wenige  getötet;  auch  der  Graf 
Emmigg  wurde  damals  enthauptet;  andere  retteten  sich  durch  die 
Flucht;  überall  wurden  die  Getauften  zum  Abfall  vom  Chiisteu- 
tum  genötigt.-^) 

Dass  Widukind  als  Verfolger  auftrat,  beweist,  dass  er  einen 
bedeutenden  Teil  des  Volkes  gegen  sich  hatte.  Man  verfolgt  nur 
diejenigen,  welche  gefährlich  sind.  Dem  Führer  der  Sachsen  hing 
nicht  mehr  die  Gesamtheit  an.  Er  stand  an  der  Spitze  einer 
Partei;  um  sich  zu  behaupten,  musste  er  alles  daran  setzen,  die 
inneren  Gegner  niederzuhalten;  deshalb  die  Hinrichtmigen ;  sie  aber 
verschärften  naturgemäss  den  Gegensatz.  Als  nun  durch  Karls 
Vorchingen  die  Lage  der  Aufständischen  bedenkhch  wurde,  schien 
der  schwächeren,  bisher  gewaltsam  unterdrückten  Partei  die  Mög- 
hchkeit  eröffnet,  die  Obmacht  wieder  an  sich  zu  reissen.  Die  ohne 
vorhergehenden  Kampf  erfolgte  Auslieferung  von  mehr  als  vier- 
tausend Aufständischen    durch    die    sächsischen   Grossen-)    ist   nur 


1)  V.  Willeh.  6  S.  381  f.  Über  die  Getöteten:  Folcarduin  presbyterum 
cum  Emmiggo  comite  in  pago  denominate  Leri,  Beniamin  autem  in  Utrbiustri 
(am  Jahdebusen),  Atrebanum  vero  clericum  in  Tbiatmaresgabo  (Ditmarschen), 
Gerwaldum  quoque  cum  sociis  suis  in  Brema  odio  nominis  christiani  gladio 
peremerunt.  Et  ipsis  quidem  ita  ad  regna  caelestia  effusione  proprii  san- 
guinis feliciter  evocatis,  peisecutionis  procella  diutius  postmodum  rebellan- 
tibus  desaevit  Saxonibus.  Von  Entflohenen  spricht  c.  7  S.  382.  Dass  die 
zurückbleibenden  Christen  zur  Verleugnung  gezwungen  wurden,  ergiebt  sich 
aus  dem  Briefe  Hadrians  (Cod.  Carol.  77  S.  609) :    Extra  voluntatem  coacti. 

2)  Wie  mich  dünkt,  irrt  die  herkömmliche  Fassung  des  Vorgangs,  wie 
man  sie  bei  Rettberg  (KG.  D.'s  II  S.  388) ,  Abel  (JB.  S.  4-34)  u.  a.  findet, 
darin,  dass  sie  die  Thatsache  der  Auslieferung  der  Viertausend  durch  die 
Sachsen  entweder  ganz  ignoriert  oder  nicht  genügend  berücksichtigt.  Das 
erstere  bei  Rettberg,  der  nur  von  Gefangenen  spricht,  das  letztere  bei  Abel, 
bei  dem  die  Folge  der  Ereignisse  geradezu  unverständlich  ist:  die  Franken 
werden  am  Süntel  geschlagen,  Karl  eilt  mit  wenigen  in  der  Eile  zusammen- 
gerafften Truppen  nach  Sachsen.  Über  diese  kleine  Schar  erschrecken  die 
Sachsen  so  sehr,  dass  Widukind  zu  den  Dänen  flieht,  die  übrigen  keinen 
Widerstand  wagen,  sich  sämtlich  vor  Karl  stellen  und  auf  sein  Verlangen 
die  Anstifter  des  Aufstands,  die  doch  unter  ihnen  selbst  gewesen  sein 
müssen,  ausliefern.  Hier  fehlt  ein  Mittelglied,  um  die  Flucht  Widukinds 
begreiflich  zu  machen :  man  kann  es  nur  in  einem  plötzlichen  Umschlag 
der  Stimmung  finden,  wodurch  die  Friedenspartei  wieder  obenauf  kam, 
welche  sich  nun  durch  die  Auslieferung  der  Gegner  sichern  wollte.  Dass 
die  Grossen,  welche  Karl  zu  sich  berief  (Ann.  Einh.),  die  Sachsen,  welche 
bei  seinem  Erscheinen  an  der  Aller  sich  um  ihn  sammelten  (Ann.  Lauriss.), 


—     384     — 

vei-stiindlieh,  wenn  mau  in  ihr  den  Versuch  der  fränkischen  Partei 
unter  deu  Sachsen  sieht,  das  StärkeverhlUtuis  dauernd  zu  vcr- 
schiehen.  *  Man  ^vollte  die  Partei  des  Widei-stands  mit  einem 
Sddage  vernichten.')  Karl  ging  auf  diesen  Gedanken  ein:  zu 
Verden  an  der  Aller  Hess  er  die  ihm  l' herlieferten  alle  an  einem 
Tage  niedermachen."-) 

Keine  That  Karls  wiixl  so  all.iremein  getadelt  als  diese.  Wer 
möchte  sie  veileidigeu?  Sie  ist  grausig.  Dass  die  Sachsen  nun 
viermal  das  Vertrauen  des  Königs  getäuscht,  Zusagen  und  Eid- 
schwüre gebrochen  hatten,  erweckte  in  ihm  eine  Gewalt  des  Ha-sses, 
durch  welche  die  Gegner  zermalmt  wurden.  Das  Dämonische  in 
der  Natur  Karls  ist  hier  furclithar  deutlich:  wer  sich  ihm  in  den 
Weg  warf,  der  unternahm  einen  Kampf  auf  Tod  und  Leben:  die 
Sachsen  waren  unterlegen,  so  sollten  sie  sterben,  wie  sie  die  Ge- 
treuen des  Königs  getötet  hatten.  Dass  dal)ei  das  Blut  von 
Tausenden  floss,  das  mochte  die  Schwachen  rühren:  Karl  war  für 
diese  Em])tindung  unnahl)ar. 

Die  Hinrichtung  der  Sachsen  verfehlte  ihren  Zweck;  durch 
das  Entsetzen  über  die  Unthat  wurde  der  fränkischen  Partei  der 
Boden  im  Ltinde  entzogen.  Der  Widerstand  gegen  Karl  erhielt 
jetzt  erst  den  rechten  Nachdruck.  So  waren  denn  die  nächsten 
Jahre  erfüllt  von  blutigen  Kämpfen.-')  Das  Ende  war.  dass  die 
Führer  der  Sachsen  erkannten,  dass  Karl  übermächtig  sei.  Widu- 
kind  und  Abbio  entschlossen  sich  im  Jahre  785  zur  Unterwerfung; 
auf  fränkischem  Boden,  zu  Attigni,  besiegelten  sie  dieselbe  durch 
den  Empfang  der  Taufe.*) 

dieselben  Männer  gewesen  sein  sollten,  welche  eben  am  Süntel  sein  Heer 
geschlagen  hatten,  ist  ebenso  undenkbar,  wie  dass  Widukind,  wenn  er  seiner 
Landsloute  sicher  war,  vor  einer  Handvoll  Franken  aus  doni  Liinde  floh. 
Diese  Kmpüning  wird  an  demselben  Umstände  geschoitert  sein,  der  für 
die  meisten  P'.mpörungen  verhängnisvoll  ist:  die  Uneinigkeit  im  aufstän- 
dischen Lande. 

1)  Ann.  Lauriss.  z.  .T.  782  S.  62:  Reddiderunt  oranes  malefactores 
illos  .  .  ad  occidendum  .  .,  quod  ita  et  factum  est;  s.  ann.  Amandi,  Mosel)., 
Lauresh..  Chron.  Moiss. 

2)  Der  Aufsatz,  von  Ijippons  (Zeit.schr.  f.  (te.sch.-Wissensch.  I  S.  75  ff.) 
hat  mich  nicht  überzeugt,  dass  man  die  Blutthat  aus  der  Geschichte  Karls 
streichen  darf;  vgl.  R.  Schröder,  Bist.  Ztscbr.  78,  1896  S.  18  ff. 

3)  Vgl.  die  Darstellung  der  kriegerischen  Ereignisse  bei  Abel,  JB. 
S.  452  ff.;  Mühlbacher,  D.G.  S.  LSI  ff. 

4)  Ann.  Mosell.,  Lauresh.,  Max.,  Lauriss.,  Kinh.,  Mett.,  Fuld.  z.  J.  785. 
Der  Brief  Karls  an  Otfa,  auf  welchen  sich  Kettborg  (KG.  D.'h  II  S.  408)  be- 
zieht, ist  eine  Fälschung  (s.  B.M.  261).    Der  Tag  der  Taufe  steht  nicht  fest ; 


—     385     — 

Wieder  schien  das  lange  vergeblich  erstrebte  Ziel  erreicht. 
Karl  meldete  durch  den  Abt  Andreas  von  Luxeuil  nach  Rom,  dass 
das  gesamte  sächsische  Volk  sich  seiner  Herrschaft  unterworfen 
habe  und  in  die  Gemeinschaft  der  kathohschen  Kirche  eingetreten 
sei.  Er  war  so  fest  überzeugt,  dass  die  Kämpfe  nun  beendigt 
seien,  dass  er  dm'ch  den  Papst  ein  allgemeines  Dankfest  der  ge- 
samten abendländischen  Chiistenheit  anordnen  liess.  Es  wurde  am 
23.,  26.  und  28.  Juni  786  gefeiert.^) 

Sofort  begann  auch  die  Arbeit,-)  um  die  Verhältnisse  wieder 
zu  ordnen.  Die  Lage  war  besonders  dadurch  schwierig,  dass  das 
sächsische  Volk  wiederholt  den  christHchen  Glauben  angenommen 
hatte  und  dann  wieder  von  ihm  abgefallen  war.  Verfuhr  man  mit 
den  Abtrünnigen  nach  dem  kirchlichen  Rechte,  so  war  eine  Ge- 
meindebildung so  gut  wie  unmöghch.  Diese  Erwägung  wird  Karl 
veranlasst  haben,  den  Rat  des  Papstes  zu  erholen.  Hadriau  wahiie 
in  einer  etwas  gewundenen  Erklärung  das  kirchliche  Prinzip,  machte 
dann  darauf  aufmerksam,  dass  man  die,  welche  freiwilHg,  und  die, 
welche  gezwungen  abgefallen  seien,  unterscheiden  müsse,  imd  ver- 
langte schliesshch  Ablegung  eines  orthodoxen  Glaubensbekenntnisses 
und  das  eidhche  Versprechen  der  Treue  gegen  die  chiistliche 
"Wahrheit.^) 


man  denkt  gewöhnlich  an  das  Weihnachtsfest,  das  Karl  in  diesem  Jahre  in 
Attigni  feierte. 

1)  Cod.  Carol.  76  S.  607  f. 

2)  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  Karl  neue  Alänner  für  die  Sachsen- 
mission  zu  gewinnen  bedacht  war.  Eine  Spur  davon  in  der  Nachricht  der 
V.  II  Liudg.  I,  17  S.  62  (Diekamp):  Ea  quoque  tempestate  devicto  sive  con- 
verso  Widukindo  abbas  quidam  religiosus  Bernradh  nomine  occidentalibus 
Saxonibus  a  rege  missus  fuerat  doctor. 

3)  Cod.  Carol.  77  S.  609:  Hoc  predecessorum  nostrorum  .  .  dudum 
decretum  est:  quod,  qui  resipiscentes  et  ruinas  suas  cogitantes  redire 
maluerint,  sub  longa  penitentiae  satisfactione  admittendi  sunt  (cf.  Dion. 
Exig.  coli.  can.  Decr.  Innoc.  pap.  c.  15);  et  iterum:  penitentiae  satisfactione 
purgentur,  quae  non  tarn  temporis  longitudine  quam  cordis  conpunctione 
pensanda  sunt  (cf.  Dion.  Exig.  1.  c.  Leon,  I  c.  46).  Et  ideo  .  .  oportet, 
sacerdotes  partibus  illis  pastorali  circumdari  sollertiam  atque  episcopalem 
induere  vigilantiam ;  et  in  eorum  arbitrio  indici  poenitentiam,  considerantes 
piaculum  tarn  voluntatis  quamque  extra  voluntatem  coacti  ad  suum  rever- 
tentes  vomitum.  et  tunc  canonica  promere  sententia,  quatenus  si  veraciter 
reversi  in  fide  orthodoxa  maluerint  perseverari  —  promissuros  ae  omnem 
adimpleri  episcopalem  praedicationem  etc.  —  in  gremio  suscipiantur  ortho- 
doxae  fidei  ecclesiae.  Dieses  unklare  Gerede  ist  die  Antwort  auf  die  Frage : 
Quälern  penitentiam  Saxonibus,  qui  christiani  fuerunt  et  ad  paganissimum 
reversi  sunt,  sacerdotes  indicare  debeant. 

Hauck,  Kirchengeschichte.    II.    2.  Aufl.  25 


—     386     — 

Der  päpstliche  Bescheid  war  zweckmässig:  denn  er  machte  es 
möghch,  mit  der  Vergangenheit  rasch  abzuschhessen  und  alle  Sorge 
auf  die  Anordnungen,  welche  liir  die  Zukunft  nötig  waren,  zu  kon- 
zentrieren. Karl  erliess  denn  auch  im  nächsten  oder  einem  der 
nächsten  Jahre  sein  erstes  auf  die  Zustände  der  Sachsen  bezüg- 
liches Gesetz.^)  Es  zeigt  in  allen  seinen  Bestimmungen  die  Un- 
sicherheit der  Verhältnisse:  das  Heidentum  galt  als  überwunden, 
aber  hatte  noch  einen  festen  Halt' im  Glauben  der  Bewohner;  das 


1 )  Cap.  26  S.  68  ff. :  Capitulatio  de  partibus  Saxoniae.    Das  Gesetz  wird 
von  Waitz  (VG.  III  S.  129 ff".),   Abel  (JB.  S.  417)  („vielleicht"),   Mühlbacher 
(Rep.    Imp.    Nr.  243),    Dehio    (Gesch.    d.    Erzb.    Hamburg -Bremen    S.  24), 
Brunner  I  S.  346,  Uhlhorn  S.  372  u.  a.  dem  Jahre  782  zugeschrieben,  wäh- 
rend  V.  Richthofen   (M.G.  Leg.  V  S.  21)   dasselbe   bereits   im  Jahre   777   er- 
lassen sein  lässt,  Pertz  (M.G.  Leg.  I  S.  48\  Rettberg  (KG.  D.'s  II  S.  390)  u.  a. 
es  in  das  Jahr  785  verlegen:    Boretius  beschränkt  sich  auf  die  allgemeine 
Angabe  775—790,    Ritter    endlich  nimmt  die  Zeit  nach   797   oder  799    an, 
II  S.  28ff.     Das  hängt  mit  seinem  Urteil,    dass  die  Capitulatio  wenn  nicht 
milde,    so    doch  nicht  blutig  sei  (S.  49),    zusammen.     Bedenken   gegen   das 
Jahr  782  oder  ein  früheres  Jahr  erregt  c.  17,    wonach  die  Entrichtung  des 
Zehnten  gefordert  wird.     Nun  weiss    man,    dass  Alkuin  die  Abneigung  der 
Sachsen  gegen  das  Christentum   auf  den  Zwang   der  Zehntleistung  zurück- 
führte.    Seine  erste  Klage  über  diesen  Punkt  stammt  indes  aus  dem  Jahre 
796  (ep.  107  S.  154).     Ist  es  glaublich,  dass  er.st  nach  vierzehn  oder  neun- 
zehn Jahren  sich  die  üblen  Folgen  der  Zehntforderung  bemerklich  machten? 
Man  ist,  wie  mich  dünkt,  genötigt,  anzunehmen,  dass  das  Gesetz  nicht  all- 
zulange vor  dem  Wiederausbruch  der  Kämpfe  im  Jahre  793  erlassen  wurde. 
Auf  ein  späteres  Jahr  als  782  führt  auch  c.  5:  Si  quis  episcopum  intorficerit 
etc.     Allerdings    kann    man   dabei   auch  an  fremde  Bischöfe    denken-,    aber 
das  Nächstliegende    ist    doch,    dass    eine    solche  Vorschrift  erlassen  wurde, 
nachdem    es    einen   Bischof   im    Lande    gab.     Der   erste   sächsische   Bischof 
Willehad  ist  im  Jahre  787  geweiht.     Spricht  diese  Thatsarhe   auch   gegen 
das  Jahr  785,  so  ebenso  c.  1:  Ecde.siao  quao  modo  construnntur.    So  konnte 
man  im  Jahre  782  reden  (s.  S.  382),  nicht  aber  785,  da  die  Pazifikation  ja 
erst  infolge  der  Taufe  Widukinds   vollendet  wurde.     Andererseits  verwehrt 
diese  Wendung,  sich  allzuweit  von  785,  dem  Jahr  des  Friedensschlusses,  zu 
entfernen.     Ich  bin  deshalb  geneigt,  die  Krlassung  des  Gesetzes  der  Reichs- 
versammlnng    zu   Worms    im    Jahre  7S7  Ann.   Lauriss.   Einh.    zuzuschreiben. 
Die  Zeit    bis    zum    nächsten  Aufstand    ist    lange    genug,    dass  die  Last  der 
Zehnten  empfundon  werden  konnte,  und  nicht  so  lange,    dass  man  sich  an 
sie   gewöhnt  hätte.     Doch    ist  die  Annahme   des  Jahres  788  ebenfalls  mög- 
lich,    rhlhnrns   Grand,    die   Capit.   müsste  782  erlassen   sein,    da  sonst  der 
Aufstaml  dieses  Jahres  unverständlich  sei,  ist  nicht  einleuchtend.     Denn  die 
Verbindung  der  Wenden  mit  den  Sachsen  beweist,    dass    es    sich  um  einen 
länger  vorbereiteten  Schlag  handelte.    Man  vergleiche  über  das  Gesetz  das 
umsichtige  und  gerechte  Urteil  Mühlbachers,   DG.  S.  127  f. 


—     387     — 

Land  galt  als  christlich,  aber  es  war  es  nicht;  man  war  an  der 
Arbeit,  christliche  Kirchen  zu  bauen,  ^)  aber  das  Volk,  für  das  sie 
bestimmt  waren,  stand  dem  christlichen  Glauben  fremd,  zum  Teile 
feindselig  gegenüber:  man  hasste  die  Priester-)  und  setzte  etwas 
darein,  den  Frieden  der  Kirche  zu  brechen  ^)  und  gegen  kirchliche 
Sitten  zu  Verstössen;^)  heidnische  Opfer  wurden  insgeheim  noch 
dargebracht;'^)  heidnische  Sitten,  wie  das  Verbrennen  der  Toten, 
standen  noch  ungebrochen  in  Übung. '^) 

Dem  gegenüber  erliess  Karl  ein  absolutes  Verbot  des  Heiden- 
tums, heidnischer  Gebräuche  und  heidnischen  Aberglaubens.  Auf 
dem  allen  stand  die  Todesstrafe:  wer  sich  der  Taufe  entzog,  wer 
Opfer  darbrachte,  wer  die  Leichen  verbrannte,  statt  sie  zu  beerdigen, 
wer  eine  angebliche  Hexe  tötete,'')  der  sollte  sterben.  Es  war  ent- 
sprechend, dass  die  Beobachtung  der  rehgiösen  Forderungen  der 
christlichen  Kirche  erzwungen  werden  sollte:  alle  Kinder  sollten 
im  ersten  Lebensjahre  getauft  werden;**)  jedermann  sollte  au  Sonn- 
imd  Festtagen  die  Kirche  Ijesuchen;*')  die  Eide  sollten  in  den 
Kirchen  abgelegt, ^^)  die  Toten  auf  den  Kirchhöfen  bestattet  werden ;^^) 
selbst  die  Beobachtung  der  kirchUchen  Eheverbote  wurde  gefordert.^-) 

1)  C.  1  S.  68. 

2)  C.  5:  Si  quis  episcopum  aut  presbyterum  sive  diaconum  interficerit. 

3)  C.  3:  Si  quis  ecclesiam  per  violentiam  intraverit  et  in  ea  per  vim 
vel  furtu  aliquid  abstulerit,  vel  ipsam  ecclesiam  igne  cremaverit. 

4)  C.  4:  Si  quis  s.  quadragesimale  ieiunium  pro  despectu  christianitatis 
contempserit.  C.  8:  Si  quis  deinceps  in  genta  Saxonorum  inter  eos  latens 
non  baptizatus  se  abscondere  voluerit  et  ad  baptismum  venire  contempserit 
paganusque  permanere  voluerit. 

5)  C.  9:  Si  quis  hominem  diabulo  sacrificaverit  et  in  hostiam  more 
paganorum  daemonibus  obtulerit.  C.  21:  Si  quis  ad  fontes  aut  arbores  vel 
lucos  Votum  fecerit  aut  aliquit  more  gentilium  obtulerit  et  ad  honorem 
daemonum  comederet. 

6)  C.  7:  Si  quis  corpus  defuncti  hominis  secundum  ritum  paganorum 
flamma  consumi  fecerit  et  ossa  eius  ad  cinerem  redierit. 

7)  C.  6:  Si  quis  a  diabulo  deceptus  crediderit  secundum  morem  paga- 
noi-um  virum  aliquem  aut  feminam  strigam  esse  et  homines  comedere  et 
propter  hoc  ipsam  incenderit  vel  carnem  eius  ad  comedendum  dederit,  vel 
ipsam  comederit. 

8j  C.  19.  Unterlassung  der  Taufe  wurde  je  nach  dem  Stande  mit  120, 
60  und  80  Solidi  gebüsst. 

9)  C.  18.  Um  den  Gottesdienst  nicht  zu  stören,  wurden  Placita  an 
Sonn-  und  Festtagen  untersagt. 

10)  C.  32. 

11)  C.  22:  Ad  cimiteria  ecclesiae  et  non  ad  tumulus  paganorum. 

12)  C.  20:  Si  quis  prohibitum  vel  inlicitum  coniugium  sibi  sortitus  fuerit, 
si  nobilis  solidos  sexaginta,  si  ingenuus  triginta,  si  litus  quindecim. 

25* 


—     388     — 

Wer  eine  christliche  Einrichtung  verhcilinte,  eine  kirchhche  Pei-son 
oder  kirchhclies  Besitztum  verletzte,  wurde  mit  dem  Tode  bestraft.^) 

War  damit  die   christliche   Kirche  samt  allen   ihren  Einrich- 
tungen  uMil  Dienern   unter  den    mächtigen  Schutz  des  Königs  ge- 
stellt so  war  der  nächste  Gedanke,  die  einzelnen  kirchlichen  Insti- 
tute   sicher    zu    fundieren.     Die   Ausführung  war  schwierig.     Karl 
konnte   nicht   nach   dem  Vorbilde   Karlmanns   bei  der  Ausstattung 
des   Würzburger  Bistums  vorfahren.     In   Sachsen   fehlten   die  zahl- 
reichen und  grossen  Köuigshöfe  Ostfrankens,  auch  gab  es  hier  nicht 
wie  dort  Abgaben  an  den  König,   von   denen   ein  Teil  der  Kirche 
hätte   überlassen   werden   können.     Die    Banngelder  allein  standen 
zur  Verfügung.     Wurde    nun    auch    der  Zehnte    ihres  Ertrags    an 
die  Kirchen   gegeben,-)   so   genügte   das  doch  nicht  entfernt.    Karl 
war    genötigt,    von    den    Gemeindegenossen     die    Ausstattung    der 
Kirchen  zu  verlangen.     Er  bestimmte,  dass  jede  Kirche  einen  Hof 
und  an  Grundbesitz   so   viel   als  zwei  Bauerngüter  erhalten  müsse, 
dazu   auf  je   125  Seelen  einen  Knecht  und   eine  Magd.^)     Ausser- 
dem   wurde    die  Zehntptiicht    eingeführt;   jedermann,    Adehge    wie 
Freie  und  Liten,  sollte  vom  Ertrag  des  Giimdbesitzes  wie  von  allem 
Erwerb  den  Zehnten  an  die  Kirche  geben."*)    Es  leuchtet  ein,  wie 
bedenklich    diese  Bestimmungen    waren;    denn    es   lag  in  ihnen  ein 
tiefer  Eingriff  in   den  Privatbesitz;    ein  Teil    desselben  wurde  kon- 
fisziert zum  Besten  der  Kirche.    Aber  derartige  Anordnungen  Hessen 
sich  nicht  umgehen,  wenn  der  T'bertritt  der  Sachsen  zum  Christen- 
tum Thatsache  werden  sollte.     Als   man   mit  der  Aufrichtung   der 
kirchlichen    Organisation    begann,    rächte   sich  die  Unwahrheit,    die 
in   dem  Übertritt  lag.     Karl   musste   die   neuen    Christen  zwingen, 
für  Erhaltung  des  Kirchenwesens  zu  sorgen,  das  sie  angebhch  selbst 
begehrten,  in  Wnklichkeit  aber  verabscheuten.     Hier  lag,  wie  sich 
bald  erwies,  der  Ausgangs))nnkt  für  grosse  Schwierigkeiten. 

Noch  in  einer  zweiten   Bichtung  tiiat  Karl  in  dieser  Zeit  einen 
Schritt   vorwäi-ts:    am   13.  Juli   7s7    Hess    er    in    Worms  Willehad 


1)  Andere  Bestimmungen  dienten  zur  Empfehlung  der  christlichen  Ein- 
richtungen: Verleihung  des  Asylrechts  an  die  Kirchen;  der  in  die  Kirche 
CTeflohene  sollte  zur  Ehre  Gottes  und  der  Heiligen  und  aus  Verehrung  gegen 
die  Kirfhe  weder  getötet  noch  verstümmelt  werden  (c.  2).  Der  wegen 
ÜbertretuDg  der  Vorschriften  Karls  des  Todes  Schuldige  war  begnadigt, 
wenn  er  freiwillig  dem  Priester  beichtete  und  sich  der  Busse  unterzog  (c.  14). 

2)  G.  16:  Undecunque  census  aliquid  ad  fiscura  pervenerit,  sive  in 
frido  sive  in  qualecunque  banno  et  in  omni  redibutione  ad  regem  pertinente, 
decima  pars  ecclesiis  et  sacerdotibus  reddatur. 

3)  C.  15. 

4)  C.  17. 


—     389     — 

zum  ersten  sächsischen  Bischof  weihen.^)  Dieser  hatte  nach  seiner 
Fkicht  aus  Sachsen  Rom  aufgesucht  und  sich  von  da  nach  Echter- 
nach  begeben,  wo  sich  eine  Anzahl  der  aus  Sachsen  vertriebenen 
Priester  zusammenfand.  Der  Missionar  lebte  nun  wie  ein  Mönch: 
der  Mann  der  That  beschäftigte  sich  in  der  stillen  Schreibstube 
des  Klosters  mit  der  Anfertigung  von  Manuskri^iten ;  er  kopierte 
ausser  anderen  Schriften  die  paulinischen  Briefe.^)  Kaum  aber  war 
der  sächsische  Aufstand  gedämpft,  so  duldete  es  ihn  nicht  mehr 
bei  dieser  geschäftigen  Unthätigkeit.  Er  wartete  nicht,  bis  Karl 
ihn  berief,  sondern  er  eilte  nach  der  Eresburg,  um  dem  König  seine 
Dienste  anzubieten.^)  Mit  dessen  Zustimmung  kehrte  er  im  Jahre 
785  in  seinen  fi-üheren  Bezirk,  den  Gau  AVigmodia,  zurück.  Er 
begann  sofort  mit  der  Arbeit:  bald  erhoben  sich  die  zerstörten 
Kii'chen  wieder  aus  dem  Schutte.  Karl  erleichterte  es  Willehad, 
Priester  für  sie  zu  finden,  indem  er  ihm  die  fränkische  Zelle  Justiua 
übertrug.*)    Sie  sollte  ihm  dieselben  Dienste  leisten,  welche  Echter- 


1)  V.  Willeh.  8  S.  383.  Die  Korrektur  des  ehr.  Moiss.  in  id.  durch 
ni  id.  (Tangl,  Mitth.  des  Inst.  f.  Ost.  GF.  XVIII  S.  13)  ist  einleuchtend. 
Hüffer,  Korveier  Studien  S.  93  ff.  hat  die  Rettung  der  unechten  Stiftungs- 
urkunde des  Bistums  Bremen  von  788  (Adam  Gesta  I,  13  S.  10  flf.,  vgl.  über 
sie  Tangl ,  Mitth.  des  Inst.  XVIII  S.  53  S.)  unternommen.  Er  glaubt  zu 
helfen,  indem  er  die  Urkunde  bei  Adam  aus  3  echten  Stücken  zusammen- 
gesetzt sein  lässt:  1.  einem  Circumskriptionspräzept  Karls  von  803  (S.  94  ff.), 
2.  und  3.  dem  Stiftungsbrief  Karls  von  787,  der  wieder  eine  Urkunde  von 
780,  den  ersten  Gründungsakt  betreffend,  in  sich  aufgenommen  hat.  Da- 
durch werden  einige  Einwände  gegen  die  Urkunde  von  788  beseitigt,  alle 
keineswegs.  Um  nur  einen  hervorzuheben:  nach  dem  von  H.  rekonstru- 
ierten Diplom  von  803  sagt  Karl,  er  habe  Bremen  10  Gaue  unterworfen,  die 
er  nach  Abschaffung  ihrer  alten  Namen  zu  zwei  Provinzen  gestaltet  und  sie 
Wigmodia  und  Lorgon  genannt  habe.  Ich  sehe  davon  ab,  dass  das  hier 
geschilderte  Verfahren  Karls  mit  den  sächsischen  Gauen  ganz  beispiellos 
wäre,  und  erinnere  nui-,  dass,  wie  bekannt,  ein  Teil  der  Bremer  Diözese 
unter  Anskar  an  Verden  abgetreten  wurde  (v.  Ansk.  22  S.  48).  Da  später 
die  Diözesangrenze  und  die  Gaugrenzen  zusammenfielen,  so  muss  also  zu 
Bremen  vor  848  entweder  noch  ein  dritter  sächsischer  Gau  oder  ein  Teil 
eines  solchen  gehört  haben,  der  in  diesem  Jahr  an  Verden  kam.  So  oder 
so,  die  angebliche  Urkunde  von  803  erweist  sich  als  von  einem  Manne  ge- 
schaffen, der  die  seit  848  bestehenden  Verhältnisse  unbesehens  auf  Karls 
Zeit  übertrug.  Ich  glaube  demnach,  dass  die  Stücke,  in  die  Hüffer  die 
falsche  Urkunde  auflöst,  ebensowenig  als  echt  anerkannt  werden  können, 
als  ihre  Summa. 

2)  V.  Willeh.  7   S.  382. 

3)  L.  c.  8  S.  382. 

4)  Der  Ort  ist  nicht  sicher  zu  identifizieren.  Mühlbacher  (Reg.  Imp. 
2607)  und  Abel  (JB.  S.  498)  denken  nach  Spruner-Menke  (Hist.  Hand-Atlas 


—     390     — 

nacli  Willihnird  geleistet  hatte:  ihre  Miinche  waren  seine  (Tehilfen. 
So  enerfi^isch  war  er  an  dem  Werke,  dass  schon  nach  einem  .lalu-e 
die  kirchUchen  Verhältnisse  als  geordnet  betrachtet  werden  konnten. 

Nun  also  wurde  Willehad  Bischof.  Als  Sjirengel  wurden  ihm 
die  sächsischen  und  friesischen  Gaue  au  der  Wesermündung  zu- 
gewiesen.') Er  selbst  wählte  Bremen  als  seinen  Sitz.  Dort  baute 
er  eine  Kathedralkirche,  deren  Schönheit  Anskar  bewundernd  her- 
vorhel)t.  Sie  wurde  am  1.  November  789-')  eingeweiht.  Wenige 
Tage  darauf  erkrankte  Willehad  zu  Blexen  an  der  Weser;  dort 
ist  er  am  8.  November  kurz  nach  Sonnenaufgang  gestorben ;  *')  seinen 
Leichnam  brachte  man  nach  Bremen,  wo  er  im  Dome  l)eigesetzt 
wurde.  ^) 

In  derselben  Zeit  sind  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  die  be- 
nachbarten sächsischen  Bistümer  Verden  und  Minden  organisiert 
worden.  Bei  dem  ersteren  geschah  das  in  dei-  Weise,  dass  Abt 
Patto  von  Amorbach,  der  bisherige  Leiter  der  Mission,  die  bischöf- 
hche    Weihe    erhielt. ''"')       Dieser    Schritt    musste     sich    aus    ])rak- 


S.  16  Nr.  35)  an  Justine  im  Depart.  Ardenncs ,  wogef^en  Pertz  (Anm.  zu 
V.  Willeh.  8)  u.  a.  nach  Valesius  an  Mont-.Iutin  im  Depart.  Haute  Saöne 
denken.  Dass  dae  letztere  Kloster  in  Burgund  liegt,  während  die  Biographie 
von  einer  Zelle  in  Francien  redet,  spricht  gegen  die  Annahme,  ist  aber 
kein  durchschlagender  Grund. 

1)  V.  Willeh.  8  S.  383:  Wigmodia,  Laras,  Riustri,  Astergä,  Nordendi, 
Wanga.  Die  beiden  ersten  sind  sächsisch,  die  vier  anderen  friesisch.  Der 
friesische  Teil  der  Bremer  Diözese  hatte  nach  Schol.  3  zu  Adam,  Hamab. 
eccl.  hist.  1,  18  später  ungefähr  50  Kirchen.  Dehio's,  unter  dem  EinHuss 
Ebrardscher  Ansichten  geschriebenen,  Äusserungen  über  Willehads  Weihe 
(Gesch.  des  f>rzb.  Hamb.-Brem.  I  S.  19  f.j  unterschätzen,  wie  mich  dünkt, 
die  Bedeutung  des  Faktums.  Richtig  ist,  dass  an  eine  definitive  Konsti- 
tuierung einoa  Bisturas  Bremen  im  .Jahre  787  nicht  gedacht  werden  kann 
Karl  Hess  die  Dinge  sich  langsam  entwickein,  aber  nicht  weil  Willehad 
iroscbottiflche  Neigungen  hatte  und  deshalb  in  das  römische  Schema  nicht 
passte,  sondern  weil  die  Verhältnisse  schwierig  waren. 

2)  V.  Willeh.  9  S.  3H3:  Sonntag  den  1.  November.  Das  Jahr  ergiebt 
sich  aus  dem  Zusammentreffen  de»  Wochen-  und  MonatMags.  Die  Kirche 
war  dem  .Apostel  Petrus  geweiht.  Nach  Adam,  Gest.  Ha.m.  eccl.  pont.  I,  20 
S.  1*^  war  sie  eine  Holzkirche. 

3)  L.  c.   10  S.  3H4. 

4)  Bischof  Willerirh  übertrug  den  I^eichnam  aus  dem  Dom  in  die  von 
ihm   erbaute  Kirche. 

5)  Diese  Annahme  liegt  nahe,  da  Patto  als  Bischof  bezeichnet  wird.  Ist 
BIO  richtig,  dann  muss  seine  Weihe  in  die  Friednnseporbe  seit  785  fallen; 
denn  er  starb  boreits  7«8  fs.  o.  S.  378  Anm.  1).  Möglich  bleibt  freilich 
auch,  dass  Patto  Klosterbischof  war. 


—     391     — 

tischen  Gründen  empfehlen;  denn  nur  als  Bischof  war  Patto  ganz 
ungehindert  in  seiner  Thätigkeit.^)  Auch  in  Minden  trat,  wie  man 
vernniten  möchte,  der  hisherige  Leiter  der  Mission  als  Bischof  an 
die  Spitze.  Denn  auch  Bischof  Ercambert  scheint  aus  Ostfranken 
nach  Sachsen  gekommen  zu  sein:  er  besass  Güter  im  Gollachgau. -) 

Beinahe  ein  Jahrzehnt  ruhiger  Arbeit  war  der  christlichen 
Kirche  von  der  Taufe  Widukinds  an  vergönnt.  Wer  möchte  nicht 
wünschen,  dass  eine  anschauliche  Vorstellung  davon,  wie  diese  Ai'- 
beit  getrieben  wurde,  möglich  wäre.  Allein  hier  versagen  die 
Quellen.  Wenn  es  auch  sicher  ist,  dass  Dutzende  von  Kirchen  in 
dieser  Zeit  gebaut,  dass  eine  Menge  Pfarrbezirke  konstituiert 
wurden :  ^)  es  ist  kein  Name  überliefert.  Mögen  hunderte  von 
fränkischen  und  angelsächsischen  Priestern  im  Lande  thätig  ge- 
wesen sein:  sie  sind  vergessen;  allein  die  Frucht  ihrer  Arbeit  ist 
geblieben. 

Nur  einige  zufällig  erhaltene  Denkmäler  geben  dürftige  Kunde 
über  die  neben  den  mächtigen  Thaten  des  Königs  übersehene  Arbeit 


1)  Über  die  legendarischen  Nachrichten  über  die  Entstehung  des  Bis- 
tums Verden  s.  Rettberg,  KG.  D.'s  II  S.  4.56  ff.,  über  die  falsche  Crkunde 
Karls  Tangl,  Mitth.  des  Inst.  XVIII  S.  53  ff.  Hüffer  unternimmt  auch  hier 
die  Rettung  der  Fälschung  durch  Zerlegung  derselben  S.  154  ff.  Ist  dieser 
Weg  bei  der  Bremer  Urkunde  unzulässig  (s.  o.),  so  natürlich  auch  bei  der 
Verdener.  Da  dem  Bischof  Suidberct  gleichzeitige  Zeugnisse  völlig  fehlen, 
so  wird  man  darauf  verzichten  müssen,  in  ihm  eine  historische  Person  zu 
sehen. 

2)  Die  Kritik  der  jungen  sächsischen  Chroniken  über  die  Gründung 
Mindens  hat  Rettberg  erledigt  (a.  a.  0.  S.  446).  Was  die  Person  des  ersten 
Bischofs  anlangt,  so  nennen  ihn  die  Chroniken  und  der  Bischofskatalog 
(M.G.  Scr.  XIII  S.  289)  Hercumbert,  Ercambert.  Es  unterliegt  kaum  einem 
Zweifel,  dass  er  identisch  ist  mit  dem  Bischof  Erkambertus,  Erkanbertus, 
Erkenbertus  der  Fulder  Traditionen  (Dronke,  Trad.  Fuld.  4,  9  S.  16;  41,  31 
S.  97),  denn  dieser  wird  an  der  letzten  Stelle  als  episcopus  de  Saxonia  be- 
zeichnet. Seine  Zeit  lässt  sich  durch  eine  Fulder  Urkunde  feststellen.  Er 
unterschreibt  am  7.  Juni  796  als  Zeuge  eine  Schenkung  an  Fulda  (Dronke, 
Cod.  dipl.  132  S.  76).  Da  er  nach  Trad.  4,  9  S.  16  Eigentum  im  Gollach- 
gau in  der  Villa  Lara  am  Flüsschen  Steinach  (Lohrhof,  O.Amts  Mergent- 
heim) hatte,  so  darf  man  in  ihm  wohl  einen  Ostfranken  sehen.  Dass  er 
auch  aus  sächsischem  Besitz  grosse  Schenkungen  an  Fulda  machte,  weist 
darauf  hin,  dass  er  in  Beziehungen  zu  diesem  Kloster  stand.  Vielleicht  war 
er  einer  der  Leiter  der  fuldischen  Mission  in  Niedersachsen.  Trad.  4,  9 
wird  als  Schwester  Ercamberts  Burcsuint  genannt;  Trad.  41,  12  ist  neben 
ihm  Schenkerin  Lutburc  sanctimonialis  femina. 

3)  Der  Beweis  für  das  letztere  Hegt  in  der  üblen  Wirkung  der  Zehnten, 
da  dieselben  ja  stets  einer  bestimmten  Kirche  gehörten. 


—     392     — 

der  Priester  und  Mönche.  Sie  bringen  mehr  zum  Bewusstsein.  wie 
wenig  wir  wissen,  als  dass  sie  das  Dunkel  hchteten,  vor  dem  wir 
stehen. 

Vor  allem  sind  die  deutschen  TauftVagon  zu  erwähnen,  deren 
man  sich  in  Sachsen  bediente,  mit  den  Antworten,  welche  der 
Täufling  zu  geben  hatte :^)  Entsagst  du  dem  Teufel?  Ich  entsage 
dem  Teufel.  Und  allem  Teufelsdienste?  -)  Und  ich  entsage  allem 
Teufelsdienste.  Und  allen  Teufelswerken?  I^nd  ich  entsage  allen 
Teufelswerken  und  Worten.  Thunaer  und  Wodan  und  Saxnote  und 
allen  I'nholden,  die  ihre  Genossen  sind.  Glaubst  du  au  Gott,  den 
allmächtigen  Vater?  Ich  glaube  an  Gott,  den  allmächtigen  Vater. 
Glaubst  du  an  Christ,  Gottes  Sohn?  Ich  glaul)e  an  Christ,  Gottes 
Sohn.  Glaubst  du  an  den  Heiligen  Geist?  Ich  glaube  an  den 
Heiligen  Geist. 

Wie  fest  musste  die  Existenz  der  Volksgötter  in  der  all- 
gemeinen Überzeugung  stehen,  wenn  man  von  denen,  die  zur  Taufe 
kamen,  forderte,  dass  sie  sie  namentlich  verleugneten.  Es  ist,  als 
wollte  man  den  Ausweg  abschneiden,  dass  die  Verehrung  des 
Christen gottes  neben  deijenigen  der  Volksgötter  angenommen  würde. 
So  geben  diese  Fragen  einen  Eindruck  von  der  Macht  des  Widei'- 
stands,  den  die  Anhänglichkeit  an  die  väterlichen  Götter  der  An- 
nahme des  neuen  Glaubens  entgegensetzte.'^) 


1)  Vielfach  gedruckt,  z.  B.  Cap.  107  S.  222  und  Müllenhoff  und  Scherer, 
Denkmäler  I  S.  198.  Hefele  (CG.  III  S.  .504)  hält  dafür,  dass  diese  Fragen  durch 
sichtliche  Anklänge  an  das  Angelsächsische  Bonifatius  als  ihren  Verfasser 
verraten.  Der  Scbluss  ist  voreilig;  denn  die  sprachliche  Form  weist  auf 
einen  in  Niedersachsen  wirkenden  Engländer,  also  nicht  auf  Bonifatius. 
Eher  kimnto  man  an  Willehad  denken,  wenn  derartige  Vermutungen  nicht 
Bi.hleclitliin  wcrtlo.s  wären.  Übrigens  hat  Scherer  a.  a.  0.  496  gezeigt,  dass 
das  Taufgelöbnis  nach  765  fällt;  die  Handschrift,  welche  es  enthält,  lässt 
er  in  Fulda  vor  Erlass  der  Cap.  de  part.  Sax.  geschrieben  sein  mit  Kück- 
sicht  auf  die  Sachsenmission.  Das  ist  nicht  unwahrscheinlich.  Erklärt  er 
die  Stelle  in  der  8.  Frage:  and  uuordum  —  sint  für  eine  Intoriiolation,  so 
scheint  mir  die  Wahl  dieses  Ausdrucks  nicht  glücklich,  da  er  den  Schein 
erweckt,  als  sei  der  den  gewöhnlichen  Tauffragen  beigefügte  Zusatz  nur 
geschrieben,  nicht  gebraucht,  während  es  sich  offenbar  um  eine  aus  prak- 
tischen Erwägungen  hervorgegangene  Beifügiuig  handelt. 

2)  Diobolgeldae.  Hefele  fa.  a.  0.)  bleibt  bei  dem  Worte  und  über- 
setzt: Teufelsgilde.  Das  ist  jedoch  für  den  modernen  Sprachgebrauch  irre- 
führend. Gild  steht  nach  Grimm  (Deutsche  Mythologie  I  S.  34)  im  Sinne 
von  Kultus  und  Opfordienst. 

3)  Eine  Parallele  bilden  dif  Abronuntiation  und  die  Bekenntnisfragen  in 
dem  Brief  de.s  Pseudoamalar.  M.G.  E.p.  V  S.  274.  vgl.  oben  S.  \X\,  Anm.  6: 
Vi  renuntiot  maligno  Hj)iritui   ot   omnibus  damnosis  eius  et  pompis.     Pompas 


—     393     — 

Schwieriger  noch  war  der  Kampf  gegen  den  Aberglauben. 
Ists  Zufall,  dass  zwei  Dokumente,  welche  die  Grösse  dieses  Kampfes 
ahnen  lassen,  erhalten  sind,  oder  war  er  wirklich  die  Hauptaufgabe 
der  christhchen  Kirche  in  dieser  Zeit?  Jedenfalls  lehren  das  Ver- 
zeichnis der  superetitiösen  Handlungen^)  und  die  Predigt  gegen  die 
Sakrilegien,-)  in  wie  manchfacher  Weise  das  ganze  Leben  in  das 
Netz  des  Aberglaubens  verstrickt  war. 

Doch  es  war  mehr  als  Aberglaube.  Was  man  nach  den 
Tauffragen  vermuten  kann,  wird  hier  als  Thatsache  geschildert. 
Neben  der  christlichen  Religion  bestand  der  alte  Götterdienst  noch 
fort:  Wodan  und  Thonar  erhielten  wirkHch  noch  ihre  Opfer;  man 
kannte  die  Orte,  die  ihnen  geweiht  und  feierte  die  Tage,  die  ihnen 
heilig  waren. ^)     Karl  hatte  den  Bann  gebrochen,    der  die  heiligen 


autem  nos  dicimus  siniu  gelp  anda  sinen  -willon.  Die  Fragen  sind  ausführ- 
licher: Credis  in  Deum  patrem  omnipotentem,  creatorem  celi  et  terre?  Et 
in  Jesum  Christum  filium  eius  natum  et  passum?  Et  in  Spiritum  sanctum, 
sanctum  ecclesiam  catholicam,  sanctorum  communionem,  remissionem  pecca- 
torum,  carnis  resurrectionem  et  vitam  eternam? 

1)  Indiculus  superstitionum  et  paganiarum,  erhalten  in  derselben  Hand- 
schrift wie  die  Tauffragen,  gedruckt  Cap.  108  S.  222  und  anderwärts.  Hefele 
hält  (CG.  III  S.  513)  nach  Seiters  (Bonifac.  S.  379  f.)  daran  fest,  dass  der 
Indiculus  von  Bonifatius  und  der  Synode  von  Liftinä  aufgesetzt  sei,  um  die 
einzelnen  Fälle  der  im  4.  Cap.  der  Synode  im  allgemeinen  verbotenen  heid- 
nischen CTebräuche  anzugeben.  Allein  für  die  Verbindung  des  Indiculus 
mit  der  Synode  von  Lestinnes  fehlt  jede  Spur  von  Beweis.  Ist  Scherers 
Ansicht  über  die  palatinische  Handschrift,  welche  den  Indiculus  und  die 
Tauffragen,  sowie  die  unten  zu  erwähnenden  beiden  Anreden  enthält,  richtig, 
so  gehören  die  sämtlichen  Stücke  in  die  Zeit  Karls:  sie  dienten  der  Sachsen- 
mission. Boretius  bemerkt  zum  Indiculus:  Ab  homine  privato  in  Saxonia 
saeculo  octavo  conceptus  esse  videtur.  Zur  Erklärung  vgl.  Saupe  im  Programm 
des  Realgymnasiums  zu  Leipzig  1891. 

2)  Caspari,  Eine  Augustin  fälschlich  beigelegte  Homilia  de  sacrilegiis, 
Christiania  1886.  Caspari  kommt  S.  69  f.  in  Bezug  auf  Zeit  und  Ort  der 
Abfassung  der  von  ihm  eingehend  untersuchten  Homilie  zu  dem  Resultat, 
dass  ihre  Abfassung  eher  in  das  8.  als  in  das  7.  Jahrhundert  fällt,  dass 
sie  in  den  nördlichen  Gegenden  des  fränkischen  Reichs  entstanden  ist 
und  irgend  einen  fränkischen  Kleriker  zum  Verfasser  hat.  Dies  Ergebnis 
ist  so  wohl  begründet,  dass  die  Verwertung  der  Homilie  an  diesem 
Orte  keinem  Bedenken  unterliegt.  Die  Homilie  erscheint  wie  eine  Parallele 
zu  dem  verlorenen  Schriftstück,  dessen  Überschriften  im  Indiculus  er- 
halten sind. 

3)  Indic.  8:  De  sacris  Mercurii  vel  lovis.  20:  De  feriis,  quae  faciunt 
lovi  vel  Mercurio.  Ein  der  Frigga  geweihtes  Fest  ist  c.  24  erwähnt,  wenn 
Massmann's  Emendation  richtig  ist:  De  pagano  cursu  quem  yrias  (Massui. 
Frias)    nominant    scissis    pannis   vel   calciamentis.     Aber  vgl.  Saupe  S.  28  f. 


—     394     — 

Haine  einscliloss:  aber  er  konnte  ihnen  ihre  Heiligkeit  nicht 
rauben;  auch  Quell  und  Fels,  wo  früher  das  Volk  sich  zum  Opfer 
gesjinunelt  hatte,  waren  unvergessen.^)  Insgeheim  schlich  noch 
mancher  INIann  mit  seinen  Opfergaben  dahin.  AV^ie  entsetzt  mft 
jener  Prediger  aus:  Wer  immer,  ihr  Brüder,  den  Xamen  Christi 
bekennt  und  den  katholischen  Glauben  angenommen  hat  und  doch 
die  alten  Altih-e  und  Haine,  Bäume  und  Felsen  oder  andere  Orte 
aufsucht,  um  dort  ein  Tier  oder  sonst  etwas  zu  opfern  oder  Mahl- 
zeit zu  halten,  der  wisse,  dass  er  Glaube  und  Taufe  verloren  hat. 
AV^er  an  einem  Quell  oder  da,  wo  der  Bach  hervorsprudelt,  sein 
Gebet  verrichtet,  der  wisse,  dass  er  Glaube  und  Taufe  verloren 
hat'-)  Die  Flur  schien  nicht  vor  dem  jähen  Schaden  duich  das 
l'ngewitter  gewahrt,  der  Segen  der  Arbeit  schien  nicht  gesichert, 
wenn  au  den  gewohnten  Stätten  die  Heiligtümer  der  Götter  fehlten,"') 
wenn  an  den  hergebrachten  Tagen  die  alten  Un)giinge  mit  den 
heiligen  Bildern  unterblieben.'*)  Die  Tempel  waren  zerstört;  aber 
wie  leicht  war  ein  Heiligtum  bereitet:  eine  Hütte  aus  Zweiggetlecht 
war  so  viel  wert  wie  eine  christliche  Kirche.  Die  Götterbilder 
waren  vernichtet;  aber  wie  leicht  waren  sie  ersetzt:  eine  Puppe  aus 
Leinwandstücken  genügte.'') 

Dergleichen  war  Götzendienst;  anderes  war  Aberglaube.  Wer 
aber  vermöchte  die  Gi'enzUnie  zu  ziehen,  wo  der  eine  aufhörte  und 
der  andere  begann  ?  Wenn  man  im  Februar  in  der  Freude  über 
die  höhersteigende  Sonne  ein  ausgelassenes  Fest  feierte,  oder  im 
gleichen  ^fnnnt   den   Winter  zum  Thore   hinaustrieb,")    wenn    man 


HoiD.  tj.  3:  Si  quis  neptunalia  in  mare  obseruat.    Caspari  erinnert  bez.  der 

Neptiinalia  an  KrnQold.  Nigell.,  In  hon.  Hlud.  IV  v.  9  f.,  wo  von  den  Dänen 

gesagt  ist: 

Proque  deo  Neptunus  erat,  Christi  retinebat 
luppiter  orsa  locum  cui  sacra  cuncta  dabant. 

Hier  ist  Neptun  -^  Wodan,  Jupiter  --=  Thonar. 

1)  Indic.  6:  De  Kacris  silvarum  quae  nimidas  (Waldheiligtümor)  vocant 
7:  De  hiis  quae  faciunt  super  petras.     11 :  De  fontibus  sacriticiorum. 

2)  Hom.  §.  2  f. 

3)  Indic.  4:  De  casulis  i.  e.  fanis.  An  diesen  Feldkapellon  bat  man 
wohl  die  Weihgeschenke  aufgehängt  zu  denken,  von  denen  c.  29  spricht: 
Dp  ligneia  pedibus  vfl   manibuH  pagano  ritii. 

4)  L.  c.  28:  De  .simulacro  quod  per  caiupos  pr»rtant. 

5)  L.  c.  27:  De  simuhicris  de  pannis  facti». 

6)  L.  c.  .3:  De  spurcalibus  in  Februario.  Hom.  S-  1':  *^ui  in  mense 
Februario  hibernuni  crodit  expellere  uel  qui  in  ipso  uien.se  dies  spurcos 
OBt^mlit  .  .  gentilis  est.  Über  die  Hj>urf-a]ia,  Wort  und  Sache,  s.  Caspari 
S.  .36  f.  Da.s  Auritreiben  des  Winters  im  Februar  macht  ihm  unnötige  Be- 
denken; im  Fränkischen  wurde,  und  wird  vielleicht  da  und  dort  noch  jetzt 


—     395     — 

den  Toten  zu  Ehren  Schmäusse  veranstaltete.^)  oder  bei  Monds- 
finsternissen das  Schwinden  des  Schattens  mit  dem  hergebrachten 
Lännen  begrüsste.')  so  konnten  solche  Sitten^)  sich  auch  da  halten, 
wo  man  dem  offenen  Heidentum  entsagt  hatte.  In  anderer  Hin- 
sicht war  die  Versuchung  gi-össer,  das  Heidnische  als  solches  neben 
dem  Christentum  zu  pflegen.  Wir  haben  bemerkt,  dass  die  heid- 
nische Frömmigkeit  sich  darin  bewies,  dass  man  sich  in  jedem  Falle 
dem  Willen  der  Götter  fügte;  that  man  nichts  ohne  auf  ihren 
Wink  zu  achten,  so  war  man  sicher,  sie  nicht  als  Feinde  zu 
treffen.  Hier  hess  der  neue  Glaube  seine  Bekenner  im  Stich:  er 
verhiess  keinen  Schutz  vor  einem  unglücklichen  Gang  und  ge- 
wähi-te  kein  IVIittel,  den  Erfolg  zu  erzwingen.  Hier  ist  deshalb  der 
Punkt,  an  dem  der  vielgestaltigste  Aberglaube  sich  ansetzte:  man 
hütete  sich  wie  vordem,  irgend  etwas  an  einem  Unglückstage  zu 
beginnen*)   und   achtete  in   alter  Weise  auf  die  Zeichen,    die   das 


der  Winter  zu  Mittfasten  ausgetrieben.  Die  Homilie  spricht  auch  von  aber- 
gläubischen Gebräuchen  am  1.  Januar;  da  der  Indiculus  sie  nicht  erwähnt, 
so  liegt  die  Annahme  nahe,  dass  sie  in  Sachsen  fremd  waren:  jener  Pre- 
diger spricht  von  allem  Aberglauben ,   von  dem  er  gehört  und  gelesen  hat. 

1)  Indic.  1  f . :  De  sacrilegio  ad  sepulchro  mortuorum.  De  sacrilegio 
super  defunctos  id  est  dadsisas.  Saupe  leitet  dadsisas  ab  von  dad  Tod  und 
sisu,  das  er  im  Sinne  von  carmen  magicum  fasst,  also  auf  die  Toten  bezüg- 
liche Zauberlieder  (S.  7). 

2)  L.  c.  21 :  De  lunae  defectione,  quod  dicunt  ,Vince  luna".  Analog 
bei  Gewittern:  e.  22:  De  tempestatibus  et  cornibus  et  cocleis.  Eine  an- 
schauliche Erläuterung  giebt  hom.  §.  16:  Quicumque  in  defeccionem  lunae, 
quando  scuriscere  solet,  per  clamorem  populi  uasa  lignea  et  erea  amentea 
battent,  abb  strias  depositam  ipsa  luna  reuocare  in  caelum  eredentes,  uel 
qui  grandinem  per  laminas  plumbeas  scriptas  et  per  cornus  incantatos 
auertere  potant,  isti  non  cbristiani  etc. 

3)  Verwandt  ist  die  Sitte,  welche  Indic.  26  genannt  ist:  De  simulacro 
de  consparsa  farina.  Man  gab  zu  Ehren  der  Götter  an  gewissen  Tagen 
dem  Backwerk  besondere  Formen. 

4)  Indic.  17:  De  observatione  paganorum  in  foco  vel  in  incoatione  rei 
alicuius.  Auch  hier  erläutert  die  Homilie,  §.  10:  Qui  signa  caeli  et  Stellas 
ad  auratum  inspieet  et  qui  boues,  quando  primum  arare  incipit  et  cum 
arietes  et  hircos  in  grege  dimittit,  qui  ista  omnia  obseruare  se  dicit,  sciat 
etc.  §.  12:  Qui  dies  aspicet,  quos  pagani  errantes  soles,  lunes,  martes, 
mercures,  ioues,  ueneres,  saturni  nominauerunt,  et  credet  sibi  per  hos  dies 
uiam  agendam  uel  negotium  faciendum  uel  in  quacumque  utelitate  alia 
per  ipsos  aut  iouamen  aut  grauamen  fieri  posse,  uel  ipsum  diem,  quem 
ioues  dicunt,  propter  iouem  colet  et  opera  in  eo  non  facit,  iste  non  christia- 
nus  etc.  §.  13:  Quicumque  signaculum  crucis  oblitus  fuerit,  uana  adtentit 
et  nouam  lunam  contralunium  uocat  et  in  aliqua  utilitate  operis  sui,  siue 
ad    agendam    viam,    siue    ad   agrum   arandum  uel   letamen   uehendum  aut 


—     396     — 

Verhoriieiic  voraus  aiidciitcn  sollten;  ')  die  Abneiguiifr  gegen  die 
aut'uezwuntiene  Kelitfion  vennehrte  sie  noch:  einem  Priester  oder 
Möncli  zu  begegnen  galt  als  unheilverkündend.-)  Wer  die  Zeichen 
nicht  zu  deuten  vermochte,  fand  leicht  einen  weisen  Mann,  der  ihm 
kund   that.   was  die   Zukunft  füi"  ihn   im   Schosse  barg/') 

Wieder  in  anderer  Hinsicht  musste  die  christliche  Predigt  den 
Glauben  des  Volkes  zu  bestätigen  scheinen.  Man  fürchtete  die 
unholden  Mächte,  die  unversehens  ihre  Boslieit  an  dorn  Menschen 
üben,  und  die  der  Mensch  doch  durch  kräftige  Sprüche  liezwingen 
kann.'*)  Und  die  neuen  Prediger  sprachen  ja  von  dem  Feinde 
Gottes,  dem  Teufel,  und  der  Schar  der  Dämonen,  welche  die 
Kirche  durch  ihre  Exorzismen  I)ann('.  von  der  geheimnisvollen  Kraft 
des  Segens  und  des  Fluches.  Da  war  es  nui-  natürhch.  dass  die 
alten  Zaubersprüche  und  Zaubei-mittel  fortgebraucht  wurden,'^)  dass 
man  sich  selbst  und  Haus  und  Hof  auf  die  alte  Weise  schützte.") 
AVenn  man  manche  Stätte,  man  wusste  nicht  warum,  mied,  so  wars 
eine  Unstätte:')  es  lastete  ein  Fhich  auf  ilir.  und  wenn  man  zahl- 
lose t'bel  durch  Besprechung  heilte,'')  so  war  das  nur  dasselbe, 
was  die  Kiiche  in  ihren  J]xorzismen  versuchte. 

uineam  potandani  adque  colendaiu  aut  in  silua  ligna  incidenda  aut  domum 
continandam  aut  quocumque  aliud  agendum  et  per  lunam  sibi  fieri  impe- 
dimentum  credit,  iste  etc. 

1)  Indic.  18:  Do  auguriis  vel  avium  vel  e([uorum  vel  bovuiu  storcora 
vel  sternutationos:  c.  IG:  Do  cerebro  animaliuui.  Hom.  §.  6tf.;  vgl.  oben 
S.  362  Anm.  2. 

2)  Hom.  $.11:  '^li  clericum  uel  monachum  de  mane  aut  quacumque 
hora  uidens  aut  ouians,  abominosum  sibi  esse  credit,  iste  non  .soluiii  paga- 
nus  Bed  domoniacu.s  est,  qui  christi  militem  abominatur. 

'4)  Indic.  14:  De  divinis  vel  sortilegis.  Hom.  $.  5:  Q»"  diuinos  uel 
diuinas  i.  e.  pitonissas,  per  quos  demones  responsa  dant,  consulit.  i|ni  ad 
609  ad  interroganduni  uadet  et  eis,  que  dixorint,  credet,  uel  ad  scultandum 
uadet,  ut  ali<juit  de  demoneis  audeat,  non  christianum  etc. 

4)  Vgl.  auch  Indic.  80:  Do  oo  quod  credunt,  <[uia  femiuo  lunam  come- 
dent,  quod  possint  corda  hominum  tollere  iuxta  paganos. 

•5)  Indic.  12:  De  incantationibus;  c.  10:  De  filacteriis  et  ligaturis. 
Hom.  14  f.;  18—22. 

6)  Indic.  28:  D«  sulds  circa  villas.  Im  den  Hof  gezogene  Furchen 
sollten  die  Hexen  abhalten.     Hom.  $.   H>  Amulette. 

7)  Indic.  18:  De  incertis  loris  que  colunt  pro  aanctis.  Kbenso  in  Be- 
zug auf  Menschen  hom.  §.  4:  <2iii  fiitiim  maluin  aut  bimum  in  hominibus 
esse  credunt,  transgressores  et  pagani  sunt.  .Saupe  erklärt  Indic.  18  von 
Orten,  deren  Heiligkeit  unsicher,  weil  der  kirchlichen  Sanktion  ent- 
behrend, »ei. 

8j  Hora.  §.  1.'):    Carmina  uel  incantationes,   quas  diximus,  haec  sunt: 


—     397     — 

Nicht  aller  Aberglaube  war  kirchenfeindlich;  im  Gegenteil, 
das  Volk  bemächtigte  sich  sofort  der  neuen  Heiligtümer  und  zog 
sie  in  den  Dienst  der  alten  Überzeugungen.  Auch  die  Kirchen 
waren  geweihte  Gebäude,  mussten  Zauberhandlungen  in  ihnen  voll- 
bracht nicht  besondere  Kraft  halben?  ^)  Wenn  man  die  Laien  zwang, 
Symbol  und  Vaterunser  in  der  fi-emden  Sprache  zu  lernen,  so 
wäre  es  zu  verwundern,  wenn  sie  diese  Formeln  nicht  für  Zauber- 
sprüche gehalten  hätten.  Man  gebrauchte  sie  in  der  That  in 
diesem  Sinne.-)  Wie  viel  wurde  von  der  Macht  Marias  und  der 
Heiligen  geredet:  es  war  eine  naive  Folgerung  aus  dem  kirch- 
lichen Heiligendienst,  wenn  man  wähnte,  der  Schutz  der  Heihgen 
sei  durch  Opfer  zu  erkaufen."^)  Und  was  waren  die  Heiligen 
anders  als  tote  Menschen?  Es  war  wieder  nur  eine  naive  Folge- 
rung aus  der  kirchlichen  Übung,  w-enn  man  die  Ahnen  der  eigenen 
Familie  in  den  Kreis  der  himmlischen  Schutzmächte  versetzte.*) 

Auf  diese  Weise  bildete  sich  der  Volksaberglaube,  gleichsam 
eine  mittlere  Schicht  zwischen  dem  Heidentum  und  der  christlichen 
Rehgion.  Wenn  die  Kirche,  ohne  es  zu  wissen  und  zu  wollen, 
durch  dies  und  jenes  seine  Entstehung  förderte,  so  konnte  sie  ihn 


ad  fascinum  (gegen  Behexung),  ad  spalmum  (Krampf),  furunculum,  ad  dra- 
cunculum  (Krebs),  ad  aluus  (Diarrhoe),  ad  apium  (Bienenstich),  ad  uermes, 
i.  e.  lumbricos,  que  in  intrania  hominis  fiunt,  ad  febres,  ad  friguras  (kaltes 
Fieber),  ad  capitis  dolorem,  ad  oculum  puUinum,  ad  inpediginem  (?),  ad 
ignem  sacrum  (Rose),  ad  morsimi  scorpionis,  ad  puUicinos  (?).  Ad  restrin- 
gendas  nares,  qui  sanguine  fluunt,  de  ipso  sanguine  in  fronte  ponunt.  Die 
Erklärungen  nach  Caspari. 

1)  Indic.  5:  De  sacrilegiis  per  aecclesias.  Hom.  §.  20:  Quicumque 
propter  fugitiuos  petatia  aliqua  scribit,  uel  per  molina  uel  per  basilicas  ipsa 
petatia  ponere  presumit,  non  christianus  etc. 

2)  Hom.  §.  14:  Quicumque  super  sanctum  simbulum  et  orationem  do- 
minicam  carmina  aut  incantationes  paganorum  dicit,  etc. 

3)  Indic.  19:  De  petendo  quod  boni  vocant  sanctae  Mariae.  Der  Satz 
ist  nicht  mehr  zu  verstehen,  da  in  petendo  vermutlich  ein  Schreibfehler 
steckt.  Dass  er  von  einem  Aberglauben  handelte,  der  sich  an  Maria 
knüpfte,  ist  klar.  Die  Erklärung  der  Älteren,  s.  Hefele,  CG.  III  S.  509 
scheint  mir  ebenso  gewagt,  wie  die  neueren  von  Falk,  Mitth.  d.  Inst.  f.  öst. 
G.  X  S.  135  und  von  Saupe  S.  25.  c.  9:  De  sacrificio  quod  fit  alicui  sanc- 
torum.  Saupe  erinnert  an  die  Erzählung  Transl.  Chrjs.  et  Dar.  28  M.G. 
Scr.  XV  S.  376,  wonach  die  Bauern  von  Vettweis  bei  Zülpich  dem  h.  Chry- 
santus  ein  Fass  Bier  darbringen.  Ein  eigentliche.»  Opfer  vermag  ich  je- 
doch hier  nicht  zu  sehen.  Parallelen  aus  der  Homilie  sind  §.  7f. ,  die  be- 
kannten sortes  sanctorum;  §.  15:  Qui  angelorum  uel  salamonis  aut  carac- 
teres  suspendit. 

4)  Indic.  25:  De  eo  quod  sibi  sanctos  fingunt  quoslibet  mortuos. 


—     398     — 

doch  niiiimcniu'lir  billiiieii.  \'i)n  di'V  Art  und  Weise,  wie  sie  ihn 
hckämpfte,  giebt  die  Predigt  über  die  Sakrilegien  eine  Vorstellung. 
Aber  man  hat  nicht  den  Eindruck,  dass  diese  Art,  gegen  den  Aber- 
glauben /.u  jiredigen,  sehr  wirkungsvoll  gewesen  sein  kann.  Der 
Vei-fiisser  häufte  alles  ZAisammen,  was  ihm  von  abergläubischen 
Handlungen  bekannt  war.  mochte  es  sich  unter  seinen  Zuhörern 
finden  oder  nicht;  aber  im  übrigen  hatte  er  nur  zwei  Gedanken: 
er  wiederholte  unermüdlich  die  Eiklärung.  dass  die  solches  thun, 
Heiden  und  Frevler  am  Heiligen  seien,  dass  sie  Glaube  und  Taute 
verloren  haben,  und  er  schloss  seine  Rede  mit  der  Mahnung:  Be- 
zeichnet euch  mit  dem  Kreuze  im  Xamen  des  Vaters,  des  Sohnes 
und  des  Heiligen  Geistes;  lernet  das  Syml)ol  und  das  Gebet  des 
Herrn;  daim  geht  ihr  sicher  (hiliin,  indem  euch  der  hilft,  der  lebt 
und  herrscht  in  Ewigkeit.') 

Wenn  man  solche  Worte  liest,  so  ist  man  vei-sucht  zu  ur- 
teilen, dass  hier  eine  W^eise  des  Aberglaul)ens  durch  eine  andere 
ei-setzt  wird.  Das  wäre  doch  ungerecht.  Denn  auch  diese  Predigt 
ist  sicher  nicht  so  gehalten  worden,  wie  wir  sie  lesen.  Und  gerade 
die  i)raktischeu  Gedanken,  welche  in  den  Schlussworten  augedeutet 
sind,  werden  in  der  Kede  des  weiteren  ausgeführt  worden  sein. 
Aber  so  viel  ist  doch  unleugbar,  dass  das  Christentum,  nach  diesem 
Vorbild  verkündigt,  dem  Hörer  nur  als  Forderung  gegenübertrat: 
dass  der  christliche  Glaube  giebt,  tröstet,  beseligt,  das  konnte  kein 
Hörer  aus  solchen  Predigten  entnehmen. 

Nicht  alle  Priester,  die  in  Sachsen  wirkten,  werden  so  un- 
geschickt geredet  haben.  Wir  ix-sitzen  eine  Anrede  an  das  Volk, 
die  bestimmt  war,  in  der  Messe  vor  der  Abendmahlsfeier  gehaltA'U 
zu  werden.-)    Sie  handelt  von  den  kirchlich  verbotenen  Ehen,  also 

1)  Ifom.  §.  27. 

2)  Die  beidon  im  folprendon  charakterisierten  Ansprachen  sind  in  der 
S.  392  Anm.  1  erwähnten  Handschrift  enthalten  und  bei  Maus.  XII  S.  376  tt". 
unter  den  Anhiinf,'on  zum  Konzile  von  Lestinnos  <,'edruckt.  Das  war  für  ihre 
Beurteilung  verhängnisvoll;  denn  nun  konnte  man  sich  von  dem  Vorurteile, 
dass  man  bischöfliche  Allokutionen  vor  sich  habe,  nicht  loamachon.  Diese 
Anschauung  vertritt  noch  Hefele  (GG.  II  l  S.  512).  Untersucht  man  die 
beiden  Ansprachen,  so  ist  zunächst  klar,  dass  sie  einen  und  denselben  Ver- 
fasser haben;  da^  beweist  die  Uleichheit  der  Sprache  und  des  rednerischen 
Tones.  Zweitens  ist  einleuchtend,  dass  diese  Reden  nicht  an  Franken  gerichtet 
sein  können.  Der  Vorwurf,  de  nostra  negligentia,  quare  tardim  salutis 
vestrne  remedia  praedicamus,  von  einem  Franken  gegen  fränkische  Priester 
gnäus.^ert,  wäre  sinnlos  Daraus  ergiebt  sich  3.  dass  diese  Heden  mit  der 
Synode  von  I^estinncH  nichts  zu  thun  haben.  Sie  sind  an  Hörer  gerichtet, 
welche    die    Sakramente    empfangen    haben    S.    378 E,    unter    denen    nicht 


—     399     — 

einem  Thema,  das  weit  schwieriger  zu  erörtern  war  als  der  Aber- 
glaube. Aber  der  Redner  löste  seine  Aufgabe  viel  geschickter:  es 
hat  etwas  äusserst  Eindrucksvolles,  wenn  er  mit  der  Anführung 
von  Ezech.  3.  V.  17 — 21  beginnend,  hervorhebt,  dass  er  verpflichtet 
sei  zu  reden:  Ihr  sehet,  geliebte  Kinder,  welche  Gefahr  uns  droht, 
wenn  wir  nicht  reden.  Ferne,  ferne  sei  es,  dass  unser  Schweigen 
euer  Verderben  werde.  Wenn  wir  euch  lieben,  so  müssen  wir  euch 
kund  thun,  was  euch  schadet,  damit  das  nicht  kommt,  was  euch 
tötet.  Auch  im  weiteren  weiss  er  die  rehgiösen  Motive  für  die 
Beobachtung  der  kirchlichen  Forderungen  geschickt  zu  verwerten: 
Sehet,  ihr  Gehebten,  was  flu-  eine  Botschaft  wir  euch  bringen,  Sie 
kommt  nicht  von  einem  Manne,  der  durch  Gaben  gewonnen  werden 
kann,  sondern  von  demjenigen,  dem  ihr  verhaftet  seid,  da  er  sein 
Blut  für  euch  vergossen  hat.  Niemand,  der  durch  unerlaubte  Ver- 
l)indungen  befleckt  ist,  trete  heran  zu  dem  Leibe  eines  solchen 
Herrn;  er  wiü-de  nicht  geheilt,  sondern  verwundet,  Ihr  Teuren, 
wir  sind  Menschen  voll  Schmutz  und  doch  wollen  wh-  nicht,  dass 
ein  Unreiner  uns  berühre.  Können  wii*  glauben,  dass  der  ein- 
geborene Sohn  Gottes  seinen  Leib  durch  unsere  Sünden  beflecken 
lässt?  Brüder,  unser  König,  der  uns  dieses  Amtes  würdig  geachtet 
hat,  folgt  uns  nach:  bereiten  wir  ihm  ein  reines  Haus,  wenn  wir 
Avünschen,  dass  er  in  unseren  Leibern  wohne. 

Noch  eine  zweite  Rede  desselben  Verfassers  ist  erhalten.  Sie 
warnt  davor,  den  Sabbat  in  jüdischer  Weise  zu  feiern:^)  die  rechte 
Sabbatsfeier  sei,  sich  enthalten  von  allem  Unrecht.  Auch  sie  zeigt 
den  warmen,  herzlichen  Ton,  der  die  erste  auszeichnet.  Interessant 
ist  diese  Ansprache  besonders  deshalb,  weil  sie  einen  BUck  in  die 


wenige  widerwillig  gegen  das  Christentum  sind  S.  377 CD,  an  welche  die 
Predigt  verhältnismässig  spät  gekommen  ist  S.  377  D.  Das  alles  passt  nicht 
auf  die  Franken,  sondern  nur  auf  die  Sachsen.  Nimmt  man  die  wahr- 
scheinliche Bestimmung  der  Handschrift,  in  welcher  die  Reden  überliefert 
sind,  hinzu,  so  wird  man  4.  mit  einer  an  Clewissheit  streifenden  Wahr- 
scheinlichkeit behaupten  dürfen,  dass  diese  Reden  an  sächsische  Hörer  ge- 
richtet sind.  Sie  sind  endlich  5.  keine  bischöfliche  AUokutionen ,  sondern 
Predigten.  Das  ergiebt  sich  aus  S.  387  B:  Fratres,  ecce  rex  noster,  qui  nos 
dignos  hac  legatione  credidit,  post  nos  continuo  sequitur,  paremus  ei  mun- 
das  domus  nostras,  si  eum  in  ipsis  corporibus  nostris  volumus  habitare. 
Denn  damit  leitet  der  Redner  von  der  Predigt  zur  Abendmahlshandlung 
über.  Auch  S.  375  D  beweist  der  Übergang  aus  dem  rhetorischen  Plural 
in  den  Singular,  dass  nicht  ein  Konzil,  sondern  dass  irgend  ein  Pfarrer 
spricht. 

1)  Dass  in  der  Zeit  Karls  der  Samstag  da   und    dort    gefeiert    wurde, 
sieht  man  aus  der  Synode  von  Friaul  791,  can.  13  (Mansi  XlII,  852A). 


—     400     — 

KeHexionen  tluin  lässt.  wok-lie  dureli  das  Zusanimenstossen  der 
zwei  Religionen  hervorgerufen  wurden.  Wenn,  so  hielt  man  den 
Priestern  entgegen,  das  Christentum  zum  Heile  notwendig  ist, 
warum  habt  ihr  es  uns  so  spät  verkündigt?  Man  spitzte  den  Ge- 
danken zu,  indem  man  ihn  allgemein  tasste:  AVarum  ist  Christus 
so  spät  gekommen?  Avarum  hat  er  zugelassen,  dass  so  viele  Tausende 
von  Menschen  vor  seiner  Fleischwerdung  verloren  gingen? 

Diese  Sätze  sind  ein  vereiniielter  Lichtstrahl,  der  uns  ahnen 
lässt,  was  in  den  Tiefen  des  Volksgemütes  vorging,  indem  man 
unter  der  Wirkung  blutigen  Zwanges  auf  eine  Predigt  achtete,  die 
von  Heil  und  Gnade  redete.  Sie  zeigen,  dass  religiöser  Sinn  mit 
den  Problemen  des  Glaubens  rang,  und  sie  nuichen  es  verständ- 
lich, dass  aus  dem  Ankämpfen  gegen  das  Christentum  schliesslich 
die  freudige  Hingabe  an  den  Erlöser  erwuchs,  die  wir  aus  dem 
Heliand  kennen. 

Noch  aber  Avar  es  nicht  so  weit,  lu  der  L'mgebung  Karls 
verfolgte  man  die  Fortschritte  des  Christentums  mit  gespannter 
Aufmerksamkeit.^)  Alkuin  war  voll  Freude  darüber,  dass  die  Kirche 
Friede  habe,  gedeihe  und  wachse,  da  die  Sachsen  und  Friesen  den 
Glauben  Christi  angenonmien  hätten.-)  Seine  Gedanken  richteten 
sich  schon  weiter:  er  träumte  von  der  Bekehrung  der  Dänen, 
Wilzeii   und   Wenden.'') 

Aber  diese  Hofl'nungen  wurden  durch  die  Erh(>l)ung  der 
Sachsen  im  Jahre  792  jidi  vernichtet.^)  Der  sächsische  Adel, 
der  in  den  früheren  Eiu])örungen  an  der  Spitze  gestaiulen,  hielt 
sich  diesn)al  zurück,  Widukind  brach  die  Treue  nicht,  die  er  ge- 
lobt hatte. •'^)  Auch  ergritV  der  Autstand  nicht  das  ganze  Land:  er 
beschränkte  sich  auf  den  Norden.    Aber  hier  erhob  sich  di(>  breite 


1)  Ale.  ep.  6  S.  31  an  einen  nicht  genannten  Abt,  der  in  der  Um- 
gebung Willebads  wirkte  aus  dem  Jabre  789:  Mandate  mihi  per  litteras, 
quomodo  habeatis  vel  quid  faciatie,  et  quomodo  consentiant  vobis  Saxones 
in  praedicatione. 

2    ¥.]>.  7  S.  32  au8  dem  .labre  790. 

3)  Ep.  6  S.  31. 

4)  Für  den  äusseren  Verlauf  verweise  ich  auf  Simson,  JB.  S.  .Sßff. ; 
Mühlbacber,    DM.  S.  137  ff.;    Witzschol,  Der    Ausgang    der   Sachsenkriego. 

Halle  1891. 

5)  Sichere  Nachrichten  über  den  Ausgang  Widukinds  fehlen.  V. 
Mathild.  2  (M.G.  Scr.  IV  S.  285)  spricht  von  Kirchenbauten,  die  er  unter- 
nommen u.  dgl.  Aber  dabei  wirkt  schon  die  Sage  mit.  Sein  Sohn  Wie- 
hert war  ein  Christ,  man  weiss  von  einer  Reihe  von  Schenkungen  und  Stif- 
tungen, die  ihm  zugeschrieben  werden;  dessen  Enkel  war  Bischof  Wiebert 
von  Verden  (gest.  908). 


—     401     — 

Masse    des  Volks. ^)     In    mehr   als   zehnjährigem    blutigen  Eingen 
suchte  sie  sich  der  fränkischen  Übermacht  zu  erwehren. 

Dass  die  Volksmassen  sich  ohne  ihre  bisherigen  Führer  er- 
hoben, genügt  zum  Beweise,  dass  in  diesem  Aufstande  kein  poli- 
tischer Gedanke  mehr  lag.  Die  zum  besten  der  Kirche  vorgenom- 
menen Eingriffe  in  das  Privatvermögen  haben  ihn  entzündet:  des- 
halb war  die  Empörung  gegen  den  König  auch  jetzt  ein  Bruch 
mit  der  Kirche.  Wieder  wurden,  so  Aveit  der  Aufstand  reichte, 
die  kaum  gebauten  Gotteshäuser  vernichtet  und  die  Priester  ver- 
jagt. Bischof  Ercambert  von  Minden  floh  nach  Fulda. ■^)  Sachsen, 
welche  dem  christlichen  Glauben  treu  blieben,  Avaren  schier  vogel- 
frei: man  plünderte  ihr  Besitztum;  nicht  wenige  wurden  getötet: 
so  starben  im  Jahre  798  jenseits  der  Elbe  fünf  edle  Sachsen, 
Richolf.  Rorich,  Gotescale,  Had  und  Garich,  auf  einen  Tag  als 
Märtyrer  ihres  Glaubens.^)  Das  war  die  Wut  des  Volkes,  das  in 
den  Christen  Verräter  an  der  Heimat  erblickte.  Es  scheint  eine 
sprichwörtliche  Bede  gewesen  zu  sein :  die  Zehnten  haben  den 
Glauben  der  Sachsen  zerstört.*)  Alkuin  war  aufs  tiefste  davon 
durchdrungen,  dass  dies  richtig  sei.  Wüixle,  so  schreibt  er  ein- 
mal, mit  der  gleichen  Beharrlichkeit  das  sanfte  Joch  Clmsti  und 
seine  leichte  Last  dem  stai'ren  Sachsenvolke  verkündigt,  mit  welcher 
die  Leistung  der  Zehnten  und  strenge  Bussen  für  die  leichtesten 
Vergehen  gefordert  werden,  so  würden  sie  vielleicht  die  Taufe  nicht 
verabscheuen.')  Er  war  offen  genug,  solche  Urteile  nicht  nur  in 
Briefen  an  Freunde,  sondern  auch  dem  König  gegenüber  aus- 
zusprechen. •*)  Man  begreift,  dass  er  die  Verhältnisse  nun  ebenso 
trüb  ansah  wie  vorher  hoffnungsvoll:  er  meinte  wohl,  dass  von 
wirklichem  Glauben   bisher   bei    den  Sachsen  überhaupt   nicht   die 


1)  Dass  im  allgemeinen  Abfall  einzelne  treu  blieben,  ergiebt  sich  aus 
der  Eingabe  von  Sachsen  an  Ludwig  d.  Fr.,  M.G.  Ep.  V  S.  300  Nr.  2  und 
aus  der  Urkunde  Ludwigs  d.  Fr.,  B.M.  675.  Auch  auf  Cap.  27,  8  S.  72  v. 
J.  797  kann  vei'wiesen  werden.  Die  Bestimmung  über  die  Brandleffunor, 
die  hier  gegeben  wird,  zeigt  ebenfalls  den  Gegensatz  der  Parteien  inner- 
halb desselben  Gaus.  Nur  ist  hier  vorausgesetzt,  dass  die  Königlichen  die 
Majorität  haben. 

2)  Er  unterschreibt  7.  Juni  796  eine  in  Fulda  ausgestellte  Urkunde 
(Dronke,  C.  D.  S.  76  Nr.  132). 

3)  Vgl.  M.G.  Ep.  V  S.  300  Nr.  2;  das  Jahr  ergiebt  sich  aus  Ann. 
Einh.  z.  J.  798. 

4)  Ale.  ep.  107  S.  154:  Decimae,  ut  dicitur,  Saxonum  subverte- 
runt  fidem. 

5)  Ep.  111  S.  161  aus  d.  J.  796. 

6)  Ep.  HO  S.  157  f. 

Hauck,  Kirchengeschichte.    II.    2.  Aufl.  26 


—     402     — 

Rede  gewesen  seiJ)  und  er  glaubte  sich  mit  der  trostlosen  Ansicht 
beruhigen  zu  müssen,  die  Stunde  der  Erwählung  sei  für  sie  noch 
nicht  gekommen.-)  Doch  konnte  er  nicht  aufhören,  auch  jetzt  noch 
das  ..arme  Sachsenvolk''  zu  bemitleiden.  Er  drang  in  den  König. 
Friede  /u  schliessen.  nachgiebige  Massregeln  zu  treffen.''') 

Aber  solche  Vorstellungen  waren  vergeblich:  sie  prallten  an 
der  harten  Energie  des  Königs  al):  es  war  ihm  bitterer  Ernst  da- 
mit, (he  Sachsen  entweder  zu  unterwerfen  oder  zu  vernichten. 

j\Iit  gewohntem  Nachdruck  wurde  der  Kj-ieg  geführt:  den 
fränkischen  Siegen  aber  folgte  wie  früher  che  Taufe,  so  jetzt  die 
^'erplianzuug  der  Überwundenen  in  fränkische  Gegenden.  In  den 
Jahren  795.  707.  798,  799  und  804  wurden  Tausende  von  Sachsen 
aus  der  Heimat  hinweggeführt:'')  mit  "Weib  und  Kind  nuissten  sie 
das  Land  lassen:  sie  sollten  für  die  Heimat  wie  tot  sein.")     Dies- 


1)  Ep.  113  S.  164  an  Arn  von  Salzburg,  796:  Gens  Saxonum  nunquani 
habuit  in  corde  fidei  fundamentum. 

2)  Ep.  110  S.  157;  184  S.  309  (an  Arn  799  oder  800). 

3)  Ep.  174  S.  289  aus  dem  Jahre  799. 

4)  Ann.  Lauriss.  min.  z.  J.  794:    Karlu.s  in  Saxoniam  pergens  Saxones 
obtinuit  et  tertiura  de  eis  hominem  in  Franciam    educens    conlocavit;    vgl. 
Ann.  Fuld. ,  Mosell.  z.  d.  .T.  Simson  (JB.  S.  96)  macht  wahrscheinlich,   dass 
sich  diese  Nachrichten  auf  das  Jahr  795   beziehen,    bei    welchem   die  Ann. 
Alamm.  und  Sang.  maj.  die  Wogführung  von  7070  Geiseln    erwähnen,    die 
Ann.  Maxim,  und  Xant.  von    dem    dritten  Teil   der  Bevölkerung.    Laure.sh. 
und  Guelferb.  von  einer  sehr  grossen  Zahl  von  Geiseln  sprechen.     Z.  J.  797 
liest  man  in  den  Ann.  Lauresh.:  Tulit  inde  aut  obsides  aut  de  ipsis  quan- 
tum  ipse  voluit;  vgl.  Ann.  Lauriss.  min.:   Karolus  in  Saxoniam  Francos  con- 
locat,  Saxones  inde  educens  cum  uxoribus  et  liberis,  i  e.  tertium  hominem. 
Z.  J.  798   berichten   die  Ann.  S.  Amandi:     Hospites  (=  obsides)   capitaneos 
1600  inde   adduxit   et  per  Franciam   divisit;    vgl.  Ann.  Lauresh.:    Et  tulit 
inde  illos  capitanios  quos  voluit  et  de  opsidibus  quantum  ei  voluntas    fuit. 
Z.  J.  799  erzählen  die  Ann.  Lauresh.:    Inde  tullit  multitudinem  Saxanorum 
cum  mulieribus  et  infantibus  et  collocavit  eos  per  diversas  terrae  in  finibus 
suis.    Z.  J.  804  endlich  bemerken  die  Ann.  Lauriss.:  Omnes  qui  trans  Albiam 
et  in  Wihmuodi  habitabant  Saxones  cum  mulieribus  et  infantibus  transtulit 
in  Franciam;   die  Ann.  Laur.  min.:  Karlus  Saxones  absque  hello  a  propriis 
finibus    expulsos    in    Franciam    conlocat.      Vgl.   M.G.   Ep.   V   S.   301    Nr.  2: 
Saxones,    facta  transmigratione  de  Saxonia,    per    partes    educti   sunt.     Die 
Notiz  bezieht  sich  auf  den  Mcrstemgau,  und  wahrscheinlich  auf  804.    Wenn 
Einhard  V.  Kar.  7  von  10,000  Weggeführten  spricht,    bleibt    er    also    weit 
hinter  der  Wirklichkeit  zurück. 

5)  Cap.  27,  10  (a.  799)  S.  72  ist  eine  Parallele,  die  den  Gedanken 
Karls  anssprirht:  De  malefantoribus.  qui  vitae  periculum  sccundum  ewa 
Saxonum  incurrere  debent,  placuit  omnibus,  ut  qualiscunque  ex  ipsis  ad 
regiam  potestatem  confugium  fecerit,  aut  in  illius  sit  potestate  utrum  inter- 


—     403     — 

seits  imd  jenseits  des  Rheins  wiu-den  sie  angesiedelt.^)  Nur  laug- 
sam haben  sie  sich  mit  der  eingesesseneu  Bevölkerung  vermischt. 
In  dem  Französisch  der  ^yallonen  in  den  südbelgischeu  Ardenneu 
will  mau  noch  in  der  Gegenwart  die  Spuren  ihrer  Abstammung 
aus  Niedersachsen  bemerken. ^j  Ein  sicherer  Anhalt  ist,  dass  in 
einer  aus  dem  11.  Jahrhundert  stammenden  Würzburger  Fälschung 
von  Northalbingern  die  Eede  ist,  die  auf  dem  Besitze  der  Würz- 
burger Kirche  wohnten,^)  mid  heute  noch  erinnern  in  Franken  und 
Schwaben  zahkeiche  Ortsnamen  an  die  Gewaltsamkeit,  mit  der 
Karl  der  Gr.  den  Trotz  der  Sachsen  beugte.'*) 

Hand  in  Hand  mit  der  gewaltsamen  Rei^ression  jeder  Er- 
hebung ging  die  freigebigste  Belohnung  der  Treugebliebenen.  Die 
Zeitgenossen  haben  ihr  nicht  geringere  Wirkung  zugeschrieben  als 
der  Gewalt.'^)  Dazu  kamen  Massregelu  der  Gesetzgebung  und  Ver- 
waltung, welche  bestimmt  waren,  geordnete  Zustände  zurück- 
zuführen. 

Auf  der  Reichsversammkmg  zu  Aachen  im  Oktober  797  waren 
sächsische  Grosse  aus  den  drei  Stämmen  amvesend.  Mit  ihrer  und 
der  fränkischen  Grossen  Zustimmung  erliess  Karl  eine  Reihe  von 
Verordnungen  für  Sachsen,  von  welchen  sich  ethche  auf  die  kirch- 
hchen  Verhältnisse  Ijeziehen.*^)  Es  handelt  sich  wieder  um  den 
Schutz  der  kirchhchen  Personen  und  Sachen.  Aber  während  nach 
dem  früheren  Rechte  auf  der  Störung  des  kirchhchen  Fiiedens  die 


ficiendum  illis  reddatur,  aut  una  cum  consensu  eorum  habeat  licentiam 
ipsum  malefactorem  cum  uxore  et  familia  et  omnia  sua  foris  patriam  facere 
et  infra  sua  regna  aut  in  maren,  ubi  sua  fuerit  voluntas  coUocare,  et 
habeant  ipsum  quasi  mortuum. 

1)  Einh.  ann.  z.  J.  804. 

2)  Seelmann,  Wiederauffindung  der  von  Karl  d.  Gr.  deportierten 
Sachsen  Köln  1895.  Die  Schrift  ist  mir  nur  aus  der  Notiz  in  den  Mitth. 
des  Instituts  XVIII  S.  205  bekannt;  ich  kann  also  das  Recht  der  Annahme 
nicht  beurteilen. 

3)  Gefälschte  Urkunde  Ottos  IL  vom  15.  September  996,  M.G.  Dipl.  II 
S.  867  Nr.  432:  vgl.  Trad.  Fuld.  43,  50  S.  122:  hier  werden  in  Rohr  bei 
Meiningen  neben  den  Slawen  Sachsen  genannt. 

4)  In  Franken:  Sachsendorf,  Sachsenfahrt,  Sachsen,  Wüstensachsen, 
Sachsenmühle  bei  Gössweinstein  u.  a.  Die  schwäbischen  Orte  Sachsenheim, 
Sachsenhausen,  Sachsenhart,  Sachsenhof,  Sachsen weiler,  Sechselberg  und 
Reutsachsen  hat  Bo.ssert  Wirt.  KG.  S.  58  nachgewiesen.  Umgekehrt  be- 
gegnen bekanntlich  auch  fränkische  Ortsnamen  im  Sächsischen. 

5)  Ale.  ep.  7  S.  32  aus  dem  Jahre  790  mit  Bezug  auf  Sachsen  und 
Friesen.  Ähnlich  Eigü  V.  Sturm.  22  S.  376.  Ebenso  die  späteren:  transl. 
Libor.  2  (M.G.  Scr.  IV  S.  149),  V.  Liutbirg.  1  (ib.  S.  158). 

6)  Cap.  27  S.  71  f. 

26* 


—     404     — 

Todesstiale  stand,  wurde  diosell)e  jetzt  nur  mit  der  Zahlung  des 
Kiinigsljannes  gebüsst:')  widirend  Iriiher  der  Mörder  des  Priest(>rs 
sein  lieben  verwirkt  hatte,  wurden  die  Priester  jetzt  nur  mehr  durch 
das  doppelte  Wehrgeld  geschützt.-)  Eine  Ermässigung  der  Strafen, 
welche  beweist,  dass  Karl  den  Sieg  für  errungen  betrachtete.  Sie 
zeigt  sich  auch  soust;'^)  überhaui)t  kann  man  in  dem  ganzen  Er- 
lass  die  Rückkehr  von  den  Ausnahmezuständen  zur  Herrschaft  des 
Gesetzes  erl)licken. 

Die    gleiche  Tendenz  lieri-scht   in  dem  unter  Karls  Kegierung 
vielleicht  im  Jahre  802  aufgezeichneten   sächsischen  Gesetz.^)     Es 


1)  L.  c.  1:  rt  de  illis  capitulis  ])ro  quibus  Franci,  si  regis  bannum 
transgressi  sunt,  solidos  sexaginta  conponunt.  sirailiter  Saxones  solvent,  si 
alicubi  contra  ipsos  bannos  fecerint.  Hec  sunt  capitula:  piimum  ut  eccle- 
siae,  viduae,  orfani  et  minus  potentes  iustam  et  quietam  pacem  habeant 
etc.     Vgl.  dagegen  Ca]>.  26,  3  S.  68. 

2)  L.  c.  6  S.  72;  vgl.  Cap.  26,  5  S.  68. 

3)  Bezüglich  des  Mordes  der  Königsboten  c.  7  S.  72;  vgl.  mit  Cap.  26, 

10  f.  S.  69. 

4)  M.G.  Leg.  V  S.  47  ff.,  herausgegeben  von  v.  Richthulen.  liegen 
V.  Richthofens  Datierung  s.  Brunner.  D.  RG.  I  S.  347;  Schröder,  D.  RG. 
S.  237.  Beide  entscheiden  sich  für  802.  Hüffer,  Korv.  Studien  S.  80  spricht 
für  803.  Der  Ansatz  steht  in  Zusammenhang  mit  der  Erneuerung  der  An- 
nahme vom  Frieden  zu  Salz  (S.  72  ff.).  Ich  gestehe,  dass  ich  hier  wie  ge- 
wöhnlich Hüffers  hohem  Fluge  nicht  zu  folgen  im  Stande  bin.  Während 
er  überall  sichere  Urkunden  sieht,  vermag  ich  nur  reizende,  aber  luftige 
Phantasiegebilde  zu  erblicken.  Da  der  Pocta  Saxo  sich  auf  Kinhard  beruft, 
mus8  man  von  ihm  ausgehen.  Kr  aber  spricht  nicht  von  einem  Friodens- 
schluss,  sondern  nur  von  dem  Ende  des  Kriegs.  Beides  ist  ein  Unterschied. 
Sagt  er,  dass  der  Krieg  ea  conditione  a  rege  proposita  et  ab  illis  suscepta 
ut  abiecto  daemonum  cultu  .  .  christianae  fidei  atque  religionis  sacramenta 
susciperent,  zu  Ende  gegangen  sei,  so  kann  nur  der  Leser  dies  als  eine  bei 
Friedensunterhandlungen  vorgelegte  Bedingung  verstehen,  der  vergessen 
hat,  dass  Einhard,  wo  er  vom  Verlauf  des  Kriegs  .spricht,  sagt:  die  Sachsen, 
häufig  geschlagen,  iinperata  farturos  i<olliciti  sunt  .  .  ut  etiani  cultiim  dae- 
monum dimittere  et  christianae  religioni  .se  subdere  velle  promitterent.  Seine 
Meinung  ist  also  nur:  der  Krieg  ging  zu  Ende,  indem  die  Sachsen  .sich  dem 
fügten,  was  Karl  von  Anfang  an  wollte.  Dies  entspricht  den  Thatsachen. 
An  einen  Abschluss  zwischen  Karl  und  den  Sachsen  i.  J.  803  kann  man 
um  so  weniger  denken,  als  seit  792  nicht  mehr  das  Sachsenvolk,  sondern 
nur  noch  ein  Teil  desselben  kämpfte,  und  als  ein  Teil  den  Kampf  auch 
i.  .T.  804  fortsetzte.  (Einh.  ann.  S.  118).  Hüffer  macht  sich  die  Beseitigung 
dieser  Schwierigkeit  leicht.  Er  sagt:  die  Nortalbingier  gehörten  überhaupt 
nicht  zu  den  drei  Hauptstämmen  (S.  87).     Aber  gerade   sie  führten  in  den 

ptzten  .Tahren  den  Kampf,    vgl.  oben  S.  400,    und    wie    steht    es  mit  Wig- 
modia?    Wie  mich  dünkt,  muss  man  es  dabei  la.ssen,  dass  die  Sachsenkriege 


—     405     — 

» 

schützt  den  Frieden  der  Kirche,  wahrt  ihren  Besitz  und  ihre  Rechts- 
ansprüche, aber  es  verhütet  auch,  dass  das  Asvh-echt  der  Kkche 
zum  Schutz  des  Verbrechers  missbraucht  wird.')  Andererseits 
schUesst  es  Reste  heidnischer  Sitten  aus  oder  schränkt  sie  ein,-) 
ohne  doch  den  Kampf  gegen  das  Heidentum  als  solches  noch 
zu  iiihreu. 

Xoch  tiefer  Avurden  die  Zustände  dadurch  berührt,  dass  Karl 
die  kirchhche  Organisation  des  Landes  wieder  aufüahm. 

Nun  endhch  wurde  auch  das  Land  nördlich  der  Elbe  dem 
sächsischen  Missionsgebiet  angefügt.  Die  Arbeit  daselbst  erhielt 
das  Bistmn  Trier.  Bischof  Amalar  hat  die  erste  Kii^che  in  dieser 
Landschaft  geweiht,  sie  stand  in  Hamburg.  =^)  Wichtiger  noch  war, 
dass  die  südlich  der  Elbe  bereits  begründeten  Bistümer  neugeordnet 
und  weitere  Missionssprengel  zu  bischöflichen  Diözesen  umgebildet 
wurden. 

Bremen  war  nach  Willehads  Tode  längere  Zeit  unbesetzt  ge- 
bheben. Es  mag  zuerst  an  einer  geeigneten  Persönlichkeit  gefehlt 
haben;  dann  brach  der  Aufstand  aus  und  er  wütete  ja  besonders 
in  den  Willehad  zugewiesenen  Gauen.  Nun  nach  der  völhgen  Be- 
rulügung  des  Landes  im  Jahi-e  804  oder  805  wurde  dem  Priester 
WiUerich,  einem  der  Schüler  Willehads,  die  Bischofsweihe  erteilt.*) 
Unter  seiner  Leitung  nahm  die  kirchliche  Ordnung  der  bremischen 
Diözese  den  glücklichsten  Fortgang.-^)    Xach  Minden  scheint  Bischof 


zu  Ende  gingen,  wie  ein  Aufstand  endet,  der  erlischt,  nicht  wie  ein  Krieg 
zwischen  benachbarten  Staaten,  den  ein  Friede  schliesst. 

1)  Hiefür  kommen  in  Betracht  c.  21:  Mord  in  der  Kirche,  Kirchen- 
raub und  wissentlicher  Meineid  werden  mit  dem  Tode  bestraft:  c.  22:  Fahr- 
lässiger Meineid  mit  dem  Verlust  der  Hand;  c.  23:  Mord  eines  Kirchgängers 
zieht  die  Todesstrafe  nach  sich;  Mordversuch  ist  mit  dem  Königsbann  zu 
büssen;  c.  24:  Auf  Verschwörung  steht  die  Todesstrafe;  c.  28:  Verbrechern 
gegenüber,  die  zum  Tode  verurteilt  sind,  hört  das  Asylrecht  der  Kirche 
auf;  c.  62:  Vermögenstraditionen  an  die  Kirche  sind  zulässig,  auch  wenn 
Erben  vorhanden  sind. 

2)  C.  19,  57,  59  Beschränkung  der  Fehde. 

3)  V.  Ansk.  12  S.  83.     S.  o.  S.  373  Anm.  2. 

4)  Einzige  Quelle  ist  Adam  von  Bremen  (Gest.  Ham.  eccl.  pont.  I,  15 
S.  14).  Über  die  bei  ihm  herrschende  Verwirrung  der  Chronologie  Wille- 
richs s.  Dehio,  Gesch.  des  Erzb.  Hamb.-Brem.  I,  Anh.  S.  53  f.  Ohne  Zweifel 
zuverlässig  ist  die  Notiz  des  lib.  donat.  Brem.  eccl.,  auf  welche  er  sich  be- 
ruft; nach  ihr  dauerte  die  Amtszeit  Willerichs  vom  37.  Jahre  Karls  bis 
zum  25.  Jahre  Ludwigs,  d.  h.  von  804  oder  805  bis  838.  Das  letztere  Jahr 
als  Todesjahr  auch  Ann.  Corbei.  z.  d.  J.  (Jaffe,  Bibl.  I  S.  32). 

5)  Über  die  Thätigkeit  Willerichs  Adam  1.  c.  c.  20  S.  18.  Erwähnt 
wird    seine    Bauthätiofkeit.    die    Mehrung    des    Klerus,    das    Wachstum    des 


—      -11  IC)      — 

Ercambert  zurückgekehrt  zu   seiu;    für  Verden  erhielt  >vohl   Pattos 
Naclifolger  in  Aniorhach.  Tanko,  die  bischöfliche  Ordination. \) 

Inzwischen  aber  hatte  Karl  ein  neues  sächsisches  Bistum  zu 
Münster  gegründet.  Unter  den  in  Niedcrdeutschland  thätigen 
^Männern  war  seit  Willehads  Tod  Liudger  ohne  Zweifel  der  be- 
deutendste. Sein  eigentliches  Arbeitsgebiet  war  das  nordöstliche 
Friesland;  wir  wissen  jedoch,  dass  er  auch  im  w'estlichen  Sachsen 
thätig  war.-)  lim  bestinnnte  Karl  zm-  Leitung  des  neuen  Sprengeis. 
dem  die  Friesengaue  einverleibt  wurden,  in  welchen  Liudger  bisher 
gearbeitet  hatte.  Eine  Zeitlang  zögerte  Liudger,  sich  die  Bischofs- 
weihe  erteilen  zu  lassen;  wir  wissen  nicht,  ob  aus  ähnlichen  Be- 
denken wie  Gregor  von  Utrecht;"')  dann  gab  er  dem  Drängen 
seiner  Freunde  nach.'*)  Wie  Karl  an  AVillehad  die  Zelle  Justina 
übertragen  hatte,  so  wurde  Liudger  mit  dem  fränkischen  Kloster 
Lotusa  belehnt.'')  Er  wirkte  in  seinem  Sprengel  wie  Willehad  im 
Bremischen:  er  predigte,  gründete  Kirchen  und  bestellte  Priester.") 


Besitzes  teils  durch  Schenkungen  der  Diözesanen,    teils    durch   eine  grosse 
Stiftung  Karls  von  100  Höfen. 

1)  Als  Nachfolger  Pattos  in  Verden  wird  Tagko  genannt  (M.G.  Scr. 
XIII,  343),  nach  dem  Chron.  Verd.  bei  Leibnitz  (Scr.  r.  B.  II,  212)  war  er 
zugleich  Abt  von  Amorbach.  Er  mag  identisch  sein  mit  jenem  Tanncho 
oder  üanncho,  dessen  Tod  die  Ann.  necrol.  Fuld.  z.  .1.  808  (M.G.  Scr.  XIII, 
170)  anmerken. 

2)  Liudger  war  im  März  793  in  Sachsen  (Lacomblet,  ÜB.  1,  2  S.  2), 
ebenso  zwischen  dem  9.  Oktober  798  und  8.  Oktober  799;  s.  Diekamp,  a.  a. 
0.  S.  282. 

3)  Das  nimmt  Altfrid  V.  Limlg.  I,  20  S.  411  an.  Meine  Bedenken 
gründen  sich  darauf,  dass  Liudger  kein  Mönch  war,  sich  den  asketischen 
Anschauungen  gegenüber  also  freier  hielt  als  Gregor. 

4)  V.  Liudg.  1,  20  f.  S.  411.  Das  Jahr  der  Bischofsweihe  ist  nicht 
überliefert.  In  einer  Urkunde  vom  13.  .lanuar  802  heisst  Liudger  noch 
Abt  JiHcomblet^  ÜB.  I,  23  S.  13),  wogegen  er  in  einer  Urkunde  vom 
23.  April  805  zum  ersten  Male  Bischof  genannt  wird  (a.  a.  0.  27  S.  15). 
Diekamp,  Bist.  JB.  I  S.  281  ff.  spricht  für  804.  Ebenso  fehlt  eine  Angabe 
über  den  Ort  der  Bischofsweihe.  Man  nimmt  Köln  an.  Aber  der  Schluss 
aus  dor  Unterordnung  Münsters  unter  das  Erzstift  Köln  ist  natürlich  nicht 
beweiskräftig. 

5)  V,  Liudg.  1,  21  S.  411.  Diekamp  a.  a.  0.  S.  29  Anni:  7.  Nach 
werdenscher  Tradition  weder  Looz,  nordwestlich  von  Lüttich,  noch  Leuze 
zwischen  Ath  und  Tournai,  sondern  Zele  bei  Termonde. 

6)  V.  Liudg.  I.  20  S.  411.  Von  Münsterischen  Kirchen  sind  für  diese 
Zeit  nachweislich:  die  Marienkirche  in  Münster  {V  Liudg.  II,  8  S.  414i, 
die  Kirchen  zu  Billerbeck  und  Koesfeld  (1.  c.  II,  7  S.  414),  Nottuln  (Erhard, 
Reg.  Westf.  340  S.  97)  und  Herzfeld  (Hirutfeld,  V.  Idae  Wilmans,  KU.  I, 
469  ff.). 


—     407     — 

* 

Ein  Unterschied  ist,  dass  Liudger  AVert  darauf  legte,  klösterliche 
Niederlassungen  zu  begründen.  Schon  ehe  er  die  bischöfhche 
Würde  erhielt,  hatte  er  in  AVerden  an  der  Ruhr  ein  Kloster  zu 
Ehren  des  Heilands,  der  Maria  und  des  Petrus  gestiftet.^)  Es  lag 
nicht  auf  sächsischem,  sondern  auf  fräukischem  Boden,  in  der  Diö- 
zese Köln  dicht  an  der  sächsischen  Grenze;  doch  erstreckte  sich 
sein  Einfluss  weithin.  Das  zeigen  die  mancherlei  Schenkungen, 
die  ihm  aus  Sachsen  und  Fiiesland  zufielen.-)  In  Münster  gründete 
Liudger  ein  ansehnliches  Stift  für  Kanoniker.'')  Es  war  zugleich 
eine  BilduDgsanstalt  füi-  den  Klerus  der  Dicizese.  Die  Lehrgabe 
Liudgers  Avar  ja  bereits  in  Utrecht  erkannt  worden;  auch  als  Bischof 
begann  er  regelmässig  den  Tag  mit  der  Unterweisung  seiner 
Schüler.*)  Eine  dritte  Stiftung,  zu  welcher  er  die  Anregung  ge- 
geben haben  wird,  ist  das  Nonnenkloster  Nottuln.  An  der  Spitze 
stand  seine  Schwester  Heribm-g.'^) 

Liudger  starb  am  26.  März  809  in  Billerbeck.  Er  wiu'de  zu- 
erst in  der  Marienkirche  zu  Münster  beigesetzt;  später  lirachte  man 
seinen  Leichnam  nach  dem  Kloster  AVerden.  Da  er  Beerdigungen 
in  der  Kü'che  raissbiüigte,  so  begmben  ihn  die  Mönche  in  der 
A^'halle  der  von  ihm  gebauten  Basihka.**)  AVas  an  Eiuzelzügen 
über  ihn  berichtet  wird,  zeigt  den  nüchternen,  einfachen  Mann,  dem 
Pranken  und  Scheinen  wider  die  Natur  ging.  Altfrid  hebt  als 
charakteristisch  hervor,  dass  er  nach  des  Apostels  Mahnung  be- 
strebt gewesen  sei,  in  allen  Stücken  massvoll  sich  zu  verhalten.^) 
Er  vermied  jede  Übertreibung  des  Fastens;  gerne  sah  er  Reiche 
und  Arme  an  seinem  Tisch:  er  wusste  im  Gespräch  mit  ihnen  den 


1)  Liudger  bereitete  diese  Stiftung  Jahre  lang  vor;  die  erste  Schen- 
kung, die  ihm  für  dieselbe  zu  Teil  wurde,  ist  vom  22.  März  793  (Lacom- 
blet,  ÜB.  I,  2  S.  2).  Erst  am  18.  Januar  und  14.  Februar  799  kam  durch 
Schenkung  und  Tausch  der  Ort,  an  dem  das  Kloster  ei-baut  wurde,  in  Liud- 
gers Besitz  (a.  a.  0.  11  f.  S.  7  f.).  Sofort  scheint  der  Kirchenbau  begonnen 
worden  zu  sein-,  im  Mai  801  war  man  noch  an  der  Arbeit.  So  verstehe 
ich  die  Angaben  der  beiden  Urkunden  vom  1.  und  5.  Mai  801  (a.  a.  0.  19 
und  21  S.  12  f.;  etwas  abweichend  Diekamp  a.  a.  0.  S.  10).  Die  späteren 
Biographen  Liudgers  wissen  Einzelheiten,  deren  Glaubwürdigkeit  mehr  als 
fraglich  ist. 

2)  Lacomblet  hat  19  Schenkungsurkunden  an  Liudger. 

3)  V.  Liudg.  I,  20  S.  411:  Honestum  monasterium. 

4)  L.  c.  II,  6  S.  413. 

5)  Erhard,  Regest.  Westfal.  340  S.  97  f. 

6)  V.  Liudg.  II,  7  f.  S.  414.  Aus  II,  8  vgL  mit  III,  8  S.  416  ergiebt 
sich,  dass  die  Vorhalle  im  Osten,  die  Kirche  also  nicht  orientiert  war. 

7)  V.  Liudg.  II,  6  S.  413:  Omnia  mensurate  facere  concupivit. 


—     408     — 

rechteil  Ton  zu  tretfeii.  Die  Kutte  pflegte  er  nicht  zu  tnigen;  er 
hatte  die  Mönchsgehihde  nicht  al)gelegt  und  er  strehte  nicht  nacli 
dem  Namen  asketischer  Heihgkeit.  ohgh'ich  aucli  er  der  Selbst- 
kasteiung AVert  beilegte:  er  trag  stets  ein  Cihciuin  auf  der  blossen 
Haut.  Wie  ernst  er  es  mit  seiner  Pflicht  zu  predigen  nahm,  sieht 
man  daraus,  dass  er  am  Tag  vor  seinem  Tode,  obwohl  bereits 
ki-ank.  zweimal  predigte.^)  In  Sachsen  galten  seine  Gebeine  bald 
als  die  wuiiderkrältigsten  Reliciui'en.  Seine  Stelle  als  Bischof  e)-- 
liielt  sein  Neffe  Gei-fi-id : -)  die  Leitung  des  Klostei-s  Werden  ging 
au  seinen  Bruder  Hildigrim  über.''^)  Es  bliel)  im  Besitz  der  Familie, 
bis  Hildigrim  11.  es  dem   König  übergab.^) 

Ein  Teil  des  Engerlandes  stand  seit  Jalu-en  in  Verbindung 
mit  Würz])urg.  Die  Entfernung  dieses  Bischofssitzes  erwies  sich 
jedoch  für  die  Arbeit  hinderlich.  Deshalb  hob  Karl  die  Abhängig- 
keit des  Landstrichs  von  dem  ostfränkischtm  Bistum  auf:  einige 
Jahre  nach  der  vollständigen  Beruhigung  Sachsens  wurde  auf  seinen 
Befehl  der  \\'ürzl)urger  Priester  Hathumar  zum  Bischof  für  eine 
selbstständige  sächsische  Diözese  geweiht.*^)  Als  bischöfliche  Kirche 
erhielt  er  die  im  Jahre  799  von  Papst  Leo  111.  in  Paderl)orn  ge- 
weihte Kirche.")  Die  Wahl  dieses  Mannes  zeigt  wieder  die  Al)- 
sicht,  den  Sachsen  versöhnlich  entgegen  zu  kommen.  Denn  Hathu- 
mai'  war  sächsischen  Stammes:  wahrscheinlich  als  Geisel  war  er 
nach  Franken  gekommen  und  in  einem  der  AVürzburger  Stifter  zum 
Pnester  gebildet  wenden,  "j  Wir  wissen  wenig  von  seinem-  Thätig- 
keit;  doch  zeigen  die  Angaben  über  seinen  Nachtniger,  dass  er 
seine  Aufgabe  darin  sah,  die  Kluft,  welche  das  sächsische  Volk 
von  der  Kirche   trennte,    zu   überbrücken.     Sein  Nachfolger  wurde 

1)  L.  c,  vgl.  oben  S.  244  Anm.  3. 

2)  L.  c.  11,  7  f.  S.  414:  Gerfridus  presbyter  nepo.s  ac  successor  eius. 
8)  Hililiji^nm    erscheint    in    den  Werdener  Urkunden    als  Be.sitzer  de.'< 

Klo.sters  seit  811  (Laconiblet,  ÜB.  29  S.  16).  Schon  hier  wird  er  Hischof 
genannt.  Altfrid  kennt  ihn  als  Bischof  von  Chälons  s.  M.  (V.  Liudg.  11,  K 
S.  414).  Über  seine  Beziehungen  y.u  Halberstadt  s.  unten.  Einmal  wird 
Gerfrid  neben  ihm  als  Rektor  des  Klosters  Werden  genannt,  S.  19  Nr.  '.il. 

4)  B.M.  l.'')12  vgl.  Krben  in  den  Milth.  des  Inst.  f.  österr.  G.  XII  S. 
46  f.     Hier  auch  über  die  Unechtheit  von  B.M.  380. 

b)  Transl.  Libor.  b  (M.G.  Scr.  IV  S.  151).  Erhard  (Heg.  Westf.  212 
S.  76)  verlegt  die  Stiftung  des  Paderborner  Bistums  schon  in  das  Jahr  79-5. 
Das  scheint  mir  unwahrscheinlich.  Denn  die  Erzählung  der  transl.  Libor. 
würde  dann  ungeschickt  hin-  und  herspringen;  auch  können  neunzehn  Jahre 
doch  unmöglich  als  pauci  anni  bezeichnet  werden. 

6;  L.  c. 

7)  Ann.  Lauresh.,  Chr.  Moiss.  z.  J.  799;  Transl.  Libor.  4  S.  150. 


—     409     — 

Badiirad.  ein  Grlied  des  Paderborner  Klerus,  wieder  ein  geborener 
Sachse.  Hathumar  hatte  also  einheimische  Priester  um  sich  ver- 
sammelt: doch  war  auch  Badurad  in  Würzburg  gebildet.^) 

Wurden  hier  dauernde  Einrichtungen  geschaffen,  so  währten 
dagegen  in  Ostfalen  und  dem  nördlichen  Westfalen  die  i^roviso- 
lischen  fort.  Bezüglich  der  Bistümer  Hildesheim  und  Osnabrück 
ist  es  sicher,  bei  Halberstadt  mindestens  sehr  wahrscheinhch,  dass 
iln-e  Organisation  erst  unter  Ludwig  d.  Fr.  vorgenommen  wurde. 
Bei  Osnabrück  möchte  man  vermuten,  dass  die  frühzeitige  Grün- 
dung der  beiden  Klöster  Meppen'-)  und  Visbeck^)  in  der  späteren 
Osnabrücker  Diözese  die  Errichtung  eines  Bistums  für  das  Land 
im  Osten  der  Ems  zum  Teil  erschwerte,  zum  Teil  nicht  als  sofort 
notwendig  erscheinen  Hess.  Das  letztere,  weil  hier  Mittelpunkte 
für  die  Missionstliätigkeit  und  Orte,  an  denen  neue  Missions- 
priester herangebildet  werden  konnten,  im  Lande  selber  vorhanden 
waren:  das  erstere,  weil  die  Gründung  eines  Bistums  nicht  ohne 
Auseinandersetzung  mit  den  Klöstern  vorgenommen  werden  konnte.*) 

Ij  Transl.  Libor.  6  S.  151.  Das  Todesjahr  Hathumars  steht  nicht  fest. 
Offenbar  irrig  ist  die  Angabe  der  V.  Meinw.  1  (M.G.  Scr.  XI  S.  107),  dass 
Hathumar  schon  804  gestorben  sei.  Nach  dem  unverwerflichen  Zeugnis 
der  transl.  Vit.  8  S.  579  lebte  er  noch  im  Jahre  815. 

2)  Meppen  wird  als  königliche  Zelle  in  der  Urkunde  Ludwigs  d.  Fr. 
vom  7.  Dezember  834  (B.M.  906)  erwähnt,  durch  welche  Ludwig  das  Kloster 
mit  allem,  was  zu  ihm  gehörte,  an  die  Abtei  Corve^^  vergab.  Werden  hier- 
bei die  Basiliken  der  Kirche  ausdrücklich  genannt,  so  führt  das  auf  die 
Annahme,  dass  Meppen  als  Missionsstation,  also  schon  unter  Karl  gegrün- 
det worden  ist.     Der  Ort  Meppen  ist  V.  II  Liudg.  I,  27  S.  419  genannt. 

3)  Die  älteste  Urkunde  für  Visbeck  ist  die  Ludwigs  d.  Fr.  vom  4.  Sep- 
tember 819  (B.M.  681).  Ludwig  erteilt  auf  Bitten  des  Abts  Castus  der 
Kirche  die  Immunität.  Dabei  wird  der  Missionsauftrag  eigens  erwähnt: 
quin  ei  liceat  per  hanc  nostram  auctoritatem  verbum  praedicationis  .  .  exer- 
cere.  Abt  Castus  ist  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  identisch  mit  dem  oben 
S.  354  Anm.  5  erwähnten  Priester  Cerbert,  der  den  Beinamen  Castus  führte. 
Visbeck  kam  855  an  Corvey  (Urk.  Ludwigs  d.  D.,  B.M.  1371).  Der  Ort 
liegt  im  südlichen  Oldenburg:  Puckert  hält  die  Zelle  für  ein  Stift  (Anian  ^ 
S.  19),  aber  die  Bezeichnungen  abbas  und  abbatia  widersprechen. 

4i  Die  Schwierigkeiten  zeigt  der  lange  Zehntstreit  zwischen  Osnabrück 
und  Corvey  über  die  Meppener  Zehnten.  Ich  verweise  hiefür  auf  AVil- 
mans,  KU.  I  S.  319  ff.,  und  Philippi,  ÜB.  I  S.  VIII  ff.  Die  Voraussetzungen 
für  den  Streit  waren  diese:  Meppen,  das  eine  Anzahl  Kirchen  besass,  be- 
fand sich  ohne  Zweifel  von  Anfang  an  im  Besitz  von  deren  Zehnten.  Als 
nun  Ludwig  das  Bistum  Osnabrück  gründete,  scheint  er  einen  Teil  der- 
selben diesem  verliehen  zu  haben.  Das  ergiebt  sich  aus  der  Querim.  Egilm. 
S.  55.  Denn  Egilmar  berief  sich  im  Synodalgericht  auf  ein  Conscriptum, 
quod  coram  eis  legi  feci  et  quod  penes  nos  habemus  (S.  55).    Es  kann  nur 


—     410     — 

Etwas  anders  lagen  die  Dinge  in  dem  späteren  llnllu  istädter 
Sprengel.  Tu  dessen  südlichem  Teil,  dem  Friesent'eld  und  Hasse- 
gau, wurde  walirscheinlieli  von  dem  Kloster  Hersfeld  aus  missio- 
niert;') als  Missionssitz  für  das  Land  im  Osten  und  Nordosten  des 
Harzes  wurde  sodann,  wie  es  scheint,  ein  Stift  m  Osterwiek  ge- 
gründet: man  nannte  es  Seligenstadt.-)  Es  war  nichts  Unge- 
w«)hnliches,  dass  Karl  die  Leitung  desselben,  und  damit  die  der 
^Mission  einem  fränkischen  Bischof,  Liudgers  Bruder  Hildigrim 
von  Chrdons  s.  M.,  ühertrug.^)  Das  mag  in  den  ersten  Jahren  des 
neunten  Jahrhunderts  gewesen  sein.  Hildigrim  wird  das  Stift  von 
Osterwiek  nach  Halberstadt  verlegt  haben.  Da  er  sich  mindestens 
ebensoviel  in  Deutschland  als  in  seinem  kleinen  französischen  Bis- 


eine Lrkuiulo  gewesen  sein,  die  seinen  Anspruch  iiuf  die  Zehnten  bewies. 
Dann  kam  Meppen  an  Corvey:  in  Ludwigs  Urkunde  sind  die  Zehnten  nicht 
ausdrücklich  genannt;  aber  sie  bildeten  Pertinenzen  der  Kirchen;  einen 
Anspruch  auf  sie  konnte  Corvey  also  wohl  erheben.  Der  Moment  mit  ihm 
hervorzutreten  kam,  als  Ludwig  d.  D.  das  Bistum  dem  Grafen  Cobbo  über- 
gab. Wenn  dieser  nun  Osnabrücker  Zehnton  an  Corvey  gab,  so  werden 
es  eben  die  gewesen  sein,  die  aus  dem  ursprünglichen  Besitz  von  Meppen 
für  die  Ausstattung  von  Osnabrück  verwendet  worden  waren.  Man  sieht, 
der  Streit  ging  schliesslich  auf  die  ursprüngliche  Auseinandersetzung  von 
Bistum  und  Kloster  zurück. 

1)  S.  o.  S.  30.')  Anm.  ?>. 

2)  Ann.  Quedlinb.  z.  J.  781:  S.  Stephano  protomartyri  in  loco  qu 
dicitur  Seliganstedi  monasteriura  construxit,  quod  postea  in  locum  transla- 
tum  est  qui  dicitur  Halverstede,  ubi  nunc  est  sedcs  episcopalis.  Die  Gleich- 
setzung von  Osterwiek  und  Seligenstadt  bei  dem  sächsischen  Annalisten  z. 
J.  781  M.G.  Scr.  VI  S.  560,  der  freilich  eine  schon  ganz  cnt.stellte  Vm,- 
stellung  der  Vorgänge  hat. 

3)  So  die  Qnedl.  Ann.  a.  a.  0.     Über  Hildigrim  ist   folgendes    sicher: 

1.  or  war  bedeutend  jünger  als  sein  Bruder  Liudger ;  denn  während  dieser 
seit  780  als  Priester  und  Missionsi>rediger  thätig  war  (s.  o.  S.  3.">8  Anm.  1). 
erscheint  er  i.  J.  782  noch  als  dessen  Schüler  (V.  Ijiudg.  I,  18  S.  410;  II.  8 
S.  414),    noch    im  Juni  797  war  er  Diakon  (Lacomblet,    ÜB.  I  S.  7  Nr.  9). 

2.  Beim  Tode  Liudgers  i.  .1.  809  war  er  bereits  Bischof  von  Chälons,  v. 
Liudg.  II,  8  S.  414.  3.  Er  erbte  damals  das  von  seinem  Bruder  gegründete 
und  besessene  Kloster  Werden  (Lacomblet  S.  16  flF.  Nr.  29 ff.;  vgl.  Walahfr. 
carm.  43  S.  393,  denn  das  Kloster,  quod  Rura  vocatur,  ist  natürlich  nichts 
anderes  als  Werden).  4.  Bischof  von  Halberstadt  war  er  nicht.  Hiefür  ist, 
wie  Rettberg  mit  Recht  betont  hat.  das  Schweigen  Altfrids  entscheidend. 
Wie  mich  dünkt,  darf  man  auch  nicht  übersehen,  dass  seine  Ernennung 
zum  Bischof  von  Halberstadt  kirchenreclitlich  unmöglich  gewesen  wäre. 
Hüffer  S.  91  findet  sich  viel  zu  leicht  hiemit  ab;  er  lässt  ihn  auf  sein 
franzö-sisches  Bistum  verzichten.  Aber  ein  solcher  Verzicht  war  nicht  ohne 
weiteres  zulässig. 


—     411     — 

tum  aufhielt.^)  so  trat  das  Bedürfnis  nach  einer  Änderung  der 
Verhältnisse  nicht  hervor:  es  wird  viehuehr  als  wünschenswert  er- 
schienen sein,  sie  zu  erhalten,  zumal  seitdem  Hildigrim  als  Besitzer 
des  reichen  Klosters  Werden  auch  dessen  Kräfte  im  Missionsdienst 
verwenden  konnte.-)    Weshalb  auch  in  Hildesheim  die  Organisation 

1)  Die  Werdener  Urkunden  bei  Lacomblet  zeigen  ihn  in  den  Jahren 
811,  812,  816,  817,  819,  820  in  Werden.  Auch  das  ist  bemerkenswert,  dass 
Chälons  in  Thüringen  Grundbesitz  hatte;  er  wurde  878  durch  Tausch  main- 
zisch, B.M.  1516. 

2)  Die  oben  dargelegte  Anschauung  über  die  Verhältnisse  Halber- 
stadts  unter  Karl  d.  Gr.  unterscheidet  sich  einerseits  von  der  durch  Rett- 
berg begründeten,  andererseits  von  der  durch  die  neueren  sächsischen 
Forscher  Reinecke  a.  a.  0.  und  P.  J.  Meier  (Zeitschr.  des  Harzvereins  XXXI 
S.  227  flf.)  vertretenen.  Rettberg  gebührt  auch  hier  das  Verdienst,  die  Un- 
haltbarkeit  der  legendarischen  Überlieferung  dargethan  zu  haben  (KG.  D.'s 
II  S.  470  S.).  Die  sächsische  Tradition  über  Hildigrim  I.  lehnte  er  ganz 
ab,  sie  wolle  nur  die  Anfänge  der  Halberstadter  Kirche  an  ruhmvolle  Per- 
sonen aus  der  Umgebung  Karls  d.  Gr.  anknüpfen.  Dem  gegenüber  haben 
die  genannten  Forscher  nicht  nur  die  Überlieferung  über  Hildigrim  ver- 
teidigt, sondern  die  sächsische  Tradition  überhaupt:  sie  irre  eigentlich  nur 
in  Bezug  auf  das  Jahr  (vgl.  Meier  S.  232).  Meine  Ansicht  stützt  sich  einer- 
seits auf  die  S.  410  Anm.  3  zusammengestellten  sicheren  Daten  über  Hildigrim, 
andererseits  auf  die  Urkunde  Ludwigs  d.  Fr.  für  Halberstadt  vom  3.  Sep- 
tember 814,  B.M.  516.  Rettberg  hat  sie  einstmals  verworfen;  dagegen  er- 
klärt sie  Mühlbacher  N.A.  XVHl  S.  282  jff.  nur  für  interpoliert.  Er  ver- 
weist zur  Begründung  auf  ihre  Übereinstimmung  mit  der  am  gleichen  Tag 
ausgestellten  Urkunde  für  Worms,  B.M.  517.  Dieser  Grund  ist  stichhaltig. 
Sein  Gewicht  wird  dadurch  verstärkt,  dass  auch  den  Urkunden  für  Visbeck, 
B.M.  681,  und  für  Prüm.  B.M.  552,  dasselbe  Formular  zu  Grunde  liegt.  In- 
dem ich  auch  die  beiden  letzteren  Urkunden  zur  Vergleichung  herbeiziehe, 
komme  ich  zu  einer  etwas  anderen  Bestimmung  der  interpolierten  Stellen, 
als  Mühlbacher.  Er  ist  im  Recht,  indem  er  die  Grenzbestimmung  und  die 
Stelle  über  die  Zehnten  als  interpoliert  ausscheidet;  aber  er  ist  im  Un- 
recht, indem  er  auch  den  Satz  Praedictam  verwirft;  denn  dieser  ist  durch 
die  Visbecker  Urkunde  geschützt.  Für  unrichtig  halte  ich  ferner  die  Strei- 
chung von  Catholanensis ;  denn  die  Kanzlei  setzt  regelmässig  den  Namen 
vor  das  Wort  ecclesia,  wenn  sie  nicht  einen  Relativsatz  bildet.  Es  muss 
demnach  vielmehr  Halberstadensis  gestrichen  werden,  da  aber  Hildigrim 
das  Privilegium  für  Halberstadt  erbat,  so  muss  sein  Verhältnis  zu  dieser 
Kirche  irgendwie  ausgedrückt  gewesen  sein.  Der  Satz  kann  gelautet 
haben:  H.  Catholanensis  ecclesiae  episcopus  venerabilis,  qui  est  rector  (vgl. 
für  diese  Wendung  B.xM.  334  und  Wirt.  ÜB.  I  S.  44  Nr.  42  S.  53  Nr.  50) 
ecclesiae  Halberstadensis,  quae  est  etc.  oder  qui  nostra  concessione  in 
regimine  habere  dinoscitur  (vgl.  für  diese  Wendung  B.M.  906)  ecclesiam 
Halberst. ,  quae  est  etc.  Der  Vergleich  mit  der  Visbecker  Urkunde  macht 
wahrscheinlich,    dass    im    folgenden    die  Worte  ipsam  sedem  und  im    vor- 


—     412     — 

sich  verzögerte,  lässt  sich  nicht  eiunial  vermuten.')  Dass  gleich* 
zeitig  mit  den  Bistiimeru,  zum  Teil  noch  vor  ihnen  eine  Reihe 
von  Klöstern  und  Stiftern  entstund,  ergiebt  sich  aus  dem  eben 
Gesagten.  Ausser  den  genaimten  gehört  wahrscheinhch  Hameln,-) 
schwerlich  aber  Helmstedt^^)  zu  den  ältesten  klösterlichen  Nieder- 
lassungen in  Sachsen.  Man  ist  an  die  Bedeutung  gemahnt, 
welche  sie  liir  d.i^  christhche  Neuland  hatten,  wenn  man  in  Ludwigs 

letzten  Satz  das  Wort  parocliiam  interpoliert  sind:  es  war  zu  lesen  ipsuni 
sanctum  locuni  und  abbatiam.  War  dies  die  ursprüngliche  Gestalt  der 
Urkunde,  so  ist  klar,  dass  sie  das  Privilegium  für  eine  Missions/.elle  analog 
der  in  Visbeck  gewesen  ist.  Von  dem  Bestand  eines  Bistums  in  Halber- 
stadt sagt  sie  kein  Wort.  Man  beachte,  dass  ihr  die  Worte  der  Wormser 
Urkunde  Simul  cum  suo  episcopo  pergant  fehlen.  Erst  durch  die  Inter- 
polation ist  sie  zu  einer  Urkunde  für  das  Bistum  Hallierstadt  geworden. 
Dann  liefert  sie  aber  den  B<'\vnis.  dass  das  Bistum  erst  unter  Ludwig  d.  Fr. 
konstituiert  wurde. 

1)  So  bestimmt  Hüfter  S.  218  verkündigt:  Und  so  steht  es  fest:  Am 
15.  Mai  803  ist  zu  Salz  die  sächsische  Kirche  durch  acht  Kai.serurkunden 
neu  umschrieben  worden,  so  wenig  ist  diese  Sicherheit  berechtigt.  Weder 
die  Notiz  Thietmars  (Chr.  VIII, -75  S.  238)  noch  die  gefälschten  Urkunden 
geben  zu  ihr  ein  Recht.  Für  die  Geschichtsforschung  aber  ist  nichts  ver- 
derblicher, als  wenn  Vermutungen  für  Thatsachen  ausgegeben  werden. 

2)  S.  Wilmans,  KU.  I  S.  461  tt'.;  Mcinardus,  ÜB.  des  Stiftes  und  der 
Stadt  Hameln  (1887)  S.  LXIX  ft".  Hameln  gehörte  zum  Bistum  Minden,  war 
aber  bis  in  das  13.  Jalirhundert  fuldi.sch. 

3)  Die  erste  urkundliche  Erwähnung  Helmstedts  fällt  erst  in  d.  J.  952 
(M.G.  Dipl.  I  S.  229  Nr.  149).  Das  Kloster  erscheint  in  der  Urkunde  nicht 
als  neugegründet;  denn  die  Mönche  besitzen  schon  eine  Anzahl  Höfe  im 
Bistum  Halberstadt.  Die  Nachricht,  es  sei  eine  Gründung  ]<iudgcrs,  bringt 
zuerst  'l'hietmar  ehr.  IV,  68  S.  101.  Das  Zeugnis  ist  zu  jung,  als  dass  es 
ins  Gewicht  fallen  könnte;  von  Bedeutung  ist  nur,  dass  der  Name  Liudgers- 
kloster  schon  üblich  erscheint.  Dies,  zusammen  mit  der  später  nachweis- 
lichen Verbindung  der  beiden  Klöster  Werden  und  Helmstedt,  legt  die  Ver- 
mutung nahe,  dass  Helmstedt  eine  von  Werden  aus  gestiftete  l'ropstci  war. 
Zieht  man  noch  die  Bedeutung  Werdens  für  die  Sachsenmission  herbei,  so 
kann  man  als  Zeit  der  Stiftung  die  Kegierung  Karls  vermuten.  Doch  steht 
dem  letzteren  ein.  wie  mich  dünkt,  recht  gewichtiges  Bedenken  gegenüber : 
war  Helmstedt  Missionszelle,  dann  muss  man  das  Kloster  im  Besitz  der 
Zehnten  erwarten,  ebenso  wie  Visbeck  und  Meppen.  Allein  das  war  nicht 
der  Fall.  Das  Kloster  hat  die  Zehnten  in  .seinen  eigenen  Höfen  erst  durch 
Otto  I.  erhalten;  ebenso  die  Zehnten  in  dem  Orte  Helmstedt.  Dadurch 
scheint  mir  die  Annahme  von  Missionsthätigkeit  Helm-stedts  ausgeschlossen. 
Wenn  also  das  Kloster  noch  der  Karolingerzeit  angehören  sollte,  so  doch 
erst  der  zweiten  Hälfte  der.'^elbon.  Auch  der  verhältnismässig  geringe  Be- 
sitz (8.  den  Lib.  bonor.  von  1160,  N.  Mitth.  des  sächs.thür.  Gesch. -V.  I, 
Heft  4  S.  21)  spricht  dafür. 


—     413     — 

Immiinitäts-Ürkiinclen  für  Halberstadt  und  für  Visbeck  liest,  dass 
die  Aufgabe  der  Mönche  die  Predigt  des  chiistlichen  Glaubens 
sei.^)  Diese  ältesten  Klöster  waren  nicht  Stätten  gelehrter  Thätig- 
keit.    sondern  jMissions-  und    Seelsorgeposten   für   ihre  Umgebung. 

Von  den  Bistümern  und  Klöstern  aus  begann  man  sofort  den 
Bau  von  Kirchen  hin  und  her  im  Laude.-)  Dass  sie  anfangs  sehr 
dünn  gesät  waren,  ist  zu  vermuten.  Aber  mochte  das  Netz  noch 
so  weitmaschig  sein;  es  bedeckte  doch  schon  unter  Karl  das 
ganze  Land. 

Als  Karls  Regierung  zu  Ende  ging,  war  die  Vereinigung  des 
sächsischen  Stammes  mit  dem  fränkischen  Eeich'^)  und  der  Bestand 
der  christlichen  Kirche  in  Sachsen  eine  Thatsache,  die  keiner 
Schwankung  und  Erschütterung  mehr  unterlag.  Niemand  wird  alle 
Massregeln  Kai'ls  billigen;  doch  müssen  auch  diejenigen,  welche 
Tadel  verdienen,  gemessen  werden  mit  dem  Masse  ihrer  Zeit.  Der 
Erfolg  aber  war  glücklich  für  Deutschland  wie  für  die  Kirche. 
Sie  hat  auf  dem  mit  Blut  gedüngten  Boden  die  tiefsten  Wurzeln 
geschlagen. 


1)  B.M.  681:  Quin  ei  liceat  per  hanc  nostram  auctoritatem  uerbum 
praedicationis  domino  auxiliante  exercere  et  ministerium  suum  pleniter 
peragere. 

2)  Das  zeigt  für  Visbeck  die  angeführte  Urkunde  Ludwigs,  B.M.  681. 
Nach  ihr  besass  Visbeck  Kirchen  im  Leergau,  Hasegau  und  Fenkigau,  also 
in  einem  weiten  Bezirk.  Wilmans  hat  darauf  hingewiesen,  dass  zu  diesen 
Kirchen  nach  Wibald  ep.  455  S.  587  gehörten  Freren  (Wrederen),  Kreis 
Lingen,  Aschendorf,  Kr.  Meppen,  und  Löningen,  oldenb.  Amt  Kloppenburg. 
Die  münsterische  Kirche  Saxlinga  sucht  er  im  Lengener  Land,  Kreis  Leer. 
Über  die  Meppener  Kirchen  s.  o.  S.  409  Anm.  2.  VgL  überhaupt  Philippi, 
Mitth.  des  bist.  V.  zu  Osnabrück  XXII  S.  24  fif.  Ob  im  Hildesheimischen 
Elze  die  älteste  Kirche  ist,  muss  bei  dem  sagenhaften  Charakter  der  Er- 
zählung Ann.  Palid.  z.  817  M.G.  Scr.  XVI  S.  58  und  Ann.  Saxo  z.  815 
Scr.  VI  S.  571  bezweifelt  werden.  Über  die  ältesten  Kirchen  im  Halber- 
städtischen s.  Meier  S.  233  ff. ;  über  die  im  Münsterischen  handelt  Tibus, 
Gründungsgesch.  S.  377  fif.  Aber  er  trägt  offenbar  viel  zu  oft  spätere  Ver- 
hältnisse in  die  Frühzeit  zurück. 

3)  Einh.  V.  Karol.  7;  vgl.  Poet.  Saxo  z.  803  v.  21  ff.  S.  261.  Widuk. 
Res  gest.  Sax.  I,  15:  lam  fratres  et  quasi  una  gens. 


S  i  ('  1)  r  II  t  p  s   K  a  pi  t  o  1. 

Baiern  und  der  Südosten. 


Beinahe  ebenso  lange  wie  der  sächsische  hat  der  bairische 
Stamm  seine  Sonderstellung  gewahrt.  Zwar  waren  die  Baiern 
schon  vor  dem  8.  Jahrhundint  Christen;  aber  die  bairische  Kirche 
war  kein  Teil  der  fi'änkischen  Landeskirche;  erst  Karl  d.  Gr.  hat 
sie  mit  ihr  verschmolzfii.  Jedoch  auch  hier  hatten  Bonifatius  und 
Pippin  ihm  die  AV'ege  geebnet.  Der  erstere.  indem  er  Baiorn  in 
den  Kreis  seiner  Reformen  zog,')  der  letztere,  indem  er  die  Selbst- 
ständigkeit des  bairischen  Herzogtums  brach.'-)  Dass  die  Be- 
strebungen des  Bonifatius  in  Baieni  leicht  und  rasch  zur  Durch- 
führung kamen,  dankte  er  dem  Umstand,  dass  Herzog  Odilo  rück- 
haltlos auf  sie  einging:  der  konsequente  Vertreter  der  bairischen 
Selbstständigkeit  dem  fränkischen  Reich  gegenüiter.  hat  dadurch 
doch  in  einem  wichtigen  Punkte  die  Gleichheit  der  Verhältnisse 
lierbeigeführt,  die  die  Voraussetzung  für  das  ZusMinnienwarhsen 
Baienis  mit  <lem  übrigen  Deutschland  waren. 

Als  am  is.  Januar  74S"')  Odilo  starb,  erschien  die  HeiTschaft 
der  Agiloltinger  ernstlich  bedroht.  Denn  Grifo.  unterstützt  von 
Suitgar,  dem  Grafen  des  Nordgaus,  und  Tiantfrid.  dem  Herzog  der 
Alamannen,  jagte  Odilos  Sohn,  Tassilo.  aus  dem  Lande.  Allein, 
Pippin  gab  nach  errungenem  Sieg  dem  jungen  Herzog  sein  Erbe 
ungeschmälert   zuiück.'')      Nach   seinem    "\Mllen    sollte   Baiern   den 


1)  S.  Bd.  I  S.  488  ff. 

2)  S.  Bd.  I  S.  516  ff.     Hahn.  .TB.  S.  4.3  ff.     Riezler,  G.  B.'s  S.  81  ff. 

3)  Vgl.  Graf  Hundt  in  d.  Abh.  der  M.A.  H.  KI.  XII  S.  167  f. 

4)  Ann.    Lauriss.    z.    .T.    748:    Tassüonem      in     ducatu     Baiorariorum 
conlocavit    per  suum   beneficium.     Dabei    kann    man    doch   nur    an   Lehens- 


—     415     — 

Agiloltingern  bleiben.  Tassilo  verdankte  ihm  seine  ganze  Stellung. 
Yielleiclit  erklärt  sich  gerade  daraus  seine  lebhafte  persönliche 
Antipathie  gegen  Pippin;  denn  nichts  ist  kleinen  Geistern  wider- 
wärtiger, als  die  Pflicht  der  Dankbarkeit.  Tassilo  hasste  seinen 
Oheim;  in  seiner  Xähe  verweilen  zu  müssen,  war  ihm  eine  Pein.^) 
Er  fühlte  sich  offenbar  auf  allen  Seiten  dm'ch  ihn  eingeschränkt 
und  gehindert.-)  Er  aber  besass  Ehrgeiz;  er  wollte  ein  grosser 
Eüi'st  sein  und  hatte  keine  Ahnung  davon,  wie  wenig  ein  Herzog 
von  Baiern  in  Wirklichkeit  bedeutete:  deshalb  vermochte  er  seine 
Ansprüche  nicht  ins  Gleichgewicht  mit  seiner  Macht  zu  setzen. 
Es  wäre  ihm  wie  eine  Selbsterniedrigung  erschienen,  sich  aufrichtig 
in  seine  Abhängigkeit  von  dem  fränkischen  Reiche  zu  fügen:  aber 
durch  Treubruch  und  Verrat  fand  er  sich  nicht  erniedrigt.  Pippin 
hat  ihn  in  seiner  unbesorgten  Weise  gewähren  lassen.  Unter  Karl 
vermochte  ein  von  dem  König  geachteter  Mönch  zmiächst  ein  leid- 
hches  Verhältnis  herzustellen:'^)  aber  es  ist  begreiflich,  dass  Karl 
keine  Achtung  vor  einem  solchen  ^Nfann  kannte  und  deshalb  auch 
keine  Schonung  gegen  ihn  übte. 

So  talentlos  Tassilo  als  Politiker  war,  ebenso  wenig  Lob  ver- 
diente er  in  Bezug  auf  die  innere  Verwaltung  seines  Landes.  Die 
Beschlüsse  der  Aschheimer  SjTiode  beweisen  nicht  nur  die  allge- 
meine Rechtsimsicherheit,'*)  sondern  auch  das  offenbarste  Misstrauen 
der  Bischöfe  dagegen,  dass  Tassilo  den  Willen  und  die  Kraft  habe, 
in  diesem  Punkte  etwas  zu  ändern:  man  forderte,  dass  die  herzog- 
lichen Sendboten  stets  von  Priestern  begleitet  seien,  welche  Un- 
gerechtigkeiten verhindern  sollten,'^)  ja  man  hielt  die  geisthche 
Assistenz  sogar  für  notwendig,  wenn  der  Herzog  selbst  Recht 
sprach.*^) 


abhängigkeit  denken;  s.  Hahn,  JB.  S.  213  ff. ;  Eiezler,  G.  B.'s  I  S.  84;  wo- 
gegen Huber  [Cr.  Oesterreicbs  I  S.  72)  diese  Auffassung  bezweifelt.  Aber 
wird  sie  nicht  durch  die  Huldigung  in  Compiegne  (757,  Ann.  Lauriss.  z.  d. 
J.)  bestätigt?  Es  lag  nichts  in  der  Mitte,  was  Pippin  hätte  veranlassen 
können,  die  Stellung  Tassilos  zu  seinen  Ungunsten  zu  verändern.  Tassilos 
Regierung  begann  zwischen  August  und  November  748,  s.  M.G.  Leg.  HI 
S.  243  n.  38. 

1)  Vgl.  Ann.  Einh.  z.  J.  768:  Ad  regis  conspectum  ulterius  se  ven- 
turum  abiuravit.     Ähnlich  Ann.  Lauriss. 

2)  Pippin  hatte  nicht  nur  unmittelbare  Besitzungen  in  Baiern  (Brev. 
not.  Salisb.  13,  10  S.  38),  sondern  auch  ausgesprochene  Anhänger;  1.  c.  14, 
4  S.  39  wird  ein  Graf  Grimbert  als  valde  familiaris  Pipi)ini  bezeichnet. 

3)  V.  Sturm.  22  S.  376. 

4)  C.  10—12;  14;  15  (M.G.  Leg.  HI  S.  458  f.). 

5)  C.  14  S.  459. 

6)  C.  15  S.  459,  mit  der  Begründung,  ut  sit  sententia  vestra  Dei  sale 


—     41  ()     — 

Schon  dass  man  solche  Fordeniugen  zu  stellen  wagte,  heweist. 
dass  Tassilo  nicht  gewöhnt  war,  den  Bischöfen  zu  \\  idcrspivchen. 
So  rühmten  sie  ihn  denn  auch,  dass  er  trotz  seiner  .Jugend  seinen 
Vorfahren  an  kirchlicher  Gesinnung  überlegen  sei.')  In  der  That 
zeigt  sein  ganzes  Verhalten,  dass  alle  kirchhchen  Motive,  welche 
die  Zeit  kannte,  auf  ihn  einwirkten  und  dass  er  willcidcis  ihrem 
Tmi)ulse  nachgah.  Die  Förderung  kirchlicher  Stiftungen  hetrachtete 
er  nicht  nur  als  Familientradition.-)  ihm  war  es  ernst  damit,  dass 
nuin  ..um  der  ewigen  Liebe  und  des  furchtbaren  Grauens  halber, 
um  dem  Pfule  des  Teufels  zu  entgehen  und  den  Hininielsaal  zu 
verdienen".  Gott  etwas  von  dem  opfern  müsse,  was  er  den  Men- 
schen gespendet  hat.'')  Demgemäss  hat  Tassilo  freigebiger  und 
verschwenderischer  als  irgend  einer  seiner  \'orgänger  Klöster  und 
Kirchen  ausgestattet.^)  Besonders  die  Klöster  erfivuten  sich  seiner 
Gunst:  er  hat  sie  wohl  auch  auf  Kosten  anderer  kircblichei-  Stif- 
tungen bereichert."')  Während  Karl  d.  Gr.  die  Zwecke,  welche  bei 
Übertragung  von  Reli(iuien  verfolgt  wurden,  sehr  klar  erkannte, 
ijinden  diese  angeblich  religiösen  Akte  an  ihm  einen  Gönner:  er 
hat  die  Relitiuien  des  rätischen  Bischofs  Valentin  nach  Passau 
gebracht  und  Aribo  unterstützt,  die  Heli(|uien  Corbiuians  für  Frei- 
sing zu  gewinnen.")  Die  Päpste  hatten  an  ihm  einen  ergebenen 
Verehrer:  im  Jahre  77"i  liess  er  sein  S(">hnlein  ''J'heodo  nach  Rom 
bringen,  damit  es  dort  von  dem  Papste  selbst  getauft  werde.') 
^lan  weiss  nicht,  war  das  mehr  eine  That  der  Eitelkeit  oder  der 
Devotion. 

coiidita,  ut  no  iutlices  terreni  propter  pieinias  causas  toniuantur  ot  inno- 
Cfintes  obprimantur  aut  nocentes  iustificentur.  Man  sieht,  diiss  Tassilo  als 
Null  behandelt  wird. 

1)  Einleitung  S.  457:  Si  in  aetate  tenerulus  in  sensu  sanctae  scrip- 
turae  precessoribus  tuis  maturior  appareris. 

2)  Urkunde  für  Kremsmünster  (M.  H.  XXVIIJ,  1  S.  190  t.j:  Bone 
memorii  antecessores  mei  in  quantum  potuerunt  res  suas  Deo  deuouerunt, 
ecclesias  dei  construxerunt  easque  suis  opibus  ditauerunt,  monasteria  quoque 
8tuduerunt  construere  et  non  modicas  ad  easdem  pecunias  tradere. 

3)  L.  c.  S.  197. 

4)  S.  in  Bezug  auf  Salzbur«,'  Indii'.  Arn.  't  S  17.  vgl.  mit  3  inid  4, 
tlen  Schenkungen  Hutbert«  und  Odilo.-<. 

5)  Daa  letztere  ei-giebt  sich  daraus,  dass  nach  Ta-ssilos  Absetzung  die 
Klöster  Pfarreien  zurückgeben  mussten.  Chiemsee  unter  Alit  Liutfrid  (Meichel- 
beck,  Hist.  Frising.  I,  2  S.  91  Nr.  120  und  Münch.  Abh.  XII.  1  S.  219  Nr.  13), 
Tegernsee  unter  Abt  Meginhart  (1.  c.  S.  92  Nr.  121),  Isen  unter  Abt  Cun- 
dhari  (1.  c.  I  S.  94). 

6)  V.  Corbin.  3-5  f.  S.  270.     Über  Valentin  .".  Bd.  l  S.  348. 

7)  Ann.  Admunt.  z.  772  M.G.  Scr.  IX  S.  .572. 


—     417     — 

Doch  hatten  die  kirchhcheu  Verhältnisse  in  mancher  Hinsicht 
Gewinn  von  Tassilos  Massregeln. 

Besonders   wnrde   die  Regelmässigkeit   in    der  Besetzung  der 
Bistümer  kaum  gest<)rt. 

In  Salzbm'g  lag  mehr  als  drei  Jahrzehnte  lang  die  Leitung 
in  den  Händen  Yirgils.^)  Xachdem  er  seit  dem  Jahre  747  als  Abt 
von  St.  Peter  die  Diözese  regiert  hatte,  entschloss  er  sich,  dem 
Wunsche  des  Volks  und  des  Klerus  nachgebend,  sich  die  bischöf- 
liche Weihe  erteilen  zu  lassen.  Seit  dem  15.  Juni  767  war  der 
Stuhl  Ruperts  wieder  mit  einem  Bischof  besetzt.-)  Virgil  war. 
wie  wir  uns  erinnern,  ein  Kelte;  aber  er  tlihlte  sich  als  Nachfolger 
des  fränkischen  Missionars.  Ilmi  zu  Ehren  hat  er  in  Salzburg 
eine  neue  geräumige  Kirche  erbaut;  im  Jahre  774  wurden  Ruperts 
Gebeine  dorthin  übertragen.'^)  So  erhielt  Salzburg  seinen  Heihgen. 
Aber  es  lag  Virgil  doch  nicht  nur  daran,  dm-ch  diesen  Bau  das 
Gedächtnis  an  den  Gründer  der  Salzburger  Kjrche  zu  erhalten: 
er  hat  die  Airfzeichnungen  über  Ruperts  Thätigkeit  veranlasst,^) 
welche  wir  noch  besitzen:  nicht  nur  ein  gi'osser  Heiligenname, 
sondern  die  Erinnerung  an  einen  tüchtigen  Mann  sollte  der  Salz- 
burger Kirche   gewahrt   bleiben.     Die  Anlage   des  Verbrüderungs- 


1)  Vgl.  Bd.  I  S.  525,  552  ff. 

2)  Convers.  Bagoar.  2  (M.G.  Scr.  XI  S.  6|.  Strakosch-Grossmann,  Gesch. 
d.  Deutschen  in  Ö.  I  S.  399  behauptet,  das  Jahr  747  sei  das  Jahr  der 
Bischofsweihe  Y.'s  und  die  Angabe  der  Conversio  sei  ein  alter  Schreibfehler. 
Mit  Unrecht.  Denn  Bonif.  ep.  80  S.  360  beweist,  dass  V.  i.  J.  748  noch 
nicht  konsekriert  war;  er  heisst  noch  Presbyter.  Die  Notizen  der  Brev. 
notit.  Vin,  5  und  XIII  reden  denn  auch  nur  von  der  Leitung  des  Bistums 
durch  ihn  seit  dem  letzten  Jahr  Odilos.  Seine  Grabschrift,  Poet.  lat.  II 
S.  639,  s.  u.  S.  418  Anm.  5,  spricht  von  beinahe  vierzigjähriger  Amtsfühi-ung. 
Mit  Recht,  da  er  784  gestorben  ist,  s.  u.  S.  419  Anm.  4.  Wenn  die  kel- 
tischen Annalen  ihn  im  30.  Jahre  seiner  Bischofswürde  sterben  lassen.  N.A. 
XVn  S.  211,  so  kann  dies  gegenüber  der  Angabe  in  der  Salzburger  Denk- 
schrift nicht  in  Betracht  kommen. 

3)  Ann.  luvav.  mai.  S.  87;  min.  S.  88.  Nach  den  Zusätzen  zur  con- 
vers. Bagoar.  c.  5  S.  8  begann  Virgil  den  Bau  im  Jahre  767  und  fand  die 
Weihe  im  Jahre  773  statt.  Dabei  werden  zwei  Kapellane  Ruperts,  Kuniald 
und  Gisilar  genannt.  Alkuins  Inschrift  für  die  Kirche  Poet.  lat.  I  S.  340 
Nr.  109,  24. 

4)  Büdinger  (Oesterr.  Gesch.  I  S.  101)  hat  diese  Ansicht  ausgesprochen, 
wogegen  Wattenbach  (GQ.  I  S.  116  5.  A.)  sich  ablehnend  verhält.  Der  Bd.  I 
S.  358  Anm.  2  gelieferte  Nachweis,  dass  die  Gesta  s.  Hrodberti  älter  sind 
als  die  breves  notitiae  Salisb.,  verleiht  jedoch  der  Annahme  Büdingers  die 
höchste  Wahrscheinlichkeit. 

H au ck,  Kirchengeschichte.   11.    2.  Aufl.  ^' 


—     418     — 

])uchs  von  8t.  Poter  lässt  nacli  piner  anderen  Seite  einen  Blick  in 
die  Gedankenwelt  tlnin.  in  welcher  \'irgil  lebte.  Es  ist  784,  in 
seinem  letzten  Lebensjahr  hergestellt,  und  entiiält  ein  Verzeichnis 
aller  derjenigen,  welche  Wert  darauf  legten,  in  geistiger  Gemein- 
schaft mit  dem  Petei-skloster  zu  stehen;  die  fünf  bairischen  Bis- 
tümer, sechzehn  bairische  und  die  zwei  fränkischen  Klöster  St. 
Denis  und  Ellwangen  gehörten  dieser  Vereinigung  an.  Indem 
man  auch  die  Xamen  der  Patriarchen  und  Projjheten.  Apostel. 
Märtyrer  und  anderer  Heiligen  autuahm,  erhielt  nuui  eine  Art  Ab- 
l>ild  der  grossen,  das  Jenseits  und  Diesseits  zusammenschliessenden 
Gemeinde  der  Heiligen,')  deren  Glied  das  Kloster  sein  wollte. 
Das  alles  zeigt  den  idealen  Zug  im  Wesen  Virgils.  Im  i)raktischen 
Tjeben  bewies  er  sich  als  ein  energischer  Mann,  der  von  dem.  was 
er  als  sein  Recht  erkannte,  nicht  um  eine  Hand  breit  zurückwich. 
Er  beugte  sich  weder  der  Autoiität  des  Bonifa tius.  noch  der  Ge- 
walt seines  Fürsten:  wie  er  jenem  widerstand,  als  er  seine  Ent- 
scheidung für  inig  hielt,-)  so  opponierte  er  diesem,  als  er  das 
Salzbnrger  Stift  durch  ihn  geschädigt  glaubte."*)  Auch  war  er  nicht 
Mönch  genug,  um  in  der  Gründung  eines  Klosters  unter  jeder  Be- 
dingung etwas  Gutes  zu  sehen:  als  der  Graf  Günther  die  Zelle 
Otting  stiftete,  konnte  er  A'irgils  Zustimmung  nur  unter  der  Be- 
dingung erlangen,  dass  er  das  Kloster  an  die  Salzburger  Kirche 
überliess:  auch  Virgil  handelte  nach  dem  Grundsatze,  dass  die 
bischöflichen  Kechte  über  die  Klöster  unangetastet  l)leiben  müssten.'') 
Er  selbst  hat  kein  Kloster  gegründet,  dagegen  baute  er  in  seiner 
Diözese  eine  Menge  Kirchen.'')  Seine  Thätigkeit  beschränkte  sich 
nicht  auf  die  Verwaltung  seines  Bistums:  er  hat  die  Missionsthätig- 

1 ;  Vergleiche  Karajan  in  der  Einleitung  zu  seiner  Ausgabe  des  Ver- 
brüderungsbuchs S.  VIII,  Herzberg-Fränkel,  N.A.  XII  S.  62  ff.,  Mitth.  des 
Inst.  XIV  S.  129  ff.  und  Ebner,  Gebetsverbrüderungen  S.  39,  101  ff. 

2)  S.  Bd.  I  S.  5.53. 

3)  Streit  über  die  Maxiinilianszelie  im  Pongau,  Indio.  Arn.  8,  6  f.  S.  26; 
Hrev.  notit.  8  S.  33. 

4)  Brev.  notit.  13  S.  37.  Die  Weihe  der  Kirche  fand  im  .Jahre  767 
zu  Ehren  des  Stephanns  statt:  der  Salzburger  Bischof  sollte  das  Recht  haben 
regendi  ipsam  familiam.  abbatemque  ibi  ordinino  et  monachos  de  ipsa  sede 
ibidem  ponere  sive  canonicoa.     Otting  liegt  bei  Waging. 

.5)  Grabschrift  Virgils  (Poet.  lat.  II  S.  639)  v.  4  ff.: 
Quique  regebat  ovans  praesentis  culmina  sedis 
Fermo  qnaterdenos  caris  cum  fratribus  annos, 
A  quiVms  ille  et  amatus  erat,  pie  fjuog  et  amavit. 
Interim  et  erexit  pulchro  molimine  multa 
Templa,  loco  quaedam  nunc  quae  ceiiiuntur  in  isto. 


—     419     — 

keit  unter  den  slawischen  Stämmen  im  Gebirge  begonnen.^)  In 
seiner  Diözese  und  über  deren  Grenzen  hinaus  stand  er  in  hoher 
Achtung;  man  sprach  von  ihm  als  von  einem  frommen  und  be- 
rühmten Mann.-)  Pohtisch  ist  er  nicht  hervorgetreten.  Aber  die 
Annahme,  dass  er  ein  Gegner  der  fränkischen  Pohtik  gewesen  sei, 
ist  ebenso  unwahrscheinlich  wie  die  andere,  dass  er  dem  kirchlichen 
Einfluss  Roms  entgegen  gearbeitet  habe.'') 

Als  er  im  Jahre  784  starb. ^)  scheint  die  Leitung  für  kurze 
Zeit  waeder  an  den  Abt  von  St.  Peter  gekommen  zu  sein.'*)  Doch 
schon  im  Jahre  darnach  erhielt  Salzburg  wieder  einen  eigenen 
Bischof:  am  11.  Juni  785  wurde  Arn  zum  Nachfolger  Virgils  ge- 
weiht.^') 

Man  sieht  in  Arn  ein  Landeskind.  Im  Jahre  758  gmndete 
ein  ge^^^sser  Haholt,  der  im  Isengau  begütert  war,  ^uf  den  Rat 
des  Bischofs  Joseph  von  Freising  eine  Kirche  auf  seinem  Erbgut 
zu  Bittlbach.  Es  war  eine  Yotivkirche.  Haholt  war  tödlich  ver- 
w'undet  und  hoffte  durch  dies  gute  Werk  Heilung  zu  erkaufen. 
Indem  er  die  Stiftung  an  JPi'eising  übergab,  weihte  er  seinen  Sohn 
Arn  dem  geisthchen  Stande.  In  dem  Knaben,  der  aus  einem  so 
tragischen  Gninde  zum  Kleriker  bestimmt  wm'de,  tindet  man  den 
späteren  Erzbischof.    Aber  diese  Annahme  lässt  sich  nicht  aufrecht 


1)  Convers.  Bagoar.  5  S.  7.  Wir  hören  dabei  von  einem  Bischöfe 
Namens  Modestus,  den  er  nach  Kärnten  sandte. 

2)  Arn  bezeichnet  sich  in  einem  nach  Italien  gerichteten  Zettel  als 
successor  religiosissimi    et  famosissimi  Virgilii  (M.G.  Ep.  IV  S.  498  Nr.  .3). 

3)  Beide  Annahmen  sind  gewöhnlich;  vgl.  z.  B.  Abel,  JB.  I  S.  218. 
Der  ersten  widerspricht  die  Thatsache,  dass  er  durch  Pippin  nach  Baiern 
"kam,  s.  Bd.  I  S.  553,  und  dass  er  das  Andenken  des  fränkischen  Bischofs 
in  Salzburg  erneuerte,  der  andern  seine  an  Zacharias  gerichtete  Beschwerde, 
Bonif.  ep.  68  S.  886.  Übrigens  schliessen  sich  beide  Vermutungen  aus. 
Denn  Tassilo  war  ebenso  devot  gegen  die  Kurie  (vgl.  die  Taufe  seines  Sohnes 
durch  den  Papst,  Ann.  Adm.  z.  772  M.G.  Scr.  IX  S.  572),  wie  feindselig 
gegen  Karl.  War  also  Virgil  eine  Stütze  Tassilos,  dann  war  er  sicher  kein 
Gegner  Roms. 

4)  Ann.  luvav.  mai.,  Salisb.  z.  J.  784.  Ann.  Emmer.  notieren  den  Tod 
des  Bischofs  z.  J.  785;  die  keltischen  Annalen  zu  789,  s.  N.A.  XVII  S.  211. 
Die  Angabe  hat  kein  Gewicht.  Denn  da  die  Annalen  der  vier  Meister  784 
haben,  so  ist  auf  den  ersten  Blick  klar,  woher  der  Fehler  kommt.  Es  i.st 
eine  deutsche  Nachricht  am  unrechten  Ort  eingetragen. 

5)  Daraus  wird  sich  erklären,  dass  Abt  Beretrich  in  die  Salzburger 
Bischofslisten  kam  (M.G.  Scr.  XIII,  353j,  ohne  doch  je  Bischof  von  Salzburg 
gewesen  zu  sein. 

6)  Ann.  luvav.  min. 

27* 


—     420     — 

erhalten.*)  Die  Frcisiimer  Diözese  wird  gleichwohl  Anis  Heimat 
gewesen  sein;  mim  kann  es  daraus  schliessen,  dass  er  am  Krei- 
singer  Dom  zum  Kleriker  erzogen  Avurde.')  Vielleicht  gehörte  sein 
Geschlecht  zu  den  zahlreichen  wälschen  Familien,  die  sich  in 
Baiem  fanden.  Denn  sein  Aussehen  war  nicht  das  eines  Deut- 
schen: seine  Freunde  nannten  ihn  wohl  den  schwarzen  Arn.'')  Im 
.Jahre  7 (35  wai-  er  Diakon ,"')  77(i  Priester. i  Daini  verliess  er 
F>aiern:  seit  778  kommt  s(Mn  Name  in  den  Freisingc-r  Urkunden 
nicht  mehr  vor.  A\'ir  hahen  früher  der  Stiftung  des  Hischofs 
Amandus  in  Ein»,  gedacht:")  dort  wurde  er  Mönch.  Was  mag 
ihn  bewogen  haben.  Baiem  mit  den  Niederlanden  zu  vertauschen 
und  aus  einem  Weltgeistlichen  ein  Mönch  zu  werden?  Man  kann 
kaum  annehmen,  dass  er  für  den  (Tcdanken  der  asketischen  \'oll- 
kommenheit  begeistert  war:  denn  dies  Ideal  hat  sein  späteres  Leben 
nicht  beheri-scht.  Wahrscheinhcher  ist.  dass  er  die  theologische  und 
literarische  l^)ildung.  die  dnii  die  Heimat  nicht  darbot,  in  der  b'remde 
suchte.  Freihch  ein  Gelehrter  oder  Schriftsteller  ist  er  auch  nicht 
geworden:  die  praktische  Begabung  überwog  bei  ihm  weit  die  theo- 
retische Neigung.  Aber  er  war  keine  einseitige  Natur.  Alkuin 
rühmt  seinen  offenen  Sinn  für  Fragen  der  Wissenschaft:  er  habe 
nicbt  nur  eine  gi'osse  Bibliothek  besessen,  sondern  seine  Bücher 
auch  gelesen;')  man  konnte  ilmi  mit  einem  neuen  AVerk  eine 
Freude  machen.'')    Den  Meinungen  anderer  gegenüber  bewahrte  er 

1)  Urkunde  Haholta  bei  Meichelbeck  (Hist.  Fris.  1,  1  S.  b><.).  Diese 
Venvertung  der  Urkunde  bei  Rettberg  (KG.  D.s  II  S.  238),  ihm  folgt  Graf 
Hundt  (Münch.  Abb.  XII  S.  187),  dagegen  hat  v.  Zeissberg  (Wiener  SB.  43 
S.  305  f.)  dargethan,  das-s  Rettbergs  Hypothe.se  unhaltbar  ist.  Nach  der 
Urkunde  bei  Meichelbeck  (I,  2  S.  264  Nr.  502j  lebte  Haholts  Sohn  noch  im 
Jahre  826.     Poatilinbach  =  Bittlbach  bei  Dorfen. 

2)  Da  Am  im  .Jahre  776  Priester  war,  ist  er  spätestens  im  .Jahre  746 
geboren. 

3j  Ale.  ep.  1Ü4  .s.  :j21;  239  S.  384. 

4)  Meirhelbeck,  1.  c.  I,  2  S.  32  Nr.  13.  Weitere  von  Arn  als  Diakon 
unterschriebene  Urkunden  sind  Nr.  14  S.  33;  19-21  S.  36  f.:  27—29 
S.  43  f.;  35—36  S.  49  f.;  42  S.  53;  48  S.  56;  die  letzte  im  28.  Jahre  Tassi- 
l08  =  775. 

5)  Meichelbeck.  1.  c.  Nr.  52  .S.  ."^s  aus  dem  29.  .fahre  Ta.ssilo.'",  54  S.  59 
aus  dem  30.  Jahre  des  Herzogs.  Auffällig  ist,  dass  in  Nr.  57  S.  00  aus 
dem  Jahre  778  Arn  wieder  zu  den  Diakonen  gerechnet  ist:  Rettberg  nimmt 
einen  Schreibfehler  an.  Die  angeführte  Urkunde  ist  zugleich  dio  letzte, 
in  der  Arn«  Name  vorkommt. 

6)  Bd.  T  8.  314. 

7)  Ep.  113  S.  166. 

8)  Ale.  carm.  76.  3  S.  298. 


—     421     — 

sicli  die  Freiheit  des  Uiieils:  nicht  alles,  was  eine  Autorität  wie 
Augustin  aussprach,  nahm  er  gläubig  hin.  Er  verhehlte  es  nicht, 
wenn  ihm  ein  Satz  nicht  einleuchtete:  dann  liess  er  sich  wohl  von 
Alkuiu  belehren.^)  l'ber  dogmatische  Fragen,  wie  den  Unterschied 
der  Begrifte  substantia,  essentia  und  subsistentia,-)  und  über  gottes- 
dienstliche Einrichtungen,  wie  den  Gebrauch  der  Busspsalmen,") 
hat  er  noch  als  Erzbischof  Unterweisung  verlangt. 

Sein  organisatorisches  Talent  muss  sich  in  Elno  rasch  bemerk- 
Hch  gemacht  haben;  er  war  kaum  einige  Jahre  Mönch,  so  Avurde 
er  an  die  Spitze  des  Klosters  gestellt.*) 

Für  sein  weiteres  Leben  war  der  Aufenthalt  in  dem  fi-änkischen 
Kloster  besonders  deshalb  von  Wichtigkeit,  weil  er  dort  in  Be- 
ziehungen zu  dem  Gelehrtenhofe  Karls  trat.  Seit  781  befand  sich 
Alkuin  in  der  Umgebung  des  Königs.  Mit  keinem  anderen  Deut- 
schen ist  er  so  eng  beti-eundet  worden  als  mit  Am.  Die  Briefe, 
welche  er  an  ihn  richtete,  sind  Denkmäler  der  gegenseitigen  Achtung 
und  des  rückhaltslosen  Vertrauens,  wovon  die  so  verschieden  ge- 
arteten Männer  gegen  einander  erfüllt  waren. 

Nicht  minder  musste  sich  Arn  zu  xlngilbert  hingezogen  fühlen : 
beide  waren  in  mancher  Hinsicht  verwandte  Naturen.  Auch  von 
den  Briefen  Angilberts  an  Arn  sind  ein  paar  auf  uns  gekommen.-^) 
Man  bemerkt,  dass  es  ihm  mehr  Mühe  machte  als  Alkuin,  sich 
in  den  herkömmlichen  gewichtigen  Phrasen  zu  bewegen:  er  hand- 
habte sie  ungeschickter  und  eilte  überall  zu  kurzen  sachlichen 
Mitteilungen  fort,  die  für  seineu  Fremid  AVert  hatten.  Es  sind 
Briefe  eines  in  den  praktischen  Verhältnissen  lebenden  Mannes. 

AVie  den  Gelehrten,  so  trat  Am  auch  dem  König  nahe.  Karl 
hat  Vertrauen  in  ihn  gesetzt.  Arns  Ernennung  für-  Salzburcr  ginor 
direkt  oder  indii-ekt  von  ihm  aus.'^) 


1)  Ale.  ep.  268  S.  427:  Hoc  vcro,  quod  vos  legisse  dicitis  dictum  in 
opusculis  s.  Augustini,  quod  Deus  nee  necessitate  nee  voluntate  filium 
genuisset,  sed  natura,  bene  arbitraraur  dictum. 

2)  L.  c.   S.  426. 

3)  L.  c.  243  S.  389. 

4)  Aan.  Elnon.  mai.  z.  J.  782  (M.G.  Ser.  V  S.  11).  Der  Tag  (26.  Mai) 
ist  in  einer  Notiz  des  Cod.  Vindob.  387  angegeben  (s.  v.  Zeissberg,  Wiener 
SB.  XLIII  S.  809  Anm.  1).  Gislebert  starb  am  23.  Mai  (Ann.  S.  Amandi 
z.  J.  782).  Mau  eilte  mit  Arns  Erwählung  offenbar  so  sehr,  um  seine 
"Weihe  am  Pfingstfest  vornehmen  zu  können.  Es  fiel  im  Jahre  782  auf  den 
26.  Mai. 

5)  Ep.  Carol.  13—15  S.  365  ff.  =  Ale.  ep.  147,  151,  152  S.  236  ff. 

6)  Indic.  Arnon.  S.  15:  übi  preest  uenerabilis  uir  per  diuinam  miseri- 
cordiam  et    mercedem   domni  nostri   Caroli   excellentissimi  regis  Arn    epi- 


_     422     

Als  Bischof  btnvährte  er  sich  in  jeder  Hinsicht.  Die  wissen- 
schafthche  Anregung,  welche  Karl  der  fränkischen  Kirche  geboten 
hatte,  wurde  durch  ihn  nach  Baiern  übertragen.  Gelehrt  und  ge- 
lernt hat  man  dort  allerdings  schon  früher;  schon  Rupert  hatte 
sein  Kloster  zugleich  als  Unterrichtsanstalt  eingerichtet.')  Der  Kuf 
der  Gelehi-samkeit  Yirgils  lässt  darauf  schliessen,  dass  auch  er  als 
Lelu-er  Erfolge  erzielte.-)  Doch  erst  unter  Arn  wurde  die  Wisseu- 
schatt  in  Salzburg  heimisch.  Er  ist  der  Gründer  der  Salzburger 
Bibhothek;  den  Grundstock  wird  er  aus  Elno  mitgel)racht  haben ;^) 
die  meisten  Abschriften  aber  wurden  in  Salzburg  seli)st  angefertigt: 
man  hat  ihn  noch  im  12.  Jahrhundert  deshalb  gerühmt,  dass  er 
mehr  als  löO  Bände  habe  schreiben  lassen.^)  Er  dachte  dabei 
nicht  nur  an  Vervielfältigung  älterer  Werke:  auch  dann  zeigt  sich 
die  Fi-eiheit  seines  Urteils,  dass  er  die  Schnften  der  Zeitgenossen 
zu  schätzen  wusste:  ihm  verdanken  wir  die  Erhaltung  eines  grossen 
Teils  der  Bnete  Alkuins.'')  Es  harmoniert  hiemit,  dass  er  im  An- 
schluss  an  ältere  Aufzeichnungen,  die  er  wahrscheinlich  Alkuiii 
verdankte,  in  Salzburg  Annalen  abfassen  liess:")  die  Ereignisse 
der  Gegenwart  sollten  unvergessen  bleiben  wie  die  der  Vergangen- 
lieit.  Wenn  er  Alkuin  bestimmte,  seinen  Schüler  Wito  als  Lehrer 
nach  Salzburg  zu  senden,  so  sieht  man.  welchen  Wert  er  darauf 
legte,  dass  in  seiner  Schule  im  Geist  Alkuins  gelehrt  werde.  Und 
doch  unterschied  er  sich  in  einem  Punkte  von  seinem  gelehrten 
Freund:  er  wusste  das  Nationale  besser  zu  schätzen  als  dieser. 
In  Salzbuig  lehrte  man  auch  die  Theologie  in  deutscher  Sprache. 
Alkuin  musste  Wito  seinen  Schüler  Aedill)ert  zur  Seite  stellen,  der 
des  Deutschen  mächtig  war:  er  sollte  ihm  als  Dolmetscher  dienen.') 

pcopus.  V.  Zeissberg  (S.  311)  denkt  anTa.ssilo;  über  es  ist  ilocb  so  unwabr- 
scheinlicb  als  möglich,  dass  er  freiwillig  den  Abt  eines  fränkischen  Klosters 
gewühlt  haben  sollte. 

1)  Indic.  Arn.  ><,  4  S.  25:  (Tonazaniis  et  Ureus)  nepotes  eorum  com- 
mendauerunt  ad  discendnm  et  ad  ton<lenduni  ad  Salzburch  monasterium. 
Vgl.  brev.  not.  8.  11  S.  30:  Ad  discendas  litteras  et  ofHcium  Dei.  Die 
Namen  der  Jünglinge  Wemhar  und  Dukissinius.  Der  letztere  ist  vielleicht 
der  im  Verbriidcrungsbuch  unter  den  Ciestorbenen  genannte  Priester  und 
Mönch  dieses  Namens  (50,  2  S.  11). 

2)  Grabschrift  v.  1:  Doctn.'*  sacordos,  Poet.  lat.  11  S.  639. 

3)  Foltz  (GeHch.  der  Salzb.  Bibliotheken  S  7)  vermutet  das  von  dem 
Evangeliarium .     welches     der    Angelsachse    Cutberht    schrioli.    jetzt    Cod. 

Vindob.  1224. 

4)  Salzb.  Nekrolog.  Archiv  f.  Kunde  österr.  GQ.  XXV 111   .S.  lö. 

5)  Sickel,  Wiener  SB.  79  S.  48ß. 

6)  Ann.  juvav.  mai.     S.  Wattenbach,   GQ.   I  S.  149. 

7)  Ale.  ep.  156  S.  253  f. 


—    42:5    — 

Die  Schule  war  besonders  deshalb  notwendig,  weil  die  Zahl 
der  Kirchen  sich  rasch  vermelu-te.  Man  darf  wohl  annehmen,  dass 
(he  Yei-teilung  des  Landes  in  Pt'arrsprengel  unter  Arn  zu  einem 
gewissen  Abschluss  kam.  Wie  gross  ihre  Zahl  war,  ^nssen  wir 
nicht;  aber  im  Verhältnis  zur  Bevölkerungszitt'er  war  sie  schwerhch 
geringer  als  gegenwärtig,  gab  es  doch  in  den  vier  Gauen  Salzburg- 
gau, Chiemgau,  Isengau  und  Innthal  siebenundsechzig  dii'ekt  vom 
Bistum  abhängige  Kirchen.^)  Eine  Vermehi'ung  war  deshalb  kaum 
mehr  ein  Bedüi-ftiis. 

Auch  die  Besitzverhältnisse  des  Bistums  liess  Arn  nicht  ausser 
Acht.  Alsbald  nach  der  Absetzung  Tassilos  liess  er  ein  Yerzeich- 
nis  derjenigen  Güter  zusammenstellen,  w-elche  aus  dem  herzoglichen 
Eigentum  an  die  Salzburger  Kirche  gekommen  w^aren.-)  Es  wird 
Karl  vorgelegt  worden  sein,  der  nicht  lange  darnach  den  gesamten 


1)  Indic.  Arn.  6,  26  fi'.  S.  21  flF.  Im  Salzburggau:  Seekirchen  (Ad  See), 
Eigendorf  an  der  Fischach  (lubindorf),  Anthering,  Beuern  (ad  Buriom), 
St.  Georgen  bei  Laufen,  Eching  (ad  Achingas),  Figaun  (ad  Fuginas),  Gredig 
(Crethica),  Anif  (ad  Anna),  Lifering,  Wals  (Uualahuouis),  Marzoll  (ad  Mar- 
ciolas),  Reichenhall  (ad  Saunas  quod  dicitur  Hai),  Tengling,  Kirchheim  bei 
Titmaning,  Palling  (ad  Baldilingas),  Schilding  (Schildarius),  Brünning,  Tyr- 
aching  (Deorlekinga),  Oberbuch  (Pohkirch).  Im  Chiemgau:  Kirchweidach 
(Uuidaha),  Tacherting,  Erlstatt  (Erlastedi).  Im  Innthal  (pagus  Inter  valles): 
Ratfeld,  Brixlegg  (Prissiech),  Kundl  (ad  Quantalas).  Brixen  bei  Kitzbüchel, 
Pirchnawanch  (?  Kirchdorf,  Kirchbüchl),  Kufstein  (Caofstein),  Ebbs  zwei 
Kirchen  (ad  Episas),  ad  Oriano  monte  (?),  Nussdorf,  Ressholzen  (Hrossulza), 
Beuern  (ad  Burones),  Rohrdorf,  Lauterbach  (Lutrinpach),  Höhenmoos  (Huin- 
mos),  Riedering  (ad  Hrodheringas),  Sims  (Sinsa).  Im  Isengau:  Flossing, 
Zeilarn  (Zidlar),  Obertürken  (Turtin),  Ober-  und  Untertiefstätt  (Diupstadum), 
4  Kirchen  an  der  Rott,  Buchbach  (Pohpah),  Lohkirchen,  Weilkirchen  (Wila), 
Holzen  (zwei  Ortschaften  dieses  Namens  jede  mit  einer  Kirche),  Oberberg- 
kirchen (Perk),  Pohkirc  (?j,  Stephanskirchen,  Isen,  St.  Johann,  Buchbach, 
Loinbruck  (Liubin),  Ober-,  Unter-,  Frauen-Oniau  (Aharnouua),  Pozchurdorf  (?j, 
Reichersham  (Richerihusir),  Oberdietfurt  (ad  Rota,  ubi  Boninaha  in  ipsa 
Rota  ingreditur).  Arn  nennt  hier  nur  die  Kirchen,  welche  dem  Bistume 
gehörten.  Die  Zahl  der  Kirchen  in  Privatbesitz  war  schwerlich  geringer, 
vermutlich  grösser;  doch  lassen  sich  aus  naheliegenden  Gründen  nur  wenige 
Kirchen  namhaft  machen:  Thalgau,  ind.  7,  4  S.  24;  Torleheim  ('.•')  br,  not. 
5,  3  S  32;  Adnet,  9,  4  S.  36;  Lauterbach  (Louftinbach)  bei  Laufen,  13,  12, 
S.  38;  Mögling  (Megilingen),  18,  8  S.  47:  Haselach,  23,  3  S.  48.  —  Die  Er- 
klärungen der  Namen  nach  Keinz. 

2)  Indic.  Arn  8,  8  S.  26 :  Notitiam  istam  ego  Arn  una  cum  consensu  et 
licentia  domni  Karoli  piissimi  regis  eodem  anno,  quo  ipse  Baioariam  regi- 
onem  ad  opus  suum  recepit,  a  uiris  ualde  senibus  et  ueracibus  diligentissime 
exquisiui,  a  monachis  et  laicis,  et  conscribere  ad  memoriam  feci- 


—     424     — 

"Besitzstand  des  Bistums  bestätigte.^)  Etwas  jünger  ist  ein  zweites, 
allgemeineres  Güterverzeichnis,  das  durch  mancherlei  histoiische 
Notizen  aus  der  Ui-sprungszeit  Salzburgs  besonderen  Wert  für  uns 
erhält.-)  Beweisen  diese  Urkunden,  dass  seit  den  Tagen  Rujiei-ts 
der  Besitz  der  von  ihm  gegründeten  Kirche  rasch  eine  ansehnliche 
Höhe  erreicht  hatte,  so  bleibt  doch  Arn  von  dem  Tadel  tr(M.  dass 
er  die  Gunst  der  Herrscher  dazu  missbrauchte,  den  Keichtum  seiner 
Kirche  zum  Schaden  des  Landes' zu  vermehren.  Er  scheint  mehr 
darauf  bedacht  gewesen  zu  sein,  den  Besitz  durch  Umtausch  ent- 
legener Parzellen  gegen  günstiger  gelegene  abzurunden.'')  Endlich 
gewährt  sein  Güterverzeichnis  eine  Vorstellung  von  der  durchschnitt- 
lichen Ausstattung  der  Pfarrkirchen  in  Baiern.  Unter  den  sieben- 
undsechszig  Kirchen,  die  er  nennt,  waren  nur  drei,  denen  eigener 
(ilrundbesitz  fehlte,  dagegen  besassen  dreizehn  einen  Hof,  elf  zwei, 
vierzehn  drei,  zwei  vier  und  fünf,  drei  sechs  Höfe:')  das  durch- 
schnittliche Mass  des  Besitzes  war  demnach  vermutlich  etwas  grösser 
als  im  übrigen  Reiche. 

Nicht  unerwähnt  darf  bleiben,  dass  Arn  in  der  PHege  der 
Kunst  dem  N'orbilde  Karls  nacheiferte.  Seine  Bauten  in  St.  Amaud 
wie  in  Salzburg  dienten  nicht  in  erster  Linie  dem  Bedih-fniss:  sie 
waren  hervorgerufen  durch  die  Freude  am  Schönen. '''')  Dort  ge- 
staltete er  die  enge  Krypta  zu  einem  geräumigen  Oratorium,  wie 
es  scheint,  zu  einer  dreischiffigen  Kapelle.")  Es  ist  eines  der  ersten 
Beispiele  derartiger  Umbauten.')  Für  den  Leichnam  des  Amandus 
liess  er  einen  neuen  Sarkojjliag  herstellen;**)  auch  der  Haupteingang 


1)  Urkunde   Karls   vom   Dezember   790   (B.M.   301).     Über   das  .lulir   s. 
Mnhlbacber  S.  116. 

2)  Keinz  S.  27:  Hie  continentur  breves  notitiae  de  constructione  eccle- 
siae  sive  sedia  opiscopatus  in  loco,  qui  dicitur  luvavo. 

3)  Vpl.  V.  Zeissber?  a.  a.  0.  S.  378. 

4)  Indif..  i;,  26—28  s.  o.  S.  423  Anm.  1.    Bei  den  übri^on   Kirchen  ist 
der  Besitz  nur  allgemein  angedeutet:  cum  territorio. 

5)  Wir  wissen  von  den  Bauten  Arns  nur  durch  die  zumeist  von  Alkuin 
verfa.ssten  Inschriften. 

6)  Die    Kirche   war  von    Arns    Vor<:iinfrer,    Bischof  (iislebert,    gebaut 
Ale.  carm.  88,   1  S.  305).     Cber  den  Kryptenbau  m,  4  S.  306  v.  4  ff.: 

Tu.Mserat  in  melius  renovari  haec  oninia  praesul, 

Latior  ut  fieret  cripta  et  subliraior  ista, 

Supponens  tectis  firmatos  tor  quater  arcus, 

Mysticus  ut  totani  firniiiret  caloulus  aulam. 
7i  Kin  zweites  lernt  man  au.n  der  Urkunde  Ludwigs  d.  Fr.  für  Hilduin 
von  St.  Denis  vom  20.  Januar  838  Bouq.  VI,  .588  kennen. 
8)  Air.  oarra.  88,  14  S.  308. 


—     425     — 

der  Kirche  wurde  erneuert:^)  beides  Belege  dafür,  dass  er  die 
Werke  der  Bildhauerkunst  zu  schätzen  wusste.  Dass  er  die  Malerei 
nicht  vernachlässigte,  zeigen  Alkuins  Verse  für  die  Peterskirche  in 
Salzburg:  denn  liei  den  Bildern  der  Apostel,  für  welche  zwölf 
Disticha  bestimmt  waren,-)  liegt  es  näher,  an  Wandgemälde  als  an 
plastische  Werke  zu  denken. 

Erinnert  man  sich  endlich,  dass  Arn  mannigfach  politisch 
thätig  wai",  sowohl  im  Dienste  Tassilos^)  als  in  Aufträgen  Karls, 
dass  ihn  der  letztere  mehrfach  als  Königsbote  benützte,'')  dass  er 
seit  dem  Jahre  798  als  Erzbischof  an  der  Spitze  der  bairisclieu 
Kirche  stand')  und  dass  er  die  Mission  in  den  Alpenländern 
energisch  und  erfolgreich  betrieb,*^)  so  hat  man  das  Bild  einer  so 
reichen  Thätigkeit.  wie  sie  kaum  ein  zweiter  der  deutschen  Bischöfe 
unter  Karl  übte. 

Unter  den  übrigen  bairischen  Bischöfen  dieser  Zeit  war  Aribo 
von  Freising,   Erimberts  zweiter  Nachfolger,')   der  hervorragendste, 


1)  L.  c.  7  S.  306.  Arn  ist  hier  nicht  als  der  Erbauer  genannt;  doch 
hat  man  wohl  hier,  wie  bei  den  Altären  (c.  6  und  8—13),  an  ihn  zu  denken. 

2)  In  den  Salzburger  Inschriften  (Ale.  carm.  109  S.  335  ff.)  kommt 
Arns  Name  nur  einmal  vor.  Er  ist  der  Erneuerer  des  Cömeteriums  (15 
S.  338),  dabei  wird  ähnlich  wie  bei  der  Krypta  in  St.  Amand  hervor- 
gehoben, dass  er  an  dem  unschönen  Zustand  des  Bauwerks,  den  er  traf, 
Anstoss  nahm.  Seine  Freundschaft  mit  Alkuin  berechtigt  jedoch ,  an- 
zunehmen, dass  auch  die  übrigen  Inschriften  für  Werke  Arns  bestimmt 
waren.  Sie  sollten  zumeist  an  Altären  angebracht  werden.  Bei  den  zwölf 
Distichen  (c.  o  S.  335)  liegt  eine  ähnliche  Annahme  fern;  wahrscheinlicher 
ist  die  im  Text  gegebene.  Dass  Arn  auch  zur  Verschönerung  der  Kirche 
Ruperts  thätig  war,  ergiebt  sich  aus  carm.  Salisb.  14  (Poet.  lat.  II  S.  647j. 

3)  Ann.  Lauriss.,  Einh.  z.  J.  787. 

4)  S.  die  undatierten  Urkunden  Meichelb.  I,  2  S.  96  Nr.  129  und  M.  B. 
XXVIII,  1  S.  23  Nr.  25,  die  Urkunde  vom  15.  Februar  802  M.  B.  1.  c.  S.  66 
Nr.  83,  die  Urkunde  vom  4.  August  802,  Font.  rer.  Austr.  II,  31  S.  8  ff. 
Nr.  7  und  8,  u.  a.;  vgl.  v.  Zeissberg  a.  a.  0.  S.  336  fl\ 

5)  S.  0.  S.  207  f. 
6j  Darüber  unten. 

7)  Auf  Erimbert  (s.  Bd.  I  S.  491)  folgte  Bischof  Joseph  (s.  vers.  de 
ord.  compr.  pont.,  M.G.  Scr.  XIII  S.  352).  Ihm  schreibt  der  Altaicher 
Bischofskatalog  die  Gründung  des  Klosters  Isen  zu  (1.  c.  S.  358).  Urkunden 
aus  der  Amtszeit  Josephs  bei  Meichelbeck,  Hist.  Fris.  I,  1  S.  48  ff.  und  1, 
2  S.  26  ff.  Nr.  4 — 12,  aus  dem  letzten  Jahre  Odilos  bis  16.  Jahr  Tassilos, 
d.  h.  748 — 763.  Als  Todestag  geben  die  Bischofsverzeichnisse  und  das  von 
Dümmler  mitgeteilte  Freisinger  Totenbuch  (Forsch.  XV,  162},  den  17.  Januar 
an.  Da  J.  am  29.  Juni  763  die  Kirche  zu  Scharnitz  einweihte  (Meichel- 
beck I,  2  S.  31  f.  Nr.  12),    so   starb  er  also  764.     Im  Salzburger  Verbrüde- 


—     42(5     — 

der  erste  Tiroler,  der  sich  in  der  Gescliiclite  einen  Namen  geniucht 
liat.')  JNIan  weiss,  wie  eitrig  er  Avar.  den  Keliquienbesitz  seiner  Diözese 
/u  vermehren.-)  Bekannter  noch  ist  er  als  Biograph  der  l)airischen 
Heiligen  Eniinerain  nnd  Kurbinian.'^)  Bewies  er  in  diesen  Schriften, 
dass  er  als  patiiotischer  Baier  empfand/)  so  hinderte  ihn  das  nicht, 
im  Zwiespalt  zwischen  König  nnd  Herzog  sich  auf  des  ersteren 
Seite  zu  stellen.  Tassilo  beklagte  sich,  der  Bischof  habe  für  Karl 
und  die  Franken  mehr  Treue  als  für  ihn.'')  Es  ist  wahrscheinlich, 
dass    er   ihm    deshalb   die  Leitung  des  Bistums  abnahm.")     Allein 

rungsbuch  sind  70,  5,  11,  17  S.  16  und  35,  25  S.  7  die  vier  Freisinger 
Bischöfe  Erimbert,  Joseph,  Arpeo  und  Atto  genannt. 

1)  V.  Gorb.  34  S.  269  liest  man  die  Erzählung  von  der  Lebensgefahr 
eines  Knaben  in  der  Passer,  die  man  auf  ihn  bezieht;  daraus  ergiebt  sich 
seine  Herkunft  aus  Südtirol.  Man  findet  seinen  Namen  als  den  eines 
Zeusen  unter  der  Urkunde  Meichelbeck  I,  1  S.  48  aus  dem  Jahre  748  ohne 
weiteren  Titel.  In  Urkunden  aus  dem  6.  und  8.  Jahre  Tassilos,  also  753  und 
755,  heisst  er  Archipresbvter  (1.  c.  S.  52  f.),  er  muss  also  vor  723  geboren 
sein.  Später  wurde  ihm  die  Leitung  des  Klosters  Scharnitz  übertragen:  s. 
die  Urkunde  bei  Meichelbeck  I,  2  S.  31  aus  dem  16.  Jahre  Tassilos  (763). 

2)  Von  Rom  kamen  die  Reliquien  des  heiligen  Tertulinus  nach  Schie- 
dorf; Urkunde  bei  Meichelbeck  1,  1  S.  75:  Ubi  s.  Tertulinus  requiescit  in 
corpore,  quem  a  sede  Apostolica  Reginpertus  monachus  (der  Gründer  de.s 
Klosters  Scharnitz,  das  auf  Aribos  Rat  nach  Schlcdorf  verlogt  wurde)  con- 
ccdente  Adriano  papa  ad  partibus  Boioariae  me  adiuvanto  perduxit.  All- 
gemein bekannt  ist  die  Übertragung  der  Reliquien  Korbinians  von  Mais 
nach  Freiaing  (V.  Corb.  35  ff.  S.  270f.).  Die  Zeit  bestimmt  sich  nach  der 
Urkunde  bei  Meichelbeck  1,  2  S.  41  f.  Nr.  24:  sie  ist  aus  dem  22.  Jahre 
Ta.98ilos,  also  769,  24.  Februar.  An  diesem  Tage  war  die  Übertragung  Ite- 
reits  vollzogen:  sepulchrura  s.  Corbiniani  .  .  in  loco  Frigisingas.  ubi  ipse 
pretiosus  in  corpore  humatus  esse  cernitur. 

3)  S.  Bd.  I  S.  363  f.  und  366.  Die  V.  Corb.  ist  auf  Anlass  Virgils  ge- 
schrieben und  ihm  gewidmet. 

4)  S.  die  Schilderungen  V.   Euimor.  6;  vgl.   Bd.  1   S.  360. 

5)  Dass  Aribo  zur  fränkischen  Partei  gehörte,  ergiebt  sich  aus  einer 
Urkunde  Attos  (Münchener  Abb.  .\ll.  1  S.  219  Nr.  13).  Hier  heisst  es: 
Quod  Tassilo  dux  atque  Liutpirga  uxor  cius  non  solura  istas  ecclesias  sod 
et  multas  alias  de  eodem  epiHcopatu  iniuste  abstulerunt  propter  invidiam, 
quam  habebant  super  Arbonem  ep.  dicentcs  eum  fidelioreni  esse  domno 
Karolo  regi  et  Francis  quam  vlli.s. 

6)  Aribo  starb  4.  Mai  784  (Ann.  S.  Emmer.  z.  d.  J.  und  Kreisinger 
Totenbuch,  Forschungen  XV  S.  163).  Dagegen  ergiebt  die  Urkunde  bei 
Meichelbeck  I,  1  S.  85  aus  dem  Jahre  782,  dass  Atto  in  diesem  Jahre  als 
Abt  das  Bistum  verwaltete.  Dadurch  wird  die  Annahme,  das.s  Aribo  auf 
die  Leitung  des  Bistums  verzichten  musste,  nahe  gelegt;  s,  (.Traf  Hundt, 
Münchencr  .\bh.  Xll,  1   S.   186. 


—     427     — 

auch  sein  Nachfolger  Atto^)  hielt  sich  zur  fränkischen  Partei. 
Auch  er  hatte  deshalb  die  Abneigung  des  Herzogs  zu  empfinden."-) 
Dieselbe  politische  Haltung  können  wir  bei  den  Passauer  ■^)  und 
Regensburger  Bischöfen  vermuten.  Sidonius  von  Passau  ist  als 
Genosse  Virgils  von  Salzburg  bekannt;*)  die  Annahme  liegt  nahe, 
dass  er  wie  dieser  durch  Pippin  nach  Baiern  gekommen  ist.  Bei 
der  Einweihung  der  Klosterkirche  von  Lorsch  erscheint  Walderich 
von  Passau  in  der  Umgebung  Karls. •^)     Es  ist  das  erste  Mal,  dass 


1)  Der  Name  Attos  begegnet  ohne  Angabe  einer  Würde  in  einer  Ur- 
kunde aus  dem  8.  Jahr  Odilos,  also  744  (Meichelbeck  I,  1  S.  44  f.).  Sie 
gehört  noch  in  die  Zeit  Erimberts.  Als  Priester  schreibt  er  die  Urkunde 
Josephs  von  750  (Meichelbeck  I,  1  S.  49).  Nachdem  Aribo  das  Bistum  er- 
halten hatte,  übertrug  er  Atto  die  Leitung  des  Klosters  Schiedorf  (s.  die 
Urkunde  Aribos  bei  Meichelbeck  I,  1  S.  75).  Seine  Weihe  verlegen  die 
Ann.  Emmer.  mai.  in  das  Jahr  784.  In  zwei  Schreiben  Leos  IIL  aus  den 
Jahren  798  und  800  ist  er  genannt  (J.W.  2495  und  2503).  Er  starb  am 
27.  September  811  (Forsch.  XV  S.  164). 

2)  Vgl.  Meichelbeck,  der  I,  1  S.  96  daran  erinnert,  das  unter  Tassilo 
das  Bistum  zu  Gunsten  der  Klöster  geschädigt  wurde. 

3)  Was  die  Passauer  Bischöfe  dieser  Zeit  anlangt,  so  nennen  die  Verse 
de  ord.  compr.  pontif.  als  Nachfolger  des  Bd.  I  S.  363,  367,  488,  490  ge- 
nannten Vivilo:  Beatus,  Sidonius,  Anthelm,  Wisurich,  Waldrich  (M.6.  Scr. 
XIII  S.  352).  In  den  Katalogen  fehlen  Beatus  und  Sidonius  (1.  c.  S.  362). 
L'rkundlich  sind  Beatus  und  Anthelm  nicht  nachzuweisen;  beide  jedoch  im 
Salzburger  Verbrüderungsbuch,  wie  auch  Sidonius  und  Wisurich  70,  6,  10, 
11,  15  S.  16.  Dagegen  findet  sich  Sidonius  in  einer  Urkunde  aus  dem 
7.  Jahre  Tassilos,  also  754,  als  Bischof  genannt  (M.  B.  28,  1  S.  14  Nr.  15). 
Wisurich  untei-sch reibt  als  Zeuge  eine  wahrscheinlich  unrichtig  um  das 
80.  Jahr  Tassilos  datierte  Pa^sauer  Urkunde  (M.  B.  28,  1  S.  20  Nr.  22)  und 
eine  Freisinger  Urkunde  aus  dem  23.  Jahre  Tassilos  (770;  Meichelbeck  I, 
1  S.  69);  er  war  Teilnehmer  an  der  Synode  von  Dingolfing  (1.  c.  S.  70).  Er 
starb  vor  dem  14.  August  774,  da  an  der  Einweihung  der  Kirche  zu  Lorsch 
bereits  Walderich  teilnahm  (Cod.  Lauresh.  I  S.  18). 

4)  Bonif.  ep.  68  S.  386  u.  80  S.  360. 

5)  Über  die  Einweihung  Ann.  Lauriss.  min.  z.  J.  774  Berl.  SB.  1882 
I  S.  413  und  Chron.  Lauresh.  Scr.  XXI  S.  848  mit  dem  verschriebenen 
Jahr  777.  Walderich  gründete  als  Priester  762  das  Kloster  Scheftlarn 
(M.  B.  VIII  S.  368);  von  den  Passauer  L'rkunden  fällt  eine  verhältnismässig 
grosse  Anzahl  in  seine  Zeit  (M.  B.  XXVIII,  1  Nr.  1  S.  8;  9  S.  9;  10  S.  10: 
14  S.  18;  18  S.  17  u.  ö.).  Kurz  vor  804  nahm  er  an  einer  Zusammenkunft 
in  St.  Emmeram  Anteil  (Meichelbeck  I,  2  S.  92  f.  Nr.  121).  Das  letzte 
sichere  Datum  seines  Lebens  ist,  wenn  die  Veränderung  der  Datierung  der 
Urkunde  M.  B.  XXVIII,  1  Nr.  86  S.  68  richtig  ist,  der  27.  Oktober  803. 
Sein  Nachfolger  Urolf  kommt  in  der  wieder  mangelhaft  datierten  Urkunde 
82  S.  29 f.  vor;  nach  der  Indiktion  gehört  sie  zum  7.  April  806. 


—     42S     — 

or  envähnt  wird;  man  wird  aimelinicn  müssen,  dass  er  gemäss 
dem  bairisclien  Gesetz  ^  daintüs  von  dem  König  das  Bistum  ci-- 
lialtcn  hat.  Vou  Sigiricli  von  Regensburg-)  wissen  wir.  dass  er 
am  Hofe  des  Königs  konsekriert  worden  ist,^)  während  sein  Vor- 
gäuger  Gaubald  einstmals  Oihlo  in  den  Kampf  gegen  die  Franken 
begleitet  hatte. •*)  Sein  Nachfolger  Sindpert '')  bemühte  sich  um  die 
Erhaltung  des  Friedens  zwischen  Tassilo  und  dem  König;  durch 
ihn  hat  der  Herzog  die  Geiseln  dem  König  überge])en,  die  seinen 
Eidbruch  dann  doch  nicht  verhinderten.")  Karl  hat  es  dem  Bischof 
nicht  verübelt;  er  bat  ihm  später  das  Amt  eines  Königsboten  ü})er- 
tragen.'^  Wie  Arn,  so  war  Sindpert  ein  kunstverständiger  Mann; 
man  hat  noch  lange  den  Neubau  von  St.  Emmeram  gerühmt,  den 
er  unternahm.^)  Sindperts  Nachfolger  Adalwin")  und  der  Sebeuer 
Bischof  Alim*")  hatten  ebenfalls  Beziehungen  zum  Mnkischen  Reiche; 
sie  gehörten  dem  Freundeskreis  Alkuins  an. 

1)  Tit.  I.  10  S.  273:  Episcopus  quem  constituit  rex. 

2)  De  ord.  comprov.  pontif.  I.  c.  S.  352  sind  als  Regensbuiger  Hiscliöfe 
nach  Gaubald  (Bd.  1  S.  490)  genannt  Sigivich,  Sindpert,  Adalwin,  Baduricb. 
KrchaniVed.  Die  Kataloge  lassen  Sigirich  aus  (S.  359).  Das  Salzburger 
Verbrüderungsbuch  hat  Sigirich  70,  12  S.  16.  Sindpert  35,  22  S.  7  und 
Baidurich  14,  14  S.  3.  Sigirichs  Name  kommt  im  Cod.  trad.  Niederalt. 
M.  H.  XI  S.  17  vor;  ebenso  im  Salzburger  Verbrüderungsbuch  70,  12  S.  16. 
Kr  starb  den  29.  Septembor  791  (Ann.  Lauresh.,  Chron.  Moiss.  z.  d.  .1. 
Ann.  Maxim.,  M  <;.  S<r.  XIII  S.  22;  Necr.  Weltenb.,  Böhmer,  Fontes  IV 
S.  571). 

3)  De  ord.  compr.  pont.  v.  4:   Krat  sacratus  ad  aulam. 

4)  J.  J.  743,  Ann.  Mett.  z.  d.  .1.  S.  328. 

5)  Kr  ist  756  geweiht,  Ann.  s.  Emmer.  min.  z.  d.  .T. 

6)  Ann.  Lauris.'?.,  Einh.  z.  781  S.  58  f. 

7)  S.  die  Urk.  M.  B.  XXVill,  1  Nr.  59  S.  4». 

8)  Arnold,  do  s.  Emmpr.  II,  24  M.C4.  Scr.  IV  S.  565. 

9)  Er  wurde  792  ordiniprt  und  starb  den  4.  Oktober  817  (Necr.  Welt. 
Ann.  Emmor.  min.).  Über  ihn  Ale.  ep.  264  S.  421:  Vir  valdn  fidelis  et  in 
sancta  devotus  relegiono. 

10)  Die  Verse  de  ordin.  compr.  pontif.  nennen  als  Sebener  Bischöfe 
Ingenuin.  Mastulo,  Johannes,  Alim.  Ingenuin  ist  durch  Paul.  Hist.  liUng.  III, 
26  S.  132  und  III,  31  S.  137,  sowie  durch  die  Unterschrift  der  Eingabe  an 
Kaiser  Mauritius  von  591  (Mnn.'^i  X  S.  466)  als  Bischof  am  Ende  des 
').  Jahrhunderts  sichcrgfstellt.  Daraus  orgiobt  sich,  da.ss  die  Reihe  lücken- 
haft ist.  Von  feinen  Nachfolgern  wissen  wir  kaum  etwas:  Mastulo  ist  durch 
•  treg.  M.  ep.  V,  47  S.  776  als  ein  Kleriker  von  Seben  nachgewiesen:  Kett- 
bergs Zweifel,  ob  er  in  die  Bischofsreihe  gehöre,  scheint  mir  deshalb  un- 
begründot;  über  Alim  s.  Ale.  ep.  193  S.  321  und  208  8.  34H  aus  d.  J.  «00; 
Poet.  iat.  aev.  Carol.  II  S.  639.  Er  unterschreibt  als  Zeuge  eine  Urkunde 
Tassilos  von  769  (Meichelbeck  1,  2  S.  38  Nr.  22)  und  ist  c.  770  Teilnehmer 


__     429     — 

Man  sieht,  class  der  fränkische  Einfluss  auf  die  kirclihche» 
Angelegenheiten  Baierns  schon  sehr  weit  ging,  während  das  Land 
politisch  noch  einen  Rest  seiner  Selbstständigkeit  behauptete. 

Die  Zahl  der  Kirchen  war  in  den  bairischeu  Bistümern  nicht 
geringer  als  in  dem  Erzbistum.  In  keiner  anderen  Gegend  Deutsch- 
lands lässt  sich  für  diese  Zeit  ein  so  klares  Bild  von  der  Vertei- 
lung der  kirchhchen  Institute  gewinnen,  als  in  dem  Bistum  Frei- 
sing. Es  gehörte  zu  den  kleinen  Bistümern.  Sein  Umfang  Avar 
nicht  halb  so  gioss  als  der  von  Salzburg  oder  Würzburg. ^)  Während 
der  Begierung  Tassilos  werden  nun  in  diesem  beschränkten  Gebiete 
nicht  weniger  als  fünfundsechzig  Kirchen  erwähnt.  Etwa  die  Hälfte 
wurde    unter    Tassilo    neu    gebaut.-)      Zeigen    diese    Zahlen    den 


der  Synode  von  Dingolfing  (1.  c.  I,  1  S.  70);  vgl.  endlich  den  Brief  Leos  IIL 
von  798  (J.W.  2495).  Im  Verbrüderungsbuch  von  St.  Peter  ist  er  35,  21 
S.  7  als  aljni  eps  et  congreg.  ipsius  eingetragen.  Alims  Nachfolger  Hein- 
rich ist  in  der  Freisinger  ITrkunde  (Meichelbeck  Nr.  256,  I,  2  S.  144)  als 
Teilnehmer  einer  Regensburger  Synode  und  M.G.  Leg.  III  S.  480  als  Mit- 
glied der  Salzburger  Synode  von  807  genannt. 

1)  Zu  Freising  gehörten  nur  der  Sundergau  und  Westergau,  jedoch 
mit  Ausschluss  eines  Striches  im  Westen,  der  zu  Neuburg  gehörte,  im  Ganzen 
ungefähr  die  Hälfte  des  gegenwärtigen  Regierungsbezirks  Oberbaiern. 

2)  Ich  gebe  ein  Verzeichnis  der  erwähnten  Kirchen;  die  Nummern 
beziehen  sich  auf  die  Regesten  des  Grafen  Hundt  (Münch.  Abh.  XII,  1 
S.  194—214),  die  jetzigen  Namen  zumeist  nach  K.  Roth,  Örtlichkeiten  de.s 
Bistums  Freising  (München  1856):  753  Tulpach  (Toalpah),  St.  Johann  und 
Peter  Nr.  10;  7.58  Bittlbach  (Poatilinbach)  Nr.  15;  759  Abens  (Abunsnaj 
Nr.  16;  Buch  (Poch)  St.  Peter  Nr.  19;  Pfeifenbach  (Peipinbach)  Nr.  21;  765- 
Schwindach  (Swindaha)  Nr.  26;  Bullach  (Pohloh)  Nr.  26;  767  Kronacker 
(Chrakinachra)  St.  Valentin  Nr.  29;  769  Germansberg  (Germana)  St.  Maria 
Nr.  86;  772  Altenhau.sen  (Altunhusir)  St.  Valentin  Nr.  51;  Helfendorf  (Hel- 
phindorf)  St.  Emmeram  Nr.  54;  Wurm  (?  Wirma)  St.  Salvator  Nr.  57;  775- 
Schwindach  St.  Benedikt  Nr.  76;  777  Dörndorf  (Dornakindorf)  St.  Corbinian 
Nr.  92;  778  Oratorium  in  Scheftlarn  (Scaftilare;  Meichelbeck  I,  1  S.  78);. 
Bullach  Nr.  98;  Biburg  iPipurc)  Nr.  98;  Assling  (Azzalinga)  Nr.  99:  Reut 
(z'Riutte)  Nr.  99;  Haselbach  (Hasalpah)  Nr.  100;  799  Reichertshausen 
(Richarteshusin)  St.  Corbinian  Nr.  103:  Arzbach  (Aruzzapah)  St.  Maria 
Nr.  104;  Ingenmos  (Inzinmos)  Nr.  104;  Rott  (?  Rota)  Nr.  106;  782  Langen- 
preising  (Prising)  Nr.  111;  Adelshausen  (Adalheimeshusir)  Nr.  112;  784 
Singenbach  (Munnipah)  St.  Peter  Nr.  115.  Dazu  kommen  etliche  von  den 
Bischöfen  Joseph  und  Arpeo  geweihte  Kirchen,  bei  denen  das  Jahr  der  Er- 
bauung nicht  feststeht:  St.  Peter  an  der  Wurm  durch  Bischof  Joseph 
(Meichelbeck  Nr.  73  S.  69);  durch  Aribo:  Germerswang  (Kermareswanc;  1. 
c.  76  S.  70);  Berganger  (Perahhanga;  1.  c.  79  S.  72);  Irminhartivilla  (?;  1. 
c.  82  S.  73).  —  Diejenigen  Kirchen  in  Tassilos  Zeit,  deren  Ursprung  nicht 
nachweislich  ist,  sind:    Deining  (Dihininga)  Hundt  Nr.  21;    Ehapalding  (?). 


—     430     — 

raschen  Fortscliritt  in  der  Hei-stellung  der  Ptarrsystenie.  sc»  ist 
noch  interessanter,  dass  die  Freisinger  Urkunden  einen  Einblick 
darein  eröftnen.  von  wem  die  zahlreichen  Neugründungen  unter- 
nommen wurden.  Denn  hier  ergiebt  sich  eine  überraschend  grosse 
Beteiligung  des  Laienstandes.  Von  den  dreissig  Neubauten  sind 
zwanzig  Stiftungen  von  Laien,  während  nur  sechs  von  Priestern, 
die  übrigen  von  Geistlichen  und  Laien  gemeinsam  errichtet  wurden. 
Es  geschah  wohl,  dass  die  Xachbarn  zusammentraten,  um  eine 
Kirche  zu  bauen  und  auszustatten.')  Dabei  waren  nicht  nur  Freie 
thätig,  sondern  ebenso  auch  abhängige  Leute.-)  Wie  lebhalt  und 
allgemein    muss    die    T 'berzeugung    gewesen    sein .    dass    man    die 


Nr.  21;  St.  Maria  zu  Rott  Nr.  31;  St.  Michael  zu  Holzhausen  (Holzhusir) 
Nr.  37;  St.  Michael  zu  Pettenbach  (Pettinpah  Nr.  46;  St.  Christoph  zu 
Sindelhausen  (Sindilinhusirj  Nr.  56;  St.  Martin  zu  Pfetrach  (Phetaraha) 
Nr.  67;  Rörmos  (Roraga)  Nr.  72;  St.  Corbinian  zu  Schleisheim  (Sliwesheira) 
Nr.  78;  Waniluhuson  (?)  Nr.  90;  St.  Maria  zu  Reichertshofen  (Rihcozhofa) 
Nr.  102;  Geisselbach  (Kisalpah)  Nr.  110;  St.  Benedikt  zu  Mainbach  (Magan- 
pahl  Nr.  110;  St.  Stephan  zu  Aiterbach  (Aittarpah)  Nr.  110;  St.  Valentin 
zu  Hohenpercha  (Perchach)  Nr.  116;  Altheim  Nr.  129.  Dazu  aus  den 
mangelhaft  datierten  Urkunden  (Hundt  S.  214  iF.):  St.  Michael  zu  Perchach 
Nr.  4;  St.  Michael  und  Andreas  zu  Buch  ('?  Poah)  Nr.  5:  St.  Maria  zu 
Haining  (Hagananga)  Nr.  7;  St.  Stephan  zu  Auf  hausen  (Ufhusin)  Nr.  8;  aus 
den  noch  nicht  gedruckten  Urkunden:  (Hundt  S.  216  ft'.):  St.  Peter  und 
Tertulin  zu  Fischen  (Fiska)  Nr.  6;  St.  Pankraz  zu  Steinhard  Nr.  7;  Tagl- 
aching  (Tagaleihinga)  Nr.  9;  endlich  aus  Meichelbeck :  St.  Martin  zu  Bieber- 
bach  (Piparbach);  Milbertshofen  (Muniperteshofen)  Nr.  90  S.  127;  Ilmina 
(das  spätere  Ummünster);  Haimhausen  (Hemrainhusin;  Fürholzen  (Furihulci): 
<Tiesenbach  (Kissinpah)  Nr.  2S  S.  44;  Rudelzhausen  (V  Hrodolvoshusir);  Stein- 
dorf Nr.  57  S.  60;  Malching  (Mahaleihi)  Nr.  75  S.  70;  Münsing  (Munigi- 
singun)  Nr.  85  S.  74:  Otting  Nr.  86  S.  74;  Tegernbach  Nr.  86  S.  74.  Selbst- 
verständlich werden  auch  von  diesen  Kirchen  manche  erst  unter  Tassilo 
ent.ntanden    sein;    bei   Fischen  z.  B.    ist    das    sehr    wahrschoinlicb.     Kbenso 

wenig   braucht  erinnert  zu  werden,   dass  die  genannten  Kirchen  nur  einen 

Teil   der   wirklich    vorhandenen   repräsentieren.     Immerhin  ermöglichen  die 
angegebenen  Zahlen  eine  Vorstellung  von  der  geistlichen  Versorgung  eines 

Landstrichs,  der  gegenwärtig,  da  die  Stadt  München  ausser  Betracht  bleiben 

mu88,  von  ungeflihr  350,000  Mensi'hen  bewohnt  wird. 

1)  Vgl.  z.  B.  Meichelbeck  I,  2  S.  61  Nr.  59  von  der  am  18.  September 
778  gewüihten  Kirche  zu  Assling:  Lantperht  presbyter  tradidit  ad  episco- 
patum  8.  Mariae  seu  vicini  eius  fideles  simul  cum  illo  firmaverunt,  ut  ab 
■eo  die  prior  titulu»  in  pracnotata  villa  ad  praedictum  domum  s.  Mariae  in 
loco  Frigisinga  moenii.s  constnutam  fimiiter  subiugatum  fuisset  cum  omniVius 
ad  baec  pertinentibus,  firmantibus  ipsis  vicinis,  qui  haue  ipsum  condiderunt 
<lomum  Dei. 

2)  Stutz,  Benefizial-Wesen  I  S.  198. 


—     431     — 

Eeligion  nicht  entbehren  könne.  Die  Kirchen  bheben.  wie  ander- 
wärts, soweit  sie  nicht  geisthchen  Stiftern  übergeben  wiuxlen.  im 
Besitze  der  Griindhen-en  oder  der  ^Markgenossenschaften.*) 

Bei  der  Gleichartigkeit  des  bairischen  Landes  darf  man  fiir 
die  übrigen  Bistümer  analoge  Zustände  wie  in  Freising  annehmen. 
Dann  folgt,  dass  unter  Tassilo  weit  über  hundert  neue  Kirchen 
gebaut  wurden.  Wir  stehen  vor  einer  fast  beispiellos  raschen  Ver- 
mehrung der  kirchlichen  Institute.')  Erst  jetzt  erhielt  Baiem  den 
Charakter  eines  christlichen  Landes. 

Ahnliches  gilt  in  Bezug  auf  die  Klöster  und  Stifter.^)  Manche 
einst  von  den  keltischen  Missionaren  enichtete  Zelle  mag  verödet 
imd  verfallen  sein :  *)  doch  diese  Einbussen  wurden  weit  überwogen 
durch  Xeugnindungen,  Schon  unter  Odilo  wurde  Baiera  ein  kloster- 
reiches Land.^)  Unter  Tassilo  vermehi-te  sich  die  Zahl  der  Zellen 
und  Abteien  noch  weiter.  Im  Salzburgischen  erreichten  es  die 
Bischöfe,  dass  die  neuen  Stiftungen  regelmässig  in  Abhängigkeit 
von  St.  Peter  traten:  so  wurden  die  von  dem  Piiester  Boso  gegrün- 
deten Zellen  zu  Gars  am  Inn  und  Pisendorf'  im  Pinzgau  an  die 
Peterskirche  *^)  übergeben,  ebenso  die  von  den  Pnestern  Baldun  und 
Hrodbert  erbaute  Zelle  zu  Au  im  Isengau')  und  das  Klösterlein 
des    Grafen    Günther   zu    Otting    im    Chiemgau.**)      Schon    fi-üher. 


1)  Stutz  I  S.  202  Anm.  32;  über  fiskalisclie  Kirchen  in  Baiem  ders. 
S.  197. 

2)  Bemerkenswert  ist,  dass  die  Neubauten  seit  der  Absetzung  Tassilos 
rasch  abnehmen:  unter  Atto  von  Freising  werden  87  Kirchen  erwähnt, 
darunter  nur  6  Neubauten. 

3)  Eine  strenge  Scheidung  zwischen  Klöstern  und  Stiftern  scheint  mir 
für  diese  Zeit  undurchführbar.  Einerseits  sind  die  Nachrichten  zu  dürftig 
und  der  Sprachgebrauch  zu  verschwommen:  monasterium  kann  sowohl 
Kloster  als  Stift  bedeuten,  als  fratres  bezeichnen  sich  sowohl  die  Kanoniker 
als  die  Mönche.  Andererseits  war  die  Grenze  thatsächlich  fliessend.  Alkuin 
spi'icht  neben  canonici  und  monachi  von  dem  tertius  gradus,  qui  inter  hos 
duos  variatur,  superiori  gradu  canonicis  et  inferiori  monachis  stantes,  und 
er  urteilt:  Nee  tales  spernendi  sunt  quia  tales  maxime  in  domo  Dei  in- 
veniuntur,  ep.  258  S.  416. 

4)  Auf  ein  eingegangenes  Klösterlein  weist  die  Ortsbezeichnung  ad  cella 
in  einem  Walde  bei  Freising  (Meichelbeck  I,  2  S.  99  Nr.  135). 

5)  Vgl.  Bd.  I  S.  492  f. 

6)  Indic.  Arn.  5,  7  S.  18.  Gars  wurde  von  Tassilo  an  St.  Peter  tra- 
diert, ist  also  wohl  auf  herzoglichem  Besitz  erbaut.  Dagegen  gehörte 
Pisendorf  Boso  und  seinem  Bruder  Johannes;  die  Gründung  der  Zelle  scheint 
hier  von  St.  Peter  ausgegangen  zu  sein  (1.  c.  6,  2  S.  18). 

7)  L.  c.  6,  22  S.  20.     Die  Zelle  war  auf  Lehensgut  errichtet. 

8)  L.  c.  6.  24  S.  21;  Brev.  not.  13  S.  87  f.    Gunthar  erbaute  die  Zelle 


—     432     — 

man  weiss  nicht  wann,  hatten  sich  Mönche  auf  einer  dtr  stillen. 
weltfernen  Inseln  im  Chienisee  niederffelassen ;  aber  auch  ihr.  dem 
Krlüser  jjeweihtes  Kloster  auf  dem  Herrenwörth  stand  unter  dem 
Bistum:  von  dort  erhielt  es  seine  Voi-steher.  Tassilo  scheint  es 
Salzhuri;-  entzogen  zu  haben:  denn  es  wurde  herzogliches,  daini 
köniirlidu's  Kloster.^)  Das  ist  eine  der  Spuren,  die  auf  den  Zwie- 
>palt  zwisciien  Herzog  und  Ejjiskopat  hinweisen.  Der  T'rsprunir 
des  Xonnenklostei"S  auf  dem  Fraueuwörth  führt  die  Klosteitraditiun 
auf  Tassilo  zurück.  Aber  es  giebt  keine  glaubwürdige  Nachiicht 
darüber.-) 

Die    älteren    Klöster   im    Paussauer    Sprengel,    St.   Florian.'') 

auf  P^igengut  zu  Ehren  des  Stephanus.  Tassilo  stattete  sie  reichlich  aus. 
Als  Abt  unter  Arn  glaube  ich  Roodlant  nachweisen  zu  können;  vgl,  M.  h. 
XXVIII,  1  S.  23  Nr.  25  und  Verbrüderungsbuch  von  St.  Peter  30,  1  S.  :». 
Vielleicht  ist  er  identisch  mit  dem  Roadhart  der  Synode  von  Dingolfing 
(M.G.  Leg.  III  S.  462),  den  man  ohne  weiteren  Anhalt  nach  l>on  n,]or 
Wessobrunn  weist. 

1)  Vher  den  Ursprung  des  Klosters  auf  dem  Herrenwörth  fehlt  jede 
Überlieferung;  es  ist  aber  älter  als  die  oben  genannten  Zellen.  Der  erste 
bekannte  Leiter,  der  Priester  Lupus,  wurde  von  Salzburg  au.s  dahin  gesetzt 
(Convers.  Bagoar.  4  S.  1 ).  Die  ursprüngliche  Abhängigkeit  von  Salzburg  ist 
also  sicher.  Auch  der  Kolte  Dobda  grecus  (s.  Bd.  I  S.  .553  und  die  Urkunde 
Karls  von  ~x8,  B.M.  289)  muss  Virgil  untergeordnet  gewesen  .sein ;  sonst 
hätte  dieser  ihn  schwerlich  zur  Vollziehung  der  bischöflichen  Amtshand- 
lungen benützt.  Noch  Tassilo  aber  muss  das  Kloster  in  seine  eigene 'Gewalt 
gobracht  haben,  sonst  hätte  Karl  d.  Gr.  es  nicht  an  Angilram  von  Metz 
verschenken  können  is.  d.  angef.  Urkunde).  Im  .Jahre  804  war  Liutfrid  Abt 
(Meichelbeck  I,  2  S.  91  Nr.  120\  Das  Kloster  blieb  bei  Metz,  bis  es  891 
durch  Arnulf  an  Salzburg  zurückkam  (M.  B.  XXVllI,  1  S.  103  Nr.  74), 
Arnulf  gab  dafür  Lu.xeuil  an  Metz.  Die  von  Kettberg  (KG.  D.»  II  S.  244) 
angeführte  Urkunde  Ludwigs  d.  D.  ist  denjnacli  unecht  (s.  B.M.   1986). 

2)  Die  älteste  Nachricht  über  Frauenwürth,  welche  ich  kenne,  i.-'t 
Regin.  Chron.  z.  J.  894.  Die  falsche  Urkunde  Heinrichs  IV.  M.  B.  II  S.  445 
.Nr.  1  lääst  das  Kloster  von  Tassilo  gegründet  sein.  IJber  die  Äbtissin  Irm- 
gard, Ludwigs  d.  D.  Tochter,  vgl.  Riezler,  G.B.'s  I  S.  216  Anm.  3. 

3)  Die  ?jxi«tenz  von  St.  Florian  am  Beginne  des  8.  .lahrhnni'erts 
beweist  die  Urkunde  M.  B.  XXVII I,  2  S.  35.  Wird  hier  von  dem  Bischof 
Otkar  gesagt,  dass  er  una  cum  fidelibus  suis  in  loco  nuncupanto  ad  Puoche, 
ubi  ]>reciosu.«t  raartyr  Florianus  corpore  requiescit,  verweile,  .so  ist  anzu- 
nehmen, dass  es  eine  Genossenschaft  von  Klerikern  oder  von  Mönchen  am 
Grabe  Florians  gab.  .\uf  die  jungen  Nachrichten,  welche  Ta>Hilo  zum 
Gründer  machen,  lege  ich  kein  Gewicht:  sie  haben  nicht  mehr  Wert,  als 
wenn  man  im  El.sass  jedes  alte  Kloster  von  dem  guten  König  Dagobert 
gestiftet  sein  lä««t.     Durch  Karl  d.  Gr.  kam  St.  Florian  an  Passau  CUrkunde 


—     438     — 

Altaich^)  und  Kirchbach-),  \-Agen  an  der  Donau  oder  in  der  Nähe 
des  Stroms:  nun  kam  eine  Eeihe  neuer  Stiftimgen  hinzu,  von 
denen  che  bedeutendsten  in  den  Bergen  lagen:  in  der  letzten  Zeit 
Odiles  das  Michaelskloster  am  Mondsee ■^),  miter  Tassilo  St.  Sal- 
vator  in  Ki-emsmünster.  von  Altaich  aus  besetzt^),  vielleicht  auch 
St.  Maria  in  Osterhofen '')  und  das  wohl  von  Mondsee  aus  ge- 
stiftete ]Michaelskloster  am  Mattsee*')  sowie  die  später  entfremdeten 
Zellen  Rott  und  Eindpach.')  Der  Ursprung  des  dem  Erlöser  ge- 
weihten Nonnenklosters  zu  Niedernburg*).  unterhalb  Passau.  ist  unbe- 


Ludwigs  d.  Fr.  vom  28.  Juni  823,  B.M.  753).     Am  Ende  des  9.  Jahrhunderts 
war  es  Kollegiatstift,  ÜB.  d.  L.  o.  Enns  1  S.  471  Nr.  56. 

1)  S.  Bd.  I  S.  337,  489,  493. 

2)  A.  a.  0.  S.  493,  2. 

8)  Die  jungen  Nachrichten  über  die  Stiftung  durch  Odilo  oder  Tassilo 
sind  wertlos.  Einen  Anhaltspunkt  für  den  Ursprung  bietet  die  Thatsaehe, 
dass  Odilo  und  Tassilo  Schenkungen  an  das  Kloster  machen  (ÜB.  d.  Land, 
ob.  Enns  I  Nr.  39  S.  24,  vgl.  die  Fälschung  Nr.  172  S.  93;  76  S.  45).  Der 
erste  nachweisliche  Abt  ist  Oportunus,  der  in  den  Mondseeer  Traditionen 
vielfach  genannt  wird.  Er  nahm  Teil  an  der  Synode  von  Dingolfing  (M.Gr. 
Leg.  III  S.  461).  Nach  den  Ann.  Emm.  mai.  starb  er  im  Jahre  785.  Sein 
Nachfolger  war  Hunerich.  Auch  er  scheint  der  fränkischen  Partei  angehört 
zu  haben  (Ann.  Lauriss.,  Einh.  z.  J.  787).  Über  die  nächsten  Abte  vgl. 
Hauthaler  in  den  Mitth.  des  Instit.  VH  S.  233  flf.  Das  Kloster  kam  in  den 
Besitz  Karls  und  blieb  königlich,  bis  es  unter  Ludwig  d.  D.  durch  Tausch 
gegen  Obermünster  in  Regensburg  an  St.  Emmeram  kam.  Die  Thatsaehe 
steht  fest,  obgleich  die  L'rkunde  Ludwigs  vom  14.  Februar  833  unecht  ist; 
s.  Mühlbacher,  Reg.  Imp.  1310.  Über  die  Mondseeer  Traditionen  s.  Hau- 
thaler a.  a.  0.  S.  223. 

4)  Von  Tassilo  im  Jahre  777  gestiftet  (M.  B.  XXVIÜ,  2  S.  196  Nr.  2). 
Karl  bestätigt  am  3.  Januar  791  die  Schenkungen  des  Herzogs.  Erster  Abt 
war  der  Mönch  Fater  von  Nieder- Altaich ;  man  findet  ihn  ira  Salzburger 
Verbrüderungsbuch  36,   28  S.  7. 

5)  Vgl.  die  Wessobrunner  Notiz  M.G.  Scr.  XV  S.  1025,  nach  der  Odilo 
in  Osterhofen  begraben  wurde. 

6)  Die  Stiftung  durch  Tassilo  ist  urkundlich  nicht  zu  belegen.  Die 
ersten  Äbte  Johann  und  Albuin  im  Reichen auer  Verbrädeningsbuch  111,  1 
S.  112,  8.  Die  erste  Erwähnung  in  der  Urkunde  Karlmanns  B.M.  1479  vom 
24.  Februar  877,  durch  welche  das  Kloster  seine  Selbstständigkeit  verlor; 
es  kam  an  Otting. 

7)  Beide  in  der  Urkunde  des  Bischofs  Reginhar  (M.  B.  XX^llI,  2 
S.  18  f.  Nr.  20)  als  unter  Karl  im  Besitze  der  Passauer  Kirche  befindlich 
erwähnt.  Rott  ist  das  jetzige  Rottthalmünster  in  Niederbaiern,  Rindpach 
vermag  ich  nicht  nachzuweisen. 

8)  Über  Niedernburg  fehlen  alle  Angaben.     Dass   die  Abtei  königlich 
Hauck,  Kirchengeschichte,   ü.    2.  Aufl.  28 


—    4:54    — 

kaiint;  doch  ist  es  nicht  unmöiihch,  dass  es  zu  den  Giiindungen 
Tassilos  gehört.  Jünger  ist  ohne  Zweifel  das  Stift  St.  Polten.^) 
Nicht  nündcr  zahheich  sind  die  neuen  Klöster  in  der  Frei- 
singer Diözese.  In  Freising  selbst  baute  der  Priester  Hugii)Prht 
eine  Kirche  zu  Ehren  des  Apostels  Andreas,  mit  der  wohl 
von  Anfang  an  ein  Haus  für  Kanoniker  verbunden  war.-)  Ein 
Laie.  Reginpercht,  gi-ündete  im  Jahre  763  in  der  Ode  am  Fusse 
des  Karwendel  unfeni  des  Ursprungs  der  Isai-  auf  Eigengut  dem 
Apostel  Petrus  zu  Ehren  das  Kloster  Scharnitz.'^)  Er  selbst,  später 
auch  sein  Bruder  Irminfrid.  wurde  dort  Mönch;  von  Anfang  an 
galt  die  Benediktinerregel.  Die  Leitung  erhielt  Aribo,  damals  noch 
Erzpriester.  Auf  seinen  Rat  wurde  das  Kloster  sjjäter  mit  der 
ältereil  Stiftung  in  Schiedorf  am  Kochelsee  vereinigt.*)  AVeiter 
abwärts  an  der  Isar  entstand  um  dieselbe  Zeit  durch  den  Priester 
Walderich  die  Dionysiuskirche  zu  Scheftlarn :  sie  diente  einem  klöster- 
lichen Vereine,  der  von  AValderich  geleitet  wurde.'')  An  den  schönen 
Seen   der  Vorberge   wurden  ehe  Klöster  St.  (^uirin  zu  Tegernsee") 

■war  (Dipl.  II  S.  153  Nr.  136:  Quandam  nostri  iuris  abbatiam),  spricht  tür 
die  Gründung  durch  einen  der  bairischen  Herzoge.  Auch  dass  sie  in  ho- 
nore  domini  Salvatoris  nostri  geweiht  war  (M.  B.  28,  1  S.  418  Nr.  264)  ist 
zu  beachten;  auch  die  beiden  sicher  tassilonischen  Stiftungen  Kremsmünster 
und  Haindlingberg  hatten  Salvatorkirchen.  Durch  Otto  II.  kam  sie  an  das 
Bibtum. 

Ij  Ergiebt  sich  aus  seiner  Lage. 

2)  Rettberg  (KG.  D.'s  II  S.  262),  Riezler  (Gesch.  B.s  1  S.  111)  u.  a. 
schliessen  aus  der  Bezeichnung  monasterium  Hukiperhti  Meichelbeck  I,  2 
S.  77  Nr.  95)  auf  eine  Stiftung  durch  Herzog  Hukbert.  Viol  näher  liegt, 
die  Urkunde  S.  149  Nr.  272  herbeizuziehen,  nach  welcher  der  Priester 
Hugiberht  ecclesias  et  familias  per  domos  an  die  Domkirche  schenkt. 

3)  Font.  rer.  Austriac.  II,  31  S.  1  Nr  1.  Die  Weihe  durch  den  Bischof 
Joseph  von  Freising  erfolgte  am  29.  Juni  763.  Eine  kurze  Geschichte  von 
Scharnitz  giebt  Goascr  in  den  Studien  aus  dem  Bened.  ord.   \^dl  S.  36  ff. 

4)  L.  c.  S.  4  Nr.  3   um  772.     Über   Schlodorf  s.  Bd.  I  S.  493  Anm.  2. 

5)  M.  B.  VIII  S.  363  Nr.  1.  Die  Stiftung  fällt  in  das  Jahr  762.  Der 
Nachfolger  Walderichs  war  Abt  Icho  (Graf  Hundt,  Münch.  Abh.  XIII  S.  74). 
Um  das  Jahr  782  ist  Abt  Petto  nachweislich,  der  später  den  Titel  Bischof 
führt  (Graf  Hundt  a.  a.  0.  S.  56  f.). 

6)  In  der  Urkunde  von  «04  (Meichelbeck  I,  2  S.  92  Nr.  121j  ist  Abt 
Adalbert  von  Tegem.see  genannt.  Es  ist  durchaus  wahrscheinlich,  dass  er 
identisch  ist  mit  dem  Abt  Adalperht,  welcher  c.  770  an  der  Synode  von 
Dingolfing  Anteil  nahm  (M.G.  Leg.  III  S.  461  f.)  und  im  Salzburger  Ver- 
brüderungsbuch 36.  21  S.  7  iinter  den  lebendon  Äbten  aufgezählt  wird. 
Dadurch  ist  der  Bestand  Tegernsees  im  Beginn  der  Regierung  Karls  d.  Gr. 
gesichert.  Auf  Grund  dessen  haben  die  Angaben  in  der  Urkunde  Ottos  II. 
von  979  (M.G.  Dipl.  II  S.  219  Nr.  192)  über  die  Gründung  des  Klosters  durch 


—     430     — 

und  St.  Sixt  am  Schliersee')  angelegt.  Beide  darf  man  als 
Familienstiftungen  betrachten,  und  in  beiden  galt  die  Benedik- 
tiuerregel.  Im  Isengau,  dem  Hügellande  zwischen  Isar  und  lim, 
lag  die  Kirche  St.  Zeno,  ursprünghch  Kollegiatkirche,  scheint  sie 
unter  Tassilo  zum  Mönchskloster  umgebildet  worden  zu  sein.^) 
Im  Flachlande  begegnen  die  Abteien  Ummünster/^)  St.  Castulus 
zu  Mosburg^)  und  St.  Michael  zu  Tegernbach :  ■^)  alle  drei  wahr- 
scheinlich unter  Tassilo  gegründet. 


die   beiden  Brüder  Adalbert   und  Otgar  in   der   Zeit  Pippins  Anspruch  auf 
Glaubwürdigkeit. 

1)  Die  Urkunde  Meichelbeck  I,  1  S.  79  erzählt  die  Stiftung  durch  fünf 
Brüder:  Adalunc,  Hiltipald,  Kerpalt,  Antoni,  Otakir;  sie  bauen  das  Kloster 
in  vasta  solitudine  heremi  auf  Eigengut,  erhalten  von  Arpeo  einen  Kleriker 
Namens  Perhtcoz  als  Meister,  den  sie  nach  zwei  Jahren  zum  Abte  wählen; 
zugleich  nehmen  sie  die  Benediktinerregel  an,  21.  Januar  779. 

2)  Die  Kirche  in  Isen  reicht  sicher  in  Odilos  Zeit:  er  erscheint  als 
ihr  Wohlthäter  (Meichelbeck  I,  1  S.  51);  als  eella  et  Oratorium  s.  Zenonis 
ist  Isen  genannt  in  der  Urkunde  Haholts  von  758  (1.  c.  S.  59),  als  mona- 
sterium  Isana  in  der  Urkunde  von  825,  I,  2  S.  258.  Die  Ano-abe,  dass 
Bischof  Joseph  von  Freising,  gest.  764,  der  Gründer  sei  (s.  S.  425  Anm.  7), 
ist  also  nicht  unmöglich.  Graf  Hundt  (Münch.  Abh.  XIII  S.  69)  wie  vor 
ihm  Meichelbeck  betrachtet  Abt  Cundheri  als  Leiter  des  Klosters;  er  ist  im 
Salzb.  "Verbrüderungsbuch  36,  23  S.  7  genannt.  Später  lebten  in  Isen  wieder 
Kanoniker,  s.  Meichelbeck  I,  2  S.  520  Nr.  1246. 

3)  Die  Angaben  über  die  Gründung  dieses  Klosters  unter  Bischof 
Erimbert  (Meichelbeck  1,  1  S.  41)  sind  wertlos;  ebenso  ist  es  nicht  wahr- 
scheinlich, dass  der  Abt  ütto  der  Dingolfinger  Synode  als  Leiter  von  ILm- 
münster  zu  betrachten  ist  (s.  u.).  Die  Existenz  des  Klosters  im  8.  Jahrhundert 
ist  also  nicht  gesichert.  So  viel  ich  sehe,  ist  überhaupt  der  Name  der 
einzige  Beleg  für  den  ehemaligen  Bestand  eines  Klosters;  dass  Ilmmünster 
im  Tegernseer  Besitz  stand  und  von  Herzog  Arnulf  entfremdet  wurde,  be- 
hauptete man  in  Tegernsee,  s.  M.  B.  VI  S.  163. 

4)  Die  Existenz  des  Klosters  St.  Castulus  zu  Moosburg  unter  Tassilo 
ist  gesichert,  da  der  in  Dingolfing  anwesende  Abt  Raginperht  für  Moosburg 
nachweislich  ist;  s.  Verbrüderungsbuch  von  St.  Peter  36,  24  S.  7:  Ragin- 
perht ab.  et  cong.  ips.,  verb.  110,  1  S.  24:  Nom.  monachorum  de  Mosabjrga. 
Raginbertus  abb.  Die  Abtei  war  königlich,  also  ist  auch  hier  die  Stiftung 
durch  Tassilo  -wahrscheinlich.  Durch  Arnulf  kam  sie  895  an  das  Bistum. 
Damals  war  sie  bereits  Kollegiatstift,  B.M.  1859 :  Clerici  ibidem  ad  s.  altare 
ser\dentes. 

5)  Der  Ursprung  von  Tegernbach  liegt  im  Dunkeln.  Zum  ersten  Male 
kommt  das  cenobium  in  loco  qui  dicitur  Tegarinwac  in  der  Freisinger  Ur- 
kunde von  816  (Meichelbeck  I,  2  S.  176  Nr.  331)  vor.  Der  Ort  ist  älter; 
er  wird  unter  Aribo  erwähnt  (1.  c.  S.  57  Nr.  50).  Der  Ursprung  des  Klosters 
unter  Tassilo  ist  wahrscheinlicher  als  unter  Karl. 

28* 


—     48(i     — 

Im  Regeiisburger  Sprengel  gab  es  vor  Tassilo  nur  ein.  viel- 
leicht zwei  Klöster,  St.  Enimeram  in  Regensburg  und  Weltenburg.^) 
Im  beginnenden  neunten  Jahrhundert  war  die  Diözese  mit  KKisteni 
i'rfüllt.  In  Regensburg  selbst  hatte  man  nun  zwei  Nonnenklöster, 
das  Ober-  unil  das  Xiederinünster;-)  in  ^Metten"')  und  Pfatt'münster,'*) 
an  der  Donau  unterhalb  Regensburg,  in  Haindlinglx'rg  im  Donau- 
gau.'') in  Engell)rechtsmünster  an  der  Ihn,")  in  Münchsmünster  un- 
weit der  ^Mündung  der  Ihn  in  die  Donau')  und  in  Schöuau  im 
Kinziggau^)  bestanden  Mänuerkougregationen.    Der  Ursprung  wenn 

1)  Vgl.  Bd.  I  S.  493  Anm.  2. 

2)  Die  erste  Erwähnung  von  Obermünster  findet  sich  in  der  S.  433 
Anm.  3  angeführten  gefälschten  Urkunde  Ludwigs  d.  D.  von  833.  Rettberg 
(KG.  D.'.'^  II  S.  278)  macht  darauf  aufmerksam,  dass  der  Name  das  Vor- 
handensein auch  des  Niedermünsters  beweist. 

3)  Metten  erhielt  von  Karl  d.  Gr.  Königsschutz  (Urkunde  Ludwigs  d.  D. 
von  837,  B.M.  1321).  Wird  in  der  legendarischen  Gründungsgeschichte  des 
Klosters  der  Name  Utto  genannt  (Rettberg,  KG.  D.'s  II  S.  278  f.),  so  wird 
hierin  ein  Rest  richtiger  Überlieferung  stecken.  Das  Salzburger  Verbrüde- 
rungsbuch hat  36,  19  S.  6  utto  ab.  et  cong.  ips.  Man  hat  an  Metten  zu 
denken.  Dadurch  erledigt  sich  auch  die  Frage,  wer  der  Abt  Utto  der 
Dingoltinger  Synode  war,  den  man  nach  llmmünster  weist. 

4)  Der  Ursprung  liegt  im  Dunkel,  da  auf  die  Weltenburger  Inschrift 
bei  Arnpekh,  Chr.  Bai  II,  35  Pez  Thes.  III,  3  S.  99,  nichts  zu  geben  ist. 
Doch  ist  die  Gründung  durch  Tassilo  unter  allen  Möglichkeiten  die  wahr- 
Bcheinlichste . 

5)  Über  die  Entstehung  des  Klosters  Berg  im  Donaugau  giebt  die  Ur- 
kunde Ludwigs  von  815  (B.M.  578)  Aufschluss.  Es  wurde  von  dem  ersten 
Abte  Wolcanard  auf  Eigengut  erbaut,  und  später  (postmodum  i  von  ihm  an 
Karl  d.  Gr.  übergeben,  der  dem  Stifte  die  Immunität  verlieh.  Damit  stimmt 
überein,  dass  im  Salzburger  Verbrüderungsbuch  36,  25  S.  7  uuolchanhart 
ab.  zu  den  lebenden  Äbten  gezählt  wird.  Kr  nahm  am  Totenbund  von 
Dingolfing  Anteil.  Durch  Ludwig  d.  D.  kam  das  Kloster  an  die  Marien- 
kapollo  in  Regensburg  (B.M.  1467).  Ob  es  identisch  mit  dem  jetzigen 
Haindling  ist,  ist  nicht  sicher,  .fanner,  Gesch.  d.  B.  v.  Regensburg  I  S.  158 
denkt  vielmehr  an  Paring. 

6)  über  die  (Gründung  giebt  Auskunft  eine  Regensburger  Urkunde 
(<.raf  Hundt  in  d.  Münch.  Abh.  XIII  S.  80  Nr.  32V  Nach  derselben  ist  das 
Kloster  durch  die  Eltern  des  Abts  Sigifrid  gegründet.  Sigifrid  steht  821 
an  der  Spitze.  Das  Kloster  verschwindet  vollständig.  Die  Identifizierung 
des  hier  genannten  Klosters  mit  Engelbrechtsmünster  nach  Janner  I  S.  167  f. 

7)  Wenn  das  Mitgliederverzeichnis  der  Riesbacher  Synode  von  799 
zuverlässig  ist,  so  ist  durch  dasselbe  der  Bestand  von  Münchsmünster  kurz 
nach  Tassilo  gesichert  (M.G.  Leg.  III  S.  476j.  Ein  Abt  Anno  auch  im  Salz- 
barger Verbrüderungsbuch  36,  29  S.  7. 

8)  Tradit.   S.  Emmer.  bei  Pez  Thes.  I,  3  S.  242  Nr.  60  unter  Bischof 


—     437     — 

nicht  aller,  so  doch  der  meisten  dieser  Klöster,  wird  in  Tassilos 
Zeit  fallen,  und  Avenigstens  eines.  Obermünster.  ^)  wird  von  ihm 
gegi-ündet  sein. 

Im  baiiischen  Teil  der  Augsburger  Diözese  gehört  vielleicht 
Thierhaupten-)  in  Tassilos  Zeit. 

Im  Bistume  Sehen  endlich  gilindete  der  Herzog  mit  Beirat 
der  bairischen  Grossen  im  Jahre  769  das  für  die  Slawenmission 
wichtige  Kloster  Innichen.'^) 

Wie  die  Xeugnindungen  von  Kü-chen  und  Klöstern,  so  zeigen 
endhcli  auch  die  S}modeu,  dass  es  der  baiiischen  Kirche  an  Leben 
und  Thätigkeit  nicht  gebrach.  Ebenso  deuthch  aber  liefern  sie  den 
Beweis,  dass  man  in  Baiern  ganz  unter  dem  Impuls  dessen  handelte, 
was  im  fränkischen  Reiche  geschah. 

Xicht  allzulange  nachdem  Bonifatius  die  bairischen  Diözesen 
organisiert  hatte,  vielleicht  also  noch  unter  Odilo,  wm-de  die  erste 
dieser  Synoden   abgehalten.'')     ]Man  kann  bemerken,    dass  Klerus 

Baturich  81? — 847  erwähnt.  890  scheint  es  schon  eingegangen  zu  sein.  Denn 
damals  kam  die  Gemarkung  von  Schönau  an  St.  Emmeram  B.M.  1795.  Da  es 
sich  um  eine  Restitution  handelt,  so  wird  schon  das  Kloster  Schönau  im 
Besitz  St.  Emmerams  gewesen  sein.  Darin  lag  wahrscheinlich  der  Grund 
des  Untergangs. 

1)  Da  es  königlich  war. 

2)  S.  die  Notiz  im  Necr.  von  Thierhaupten  M.  B.  XV  S.  141,  wonach 
die  Gründung  durch  B.  Gebhard  I  von  Regensburg  nicht  eine  Neuffründunff. 
sondern  nur  Erneuerung  eines  um  800  gegründeten  Klosters  gewesen  sei. 
Sicher  ist,  wie  man  sieht,  die  Angabe  keineswegs. 

3)  Tassilos  Stiftungsurkunde  Font.  rer.  Austr.  II,  XXXI,  3;  vgl.  die 
Urkunde  Ludwigs  d.  Fr.  von  816  (B.M.  587). 

4)  M.G.  Leg.  III  S.  455  ff.  sind  fünfzehn  Kapitel  gedruckt,  welche  als 
Beschlüsse  einer  kurz  vorher  stattgefundenen  Synode  bei  Gelegenheit  eines 
Festes  bekannt  gemacht  wurden.  Weder  Zeit  noch  Ort  ist  überliefert;  dass 
sie  als  bairische  zu  betrachten  ist,  ergiebt  sich  daraus,  dass  die  Kapitel  in 
Handschriften  von  St.  Emmeram  und  Salzburg  erhalten  sind  (Merkel  S.  237); 
auch  c.  6  S.  258  weist  auf  Baiern.  Über  die  Zeit  der  Synode  gehen  die 
Meinungen  auseinander;  Merkel  (S.  238 f.)  verlegt  sie  in  das  3.  Jahrzehnt 
des  8.  Jahrhunderts,  nach  der  Absendung  der  Legaten  Gregors  IL  nach 
Baiern  (s.  Bd.  I  S.  364),  wogegen  Hefele  (GG.  III  S.  786)  in  den  Kapiteln 
eine  Publikation  der  Riesbacher  Beschlüsse  sieht.  Die  letztere  Ansicht  ist 
nun  offenbar  unrichtig:  wie  c.  1  =  Risb.  1  sein  soll,  ist  nicht  einzusehen; 
jenes  Kapitel  handelt  von  der  Teilnahme  der  Laien  an  den  Synoden,  dieses 
von  der  christlichen  und  priesterlichen  Eintracht;  ebensowenig  ist  c.  11 
=  Risb.  7;  dort  wird  vorgeschrieben,  dass  man  am  Mittwoch  und  Freitag 
der  Ordinationszeiten  faste,  hier  dass  die  Ordinationen  legitimis  temporibus 
stattfinden;  oder  c.  15  =  Risb.  14  oder  c.  9  =  Risb.  5.  Ist  demnach  ein 
Teil    der   Kapitel    ohne  Vorbild  in  den  Riesbacher  Beschlüssen,    so    finden 


—     4.-18     — 

und  Laien  sich  noch  ziemhch  ticnid  gegenüberstanden.  Die  Bischcife 
mussten  suchen,  das  Mistrauen  der  Bevölkerung  zu  überwinden; 
deshalb  forderten  sie  dazu  auf.  dass  auch  Laien  sich  bei  den 
Synodallxn-atuugen  einlanden:  sie  sollten  sich  überzeugen,  wie  ge- 
•Nvissenhaft  man  auf  ihr  Heil  bedacht  sei.') 

Die  Beschlüsse  erstrebten  Hebung  des  religiösen  und  sittlichen 
Lebens:  häutiger  Kirchenbesuch,-)  regelmässiges  Beichten,"')  Fasten^) 
und  Kommunizieren'')  sollten  dem  eisteren  Zwecke  dienen.  Dabei 
tiilu-te    mau    die  kii'chlichen   Gewohnheiten    auf  tränkischeni   Gebiet 


sich  unter  den  letzteren  solche,  die  in  einem  für  die  Laien  gefertigten  Aus- 
zug nicht  fehlen  konnten:  c.  12,  15,  31.     Dass  Hefeies  Annahme    unrichtig 
ist,    ergiebt  sich   auch   aus  dem  Vergleiche  solcher  Bestimmungen,    welche 
wirklich   Parallelen   sind,    so   c.   10    und  Hisb.  4:    das    allgemeine  Almosen- 
geben  an   vier  Tagen   des  Jahres.     Hier   weist   die  Fassung  des  Riesbacher 
Beschlusses  darauf  hin,  dass  sich  Missbräuche  an  die  P'inrichtung  angehängt 
hatten.     Sie   kann   also   damals   nicht  zuerst  eingeführt  worden  sein.     Des- 
halb wird  die   Synode   der  15  Kapitel   der  Riesbacher  vorhergehen.     Doch 
wlaube  ich  nicht,  dass  man  sie  so  weit  zurückrücken  darf  wie  Merkel.    Sein 
Hauptgrund:  dass  die  Verbindung  des  öttentlichen  Unglücks  mit  dem  Laster 
der  Unzucht  auf  Plektrud,  Grimoald  und  Karl  Martcll  weise,  ist  wenig  ein- 
leuchtend.    Denn  c.  2  ist   ja   nicht  von  Unzucht  der  Fürsten,   sondern   der 
Bevölkerung  die  Rede;   der  Gedanke  ist  nur  der  so  häufig  ausgesprochene, 
dass  öffentliches  Unglück  Strafe  der  unter  dem  Volke  herrschenden  Laster 
sei.     Thatsächlich    bleibt    nichts    anderes,    als    dass    die    Synode    stattfand, 
nachdem  Baiem  eben  von  einem  allgemeinen  Unglück  betroffen  war.   Gegen 
Merkels    Ansatz    entscheidet,    dass    die    Voraussetzung    für    eine    bairische 
Synode  die  Ordnung  des  bairischen  Episkopats  ist.     Sie  ist  erst  durch  Boni- 
fatiuB  erfolgt.     Man  muss  also  die  Synode    mindestens  bis  ins  5.  .Jahrzehnt 
des  8.  Jahrhunderts  herabrücken.     Dann   ist    möglich,    dass   bei   dem  allge- 
meinen Unglück  an  Grifos  Einfall  zu  denken  ist;  ebenso  aber  auch  an  die 
Niederlage  Odilos  743.     In   diesem  Falle   könnte   man  annehmen,    dass   der 
päi.stliche  Legat  Sergius  (s.  Bd.  I  S.  517  Anm.  1)  die  Abhaltung  der  Synode 
angeregt  hatte.     Dass  sie  in  Regensburg  stattfand,    wie  Merkel  und  Hefele 
annehmen,  ist  um  nichts  wahrscheinlicher,  als  dass  sie  in  Salzburg  gehalten 
wurde:    nicht    nur   Emmeram,    sondern  auch  Rupert   hat   einen  Festtag  im 
Herbst  (24.  September). 

1)  Cap.  1. 

2)  Cap.  3. 

3)  C.  2:  Ut  poenitontiam  veram  doceantur  facere  de  omnibus  p<'C<ati8 
suis  et  non  erubescant   confiteri  Deo   peccata   sua  in  ecclesia  .sancta  coram 

sacerdotibus. 

4)  Cap.  9—11;  daneben  tritt  Almosengeben  c.  7  uml  10;  Gastfreund- 
schaft c.  15. 

.5)  C.  6;  mindestens  am  3.  lii«  4.  Sonntag,  während  von  vielen  das 
Abendmahl  nur  einmal  im  Jahr  empfangen  wird;  c.  4  Oblationen,  c.  5 
FriedenskuH.s. 


—     489     — 

als  Vorbild  an.^)  In  sittlicher  Hinsicht  erscheinen  Unzucht^).  Un- 
mässigkeit'^)  und  Meineid*)  als  die  schlimmsten  Laster,  welche  be- 
kämpft werden  mnssten. 

Eine  zweite  Synode  scheint  in  der  ersten  Zeit  Tassilos  zu 
Aschheim  stattgefunden  zu  haben.  Hier  eiTeichten  es  die  Bischöfe, 
dass  eine  Bestimmung  über  verbotene  Ehen  in  das  bairische  Ge- 
setz aufgenommen  wurde. ^) 

Eine  dritte  Synode  trat  kurz  nach  der  Synode  von  Verneuil 
wieder  in  Aschheim  zusammen.^)  Ihre  Beschlüsse  ')  sind  bezeich- 
nend dafür,  wie  rasch  die  Bischöfe  sich  in  ihrer  Stelhmg  befestigten.*) 
Jenes  Gefühl  von  Unsicherheit,  unter  dem  sie  auf  der  ersten  Synode 


1)  C.  6 :  Cum  etiam  et  Greci  et  Romani  seu  et  Franci  omni  dominico 
communicent. 

2)  Cap.  2.  Keine  heimliclien  Ehen,  antequam  presbitero  suo  annuntiet 
et  parentibus  suis  et  vicinis,  c.  12.  Von  Segnung  der  Ehe  ist  dabei  nicht 
die  Rede. 

3)  C.  13. 

4)  C.  7.     Gegen  falsches  Mass  und  Gewicht  c.  14. 

5)  Syn.  Asehh.  13  S.  458:  De  incestis  coniugiis  maxime  convenit,  ut 
per  omnia  vestro  consequamini  decreto,  quo  in  presente  villa  publica  nun- 
cupante  Ascheim  constituere  recordaraini.  Ich  beziehe  die  Notiz  auf  lex 
Bai.  tit.  VII,  1 — 3.  Dass  das  Dekret  von  einer  Synode  angeregt  wurde, 
scheint  mir  selbstverständlich.  Genützt  bat  es  nichts,  vgl.  den  Brief  Leos  III. 
J.W.  2503.     Über  Aschheim  s.  BÜ.  I  S.  359. 

6)  M.G.  Leg.  III  vS.  457.  Die  Meinungen  über  die  Zeit  dieser  Synode 
variieren  zwischen  748,  754,  756,  763,  773.  Der  erste  und  der  letzte  An- 
satz fallen  weg,  da  nach  c.  2  Tassilo  schon  einige  Zeit  regiert  haben  muss, 
sonst  könnte  nicht  von  Kirchen,  die  in  seinen  Zeiten  gegründet  w^orden 
seien,  die  Rede  sein,  und  da  er  andererseits  nach  der  Vorrede  noch  aetate 
tenerulus  war.  Das  konnte  im  Jahre  773  nicht  mehr  von  ihm  gresagt 
werden.  Entscheidend  für  den  Ansatz  ist  die  Berührung  der  Vorrede  mit 
der  der  Synode  von  Verneuil  (Cap.  14  S.  33).  Da  man  nur  an  Abhängig- 
keit der  bairischen  von  der  fränkischen  Synode  denken  kann,  so  muss  das 
Aschheimer  Konzil  nach  dem  11.  Juli  755  stattgefunden  haben.  Die  eben 
erwähnte  Aussage  über  das  Alter  Tassilos  macht  es  wünschenswert,  mög- 
lichst nahe  bei  diesem  Datum  zu  bleiben;  vgl.  Oelsner  JB.  S.  506  f. 

7)  Dass  dieselben  als  Anträge  an  den  Herzog  formuliert  sind,  entsprach 
den  fränkischen  Rechtsanschauungen. 

8)  Es  scheint  mir  wenig  treffend,  wenn  Oelsner  JB.  S.  297  die  Be- 
schlüsse als  Regierungsgrundsätze  bezeichnet,  welche  dem  Herzog  in  Aus- 
übung seines  Amts  zur  Anleitung  dienen  sollten.  Dazu  sind  sie  nicht  um- 
fassend und  allgemein  genug.  Noch  weniger  kann  ich  finden,  dass  die 
Synode  ihrem  Zwecke  nach  mit  Tassilos  beginnender  Selbstständigkeit  zu- 
sammenhängt (S.  302).  Die  c.  1  angeordnete  Fürbitte  reicht  zum  Beweise 
nicht    aus.     Übrigens   charakterisiert  es  die  ganze  Jämmerlichkeit  Tassilos^ 


—     44(1     — 

liaudelten.  war  überwunden:  sie  unternahmen  es  nun.  ihre  Autorität 
und  die  Ansprüche  der  Kirche  nach  allen  Seiten  hin  zur  Geltung 
zu  bringen.  Die  Tendenz  ist  dieselbe,  die  wir  im  fränkischen  Reiche 
bemerkten,  während  sie  jedoch  dort  durch  die  Eücksicht  auf  den 
Staat  gemässigt  wurde,  war  das  hier  nicht  der  Fall:  Priester^)  und 
Mönche-)  sollten  der  Aufsicht  der  Bischöfe  unterstehen:  diese  nahmen 
die  ungehinderte  \>rwaltung  des  Kirchenvermögens  in  Anspruch,'"') 
erklärten  die  Leistung  des  Zehnten  für  eine  Ptlicht,  die  erzwungen 
werden  müsse,*)  bestanden  auf  der  Unterdrückung  der  verbotenen 
Ehen,"')  ja  meinten  ehie  Art  Oberaufsicht  über  die  Rechtsprechung 
fordern  zu  können.")  Es  giebt  kaum  ein  zweites  Schriftstück  dieser 
Zeit,  in  welchem  das  hierarchische  Selbstgetiihl  auch  dem  Fürsten 
gegenüber  sich  so  schart'  ausspricht,  als  in  diesem  Antrag:  der 
Eiii-l<Mpat  erscheint  wie  der  Vormund  des  Herzogs.') 


dass  der  Mann,    der    seine  Unterthanen  so  mit    sich    reden    Hess,    die  Ab- 
hängigkeit von  Pippin  und  Karl  nicht  ertragen  konnte. 

1)  C.  6:  De  deocenis  ut  presbyteri  sibi  mininio  iniungere  debeant,  nisi 
secundum  constitutionem  episcoporuru,  qualiter  sacerdotalem  aut  pastoralem 
queant  exercere  curam.  Oelsner  (JB.  S.  299)  und  ihm  folgend  Itiozler  (G. 
B.'s  S.  159),  wie  es  scheint  auch  Hefele  (CG.  III  S.  601),  erklären:  Die  Diö- 
zesanen  dürfen  sich  ihre  Priester  nicht  eigenmächtig  bestellen.  Ich  gebe 
zu,  dass  es  möglich  ist,  presbyteri  als  Akkusativ  zu  fassen.  Doch  scheint 
mir  dies  Verständnis  nicht  wahrscheinlich,  da  das  Bair.  Gesetz  Tit.  I  1*  als 
berechtigt  anerkennt,  dass  Gemeinden  sich  selbst  einen  Priester  bestellen. 
Nun  ist  bekannt,  dass  nicht  selten  Priester  für  sich  Kirchen  bauten  oder 
durch  Angehörige  bauen  Hessen  (s.  o.  S.  4.S0).  Darin  lag  dieselbe  Gefahr 
für  die  kirchliche  Ordnung,  wie  wenn  ein  Grundherr  ohne  Zustimmung  des 
Bischofs  einem  Kleriker  eine  Kirche  übergab.  Mit  Rücksicht  darauf  scheint 
mir  zu  erklären:  Über  die  Diözesen  wird  verordnet,  dass  Presbyter  keines- 
wegs solche  sich  selbst  übertragen  dürfen,  es  sei  denn  nach  Verordnung 
des  Bischofs.  Bei  der  Erklärung  von  Stutz  I  S.  207:  Priester  sollen  die  Ge- 
meinden nicht  übernehmen  ausser  gemäss  der  Verfügung  der  Bischöfe, 
scheint  mir  das  Charakteristische  der  Wendung  verwischt:  es  besteht  darin, 
dass  es  die  Priester  selbst  sind,  die  das  munus  sibi  iniungunt. 

2)  C.  8  und  9.  In  beiden  Bestimmungen  ist  der  Nachdruck  auf  das 
bischöfliche  Aufsichtsrecht  gelegt:  Cum  Providentia  episcoporum,  (luorum 
cura  haec  adesse  dinoscuntnr,  und:  Cum  consensu  episcoporum  cui  haec 
credita  sunt. 

3)  C.  3.  Auf  den  Schutz  des  kirchlichen  Besitzes  beziehen  sich 
c.  2  und  4. 

4)  C.  5.  Man  be.->itimmte  zugleich  c.  7,  dass  kein  Priester  Oblationen 
oder  Zehnten,  welche  seiner  Kirche  nicht  gehörten,  sich  aneigne. 

5)  C.  13.     S.  439  Anm.  .">. 

6)  C.  10—12;  14;  15. 

7)  Vorrode:  Sufficit  christianis,  cum  normam  priscoruni  patrum  vitam 


—     441      — 

Die  nächste  Synode  fand  in  Dingolfing  statt.  ^)  Sie  ging  auf 
dem  eingeschlagenen  Wege  weiter,  indem  sie  von  neuem  staatHchen 
Schutz  für  die  kirchhchen  Besitzrechte-)  und  für  kirchhche  Ge- 
wohnheiten, wie  die  Sountagsfeier  und  die  Gelübde  der  Nonnen,") 
verlangte.  Wichtiger  ist  sie  deshalb,  weil  auf  ihr  zuerst  der  Zwie- 
spalt, welcher  zwischen  dem  Herzog  und  seinen  ünterthanen  be- 
stand, für  uns  erkennbar  an  den  Tag  tritt.  Tassilo  konnte  sich 
auf  die  Treue  des  Adels  nicht  mehr  verlassen.'^)  Gewiss  nicht 
ohne  seine  Willen  verhandelte  die  Synode  darüber;  aber  ihre  Be- 
schlüsse waren  nun  höchst  eigentümlich:  sie  verwarfen  natürlich 
die  Untreue  und  waren  doch  zugleich  ein  Schutz  der  Verdächtigen 
gegen  den  Herzog.  Das  ist  verständhch,  da,  wie  -wir  bemerkten, 
der  Episkopat  fast  durchweg  fränkisch  gesinnt  war.  Er  schirmte 
seine  Gesinnungsgenossen.  Und  gerade  in  Dingohing  schloss  sich 
nun  der  Episkopat  enge  zusammen:    nach  dem  Vorbilde  der  fi-än- 

deducere  et  eorum  auctoritate  passim  gradibus  polaiu  scandere:  tarnen 
propter  diversitate  temporum  diversa  necessitate  componendi  compellitur: 
proptera  sanctumque  est  congregatio  sacerdotum  indictis  temporibus  Doo 
opitulante.  ut  diversa  iure  considerentur.  Nam  qui  hos  precessores  pastores 
et  patres  nostros  docuit,  ipse  et  nos  docebit  .  .  .  Proptera  time  Deum  et 
custodi  vias  eius;  nam 

Qui  illum  non  habet  placatum 

Nunquam  evadit  iratum. 

1)  M.G.  Leg.  III  S.  459  ff.  Die  Zeit  steht  auch  bei  dieser  Synode  nicht 
fest.  Riezler  verlegt  sie  in  das  Jahr  769  oder  770  (Gesch.  B  's  I  S.  160j, 
Brunner  (D.  RG.  I  S.  .319)  in  das  Jahr  772.  Gewichtige  Gründe  für  diese  Jahre 
giebt  es,  so  viel  ich  sehe,  nicht.  Denn  769  als  Amtsantritt  Alims 
von  Sehen  ist  nicht  sicher,  man  weiss  nur,  dass  er  in  diesem  Jahre  Bischof 
war  (s.  0.  S.  428  Anm.  10).  Das  einzige  sichere  Datum  ist  der  Tod  Wisu- 
richs  von  Passau  vor  774. 

2)  C.  2:  5;  6. 

3)  C.  1 :  SonntagsentheiligUDg  soll  nach  dem  Gesetz  bestraft  werden 
(s.  Lex  Bai.  Append.  1  S.  335  f.)     C.  4:  Verbot  Nonnen  zu  heiraten. 

4)  C.  8:  De  eo  quod  parentes  principis  quodcunque  praestatum  fuisset 
nobilibus  intra  Baiuvarios,  hoc  constituit  ut  permaneret  et  e?set  sub  pote- 
state  uniuscuiusque  relinquendum  posteris,  quamdin  stabiles  foedere  ser- 
vassent  apud  principem  ad  serviendum  sibi,  et  haec  firma  permaneret:  ita 
constituit.  C.  9:  De  eo  ut  nullus  hereditate  sua  privetur,  nisi  per  tres 
causas  quas  in  pacto  scribentur  (cf.  Lex  Bai.  t.  II,  1  S.  281),  et  propter  homi- 
cidium:  hoc  est  ut  quisquis  hominem  principis  sibi  dilectum  occiderit  ob 
iniuriam  principis  ad  calumniam:  hominem  componat  secundum  legem,  tunc 
privetur  hereditate  sua.  C.  12:  Die  Frau  des  Schuldigen  darf  ihres  Erbes 
nicht  beraubt  werden.  Vielleicht  darf  man  auch  c.  7  herbeiziehen,  indem 
sich  aus  demselben  zu  ergeben  scheint,  dass  Tassilo  sich  auf  ein  bewaff- 
netes Gefolge  stützte. 


—     442     — 

kischen  Bischöfe  traten  die  bainschen  in  einen  Gebets  verein.  Von 
den  Bischöfen  fehlte  nicht  einer.»)  von  den  zahheichen  Abten  je- 
doch nahiiieii  nur  dieizehn  Anteil.")  Bei  den  Mönchen  genoss 
Tassilo  mehr  Sympathien  als  bei  den  Bischöfen:  das  macht  sich 
hier  benierklich. 

Die  letzte  Synode  nnter  Tassilo,  die  zu  Xenchinc;.-')  gi("l)t 
wieder  von  dem  Ge;rensatz  zwischen  Ei)iskopat  nnd  Mönchtuni 
Zeugnis.  Die  Bischöfe  schritten '  dagegen  ein,  dass  che  Mönche 
die  geistliche  Pflege  der  Gemeinden  sich  anmassten,  und  die  Abte 
sahen  sich  genötigt,  ihnen  Zugeständnisse  zu  machen:  sie  sagten 
zu,  dass  sie  ihre  Kirchen  durch  eigene  Priester  bedienen  lassen 
würden.  Dadurch  war  die  Unterordnung  des  Diözesanklerus  unter 
den  Bischof  gewahrf)  Die  übrigen  Beschlüsse  beziehen  sich  auf 
Angelegenheiten  des  bürgerlichen  Rechts:  für  uns  kommt  nur  in 
Betracht,  dass  man  aus  den  rechtlichen  Formeln  solche  ausschied, 
in  welchen  heidnische  Anschauungen  sich  aussprachen.-'^)  dass  man 


1)  Manno  von  Neuburg,  Alim,  Virgil,  Wisurich,  Sintpert,  Aribo.  Die 
Bestimmungen  über  die  Messen  nacli  dem  Totenbund  von  Altigni,  s.  S.  67 
Vgl.  den  Brief  Adalperts  von  Tegernsee  an  Virgil,  M.G.  Ep.  IV  S.  497  Nr.  2. 

2)  Oportunus  von  Mondsee;  Wolfperht  (?  von  Niederaltaich),  Adalperht 
von  Tegernsee,  Atto  von  Scbarnitz,  Utto  von  Metten,  Lantfrid  von  Bene- 
diktbeuren  (s.  Bd.  1  S.  493,  2),  Alpuni  (unbekannt;  er  kommt  auch  im  Salz- 
burger Verbrüderungsbuch  vor,  36,  20  S.  7),  Roadhart  (unbekannt,  doch  vgl. 
S.  431  Anm.  8),  Ernust  (unbekannt),  Reginperht  von  Moosburg,  Wolchan- 
hart  von  Haindiingberg,  Perahtcoz  von  Schliersee,  Sigidio  (unb(>kannt). 

3)  M.G.  Leg.  111  S.  462  ft.  .\uch  bei  dieser  Synode  steht  die  Zeit  nicht 
fest,  da  die  Zeitangaben:  24.  .Tahr  Tassilos,  772.  14.  Indiktion  nicht  über- 
einstimmen. Das  24.  .Jahr  Tassilos  beginnt  im  .Tanuar  771;  die  14.  Indik- 
tion führt  auf  776— 777.  Man  wird  das  Regierungsjahr  als  die  wahrschein- 
lich zutretlonde  Angabe  festzuhalten  haben.  Brunner,  D.  R(4.  I  S.  319 
nimmt  774—77.5  an.  Dass  die  Ortsangabe  Dingolting  in  drei  Hand- 
.scliriften  auf  Irrtum  beruht,  darüber  ist  man  einig.  Über  die  sogen,  l'iisto- 
ralanweisung  s.  u. 

4)  Das  Protokoll  lässt  eingehende  Verhandlungen  vermuten,  wenn  os 
berichtet:  (.^bbatea)  nuliis  comproban-  quiverant  testimoniis,  ut  monachis 
parochie  commendari  deberentur  vel  publica  baptismatis  obsequia  .  .  . 
Tnde  ab  univorsis  abbatibus  facta  professio,  ut  minime  titulis  popularibus 
80  ingerere  depellerentur  et  haec  omnia,  cui  commissae  sunt  plebes,  sub 
potestate  episcoprum  permaneant. 

5)  C.  6:  De  eo  quod  Bawarii  stapsaken  dicuni .  in  quibus  verbis  ex 
vetnsta  con.suetudino  paganorum  idnlatria  reperimus.  ut  deinceps  non  aliter 
nisi  ut  dicat  qui  quaerit  debitum:  Haec  mihi  iniuste  abstulisti  quae  reddere 
debea  et  cum  tot  solidis  componere;  reu«  vero  contra  dicat:  Nee  hoc  ab- 
atuli  nee  componere  debeo;  iterata  voce  requisito  debito  dicat:  Extendamua 


—     443     — 

in  gewissen  Fällen  Ehescheidungen  als  zulässig  anerkanntet)  und 
dass  man  jeden  Bruch   der  Klostergelübde  zu  verhindern   suchte.') 

Von  weiteren  bairischen  Synoden  hört  man  erst  nach  der  Ab- 
setzung Tassilos.  Das  ist  schwerlich  ein  Zufall.  Man  wird  auch 
hierin  ein  Zeichen  davon  zu  erblicken  haben,  dass  das  Verhältnis 
zwischen  dem  Herzog  und  dem  Episkopat  nicht  das  beste  war.  Er 
traute  den  Bischöfen  nicht. 

Tassilo  regierte  sein  Land,  wie  ein  selbstständiger  Herr,  ohne 
dass  er  jedoch  die  Abhängigkeit  Baierns  vom  fränkischen  Reich 
in  Abrede  stellte.^)  Auch  nachdem  er  Pippin  im  aquitanischen 
Feldzug  des  Jahres  703  verlassen  hatte,  wagte  er  nicht,  völhg  mit 
dem  Reich  zu  brechen.*)  In  Baiern  aber  wusste  man  nicht  anders, 
als  dass  sich  die  Herrschaft  des  Königs  auch  über  diesen  Stamm 
erstrecke;  Urkunden  aus  den  Jahren  754,  759.  767  nennen  die 
Regierungsjahre  Pippins  neben  den  seinen.'^)  Unter  Karl  scheint 
sofort    die    Zugehörigkeit    des    bairischen    Herzogtums    zum    Reich 

dexteras  nostras  ad  iustuin  iudicium  Dei:  et  tunc  manus  desteras  utrique 
ad  caelum  extendant. 

1)  C.  10:  Eine  Freie,  welche  einen  Kirchensklaven  geheiratet  hat  und 
den  Sklavendienst  verweigert,  hat  drei  Jahre  lang  das  Recht  der  Schei- 
dung. C.  17:  Der  Verwandte  einer  von  ihrem  Manne  wegen  Eheloi-uchs 
Verstossenen ,  der  den  Mann  deshalb  angreift,  wird  mit  Strafe  der  Güter- 
konfiskation bedroht. 

2)  C.  18. 

3)  Riezler  (Gesch.  B.'s  I  S.  153)  lässt  das  ausser  Betracht,  wenn  er 
von  , völliger  Selbstständigkeit"  spricht,  deren  sich  Baiern  „erfreute".  Mit 
dem  regnum  und  regnare  Tassilos  lässt  sich  nichts  beweisen;  denn  diese 
Wendungen  finden  sich  auch  im  2.  Titel  des  bairischen  Gesetzes,  der  die 
Oberherrschaft  des  Königs  so  unumwunden  anerkennt  (II,  9  S.  287).  Noch 
weniger  beweist  der  Titel  vir  illuster.  Auch  Huber,  Gesch.  Oesterreichs  I 
S.  72  scheint  mir  die  Unabhängigkeit  Baierns  zu  überschätzen. 

4)  Paul  I.  wurde  von  ihm  bestürmt  (iam  sepius  nos  petisse  dinosei- 
tur),  er  sollte  gute  Worte  bei  Pippin  für  den  Frieden  einlegen  (Cod. 
Carol.  36  S.  545).  Ein  solches  Verlangen  konnte  er  vernünftiger  Weise 
doch  nur  stellen,  wenn  er  seinen  Schritt  irgendwie  entschuldigte  und  ihm 
dadurch  die  Farbe  des  Treubruchs  nahm,  die  er  sebr  deutlich  trug. 

5)  Meichelbeck  I,  1  S.  52  ff.,  3  Urkunden  aus  den  Jahren  754  und 
756.  In  den  beiden  letzten  liest  man  regnante  Pippino  und  anno  regni 
Tassilonis  nebeneinander.  Ebenso  in  der  Urkunde  aus  dem  Jahre  759  I, 
2  Nr.  6  S.  28.  Endlich  in  der  Urkunde  I,  2  Nr.  13  S.  32  ist  nur  das  Jahr 
Pippins,  nicht  aber  das  Tassilos  angegeben.  Ihre  Datierung  ist  nicht 
sicher.  Das  Regierungsjahr  Pippins  führt  auf  den  7.  Mai  767.  Dazu 
stimmt  jedoch  die  Indiktion  nicht.  Die  Unsicherheit  ist  für  unsere  Frage 
belanglos,  da  die  Urkunde  in  Aribos  Amtszeit  gehört,  also  jedenfalls  später 
als  763  liegt. 


—     444     — 

stärker  betont  worden  /u  sein.  Tassilo  hat  sie  niclit  geleugnet: 
nachdem  er  solion  im  Anfang  der  Regierung  Karls  durch  Sturm 
von  Fulda  dein  Könige  Zusagen  gemacht,^  hess  er  im  .lahre  778 
das  hairische  Aufgebot  Karl  nach  Spanien  folgen.-)  Drei  Jahre 
später  leistete  er  in  Worms  vor  Karl  den  Eid  der  Treue  und  des 
Gehoi-sams.^')  Gehalten  hat  er  ihn  so  wenig  als  den  Schwur  von 
Compicgne  i.  J.  T.")7.  Schon  7S4  kam  es  bei  Bozen  zu  einem 
blutigen  Zusammenstoss  zwischen  den  Baiern  und  einem  fränki- 
schen Grafen;'*)  bald  waren  die  Verhidtnisse  so  gespannt,  dass 
Tassilo  die  Intervention  des  Papstes  anrief,  um  Karl  von  gewalt- 
samen Schritten  zurückzuhalten.  Er  sandte  Bischof  Arn  und  Abt 
Hunrich  zu  diesem  Zwecke  nach  Kom.  Aber  die  Verhandlungen, 
welche  dort  zwischen  Karl.  Hadnan  mid  den  bairischen  Gesandten 
statthatten,  mussten  resultatlos  enden,  da  Tassilo  in  der  ihm  eigenen 
Unentschlossenheit  seine  Boten  nicht  bevollmächtigt  hatte,  irgend 
welche  Inndende  Zusagen  zu  machen.  Nicht  nur  Karl  war  er- 
züiTit,  auch  Hadrian  sali  in  dem  Verhaken  des  Herzogs  Mangel 
an  Aufrichtigkeit  und  Zuverlässigkeit:  er  forderte  ihn  unter  Drohung 
mit  dem  Bannfluch  der  Kirche  zum  Gehorsam  gegen  den  König 
auf.  Das  gleiche  Verlangen  stellte  Karl  selbst,  nachdem  er  nach 
Deutschland  zurückgekehrt  war.  Tassilo  war  vor  die  Entscheidung 
zwischen  offenem  Kam])f  und  aufrichtiger  Unterwerfung  gestellt; 
er  wählte  den  ersteren.'')  Allein  er  kannte  seine  Lage  nicht:  die 
bairischen  (Crossen  waren  längst  mit  seiner  Regierung  unzufrieden;") 
i]f'V  b;iiri<elif'  E]tiskopnt  war  fränkisch  gesinnt.')  auf  die  ^^asse  der 

1)  V.  Sturm.  22  S.  376.  Dass  die  Herstellung  der  Froundschaft  nur 
auf  r4nind  von  Zusagen  Tasailos  möglich  war.  versteht  sich  hei  Karls  Cha- 
i'akter  von  selbst. 

2)  Ann.  Lauriss.  z.  d.  .T.  Riezier  sucht  Gesch.  B.'s  I  8.  163  das  Ge- 
wicht dieser  Nachricht  zu  beseitigen:  man  freut  sich  des  Scharfsinn.s,  aber 
man  wird  nicht  überzeugt. 

'^)  Ann.    Lauriss.    min.    15    und    16:    niai.,  ?]iiih.    Lauresh.  z.    .1.    781. 
4)  Ann.    S.    Emmer.    mai.    /,     .1.    78.').      über    das    .Jahr    s.    Abel,    JB. 
S.  477  Anm.  1.  • 

ö)  Ann.  Lauri.ss.  min.  19;  mai.,  Einh.  z.  .1.  787. 

6)  S.  o.  S.  441. 

7)  Von  Aribo  ist  das  .sicher  (s.  8.  426):  in  Bezug  auf  Arn  mindestens 
äusserst  wahrscheinlich:  es  ist  schwer  anzunehmen,  dass  Tassilo  den  Abt 
eines  fränkischen  Klosters  nach  Salzburg  berufen  hätte,  wenn  er  nicht  durch 
Karl  dazu  veranlasst  worden  wäre.  Arn  betrachtete  sich  als  Bischof  durch 
die  Gnade  Karls:  per  mercedem  domni  nostri  Caroli  (Tndic.  .\rn.  8.  1.5,  s. 
S.  421  Anm.  6).  Bei  dem  engen  Zusammenhalt  des  I)airi9chen  ?-piskopat8 
liegt  die  Annahme  sehr  nahe,  dass  die  übrigen  Bischöfe  nicht  anders  ge- 
sinnt waren  als  diese  beiden  (a.  S.  427  ff.) 


—     445     — 

Bevr)lkeriiiig  wirkte  vielleicht  die  päpstliche  Drohung;')  dazu  kam, 
dass  die  li'änkischeu  Könige  vorlängst  in    dem   bairischen  Herzog- 
timi  nicht  unbedeutenden  Gnindbesitz  und  demgemäss  auch  Lehens- 
leute hatten;-)  schon  unter  Karl  Martell  hatten  Baiern  sich  in  den 
Schutz  der  Frankenfürsten   gestellt,    unter  Pippin    und  Karl    war 
das  ebenfalls   geschehen/')     So    trat   denn  ein,    was   Tassilo  nicht 
fürchtete,  und  Karl  schwerhch  hoffte.    Die  Baiern  folgten  zwar  dem 
Aufrufe  des  Herzogs  und   erschienen  bewaffnet   um  ihn:    aber  als 
er  sie  zum  Kampfe  gegen  Karl  führen  wollte,  verweigerten  sie  den 
Gehorsam:    sie   erklärten  ihrem  eidbrüchigen  Herzog,    dass  sie  die 
Plhcht  gegen  den  König  der  gegen  den  Herzog  voranstellen  müssten. 
Da  euttiel  Tassilo  der  Mut;  jetzt,  wo  es  galt,  für  die  eigenen  An- 
sprüche oder  Eechte  zu  sterben,  gab  er  nach:   am  3.  Oktober  787 
leistete    er,    wahrscheinlich    auf   dem    Lechfelde,    von    neuem    den 
Vasalleneid.      Dadm'ch    erkaufte    er    sein    Herzogtum:    das    ganze 
bairische   Volk    aber    schwm-    dem    König    den    Eid    der    Treue.  ^) 
Tassilos  Unterwerfung  war  nicht  rühmlich,  denn  sie  war  eine  That 
der  Feigheit.     Aber   hätte   er   nm*  wenigstens  jetzt  seinen  Eid  ge- 
halten.    Allein  nun  kam  er   auf  den  verzweifelten  Gedanken,    die 
verlorene  Selbstständigkeit  mit  Hilfe  der  Avaren  wieder  zu  erringen. 
Unter  allen  Feinden  der  deutschen  Nation  waren  diese  jeder  Mensch- 
hchkeit   baren  Barbaren    den  Deutschen   die   verhasstesten.      Dass 
Tassilo  mit  ihnen  Unterhandlungen  pflog,  konnte   natürhch  nicht 
verborgen  bleiben.      Das  bamsche   Volk    aber  wai"  vollständig  im 
Rechte,   wenn  es,  über  den  Veri'at  des  Herzogs  emj^ört.   vor  dem 
König  Klage  wider  ihn  erhob.     Das  Ende  war,   dass  Tassilo   auf 
dem  Tage  zu  Ingelheün  zum  Tode  verurteilt  wurde.     Das  geschah 
nach   baii'ischem  Eecht,   das   demjenigen    das  Leben  versagte,   der 


1)  Dies  heben  Abel  S.  599  u.  a.  hervor.  Überliefert  ist  es  nicht;  denn 
die  Histor.  fundat.  Pez  Thes.  III,  3  S.  495  ist  keine  Quelle,  deren  Zeugnis 
Gewicht  hat.     Das  hat  Ketterer  S.  100  nicht  bedacht. 

2)  Lex  Bai.  tit.  II,  14  S.  288:  Sive  regis  vassus,  sive  ducis.  Wie  be- 
deutend der  Grundbesitz  war,  ergiebt  sich  daraus,  dass  vor  755  allein  in 
Österreich  an  ungefähr  150  Oi-ten  königliche  Kammergüter  nachgewiesen 
werden  können,  s.  v.  Inama-Stemegg,  Ausbildung  der  grossen  Grundherr- 
schaften 1878  S.  26. 

3i  Cap.,  quae  ad  leg.  Baior.  Karol.  add.  iussit  11,  8  S.  479:  Quod  non 
amplius  de  illis  iustutiis  missi  nostri  ad  praesens  modo  faciant,  nisi  de  tem- 
poribus  Tassilonis  seu  Liutpirgae,  excepto  illis,  qui  ad  fidem  avi  et  geni- 
toris  nostri  vel  ad  nos  venerint. 

4)  Ann.  Lauresh.,  Lauriss.  min.,  mai.,  Einh.  z.  J.  787;  vgl.  Hibern. 
exul.  carm.  2  v.  65  ff.  S.  398  f.  Die  strategischen  Massregeln  Karls  waren 
überdies  so  getroffen,  dass  Tassilos  Lage  hoffnungslos  war. 


—     44li     — 

den  Ft'iud  iii>  Land   rief.     Ebentalls    nach    bairischem   Hechte   hat 
Karl  den  Veruiteilten  zur  Einschliessung  in  ein  Kloster  begnadigt.^) 
Die   Katastrophe   Tassilos   ist   keine   Tragödie.      Nie    ist    eine 
Empörung  so  thöricht  und  knabenhaft    geplant   und  ins  Werk  ge- 
setzt worden  als  die  seine:   er  verstand  nicht,  den  rechten  Augen- 
blick zu  ergreifen,  in  dem  sein  Abfall  Aussicht  auf  Erfolg  gehabt 
hätte:    er   vei-stand   ebenso  wenig  im   ungünstigen  Augeid)lick   den 
Erfolg  zu  erzwingen,  indem  er  alles  aufs  Si)iel  setzte.    Wo  er  hätte 
handeln   sollen,    zögerte   er,    und   als   seine  Sache  bereits   verloren 
war,   handelte   er.     Auf  dem   Kelche,    den   er  dem   Stift    Krems- 
müuster   zum    Geschenke    machte,-)    bezeichnete    er    sich    als   den 
tapfern  Herzog:    aber  im  Augenblick  der  Gefohr  hat  ihn  jedesmal 
der  i\Iut  verlassen.     Im  Kreise  seiner  Anhänger  hat  er  prahlerische 
Worte  geredet:    Hätte  er  zehn  Söhne,  so  wollte  er  sie  lieber  ver- 
lieren,  als  seine  Zusagen  halten;    er  möchte  lieber  tot  sein,    denn 
als  Unterthan   leben ;"^)    aber   als   es   zur  Entscheidung  kam.   blieb 
sein  Schwert  in  der  Scheide;  er  machte  nicht  einmal  den  Versuch, 
für  seine  Sache   zu   fechten.     Er  verdiente   es.    dass   ihn  Karl   als 
Geschorenen  leben  liess. 

Fn  Baiern  hat  man  seinen  Sturz  nicht  bedauert.  Weini  man 
ein  Vierteljahr,  nachdem  das  l)airische  Herzogtum  ein  Ende  ge- 
funden luitte.  eine  T^rkunde  datierte  als  geschrieben  unter  der  HeiT- 
schaft  des  erhabenen  Hemi  und  ruhmreichen  Königs  Karl."*)  und 
wenn  man  eine  andere  datierte  in  dem  Jahre,  da  unser  Herr,  der 


1)  Lli.  ct.  z.  J.  788.  Kiezlcr.-;  für  Ta.ssilo  viel  günsti^ero  Darstelhing 
scheint  mir  den  Quellen  gegenüber  unhaltbar.  Ks  ist  unrichtig,  dass  man 
„in  durchaus  willkürlichem  Verfahren  auf  ein  25  Jahre  übersehenes  Ver- 
brechen zurückgritf"  (Ge.sch.  U.'s  I  S.  170).  Nach  dein  unverwerflichen 
Berichte  der  sog.  Lorscher  Annalen  bezog  sich  die  Klage  der  Bai(u-n  auf 
die  Untreue  Ta.ssilos  nach  dem  YAd  von  787.  Da.ss  ein  Bündnis  zwischen 
ihm  und  den  Avaren  abgeschlossen  war,  beweist  der  Avareneinfall  im  .Tahre 
788.  Auch  Huber  (Gesch.  Oesterreichs  I  S.  76)  irrt,  indem  er  die  Vermutung 
ausspricht,  dass  die  feindselige  Haltung  Tassilos  vielleicht  nicht  zu  beweisen 
gewesen  sei.  In  den  Lorscher  Annalen  liest  man  ausdrücklich:  T.  confessus 
est  postea  (nach  dem  Tag  auf  dem  Lechfeld)  ad  Avaros  transmisisse.  Wenn 
man  bei  dem  Urteil  das  ganze  Schuldregister  Tassilos  aufzählte,  so  lag 
darin  kein  Unrecht  gegen  den  Herzog.  Das  schlimmste  Urteil  über  ihn 
ist  seine  Begnadigung;  denn  sie  beweist,  dass  ihn  Karl  auf  äusserste  gering 
schätzte. 

2)  .T.  V.   Falke,    Gp.sch.    des  deutschen  Kunstgewerbe.s  h>.  22:   TAS81L0 
DVX  FORTIS    f  LIVT1'IK(;  VIKGA  KK(4AL1S. 

'i)  Ann.  Lauriss.  mai.  z.  ,1.  788. 
4)  Meichelbeck  I,  2  S.  79  f.  Nr.  99. 


—     447     — 

König  Karl.  Baiern  envarb/)  so  liegt  darin  nicht  die  Trauer  um 
einen  Verlust,  sondern  die  Freude,  dass  ein  schlechter  Zustand 
einem  besseren  gewichen  war.-) 

Für  die  kirchlichen  Verhältnisse  bewirkte  das  Ende  des  bai- 
rischen  Herzogtums  kaum  irgend  eine  Veränderung.  Xm*  eines 
wurde  anders:  die  auffällige  Förderung  der  Klöster  nahm  ein  Ende. 
So  zahlreich  die  Neugründungen  unter  Tassilo  sind,  unter  Karl  ist 
kein  einziges  bairisches  Kloster  entstanden ;  ja  die  Klöster  mussten 
sich  entschliessen,  auf  Rechte  zu  verzichten,  die  ihnen  Tassilo  ein- 
geräumt hatte. ^)  Karl  erwartete  bei  den  Mönchen  wenig  Freund- 
schaft; deshalb  verlieh  er  bairische  Klöster  an  fränkische  Prälaten: 
so  kam  Chiemsee  an  Angilram  von  Metz^)  und  Moudsee  an  Hilde- 
bald von  Köln.'^) 

Im  übrigen  eut\nckelten  sich  die  Verhältnisse  ruhig  weiter. 
Karl  hütete  sich,  störend  einzugreifen,  er  löste  nicht  einmal  den 
bisherigen  Zusammenhang  der  bairischen  Bistümer  auf.  AVährend 
der  bairische  Stamm  seine  poHtische  Selbstständigkeit  einbüsste, 
bheb  die  bairische  Kirche  ein  eigener  Kirchenkörper:  die  bisherige 
Laudeskirche  wurde  zum  Erzbistum  Salzburg.'^)  Aber  ein  Unter- 
schied war  doch;  denn  das  neue  Erzbistum  war  nun  ein  Teil  der 
fränkischen  Eeichskirche. 

Es  entspricht  diesem  Zustande,  dass  seit  Tassilos  Entsetzung 
das  Bestreben  sich  in  verstärktem  Masse  geltend  machte,  den  Ein- 
richtungen, welche  soeben  in  der  fränkischen  Kirche  durchgeführt 
wurden,  auch  in  Baiern  Anerkennung  zu  verschaffen.  Hiefür  war 
Erzbischof  Arn  die  rechte  Persönlichkeit.  Ein  geborener  Baier, 
verdankte  er  seine  theologische  Bildung  dem  Aufenthalt  im  Westen, 
war  er  mit  Alkuin  enge  befi-eundet  und  gehörte  er  als  Abt  eines 
grossen  fränkischen  Klosters  dem  Verband  der  Reichskirche  un- 
mittelbar an.  Wie  entschieden  er  das  fränkische  Vorbild  als  Regel 
betrachtete,  zeigt  nichts  so  deuthch  als  das  Schreiben,  durch  welches 
er,  wahrscheinhch  im  Herbst  798.  seine  erste  SjTiode  nach  Ries- 
bach berief. ' )    Er  erinnerte  direkt  an  den  Vorgang  der  fränkischen 


1)  L.  c.  Nr.  100  S.  80. 

2)  Um  so  lebhafter  ist  die  Trauer  der  Partikularisten  des  19.  Jahr- 
hunderts, s.  Eberl  im  Jahresbericht  der  Studienanstalt  Straubing  1891. 

3)  Vgl.  oben  S.  416  Änm.  5. 

4)  Urkunde  Karls  vom  25.  Oktober  788  (ß.M.  289). 

5)  S.  die  Mondseeer  Schenkungen  11,  14  u.  a. 

6)  S.  0.  S.  207  f. 

7)  M.G.  Leg.  III  S.  477.  Ich  glaube  nicht,  dass  das  Schreiben  zu 
der  Riesbacher  Synode,  deren  Beschlüsse  auf  uns  gekommen  sind  (1.  c. 
S.  468  =  Cap.    112  S.   226),    gehört.     In    diesem    Fall    müsste    das    Datum 


—     448     — 

Bischült'.  welche  kurz  vorher  eine  Synode  gehalten  hatten;  ihre  Be- 
schUisse  sollten  gewissermassen  als  Vorlage  für  die  bairische  Synode 
dienen:  deshall)  sollten  die  Bischöfe  sich  Ahschiiften  dersell)en  ver- 
schaffen und  sie  nach  Riesbach  mitbringen.') 

Arn  wünschte  seine  Synode  zu  einer  Repräsentation  des  ganzen 
Erzbistums  zu  machen.  Er  lud  deshalb  nicht  nur  die  Bischöfe  und 
Chorbischöfe  ein.  scmdern  ordnete  an,  dass  auch  die  Erzpriester  und 
andere  hervorragende  Kleriker  und  Mönche  erschienen.  Wir  be- 
sitzen die  Beschlüsse,  welche  mau  fasste,  nicht,  wohl  aber  das 
Schreiben,  durch  welches  Arn  sie  dem  Klerus  seines  Sprengeis 
puijliziei-te.-)     Man    hört    den   Gesinnungsgenossen    Alkuins    reden, 


13.  Kai.  Septembres  in  13.  Kai.  Februar,  geändert  werden,  da  die  Riesbaclier 
Synode  am  20.  Januar  799  stattfand.  Das  ist  gewaltsam.  Dazu  kommt, 
dass  man  Anlass  hat,  eine  zweite  Riesbacher  Synode  unter  Arn  anzunehmen. 
Die  von  Regino  erwähnten  Kanones  (S.  477)  fehlen  in  denjenigen  der  Synode 
von  799.  Dass  Arn  schon  im  Sommer  798  in  Riesbach  eine  Synode  ab- 
gehalten hat,  ist  möglich;  er  kehrte  im  Laufe  desselben  von  Rom  zurück, 
wie  sich  aus  dem  Briefe  ergiebt.  den  Alkuin  am  13.  September  798  erhielt, 
und  der  ihn  wegen  seiner  Dürftigkeit  so  wenig  befriedigte  (Ale.  ep.  157 
S.  255). 

1)  Von  einer  fränkischen  Synode  im  Jahre  798  ist  nichts  bekannt. 

2)  Ich  komme  damit  auf  die  sogen.  Pastoralanweisung  von  Nouching 
und  begründe  in  Kürze  mein  Urteil  über  dieses  .\ktenstück.  Dasselbe  ist 
erhalten  in  einem  Benediktbeurer  Kodex  in  München,  der  dem  12.  Jahr- 
hundert angehört  (Merkel  Nr.  8  S.  242).  Hier  folgt  es  unter  «ler  Lber- 
schrift:  Qualis  debeat  esse  pastor  ecclesiae,  auf  die  Beschlüsse  von  Neuching; 
gedruckt  in  Westenrieders  Beiträgen  I  S.  22  ff.  Beinahe  wörtlich  findet 
sich  der  Anfang  in  einem  Diessener  Kodex  in  München,  hier  Oelasius  I. 
zugeschrieben,  gedruckt  bei  Thiel  (ep.  Rom.  pontif.  I  S.  508).  Thiel  lässt 
die  Frage  offen,  ob  das  Bruchstück  Gelasius  angehört;  Merkel  (S.  246)  be- 
jahte .sie  Wie  mich  dünkt,  ist  sie  zu  verneinen,  (regen  Gelasius  ent- 
scheidet, was  über  die  Verteilung  des  kirchlichen  Kinkommen.s  gesagt  ist. 
Nach  S.  27  sollen  4  Teile  gemacht  worden:  1.  für  den  Bischof,  2.  für  Pres- 
byter und  Diakoneu,  3.  für  den  Klerus,  4.  für  Fremde.  Dagegen  bestimmt 
Gelasius  ep.  14  c.  27  S.  361:  Teilung  für  den  Bischof,  die  Kleriker,  die  Armen 
und  die  Kirchenfabrik.  Ist  Gelasius  nicht  der  Urheber,  so  weisen  die  Hand- 
schriften auf  einen  bairischen  Verfasser,  beziehungsweise  auf  eine  bairische 
Synode  is.  S.  30).  Vor  dem  Frühjahr,  798  aber  kann  das  Schriftstück  nicht 
entstanden  sein,  denn  es  setzt  den  Bestand  eines  Erzbistums  voraus  (S.  28). 
Die  von  Hefele  (CG.  III  S.  619)  noch  festgehaltene  Annahme  des  ersten 
Herau.sgebers  des  Stückes,  Baiern  werde  als  Bestandteil  der  Mainzer  Metro- 
pole betrachtet,  widerspricht  allem,  was  wir  über  die  kirchlichen  Zustände 
Baierns  unter  Tassilo  wissen.  Das  Schriftstück  kann  aber  auch  nicht  nach 
dem  Jahre  799  erlassen  sein ;  denn  auf  der  Freisinger  Synode  dieses  Jahres 
wurde  die  Verteüung  der  kirchlichen  Einkünfte    nach  der  Bestimmung  de» 


—     449     — 

wenn  er  vor  allem  von  den  sittlichen  Verpflichtungen  spricht, 
welche  die  Geisthchen  in  Bezug  auf  ihr  eigenes  Leben  hätten; 
rechter  Wandel  und  rechte  Lehre  müssteu  Hand  in  Hand  gehen.  ^) 
Was  dann  im  einzehien  angeordnet  wii'd,  ist  Übertragung  fränki- 
scher Einrichtungen  auf  Baiern.  Das  gilt  in  Bezug  auf  die 
Organisation  des  Kathedralklerus:  jeder  Bischof  sollte  an  seiner 
bischöflichen  Kirche  eine  angemessene  Zahl  von  Priestern 
und    Diakonen    bestellen    und    sie    täglich    zm-   Lektion    um    sich 


Gelasius  geregelt  (c.  13  S.  228).     Nun  hat  Regino   einen  Riesbacher  Kanon 
aufgezeichnet  (S.  477),    der    sich    unter    den  Kanones   der   Synode   von  799 
nicht  findet  (s.  o.  S.  448)     Er  findet  sich  dagegen,  zwar  nicht  wörtlich  aber 
inhaltlich    ganz    genau,    in    der  Pastoralanweisung  S.   26.     Dies    giebt    ein 
Recht,    sie    einer   Riesbacher    Synode    im    Herbst  798    zuzuschreiben.     Auf 
dieser  Synode    wird    auch    der  2.  Kanon  Reginos    über    die  Festtage  ange- 
nommen worden  sein.     Denn  dass  ein  solcher  Beschluss  unter  Arn  vor  dorn 
Jahre  800  gefasst   wurde,   beweist  Ale.  ep.  193  S.  321,   die  Erwähnung  der 
Einführung    des   Allerheiligenfestes    in   Baiern.     Dass    er    in    der    Pastoral- 
anweisung nicht  erwähnt  ist,    macht  keine  Schwierigkeit:    sie    ist   ja    nur 
fragmentarisch  auf  uns  gekommen.    Wir  besitzen  in  ihr  nicht  die  Beschlüsse 
der  Riesbacher  vSynode  vom  August  798  in  der  Form,  wie  sie  gefasst  wurden, 
sondern  die  Zusammenfassung  derselben  zum  Zwecke  der  Eröffnung  an  den 
gesamten  Klerus   des  Erzbistums.     Also   einen   Erlass  Ams.     Dass    das  Ein- 
ladungsschreiben und  dieser  Erlass    zusammengehören,    darauf   weist    auch 
die  seltsame  Art  hin,   in   welcher   in    beiden  Aktenstücken  Karl  bezeichnet 
ist,  im  Briefe :  in  regno  domni  senioris  nostri,  in  dem  Erlass  S.  27:  summus 
princeps,  cui  Dens  populum  tradidit  ad  regendum :  beide  Male  ist  der  Titel 
König    vermieden.     An   Arn    als  Verfasser    zu    denken    ist    noch    besonders 
dadurch  nahe  gelegt,  dass  die  Gedanken,  welche  in  der  Einleitung  S.  22  f. 
ausgesprochen  werden,  genau  zusammentreffen  mit  den  Ermahnungen,  welche 
Leo  III.  in  seinem  Schreiben  vom  20.  April  798,  J.W.  2498,  an  Arn  richtet 
(ÜB.   des  Herzogt.   Steiermark  I  S.  1  f.).     Diesem  Urteil   über   die  Pastoral- 
anweisung entspricht  durchaus  ihr  Inhalt:  denn  derselbe  zeigt  überall,  dass 
die  Anordnungen  Karls  in  Baiern  eingeführt  werden  sollten :  der  Absatz  S.  23 
Et  quamuis  ist  ein  Seitenstück  zur  Einführung  des  kanonischen  Lebens  des 
Kathedralklerus;  S.  23  Presbyteros  qui  sunt  fordert  ein  gewisses  Mass  theo- 
logischer Bildung    der   Priester;    S.   24  Sacramentar.     Revision    der    liturg. 
Bücher,    gegen    Paganien:    S.  26   Qui    sunt,    gegen    das   Waffentragen    der 
Kleriker;    Ib.  Episcopus   autem,  Einrichtung   von   Schulen   an  den  bischöf- 
lichen Kirchen;    S.  28   Et  unusquisque,   Teilnahme    an   den  Reichssynoden; 
in  jedem  Bistum  jährlich  zwei  Diözesansynoden.     Ib.  Et  hoc  omnino,  keine 
fremden  B^eriker.     Ib.   Et  cum  summa,   gegen    Wanderbischöfe.     S.   29  Et 
hoc    secundum,    gegen    eigenmächtige    Absolution    Exkommunizierter.      In 
allen  diesen  Stücken  liegt  die  Nachahmung  der  Vorschriften  Karls  offen  vor. 
1)  S.  22:  Qualiter  uivat,  et  bene  vivens,  qualiter  doceat,  et  recte  docens, 
infirmitatem  suam   cottidie  quanta  consideratione  cognoscat. 
Hauck,  Kirchengeschichte.    II.    2.  Aufl.  29 


—     4ÖU     — 

saniiuelu.')  Nicht  minder  in  Bezug  auf  die  Bildung  und  Anitsfühmng 
des  Geistlichen:  in  ei-sterer  Hinsicht  forderte  Am  die  En-ichtuug 
von  Schulen  an  den  hischöf liehen  Kirchen;  wie  in  den  fränkischen 
Schulen  sollttni  die  Kleriker  im  Gesang  und  im  Vollzug  liturgischer 
Handlungen  geübt  und  in  der  Theologie  unterwiesen  wenden.  In 
ei-sterer  Hinsicht  bestimmte  er.  dass  überall  die  gottesdienstlichen 
Formen  der  römischen  Kirche  beobachtet  würden.  Der  Amts- 
führung der  Geistlichen  musste  es  dienen,  dass  er  eine  der  Be- 
Tölkerung  entsprechende  Verteilung  der  Priester  innerhalb  der  Diö- 
zesen und  klare  Abgrenzung  der  Pfarrl)ezirke  forderte.-)  Auch 
was  über  die  Unterordnung  des  Klerus  unter  den  Bischot^  die  Ver- 
waltung des  Kirchenguts,  die  Leistung  der  Zebuten.  das  Beicht- 
und  Busswesen,  den  Kampf  gegen  Unzucht  und  Aberglauben 
n.  dgl.  gesagt  wird,  bildet  Parallelen  zu  Verordnungen  Karls  und 
Beschlüssen  fränkischer  Synoden.  Baiern  sollte  den  Vorsprung, 
den  die  Kirche  des  Reichs  Dank  der  Thätigkeit  Karls  gewonnen 
hatte,  möglichst  rasch  einholen. 

Im  Januar  799  folgte  eine  neue  Zusammenkunft  der  bairi- 
schen  Bischöfe  in  Riesbach  und  kui'z  darauf  zwei  weitere  in  Frei- 
sing und  Salzburg.") 


1)  S.  23:  Et  quamvis  cum  labore  clerum  sibi  comraissuni  diliffat,  aniet, 
doceat  .  .  .  presbyteros  secnndum  eorum  pradus.  diaconos  in  eodesia  sua 
secundum  possibilitatem  uel  loci  ipsius  paupertatem  secuiidum  dispositionell! 
uel  traditionom  apostoloruni  aut  lll  aut  V  aut  IUI,  si  possibilitas  loci  mon- 
atraverit.  Ipsi  sint  docti  etc.  Hefele  (CG.  III  S.  617)  giebt  diese  Bestimrauug 
mit  den  Worten  wieder,  dass  er  die  Priester  belehren  und  an  jedem  Orte 
nach  Massgabe  des  Kirchonvennügens  3 — 5  Dinkonen  anstellen  solle.  Da.s 
ist  jedoch  offenbar  unrichtig.  Abgesehen  von  der  Kleinigkeit,  dass  bei  den 
Worten  sec.  dispos.  apost.  an  7  Diakonen  zu  denken  sein  wird,  handelt  es 
sich  nicht  um  jede  Kirche  des  Bistums,  sondern  um  dio  Kathedrale  (in 
ecclesia  sua).  Arn  wünschte,  dass  an  jeder  l)isrhöf liehen  Kirche  eine  Anzahl 
Priester  und  3—7  Diakonen  aufgestellt  würden.  Die  ÜPstimmung  ist  ver- 
ständlich, wenn  man  sich  daran  erinnert,  dass  gerade  in  Baiorn  das  Bistum 
und  das  Hauptkloster  der  Diözese  vielfach  vereinigt  waren.  Die  Ries- 
bacher  Synode  von  799  unterscheidet  bereits  zwischen  Kanonikern  und 
Manchen  (Cap.  112,  2  S.  22«). 

2)  S.  23:  Presbyteros,  qui  .sunt  apud  illum  parochia.  secundum  popu- 
lum  constituat  unicuique  per  oingula  loca  iungat  .  .  et  describat  ppiscopus 
suis   presbyteris.    quantum    uel    qualia  loca  ad  regendum  eis  consignaverit. 

3)  Cap.  112  S.  226  ft'.  In  jungen  Notizen  über  diese  Synoden  (M.G. 
Leg.  III  S.  474  ff.)  ist  als  Tag  des  Riesbacher  Konzils  der  20.  .lanuar  796 
angogftben,  daneben  das  82  Regieningsjahr  Karls.  Beide  Angaben  sind 
anmüglich;  im  .lahre  796  war  Am  noch  nicht  Krzl)ischof.  und  am  20.  .Januar 
800  war  er  in  Rom.     Da  die  Synoden  vor  der  Kaiserkrönung  stattgefunden 


—     4Ö1      — 

Wenn  man  die  lange  Reihe  der  Beschlüsse  dieser  drei  Tage 
überblickt,  so  zeigen  dieselben  die  gleiche  Tendenz  wie  der  eben 
besprochene  Erlass  Arns:  allgemeingiltige  kirchhche  Bestimmungen 
sollten  in  Baieni  durchgeführt  werden:^)  in  Bezug  auf  den  Gottes- 
dienst galt  dabei  das  römische  Vorbild  als  das  massgebende;-) 
wenn  die  Verfassung  berührt  Avurde,  gab  das  fi^änkische  Kirchen- 
recht den  Ausschlag.^) 

Ganz  den  Bestrebungen  Karls  d,  Gr.  entsprechend  sind  die 
Bestimnmugen ,  welche  gewissenhafte  Amtsführung  von  Seiten  des 
gesamten  Klerus  fordern,*)  oder  unrechtmässige  Ausdehnung  des 
Kirchenguts  verwehren.'')  Wird  der  gesamte  Klerus  samt  Mönchen 
und  Nonnen  in  eine  grosse  Gebetsgemeinschaft  zusammengefasst, 
so  ist  der  Hinblick  auf  den  Gebetsverein  von  Dingolfing  unver- 
kennbar: der  Zwiespalt,  der  sich  damals  hinderlich  be\\iesen  hatte, 
war  nun  beseitigt.") 

haben  müssen,  so  bleibt  nur  der  20.  Januar  799.  Die  beiden  andern  Zu- 
sammenkünfte müssen  vor  dem  Mai  stattgefunden  haben,  da  Arn  um  diese 
Zeit  Baiern  vei'liess. 

1)  C.  3:  Rechtsätreitigkeiten  der  Kleriker  nicht  vor  dem  vreltliclien 
Gerichte ;  c.  5 :  Fasten  der  Kleriker  am  Mittwoch  und  Freitag ;  c.  6 ;  Zwei- 
mal jährlich  Synoden;  c.  7:  Beobachtung  der  legitimen  Ordinationszeiten; 
c.  8:  Friedonskuss;  c.  10:  Gegen  das  Zinsennehmen  der  Kleriker;  c.  13: 
Verteilung  des  kirchlichen  Einkommens;  c.  17:  Verbot  der  mulieres  extra- 
neae;   c.  31:  Gegen  die  Ordination  Unfreier. 

2)  Auf  gottesdienstliche  Verhältnisse  beziehen  sich:  c.  32:  In  allen 
Pfarreien  sind  eigene  Taufkirchen  zu  errichten;  c.  33:  Am  Montag,  Diens- 
tag (■?  Mittwoch)  und  Freitag  der  Quadrages  sind  Litaneien  abzuhalten; 
c.  34:  Das  Volk  ruft  dabei  Kyrieeleison,  ut  non  tarn  rustice  ut  nunc  usque 
sed  melius  discant;  c.  41:  Vier  Marientage;  c.  42:  Ut  feria  quarta  ante 
initium  quadragesimae ,  quam  Romani  caput  ieiunii  nuncupant,  solemniter 
celebretur  cum  laetania  et  missa  post  horam  nonam;  c.  43:  Annahme  der 
römischen  Ordnungen  über  die  Feier  von  Mittwoch  und  Freitag  der  Kar- 
woche, si  vobis  videtur. 

3)  C.  26:  Der  Instanzenzug  Bischof,  Metropolit,  König;  c.  30:  Ut  nullus 
episcopus  neque  abbas  sibi  atrahere  audeat  res  tributalium  domni  regis  i. 
c.  basilicas  eorum  benedicere  vel  quicquid  a  tali  conditione  pertinere  videtur 
antequam  domnus  rex  hoc  pleniter  definiatur. 

4)  C.  35:  Prüfung  der  Ordinanden;  c.  36:  Die  Presbyter  haben  regel- 
mässige Messe  zu  lesen;  c.  37:  Gewissenhafte  Verwaltung  des  Kirchenguts; 
c.  38:  Amtsführung  der  Archipresbyter;    c.  39  der  Diakonen. 

•5)  C.  11:  Ut  nullus  episcopus  vel  abbas  atrahere  audeat  res  nobilium 
causa  ambitionis. 

6)  Salzburg  c.  45  S.  230.  Das  Bedeutende  scheint  mir  hier  nicht  die 
Weise,  wie  die  Mitteilung  der  Todesanzeige  vorgenommen  werden  sollte, 
sondern  der  ßeschluss,  dass  der  gesamte  bairische  Klerus  zu  einer  Gebets- 

29* 


—     452     — 

Die  auf  das  Milnchtuiu  bczügliclicu  Beschlüsse  dienen  der  Ab- 
sicht, zwischen  Mönchen  und  Weltgeisthchen  schärfer  zu  scheiden, 
und  die  ei'steren.  die  trotz  des  Beschhisses  von  Neuching  vielfach 
PfaiTstellen  vei-sahen/)  von  der  Thätigkeit  in  der  Kirche  zurückzu- 
weisen zu  dem  asketischen  Leben.-) 

Endlicli  in  Bezug  auf  die  Laien  tritt  der  naclidrückhclie 
Kampf  gegen  den  Aberghiuben  und  andere  herrschende  Sünden"') 
in  den  Vordergnind;  nur  in  sehr  massvoller  AVeise  werden  gewisse 
asketische  Leistungen   den  Laien  empfohlen.^) 

Aus  der  späteren  Zeit  Karls  d.  Gr.  haben  wir  nur  von  den 
Beschlüssen  zweier  bairischer  Synoden  Kunde.  Die  erstere  im 
.Jahre  805  beschloss  eine  Erneuerung  und  Erweitei'ung  des  Gebets- 
Yereins;'0  die  letztere  im  Jahre  807  führte  zu  einer  Verständigung 
zwischen  Bischöfen  und  Al)ten  über  den  Anteil  der  Klöster 
an  den  Zehnten:  wieder  sahen  die  Abte  sich  genötigt,  nach- 
zugeben.") 

Verbrüderung  vereinigt  wurde.    In  Dingolfing  hatte  sich  nur  die  fränkische 
Partei  verbunden. 

1)  C.  25:  L't  qui  monachico  voto  est  constitutus,  nullo  modo  parrochiaiu 
teneat. 

2)  Cl  18:  Laien  ist  das  Betreten  der  Klöster  untersagt,  nisi  forte  si 
maiores  personae  fuerint,  quod  omnino  vitare  non  possumus;  c.  10:  Keob- 
achtung  des  Noviziats  nach  der  Regel  Benedikts;  c.  20:  Die  Kutte  ist  aus- 
schliesslich Tracht  der  Mönche;  c.  21:  Die  Nonnenklöster  sind  für  Kleriker 
und  Laien  verschlossen;  die  Priester  dürfen  sie  nur  zum  Zweck  des  Gottes- 
dienstes und  der  Seelsorge  betreten;  c.  22:  Die  Glocke  zu  läuten  und  die 
Lichter  anzuzünden  ist  den  Nonnen  erlaubt;  c.  24:  Teilnahme  an  Gast- 
mählern ist  den  Mönchen  untersagt;  c.  27:  Die  Äbtissinnen  dürfen  nur  mit 
Erlaubnis  des  Bischofs  aus  dem  Kloster  gehen;  c.  28:  Miinnorkleider  anzu- 
zielien  ist  den  Nonnen  untersagt;  c.  29:  Mönche  und  Nonnen  sollen  sicli, 
von  Ausnahmefällen  abgesehen,  des  Fleischgenusses  enthalten;  c.  40:  Kloster- 
beamte sollen  nichts  als  Eigentum  sich  aneignen;  c.  4.'i:  Eintracht  in  den 
Klöstern. 

3)  C.  15:  Untersuchungen  in  liezug  auf  Hexerei;  c.  16:  (iegen  da- 
Schwören;  c.  23:  Verbotene  Ehen. 

4)  C.  4:  Allgemeines  Almosengeben  an  4  bestimmten  Tagen  im  .Talup. 
Et  hoc  invitus  neque  coactus  nemo  faciat;  c.  5:  Beobachtung  des  Fastens 
durch  Laien. 

5)  M.G.  Leg.  III  S.  47'.>.  Die  Münchener  Handschrift,  welche  da.* 
Bruchstück  des  Synodalprotokolls  enthält,  stammt  aus  Freising.  Darauf 
beruht  wohl  Hefeies  Vermutung  (CG.  III  S.  748),  die  Synode  habe  in 
Freising  stattgefunden. 

6)  L.  c.  Die  Synodp  fand  zu  Salzburg  statt,  16.  .lanuar  807.  Teil- 
nehmer: Arn,  Atto  von  Freising,  Adalwin  von  Regensburg,  Hato  von  Passau, 
Einrieb  von  Sehen.     Über  den  Beschluss  s.  Stutz  I  S.  215  f. 


—     453     — 

Doch  waren  diese  beiden  Synoden  nicht  die  einzigen,  welche 
zwischen  der  Kaiserki'önung  und  dem  Tode  Karls  stattfanden.  Es 
lassen  sich  noch  drei  andere  nachweisen,  so  dass  man  annehmen 
darf,  dass  Arn  ziemlich  regelmässig  Beratungen  mit  dem  Klerus 
seiner  Diözese  pflog.')  Zwar  sind  Protokolle  nicht  erhalten;  aljer 
es  fehlt  nicht  jede  Spur  von  der  Thätigkeit  dieser  Synoden;  denn 
die  Zusätze  Karls  zum  baiiischen  Gesetze  werden  auf  Anträge  der 
Bischöfe  zurückzufiiliren  sein.  So  weit  sie  kirchliche  Angelegen- 
heiten berülu'en,  entsprechen  sie  der  Tendenz,  die  bischöfliche 
Herrschaft  über  die  Diözese  zur  allgemeinen  Anerkennung  zu 
bringen.^) 

Der  Ertrag  der  Thätigkeit  Arns  war  die  Verschmelzung  der 
bairischen  mit  der  fränkischen  Kirche.'^)  Ein  äusseres  Zeugnis  fiii* 
ihre  Vollendung  hat  man  daran,  dass  Karl  nun  das  Neuburger 
Bistum^)  wieder  aufhob.     Im  Jahre  798  bestand  es  noch;'^)    Karl 


1)  Eine  Synode  in  Regensburg  ist  in  der  Urkunde  vom  16.  Juni  804 
(Meichelbeck  I,  2  S.  92  Nr.  121)  erwähnt;  Teilnehmer:  Arn,  Atto,  Waltrich 
von  Passau,  Altheus  (?);  eine  zweite  Regensburger  Synode  vor  810  in  der 
nicht  datierten  Urkunde  Meichelbeck  I,  2  S.  144  Nr.  256;  Teilnehmer  waren: 
Arn,  Atto,  Adalwin,  Hato,  Einrieb  und  Agnus  (?  von  Eichstätt;  Graf  Hundt 
[Münch.  Abb.  XIII,  2  S.  60]  hält  ihn  für  einen  Chorbischof).  Eine  Synode 
in  Freising  vor  810  in  einer  undatierten  Freisinger  Urkunde  (Roth,  Ver- 
zeichnis der  Freisinger  Urkunden  S.  19  Nr.  164);  Teilnehmer:  Arn,  Adalwin, 
Atto,  Hato,  Einrieb.  Eine  Passauer  Diözesansynode  unter  Bischof  Waldrich 
(M.  B.  XXVIII,  2  S.  57  Nr.  70).  Freisinger  Diözesansynoden:  26.  März  772 
(Meichelbeck  I,  2  S.  45  Nr.  29),  16.  September  804  (1.  c.  S.  100  Nr.  139), 
L  Mai  809  (1.  c.  S.  114  Nr.  170),  vor  4.  Aug.  810  (1.  c.  S.  122  Nr.  192). 

2)  Cap.  68,  7  S.  158  =  Leg.  III  S.  477  ff.  I,  9:  Ut  clericum  nemo  reci- 
pere  audeat  sine  consensu  episcopi  sui.  Cap.  69,  2  =  11,  2:  üt  omnes  epis- 
copi  potestative  secundum  regulam  canonicam  doceant  et  regant  eorum 
ministeria,  tarn  in  monasteriis  virorum  quamque  et  puellarum  vel  in 
forensis  presbiteris  seu  reliquo  populo  Dei:  c.  5:  Ut  .  .  adulteri  vel  in- 
cestuosi  sub  magna  districtione  et  correctione  sint  correpti  secundum  eoa 
Baiuvariorum  vel  lege. 

3)  Herzberg  -  Fränkel  (NA.  XII  S.  101)  weist  darauf  hin,  dass  der 
Charakter  der  Aufzeichnungen  im  Verbrüderungsbuch  von  St.  Peter  sich 
seit  Tassilos  Sturz  ändert:  früher  ist  der  Gesichtskreis  bairisch,  nun  euro- 
päisch.    So  spiegelt  sich  im  Kleinen  das  Grosse. 

4)  S.  Bd.  I  S.  523  f. 

5)  Brief  Leos  III.  (J.W.  2495).  Hier  ist  Sindpert  als  Neuburger  Bischof 
genannt.  Über  den  ersten  Bischof  von  Neuburg,  Wicterp,  s.  Bd.  I  S.  524. 
Als  sein  Nachfolger  erscheint  Manno,  der  oben  S.  442  A.  1  als  Glied  der  Synode 
von  Dingolfing  genannt  wurde.  Er  unterschreibt  am  23.  Januar  759  eine 
Freisinger  Urkunde  als  Zeuge  (Meichelbeck  I,  2  S.  27  Nr.  6).  Herzberg- 
Fränkel  (NA.  XII  S.   103)    lässt  ihn    vor    745  Bischof  werden  und   vor  774 


—     404     — 

hatte  OS  Wahlschein  1  ich  mich  Tassilos  Absetzung  dem  Abte  Sint- 
pert  von  Murbach  übertragen,')  ihm  wird  er  bei  der  nächsten  Er- 
ledigung des  Augsburger  Bistums  auch  dieses  verheben  haben. ^) 
Dadurch  wurde  der  ehemahge  Umfang  der  Augsburger  Diözese 
wieder  hergestellt. 

Erst  seitdem  die  bairische  Kirche  der  Keichskirche  (an- 
gegliedert WJU",  konnten  die  Missiousaufgaben.  welche  sie  hatte,  er- 
lüUt  werden. 

Wie  am  Maine,  so  drängten  auch  in  den  Al^ien  die  Slawen 
den  Germanen  folgend  nach  AVesten.'')  Erst  durch  sie  wurde  das 
römische  Christentum  in  den  Alpenthälern  vernichtet.  Bis  gegen 
Ende  des  6.  Jahrhundeiis  bestand  es  fort,    gestützt    ebenso   durch 

sterben.  Wer  sein  Nachfolger  war.  ist  luigewiss;  schwerlich  jener  Hiltiger, 
welcher  in  der  S.  453  Anm.  1  erwähnten  Freisinger  Urkunde  vom  16.  Juni 
804  als  vocatus  episcopus  vorkommt  (so  Rettberg  KG.  D.'s  II  S.  160,  gegen 
ihn  mit  guten  Gründen  Graf  Hundt,  Münch.  Abh.  XIII,  1  S  58).  Eher  kann 
man  an  Udalhart  denken  (Zusatz  zur  V.  Bonif.  S.  457  und  Salzburger  Ver- 
brüderungsbuch c.  35,  23,  s.  Herzberg-Fränkel  S.  104). 

1)  In  Murbacher  Urkunden  von  789 — 792  ist  Sintpert  konsequent  als 
episcopus  atque  abbas,  episcopus  et  abbas  de  monasterio  Morbach.  episcopus 
de  monasterio  Morbach  bezeichnet  (Schöpflin,  Alsat.  dipl.  Nr.  63 — 66  S.  .54  tf.). 
Das  ist  zwar  nicht  entfernt  ein  Beweis,  dass  er  Bischof  einer  Diözese  war. 
Immerhin  ist  die  Vermutung  ansprechend,  dass  die  Übertragung  Neuburgs 
an  ihn  alsbald  nach  Tassilos  Sturz  erfolgte.  Möglicherweise  hatte  Tassilo 
seinen  Vorgänger  in  Neuburg  ähnlich  wie  Arpeo  von  Freising  wegen 
fränkischer  Sympathien  entfernt,  so  dass  Karl  das  Bistum  erledigt  fand. 
Wäre  die  Nachricht  der  V.  Simperti  1,  Poz.  Thes.  II,  3  S.  358.  dass  Sintpert 
ein  Neti'e  Karls  gewesen  sei,  nur  halbwegs  glaubwürdig,  so  würde  der  j»o- 
litische  Hintergedanke  seiner  Versetzung  nach  Baiem  vollends  klar  sein. 
Aber  eine  Schrift  des  13.  Jahrhunderts  ist  kein  Zeugnis  für  einen  Mann 
des  8.  Es  ist  zu  bedauern,  dass  Hampe  M.G.  Kp.  V  S.  58  Anm.  5  den 
sororis  Caroli  regis  filius  in  die  M.("t.  eingeführt  hat.  Denn  durch  den  Ort, 
an  dem  er  vorkommt,  wird  er  ein  Ansehen  erhalten,  das  ihm  nicht  geliührt. 
In  Leos  III.  Schreiben  vom  11.  April  800  ist  Sintpert  Bischof  von  Stattelsee 
genannt.  (J.W.  2.503);  vielleicht  hatte  er  seinen  Sitz  in  diesem  Kloster  ge- 
nommen. Kurz  darnach  muss  die  Vereinigung  des  Neuburger  und  Augs- 
burger Bistums  erfolgt  sein;  denn  in  dem  Indic.  obsid.  Saxon.  (Cap.  115 
S.  233)  erscheint  Sintpert  neben  den  Bischöfen  Haito  von  Basel  und  Agino 
von  Konstanz  und  dem  Abte  Waldo  von  Keichenau,  also  als  schwäbischer 
Prälat. 

2)  Die  .Augsburger  Bischofslisten  haben  ihn  als  Nachfolger  Tozzos 
(.M.G.  Scr.  XIII  S.  834).     Später  galt  er  als  Heiliger  (I.  c.  S.  279). 

3)  Vgl.  Zenas,  Die  Deutschen  und  ihre  Nachbarstämme  S.  616  tt^'. 
Krones,  D.  deutsche  Be.siedelung  der  östl.  .\lpenländer,  lf^89;  Strakosch- 
Grassmann.  Gesch.  d.  Deutschen  in  Österreich-Ungarn  I,  1895  S.  312  ff. 


—     45Ö     — 

die  Beziehungen  zu  Italien  wie  durch  die  zum  fränkischen  Reich. 
Die  Oberhoheit  des  letzteren  war  unter  Theudebert  I.  iin  ganzen 
Alpengebiet  anerkannt.^)  Auch  die  kirchliche  Organisation  war 
nicht  aufgelöst.  Es  unterhegt  keinem  Zweifel,  dass  im  Jahre  591 
das  Bistum  Tiburnia  noch  bestand:  es  gehörte  zur  Diözese  Aquileja.-) 
Aguntum,  am  Ursprünge  der  Drau,  erscheint  um  dieselbe  Zeit 
als  fränkische,  und  wie  man  wohl  annehmen  darf,  christliche 
Stadt.  =') 

Doch  bereits  standen  die  Feinde  vor  der  Thür.  Das  6.  Jahr- 
hundert hef  nicht  ab,  ehe  nicht  der  erste  Kampf  zwischen  den 
Baiern  und  den  Slawen  ausgefochten  war.*)  Ununterbrochen  wiu'de 
seitdem  im  Gebirge  gekämpft:  es  wechselten  Sieg  und  Niederlage.'^) 
Aber  aufgehalten  wurde  das  Vordringen  der  slaAvischen  Horden 
nicht.  Im  Anfang  des  7.  Jahrhunderts  lagen  Cilli  und  Windisch 
Matrei  bereits  im  Slawenlande.^)  Um  dieselbe  Zeit  fiel  Tiburnia.') 
Die  Bevölkerung  wurde  zum  grössten  Teil  ausgerottet.  Der  Best 
ging  unter  den  Slawen  unter;  er  kann  nur  sehr  gering  gewesen 
sein;  denn  die  Zahl  der  von  den  Slawen  übernommenen  Namen 
von  Bergen,  Flüssen  und  Orten  ist  nui'  imljedeutend.*)  Vielleicht 
dai'f  man  den  Eindruck,  den  die  Vernichtung  der  christlichen 
Kirche  im  östlichen  Alpengebiet  auf  die  fränkische  Christenheit 
machte,  daraus  entnehmen,  dass  Columba  von  Luxeuil  in  diesen 
Jahren  sich  mit  dem  Plane  trug,  den  Wenden  zu  predigen.'')  Bald 
standen  die  Slawen  in  der  Nähe  des  Brenner:  Aguntum  wurde 
dmch  sie  vernichtet. ^'^)    Nicht  minder  begegnet  man  ihnen  im  Pon- 


1)  Ep.  Theudeb.  ad  lust.  imper.  MG.  Ep.  III  S.  133  Nr.  20. 

2)  S.  Bd.  I  S.  348. 

3)  Paul.  Hist.  Lang.  II,  4  S.  87:  Vitalis  von  Altino  flieht  ad  Fran- 
corum  regnum,  hoc  est  ad  Agonthiensem  civitatem. 

4)  L.  c.  IV,  7  S.  146.     Nach  Riezler  Gesch.  B.'s  I  S.  75  um  592. 

5)  Paul.  Hist.  Lang.  IV,  10  S.  150;  39  S.  167. 

6)  L.  c.  IV,  38  S.  166:  Hi  (die  Söhne  des  Herzogs  Gisulf  von  Friaul) 
suo  tempore  Sclavorum  regionem  quae  Zellia  appellatur  usque  ad  locum 
qui  Medaria  dicitur  possiderunt.  Gisulf  fiel  im  Kampfe  gegen  die  Avaren. 
Die  Münzen  von  Cilli  reichen  bis  auf  Justin  I  (s.  Strakosch-Grassmann 
S.  315.J 

7)  Die  Münzen  reichen  bis  Justinian,  a.  a.  0.  S.  315. 

8)  Vgl.  Krones  S.  32  f. 

9)  V.  Columb.  56  (A.  S.  Mab.  II  S.  24) :  Ut  Veneticorum  (?  Winidorum) 
qui  et  Sclavi  dicuntur  terrainos  adiret.  Im  Jahrzehnt  danach  hat  Amandus 
fruchtlos  den  Slawen  gepredigt;  s.  Bd.  I  S.  313. 

10)  Letzte  Erwähnung  um  610,    Paul.  Diac.  Hist.  Lang.  IV,   39  S.  167. 
Urkunde  Tassilos   aus    dem  Jahre  769    (Fontes  rer.  Austriac.    II,    31  S.  3): 


—    4:)()    — 

gau:  manches  Jahr  hatti'u  die  Mcinche  in  der  MaxinüHanszelle  ge- 
hanst:  nun  wurden  sie  von  den  Slawen  veijagt.^)  Weiter  nördhch 
findet  man  sie  im  Trauniiau:"-)  sie  okkupierten  das  Land,  ohne  sich 
um  (he  Rechte  der  Besitzer  zu  kümmern.*^)  Noch  im  9.  Jahr- 
hundert heisst  das  Land  an  der  Enns  Slawenhmd.'*)  Wo  sie  sich 
festsetzten,  da  erstarlieii  aHe  Reste  von  Kultur.  Sie  eroberten  die 
Römerorte  nicht  wie  die  Franken,  um  sie  fernerhin  zu  besitzen, 
sondern  sie  nahmen  sie  ein,  um  sie  zu  vernichten.  Das  Thal,  in 
iltiii  einstmals  Aguntum  gelegen  war,  luinute  man  im  8.  Jahr- 
hundert das  Gelaufeid:  seit  alten  Zeiten,  heisst  es  in  einer  Ur- 
kunde aus  dem  Jahre  769,  sei  es  öde  und  unbewohnbar.  Viele 
Jahre,  liest  man  von  der  Maximilianszelle,  habe  sie  wüste 
gelegen. 

Erst  in  den  letzten  Jahren  Odilos  gestaltete  sich  die  Lage 
für  Baiern  günstiger.'')  Seit  dem  raschen  Verfall  des  von  dem 
Franken  Samo  gegründeten  und  regierten  Slawenreichs  waren  die 
einzelnen  slawischen  Stännne  den  Avareu  nicht  mehr  gewachsen. 
In  Folge  dessen  suchten  die  Slawen  Anlehnung  an  die  Deutschen, 

Locum  nuncupantem  India,  quod  vulgus  campogelau  uocantur  .  .  .  Ipsa 
loca  ab  antiquo  tempore  inanem  atque  inliabitabilem  esse  cognouiuuis. 

1)  Brev.  notit.  3,  15  S.  30:  Contigit  ut  a  vicinis  Sclavis  illi  fraties 
qui  ad  Pongov  de  Salisburgensi  sede  ibidem  destinati  erant,  inde  expelle- 
bantur  et  ita  multis  temporibus  erat  devastata  eadera  cella  propter  im- 
minentes  Sclavos  et  crudeles  paganos. 

2)  Stift ungsbrief  Tasailos  für  Kremsmünster  von  777  (M.  B.  XXVUI. 
2  S.  196).  Tassilo  schenkt  (S.  198)  decaniam  sclauorum  cum  opere  fiscali 
seu  tributo  iusto,  quod  nobis  antea  persoluere  consueuerant.  Aus  den 
folgenden  Worteri  sieht  man ,  dass  diese  Slawen  eine  eigene  (remeindever- 
fassung  hatten. 

3)  L.  c.  Tradimiis  autem  et  terram  quam  illi  sclaui  cultam  fecerant 
sine  consensu  nostro  infra  qui  vocatur  forst  ad  Todicha  et  ad  sirnieha. 

4}  Urkunde  von  834  (M.  B.  XI  S.  106):  Villam  nostri  iuris  propo 
fluvium  Knisa  .  .  quae  est  sita  in  parte  eclauanorum.  Über  die  Grenzen 
der  Baiern  und  Slawen.  Strakosch-Grassmann  1  S.  319  tf. 

5)  Quelle  für  das  Folgende  ist  die  convers.  Bagoar.  4  f.  (M.G.  Scr.  XI 
S.  7  ff.).  Unter  den  Darstellungen  verweise  ich  auf  Rettberg  (KG.  D.'s  II 
S.  556  ff.  j,  Riezler  (G.  B.'s  I  S.  154  ff.),  Alois  Huber  (Gesch.  der  Einführung 
und  Verbreitung  des  Christentums  in  Südostdeutsrhland  III  S.  161  ff.), 
KronpH  und  Strakosch-Grassmann  (s.  o.  S.  454  Anm.  3).  .Tahresdaton  lassen 
sich  nicht  angeben:  der  einzige  Anhaltspunkt  ist,  daHS  Cheitmar  permissione 
Pippini  regis  dem  Lande  zum  Fürsten  gegeben  wurde,  während  bei  der  Ki-- 
hebung  Cacats  nur  von  den  Franken  die  Rede  ist.  Das  letztere  Ereignis 
wird  also  vor.  das  erstere  nach  751   fallen. 


—     4.")  7      — 

und  um  ihres  Schutzes  sicher  zu  seiu,  erkannten  sie  die  Oberhoheit 
des  fränkischen  Königs  au,^) 

Dadm-ch  war  dem  Christentum  der  Zugang  geütfnet.  Durch 
das  Zusammenwirken  Pipphis,  Virgils  von  Salzburg  und  der  ein- 
geborenen HerrscherfamiHe  wm-den  die  ersten  Erfolge  rasch  imd 
ohne  Schwierigkeit  erreicht.  Der  Slawenherzog  Boruth  verschloss 
sich  der  Einsicht  nicht,  dass  das  Verhältnis  der  Slawen  zu  den 
Deutschen  nur  dann  gesichert  sei,  wenn  sein  Volk  dem  Heidentum 
entsagte.  Er  selbst  blieb  zwar  Heide;  aber  er  that  die  ersten 
Schritte,  um  die  Einführung  des  Christentums  anzubahnen.  Mit 
seiner  Zustinnnung  wurden  sein  Sohn  Cacatius  und  sein  iSTeffe 
Cheitmar,  welche  er  als  Geiseln  den  Deutschen  übergeben  hatte, 
im  Kloster  Chiemsee  im  christhchen  Glauben  erzogen.  War  erst 
das  HeiTscherhaus  christHch,  so  war  der  Übertiitt  des  Volks  niu: 
eine  Frage  der  Zeit.  Dahin  ging  Pippins  Ansicht.  Er  gebot 
deshald,  als  Boruth  starb,  die  Entlassung  des  Cacatius.  Ohne 
AViderspruch  erkannten  die  Slawen  den  Zurückgekehi'ten  als  Füi'sten 
an.  Xun  starb  er  zwar  wenige  Jahre  nach  seiner  Erhebung. 
Allein  ihm  folgte  sein  Vetter  Cheitmar,  also  wieder  ein  Christ.  So 
wünschte  es  Pippin;  die  Slawen  aber  begehrten  einen  Herzog,  der 
sich  auf  den  fränkischen  Schutz  verlassen  konnte.  Deshalb  war 
ihnen  Cheitmar  genehmer  als  irgend  ein  anderer  Prätendent.  Er 
aber  war  ein  überzeugter  Anhänger  des  chiisthchen  Glaubens.  Als 
er  Chiemsee  verliess,  nahm  er  den  Priester  Majoranus,  den  Neffen 
des  Abtes  Lupus,  mit  sich:  er  wollte  als  ein  christhcher  Herrscher 
in  sein  Land  einziehen.  Lupus  hatte  ihn  einstmals  aus  der  Taufe 
gehoben,  um  so  bereitwilhger  musste  er  sein,  die  Slawenmission  zu 
unterstützen.  Wichtiger  noch  waren  die  Beziehimgen  zu  Virgil: 
so  lange  Cheitmar  lebte,  verging  kein  Jahr,  ohne  dass  er  die 
Bischofsstadt  an  der  Salzach  besuchte:  dort  verrichtete  er  gerne 
seine  Andacht.-)  Er  l^etrachtete  sein  Land  als  zum  Salzburger 
Sprengel  gehöiig.  Das  war  auch  Virgils  Gedanke.  Er  bestellte 
zum  Zwecke  der  Slawenpredigt  einen  eigenen  Eegionarbischof 
Xamens  Modestus.  Dersellie  begab  sich,  begleitet  von  vier  Priestern 
und  ethchen  niederen  Klerikern,-^)   zu  den  Slawen:    er  hatte   den 

1)  Damals  wird  die  Wiederherstellung  der  Maximilianzelle  erfolgt 
sein  (Brev.  Not.  8  S.  33  fif.). 

2)  Der  Satz  ist  unklar:  Annis  singulis  ibidem  suum  servitium  persol- 
vebat.  Riezler  (S.  155)  versteht  ihn  von  der  Zahlung  eines  jährlichen 
Tributs.  Die  Worte  Maiorianus  admonuit  eum  ad  ipsum  monasterium 
suum  Caput  declinare  in  servitium  Dei  entscheiden,  wie  mich  dünkt,  gegen 
dies  Verständnis. 

3)  C.  5:  Watto,  Reginbert,  Cozhar,  Latinus  und  der  Diakon  Ekihard. 


_     4.'..s     — 

Auftrag,  zu  predigen,  Kirchen  zu  weihen  und  Priester  zu  (»rdi- 
nieren.  Virgil  meinte  also,  dass  es  möghch  sei:  mit  der  Bekeh- 
rung des  Volkes  und  der  kirchlichen  Organisation  gleichzeitig  vor- 
zugclien:  man  sieht,  Avie  sicher  ihn  die  Lage  des  Christentums 
dünkte.  Er  sell)st  ist  nie  in  seinem  Missionssprengel  gewesen:  aber 
er  ermüdete  nicht  in  der  Fürsorge  liir  densell)en.  Als  Modestus 
starb.  ^)  wurde  seine  Stelle  durch  den  Piiester  Latinus  ersetzt,  und 
als  dieser  das  Land  verliess.  traten  die  Priester  Madalhoh  und 
Wannann  in  die  Ijücke.  Ihre  Arbeit  war  nicht  vergeblich.  AVir 
wissen  von  ethchen  Kirchen,  die  in  dieser  Zeit  in  Kärnten  ge- 
giüudet  wurden.-) 

Salzburg  war  nicht  der  einzige  Punkt,  von  welchem  aus  <lie 
Arbeit  der  Kirche  betrielien  wurde.  Besonders  durch  die  Grün- 
dung des  Klosters  lunichen  suchte  Tassilo  der  Mission  eine  sichere 
Stütze  zu  verschaffen.  Er  hat  die  Stiftungsurkunde  im  Jahre  769 
in  Bozen  ausgestellt.  =^)  Das  Kloster  lag  hart  an  der  Grenze  des 
deutschen  Gebiets,  da  wo  der  Weg  aus  dem  Pustertlial  ins  Drau- 
thal  hinabführt.  Seine  Lage  war  so  exponiert,  dass  Tassilo  nicht 
wagte,  es  selbstständig  zu  machen;  er  übergab  es  dem  Al)te  Atto 
von  Scharnitz.  Er  sprach  dabei  die  Verptiichtung  zur  Mission 
ausdrücklich  aus:  Atto  sollte  das  ungläubige  Geschlecht  der  Slawen 
auf  die  Bahn  der  Wahrheit  leiten.^) 


1)  Der  anf^ebliche  Sarkophag  des  Modestus  in  der  Kirche  /.n  Maria- 
Saal  ist  ein  Werk  des  LS.  Jahrhunderts:  s.  Kunsttopographie  des  Herzog- 
tums Kärnten  (Wien  1888)  S.  20<),  Abbildung  Nr.  223  S.  207. 

2)  Eine  Marienkirche  in  civitate  Carantana;  der  noch  im  10.  .lahr- 
hundcrt  bekannte  Ort  ist  jetzt  verschwunden;  er  lag  in  der  Nähe  des 
heutigen  als  Wallfahrtsort  bekannten  Maria-Saal  auf  dem  Zollfelde  (Zeuss 
a.  a.  0.  S.  617  Anm.  2);  die  zweite  Kirche  in  der  civitas  Liburnia.  auf  dem 
LurntVlde,  wie  man  annimmt,  bei  Spital  in  der  Nähe  von  Villach;  die  dritte 
ad  Undrinias,  eine  nicht  genau  zu  fixierende  Örtlichkeit,  nach  v.  Ankers- 
hofen  im  Arch.  f.  Kunde  österr.  GQ.  I,  3  S.  14  der  Murboden  zwischen 
St.  Lorenzen  und  Judenburg.  Der  Bericht  über  die  Bekehrung  spricht 
übrigens  von  „sehr  vielen"  Kirchen.  Aus  <len  von  Arn  811  vorgelegten 
Schreiben  der  P'äpste  Zacharias,  Stephan  und  Paul  scheint  sich  ergeben  zu 
haben,  dass  Salzburg  auch  im  (4ebiete  südlich  der  Drau  missionierte 
(Zahn.  TB.  von  Steiermark  I  Nr.  4  S.  6).  Nicht  hinreichend  begründete 
Vermutungen  über  die  Ausdehnung  der  Missionsarbeit  bei  Ilubor  a.  a.  0. 
S.  168  ff. 

3i  Font.  rer.  Austr.  II,  31  S.  3  Nr.  2.  Seine  Tradition  an  Innichen 
macht  er  hilari  vultu. 

4)  Propter  incredulam  generationem  Sclauorum  ad  traroitem  ueritatia 
deducendam.     Auf  Arbeit  der  Mönche  von  Innichen    in  Kärnten    lässt    die 


—     459     — 

Innichen  lag  im  Sprengel  von  Seben.^)  Auch  die  Passauer 
Kirche  wird  sich  von  Anfang  an  an  der  Slawenmission  beteiligt 
haben,  Aveungleich  das  hiefür  wichtigste  Kloster,  Kremsmünster,  erst 
acht  Jahre  nach  Innichen  gestiftet  wurde.-)  Es  lag  im  Traungau. 
ziemhch  in  der  Mitte  zwischen  Traun  und  Enns. 

Die  Fortschiitte  waren  unverkennbar;  doch  fehlte  es  auch 
nicht  an  Schwierigkeiten.  Schon  Cheitmar  hatte  mit  Gegnern  zu 
kämpfen,  welche  wahrscheinhch  ebenso  sehr  der  Abhängigkeit  von 
Deutschland  wie  der  xA.nnahme  des  Christentums  widerstrebten. 
Sie  waren  mächtig  genug,  die  deutschen  Piiester  zeitenweise  aus 
dem  Lande  zu  verdrängen.  Doch  gelang  es  Cheitmar.  in  diesen 
Schwankungen  die  HeiTschaft  zu  behaupten.  Sein  Tod  führte  zu 
einem  Umschlag;  denn  nun  gewann  die  heidnische  Partei  ent- 
schieden die  Oberhand:  das  Chiistentum  w^urde  unterdrückt:  mehrere 
Jahre  laug  war  kein  Salzburger  Priester  im  Lande.  Diese  Eri'olge 
der  Natioualpartei  waren  fiü'  Baiern  zu  gefährlich,  als  dass  Tassilo 
hätte  ruhig  bleiben  können.  Es  kam  zum  Krieg;  die  Baiern 
führten  ihn  wie  einen  Rehgionskrieg:  sie  erinnerten  sich  an  Kon- 
stantin, der  unter  dem  Zeichen  des  Kreuzes  siegte.^)  Und  sie 
hatten  Erfolg:  in  demselben  Jahre,  in  welchem  Karl  die  Irmiusul 
zerstörte,  hat  Tassilo  die  Karantanen  genötigt,  die  deutsche  Ober- 
herrschaft von  neuem  anzuerkennen.*)  Sie  wm-de  nun  schärfer  be- 
tont als  Mher:  wie  es  scheint,  wm'de  das  Herzogtum  einem 
Deutschen  übertragen.'^)  Xun  kam  neues  Leben  in  das  ]\Iissions- 
werk.  Herzog  AValtung  knüpfte  die  Verbindung  mit  Yirgil  wieder 
an;  ähnhch  wie  von  Fulda  und  Amorbach  aus  in  Sachsen. 
wurde    vom    Peterskloster    aus    in    Kärnten    missioniert:    in    regel- 


Urkunde  Matheris   vom  10.  Juli  822  (Font.  rer.  Austr.  11,  31    S.  12  Nr.  10) 
schliessen. 

1)  Das  Kloster  gehörte  jedoch  von  seiner  Stiftung  her  der  Freisinger 
Kirche.  Unter  Arn  wurde  es  .,casu"  derselben  entfremdet  und  Arn  zu 
Lehen  gegeben;  durch  Ludwig  kam  es  816  auf  Arns  Antrag  wieder  aa  den 
Freisinger  Dom  zurück  (Urkunde  Ludwigs  Font.  rer.  Austr.  II,  31  S.  11 
Nr.  9).  Es  ist  ebenso  schwer,  an  jenen  Zufall  zu  glauben,  wie  daran,  dass 
Am  seinen  Antrag  freiwillig  stellte. 

2)  S.  S.  433  Anm.  3. 

3)  Auf  diese  Kämpfe  wird  man  den  Bd.  I  S.  549  Anm.  3  erwähnten 
Brief  eines  Clemens  Peregrinus  zu  beziehen  haben.  Er  ist  auch  M.Ct. 
Epist.  IV  S.  496  f.  gedruckt. 

4)  Ann.  S.  Emmer.  mai.  z.  J.  772:  Carolus  in  Saxonia  conquesivit 
Eresburc  et  Irminsul  et  Tassilo  Carentanus. 

5)  Der  Name  Waltunc  klingt  deutsch.  Freilich  kann  auch  ein  ger- 
manisiertes wendisches  Wort  in  ihm  verborgren  sein. 


—     4(i0     — 

massigem   Wechsel    wurden   Priester    von    dort    /ur    Heideni)redigt 
ausgesamlt.^) 

Dass  Biiieni  unmittelhar  imter  die  Herrschaft  des  fiiinkischeu 
Königs  kam.  Inachte  das  Vordringen  der  deutschen  Kirche  nach 
Südosten  nicht  zum  Stillstand;  im  Gegenteil  knüpfte  sich  gerade 
an  den  Fall  Tassilos  eine  hedeutende  Erweiterung  des  bairischen 
Missionsgebiets. 

Die  Avaren  lösten  das  dem  Herzog  gegebene  Wort,  indem 
sie  im  Jahre  788  von  zwei  Seiten  her  in  das  fränkische  Reich 
einfielen.  Sie  konnten  ihren  Verbündeten  nicht  mehr  retten  und 
sich  selbst  bereiteten  sie  dadurch  den  Untergang.  Die  beiden 
Scharen  wurden  geschlagen.  Mannhaft  erwehrten  sich  die  Baiern  in 
zwei  siegreichen  Schlachten  der  von  ihrem  Herzog  ins  Land  gerufenen 
Nationalfeinde.     Ebenso  siegten  die  fränkischen  (ilrafen  in  Friaul."-) 

Nun  folgten  Unterhandlungen  über  die  fränkisch -avarische 
Grenze;  sie  zerschlugen  sich  resultatlos.  Im  Jahre  791  brach  der 
Kiieg  von  neuem  aus.^)  Er  dauerte,  manichfach  unterbrochen 
durch  fnedliche  Zusagen  der  Avaren,  die  doch  niemals  gehalten 
Avnrden,  bis  in  die  ersten  Jahre  des  9.  Jahrhunderts.  Das  Ende 
wai-  die  Auflösung  des  eine  Zeit  lang  so  mächtigen  und  geiürch- 
teten,  damals  schon  innerlich  verfaulten  Reichs:  nur  ein  Kultur- 
volk kann  Siege  ertragen;  die  Barbaren  gehen  an  ihnen  zu  Grunde. 
Schon  die  ersten  Erfolge  führten  zu  einer  Spaltung  der  Avaren. 
Lu  Jahre  795  erklärte  einer  der  Häuptlinge  sich  zur  Annahme 
des  Chi-istentums  und  dadurch  zum  Anschluss  an  die  Franken 
bereif)     Gegen  Ende  desselben  Jahres'^)  bewirkte  ein  Angriff  des 

1)  Concav.  Basroar.  5  S.  8  sind  6  Aussendungen  unter  Viigil  erwähnt. 
Da  dieselben  Namen  mehrmals  wiederkehren,  muss  man  annehmen,  dass  die 
Missionspostpn  für  gewisse  Zeiten  besetzt  wurden;  bei  der  Neubesetzung 
war  dann  die  Wahl  derselben  Männer  möglich:  1.  Heimo,  Reginbald. 
Mainran.  2.  Heimo,  Dupliter,  Maioran;  der  letztere  ist  nun  Priester,  wiili- 
rend  er  bei  der  ersten  Aussendung  Diakon  war.  '^.  Gozhar,  Maioran. 
Erchanbert.  4.  Reginbald,  Reginhar.  ö.  Maioran,  Augustin.  6.  Reginbald, 
Gundbar.  Das  anfangs  drei,  später  zwei  Priester  ausgesandt  wurden,  weist 
auf  Verminderung  der  Arbeit,  also  auf  die  Konsolidation  ib-r  kirchlichen 
Zustände  in   Kärnten. 

2)  Ann.  Lanriss.,  Einh.  z.  J.  788;  Ale.  ep.  6f.  S.  31  f.  Über  die  Avaren- 
kriegp  vgl.  man  Abel  (.TB.  S.  639 ff.),  Simson  (.JB.  passim),  Dümmler  (Arch. 
f.  Kunde  österr.  G.Q.  X  S.  5ff.),  Riezler  (Gesch.  B.'s  1  S.  175  ff.),  Huber 
(Gesch.  Oesterreichs  I  S.  77  ff.). 

3)  Ann.  Lauresh.  z.  d.  J.  M.G.  Scr.  l  S.  :}4;  vgl.  den  Brief  Karls  an 
Fastrada  MG.  Ep.  IV  S.  528  Nr.  20. 

4)  Ann.  Lauriss.,  Einh.  z.  J.  795. 

5)  Über  die  Zeit  s.  Simson,  JB.  S.  99. 


—     4H1      — 

Herzogs  Erich  von  Friaul  den  Ausbruch  einer  Empörung  gegen 
die  bisherigen  Führer:  sie  Avurden  ermordet  und  ein  neuer  Chakan 
gewählt.  Die  Widerstandskraft  des  Volkes  wurde  din-ch  diese  Um- 
wälzung nicht  gestärkt.  Erichs  Leute  drangen  jjlündemd  in  die 
avarische  Königsburg  ein.^)  Im  nächsten  Jahre  vollendete  Pippin. 
Karls  Sohn,  den  Sieg,  indem  er  die  Burg  zerstörte.^)  Das  ge- 
demütigte Volk  versprach  friedliche  Unterwerfung  und  Annahme 
des  christhchen  Glaubens.^)  Beendet  waren  dadurch  die  Kämpfe, 
wie  gesagt,  nicht;  mancher  edele  Mann  ist  noch  gefallen,*)  aber 
das  Resultat  wurde  doch  nicht  wieder  erschüttert:  ein  weites  Ge- 
biet war  für  die  Missionsthätigkeit  der  christlichen  Kirche  und  für 
die  Ausbreitung  des  deutschen  Volkstums  erobert.') 

Es  reichte  von  der  Enns  und  dem  Abfall  der  steiermärkischen 
Alpen  ostwärts  bis  an  die  Donau.  Die  Bevölkerung  war  äusserst 
dünn,  dem  grösseren  Teile  nach  nicht  avarisch,  sondern  slawisch.®) 
Der  eine  und  andere  Römerort  fristete  noch  ein  ärmhches  Dasein. ') 
Im  allgemeinen  war  das  Land  zum  Waldland  geworden. 

Die  Missionsarbeit  wurde  von  den  drei  Nachbarbistümem 
Passau,  Salzburg  und  Aquileia  aus  betrieben.  Das  letztere  Bis- 
tum bleibt  für  uns  ausser  Betracht,     über  die  Passauer  Thätigkeit 


1)  Ann.  Lauriss.,  Einh.  z.  J.  796. 

2)  Ann.  Lauriss.,  Einh.  z.  J.  796;  conv.  Bag.  6  S.  9;  de  Pipp.  reg.  vict. 
ATar.  (Poet.  lat.  I  S.  116  fif.). 

3)  Ale.  ep.  99  S.  143. 

4)  Karls  Schwager,   Graf  Gerold,    und   der  Herzog  Erich   von  Friaul. 
Dem  letzteren  gebührt  das  Hauptverdienst  an  den  fränkischen  Siegen. 

5)  Über  die  politische  Verwaltung  des  Landes   s.  besonders  Dümmler 
a.  a.  0.  S.  15  flf.,  Huber  a.  a.  0.  82  ff.,  Strakosch-Grassmann  I  S.  419  f. 

6)  Vgl.  Kämmel,  Die  Anfänge  deutschen  Lebens  in  Niederösterreicli 
(Dresd.  1877)  S.  12ff.  Kämmel  fasat  S.  18  das  Resultat  seiner  Untersuchungen 
in  folgende  Sätze  zusammen:  Die  Verteilung  der  slawischen  Bevölkerung 
über  das  Gebiet  südöstlich  der  Donau  war  eine  ziemlich  ungleiche.  Sie 
war  sehr  schwach  im  unmittelbaren  Gebiete  der  Enns ,  ziemlich  stark  da- 
gegen an  der  unteren  Ips  und  Erlaf,  schob  sich  aber  an  beiden  Flüssen 
tief  ins  Gebirge  hinein  vor.  Am  bedeutendsten  erscheint  sie  im  ganzen 
Gebiete  der  Bielach  und  an  der  unteren  Traisen,  also  im  Grunzwitigau  und 
im  Traimsafeld,  schwach  wiederum  am  östlichen  Hange  des  Wiener  Waldes. 
Auffallend  gering  ist  die  Zahl  ihrer  Niederlassungen  in  unmittelbarer  Nähe 
der  Donau;  es  scheint,  dass  die  Slawen  die  Nähe  der  gi-ossen,  so  oft  von 
verwüstenden  Horden  betretenen  Strasse  eher  mieden  als  suchten. 

7)  Kämmel  a.  a.  0.  S.  10  f.  und  Convers.  Bagoar.  6  S.  9 :  Romani  ibi 
(Südseite  der  Donau)  civitates  et  munitiones  ad  defensionem  sui  fecerunt,. 
aliaque  aedificia  multa,  sicut  adhuc  (d.  h.  871)  apparet. 


—     4()2     — 

fehlen  direkte  Überlieferungen.  Wir  können  nur  vermuten,  dass 
in  dem  Landstriche  von  der  Enns  bis  au  die  Kaal)  das  Christen- 
tum vornelnnlich  durch  Kleriker  aus  Passau^)  und  durch  Mönche 
aus  den  Passauer  Klöstern  verbreitet  worden  ist.-)  Wie  in  Sachsen 
so  mögen  auch  hier  bestimmte  Bezirke  den  einzelnen  Klöstern  zu- 
gewiesen worden  sein:  Karl  d.  Gr.  erleichterte  die  Gründung  chiist- 
licher  Niederlassungen,  indem  er  die  Okkupation  von  Fiskaliand 
ausdrücklich  genehmigte.'')  Niedeniltaich.^)  Mondsce'')  und  Krems- 
niünster")  waren  später  im  jMissiousgebiet  begütert:  sie  haben 
also  dort  gewirkt.     Dasselbe  gilt  von   den  Regeusburger  Klöstern 


ll  Die  Raab  als  Grenze  von  Passau  und  Salzburg  (de  conv.  Bagoar.  6 
S.  9,  8.  unten  S.  465  Anm.  2).  Die  Zugehörigkeit  des  Landes  u.  d.  Enns  zu 
Passau  wird  unter  Piligrim  durch  die  Synoden  zu  Lorch  und  Mautern 
(c.  983 — 991)  konstatiert:  (Piligrim i  orientales  diocesaneos  suos  prestito 
iusiurationis  sacramento,  quod  suae  sanctae  aecclesiae  iuris  in  decimatione 
contingeret  interiacentis  prouinciae  inter  anesum  fluuium  et  comagenum 
raontem,  synodice  percontans,  concordi  responsione  in  unam  hanc  coniuere 
sentenciam,  penitus  uidelicet  ac  continuatim  oranem  decimationem  infra 
praescriptos  limites  .  .  ante  proximam  barbaricam  suae  desolationes  deua- 
stationem  (907  Ungarneinf'all)  in  dicione  et  potestate  praedictae  sanctae 
patauiensis  aecclesiae  .  .  et  fuisse  et  adhuc  iure  esse  debere.  iM.  B.  XXVIII, 
2  S.  88).  8.  endlich  die  gefälschte,  aber  inhaltlich  unbedenkliche  Urkunde 
Ludwigs  d.  Fr.  vom  28.  Juni  823  (EM.  753).  Ludwig  bestätigt  in  der- 
selben den  von  Karl  geschenkten  Passauer  Besitz:  Traismauer,  die  VVachau, 
Bielach,  Naarn,  Ried,  Aschbach.  Wolft'eswang,  Erlaf.  die  Zelle  St.  Florian 
mit  Linz. 

2)  Einen  unerschöpflichen  Reichtum  wahrscheinlicher  und  unmög- 
licher Vermutungen  bietet  Aloys  Huber  (Gesch.  der  Einführung  etc.  IV 
S.  198  ff.)  dar. 

3)  Urkunde  Ludwigs  d.  D.  vom  16.  Juni  863  (B.M.  1409):  Carolus 
licentiam  tribuit  suis  fidelibus,  in  augiuentatione  rerum  ecclosiarum  Dei  in 
Pannonia  carpere  et  poeidere  hereditatera,  quod  per  licentiam  ipsiua  in  multis 
locia  et  ad  istud  etiam  monasterium  (Niederaltaich)  factum  esse  dinoscitur. 
Es  handelt  sich  um  Besitz  nördlich  und  südlich  der  Donau. 

4)  S,  die  eben  angeführte  Urkunde.  Ferner  die  Urkunde  Karls  vom 
26.  November  SU  über  einen  vierzig  Mausen  umfassenden  Komplex  am 
Einfluss  der  Bielach  in  die  Donau  (B.M.  4.")2),  und  die  Bostiitigungsurkunile 
Ludwigs  d.  D.  vom  6.  Oktober  830  (B.M.  1302)  für  den  von  Karl  in  der 
Wachau  geschenkten  Besitz. 

5)  Besitzungen  des  Klosters  an  der  Erlaf  werden  am  9.  Api-ü  879  ver- 
tauscht (B.M.  1497). 

6i  L'rkunde  Ludwigs  d.  Fr.  vom  22.  März  «28  (B.M.  824).  Hier  ist 
ausdrücklich  erwähnt,  dass  die  Mönche  am  Sumerberch  im  Gau  Grunzwiti 
eine  Kirche,  Häu-sfer  und  andere  Gebäude  errichtet  haben. 


—     463     — 

St.  Emmeram-)  und  Metten/-)  von  der  Freisinger  Kirche^)  und 
dem  Freisinger  Kloster  Mosburg.'*)  auch  von  dem  fränkischen 
Kloster  Herrieden.''')  Die  Oberleitung  lag  wohl  schon  unter  Karl 
in  den  Händen  eigener  Regionarbischöfe.")  Das  durch  Yirgil  mid 
Ai-n  in  Kärnten  gegebene  Beispiel  wird  massgebend  gewesen  sein. 

Hand  in  Hand  mit  dem  Vordringen  der  Kirche  ging  die 
Gennanisieruug  des  Landes.  Sie  geschah  nicht  in  der  Weise,  dass 
den  Slawen  ihre  Nationalität  entrissen  worden  wäre:  neben  den 
slawischen  Orten  entstanden  deutsche.  Während  die  Slawen  die 
Tliäler  der  kleinen  Flüsse  suchten,  liessen  die  Deutschen  sich  an 
der  Donau  nieder:  sie  fühlten  sich  als  Herren  des  Landes. 

Xoch  bedeutender  als  die  Thätigkeit  der  Passauer  war  die 
der  Salzburger  Kirche.  Schon  Yirgil  hatte  an  die  Bekehrung  der 
Avaren  und  der  ihnen  unterworfenen  Slawen  gedacht.  Ganz  fi'ucht- 
los  war  es  schwerhch,  dass  er  christhche  Priester  nach  Unter- 
pannonien  sandte.')  Arn  trat  auch  hier  in  die  Fussstapfen  seines 
Vorgängers.  Doch  wirkhch  geebnet  wurde  auch  ihm  die  Bahn 
erst  durch   die  Besiegung  der  Avaren.     Nun  begegnet  man  Salz- 


1)  Vgl.  die  Schenkung  Ludwigs  d.  D.  vom  6.  Oktober  832  an  St.  Emuieram 
in  Regensburg;  sie  betrifft  die  verfallene  Herilungsburg,  d.  i.  Gross- Pöchlarn 
(B.M.  1308).  Eine  grosse  Schenkung  im  Norden  der  Donau  bestätigt  Ludwig 
am  18.  Januar  853  (B.M.  1363;  Ried  I,  106,  32  f.). 

2)  Ludwig  d.  D.  schenkt  Grundbesitz  in  Drasdorf  im  Gau  Traismafeld 
an  das  Kloster,  4.  Februar  868  ^B.M.  1424). 

3)  Freisinger  Besitz  in  der  Wachau  ist  in  Ludwigs  d.  D.  Urkunde  für 
Altaich  (B.M.  1302)  erwähnt. 

4j  Mosburg  besass  Güter  in  Buchenau  bei  Linz,  welche  Abt  Reginbert 
an  Freising  vertauschte  (c.  a.  811;  Meichelbeck  L  2  S.  1-53  Nr.  28.5;  vgl.  die 
bei  Meichelbeck  fehlende  Urkunde  von  827,  Roth,  Örtlichkeiten  S.  55  Nr.  234). 
Auch  stromabwärts,  bei  Holenburg,  wird  ein  predium  s.  Castuli  erwähnt 
(Arch.  f.  österr.  GQ.  XXVII  S.  259  Nr.  2). 

5)  Urkunde  Ludwigs  d.  D.  vom  5.  Januar  831,  von  v.  Öfele  MSB.  1892 
S.  125  ediert.     Die  Güter  lagen  bei  Melk. 

6)  In  Urkunden  aus  den  Jahren  833,  834  und  836  wird  ein  Passauer 
Chorbischof  Anno  genannt  (M.  B.  XXVIII,  2  Nr.  27  S.  25;  XXVIII,  2  S.  29 
Nr.  19;  XXXI,  1  S.  70  Nr.  31);  auch  das  Salzb.  u.  Reichen.  Verbr.-Buch 
kennt  ihn  (c.  14  Z.  19  u.  c.  35  Z.  21  ed  Piper).  Ein  zweiter  Chorbischof, 
Alberich,  wird  859  erwähnt  (M.  B.  XXXI,  1  S.  98).  Ein  dritter,  Madalwin, 
setzt  testamentarisch  die  Passauer  Kirche  zu  seinem  Erben  ein  (903, 
M.  B.  XXVIII,  2  S.  200  ff.  Nr.  3).  Seine  Besitzungen  liegen  zum  Teil  jen- 
seits des  Wiener  Waldes. 

7)  Convers.  Bagoar.  7  S.  9.  Ale.  ep.  68  S.  317  (ed.  Jaffe)  ist  von  der 
Thätigkeit  christlicher  Priester  im  Avarenland  vor  der  Eroberung  des- 
selben die  Rede. 


—     4(U     — 

huij^ei-  AvlH'iteni  auch  im  ]-*assaiK'r  Missionsgehiet.-")  südwärts  lag 
das  Hauptwerk  in  ihreu  Händen.  Sie  scheinen  dabei  von  Freising 
aus  uutei-stützt  worden  zu  sein.^) 

Von  Pippin  wurde  die  Arbeit  der  Kirche  auf  alle  Weise  ge- 
fordert: es  ist,  als  habe  der  junge  König  mit  seinem  Vater  w-ett- 
eifern  wollen.  Tu  sein  Feldlager  an  der  Donau  berief  er  eine 
1)ischöfliche  Konnnissiou,  um  Beratung  zu  pflegen,  wie  bei  Ein- 
tVdiiung  des  Christentums  zu  vertahren  sei.  Die  Schwierigkeiten, 
die  Karl  in  Sachsen  gefunden  hatte,  nachdem  das  Volk  sich  zur 
Annahme  des  neuen  Glaubens  bereit  erklärt  hatte,  mögen  diese 
^lassregel  veranlasst  haben.  Die  Konnnission  tagte  unter  Anwesen- 
heit des  Patriarchen  Paulinus  von  Aquileia;  eine  Art  Promemoria 
Pauhns  giebt  uns  Aufschluss  über  die  Beratungen  und  Besclüüsse.'') 
Die  Versammelten  verbargen  sich  die  Schwierigkeiten,  vor  denen 
man  stand,  nicht  im  geringsten:  ein  fast  tierisches,  jedentalls  jeder 
religiösen  und  geistigen  Bildung  entbehrendes  Volk^)  begehrte  unter 
dem  Eindruck  einer  Niederlage  die  Aufnahme  in  die  Kirche.  Man 
lehnte  mit  Rücksicht  darauf  die  rasche  Vornahme  von  Massentaufen 
ab.  Zuei-st  müsse  das  Volk  einigermassen  im  christlichen  Glauben 
unteirichtet  werden:  die  Täuflinge  müssten  wenigstens  wissen,  was 
die  Taufe  bedeute.  Wie  lange  diese  Unterweisung  zu  daueni  habe, 
bliel)  dem  Urteile  der  Priester  überlassen:  man  stellte  nur  Grenz- 
zahlen fest:  nicht  unter  sieben  und  nicht  über  vierzig  Tage. 
Weiterer  T'ntemcht  über  die  sittlichen  Pflichten  der  Christen  sollte 
der  Taufe  folgen.  Auch  in  Bezug  auf  die  Weise  des  Taufunfcr- 
richts  war  man  nicht  ohne  T^edcnken:  die  Bischöfe  fui'chteten  offen- 
bar, dass  die  deutschen  und  italienischen  Priester  im  Hochgefühle 
des  Sieges  von  den  Unterworfenen  schrofT  und  gebieterisch  die 
Taufe  fordern  würden.     Dem  gegenüber  erinnerten  sie  daran,  dass 


1 )  Salzburg  hat  Besitzungen  an  verschiedenen  Orten  des  Passauer 
Spn^ngels:  an  der  Ips;  hier  hat  Erzbischof  Adalram  eine  Kirche  gehaut 
(B.M.  1236j;  unterhalb  Melk,  wo  Arnsdorf  an  den  ersten  Krzbischof  von 
Salzburg  zu  erinnern  scheint  (s.  Kämmel  S.  30);  in  Holenburg  (Arch.  f. 
österr.  GQ.  XXVII  S.  2.59  Nr.  2);  in  Traismauer;  hier  war  die  Kirche 
St.  Martin  geweiht  (Convers.  Bagoar.  10  S.  11). 

2)  Freisinger  Besitz  in  Kärnten  ist  vielfach  erwähnt  s.  Cod.  dipl. 
Austr.-Fris.  S.  18  Nr.  17,  S.  22  Nr.  24.  S.  23  Nr.  2.S  u.  tt.,  ebenso  in  Ungarn 
S.  19  Nr.  18.  Freisinger  Zehnten  in  Kärnten  und  Steiermark  in  der  Ur- 
kunde des  Bischofs  Ellenhart  v.  c.  lOBO.  C.  D.  Austr.  Fris.  S.  81  Nr.  79, 
desgl.  im  Bistum  Aquilleja.  a.  a.  0.  S.  89  Nr.  89. 

3)  Ale.  ep.  68  S.  311  ff.  (ed.  .Taff*^). 

4)  L.  c.  S.  314:  Gens  bnita  et  inrationabilis  vel  «erte  idiotae  et  sine 
litterie  tardior  atque  laboriosa  ad  cognoscenda  sacra  mysteria. 


—     465     — 

die  Taufe  freiwillig  begehrt  -werden  solle,  dass  deshalb  im  Unter- 
richte die  religiösen  Motive  besonders  betont  werden  müssten.  An 
der  Beobachtung  der  kanonischen  Taufzeiten,  Ostern  und  Pfingsten, 
konnte  in  der  ersten  Zeit  nicht  festgehalten  werden:  man  begnügte 
sich,  zu  verordnen,  dass  Taufen  stets  am  Samstag  Abend  vor- 
genommen werden  sollten:  doch  behielt  man  dadurch  den  Über- 
gang hl  das  regelmässige  Geleise  im  Auge,  dass  die  Taufen  der 
Kinder  nur  an  Ostern  und  Pfingsten  gestattet  wurden.  Schwierig- 
keiten ei'wuchsen  endlich  auch  daraus,  dass  das  Chiistentum  dem 
Avarenlaude  nichts  ganz  Fremdes  war.  Mancherlei  Kleriker  hatten, 
oft  wohl  ganz  auf  eigene  Hand,  Prosel}i;en  für  die  Kirche  gemacht. 
Es  gab  Leute,  die  getauft  waren,  aber  ohne  dass  sie  das  Glaubens- 
bekenntnis abgelegt  hatten  und  ohne  dass  die  Taufformel  gebraucht 
worden  war:  konnte  man  sie  nicht  als  Christen  anerkennen,  so 
verfuhr  man  doch  im  ganzen  weitherzig.-^) 

So  die  Bischöfe:  man  hat  den  Eindruck,  als  sei  ihr  Bestreben 
gewesen,  dem  allzu  raschen  Yorwärtsdrängen  Pippins  einen  Zügel 
anzulegen. 

Bei  derselben  Zusammenkunft  wird  die  Teilung  des  Missions- 
gebietes verabredet  worden  sein,  welche  Pippin  nach  seiner  Rück- 
kehr von  der  Königsburg  vornahm.  Salzbm'g  erhielt  das  von  Drau, 
Donau  und  Eaab  eingeschlossene  Gebiet,  das  sich  demnach  an 
seinen  kärntner  Missionssprengel  anschloss.-)  Was  südwärts  lag, 
fiel  an  Aquileia,  was  nordwärts,  an  Passau.  Die  von  Pippin  provi- 
sorisch getroffene  Massregel  Ijildete  die  Gnmdlage  füi"  die  bleibende 
Abgi'euzung  der  Diözesen. 

Am  Hofe  Karls  verfolgte  man  die  Fortschiitte  im  Südosten 
mit  warmer  Teilnahme.  Dem  König  selbst  lag  der  rasche  Erfolg 
der  Mission   nicht   minder  am  Herzen  als   seinem  Sohne.     Dm'ch 


1)  L.  c.  S.  317. 

2)  Convers.  Bagoar.  6  S.  9:  Partem  Pannoniae  circa  lacum  Pelissa 
inferioris,  ultra  fluvium  qui  dicitur  Hrapa  et  sie  usque  ad  Dravum  fluvium 
et  eo  usque  ubi  Dravus  fluit  in  Danubium.  Karl  hat  diese  Bestimmung  803 
bestätigt  (1.  c).  Am  14.  Juni  811  entschied  er  zu  Aachen  dem  entsprechend 
den  Streit  z-wischen  Salzburg  und  Aquileia  über  die  Diözesangrenzen  in 
Kärnten  (B.M.  448).  Ursus  von  Aquileia  hatte  Anspruch  auf  die  ganze 
Provinz  erhoben,  da  in  der  Kömerzeit  ihre  Kirchen  zu  Aquileia  gehört 
hätten.  Arn  berief  sich  auf  Erlasse  der  Päpste  Zacharias,  Stephan  und 
Paul,  welche  die  Zugehörigkeit  derselben  zu  Salzburg  be-wiesen.  Karl  be- 
stimmte die  Drau  als  Grenze.  Von  Lud-wig  819  bestätigt  (1.  c.  686).  Die 
Urkunde  Lud-wigs  d.  D.  vom  18.  November  830  über  die  Regulierung 
der  Grenze  zwischen  Passau  und  Salzburg  ist  gefälscht,  scheint  aber  die 
thatsächliche  Grenze  der  beiden  Diözesen  richtig  anzugeben  (1.  c.  1303). 

Hauck,  KirchengescMchte.  II.    2.  Aufl.  30 


—     i(i(;    — 

i'iiieii  Brief  Alkuiiis  au  Am  erfahren  wir.  class  er,  luu  die  Teil- 
nahme des  Salzburger  Klerus  zu  erleichtern,  den  dritten  Teil  der 
das  Kloster  oder  das   Bistum  treftenden  Lasten  Arn  erliess.^) 

Vor  alltMu  war  Alkuin  eifrig,  zur  Mission  anzufeuern.  Am 
liebsten  hätte  er  sich  sofort  aufgtMuacht..  um  selbst  im  Avarenlande 
zu  i)redigen.  Er  kam  sich  wie  ein  armer  Kranker  vor,  weil  er  tur 
die  :Mission  nichts  hatte  als  sein  Gebet.')  Seine  Freunde  Paulin 
und  Arn  pries  er  glücklich,  dass  sie  zu  dieser  Arbeit  bt-rufen  seien. 
Welcher  Knecht  Gottes,  schrieb  er  an  den  ersteren,  darf  sich  einem 
so  frommen  und  löblichen  A\'erk  entziehen,  durch  das  die  Knecht- 
schaft des  Teufels  gebrochen,  der  Dienst  unseres  Gottes  Christus 
ausgebreitet  werden  soll.  Wie  vieler  Augen,  bester  Vater,  sind  aut 
dich  gerichtet,  was  deine  ehrwürdige  Heiligkeit  thun  will.  Die 
Nähe  des  Landes,  deine  heiTOiTagende  Weisheit,  die  Stellung,  welche 
du  einnimmst,  unterstützen  dich:  alles  trifft  zusammen,  was  zu  einem 
solchen  Werke  nötig  ist.'^) 

So  war  er  voll  guter  Hoffnung;  besonderes  Gewicht  legte  er 
darauf,  dass  das  Versprechen,  den  Glauben  anzuneiimen,  von  den 
Avaren  freiwillig  gegeben  sei.  Aber  er  wurde  den  Gedanken  an 
die  Sachsen  und  die  Erfahrungen,  welche  mau  bei  ihnen  gemacht 
hatte,  nicht  los.  Deshalb  lag  ihm  unendlich  viel  daran,  dass  die 
Fehler,  welche  den  Segen  der  Predigt  in  Sachsen  gehindert  hatten, 
nicht  wiederholt  würden.  Er  wanite  den  König  unumwunden  davor, 
mit  der  Einluhning  der  Zelniten    übereilt    vorzugehen:')    auch    die 


1)  Ep.  107  S.  153:  Tertiam  piirtem  de  laboiibus  tuis  per  singula  loi-a 
Heu  epiflcopatus  seu  nionasterii  concessit  tibi  rex  in  aelimoainani  tuam 
tradere,  sie  dies  tuus  te  prosequerotur  in  via.  Et  hoc  indiculis  confirmari 
praecepit.  Jaffe  versteht,  dass  die  Gemeinden  Salzburgs  den  dritten  Teil 
der  Kosten  zu  tragen  hätten;  v.  Zeissberg  (Wiener  SB.  XLIII  S.  328  und 
(Jiannnni.  Paulinus  S.  47),  dasa  Karl  ihr  den  dritten  statt  des  vierten  Teils 
der  Zehnten  überliesse.  Beide  Erklärungen  scheinen  mir  nicht  befriedigend  : 
sollten  die  labores  Arns  nicht  öffentliche  Lasten  sein,  von  welchen  Karl 
dem  Erzbiachof  den  dritten  Toil  orliess. 

2)  L.  c.  S.  1.Ö4.  Der  Ausdruck  ist  noch  etwas  stärker:  Nos  matriculares, 
wir  Armenhäusler. 

3)  Ep.  99  S.  143  aus  dem  Jahre  790.  Er  hatte  vorher  schon  zwei 
Briefe  an  Paulin  gerichtet  (S.  144j.  In  gleicher  Weise  hatte  er  schon  vor 
dem  Mai  796  an  Arn  geschrieben  (s.  ep.  107  S.  153). 

4)  Es  scheint,  dass  man  mit  der  Einführung  der  Zehnten  in  der  That 
langsam  vorging.  In  Kärnten  wurde  sie  erst  im  Anfange  des  11.  .lahr- 
hunderts  vorgenommen:  (GebeharduH)  primus  decimas  constrinxit  reddere 
iu8ta.s  Sclavorum  gentem  sub  se  rectore  manentera  vel  diocese  sua  habi- 
tantem  (Notit.  Gebeh.  6  f.,  M.G.  Scr.  XI  S.  25). 


t  ^ 


—     46 

Apostel  hätten  bei  ihrer  Predigt  derartiges  nicht  verlangt.  Ebenso 
dürfe  man  nicht  zn  rasch  mit  der  Taufe  sein:  nnr  bei  kleinen 
Kindeni  sei  eine  Taufe  ohne  Unterricht  zulässig,  nicht  aber  bei 
Erwachseneu.  Die  erste  Sorge  des  Königs  müsse  sein,  dass  er 
fi'omme  und  sitthch  tüchtige  Prediger  in  das  Land  sende,  Männer, 
wohlgelehrt  im  christlichen  Glauben,  gewöhnt  an  die  Erfüllung  der 
evangehschen  Vorschriften,  und  bestrebt,  bei  der  Predigt  des  gött- 
hchen  Wortes  das  Vorbild  der  Apostel  zu  befolgen.^) 

Solche    Gedanken    hielt    er  nicht  dem  König    allein,    sondern 
auch  einflussreichen  Männern   seiner  Umgebung  vor.-) 

Im  gleichen  Sinne  schrieb  er  an  Arn:  Sei  ein  Prediger  der 
Frömmigkeit,  nicht  ein  Einforderer  von  Zehnten:  eine  jimge  Seele 
muss  mit  der  Milch  apostolischer  Frömmigkeit  genährt  werden,  bis 
sie  wächst,  erstarkt  und  zum  Empfange  stärkerer  Speise  fähig  wird.'^) 
Als  wollte  er  den  Freund  vor  Enttäuschungen  warnen,  erinnert  er 
ihn,  zur  Taufe  könne  man  die  Leute  zwingen,  aber  nicht  ziun 
Glauben:  unermüdlich  müsse  man  predigen,  aber  der  Erfolg  hege 
in  Gottes  Hand:  denn  das  AVort  des  Predigers  pralle  ab,  wenn 
nicht  die  göttliche  Gnade  das  Herz  des  Hörers  erweicht.  Deshalb 
gehöre  zur  Predigt  die  Fürbitte.^)  In  Bezug  auf  die  Wahl  der 
]\Iissionsprediger  mahnte  er  zu  grosser  Vorsicht :  ihr  Wort  und  ihr 
Wandel  müsse  dem  Namen  des  Herrn  Jesu  Ehre  machen.'^)  Dass 
viele  xlrbeit  vergeblich  sein  T\iirde,  sah  er  voraus:  aber  er  forderte 
zm-  ]\Iilde  gegen  die  Schwächen  und  Mängel  der  Neubekehrten 
auf:  wer  fehle,  den  müsse  man  nicht  durch  herben  Tadel  züchtigen, 
sondern  durch  Ennahnungen  und  frommen  Zuspruch  bessern.  Man 
müsse  auf  Geschlecht,  Alter  und  L'mstände  achten,  imd  mit  der 
Verhängung  kü'chhcher  Bussen  nicht  schnell  zufahren.^) 

Selten  ist  es  uns  vergönnt,  in  die  Gedanken  der  Missions- 
arbeiter einen  Blick  zu  thun.  Hier  einsetzen  uns  Alkuins  Briefe 
einigermassen  den  Mangel  anderer  Quellen.  Die  Leiter  der  Mission 
waren  seine  Freunde,  die  Prediger  zum  Teile  mittelbar  oder 
mimittelbar  seine  Schüler.  Etwas  von  dem,  was  er  ausspricht, 
wird  in  ihnen  gelebt  haben.  ^ 


1)  Ep.  110  S.  157  (nach  dem  10.  August  796). 

2)  Ep.  111  S.  159  ff.  an  den  Arcarius  Megenfrid  f gleichzeitig  mit  dem 
110.  Brief.). 

3)  Ep.  107  S.  154  (nach  dem  25.  Mai  796). 

4)  Ep.  113  S.  164  (Herbst  796). 

5)  Ep.  107  S.  154. 

6)  Ep.  113  S.  165  f. 

7)  Vgl.  oben  S.  147  Anm.  1. 

30* 


—     4H8     — 

Zeugen    von    dvv  Tliätigkeit    der   deutschen   Missionare    unter 
den  Wenden  Kärntens   und  Pannoniens    sind    die    ältesten   Denk- 
mäler der  slovenischen  Sprache:   zwei  Beiclittbrmeln   und  eine   er- 
l»auUche  Ans])rache.O    Die  erste  jener  Formeln  schhesst  nach  einem 
an  Gott   und   alle  Heihgen   gerichteten    Sündenbekeimtuis   mit  fol- 
gendem Gebete:    ..^<^tt?    du   bist  vom  Himmel  gekommen,    ja  hast 
dich  in  Leiden   dahingegeben    für  alles  Volk,    damit    du    uns    dorn 
Argen  entrissest.    Kette  mich  von  allen  Ubelthätern.    Barmherziger 
Herr,  dir  übergebe  ich  meinen  Leib  und  meine  Seele,   mein  Wort 
und  Werk,  meinen  Willen  und  Glauben,  mein  Leben.     Lass  mich 
am  Tage  des  Gerichtes  deine  grosse  Barmherzigkeit  vernehmen  mit 
jenen,    die  du  rufen  wirst:    Kommt,    ihr  Erwählten   meines  Vaters, 
empfangt  die   ewige  Freude   und   das  ewi^e  Leben,"     Die  Predigt 
ist  in  ihrer  ausgesprochen  moralisierenden  Haltung  ein  Seitenstück 
zu    den    wenigen    aus    Deutschland    erhaltenen    geistlichen    Reden. 
Eigentümlich,  aber  eindrucksvoll  ist  die  an  die  neubekehrten  Slawen 
gerichtete  Aufforderung  mit  den  Heiligen   der  alten  Kirche  in  der 
Bethätigung   des    Glaubens    zu    wetteifern:    „Ihr    könnt,    Kindlein, 
selbst  ehisehen,    dass  che   früheren  Menschen    dem  Aussehen  nach 
ebenso  beschatten  waren,  wie  Avir.    Aber  sie  hassten  die  Werke  des 
Teufels   und   hebten   the  Werke  Gottes,     .letzt  knien  wir  in  ihren 
Kirchen,  i-ufen  sie  an,  trinken  ihnen  zu  Ehren,    bringen  zum  Heil 
unseres    Leibes    und    unserer    Seele    ihnen    Opfer    dar.     Auch    wir 
können    ihnen    gleich  werden,    wenn  wir  die  gleichen  AVerke  thun. 
wie  sie.     Sie  speisten  den  Hungernden,    tränkten    den   Dürstenden, 
kleideten   den  Nackten.     Durch   solche  Werke   sind  sie  Gott  nahe 
gekommen;    so  müssen  auch  wir  den  höchsten  Vater  anflehen,   bis 
er  uns  Wohnung  giebt  in   seinem  Reiche." 

Alsbald  konnte   mit   der   kirchhchen  Organisation  des  Ijandes 
begonnen    werden.      Xachdem    Arn    79S    von    Rom    zurückgekehrt 


1)  Gedruckt  bei  Kopitar,  Glagolita  Clozianus  ,Wien  1836)  S.  XXXV  ff. 
Kopitar  schreibt  diese  in  einer  Freisinger,  nun  Münchoner  Handschrift  er- 
haltenen Fragmente  dem  Bischof  Abraham  von  Freising  (957 — 994),  einem 
geborenen  Wenden,  zu  iS.  XXXIV).  Sie  sind  jedoch  weit  älter.  Miklosich 
(Wiener  Denkschr.  XXIV  S.  7  ff.)  hat  gezeigt,  dass  das  zweite  Fragment, 
dio  Predigt,  in  einer  von  Kiemen.«,  einem  Srlniler  des  Method,  vorfassten 
Homilie  benützt  ist.  Da  der  deutsche  Ursprung  der  Freisinger  Fragmente 
ausser  Zweifel  steht  (Miklosich  1.  c.  S.  8),  so  folgt,  dass  diese  Denkmäler 
von  der  Thätigkeit  der  deutschen  Missionare  Zeugnis  geben.  Miklosich 
hält  für  wahrscheinlich,  dass  sie  in  Kärnten  aus  dem  Deutschen  ins  Slove- 
nische  tibersetzt  und  von  da  nach  Pannonien  gebracht  wurden.  Neuerdings 
hat  sich  W.  Vondriik  für  die  Kntstehung  in  Pannonien  ausgesprochen, 
Archiv  für  slavische  Philologie  1894  S.  118. 


—     469     — 

war,  sandte  ihn  Karl  in  das  Avarenland.  Damals  hat  er  eine 
Anzahl  Kirchen  geweiht  und  für  die  entstehenden  Gemeinden 
Priester  eingesetzt.  Er  selbst  regte  den  Gedanken  an,  einen  eigenen 
Regionarbischof  für  das  Avarenland  zu  ernennen.  Karl  stimmte 
zu.  imd  Arn  weihte  nun  einen  seiner  Kleriker  Xamens  Theoderich 
zum  Bischof.^)  Die  Zahl  der  Kirchen  wird  sich  seitdem  rasch 
vermehrt  haben.  Die  nach  und  nach  einwandernden  Baiem^)  und 
die  deutscheu  Beamten  gewährten  dem  Christentum  eine  sichere 
Stütze.  Die  Anekdote,  wie  Graf  Ingo  durch  die  Bevorzugung 
christhcher  Sklaven  vor  heidnischen  HeiTen  den  letzteren  deutlich 
machte,  dass  das  rehgiöse  Bekenntnis  mehr  Wert  habe  als  die 
vornehme  Geburt,  zeigt,  dass  Karls  Beamte  bereitwilhg  die  kirch- 
lichen Interessen  förderten.'')  Im  ganzen  Südosten  war  che  Kirche 
in  erfolgreichem  Vordringen  begriffen. 


Karl  d.  Gr.  starb  am  28.  Januar  811. 

Jedermann   kennt  das  anziehende  Bild,    welches  Einhard  von 
dem   gi-eisen  Hen-scher  entwarf:'*)    eine  hohe,'^)    ebenmässige*^)  Ge- 


1)  Convers.  Bagoar.  8  S.  9  f.  Er  wird  als  Regionarbischof  für  Kärnten 
und  das  Land  bis  zur  Donau  bezeichnet.  Als  seine  Nachfolger  werden  ge- 
nannt Otto  und  Osbald  (c.  9  S.  10  f.);  der  Name  des  letzteren  findet  sich 
an  der  Spitze  von  käi-ntner  Priestern  im  Verbrüderungsbuch  von  Reichenau 
ed.  Piper  S.  283  C.  434;.  Neben  ihnen  erfährt  man  aus  dem  Verbrüderungs- 
buch von  St.  Peter  eine  zweite  jüngere  Reihe  kärntner  Chorbischöfe  (c.  119, 
15  ff.):  Salomon,  Engilfrid,  Alarich,  Dietrich,  Kotapert:  sie  gehört  in  das 
10.  Jahrhundert  (s.  Dümmler,  OFr.  R.  II  S.  175);  v.  Zeissberg  (a.  a.  0.  S.  825 
identifiziert  die  beiden  Dietriche. 

2)  Die  Einwanderung  in  Niederösterreich  bis  zum  "Wiener  Wald  begann 
unter  Karl  (Strakosch-Grassmann  S.  435);  in  Kärnten  ist  der  erste  deutsche 
Grundbesitz  im  Beginn  der  Regierung  Ludwigs  d.  Fr.  nachweisbar  (S.  448). 

B)  Conv.  Bag.  c.  7  S.  9. 

4)  V.  Kar.  22. 

.5)  Vgl.  Giemen,  die  Portraitdarstellungen  Karls  d.  Gr..  Aachen  1889 
S.  16  f.  Hienach  ergab  die  Vermessung  der  Gebeine  des  Kaisers  eine  Grösse 
von  1,92  Mtr.  Giemen  handelt  S.  45  ff.  über  die  Reiterstatuette  im  Museum 
Carnavalet  zu  Paris.  Er  urteilt,  es  spreche  nichts  dagegen  und  sehr  viel 
dafür,  dass  sie  Karl  vorzustellen  habe. 

6)  Vgl.  V.  Ale.  8  S.  190:  Fide,  fortitudine  ac  amore  sapientiae  et 
corporis  ineffabili  pulchritudine  praeclarissimus.  Paul.  carm.  25  v.  59  (Poet. 
lat.  I  S.  61):  Rex  Carolus  sensu  formaque  animoque  decorus.  Hibern.  ex. 
c.  3  V.  8  S.  399. 


—     -470     — 

stalt,  das  Ix'cleutonde  Gesiclit  unnvallt  von  schcinem.  weissem  Haar, 
uud  helebt  durcli  grosse,  glän/cnde  Augen,  der  Eindruek  der  ganzen 
Erscheinung  elnfurclitgebietend.')  So  lebt  er  im  (ledächtnis  der 
Nachwelt  fort.  A\\»riii  seine  Grösse  bestand,  hat  niemand  kürzer 
und  trettender  ausgesprochen  als  sein  Enkel.  Das.  sagt  Nithard,-) 
ist  mir  das  Bewundernswürdigste,  dass  er  den  trotzigen,  eisernen 
Mut  der  Franken  uud  Barbaren,  so  l)äudigte,  dass  niemand  in 
seinem  Reich  etwas  anderes  zu  unternehmen  wagte,  als  was  dem 
allgemeinen  Besten  entsprach.  In  der  That,  darin  liegt  Karls 
Gr(')sse,  dass  sein  Thun  und  Lassen  dui'ch  den  Gedanken  an  das 
"Wohl  der  Gesamtheit  beherrscht  wurde.  Diese  königliche  Gesin- 
nung war  gepaart  mit  unvergleichlichem  Talent.  Karl  gehört  zu 
den  wenigen  Menschen,  welchen  man  eine  universelle  Anlage  zu- 
schreiben kann.  AVährend  die  meisten  hervorragenden  Männer 
deshalb  gross  sind,  weil  sie  einseitig  sind,  war  er  gross,  weil  ilmi 
jede  Einseitigkeit  fern  lag.  Der  Kreis  seiner  Interessen  deckte 
sich  mit  dem  Umfang  der  geistigen  Interessen  seines  Jahrhunderts, 
Dadurch  war  er  befähigt,  die  Aufgabe  des  Heirschers  in  viel  um- 
fassenderem Sinne  zu  lösen  als  seine  Vorgänger  und  Xachfolger. 
Wenn  der  moderne  Staat  die  Pflege  der  mannigfachen  Seiten  des 
Kulturlebens  als  sein  Ziel  betrachtet,  so  schwebte  Karl  ein  ähn- 
liclier  Gedanke  vor.  Er  konnte  ihn  verwirklichen;  denn  andere 
behen'schen,  sie  in  die  Bahnen  leiten,  in  (h^nen  sie  wirken  konnten, 
war  fih-  ihn  gleichsam  naturgemäss:  er  hat  sich  niemals  in  (h-r 
Wahl  seiner  Diener  und  Mitarbeiter  vergriffen.  Wie  er  selbst 
unermüdlicli  in  der  Arbeit  war,  so  wusste  er  jeden,  der  in  seine 
Xälie  kam.  zu  gleicher  Thätigkeit  zu  nöitigen.  Theodulf  schildert 
das  i)ewundernd;  er  sei  gewohnt,  alle  zu  nützlicher  Arbeit  zu  ent- 
flannnen:  die  Bischtife  zum  Studium  der  Heiligen  Schrift  und  zu 
rechter  Lehre,  den  Kleius  zu  treuer  PHichterfüllung,  die  Gelehrten 
zur  Uutei*suchung  der  himndischen  und  irdischen  Dinge,  die  Mönche 
zu  fiommeu)  Leben;  die  Grossen  sammele  ei-  in  seinem  Rat,  von 
den  Richtern  fordere  er  Gereclitigkeit,  von  den  Kriegern  Waflfen- 
iibung.'')  Trotzdem  war  nichts  Hastiges  und  Uberstürzt<>s  in  seinem 
Thun.  Sein  Wesen  machte  auf  seine  Lmgebung  den  Eindruck 
der  voUkommenen  Hai'moiiie.     Wie  Einhard  ilie  ungetrübte  Heiter- 


1)  Charakteristisch  ist  dio  Reihenfolgp  von  Worten,  in  welchen  Nithard 
den  Eindrurk  Karls  auf  seine  ZeitjjenoHsen  ausspricht:  Omnibus  orboni 
inhabitantibiiH  terribilis,  amabilia,  pariterque  et  admirabilis  videretur 
(bist.  I,  1  . 

2)  L.  f. 

3)  Ep.  Carol.  3^  S.  414. 


—     471     — 

keit  Karls  rühmt/)  so  Alkuiu  das  nie  gestörte  Gleichgewicht  seines 
Geistes.-)  Es  war  die  heitere  Sicherheit  dessen,  der  keine  Schwierig- 
keiten  kennt,  dem  sich  Menschen  und  Verhältnisse  gleich  wilMg 
zu  fügen  scheinen.-^) 

Dass  Karl  Grosses  erreichte,  hat  nicht  nur  die  Nachwelt, 
welche  gerechter  zu  sein  ptiegt  als  die  Mitwelt,  erkannt.  Schon 
die  Zeitgenossen  haben  es  ausgesprochen.  Sie  dachten  dabei  nicht 
nur  an  die  glänzenden  Ereignisse  in  Karls  Leben,  sondern  mehr 
noch  an  die  Zustände,  welche  er  zu  schaffen  wusste.  Man  pflege, 
sagt  einer  der  Irländer  an  Karls  Hof,  das  Altertum  zu  rühmen 
und  das  Vergangene  zu  preisen,  da  man  die  Beschwerde  der  Gegen- 
wart empfinde.  Im  fi-änkischen  Reiche  jedoch  sei  die  Ordnung  um- 
gekehrt: hier  stelle  man  die  Gegenwai-t  weit  über  die  alten  Zeiten.*) 
Am  bereitwilligsten  erkannte  man  an,  wie  viel  er  fiü-  die  Kirche 
gethan  hatte.  Die  Frage,  ob  die  Stellung,  welche  er  in  ihr  ein- 
nahm, sich  im  Einklang  mit  ihrem  Eecht  und  ihrer  Vergangen- 
heit befinde,  ist,  so  lange  er  lebte,  nicht  erhoben  worden.  Aber 
musste  sie  nicht  einmal  erholjen  werden?  In  Karls  Eeiche  gab  es 
keinen  Raum  für  die  Freiheit  und  die  Selbstständigkeit  der  Kirche. 
War  es  möglich,  dass  dieser  Zustand  für  die  Dauer  als  berechtigt 
oder  als  erträglich  betrachtet  wurde?  Auch  Rom  gehörte  zum 
fränkischen  Reich.  Die  römischen  Bischöfe  aber  hatten  unter  Karls 
Regierung-   ungemeine    Verluste   an   Macht    und   Einfiuss    erlitten. 


1)  V.  Kar.  22:  Facie  laeta  et  hilari. 

2)  Ep.  149  S.  242:  Etsi  vestrae  mentis  nobilissima  stabilitias  in  una 
eadexuque  soliditatis  arce  perpetualiter  permaneat  et  in  medio  aequitatis 
libramine  inconcussa  fortitudine  vigeat,  etc.  Es  war  wohl  der  gleiche  Ein- 
druck, den  Paulus  Diakonus  hatte,  wenn  er  ihn  ,,animo  decorus"  nannte 
(c.  25  V.  59  S.  61). 

3)  Vgl.  Kar.  mag.  et  Leo  Pap.  v.  18  ff.  S.  366,  Karl  wird  mit  der 
Sonne  verglichen: 

Illum  —  die  Sonne  —  aliquando  tegunt  nimboso  nubila  tractu, 

Hüne  — -  Karl  —  ullae  nunquam  possunt  variare  procellae; 

nie  caret  proprio  bissenis  lumine  horis, 

Iste  suam  aeterno  conservat  sidere  lucem; 

Pace  nitet  laeta,  pariter  pietate  redundans 

Nescit  habere  pio  lapsurum  lumine  casum. 

Vultu  hilari,  ore  nitet,  semper  quoque  fronte  serena 

Fulget. 

4)  Hibern.  exul.  carm.  5  (Poet.  lat.  I  S.  400).  Am  ergreifendsten  ist 
das,  was  die  Welt  an  Karl  verlor,  ausgesj)rochen  in  dem  Klagegedicht 
eines  Mönchs  in  Bobbio  (1.  c.  I  S.  435). 


—     472     — 

Uumüglich  konnton  sie  diosolben  verschmerzen;  denn  die  römischen 
Ansprüc-he  auf  Herrschaft  in  der  Kirche  hingen  zu  enge  mit  der 
gesamten  rehgiüsen  Weltanschauung  zusammen,  als  deren  vor- 
nehmste Träger  sich  die  römische  Bischöfe  fühlten.  Der  Wider- 
spi-uch  des  Papsttums  gegen  das  Kaisertum  Karls  war  notwendig. 
Karl  d.  Gr.  hatte  eine  Stellung  geschaffen,  unvergleichhch  au 
Macht.  Die  Frage  war,  ob  die  Erben  seiner  Krone  sie  würden 
behaupten  können. 


Fünftes  Buch. 


Auflösung  der  Reichskirche. 


Erstes  Kapitel. 

Die  Erhebung  des  Papsttums  über  die 
weltliche  Macht. 


Selten  ist  ein  Mann  unersetzlich.  Karl  d.  Gr.  war  es.  Überall 
in  der  abendländischen  Welt  bemerkte  man,  dass  er  nicht  mehr 
war.  So  lange  er  lebte,  hatte  sein  mächtiger  Wille  die  ausein- 
anderstrebenden Verhältnisse  zusammengezwungen;  nun  da  er  tot 
war,  gewannen  die  zentrifugalen  Kräfte  das  Übergewicht. 

Nirgends  trat  es  so  bestimmt  hervor,  me  viel  an  diesem  einen 
Manne  gelegen  war,  als  in  den  kirchlichen  Verhältnissen.  Die 
Wirkung  seines  Todes  war,  man  könnte  fasst  sagen,  momentan. 

Wir  erinnern  uns,  wie  entschieden  Karl  als  Oberherr  in  Rom 
handelte  und  wie  entfernt  Leo  III.  von  dem  Versuche  war,  durch 
Wort  oder  That  dagegen  anzukämpfen.  ^)  In  einem  Schreiben  aus 
dem  Jahre  808  erklärte  er,  nichts  als  der  Tod  könne  seiner  Liebe 
gegen  den  Kaiser  ein  Ende  machen ;  so  treu  wie  keiner  seiner 
Vorgänger  habe  er  ihm  gedient:  alles  sei  er  bereit,  seinem  Urteil  an- 
heimzustellen. -) 

Ludwig  gegenüber  änderte  er  sofort  sein  Verfahren.  Schon 
dies  ist  auftällig,  dass  er  das  römische  Volk  dem  neuen  Herrscher 
nicht  huldigen  Hess.  ^)  Alsbald  folgte  ein  offener  Eingriff  in  die 
Eegierungsrechte    des   Kaisers.     Leo  achtete  die  Zeit   für  günstig. 


1)  S.  oben  S.  96  ff.     Zur  Litteratur:  Die  S.  71  genannten  Werke. 

2)  Leon.  ep.  1  M.G.  Ep.  V  S.  87  v.  März  808. 
3j  S.  Simson,  JB.  L.'s  I  S.  60. 


sich  seiner  Gegner  in  Rom  mit  einem  Schlage  zu  entledigen :  ohne 
Vorwissen  Ludwigs  liess  er  eine  grosse  Anzahl  derselben  —  man 
sprach  von  dreihundert  —  verhaften  und  hinrichten.  ^)  Nie  hätte 
er  unter  Karl  eine  solche  That  gewagt.  Er  muss  Ludwig  sehr 
gut  gekannt  haben,  dass  er  sie  für  unbedenkhch  hielt.  Und  er 
täuschte  sich  nicht  in  dem  neuen  Kaiser. 

Ludwig  stand  im  sechsundd;'eisigsten  Lebensjahre,  als  er  den 
Thron  bestieg.  -)  Der  Pippinischen  Familiensitte  folgend  hatte 
Karl  ihn  frühzeitig  in  die  örtbntlichen  Geschäfte  eingeführt.  Seit 
seinem  dritten  Jahre  trug  er  die  Krone  Aquitaniens,'')  dreizehnjähng 
wm-de  er  wehrhaft  gemacht;  er  hatte  sofort  seinen  Vater  auf  dem 
avarischen  Feldzug  zu  begleiten.  Aber  Karl  erkannte  bald,  dass 
der  Kjiabe  nicht  reif  für  den  Ernst  des  Krieges  war:  ehe  der 
Kampf  zur  Entscheidung  kam,  schickte  er  ihn  aus  dem  Lager  zurück 
zur  Königin.  ■*)  Durch  diese  Enttäuschung  liess  er  sich  nicht  beirren  : 
bald  hierhin,  bald  dorthin  führte  in  den  nächsten  Jahren  Ludwig  seine 
Tnippen  nach  den  Anordnungen  des  Königs.  '')  Aber  die  Er- 
fahrung von  791  muss  sich  wiederholt  haben,  auch  nachdem  Ludwig 
zum  Manne  geworden  war.  Denn  schhesslich  nahm  ihm  Karl 
den  Oberbefehl  ül:)er  sein  Heer  ab:  seit  810  lag  die  Leitung  in 
den  Händen  von  Königsboten,  welche  Karl  eigens  abordnete : '"') 
Ludwig  vergnügte  sich  an  der  Jagd,  während  das  Heer  im 
Felde  stand.  ') 

Setzte  der  alte  Kaiser  so  geringes  Zutrauen  auf  seinen  Solni, 
so  hatten  die  Mönche  um  so  grössere  Freude  an  ihm.  Es  fehlte 
ihm  nicht  an  Sinn  für  die  geistige  l^ildung,  deivn  Träger  sie 
waren. "")  Er  verstand  lateinisch  und  griechisch;  die  erstere  Sj)rache 
war  ihm  geläutig  wie  seine  ^Muttersprache. ")  Er  schätzte  die 
Kenntnisse    auch    an    anderen.     Den    verweltlichten    aquitanischen 


1)  Ann.  Einh.,  Fuld.,  Sithiens.  z.  .J.  815;  V.  Hlud.  95  S.  619;  die 
wahrscheinlich  übertriebene  Zahl  300  im  chron.  S.  Bened.  24  (M.G.  Scr.  III 
S.  711). 

2)  Ludwig  i-i^t  im  Sommer  778  geboren  (V.  Hlud.  3  S.  608). 

3)  Ann.  Lauriss.,  Einh.,  Fuld.,  ehr.  Moies.  z.  J.  781;  V.  Hhid.  4. 

4)  V.  Hlud.  6  S.  610. 

5;  .1.  .1.  702  f.:  V.  Hlud.  6  S.  610.  7%:  Ann.  Lauresh.  797:  Ann.  Einh. 
799:  V.  Hlud.  0  .S.  611.     800:  1.  c.  10.     804:  I.  c.  11. 

6)  V.  Hlud.  15  S.  614;   17  S.  615. 

7)  L.  0.  17  S.  615. 

8)  8.  Simson,  .JB.  I  S.  88  f. 

9)  Theg.  V.  Hlud.  19  S.  594:  Lingua  graeca  et  latina  valde  eruditus, 
sed  graeram  melius  intellegere  poterat,  quam  loqui ;  latinani  vero  sicut 
naturalem  apqiialiter  loqui  poterat. 


—     -177     — 

Klerus  wusste  er  wieder  au  das  Studinm  zu  gewöhnen.  ^)  Aber  es 
war  doch  ein  Unterschied :  Ludwig  war  engherziger,  beschränkter 
als  sein  Vater.  Er  war  nicht  im  Stande,  vde  jener  das  Deutsche 
zu  würdigen,  obwohl  es  heidnisch  war.'-^)  Auch  das  werden  seine 
klösterlichen  Freunde  gebilligt  haben ;  mehr  noch  befi'iedigte  sie 
sein  sittliches  Verhalten.  Lud^vig  war  ohne  Zweifel  ein  aufrichtig 
fi-ommer  Mann.  Er  war  bibelkundig  ;'^)  er  hebte  den  Gottesdienst 
und  konnte  sich  nicht  genugthun  an  Psalmengesang  und  Litanei- 
gebet, ■*)  Am  liebsten  wäre  er  ^^^e  sein  Oheim  Karlmann  selbst 
Mönch  geworden ;  das  hinderte  jedoch  das  Verbot  seines  Vaters.^) 
Das  leichtfertige  Treiben  am  Hofe  in  Aachen  gereichte  ihm  zu 
grossem  Anstoss.  *')  Aber  seine  Lobredner  verwechselten  doch  na- 
türliche Schwächen  in  seinem  Charakter  mit  Tugenden:  der  phleg- 
matische- Gleichmut,  in  welchem  er  die  Dinge  über  sich  ergehen 
Hess,  erschien  ihnen  als  Geduld,  ')  seine  schlaffe  Gutmütigkeit  als 
Frömmigkeit ;  ^)  dass  er  als  der  unbedeutende  von  jedermann  über- 
sehen wurde,  galt  ihnen  als  Beweis  seiner  Demut.  '"*)  Seitdem  er 
Herrscher  war,  traten  die  üblen  Seiten  seines  Wesens  immer  schärfer 


1)  V.  Hlud.  19  S.  616:  Totius  Aquitaniae  qui  videbatur  clerus,  ante- 
quam  ei  (Ludwig)  crederetur,  utpote  sub  tyrannis  agens,  rnagis  equitationi, 
bellicae  exercitationi,  missilium  librationi,  quam  operam  dare  noverat  divino 
cultui.  Regis  autem  studio  undecunque  adductis  magistris,  tarn  legendi 
quam  cantandi  studium,  necnon  divinarum  et  mundanarum  intelligentia 
litterarum  citius  quam  credi  poterat  coaluit. 

2)  Theg.  V.  Hlud.  19  S.  594:  Carmina  gentilia  nee  legere,  nee  audire 
nee  docere  voluit. 

3)  L.  c.  19  S.  594.  Er  verstand  sogar  etwas  von  der  allegorisehen  Exegese. 

4)  L.  c.  20  S.  595.  V.  Hlud.  19  S.  616;  42  S.  646;  Agob.  ep.  15,  6 
S.  225;  Cap.  137  S.  274. 

5)  V.  Hlud.  19  S.  616. 

6)  V.  Hlud.  23  S.  619.  Cap.  146  S.  297  ff.  von  c.  820  zeigt  jedoch,  dass 
es  keineswegs  sofort  besser  wurde. 

7)  Wenn  Agobard  (ep.  15,  3  S.  224)  von  der  Geduld  des  Kaisers  spricht, 
in  der  er  die  übrigen  Menschen  übertreffe,  so  ist  das  nicht  eigentlich  als 
Lob  gemeint.  Aber  die  Äusserung  des  j)olitischen  Gegners  zeigt,  wie  man 
den  Kaiser  beurteilte. 

8)  Ann.  Bertin.  z.  J.  832  S.  5:  Audiens  domnus  Imperator  subitaniam 
eins  (Ludwigs  d.  D.)  reversionem  perrexit  ad  locum  de  quo  ille  redierat 
ibique  plurima  devastata  invenit.  Quae  omnia  adversa,  sicut  ei  mos  est, 
patienter  tulit  ...  Ad  Augustburg  filium  suum  qui  taliter  seductus  fuerat 
ad  se  venire  feeit  ac  solita  pietate  quae  contra  se  facta  fuerant  omnia  illi 
indulsit. 

9)  V.  Ale.  15  M.G.  Scr.  XV  S.  193:  Humilitate  clarissimus,  ob  quam 
a  multis  despicabilis  notabatur;  vgl  Ale.  ep.  188  S.  316. 


—     -ATS     — 

liervor:  er  wurde  niemals  selbststäiulig,  soiulcni  war  stets  von  irgend 
jemaud  beheiTsclit;  er  war  imziiverlässig;  für  Kränkungen  bewies  er 
das  ziiheste  Gedächtnis,  aber  wenig  Dankbarkeit  für  wirkliche  Ver- 
dienste. Am  verderl)lichsten  war  seine  Neigung  zu  zaudern,  schwie- 
rigen Entscheidungen  aus  dem  Wege  zu  gehen,  halbe  Massregeln 
zu  ergreifen  und  sich  mit  halben  Zugeständnissen  zufrieden  zu 
geben.  Kein  AVunder,  dass  schliesslich  niemand  ihn  aclitete  noch 
ihm  vertraute,  niemand  ihn  liebte  noch  fürchtete.  Man  könnte  ihn 
bedauern,  diesen  Mann  der  kleinen  Fehler,  ohne  Leidenschaften, 
ohne  Laster  und  ohne  ^i'ugenden,  dessen  schlimmste  Eigenschaft 
dann  bestand,  dass  er  für  den  Platz,  den  er  einnehmen  nmsste,  zu 
klein  war.  Aber  die  Schuld,  die  auf  ihm  lastet,  ist  sehr  gross: 
seine  Schwäche  hat  den  Verfall  des  Karolingerreichs  herbeigefüiu't. 

Jene  That  Leos  verstiess  zu  sehr  gegen  alles,  was  mau  bisher 
gewöhnt  war,  als  dass  man  sie  am  fränkischen  Hofe  ruhig  hätte 
ertragen  können.  Ludwig  handelte  im  Geist  seines  Vaters,  indem 
er  alsbald,  nachdem  er  Kunde  von  dem  erhalten  hatte,  was  in  Koni 
vorgegangen  war,  seinen  Neffen  Bernhard  nach  Italien  sandte,  um 
die  Angelegenheit  zu  untersuchen.  Der  Bericht,  den  dieser  durch 
den  Grafen  Gerold  dem  Kaiser  erstatten  hess,  lautete  ungünstig  für 
den  Papst.  Denn  Leo  hielt  es  für  notwendig,  dem  Grafen  eine 
eigene  Gesandtschaft  nachzuschicken,  welclie  sein  Verhalten  recht- 
fertigen sollte.  Das  war  geimg  füi*  findwig:  in  der  unseligen  In- 
kouscriuenz,  die  alles,  was  er  that,  knickte,  liess  er  sich  durch  die 
Boten  des  Papstes  zufrieden  stellen.  ') 

Der  Vorgang  ist  wichtig ;  denn  er  zeigt,  dass  man  an  der  Kurie 
die  lästige  Abhängigkeit  vom  fi'änkischeu  Reich  zu  lockern  ent- 
schlossen war:  man  leugnete  und  bestntt  sie  uiciit,  aber  man  handelte 
selbstständiger  als  unter  Karl.  Das  war  nicht  die  pei-söidiche  Politik 
Ix?os  JH. :  es  war  das  Ziel,  welches  der  päpstliclie  Hof  seit  Karls 
Tod  erstrebte.  Als  Tjco  am  iL'.  Juni  8 IC  starl)  -')  folgte  ihm  in 
Ste])han  JV.  ")  ein  ]\[ann.  dessen  \'erhalten  von  der  glcicben  Absicht 
bestimmt  wurde.  Mit  der  Anerkennung  der  fränkischen  Herrschaft 
verband  sich  das  Bestreben,  ihren  Umfang  zu  beschränken.  Steplian 
liess,  unmittelbar  nachdem  er  sein  Amt  angetreten  hatte,  die  römische 


1)  Ann.  Einh.  z.  J.  815.  Wonn  V.  Hlud.  25  S.  619  die  Entrüstiinff 
Ludwigs  durch  die  Worte  erklärt  wird  „velud  a  primo  orbis  sacerdoto  tarn 
severe  animadversa",  so  ist  dies  offenbar  nur  eine  Reflexion  des  Verfassers, 
also  historisch  wertlos. 

2)  V.  Leon.  III.  WS  S.  U  vgl.  Duchesne  S.  LXVJ. 

3)  Er  wurde  am  Todestage  Leos  erwählt  und  nach  zehn  Tagen  kon- 
Bekriert  (V.  Leon.  lil.  113  S.  34;  Steph.  IV.  c.  1  S.  49).  Stephan  war 
Diakon;  er  entstammte  einer  vornehmen  römischen  Familie. 


—     479     — 

Bevölkerung  den  Eid  der  Treue  gegen  den  Kaiser  erneuern;^)  aber 
er  selbst  Hess  sich  konsekrieren,  ohne  dass  er  die  Bestätigung  seiner 
Wahl  vom  Kaiser  erbat.  Gegen  anerkanntes  Recht  verstiess  er 
dadurch  nicht ;  denn  noch  nie  war  die  Wahl  eines  Papstes  von 
einem  iränkischen  Könige  bestätigt  worden.  -)  Aber  er  war  der 
erste  Papst,  der  seit  der  Erneuenmg  des  Kaisertums  konsekriert 
wurde,  und  er  wusste,  dass  man  im  fi'änkischeu  Reiche  das 
Bestätigungsrecht  als  Attribut  des  Kaisertums  lietrachtete.  Offen 
widersprochen  hat  er  nicht:  denn  er  schickte  eine  Gesandt- 
schaft an  den  Kaiser,  um  sein  Vorgehen  zu  entschuldigen  :  ^)  aber 
er  hatte  einen  Präzedenzfall  geschaffen,  der  widersprach.  Wieder 
Hess  sich  Ludwig  durch  glatte  Worte  beruhigen:  aber  die  Männer, 
welche  aus  der  8chule  seines  Vaters  stammten,  waren  unzufiieden : 
der  Verfasser  der  Reichsaunalen  giebt  deuthch  genug  zu  verstehen, 
dass  er  die  Entschuldigungen  des  Papstes  für  ungenügend  hielt. 

Dass  Ludwig  sich  in  das  Geschehene  fügte,  war  ein  Erfolg 
Stephans.  Doch  er  eiTeichte  noch  mehr,  als  er  wenige  Monate 
nach  seiner  Erhebung  im  ft-änkischeu  Reich  ei-schien.*^)  Er  kam 
nicht,  wie  Stephan  IL  oder  Leo  III.  als  Schutzflehender;  seine 
Forderung  war  nur:  Erneuerung  des  von  seinen  Vorgängern  mit 
Pil^pin    mid    Karl    geschlossenen    Bündnisses.  '")     Ein  solches  Ver- 


1)  Theg.  V.  Hlud.  16  S.  594. 

2)  Vgl.  Sickel,  D.  Ztchr.  f.  GW.  XII  S.  17  f. 

3)  Ann.  Einh.  z.  J.  816:  Qui  (legati)  quasi  pro  sua  consecratione  im- 
peratori  suggererent.  V.  Hlud.  26  S.  620:  Quae  (legatio)  super  ordinatione 
eius  imperatori  satisfaceret.  In  der  Beurteilung  des  Verhaltens  Stephans 
stimme  ich  weder  Simson  (JB.  I  S.  66)  noch  Hinschius  (KR.  I  S.  231)  völlig 
zu.  Dass  die  Gesandtschaft  nicht  nur  beauftragt  war,  die  Konsekration  anzu- 
zeigen (so  Hinschius),  ergiebt  sich  aus  dem  Wortlaut  der  Berichte.  Simson 
legt,  wie  mich  dünkt,  der  Gesandtschaft  zu  viel  Wert  bei:  es  ist  doch  ein 
Unterschied  zwischen  der  gewissenhaften  Beobachtung  des  kaiserlichen 
Bestätigungsrechts  und  der  nachträglichen  Anerkennung  desselben.  Dopff'el 
(Kaiserth.  und  Papstwechsel  [1889]  S.  45)  findet,  wie  mich  dünkt,  zu  wenig 
in  dem  Satze  Einhards.  Suggerere  ist  mehr  als  „Mitteilungen  machen"  ^ 
vgl.  Du  Gange  s.  v.  Suggestio. 

4)  Ermoldus  Nigellus  lässt  (II  v.  197  ff.)  den  Papst  einer  Aufforderung 
Ludwigs  folgend  ins  Frankenreich  reisen;  dagegen  ging  nach  Thegan 
(c.  16  S.  594)  der  Wunsch  nach  der  Zusammenkunft  vom  Papste  aus.  Das 
Letztere  ist  wahrscheinlicher.  Schilderung  des  Empfangs  des  Papstes  bei 
Simson  (JB.  I  S.  68  ff.),  Mühlbacher  (D.  6.  S.  327). 

5)  Von  den  Forderungen  des  Papstes  spricht  V.  Hlud.  26  S.  621 : 
Cunctis,  quae  poposcerat,  impetratis.  Aus  Ann.  Einh.  z.  816  S.  144  i 
Amicitia  vicissira  firmissimo  robore  constituta,  aliisque  utilitatibus  sanctae 
Dei  ecclesiae    pro  temporis    opportunitate   dispositis,    ergiebt  sich,    dass  es 


—     4S0     — 

langen  mussto  ganz  uiivertani^lieli  erscheinen,  l'nil  doch  war  es 
ein  Sieg  der  päpstlichen  Politik,  dass  Ludwig  hereitwillig  auf  das- 
selbe einging.  Denn  indem  er  auf  die  Verträge  von  7ö4  und  774 
zurückgrifl'.  räumte  er  ein.  dass  die  Päpste  ein  Recht  hatten,  dem 
Zustand  zu  widerstreben,  der  sich  inzwischen  gebildet  hatte. 

Wenn  Stephan  nach  Al)schluss  der  Verhandlungen  Ludwig 
und  seine  Genuihlin  krönte,  so  mochte  der  Kaiser  an  dieser  Feier- 
lichkeit seine  Freude  haben.  M  Thatsächlich  hatte  er  ein  Stück 
der  Kaiscrmacht  geopfert,  indem  er  mit  dem  Papste  als  Träger 
einer  unabhängigen  Gewalt  verhandelte.  Viel  besser  als  der  Kaiser 
i'rkannte  der  Papst,  was  der  Moment  von  ihm  forderte.  Wenn  er 
Ludwig  den  Fr.  ersuchte,  den  Verbannten  des  Jahres  800  die 
Rückkehr  zu  gestatten.  '^)  so  hat  er  diese  Bitte  aller  Wahrschein- 
lichkeit nach  mit  religiösen  Gründen  motiviert;  in  der  That  hatte 
sie  einen  pohtischen  Zweck.  Denn  führte  der  Papst  die  Römer 
in  die  Heimat  zurück,  welche  der  König  aus  ihr  hinweggeschleppt 
hatte,  dann  war  doch  für  jedermann  vei-ständlich  bewiesen,  wo  das 
römische  Volk  seinen  Vertheidiger  und  Schirmherrn  zu  suchen  hatte. •'^) 

sich  dabei  zunächst  um  das  Freundschaftsbündnis  zwischen  dem  Kaiser 
und  dem  Papst  handelte.  Nimmt  man  die  Nachricht  der  Keichsannalen  über 
PaschaÜB  z.  J.  817  hinzu:  Pactum  quod  cum  praecessoribus  suis  factum  erat, 
etiam  secum  tieri  et  firmari  rogavit  ^vgl.  V.  Hlud.  27  S.  621:  Super  confirma- 
tione  pacti  et  amicitiae  more  praedecessorum  suorum),  so  darf  man  be- 
stimmter sagen,  dass  Ludwig  den  Vertrag  von  Kierzy  erneuerte,  wie  das  Karl 
774  gethan  hatte:  er  ist  das  pactum,  auf  dem  das  Verhältnis  des  Papstes  zu 
den  fränkischen  Herrschern  beruhte.  Vgl.  endlich  das  Schreiben  Paschalis  1. 
{.J.W.  2.")50)  und  Ermold.  Nigell.  II  v.  387  ff.  Hier  ist  von  einer  durch 
Helisachar  geschriebenen  Urkunde  die  Rede.  Lamprecht  (D.  röm.  Frage 
S.  11  vgl.  S.  134)  nimmt  die  Bestätigung  der  Pakten  an,  welche  Karl  781 
vgl.  aber  oben  S.  91  Anra.  2)  und  796  (vgl.  oben  S.  97  Anm.  1)  mit  den 
Päpsten  schloss,  wobei  Stephan  die  Einschmuggelung  falscher  Zusätze  ge- 
lungen sei.  Auch  er  sieht  übrigens  in  dem  Vertrag  von  816  die  Einleitung 
einer  dem  Papstum  günstigon  Wendung. 

1)  Theg.  V.  Hlud.  17  S.  594;  V.  Hlud.  26  8.  621;  Krmold.  Nigell.  11 
V.  421  ft".  Simson  erinnert  (.JB.  I  S.  73)  mit  Recht,  dass  man  die  Bedeutung 
der  Krönung  nicht  überschätzen  darf;  wie  mich  dünkt,  geschieht  das  von 
Mühlbacher  S.  328. 

2)  V.  Stei.h.  IV.  2  S.  49.  Simson  (.IB.  I  S.  74)  tindot  hierin  einen 
Beweis  der  durchaus  verschiedenen  Riclitung,  in  welcher  sich  die  Tendenzen 
«Stephans  im  Vergleich  mit  denen  Leos  bewogten.  In  dem  Verhalten  gegen 
Ludwig  ist  jedoch  die  Übereinstimmung  offenbar.  Deshalb  glaube  ich  die 
pjntlassung  der  Verbannten  in  der  im  Texte  geschehenen  Weise  verstehen 
zu  müsspn. 

3)  Das  angebliche  Wahldekret  Stephans  (Mansi  XIV  8.  147)  kann 
Stephan  IV.  nicht  angehören  (vgl.  Doptfel  a.  a.  0.  S.  471f.). 


—     481     — 

m 

Stephan  hat  seine  fränkische  Reise  nicht  lange  überlebt;  er 
starb  am  24.  oder  25.  Januar  817.  ^)  So  kurz  seine  Herrschaft  war, 
und  so  wenig  wir  über  seine  Persönlichkeit  wissen,  so  kann  man 
doch  nicht  zweifeln,  dass  er  seine  beiden  Vorgänger  überragte.  Seit 
seinem  Pontifikate  gab  es  wieder,  was  man  unter  Hadrian  und  Leo 
vermisst:  eine  päjjstliche  Pohtik,  die  ein  bestimmtes  Ziel  im  Auge 
hatte,  das  sie  ruhig  und  konsequent  verfolgte. 

Das  beweisen  die  Vorgänge  nach  seinem  Tode.  Kaum  dass 
er  bestattet  war,  man  möchte  sagen  an  seiner  Bahre,  wurde  der 
neue  Papst,  Paschahs  I.,  gewählt  und  am  folgenden  Tage  kon- 
sekiiert.  -)  Was  man  mit  dieser  fast  unanständigen  Eile  beabsichtigte, 
ist  klar:  die  Kunde  von  dem  Tode  Stephans  sollte  sich  zugleich 
mit  der  von  der  AViederbesetzung  des  päpstlichen  Stuhls  verbreiten. 
Jede  Möghchkeit,  dass  eine  dritte  Macht  in  die  Vorgänge  in  Rom 
eingriff,  wurde  auf  diese  Weise  abgeschnitten.  Nachdem  Paschalis 
von  der  Hen'schaft  Besitz  ergriffen  hatte,  sandte  er  ein  Ent- 
schuldigungsschreiben ^)  und  die  Bitte  um  Erneuerung  des  Bündnisses 
an  Kaiser  Lud^\ag.*)      Wenn  er  hier  das  Verfahren  Stephans  IV. 


1)  Ann.  Einh.,  Fuld.  z.  J.  817;  vgl.  Duchesne  LXVI. 

2)  V.  Steph.  IV.  5  S.  50. 

3)  Dopffels  Erklärung  der  Worte  Einhards  (S.  58  ff.)  kann  ich  hier 
noch  weniger  für  zutreffend  halten  als  oben. 

4)  Ann.  Einh.  z.  J.  817  S.  146;  V.  Hlud.  27  S.  621.  Über  die  Urkunde 
(B.M.  622),  welche  Ludwig  bei  dieser  Gelegenheit  ausgestellt  haben  soll, 
gehen  bekanntlich  die  Meinungen  sehr  auseinander.  Man  hält  sie  für  echt 
(Gfrörer,  Gregor  VII.  Bd.  5  S.  82  f.,  102  f.,  Duchesne  S.  300),  für  interpoliert 
(Ficker, Forsch.  z.KG.  IIS.  299  ff.,  322  ff.,  zustimmend  Mühlbacher  a.  a.  0.,  und 
D.G.  S.  329,  Sickel,  D.  Priv.  Ottos  I.  S.  99 f., Lamprecht  S.  26  ff., Lindner  S.  60  ff., 
Grauert,Hist.  JB.  XX  S.  292  f.),  für  unecht  (Baxmann,  D.  Pol.  d.  P.  E  S.  331  u.  a.). 
So  gewichtig  der  Nachweis  Sickels  (a.  a.  0.  S.  50flf.)  ist,  dass  die  erhaltene 
Abschrift  der  Ui'kunde  in  formaler  Hinsicht  sich  als  besser  erweist,  denn 
bisher  angenommen  worden  ist,  so  scheinen  mir  doch  die  Schwierigkeiten 
des  Inhalts  so  gross,  dass  sehr  weitgehende  Interpolationen  angenommen 
werden  müssen.  Besonders  bedenklich  ist  der  Absatz,  der  sich  auf  das  vom 
Kaiser  zu  beobachtende  Verfahren  bezieht:  NuUamque  in  eis  nobis  partem  — 
est  valde  disiuncta  (bei  Sickel  S.  176  Mitte).  In  dem  Ottonianum  v.  962 
kehrt  er  nicht  wieder.  Kann  er  in  den  Vorurkunden  von  754  und  774  ent- 
halten gewesen  sein?  Gewiss  nicht.  Hier  sind  die  Erfahrungen  voraus- 
gesetzt, die  die  Kurie  seit  754  und  774  machte.  Sie  würde  sie  nicht  ge- 
macht haben,  wenn  sie  von  Anfang  an  vertragsmässig  ausgeschlossen  gewesen 
wären.  Ist  nun  anzunehmen,  dasa  Ludwig  i.  J.  817  das  Versprechen  leistete, 
er  werde  nie  verfahren  wie  sein  Vater?  Ich  glaube,  dass  auch  diese  Frage 
verneint  werden  muss,  denn  im  Jahre  824  hat  er  die  potestas  iudicandi,  auf 
die    er    hier    verzichtet  haben  soll,    ausdrücklich    in    Anspruch    genommen 

Hauck,  Kirchengeschichte.   U.    2.  Aufl.  31 


—     482     — 

kopierte,  so  l)ewies  er  in  kurzem,  dass  er  auch  von  I^eo  IIT.  ge- 
lernt hatte.  AVie  dieser  unaut'c:e1ordert  Karl  die  Krone  aut's  Haupt 
gesetzt  hatte,  so  krönte  er  am  (Jstert'est  823  Lothar.  Ludwigs  Sohn, 
zum  Kaiser,  eine  unerbeteue  und  schwerUch  erwünschte  Gunstbe- 
zeigung. ')  Noch  in  demselben  Jahre  wurden  zwei  päpstliche  Be- 
amte, der  Primicerius  Theodor  und  der  Nomenciator  Leo  im  Lateran 
geblendet  und  enthauptet.  Nach  dem  was  zwischen  Ludwig  und 
Leo  III.  vorgegangen  war,  musste  der  Kaiser  darin  eine  Kränkung 
seiner  Rechte  erblicken:  dieser  Eindruck  wurde  dadurch  noch  ver- 
schih'ft.  dass  die  ötientliche  Meinung  dahin  ging,  die  (letöteten  seien 
um  ihrer  Treue  gegen  die  Franken  willen  gemordet  worden.  Wirklich 
regte  sich  Ludwigs  träges  Blut:  er  sandte  eine  Untersuchungskom- 
mission  7iach  Rom.')     Allein  gerade  dabei   tritt  nun  an  den  Tag, 


(Cap.  161,  4  S.  323).  Der  ganze  Abschnitt  ist  gefälscht.  El)enso  unglaublich  ist 
der  die  Papstwahl  betrott'cnde  Abschnitt,  der  ebenfalls  im  Ottonianum  nicht 
wiederholt  ist.  Denn  hätte  Ludwig  das  hier  (S.  177j  ausgesprochene  Zugeständ- 
nis gemacht,  so  würde  der  Römereid  des  Jahres  824  (s.  unten)eine  Zurücknahme 
desselben  in  sich  schliessen.  Ganz  unveranlasst  ist  das  Versprechen,  dass  die 
Franken  und  Langobarden  sich  nicht  in  die  Papstwahl  mischen  und  aus  diesem 
Anlass  römische  Orte  und  Territorien  nicht  beschädigen  sollten  (S.  176  u.). 
Vor  817  ist  dergleichen  nie  geschehen;  man  hatte  keinen  Grund  es  zu  ver- 
bieten. Es  ist  zum  ersten  Mal  nach  der  Erhebung  Sergius  II.  i.  J.  844  vorge- 
kommen (V.  Serg.  II.  8  S.  87).Nicht  vor  diesem  Jahre  kann  also  diese  Stelle 
interpoliert  worden  sein.  Auch  der  nächste  Satz,  in  doni  Ludwig  von  einem 
Freundschaftsbund  redet,  der  zwischen  Karl  .Martell  und  den  Päp.sten  bestanden 
habe,  und  der  schon  unter  ihm  regelmässig  nach  den  Papstwahlen  erneuert 
worden  sei,  ist  unmöglich  in  der  kaiserlichen  Kanzlei  konzipiert.  Aus  diesen 
Gründen  halte  ich  den  wesentlichen  Inhalt  der  Urkunde,  so  weit  sie  sich  auf 
das  Rechtsverhältnis  von  Papst  und  Kaiser  bezieht,  für  getatscht.  Relativ  besser 
beglaubigt  ist  die  erste  Hälfte,  die  von  dem  nlniischen  Territorialbesitz  han- 
delt.    Aber  von   dem  Verdacht   der  lnteri)olationen  ist  auch  sie  nicht  frei. 

1)  Dass  die  Krönung  unerwartet  war,  beweist  der  Berichtder  Ann.Einh.  zu 
823  S.  160.  Lüsst  die  V.  Wal.  II.  17  S.  564  den  Papst  ex  consensu  et  voluntato 
Ludwigs  handeln,  so  winl  man  daraus  entnehmen  können,  dass  seine  That  An- 
Ktoss  erregte.  Don  Kaisertitcl  führte  Lotiiar  schon  seit><17  (B.M.  627a).  Ob  in 
der  Krönung  Lothars  ein  politischer  Gedanke  des  Papstes  lag,  lasse  ich  dahin 
gestellt.  Wie  mich  dünkt,  überschätzt  man  diese  Feierlichkeiten,  wenn  man 
annimmt,  .sie  hätten  ursprünglich  den  Wert  gehabt,  den  man  ihnen  etliche 
Jahre  später  zuschrieb.  DieP.ehauptung  vonZöptfel  (P.  RE.  XI  S. 257),  Paschalis 
habe  damit  kund  gethan,  dass  allein  der  Nachfolger  Petri  der  eigentliche 
Spender  der  Kaiserwürde  sei,  ist  aus  den  Quellen  nicht  zu  belegen.  Der- 
gleichen glaubte  damals  noch  niemand.  Wie  die  Zeitgenossen  die  Krönung  be- 
urteilten, zeigen  Stellen  wie  Agob.  ep.  15,  4  S.  224  und  V.  Wal.  11.  17  S.  564. 

2)  Die  Vorgänge  werden  in  den  Ann.  Einh.  z.  J.  823,  von  Thegan 
(c.  30  S.  597)    und  in  der  anonymen  Biographie  Ludwigs    (c.  37  S.  628)  er- 


—     483     — 

wie  viel  Boden  der  Kaiser  seit  815  verloren  hatte.  Pascbalis  ver- 
lünderte  die  Untersuchung:  er  stellte  sich  also  auf  den  Staudpunkt, 
dass  nur  er  in  Rom  zu  lichten  habe.  Xur  das  Eine  bewies  er 
dui'cb  einen  Eid,  dass  er  selbst  den  Tod  Theodors  und  Leos  nicht 
geboten  noch  geplant  habe.  Das  war  genug,  um  Ludwig  wieder  zu 
befriedigen.  Im  fi-änkischen  Reiche  freihch  war  man  nicht  befriedigt.^) 
Während  auf  diese  Weise  die  HeiTschaft  des  Kaisers  über 
Rom,  die  unter  Karl  eine  Thatsache  gewesen  war,  zur  Illusion 
zu  werden  begann,  wurden  die  Herrscherrechte  des  Papstes  über 
die  fränkische  Kirche  schärfer  betont,  als  das  je  vorher  ge- 
schehen war. 

Wann  war  es  vorgekommen,  dass  ein  Papst  in  die  Besetzung 
fränkischer  Bistümer  eingegriffen  hätte?  Nun  geschah  es.  Der 
Abt  Barnard  von  Arabournai  hatte  Bedenken  gegen  die  Annahme 
des  Erzbistums  Vieinie.  Paschalis  bedrohte  ihn  mit  kirchlichen 
Zensuren,  wenn  er  an  seiner  Weigerung  festhalte.  Barnard  fügte 
sich  denn  auch:  er  erbat  von  dem  Papste  das  Pallium  und  cheser 
erteilte  es  ihm  unter  den  herkömmlichen  Mahnungen  zu  rechter 
Amtsführung.  ^) 


wähnt.  Die  Berichte  sind  erklärlicherweise  wenig  durchsichtig:  es  ist  nicht 
klar,  ob  ein  gerichtliches  Verfahren  oder  ein  Mord  vorliegt.  Das  Letztere 
ist  jedoch  angesichts  der  Todesart  wenig  wahrscheinlich;  auch  hätte  der 
Papst  Bedenken  tragen  müssen,  offenkundige  Mörder  zu  verteidigen,  end- 
lich widerspricht  seine  Erklärung:  mortuos  iure  caesos.  Ich  nehme  deshalb 
ein  gerichtliches  Verfahren  au.  Die  Hauptsache  wird  dux-ch  diese  Unklar- 
heit übrigens  nicht  berührt:  sie  Hegt  darin,  dass  der  Papst  die  kaiserlichen 
Gesandten  an  einer  Untersuchung  verhinderte. 

1)  So  kühl  der  Bericht  der  Reichsannalen  ist,  so  lässt  doch  die  Be- 
mei-kung,  dass  die  fränkischen  Gesandten  infolge  des  Verhaltens  des 
Papstes  der  Sache  nicht  auf  den  Grund  kommen  konnten,  das  Urteil  des 
Verfassers  erkennen.  Noch  deutlicher  ergiebt  sich  die  Stimmung  diesseits 
der  Alpen  daraus,  dass  V.  Hlud.  den  Kaiser  verteidigt:  Natura  miseri- 
cordissimus,  occisorum  vindictam  ultra  persequi  non  valens  quanquam 
multum  volens,  ab  inquisitione  huiuscemodi  cessandum  existima-vit.  Die 
mangelhafte  Logik  dieses  Satzes  zeigt,  wie  schwer  es  dem  Verfasser  war, 
Entschuldigungsgründe  zu  finden.  Weyl,  der  annimmt  S.  60  f.,  Paschalis 
habe  der  Untersuchung  stattgegeben,  und  nur  durch  seinen  Reinigungseid 
die  Beendigung  schnell  herbeigeführt,  hat  mich  nicht  überzeugt;  denn  die 
"VVoi'te  Legati  .  .  rei  gestae  certitudinem  adsequi  non  potuerunt,  quia  Pasch, 
et  se  .  .  iureiurando  purificavit,  et  mortuos  .  .  iure  caesos  pronuntiavit, 
lassen  wie  mich  dünkt  keinen  Zweifel  daran,  dass  er  es  zu  der  angeordneten 
Untersuchung  überhaupt  nicht  kommen  Hess.  Thegan  giebt  die  päpstliche 
Ansicht.  Bemerkenswert  ist  jedoch,  dass  nach  ihm  das  römische  Volk 
Partei  gegen  den  Papst  ergriff. 

2)  J.W.  2549. 

31* 


_     4.'^1      — 

Überliaiipt  trat  Paschalis  schroff  und  herrisch  aui'.  Ein  Scliroil)en, 
Avelches  Hraban  als  Abt  von  Fulda  über  das  Privilegium  seines 
Klosters  ai\  ihn  richtete,  erregte  seinen  Ingrimm  so  sehr,  dass  er 
die  Ui)erl)ringer  ins  GeHingnis  warf  und  Hraban  mit  der  Exkom- 
munikation bedrohte.  ^) 

Noch  in  anderer  Hinsicht  zeigte  er  sich  als  Leiter  der  fränki- 
schen Kirche.  So  lange  Karl  d.  (ilr.  lebte,  lag  die  Sorge  für  die 
Ausbreitung  des  christlichen  Glaubens  allein  in  seinen  Händen: 
jetzt  (.-rteilte  der  Papst  dem  Bischof  Ebo  von  Rheims  die  ^'oll- 
macht  zur  nordischen  Mission.  ■) 

PaschaHs  starb  nach  siebenjähriger  Regierung  im  Frühjahr 
824.  •')  Er  hatte  den  Franken  gegenübei'  die  päpstlichen  Interessen 
kräftig  vertreten.  Aber  das  römische  Volk  war  mit  seiner  Heir- 
schaft  unzufrieden;  der  Mord  Theodors  und  Leos  war  nicht  die 
einzige  Ünthat,  über  die  man  klagte.  Der  Pa])st  hatte  überhaupt 
ein  schroffes  und  gcwalttiiätiges  Parteiregiment  geführt.  Jetzt  bei  der 
Neuwahl  erhob  sich  lebhafter  Widerspruch  gegen  die  Optimaten- 
pai-tei,  der  er  angehört  hatte ;^)  man  hoft"te  sie  stürzen  zu  können; 
aber  sie  behielt  die  Oberhand  und  ihr  Erwählter,  Eugen,  bisher 
Archipresbyter  an  der  Kirche  der  heiligen  Sabina,  bestieg  den 
römischen  Stuhl.'')  Damit  war  entschieden,  dass  die  päpstliche  Politik 
dem   Kaiser    gegenüber    unverändert  ihre   bisherige   Richtung  oh\- 


1)  Dümmler  in  den  Forschungen  (V  S.  385  Nr.  XXII),  jetzt  auch  M.G. 
Ep.  V  S.  528  Nr.  26.  Was  Hraban  über  das  Privilo^iuin  Fuldas  schrieb, 
lässt  sich  aus  den  von  Dümmler  zusammengestellten  Rosten  des  verlorenen 
Schreibens  nicht  entnehmen.  Sollte  er  die  Exemtion  Fuldas  getadelt 
haben  ? 

2)  J.W.  25.i3.     Vgl  unten  Kap.  4. 

3)  Ann.  Einh.  z.  d.  J.  geben  das  .Jahr.  Tag  und  Monat  sind  nicht 
überliefert.  Da  Ludwig  die  Thronbesteigung  Eugens  vor  dem  24.  .luni  er- 
fuhr (1.  c),  so  muss  der  Tod  Paschalis  in  das  Frühjahr  fallen. 

4)  Da  Paschalis  bei  dem  Volke  äusserst  vorhasst  war  (Tliog.  V. 
Hlud.  30  S.  597),  so  handelte  es  sich  bei  der  Wahl  seines  Nachfolgers 
auch  um  die  Frage,  ob  die  päpstliche  Politik  die  bisherige  Richtung  fest- 
halten sollte.  Ich  halte  deshalb  die  Annahme,  F]ugon  sei  der  Erwählte  der 
auf  die  fränkische  Soit^  sich  neigenden  Partei  gewesen  (Simson,  .TB.  I 
S.  214),  für  unhaltbar.  Das  Volk  ergreift  ja  für  die  von  Paschalis  Hinge- 
richteten Partei  (Theg.  1.  c);  den  Klagen  des  Volkes  hilft  Lothar  ab  (Einh. 
ann.  z.  .T.  824  S.  213).  Dagegen  benützte  Eugen  dieselben  Vertrauens- 
männer wie  sein  Vorgänger  (s.  Ann.  Einh.  z.  .1.  824  S.  212).  Ähnlich  urteilt 
Dopffel  S.  74  f. 

5;  So  der  fränkische  Bericht.  Ann.  Einh.,  womit  Theg.  V.  Hliid.  c.  30 
S.  597  zu  verbinden  ist.  Die  V.  Eugen.  2  S.  69  lässt  a  Romanis  cunctis  pro 
meritorum  pia  relatione  erwählt  sein. 


—     485     — 

halten  würde.  Am  fränkischen  Hofe  täuschte  man  sich  darüber 
nicht.  Man  fasste  eben  deshalb  den  Entschluss,  dem  Zurückdrängen 
der  kaiserlichen  Gewalt  in  Rom  ein  Ende  zu  machen.  Grund  und 
Anlass  für  das  Eingreifen  des  Kaisers  boten  die  Unruhen  bei  der 
Neuwahl.  Ludwig  kam  nicht  selbst;  aber  er  sandte  im  Herbste  824 
seinen  Sohn  Lothar  von  neuem  nach  Rom.  Wir  hören  von  ein- 
schneidenden Massregehi  des  jungen  Fürsten :  er  stiess  unwürdige 
Gheder  aus  dem  römischen  Beamtenstand,  half  den  Klagen  über 
willkührliche  Konhskationen  ab,  nötigte  die  Kurie,  eingezogene  Güter 
den  früheren  Besitzern  zm-ückzugeben :  ^)  mit  einem  Wort,  er  trat 
als  Herr  in  der  Stadt  auf.  Eugen  konnte  im  Moment  keinen  Wider- 
stand leisten.  Lothar  aber  gedachte  die  kaiserlichen  Rechte  auch 
für  die  Zukunft  zu  wahren.  Das  ist  der  Gedanke,  welcher  in  seiner 
römischen  Verordnung  liegt,  nicht  minder  in  dem  Eide,  den  er  den 
Römern  abnahm,  und  in  dem  Vertrag,  den  Papst  Eugen  beschwor. 
Jener  Erlass  ist  wichtig,  da  er  die  Konsequenzen  aus  der  Herrschaft 
des  Kaisers  ülier  Rom  zieht:  die  Zahl  und  die  Namen  der  römischen 
Richter  sollten  fernerhin  dem  Kaiser  mitgeteilt  werden,  kaiserliche 
Sendboten  sollten  ihm  regelmässig  Bericht  über  die  Amtsfühi'iuig 
der  Beamten  erstatten,  das  kaiserliche  Gericht  sollte  als  die  höchste 
Instanz  anerkannt  werden.  -)  Bei  dem  Eide  liegt  das  bedeutungs- 
volle darin,  dass  die  Römer  nicht  nur  Treue  gegen  den  Kaiser 
und  Beobachtung  der  kanonischen  Vorschriften  bei  der  Papstwahl 
gelobten,  sondern  sich  ausdrückhch  verpflichteten,  die  Konseki'ation 
des  Gewählten  erst  vorzunehmen,  nachdem  er  in  Gegenwart  kaiser- 
licher Gesandter  den  Eid  geleistet  habe.  ^)  Bei  dem  Vertrag  endhch 
kommt  in  Betracht,  dass  jetzt  zum  ersten  Male  die  Verpflichtungen, 
welche  das  h'änkische  Bündnis  den  Päpsten  auflegte,  urkundHch 
festgestellt  wurden.^)  Man  sieht:  überall  wiu'de  die  fränkische 
Ansicht  über  das  Verhältnis  des  Kaisers  zum  Papste,  deren  An- 
erkennung man  bisher  vorausgesetzt  und  erwartet  hatte,  als  giltiges 


1)  Ann.  Einh.;  Fuld.  z.  .J.  824;  V.  Hlud.  38  S.  628. 

2)  Cap.  161  S.  322  ff. 

3)  L.  c.  S.  324.  Über  die  Bedeutung  Sickel  D.  Ztschr.  f.  GW.  XII 
S.  20.     Die  Echtheit  des  Eides  beweist  eingebend  Dopffel  (S.  81  S.). 

4)  Die  Thatsache  ist  in  dem  Privilegium  Ottos  I.  von  962  erwähnt 
(Sickel  S.  181  §  15).:  Salua  in  omnibus  potestate  nostra  et  filii  nostri 
posterorumque  nostrorum,  secundum  quod  in  pacto  et  constitutione  ae  pro- 
missionis  firmitate  Eugenii  pontificis  successorumque  illius  continetur. 
Dass  man  ein  Schriftstück  über  die  kaiserlichen  Rechte  bedurfte,  beweist 
allein  schon,  dass  die  kaiserliche  Macht  auf  die  Neige  ging.  Dopffel 
(S.  105  if.)  überschätzt  in  auffälliger  Weise  die  Bedeutung  einer  gesetzlichen 
Feststellung  im  Vergleich  mit  dem  Werte  der  realen  Macht. 


—     486     — 

Recht  ausgesprochen.  So  sollte  der  verlorene  Boden  mit  einem 
Schlage  wiedergewonnen  werden. 

Man  köimte  geneigt  sein,  hierin  Siege  des  Kaisertums  /.u 
erblicken.  Das  wäre  ohne  Zweifel  irrig.  Es  wurden  nur  Rechts- 
fornien  geschaffen,  welche  zum  Teil  eine  Zeitlang  beül)achtet 
^nn•den.  Aber  verbriefte  Rechte  und  widerwillig  geleistete  Eide 
können  den  Mangel  .in  thatsüchlicher  Macht  nie  ersetzen.  Durch 
Lothars  Anordnungen  wurde  weder  die  Auflösung  der  kaiser- 
lichen ]\[acht  gehemmt,  noch  der  Aufschwung  der  päpstlichen 
Autorität  gehindert.  Sie  hatten  keinen  Einfluss  auf  die  seit  Karls 
Tod  im  Fluss  begriffene  Bewegung. 

Es  ist  charakteristisch  tih-  Ludwig  d.  Fr.,  dass  er  nie  l^egrift', 
dass  neben  einander  auftauchende  Fragen  mit  Rücksicht  auf  einander 
gelöst  werden  müssen.  Deshalb  erscheint  seine  Politik  so  zusammen- 
hanglos, oft  widerspruchsvoll.  In  demselben  Moment,  in  welchen» 
er  durch  Lothar  seine  Hen-schaft  über  Rom  und  den  Papst  sichern 
wollte,  erhöhte  er  selbst  die  päpstliche  Autorität,  indem  er  freiwillig 
auf  die  belierrschende  Stellung  verzichtete,  welche  Karl  in  den  all- 
gemein kirchlichen  Angelegenheiten   eingenommen  hatte. 

Das  zeigt  sein  Auftreten  im  Bildeistreit. 

Im  Orient  dauerte  der  Gegensatz  der  Bilderverehrer  und  Bilder- 
feinde in  unverminderter  Schärfe  fort.  Der  Annäherungsversuch 
im  Beginn  der  Regierung  Michaels  IL  führte  nur  zu  einer  Ver- 
tiefung des  Zwiespalts.  M  Wieder  lehnten  sich  die  Vertheidiger  der 
Bilder  an  Rom  an;  andererseits  war  unvergessen,  dass  Karl  d.  Gr. 
die  Beschlüsse  von  Nicäa  misbilligt  hatte.'-)  Kaisf-r  Michael  II.  hofftr 
deshalb  l)ei  Ludwig  d.  Fr.  Fnterstützung  zu  finden.  Vielleicht 
wusstc  er  davon,  dass  Karl  Hadrian  I.  seinen  Willen  aufgezwungen 
halte.  Um  sich  mit  Ludwig  zu  verständigen,  sandte  er  eine  glänzende 
Gesandtsch.'ift  in  das  fränkische  Reich.  **)  Erahnte  nichts  von 
der  Veränderung  der  abendländischen  Veriiältnisse,  die  seit  Karls 
d.  Gr.  Tod  eingetreten  war.  Vielmehr  setzte  er  voraus,  dass  Ludwig 
der  Herr  Roms  sei  und  d;iss  sein  Wort  in  der  Kirc-he  (entscheide.*) 


1)  S.  Hefelo,  CG.  IV  S.  38  f. 

2)  Man  bemerkt  leicht,  dass  Michael  in  seinem  Schreibon  ein  den 
fränkischen  Ansichten  entsprechendes  Urteil  über  die  Bilder  vorträgt 
(Mansi  XIV  8.  420):  Imagines  de  humilioribus  locis  etferri  fecerunt  et  eas 
qnae  in  sublimioribus  locis  positae  erant,  ut  ipsa  pictura  pro  scriptnra 
haberetur,  in  suis  locis  consistere  pormi'^enint. 

3)  P:inh.  ann.  z.  .1.  824. 

4)  Mansi  XIV  S.  422:  De  cetero  ordinet  vestra  spiritualis  dilectio, 
ut  (legati)  cum  omni  honore  et  illacsione  ad  eum  fpapam)  veniant  .  . 
iubentes    eis,    ut    si    amodo    manifcHti    fuerint    qiiidam    seductores    psoudo- 


—     487     — 

Ludwig  war  nicht  der  Mann,  den  ihm  hier  angewiesenen 
AVeg  zu  gehen.  Zwar  hess  er  die  griechischen  Gesandten  durch 
den  Bischof  Freculf  von  Lisieux  und  einen  gewissen  Adegar 
ehrenvoll  nach  Rom  geleiten;^)  aber  zugleich  erbat  er  sich  von 
Eugen  II.  die  Erlaubnis,  ein  Gutachten  über  die  Bilderverehrung 
von  den  fränkischen  Theologen  bearbeiten  zu  lassen.  -)  Wie  hätte 
Eugen  eine  solche  Bitte  ablehnen  sollen  ?  Lag  doch  in  ihr  bereits 
der  Verzicht  auf  die  Leitung  der  Kirche,  welche  Karl  beansprucht 

hatte.  ^) 

Mit  päpstlicher  Genehmigung  traten  die  fi'änkischen  Bischöfe 
am  1.  November  825  zu  einer  Besprechung  in  Paris  zusammen.'') 
Unter  den  Theologen  war  die  Tradition  aus  den  Zeiten  Karls 
noch  lebendiger  als  bei  dem  Kaiser.  So  entschieden  als  möghch 
stellten  sie  sich  auf  den  Standpunkt,  welchen  die  fränkische  Kirche 
imter  Karl  eingenommen  hatte.  Sie  Hessen  den  Brief  Hadiians  an 
Konstantin  und  Irene  verlesen  und  waren  einstimmig  in  dem  Tadel 
desselben:  der  Papst  habe  unverständig  gehandelt,  indem  er  aber- 
gläubischer Weise  die  Verehrung  der  Bilder  geboten  habe.  Während 
es  zw^ar  erlaubt  sei,  Bilder  zu  haben,  aber  Frevel,  sie  zu  adorieren, 
habe  er  auf  einer  Synode  in  der  feierhchsten  Weise  geurteilt,  dass 
man  sie  aufrichten,  verehren  und  als  heihg  bezeichnen  solle.  Das 
Schreiben  des  Papstes  sei  die  Ursache  der  irrigen  Beschlüsse  von 
Nicäa.  Als  diese  von  Karl  getadelt  worden  seien,  habe  Hadrian 
sie  in  Schutz    genommen   und    auf  Karls  Zuschrift,    was  er  wollte, 

christiani  ecclesiae  calumniatores,  illuc  (Rom)  eos  expellere,  ut  non  tantum 
in  republica  ad  invicem  concordemus,  sed  etiam  et  de  magna  re  quae  ad 
salutem  animae   pertinet  i.  e.  ecclesiastica    et  Deo    amabilia  consentiamus. 

1)  Ann.  Einb.  z.  J.  824.  Nach  den  Akten  der  Pariser  Synode  von 
825  liegt  die  Annahme  sehr  nahe,  dass  Freculf  und  Adegar  die  Begleiter 
der  Griechen  nach  Rom  waren  (Mansi  XIV  S.  422).  Ich  sehe  keinen 
Anlass,  mit  Simson  (JB.  I  S.  247  f.)  u.  a.  eine  spätere  Sendung  der  beiden 
anzunehmen. 

2)  Von  Ludwig  erwähnt  in  seinem  Commonitorium  für  Jeremias  von 
Rens  und  Jonas  von  Orleans  (Mansi  XV b  S.  435)  und  in  seinem  Briefe  an 
Eugen  (1.  c.  S.  437). 

3)  Analog  ist,  dass  Ludwig  zu  gleicher  Zeit  den  Bischof  Fortunat  von 
Grado  nach  Rom  sandte,  damit  der  Papst  ihn  richte  (Ann.  Einh.  z.  J.  824), 
während  Leo  III.  denselben  Fortunat  bei  Karl  denunziert  hatte,  damit  dieser 
ihn  zurechtweise,  J.W.  2521. 

4)  Die  Denkschrift  der  Synode  bei  Mansi  XIV,  421  ff.;  die  Entwürfe 
zu  den  Briefen  des  Kaisers  an  den  Papst  und  des  Papstes  nach  Konstan- 
tinopel 1.  c.  S.  461  ff.  Die  beiden  Schreiben  des  Kaisers  an  die  Bischöfe 
Jeremias  und  Jonas  und  an  den  Papst  1.  c.  XV  b  S.  435  ff.  Vgl.  Hefele, 
CG.  IV  S.  41  ff.;  Simson,  JB.  L  S.  248  ft\ 


—     4SS     — 

nicht  aller  was  vy  sollte,  erwidert.  In  seiner  Antwort  sei  manches 
falsch,  manches  nnpassend.  manches  tadelnswert;  indem  er  jedoch 
am  Schlnss  erklärt  habe,  er  wollte  bei  der  Ansicht  Gregors  d.  Gr. 
verhaiTen.  habe  er  bewiesen,  dass  er  nicht  bewnsst.  sondern  aus 
Unwissenheit  geint  habe. 

Nicht  minder  scharf  lauteten  die  Äusserungen  über  Papst 
Eugen.  Bischof  Freculf  habe  der  Synode  einen  genauen  und  wohl- 
überlegten Bericht  über  seine  Sendung  nach  Eom  erstattet.  Die 
Versammelten  hätten  daraus  ersehen,  wie  teils  aus  Unkenntnis  der 
"Wahrheit,  teils  kraft  der  schlechtesten  Gewohnheit  die  Pest  des 
Aberglaubens  in  Rom  eingewurzelt  sei.  Um  so  rühmenswerter  sei 
es.  dass  Ludwig  nicht  gestatten  wolle,  dass  diejenigen  vom  rechten 
Wege  abwichen,  welche  ausgestattet  mit  der  erhabensten  Autontät 
vielmehr  die  Iirenden  zurechtweisen  sollten.  Die  Zustinunung 
Eugens  zum  Zusammentritt  der  Pariser  Synode  eröffne  ihm  den 
Weg,  die  Wahrheit  zur  Anerkeniunig  zu  bringen:  ihr  müsse  sich 
mit  oder  gegen  seinen  Willen  schliesslich  auch  der  Papst  unter- 
werfen. ^) 

Es  lag  den  fränkischen  Bischöfen  ebensosehr  daran,  dass  die 
Streitfrage  sachlich  ihren  Überzeugungen  gemäss  entschieden  wüi'de, 
als  daran,  dass  von  dem  Eintiuss.  welchen  die  fränkische  Kirche 
auf  die  allgemeinen  Angelegenheiten  bisher  besessen  hatte,  nichts 
verloren  ginge.  Sie  lühlten  sich  als  die  Vertreter  der  abendländi- 
schen Christenheit,  und  sie  hielten  dafür,  dass  wie  unter  Karl  der 
fränkischen  Kirche  das  entscheidende  Wort  zukomme.  Deshalb 
legten  sie  dem  Kaiser  nicht  nur  den  Entwmf  für  das  Schreiben 
vor,  das  er  nach  Rom  richten  sollte,  sondern  auch  denjenigen  für 
die  Antwort,  welche  der  Papst  dem  orientalischen  Kaiser  zu  er- 
teilen habe. 

In  dem  ersteren  fehlte  es  nicht  an  wortreicher  Anerkeniunig 
dpr  päpstlichen  Würde.  Allein  das  Wesentliche  war  der  Vorschlag, 
welchen  die  Bischöfe  den  Kaiser  machen  liessen.  durch  eine  ge- 
meinsame kaiserliche  und  päpstliche  Gesandtschaft  den  Fneden  im 
( )rient  wieder  iiei-zustellen.  ■)  Noch  charakteristischer  ist  der  Entwurf 
für  das  Schreiben  des  Paj)stes.  Denn  es  ist  unverkennbar,  da.ss  ab- 
sichtlich die  päpstliche  Macht  auf  die  >rahnung.  Lehre,  Aufforde- 
rung eingeschränkt  wird.  ")  Auch  die  apostolische  Autorität  giebt 
ihrem  Träger  nur  die  Vollmacht  zu    hhren.^)     Ebenso  absichtlich 


1)  Mansi  XIV  S.  421—423. 

2)  L.  c.  S.  403. 

3)  L.  c:   Quantum  ex  mo  humilitor  Buppliro,    quantum  voro  ex    tanta 
auctoritate  suMiiniter  moneo. 

4)  L.  c:  Oro  .  .  ut  ea  quae  pro  salute  vestra  ex  auctoritate  b.  Petri 


—     489     — 

ist  die  Bedeutung  der  fi'änkischen  Kirche  betont:  der  ganze  Kreis 
der  Priester,  nicht  minder  der  gesamte  Senat  des  fränkischen 
Volkes  und  Reiches  fordere,  dass  der  Papst  den  Frieden  in  der 
griechischen  Kirche  wiederherstelle;  man  drohe  ihm  mit  dem 
götthchen  Gericht,  wenn  er  das  unterlasse.  ^)  Sollte  so  der  Papst 
selbst  der  Thatsache  Zeugnis  geben,  dass  die  abendländische  Kirche 
in  der  fi-änkischen  gleichsam  aufgegangen  sei,  so  wollte  man  ihn 
über  das  Sachliche  des  Streites  überhaupt  nicht  zu  Worte  kommen 
lassen:  er  sollte  den  Griechen  einfach  die  Erklärung  der  fränkischen 
Kirche  wiederholen,  dass  Bilder  haben  oder  nicht  haben  keine 
Sache  des  Glaubens  sei,  die  Entscheidung  müsse  dem  Einzelnen 
überlassen  bleiben;  wer  Bilder  habe,  sei  zu  ermahnen,  dass  ersieh 
vor  missbräuchhcher  Verehrung  derselben  hüte,  wer  sie  nicht  habe, 
dass  er  ihre  Verachtung  unterlasse.  -) 

Die  Aktenstücke  der  Pariser  Konferenz  und  die  Verfügungen 
Lothars  in  Rom  sind  Parallelen.  Wie  auf  dem  staathchen,  so 
sollte  auf  dem  kirchhchen  Gebiete  der  bisherige  Zustand  festge- 
halten werden.  Aber  wenn  die  Bischöfe  wähnten,  Ludwig  werde 
sich  zu  einem  durchgreifenden  Entschluss  aufschwingen,  so  täuschten 
sie  sich.  Zwar  legte  er  ihr  Gutachten  durch  die  Bischöfe  Jeremias 
von  Sans  und  Jonas  von  Orleans  dem  Papste  vor;  aber  sein 
Schreiben  an  Eugen  lautete  ganz  anders  als  der  Ent^\airf  der 
Synode;  es  war  voller  entschuldigender  Worte:  das  Pariser  Gut- 
achten solle  den  Papst  keineswegs  belehren,  sondern  nm'  unter- 
stützen, wenn  er  finde,  dass  es  dazu  dienlich  sei.  Gefalle  es  ihm, 
dass  fränkische  Gesandte  die  Seinen  nach  Konstantinopel  begleiteten, 
so  möge  er  geiiilien,  das  dem  Kaiser  wissen  zu  lassen.  Zwar 
glaube  Ludwig  nicht,  dass  seine  Gesandten  ihm  notwendig  seien; 
aber  er  wolle  sich  in  allen  Stücken  ihm  dienstwillig  erweisen.  ^) 


.  .  admonere  et  exhortari  et  insinuare  necessarium  duximus  patienter  audiatis. 
Besonders  charakteristisch  ist  die  Erklärung,  weshalb  der  Papst  Gehorsam 
verlangt  (S.  464):  Ideo  ad  obediendum  nobis  hortamur,  quia  omnia,  quao 
vobis  de  hac  causa  dicturi  sumus,  tribus  his  capitulis  principaliter  et  ordinäre 
et  confirmare  parati  sumus,  i.  e.  ratione,  auctoritate  et  consilio,  videlicet 
rationem  texendo  et  eandem,  rationem,  in  quantum  rationabilis,  discreta 
honesta  et  utilis  fuerit  auctoritate  firmando,  eandem  vero  auctoritatem 
secundum  catholicae  fidei  veritatem  et  rectitudinem  salubriter  intelligendo. 
Ad  ultimum  vero,  quid  in  bis  ad  salutem  universalis  ecclesiae  tenendum 
sit,  consilium  Deo  placitum  dando  et  idem  consilium  confirmando.  Das 
alles  war  doch  vielmehr  für  den  Papst  als  für  die  Griechen  geredet. 

1)  L.  c.  S.  465. 

2)  L.  c.  S.  466. 

3)  L.  c.  XVb  S.  437  f. 


—     400     — 

So  das  Schreiben  an  den  Papst:  der  Kaiser  konnte  sich  nicht 
tügsanier  äussern  als  er  that.  Die  Instruktion,  welche  er  gleich- 
zeitig den  Bischöfen  Jerenüas  und  Jonas  erteilte,  wirft  nun  aber 
ein  unerwartetes  Licht  auf  die  Verhältnisse.  Ludwig  wusste  ganz 
klar,  dass  der  Papst  die  fränkischen  Ansichten  über  die  Bilder- 
verehnnig  nicht  teilte,  und  er  wünschte  ihn  für  dieselben  zu  ge- 
winnen. Durch  seine  Nachgiebigkeit  und  Unterwürfigkeit  hoffte  er 
diese  Absicht  zu  erreichen. •■)  Von  der  Festigkeit  Eugens  hatte  er 
den  grössten  Eindruck;  doshalb  machte  er  seinen  Gesandten  zur 
Pflicht,  nie  offen  zu  widersi)reclien;  es  war  kläglich:  der  Sohn  des 
grossen  Karl  war  feig;  er  iiirchtete  sich  vor  dem  Papst. 

Ob  es  zu  einer  gemeinsamen  Sendung  nach  Konstantinopcl 
gekommen  ist,  wissen  wir  nicht.')  Sicher  ist  nur.  dass  man  sich 
in  Rom  den  fränkischen  Anschauungen  nicht  anschloss.'^)  Die  Zügel 
der  Kirche,  welche  den  schlaffen  Händen  Ludwigs  entsanken,  ergriff 
der  römische  Bischof 

In  Paris  hatte  der  fränkische  E])iskopat  noch  geschlossen  und 
einstimmig  gehandelt.  Es  dauerte  nicht  lange,  so  löste  sich  seine 
Einigkeit  auf  Der  Grund  lag  nicht  darin,  dass  die  kirchlichen 
Ansichten  von  Anfang  an  auseinander  gegangen  wären:  die  kirch- 
liche Parteiung  war  nur  Folge  der  politischen;  die  letztere  aber 
war  durch  Ludwig  selbst  hervorgerufen.  Sein  unsicheres  Verhalten, 
bald  bedingt  durch  ungegründete  Symi)athien  niid  Antipathien, 
bald  gelenkt  durch  unzuverlässige  Ratgeber,  war  um-  zu  geeignet. 
Spaltungen  hervorzurufen.  Er  hatte  seine  Regierung  damit  be- 
gonnen, dass  er  die  Männer  beseitigte,  auf  deren  Hat  i\arl  zu 
hören  gewohnt  war.     Besuudei-s  war  die  ganze  Kauzlei  neu  gebildet 

1)  L.  c.  S.  435:  niud  tarnen  summopere  praevidete,  ut  ea  Uli  de  hi.s 
(Piiriser  Gutachten)  ostendatis  quae  rationi  de  imaginibus  habendae  per 
oinnia  conveniant  et  quod  ipse  vol  sui  reiccre  minimc  valeant.  Sed  et  vos 
ipsi  tarn  patienter  ac  modeste  cum  eo  de  hac  causa  disputationem  habeatis, 
ut  suinmopere  caveatis,  no  niniia  ei  re.sistendo  euui  in  aliquani  inrevocabiloiii 
pcrtinaciam  incidere  compellatis;  spd  paullatim,  verbis  eins  quasi  obse- 
quondo  lua^iH  quam  aperte  resistondo,  ad  mensuram  quae  in  habendis 
imaginibus  retinenda  est  eum  deducere  valeatis. 

2)  Da  in  den  nächston  Jabren  (4esandtschaften  zwischen  Konstan- 
tinopel und  Aachen  hin  und  her  gingen,  so  ist  es  möglich  (V.  Hlud.  11  f. 
S.  631). 

3)  Dem  radikalen  Standpunkt  gegenüber,  den  Claudius  von  Turin  in 
der  Bilderfrage  einnahm,  s.  Dümmler,  Berl.  SB.  XXIll  S.  43.5  f.,  vertraten 
der  Kelte  Dungal  (vgl.  oben  S.  154  f.)  und  Jonas  von  Orleans  (de  cultu  ima- 
ginum  Migne  106  S.  305  ff.)  im  wesentlichen  den  früheren  Standpunkt  der 
karojingischen  Theologen  :  Zulässigkeit  der  Bilder  ad  oruditionem.  Es  ist 
aber_doch  bemerken -^wert,  dass  die  Front  des  Angriü's  geändert  ist. 


—     491     — 

worden;^)  aber  auch  andere  verdiente  Männer  waren  entfernt.  Es 
ist  vergeblich  nach  sachlichen  (Tründen  zu  fragen,  offenbar  wirkten 
nur  persönliche:  persönhcher  Abneigung  des  Kaisers  wird  der  stolze, 
aller  seiner  Handlungen  gewisse  AdaDiard  von  Corbie  zum  Opfer 
gefallen  sein.  Als  Ludwig  den  Thron  bestieg,  täuschte  er  sich 
keinen  Augenblick  über  das,  was  er  von  dem  neuen  Herrscher  zu 
gewärtigen  hatte.  Er  verschmähte  es,  ihn  aufzusuchen  und  er- 
wartete in  Corbie,  was  über  ihn  verhängt  werden  wüi'de.  Ludwig 
hat  ihn  ungehört  seiner  Würden  entsetzt  und  in  das  weltentlegene 
Kloster  auf  der  Insel  Herium  im  atlantischen  Ocean  verwiesen.  ^) 
Alle  Geschwister  des  Abts  hatten  unter  dem  Hass  des  Kaisers 
zu  leiden ;  es  nützte  dem  Grafen  Wala  nicht,  dass  er  dem  Kaiser 
sofort  huldigte,  er  musste  sich  gleichwohl  entschliessen,  ins  Kloster 
einzutreten:  er  ging  nach  Corbie.^)  Dort  lebte  als  Mönch  der  zweite 
Bruder  Adalhards,  Bernar;  er  hatte  nie  im  öffentlichen  Leben  eine 
Rolle  gespielt;  trotzdem  wurde  er  jetzt  nach  Lerin  verbannt.*)  Viel- 
leicht, dass  auch  Theodulf  von  Orleans  nur  durch  den  feindsehgen 
Argwohn  Ludwigs  der  Teilnahme  an  der  Empörung  Bernhards  für 
schuldig  gehalten  wurde.  ^)  Wenigstens  hat  der  Erzbischof  ver- 
schmäht, sich  schuldig  zu  bekennen,  auch  als  das  Bekenntnis 
genügt  hätte,  seine  Befreiung  zu  erwirken.*') 


1)  Mühlbacher,  Deutsche  Gesch.  unter  d.  Kar.  S.  324. 

2)  V.  Adalh.  30  S.  527.  Die  grossen  Worte  Radberts  lassen  sehr 
viel  im  Dunkeln.  Doch  werden  die  Sätze:  Noluit  ante  faciem  apparere, 
und:  Factum  est,  ut  sine  accusatore,  sine  congressu,  necnon  sine  audientia 
atque  sine  iudicio  iustitia  plecteretur  in  eo,  ein  Recht  zu  der  im  Texte 
vorgetragenen  Fassung  geben.  Die  Transl.  Viti  6  S.  578  giebt  nur  die  That- 
sache  der  Absetzung  und  Exilierung.  Über  das  Kloster  Noirmoutier  s. 
Bd.  I  S.  279,  7. 

3)  V.  Adalh.  32  f.  S.  527;  35  S.  528;  Transl.  Vit.  7  S.  578.  Über  Wala 
vgl.  Rodenberg,  D.  V.  Wal.  (1877)  S.  74  ff. 

4)  V.  Adalh.  34  f.  S.  527  f.  Hier  auch  über  das  Schicksal  der  beiden 
Schwestern. 

5)  Ann.  Einh..  ehr.  Moiss.  z.  J.  817;  V.  Hlud.  29  S.  623  und  Theg.V.  Hlud. 
22  S.  596  nennen  Theodulf  als  Mitschuldigen;  ihrem  Berichte  ist  jedoch  nur 
die  Thatsache  zu  entnehmen,  dass  Theodulf  als  schuldig  verurteilt  wurde.  Dass 
er  es  war,  ist  damit  nicht  bewiesen.  Seine  Teilnahme  an  der  Verschwörung  ist 
nun  aber  sehr  unwahrscheinlich  angesichts  seiner  Entfernung  vom  Orte  des 
Verbrechens  und  angesichts  seiner  Überzeugung  von  der  Notwendigkeit  der 
Monarchie  (vgl.  carm.  34  S.  526).  Dadurch  erhalten  die  Versicherungen 
Theodulfs,  er  sei  unschuldig,  mehr  Gewicht,  als  sie  an  sich  haben. 

6)  Carm.  72,  1  v.  59  ff.  S.  564: 

Nostra  eguit  iusto  rationis  pondere  causa, 
Saevitia  excepta  nulluni  habet  ista  modum. 


—      192     — 

Wenn  Ludwig  in  dieser  Weise  Männer,  welche  unter  seinem 
Vater  t-inllussreicli  gewesen  waren,  entfernte,  so  hatte  er  dabei 
nicht  die  Absicht,  die  Pohtik  seines  Vaters  zu  verh\ssen.  In  seinem 
Verhalten  gegen  lieo,  Paschalis  und  Eugen  ist  nichts  so  klai-  als 
der  Vorsatz,  zu  handeln  wie  Karl.  Auch  andere  Regierungsmass- 
regeln erscheinen  wie  inspiriert  von  den  Gesinnungsgenossen  der 
verbannten  Räte  Karls.  Der  Gedanke,  die  Einheit  des  Reiches 
tur  immer  festzustellen,  der  zu  der  ICrbfolgeordnung  des  Jahres  817 
führte,^)  war  sicher  nicht  Tjudwigs  Eigentum.  Es  bedürfte  kaum 
«ler  ^'ersichel•ung,  dass  lieiciisteilungcn  vermieden  werden  sollten, 
damit  die  Kirche  darunter  keinen  Schaden  leide,-)  um  zu  beweisen, 
dass  die  Idee  der  Errichtung  einer  ]V[onarchie  in  den  kirchhchen 
Kreisen  ihren  Ursprung  hatte,  welche  die  Herrschaft  Karls  in  der 
Kirche  als  das  Fundament  ihres  Gedeihens  erkannten."^) 

Dass  Adalhard  nach  siebenjiUu'iger  Verbannung'*)  zurückberufen, 
dass  seine  Brüder  wieder  zu  Gnaden  angenonnnen  wurden,'')  dass 
die  von  Tiudwig  ins  Kloster  verwiesenen  Söhne  Karls  in  derselben 
Zeit   in    eintlussreiche   Stellen    kamen,")     ist  deshalb    verständlich. 


Non  ibi  testis  inest,  iudex  nee  idoneus  uUus, 
Non  aliquod  crimen  ij^se  ego  fasaus  eram. 
^foduin  von  Autun,   an  den  die  Verse  gerichtet  waren,    erwidert  (carni.  73 
V.  89  f.  S.  572): 

Commissum  scelus  omne  tibi  dimittere  nuivult, 
Si  peccasse  tarnen  te  memorare  velis. 
Theodulf  starb  im  Herbst  821  (s.  Cuissard  S.  99j;  das  Bistum  Orleans  besass 
seit  818  Jonas. 

1)  Cap.  1.%  S.  270.  Vjrl.  Simsom,  JB.  1  S.  100  ft".:  v.  Hanke,  WO.  VI, 
1  S.  21  £f.;  Mühlbacher,  D.G.  S.  3^2  0'. 

2  Cap.  136  S.  270:  Nequaquam  nobis  .  .  visum  fuit,  ut  amore  tiliorum 
aut  gratia  unitas  imperii  .  .  divisione  humana  scinderetur,  ne  forte  hac 
occasione  scandalum  in  saneta  ccclesia  oriretur. 

3)  Y.  Ranke  (W<t.  VI,  1  S.  27)  macht  die  Bemerkung,  man  müs.se 
or.staunen,  das.s  bei  der  Cbertraf,Ming  <1ps  Im]ifiriums  des  Papstes  keine 
Erwähnung  geschieht.  Wie  mich  dünkt,  ist  dies  doch  nur  ein  Beweis,  wie 
entschieden  man  sich  anfang.s  im  Fuhrwasser  Karls  hielt.  Agobards  Dar- 
stellung (ep.  15,  4  S.  224  f.)  zeigt,  dass  auch  mich  seiner  Meinung  der 
F'apst  nur  anzuerkennen  hatte,  was  der  Kaiser  that:  durch  Ludwigs  Er- 
wiihlung  ist  Lothar  Kaiser  ;  der  E'apst  hat  nur  das  Geschehene  auch  seiner- 
seits zu   billigen. 

4)  Ann.  Einh.  z.  J.  821;    V.  Hlud.  34  S.  626;    V.  Adalh.  45  t.   S.  529. 

5)  Vgl.  Einh.  ann.  z.  821  S.  156,  z.  822  S.  158. 

6)  Drogo  erhielt  823  das  Bistum  Metz,  Ann.  Einh.  z.  d.  J.  S.  161, 
Hugo  die  Abteien  St.  Quentin  uml  Laubach,  Ann.  Lob.  z.  825  M.G.  Scr.  I 
S.  194. 


—     493     — 

Das  alles  bedeutete  keinen  Wechsel  in  der  Politik.  Aber  kam 
Adalhard  als  derselbe  zurück,  als  der  er  gegangen  war?  Theodulf 
hat  in  der  Verbannung  gelernt,  das  päpstliche  Gericht  über  das 
kaiserliche  zu  stellen.^)  Energisch  wie  er  war.  hat  er  für  sich  Partei 
zu  machen  gesucht.-)  Schwerlich  ohne  Erfolg.  Bereits  gab  es  im 
fi'änkischen  Reiche  Männer,  welche  die  Giltigkeit  eines  Synodal- 
beschlusses von  der  päpstlichen  Bestätigung  abhängig  machten.'^) 
Das  Avaren  früher  unbekannte  Ansichten  über  die  päpstliche  Gewalt. 
Sollte  auch  in  xA.dalhard  eine  Neigung  zu  ihnen  vorhanden  gewesen 
sein?  Jedenfalls  ersparte  er  dem  Träger  der  Kaiserkrone  die 
Demütigung  nicht,  die  in  der  Leistung  der  Kirchenbusse  lag.*) 
Wenn  er  in  seinen  letzten  Lebensjahren  urteilte,  dass  nun  die  Re- 
gierung Ludwigs  in  die  Richtung  Pippins  und  Karls  zurückgelenkt 
habe,'^)  so  war  das  eine  Täuschung.  Denn  hierarcliische  Bestre- 
bungen waren  jetzt  viel  aussichtsvoUer  als  einstmals.  Sie  fehlten 
denn  auch  nicht.  Ein  Gesinnungsgenosse  Adalhards,  der  Erzbischof 
Agobard  von  Lyon,  wagte  bereits  auf  dem  Reichstage  in  Attigni 
im  Herbst  822  die  volle  Restitution  des  Kirchenguts  zu  fordern.*^) 
Adalhard   erkannte    die    grosse    Schwierigkeit    der  Frage:    er  trug 


1)  Carm.  72,  1  v.  63  ff.  S.  565 : 

Esto:  forem  fassus,  cuius  censura  valeret 

Dedere  iudicii  congrua  frena  mihi? 
Solius  illud  ojjus  Romani  praesulis  extat, 

Cuius  ego  accepi  pallia  sancta  manu. 

2)  L.  c.  V.  37  ff.  S.  564: 

Unus  ego  quamvis  sim,  non  est  unius  haec  res. 
Quod  factum  est  mihimet,  esse  potest  alii. 
Est  commune  malum,  communis  cura  petenda  est: 
Quod  nostrum  est  hodie,  eras  erit  alterius. 

3)  Agob.  ep.  5,  20  S.  174:  Quia  sunt  qui  Gallicanos  canones  aut 
aliarum  regionum  putant  non  recipiendos,  eo  quod  legati  Romani  seu  im- 
peratoris  in  eorum  constitutione  non  interfuerint  etc. 

4j  Zu  Attigni  im  August  822,  Ann.  Einh.  z.  J.  822:  Consilio  cum  epi- 
scopis  et  obtimatibus  suis  habito;  Fuld.:  Sacerdotum  usus  consilio;  v.  Hlud.  35 
S.  626. 

5)  Agob.  ep.  5,  3  S.  166:  (Adalai-dus)  dicebat,  se  nunquam  sublimius 
vel  gloriosius  causam  profectus  publici  moveri  et  cogitari  vidisse  a  tempore 
regia  Pippini  usque  ad  diem  illum.  Wie  mich  dünkt,  sucht  Simson  (JB.  I 
S.  181)  zu  viel  in  der  Phrase,  wenn  er  es  bezeichnend  findet,  dass  die 
Regierung  Karls  ausgelassen  ist.  Der  Gedanke  ist  doch  nur,  dass  Ludwig 
in  der  seit  Pippin  begonnenen  rühmlichen  Weise  die  öffentlichen  Angelegen- 
heiten zu  leiten  fortfahre  und  dabei  seine  Vorgänger  noch  übertreffe. 

6)  Agob.  ep.  5,  4  S.  167  f. 


—     494     — 

Bedenken  sie  in  Anreginig  zu  bringen;')  auch  war  er  schwerlich 
mit  Agobards  Verhingeu  einverstanden.-)  Doch  genügte  der  Vor- 
schlag, um  die  höchste  Entrüstung  der  CTrossen  hervorzurufen,  in 
deren  Händen  sich  die  Kirchengüter  befanden.'')  Man  sieht:  noch 
gab  es  nicht  Parteien  mit  bestimmten  Zielen,  aber  die  Partei- 
bildung lag  bereits  in  der  Luft. 

Die  Geburt  Karl  d.  K.,')  die  Absicht  der  Kaiserin  Judith,  eine 
Änderung  der  Konstitution  üljer  die  Erbfolge  zu  Gunsten  ihres 
Sohnes  her])eizurühren.'')  l)rachten  die  Dinge  in  Fluss.  Der  Sturz 
der  Grafen  Matfrid  und  Hugo  im  Jahre  828  ")  und  die  Erhöhung 
des  Grafen  Bernhard  von  Septimanien  im  nächsten  Jahre  ')  zeigten, 
dass  mit  der  bisherigen  Politik  gebrochen  war:**)  die  Männer,  welche 
Ludwig  bisher  geleitet  hatten,  sahen  sicli  um  jeden  EinHuss  ge- 
bracht; nicht  alle  fügten  sich  darein.  Die  Erliel)ung  des  Jahres 
830  war  der  Versuch,  mit  Hihe  der   in   ihren  Rechten  gekränkten 


1)  Die  Worte  Agobards  1.  c  S.  16>^:  Cum  haec  a  lue  dieerentur, 
responderunt  pie  .  .  Adalavdus  et  Helisacar  abbates.  Utrum  vero  audita 
retulerint  domno  imperatori,  nescio,  lassen  kaum  einen  Zweifel  daran,  dass 
Agobards  Anregung  von  Adalhard  und  Helisachar  dem  Kaiser  nicht  mit- 
getoilt  wurde.  Wäre  es  geschehen,  so  hätte  er  es  sicher  erfahren.  Die  fromme 
Antwort  der  beiden  Äbte  war  wohl  eine  höfliche  Ablehnung. 

2)  Das  wird  man  ans  der  Stellung  Walas  zur  Kirchengutsfrage 
schliessen  dürfen.  Kr  beharrte  bei  den  Anschauungen  der  Zeit  Karls:  F> 
erklärt:  Si  respublica  sine  suffragio  rerum  ecclesiarum  sub-sistere  non  valet, 
quaerendus  est  modus  et  ordo  cum  summa  revoiontia  et  religione  christia- 
nitiitis,  si  quid  vos  vestrique  ab  ecclesiis  ob  defcnsionom  magis  quam  ad 
rapinam  accipere  debeatis  .  .  .  Porro  isti  sancti  pontifices,  si  (juid  ad  usus 
militiae  exhibendum  est,  sie  exhibeant:  et  sie  fiat  rationabiliter  in  quibus- 
libet  rebus  (v.  Wal.  IT,  3  S.  549). 

3>  Agob.  ep.  5,  1  S.  166.  Der  Brief  ist  eine  Verteidigung  gegen 
ihre   Vorwürfe. 

4)  13.  Juni  823. 

5)  Vgl.  Simson  .TB.  I  S.  325  tf.:  v.  Ranke,  W(t.  VI,  1  S.  34  ff. ;  Dümm- 
1er,  OFr.  R.  I  S.  50  ff. ;  Mühlbacher  D.G.  S.  344  ff. 

6)  Ann.  Einh.  z.  J.  827  und  828;  v.  illud.  41  u.  42  S.  630  f.  Mirac. 
Bened.  20  M.G.  Scr.  XV  S.  487.  Cap.  v.  b2i»  M.(J.  Cap.  188,  3  S.  10.  Hugo 
war  der  Schwiegervater  Lothars. 

7)  Ann.  F^inh.;  Fuld.  z.  J.  829.  Über  seine  P«rsönlichkeit  vgl.  Simson 
•TB.  I  S.  332  f.;  Mühlbacher  D.G.  S.  371. 

8)  V.  Wal.  11,  9  S.  553:  Arbitrabatur  diabolicis  omnia  praeoccupare 
maleficiis  .  .,  eo  rpiod  sacratissimum  Augustum  sie  haberet  suis  delusum 
praestigiis,  ut  omnes  rppellerot,  quos  aut  ipse,  aut  raagnus  pater  eius  Im- 
perator nutrierat,  a  secreto,  a  colloquio,  a  familiaritate  et  consilio,  a  fidei 
fide,  ab  honoribus  et  ab  omni  consortio  prioris  vitae. 


—     495     — 

Söhne  des  Kaisers,  die  verlorene  Stellung  wieder  zu  erobern.^) 
Geistliehe  und  welthche  Grosse  beteiligten  sich  an  ihm;  unter  den 
ersteren  werden  der  Erzkapellan  Hilduin,  Abt  von  St.  Denis,  der 
Kanzler  Helisachar  und  der  Bischof  Jesse  von  Amiens  genannt.') 
Adalhard  war  im  Beginn  des  Jahres  826  gestorben;^)  sein  Bruder 
Wala.  der  Erbe  seines  Ansehens  imd  seines  Einflusses,  befand  sich 
im  Einverständnis  mit  den  Empörten.'*)  Der  treue  Einhard  dagegen 
suchte  sich  der  Parteinahme  zu  enthalten.  Er  befand  sich  in  der 
Umgebung  Ludwigs;  es  geschah  wohl  auf  dessen  Andiängen,  dass 
er  Lothar  vor  der  Teilnahme  an  der  Erhebung  gegen  den  Kaiser 
warnte  und  an  seine  Kindespfliclit  erinnerte:  von  den  Verschworenen 
dächte  jeder  niu-  an  den  eigenen  Vorteil;  sie  täuschten  ihn  mit  dem 
Vorgeben,  dass  sie  sein  bestes  suchten.'^)  Bei  diesen  Vorstellungen 
war  er  schwerHch  nur  der  Prediger  fremder  Gedanken:  ihn  er- 
schreckte die  Empörung;  er  sah  darin  die  Erfüllung  einer  di'ohenden 
Olfenbarimg.'^)  Und  er  bebte  davor  zurück,  persönlich  mit  dem 
Kaiser  zu  brechen,  ihm  wollte  er  die  Treue  halten.')  Aber  die 
"Wendung,  welche  die  kaiserhche  Politik  im  Jahre  828  genommen 
hatte,  billigte  er  keineswegs.  Dem  Aachener  Konvent,  der  im 
Winter  nach  dem  Sturze  Matfrids  stattfand,  wohnte  er  in  der  nieder- 
geschlagensten Stimmung  bei.^)  Im  Beginn  des  Jahres  830  bat  er 
den  Kaiser  um  Entlassung  aus  seiner  bisherigen  Stellung  am 
Hofe.'')  Er  wünschte  sich  weit  weg  aus  dem  Streit.^'')  Sein  zag- 
haftes, jeder  Entschlossenheit  ermangelndes  Verhalten  lässt  ermessen, 


1)  Simson,  JB.  I  S.  341  flf.;  v.  Ranke,  WG.  VI,  1  S.  46  ff.;  Dümmler, 
OFr.  R.  I  S.  .54  ff. 

2)  Theg.  V.  Hlud.  36  S.  597  nennt  die  Grossen  Karls  im  allgemeinen; 
namentlich  Hilduin,  Jesse,  Hug,  Matfrid,  Helisachar  und  einen  gewissen 
Gottfrid;  vgl.  V.  Hlud.  4.5  S.  683. 

3)  S.  Mabillons  Anmerkung  zu  v.  Adalh.  82  (A.  S.  IV,  1  S.  318). 

4)  V.  Hlud.  45  S.  633;  v.  Wal.  II,  7  ff.  S.  551  ff.  Man  vgl.  über  diese 
Biographie  die  sorgfältigen  Untersuchungen  von  Rodenberg,  Die  v.  Walae 
1877,  über  die  fraglichen  Kap.  S.  38  ff. 

5)  Einb.  ep.  11  S.  114  f. 

6)  L.  c.  14  S.  117;  vgl.  Transl.  Marc.  HI,  6  Scr.  XV  S.  250. 

7)  Ep.  14  S.  117:  Sive  absens  sive  presens  fidelis  ei  permanebo. 

8)  Transl.  Marcell.  III,  12  S.  252:  Parum  iucunde.  Auch  ep.  31  S.  125: 
Mutatio  rerum,  quae  nuper  in  hoc  regno  facta  est,  in  tantum  nos  contur- 
bavit,  ut  penitus  ignoremus,  quid  agere  debeamus,  nisi  ut  secundum  verba 
Josaphat  oculos  nostros  ad  Dominum  dirigamus,  habe  ich  in  der  1.  Aufl. 
auf  den  Sturz  Matfrids  bezogen.  Doch  wird  Hampe  im  Recbt  sein,  der 
diesen  Brief  erst  d.  J.  833  zuschreibt. 

9)  Ep.  10  S.  114;  vgl.  15  S.  118. 

10)  Einh.  ep.  15  S.  118:    Ego  in  nuUo   alio  loco  regni  vestri  maiorem 


—     496     — 

Avic  sclnviT  es  ilim  wurde,  den  rechteu  AVep;  zu  finden.')  Auch 
von  Ebo  von  Klieiins,  vielleiclit  so^ar  von  Aj^ohnrd  von  Lyon  ist 
zu  vennuten,  dass  sie  sich  damals  noch  zurückhielten.-) 

Die  Empörten  traten  mit  der  Erklärung  vor  die  ()tfentlichkeit. 
ihre  einzige  Absicht  sei  die  Wiederherstellung  geordneter  Zustände 
und  die  Aufrechterhaltung  der  Reichseinheit.'^)  Die  Söhne  des 
Kaisers,  Tiothar,  Ludwig,  Pippin,  schlössen  sich  der  Erhebung  an: 
am  meisten  gewann  sie  Macht  durch  die  allgemeine  Unzufriedenheit 
des  \'olks  mit  der  Regierung  Ludwigs.^)  Einen  Moment  lang  be- 
heiTschten  die  Aufständischen  das  Reich;'')  Tiothar  wurde  Herr, 
Tiudwig  l)heb  nur  dem  Namen  nach  Kaiser.")  -Jedoch  durch  Lothai"s 
haltloses  Schwanken  in  Nimwegen  ging  ihnen  der  Sieg  ebenso  rasch 
verloren,  wie  sie  ilm  leicht  errungen  hatten.'')  Ludwig  gelaugte 
wieder  in  den  Besitz  der  iVIacht.  Nachdem  schon  in  Nimwegen 
Bischof  Jesse  seines  Amts  entsetzt  worden  war,**)  veruiieilte  er  am 
2.  Febniar  831   zu  Aachen  seine  Gegner  als  iMajestätsverbrecher.") 


profectutn    vobis    (Kaiser  Ludwig)    facere  possum,   quam   ibi  (Seligenstadt), 
si  me  ad  hoc  adiuvare  volueritis;  vgl.  13  S.  116;  14  S.  117. 

1)  Einh.  ep.  13  —  18  S.  116  ff.  Der  Tadel  Simsons,  dass  Einhard  in 
greisenhafter  Schwäche  zwischen  den  Parteien  hin-  und  horschwankto,  ist  nicht 
ganz  verdient:  Einhard  hielt  sich  zurück,  da  er  auf  beiden  Seiten  Unrecht  sah. 
Über  seine  spätere  Teilnahme  an  Reichsgeschäften  s.  Hampe,  NA.  XXI  S.  611  f, 
2)  Über  den  ersteren  s.  den  Brief  Karls  d.  K.  an  Nicolaus  I.  (Mansi 
XV  S.  797);  bei  dem  zweiten  lässt  es  sich  daraus  schliesscn,  dass  nichts  gegen 
ihn  unternommen  wurde,  während  er  doch  Ludwigs  Vorhalten  in  der  epis- 
tola  15  (S.  228  ff.)  offen  missbilligte.  Auch  dass  er  mit  den  übrigen  burgtni- 
dischen  Bischöfen  in  Nimwegen  fehlte  (s.  Simson  JB.  I  S.  360),  spricht  dafür, 
dass  er  sich  im  J.  830  neutral  hielt. 

3)  Nith.  Hist.  I,  3  S.  652:  Veluti  ad  restaurandum  rei  publicao  sta- 
tum;  V.  Wal.  II,  7  ff.  S.  551  ff.  Agob.  ep.  15,  4  8.  224  f.  Die  Anklagen 
gegen  die  Kaiserin  scheinen  erst  später  in  den  Vordergrund  getreten  zu 
sein.  DasK  die  Absicht  auf  die  Absetzung  Ludwigs  ging,  scheint  mir  nicht 
80  sicher,  als  Simson  annimmt  (S.  350).  Das  erzählen  doch  nur  Gegner. 
Dümmler  (OFr.  R.  I  S.  57)  beschränkt  die  Absicht  auf  einen  Teil  der  Ver- 
schworenen. 

4)  Ann.  Bort.  z.  J.  830;  Nith.  Hist.  I,  3;  V.  Hlud.  44  S.  632. 

5)  Reichsversammlung  in  Compiegne,  Frühjahr  830,  vgl.  Simson,  JB.  I 
S.  351  ff.     Dümmler,  OFr.  R.  I  S.  57  f. 

6)  Agob.  apol.  I,  2;  M.G.  Scr.  XV  S.  275;  vit.   Hlud.  45  S.  633. 

7)  Oktober  830.  Simson,  JB.  I  S.  359  ff.     Dümmler,   OFr.  R.  1  S.  59  f. 

8)  Theg.  V.  Hlud.  37  S.  598. 

.9)  Ann.  Bertin.  z.  J.  831;  Nith.  Hist.  I,  3;  Ann.  Fuld.  z.  831;  V.  Hlud. 
46  S.  634;  vgl.  Simson,  JB.  II  S.  1  ff.  Dümmler,  OFr.  R.  I  S.  61.  Wala 
wurde  zuerst  an  den  Genfersee,  dann  nach  Noirmoutior  verwiesen  (V.  Wal. 
II,  10  S.  556;    11  S.  558;    12  S.   559),    Hilduin   nach    Korvey   (Transl.  Viti, 


—     497     — 

Dadm-ch,  dass  Lothar  seiner  bisherigen  Stellung  im  Reich  verlustig 
erklärt  wui'de,^)  war  die  Erbfolgeordnung  von  817,  diese  Gewähr 
der  Reichseinheit,  vernichtet. 

Kirchliche  Motive  waren,  so  weit  wir  sehen  können,  in  dieser 
Bewegung  nicht  Avirksani.  Jedoch  wissen  wir,  dass  die  kirchlichen 
Kreise  mit  der  Regierung  Ludwigs  so  wenig  zufiieden  waren  als 
die  politischen.  Auf  die  seltsamste  Weise  hat  man  die  Wünsche 
vmd  Fordenmgen,  welche  der  Kaiser  befriedigen  sollte,  vor  ihn 
gebracht.  In  der  Kirche  zu  Seligenstadt  wollte  ein  Blinder  eine 
Erscheinung  des  Erzengels  Gabriel  gehabt  haben,  Avelcher  ihm  im 
Auftrage  Gottes  zwölf  für  den  Kaiser  bestimmte  Gebote  offenbarte. 
Einhard  hat  sie  Ludwig  wirklich  vorgelegt;  der  Kaiser  las  sie; 
aber  von  dem,  was  sie  forderten,  wurde  kaum  etwas  erfüllt.')  Die 
lautesten  Klagen  erhob  Wala.  Für  den  Tag  zu  Aachen  im  AVinter 
828  hatte  er  eine  kleine  Denkschrift  ausgearbeitet,  die  er  in  der 
Versammlung  vorlas.  So  entschieden  er  die  Vernachlässigung  der 
welthchen  Regentenpflichten  tadelte,  welche  sich  Ludwig  zu  Schulden 
kommen  hess,  ebenso  entschieden  forderte  er,  dass  die  kirchlichen 
Rechte  des  Kaisers  besser  verwaltet  würden  als  bisher;  gewissen- 
hafte Sorgfalt  müsse  bei  der  Bestellung  der  Bischöfe  wie  bei  der 
Behandlung  der  heiklen  Kirchengutsfrage  herrschen.^)  Wala  sprach 
ohne  Zweifel  nur  das  aus,  was  viele  andere  dachten.  Der  fromme 
Lud^^^g  war  gerade  in  den  Augen  der  kirchlich  gesinnten  Männer 
schuld  an  vielem  Unheil. 

Während  man  aber  über  die  Schwäche  des  Herrschers  klagte, 
benützte  man  sie  zugleich,  um  Ansprüche  zu  erheben,  welche  unter 
•der  starken  Regierung  Karls  unmöglich  gewesen  wären.  Man  mag 
das  als  Herrschsucht  tadeln.  Aber  es  war  gemssermassen  not- 
wendig. Es  giebt  im  öffentlichen  Leben  keinen  leeren  Raum.  Die 
Stellung,  welche  der  berechtigte  Inhaber  ungenützt  lässt,  nimmt 
sofort  ein  imberechtigter  ein.  Im  Juni  829  fand  eine  Synode  der 
Kirchenprovinzen  von  Sens,  Tours,  Rheims  und  Ronen  in  Paris 
statt.  Die  Bischöfe  wiederholten  bereitwillig  die  Sätze,  an  welche 
man  sich  unter  Karl  d.  Gr.  gewöhnt  hatte,  dass  Christus  seine 
heihge  Kirche   den  Kaisern  Ludwig  und  Lothar    zu  regieren    und 


Jaffe  Bibl.  I  S.  13).     Wohin    Helisachar    verwiesen    wurde   (Nith,   I,  4),    ist 
nicht  überliefert. 

1)  V.  Wal.   II,    10   S.   555  f.;    II,  11    S.  558;    Nith.   Bist.  I,   3   S.  652; 
Cap.  194  S.  20  ff. 

2)  Einh.  Transl.  Marc.  III,  13  S.  252  f.    Die  Vorlage  geschah  auf  dem 
Aachener  Konvent  im  Winter  828—829. 

8)  V.  Wal.  II,  2  f.  S.  547  ff. 
Hauck,  Kirchengeschichte.    II.    2.  Aufl.  82 


—     49S     — 

bewahren  übergeben  habe.^)  Aber  wenn  sie  im  Weiteren  von  der 
gegenseitigen  Stellung  des  Priesteilums  und  des  Königtums 
sprachen,  so  erscheint  das  Erstere  betraut  mit  einem  wichtigeren 
Amte,  deshalb  als  wesentlich  höherstehend.-)  Der  Satz:  In  der 
Kirche  ist  niemand  mächtiger  als  der  Bischof,  in  der  Welt  niemand 
erhabener  als  der  Kaiser,  war  nicht  neu;  aber  er  hatte  nach 
Karl  d.  Gr.  einen  anderen  Sinn  als  vorher.'^)  Nun  begründete  er 
die  Forderung,  dass  der  König  bei  der  Leitung  der  Kirche  sich 
an  das  Urteil  der  Bischöfe  binde.  ^)  AVenn  man  erwägt,  dass  so- 
eben die  bisherige  Regierung  gestürzt  war  und  neue  ]Männer  die 
Zügel  in  den  Händen  hatten,  so  gewinnt  die  Aufforderung,  der 
König  möge  sorgen,  dass  die  Grossen  des  Reichs  die  Gewalt  und 
Wüi'de  des  Priestcrtums  erkannten,^*)  einen  viel  gewichtigeren  Inhalt, 
als  sie  auf  den  ersten  Blick  zu  haben  scheint.  Gleichzeitig  mit 
der  Pariser  Synode  tagten  die  südhchen  Bischöfe  in  Lyon  und 
Toulouse,  die  deutschen  in  Mainz.")  Ihre  Beschlüsse  müssen  ähn- 
hchen  Inhalts  gewesen  sein,  wie  die  der  Pariser  Synode:  denn  im 
August  829  übergab  der  Episkopat  des  Reichs  dem  Kaiser  als 
gemeinsame  Vorstellung  eine  Zusannnenfassung  der  Pariser  Be- 
schlüsse.'^    Auch  der  Papst  mengte  sich  bereits  in  die  deutschen 

1)  Mansi  XIV,  534,  praef. 

2)  I,  3  S.  537:  Principaliter  totius  sanctae  dei  ecclesiae  coqiuö  in  duas 
eximias  personas,  in  sacerdotalem  scilicet  et  regalem,  sicut  a  sanctis  patri- 
bu8  traditum  accepimus,  divisum  esse  novimuH.  De  qua  ro  Oelasius  .  .  ita 
scribit:  Duo  sunt  quippe  .  .  quibus  principaliter  mundus  hie  regitur,  auc- 
toritas  eacrata  pontificum  et  regalis  potestas;  in  quibus  tanto  gravius  pon- 
du8  est  sacerdotum,  quanto  etiam  pro  ipsis  regibus  hominum  in  divino 
reddituri  sunt  examine  rationem.    Der  zitierte  Brief  des  Gelahius  ist  J.W.  632. 

3)  A.  a.  0.  S.  538.  Der  Satz  ist  ein  Zitat  aus  Fulgentius  de  verit. 
pracd.  II,  38. 

4)  I,  praef.  S.  5.34;  11,  1  S.  575  tf. 

5)  III,  8  S,  597.  Man  vergaas  nicht,  die  Stelle  aus  Rufin.  h.  e.  X,  2 
dem  Kai.ser  vorzuhalten,  nach  welcher  Konstantin  zu  den  Bischöfen  sagt: 
Dens  constituit  vo.s  sacerdotes  et  potestatcm  vobis  dedit  de  nobis  quoquo 
iudicandi,  et  ideo  nos  a  vobis  recte  iudicaniur ;  voa  autem  non  potestis  ab 
hominibns  iudicari. 

Ci)  Ludwig  erliess  die  Anordnung  zum  Zusammentritt  der  4  Synoden 
im  Dezember  ^28,  Cap.  II  S.  2  f.  Nr.  184;  in  Mainz  sollten  sich  die  Bischöfe 
aas  don  4  Erzbistümern  Mainz,  Köln,  Trier  und  Besant^on  versammeln. 
Salzburg  fehlt,  da  Baiern  unter  der  Regierung  Ludwigs  d.  D.  stand.  Reste 
der  Mainzer  Akten  bei  Dünimler  Ep.  Fuld.  Nr.  29  S.  529;  sie  beziehen  sich 
nar  auf  GotUchalk.     Vgl.  Werminghoff,  N.A.  XXIV  S.  487  f. 

7)  Cap.  II  S.  26  ff.  Nr.  196,  Episcoponim  ad  Hludowicum  imp.  ro- 
latio. 


—     499     — 

Verhältnisse.  Denn  die  Vorlage  geschah  zu  Wonns  in  Anwesenheit 
römischer  Gesandter.^) 

Wenn  der  Klerus  als  solcher  im  Aufstande  des  Jahres  830 
nicht  Partei  ergriffen  hatte,  so  ist  doch  klar,  dass  alles  bereit  war, 
fiii-  die  Bildung  einer  klerikalen  Pai*tei.  Sie  begann  in  der  Zeit 
nach  dem  Sturze  Ludwigs.  Die  Männer,  welche  die  Verhältnisse 
nur  vom  kirchlichen  Gesichtspunkt  aus  betrachteten,  waren  mit 
der  Restam-ation  der  gestürzten  Grossen  so  wenig  zufrieden  als  mit 
dem  Regimente  Bernhards.  Sie  glaubten  den  Interessen  der  Kirche 
am  besten  zu  dienen,  wenn  sie  die  Wiedererhebung  Ludwigs  be- 
trieben unter  der  Voraussetzung,  dass  der  Kaiser  dann  ihnen  die 
FühreiTolle  überlasse.-)  Ludwig  ging  auf  die  Anerbietungen  ein,  die 
ihm  gemacht  wurden.  AVie  wir  sahen,  gelang  es  ihm,  dank  der 
ScliAväche  seines  Sohnes,  unerwartet  leicht,  die  Gewalt  wieder  zu 
erringen.  Man  erkennt  die  Hand  seiner  neuen  geistlichen  Rat- 
geber daran,  dass  er  sofort  Anlehnung  an  den  Papst  suchte. 

Eugen  war  im  August  827  gestorben.'^)  Sein  Nachfolger 
Valentin  hatte  kaum  einen  Monat  lang  das  päpstHche  Amt  ver- 
waltet. Papst  war  seit  dem  Spätjahr  827  Gregor  IV. ^)  Wenn 
dieser  dem  Kaiser  gebot,  Judith  wieder  zu  sich  zu  nehmen,  so 
entsprach  dieser  Befehl  so  sehr  den  Wünschen  des  Kaisers,  dass 
man  annehmen  muss,  er  habe  ihn  provoziert.  Was  er  nicht  pro- 
vozierte, war  ohne  Zweifel  die  Form,  in  welche  der  Papst  seine 
Erlaubnis  kleidete.  Damals  zuerst  wurde  das  Wort  „gebieten"  von 
einem  Papst  einem  Kaiser  gegenüber  gebraucht.'^) 

Ludwig  vermochte  die  Stellung,  welcher  er  von  neuem  erlangt 
hatte,  nicht  zu  Ijehaupten.     Bald  befand  sich  Hof  und  Reich  wieder 


1)  Mansi  XIV  S.  625. 

2)  Nith.  Hist.  I,  3:  Res  publica,  quoniam  quisque  cupiditate  illectus 
sua  quaerebat,  cotidie  deterius  ibat.  Quamobrem  tam  monachi,  quos  supra 
memoravimus  —  die  Mönche,  welche  Ludwig  zum  Eintritt  ins  Kloster  be- 
wegen sollten  —  quam  et  ceteri,  qui  quod  factum  fuerat  dolebant,  illum 
percuntari  coeperunt,  si  res  publica  eidem  restitueretur,  an  eam  pro  viribus 
erigere  ac  fovere  vellet  maximeque  cultum  divinum,  quo  omnis  ordo  tuetur 
ac  regitur.  Man  möchte  vermuten,  dass  die  Schenkungen  an  Kempten 
(B.M.  854  „auf  Verwendung  Guntbalds"  u.  860),  Strassburg  (861),  Fulda 
(862)  Belohnungen  für  Dienste  bei  der  Wiedererhebung  des  Kaisers  sind. 

3)  Ann.  Einh.  z.  d.  J.  S.  173. 

4)  A.  a.  0.;   vgl.  Duchesne  S.  LXVI. 

5)  Theg.  V.  Hlud.  37  S.  598:  lubente  Grregorio  Romano  pontifice  cum 
aliorum  episcoporum  iusto  iudicio;  vgl.  Ann.  Mett.  S.  336.  Es  ist  bezeich- 
nend,   dass  Agobard    (apol.    11,    3    S.    277)    von    dem    päpstlichen    Befehle 


schweigt. 


32* 


—      öOO     — 

in  offenem  Zwiespalt:  der  Graf  Beniliard  betrachtete  den  ersten 
Platz  im  Rate  des  Kaisers  als  sein  altes  Recht;  aber  der  Mönch 
Guntbald.  anfjenblicklich  der  Führer  der  Kirchlichen,  war  ent- 
schlossen, ihm  denselben  nicht  zn  überlassen;  hatte  er  nicht  das 
neuere  Recht  anf  ihn?  ^)  Schlimmer  war,  dass  die  Söhne  im  Jalii* 
832  zum  zweiten  Male  die  Waffen  gegen  ihren  Vater  ergriffen. 
Bei  der  ersten  Empörung  hatte  man  von  der  Wahrung  der  Reichs- 
eiuheit  gesprochen;  darum  iiandelte  es  sich  jetzt  k.iiiiii  mehr;  das 
Bestreben  eines  jeden  der  Kämpi'enden  war  nur,  für  sich  einen 
möglichst  grossen  Anteil  am  Reiche  zu  erringen.'-)  (Tleicbwohl 
fand  der  Kaiser  jetzt  die  kircliliche  Partei,  die  ihn  eben  crlKiben 
hatte,  unter  seinen  Gegnern.  Diese  Thatsache  ist  nur  verständlich, 
wenn  man  an  ihm  irre  geworden  war.  Man  sah  wohl  in  dem  stets 
Unzuverlässigen  nur  ein  Hindernis  füi-  die  Besserung  der  Zustände. 
So  brachen  die  ausgesprochen  kirchlich  gesinnten  Männer  mit 
dem  Träger  des  Kaiseiiums,  das  bisher  die  Kirche  gefühlt  hatte. 
Sie  handelten  dabei  im  Einverständnis  mit  dem  Papste.  Gregor  IV. 
befand  sich  in  der  Begleitung  Lothars."')  Der  erklärte  Zweck 
seines  Kommens  war,  das  Reich  zu  retten,  indem  er  als  Mittelsmann 
zwischen  die  hadernden  Parteien  trat.'*)  Ihm  schlössen  sich  auch 
solche  Männer  an,  welche  ursprünglich  von  den  Ideen  Karls  d.  Gr. 
ausgegangen  waren:  Wala,  Agobard,  Ebo  und  ihre  Gesinnungs- 
genossen. Während  der  Kaiser  und  seine  Söhne  die  Erbfolge- 
ordnung VOM  817  aufgaben,  hielten  sie  an  dem  Gedanken  der  Einheit 
des  Reiches  fest.  Sie  schien  jetzt  nur  noch  vertreten  durch  den 
Beherrscher  der  einen  Kirche,  den  Papst.  Deshalb  wurden  die 
Anhänger  der  Reichseiuheit  zu  Gegnern  des  Kaisers,  der  doch  das 
Reich  repräsentierte. 

Als  Gregor  die  Alpen  überschritten  hatte,  eilte  AVala.  der  nach 
längerer  Verbannung  schliesslich  wieder  nach  Corbie  zurückgebraciit 
worden  war.  dem  Papste  entgegen  in  das  Elsass.'"*)  Dort  fand  sich 
auch  Helisachar  ein.    Auch  Agobard  ergriff  nun  Partei.    So  wenig 


1)  Nith.  Hiat.  T,  3:  r4iintV)alflu8  inonachus  .  .  (|nia  ninltum  in  reHtitii- 
tionp  eins  laboravcrat,  secundus  in  imperio  esse  voleVtat,  quofl  quoniaiu 
Bemardua  .  .  olim  fiierat,  summa  indnstria  iterum  esse  certabat. 

2)  Nith.  I.  c. 

3)  Ann.  Bertin.  z.  .T.  833.     V.  Wal.  II,  14  S.  560.     Nith.  Ilist.  I,  4. 

4)  Agob.  ep.  Ifi,  4  f.  S.  227  f.  Der  Brief  stammt  narh  c.  5  au.s  der 
Osterzeit  833.     V.  Hlud.  48  S.  635  f.,  V.  Wal.  II,  17  S.  564. 

5)  V.  Wal.  II,  14  S.  560.  Radbert  stellt  die  Sache  so  dar,  als  habe 
Wala,  genötigt  durch  den  Papst,  die  Fürsten  und  die  Mönche  von  Corbie, 
das  Kloster  verlassen.  Das  gehört  mit  zum  apologetischen  Zweck  seiner 
Biographie. 


—     501     — 

als  VVala  war  er  von  Haus  aus  schlechthin  päpstlich  gesinnt;  jetzt 
aber  trug  er  eine  Theorie  über  die  päpsthche  Macht  vor,  welche 
im  fi'änkischen  Reich  unerhört  war:  Der  päpstliche  Primat  muss 
zum  Heile  der  Kirche  unverrückt  bestehen.  Tritt  der  Papst  für 
den  Frieden  in  der  Kirche  ein,  so  handelt  er  als  Vertreter  Christi, 
und  auch  der  Kaiser  hat  dann  die  Pflicht,  den  päpstlichen  Er- 
lassen zu  gehorchen. ^J  Wie  Agobard  sprach,  so  handelte  er. 
Ludwig  hatte  ihm  geboten,  mit  den  übrigen  Bischöfen  sich  bei  ihm 
einzufinden ;  -')  statt  dessen  begab  er  sich,  einer  Aufforderung  des 
Papstes  folgend,  zu  diesem.  Sein  Bruch  mit  dem  Kaiser  war  voll- 
ständig: es  nagte  ihm  an  der  Seele,  dass  der  stolze  Name  der 
Franken  durch   Ludwigs  schwächliche   Regierung    erniedrigt  sei.  '^) 

Nicht  alle  Bischöfe  dachten  wie  er;  es  fehlte  nicht  an  solchen, 
die  an  der  Sache  des  Kaisers  festhielten  und  im  Augenblick  der 
Gefahr  sich  um  ihn  schaarten."*)  Vor  allem  stand  sein  Bruder 
Drogo,  Bischof  von  Metz,  unverrückt  auf  seiner  Seite.  Neben  ihm 
Bernhard  von  Strassburg,'')  Moduin  von  Autmi,  Wilirich  von  Bremen, 
Aldrich  von  Le  Maus,^)  Verendarius  von  Chur "')  und  andere,  unter 
den  Abten  wie  es  scheint  Markward  von  Prüm.*^) 

Schroff  und  scharf  hielten  sie  dem  Papste  die  alte  fränkische 
Rechtsanschauung  über  die  Stellung  der  Geistlichen  im  Staat  ent- 
gegen.'*) Schon  indem  sie  ihn  in  ihrem  Brief  als  Bruder  an- 
redeten, gaben  sie  zu  erkennen,  dass  sie  ihm  das  Recht  zu  befehlen, 
nicht  einräumten.  Erklärten  sie  weiter,  dass  sie  mit  Freuden  sich 
bei  ihm  eingefunden  hätten,  wenn  sie  nicht  durch  einen  Befehl  des 
Kaisers  verhindert  wären,  so  war  damit  ausgesprochen,  dass  sie  das 
Recht  des  Kaisers,   in  kirchlichen  Angelegenheiten  Befehle  zu  er- 


1)  Ep.  16,  2  f.  S.  226  f.;  die  im  Texte  verwandte  Stelle  (c.  .3  S.  227) 
ist  ein  Zitat  aus  dem  Briefe  des  Papstes  Anastasius  II.  an  den  Kaiser 
Anastasius  (J.W.  744). 

2)  L.  c.  2  S.  226. 

3)  Apolog.  I,  1—6  S.  275  f.     Vgl.  Ebert  L.  d.  MA.  S.  218. 
4j  Ep.  Greg.  (Agob.  ep.  17  S.  228). 

5)  V.  Hlud.  48  S.  635. 

6)  Ann.  Bertin.  z.  J.  833;  V.  Wal.  II,  16  S.  562.  Dass  Alderich  der 
Bischof  von  Le  Mans  war,  ist  durch  den  Brief  Ludwigs  (B.M.  908)  wahr- 
scheinlich gemacht. 

7)  Vgl.  die  Urkunde  Ludwigs  für  die  Kirche  von  Chur  v.  8.  Jan.  836 
(B.M.  921). 

8)  Vgl.  Ep.  Fuld.  fragm.  13  S.  520. 

9)  Der  Brief  der  fränkischen  Bischöfe  ist  nicht  auf  uns  gekommen. 
Sein  Inhalt  lässt  sich  aus  der  Antwort  Gregors,  welche  ihm  Punkt  für  Punkt 
folgt,  entnehmen  (Agob.  ep.  17  S.  228). 


—    r.02    — 

lassen,  anerkannten:  sie  wollten  nichts  davon  \vis>en,  dass  ein  päpst- 
licher Befehl  dem  kaiserhchen  vorgehe.  Das  Verhalten  des  Papstes 
niisbilligten  sie  auf  das  entschiedenste:  sie  sahen  darin  Feindseligkeit 
gegen  den  Kaiser;  der  Papst  sei  gekommen,  um  eine  vermessene 
und  unvernünftige  Exkommunikation  zu  verhängen;  durch  das  Un- 
recht und  die  Schnuich,  die  er  der  kaiserlichen  Gewalt  zufügen 
wolle,  schwäche  und  entehre  er  seine  eigene  Autoiität.  Er  solle 
doch  an  den  Treueid  gedenken,  den  er  dem  Kaiser  geleistet  liabe, 
und  sich  dem  Kaiser  unterwerfen.  AVerde  er  dies  tliun.  dann  würden 
sie  ihn  ehrenvoll  empfangen.  "Wenn  nicht,  so  versagten  sie  ihm  die 
hrüderhche  Gemeinschaft  und  Hessen  keine  seiner  Amtshandlungen 
zu:  ihr  Brief  schloss  mit  der  Drohung  der  Absetzung.^) 

Gregor  hatte  solche  Heftigkeit  des  Widei-spruchs  niclit  vor- 
ausgesehen: er  war  überrascht  und  entmutigt")  Erst  der  Zuspi-uch 
der  nach  und  nach  bei  ihm  eintreffenden  fränkisclien  l^rälaten 
richtete  ihn  vneder  auf.  Es  fehlte  unter  iluKMi  nicht  an  gelehrten 
Männern;  rasch  brachte  man  eine  Sammlung  autoritativer  Aus- 
sprüche über  den  Umfang  der  päpstlichen  Macht  zusammen:  zum 
Dienst  des  Glaubens  Christi  und  des  Friedens  der  Kirche,  zur 
IVedigt  des  EvangeUums  und  der  Vertretung  der  Wahrheit  habe 
er  das  Recht,  sich  zu  allen  Völkern  zu  begeben;  in  ihm  sei  alle 
Autorität,  die  lebendige  INfacht  des  Apostels  gegenwärtig;  sein 
Gericht  ei-strecke  sich  über  alle,  während  er  von  niemand  gerichtet 
werden  könne."') 

Man   möchte  die   Hand  Agobards  hier  erkennen;^)    auch    der 


1)  Simson  (JB.  II  S.  41)  Hndot  diese  Drohunj^  uur  durch  v.  lUud.  4S 
und  V.  Wal.  II,  16  bezeugt.  Gregor  schreibt  jedoch  (S.  281):  Quod  ininari 
voH  cognosciraus  periculum  gradus. 

2)  V.  Wal.  II,  16  S.  .562. 

3)  L.  c.  Simson  (.TB.  II  S.  42  t'.j  bezweifelt  die  Wahrlieii  der  ganzen 
Krzähluns^  Radberts.  Seine  Oriinde  scheinen  mir  nicht  zureichend.  Der 
Hchneidige  Ton  der  Antwort  Gregors  spricht  nicht  dagegen,  dass  er  vorher 
Momente  der  Entmutigung  hatte,  auch  später  sah  er  die  Verhältnisse  nicht 
günstig  an;  das  beweist  das  Zeugnis  Nithards  (bist.  I,  4|.  Und  dass  in  der 
Antwort  Gregors  weder  ein  Kanon  noch  eine  Dekretale  zitiert  ist,  kann 
nicht  auffallen,  da  Gregor  lediglich  zwei  Aussprüche  älterer  Hiscböfo  anführt, 
um  sie  den  fränkischen  Bischöfen  als  Beis])iol  für  ihr  Verhalten  entgegen- 
zustellen. Für  diesen  Zweck  eigneten  sich  weder  Kanones  noch  Dekretalen. 
Über  die  Frage,  ob  etwa  in  dieser  Sammlung  ein  Keim  der  falschen  Dekre- 
talen zu  erkennen  sei,  lässt  sich  nicht  urteilen,  da  wir  nicht  wissen,  welche 
Stellen  sie  enthielt;   vgl.  übri^^'cns  Rodon>>erg,  D.  V.  Wa).  S.  52. 

4)  Agobards  eben  vollendeter  Brief  Nr.  16  enthielt  drei  hieher  gehöri^ro 
Aussprüche  der  Päpste  Pelagius,  Leo  und  Anastasius. 


—     50B     — 

gelehrte  Mönch  von  Corbie,   Paschasius  Eaclbert,   der  sich  im  Ge- 
folge Walas  befand.  Avird  an  der  Scliiift  mitgearbeitet  haben.  ^) 

Die  Schrift  der  fränkischen  Theologen  gab  Gregor  seinen 
jVIut  wieder.  Die  Antwort,  welche  er  den  kaiserhchen  Bischöfen 
erteilte,  lässt  nichts  mehr  von  Zaghaftigkeit  und  Zweifel  erkennen; 
sie  wetteifert  mit  deren  Brief  an  aggressiver  Schroffheit. 

Schon  die  Bezeichnung  Bruder  lehnte  der  Papst  ab :  die  dem 
Vater  gebührende  Ehrerbietung  habe  man  ihm  zu  erzeigen.  Sodann 
forderte  er  für  die  päpstlichen  Befehle  Gehorsam,  auch  wenn  ihnen 
ein  kaiserhches  Gebot  entgegenstehe.  Dabei  sprach  er  den  Satz 
aus,  der  seitdem  während  des  ganzen  Mittelalters  nicht  mehr  ver- 
hallt ist:  die  Leitung  der  Seelen  ist  \sichtiger  als  die  der  zeitlichen 
Dinge,  deshalb  steht  das  Papsttum  höher  als  das  Kaisertum.^ 
Dass  die  Bischöfe  dem  Kaiser  gehorchten,  bezeichnete  er  als 
thörichte  Schmeichelei;  dass  sie  sein  eigenes  Verfahren  tadelten, 
dagegen  als  Schändung  der  päpsthchen  Wiü-de,  Welche  Ehrfui'cht 
dem  obersten  Piiestertum  und  seinem  Träger  gebühre,  zeige  das 
Wort  des  Evangelisten  Johannes,  dass  Kaiphas  auch  bei  der  Ver- 
urteilung Jesu  nicht  von  sich  selbst  geredet  habe.  Das  Recht,  in 
die  Angelegenheiten  des  fränkischen  Reichs  und  des  Kaiserhauses 
einzugreifen,  hielt  Gregor  nachdrtickhch  aufi-echt;  die  Thatsache 
dagegen,  dass  er  dem  Kaiser  den  Treueid  geschworen,  gab  er 
nicht  zu.^) 

In  diesen  beiden  Schreiben  tritt  zum  ersten  Male  der  grosse 
Gegensatz,  der  sich  seit  dem  Tode  Karls  d.  Gr.  allmähUch  gebildet 
hatte,  klar  und  bestimmt  an  den  Tag.  Auf  der  einen  Seite  die 
Überzeugung,  dass  die  Kirche  dem  Reich  eingegliedert  und  dass 
deshalb  der  Papst  ein  Unterthan  des  Kaisers  sei;  auf  der  anderen 
Seite  der  Anspruch,  dass  das  Papsttum  als  unabhängig  von  jeder 


1)  Paschasius  spricht  (v.  Wal.  II,  16  S.  562)  in  der  ersten  Person: 
Unde  et  ei  dedimus  nonnulla  sanctorum  patrum  auctoritate  firmata. 

2)  Ep.  Gregor.  1.  c.  S.  228:  Neque  ignorare  debueratis,  maius  esse  re- 
gimen  animarum,  quod  est  pontificale,  quam  imperiale,  quod  est  temporale. 

3)  Da  die  Konsekration  Gregors  in  Anwesenheit  eines  kaiserlichen 
Gesandten  stattfand  (Ann.  Einh.  z.  J.  827),  so  lässt  sich  an  der  Thatsache 
nicht  zweifeln.  Gregor  leugnet  sie  auch  nicht  geradezu;  aber  er  thut  doch, 
als  habe  er  nicht  geschworen  (S.  230):  Bene  subiungitis  memorem  me  esse 
debere  iurisiurandi  causa  fidei  facti  imperatori.  Quod  si  feci,  in  hoc  volo 
vitare  periurium,  si  annunciavero  ei  omnia  que  contra  unitatem  et  pacem 
ecclesiae  et  regni  committit.  Quod  si  non  fecero,  periurus  ero  sicut  et  vos, 
si  tarnen  iuravi.  Vos  tamen,  quia  proculdubio  iurastis  etc.  Es  hat  ganz 
dieselbe  Tendenz,  wenn  der  Biograph  Gregors  seine  Konsekration  der  Wahl 
unmittelbar  folgen  lässt.     (c.  5  S.  74). 


—     504     — 

weltlichen  Gewalt  und  krat't  seines  geistlichen  Auftrags  als  über 
das  Kaisertum  erhoben  anerkannt  werde.  Damals,  in  der  Oster- 
zeit  des  Jahi'es  833  wurde  der  Knoten  geschür/t,  an  dessen  Lösung 
die  mittelalterliche  Geschichte  vergeblich  arbeitete.  Nicht  das  ist 
das  Bedeutende,  dass  ein  Papst  solche  Ansprüche  erhob:  wir  haben 
})eobachtot.  dass  man  in  Rom  die  Stellung  des  Kaisers  in  der 
Kirche  niemals  unumwunden  anerkannte;^)  sondern  darin  liegt  das 
entscheidende  ^lomeut,  dass  fränkische  Theologen  dem  zagenden 
Papste  seine  Worte  in  den  Mund  legten.  Die  päi)stlichen  Ansprüche 
wären  machtlos  gewesen,  wenn  der  fränkische  Episkopat  an  den 
Anschauungen  festgehalten  hätte,  welche  von  Clodowech  bis  auf 
Karl  d.  Gr.  unter  ihm  herrschten.  Die  Spaltung  des  fränkischen 
Klerus,  die  Entstehung  einer  Faktiou,  welche  die  päpstlichen  Rechte 
dem  Kaisertum  gegenüber  vertrat,  war  das  ausschlaggebende  Er- 
eignis. Ludwigs  Fehler  haben  es  gefördert:  aber  wer  möchte  be- 
haupten, dass  es  ohne  sie  nicht  eingetreten  wäre?  Die  Gedanken, 
welche  Agobard  und  seine  Gesinnungsgenossen  aussprachen,  waren 
vorhanden:  früher  oder  später,  so  oder  so  mussten  sie  auf  die 
fränkische  Kirche  wirken.  Verschwunden  ist  dann  auch  die  i)äpstliche 
Partei  nicht  wieder:  alsbald  erwies  sie  ihre  Existenz  in  den  be- 
rülimten  Fälschungen  des  neunten  Jahrhunderts. 

Noch  war  die  Stellung,  welche  Gregor  für  den  Papst  forderte, 
nur  ein  Anspruch,  weit  davon  entfernt,  verwirklicht  zu  sein.  Ludwig 
hielt  sich  nicht  für  den  Schwächeren.  Durch  lUschof  Bernhard  von 
Strassburg  trat  er  in  Unterhandlungen  mit  seinen  Söhnen  ;''^  an 
den  Papst  aber  richtete  ei*  die  Aufforderung,  das  Heer  der  Em- 
pörer zu  verlassen  und  sich  ihm  auzuschliessen.'^)  Aber  Beridiards 
Sendung  war  erfolglos,  sie  scheiterte  an  den  Forderungen  der  Aul- 
ständigen, und  Gregor  liess  sich  von  der  Partei,  auf  deren  Seitt^ 
er  getreten  war,  nicht  trennen.  Der  Kaiser  v<'rh(?hlte  seinen  Gnmm 
darüber  nicht.  Als  er  am  24.  Juni  838  auf  dem  Hothfelde  bei 
K<»lmar  mit  dem  Papst«^  zusammen  traf,  verweigerte  er  ihm  die  lier- 
könnnliclien  Ehrenbezeigungen:  er  hielt  an  der  Spitze  seiner  Be- 
waffneten und  schritt  ihm  nicht  entgegen.*)    Gregor  sollte  empfinden, 


1)  S.  o.  S.  118  f. 

2)  V.  Hlufl.  4^!  S.  685.  Über  den  Inhalt  tlor  rntorhandlunf^nn  sprich* 
Radbert  v.  Wal.  11,17  S.  563;  Simson  urteilt,  dass  der  Abschnitt  nur  seiner 
Phaniaflie  angehttre  (JH.  II  S.  39),  wopregon  Rodenberg  den  Bericht  in  Schutz 
nimmt  (S.  53  f.).  Von  abgelehnten  Fordeningen  der  Söhne  spricht  Thegan 
fr-.  42  S.  .59«). 

3)  Kp.  Greg.  H.  231 :  Subiungitis.  qiiia  niei  sprundum  voluntat^eui  vo- 
jiero.  non  habeo  ecdesias  veetras  consentaneas.     V.  Hliid.  45  S.  634. 

4)  V.  Hlud.  48  S.  635. 


—     505     — 

dass  er  seinem  Füi'sten  gegenübertrat.  Der  Papst  verstand  wohl, 
was  der  Kaiser  wollte ;  seine  Antwort  war,  dass  er  sich  auf  die 
höhere  Verpflichtung  seines  geistlichen  Amtes  berief:  ihm  liege  es 
ob.  für  den  Frieden  Sorge  zu  tragen.-)  Das  war  der  Pmikt,  auf 
den  es  ankam:  Konnte  der  Papst  durch  sein  geisthches  Amt  von 
der  Pflicht  der  Unterordnung  unter  den  Kaiser  entbunden  werden? 
Gregor  bejahte  die  Frage,  Ludwig  verneinte  sie.  Aber  in  der 
Stumpfheit  seines  Geistes  erkannte  er  die  Schärfe  des  Gegensatzes 
nicht:  das  Auftreten  des  Papstes  machte  sofort  Eindruck  auf  ihn; 
es  reute  ihn  der  unfreundhche  Empfang,  den  er  ihm  bereitet  hatte, 
ja  er  meinte,  durch  seine  Vermittekmg  die  Unterwerfung  der  Söhne 
erreichen  zu  können.-)  Deshalb  neue  Unterhandlimgen.  Aber  sie 
gewährten  nur  seinen  Söhnen  die  Frist,  sein  eigenes  Heer  zum 
Abfall  zu  verleiten.  In  der  Nacht,  nachdem  Gregor  Ludwigs  Lager 
verlassen  hatte,  vollendete  sich  der  Verrat:  schier  das  ganze  Heer 
verliess  den  Kaiser;  wie  ein  Giessbach,  erzählt  der  Biograph  Lud- 
wigs, strömten  die  Schaaren  in  das  Lager  der  Söhne.  ■^)  Ludwig 
war  genötigt,  sich  den  Empörern  zu  ergeben.  Es  ist  nicht  über- 
hefert,  dass  man  die  geisthche  Autorität  des  Papstes  misbrauchte, 
um  die  Vasallen  des  Kaisers  zum  Eidbruch  zu  bewegen.  Aber 
ist  es  glaubhch,  dass  die  Thatsache  ohne  Einfluss  bheb,  dass  Gregor 
mit  den  Söhnen  verbündet  war,  und  dass  er  die  Sache  des  Kaisers 
als  die  ungerechte  verwarf?^)  Auch  ist  nicht  genügend  bezeugt, 
dass  Gregor  die  Absetzung  Ludwigs  aussprach,  oder  die  Franken 
zu  ihi"  bevollmächtigte.'^)     Sie  kommt  auf  Rechnung   der  Aufstän- 


1)  L.  c.  Die  Weise,  wie  Gregor  sich  auf  sein  Amt  als  Friedensstifter 
berief,  ergiebt  sich  aus  ep.  Greg.  S.  230. 

2)  V.  Hlud.  48  S.  635;  die  entgegenstehende  Angabe  V.  Wal.  II,  18 
S.  565  ist  offenbar  tendentiös. 

3)  L.  c.  S.  636. 

4)  Der  Biograph  Ludwigs  spricht  von  Geschenken,  Versprechungen 
und  Drohungen;  ebenso  Ann.  Bertin  z.  J.  833,  Nith.  Hist.  I,  4  und  Karl 
d.  K.  ep.  ad  Nicol.,  Mansi  XV,  797.  Thegan  lässt  den  Gedanken  des  Ab- 
falls spontan  im  Heere  Ludwigs  entstehen  (c.  42  S.  590).  Paschasius  Rad- 
bert hat  den  Mut,  zu  behaupten,  dass  soviel  er  erfahren  konnte,  der  Abfall 
sine  ullius  persuasione  aut  exhortatione  erfolgte  (v.  Wal.  II,  18  S.  565). 

5)  Sogar  Radbert  wagt  das  nicht  direkt  zu  behaupten.  Er  erzählt 
a.  a.  0.  nur:  Tunc  ab  eodem  sancto  viro  (Gregor)  et  ab  omnibus  qui  con- 
venerant,  adiudicatum  est,  quia  Imperium  tarn  praeclarum  et  gloriosum  de 
manu  patris  ceciderat,  ut  Honorius  (Lothar j  qui  heres  erat  .  .  eum  acci- 
peret.  Die  Stelle  zeigt,  dass  man  noch  i.  J.  833  weit  davon  entfernt  war, 
dem  Papste  das  Recht  zur  Übertragung  des  Kaisertums  zuzuschreiben.  Wenn 
in    verschiedenen  Stellen  von  einem  Gerichte  Gottes  die  Rede  ist,   so  zeigt 


—     506     — 

digeii.  Al)or  es  ist  gewiss,  dass  die  kirchliche  Partei  dem  \'olke 
mit  der  Behaiij)tiinii  iniponiei-te.  kraft  der  Autorität  des  Papstes 
seien  Ludwig  Krone  und  Szepter  ahgenommen  worden.^)  Die 
Kirche,  das  Papsttum  sollte  als  die  ül)er  dem  Kaisertum  stehende 
Macht  ei*scheinen.  Denn  nachdem  die  siegreichen  Söhne  die  Re- 
giening  der  Teile  des  l^eichs  in  die  Hand  genommen  hatten,-) 
wurde  die  Einheit  des  Reichs  nur  noch  durch  die  Einheit  der 
Kirche  aufrecht  erhalten,  oder  soll  man  sagen:  sie  war  dui-ch  sie 
ersetzt? •')  Die  hierarchische  Partei  vollendete  denn  auch  die  Entthro- 
nung Tiudwigs  durch  die  Kircheuhusse,  welche  die  Bischöfe  ihm 
auflegten.^)  Sie  ist  in  der  Marienkirche  zu  Soissons,  dem  iUtesten 
Sitze  des  fi-änkischen  Königtums,  im  Oktober  833  vollzogen  worden. 
Damals  hat  Ebo  von  Rheims  eine  traurige  Berühmtheit  erlangt. 
Unter  den  deutschen  Bischöfen  scheint  (irefwin  von  Osnabrück 
sich  vor  andern  bemerklich  gemacht  zu  haben.  ^')  Durch  offene 
Briefe  verkündigte  der  Episkopat,  was  au  dem  Kaiser  und  von  ihm 
geschehen  war.") 

Trotz  dem  allen    war  der  Sieg  der  Söhne    iur  die  Sache  des 
Papstes   kein    reiner   Gewinn.     Die   Scham,    welche   das    deutsche 


gerade  Paschasius,  dass  man  dabei  nicht  an  das  durch  die  kirchliche  Au- 
torität gefällte  (Bericht  dachte,  sondern  an  das  in  den  Thataachen  liegende. 
Auch  Lothar  beruft  sich  834  nur  für  die  Einschliessung  des  Kaisers  auf  die 
Autorität  der  Bischöfe  (v.  Hlud.  51  S.  637). 

1)  So  in  der  relatio  de  poenitentia  Hludov.  (M.(->.  Cap.  197  S.  53), 
wenn  die  Worte  iuxta  divinum  consilium  et  ecclesiasticum  auctoritatem  zu 
dem  Satze,  quia  potestate  privatus  erat  terrena,  gehören.  Die  gleiche  Ab- 
sicht liegt  in  der  S.  50.">  Anm.  b  angeführten  Stelle  des  Paschasius  Radbert; 
ebenso  endlich  bei  Agobard  (apolog.  II,  5  S.  278)  in  der  ?>innerung  an 
die  Entthronung  der  Athalia  durch  den  Priester  .lojada. 

2)  Über  die  Teilung  vgl.  Mühlbacher,  D.(J.  S.  300. 

3)  Dass  die  Geistlichen  an  dem  Kinheitsgedanken  festhielten,  ergiobt 
sich  aus  der  Kelatio  de  poenit.  2  S.  54:  Quod  auctor  scand;ili  et  pertur- 
bator  pacis  ac  violator  sacramentorum  existendo,  pactum,  quod  propter  pacem 
et  unanimitatem  imperii  ecclesiaequo  tranquillitatem  communi  consilio  et 
consensu  cunctorum  fidelium  suorum  fuerat  inter  filios  suos  factum  et  per 
sacramentum  confirmatum,  nuper  illicita  potestate  corruperit. 

4)  Rel.  de  poenit.  1.  c;  Theg.  c.  44;  v.  Hlinl.  c.  40;  Ann.  Hort. 
z.  .1.  833. 

6)  Querim.  Egilm.  (Osn.  ÜB.  I  S.  54  Nr.  60);  Cui  con.süio  —  dem  Vor- 
gehen der  Söhne  —  una  conspiratione  consonsum  et  adiutorium  .  .  Gefwinus 
prebuit  ita,  ut  mucronem  ab  eo  violenter  ipse  diacingeret.  Ich  sehe  keinen 
Grund,  die  Angabe  zu   bezweifeln. 

6)  Agobardi  cartula  de  poenitentia  ab  imperatore  acta,  Cap.  198  S.  56  f. 
V.  Okt.  833. 


—     507     — 

Volk  über  den  Treubruch  auf  dem  Lügenfeldc  empfand,^)  erwarb 
dem  Kaiser  Sympathien,  die  er  nicht  verdiente,  und  schadete  imi 
so  mehr  seineu  Gegnern.  Man  hatte  die  Empfindung,  dass  ein 
Papst  im  Heere  der  Söhne,  welche  gegen  den  Vater  kämpften, 
nicht  an  seinem  Platze  war.  Es  klingt  wie  ein  Seufzer,  wenn  der 
wortkarge  Chronist  von  Fulda  seiner  Nachricht,  dass  der  Kaiser 
von  den  Seinen  verlassen  und  VeiTaten  und  der  Gewalt  seiner 
Söhne  überHefert  ward,  die  Worte  liinzufügt:  da  war  bei  den  Söhnen 
Gregor,  der  römische  Papst,-)  und  noch  Jahrzehnte  später  meinte 
man  das  Verhalten  Gregors  entschuldigen  zu  müssen.'')  Der  Papst 
fühlte  das  selbst:  es  reute  ihn.  dass  er  sich  nach  Deutschland  be- 
geben hatt€.^)  Vollends  die  Auflösung  des  Bundes  der  Söhne  mid 
die  Wiedererhebung  LudAngs  ')  schienen  den  Verhältnissen  eine  für 
das  Papsttum  und  die  kirchlichen  x4.nsprüche  höchst  ungünstige 
Wendung  zu  geben. 

Doch  trat  das  nicht  eigentlich  ein.  Kaiser  im  Sinne  Karls 
d.  Gr.  wurde  Ludwig  nicht  wieder.  Dazu  hätte  er  ein  anderer 
Mann  sein  müssen ;  nur  den  Tüchtigen  stählt  das  Unglück :  er  wiu'de 
nur  haltloser.  Die  trüben  Erfalmmgen,  die  er  gemacht  hatte,  scheinen 
die  Klarheit  des  Urteils  und  die  Kraft  des  Handelns  bei  ihni  vollends 
geknickt  zu  haben. 

Ein  deutscher  Mönch,  der  Abt  Hraban  von  Fulda  verfasste 
in  dieser  Zeit  eine  Zuschrift  an  den  Kaiser,  in  welcher  er,  ohne 
dessen  Gegner  bei  Nameii  zu  nennen,  doch  unzweideutig  ihr  Ver- 
fahren vermieilte.  Schliesslich  forderte  er  den  Kaiser  auf,  falsche 
Urteile  zu  verachten,  und  Gott,  seinem  König  und  Richter,  in  allen 
Stücken  zu  vertrauen;  er  habe  ihm  auf  Erden  das  Reich  gegeben 
und  werde  ihm  das  Himmelreich  verleihen.  Auf  ungerechte  AVeise 
sei  er  geki-änkt  worden,  von  den  einen  aus  Feindseligkeit,  von  den 
andern  aus  Furcht,  von  den  dritten  aus  Schwachheit.*')  Gott  aber 
werde    ihn    vor    allen   seineu   Feinden   schützen.     Das  war  geredet 


1)  Beweis  ist  der  Name  Lügenteid;  vgl.  Ann.  Alam.  z.  J.  833:  Fran- 
corum  dedecus,  und  Nith.  Hist.  I,  4. 

2)  Ann.  Fuld.  z.  833  S.  26:  Erat  ibi  cum  filiis  Gregorius  papa  Romanus. 

3)  Schreiben  der  Synode  von  Troyes  (a.  867)  an  Nikolaus  I.  (Mansi 
XV  S.  792):  Sine  consilio  atque  consensu  papae  Gregorii,  quem  Hlotarius 
8ub  obtentu  pacificandi  eos  cum  patre  Roma  promoverat. 

4)  Nith.  Hist.  I,  4.     V.  Hlud.  48  S.  636. 

5)  Vgl.  Simson,  JB.  U  S.  77  flf.;  v.  Ranke,  WG.  VI,  1  S.  80  ff.:  Dümmler, 
OFr.  R.  I  S.  90  ff. :  Mühlbacher,  D.G.  S.  396  f. 

6)  Ep.  15  S.  403  ff.  Unter  dem  Titel  De  reverentia  filiorum  erga 
patres  et  subditorum  erga  reges,  zuerst  von  Baluzius  bei  P.  de  Marca,  de 
concord.    sacerdot.    et    imp.   I    S.    290  ff.    herausgegeben.     Die    angeführten 


—     Ö08     — 

wie  ein  Mann.  Aber  als  Ludwig  die  Maclit  wieder  in  Händen 
hatte,  feldte  ihm  das  Vertrauen  zu  seiner  Sache;  er  scheute  sich, 
sofort  als  Kaiser  aufzutreten,  wie  seine  Anhänger  forderten. ^  Die 
Exkonununikation  hatte  so  tiefen  Eindruck  auf  seine  Seele  gemacht, 
dass  er  erst  dann  glaubte  wieder  Kaiser  zu  sein,  wenn  die  Bischöfe 
seine  Wiederaufnahme  in  die  Kirche  ausgesprochen  hätten,  wenn 
ihm  die  Wallen,  deren  er  sich  vor  dem  Altar  in  Soissous  ent- 
kleidet hatte,  durch  priesterliche  Hand  wieder  angelegt  wären. '^ 
Es  geschah  zu  St.  Denis  am  1.  März  834  und  zu  Metz  am  28.  Fe- 
bruar 885.  Hiess  das  nicht  das  Recht  der  Bischöfe  anerkennen?^) 
Einhard,  der  Karl  d.  (4r.  nicht  vergessen  konnte,  war  angeekelt 
von  dem.  was  er  erleben  musste.  Ich  bitte  dich,  schreibt  er  an 
•'inen  Freund,  schreibe  mir  n.ichts  über  die  Lage  der  Dinge  am 
Hof;  denn  ich  habe  keine  Freude  daran,  etwas  von  dem.  was  ge- 
schieht, zu   hören. ^) 

Es  war  natihlich,  dass  Ludwig  die  Führer  der  ihm  feind- 
seUgen  Partei  zur  Rechenschaft  zog.  Aber  er  verzichtete  auf  sein 
Recht,  indem  er  den  Bischöfen  zugestand,  dass  über  Ebo  von 
Jiheims  nicht  vor  dem  weltlichen  Gerichte  geurteilt  werde, •'^)  und 
t'S  entspracii  seiner  Stellung  nicht,  dass  er  selbst  als  Kläger  gegen 
Ebo  vor  die  Synode  von  Diedenhofen  trat.")  Dass  er  aui"  seine 
Beseitigung  drang,  erschien  wie  ein  Akt  persönlichen  Hasses;  deini 
Ebo  war  nicht  schuldiger  als  die  Bischöfe  alle.'j  AVenn  er  schliesslich 
die  päpstliche  Erlaubnis  zur  Absetzung  des  Empörers  forderte,  so 
gab  er  als  Sieger  den  Standpunkt  auf,  den  er  im  .lahre  S83  als 
Angegriffener  behauptet  liatte.'*)   I'nd  nicht  genug  daran:  da  Gregor 

.stellen    aus    ileni    12.   Kap.   h^.   414.     Vtrj.  Hudnlli   Mir.   FuUl.  .M.G.  Sei-.  XV 

.«J.  341. 

1)  V.  Hlud.  .')1  S.  638;    der  Verf.    spricht,  von   praepropera   seutentia. 

2)  Hlud.  ep.  ad  Hilduin.  M.G.  Ep.  V  S.  326  f.;  v.  Hlud.  r.l  u.  54  S.  638 
u.  640;  Ann.  Bort.  z.  .1.  834  u.  83r.  S.  8  u.  10;  Nith.  1,  4;  ep.  syn.  Tricas. 
ad  Nicol.  Mansi  XV  S.  792;  Karl  d.  K.  stellt  (ep.  ad  Nie.  1.  c.  S.  797)  den 
Vorgang  in  St.  Denis  am  1.  März  834  so  dar,  dass  die  Bischöfe  Verzeihung 
von  dem  Kaiser  erbeten  hätten. 

3)  Ludwig  an  Hilduin  über  den  Vorgang  in  St.  Denis:  Cingulura  mili- 
tare  iudicio  atque  auctoritate  episcopali  resumpsimus,  S.  327. 

4)  Ep.  '6ö  S.  127. 

b)  Ep.  Carol.  C.  ad  Nicol.  S.  798.  Dabei  war  .Judiths  Einfiusa  wirk- 
sam. Das  Lob  V.  Rankes,  WG.  VI,  1  S.  92,  es  sei  Ludwigs  Verdienst,  dass 
er  sich  die  .lurisdiktion  über  die  Geistlichkeit  nicht  habe  entreissen  lassen, 
verdient  demnach  T^udwig  nicht  ganz. 

6)  Ep.  syn.  Trica-^.  ad  Nicol.  S.  793. 

7)  Vgl.  Dümmler,  OFr.  H.  I  S.   109  t. 

8)  Ep.  Carol.  C.  ad  Nicol.   S.  799.     Simson    tJB.    II    S.    13r,)    verwirft 


—     509     — 

die  Zustinimuug  verweigerte,  so  wagte  Ludwig  nicht  durchzugreifen; 
das  Erzliistum  Eheims  bheb  unbesetzt.  Bedenken,  ob  che  Ab- 
setzung des  gefangenen  Ebo  berechtigt  und  giltig  sei,  wurden  da- 
diu'ch  geradezu  provoziert. 

Umgekehrt  hess  der  Episkopat,  so  wenig  rühndich  er  sich  in 
den  Wirren  dieser  Zeit  benommen  hatte,  nicht  ab,  an  der  Erhebung 
der  Hierarchie  über  jede  andere  Gewalt  zu  ai-beiten.  Im  Jahre  834 
brachte  Bischof  Jonas  von  Orleans  in  einem  eigenen  Schriftchen 
Ludwigs  Sohn  Pippin  die  auf  der  Pariser  Synode  von  829  aus- 
gesprochenen Gruudscätze  in  Ennnerung.^)  Zwei  Jahre  später  er- 
klärten che  in  Aachen  versammelten  Bischöfe,  die  Zustände  des 
Eeichs  könnten  nur  dadm-ch  zu  einem  guten  Ende  gelangen,  dass 
die  kirchhche  Autorität  erhöht  werde.-)  Sie  beklagten  sich  darüber, 
dass  ihi-e  Reformvorschläge  von  829  so  wenig  Berücksichtigung  ge- 
fimden  hätten.^)  Das  weitverbreitete  Misstrauen  der  Laien  gegen 
den  Klerus  galt  ihnen  als  ein  gänzlich  unverdientes  Unrecht  und 
als  ein  bedenkhches  Hindernis  gegen  die  Besserung  der  Zustände."^) 
Wenn  sie  zugleich  den  Beschluss  fassten.  dass  die  Bischöfe  und 
Priester,  welche  fernerhin  ihren  Treueid  brechen  würden,  durch 
Synodalbeschluss  abgesetzt  werden  sollten,-')  so  lag  darin  doch  nicht 
nur  die  Anerkennung  der  Herrschaft  Ludwigs,  sondern  zugleich 
die  Absicht,  das  Gericht  über  den  Klerus  dem  Kaiser  zu  ent- 
ziehen und  ausschliesshch  dem  geisthchen  Forum  zuzuweisen.  Lud\\'ig 
leistete  diesen  Bestrebungen  keinen  Widerstand;  je  älter  er  wiu-de. 
um  so  melu'  lag  es  ihm  am  Herzen,    den  x\nsprüchen   der  Kirche 

diese  Nachricht,  ebenso  von  Noorden  (Hincmar  S.  22);  die  Thatsache  je- 
doch, dass  das  Bistum  unbesetzt  blieb,  bestätigt  die  Aussage  Karls  d.  K. 
Das  Verfahren  gegen  Agobard  ist  ähnlich,  indem  auch  Lyon  nicht  wieder- 
besetzt wurde. 

1)  De  institutione  regia.  (Migne  106  S.  279  ff.,  die  Widmung  auch 
M.G.  Ep.  V  S.  349.)  Über  die  Abfassungszeit  der  Schrift  und  ihr  Verhältnis 
zu  den  Beschlüssen  der  Pariser  Synode  s.  Simsen,  JB.  I  S.  381  ff. 

2)  Praef.  Mansi  XIV  S.  672  ff.  Die  von  der  Synode  v.  829  (s.  o. 
S.  498  Anm.  2),  und  von  Jonas  (de  inst.  reg.  1  S.  285)  zitierte  Äusserung 
des  Papstes  Gelasius  wird  auch  hier  (S.  673)  angeführt.  Vgl.  den  Schluss 
des  2.  Teils  S.  695. 

3)  Mansi  XIV  S.  695  :  Meminimus  in  praeteritis  conventibus  nonnuUa 
capitula  ab  episcopis  vestra  admonitione  fuisse  tractata  .  .  .  sed  nescimus 
quibus  impedientibus  obstaculis  quasi  oblivioni  tradita.  Über  die  Vorschläge 

V.  829  s.  0.  S.  498. 

4)  P.  m  c.  6  S.  688. 

5)  P.  n  c.  12  S.  679.  Dieselbe  Tendenz  liegt  in  P.  III  c.  7  S.  689. 
Die  Absicht  ist  nicht  nur,  dass  Anklagen  gegen  Bischöfe  untersucht  werden, 
sondern  dass  dies  vor  einer  Synode  und  nicht  am  Hofe  geschehe. 


—     510     — 

in   ulk'U  Stücken  gereclit  zu  werden.')     Mau    l)egieit't.    dass    es   zu 
eiuer  Versöhnung  zwischeii  ihm   und    Wahl  kam.-) 

Als  Ludwig  starb,"')  hörte  die  Einheit  des  Reiches  Karls  d. 
(tf.  auf.  Zwar  trug  Lothar  den  Namen  Kaiser;  aber  er  heiTSchte 
nur  über  einen  Teil  des  Imperiums,  über  Italien  und  einen  Land- 
stiich  in  der  ^Nlitte  zwischen  den  Kelchen  seiner  Brüder.  Kaiser- 
liche Politik  zu  treiben,  war  wohl  sein  Vorsatz;*)  es  war  die  Hoff- 
nung der  tüchtigsten  ]\ränner,  dass  er  es  thun  würde,  aber  er  war 
nicht  dazu  im  Stande.'^)  Es  fehlte  ihm  an  Talent")  und  an  An- 
sehen; seine  bedeutendsten  Anhänger  waren  tot;')  vor  allem:  die 
Kaiseridee  wurde  zwar  von  einem  Teile  der  litterarisch  Gebildeten 
bewahrt,**)  aber  sie  hatte  keinen  Boden  unter  dem  Volk.")  Dieser 
Nachteil  für  die  Reichseinheit  wurde  dadurch  nicht  aufgewogen, 
dass  ein  grosser  Teil  des  Episkopats  zunächst  an  ihr  festhielt  und 
demnach  zu  Lothar  stand.  Das  wissen  wir  von  den  beiden  Metro- 
I)oliten  Otgar  von  INIainz  und  Hetti  von  Trier,  von  Karls  d.  Gr. 
Sohn  Drogo  von  Metz,  von  den    Rischöfen  Fmthar  von  Toul.   Ba- 


1)  Ann.  Bert.  z.  J.  836.     V.  Hlud.  55  S.  ß41;  63  S.  647. 

2)  V.  Hlud.  55  S.  641:     Wala  ist  bald  darnach  gestorben  s.  u. 

3)  20.  Juni  840.  Vgl.  Simson,  .TB.  II  S.  228  ff.;  Dümmler.  OFr.  R.  1 
S.  136  f.;  Mühlbacher,  D.G.  S.  423  ff. 

4)  Nach  Nithard  (Ilist.  TT,  10)  liisst  Lothar  vor  der  Schlacht  bei  Fon- 
tenai  seinen  Brüdern  .sagen,  (luoniaiii  scirent  illi  iniperatoris  nomen  magna 
auctoritate  fuisse  imposituui  ut  considerent,  quatcnus  eiusdem  noniinis  mag- 
nificum  posset  explere  officium. 

5)  Über  die  Kämpfe,  die  zum  Vertrage  von  Verdun  führten,  vgl.  v. 
Ranke,  WG.  VI,  1  S.  95  ff.  Dümmler,  OFr.  R.  1  S.  139  ff.  Mühlbachor. 
D.G.  S.  425  f.     Die   kirchlichen  Angelegenheiten   berührt  nur  das  Resultat. 

6)  Nithard,  allerding.s  ein  Gegner,  urteilt,  es  habe  Lothar  .scientia 
gubernandi  rem  publioam  gemangelt  (bist.  IV,  I);  seine  Regierung  bestätigt 
das  Urteil. 

7)  Wala  starb  i.  .1.  836,  wahrscheinlich  am  31.  August,  Ann.  Bert.  z. 
d.  .1.;  v.  Hlud.  '^b  S.  641;  Anhang  zu  Thegan  S.  603;  der  angegebene 
Tag  im  Polypt.  Irmin.  II  S.  337;  an  einer  zweiten  Stelle  (S.  339)  ist  der 
12.  Sept.  als  der  Todestag  genannt.  Im  .lahre  837  starben  Matfrid,  Hugo, 
die  Bischöfe  Jesse  von  Amiens  und  Elias  von  Troyes  u.  a.  So  nach  v.  Hlud. 
bQ  S.  642  u.  Ann.  Fuld.  z.  d.  .1.,  während  nach  dem  Zusatz  zu  Thegnn 
der  Tod  der  .'<ümtlichen  genannton  Parteigenossen  Lothars  in  das  Jahr 
836  fällt. 

8)  Florus  von  Lyon  (carni.  28  v.  41  ff.  Poet.  lat.  II  S.  561);  Walahfrid 
Strabo  (carm.  76  v.  57  f.  I.  c.  S.  414). 

9)  Ann.  Fuld.  z.  J.  840  von  L\idwig  d.  D.:  Multorum  ad  so  orienta- 
lium  P'rancoriim  animis  prudenti  conailio  conversis.  Nith.  hi.st.  II,  4  über 
die  Westfranken  und  Karl. 


—     511     — 

durad  von  Paderborn,  Hartgar  von  Lüttich,  Samuel  von  Worms, 
Rathold  von  Strassburg,^)  auch  von  den  Äbten  von  Fulda,  St.  GaUen, 
Reichen  au,  Pfäfers,  ]\Iurbach  und  Werden.^)  Aber  noch  Avaren 
die  Bischöfe  nicht  Fürsten  genug,  um  die  Entscheidung  herbeifühi-en 
zu  können.  Die  Teilung  des  Reichs  im  Jahre  843  entsprach  des- 
halb den  Forderungen  der  pohtischen  Lage.^)  Um  so  mehr,  da 
man  bei  ihr  ebenso  wenig  an  eine  dauernde  Zerschlagung  des  ii'än- 
kischen  Reiches  dachte,  vne  einstmals  bei  den  Teilungen  der  Mero- 
wincrer.  Aber  es  ist  doch  unverkennbar,  dass  die  Situation  weit 
liedenklicher  war,  als  im  Jahre  511  oder  561.  Damals  hatte  das 
gemeinsame  fränkische  Nationalgefühl  die  Teilreiche  zusammen- 
gehalten. Wo  fand  sich  ein  solches  jetzt  in  Itahen?  Was  im 
sechsten  Jahrhundert  das  unwillkürliche  Bewusstsein  der  Büi'ger 
des  Merowingerreiches  leistete,  das  sollten  jetzt  die  EidscliAvüi'e  und 
Versprechmigen  der  Herrscher  ersetzen.  Das  war  ein  schwaches 
Band. 

Ein  weit  stärkeres  war  die  kirchhche  Einheit.^)  Gerade  des- 
halb leistete  die  Teilung  des  Reichs  der  Emanzipation  des  Papst- 
tums von  der  Herrschaft  des  Kaisers  die  grössten  Dienste.  Was 
der  Kaiser  in  der  Meinung  der  Menschen  verlor,  gewann  der 
Papst.'')  Seine  Autorität  war  unangreifbar,  schon  darum,  weil  sie 
von  keiner  Landesgrenze  eingeengt  wurde. 

Wären   die  Fürsten    einig    gewesen,    so    würde    die  Erhebung 


1)  Die  Genannten  sind  bei  der  Restitution  Ebos  von  Rheims  beteiligt 
B.M.  1038;  über  Otgar  vgl.  ferner  Nith.  Hist.  II,  7  u.  III,  4. 

2)  Die  Haltung  Hrabans  von  Fulda  zeigt  z.  B.  ep.  28  S.  442  u.  B.M. 
1052  f.  Dümmler  bemerkt  unter  Verweisung  auf  Dronke,  CD.  S.  236  Nr.  531, 
dass  das  Kloster  den  Standpunkt  des  Abtes  nicht  teilte  (S.  40).  Die 
Schenkung  ist  jedoch  nicht  in  Fulda,  sondern  in  Kissingen  beurkundet,  der 
Schluss  also  nicht  zwingend.  Bernwich  v.  St.  Gallen  nennt  Ratp.  Gas.  7 
S.  67  als  Anhänger  Lotbars;  Walahfrid  spricht  sich  selbst  über  die  Lage 
aus  Carm.  76  S.  413.  Die  Stellung  von  Werden  ergiebt  sich  aus  der  Da- 
tierung der  dortigen  Urkunde;  Lacomblet,  ÜB.  I  S.  25  Nr.  55,  die  von 
Pfäfers  und  Murbach  aus  den  Urkunden  B.M.  1034  f.  In  Weissenburg  war 
Otgar  von  Mainz  Abt,  vgl.  die  Urkunden  v.  840  Trad.  Wizenb.  S.  206 
Nr.  215,  in  Lorsch  Samuel  von  Worms. 

3j  S.  Dümmler,  OFr.  R.  I  S.  202  ff.  Mühlbacher,  D.G.  S.  453  f.  betont 
mehr  die  Nachteile  der  Teilung. 

4)  Vgl.  die  Äusserung  Hrabans  schon  unter  Ludwig  d.  Fr.:  Differentia 
non  debet  esse  in  diversitate  nationum,  quia  una  est  ecclesia  catholica,  ep. 
Fuld.  fragm.  11  S.  520. 

5)  Aus  einem  jüngeren  Schriftstück,  dem  Briefe  Ludwigs  II.  an  Basi- 
lius  V.  J.  871  (Baron,  ann.  eccl.  z.  J.  871  Nr.  54)  sieht  man,  wie  die  that- 
sächliche  Mehrheit  der  Reiche    dazu  drängte,    in  dem  einen  Imperium  die 


—     512     — 

des  Papsttums  crsclnviTt  worden  sein.  Ihr  Zwiespalt  gab  den 
Päpsten  CTelegenheit.  die  Vennittlerrolle  fortzuspielen,  die  nur  all- 
zusehr an  eine  Schiedsrichterrolle  erinnerte. 

Was  im  .Fahre  S33  Anspruch  war:  die  Lösung  des  Papstes 
aus  jeder  l^ntcrordnung  unter  den  Kaiser,  die  Überordnung  der 
geistlichen  Gewalt  über  die  weltliche,  begann  Thatsache  zu  werden. 
Die  von  einem  Gedanken  beseelte  i)äpstliche  Politik  erwies  sich 
der  stets  von  Fall  zu  Fall  handelnden  der  Fürsten  weit  überlegen. 
Wir  verfolgen  ihre  weiteren  Fortschritte. 

Nach  Gregoi-s  Tod  im  Jahre  844')  erfolgte  eine  zwiespältige 
AVahl:  der  Papst  des  Volkes,  der  Diakon  Johannes,  erlag  beim 
ersten  Zusammentreflen  dem  Erwiüilten  des  Adels,  Sergius  TT. 
Sofort  wurde  der  letztere  konsekriert.')  INTan  glaubte  wohl,  diese 
Verletzung  der  kaiserlichen  Hechte  durch  die  unsichere  Tjage  in 
der  Stadt  entschuldigen  zu  können.  Aber  man  liess  das  Recht  des 
Kaisers  ausser  Acht,  nicht  weil  man  genötigt,  sondern  weil  man 
gewillt  war:  es  entsprach  den  päpstlichen  Tendenzen. 

Im  Eatc  TiOthai-s   war  damals  Drogo  von   Metz   der  eintluss- 
reichste  Bischof.     Der  Sohn  Karls  d.  Gr.  hatte  die  Anschauungen, 
die  unter  jenem  geheiTscht  hatten,  nicht  vergessen:  wir  fanden  ihn 
unter  den  Bischöfen,  welche  sie  Gregor  IV.  im  Jahre  838  so  ener- 
gisch entgegeidiielten.    Auf  seinen  Rat  mrd  es  zurückzuführen  sein, 
dass  Tjothar    das  Vorgehen    der  Römer   nicht   geduldig  ertrug:    er 
sandte  seinen  Sohn  Tjudwig  nach  Rom,  um  die  kaiserlichen  Rechte 
für  die  Zukunft  zu  sichern.    Ein  zahlreiches  Gefolge,  an  der  Spitze 
Drogo,   begleitete  ihn.     Sergius  IT.   brach    der  Gefahr  des  Augen- 
blicks die  Spitze  ab,  indem  er  den  Sohn  des  Kaisers  mit  denselljen 
Einen  empfing,  wie  einst  Leo   ILI.  Karl  d.  Gr.     Aber  die  Worte, 
welche  er  zu  dem  Jüngling  vor  dem  Thore  der  Peterskirche  sprach, 
zeigen  den  mächtigen  Umschwung,  der  eingetreten  war:  Wemi  du 
reinen  Sinnes  und  aufiichtigen   Willens   zum  Heile   der  Stadt,   der 
Welt  und  dieser  Kirche  hiehergekommen  bist,  dann  tiitt  mit  meiner 
Erlaubnis  durch  diese  Thüre;    hegst  du  anderes    im  Herzen,    dann 
l)leibt    durch    mich    und    meinen   Befehl    diese  Pforte    für  dich    ge- 
schlossen.'')   So  redete  der   Pajjst  zum  Vertreter  des  Kaisers.    Sein 
Gel)ot,  nicht  mehr  das  des  Herrschers,  öffnete  und  schloss  in  Ron) 
die  Thüren. 


Kirche  zu  sehen:   die  Konsequenz    war   die  Erhebung  des  Papstes  über  die 
Frirsten. 

\)  Ann.  Bert.  z.  .1.  H44.     Tag  und  Monat  sind  unbekannt. 

2)  V.  Serg.  4  f.  S.  86. 

3)  Ann.  Bert.  z.  J.  844;  v.  Serg.  9  f.  S.  88. 


—     öl  3     — 

Ludwig  leistete  die  geforderte  Zusage;  aber  damit,  dass  ihm 
nun  der  Zugang  gewährt  wurde,  hielten  Drogo  und  die  übrigen 
Begleiter  des  jungen  Königs  die  Angelegenheit  nicht  für  erledigt. 
Mehrere  Tage  lang  verhandelte  man  in  der  Peterskirche.  Wieder 
stiessen  die  Gegensätze  hart  aufeinander;  es  scheint  jedoch,  dass 
man  nicht  zu  einer  bestimmten  Entscheidung  gelangte.  Die  Boten 
des  Kaisers  mussten  sich  mit  allgemeinen  Zusicherungen  begnügen.  M 
Der  Papst  unterwarf  sich  nicht;  dem  kaiserlichen  Heere  blieb  der 
Eintritt  in  die  Stadt  verwehrt.^) 

Dann  krönte  Sergius  Ludwig  zum  König  der  Langobarden. 
Noch  unter  Ludwig  d.  Fr.  sah  man  in  der  Krönung  einen  Bene- 
diktionsakt; ^)  weder  er  noch  Lothar  I.  zählten  ihre  Regierungsjahre 
vom  Tage  der  Krönung  an.'*)  Jetzt  zum  ersten  Male  verstand  man 
die  Handlung  anders.  Er  salbte  ihn  mit  dem  heiligen  Ol,  erzählt 
der  Biograph  des  Papstes,  krönte  ihn  mit  der  königlichen  Krone 
und  machte  ihn  zum  König  der  Langobarden.'')     Aus  der  priester- 


1)  Ich  folge  in  Bezug  auf  die  Zeitfolge  der  Vorgänge  Prudentius,  der 
die  Ausführung  des  kaiserlichen  Auftrags  der  Krönung  Ludwigs  vorangehen 
lässt.  In  Bezug  auf  das  Ergebnis  der  Verhandlungen  widersprechen  sich 
die  Angaben  unserer  beiden  Gewährsmänner  direkt.  Prudentius  lässt  die 
Krönung  erfolgen  peracto  negotio;  der  kurialistische  Biograph  dagegen 
versichert  (14  S.  90),  dass  die  Gesandten  ab  eo  —  dem  Papste  —  superati 
pudere  et  operti  confusione  discesserunt.  Ein  so  direkter  Widerspruch  er- 
klärt sich  am  einfachsten,  wenn  die  Verhandlung  kein  Resultat  hatte. 
Liess  sich  Sergius  nicht  über  allgemeine  Versicherungen  seiner  Treue  hinaus- 
drängen, so  konnte  jeder  Berichterstatter  so  reden,  wie  er  that.  Langen 
(G.  d.  r.  K.  S.  824)  folgt  dem  Berichte  des  Papstbuchs.  Die  Annahme  von 
Dopffel  (S.  118),  dass  die  Absetzung  des  Sergius  zur  Sprache  gekommen 
sei,  hat  in  den  Quellen  keinen  Anhalt.  Dümmler  (OFr.  R.  I  S.  2-51)  legt, 
wie  mich  dünkt,  das  Gewicht  zu  ausschliesslich  auf  die  Prüfung  der  Wahl 
des  Sergius;  nach  den  Ann.  Bert,  handelte  es  sich  um  Zusagen  für  die  Zu- 
kunft: ne  deinceps  decedente  apostolico  quisquam  illic  praeter  sui  iussionem 
missorumque  suorum  praesentiam  ordinetur  antistes.  Man  wollte  demnach 
eine  Übereinkunft  wie  die  des  Jahres  824. 

2)  V.  Serg.  12  S.  89. 

3)  S.  0.  S.  482  Anm.  1. 

4)  Vgl.  Brunner,  D.  RG.  II  S.  89,  der  daran  erinnert,  dass  Paschalis  I. 
ebenso  rechnete. 

5)  V.  Serg.  13  S.  89:  Pontifex  .  .  Ludovicum  .  .  oleo  sancto  perungens, 
regali  ac  pretiosissima  coronavit  Corona,  regemque  Longobardorum  perfecit; 
cui  regalem  tribuens  gladium,  illique  subcingere  iussit.  Zu  vergleichen  ist 
die  Art,  wie  Leo  IV.  sich  über  die  Kaiserkrönung  ausspricht:  Quem  (Lothar) 
imperatorem  princeps  sacerdotum  .  .  Pascalis  papa  oleo  benedictionis  unc- 
tum  consecraverat  more  predecessorum  apostolicorum,  .  .  anathemate  (Hync- 

Hauck,  Kirchengesehichte.    11.    2.  Aufl.  33 


—     514     — 

liehen  Segnung  des  Henschers  wurde  die  Übertragung  des  Amts.^) 
Als  nun  aber  die  Regleiter  des  Kr)nigs  forderten,  dass  die  röniischen 
Grossen  ilim  dvw  'rreucid  leisteten,  Hess  Sergius  das  nicht  zu:  sie 
niussten  sich  mit  einer  Erneuerung  des  dem  Kaiser  geleisteten  Eids 
begnügen.-)  Sergius  wollte  nicht,  dass  das  fi-änkische  Herrscher- 
haus Rom  gegenüber  dieselbe  Stellung  einnahm  wie  gegenüber  dem 
übrigen  Italien:  seine  Kechte  in  Rom  sollten  als  auf  der  Kaiser- 
ki-ünunc;  beruhend  ei-scheinen.^) 

Wie  iu  dieser  Sache,  so  widerstand  der  Papst  in  einer  an- 
dern. Im  Gefolge  des  fränkischen  Heeres  hatten  sich  die  Er/- 
bischöfe  Ebo  von  Rheims  und  Bartholomäus  von  Narbonne  nach 
Rom  begeben.  Lothar  hatte  Ebo  alsbald  nach  dem  Tode  Ludwigs 
durch  ein  kaiserliches  Edikt  in  sein  Bistum  restituiert.  Ebo  hatte 
daraufhin  sein  Amt  wieder  angetreten  und  erzbischöfliche  Amts- 
handlungen vollzogen.  Doch  nötigten  ihn  nach  einem  Jahre  die 
Erfolge  Karls  Rheims  wieder  zu  verlassen.*)  Ahnlich  war  das 
Schicksal  des  Bartholomäus.  Jetzt  forderten  sie  die  Aufhebung 
der  über  sie  verhängten  Exkommunikation,  die  Anerkennung  ihrer 
Würde  und  die  Erteilung  des  PaUiums.'*)  Mit  Rücksicht  auf  das 
Verhalten  Gregors  IV.  konnten  die  alten  Bundesgenossen  liothars 
die  Gewährung  ihrer  AVünsche  hoffen.  Aber  Sergius  schlug  sie 
nindweg  ab:  er  gestattete  ihnen  nur  die  Kommunion  unter  den 
Laien.")  Diese  Entscheidung  ist  wohl  begreiflich.  Der  Papst 
vennjrd.    -^irli    von    Anfang    au    mit  Karl  d.  K.  zu  verfeinden;    er 


maruB  iniuriavit)  nostrum  et  .  .  imperatoris  ministerium  parvipendens  et. 
tran-sgressus  divinae  paritor  et  humanas  constitutiones  (Leon.  op.  36  S.  605, 
vgl.  37  S.  606). 

1)  Ein  Vierteljahrhundert  .später  trug  bereits  ein  Kaiser  diese  An- 
schauung über  das  fränkische  König-  und  Kaisertum  vor  (Bf.  Ludwigs  IT. 
an  BasiliuB  v.  871,  Baron,  ann.  ecd.  z.  .T.  871  Nr.  59,  B.M.  1218). 

2)  Das  Verlangen  der  Eidesleistung  scheint  mir  sacligemäss  mit  der 
Krönung  verbunden  werden  zu  müssen.  Prudontius  erwähnt  den  Vorgang 
nicht.  Die  V.  Serg.  lässt  die  Eidesleistung  nach  dem  Streit  in  der  Peters- 
kirche geschehen  (14  f.  S.  90:  ^Discesserunt",  „His  perfectis")- 

3)  Ich  kann  nach  dem  allen  nicht  von  einer  Herstellung  des  fränkischen 
Einflusses  in  Italien  reden  (Dümniler,  OFr.  K.  I  8.  251).  Das  war  wohl  die 
Absicht,  aber  sie  scheiterte  an  der  Gewandtheit  des  Papstes,  der  klüger 
un<l  erfolgreicher  operierte  als  die  Franken. 

4)  Ep.  conc.  Trio,  ad  Nico).  Mansi  XV  S.  798;  ep.  Carol.  C.  ad  Nicol. 
1.  c.  S.  799. 

5)  V.  Serg.  16  S.  90.  Dass  ihre  Bitte  durch  Lothars  Gesandte  unter- 
stützt wurde,  zeigt  Lothars  Urief  an  Leo  IV.  (Mansi  XIV,  S.  885). 

6)  V.  Serg.  16  S.  90;  ep.  conc.  Tric.  ad.  Nicol.  S.  794;  Hincm.  ep.  ad 
Nie.  S.  775  f.;  vgl.  ep.  Nie.  ad  syn.  Suees.  S.  744. 


—     515     — 

wollte  nicht,  dass  man  ihn  einfach  als  Bundesgenossen  Lothars  be- 
trachtete. Aber  auch  abgesehen  davon,  war  es  ihm  vielleicht  nicht  un- 
erwünscht, dem  Verlangen  der  beiden  Erzbischöfe  und  dem  Wunsche 
des  Kaisers  ein  Nein  entgegenstellen  zu  können.  Denn  wie  be- 
stimmt war  das  Verfügungsrecht  Roms  über  die  fi'änkische  Kirche 
bewiesen,  wenn  zuerst  das  Wort  eines  Papstes  die  von  einem 
Kaiser  gewünschte  Wiederbesetzung  der  wichtigsten  Bistümer  ver- 
hinderte, mid  wenn  das  Wort  eines  Papstes  sodann  die  Wieder- 
anerkennung der  früheren,  von  dem  Kaiser  wieder  eingesetzten 
Inhaber  ausschloss. 

Um  so  bereitwilliger  kam  er  einem  anderen  Wunsche  Lothars 
nach.  Der  Kaiser  regte  die  Wiedererrichtung  des  päpstlichen 
Vikariats  flu'  das  fränkische  Reich  an;  Drogo  von  Metz  sollte  zu 
dieser  Würde  erhoben  werden.^)  Die  kirchlichen  Zustände  gaben 
keinen  Anlass  zu  diesem  Antrag;  man  kann  deshalb  nicht  zweifeln, 
dass  seine  Gründe  auf  dem  pohtischen  Gebiete  lagen.-)  Lothar 
hoffte  durch  seinen  Oheim  Einfluss  auf  die  Reiche  seiner  Brüder 
zu  gewinnen:  der  päpstliche  Vikar  sollte  dem  Kaisernamen  erst 
einen  realen  Inhalt  geben.  Unmöglich  aber  konnte  der  Papst 
übersehen,  dass  die  Aufstellung  eines  Vikars  der  päpstlichen  Macht 
weit  dienhcher  werden  konnte  als  der  kaiserlichen.  Nicht  umsonst 
hatte  einstmals  Zacharias  so  dringend  gewünscht,  dass  der  Vikariat 
auch  nach  dem  Tode  des  Bonifatius  fortdaure.'^)  Sergius  gewährte  denn 
auch  nach  reiflicher  Überlegung^)  den  Wunsch  des  Kaisers.  In 
dem  Schreiben,  durch  welches  er  dem  fränkischen  Episkopate  die 
Erhebung  Drogos  eröffnete,  verhehlte  er  nicht,  dass  er  die  Wieder- 
herstellung eines  so  hervorragenden  kirchlichen  Amtes  mit  Fi-euden 
begrüsste.'^)  Jede  Zeile  zeigt  zugleich,  wie  bewusst  er  daran  ar- 
beitete, die  neue  Institution  zur  Förderung  der  päpstlichen  Autorität 
zu  benützen.  Er  geht  davon  aus,  dass  dem  Papste  die  Leitung 
der  Gesamtkirche  übertragen  sei.  Daraus  leitet  er  das  Recht 
ab,   nach  Weise    seiner  Vorgänger  päpstliche   Vikare    aufzustellen. 


1)  Die  Annalen  von  St.  Bertin  notieren  die  Thatsache  der  Ernennung 
Drogos  z.  J.  844.  Genauere  Auskunft  giebt  das  päpstliche  Schreiben  J.W. 
2586.  Dasselbe  ist  jedoch  nur  Fragment.  Es  fehlt  der  Eingang,  der  eine 
Angabe  darüber  enthalten  haben  wird,  von  wem  die  Errichtung  eines 
Vikariats  beantragt  wurde.  Nach  dem  Schreiben  Leos  IV.  (Nr.  2607)  ging 
der  Antrag  von  Lothar  aus. 

2)  Vgl.  Dümmler,  OFr.  R.  I  S.  252 f. 

3)  S.  Bd.  I  S.  536  ff. 

4)  Mansi  XIV,  806:  Cauta  deliberatione  constituimus. 

5)  L.  c. :  Optaveram  .  .  pro  recuperanda  tarn  excellentis  ordinis  gloria 
modis  Omnibus  desudare. 

83* 


—      51  ß      — 

Kv  cniPiint  denigemäss  Drogo  zu  seinoni  Stellvertreter  in  allen 
liändeni  diesseits  der  Alpen,  fordert  für  ihn  bereitwilligen  Gehorsam 
aller  Bischöfe  und  gieht  ihm  die  ^'ollmacht,  allgemeine  Synoden 
zu  halten,  die  Beschlüsse  der  Provinzialsynoden  zu  prüfen,  Appel- 
lationen anzunehmen,  das  Leben  und  die  Amtsführung  der  Bischöfe 
und  Ai)te  zu  überwachen.  JVIan  sieht.  Sergius  erteilte  seinem  Tje- 
gaten  Rechte,  welche  in  diesem  Umfang  die  Päpste  in  der  friinld- 
scheu  Kirche  nie  geübt  hatten.  Dabei  behielt  er  ausdrücklich  das 
lischt  des  römischen  Stuhles  vor:^)  nur  vertreten,  nicht  ersetzt 
sollte  der  Papst  durch  Drogo  werden :  Rom  blieb  die  höchste  Appel- 
lationsinstanz; in  beinah  drohender  AV^eise  verhiess  er  den  Bi- 
schöfen seinen  Schutz  gegen  etwaige  Ki-<änkungen  von  Seiten  der 
Könige.-) 

Die  Errichtung  des  Vikariats  leistete  Lothar  die  Dienste  nicht, 
welche  er  von  ihr  erwartete :  ^)  aber  sie  trug  dazu  bei.  dass  man 
sich  diesseits  der  Alpen  daran  gewöhnte.  Befehle  von  Rom  ent- 
gegen zu  nehmen.*) 

Sergius  starb  am  27.  Januar  847.''^)  Wie  unter  ihm,  so 
bUebeu  die  Verhältnisse  unter  seinen  beiden  Xachfolgern  Leo  IV. 
und  Benedikt  ITI.«)  Der  Tod  Lothars  am  29.  September  855 
brachte  ebenfalls  keinen  Wandel  hervor:  nur  wurde  di(>  kaiserliche 
Macht  noch  einmal  geschwächt,  da  er  sein  Reich  unter  seine  drei 
Söhne  teilte.') 


1)  L.  c.  S.  807:  Salva  in  omnibus  huiuR  universalis  Romanao  .soJis 
primatu,  nostrique  praesulatus  honore. 

2)  L.  c.  S.  808:  Si  violentiam  sibi  a  .  .  regibiis  quilibet  episcoporuni. 
quominus  canonum  statuta  custodiat,  queritur  inogatam,  nos  hoc  suffngium, 
annuento  Deo,  litteris  ad  eos  missis  crodimiis  amputandum.  Nequaquani 
enim  auditu  tolerabilp  est,  ut  gormanorum  fratruiti  in  fide  trinitatia  terna 
societas  a  sui  dilertione  et  communi  iuris  aoquitatn  dissiliat.  Quod  si  eoruni 
quilibet  post  discordiae  principem  abiri  maluerit  .  .  hunc  morito  Deo  auxi- 
liante  canonicis  auctoritatibus,  prout  melius  possumua,  castigare  studemua. 
Wenn  v.  Ranke  (WG.  VI,  1  S.  126)  in  der  Ernennung  Drogos  ein  um- 
fassendes Ziigoständnis  sieht,  durrh  welches  die  Aktion  des  Papsttums  jenseits 
der  Alpen  wesentlifh  geschmälert  wurde,  so  kann  ich  diesem  Urteil  nicht  zu- 
stimmen: die  angeführte  Stelle  zeigt  zum  mindesten,  dass  man  in  Rom  der 
Sache  eine  andere  Wendung  gab. 

3)  Karl  d.  K.  war  von  Anfang  an  nicht  geneigt,  es  anzuerkennen,  vgl. 
conc.  Vern.  fa.  844)  can.  11   (M.  G.  Cap.  II  S.  385). 

4)  S.  rüe  Schreiben  .I.W.  2589  u.  2-591. 

5)  Ann.  Bert.  z.  .1.  847  S.  35. 

6)  Leo  IV.  847—855,  Benedikt  III.  855—858. 

7)  Ludwig  II.   erhielt  Italien    mit  der  Kaiserwürde;    er    war    8.50    von 


—     517     — 

Dass  der  Kaiser  ein  gewisses  Herrscherrecht  über  die  Stadt 
Rom  hatte,  wurde  nicht  geleugnet:^)  bei  manchen  Staatsakten 
nannte  man  den  kaiserhchen  Namen;-)  es  galt  als  selbstverständlich, 
dass  die  Römer  ihm  schwm'en,'^)  sogar  dass  der  Papst  ihm  ver- 
antworthch  sei,  wm'de  eingeräumt.*)  Aber  thatsächlich  war  der 
Papst  der  einzige  HeiT,  besonders  der  einzige  Verteidiger  Roms.^) 
Wähi'end  das  kaiserHche  Gericht  in  der  Stadt  aufgehört  hatte, 
hielt  er  im  Lateran,  umgeben  von  den  römischen  Grossen,  regel- 
mässige Gerichtssitzungen.  '^)  Leo  IV.  war  der  erste  Papst,  der  ein 
bewaffnetes  Gefolge  um  sich  schaaite ;  ^)  das  war  nicht  nur  Spielerei. 


Leo  IV.  gesalbt  worden.     Lothar  IL  bekam  den  nördlichen,    Karl  den  süd- 
lichen Teil  des  fränkischen  Besitzes. 

1)  Dass  Kaiser  Ludwig  IL  in  Italien  residierte,  bewirkte  nicht,  dass 
er  häufiger  in  Kom  erschien  als  seine  Vorfahren.  In  den  25  Jahren  von  seiner 
Kaiserkrönung  bis  zu  seinem  Tode  war  er  nur  viermal  daselbst.  Wie  es 
mit  seiner  Herrschergewalt  stand,  lernt  man  aus  dem  gerade  hier  unver- 
verwerflichen  Zeugnis  des  libellus  de  imp.  pot.  (M.  G.  Scr.  III  S.  721):  Qui 
—  seine  Anhänger  —  suggerebant  illi  repei'te  antiquam  imperatorum  do- 
minationem;  et  nisi  ob  reverentiam  b.  apostolorum  dimitteret,  pro  certo 
faceret. 

2)  V.  Leon.  IV.  69  S.  123:  bei  der  Befestigung  der  Leostadt;  80  S.  126: 
bei  der  Ansiedelung  der  Corsen  in  Porto;  90  S.  129:  bei  der  römischen 
Synode  von  853. 

3)  Das  liegt  in  der  gewundenen  Phrase  der  V.  Leon.  8  S.  107;  vgl. 
das  1.  Fragment  der  britt.  Sammlung,  wenn  hier  nach  Ewalds  wahrscheinlich 
i-ichtiger  Vermutung  zu  lesen  ist:  id  quod  nulli,  ut  bene  nosti,  licet  nisi 
imperatori  aut  pontifici  perpetrare,  ep.  Leon.  1.  S.  585. 

4)  J.W.  2646. 

5j  Wie  vorsichtig  Leo  verhütete,  dass  die  kaiserliche  Unterstützung 
gegen  die  Sarazenen  nicht  zur  Aufrichtung  der  kaiserlichen  Macht  in  der 
Stadt  benützt  wurde,  zeigt  der  v.  Leon.  49  S.  117  f  berichtete  Vorgang. 
Man  begreift  das  angesichts  des  Interesses  Lothars  für  Wiederherstellung 
Roms  (s.  das  zuerst  von  Maassen,  Wiener  SB.  46  S.  68  ft'.,  bekannt  gemachte 
Kapitular,  203,  7  S.  66).  Die  Anschauung  seines  Biographen  zeigt  die 
Stelle  c.  81  S.  127:  Plus  defensionem  diligens  patriae  et  plebis  securitatem 
commissae  quam  lucra  temporalia  et  caduca.  Welche  Wünsche  in  der  Um- 
gebung des  Papstes  laut  wurden,  ersieht  man  aus  110  S.  134;  freilich  ist 
auch  dieser  Bericht  tendentiös.  Dass  Gratian  weder  so  unschuldig  noch  so 
ungefährlich  war,  als  der  Biograph  behauptet,  ergiebt  das  Fragment  der 
coli.  Brit.  1  ep.  Leon.  1  S.  585. 

6)  Leon.  ep.  23  S.  599. 

7)  Ib.  17  S.  596  an  den  Iudex  Sardiniae:  Sardos,  sive  pueros  sive 
adultos  ac  iuvenes,  cum  armis  suis  mandare  dignemini,  qui  nobis  in  coti- 
diano  obsequio  iussa  explere  possint. 


—     Ö18     — 

Noch  honte  erinnert  der  Nunie  der  Ijeosttidt  an  das,  was  er  für 
die  Sicherlieit  und  den  Schutz  Roms  geleistet  hat.^) 

Es  blieb  unbestritten,  dass  dem  Kaiser  die  Untersuchung  der 
Rechtmässigkeit  der  Papstwahl  zustehe.-)  Aber  thatsächlich  hatte 
er  keinen  Einfluss  auf  sie.  Leo  IV.  wurde  in  bewusstem  Unge- 
hoi-sam  gegen  den  Kaiser  konsekriert.  ohne  dass  die  Erlau])nis 
Lothars  eingeholt  worden  wäre.=')  An  Benedikt  IIL  aber  hielten 
die  Römer  fest,  trotz  des  Widerspruchs  der  kaiserhchen  Ge- 
sandten.'*) 

Die  Einwirkung  des  Kaisers  auf  innerkirchliche  Angelegen- 
heiten war  nicht  abgeschnitten;'^)  aber  man  bemerkt  sie  nur  in  ver- 
einzelten Fällen;  sie  tritt  ausnahmsweise  ein.  Dagegen  war  der 
Papst  Heri-scher  über  die  Kirche  diesseits,  wie  jenseits  der  Alpen. 


i)  V.  Leon.  69 f  S.  123;  freilich  unterstützte  ihn  der  Kaiser  durch 
Geldgaben. 

2)  L.  c.  6  S.  107.  Schrieb  der  Papst  an  Lothar  und  Ludwig:  Jnter 
no8  et  vos  pacti  serie  statutum  est  et  confirmatum,  quod  electio  etconfirmatio 
futuri  Romani  pontificis  non  nisi  iuste  et  canonice  fieri  debeat  (J.W.  2652), 
80  zeigt  das,  dass  Verhandlungen  über  die  Konsekration  stattfanden;  auf- 
fällig ist,  dass  das  Bestätigungsrecht  des  Kaisers  nicht  ausdrücklich  erwähnt 
ist.  Sollte  hier  die  Phrase  wiederholt  sein,  zu  der  sich  Sergius  II.  i.  J.  844 
verstand  (s.  o.  S.  513)?     V.  Bened.  III.  6  S.  141. 

3)  V.  Leon.  6.  S.  107:  vgl.  Müller  Pr.  RE.^,  Vlll  S.  569;  Dopffel 
(S.  120)  lässt  sich,  wie  mich  dünkt,  zu  sehr  von  der  apologetischen  Dar- 
stellung der  Biographie  beeinflussen.  Die  Hauptsache  ist  nicht,  dass  die 
Römer  —  in  Worten  —  das  kaiserhche  Recht  anerkannton,  sondern  dass  sie 
es  in  der  That  verletzten. 

4)  Die  Darstellung,  welche  das  Papstbuch  6ff.  S.  141  ff.  von  den  Vor- 
gängen und  besonders  von  dem  Verhalten  der  kaiserlichen  (Gesandten  giebt, 
ist  völlig  undurchsichtig,  um  so  durchsichtiger  ist  die  Absicht,  Benedikts 
Wahl  über  jeden  Zweifel  zu  erheben.  Ich  lasse  deshalb  alles  einzelne 
dahingestellt  und  halte  mich  an  die  von  dem  Biographen  l)erichteton,  aber 
künstlich  beleuchteten  That.'iachen,  dass  Bonedikts  Wahl  widersprochen  war, 
und  dass  sein  (iegner  Anastasius  sich  auf  die  kaiserlichen  (icsandten  stützte. 
Zieht  man  die  Thatsache  in  Betracht,  dass  Anastasius  schon  unter  Leo  IV. 
als  Kandidat  des  päpstlichen  Amtes  galt,  und  dass  dieser  von  den  Kaisern 
vergeblich  seine  Auslieferung  gefordert  hatte  (Mansi  XIV,  1026),  so  liegt 
die  Annalime  nahe,  da.^s  Anastasius  kaiserlichorseits  begünstigt  wurde  in  der 
J>wartung,  er  werde  mit  der  bisherigen  römischen  Politik  brechen.  Doch 
wäre  eine  solche  Annahme  nicht  sicher  genug.  Auf  Anastasius  wird  sich 
auch  das  30.  Fragment  der  coli.  Brit.  beziehen  (S.  602). 

5)  Leo  bittet  um  ?>Iaubnis  zur  Konsekration  des  Diakon  Colonus  zum 
Bischof  von  Rieti  oder  Asfoli,  je  nach  «ler  Bestimmung  Lothars  und  Ludwigs, 
ep.  19  S.  507,  er  ersucht  um  die  Genehmigung  zur  Reise  des  Krzbischofs 
Rolland  von  Arles  nach  Rom  (ep.  2  S.-  586). 


—     öl  9     — 

Lothar  erkannte  ihn  nniimwundeu  in  dieser  Stellung  au.  Die  gött- 
liche Vorsehung,  schrieb  er  an  Leo  lY.,  habe  zu  dem  Zwecke  den 
Primat  eingesetzt,  dass  man  in  allen  kirchlichen  Angelegenheiten 
zu  ihm  als  der  Norm  der  Rehgion  und  als  dem  Quell  der  Ge- 
rechtigkeit seine  Zuflucht  nehme.  ^)  Man  hat  das  gerade  Gegenbild 
der  Briefe  Hadrians  an  Karl,  wenn  nun  der  Kaiser  dem  Papste 
versichert,  er  stelle  seinen  "Wunsch  in  des  Papstes  Urteil  und  Be- 
lieben.-)  wenn  er  ihm  pflichtmässigen  Gehorsam  und  dankbare 
Gegenleistung  für  die  Gewähi-ung  verheisst.  ^)  Noch  massloser 
äusserten  sich  die  fränkischen  Bischöfe  über  die  Pflicht  des  Ge- 
horsams gegen  den  Papst:  Wer  ihn  verachtet,  der  eiTeicht  den  Höhe- 
punkt der  Sünden,  ki^änkt  die  ganze  Christenheit,  versündigt  sich  an 
den  Aposteln,  deren  Füi'st  Petrus  ist,  schhesst  sich  aus  von  der 
Gemeinschaft  der  Kirche,  sein  Ort  ist  die  Hölle.*) 

Begreiflich,  dass  der  Papst  als  HeiTscher  handelte.  Er  ge- 
währte oder  versagte  nach  seinem  Gutdünken  die  Wünsche,  welche 
die  Fürsten  an  ihn  brachten.')  Dass  es  ihm  zustehe,  in  allen  An- 
gelegenheiten die  letzte  Entscheidung  zu  geben,  dai'an  wurde  un- 
verrückt festgehalten.*^)     Die  Giltigkeit  päpstlicher  und  kaiserlicher 


1)  Mansi  XIV  S.  884,  wahrscheinlich  851,  s.  B.M.  1115. 

2)  L.  c.  S.  885.  Langen,  G.  d.  r.  K.  S.  831 ,  verändert,  wie  mich 
dünkt,  den  Sinn  des  kaiserlichen  Schreibens,  wenn  er  übersetzt:  Nun 
müsse  der  Papst  durch  Übersendung  des  Palliums  dem  die  Würde  zu- 
erkennen etc.  Der  Ton  des  Originals  ist  weit  weniger  befehlend:  Cuius 
petitionem  recto  et  absolute  iudicio  implendam  existimavimus,  praesertim 
cum  gesta  synodalia  .  .  novimus,  quae  etiam  et  antecessori  vestro  mitti 
debuerunt,  destinanda  vobis  ipsius  cura  decrevimus,  quoniam  sanctitatem 
vestram  eius  honori  consentire  decet,  cui  plenitudinem  episcoporum  favere 
cognoscitis.  Ilaque  iudicio  sententiaeque  vestrae  petitionem  iam  dicti 
archiepiscopi  .  .  committentes  etc. 

3)  L.  c. 

4)  Schreiben  der  fränkischen  Bischöfe  an  den  bretonischen  Herzog 
Nomenoius  (Mansi  XIV  S.  923—925). 

5)  Leo  IV.  gewährte  auf  Bitten  Lothars  Hinkmar  das  Pallium,  lehnte 
aber  seine  Ernennung  zum  Päpstlichen  Vikar  ab  (ep.  12  S.  590f.)  Dem 
Bischof  Alteus  von  Autun  das  Pallium  zu  erteilen,  weigerte  er  sich  (ep.  85 
S.  604):  man  vgl.  das  Verfahren  Gregors  I.  in  einem  ähnlichen  Pall  (J.W.  1491). 
Er  lehnte  die  Fürsprache  Lothars  für  drei  Verurteilte  ab  (1.  c.  2638).  Die 
Gründe  im  einzelnen  sind  nicht  immer  durchsichtig;  man  mag  sich  an  das 
Urteil  des  Servatua  Lupus  erinnern:  Apostolici  (eben  Leos)  notitia  indigebo, 
ea  vero  sine  munerum  intercessione  iniri  commode  non  potest  (ep.  82 
S.  154). 

6)  Ep.  3  ff.  S.  586 f.;  10  f.  S.  589;  22  S.  598;  37  f.  S.  605  f.;  Mansi 
XIV  S.  887;  Flod.  H.  Rem.  eccl.  III,  11  S.  486;  Mansi  XV,  S.  111. 


—     520     — 

Dekrete  stellte  man  auf  gleiche  Linie.^)  Besonders  aber:  die  Päpste 
trugen  eine  Auttassung  ihres  Amts  V(n',  durch  welche  die  Unter- 
ordnung des  Papsttums  unter  eine  weltliche  Macht  ausgeschlossen 
war.  Die  päpstliche  AVürde,  erklärte  Leo  IV.  dem  König  Ludwig, 
habe  er  zu  dem  Zweck  übernommen,  um  für  alles,  was  in  der 
Welt  geschieht,  Sorge  zu  tragen  und  die  Zwiespältigen  zur  Eintracht 
zurückzurufen.  Entschlage  -er  sich  dieser  Pfücht  und  unterlasse 
er,  das  Schlechte,  das  er  irgendwo  wahrneinne,  ki'aft  apostohscher 
Autorität  zu  bessern,  so  würde  Gott  Kechenschaft  von  ihm  fordern.-) 
Benedikt  III.  aber  urteilte  ganz  in  Übereinstimmung  damit,  kein 
Mensch  könne  zweifeln,  dass  er  verpHichtet  sei,  für  das  Heil,  den 
Frieden  und  die  Hube  aller  Gläubigen  Sorge  zu  tragen,  damit  das 
Schlechte  gebessert,  das  Rechte  gestärkt,  das  Verderbte  erneuert 
und  das  Gute  bewahrt  werde.  Am  gewichtigsten  sei  diese  PHicht 
dem  fränkischen  Reiche  gegenüber,  da  es  mit  Italien  zu  einem 
Kaisertum  vereinigt  sei.  und  die  Erhabenheit  der  römischen  Kirche 
verbunden  mit  der  weltlichen  Gewalt  das  Regiment  beider  Länder 
nach  gleichem  Rechte  führe:  die  Herrscher  schützten  ihre  Befehle 
dui'ch  Verordnungen  der  römischen  Kirche  und  die  kirchlichen 
l{('(hte  würden  durch  die  Vorschriften  der  Herrscher  unterstützt.'') 
Hier  wari'U  i)äpstliche  und  kaiserhche  Macht  kaum  mehr  neben 
einander  gestellt:  die  erstere  erhob  sich  schon  mäclitig  über  die 
letztere.'*)  Als  Benedikt  so  schrieb,  waren  fünfundfünf/ig  .lahi'e 
seit  der  Krönung  Karls  d.  Gr.  verflossen.  Ein  hall)es  .Jahrhundert 
hatte  genügt,  um  von  der  Stellung,  die  er  in  der  Kirche  einnahm, 
nur  noch  vereinzelte  Reste  übrig  zu  lassen.  Die  Form  war  ge- 
geblieben, das  Wesen  war  geändert. 

Innerhalb  des  fränkischen  Reiches  wirkten  natürlich  die  älteren 
Zustände  und  Anschauungen  viel  stärker  fort.  Hier  konnte  man 
nach  wie  vor  Äusserungen  hören,  welche  die  kirchliclien  Rechte 
des  Königs  in  altei-  AVeise  bestimmten.  AVie  Ludwig  d.  Fr.  im 
Jahre  82;')  erklärte,  dass  er  verpflichtet  sei,  fiir  die  Kirche  Gottes 
Sorge  zu  tragen,'*)  so  wiederholten  im  Jalu'e  844  die  unter  Drogos 

1)  .I.W.  2643,  an  den  Kaiser  Lothar. 

2)  ?:p.  10  8.  .589;  vgl.  39  S.  606:  Si  fortassis  apud  vos  (Karl  d.  K.) 
inutiles  iudicamur,  ecclesia  tanion,  cui  praesumus,  non  inutilis  sod  caput 
principiumrjue  omniiim  merito  simul  ab  omnibus  vocatur. 

3)  Urkunde  für  Corbie,  J.W.  2663.  Ks  entspricht  dieser  Anschauung, 
dass  päpstliche  Bitten  und  Befehle  gleichwertig  sind  (ep.  4  S.  587). 

4)  Es  ist  bemerkenswert,  dass  Leo  IV.  einen  englischen  Prinzen  mit 
der  Ehre  des  Konsulats  beschenkte,  eo  quod  in  nostris  se  tradidit  manibua 
(ep.  31  S.  602). 

o)  Cap.  1.50,  2  I  S.  .303. 


—     521     — 

Vorsitz  zu  Juditz  bei  Diedenliofen  versammelten  Bischöfe  die  alten 
Wendungen,  dass  den  Königen  die  Kirche  zur  Leitung  übergeben 
mid  dass  sie  durch  den  Dienst  der  Fürsten  aus  ihrem  Verfall 
wieder  hergestellt  sei.^)  Aber  es  ist  doch  bezeichnend,  dass  das 
Wort  von  der  Verbindung  königHcher  und  priesterlicher  Macht  im 
Herrscher,  das  man  früher  unbedenklich  gebrauchte,  jetzt  abgelehnt 
wurde:  Christus  allein  kann  mit  Recht  als  König  und  Priester  be- 
zeichnet werden.-) 

In  vieler  Hinsicht  erscheint  die  Einwirkung  der  Fürsten  auf 
die  kirchhchen  Angelegenheiten  kaum  gemindert:  Ihr  Recht,  die 
Bischöfe  zu  ernennen  oder  im  Falle  der  Wahl  diese  zu  prüfen  und 
zu  bestätigen,  übten  sie,  ohne  dass  es  ernstlich  angefochten  worden 
wäre.^)  Das  Gericht  über  die  Bischöfe  wm'de  zwar  regelmässig  auf 
Grand  eines  Sjoiodalurteils  gelallt.  Aber  das  hinderte  nicht,  dass 
der  König  Eichter  war.*)  Wenn  die  Synoden  auch  nicht  mehr 
wie  unter  Karl  lediglich  Versammlungen  waren,  die  der  König 
berief,  um  ihr  Gutachten  zu  hören,  so  wurde  doch  das  Recht  des 
Königs  Synoden  zu  berufen,  an  ihren  Beratungen  Anteil  zu  nehmen 
und  ihr  Beschlüsse  bekannt  zu  geben,  nicht  beseitigt:  im  Oktober 
844  beriefen  die  drei  Herrscher  Lothar  I.,  Ludwig  d.  D.  und 
Karl  d.  K.  gemeinsam  die  eben  erwähnte  Synode  von  Juditz  bei 
Diedenhofen;  sie  ernannten  Drogo  zum  Vorsitzenden,  die  Beschlüsse 


1)  Cap.  227  II  S.  113. 

2)  L.  c.  S.  114:  Nostis,  ab  illo,  qui  solus  merito  et  rex  et  sacerdos 
fieri  potuit,  ita  ecclesiam  dispositam  esse,  ut  pontificali  auctoritate  et  regali 
potestate  gubernetur.  Vgl.  Serv.  Lup.  ep.  39  S.  103:  Rex  regum,  idemque 
Sacerdos  sacerdotum,  qui  solus  potuit  ecclesiam  regere,  quam  rederait,  .  . 
potestatem  suam  ad  eandem  gubernandam  ecclesiam  in  sacerdotes  divisit 
et  reges. 

3)  Die  Pariser  Synode  von  829,  die  bischöfliche  Vorstellung  von  829, 
auch  die  Synode  von  Juditz  i.  J.  844  erkennen  die  königlichen  Rechte  direkt 
an,  Mansi  XIV  S.  601;  Cap.  196,  57  II  S.  48  und  Cap.  227,  2  II  S.  114: 
episcopos  a  Deo  datos  et  a  vobis  regulariter  designatos  et  gratia  s.  Spiritus 
consecratos  accipiant.    Über  die  thatsächlichen  Verhältnisse  s.  u.  Kap.  2. 

4)  Ann.  Einh.  z.  818  S.  148  von  den  an  der  Empörung  Bernhards  mit- 
schuldigen Bischöfen,  Anshelm  von  Mailand,  Wolfold  von  Cremona  und 
Theodulf  von  Orleans:  Episcopos  synodali  decreto  depositos  mouasteriis 
mancipari  (imperator  iussitj;  vgl.  Theg.  V.  Hlud.  22  Scr.  II  S.  596;  chron. 
Moiss.  z.  817  S.  312  f.  zeigt  übrigens,  dass  bei  dem  Synodalurteil  nicht  an 
eine  ordnungsmässige  Synode  gedacht  werden  darf.  Theg.  V.  Hlud.  37 
S.  598  Absetzung  Jesses  von  Amiens  830.  V.  Hlud.  54  S.  640,  Flod.  Bist. 
Rem.  eccl.  II,  20  Scr.  XIII  S.  471  f.  Absetzung  Agobai'ds  und  seiner  Genossen 
835.     Über  Ebo  vgl.  o.  S.  508. 


—     522     — 

wurden  ihnen  vorgelegt  und  von  ilinen  gebilligt.^)  Die  Main/er 
Synode  von  S47  fand  auf  Anordnung  Ludwigs  d.  D.  statt;  der 
Vorsitzende,  Hraban,  sandte  ihre  Beschlüsse  ebenfalls  dem  Könige 
zu.-)  Auch  bei  den  Mainzer  Synoden  von  848  und  852  wird  des 
Befehls  des  Königs  gedacht.'^)  Nicht  anders  handelte  Karl  d.  K. 
in  Frankreich.^)  So  ernstlich  wurde  das  Bestätigungsrecht  noch 
geftisst,  dass  Karl  d.  K.  von  S3  Beschlüssen  der  Synoden  von  Meaux 
S45  und  Paris  S4()  nur  neunzehn  bestätigte.'')  Endlich  felilten 
jetzt  so  wenig  als  unter  Karl  und  Ludwig  Verfügungen  der  Herrscher 
über  das  Kirchengut,*')  die  zwar  als  Eingriff  in  das  eigene  Recht 
empfunden  wurden,  deren  Ausführung  aber  mau  nicht  zu  verweigern, 
deren  relative  Berechtigung  man  nicht  zu  leugnen  wagte.') 

Aber  es  gab  eine  Partei  in  der  fränkischen  Kirche,  welche 
dies  alles  als  Unrecht  betrachtete.  Sie  war  der  Überzeugung,  dass 
der  Einfluss  der  staatlichen  Gewalt  auf  die  kirchlichen  Dinge  be- 
seitigt und  die  Unal)hängigkeit  der  Kirche  wieder  hergestellt  werden 
müsse,  dass  deshalb  die  unbeschränkte  Hen-schaft  des  Papstes  über 
die  Kirche  notwendig  sei.  Zeuge  von  ihrer  Existenz  und  von  den 
Anschauungen,  welche  sie  vertrat,  sind  drei  erdichtete  Rechtsquellen: 
die  sog.  Kapitel  Angilrams,  die  Kapitulariensammlung  des  Bene- 
dikt us  Levita  und  die  pseudo-isidorischen  Dekretalen.^) 


1)  Cap.  227  II  S.  113. 

2)  Cap.  248  II  S.  173. 

3)  Mansi  XIV  S.  91-5  und  Cap.  249  II  S.  184. 

4)  843  Synode  zu  Coulaines  bei  Le  Mans  in  seiner  Gegenwart,  Cap. 
254  II  S.  253;  ebenso  844  in  Toulouse  1.  c.  255  S.  256;  in  demselben  Jahre 
7.U  Vemeuil  auf  Hofehl  des  Königs,  1.  c.  291  S.  382  und  zu  Beauvais,  1.  c.  292 
S.  387,  845  zu  Meaux  und  846  zu  Paris  1.  c.  293  S.  388. 

5)  L.  c.  2.-i7  S.  260. 

6)  Vgl.  z.   13.  Ann.  Bort.  z.  J.  836,  858,  876,  877. 

7)  Vgl.  Syn.  ludic.  .">  S.  115:  Consideravimus  .  .  secundum  indulgen- 
tiam  non  secundum  imporium,  ut,  si  (monastoria)  propter  iiiiminontom  roi 
publirao  necessitatem  laicis  Interim  cominittuntur,  für  den  Fortbestand  der 
Kongregation  Sorge  getragen  werde. 

8)  Über  die  verwickelte  Frage  nach  dem  Ursprünge  des  in  Betracht 
kommenden  pseudepigraphischen  Schriftenkreises  begnüge  ich  mich  zu 
bemorkon,  1.  dass  ich  der  Annahme  zustimme,  nach  welcher  die  drei  Fäl- 
schungen von  einem  Verfasser,  oder  wie  e.s  wahrsclminlicher  ist,  von  den- 
selben Verfassern  herstammen.  2.  Dass  ich  deshalb  der  Ansicht  bin,  dass 
die  Frage  der  Priorität  des  einen  oder  des  andern  Buchs  nicht  reinlich 
gelöst  werden  kann.  Mögen  die  falschen  Dekretalen,  wie  schon  nach  ihrem 
umfasHondoren  Zweck  wahrscheinlich  ist,  jünger  sein  als  die  Kapitel,  so  bleibt 
doch  die  Möglichkeit,  dass  nachträglich  noch  Finsrhübe  in  die  letzteren 
aus  den  ersteren  stattfanden.     Dass  dies  bei  den  Kapiteln  und  Kapitularien 


f^9Q 


—     52,- 

Es  ist  nicht  wahrscheinlich,  dass  man  je  zu  einer  einmütig 
gebilligten  Ansicht  über  die  Urheber  dieser  Werke  gelangt;  es  fehlt 
an  unzweideutigen  Spuren,  die  sie  verrieten.  Aber  mögen  auch 
die  Namen  der  Fälscher  immer  verborgen  bleiben,  der  Kreis,  dem 
sie  angehörten,  ist  nicht  verborgen.  Es  ist  jene  streng  kirchliche 
Partei,  deren  Entstehung  unter  Ludwig  d.  Fr.  wir  bemerkten.  Man 
kann  ihre  Entwickelung  nicht  im  einzelnen  verfolgen.  Aber  dass 
sie  vorhanden  war,  machte  sich  in  der  späteren  Zeit  stets  bemerk- 
lich. Nicht  wenige  Kleriker  hingen  ihr  an:  ein  Mann,  der  die 
Verhältnisse  genau  kannte,  hat  geurteilt,  dass  sie  in  der  zweiten 
Hälfte  des  neunten  Jahrhunderts  im  fränkischen  Reiche  zahlreichere 
Gesinnungsgenossen  hatte  als  selbst  in  Rom.')  Auf  die  Frage,  was 
sie  für  nötig  hielt,  damit  ihr  Ziel,  Unabhängigkeit  der  Kirche  von 
der  staatlichen  Gewalt,  erreicht  werde,  geben  die  Fälschungen,  die 
sie  produzierte,  eine  völhg  klare  Antwort. 

Der    Zweck    der   Kapitel    Angilrams^)    ist,    Anklagen    gegen 

wirklich  der  Fall  war,  ist  höchst  wahrscheinlich.  Die  Fälschungen  sind  ja 
offenbar  lange  vorbereitet  und  wohl  überlegt  ausgeführt;  die  gleichzeitig 
an  das  Licht  tretenden  Werke  sollten  sich  gegenseitig  stützen.  Der  von 
Maassen  (Wiener  SB.  109  S.  801  ff.)  geführte  Nachweis,  dass  die  Hispana 
der  Handschrift  von  Autun  durch  Pseudo-Isidor  bearbeitet  ist,  und  den 
falschen  Dekretalen  die  Wege  bereiten  sollte,  beweist,  wie  umsichtig 
man  die  Fälschung  vorbereitete.  3.  Dass  ich  es  nicht  für  wahrscheinlich 
halte,  dass  die  Fälschungen  durch  die  Absicht  veranlasst  wurden,  in 
irgend  einem  bestimmten  Fall  einer  bestimmten  Persönlichkeit  zu  Hilfe 
zu  kommen.  Die  westfränkischen  Verfasser,  welche  die  Autorität  von 
Rom,  Mainz,  Metz  und  Spanien,  die  Namen  Hadrians,  Angilrams,  Riculfs, 
Otgars  und  Isidors  auf  das  Feld  führten,  wollten  nicht  einen  augenblick- 
lich bedrängten  Genossen  unterstützen ,  sondern  die  Anerkennung  kirch- 
licher Ansprüche  erleichtern,  welche  bereits  erhoben  waren.  4.  Dass  ich 
den  Ursprung  im  westlichen  Reiche  für  sicher  halte;  denn  dort  waren  die 
Gegensätze  am  gespanntesten,  dass  ich  aber  glaube,  dass  jede  Näher- 
bestimmung unbeweisbar  ist.  5.  Dass  ich  den  zeitlichen  Ansatz,  entstanden 
um  850,  für  unanfechtbar  halte,  dass  ich  aber  glaube,  dass  Bearbeitung 
und  Publikation  über  eine  Reihe  von  Jahren  sich  ausdehnten.  Der  Tod 
Otgars  847  und  die  Rheimser  Diözesanstatuten  vom  1.  November  852 
(vgl.  c.  11  Migne  125  S.  775  und  Steph.  pap.  ep.  1,  3  S.  183)  büden  die 
Grenzjahre  für  die  Publikation,  die  Bearbeitung  kann  aber  höher  hinauf 
reichen. 

1)  Anast.  ep.  3  ad  Adon.  (Migne  129  S.  742):  Scio  quia  licet  apud 
nos  paucos,  apud  vos  tamen  reliquit  sibi  dominus  plurimos  qui  non  cur- 
vaverunt  genua  ante  Baal.  Der  Brief  ist  unmittelbar  nach  dem  Tode  Niko- 
laus I.  geschrieben. 

2)  Ich  zitiere  nach  Hinschius,  Decretales  Pseudo  -  Isidorianae  1863 
S.  757  ff.     Zur  Litteratur   verweise  ich    auf  die  S.  531  Anm.  2  angeführten 


—     524     — 

Bischöfe  möglichst  zu  ei-schweren  und  tlas  Urteil  ül)er  sie  aus- 
schliesslich dem  geistheheu  Gericht  zuzuweisen.  Das  entsprach  den 
Tendenzen  des  fränkischen  Episkopats.  ^  Schon  Ebo  hatte  in  seiner 
Veiteidigungsschrift  sich  dagegen  erhoben,  dass  das  Gericht  über 
die  Prälaten  im  wesentlichen  noch  in  der  Hand  des  Königs  lag. 
Er  erklärte  das  über,  ihn  gefiUlte  Urteil  für  ungereclit,  weil  es  im 
Hofgericht,  nicht  vor  einer  Synode  erlassen  sei :  -)  er  forderte  also 
ein  rein  geistliches  Gericht.  Denselben  Antrag  richtete  der  Epis- 
kopat auf  der  Aachener  Synode  des  Jahres  S3(i  an  den  Kaiser. 
Es  ist  unverkennbar,  dass  die  Vorgänge  des  Jahres  885  dazu  den 
Anlass  gaben.  Die  Bischöfe  sahen  darin  eine  Gefahr  für  ihren 
Stand;  sie  verlangten  Untersuchung  vor  der  Synode  und  Uiteil  über 
den  Schuldigen  nach  dem  kanonischen  Recht. ■^)  Stellt  man  ihrem 
Antrag  den  Inhalt  der  Kapitel  gegenüber,  so  erscheint  der  letztere 
wie  eine  Kttiiektur  des  zu  massvollen  Synodalbeschlusses.  ]\fau 
muss,    so  erklärten   die  Bischöfe,    den  Ei)iskopat   ehren  um  dessen 


Werke  über  Pseudo-lsidor;    Richter-Dove,  KR.  8.  Aufl.  S.  87  flf.,    Hinsohius, 
1.  c.  p.  CLXIII  und  P.  RE.  F  S.  523  f.,  Friedberg,  KR.  4.  Aufl.  S.  109. 

1)  Vgl.  oben  S.  508  über  die  Verurteilung  Ebos. 

2)  Ebon.  apologet.  Migne  116  S.  13:  Ductus  mundano  inipetu,  cora- 
pulüUü  ad  tribunal  palatinum  non  ad  synodalem  sanctorum  conventum,  quo 
violenter  non  licet  trahi,  sed  magis  liberum  canonice  convocari  episcopum ; 
vgl.  auch  den  gefälschten  Brief  (iregora  IV.  M.G.  Ep.  V  S.  82,  wo  derselbe 
Gedanke  ausgesprochen  ist :  A  mundana  potentia  vobis  adductus  est  discu- 
tiendus  vel  deponendus. 

3j  C.  III,  7  Mansi  XIV  ü.  089:  Didicimus  sane  nonnullos  episcoporum 
a  quibusdam  pt^rsonia  clam  temeraria  dntractione  accusatos  at(iue  detractos. 
sine  approbatione  tarnen,  in  causis  reprehunsibilibus,  quae  pontiticatus 
ordini  non  congruere  visae  sunt,  si  approbatae  fuerint.  Idcirco  obnixe 
precamur,  ut  si  aliquis  deinceps  aecusator  aunisus  fuerit  aliqueni  excessum 
in  episcopali  ordine  rite  reprehendere  et  ad  aures  imperiales  perducere,  ut 
non  facile  per  cuiuscunque  pcrsonam  officium  tanti  ministerii  aliquo  vile- 
scere  videatur.  Ai'cubator  itaijue  uti,  sicut  hactenus,  delitescendo  se  «ub- 
trahere  locuni  non  habeat,  sed  neque  accusatus;  huius  rci  veritaa  synodali 
conventoi  pateat,  ibidemque  omni  occasione  remota  utrorum  oxaminatio 
secundum  veritatem  examinetur,  ut  quod  quiscjue  meretur,  accusatus  vide- 
licet,  sive  aecusator,  pro  merito  canonicae  disciplinae  subiaceat  .  .  Licet 
enim  sacerdotes  moderno  tem}»oro  i)ropter  imminentes  perturbationes  in 
niultia  sint  negligentes,  non  sunt  tarnen  vituperandi  nee  despiciendi,  sed 
jiropter  illum,  cuius  ministerium  gerunt,  audiendi  et  congruo  honore  vene- 
randi.  Post  apoatolos  enim  ad  i[»sos  haec  domini  sententia  dirigitur:  Qui 
V08  audit,  nie  audit,  et  qui  vos  spernit,  me  spernit.  (juapropter  attenden- 
dum  est,  quod  sacerdotum  Christi  spretio  ad  iniuriam  Christi  pertinet,  cuius 
vicem  et  ministerium   gerunt. 


—     525     — 

willen,  dessen  Amt  er  trägt.  Wer  einen  Bischof  anklagt,  so  ruft 
dagegen  der  Fälscher,  der  klagt  die  Ordnung  Gottes  an.')  Jene 
wollten  Aerhindern.  dass  mau  sie  insgeheim  bei  dem  Kaiser  ver- 
klage; der  Fälscher  wollte  bewirken,  dass  man  sie  überhaupt  nicht 
verklage:  deshalb  zieht  er  einen  älteren  Synodalbeschluss  herbei, 
nach  welchem  jeder  Klage  eine  private  Besprechung  mit  dem 
Bischöfe  vorausgehen  sollte."-)  Die  Synode  setzte  voraus,  dass  jeder- 
mann als  Kläger  gegen  einen  Bischof  auftreten  könne:  der  Ano- 
nymus aber  erinnert  sich  einer  Bestimmung  der  Synode  von  Chal- 
cedon,  welche  nur  unbescholtene  Kläger  zuliess.'')  Die  Synode  ver- 
langte, dass  der  Kaiser  die  Klagen  den  S\Tioden  zuweise;  in  den 
Kapiteln  ist  die  Berufung  der  Synode  durch  die  kirchlichen  Oberen 
gefordert.*)     Dort  ist  einfach  verlangt,  dass  Kläger  und  Beklagter 


1)  C.  1  S.  757. 

2)  L.  c:  Placuit  ut  si  quiscunque  persona  contra  episcopum  vel  auc- 
tores  ecclesiae  se  proprium  crediderit  habere  negotium,  prius  ad  eum  re- 
currat  caritatis  studio,  ut  familiari  colloquio  commonitus  ea  sanare  debeat, 
quae  in  querimoniam  deducuntur.  Quam  rem  si  deferre  voluerit,  sententiam 
suscipiat  excommunicationis,  et  reliqua.  Das  Kapitel  stimmt,  von  sachlich 
unwesentlichen  Änderungen  einzelner  Worte  abgesehen,  bis  deferre  voluerit 
mit  dem  17.  Kanon  der  5.  Synode  von  Orleans  überein.  Dann  heisst  es 
dort  weiter:  tunc  demum  ad  metropolitani  audientiam  veniatur,  wofür  der 
Fälscher  die  Drohung  mit  der  Exkommunikation  einsetzt. 

3)  C.  3  S.  758:  Placuit,  ut  semper  primo  in  accusatione  clericorum 
fides  et  vita  blasphemantium  perscrutetur.  Nam  fides  omnes  actus  hominis 
debet  praecedere,  quia  duhius  in  fide  infidelis  est.  Nee  eis  omnino  esse 
credendum,  qui  veritatis  fidem  ignorant  aut  non  rectae  conversationis  vitam 
ducunt,  quoniam  tales  facile  et  indifferenter  lacerant  et  criminantur  recte 
et  pie  viventes:  ideo  suspitio  eorum  discutienda  est  primo  et  corrigenda. 
Der  erste  Satz  entspricht  sachlich  dem  21.  Kanon  von  Chalcedon;  die  Form 
ist  jedoch  verschärft.  Die  Herkunft  des  zweiten  ist  nicht  nachgewiesen ; 
der  dritte  stammt  aus  dem  64.  Kanon  der  4.  Synode  von  Toledo,  lautet 
aber  dort:  Infix-mari  ergo  oportet  eorum  testimonium,  qui  in  fide  falsi  do- 
centur,  nee  eis  esse  credendum,  qui  veritatis  a  se  fidem  abiciunt;  gemeint 
sind  Juden,  die  das  Christentum  annahmen,  dann  aber  wieder  abfielen. 

4)  C.  4  S.  758:  Haec  sunt,  quae  .  .  conservari  firmissime  volumus  in 
saecula.  Si  quis  episcopus  ab  Ulis  accusatoribus,  qui  recipiendi  sunt,  fuerit 
aceusatus,  postquam  ipse  ab  eis  caritative  conventus  fuerit,  ut  ipsam  causam 
emendari  debeat  et  eam  corrigere  noluerit,  non  olim  sed  tunc  ad  summos 
primates  causa  eius  canonice  deferatur,  qui  in  congruo  loco  infra  ipsam 
provinciam  tempore  in  canonibus  praefixo  Nicenis  concilium  canonice  con- 
vocare  debebunt,  ita  ut  ab  omnibus  eiusdem  provineiae  episcopis  in  ea 
audiatur.  Die  Anordnung  nach  dem  7.  Kanon  der  3.  karth.  Synode :  Quis- 
quis  episcoporum  accusatur  ad  primatem  provineiae  ipsius  causam  deferat 
accusator. 


—     52(3     — 

gehört  würden:  hi(M-  ist  der  Beklagte  (liinli  verschiedene  Kautelen 
geschützt.')  A'on  dem  Appellationsrecht  des  Beklagten  war  in 
Aachen  nicht  die  Rede;  der  Compilator  glaubt  ausdrücklich  daran 
erinnern  zu  müssen.^) 

Das  Verhidtnis  der  Kapitel  zu  der  Forderung  der  Bischöfe 
ist  klai-.  Die  letztere  ging  dem  Verfasser,  oder  der  ganzen  Rich- 
tung, in  deren  Gesinnung  er  schriol).  nirlit  weit  genug:  man  erhob 
schärfer  geüisste  Ansprüch(!  und  man  war  überzeugt,  dass  ihr 
Recht  mit  den  Zuständen  der  kirchlichen  Vergangenheit  begründet 
werden  könnte.  Ich  möchte  nicht  behaujjten,  dass  der  Aachener 
Bescliluss  die  Sammlung  der  Kapitel  hervorgerufen  hat,  nicht  ein- 
mal dass  der  Fälscher  direkt  an  ibn  dachte;  man  erkennt  an  der 
Vei*schiedenheit  nur  das  allgemeine  Verhältnis:  was  die  Häupter 
des  fränkischen  Episkopats  Avollten,  genügte  den  Extremen  nicht: 
sie  waren,  dank  der  Thätigkeit  Karls  d.  Gr.  hinreichend  gelehrt, 
um  beweisen  zu  können,  dass  man  mehr  fordern  könne,  und  dank 
dem  verwildernden  Einfluss  der  Büi'gerkriege  waren  sie  gewissenlos 
genug,  um  durch  Fälschungen  nachzuhelfen,  wenn  die  echten  Be- 
weise fehlten  oder  nicht  ausreichten. 

Die  Stellung  Roms  in  der  Kirche  wird   in   den  Kapiteln  nur 


1)  L.  c:  In  qua  et  ipse  canonice  convocatus,  si  eum  aut  infirmitas 
aut  alia  gravis  necessitas  non  detinuerit,  adesse  debebit,  quia  ultra  pro- 
vinciae  terrainos  accusandi  ante  licentia  non  est,  quam  audientia  rogetur. 
Nam  si  suis  fuerit  rebus  exspoliatus,  aut  .  .  a  sede  propria  eiectus  aut  in 
detentione  aliqua  a  suis  ovibus  fuerit  sequestratus,  tune  canonice  antcquam 
in  pristino  restituatur  honore  et  sua  omnia  quae  ab  ineidiis  inimicorum 
suorum  ei  ablata  fuerant  redintegrentur,  [noc]  convocari  nee  iudicari  poterit, 
nisi  ipse  pro  sua  necessitate,  niinimc  tamon  iudicandus,  adveniro  sponte 
elegorit;  nee  omnino  a  quoquam  respondere  rogetur,  antequam  integerrime 
omnia  quae  .  .  amiserat,  potostati  eins  ab  honorabili  concilio  redintegrentur 
et  praesul  prius  statui  reddatur  et  ipse  dispositis  ordinatisque  libere  ac 
secure  suis  tunc  canonice  convocatus  ad  tempns  synodo  in  legitima  ac 
canonica  veniat  ad  causam,  et  si  ita  iuste  viiletur,  accusantiuni  j^ropositioni- 
1)U8  respondeat,  quia  contentio  semper  vitjinda  est  etc.  Die  Quollen  weist 
Ilinschius  im  einzelnen  nach.  Charakteristisch  ist  die  Verwertung  der  Sätze 
der  3.  römischen  Synode  unter  Symmachus  (Bruns  II  S.  291)  im  letzten 
Satze.  Dort  heisst  es:  Sperans,  ut  .  .  omnia  quae  per  suggestiones  inimi- 
corum suorum  amiserat,  potestati  eius  logaliter  ab  honorabili  concilio  re- 
din tegrarentur  seu  reddentur,  et  tanti  loci  praesul  regulariter  prius  statui 
pristino  redderetur,  et  tunc  non  ante  veniret  ad  causam,  et  si  ita  recte 
videretur,  accusantiu  propositionibus  responderet.  Die  c.  4  zusammen- 
gefasstcn  Ansprüche  werden  c.  6,  9,  10,  12.  13,  17—19.  21,  24—26,  35,  50 
wiederholt. 

2)  L.  c.  5  und  7  S.  760;  20  S.  762;  29,  31,  33  S.  764. 


o2i 


einige  Male  berührt.  Doch  sieht  man,  dass  der  Sammler  in  Rom 
eine  Stütze  für  den  Episkopat  erblickte:  daher  seine  Betonung  des 
römi  sehen  Prim  ats.  ^) 

"Wendet  man  sich  zu  der  angeblichen  Mainzer  Kapitularien- 
sammlung,^)  so  bemerkt  man  sofort,  dass  der  Plan  dieses  Werkes 
ein  weiterer  ist.  Besonders  tritt  die  Rücksicht  auf  das  Papsttum 
stärker  hervor:  schon  in  der  Vorrede  ist  von  einer  Bestätigung  der 
fränkischen  Kapitularien  durch  den  Papst  die  Rede.^)  Im  Verlaufe 
wird  besonders  das  oberste  Appellationsrecht  des  Papstes  behauptet.^) 


1)  L.  c.  8  S.  760;  20  S.  762:  36  S.  764;  39  S.  765. 

2)  Ich  zitiere  nach  M.G.  Leg.  II,  2  S.  39  ff.  Man  vgl.  Hinschius,  Decret. 
Pseudo  isid.  p.  CLXXXIII;  Richter-Dove,  KR.  S.  85  ff. ;  Friedberg,  KR.  S.  109; 
Maassen,  NA.  XVIIl  S  294  ff.  Der  Benedictus  Levita  ist  ohne  Zweifel 
ebenso  Pseudonym  wie  der  Isidorus  Mercator.  Hinschius  und  Richter  nehmen 
das  Selbstzeugnis  des  angeblichen  Verfassers  als  glaubhaft  an ;  ebenso 
V.  Ranke,  WG.  VI,  1  S.  157.  Aber  es  ist  an  sich  unwahrscheinlich,  dass 
ein  Fälscher  sein  Werk  unter  seinem  eigenen  Namen  ausgehen  lässt.  Für 
die  Annahme  täuschender  Angaben  spricht  sodann  die  Analogie  der  Über- 
schrift der  Kapitel  Angilrams.  Sie  ist  um  so  gewichtiger,  wenn  beide 
Werke  aus  einer  Schmiede  hervorgegangen  sind.  Dass  die  Kapitularien 
nicht  in  Mainz,  sondern  in  Westfrankreich  abgeschlossen  wurden,  wird  zu- 
gegeben (Dove  S.  87).  Aber  ist  dann  die  Annahme  nicht  viel  einfacher, 
dass  sie  auch  in  Westfrankreich  begonnen  wurden?  Die  Namen  Riculfs 
und  Otgars  wurden  zu  dem  gleichen  Zweck  verwandt,  wie  die  Hadrians  und 
Angilrams  vor  den  gefälschten  Kapiteln:  sie  sollten  Zutrauen  erwecken. 
Vgl.  Dümmler,  OFr.  R.  I  S.  231 ;   Maassen  S.  294. 

3)  S.  40:  Ut  agnoscant  omnes  haec  praedictorum  principum  (Karl- 
manns und  Pippins)  capitula  maxime  apostolica  auctoritate  fore  firmata. 

4)  II,  64:  Ut  iudicato  in  aliqua  causa  episcopo  liceat  iterare  iudicium 
et  si  necesse  fuerit,  libere  episcopum  adire  Romanum.  Die  Bestimmung 
ist  tendentiöse  Umarbeitung  des  3.  Kanons  von  Sardica:  Si  aliquis  epi- 
scoporum  iudicatus  fuerit  in  aliqua  causa,  et  putat  se  bonam  causam  ha- 
bere, ut  iterum  concilium  renovetur;  si  vobis  placet,  s.  Petri  apostoli  me- 
moriam  honoremus,  ut  scribatur  ab  his,  qui  causam  examinarunt,  lulio 
Romano  episcopo,  et  si  iudicaverit,  renovandum  esse  iudicium,  renovetur  et 
det  iudices.  II,  401  wörtlich  =  Sardic.  c.  4;  III,  103  ist  der  4.  sardicenische 
Kanon  noch  einmal  wiederholt.  III,  173:  Placuit,  ut  quandocunque  epi- 
scopus  accusatur,  si  comprovinciales  aut  vicinos  suspectos  habuerit,  sanctae 
et  universalis  Romanae  ecclesiae  appellet  pontificem,  ut  ab  eo  quicquid 
iustum  et  Deo  placitum  fuerit  terminetur,  ist  Umarbeitung  des  7.  Kanons 
von  Sardica.  III,  315  unecht:  Placuit,  ut  si  episcopus  accusatus  appella- 
verit  Romanum  pontificem,  id  statuendum,  quod  ipse  censuerit;  wiederholt 
add.  IV,  27  als  Synodalbeschluss  unter  Theodosius.  28—29  sind  Ver- 
arbeitungen  des  3.   und  4.  sardic,   Kanons;    c.  29  ist  eingeschoben:    Quam- 


—    rvjs    — 

Gleifhwohl  sind  es  auch  hier  iiiclit  rein  kurialistische  Absichten, 
denen  der  Verfasser  dient.')  Was  er  über  das  Papsttum  sagt,  ist 
Hilishnie  für  seine  sonstige  Konstruktion.  Er  sekundiert  dem  vor- 
gebbchen  Angilrani  in  der  Verwerfung  des  weltUchen  Gerichts  über 
Geistliclie.-)  fordert  die  kanonische  AVahl  der  Bischöfe,  und  be- 
liauptet  (he  absohite  Unverh'tzlichkeit  des  Kirclienguts.  Auch  in 
dieser  zweiten  Fälschung  werden  also  nicht  neue  Ansprüche  erhüben; 
es  werden  alte  schärfer  gefasst.  Schon  auf  der  Aachener  Versamm- 
lung von  828  hatte  Wala  darüber  geklagt,  dass  der  Episkopat 
nicht  rite  nach  den  kanonischen  Bestimmungen  erteilt  werde,  dass 
besonders  die  Wahl  unterbleibe.  Jedoch  verwarf  er  nicht  jede 
Mitwirkung  des  Kaisers.*^)  Die  Pariser  Synode  des  nächsten 
Jahres,  der  fränkische  E])iskopat  in  seiner  Vorstellung  von  829, 
die  Aachener  Synode  von  836  und  die  Synode  zu  Juditz  im  Ok- 
tober 844  kamen  auf  die  Frage  zurück;  sie  äusserten  sich  abei-  in 
der    massvollsten  AVeise,    indem    sie   den  Nachdruck  auf  die  A\'ahl 


quam  comprovincialibus  episcopis  accueati  causam  pontificis  scrutari  liceat^ 
non  tarnen  definire  inconsulto  Remano  pontifice  permissum  est.  Abgesehen 
von  dem  Appellationsrecbte  Roms  findet  man  hervorgehoben:  die  Verbind- 
lichkeit römischer  Dekretalen:  II,  121  (unecht);  II,  341  und  III,  244  (aus 
Conc.  Rom.  Hil.  c.  1);  vgl.  111,281  (unecht);  die  Abhängigkeit  der  Synoden 
von  Rom,  II,  381  (unechtj;  III,  349  (unecht);  vgl.  478  (unecht);  die  päpst- 
liche Lehrgewalt  überhaupt:  1,  35  (unecht). 

1)  In  der  grossen  Überzahl  der  Bestimmungen  will  die  Kapitularien- 
sammlung  einfach  an  den  durch  Karl  geschaffenen  Zuständen  festhalten. 
Vgl.  die  Verordnungen  über  die  Seelsorge  I,  57,  169,  II,  176,  III,  132  w. 
a..  die  Predigt  I,  95,  229  u.  a.,  den  Unterricht  I,  181,  II,  174;  die  Beicht- 
zucht I,  56,  116  ff.;  die  Feier  der  Fest-  und  Sonntage  II,  188  flF.;  205;  die 
Zehnten  I,  45,  51,  SS,  101,  154;  sogar  die  Krhaltung  des  Standes  der  Ge- 
meinfreien  I,  181,  256,  II,  282,  III,  342. 

2)  1.  36  (unecht):  187  (=--  Conc.  Carth.  II  c.  6);  II,  307  (-  Conc. 
Carth.  II  r.  10);  357—365  (vgl.  Conc.  Carth.  II  c.  6;  III,  7;  IV.  30; 
Isid.  sent.  III,  39);  381  (vgl.  S.  525  Anm.  3  ff.).  403  (Bist.  trip.  II,  2; 
VIII,  12).  III,  84—91  (vgl.  Conc.  Chalced.  21;  Carth.  II,  6;  III,  7; 
Tolet.  VI,  11;  Const.  (a.  381)  c.  6;  Rom.  III  Syra.);  107—112  (zumeist 
Wierlerholungen);  153  (vgl.  Angil.  4  oben  S.  525  Anm.  4  f.);  156  (vgl. 
Conc.  Carth.  c.  7  ;  191  (vgl.  Tolet.  VI  c.  11);  314  (vgl.  Conc.  Antioch. 
c.  15);  320  f.  (vgl.  Conc.  Hispal.  II  c.  6;  Chalced.  9);  350  (vgl.  Conc.  Aurel. 
V  c.  17;  Vas.  I  c.  8);  441  (unecht». 

3)  V.  Wal.  II,  4  S.  550:  (Wala)  detestatus  est,  quod  episcopatus  se- 
rundum  canonicam  auctoritatero  non  rite  darottir  neque  electio  servaretur; 
verb.  c.  2  8.548:  Habeat  Christus  res  ecclesiarum,  quasi  alteram  rerapubli- 
eam  .  .  suis  commissam  ministris  fiflelibus;  et  hoc  sit  regis  officium,  ut 
talibuK  committatur,  qui  et  fideliter  dispensent  et  sapienter  provideant. 


—     529     — 

m 

tüchtiger  Männer  legten.^)  Immerhin  hört  man  bereits  das  Ver- 
langen der  Freiheit  der  Bischöfe.-)  In  der  angebhchen  Kapitularien- 
sammUmg  dagegen  ist  die  Wahl  durch  den  Metropoliten  und  die 
Komprovinzialen  gefordert,  ohne  dass  das  Recht  des  Kaisers  irgend 
gewahrt  wird.^)  Was  das  Kirchengut  anlangt,  so  hatte  Agobard 
seinen  Anspruch  zurückgezogen;*)  später  hatte  Wala  ihn  wieder 
aufgenommen;  aber  er  lebte  noch  zu  sehr  in  dem  Gedankenkreise 
Karls,  als  dass  er  die  relative  Notwendigkeit  hätte  übersehen  können, 
dass  der  Staat  einen  Teil  des  überreichen  Besitzes  der  Kirche  für 
seine  Zwecke  verwertete.^)  Noch  zaghafter  war  die  Weise,  ^\de  die 
Pariser  Synode  von  829  an  die  heikele  Fi-age  rührte.^)  Bestimmter 
erinnerte  erst  die  Aachener  Synode  von  836  an  die  Unverletzlich- 
keit des  Kirchenguts.')  In  der  angebhchen  Mainzer  Sammlung  ist 
dieser  Grundsatz  konsequent  festgehalten.  Nun  erscheint  das  Kirchen- 
gut als  Eigentum  Christi  und  Gottes,  jede  Verletzung  desselben  ist 
also  ein  Sakrilegium,^)    das    mit    geisthcher    und   weltlicher   Strafe 


1)  Syn.  Paris.  III,  22  S.  601:  Ut  deinceps  in  bonis  pastoribus  rectori- 
busque  in  ecclesiis  Dei  constituendis  magnum  studium  atque  sollertissimam 
adhibeatis  curam;  ebenso  Cap.  196,  .57  S.  48  und  Syn.  Aq.  III,  9  S.  690; 
Syn.  Par.  III,  26  S.  603  =  Cap.  196,  61  S.  50,  Syn.  Aq.  III,  15  S.  693 
tadelt  die  Handhabung  der  fürstlichen  Kirchengewalt:  Principalis  potestas, 
diversis  occasionibus  intervenientibus,  secus  quam  auctoritas  divina  se  habeat, 
in  causas  ecclesiasticas  prosilierit.  Syn.  ad  ludit.  2  (M.G.  Cap.  227,  2  11 
S.  114):  Ut  sedes,  quae  .  .  sine  episcopis  viduatae  manent  .  .  submota  fun- 
ditus  peste  symoniacae  haereseos,  sine  dilatione  iuxta  auctoritatem  canoni- 
cam  aut  episcopos  a  Deo  datos  et  a  vobis  regulariter  designatos  et  gratia 
8.  Spiritus  consecratos  accipiant  etc. 

2)  Syn.  Paris.  III,  27  S.  604  =  Cap.  196,  62  S.  51;  Syn.  Aq.  III,  16 
S.  693:  De  episcopali  libertate,  quam  Deo  annuente  vestroque  adminiculo 
suffragante  adipisci  .  .  cupimus,  suo  in  tempore  vobis  dicenda  reservavimus. 

3)  III,  78  f.  nach  Conc.  Laod.  c.  12  f.     Add.  III,  2  =  Anseg.  I,  78. 

4)  Vgl.  oben  S.  493  f. 

5)  Verhandlungen  zu  Aachen  828  (v.  Wal.  II,  3  S.  549);  vgl.  oben 
S.  497. 

6)  III,  15  S.  600:  Ut  .  .  quasdam  sedes  episcopales,  quae  rebus  pro- 
priis  viduatae  immo  annuUatae  esse  videntur,  dum  tempus  habetis  et  oppor- 
tunitas  se  praebuerit,  de  earum  sublevatione  et  consolatione  cogitetis, 
memores  semper,  quomodo  progenitores  vestri  huiuscemodi  piissimis  studiis 
intenti  fuerint.     Wiederholt  in  der  Rel.  ep.  Cap.  196,  27  S.  38. 

7)  ni  c.  8  S.  689 f.;  vgl.  das  Sendschreiben  der  Synode  an  Pippin. 

8)  II,  89  (unecht);  407  (unecht);  II,  370  S.  92  (hier  ist  Conc.  Gangr. 
0.  7  zitiert  wie  in  dem  Sendschreiben  der  Bischöfe  an  Pippin  III,  26  S.  732; 
im  übrigen  ist  das  Kapitulare  gefälscht);  426  f.  (unecht);  428  (=  Turon. 
n,  25,  der  Schluss  unecht). 

Hauck,  KircheugeschicMe.   II.    2.  Aufl.  34 


—     530     — 

zu  sühnen  ist.')  Audi  die  Voileihung  als  Prekarie  ist  nur  unter 
gewissen  Kautelen  zulässig.-) 

AVenn  die  Bischüte  im  Jahre  829  die  Wiederherstellung  der 
hisehöriiehen  Freiheit  als  das  von  ihnen  erstrebte  Ziel  bezeichneten,'^) 
so  heri-seht  dieser  .Gedanke  in  dem  \\'erke  des  P'älschei's  durch- 
aus: die  Kirche  ist  frei  und  der  Staat  ist  glücklich,  wenn  der 
Episkopat  unabhängig,  geehrt  und  einfiussreich  dasteht.'')  Der 
Kaiser  spricht  in  diesen  Erlassen  von  seinem  Gehorsam  gegen 
(he  biscluiriichen  Mahnungen,  von  den  Bischöfen  alier  erwartet 
er  luu-  Rücksicht  auf  die  ihm  von  Gott  verliehene  Ehren- 
stellung. ^) 

In    der    angeblich    römischen,   wie    in    der  angeblich   ISIainzer 


1)  Exkommunikation:  II,  134  (=  Arvern.  I,  14);  135,  136,  III.  419 
(=  Aurel.  V,  14  und  13);  III,  265,  400  und  267  (=  Arv.  I,  5  und  14); 
275  (=  Aurel.  111,  22  f.).  Verlust  aller  Khrenstellen:  II,  428  (unechter 
Schluss),  überhaupt  soll  der  Betrettende  als  Tempelschiinder,  Mörder  und 
Dieb  bestraft  werden:  III,  142  (unecht).  Offenbar  ist  für  den  Fälscher  die 
Erneuerung  der  Strafen  die  Hauptsache.  Indem  er  sie  fordert,  überschreitet 
er  die  Linie,  welche  die  Aachener  Synode  inne  gehalten  hatte. 

2)  III,  142  (unecht). 

3)  S.  529  Anm.  2. 

4)  I,  315  Wiederholung  der  Relation  der  Bischöfe  (Petit.  1  f.  S.  35 
=  Conc.  Paris.  III,  8  f.  S.  597)  mit  gefälschter  Einleitung;  vgl.  I.  319 
(=  Kel.  ep.  Rescr.  consult.  3  S.  29);  I,  322,  hier  ist  der  erste  Satz  aus  der 
bisch.  Rel.  de  pers.  sacerd.  16  S.  35  genommen  und  daran  eine  Aullorderung 
zum  Gehorsam  gegen  die  Bischöfe  gefügt:  Nam  episcopos  et  sacerdote-s, 
quibus  omnis  terra  caput  inclinat,  per  quos  et  nostrum  poUct  imperium, 
admodum  honorari  et  venerari  omnes  monemus.  Gleichen  Inhaltes:  I,  40 
funecht);  III,  390,  unechtes  Kapilular  von  Diedenhofen  und  111,  462  (un- 
echt); II,  99  unechte  Straf bestimmung:  Si  quis  episcopo  aliquam  iniuriam 
aut  iniustam  dehonorationem  fecerit,  de  vita  componat  et  omnia,  quao  habere 
Visus  fuerit,  ecclesiae,  cui  praeesse  dinoscitur,  integerrime  socientur,  et  nobis 
in  triplo  bannus  noster,  i.  e.  sexaginta  solidi,  persolvantur;  II.  129.  Im 
einzelnen  wird  das  Rocht  der  Bischöfe  auf  das  Gericht  über  den  Kl.'rus 
(II,  111  -  Cod  Theod.  XVI,  2)  und  auf  das  Schied.sgericht  überhaupt  (II, 
366  angebliche  Reception  von  Cod.  Theod.  XVl,  11)  und  ihre  Befreiung  von 
der  Heeresfolgc  (II,  370  angebliche  Petition  der  Franken  dieses  Inhalts,  III, 
142,  unecht,  vgl.  den  Antrag  der  Synode  von  Verneuil  i.  J.  844  Cap.  291, 
8  S.  385)  behauptet. 

5)  I,  375:  Volumus  vos  scirc  voluntatem  noatrara ,  cpiod  nos  parati 
flumus  vos  adiuvare  ubicunquo  necesse  est,  ut  ministerium  vestrum  adim- 
plere  valeatis.  Simulque  vos  admonemus,  ut  propter  humilitatem  nostram 
et  obedientiam,  quam  monitis  vestris  propter  Dei  timorom  exhibemus,  ho- 
norem nobis  a  Deo  concessum  conservetis.  Das  Kapitel  ist  unecht;  es  er- 
innert an  Karol.  II  convnnt    in  villa  Colonia.     Cap.  254,  2  S.  255. 


—     531     — 

Rechtssammlimg  wm'cle  die  Fälschung  mit  einer  gewissen  Vorsicht 
betrieben:  Echtes,  Unechtes  und  Venmechtetes  ist  in  kleinen  Stücken 
durcheinander  gemischt;  da  die  einzelnen  Sätze  fast  durchweg  ohne 
Angabe  des  Ursprungs  gegeben  sind,  so  war  die  Erkenntnis  des 
Unechten  sehr  schwierig.')  Unter  der  Arbeit  scheint  den  Fälschern 
der  Mut  gewachsen  zu  sein;  denn  in  den  pseudoisidorischen  De- 
kretalen-)  bieten  sie  eine  Serie  falscher  Briefe  dar,  welche  kühn 
die  Namen  ihrer  angeblichen  Verfasser  an  der  Stu-ne  tragen.  Nur 
dadurch,  dass  echte  Synodalakten  hinzugefügt  sind  und  eine  Mischung 
echter  und  unechter  Stücke  den  Schluss  bildet,  ist  man  an  die 
frühere  Weise  erinnert,  falsche  Ware  durch  echte  zu  decken.  Um 
so  klarer  tritt  der  Zweck  der  ganzen  Erdichtung  hervor.  Er  ist 
kein  anderer  als  der  der  beiden  vorhergehenden  Fälschungen.  Was 
dort  aus  Synodalbeschlüssen  und  kaiserhchen  Verfügungen  nach- 
gewiesen werden  sollte,  das  sollte  hier  durch  päpsthche  Entschei- 
duDgen  belegt  werden:  die  Freiheit  des  Episkopats.  Ihm  gebührt 
eine  geradezu  unantastbare  Stellung  der  weltlichen  Gewalt  gegen- 
über; deshalb  ist  der  Bischof  von  jedem  anderen  Gericht  als  dem 
geistlichen  eximiert:^)  schon  der  Versuch  eines  welthchen  Fürsten, 

1)  Die  Planlosigkeit  Benedikts  ist,  wie  mich  dünkt,  wohl  überlegt: 
sie  sollte  das  Auffinden  des  Unechten  erschweren.  Dass  der  angebliche 
Verfasser  in  der  Vorrede  hierauf  aufmerksam  macht  und  sogar  erinnert, 
dass  der  Text  seiner  Kapitel  von  den  bisher  bekannten  Texten  abweicht, 
dient  nur  der  Miene  von  Zuverlässigkeit,  welche  er  sich  zu  geben  versteht, 
ebenso  wenn  er  die  Zuverlässigkeit  Ansegis'  bezweifelt,  die  eigene  aber 
hervorhebt:  jener  wollte  vielleicht  nicht  alle  Kapitel  aufnehmen;  er  aber 
habe  alles  gebracht,  was  er  fand  und  so  wie  er  es  fand. 

2)  Wasserschieben,  Beitr.  z.  Gesch.  der  falschen  Dekr.  1844;  "Weiz- 
säcker, Hinkmar  und  Ps.-Isidor  (Zeitschr.  f.  bist.  Theol.  18.58  S.  327  ff.); 
Ders.  die  ps.-isid.  Frage  (Hist.  Ztschr.  III  S.  42  ff.);  Wasserschieben, 
P.RE.  ■-,  XII  S.  367  ff.;  Maassen,  Wiener  SB.  72,  108  und  109;  Hinschius, 
Decr.  Ps.-Isid.  p.  LXXVII  sqq.;  Richter-Dove,  KR.  S.  90  ff.;  Friedberg,  KR. 
S.  108  f.;  Langen,  Hist.  Ztschr.  N.  F.  12,  1882  S.  473:  v.  Simson,  d.  Ent- 
stehung der  ps.-isid.  Fälsch,  in  Le  Maus  1886.  Ders.  Hist.  Ztschr.  N.  F.  32, 
1892  S.  193;     Havet,  Quest.  Merov.  VII  S.  331  ff. 

3)  Praef.  c.  4 — 7  S.  18  f.  Anacl.  1,  1.5:  Leges  ecclesie  apostolica  fir- 
mamus  auctoriate  etperegrina  iuditia  submovemus.  Alex.  1,4:  Relatum  est 
ad  huius  sanctae  et  apostolicae  sedis  apicem,  cui  summarum  dispositiones 
causarum  et  omnium  negotia  ecclesiarum  ab  ipso  domino  tradita  sunt  quasi 
ad  Caput  .  .,  quod  quidam  emuli  Christi  eiusque  sanctae  ecclesiae  insidiatores, 
sacerdotes  dei  ad  iudices  puplicos  accusare  praesumant,  cum  magis  apo- 
stolus  christianorum  causas  ad  ecclesias  deferri  et  ibidem  terminari  prae- 
cipiat.  Taliter  praevaricantes  praevaricaverunt  in  dominum  suum  et  non 
obediunt  praeceptis   eins   etc.     Vig.  1,  4.     Pius  1,4:    Episcopi  a  Deo  sunt 

34* 


—     582     — 

auf  das  TTrteil  über  einen  Bischof  einzuwirken,  niaclit  dasselbe 
nichtig.^)  Aber  auch  die  Kompetenz  des  geistlichen  Gerichts  ist 
mit  Schranken  umgeben:  Avährend  das  fränkische  Reich  Metropo- 
litansynoden  kaum  kannte,  Synode  und  Reichstag  fast  regelmässig 
verbunden  waren,  fordert  Pseudo-Isidor  Freiheit  der  Synoden,  ja 
ihre  Berufung  durch  den  Papst.-)  Denn  der  Papst  gilt  ihm  als 
der  geborene  Verteidiger  der  Bischöfe.'')  Die  sicherste  Schutzwehr 
ihrer  Freiheit  besteht  darin,  dass  sie  in  jeder  Lage  an  sein  Urteil 
appellieren,'*)  durch  ihn  an  Stelle  d(>s  ordentlichen  Gerichtes  ein 
Ausnahmegericht  erlangen '')  und  nur  durch  seine  Entscheidung 
ihre  Stelleu  verheren  können.")  Die  Konsequenz  der  Gedanken 
trieb  nun  aber  weiter:  die  Stütze,  welche  der  Papst  den  Bischöfen 
bot,  war  nur  dann  stark  genug,  wenn  seine  eigene  Stellung  unan- 
greifbar war.  Jener  schon  in  Karls  Zeiten  behauptete  Satz,  dass 
der  Papst  als  der  oberste  Richter  iiberhauj)t  nicht  gerichtet  werden 
könne,')  wurde  nicht  wiederholt;  aber  er  ist  die  Voraussetzung  für 


iudicandi,  qui  eos  sibi  oculos  elegit.  Vict.  1,  6.  Gai.  3.  Prüfung  der  An- 
kläger: Anacl.  3,35;  Sixt,  I.  1,  13;  Telesph.  1,  4.  Keine  Anklage  durch 
Laien:  Euarist.  2,  9;  Plus  1,  4;  Calixt.  1,  3;  Fabian.  2,  19,  oder  durch 
niedere  Kleriker  Fab.  2,  21. 

1)  Calixt.  1,  6. 

2)  Praef.  8:  Synodorum  congregan darum  auctoritas  apostolice  sedi 
privata  comniissa  est  potestate,  ncc  ullam  synodum  ratam  esse  legimus, 
quae  eius  non  fuerit  auctoritate  congregata  vel  fulta.  Marceil.  1,  2;  2,  10. 
Jul.  1,  6. 

3)  Sixt.  I.  2,  5:  Ab  hac  sancta  sedo  a  sanctia  apostolis  tueri,  dofendi 
et  liberari  episcopi  iussi  sunt.     Zephir.  1,  6;  Marcell.  1,  2.     .ful.  2,  15. 

4)  Anacl.  1,  17:  Si  difficiliores  orte  fuorint  questionos  aut  episco- 
porum  vel  raaiorum  iudicia  aut  maiores  cause  fuerint,  ad  scdem  apoetolicara 
si  appellatum  fuorit,  referantur,  quoniam  hoc  apostoli  statuerunt  iusaione 
salvatoris,  ut  maiorea  et  difficiles  questiones  semper  ad  sedem  differantur 
apofitolicam.  3,  '34;  Sixt.  1.  2,  5;  Vict.  1,  5;  Fab.  3,  27.  Marcell.  1,  2. 
Melch.  1,  4. 

5)  Anacl.  1,  15:  Unaquacque  provintia  .  .  suoh  debet  .  .  habere  iu- 
dices  et  non  externos,  nisi  apostolicae  sedis  huius  decreverit  auctoritas. 
Cornel.  2,  5. 

6)  Klcuth.  1,2;  Zephir.  1,  6:  luditia  episcoporum  .  .  a  sede  apostolica 
.  .  sunt  terminanda.  Jul.  1,  6;  Dudiini  a  sanctia  apostolis  .  .  decretum 
fuerat  .  .  non  oportere  praetor  sententiam  Romani  pontificis  .  .  opiscopum 
darapnari.     2,  12,  16' 

7)  Jener  Anspruch  ist,  soviel  ich  sehe,  bei  Ps.-laidor  nirgends  direkt 
ausgesprochen.  Dagegen  wird  (Sixt.  II.  2,  8)  der  Grundsatz:  Maior  non 
potest  a  minore  iudicari,  auf  den  Papst  angewandt.  Auch  der  oft  wieder- 
holte Satz:  Episcopi  a  Deo  sunt  iudicandi  (Pius  1.  1,  4),  schliesst  jedes  Ge- 


—     533     — 

alles,  was  über  die  Stellung  des  Papstes  gesagt  wird.  Der  Papst 
ist  nicht  mehr  ünterthan  des  Königs,  er  ist  nicht  nur  das  Haupt 
der  Kirche,  sondern  das  Haupt  der  ganzen  Welt.^) 

Wenn  man  lediglich  auf  diese  Absicht  der  Fälschung  blickt, 
so  könnte  man  geneigt  sein,  in  ihr  einfach  einen  Beweis  des 
schrankenlosen  Übermuts  der  Hierarchie  zu  erbhcken.  Aber  das 
wäre  schwerlich  zutreffend.  Die  Menge  von  Vorschriften,  die  sich 
auf  das  innere  Leben  der  Kirche  beziehen,  sind  sicher  nicht  nur  zu 
dem  Zwecke  beigefügt,  um  den  Betrug  zu  verhüllen.  Sie  zeigen  viel- 
mehr, dass  die  Fälscher  durchdrungen  waren  von  Schmerz  über 
den  Verfall  der  kirchlichen  Zustände,  der  seit  dem  Tode  Karls  be- 
gonnen hatte.  Die  Befreiung  des  Episkopats  sollte  schliesslich  doch 
nicht  persönlichen  Interessen,  sondern  der  Hebung  der  Kirche 
dienen;  nicht  die  Herrschsucht,  sondern  die  Not  hat  einen  oder 
etliche  der  gelehrten  Theologen  des  neunten  Jahrhunderts  zu  Be- 
trügern gemacht.  Entschuldbar  sind  sie  deshalb  nicht;  aber  es  ist 
doch  begreiflich,  wie  der  Gedanke  entstehen  konnte  durch  Fiktionen 
Bestrebungen  zu  unterstützen,  von  deren  Berechtigung  und  Not- 
wendigkeit man  fest  überzeugt  war. 

Dass  die  Entstehung  einer  streng  kirchlichen  Partei  diesseits 
der  Alpen  mit  der  Wiederaufnahme  einer  folgerichtigen  päpst- 
hchen  Politik  in  Rom  zusammentraf,  darauf  beruhte  die  Stärke 
dieser  Strömung.  Schritt  für  Schritt  hatten  die  römischen  An- 
sprüche Boden  gewonnen ;  es  bedurfte  nur  noch,  dass  ein  Mann 
auftrat,  der  sie  der  Welt  gewissermassen  im  Zusammenhang  und  mit 
einem  Schwünge  vortrug,  der  hinriss:  sie  war  bereit,  an  sie  zu  glauben. 

Der  Mann,  der  dies  that,  war  Nikolaus  I. 

Ein  geborener  Römer,  war  er  von  Leo  IV.  in  den  römischen 
Klerus  aufgenommen  worden.  Unter  Benedikt  IH.  hatte  er  den 
grössten  Einfluss  an  der  Km-ie  erlangt:  es  geschah  nichts  ohne 
semen  Rat ;  der  Papst  baute  auf  ihn  mehr,  als  auf  seine  eigenen 
Verwandten.-)  Wenige  Tage  nach  Benedikts  Tode  wurde  er  in 
Gegenwart  des  Kaisers  Ludwig  gewählt.     Man  wollte  wissen,  dass 


rieht    über    den  Papst    thatsächlich  aus;    vgl.  Sixt.  II.  2,  7:    Nullus  potest 
humano  condemnari  examine  quem  Deus  suo  iuditio  reservavit.   Melch.  2,  11. 

1)  Felic.  n.  2,  13:  Ad  eum  (Papst  Julius),  quasi  ad  totius  orbis  capud, 
ut  semper  huic  sanctae  sedi  licitum  fuit,  confugistis.  Die  Anwendung  dieses 
Satzes  liegt  in  Stellen,  wie  Sixt.  IL  2,  7:  Fratres,  quos  timore  terreno 
iniuste  dampnastis,  scitote  a  nobis  iuste  esse  restitutos.  Quibus  .  .  omnia, 
que  eis  ablata  sunt,  integerrime  reddi  praecipimus,  si  non  vultis  et  vos  et 
principes  vestri  a  collegio  nostro  et  membris  aecclesiae  separari. 

2)  V.  Nicol.  c.  4  S.  151. 


—     Ö84     — 

er  seine  Erlu-huu!.'  uivhv  dw  Gunst  des  Fürsten  als  der  Zuneifjung 
des    Klerus    verdankte.')     AVenn    aueh,    so    dachte    er    doch    nicht 
daran,    ein    vom  Kaiser  al)hängiger  Papst  zu  sein.     Er  war  einer 
der  wenigen  Männer,  von  denen  man  sagen  kann,  dass  sie  sich  mit 
einer  Idee  identifizieren.     Vom   ersten  Tage    seiner  Herrscliaft    an 
uai'  .  r  klar  darüber,  was  er  wollte.     Die  Anschauungen,  für  welche 
er  känipl'te,  haben  sich  während  der  Jahre  seiner  Thätigkeit  nicht 
erst  geV)ildet,  sie  sind   wie  aus  einem   Guss:"^)  Erfolge  haben  seine 
Ansprüche  nicht   gesteigert.  Schwierigkeiten  haben  sie  nicht  herab- 
gestimmt ;  mit  bewunderungswürdiger  Konsecpienz  hat  er  an  ihnen 
festgehalten,  mit  rücksichtsloser  Energie  sie  vertreten,  oft  mehr  ge- 
hindert durch   die  Unzuverlässigkeit    seiner  Diener    als    durch   den 
AV'iderstand  seiner   Gegner.     Aber   nie    kam    ihm    ein    Zweifel  an 
ihrem  Recht    und    an    ihrem    schliesshchen  Sieg.     Keine  Gelegen- 
heit liess  er  vorübergehen,  um  sie  zu  verkündigen,  und  nie  hat  er 
sie  verleugnet  oder  verhüllt;    es    war    kein   hohles   Wort,    wenn   er 
einmal    versicherte,    lieber    wollte    er    sterben    als    die  Vernichtung 
eines  römischen  Rechtes  zulassen. =')     Rücksichten   kannte  er  nicht, 
und    die    Menschen   galten    ihm    wenig;    um    so   bereitwilliger  hat 
sich    jedermann    vor    ihm    gebeugt.     Aber    auch,    wer   seine    Ab- 
sichten nicht  billigt  und  wer  nicht  leugnet,  dass  auch  ihn  der  Partei- 
standi)unkt  blendete,    muss  anerkennen,    dass    er    in  allem,    was  er 
that,  nie  klein  gewesen  ist.  AVas  einer  der  grössten  seiner  Nachfolger 
von  sich  sagte:  .,Dilexi  iustitiam,  odi  iniquitatem",  das  könnte  man 
vielleicht  mit  mehr  Recht  von  Nikolaus  I.  wiederholen. 

AVir  versuchen,  uns  seine  Anschauungen  zu  vergegenwärtigen.') 
Als  den  Eckstein  im  Bau  der  christlichen  Welt  betrachtete 
er  das  Papsttum.  Es  ist  unvergänglich  und  unerschütterlich:  auf 
seinem  Bestände  beruht  die  gesamte  religiöse,  politische  und  soziale 
Ordmmg  der  AVeit. •'^)  Alle  seine  Rechte  sind  göttlich,  daher  un- 
verlierbar. Sie  waicn.  ruft  er  dem  gnechischen  Kaiser  zu,  früher 
als  eure  Herrschaft;  sie  bheben  bisher  unerschüttert  und  sie  werden 
auch  bleiben,  wenn  ihr  nicht  mehr  seid.     AVo  immer  der  christliche 


1)  Ann.  Bert.  z.  J.  858;  das  Papstbuch  (c.  5  S.  152)  Bpricht  von  ein- 
stimmiger Wahl.  Ich  möchte  darauf  nicht  so  viel  Gewicht  legen,  wie  von 
Dümraler,  OFr.  R.  II  S.  53  geschieht. 

2)  Es  ißt  eine  feine  Rpmi'rkunp  v.  Hankos  (WH.  IV,  1  S.  172),  dass 
es  Nikolaus  in  seinen  Briefen  weniger  auf  das  Materielle  der  Streitigkeiten, 
als  auf  die  Kundgebungen  selbst  ankomme. 

3)  Ep.  30  Mansi  XV  S.  298;  32  S.  305. 

4)  J.  Roy  in  den  Ktudes  d'histoire  du  MA  dediöes  a  G.  Monod 
Fans  1896. 

5)  Ep.  30  ?    '^OS. 


— .     585     — 

Name  verküudigt  wird,  werden  sie  imverstümmelt  bestehen.  Man 
kann  gegen  sie  stossen,  aber  dadurch  werden  sie  nicht  bewegt ; 
man  kann  an  ihnen  zerren,  aber  dadurch  Averden  sie  nicht  aus- 
gerissen.^) Denn  sie  benihen  nicht  auf  der  Menschen  Gunst:  keine 
Synode  hat  sie  den  Päpsten  verheben, -)  vollends  Thorheit  ist  es, 
zu  wähnen,  dass  ein  weltHcher  Fürst  sie  vermehren  oder  vermindern 
könnte.'^) 

Die  Rechte,  welche  das  Papsttum  besitzt,  sind  nicht  sowohl 
eine  Ehre  als  eine  Pflicht.  Sie  legen  die  Sorge  für  alle  Kirchen 
Gottes  auf  die  Schultern  des  Papstes."*)  Damit  er  dieser  Pflicht 
genügen  könne,  hat  ihn  Gott  zum  unumschränkten  Herrscher  in 
der  Gesamtkirche  gemacht.  Nikolaus  dachte  die  Stellung  des 
Papstes  anders,  als  die  Karls  d.  Gr.  in  seinem  Reiche  war.  Der 
König  war  durch  die  Rechte  des  Volkes  gebunden;  der  Papst  da- 
gegen war  das  lebendige  Gesetz.  Die  heiligen  Regeln,  verkündigte 
Nikolaus,  sclireiben  vor,  dass  das  zu  beobachten  ist,  was  durch  un- 
seren Beschluss,  mag  er  lauten  -wie  immer,  bestimmt  wird.''')  Römischen 
Verfügungen  gegenüber  sollte  die  Berufung  auf  abweichende  Ge- 
wohnheiten kein  Recht  haben.  Sie  können  nur  aus  menschlicher 
"Willküi"  oder  Nachlässigkeit  hervorgegangen  sein,^)  dagegen  was 
der  Papst  sagt,  ist  Gottes  "Wort,  was  er  handelt,  ist  Gottes  That.  ^) 
Deshalb  gebührt  die  letzte  Entscheidung  in  allen  Fragen,  welche 
überhaupt  auftauchen  können,  dem  päpstlichen  Stuhl;  Lehren,  die 
Rom  verwii-ft,  sind  schon  deshalb  Häresien,  da  sie  der  Zustimmung 
des  Papstes  entbehren.'^)     Die  Revision  eines  römischen  Urteils  ist 


1)  Ep.  8  S.  204,  an  Kaiser  Michael;  vgl.  42  S.  699. 

2)  Ep.  8  S.  205:  A  synodis  non  donata  sed  iam  solummodo  celebrata 
et  venerata. 

3)  Ep.  36  S.  309  an  die  Königin  Hermintrud:  Quod  scripsistis,  quia 
si  exaudiamus  filium  nostrum,  non  detrimentum  sed  augmentum  ecclesiae 
nostrae  privilegiis  generetur:  nos  certissime  credimus,  quia  privilegia  s.  Ro- 
manae  ecclesiae  nulluni  possunt  sustinere  detrimentum. 

4)  Ep.  8  S.  205;  1  S.  159  f.;  6  S.  174;  10  S.  241  u.  ö. 

5)  Ep.  28  S.  294  an  Hinkmar:  Secundum  indultam  nobis  a  sanctis 
regulis  potestatem,  quae  praecipiunt,  id  observandum,  quod  nostro  quali- 
cumque  consüio  visum  extiterit;  32  S.  303. 

6)  Ep.  6  S.  175.     App.  II  ep.  2  S.  4-50. 

7)  Ep.  29  S.  296;  30  S.  298;  39  S.  687;  42  S.  699.  Nikolaus  spricht 
sogar  von  einer  geistlichen  Allgegenwart  des  apostolischen  Stuhles  (ep.  66 
S.  352  vgl.  18  S.  278). 

8)  Ep.  7  S.  185;  2  S.  162.  Nikolaus  hatte,  wie  bekannt,  den  Gedanken 
einer  regelmässigen  päpstlichen  Büchercensur:  Relatum  est,  schreibt  er  an 
Karl  d.  K.,  apostolatui  nostro,  quod  opus  .  .  Dionysü  .  .  de  divinis  nomi- 
nibus  .  .  quidam  vir  loannes,  genere  Scottus,  nuper  in  latinum  transtulerit. 


—     536     — 

unmöglich,  da  es  keine  höhere  Autorität  als  die  päpsthche  giebt: 
wie  könnte  es  jemand  zustehen,  über  den  höchsten  Richter  zu  ur- 
teilen?^) Auf  den  Synoden  ist  stets  das  angenommen  worden,  was 
der  Papst  gebilligt  hatte;  sie  sind  nur  Werkzeuge,  welche  der  Aus- 
lulu-uiig  päpstlicher  Beschlüsse  dienen.-)  Nikolaus  verteilt  gleichsam 
die  Kolleu:  the  Bischöfe  berichten  über  die  Bedürfnisse  der  Kirchen; 
der  Papst,  von  Gott  insi)iriert,  bestimmt,  was  zu  bestimmen  ist; 
jene  erkennen  seinen  Beschluss  an :  auf  diese  AVeisc  werden  die 
päpstlichen  Dekrete  am  besten  bekannt  gemacht."')  Denn  die  Bi- 
schöfe haben  kein  selbstständiges  Hecht  neben  dem  Papste,  sie  sind 
von  ihm  eingesetzt;  als  seine  Beauftragten  erhalten  sie  Anweisungen 
von  ihm,  und  haben  sie  ihm  Bericht  zu  erstatten.*)  Ihre  Tüch- 
tigkeit bemisst  sich  nach  ihrer  Devotion  dem  römischen  Stuhle 
gegenüber."') 

Ging  der  Papst  von  dieser  Ansicht  über  seine  Stellung  in 
der  Kirche  aus,  so  musste  die  logische  Kouseipienz  der  Gedanken 
ihn  nötigen,  die  Stellung  zu  bekäm})fen,  welche  die  fränkischen 
Fürsten  in  der  Kirche  eiunahmem.  Es  war  ungefähr  dreihundert 
Jahre  her,  dass  ein  hötischer  Dichter  einen  Frankenkönig  mit 
Melchisedek  verghchen  hatte,  dem  König  und  Priester.")  In  den 
Zeiten  Karls  hatten  gerade  die  kirchlichen  ]\Iänner  den  höchsten 
Ruhmestitel  des  fränkischen  Königtums  darin  gesehen,  dass  geist- 
liche und  welthche  Macht  in  ihm  vereinigt  seien.')  Wenn  Nikolaus 
den  gleichen  Gedanken  berührte,  so  that  er  es  nur,  um  ihn  in  der 
schroffsten  AVeise  zu  verwerfen:  zu  einem  typischen  Zweck  sei  in 
der  Zeit  des  Alten  Bundes  Königtum  und  Priestertum  in  der  Hand 
^lelchisedeks  verbunden  gewesen.  Das  habe  der  Teufel  bei  seinen 
Gliedern  nachgeahmt;  denn  die  heidnischen  Kaiser  hätten  zugleich 
die  A\'ürde  eines  Pontifex  nuiximus  geführt.     Im  Neuen  Bunde  da- 


Quod  iuxta  morem  nobis  mitti  et  nostro  debuit  iudicio  approbari  .  .  Itaque 
.  .  vestra  industria  .  .  nobis  praefatum  opus  sine  ulla  cunctatione  mittet, 
quatenus  dura  a  nostri  apostolatus  iudicio  fuerit  approbatum,  ab  Om- 
nibus incunctanter  nostra  auctoritate  accopiius  habeatur. 

1)  Ep.  8  S.  210;  vgl.  8.  201  die  sophistische  Deutung  des  17.  Kanons 
von  Chalcedon;  eine  andere  Verwertung  desselben  ep.  40  S.  688. 

2)  Ep.  6  S.  176;  8  S.  203;  App.  1  ep.  5  S.  374  u.  ö. 

3)  Ep.  18  S.  278;  27  S.  291;  42  S.  696.  Es  war  nur  konsequent,  dass 
Nikolaus  die  Vorlage  der  Synodalakten  verlangte  (ep.  23  8.  283). 

4)  Ep.  49  S.  317;  54  S.  326;  App.  I  ep.  5  S.  375.  Charakteristisch 
ist  besonders  die  Äusserung:  Per  Petrura  apostolatus  et  episcopatus  in 
Christo  cepit  exordium  (ep.  40  S.  688). 

5)  ilp.  28  S.  294;  32  S.  304  u.  ö. 

6)  S.  Bd.  I  S,  149. 

7)  S.  oben  S.  114—119  u.  521. 


—     537     — 

gegen  habe  diese  Verbindung  vollständig  aufgehört.  Weder  masse 
sich  der  Kaiser  priesterliche  Rechte  an,  noch  trage  der  Papst  den 
kaiserlichen  Namen.  Xach  Chiisti  Ordnung  bedürften  die  christlichen 
Kaiser  der  Priester  für  das  ewige  Leben  und  richteten  die  Priester 
sich  nach  den  kaiserlichen  Gesetzen,  jedoch  nur  in  Bezug  auf  che 
irdischen  Dinge.  ■*) 

Nikolaus  forderte  Scheidung  der  beiden  Gewalten,  damit 
das  Papsttum  in  der  Kirche  allein  herrsche.  Demnach  verwarf 
er  jeden  Eingriff  der  Fürsten  in  die  kirchhche  Sphäre.  Den 
Gedanken,  dass  ein  weltliches  Gericht  über  Priester  und  Bischöfe 
richten  könne,  wies  er  mit  Abscheu  zurück:  kein  kirchliches 
Recht  könne  bestehen,  wenn  dergleichen  geschähe;-)  nicht 
einmal  ein  EinÜuss  der  staatlichen  Gewalt  auf  das  bischöfliche 
Urteil  sei  zulässig.  •'^)  So  auch  in  anderer  Hinsicht.  Nichts  war  in 
der  Kirche  seit  einem  halben  Jahrtausend  so  fest  hergebracht  als 
die  Teilnahme  der  Fürsten  an  synodalen  Beratungen.  Nikolaus 
verwarf  sie.  Saget  doch,  schrieb  er  an  den  griechischen  Kaiser, 
wo  habt  ihr  gelesen,  dass  die  Kaiser,  eure  Vorfahren,  je  bei  den 
SjTioden  anwesend  gewesen  wären.'*)  Wie  viele  Landessynoden 
hatten  die  fränkischen  Könige  seit  der  ersten  Spiode  von  Orle'ans 
berufen!  Nikolaus  erklärte,  dass  es  keinem  Menschen  zustehe, 
ohne  päpsthchen  Auftrag  eine  solche  zu  versammeln.'*) 

Indem  Nikolaus  die  absolute  Unabhängigkeit  des  Papstes  in 
der  Leitung  der  Kirche  forderte,  stiess  er  an  das  an,  was  im  frän- 
kischen Reiche  herkömmlich  und  rechtens  war.  Das  machte  ihn 
nicht  iiTe:  kühn  und  folgerichtig  stellte  er  den  Gmndsatz  auf,  dass 
staatliche  Gesetze  ungiltig  seien,  wenn  sie  den  kirchhchen  Rechten 
widersprechen.*^)      Die    Behauptung    der    kh-chhchen    Freiheit    des 


1)  Ep.  8  S.  214. 

2)  Ep.  9  S.  224;   10  S.  243;  7  S.  185;  8  S.  214. 

3)  Ep.  9  S.  227. 

4)  Ep.  8  S.  200;  er  nimmt  allerdings  einen  Fall  aus,  wohl  in  Er- 
innerung an  die  nicänische  Synode:  Nisi  forsitan  in  quibus  de  fide  trac- 
tatum  est,  quae  universalis  est,  quae  omnium  communis  est,  quae  non  solum 
ad  clericos,  verum  etiam  ad  laicos  et  ad  omnes  omnino  pertinet  christianos. 
Dass  er  nicht  im  Ernst  an  ein  Recht  der  Laien,  bei  Bestimmung  des  Dog- 
mas mitzuwirken  dachte,  ergiebt  sich  aus  den  zahlreichen  Äusserungen  über 
die  päpstliche  Lehrgewalt  (ep.  6  S.  174;  8  S.  157;  42  S.  698  u.  ö.). 

5)  Serm.  Nicol.  S.  686. 

6)  Ep.  32  S.  302.  Analog  ist  die  Behauptung,  dass,  wer  immer  an 
ein  geistliches  Gericht  appelliert  hat,  von  dem  weltlichen  Richter  nicht 
weiter  verfolgt  werden  kann  (ep.  50  8.  319);  vgl.  den  J.W.  2834  erwähnten 
Vorgang. 


—      588      — 

i'apstes  bchlug  solbit  um  in  die  Behauiitung  tk'i'  Überonlming  der 
«^'oistlicheii  Gewalt  üher  die  weltliche.  Der  uiiahliängige  Papst 
konnte  kein  Untertlian  des  Kaisers  sein,  er  musste  suchen,  der 
HeiT  des  Kaisers  zu  werden. 

Nikolaus  hat  sieh  darüber  nicht  getäuscht.    Als  Kaiser  Michael 
ihm   einmal   gebot,   gewisse  Leute  nach  Konstantinopel  zu  senden, 
lehnte    er    die    Fordening    ab,    noch    entschiedener    erhob    er    sich 
gegen  ihre  Form.     Er  zitiei'te   ein  ])aar  .Brietstellen  älterer  Kaiser 
und  steHte  sie  dem  Öchreil)en  ^Michaels  gegenüber:  Honorius,  Valen- 
tinian.    Justinian,    Konstantin    und   L'ene    hätten    alle    fromm    und 
demütig  geschrieben:    Wir  fordern   auf,    wir  laden   ein,    wii-   bitten. 
Ihr  aber,  so  ruft  er  dem  Kaiser  zu,  als  wäret  ihr  niclit  Erbe  ihrer 
Demut  und  Ehrfurcht,  sondern  nur  Erbe  ihres  Kaiserreichs,  schreibt: 
Wir  vei-fügen,  wir  befehlen,  wir  gebieten.^)     Das  Wort,  das  Niko- 
laus nicht  duldete,  wenn  ein  Kaiser  zu  ihm  spracli.    gebrauchte  er 
mit  Vorliebe,    wenn    er   zu    den  Fürsten    redete:    Wir   wollen    und 
gel)ieten    bestimmt,    wir    vei-wehren    und    untersagen    gänzlich,    wir 
mahnen   und  befehlen,    wir  tragen   euch   auf:    das   sind   die  AVcn- 
dungen,   welche   er  in   den  Briefen   an   die  fränkischen  Könige  ge- 
brauchte.'-)     Vermied    er    das    AVort    gebieten    dem    griechischen 
Kaiser  gegenüber,  so  war  das  nur  eine  Höflichkeit;  denn  befohlen 
hat    er    auch    ihm,    nicht    nur   thatsächhch,    sondern    ausdrücklich: 
Wir  wollen,   vriv  schreiben  vor,    wir  eröÜnen,   solche  AVorte  musst<> 
auch    der   Nachfolger   Konstantins    d.    Gr.    sich    von    l\om    sagen 
lassen.-')      Es    war    mehr    als    eine    Frage    hohler    Etikette,    wenn 
Nikolaus  nicht  duldete,   dass   die  Fürsten  in  ihren   Schreiben  nach 
Hom  ihren  Namen  dem  des  Papstes  voransetzten,  während  er  sell)st 
regelmässig  seinen   Namen   an    die   Spitze  seiner  Erlasse    stellte.') 
Die   äussere    Form    sollte   die    St<'llung   andeuten,    Avelche    er    den 
Fih-sten  zuwies.     Er  Hess  es   niclit   an  T^elehrungen    über  das  Ver- 
halten fehlen,  das  ei-  von  den  Fürsten  forderte.     F)en   griechischen 
Kaiser   ermahnte    er,    seinen    A\u-fahren    nachzueifern,    welche    die 
heilige  römische  Kirche  in  Uebevoller  Devotion  verehrten;'')  König 


1)  Ep.  8  S.  290  f. 

2)  Kp.  17  S.  278;  18  S.  279;  27  S.  292  f.;  34  S.  307;  55  S.  328;  69 
S.  354;  App.  I,  16^S.  387.  Hobt  er  einmal  hervor,  dass  or  nicht  pohiete, 
sondern  bitte  (ep.  30  S.  297),  so  liopt  darin,  dass  er  aurh  in  diesem  Fall 
das  Recht  habe  zu  befehlen.  Karl  d.  K.  erklärte  unbedenklich:  Sacris 
iuaaionibus  vestris  obedire  desideramus  (Mansi  XV  S.  707). 

3),Ep.'2  S.  167;  8  S.  211  u.  212. 

4)  App.  op.  3  S.  473.  Nikolaus  stellte  seinen  Namen  auch  dem  des 
Kaiaers  voran. 

.5)  Ep.  .">  S.  173;  8  S.  188. 


—     539     — 

Karl  dem  Kahlen  aber  erklärte  er,  taiisende  von  Edelsteinen  und 
Kleinodien  gälten  ihm  nicht  so  viel  als  Gehorsam.^)  In  einem 
Briefe  nach  Konstantinopel  zeiclniet  er  einmal  das  Ideal  eines 
Kaisers,  so  wie  er  es  sich  dachte:  er  ist  erfüUt  von  Liebe  zu  der 
römischen  Kirche  und  von  Eifer  für  sie;  er  ehrt  sie  durch  allerlei 
Privilegien,  bereichert  sie  durch  seine  Geschenke,  stattet  sie  aus 
dm'ch  Benefizien;  in  seinen  Briefen  ehrt  er  sie,  er  stimmt  ihren 
Wünschen  zu  ujid  führt  ihre  Anordnungen  aus;  er  bittet  um  ihr 
Geljet,  und  gebietet,  dass  man  ihrem  Glauben  folge:  diu-ch  seine 
Gesetze  fördert  er  den  Anschluss  der  Gemeinden  au  sie,  aber  er 
denkt  nicht  daran  zu  befehlen,  dass  Synoden  versammelt  und  Sen- 
tenzen erlassen  werden,  vielmehr  bittet  er  darum  und  mahnt  dazu: 
er  stimmt  dem  zu,  was  sie  beschhesseu  und  verwu-ft,  w^as  sie  ver- 
dammen.-) 

Die  Füi'sten  erscheinen  fast  wie  die  Diener  des  Papstes:  ihr 
Beruf  ist,  die  römische  Kirche  zu  erhöhen,'^)  auch  in  rein  poli- 
tischen Dingen  haben  sie  die  päpstlichen  Befehle  zu  erfüllen,  oder 
che  Strafe  des  Papstes  zu  gewärtigen;'^)  sie  stehen  unter  dem 
Schutze  des  Papstes,'^)  aber  sie  sind  ihm  gegenüber  rechtlos.  Lud- 
wig d.  D.  und  Karl  d.  K.  erlaubten  sich  einmal  einen  römischen 
Auftrag  als  nicht  notwendig  zu  bezeichnen;  wie  fuhr  Nikolaus  da- 
gegen auf!  er  schalt  sie  vde  Schulknaben:  er  sage  das,  was  gött- 
Heh  geoffenbart  sei;  wenn  sie  nur  wollten,  könnten  sie  wohl  wissen, 
wie  die  Dinge  sich  verhielten.*^)  Als  Karl  sich  über  den  Ton, 
den  Nikolaus  in  seinen  Briefen  anschlug,  beschwerte,  erhielt  er  zur 


Ij  Ep.  40  S.  690;  vgl.  17  S.  278;  30  S.  297. 

2)  Ep.  8  S.  213.  An  das  Komische  streifte  die  Zeichnung,  welche 
Nikolaus  von  Karl  d.  K.  entwirft:  Cum  vos  tantae  humilitatis  tantaeque 
devotionis  incurvatione  sub  potenti  manu  Dei  ad  reverentiam  praecipuorum 
ipsius  apostolorum  flecti  conspicinius,  impletum  videmus,  quod  s.  Job  de 
domino  loquitur  dicens:  Sub  quo  curvantur  qui  portant  orbem.  Nisi  enim 
vos  .  .  tamquam  cuiusdam  ingentis  fabricae  bases,  vestro  sudore  mundum 
quodammodo  portassetis,  nequaquam  Graeco  sermone  [iaatÄEwv  vocabula 
sortiremini.  Rursusque  nisi  tanta  coram  summo  Deo  vos  humiliatione  in- 
curvassetis,  nequaquam  nobis  .  .  obedientiae  coUa  tanta  facilitate  sub- 
mitteretis. 

3)  Ep.  25  S.  288. 

4)  Ep.  26  S.  290:  Karl  und  Ludwig  d.  D.  sollen  den  Frieden  mit 
Kaiser  Ludwig  nicht  brechen :  Alioquin  .  .  noverit  sibi  et  üeum  omnipo- 
tentem .  .  refragaturum  et  apostolatum  nostrum  iuxta  competens  sibi  mini- 
sterium  procul  dubio  reluctaturum. 

5)  Ep.  25  f.  S.  287. 

6)  Ep.  27  S.  291. 


—     540     — 

Autwort:  auch  wcuu  der  i);ii).stliclic  Tadel  keincu  (iiuud  liätte, 
iinisse  er  ihu  über  sich  ergehen  hissen  wie  Hiob  die  götthcheu 
Züchtigungen;  er  habe  dann  einen  verborgenen  heilsamen  Zweck. ^) 

Nikolaus  zog  die  letzte  Konsequenz  seiner  Ansichten,  indem 
er  die  fürstliche  •  Würde  als  vom  Pa])st  übertragen,  ihren  Besitz 
als  von  der  Anerkennung  der  Kirche  abhängig  erklärte.  Im  Jahr 
850  hatte  Leo  TV.  auf  Befehl  Lothars  Ludwig  zum  Kaiser  ge- 
salbt.-) A^''enn  Nikolaus  von  dem  Vorgänge  sjirach,  so  erklärte  er, 
durch  den  Dienst  des  Papstes  habe  er  unter  Segnung  und  01- 
salbuug  das  Keich  erlangt;  der  A'ikar  des  Aposteltürstcn  habe 
ihn  mit  dem  Schwert  ausgerüstet,  das  er  gegen  die  Ungläubigen 
zu  führen  habe.**)  Er  sah  in  der  pä{)stlichen  Handlung  die  Über- 
tragung des  Reichs,  nicht  mehr  die  Benediktion  des  Kaisers.  So 
beurteilte  er  auch  die  Erhebung  Pippins  zum  König  und  die  Krö- 
nung Karls  zum  Kaiser.  Dank  den  päpstlichen  Privilegien,  schrieb 
er  an  Karl  d.  K.,  hätten  seine  Vortahren  jede  Vermehrung  ihrer 
Würde,  ihre  ganze  Herrlichkeit  erhalten.'')  Nicht  einmal  das  Erb- 
recht erschien  als  genügende  Basis  für  die  Sicherheit  des  Besitzes: 
das  Königreich,  das  als  Erbe  seines  Vaters  an  Kaiser  Ludwig 
gekommen  war,  sei  ihm  durch  die  Autorität  des  apostolischen 
Stuhles  bestätigt, ^^)  erklärte  Nikolaus.  Es  war  nur  die  andere  Seite 
der  Sache,  dass  er  das  Jlecht  auf  die  Krone  von  der  AVeise  der 
Regierung  abhängig  machte.  Als  Bischof  Adventius  von  Metz  sein 
Verhalten  auf  der  Metzer  Synode  damit  entschuldigte,  dass  er 
Unterthan  seines  Königs  sei,  erwiderte  der  Papst:  ein  Fürst,  welcher 
schlecht  regiere,  sei  ein  Tyrann  und  nicht  ein  König.  Die  Wr- 
treter  der  Kirche  seien  verptiichtet,  sich  gegen  einen  solchen  zu 
erheben  und  ihm  zu  widerstehen,  nicht  aber  sich  ihm  zu  unter- 
werfen.    Sonst  begünstigten  sie  seine  Verbrechen.") 

Nikolaus  hat  sich  cinnial  den  Fürsten  der  ganzen  Erde  ge- 
nannt.")    Er  hat  sofort  den  auffidligen  Ausdruck  gemildert,  indem 


1)  Ep.  30  S.  299 

2)  Ann.  Bort.  z.  d.  J.  S.  38;  vgl.  auch  ol.on  S.  513. 

3)  Ep.  26  S.  290. 

4)  Ep.  30  S    298. 

5)  Ep.  26  S.  290. 

6)  App.  cp.  4  S.  373;  vgl.  10  S.  379.  Man  sieht,  dass  Srlralek-s  An- 
sicht (Hinkmars  kanonist.  (Gutachten  S.  177  IT.),  die  Kirche  führe  nach 
Nikolaus  nur  das  geistliche  Schwert,  nicht  zutrett'end  ist. 

7)  Ep.  8  S.  205:  Pro  quibus  patribus  (Petrus  und  Paulus)  nos  divi- 
nitus ,  incremento  gratiae  ininistrato ,  nati  sumus  filii  et  constituti  .  . 
principe«  super  omncni  terram,  id  est,  super  universain  ecdesiam.  Dass 
terra  mit  P^rde,    nicht    mit  Land    zu  übersetzen  ist,    beweist  das  Folgende. 


—     541     — 

er  ihn  erklärte  als  Herr  der  ganzen  Kirche.  Aber  seinen  An- 
schauungen entspricht  jenes  schroffere  AVort:  er  fühlte  sich  nicht 
mehr  als  Unterthan,  sondern  als  Herrscher  der  Fürsten.  Seine 
Gedanken  gingen  weiter  als  die  Pseudo-Isidors;  die  fränkischen 
Fälscher  dachten  die  Unabhängigkeit  der  Kirche  verwirklicht,  wenn 
ihre  Leiter  vor  willkinlicher  Bedrängnis  gesichert  waren;  Nikolaus 
fand  volle  Unabhängigkeit  nur  in  der  Herrschaft:  er,  noch  mehr 
als  Pseudo-Isidor,  wies  die  Wege  Gregors  YH. 

Wer  einen  grossen  Anspruch  klar  fixiert,  hat  einen  mächtigen 
Schritt  auf  dem  Wege  zu  seiner  Verwirklichung  gethan,  Niko- 
laus gelang  mehr:  er  erkämpfte  die  Anerkennung  semer  An- 
sprüche. 

Für  uns  bleibt  ausser  Betracht,  dass  er  dem  oströmischen 
Reiche  gegenüber  die  römischen  Eechte  mit  herausfordernder  Kühn- 
heit vertrat,  dass  er  den  Erzbischof  Johann  von  Ravenna  trotz  des 
Schutzes,  den  ihm  Kaiser  Ludwig  gewährte,  zur  Unterwerfung 
unter  Eom  nötigte,  und  dass  er  den  ehrgeizigen,  hochstrebenden 
Hinkmar  von  Rheims  zu  demütigen  wusste.  Nur  daran  mag 
erinnert  werden,  dass,  wenn  Nikolaus  sich  Rothads  von  Soissons 
annahm,  er  es  nicht  nur  that,  um  einen  unschuldig  Bedrängten  zu 
schützen.  Für  ihn  stand  durchaus  der  Gedanke  im  Vordergrund, 
dass  er  verpflichtet  sei,  die  ausser  Acht  gelassenen  päpsthchen 
Rechte  zu  wahren.  Als  er  Rothad  von  den  zu  seinen  Gunsten 
unternommenen  Schritten  Kunde  gab,  versicherte  er  ihm,  er  könne 
seine  Angelegenheit  nicht  ungej^rüft  lassen;  sonst  würde  dem  kirch- 
hchen  Strafrecht  Eintrag  geschehen;  er  forderte  ihn  nicht  nur  auf 
nach  Rom  zu  kommen,  sondern  er  ckang  auch  in  ihn,  dass  er  seine 
Appellation  so  sehr,  als  es  möghch  sei,  in  die  Öffentlichkeit 
bringe.^)  In  der  Rede,  welche  er  am  Weihnachtsfeste  864  in 
Sa.  Maria  maggiore  hielt,  mahnte  er  die  Anwesenden,  mit  ihm  zu 
trauern  über  die  gottlose  Ki'änkung,  ja  Vernichtung  der  Privilegien 
des  apostolischen  Stuhles:  von  glühendem  Eifer  entflammt,  sollten 
sie  fiii'  ihi'e  Wiederherstellung  Sorge  tragen.-)  Die  Frage  nach 
dem  Gericht  über  die  Bischöfe  sollte  prinzipiell  durchgekämpft  und 


Der  Ausdruck    wird   ohne   die   beschränkende  Erklärung  wiederholt    ep.  42 
S.  693. 

1)  Ep.  33  S.  306  f.  V.  28.  April  863.  Bemerkenswert  ist  besonders 
der  Schluss:  Verum  quantum  audes,  quibus  potes  et  quomodo  potes,  apo- 
stolicam  sedem  appellare  et  hanc  adire  velle,  manifestare  necesses,  si  tarnen 
te  iniuste  laesum  nosti  et  bonam  te  causam  habere  per  Dei  gratiam  arbi- 
traris,  quoniam  nos  .  .  nullatenus  te  in  finem  oblivioni  tradi  vita  comite 
patiemur. 

2)  Mansi  XV  S.  685;  vgl.  ep.  39  S.  687;    41  S.  692;  42  S.  694. 


—     542     — 

dadurch  fiir  iiiiiiier  ontschicdon  worden.  Di'sIkiU)  initerliess  Niko- 
laus iiiclit,  dou  höcliston  Anspruch  zu  erhöhen,  obi^leich  er  für  den 
Fall,  so  wie  er  lag,  gar  nicht  in  Frage  kam:  auch  wenn  keine 
Appellation  erfolgt  wäre,  hätte  das  ITrteil  über  Rothad  dem  Papste 
vorgelegt  werden  müssen.')  Er  kämpfte  nicht  um  sein  Ap])el- 
lationsrecht,  sondern  um  die  Herrschaft  in  der  Kirche.  Wie  hätten 
ihn  die  Voi-stellungen  Hinkmars  irre  machen  sollen,  der  auf  die 
ül)len  Folgen  hinwies,  welche  von  der  Erniedrigung  der  INfetro- 
politen  zu  erwarten  seien.-)  eTe  weniger  Selbstständigkeit  es  in  der 
Kirche  gab,  um  so  unumschränkter  war  ja  die  päpstliche  Herrschaft. 
Es  ist  bekannt,  dass  Nikolaus  sich  in  seinem  Streite  mit 
Hinkmar  einige  Male  auf  pseudo-isidorische  Sätze  berief.''')  Wer 
möchte  entscheiden,  ob  er  es  in  gutem  Glauben  that,  oder  ob 
er  den  Betrug  erkannte?^)  Klar  ist  jedoch,  dass  er  durch  die 
Berufung  auf  ältere  Zeugnisse  nicht  nur  seine  Stellung  zu  ver- 
stärken ])eabsichtigte:  es  lag  ihm  auch  hier  daran,  den  Satz 
durchzuführen,  dass  alle  römischen  Entscheidungen  schl(M^]itliin 
giltig  seien.'*) 


1)  Ep.  28  S.  '294:  32  S.  303. 

2)  Hincm.  ep.  2  Migne  126  S.  40. 

3)  Serm.  Nie.  S.  686:  Berufung  allgemeiner  Synoden  nur  im  päpst- 
lichen Auftrag;  ep.  41  S.  691;  42  S.  694:  Die  Kechtsspreclinng  über  einen 
Bischof  gehört  nach  Rom;  vgl.  Hinschius,  Ps.-Isid.  S.  CClVtf.  Schrörs, 
liincmar  S.  266  ff.  vertritt  die  Ansicht,  Nikolaus  habe  i.  .1.  863  nicht  die 
pseudo-isidorische  Sammlung,  sondern  nur  einzelne  Dekretalen  gekannt. 
Aber  wenn  Nikolaus  i.  .T.  86.5  mit  Bezug  auf  einen  pseudo-isidorischen  Satz 
den  Einwand  der  fränkischen  Bischöfe  erwähnt,  derselbe  finde  sich  nicht  im 
Codex  oanonnm  (ep.  42  S.  69."))  und  wenn  er  diesem  Einwand  damit  zuvor- 
kommt, dass  er  sagt,  die  Dekrete  der  Päpste,  die  ihn  ausgesprochen,  fänden 
sich  im  römischen  Archiv  (1.  c.  S.  694  (F.),  so  ist  schwer  zu  glauben,  dass  er 
die  Sammlung  unechter  Papstbriefe  nicht  gekannt  oder  eben  erst  kennen 
gelernt  hat. 

4)  Weizsäcker  (P.  RE.-  X  S.  ryC^r,),  auch  Dümmler  fOFr  U.  II  S.  97), 
nehmen  an,  dass  sich  Nikolaus  über  den  Ursprung  der  Fälschungen  nicht 
gntäuRcht  habe.  Das  lässt  sich,  wie  mich  dünkt,  nicht  beweisen,  wenn  auch 
die  M(')glichkeit  nicht  aiisgcschlossen  ist.  Die  von  Weizsäcker,  Histor. 
Ztschr.  III  S.  84,  Dümmler,  OFr.  H.  II  S.  98  u.  a.  gebilligte  ältere  Ansicht, 
dafls  Rothad  von  Soissons  die  Sammlung  nach  Rom  brachte,  halte  ich  nicht 
für  wahrschoinlich:  wie  hätte  sonst  Nikolaus  im  Jahre  86.5  ohne  offenbare 
Lüge  sagen  können,  dass  die  römische  Kirche  die  Sammlung  penes  se  in 
suie  archivis  et  vetustis  rite  monumcntis  recondita  veneratur  (ep.  42 
S.  694)?  Ich  möchte  vermuten,  dass  sie  unter  Leo  oder  Benedikt  nach 
Rom  kam,  und  Rothad  höchstens  auf  sie  aufmerksam  machte. 

5)  Y,\<.  VI  S.  fiO.'i:    Si    vetus    nov\imf|UP    testamontum    recipienda    sunt, 


—     548     — 

Hinkmar  unterlag,  wie  er  selbst  urteilt,  nicht  dem  Eecht, 
sondern  der  Gewalt  des  Papstes.^)  Dieser  Ausgang  war  unver- 
meidlich: er  kämpfte  mit  gebrochenem  Schwert;  denn  er  erkannte 
prinzipiell  die  pä])stlichen  Ansprüche  auf  Herrschaft  an.-)  Auch 
hätte  er  nur  dann  Aussicht  auf  den  Sieg  gehabt,  wenn  er  sich 
auf  seinen  König  hätte  stützen  können.  Dass  er  sich  von 
ihm  im  Stiche  gelassen  sah,  bildet  das  entscheidende  Moment. 
Karl  aber  konnte  dem  Papste  nicht  entgegentreten:  es  lag  ihm 
zu  viel  an  dessen  Bundesgenossenschaft  auf  dem  politischen 
Gebiete.-^) 

Wichtiger  als  dieser  eine  Sieg  war  die  Konsequenz,  mit 
welcher  Nikolaus  in  vielen  einzelneu  Fällen  für  die  kirchlichen 
Ansprüche  eintrat.  Er  betrachtete  den  Schutz  des  Kirchenguts 
als  seine  Pflicht  und  gab  nicht  zu,  dass  die  Fürsten  irgend  ein 
Verfügungsrecht  über  dasselbe  besässen:  wer  auf  Grund  einer 
könighchen  Verleihung  kirchlichen  Besitz  okkupiere,  sei  mit  Ex- 
kommunikation und  Anathema  zu  bestrafen.^)  Demgemäss  ver- 
langte er  im  Jahre  868  die  Restitution  der  Besitzungen  der  Metzer 
Kirche.'^)  Einige  Jahre  später  richtete  er  an  die  Inhaber  von 
Kirchenlehen  in  Aquitanien  die  Aufforderang,  sie  zurückzugeben; 
er  hielt  ihnen  vor:  das  Kirchengut  sei  Gottes  Eigentum;  an  ihm 
versündige  sich,  wer  es  der  Kirche  entziehe;  dass  die  Fürsten  Lehen 
aus  kirchlichem  Besitz  erteilten,  sei  ungerecht:  Gott  werde  es 
rächen.*')  Besonders  war  er  unermüdlich,  die  Beobachtung  der 
kanonischen  Bischofswahl  zu  fordern.  Als  König  Lothar  im  Jahre 
862  einen  seiner  Günsthnge,  Hilduin,  zum  Bischof  von  Cambrai 
ernannte,    versagte   ihm  Nikolaus    die    Anerkennung:    er   verlangte 


non  quod  codici  canonam  ex  toto  habeantur  annexa,  sed  quod  de  bis 
recipiendis  s.  papae  Innocentü  prolata  videtur  esse  sententia,  restat  nimirum, 
quod  decretales  epistolae  Romanorum  pontificum  sunt  recipiendae,  etiamsi 
non  sunt  canonum  codici  compaginatae;  qoniam  inter  ipsos  canones  unuui 
b.  Leonis  capitulum  constat  esse  permixtum,  quo  ita  omnia  decretalia  con- 
stituta  sedis  apostolicae  custodiri  mandantur,  ut  si  quis  in  illa  commiserit, 
noverit  sibi  veniam  negari. 

1)  Ann.  Bert.  z.  J.  865  S.  76:  Rothad  a  Nicoiao  papa.non  regulariter 
sed  potentialiter  restitutus. 

2)  Dafür  ist   besonders   sein  zweiter  Brief  Migne  126  S.  25  ff.  charak- 
teristisch. 

3)  S.  Dümmler,  OFr.  R.  II  S.  52. 

4)  An  Ado  von  Vienne  c.  3  (J.W.  2697). 

6)  Urk.    des    Adventius   v.  Metz   für   das  Kloster  Gorze  (Calmet,   bist. 
de  Lorraine  I,  S.  307  Preuves). 
6)  App.  I  ep.  15  S.  386. 


—     544     — 

die  AValil  eines  rechtmässigen  Bischofs  durch  Klerus  und  Volk.') 
Zwei  Jahre  später  sah  sich  Ijudwig  d.  D.  genötigt,  die  Enthehung 
des  kranken  Bischofs  Erchanfrid  von  Regensburg  von  seinem  Amte  in 
Antrag  zu  bringen.  Nikolaus  stimmte  zwar  zu,  forderte  aber,  dass  sein 
Nachfolger  von  Klerus  und  Volk  im  Einverständnis  mit  dem  ISfetro- 
politeu  gewählt  werde.')  Im  Jahre  8()()  bat  Karl  d.  K.  um  Er- 
teilung des  Palhums  an  den  neugcwählten  Erzbischof  Egilo  von 
Sens.  Nikolaus  gewährte  es,  unterliess  jedoch  nicht,  die  Unregel- 
mässigkeit zu  tadeln,  dass  Egilo  dem  Klerus  von  Sens  nicht  an- 
gehört hatte."') 

In  allen  diesen  Fällen  richtete  das  Verlangen  der  kanonischen 
Wahl  seine  Spitze  gegen  den  Eintiuss  der  Fürsten.  Wie  ent- 
schieden Nikolaus  darauf  ausging,  ihn  zu  beseitigen,  sieht  man 
am  deutlichsten  bei  der  Besetzung  der  Bistümer  Trier  und  Köln: 
während  die  hadernden  Könige  sich  gegenseitig  zuvorzukommen 
und  die  wichtigen  Stellen  mit  Paiteigängern  zu  besetzen  suchten, 
stellte  Nikolaus  die  Forderung  auf,  dass  die  Person  des  Kandi- 
daten ihm  mitgeteilt  werde  ;^)  er  wollte  die  von  den  Fürsten  Er- 
nannten ausschliessen.  In  einem  Schreiben  an  den  Erzbischof 
von  Besangon  proklamierte  er  den  Grundsatz,  dass  die  Träger 
der  weltlichen  Macht  m  die  Bischofswahlen  überhaupt  nicht  ein- 
zugreifen hätten.^) 

fm  Vergleich  mit  dem  konsequenten  Verfahren  des  Papstes 
macht  das  ^'erhaltcn  der  Fürsten  den  Eindruck  der  Haltlosigkeit. 
In  einzelnen  Fällen  suchten  sie  ihren  Willen  durchzusetzen;")  in 
andern  gestanden  sie  die  päpstlichen  Ansprüche  zu.'^  Besonders 
war  Karl  d.  K.  eifrig,  zu  versichern,  dass  er  kein  anderes  Be- 
streben kenne,  als  den  heiligen  Befehlen  des  Papstes  zu  gehorchen.*) 


1)  Ep.   63  —  65  S.  350  ff.;  27  S.  293. 

2)  App.  III  ep.  1,  5  f.  S.  456. 

3)  App.  I  ep.  20  f.  S.  391. 

4)  Kp.  55  S.  328;  J.W.  2878. 

5)  App.  III  ep.  4,  4  S.  462.  In  dem  Satze:  Si  electio  eius  non  a  sae- 
cularibus  quibusque  sed  a  clero  ecclesiae  cum  consensu  primorum  civitatis 
ipsius  fuerit  composita,  können  die  saeciilares  nur  die  J'ürsten  sein. 

6)  S.  oben  S.  539  und  unten  S.  554  ff". 

7)  Vgl.  den  Bericht  Kiirlfi  d.  K.  über  die  Wahl  Wuli'ads  zum  Erz- 
bischof von  liourgea  (Mansi  XV  8.  707). 

8)  L.  c:  Si  .  .  cel.situdinem  sanctitatis  vestrae  aliquando  has  in  par- 
tes recipere  vel  illic  videre  mereremur,  tunc  vere  cognosceretis,  quam  de- 
voti  et  fideles  erga  vo.s  ecclesiamque  vobis  a  Deo  commissam  existimus. 
Omnino  enini  sicut  spiritalem  patrem  divina  di^positio  vos  universali  ec- 
clesiae suae  proposuit.    ita  specialiter   in  caritate  Christi  sanctam   paterni- 


—     545     — 

Wer  kann  es  dem  Papste  verargen,  dass  er  sich  als  Herrscher 
über  die  Könige  fühlte,  nachdem  diese  sich  als  seine  Schützlinge 
gebärdeten. 

Das  Schhmmste  war,  dass  einer  der  fränkischen  Fürsten  mid 
der  allzngetügige  Episkopat  seines  Reichs  dem  Papst  Anlass  gaben. 
das  Königtum  tiefer  zu  demütigen,  als  es  selbst  in  dem  traurigen 
Streite  der  Söhne  mit  dem  Vater  geschehen  war. 

Wir  beriihreu  damit  die  Scheidungssache  Lothai'S  II.  Ihre 
Anfänge  reichen  in  die  Zeit  Benedikts  zurück.  Lothar  lebte  in 
seinen  Jünghngsjahren  mit  einer  Konkubine  Namens  Waldrada.  Das 
Verhältnis  war  so  öfFenthch,  dass  er  später  die  Behauptung  auf- 
stellen konnte,  es  sei  eigenthch  eine  Ehe  gewesen.^)  Gleichwohl 
löste  er  es  in  seinem  ersten  Regierungsjahre  auf:  er  verheiratete 
sich  mit  Thietberga,  der  Tochter  eines  Grafen  Boso  und  der  Schwester 
des  mächtigen  Abtes  Hucbert  von  St.  Maurice,  dem  alten  Agaunum. 
Es  war  nichts  vorausgegangen,  was  ihn  von  Waldrada  entfremdet 
hätte;  seine  Verheiratung  sollte  nur  den  Wünschen  des  Adels  ge- 
nugthuen.  -)  Auch  politische  Gründe  mögen  in  Betracht  ge- 
kommen sein.^)  Begreifhch,  dass  Waldrada  die  Treulosigkeit  des 
Königs  ihm  weniger  verübelte  als  seinen  Ratgebern.  Ihr  ganzer 
Hass  richtete  sich  gegen  Thietberga:  ihr  meinte  sie  geopfert  zu 
sein;  denn  hätte  nicht  auch  sie,  freigeboren  wie  jene,  die  Krone 
tragen  können?  Des  Königs  Ehe  war  nicht  glücklich;  Tliietberga 
gebar  ihm  keinen  Erben,  dagegen  hatte  er  Kinder  von  Waldrada.*) 
Ist's  zu  verwundern,  dass  die  alte  Leidenschaft  für  sie  bald  wieder 
auflebte?  Er  gab  ihi-  nach:  der  Gedanke  an  die  Pihcht  hatte  über 
ihn  niemals  Macht:  er  war  wie  berückt  von  AVakfrada."^)     In  dem 


tatem    vestram    diligimus,     atque    sacris    iussionibus    vestris    obedire    desi- 
deramus.  Ähnlich  das  gemeinsame  Schreiben  Lothars  und  Ludwigs,  B.M.  1262. 

1)  Commonit.  Nicol.  (Mansi  XV  S.  367):  Lotharius  profitetur  Waldra- 
dam  se  a  patre  accepisse.  Dieselbe  Behauptung  vertritt  Adventius  von 
Metz  in  seinem  libell.  de  Waldrada  (Baron,  ann.  z.  J.  862  Nr.  29j. 

2)  Ann.  Laubac.  z.  J.  855.  Der  Wunsch  des  Adels  ist  in  den  sieben 
Kapiteln  der  Aachener  Synode  v.  9.  Jan.  860  erwähnt  (M.G.  Cap.  II  S.  463 
Nr.  305  B.  1). 

3)  S.  Mühlbacher,  D.G.  S.  504. 

4)  NicoL  ep.  48  S.  313;  51  S.  323  (J.W.  2870  und  2873).  Hug,  der 
Sohn  Lothars  und  der  Waldrada  ist  in  Lothars  Urk.  für  St.  Peter  in  Lyon 
(B.M.  1265)  und  in  dem  Reichenauer  Verbrüderungsbuch  neben  Lothar  und 
Waldrada  genannt  (S.  164  c.  35,  21);  ausserdem  werden  zwei  Töchter  Lothars, 
Bertha  und  Gisla,  erwähnt  (s.  d.  Epitaph.  Bertae  bei  Dümmler,  Liutpr.  opp. 
S.  167  und  Ann.  Vedast.  z.  J.  882). 

5)  Ann.  Bert.  z.  J.  862  S.  60:  Caeco  amore  inlectus. 
Hauck,  Kirchengeschichte.   II.    2.  Aufl.  35 


—     040     — 

Ehrgeiz.  Königiu  zu  sein,  dning  sie  in  ihn,  sich  seiner  (.-ieniahUn 
zu  entledigen.  AVirkHeh  verstiess  er  auf  Grund  der  gröbsten  Ver- 
leumdungen im  Jahre  857  die  Unschuldige.^)  Aber  die  Grossen 
des  Keichs  traten  für  sie  ein;  sie  forderten  tin  gerichtliches  Ver- 
fahren. Der  Köftig  wagte  nicht  zu  widersprechen.  Als  ein  Gottes- 
gericht zu  Gunsten  Thietbergas  ausgefallen  war,  erkannte  er  sie 
AN-ieder  als  seine  Gemahhu  an;  gedrängt  durch  seine  Umgebung  ge- 
stattete er  ihre  Rückkehr  an  den  Hof.-')  Die  Unglückliche  hatte 
keinen  Gewinn  davon.  Denn  Ldthar  verzichtete  nicht  auf  seinen 
verbrecherischen  Plan:  er  fasste  jetzt  den  verworfenen  Gedanken, 
Thietberga  zum  Bekenntnis  der  ihr  schuldgegebenen  Greuel  zu 
zwingen.^)  Das  Erste  war,  dass  die  Beweiskratl  jenes  Gottes- 
urteils bestritten  wurde ;  "*)  dann  Avurde  die  Königin  gefangen  ge- 
setzt. ■'^)  Eine  Zeit  lang  widerstand  sie;  sie  richtete  insgeheim  eine 
Appellation  nach  Eom.")  SchliessHch  aber  ward  ihre  Kraft  ge- 
lirocheu:  in  einer  vor  Erzbischof  Günther  von  Köln  abgelegten 
Beichte  erklärte  sie  sich  für  unwürdig  der  Ehe  mit  dem  König.') 
Nun  glaubte  dieser  mit  Hilfe  des  Episkopats  zum  Ziele  kommen 
zu  können:  am  9.  Januar  860  versammelte  sich  auf  seinen  Befehl 
eine  Synode  zu  Aachen;  als  Teilnehmer  waren  nur  die  Erzbischöfe 
Günther  von  Köln  und  Thietgaud  von  Trier,  die  Bischöfe  Adventius 
von  Metz  und  Franko  von  I^üttich  sowie  zwei  Abte  anwesend, 
kt^in  einziger  Mann  von  })ersönbcher  Bedeutung;  besonders  den 
beiden  Metropoliten  fehlte  die  Achtung  ihrer  Zeitgenossen.  Den 
t-rsten  Platz  nahm  Günther  ein;  aber  Begino  chaiakterisiert  ihn 
als  einen  Manu  von  leichtem  Sinn  und  unüberlegt  in  seinem  Han- 
deln; von  anderen  wird  ihm  Lust  an  weltlichem  Prunk  und  die 
gewissenloseste  Verschleuderung  des  kirchlichen  Besitzes  zum  Vor- 
wurf" gemacht.'*)  Der  Erzbischof  von  Trier  war  ungel)ildet  in  jeder 
Hinsicht:  mehr  noch  gebrach  es  ihm  an  Schade  des  Verstands 
und  Selbstständigkeit  des  Wolleiis:")  er  that  was  Günthci-  ihn  hiess. 


1)  L.  c.  z.  J.  857;  vgl.  llinc.  de  div.  S.  629,  636. 

2)  Ann.  Bert.  z.  J.  858  „cogentibus  suis".  Hinc.  de  divort.  S.  629,  672. 

3)  Commonit.  Nicol.  S.  368  (J.W.  2726). 

4)  Hincm.  de  divort.  S.  659. 

5)  .\nn.  Bert.  z.  J.  «58. 

6)  Commonit.  Nicol.  S.  368. 

7)  Hincm.  de  divort.  S.  636. 

8)  Regin.  chron.  z.  J.  864  S.  81 ;  Ann.  Xantens,  z.  J.  865  M.G.  Scr.  II 
S.  231.  Sedulius  Scottus,  einer  dor  gewis.senlo8e8ten  litterarischcn  Lob- 
hudler hat  freilich  auch  ihn  gerühmt,  Carm  68ff.  M.G.  Poet.  lat.  III 
.^.  221  tt. 

9;  Kegin.    1.  c.    von  Günther:    Sciens   (Thietgaudum)   esse   virum  sim- 


-     547     - 

xA.dventius  war  gewandt,  aber  ohne  Grundsätze:  er  verstand  es  mit 
unvergleichlicher  Geschichklickeit,  stets  mit  dem  Winde  zu  segeln. 
Franko  endlich  war  mehr  Kiiegsmann  als  Bischof.^)  Die  so  zu- 
sammengesetzte S}'node  erklärte  auf  Grund  des  Bekenntnisses  der 
Königin  die  Ehe  Lothars  für  nichtig.  In  dem  kurzen  Bericht-) 
über  die  Verhandlungen  wusste  man  die  Sache  so  darzustellen,  als 
habe  der  König  unter  dem  Druck  der  öffentlichen  Meinmig  ge- 
handelt/') die  Königin  selbst  aber  im  Bewusstsein  ihrer  Schuld 
die  Lösung  der  Ehe  gefordert,  um  ins  Kloster  gehen  zu  können.'') 
In  einer  etwas  längeren  Mitteilung  an  den  Episkopat '"')  wird  der 
letztere  Punkt  des  Aveiteren  ausgeführt.  Wenige  Wochen  später 
folgte,  gleichfalls  zu  Aachen,  eine  zweite  Synode.'^)  An  ihr  nahmen 
nicht  nur  lothringische,  sondern  auch  west-  und  südfränkischo 
Bischöfe  Anteil.'')  Man  nötigte  die  unselige  Frau,  ihr  Bekenntnis 
zu  wiederholen:  um  dem  Volke  keinen  Z^veifel  an  ihrer  Schuld  zu 
lassen,  verhängte  man  die  öffentliche  Kirchenbusse  über  sie.  Dann 
wurde  sie  in  ein  Kloster  gebracht.**)  Sie  sollte  gleichsam  veraichtet 
sein.  Erkauft  war  das  ungerechte  Urteil  dadurch,  dass  Lothar  das 
geistliche  Gericht  der  Bischöfe  anerkannte. 

Wähi'end  der  lothringische  Episkopat  in  so  schmachvoller 
Weise  den  Sünden  des  Königs  diente,^)  erhob  von  dem  Reiche 
Karls  d.  K.  aus  Erzbischof  Hinkmar  von  Rlieims  seine  Stimme  für 


plicem  nee  adeo  in  divinis  scripturis  erudituni  canonicisque  sanctionibus 
exercitatum.  Ähnlich  charakterisiert  ihn  Lothar  selbst  Mansi  XV  S.  385: 
Simplicissimus  atque  innocentissimus  vir. 

1)  Vgl.  über  ihn  Gesta  abb.  Lob.  15—17  M.G.  Scr.  IV  S.  61  ff. 

2)  Die  von  Hinkmar  in  seine  Schi-ift  de  divort.  aufgenommenen  sieben 
Kapitel  (S.  636  f.);  auch  M.G.  Cap.  II  S.  463  f.  Nr.  305  B. 

3)  C.  1:  Dictum  est  eidem  principi  a  quibusdam,  C.  2:  Per  oni 
quorundam  volitabat.  Apertius  scelus  est  illi  maftifestatum. 

4)  C.  3  und  4. 

5)  Die  acht  Kapitel  a.  a.  0.  A. 

6)  Auch  über  diese  Synode  wurde  ein  offizieller  Bericht  veröffentlicht, 
den  Hinkmar  de  divort.  S.  637  f.  exzerpiert,  M.G.  Cap.  II  S.  466  ff.  Nr.  306. 

7)  Neben  Günther,  Thietgaud  und  Franko  waren  anwesend  Wenilo 
von  Rouen,  Hatto  von  Verdun,  Hildegar  von  Meaux  und  Hilduin  von 
Avignon.  Dass  der  lothringische  Episkopat  in  der  Sache  nicht  einig  war, 
zeigt  der  25.  Brief  Hinkmars  (S.  161  j;  Hinkmar  selbst  entschuldigte  sich 
mit  Krankheit  (S.  645). 

8)  Ann.  Bert.  z.  J.  860;  Hinc.  de  div.  S.  639. 

9)  v.  Ranke,  WG.  VI,  1  S.  152  nimmt  an,  dass  die  Entscheidung 
des  Episkopats  durch  den  Gedanken  an  den  Fortbestand  Lothringens  mo- 
tiviert sei.     Ich  glaube,  dass  Günther  hiebei  zu  ernsthaft  genommen  ist. 

35* 


—     548     — 

die  iiiisslianclelte  Königin.')  Mancherlei  Gründe  kamen  /usaninieu, 
die  ihn  dazu  bewogen:  eine  Autrordeniug,  sich  ül)er  die  Angele- 
genheit /u  äussern,-)  der  ISfissbrauch.  den  die  Ijothringer  mit 
seinem  Namen  tneben/^)  vielleicht  auch  der  Wnnsch  seines  Königs.^) 
Man  kann  deshalb  zweifehl,  ob  er  nur  um  des  Rechtes  willen 
liandelte.  Aber  zweifellos  ist,  dass  er  dem  Rechte  zu  Dienst  han- 
delte: in  einer  uintanghchen  Schrift  enthüllte  er  das  frivole  Spiel, 
das  man  mit  göttlichen  und  menschlichen  Gesetzen  in  Aachen  ge- 
trieben hatte."*) 

Die  Wirkung  der  Schrift  Hinkmars  war  sofort  wahrzunehmen. 
Die  gefangene  Fiü-stin  fasste  wieder  Mut;  sie  entfloh  aus  der  Haft 
und  suchte  im  Westreich  einen  Schutz,  den  mehr  die  Selbst- 
sucht als  der  Rechtssinn  Karis  d.  K.  ihr  gewährte.")  In  I^othringen 
aber  wurde  man  bedenklich:  der  König  und  die  Bischöfe  fürchteten 
die  Einmischung  Roms  und  suchten  sie  durch  Schreiben  voll  gleis- 
nerischer Freundlichkeit  hintanzuhalten.')  Zugleich  beeilte  sich 
Lothar,  den  letzten  Schritt  zu  thun.  Hinkmar  hatte  den  Satz  auf- 
gestellt, die  Entscheidung  über  seine  Ehe  gel)ühre  einer  fränkischen 
Generalsynode.'')  Um  zuvorzukonnueu ,  versanmielte  er  im  Früh- 
jahre 862  eine  lothringische  Landessynode.  Sie  trat  am  29.  April 
zu  Aachen  zusammen  und  gestattete  dem  Könige,  der  persönlich 
seine  Sache  führte,  die  Wiederverheiratung.")  Dass  Hiidcmar  nicht 
vergeblich  geschrieben  hatte,  bewies  auch  diese  Synode;  ihr  Be- 
schluss  wurde  nicht  einstimmig,  sondern  mit  sechs  gegen  zwei  Stinnnen 
gefasst.^")  Die  Bischöfe  des  Sprengeis  von  Besanron  hielten  sich 
fern.     Gleichwohl  schien  liothar  sein  Ziel  erreicht  zu  haben;   Weih- 


1)  Dass  Hinkniars  Schrift  dn  divoit.  vor  der  Synodo  von  862  ver- 
öffontlicht  ist,  scheint  mir  keinem  Zweifel  zu  unterliegen.  Hier  ist  das 
testimonium  e  silentio  zulässig. 

2)  De  divort.  S.  627. 

3)  L.  c.  S.  645. 

4)  Vgl.  Dümmler,  OKr.  H.  II  S.  1.5;  iMühlbacher,  D.G.  S.  510. 

5)  Über  die  Schrift  handelt  eingehend  Sdraleck,  Hinkmars  v.  Hheinis 
kanonistisches  Gutachten,  1H81. 

6)  Ann.  Bert.  z.  J.  860  S.  54. 

7)  Brief  Lothars  an  Nikolaus  (Migne  121  S.  374;  über  die  Datierung 
s.  die  Bemerkungen  Mühlbachors  Nr.  125«)  und  Lothars  und  Ludwigs  an 
denselben  (Baron,  ann.  z.  .T.  860  Nr.  27);  Schreiben  der  Bischöfe  nach  Rom 
(Mansi  XV,  S,  548). 

8)  De  divort.  S.  646  f. 

9)  Mansi  XV  S.  611  f. 

10)  L.  c.  S.  617  ff.     Die  Namen  der  beiden   Bischöfe    sind    nicht   über- 
liefert.    Dümmler  (OFr.  R.  II  S.  31)  denkt  an  Arnulf  von  Toul  und  Hunger 


—     549     — 

•• 

nachten  862  fand  seine  Vermählung  mit  Waldrada  statt:  die  Kon- 
kubine war  nun  Königin.') 

Nikolaus  hatte  Lothar  gewarnt;^)  wenn  er  nun  füi-  Thietberga 
eintrat,  so  that  er  es  als  Schützer  einer  unschuldig  Verurteilten. 
Man  glaubt  ihm  eher  als  dem  ränkevollen  Hinkmar,  dass  die 
schmähliche  Kränkung  von  Recht  und  Sittlichkeit  durch  Lothar 
ihn  empörte.  Aber  andererseits  unterliegt  es  kaum  einem  Zweifel, 
dass  es  ihm  erwünscht  war,  eine  Sache  gegen  einen  König  zu 
haben.  ^)  Er  durchschaute  die  prinzipielle  Bedeutung  der  An- 
gelegenheit für  die  päpstliche  Macht;  deshalb  duldete  er  nicht, 
dass  Thietberga  sich  dem  Kampf  entzog.*)  Wie  hätte  auch  die 
Erhabenheit  des  Papsttums  über  jede  weltliche  Macht  eindring- 
hcher  bewiesen  werden  können,  als  wenn  der  Papst  einen  König 
richtete  ? 

Noch  ein  anderer  Punkt  kam  in  Betracht.  In  Bezug  auf 
Ehesachen  widersprachen  sich  das  fränkische  und  das  päpstliche 
Recht.     Nach  dem  ersteren  hatte  Lothar,  im  Falle  seine  Ehe  ge- 


von  Utrecht,  so  auch  Mühlbacher  S.  513.  Anwesend  waren  ausser  ihnen 
Günther,  Thietgaud,  Adventius,  Hatto,  Franko  und  Rathold  von  Strassburg. 
Vgl.  das  von  Hampe  N.A.  XXIII  S.  603  ff.  veröffentlichte  ßrieffragment. 

1)  Ich  beziehe  die  Stelle  im  32.  Briefe  des  Papstes  (S.  305,  J.W.  2723) 
auf  die  Segnung  der  Ehe  Lothars.  Damach  hat  Lothar  zunächst  seiner 
Zusage  gemäss  (ep.  58  S.  335,  J.W.  2886)  zugewartet,  ohne  Zweifel  in  der 
Hoffnung,  Nikolaus  werde  seiner  Wiederverheiratung  zustimmen.  Erst  die 
Absendung  der  päpstlichen  Boten,  Ende  November  862  (ep.  17  S.  278, 
J.W.  2698  V.  23.  Nov.)  wird  ihn  bestimmt  haben,  eine  vollendete  Thatsache 
zu  schaffen.  Allei'dings  erzählt  Hinkmar  Ann.  Bert.  z.  862  S.  60  die  coro- 
natio  u.  copulatioWaldradas  vor  der  Zusammenkunft  inSavonniere,  3.  Nov.  862. 
Aber,  was  Karl  daselbst  gegen  Lothar  vorbringt,  macht  wie  mich  dünkt 
sehr  unwahrscheinlich,  dass  die  Vermählung  schon  vollzogen  war:  er  wendet 
nur  ein,  dass  Lothar  weder  dem  Kate  der  französischen  Bischöfe  noch  dem 
Befehl  des  Papstes  nachgekommen  sei;  dass  er  das  Gegenteil  davon  that, 
sagt  er  nicht  (Cap.  243,  6  S.  161).  Als  „geliebte  Gemahlin"  erscheint 
Waldrada  in  der  Urk.  v.  18.  Mai  863  für  St.  Peter  in  Lyon,  B.M.  1265. 

2)  Ep.  58  S.  335. 

3)  Dass  Nikolaus  nicht  nur  aus  Rechtsgefühl  handelte,  ergiebt  sich  aus 
der  Verschiedenheit  seines  Verfahrens  gegen  Lothar  und  gegen  den  Grafen 
Balduin  von  Flandern,  der  862  Karls  d.  K.  liederliche  Tochter  Judith  ent- 
führte (Ann.  Bert.  z.  J.  862  S.  56.)  Er  fand  am  Papst  einen  Fürsprecher, 
da  er  seinen  Schutz  gegen  den  König  und  den  fränkischen  Episkopat  an- 
gerufen hatte.  Wenn  Nikolaus  seine  That  missbilligte,  so  sollte  das  nur 
seinen  Wunsch  bei  dem  König  empfehlen,  dass  der  letztere  der  Ehe  zu- 
stimme (ep.  20  f.  S.  279  ff.;  30  S.  297,  J.W.  2703  f.,  2722). 

4)  Ep.  48  S.  312  f.  (J.W.  2870). 


oo 


0 


schieden  winde,  die  Befugnis  wieder  zu  heiraten;')  nach  dem 
letzteren  war  die  ]\r<")i,dichkeit  der  Wiederverheiratung  Geschie- 
dener ausgeschlossen.  Nach  dem  ersteren  gehörte  die  Scheidungs- 
klage vor  den  weltlichen  Richter.-)  nach  dem  letzteren  war  die 
Koni])etenz  des  welthchen  (Berichts  dadurch  eingeschränkt,  dass 
der  Papst  in  höchster  Instanz  entschied.  So  allgemein  anerkannt 
waren  jene  Rechtssätze  im  fränkischen  Reiche,  dass  auch  Hinkmar 
sie  nicht  bezweifelte.'^)  Für  Nikolaus  war  die  Gelegenheit  geboten, 
die  Anerkennung  seines  Grundsatzes  zu  erkämpfen,  dass  die  kirch- 
liche Vorschrift  dem  staatlichen  Gesetz  vorangehe. 

Endlich  widersprach  die  Stellung,  welche  die  Synoden  im  fi-änki- 
schen  Reiche  einnahmen,  den  Überzeugungen  des  Papstes:  nucii 
hier  galt  es  Durchliihrung  seiner  Grundsätze. 

Nikolaus  zögerte  verhältnismässig  lange,  bis  er  den  ersten 
Schritt  gegen  den  König  that:  er  wollte  wohl  nach  allen  Seiten 
hin  klar  sehen,  ehe  er  handelte.  Dann  schloss  er  sich  an  einen 
Yoi-schlag  Hinkmars  an,  indem  er  ihn  jedoch  zugleich  umgestaltete. 
Hinkmar  hatte,  wie  vorhin  bemerkt,  geäussert,  die  Wichtigkeit  der 
Sache  sei  so  gi-oss,  dass  sie  einer  fränkischen  Generalsynode  unter- 
breitet werden  müsse.'*)  Daliei  hatte  er  Karl  d.  K.  zu  Gefallen 
geredet.  Dieser  erklärte  dann  auch  alsiiald.  er  sei  bereit,  sich  mit 
seinen  Bischöfen  und  Getreuen  liei  einer  Zusammenkunft  einzu- 
tinden.'')  ]\Ian  sieht,  er  dachte  an  eine  gemischte  Versamndnng. 
Nikolaus  bestimmte  ebenfalls,  dass  eine  fränkische  Synode  übei-  die 
Angelegenheit  entscheide;  aber  er  dachte  dabei  ledigheb  an  eine 
Synode  von  Priestern,  und  er  sandte  eigene  Tjegaten  id).  unter 
deren  Vorsitz  sie  tagen  sollte.")  Als  Gegenstand  dei-  Beratung 
naimte  er  in  seinem  Schreiben  die  rnt^rsuchnng  über  Thietberga 
und  AValdnida:  er  nannte  weder  jene  Königin,  noch  diese  Konkubine; 
am  wenigsten  bezeichnete  er  Lothar  :ds  den  I>eklagten:  mit  ängst- 
licher Vorsicht  wahrte  er  den  Standi)unkt  des  für  keine  I'artei  einge- 
nommenen Richters.  Ki-st  die  Nachricht,  dass  Ijothar  seine  Ver- 
mählung   mit   Waldrada    vollzogen    hal)e.    bestimmte    ibii    zu    einer 


1)  Vgl.  oben  S.  227. 

2)  Demgeniäs.'i  wurde  xuer.st  gegen  Tliietbeigii  vorfahron -.  vgl.  Hinnn 
de  divort,  S.  655. 

3)  In  errtteror  Hin.sicht  suchte  Hinkmar  zu  beweisen,  dass  nach  kirch- 
lichem Recht  die  Khe  Lothars  mit  W.  znliissig  sei,  wenn  seine  Elio  mit  T. 
als  nichtig  aufgelöst  würde  (de  divort  S.  7.^2  tf.).  In  letzterer  Hinsicht  w;ir 
er  ohne  bedenken  gegen  oin  welllicb'^K  (J^richt  (1.  c  S.  <;40) 

4)  De  divort.  8.  646  f. 

5)  Erklärung  vom  3.  Nov.  862  (M.  ü.  Cap.  243,  9  8.  162). 

6)  Ep.  17  f.  S.  278  (23.  Nov.  862). 


—     551     — 

entschiedeneren  Erklärung.  In  der  im  April  863  geschriebenen 
Instiiiktiou  für  seine  Gesandten  ist  es  das  Verhalten  des  Königs, 
das  untersucht  werden  soll:  es  ei^cheint  unter  jeder  Bedingung 
als  tadelnswert.^)  Das  wiederholte  er  in  einem  Schreiben  an  die 
Bischöfe  Deutschlands  und  Frankreichs  möglichst  bestimmt:  sie 
sollten  sich,  entflammt  von  Eifer  für  die  christliche  Frömmigkeit, 
nach  Metz  begeben,  um  Lothar  zu  hören  und  gegen  ihn  ein 
kanonisches  Urteil  zu  fällen:  er  drohte  bereits  mit  dem  Bann.^) 

Jedermann  kennt  den  Verlauf  der  Metzer  Sjmode.  Sie  fand 
Mitte  Juni  863  statt.  Die  lothringischen  Bischöfe,  die  allein  er- 
schienen, waren  durch  die  früheren  Beschlüsse  gebunden  und  be- 
harrten bei  der  Aachener  Entscheidung.  Die  päpstlichen  Legaten 
aber  bewiesen  sich  der  Üben-edung  und  Bestechung  Lothars  zu- 
gänghch.  Man  beschloss,  Günther  und  Thietgaud  nach  Rom  zu 
senden,  um  über  die  Sache  zu  berichten  :  man  hoffte  den  Papst 
hintergehen  zu  können.'^) 

Gutes  Muts  begaben  sich  die  beiden  an  den  päpstlichen  Hof. 
Sie  waren  vermessen  genug,  die  Unterschrift  des  Papstes  für  das 
Schriftstück  zu  fordern,  das  sie  im  Xamen  der  Synode  überbrachten;^) 
Nikolaus  liess  sie  drei  Wochen  auf  Antwort  warten ;  ^)  empört  über 
ihr  Verhalten,  bereitete  er  einen  vernichtenden  Schlag  gegen  sie 
vor.  Er  nahm  den  Bericht  entgegen,  ohne  in  Verhandlungen  über 
ihn  einzutreten,^)  berief  sodann  Ende  Oktober  863  eine  S)Tiode  nach 
dem  Lateran  und  verkündigte  hier  sein  Urteil:  das  Verbrechen,  das 
Lothar  durch  Vemiählung  mit  zwei  Frauen  begangen  habe,  sei  offen- 
kundig; die  beiden  Bischöfe  seien  mitschiddig,  sie  Avürden  deshalb 
ihres  Amts  entsetzt,  aus  dem  Priesterstand  ausgeschlossen  und  ex- 
kommuniziert, die  übrigen  Teilnehmer  der  Metzer  Synode  könnten 
Verzeihung  erlangen,  vorausgesetzt,  dass  sie  ihr  Unrecht  bekannten.  ^) 


1)  Commonit.  Nicol.  S.  367  f.  J.W.  2726. 

2)  Ep.  22  S.  281  (J.W.  2725).  Der  Brief  ist  gleichzeitig  mit  der  In- 
struktion für  die  Gesandten. 

3)  Ann.  Bert.  z.  J.  863  S.  62  ff. 

4)  Brief  des  Papstes  in  den  Ann.  Bert.  z.  J.  863. 

5)  Protestation  Günthers  und  Thietgauds  c.  2  (Ann.  Bert.  z.  J. 
864  S.  69). 

6)  L.  c. :  Nihil  certitudinis  nihilque  doctrinae  nobis  expressisti,  sed 
tantum  quodam  die  in  publico  dixisti,  nos  excusabiles  apparere  et  innocen- 
tes  iuxta  nostri  adsertionem  libelli. 

7)  Brief  des  Papstes  1.  c.  und  Beschlüsse  der  Synode  c.  1 — 3;  zu  vei*- 
gleichen  ist  c.  3  des  Protests  Günthers  und  Thietgauds.  Dass  Nikolaus  auch 
hier  den  einzelnen  Fall  in  seiner  allgemeinen  Bedeutung  fasste,  zeigt  c.  5: 
Si  quis  dogmata,    mandata,  interdieta,  sanctiones  vel  decreta  pro  catholica 


—     552     — 

Dies  Urteil  wurde  sotbii;  den  fränkisclieu  und  italienischen  Bischöfen 
mitgeteilt.') 

Noch  gaben  die  beiden  Bischöfe  ihre  Sache  nicht  verloren;  sie 
hofften,  gestützt  auf  Kaiser  Ludwig  den  Papst  zur  Zurücknahme 
seiner  Sentenz  zwingen  zu  können:  aber  Nikolaus  war  in  seiner 
ruhigen  sell)stbewussten  Festigkeit  dem  rasch  aufhrausondon  nnd 
rasch  ermattenden  Fürsten  weit  ü])erlegen. 

Unleugbar  hatten  die  Bischfife  Grund  zur  Beschwerde;  die 
Weise,  wie  sie  verurteilt  wurden:  ohne  Anklage,  ohne  Unter- 
suchung, ohne  die  Möglichkeit  der  Verteidigung,  ohne  Spioich  ihrer 
Kompronnzialen,  ■')  widersjirach  durchaus  einem  geordneten  Ver- 
fahren. Aber  ihre  Schuld  war  so  offenkundig,  dass  alle  Welt  dem 
formlosen  Verfahren  des  Papstes  Recht  gab,  weil  es  in  der  Sache 
gerecht  war.  Auch  dann  trafen  sie  sehr  nahe  an  die  Wahrheit, 
dass  sie  Nikolaus  vorhielten,  er  werfe  sich  zuui  Kaiser  der  ganzen 
Welt  auf*)  Aber  Nikolaus  war  dadurch  stark,  dass  jedermann  es 
liilligen  musste,  wenn  die  Verbrechen  der  Fürsten  nnd  der  Bischöfe 
in  ihm  einen  Richter  fanden.  Es  ist  die  fränkische  Anschauung 
über  die  Stellung  des  Papstes  in  der  Kirche,  die  in  dem  Proteste 
Günthers  und  Thietgauds  noch  einmal  zur  Aussage  konnnt:  dass 
er  verhallte,  ohne  Eindruck  zu  machen,  beweist,  dass  sie  die 
HeiTscliaft  über  die  Gemüter  verloren  hatte.  Die  Zeit  der  Reichs- 
kirche war  vorl)ei. 


fide,  pro  ecclesiastica  disciplina.  pro  correctione  fidelium,  pro  mundatione 
sceleratorum  vel  interdictione  imminentium  vel  futurorum  malorum  a  Hedis 
apostolicae  praesule  salubriter  proniulgata  contompserit.  anathema  sit.  Auch 
auf  der  Gegenseite  war  man  sich  der  principiellen  Bedeutung  der  Sache 
bewusst.  Man  sieht  das  daraus,  dass  Günther  in  dem  l'rotokoU  der  Metzer 
Synode  den  Vorbehalt  tUgte,  den  einer  der  Bischöfe  gemacht  hatte,  dass 
er  zustimme  unter  Voraussetzung  der  Billigung  Roms  (Brief  Nie. 's  2748 
bei  Floss,  die  Pajjstwahl  etc.,  Urk.  S.  .50).  Für  die  Verurteilung  der  beiden 
kam  übrigens  ihr  Verhalten  gegen  Ingeltrud,  die  ehebrecherische  Gemahlin 
des  Grafen  Boso,  eines  Bruders  der  Königin  Thietberga  (vgl.  Syn.  Houi. 
c.  4  S.  65),  ebenfalls  in  Betracht.  Auch  hier  legte  Nikolaus  das  Gewicht 
nicht  auf  das  sachliche,  .sondern  auf  das  formelle  Unrecht:  sie  hätten  trotz 
der  römischen  Exkommunikation  mit  ihr  kirchliche  Gemeinschaft  gehabt : 
lontra  ipsos  Nicaenos  canones,  (juam  nos  abiecimus,  ijjsi  receperint;  das  be- 
zeichnet er  als  immane  flagitiura  (ep.  13  S.  382,  J.W.  2764). 

1)  .T.W.  2748—2751. 

2)  Ann.  Bert.  z.  .T.  864. 

3)  C.  3  des  Protests  Günthers  und  Thiotgauds. 

4)  Schreiben  der  Bischöfe  (1.  c.  S.  68):  Domnus  Nicolaus,  qui  dicitur 
papa  et  qui  se  apostolum  inter  apostolos  adnumerat,  totiufque  mundi  im- 
peratorem  se  facit. 


—     553     — 

Nikolaus  weigerte  sich  den  Protest  anzunehmen.  Da  hiess 
Günther  ihn  auf  das  Grab  des  Apostels  niederlegen;  in  der  Peters- 
kirche kam  es  zwischen  seinen  Leuten  und  denen  des  Papstes  zu 
einem  Handgemenge;  schliesslich  behielten  die  ersteren  die  Ober- 
hand: sie  führten  ihren  Auftrag  aus,  dann  brachen  sie  sich  mit  ge- 
zücktem Schwerte  Bahn  durch  die  herbeigeströmte  Menge.  •^) 

Trotzigen  Mutes  kehrte  Günther  nach  Köln  zurück:  als  Erz- 
bischof zog  er  in  die  Stadt  ein;  das  päpstliche  Urteil  verachtend, 
waltete  er  am  Gründonnerstag  864  seines  Amts  als  Bischof.  Aber 
es  wai'  ein  schhmmes  Omen  für  seine  Sache,  dass  Thietgaud  Ahn- 
hches  nicht  wagte;  er  enthielt  sich  dem  päpstlichen  Spruche  gemäss 
der  bischöflichen  Amtshandlungen.-)  Auch  die  übrigen  Teilnehmer 
der  Metzer  Synode  wagten  nicht  Widerstand  zu  leisten.  Sie  er- 
baten und  erhielten  Vergebung."^)  Das  Verfahren  des  Papstes 
machte   in  Lothringen   den  Eindruck,    den  es  hervorbringen  sollte. 

An  Lothar  schrieb  Nikolaus  alsbald  nach  der  römischen 
Synode,  In  drohenden  "Worten  hielt  er  ihm  sein  Unrecht  vor;  er 
forderte  zugleich  kanonische  AViederbesetzung  der  Erzstühle  von 
Köln  und  Trier.*)  Der  König  Avähute,  durch  halbe  Nachgiebigkeit 
dem  Papste  genugthun  zu  können ;  er  erkannte  die  Absetzung  der 
beiden  Bischöle  an  ^)  und  schickte  ein  Schreiben,  erfüllt  von  Ver- 
sicherungen seines  Gehorsams,  nach  Rom ;  ^)  aber  weder  hess  er  von 
^^aldrada,  noch  nahm  er  Thietberga  als  seine  rechtmässige  Ge- 
mahlin zu  sich. 

In  diesem  Moment  fasste  Nikolaus  den  kühnen  Gedanken,  die 
fränkischen  Bischöfe  zu  einer  Synode  nach  Bom  zu  berufen.')  Mit 
einem  Male   wäre  er  dadurch  am  Ziel  seiner  AVünsche  gestanden. 


1)  Ann.  Bert.  z.  J.  864  S.  70  f. 

2)  L.  c;  vgl.  den  Brief  Lothars  Mansi  XV,  385. 

3)  Ann.  Bert.  1.  c.  Das  Schreiben  des  Bischofs  Adventius  von  Metz 
an  Nikolaus  bei  Mansi  XV  S.  368  flF.  Vgl.  die  Schreiben  Karls  d.  K.  und 
des  Papstes  1.  c.  S.  371  ff.,  sowie  ep.  45  S.  311  f.  an  Franko  von  Lüttich 
(J.W.  2767  f.  V.  17.  Sept.  864),  und  das  Bruchstück  eines  Schreibens  Ratholds 
von  Strassburg  bei  Baron,  ann.  z.  J.  864  Nr.  8. 

4j  Zwei  Fragmente  seines  Schreibens  J.W.  2752. 

5)  Ann.  Bert.  z.  J.  864  S.  71.  Lothar  folgte  dabei  dem  Rate  der 
Bischöfe.  Die  Ann.  Xant.  z.  J.  865  (M.  G.  Scr.  II  S.  231)  lassen  die  Ab- 
setzung Günthers  durch  eine  lothringische  Synode  bestätigt  werden. 

6)  Mansi  XV,  384  £F.  (B.M.  1269). 

7)  Ergiebt  sich  aus  dem  Briefe  des  Papstes  an  Rudolf  von  Bourges 
(ep.  13  S.  384),  vgl.  Ann.  Bert.  z.  J.  864  S.  73.  Als  Termin  war  der  No- 
vember 864  ins  Auge  gefasst. 


—     Ö54     — 

Denn  liättc  er  an  der  Siiitze  diT  l^iscliüle  fies  Reichs  das  Urteil 
über  einen  friinkisclien  König  ges])roclien :  wer  hätte  dann  noch 
zweifehl  können,  dass  er  der  oberste  Herr  in  der  abendländischen 
AVeit  sei?  Er  lebte  in  diesen  Vorstelhingen:  el)en  damals  hörte  man 
jene  bedenklichen  Ansserungen  von  iliin.  die  der  Kirche  das  Urteil 
über  die  Rechtmässigkeit  der  Herrschaft  der  Könige  zuschrieben.') 
Aber  der  Gedanke  war  zu  durchsichtig,  als  dass  er  bei  den  Königen 
hätte  Anklang  finden  kiinnen:  weder  Karl  noch  Ludwig  waren  ge- 
neigt auf  ihn  einzugehen.  Die  römische  Synode  fand  am  1.  No- 
vember <S64  ohne  Teilnahme  des  fränkischen  Episkopats  statt. 

Obgleich  Günther  und  Thietgaud  persönlich  erschienen,  iiielt 
Nikolaus  sein  früheres  Urteil  ungemildert  aufrecht.  Hinsichtlich 
Lothai-s  dagegen  unterliess  es  die  Synode,  irgend  einen  Beschluss 
zu  fassen.-)  Der  Plan,  seine  Sache  in  Anwesenheit  der  fränkischen 
Bischöfe  zu  entscheiden,  wurde  nicht  aufgegel)en.  Nikolaus  lud  sie 
zu  einer  neuen  Versammlung  für  den  19.  Mai  8()5  nach  Rom  ein."') 
Wenn  er  in  dieser  Zeit  den  Bischof  Arsenius  von  Orte  als  päpst- 
lichen Legaten  ülier  die  Alpen  sandte,^)  so  wird  seine  Reise  mit  dem 
Konzilsplane  in  Zusammenhang  stehen :  wahrscheinlich  sollte  er  die 
Abneigung  der  Fürsten  dagegen  zu  überwinden  suchen.  Doch  ge- 
lang ihm  das  nicht :  den  fränkischen  Bischöfen  Avurde  die  Erlaulmis 


Ij  Vgl.  oben  S.  540  Antn.  6.  Karl  d.  K.  hat  übrigens  diese  Anschauung 
anerkannt,  Libell.  proclam.  adv.  Wenil.  a.  859  Cap.  300,  3  II  S.  451:  (Wenilo) 
me  socundum  traditionem  ecclesiasticam  regem  consocravit  et  in  regni  re- 
gimine  chrisniate  sacro  perunxit  et  diademaie  atqno  regni  sceptro  in  rogni 
solio  sublimavit.  A  qua  consecratione  vel  regni  sublimitate  subplantari  vel 
proici  a  nullo  debueram,  .salteni  sine  audientia  et  iudicio  episcoporum,  .  . 
quorum  paternis  correptionibus  et  castigatoriis  iudiciis  me  subdere  fui  pa- 
ratus  et  in  praesenti  sum  subditus. 

2)  Ann.  Hort.  1.  c.  Nicol.  ep.  7  S.  184  i.st  die.se  Synode  in  anderem 
Zusammenhang  erwähnt. 

3)  Schreiben  des  Adventiua  von  Metz  (Ijaron.  z.  J.  864  Nr.  6).  Nach 
Hefele  CG.  IV  S.  280)  ist  XIV  K;il.  .Inn.  in  Kai.  Nov.  zu  ändern.  Ich  sehe 
keinen  zwingenden  Grund. 

4)  ArseniuH  wurde  im  Winter  !-;r)4— 8ß5  über  die  Aljien  ge.sandt.  Narli 
dem  Briefe  an  die  HiHchnfe  Karls  (ep.  2R  S.  290,  .T.W.  2774)  war  er  ursprünglich 
nicht  beauftragt,  die  Sache  Lothar.'»  in  Frankreich  zu  entscheiden:  er  sollte 
die  schwierigen  Angelegenheiten  der  päpstlichen  Entscheidung  vorbehalten. 
Damach  ist  es  sehr  wahrsrheinlifth,  dass  sein  mündlicher  Auftrag  (ep  25 
S.  288,  .T.W.  2773)  in  der  Förderung  des  Synodalplanes  bestand.  Die  An- 
gabe der  V.  Nicol.  63  S.  163  widerspricht,  wie  mich  dünkt,  nicht.  Dass 
er  ausserdem  zum  Frieden  zu  mahnen  hatte,  zeigen  die  beiden  Briefe  und 
erzählen  Hinkmar  und  Anasta-sius. 


ooo 


zur  Keise  nach  Rom  verweigert.  Nikolaus  vermerkte  es  übel,^)  aber 
es  war  ihm  unmöglich,  durclizudringen. 

Unter  dem  Eindruck  des  päpstlichen  Planes  scheinen  Ludwig 
d.  D.  und  Karl  d.  K.  sich  verständigt  zu  haben.  Ludwig  hatte 
bisher  seinem  Xeffen  eine  Stütze  geboten;  jetzt  wandte  er  sich  von 
ihm  ab.^)  Die  Absicht  wird  gewesen  sein,  Lothar  zum  Nachgeben 
zu  nötigen,  um  dadurch  weiteres  Eingreifen  des  Papstes  zu  ver- 
hindern. Sah  sich  Nikolaus  durch  das  Übereinkommen  der  beiden 
Fürsten  auf  der  einen  Seite  gehemmt,  so  förderte  es  auf  der  an- 
deren Seite  seine  Pläne.  Er  war  entschlossen,  Lothars  Widerstand 
zu  brechen. 

In  einem  Brief  an  Ludwig  d.  D.  und  Karl  d.  K.  drohte  er 
ziemlich  unverhüllt  mit  der  Absetzung  Lothars.^)  Diesem  selbst 
überbrachte  Arsenius  ein  Schreiben,  das  ihn  bei  Strafe  der  Ex- 
kommunikation zur  Unterwerfung  aufforderte.*)  Lothar  sah,  dass 
für  ihn  alles  auf  dem  Spiele  stand ;  er  entschloss  sich  deshalb  nach- 
zugeben und  gelobte  die  Wiederanerkeimung  seiner  Ehe  mit  Thiet- 
berga.  Am  3.  August  865  fand  in  Doucy  bei  Sedan  in  der 
feierlichsten  Weise  die  AViedervereinigung  der  getrennten  Ehegatten 
statt.  Lothar  schwm*.  er  werde  von  nun  an  seine  Pflichten  treulich 
erfüllen.'') 

Was  die  römische  Generalsynode  erreichen  sollte,  hatte  der 
päpstliche  Legat  erreicht.  Nikolaus  konnte  mit  seinem  Boten  zu- 
frieden sein. 

Wenn  Lothar  alsbald  bewies,  dass  seine  Leidenschaft  für 
Waldrada  stärker  sei,   als  seine  Treue  gegen  den  Eid,   den  er  ge- 


1)  Ep.  27  S.  290  f.  (J.W.  2788,  April  865),  und  an  Ado  von  Vienne 
app.  JI  ep.  3  S.  450  (J.W.  2790  v.  9.  Juli  86.5). 

2)  Vertrag  von  Thousny  zwischen  Ludwig  d.  D.  und  Karl  d.  K..  19.  Eebr. 
865  c.  6  f.  (M.  G.  Cap.  244  S.  167);  Sendung  Altfrids  von  Hildesheim  und 
und  Erchanra-us'  von  Chälons  s.  M.  (Ann.  Bert.  z.  J.  865). 

3)  Das  liegt  in  der  Begründung:  Ne  sanguis  effunderetur  et  ne  bella 
excitarentur  (S.  293). 

4)  J.W.  2778;  der  Text  bei  Floss,  Papstwahl,  Urk.  4  S.  30  ff.  Auch 
in  diesem  Schreiben  ist  nur  angenommen,  dass  Arsenius  monendi  causa  zu 
Lothar  gesandt  werde.  Hinkmar  (Ann.  Bert.  z.  J.  865  S.  76)  verbirgt  seine 
Unzufriedenheit  mit  dem  Verfahren  des  Papstes  nicht:  er  spottet  über  die 
Drohung,  nachdem  mehrfach  die  Erklärung  vorausgegangen  sei,  der  König 
sei  schon  exkommuniziert. 

5)  Ann.  Bert.  z.  J.  865.  Hinkmar  ist  auch  hier  unzufrieden :  er  findet 
es  rechtswidrig,  dass  von  dem  Könige  keine  Busse  wegen  seines  offenbaren 
Ehebruchs  verlangt  wurde. 


—     55()     — 

schworen  hatte,')  so  wurde  der  Sieg  des  Papstes  dailureh  nicht 
ei'schüttert.  Denn  Nikohuis  wich  nicht  zurück.  Sofort  bannte  er 
Waldrada;-)  er  hinderte  Thietberga  an  jeder  Nachgiebigkeit  gegen 
iln-en  verbrecherischen  Gemahl;^)  den  König  aber  drängte  er  durch 
liudwig  und  Karl,  sowie  durch  die  Biscliöfe  zur  ErfüUung  seiner 
Zusagen."*)  Dem  Schwanken  der  beiden  Füi-sten  gegenüber'')  be- 
harrte er  unwandeli)ar  auf  dem  Staudpunkte.  Lothar  habe  sicli  zu 
unterwerfen.'*)  Jedermann  war  überzeugt,  er  werde  ihn  exkommuni- 
zieren, wenn  er  sich  seinen  Geboten  nicht  füge.') 

So  standen  die  Dinge  als  Nikolaus  starb. '^)  Man  könnte  sich 
wundern,  dass  er  die  Exkommunikation  nicht  wirklich  über  Lothar 
verhängte,  da  er  doch  das  Spiel,  das  dieser  mit  seinen  Zusagen 
trieb,  klar  durchschaute.  Rücksicht  auf  die  königliche  Würde,  Be- 
denken gegen  die  Exkommunikation  eines  Füi"sten,  kann  man  bei 
dem  Manne  schwerlich  voraussetzen,  der  den  Widerstand  gegen 
die  Könige  zu  den  Ruhmestiteln  der  Bischöfe  rechnete.")  Es  waren 
ohne  Zweifel  politische  Gründe,  die  ihn  zögern  Hessen,  ehe  er  den 
letzten  Schlag  ilihrte.  Er  nmsste  voraussehen,  dass  der  Exkom- 
nmnikation  sofort  der  Kampf  um  den  Besitz  des  Gebannten  folgen 
würde,  und  er  konnte  nicht  wünschen,  dass  Lothars  Reich  in  die 
Gewalt  seiner  Oheime  oder  seines  Bruders  übergehe;'")  deshalb 
suchte  er  die  Erfüllung  der  oft  wiederholten  Drohung  möglichst 
lange  zu  vermeiden.  Gewinn  an  Ansehen  brachte  die  Drohung 
nicht  minder  als  der   \'ollzug. 

Die  Lösung  des  Papsttums  aus  der  L  nteiordiiung  unt<'r  die 
WL-itliclie  Gewalt,  die  seit  dem  Tode  Karls  d.  Gr.  l)egonuen  hatt<?, 
vollendete  sich  durch  Nikolaus  I.  Darin  besteht  die  Bedeutung 
seines  P(mtifikats.     Der  Eindruck,  den  die  Zeitgenossen  von  seiner 


1)  Ann.  Fuld.  z.  J.  867  S.  66;  auch  Günther  kehrte  wieder  nach  Köln 
zurück;  8.  u. 

2)  2.  Februar  866  (app.  I  ep.  11  S.  381;  Rej?in.  chron.  z.  d.  J.  S.  87). 

3)  Ep.  48  S.  312  tt'.  (J.W.  2870,  v.  24.  Januar  867). 

4)  Kp.  49  f.  S.  316;    53   S.  324   (J.W.  2871  f.  v.  25.  Januar  867;    2874 
V.  7.  März.  867). 

5)  Ep.  50  S.  318  f.  (J.W.  2872  v.  25.  Januar  867). 

6)  Brief  an  Lothar  (pp.  51   S.  321  ff..  J.W.  2X73). 

7)  Brief    de.s    BisrhofH    Adv<;ntiiiH    an   Hatto    von   Verdun  (Baron,  ann. 
eccl.  z.  J.  867  Nr.  118). 

8)  13.  November  867.     V.  Nicol.  612  S.  167. 

9)  J.W.  2766:  Si  unaninies  fueriti.**,  quin  est,  ipii  vobis  resiatatV    Patres 
nostri  etiam  regibus  restiterunt. 

10)  Auch    die    Rücksiclit    auf    Kaiser   Ludwig    mag    mitgewirkt    haben 
(Brief  an  Lothar  bei  Flos.x,   1.  c.  S.  32). 


oo< 


Eegierung  hatten,  war,  dass  er  über  die  Könige  und  Fürsten  er- 
haben sei.  Nicht  nur  seine  Gegner,  sondern  auch  seine  Bewun- 
derer sprachen  von  seinem  kaiserhchen  Regiment.  Das  war  nicht 
eine  Missdeutung,  sondern  es  war  das  richtige  Verständnis  seiner 
Absichten.^)  In  der  That  ist  das  Papsttum  nach  seinen  Ideen  das 
Gegenbild  des  Kaisertums  Karls  d.  Gr.:  Geisthches  und  Weltliches 
sind  zwei  selbstständige  Gebiete.  Wie  sie  nach  Karls  Überzeu- 
gungen ihre  einigende  Spitze  in  dem  Herrscher  finden,  der  zugleich 
einen  kirchlichen  Beruf  hat,  so  nach  den  Überzeugungen  Nikolaus'  L 
in  dem  Papste,  welcher  der  Herrscher  der  ganzen  Welt  ist.  Der 
Glaube  an  die  unbeschränkte  Macht  des  Papstes  in  der  Kirche 
und  an  die  Herrschaft  der  geistlichen  Gewalt  über  die  Aveltliche  ist 
in  der  fiiinkischen  Kirche  seit  den  Tagen  des  Bonifatius  langsam 
geAvachsen:  durch  Nikolaus  kam  er  zur  Reife;  als  Erbe  seines 
Pontifikats  ist  er  an  die  Nachwelt  übergegangen.  Prinzipiell  ist 
durch  ihn  die  Reichskirche  zur  Papstkirche  geworden. 

Für  unseren  Zweck  ist  es  nicht  nötig,  die  Geschichte  des 
Papsttums  unter  den  Nachfolgern  Nikolaus'  I.  eingehend  zu  ver- 
folgen. Denn  neue  Gesichtspunkte  traten  im  Verlauf  der  nächsten 
Jahrzehnte  nicht  hervor.  Man  bemerkt  nur  jenes  Schwanken,  das 
gewöhnlich  eintritt,  wenn  ein  grosses  Ziel  im  ersten  Anlauf  erreicht 
zu  sein  scheint.  Die  W^oge,  die  sich  mächtig  erhoben,  fliesst  wieder 
zuriick.  Nikolaus'  Nachfolger  haben  weder  die  Grundsätze,  die  er 
aufstellte,  ohne  AVanken  festgehalten,  noch  die  Gewalt,  die  er  er- 
rang, ohne  Einbusse  behauptet.  Das  Verfahren  Hadrians  II.-) 
gegen  Lothar  war  weit  entfernt  von  der  gleichmässigen  Festigkeit, 
die  man  an  Nikolaus  bewundert."^)  Statt  von  der  erwarteten  Bau- 
nung  des  Königs  hörte  man  bald  von  päpstlichen  Handlungen,  die 
eher  an  einen  Friedensschluss  mit  dem  gewissenlosen  König  denken 
liessen.*)  Es  ist  schier  unglaublich,  dass  Hadrian  im  Jahre  868 
Waldrada  vom  Banne   löste.')     Denn    was    bedeutet   neben   dieser 


1)  S.  o.  S.  552  Anm.  4.  Regin.  cbvon.  z.  J.  868:  Regibus  ac  tyrannis 
imperavit,  eisque  ac  si  dominus  orbis  terrarum  auctoritate  praefuit;  vgl. 
die  eigene  Äusserung  des  Papstes  oben  S.  540  Anm.  7. 

2)  14.  Dez.  867  bis  Dez.  872,  s.  Duchesne  II  S.  LXVII. 

3)  Über  die  Benützung  Pseudo-Isidors  durch  Hadrian,  s.  Dümmler,  Berl. 
SB.  1899  S.  755  f. 

4)  Am  Tage  seiner  Konsekration  hob  Hadrian  II.  die  Exkommunikation 
Thietgauds  auf  (v.  Hadr.  616  S.  175).  Lothar  kam  er  sofort  entgegen,  in- 
dem er  seine  Angelegenheit  nicht  als  erledigt  behandelte  (ep.  13  Mansi  XV 
S.  833,  J.W.  2892). 

5)  J.W.  2897.  Der  Papst  fügte  sich  dabei  dem  Fürwort  des  Kaisers. 
Die  Zeit  ergiebt  sich    daraus,   dass    er    den   deutschen  Bischöfen  die  Abso- 


—     55.S     — 

That  die  Versi^lle^un^^  dass  die  AiKH-dimn.^cii  hcines  grossen  Vor- 
gängers in  Geltung  Idielten?^)  Lothar  selbst  gewährte  er  im 
nächsten  Jahi-  eine  Zusammenkunft,  mit  eigener  Hand  reichte  er 
ihm  das  heil.  Abendmahl:  gab  es  da  noch  einen  Rückweg?"^)  Günther 
von  Krdu  wurde  zur  Laienkommunion  zugelassen  und  ihm  die  Aus- 
sicht auf  Wiederherstellung  in  sein  Amt  eröftiiet/')  Wahrschein- 
lich hat  nur  Lothars  Tod*)  den  greisen  Papst  vor  weiteren  Zu- 
geständnissen behütet,  die  der  Sache,  die  er  vertrat,  schädlich 
gewesen  wären.  Auch  in  andeivn  Fiagcn  vermochte  ei-  nicht  durch- 
zudringeu.'') 

Nicht  minder  war  Johann  N'ill.")  zu  mancherlei  Zugeständ- 
nissen genötigt,  die  mit  den  päpstlichen  Ansi)rüchen  nicht  in  l'ber- 
einstimmung  standen:  ausdrücklich  und  thatsächlich  räumte  er  den 
Fürsten  das  Recht  über  die  Bistümer  zu  verfügen  ein.")    Das  zeigte 


lution  des  verbrecherischen  Weibes  am  12.  Februar  868  mitteilte  J.W.  2898; 
gleiche  Mitteilungen  ergingen  nach  Frankreich  und  Lothringen,  Ann.  Bert, 
z.  868  S.  91. 

1)  J.W.  2905,  vom  8.  Milrz  808  an  Hinkmar. 

2)  Ann.  Bert.  z.  J.  869  S.  99;  vgl.  H.'s  Rede  zu  Monte  Cassino  (Wiener 
SB.  72  S.  532  ü'.,  herausgegeben  von  Maassen.  Dazu  Dümmler,  Berliner  SB. 
1899  S.  754  ff.  Dass  das  fragliche  Schriftstück  eine  Rede  des  PaiJstes  ist, 
ist  nach  D.'s  Darlegungen  kaum  inohr  zu  bezweifeln).  Die  Kommunion  in 
Monte  Cassino  war  nicht  nur  ein  Frevel  Lothars,  sondern  auch  ein  Inrecht 
de.s  Papstes,  da  er  wissen  musste,  dass  Lothars  Versicherung  eine  Lüge  war. 
Düramlers  Lob  der  Klugheit  und  Festigkeit  (OFr.  \l.  II  S.  240)  scheint  mir 
Hadrian  in  dieser  Sache  nicht  zu  verdienen. 

3)  Ann.  Bert.  z.  869  S.  99.  Dümmler  a.  a.  0.  S.  760  Anm.  3  verweist 
ferner  auf  zwei  Briefstellen:  Hadrian  an  Ludwig  und  Günther  an  Hadrian 
bei  Floss,  Leon.  VIII.  privil.  S.  69  u.  91. 

4)  8.  August  869  zu  Piacenza  Reg.  chron.  z.  d.  J.  S.  98.  Die  letzte 
Notiz,  die  wir  über  die  in  diese  Tragödie  verwickelten  Personen  haben, 
wirkt  fast  versöhnend;  Thietberga  trug  Sorge,  dass  das  Grab  des  Mannes, 
der  sie  Verstössen  hatte,  in  Stand  gehalten  wurde,  indem  sie  der  Kirche, 
in  der  er  begraben  lag,  zwei  Güter  schenkte  (U.M.  1578).  Waldradas 
Name  steht  im  Totenbuch  von  Remiremont  z.  9.  April  (Kbner  N.A.  XIX 
S.  66). 

5)  Über  seine  vergebliche  Intervention  zu  Gunsten  Kaiser  i^udwigs  II. 
.-..  Dümmler,  OFr.  R.  11  S.  30:'.  H'.,  über  seinen  erfolglosen  Streit  mit  Hinkmar 
s.  Dümmler  S.  323  ff.;  Schrörs,  Hinkmar  S.  343  ff. 

6)  14.  Dezember  872—16.  Dezember  882,  s.  Duchesne  II  S.  LXVII. 

7)  Coli.  Brit.  ep.  2  S.  298  f.;  ep.  61  .Mignc  126  S.  715;  ep.  214  1.  c. 
S.  830;  228  1.  c.  S.  840;  289  ff.  S.  901  ff.;  310  S.  920;  Hug.  Flav.  chron.  I 
M.G.  S'cr.  VIH  S.  354.  Die  Suspension  Bertulfs  von  Trier,  den  Karl  d.  K. 
eingesetzt  hatte  (Regin.  chron.  z.  J.  869),    vermochte   er   nicht  aufrecht  zu 


—     559     — 

sich  besonders  iu  dem  Streite  um  Köln.  Nach  der  Absetzung 
Günthers  und  Thietgauds  bheben  beide  Bistümer  Jahre  hing  er- 
ledigt.^) In  Trier  fand  erst  nach  Lothars  Tod  die  Neuwahl  eines 
Bischofs  statt:  Karl  d.  K.  wusste  dafür  zu  sorgen,  dass  sie  seinen 
pohtischen  Interessen  entsprach.  Er  verständigte  sich  mit  den 
Grossen  über  die  Erhebung  Bertulfs,  eines  Neffen  des  Metzer 
Bischofs  Adventius,  der  in  den  Händeln  der  letzten  Jahre  eine 
wenig  rülnnhche  Rolle  gespielt  hatte."-)  In  Köln  hatte  zwar  schon 
Lothar  das  Erzbistum  dem  Weifen  Hugo  übertragen,  einem  unwür- 
digen Menschen,  den  nur  seine  Verwandtschaft  mit  der  Kaiserin 
Judith  empfahl.'^)  Aber  dieser  machte  sich  bald  xmmöglich;  nun 
kehrte  Günther  zurück:  sein  Bruder  Hildiüu,  ein  paar  Jahre  vorher 
zmn  Bischof  von  Cambrai  ernannt,  aber  von  dort  verdi-ängt,  vollzog 
für  ihn  die  bischöflichen  Amtshandlungen.*)  Nach  Günthers  Tode 
suchte  Karl  ihm  das  Erzbistum  zu  verschaffen;")  allein  Ludwig 
d.  D.  kam  ihm  zuvor,  indem  er  durch  Liutbert  von  Mainz  den 
Kölner  Kleriker  Willibert  wählen  und  konsekrieren  hess.  Das  Avar 
Anfang  870.")  Hiegegen  hatte  schon  Hacbian  als  gegen  eine 
Kränkung  Borns  Einspruch  erhoben,  Wilhbert  nach  Rom  vorge- 
laden und  ihm  das  Pallium  verweigert.')  Johann  wiederholte  die 
Vorladung  unter  Drohung  mit  der  Exkommunilvation,  und  versagte 
ihm  das  PalHum  von  neuem,  da  sein  Glaubensbekenntnis  unbe- 
friedigend sei.^)  Aber  das  waren  nur  tapfere  Worte;  denn  nach 
einigen  Monaten  sah  er  sich  genötigt,  Willibert  die  erzbischöfliche 
Binde  zu  übersenden,  ohne  dass  dieser  einen  weiteren  Schritt  daiiim 
gethan  hatte.  ■^)  Sprach  es  Johann  offen  aus,  dass  die  Kirche  iu 
diesen  gefährlichen   Zeitläufen  mit  Mässigung  und  Zurückhaltung 


erhalten  (Coli.  Brit.  ep.  25  S.  305),    ebensowenig    die    Ablehnung   Frothars 
als  Erzbischofs  von  Bourges  (ep.  37  Migne  126  S.  689). 

1)  Vgl.  oben  S.  544. 

2)  Regln,  chron.  z.  869  S.  98. 

3)  Ann.  Bert.  z.  J.  864  S.  71.  Hier  ist  er  charakterisiert  als  tonsura 
clericus  et  ordinatione  tantummodo,  moribus  autem  et  vita  a  fideli  laico 
discrepans.     Vgl.  Ann.  Xant.  z.  866  S.  232. 

4)  Ann.  Bert.  z.  866  S.  81  ;  die  Ernennung  für  Cambrai  war  an  dem 
Widerspruch  Nikolaus'  I.  und  Hinkmars  gescheitert,  s.  o.  S.  543  und  Gesta 
pont.  Cam.  I,  50;  doch  vgl.  über  Hilduin  Dümmler,  OFr.  R.  II  S.  290  f. 

5)  Regin.  chron.  z.  869  S.  98. 

6)  A.  a.  0.  S.  99;  Ann.  Fuld.  z.  870  S.  70;  Ann.  Col.  brev.  S.  97. 

7)  B.M.  2930  V.  27.  Juni  870;  2932  v.  15.  Juli  870. 

8)  B.M.  2986,  Anfang  September  873. 

9)  B.M.  2988,  Anfang  874. 


—     560     — 

vei'fahivn  inüsse,^)  so  war  das  ohne  Zweifel  sehr  begründet:  aber 
durcligreifende  Ideen  hissen  sich  nicht  zum  Siege  führen,  indem 
man  darauf  verzichtet,  sie  geltend  zu  machen. 

Seit  Johanns  VIJI.  Tode  Avurden  die  Beziehungen  Roms  zu 
den  Kirchen  diesseits  der  Alpen  weit  loser  als  sie  in  dem  Jahr- 
hundert vorher  gewesen  waren.  Das  in  den  Streit  der  italienischen 
Parteien  verflochtene  Papsttum  verlor  seine  allgemeinen  Ziele  aus 
den  Augen.  Die  unvermeidliche  Folge  war.  dass  die  unter  Niko- 
laus hochgestiegene  Macht  Roms  rasch  und  tiefer  sank,  als  je 
vorher. 

Dazu  kam  das  Beharrungsvermögen  des  Bestehenden.  Den 
Anschauungen  Nikolaus'  I.  gegenüber  war  die  Ff)rtdauer  wirklicher 
oder  scheinbarer  Herrschaftsrechte  des  Kaisers  in  Rom  in-ationell. 
Aber  sie  waren  durch  die  Macht  geschützt,  die  jedem.  Jahrzehnte 
lange  bestehenden  Zustand  eignet.  Noch  mehr  gilt  das  von  der 
Stellung  des  Königs  zur  deutschen  Kirche.  Sie  war  an  sich  viel 
stärker  als  die  Herrschaft  des  Kaisers  in  Rom.  Umsoweniger  war 
an  eine  rasche  Umgestaltung  zu  denken.  Aber  während  der  Zu- 
stand bheb,  waren  die  Überzeugungen  andere  geworden.  Wider- 
spruch gegen  Rom  galt  als  Empörung  gegen  Gott;'-)  nichts  schien 
so  fest  zu  stehen  als  die  Unfehlbarkeit  des  Papstes;;^)  offen  sprachen 
es  die  Bischöfe  aus,  dass  sie  ihm  zu  gehorchen  verj)flichtet  seien, 
auch  wenn  er  ihnen  kaum  erträgliche  Lasten  auflege. '')  Dass  der 
römische  Bischof  das  Kaisertum  ül)ertrage,  l)egann  herrschende  An- 
schauung zu    werden.'*)     So    dachten    die  Nachfolger   der  Männer, 


1)  Moderatio  sedis  apostolicae  et  universalis  ecclesiao  dispositio  in  hoc 
periculoso  tempore  pene  cuncta  dispensatorie  moderanda  compellit  (op.  61 
S.  716j. 

2)  Ann.  Xant.  z.  .J.  865  S.  231  über  den  Protest  Günthers  und  Thiet- 
gaudn:  Loquente  per  eos  apostata  spiritu  qui  dixit:  Ponam  solium  meuni 
ad  aquilonem  et  ero  similis  altissimo. 

3)  Regino  von  Prüm  erklärt  (lünther  und  Thietgaud  tür  Thoren,  qui 
illam  Petri  sedem  aliquo  pravo  dogmate  fallere  posse  arbitrati  sunt,  quao 
nee  fefellit  noc  ab  aliqua  haeresi  unquain  falli  potuit  (Chron.  z.  J.  86"» 
S.  572). 

4)  Conc.  Tribur.  (a.  895)  c.  30,  Mansi  XVIll  S.  147:  In  memoriam 
b.  Petri  apost.  honoremus  s.  Homanam  et  apostolicam  sedem,  ut  quae 
nobis  sacerdotalis  mater  est  dignitatis,  esse  debeat  magi.stra  ecclesia-sticae 
rationis.  Quare  servanda  est  cum  mansuetudine  humilitaa,  ut  licet  vix 
fprendum  ab  illa  s.  sede  imponatur  iugum,  conferamus  et  pia  devotiono 
toleremn.'i. 

5)  Regin.  chron.  z.  '^96  von  Arnulf:  A  Formoso  .  .  coronatus,  Impera- 
tor  creatur.     Die    italienischen  Grossen    über    das    Kaisertum    Karls  d.    K. 


—     561     — 

die  mit  Karl  nach  Rom  gezogen  waren,  um  Leo  III.  zu  richten 
und  die  noch  Ludwig  d.  Fr.  erklärt  hatten,  mit  oder  gegen  seinen 
Willen  müsse  der  Papst  der  Wahrheit  sich  fügen.  Konnte  eine 
solche  Umstimmung  ohne  Folgen  bleiben?  Denn  schliessHch  sind 
es  doch  die  Überzeugungen,  durch  welche  die  Zustände  bedingt 
und  gestaltet  werden. 


(Cap.  220  Februar  876  II,  99) :  Divina  pietas  vos  .  .  per  .  .  Jotannem  sum- 
mum  pontificem  .  .  ad  imperiale  culmen  s.  Spiritus  iudicio  provexit. 


Hauck,  Kirchengeschichte,   n.    2.  Aufl.  36 


Zweites   Kapitel. 

Das  Mönchtum. 


Die    gesetzgeberische    Thätigkoit    in    der    fräiikisclien    Kirche 
begann  mit  dem  Tode  Karls  d.  Gr.  zu  erlalinieu. 

Zwar  verkündigte  Ludwig  d.  Fr.,  nachdem  er  den  Thron  be- 
stiegen hatte,  er  werde  nicht  nur  die  Anordnungen  und  Einrich- 
tungen seiner  Vorfahren  und  besonders  seines  Vaters  unverletzt 
bewahren,  sondeni  auch  den  von  ihnen  l)eschrittenen  Weg  fort- 
setzen.M  Auch  hat  er  in  der  ersten  Hälfte  s(>iner  Regierung 
nicht  wenige  Vorschriften  über  kirchliche  Angelegenheiten  er- 
lassen. Er  liebte  es  die  Notwendigkeit  von  Kcfornicn  zu  be- 
tonen.^) Seit  8H0  war  freilich  jede  Regierungsthätigkeit  durch  den 
Streit  des  Kaisers  mit  seinen  S<>hnen  gelähmt.  Aber  seit  der 
Wiederhei-stellung  des  Friedens  nahm  Tiudwig  die  kirchlichen 
Reformgedanken  von  neuem  ;iut;  n;icli  seinem  Befeiil  fand  am 
().  Febniar  S8t)  eine  grosse  Synode  in  Aachen  statt,  um  ihn  iilici- 
die  Regierung  der  Kirche  zu  beraten.'^)  An  einer  gewissen  Thätig- 
keit  fehlte  es  also  nicht,  wohl  al)cr  an  jeder  Frucht  dereelben. 
Man  kam  nie  über  Überlegungen.  \\'ort.\  Reschlüsse  hinaus.  So 
viel  von  der  lieform  gesprochen  wurde,  so  wenig  wurde  sie  voll- 
zogen. Und  das,  was  Ludwig  anordnete,  war  nicht  neu.  Wenn 
man  seine  Kapitularien  oder  die  Beschlüsse  von  Aachen  durchliest, 
80  begegnet  man  wenig  originellen  Gedanken.    Was  über  die  Amta- 

1)  Cap.  137  (rt.  S18)  I  S.  274;  vgl.  150,  1   (a.  823-825)  I  S.  303. 

2)  Cap.  II  S.  2  Nr.  184;  S.  4  Nr.  185;    S.  27  Nr.   196   aus  den  Jahron 
828  u.  829. 

3)  Manai  XIV  S.  672  S. 


—     563     — 

pflichten  der  Bischöfe  und  Priester,^)  über  die  Rechte  des  Episko- 
pats'-) und  die  Einkünfte  der  Kirchen,'^)  über  die  Disziphn  unter 
Klerikern  und  Laien  ^)  oder  über  die  Aufgaben  der  Königsboten  ^) 
gesagt  ist,  das  alles  hatte  sein  Vorbild  an  der  Gesetzgebung  Karls. 
Neu  war,  dass  Ludwig  schon  in  den  ersten  Jahren  seiner  Regie- 
rung das  Recht  der  Gemeinden,  ihre  Bischöfe  zu  wählen,  ausdrück- 
lich anerkannte.*')  Aber  so  leicht  es  begreiflich  ist,  dass  der  Epis- 
kopat an  das  alte  kirchhche  Recht  erinnerte,  so  schwer  ist  es 
verständlich,  dass  der  Kaiser  die  Beobachtung  desselben  ohne  Ein- 
schränkung zusagte.  Denn  um  seiner  Herrschaft  willen  konnte  er 
auf  den  Einfluss  nicht  verzichten,  den  die  Fürsten  stets  auf  die 
Besetzung  der  kirchHchen  Amter  ausgeübt  hatten.  Die  Verfügung 
Ludwigs  änderte  denn  auch  an  dem  bisherigen  Zustande  nichts, 
Sie  gehört  zu  den  Reformabsichten,  die  Absichten  bheben.  Selbst 
die  Bischöfe  wussten  es  nicht  anders,  als  dass  es  der  König  ist, 
der  die  Leiter  der  Kirche  bestellt.'')  In  der  That  war  auch  da, 
wo  gewählt  wurde,  das  Verfahren  staathch  geleitet.    Die  Handlung 


1)  Cap.  138,  28  (a.  818.  819)  l  S.  279;  150;  4  f.;  187  (a.  829)  II  S.  8; 
Conc.  Aquisgr.  c.  I  und  II  S.  674  ff.;  II  b.  c.  4-10  S.  680  ff.;  16  S.  653; 
vgl.  oben  S.  231  ff.  Das  einzige  Neue  ist  die  Anordnung  Conc.  Aquisgr.  c. 
2,  10  S.  678,  wonach  die  litania  maior  am  25.  April  zu  begehen  sei,  nach 
römischer  Sitte.     Es  ist  die  Prozession  am  Markustage. 

2)  Cap.  138,  9  (a.  818.  819);  191,  1  (a.  829)  II  S.  12;  vgl.  oben 
S.  230  f. 

3)  Über  Neunten  und  Zehnten:  Cap.  138,  12  S.  277;  140,  5  (a.  818, 
819)  S.  287;  141,  6  (a.  819)  S.  289;  150,  23  (a.  823—825)  S.  307;  191,  5  ff . 
(a.  829)  II  S.  13;  vgl.  die  Anordnungen  Karls  oben  S.  222  ff.  Neu  ist  die 
Bestimmung,  dass  jede  Kirche  mindestens  einen  von  Lasten  freien  Mansus 
besitzen  soll  (138,  10;  191,  4  S.  12).  Dagegen  haben  die  zum  Schutze  der 
kleinen  Besitzer  getroffenen  Anordnungen  (138,  7;  141,  1  [a.  819]  S.  289) 
wieder  Parallelen  an  Verfügungen  Karls  (s.  o.  S.  212  ff.). 

4)  Cap.  138,  17;    vgl.   oben  S.  237,   150,  9  S.  304,   vgl.   oben  S.  249  f. 

5)  Cap.  141,  23  ff'.  S.  291;  151  (a.  825)  S.  308;  152  (a.  826)  S.  309  f. 
Conc.  Aquisgr.  IIb  c.  15  S.  683,  vgl.  oben  S.  279  f. 

6)  Cap.  138,  2  S.  276:  Sacrorum  canonum  non  ignari,  ut  in  Dei  no- 
mine sancta  ecclesia  suo  liberius  potiretur  honore,  adsensum  ordini  eccle- 
siastico  praebuimus,  ut  scilicet  episcopi  per  electionem  cleri  et  populi  se 
cundum  statuta  canonum  de  propria  dioecesi  remota  personarum  et  munerura 
acceptione  ob  vitae  meritum  et  sapientiae  donum  eligantur,  ut  exemplo  et 
verbo  sibi  subiectis  usquequaque  prodesse  valeant.  Von  dem  im  fränkischen 
Reiche  längst  anerkannten  Bestätigungsrecht  des  Herrschers  ist  nicht  die 
Rede.  Es  ist  selbstverständlich,  dass  es  durch  die  Erneuerung  des  Wahl- 
rechts nicht  aufgehoben  werden  sollte. 

7)  Cap.  196,  57  (a.  829)  S.  48;  vgl.  S.  521  Anm.  3. 

36* 


—     ÖH4     — 

begann  ]uit  einer  Ansprache  des  Königshoten,  in  wrloher  er  an  die 
für  einen  Bischof  notwendigen  Eigenschaften  erinnerte,  sodann  die 
einzelnen  Stände  zn  gewissenhaftem  Gebrauch  des  Wahlrechts  er- 
mahnte und  dreitägiges  Fasten,  Alinosenverteilung  und  Gebete 
anordnete.  Das  Ergebnis  der  Wahl  wurde  in  einem  Wahldekret 
beurkundet,^)  Nun  musstt*  die  königliche  Bestätigung  erholt  werden; 
<'s  kam  auch  unter  Ludwig  vor,  dass  sie  wiederholt  versagt  wurde.') 
Erst  nachdem  der  König  der  Wahl  zugestimmt  hatte,  konnte  die 
Bitte  an  den  Metntpohten  um  Konsekration  erfolgen."')  Auch  unter 
A'oraussetzimg  der  Wahl  l)lieb  also  die  Bestätigung  oder  Ableh- 
nung durch  den  König  die  Hauptsache."*)  Es  war  nicht  unrichtig, 
wenn  man  sagte,  dass  der  Gewählte  durch  seinen  Befehl  Bischof 
wurde.'')  In  nicht  seltenen  Fällen  aber  unterblieb  die  Beteiligung 
der   Gemeinden    ganz    und    der   König    ernannte    die    Bischöfe.") 


1)  Vgl.  Form.  eccl.  1  ff.  S.  549. 

2)  Ergiebt  sich  aus  den  lehrreichen  Briefen  des  Klerus  von  Sens  nach 
dem  Tode  des  Erzbischofs  Jeremias  828,  Froth.  ep.  13—15  M.G.  Ep.  V 
S.  285  ff.  Ludwig  hatte  das  Wahlrecht  ausdrücklich  gewährt,  aber  nach 
dem  Gutachten  der  missi  lehnte  er  den  Gewählten  ab. 

3)  Form.  eccl.  3  f.  S.  553. 

4)  Beispiele  sind  die  Erhebung  Drogos  von  Metz,  Rimberts  von  Ham- 
burg, Hraban>;  von  Mainz  und  Annes  von  Freising.  Über  den  ersteren  er- 
zählen die  Reichsannalen:  (Ludovicus)  Drogonem  .  .  Mettensi  ecclesiae,  clero 
eiusdem  urbis  consentiente  atque  eligente,  rectorem  constituit  (z.  .1.  823); 
über  den  zweiten  liest  man :  Ipso  die  deposicionis  domni  Ansgarii  Rimber- 
tum  omnes  concorditer  olegorunt.  Cum  cuius  concordiao  pacto  ad  .  .  regem 
Hluilewicum  adduxorunt  cum  .  .  .  Susceptusque  ab  eo  honorifice  cum  pon- 
tificalis  baculi  iuxta  morem  commendatione  episcopatus  est  sortitus  domi- 
nium (v.  Rimb.  11  S.  89  f.);  über  den  dritten:  Archiepiscopatum  cum  magno 
favoro  principum  Franrornm  et  consentanea  cleri  et  populi  electione  .  . 
ailoptiis  est  (ep.  Fuld.  frag.  31  S.  581\  über  den  letzteren:  Contigit  .  .  ple- 
bem  elogisse  sibi  Annonem  episcopum,  quod  domnus  rex  Ludovicu.s  as.sen- 
ait  (Meichelbeck,  H.  Fris.  I,  2  S.  350  Nr.  702).  Auch  die  Wahl  Williberts 
von  Köln  mag  erwähnt  werden;  sie  zeigt  sehr  deutlich,  dass  der  Wahlakt 
zur  blossen  Formalität  werden  konnte  (Ann.  Fuld.  z.  J.  870,  Regin.  chron. 
z.  .T.  869).  Vgl.  endlich  die  Synode  von  .Tuditz  (844)  c.  2  (M.G.  Cap.  227,  2 
II  S.  114). 

5)  Serv.  Lup.  ep.  114  S.  100  von  Aldrich  von  Sens:  Caosaris  iussu  et 
bonorum  annisu;  vgl.  Gesta  Aldrir.   1  M.G.  Scr.  XV  S.  309. 

6)  I.  J.  828  urteilt  Wala:  Quod  episcopatus  secundum  canonicam,  auc- 
toritatem  non  rite  darentiir  neque  electio  servaretur  (V.Wal.  II,  4  S.  550. 
Das  Urteil  wiegt  um  so  schwerer,  da  nach  Walas  Ansicht  die  Einwirkung 
des  Herrschers  auf  die  Besetzung  der  Bistümer  durch  die  Wahl  keineswegs 
ausgeschlossen  wurde  (1.  c.  2  S.  548).     Man  sieht,    dass  Ludwig,    ohne  sich 


—     5G5     — 

Trotz  der  generellen  Anerkennung  des  Wahlrechts  erschien  dasselbe 
nicht  mehr  als  ein  Recht,  das  den  Kirchen  an  und  für  sich  eignete, 
sondern  als  ein  Privilegium,  das  ihnen  vom  Könige  verliehen  wurde.  ^) 
So  war  es  unter  Ludwig  und  das  änderte  sich  auch  unter  seinen 
Nachfolgern  nicht.  ^ 

Nur  in  einem  Punkte  war  Ludwig  im  Vergleich  mit  Karl 
der  thätigere:  in  seiner  Sorge  für  das  Mönchtum. 

Nach  Karls  ganzer  Geistesart  kann  man  Verständnis  für  das 
asketische  Lebensideal  bei  ihm  nicht  vermuten.  Er  wurde  deshalb 
nicht  zum  Gegner  der  Mönche  und  nicht  zum  Feinde  der  Klöster. 
Manchen  Mönch    wusste    er   zu    schätzen,    manches  Kloster  wiu"de 


'! 


durch  ihn  mit  Gütern  und  Privilegien  begabt.  Aber  er  hat  dabei 
Mass  gehalten:  in  Deutschland  können  sich  nur  zwölf  Klöster  dessen 
rühmen,  dass  Karl  sie  bereicherte;^)  kein  einziges  ist  von  ihm  ge- 


an  seine  Zusage  zu  erinnern,  einfach  ernannte.  Auf  diese  Weise  scheint 
Otgar  das  Erzbistum  Mainz  erhalten  zu  haben;  super  qua  (sede),  schreiben 
die  Mainzer  an  Ludwig,  eum  .  .  sapientia  vestra  consedere  fecit,  M.G.  Ep. 
V  S.  325  Nr.  18. 

1)  Das  erste  Beispiel  ist  das  Privilegium  für  Aquileja  (B.M.  310),  s.  o. 
S.  201,  3;  Karl  d.  Gr.  gewährte  es  dem  Bistum  unter  Wahrung  seiner  Rechte. 
Durch  Ludwig  d.  Fr.  erhielten  das  gleiche  Recht  die  Bistümer  Worms 
(B.M.  518),  Modena  (B.M.  725),  Aquileja  (B.M.  999j;  durch  Lothar  I.  Chur 
(B.M.  1062)  und  Aquileja  (B.M.  999);  durch  Karl  d.  D.  Chalon  s.  S.  (B.M. 
1656)  und  Paderborn  (B.M.  1669);  durch  Ludwig  d.  K.  Halberstadt  (B.M. 
1948)  und  Freising  (B.M.  1977);  durch  Karl  d.  E.  Trier  (Beyer,  ÜB.  I,  220). 
Dazu  kamen  Verleihungen  für  den  einzelnen  Fall  (s.  Form.  Sangall.  1 
S.  395).  Für  den  Westen  vgl.  den  interessanten  Brief  des  Servatus  Lupus, 
bezw.  des  Wenilo  von  Sens  39  S.  103  f. 

2)  Unter  Ludwig  d.  D.  scheinen  Ernennungen  ebenfalls  nicht  ganz 
selten  gewesen  zu  sein.  Hrabans  Nachfolger  Karl  wurde  Bischof  ex  volun- 
tate  regis  (Ann.  Fuld.  z.  J.  856);  den  aus  Rheims  vertriebenen  Ebo  ernannte 
der  König  zum  Bischof  von  Hildesheim  (Ep.  conc.  Tricass.  Mansi  XV  S.  794), 
Gauzbert  zum  Bischof  von  Osnabrück  (Querimon.  Egilm.,  Osnabrücker  ÜB. 
I  S.  54:  Rege  concedente).  Über  Lotbars  11.  Ernennungen  s.  o.  S.  543  und 
559.  Auch  unter  Arnulf  war  die  Stimme  des  Königs  ausschlaggebend:  durch 
ihn  wurde  Sunderold  Erzbischof  von  Mainz  (Regln,  chron.  z.  J.  889),  auch 
dessen  Nachfolger  Hatto  verdankte  ihm  seine  Würde  (Urkunde  bei  Dämge, 
Reg.  Bad.  S.  82),  ebenso  Adalgar  von  Hamburg  (Adam.  Gst.  Ham.  eccl. 
pont.  I,  47  f.  S.  33),  vielleicht  auch  Rudolf  von  Würzburg  (Regln,  chron. 
z.  J.  892;  vgl.  Dümmler,  OFr.  R.  III  S.  475). 

3)  Am  reichsten  wurde  Hersfeld  bedacht  (s.  o.  S.  214  Anm.  2);  dann 
folgen  Fulda  (B.M.  191,  201,  218,  219,  239,  240,  247,  438)  und  Lorsch  (1.  c. 
149,  165,  205,  252  a),  ferner  die  arnulfin gischen  Familienstiftungen  Prüm 
(1.  c.  298,  326,  408,  417j  und  Echternach  (1.  c.  332—334),  ausserdem  Fritzlar 
(1.  |c.   242),  Utrecht   (1.   c.   206),   die   Stiftungen  Fulrads   zu  Herbrechtingen 


—     o66     — 

prüudet.  Weit  f:jrösser  ist  tlie  Zahl  (U^rjenificn.  die  er  dem  kirch- 
licheu  Rechte  zuwider  an  Männer,  die  ihm  nahe  stunden,  vergahte.') 
Sie  hatten  zum  Teil  schwer  durunter  zu  leiden.-)  Zog  er  Mönche 
an  seinen  Hof,  so  mochten  sie  sich  der  Gunst,  die  darin  lag,  er- 
freuen; aber  er  entfremdete  sie  doch  eigentlich  dem  Lebensziele, 
dem  zu  dienen  sie  verpflichtet  waren.  Auch  schätzte  er  sie,  nicht 
weil  sie  Mönche,  sondern  w^eil  sie  Gelehrte  waren:  als  solche  sollten 
sie  wirken,  mochten  sie  dann  nebenbei  auch  Mönche  sein.  Wenn 
er  die  Klöster  als  geeignete  Orte  für  gelehrte  Schulen  be- 
trachtete, so  war  das  jücht  viel  anders:  auch  hiebei  wurde  ihnen 
eine  Bestimnuing  aufgedrängt,  die  ihnen  ursprünglich  fremd  war. 
Einstmals  hatten  die  ersten  Mönche  Galliens  es  für  fromm  gehalten, 
schlecht  zu  schreiben,^)  jetzt  mussten  ihre  Nachfolger  sich  durch 
den  Kaiser  belehren  lassen,  dass  auch  der  richtige  Ausdruck  Gott 
angenehm  ist.*) 

AVährend  Karl  die  bestehenden  Klöster  seinen  Regierungs- 
zwecken dienstbar  zu  machen  suchte,  legte  er  keinen  Wert  auf 
Vermehrung  ihrer  Zahl.  Sie  nahm  denn  auch  nur  massig  zu. 
Sieht  man  auf  das  Einzelne,  so  scheint  in  der  Erzdiözese  Trier 
nur  eine  von  St.  Denis  abhängige  Zelle  während  der  Regierungs- 
zeit Karls  gestillet  worden  zu  sein,  Salona,  das  spätere  St.  Privat 
in  der  Diözese  Metz,  eine  Stiftung  P'ulrads.'^)  Auch  das  Kölner 
Erzstift  kennt  nur  eine  Klosterstiftuug,  die  von  Werden  an  der 
Ruhr.")     Zahlreicher    sind    neue  Niederlassungen    der  Mönche    im 


(I.  c.  166)  und  zu  Fulradsweiler  (1.  c.  167),  endlich  die  b;iirischen  Klöster 
St.  Emmerara  und  Altaich  (1.  c.  312,  425).  Hiebei  bandelt  os  sich  nicht 
immer  um  Schenkungen  im  eigentlichen  Sinn:  Karl  gicbt  weiter,  was  ihm 
übergelien  wird,  da,s  Klösterlein  Holzkirchen  an  Fulda  (101 1,  oiler  er  giobfc 
zurück,  was  dem  Kloster  von  Rechtswegen  gehörte,  den  Weiler  Kasdorf  an 
Fulda  (240),  oder  er  überläest  den  kirchlichen  Stiftungen  Güter,  welche  sie 
thateächlich,  aber  mit  Unrecht  inne  hatten  (326  vgl.  408j. 

1)  S.  0.  S.  202  Anm.  3. 

2)  Vgl.  die  lieweglicben,  aber  wahrscheinlich  übertriebenen  Klagen 
eines  unbekannten  Klosters:  Ex  qua  die  nos  illi  bcneticiasti  et  nos  de  vestro 
mundeburdo  discessimus,  ex  illa  die  non  habuiraus  nee  vestimenta,  nee  cal- 
ciamenta,  nee  uncto  nee  sapono  nee  cibo,  sicut  antea  fuit  consuetudo  (Form. 
Sal.  Merk.  61  S.  262). 

3)  Vgl.  Bd.  I  S.  .55. 

4)  Cap.  29  S.  70:  .  .  ut  qui  Deo  placere  appotunt  recte  vivendo,  ei 
etiam  placere  non  negligant  recte  loquendo. 

5)  Test.  Fulradi,  Wirt.  ÜB.  I  Nr.  18  S.  18.  Urkunde  Karls  von  777 
B.M.  208.  Karl  bestätigt  die  Exemtion  von  der  Gewalt  der  Metzer  Kirche 
und  verleiht  Immunität. 

6)  Vgl.  oben  S.  407.     Das  KoUegiatstift  St.  Cassius  und  Florentius  zu 


—     567     — 

Erzbistum  Mainz,  Dabei  steht  jedoch  der  rheinische  Teil  der  Diö- 
zese hinter  dem  schwäbischen,  ostfränkischen  und  hessischen  zurück. 
Jenem  geliört  St.  Alban  von  Mainz  an.  Bei  der  alten  Kirche  des 
Mainzer  Ortsheiligen  bestand  wahrscheinhch  längst  ein  Stift.  Als 
Karl  seine  Gemahlin  Fastrada  in  der  Kirche  begraben  Hess,  mag 
die  Umwandlung  in  ein  Kloster  vorgenommen  worden  sein.-^)  Im 
unteren  Taunus  gründete  sodann  Bischof  Lul  das  Kloster  Bleiden- 
stadt,-)  auf  dem  linken  Rheinufer  Lioba,  die  Äbtissin  von  Tauber- 
bischofsheim, ein  Nonnenkloster  in  Schornsheim.^)  Nennt  man 
noch  Khngenmünster*)  in  der  Diözese  Speier,  St.  Cyriac  zu  Neu- 
hausen ■'^)   in    der  Diözese  Worms    und    das  von  Lorsch  abhängige 


Bonn  bestand  unter  Karl.  Die  älteste  erhaltene  Urkunde  stammt  aus  d.  J. 
787  (N.A.  XIII  S.  15.5  Nr.  12).  Auch  Godesberg  wird  zuerst  in  dieser  Zeit 
erwähnt  (Abt  Fridowin  de  Guodanesmons  in  Urkunde  Nr.  18  für  St.  Cassius 
und  Florentius  aus  den  Jahren  800—814  1.  c.  S.  157).  Aber  es  bleibt  frag- 
lich, ob  beide  Stifter  nicht  älter  sind.  Im  Bistume  Lüttich  wird  das  Kloster 
Berg  bei  Roermond  zum  ersten  Male  vielleicht  von  Alkuin  genannt  (carm. 
31,  V.  9  f.  S.  249);  es  kam  858  durch  Lothar  IL  an  Utrecht,  B.M.  1248,  und 
wurde  wohl  infolge  dessen  Kollegiatstift. 

1)  Erste  Erwähnung  der  Kirche  i.  J.  758  (Dronke,  C.  D.  S.  12  Nr.  18, 
Grab  der  Fastrada  Ann.  Lauriss.  Einh.  z.  794,  Neubau  des  Münsters  Ann. 
Lamb.  z.  796,  Weihe  am  1.  Dezember  805,  Ann.  Wirzib.  Scr.  II  S.  240; 
Kloster  cont.  Regln,  z.  960  S.  170:  Ex  coenobitis  s.  Albani. 

2)  Dass  Bleidenstadt  (St.  Ferrutius)  unter  Karl  bestand,  unterliegt 
keinem  Zweifel,  s.  die  Urkunden  Nass.  ÜB.  I  Nr.  46  und  48  S.  14;  die 
Angabe  Megenharts  von  Fulda  (de  s.  Ferrucio  M.G.  Scr.  XV  S.  150),  dass 
Lul  die  Reliquien  des  Mainzer  Märtyrers  Ferrutius  von  Kastei  nach  Bleiden- 
stadt übertragen  und  das  Kloster  gegründet  habe,  ist  deshalb  glaubwürdig, 
ebenso  die  Notiz,  dass  Riculf  am  6.  Juni  812  die  Kirche  weihte  (Böhmer- 
Will,  Reg.  Mog.  S.  48  Nr.  19;  vgl.  Hrab.  carm.  70  S.  225  und  M.G.  Poet, 
lat.  I  S.  431). 

3)  Scoranesheim  (V.  Liob.  19  S.  130). 

4)  Durch  Hraban  erfahren  wir,  dass  Karl  Reliquien  der  Märtyrer 
Theodulus  und  Alexander  dahin  bringen  Hess  (carm.  76  v.  7  S.  228).  Die 
Stiftung  des  Klosters  fällt  also  wahrscheinlich  in  seine  Zeit,  schwerlich 
früher.  Im  Reichenauer  Verbrüderungsbuch  steht  Fleido,  Bischof  von  Speier 
und  Abt  von  Klingenmünster,  an  der  Spitze  (Sp.  205,  2).  L^nter  Ludwig 
d.  Fr.  oder  seinem  Sohn  brannte  es  ab.  Dabei  gingen  die  Urkunden  zu 
Grunde  (Urkunde  Ludwigs  d.  D.,  B.M.  1351).  Hraban  stellte  das  Kloster 
wieder  her.    Verse  Hrabans  für  die  5  Altäre  der  Kirche  Poet.  lat.  II  S.  227. 

5)  Die  Cyriakikirche  in  Neuhausen  bestand  unter  Bischof  Bernhar, 
also  zu  Anfang  des  9.  Jahrhunderts  (Pertz,  Archiv  XI,  476),  das  Kloster 
ist  unter  Bischof  Gunzo  867  nachweislich  (vgl.  die  Urkunde  Ludwigs  d.  D., 
B.M.  1422  und  Wirt.  ÜB.  I  Nr.  147  S.  173).  Die  Insassen  werden  von 
Ludwig  als  fratres,  also  als  Mönche  bezeichnet. 


—     56R     — 

^vonuenkloster  Neuenhot^^)  so  sind  die  sämtlichen  mittelrheinischen 
Klöster  anf;ei\ihi-t,  deren  Ursprung  mit  einiger  AVahi'scheiulichkeit 
der  Zeit  Karls  zugeschrieben  werden  kann. 

Grösser  ist  ihre  Zahl  in  Schwaben.  Im  Bistum  Augsburg 
gi-ündete  der  Bischof  Hariolf  von  Langres  wahrscheinlich  in  der 
letzten  Zeit  Pippins  an  der  schwäbisch -fränkischen  Grenze  das 
Kloster  Ellwangen;-)  etwas  jünger  ist  das  benachbarte  Feucht- 
wangen :^)  auch  die  kleinen  Zellen  zu  Stettwang'*)  und  Hii'sch- 
zell  ^}  im  Augustgau.  Herbrechtingen ")  und  Aldrichszell ')  im  Alb- 
gau imd  vielleicht  das  Kloster  Ottenbeuren  "*)  werden  unter  Kai'ls 
Regierung  entstanden  sein.  In  der  Kostnitzer  Diözese  werden  im 
beginnenden  neunten  Jahrhundeit  mehrere  von  St.  Gallen  abhängige 
ZeUen  genannt,  kleine  Niederlassungen,  die  bald  wieder  verechwanden 
oder  in  Pfarrkirchen  umgewandelt  wurden:  Ratpotszell.")  Mannzell,^") 


1)  lai  J.  786  von  der  Äbtissin  Abba  an  Lorsch  übergeben  (Cod.  Lauresh. 
I,  S.  27  Nr.  12). 

2)  Elehenwang  intra  Virgundiam  waldum.  Urk.  Ludwigs  d.  Fr.  v. 
8.  April  814  (B.M.  502).  Einen  sagenhaften  Bericht  über  die  Gründung 
giebt  Ermenrich  in  seiner  v.  Hariolfi  (M.  G.  Scr.  X  S.  11  ff.).  Richtig 
mag  sein,  dass  die  Gründung  noch  in  Pipijins  letzte  Zeit  lallt;  man  gab 
später  das  Jahr  764  an  (Chron.  Elw.  M.  G.  Scr.  X  S.  35).  Vgl.  Wirt.  KG. 
S.  45  f. 

3)  Zuerst  erwähnt  im  Reichenauer  Verbrüderungsbuch  S.  154  und  192. 
Es  sind  hier  nur  zwei  Äbte  Gozbert  128,  1  und  Wigrat  130,  13  genannt. 
Der  Ursprung  unter  Karl  ist  also  ziemlich  sicher. 

4)  Urk.  Ludwigs  d.  Fr.  v.  25.  Febr.  831  (B.M.  854).  Ludwig  schenkt 
die  seinem  Vater  übergebene  Zelle  dem  Kloster  Kempten. 

5)  Urk.  Ludwigs  v.  8.  April  839  (B.M.  959).  Der  Kaiser  vertauscht 
die  seinem  Vater  übergebene  Aldrichszelle  gegen  die  im  Besitze  des  Klosters 
Kempten  befindliche  Hirschzelle. 

6)  St.  Veranus  zu  Harbrittinga.  Urk.  Karls  v.  7.  Sept.  774  (B.M.  166). 
Die  Zelle  gehört  zu  den  Stiftungen  Fulrads,  welche  möglicher  Weise 
noch  unter  Pippin  entstanden  sind  (Testam.  Fulrads,  Wirt.  ÜB.  I 
Nr.  18  S.  18). 

7)  S.  Anm.  5  oben. 

8)  Die  Urkunde  der  angeblichen  Stifter  Silach  und  Erminswintli 
fM.  G.  Scr.  XXHI  S.  611  f.)  i.st  ebenso  unecht,  wie  diis  Privilogiuni  Karls 
(B.M.  132).  Die  erste  sichore  Kunde  giebt  das  ReichRnauer  Verbrüderungs- 
buch,da«Sp.  418S.  276AbtMilo  und  dieBrüderdeUttinbvrranennt.  Baumann, 
-■Mlgäu  I,  S.  114  ff.  scheint  mir  den  auch  von  ihm  für  wertlos  erkannton 
Quellen  viel  zu  viel  ..unzweifelhaft  Feststehendes"  zu  entnehmen. 

9)  I.  J.  827  als  bestehend  erwähnt,  Wirt.  ÜB.  I  S.  106  Nr.  91.  Die 
Ijjige  ist  nicht  zu  bestimmen,  die  Zelle  wird  nicht  wieder  erwähnt. 

10)  Maduncella,  Manuncella,  vielleicht  ■■=-■  cella  quae  nuncupatur  Maionis, 


—     569     — 

Perach toltszell  ^)  und  Hiipoldszell.^)  Vermutungen  über  den  Ur- 
sprung dieser  Eintagsgründungen  lassen  sich  nicht  aufstellen:  er 
kann  in  Karls  Zeit  fallen;  es  ist  aber  eben  so  gut  mögKch,  dass 
sie  älter  sind.  Dasselbe  gilt  von  den  beiden  Klösterlein,  die  Ful- 
rad  von  St.  Denis  stiftete,  St.  Vitalis  zu  Esslingen  am  Neckar  und 
Adalungszell  im  Hegau. ^)  Das  bald  wieder  verschwundene  Nonnen- 
kloster zu  Lauterbach  im  Schwarzwald  wird  unter  Pippin  ent- 
standen sein.^)  dagegen  gehören  in  Karls  Zeit  die  Klöster  Schienen 
in  einem  Hochthal  zwischen  Untersee  und  Rhein  ^)  und  March- 
thal  an  der  oberen  Donau. ^)  Im  Elsass  kann  man  vier  Klöster 
mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  der  Regierungszeit  Karls  zuschreiben : 
das  Nonnenkloster  St.  Stephan  in  Strassburg, ')   Eschau,    oberhalb 


um  812  als  bestehend  erwähnt,  Wirt.  ÜB.  I  S.  75  Nr.  68,  vgl.  S.  82  Nr.  73 
vom  12.  März  816.  Im  J.  897  scheint  sie  schon  Pfarrkirche  zu  sein,  ib. 
S.  200  Nr.  172.     Mannzeil  im  Norden  des  Bodensees,    OA.  Tettnang. 

1)  805  erwähnt,  Wirt.  ÜB.  I  S.  64  Nr.  60,  kommt  824  an  St.  Gallen, 
ib.  S.  105  Nr.  90;  jetzt  Zell  an  der  Donau,  oberhalb  Marchthal. 

2)  855  durch  den  Priester  Hupold  an  St.  Gallen  übergeben,  Wirt.  ÜB.  I 
S.  144  Nr.  123;  er  kann,  muss  aber  nicht  der  Grüader  sein.  Der  jetzige 
Name  ist  nicht  sicher,  entweder  Zell  bei  Isny  oder  Frauenzeil  südlich  von 
Leutkirch.  Ich  füge  eine  Bemerkung  über  die  v.  Meinr.  4  Scr.  XV  S.  445 
erwähnte,  aber  nicht  genannte  Reichenauer  Zelle  am  Züricher  See  bei.  Man 
suchte  sie  bisher  in  OberboUingen.  Allein  Ringholz  hat  im  Anz.  f.  Schweizer 
Gesch.  1897  S.  473  ff.  den  Beweis  geführt,  dass  vielmehr  an  Benken,  vgl. 
Bd.  I  S.  345,  zu  denken  ist.  OberboUingen  ist  aus  der  Reihe  der  Klöster 
der  Karolingerzeit  zu  streichen. 

3)  Testament  Fulrads  (Wirt  ÜB.  I  Nr.  18  S.  18);  St.  Vitalis  wurde 
von  einem  gewissen  Hafti,  Adalungszell  (St.  Jorgius)  von  Dalongus  (wohl 
zu  lesen  Adaiongus)  an  Fulrad  tradiert,  von  ihm  also  auf  fremdem  Besitz 
gegründet.  Sie  blieben  bei  St.  Denis,  vgl.  Nr.  124  und  141  S.  145  und  166. 
Bessert  vermutet,  dass  St.  Vitalis  in  die  Merowingerzeit  zurückreicht  und 
in  Verbindung  mit  Missionsthätigkeit  aus  Clermont  steht  (Wirt.  KG.  S.  53). 

4)  Leodrabach,  i.  J.  769  u.  786  als  bestehend  erwähnt  (Wirt.  ÜB.  I 
S.  10  Nr.  10  und  S.  30  Nr.  30). 

5)  Skina.  Um  d.  J.  800  von  dem  Grafen  Scrot  über  Reliquien  des 
Märtyrers  Genesius,  die  er  in  Italien  erwarb,  erbaut  (Mirac.  Genes.  M.  G. 
Scr.  XV  S.  169  ff.).  Das  Kloster  trat  i.  J.  846  in  einen  Totenbund  mit 
St.  Gallen  (Hist.  de  fratr.  conscr.  12  S.  Gall.  Mitth.  XI  S.  24),  später  auch 
mit  Remiremont  s.  dessen  Lib.  vitae  NA.  XIX  S.  67;  hier  sind  31  Mönche 
unter  Abt  Lantbert  genannt.  Das  Kloster  wurde  später  ein  Kanonikat  (s. 
die  von  Waitz  M.  G.  Scr.  XV.  S.  169  Anm.  2  mitgeteilten  Verse). 

6)  St.  Peter.  Vor  d.  J.  776  durch  den  Grafen  Halaholf  gegründet 
(Wirt.  ÜB.  I  S.  16  Nr.  17). 

7  ■  St.  Stephan  wird  als  Kloster  in  der  Reichsteilung  von  870  genannt 
(M.  G.  Leg.  1.  S.  517);    es  ist  aber  älter;    eine  fuldische  Urkunde   von  801 


—     570     — 

Strassburg  an  der  111.  eine  Stiftung  des  Bischofs  Eemigius,*) 
gleichfalls  fiii-  Nonnen  bestimmt,  das  von  Fulrad  gegründete  Stift 
des  h.  Cocovatus  an  der  Leber,  das  nach  ihm  Fulradsweiler  ge- 
nannt wurde,-)  und  das  unter  Karl  zuerst  erwähnte  Kloster  INIas- 
inünster  im  Sundgau. ''^) 

Im  Hessischen  und  Osfränkischen  bemerkt  man  den  grossen 
Einfluss  des  Klosters  Fulda:  von  keinem  zweiten  deutschen  Kloster 
■wai'en  so  vielfach  andere  Stiftungen  abhängig.  Schon  Bonifatius 
hatte  auf  dem  nördlich  von  dem  Klosüir  gelegenen  Hügel,  der 
si)äter  nach  ihm  Bischofsberg  geiumnt  wurde,  eine  kleine  Kirche 
gebaut.  Abt  Ratgar  erneuerte  das  Äfünster  und  enichtete  bei 
demselben  ein  Stift  von  Kanonikern.  Es  blieb  von  dem  Kloster 
abhängig.^)  Im  Würzburger  Bistum  entstanden  unter  Karl  acht 
zu  Fulda  gehörige  Stiftungen:  im  Grabfeld  Rasdorf. •'^)  Wangheim,") 
Hünfeld  ")  und  Milz,**)   im  TuUifeld  Fischbach.")    im  Saalegau  die 

erwähnt  Grundbesitz  von  St.  Stephan  (Dronke,  Cod.  dipl.  171  S.  97).  Über 
die  gefälschten  Diplome  Lothars  I  v.  845,  Ludwigs  d.  D.  v.  856  und  des 
Bischofs  Wernher  für  das  Kloster  vgl.  Wiegand,  Ztschr.  f.  Gesch.  des 
Oberrh.  N.F.  IX  S.  389  ff. 

1)  Notit.  de  fund.  mon.  Ascov.  M.  G.  Scr.  XV  S.  995. 

2)  Jetzt  Leberau,  Urk.  Karls  v.  14.  Sept.  774,  B.M.  167  und  Testament 
Fulrads.  Das  in  diesen  Urkunden  genannte  Audoldivilare,  St.  Hippolyt, 
wird  schon  unter  Pippin  gegründet  sein  (vgl.  Transl.  Viti  2  M.G.  Scr.  II  S.  577). 

3)  Poet.  lat.  I.  S.  94  c.  6  v.  10  f.  Der  Ursprung  liegt  ganz  im  Dunkeln. 
Die  angeblich  äUeste  Urkunde  B.M.  751  ist  eine  Fälschung. 

4)  Dronke,  Tradit.  Fuld.  S.  59,  23 ;  die  Zelle  hatte  nach  einem  jüngeren 
Verzeichnis  23  Mönche  und  16  Schüler  (1-  c.  S.  183,  11). 

5)  Ratestorph,  d.  ö.  von  Hünfeld  in  Karls  Urk.  v.  Dez.  781  (B.M.  240) 
noch  als  Villa  bezeichnet;  das  Kloster  ist  vor  814  gegründet  (Dronke,  Cod. 
dipl.  432  S.  193),  später  von  Hraban  als  fuldische  Zelle  erwähnt  (ep.  33 
S.  465).  Nach  dem  oben  Annierk.  4  genannten  Verzeichnis  (Dronke,  Tradit. 
Fuld.  S.  183,  12)  hatte  das  Kloster  32  Mönche  und  20  Schüler. 

fi)  Vgl.  oben  S.  49,  3.  Dronke,  Cod.  dipl.  88  S.  54:  Ecclesia  et  mona- 
ßteriolum  constructum  in  Uuanglieinu'ro  marca.  Wangheim  ist  wohl  das 
jetzige  Wenkheini  bei  Münnerstadt  in  Unter-Franken.  Die  Gründungszeit 
ist  unbekannt;  das  Klostor  scheint  bald  wieder  eingegangen  zu  sein. 

7)  Das  Hünfeld,  campus,  qui  dicitur  Unofeld,  mit  seinen  Wäldern 
wurde  von  Karl  i.  J.  781  an  Fulda  geschenkt  (H.M.  239,;  die  Zelle  wird 
zuerst  815  erwähnt  (Wirt.  UP.  I  S.  408  Nachtrag  Bj;  nach  dem  angeführten 
Verzeichnis  hatte  sie  33  Mönche  und  13  Schüler  (Dronke,  Tradit.  Fuld. 
S.  183  Nr.  13). 

8)  Die  Stifterin  Kmhilt  übergiebt  das  Kloster  am  3.  Febr.  800  an 
Fulda;  CS  hatte  22  Nonnen  (Dronke,  Cod.  dii-l.  157  S.  88;  vgl.  Trad.  Fuld. 
S.  81.  Nr.  38). 

9)  Eine    Fuldiache    Urkunde    von    813    ist  in  raonasterio  quod  dicitur 


—     571     — 

Mattenzelle')  und  Baugolfsmünster,-)  im  Gau  Waldsazzi  Holz" 
kirchen.^)  Die  meisten  von  ihnen  waren  wie  die  St.  GaUer  Zellen 
im  Konstanzer  Sprengel  nicht  von  langem  Bestand.  Auch  das 
von  Lorsch  abhängige  Nonnenkloster  Baumerlenbach,  das  unter 
Karl  gegründet  wurde,  scheint  eingegangen  zu  sein,  ohne  dass 
es  je  zur  Blüte  kam.*)  Dagegen  hatten  Dauer  die  von  einem 
Kleriker  Gumbert,  der  den  Bischofstitel  führte,  gestiftete  Abtei 
in  Ansbach,')  das  Nonnenkloster  Schwai-zach  im  Volkfeld  *') 
und  die  Abtei  Neustadt  am  Main.")     Von  den  Eichstädter  Klöstern 


Fisgibah  ausgestellt  (Dronke  Cod.  dipl.  S.  140  Nr.  279).  Man  wird  an  das 
Fischbach  im  Tullifeld,  das  jetzige  Fischbach  an  der  Felda,  Meiningen,  zu 
denken  haben.  Dort  war  Gumbert,  der  Stifter  der  Ansbacher  Abtei,  be- 
gütert (v.  Eckhart  Fr.  or.  II  S.  885  Nr.  9j;  möglicherweise  ist  er  der 
Stifter  gewesen.  Das  Kloster  scheint  bald  eingegangen  zu  sein.  Doch 
wii-d  nach  einer  Notiz  von  Herrn  Pfarrer  Stöbe  noch  1764  ein  Flurplatz 
Nonnenzeil  erwähnt. 

1)  Bestand  i.  J.  788  (Dronke,  Cod.  dipl.  Nr.  87  S.  53;  vgl.  oben  S.  50). 

2)  Die  Gründungszeit  ist  nicht  bekannt;  doch  ist  die  Zeit  Karls  sicher; 
die  erste  Erwähnung  der  Zelle  findet  sich  bei  Rudolf  (Mirac.  sanct.  in  eccl. 
Fuld.  transl.  7  M.  G.  Scr.  XV,  335j:  Cella  quae  ob  hoc,  quod  ab  eo  quon- 
dam  est  habitata,  Baugulfi  vocatur.  Nach  einer  Vermutung  Schannats 
Dioec.  Fuld.  S.  94  ist  Baugolfsmünster  das  spätere  Wolfsmünster  a.  Saale 
unterhalb  Hammelburg. 

3)  Vor  775  von  Troandus  auf  seinem  Eigengut  erbaut.  Der  Stifter 
übergiebt  das  Kloster  Karl,  der  es  an  Fulda  überträgt  (Urk.  Karls  v.  3.  Nov. 
775,  B.M.  191).  Man  hört  später  von  52  Mönchen  und  18  Schülern  (Dronke, 
Tradit.  Fuld.  S.  184  Nr.  14).  Vgl.  Amrhein  im  Arch.  des  Hist.  Vereins  f. 
Unter-Franken  88.  Bd.  1896  S.  37  ff. 

4)  Das  von  der  Nonne  Hiltisnot  soeben  (modo)  gegründete  Frauen- 
kloster St.  Salvator  in  Arilinbach  kommt  787  an  Lorsch  (Cod.  Lauresh.  13.  I 
S.  30  f.). 

5)  Guntbert,  der  das  Mai-ienkloster  auf  eigenem  Grund  und  Boden  ge- 
baut, übergiebt  es  i.  J.  786  dem  König,  welcher  ihm  Immunität  und  das 
Recht  der  Abtswahl  verleiht  (Urk.  Karls,  B.M.  262;  über  Echtheit  s.  Sickel, 
Act.  Karol  259).  Guntbert  war  begütert  im  Badanachgau,  Rangau  und 
Tullifeld  (Urk.  Ludwigs  1.  c.  940);  noch  unter  Karl  kam  das  Kloster  durch 
Tausch  an  V^^ürzburg  (a.  a.  0.). 

6)  Die  Stiftungszeit  ist  nicht  festzustellen;  dass  das  Kloster  unter  Karl 
bestand,  ist  zu  vermuten,  da  es  durch  Theodrada,  Karls  Tochter,  an  Würz- 
burg kam  (Urk.  Ludwigs  d.  D.,  B.M.  1336  vgl.  1381). 

7)  Vgl.  die  interpolierte  Urkunde  Ludwigs  d.  Fr.,  B.M.  573  v.  823. 
Die  Angabe,  dass  die  Abtei  von  Karl  gegründet  sei,  wird  zu  den  interpo- 
lierten Bestandteilen  gehören;  dagegen  ist  unanfechtbar,  dass  sie  eine  Ur- 
kunde Karls  besass,  also  zu  seiner  Zeit  bestand. 


—     572     — 

gehören  wuhrsoheiiilicli  Spalt.')  Henieclen  und  Guuzenhausen  in 
diese  Zeit.-) 

In  der  Salzbnrger  Erzdiözese  schnitt  «he  Absetzung  Tassilos 
die  Thätigkeit  zur  Neugründung  von  Klöstern  wie  mit  einem 
Schlage  ab:'')  eine  Thatsache,  ebenso  gewiclitig  für  die  Beur- 
teilung Karls  wie  Tassilos.^) 

Lässt  man  die  von  älteren  Klöstern  abhängigen  Zellen  ausser 
Ansatz,  so  ergiebt  sich,  dass  während  der  sechsundvierzig  Re- 
gierungsjahre  Karls  in  dem  deutschen  Teile  des  fränkischen  Reichs 
noch  nicht  zwanzig  Klöster  neugegründet  wurden.  So  rege  das 
kirchliche  Interesse  w^ar.  so  richtete  es  sich  doch  nicht  auf  die 
Ptlege  asketischer  Frömmigkeit.  In  diesem  Zannnenhange  ist  es  ver- 
ständlich, dass  Karl  dem  AVerbeeifer  der  Mönche  entgegen  *)  die  Auf- 
nahme in  das  Kloster  eher  erschwerte  als  erleichterte,")  dass  er  auch  die 
allzugrosse  Ausdehnung  der  Kongregationen  untersagte.")  Er  hat 
einmal  die  Regel  aufgestellt,  ein  Kloster  dürfe  nur  so  viele  ^lönche 
zählen,  als  der  Al)t  geistlich  l)eraten  könne.*")  Er  fürchtete,  dass 
die  Klöster  sonst  ihre  religiösen  Absichten  nicht  erreichen  würden. 
Aber  dies  Hedenken  war  doch  nicht  sein  einziges  Motiv:  er  ver- 
hehlte nicht,  dass  er  überhaupt  kein  Wohlgefallen  daran  hatte,  wenn 
mau  es  als  ei-strebenswertes  Zi<'l  betrachtete,  recht  viele  Christen 
zu  München  zu  machen.") 

Zur  Foitfühiiing  der  von  Bonifatius  und  Pippin  begonnenen 
Reformen  gehört  es,  dass  Karl  die  allgcMueine  Annahme  der  Bene- 
diktinen-egel    förderte. '")     Er    ging    dabei    mit    seiner    gewohnten 


Ij  Das  Monasteiiuni  8.  Salvatoris,  quod  est  constructum  iuxta  tluenta 
Radantia,  das  in  dfir  Urkunde  Ried,  C.  D.  S.  10  Nr.  15  genannt  ist,  kann 
nur  Spalt  sein. 

2)  Vgl.  über  diese  Klöster  iJd.  1  .S.  b'l'i  Anui.  4. 

3)  Vgl.  oben  S.  447. 

4)  Über  die  illtesten  Klöster  in  Sachsen  vgl.  oben  407  fi". 

5)  Vgl.  den  Brief  eines  Aufiiahmewilligen  Form.  Aug.  Coli.  C.  1  S.  364. 

6)  Cap.  2.3,  11  (a.  78'J)  S.  63;  44,  Vi  (a.  805)  S.  123. 

7)  Cap.  43,  12  (a.  805)  S.  122;  78,  6  (a.  «13)  S.  174;  Conc.  Mogunt. 
(a.  813)  c.  19  S.  70;  Arel.  c.  8  S.  60. 

8)  Cap.  43,  12:  Do  congregationibua  superflui.s,  ut  nullat«nu8  fiant.  sed 
tantos  congreget,  quantis  consiliuni  dare  potest. 

9)  Cap.  72,  11  (a.  811)  ß.  164:  Quam  i)aucitatom  conferat  ecclesiae 
Christi,  quod  i.s  qui  pastor  vel  raagistcr  cuiuHcunque  venerabili«  loci  esse 
debet,  magis  studet  in  sua  conversatione  habere  multos,  quam  bonos,  et 
non  tantum  probis  quam  multitudine  hominum  delectatur. 

10)  Cap.  2.3,  1  —  14  (a.  789)  S.  63;  25,  3  (a.  792)  S.  67;  37,  23  f. 
(a.  802)  S.  108;  Ann.  Lauresh.,  chron.  Moiss.  z.  J.  802.  Die  Verordnungen 
gegen   das  Einaiedlerwesen,    Cap.  23,  1   und  2   (a.  789)   S.  63,    entsprechen 


—     573     — 

Gründlichkeit  und  Umsicht  zu  Wege:  wie  er  sich  eine  Abschrift 
der  Gottesdienstordnung  von  Rom  hatte  senden  lassen,  so  ver- 
schaffte er  sich  ein  Exemplar  der  Benediktinerregel  von  Monte 
Cassino:  •')  er  wollte  den  authentischen  Text  besitzen.'-)  Auch  die 
ungelehrten  Mönche  sollten  die  Regel  inne  haben:  sie  wurde  zu 
diesem  Zweck  ins  Deutsche  übersetzt.'^)  Ebenso  liess  er  sich  die 
alte  Verpflichtungsformel  der  Mönche  von  Monte  Cassino  mitteilen 
und  erholte  dort  Auskunft  über  eine  Menge  Einzelfi-agen.^)  Die 
Benediktiner  haben  Karl  um  dieser  Anordnungen  willen  als  Re- 
formator des  Mönchtums  gerühmt.')  Aber  er  hatte  doch  nur  halbe 
Teilnahme  fm-  diese  Angelegenheit.  In  einem  Hauptpunkte  wurde 
die  Regel  Benedikts  nicht  entfernt  beobachtet:  an  Sicherheit  der 
ü'eien  Wahl  des  Abtes  war  nicht  zu  denken.  Karl  war  ausser- 
ordenthch  sparsam  in  der  Verleihung  von  Wahlprivilegien,  von 
solchen  für  deutsche  Klöster  haben  sich  nui"  vier  erhalten,  fiü- 
Lorsch,  Fulda,  Hersfeld  und  St.  Gumbert  in  Ansbach.*')  Davon 
dass  überall  die  Einführung  der  Regel  Benedikts  notwendig  sei,  war 


den  Anschauungen  der  Benediktinerregel,  zeigen  aber  doch,  dass  Karl  von 
der  Bewunderung  für  die  Heroen  der  Askese  unberührt  war. 

1)  M.  G.  Ep.  IV  S.  509  Nr.  13  (Abt  Theodemar):  luxta  preceptionem 
vestram  en  vobis  regulam  eiusdem  b.  patris  de  ipso  codice,  quem  ille 
suis  sanctis  manibus  exaravit  transscriptam ,  direximus.  Vgl.  N.  A.  XXII 
S.  663. 

2)  "Welche  Bedeutung  das  für  die  Textgeschichte  der  Benediktiner- 
regel gewann,  zeigt  Traube  in  seiner  Textgeschichte  der  Regula  s.  Benedicti, 
Abh.  der  Münchener  Akad.  XXI  S.  .599  if.  Sein  Ergebnis  ist,  „dass  Karl 
d.  Gr.  es  ist,  der  den  fasst  verschollenen  reinen  Text  in  seinem  Reich 
eingebürgert  hat  und  so  der  Urheber  eines  neuen  Zeitalters  in  der  Text- 
geschichte der  Regula  geworden  ist."  S.  673. 

3)  Herausgegeben  von  Hattemer,  Denkmale  des  M.A.  I,  26  ff.,  vgl. 
Steinmeyer,  Zeitschr.  f.  d.  Alterth.  XVI  S.  131  ff.  und  XVII  S.  431  ff. 

4)  In  dem  angeführten  Briefe  giebt  Theodemar  Auskunft.  Die  Ver- 
pflichtung lautete:  I.  n.  D.  promitto  me  ego  ill.  in  sacro  monasterio  b. 
martyris  s.  confessoris  ill.  secundum  instituta  b.  Benedicti  coram  Deo  et 
s.  angelis  eius  presente  etiam  abbate  nostro  ill.  omnibus  diebus  meis  in 
hoc  s.  monasterio  amodo  et  deinceps  perseveraturum  et  in  omni  oboedi- 
entia  quodcunque  mihi  praeceptum  fuerit  oboediturum.  Ego  ill.  talis 
hanc  promissionem  a  me  factam  manu  propria  coram  testibus  scripsi  et 
roboravi.  Vgl.  M.  G.  Form.  S.  570,  wo  diese  Formel  als  Exemplar  promis- 
sionis,   sicut  solebant  antiqui  monachi  regulam  promittere,  vorkommt. 

'  5)  M.  G.  Ep.  IV  S.  510  Nr.  13. 
6)  B.M.  148,  169,  172,  262;    vgl.    indess    581    und    807,    wonach    Karl 
auch  Reichenau    und   Münster    im  Gregorienthai    die  Abtswahl    gewährte; 
ausserdem  für  Aniane  309,  St.  Vincenzo  275  und  Monte  Cassino  276. 


—     574     — 

er  keineswor^s  üheiycugt.  Wenn  er  sich  tür  eine  Besprechung  mit 
den  Bisch()fen  (he  Frage  notierte,  ob  es  ausser  den  Benedik- 
tinern noch  andere  Mönche  geben  könne,  und  ob  es  in  Galhen 
]\rönche  gegeben  habe,  ehe  man  die  Benediktinerregel  kannte,*) 
so  ])eantwortete  er  beide  Fragen  mit  Ja.  Eine  weitere  Fi-age 
zeigt,  dass  er  sie  aufwarf,  weil  er  nicht  an  die  Alleingiltigkeit  der 
Regel  Benedikts  glaubte;  indem  er  fragte:  Xach  welcher  Regel 
haben  die  gallischen  Mönche  vor  Benedikt  gelebt,  da  man  doch 
weiss,  dass  Martin  von  Tours  ein  ]\rönch  war  und  Mönche  leitete?-) 
gab  er  in  der   Frage  deutlich  genug  seine  Meinung  kund. 

Diese  kühle  Stimmung  des  Kaisers  macht  es  begreiflich,  dass 
das  von  den  Mönchen  ei-strebtc  Ziel,  allgemeine  Annahme  der 
Benediktinerregel,  während  seiner  Regierung  nicht  erreicht  wurde. 
In  nicht  wenigen  Klöstern  galten  immer  noch  die  älteren  Statuten.^) 
Fn  anderen  lebten  die  Mönche,  ohne  die  Regel  ab/uschaffen,  kaum 
mehr  durch  ihre  Bestimnuingen  gebunden.')  oder  iioben  sie  geradezu 
auf  und  verwandelten  die  Klöster,  von  dem  Körnige  nicht  gehindert, 
in  Kanonikate:'')  das  kam  einer  sehr  bedeutenden  Ermässigung  der 
asketischen  Anforderung  gleich. 


1)  Cap.  71,  12  (a.  811)  S.  161  f. 

2)  Cap.  72,  12  (a.  811)  S.  164. 

3)  Z.  li.  in  St.  Wandrille  (Gest.  alb.  Font.  17  S.  50  f.),  und  wie  es 
scheint,  in  den  Kleistern  der  Bretagne  überliaupt  (Houq.  VI,  513). 

4)  V.  Bened.  36  M.G.  Scr.  XV  S.  215:  Multa  nionasteria  erant,  quac 
quondani  regulariter  fuerant  instituta,  sed  paulatiiii  tepescente  rigore  regu- 
erlaris  pene  deperierat  ordo.  So  in  St.  Martin  in  Tours,  selbst  unter  Alkuins 
Leitung;  vgl.  die  wenig  rücksichtsvolle  Schilderung  der  Zustände  in  Karls 
Brief  fep.  Ale.  247  S.  400j  :  Aliquando  monachos,  aliquando  canonicos,  ali- 
quando  neutruni  vos  esse  dicebatis.  Wie  häufig  solclie  Zustände  waren, 
sagt  .Vlkuin  selbst  ep.  2.58  S.  416,  wo  er  von  dem  tertius  gradus,  qui  inter 
hos  duos  —  Mönche  und  Kanonikern  —  variatur,  bemerkt:  Tales  maxinie 
in  domo  Dei  inveniuntur.  Noch  unter  Karl  und  Fridufris  ist  St.  Martin 
Kanonikat  geworden  s.  d.  Urk.  v.  81.S  Gallia  rhrist.  XIV  Instr.  S.  15  Nr.  12: 
in  ipsorum  clericorum  stipcndia,  qui  aecunduni  canonicam  institutionem  in 
8.  ordine  sunt  constituti. 

5)  V.  Bened.  29  S.  211:  Erant  quadam  monasteria  instituta  canonica 
servantes,  regulao  autem  praecepta  ignorantes.  Cons.  Turon.  (a.  813)  c.  25 
S.  87.  Beispiele  sind  ausser  St.  Martin:  St.  Denis  fUrk.  liudwigs  v.  26.  Aug. 
832  (B.M.  876),  Lobbes  (Gest.  abb.  Lobb.  9  S.  .59:  Post  eum  |  Anso  gest.  800] 
eandum  abbatiam  usurpavit  Hildricus  canonicus),  St.  Hilarius  in  l'oitiers  (Urk. 
Ludwigs  V.  Mai  808,  B.M.  500),  Montierender  (ürk.  Ludwigs  v.  12.  Febr.  877, 
B.M.  813),  St.  Eparchius  in  Angouleme  (Adem.  bist.  2  M.G.  Scr.  IV  S.  89), 
wahrscheinlich  auch  St.  Amand  (Urk.  Ludwigs  v.  29.  Juni  822,  B.M.  732) 
und  St.  Martial  in  Limoges  (Ann.  Lcmov.  z.  J.  848  S.  251). 


—     575     — 

Überhaupt  wirkte  die  geringe  Teilnahme,  welche  Karl  für  das 
Mönchtum  als  solches  hatte,  schädHch.  Die  Mönche  fühlten  sich 
unbeaufsichtigt;  Karl  selbst  hat  seine  Unzufriedenheit  mit  ihrem 
Leben  und  Treiben  mehrfach  ausgesprochen.^)  Die  Urteile  anderer 
stimmen  mit  dem  seinen  überein:  man  hört  Klagen  über  unwürdige 
Abte,-)  deren  Amtsführung  nur  zu  Zwietracht  im  Kloster  führe; 
man  findet  erwähnt,  dass  Abte,  Pröpste  nnd  Dekane  die  Stunden, 
während  welcher  die  Brüder  Psalmen  sängen  und  erbauliche  Ver- 
lesungen anhörten,  beim  Becher  verbrächten,  mit  Scherz  und  Ernst 
sich  unterhaltend.^)  Am  schlimmsten  stand  es  mit  den  Klöstern, 
welche  in  Laienhände  gekommen  waren :  ^)  manche  lösten  sich  auf, 
andere  verarmten  so  sehr,  dass  es  den  Mönchen  am  notwendig- 
sten fehlte.^) 

Hier  liess  Karl  der  Thätigkeit  seines  Sohnes   das  Feld  frei. 

Ludwig  stand  den  rehgiösen  Gedanken  des  Mönchtums  anders 
gegenüber  als  Karl:  er  konnte  empfinden,  was  die  Mönche  an  dem 
asketischen  Lebensideal  hatten.  Die  Klosterreform  erschien  ihm 
deshalb  als  ernste  Pflicht.  Schon  als  aquitanischer  König  hat  er 
mit  ihr  begonnen.  Den  rechten  Mann  für  die  Ausführung  seiner 
Gedanken  fand  er  in  Benedikt  von  Aniane.*^) 

Benedikt  oder,  wie  sein  Geburtsname  lautete,  Witiza  war  der 
Sohn  eines  Gothen,  der  als  Graf  in  Septimanien  manchen  Kampf 
wider  die  Feinde  des  fränkischen  Reiches  bestanden  hatte.  Der 
Sohn  wurde  am  Hof  erzogen;  noch  unter  Pippin  trat  er  in  den 
Dienst  des  Königs  ein,') 

Asketische    Anwandlungen    waren    dem  jungen  Manne    nicht 

1)  Cap.  33,  17  (a.  802)  S.  94  f.  Hier  wird  ihnen  Habsucht  und  Streit- 
sucht, Unmässigkeit  und  die  schändlichsten  Ausschweifungen  zum  Vorwurf 
gemacht;  vgl.  72,  11  (a.  811)  S.  164  und  des  Königs  Urteil  über  St.  Martin, 
oben  S.  574  Anm.  4. 

2)  V.  Eigil.  9  (M.G.  Scr.  XV  S.  226  f). 

3)  Smaragd,  comm.  42  (Migne  102  S.  879). 

4)  Cap.  169  (a.  816)  S.  341 :  Nonnulli  clerici  monasteria  puellarum 
et  nonnulli  laici  monasteria  virorum  etiam  et  puellarum  habent. 

5)  Cap.  22,  31  (a.  789)  S.  56;  84,  11  (a.  813?)  S.  183;  175,  3 
(a.  825?)  S.  358;  Form.  Salic.  Merk.  61  f.  S.  261  f.;  V.  Bened.  39 
S.  217;  Urk.  Ludwigs  für  St.  Maur  des  Fosses  und  die  zur  Kirche  von 
Sens  gehörigen  Zellen  St.  Peter,  St.  Johann  und  St.  Remigius  (B.M.  597 
und  731). 

6)  Die  von  dem  Mönch  Ardo  verfasste  Biographie  Benedikts  ist  eine 
zuverlässige  Quelle.  Man  vgl.  über  Benedikt  ausser  Simson  in  den  Jahrb. 
Ludwigs,  Nicolai,  d.  heil.  Benedikt,  1865;  Puckert,  Aniane  und  Gel- 
lone,  1899. 

7)  V.  Bened.  1  S.  201.     Das   Geburtsjahr  Benedikts    ist   nicht  festzu- 


—     Ö7«     — 

fremd.  Es  war  ihm  leicht  gemacht,  äussere  Ehren  zu  erriugen; 
al)er  sie  lockten  ihn  nicht;  er  sah  in  ihnen  nur  vergängUches 
AVesen,  juit  Mühe  erlangt  und  rasch  verloren.  Dagegen  reizte 
es  ihn,  sieb  im  Getriebe  des  Hofes  insgeheim  asketischen  Übungen 
zu  widmen:  er  versagte  sieb  Schlaf  und  Speise.  Der  Gedanke, 
ein  Lel)en  der  Selbstverleugnung  zu  fiihien.  wurde  allgemach  zu 
einem  festen  Vorsatz.  Lange  hielt  er  ihn  verborgen;  er  war  noch 
nicht  sicher,  wie  er  ihn  verwirklichen  sollte:  sollte  er  als  AVall- 
bruder  die  Heimat  lassen,  oder  sich  einem  Fremden  zu  Dienst 
begeben  und  ohne  Lohn  dessen  Herde  weiden,  sollte  er  in  einer 
Stadt  als  Handwerker  arbeiten  und  seinen  Erwerb  den  Armen  aus- 
spenden, oder  war  es  das  Höchste,  auf  alles  Eigene  zu  verzichten 
und  im  Kloster  nur  noch  den  Gehorsam  gegen  die  Regel  zu  kennen? 

Aus  diesen  Erwägungen  heraus  riss  ihn  ein  Erlebnis  im 
italienischen  Feldzug  des  Jahres  773.  Beim  Übergang  über  einen 
Fluss  geriet  sein  Bruder  in  die  Strömung,  er  verlor  den  Grund  und 
wurde  vom  Wirbel  in  die  Tiefe  gezogen.  Um  ihn  zu  retten,  stürzte 
sich  Benedikt  mit  dem  Pferde  ins  Wasser;  glücklich  erfasste  er  die 
Hand  des  Versinkenden;  aber  nur  mit  äusserster  Mühe  gelang  es 
ihm.  das  Ufer  wieder  zu  erreichen. 

Tn  dieser  Gefahr  legte  er  das  Gelübde  ab,  der  Welt  zu  ent- 
sagen. Alsbald  nach  seiner  Rückkehr  wollte  er  es  erfüllen.  Er 
wusste  wohl,  dass  sein  Vater  es  nimmermehr  billigen  werde;  des- 
halb wagte  er  nicht,  sich  ihm  zu  offenbaren.  Einem  blinden  Mönch. 
Namens  Widmar.  vortraute  er  seine  Absicht  an.  Der  lehrte  ihn 
seinen  Vater  hintergehen,  um  Gott  zu  gefallen.  Er  gab  vor.  an 
des  Königs  Hof  nacb  Aachen  zurückkehren  zu  wollen:  mit  zahl- 
reichem Gefolge  verliess  er  seines  Vaters  Haus ;  al)er  als  er  an  die 
Pforte  des  Sequanus-Klosters  bei  Dijon  gekommen  war,  entliess  er 
die  Seinen :  sie  sollten  in  die  Heimat  zurückkehren,  denn  er  habe 
sein  Ziel  erreicht;  in  diesem  Kloster  wolle  er  forthin  seinem  Gott. 
Christo,  dienen. 

So  wurde  er  Mönch.  Aber  wie  ganz  anders  war  nun  sein 
Tjoben  als  etwa  das  Alkuins.  Er  suchte  und  fand  im  Kloster 
nichts  als  Entsagung;  nicht  nur,  dass  er  in  Fasten  und  Wachen 
mehr  leistete  als  jeder  andere:  er  suchte  das  Hässliche,  der  Schmutz 
war  ihm  W(mne,  für  verrückt  zu  gelten  gewährte  ihm  Befriedi- 
digung.')     Die  Angst   und   die  Welnnut  der  Busse    verliessen   ihn 


stellen;  Nicolai  nimmt  da«  .Tahr  74.5  an  (S.  12),  andere  7.50;  die  Gründe 
sind  unzuroichend.  Sicher  ist  nur,  dass  Benedikt  nach  7.5'2  in  din  Hof- 
scbule  eintrat. 

1)  V.  Bened.  2  S.  201  f. 


—      077      — 

nie;  er  brauchte  nur  an  seine  Sünden  zu  denken,  so  strömten 
seine  Augen  von  Thränen.^)  Keine  Forderung  schien  im  Ver- 
gleich mit  dem,  was  er  fühlte,  hoch  genug :  wie  gering  und  leer 
waren  die  Vorschriften  Benedikts  von  Xursia,  nur  gut  für  An- 
fänger und  Schwächhnge.  Eher  genügten  ihm  die  strengen 
Regeln  der  orientahschen  Mönche.  Es  war  ein  Zustand  nervöser 
ÜbeiTeizung,  der  nicht  für  die  Dauer  bleiben  konnte;  nach  und 
nach  -vdch  er  einer  ruhigeren  Stimmung.  Nun  kam  auch  Bene- 
dikts Urteil  meder  ins  Gleichgemcht:  er  stellte  jetzt  die  Benedik- 
tiuerregel  deshalb  hoch,  weil  sie  das  fordere,  was  viele  erreichen 
könnten. 

Fünf  Jahre  und  acht  Monate  brachte  er  in  dem  burgun- 
dischen  Kloster  zu.-)  Sein  asketischer  Eifer  fand  Lob  und  Aner- 
kennung: die  Mönche  tmgen  sich  mit  der  Absicht,  ihn  zum  Abte 
zu  Avählen.  Aber  er  verbarg  sich  nicht,  dass  die  strenge  Durch- 
führung der  Benefhktinerregel,  die  er  für  notwendig  hielt,  in  St. 
Seine  unmögHch  sei :  deshalb  entschloss  er  sich,  das  Kloster  zu 
verlassen ;  er  wollte  dem  entgehen,  dass  er  als  Abt  Zugeständnisse 
machen  musste,  die  seiner  Überzeugung  zuwider  liefen.^)  Er  kehrte 
in  seine  südhche  Heimat  zuiiick.  Auf  seinem  väterhchen  Grund 
und  Boden  baute  er  am  Bach  Aniane  bei  einer  kleinen  Kirche 
des  h.  Saturninus  eine  bescheidene  Zelle.  Mt  Widmar  und  etlichen 
anderen  Genossen  lebte  er  dort  mehrere  Jahre  lang  in  grosser 
Amiut.  Von  der  Freude  an  Lektüre  und  litterarischer  Arbeit, 
welche  Karl  in  den  Klöstern  heimisch  zu  machen  strebte,  war  in 
diesem  Klösterlein  nichts  zu  linden:  hier  herrschte  die  alte  Hoch- 
stellung der  Handarbeit. 

Es  dauerte  lange,  bis  die  Zahl  der  Brüder  sich  mehrte.  Die 
Strenge,  mit  welcher  die  Regel  beobachtet  wurde,  schreckte  die 
meisten  zurück.  Aber  auch  als  Schüler  in  Menge  sich  um  Bene- 
dikt sammelten,  bheben  seine  Grundsätze  die  gleichen.  Die  Satur- 
ninuszelle  wurde  zu  enge;  er  errichtete  nicht  allzuweit  entfernt  bei 
einer  Marienkirche  ein  neues,  grösseres  Kloster.  Auch  bei  diesem 
Bau  wm"de  alles  vermieden,  was  an  Pracht  und  Reichtum  erinnerte: 


1)  L.  c. :  Conpunctionis  gratia  .  .  tanta  ei  largita  est,  ut  quoties  vel- 
let,  fleret.  Cotidie  lacrimis,  cotidie  gemitu  ob  geennae  metum  alebatur. 

2)  Diese  Angabe  c.  3  S.  202,  wogegen  der  Brief  der  Mönche  von 
Jnden  c.  42  S.  218  nur  von  2*  o  Jahren  spricht.  Da  Ardo  den  Brief  selbst 
mitteilt,  und  ohne  Zweifel  den  Widerspruch  bemerkte,  so  darf  man  seine 
Angabe  als  zuverlässig  betrachten. 

3)  Der  erwähnte  Brief  schweigt  von  der  Wahl  Benedikts  zum  Abt 
und  motiviert  seinen  Austritt  aus  St.  Seine  nur  mit  den  Worten:  Quia  ibi 
regulärem  usum  minime  reperit. 

Hauck,  Kirchengeschichte.   II.    2.  Aufl.  37 


—     57S     — 

statt  der  verzierten  AVände,  bemalten  Decken  und  roten  Ziegel- 
däclier.  die  den  Stolz  der  Bauheiren  bildeten,  sah  man  Stroh- 
dächer lind  nackte  AVände  von  gestanii)ftem  Lehm.  Sogar  hei  den 
Kirchengeräten  machte  sich  diese  Scheu  vt)r  dem  Schönen  be- 
merklich: Benedikt  liihrte  zuei-st  nur  hölzerne  Abendmahlsgetasse; 
es  war  schon  ein  Zugeständnis,  dass  er  sie  später  durch  glä- 
seiTie  und  zinnerne  ersetzte.  Silber  duldete  er  i\h\  ebensowenig 
seidene  Priestergewänder.  Auch  das  neue  Kloster  sollte  ein  Haus 
religiöser  Betrachtung,  strenger  Selbstkasteiung  und  harter  Arbeit 
sein.  AVenn  Benedikt  Schenkungen  von  Gnnidbesitz  annahm,  so 
wies  er  solche  von  Hörigen  zurück:  die  Alönche  bedurften  keiner 
Arbeiter,  denn  sie  selbst  sollten  arbeiten.^) 

Die  energische  Durchiuhrung  bestinnnter  Gnmdsätze  hat  stets 
Erfolg.  Derselbe  Mami,  der  Anfangs  schier  daran  verzweifelte, 
dass  es  ihm  gelingen  würde,  Mönche  fih"  sein  Klösterlein  zu  finden. 
Mnu'de  nach  und  nach  der  angesehenste  Abt  im  südlichen  Frank- 
reich. Seine  Einrichtungen  wurden  das  Muster,  an  welches  sich 
andere  Klöster  hielten:  zahlreiche  Stiftungen  stellten  sich  unter 
seine  Leitung.  Besonders  wurde  man  am  Hofe  auf  ihn  auf- 
merksam. 

Benedikt  hatte  ein  Gefühl  dafür,  dass  seine  AVeise  eiae  andere 
war,  als  die  Alkuins  und  seiner  Schüler.-)  Aber  sollte  er  deshalb 
die  Gemeinschaft  mit  ihnen  vermeiden?  Sein  höchstes  Ziel,  die 
Durchfiihi-ung  der  Benediktinerregel,  wurde  von  dem  Kfinig  und  den 
Theologen  seiner  Umgebung  gebilhgt.  Deshalb  konnte  Benedikt  ihre 
rntei'stützung  nur  erwünscht  sein.  .\ber  wemi  er  sich  dem  Hofc^ 
näherte,  so  musste  er  sich  entschli(>sseii.  den  (JedankcMi,  die  Karl 
bezüglich  des  Mönchtums  hegte.  Zugeständnisse  zu  machen.  Dass 
er  es   that.    i'^t   nicht  zu   bezweifeln.     Als   zum  dritten  Male'"')  ein 


1)  Nicolai  spricht  biebei  (S.  20)  von  d'^r  ,, herrlichen  Idee  der  Auf- 
hebung der  Sklaverei".  Aber  daran  hat  Benedikt  gewiss  nicht  gedacht. 

2)  Ale.  pp.  57  S.   100  f.:  Rusticitas  de  qua  to  excusaro  soles. 

3)  V.  Bened.  17  S.  205  ist  dieser  dritte  Bau  in  das  Jahr  7^2  verlegt. 
Da  der  erste  Bau  früliestens  im  .Sommer  77',»  erfolgt  sein  kann,  und  da 
Benedikt  .nonnullos  annos"  in  der  ersten  Niederlassung  bei  der  Saturninus- 
kapelle  zubrachte  (c.  3  S.  203),  so  erscheinen  die  Zweifel  Nicolais  an  dieser 
Zeitbestimmung  begründet  (S.  91);  vielleicht  ist  es  richtig,  dass  sie  sich  auf 
den  zweiten  Bau  bezieht.  Die  (borjfabe  an  Karl  und  die  Verleihung  der 
Immunität  erfolgte  höchst  wahrscheinlich  i.  .1.  7!>2  Mühlbarher  zu  Hegest. 
309,  vgl.  über  da.««  Diplom  Puckert  S.  10  ff.).  Kurz  vorher  wird  der  dritte 
Bau  stattgefunden  haben.  Die  Annäherung  Benedikts  an  den  Hof  wird 
dann  in  die  Zeit  des  ersten  Aufenthalt«  Alkuins  im  fränkischen  Reiche 
fallen. 


—     579     — 

m 

Neubau  des  Klosters  notwendig  wurde,  schuf  Benedikt  in  der  Sal- 
vatorbasilika  ein  glänzendes,  mit  aller  Pracht  ausgestattetes  Bauwerk; 
ein  verschwenderischer  Eeichtum  kostbarer  Geräte  erfüllte  die  weiten 
Hallen  der  Kirche.  Auch  das  Kloster  wurde  erneuert,  besonders 
bewunderte  man  die  Menge  der  Marmorsäiden,  welche  die  Decken 
der  Kreuzgänge  trugen.  Dem  reichen  Bau  entsprach  die  gesamte 
Einrichtung  des  Klosters:  nun  wurde  eine  Bibliothek  gesammelt, 
Kantoren,  Lektoren  und  Grammatiker  bei-ufen,  überhaupt  alles  auf 
den  glänzendsten  Fuss  gesetzt.  Die  Zahl  der  Mönche  überstieg 
schliesslich  dreihundert.  Benedikt  sah  sich  genötigt,  für  sie  einige 
von  dem  Mutterkloster  abhängige  Zellen  zu  gründen.  Die  ganze 
Stiftung  übergab  er  dem  König,  der  ihr  Immunität  und  freie  Abts- 
wahl verlieh. 

Benedikt  dachte  durch  diese  Annäherung  an  die  Wünsche 
Karls  nicht  auf  seine  ursprünglichen  Ideale  zu  verzichten:  er  selbst 
bheb  der  alte ;  regelmässig  nahm  er  Teil  an  der  körperhchen  Arbeit : 
man  sah  ihn  beim  Pflügen  und  Ernten  beschäftigt;  durch  die  Strenge 
seines  Lebens  überbot  er  nach  wie  vor  die  Anordnungen  der  Regel  ;^) 
auch  jenes  Bussgefühl  seiner  jüngeren  Jahre  schwand  nicht:  auf 
seinem  Sterbebette  tröstete  es  ihn,  dass  er  während  der  achtund- 
vierzig Jahre,  die  er  im  Kloster  verlebte,  nie  einen  Bissen  Brot 
gegessen  habe,  ehe  er  seine  Thränen  vor  Gott  ausgeschüttet.-)  Wie 
er  selbst,  so  bheben  auch  seine  Ziele  im  wesenthchen  unverändert: 
die  Durchftiln-ung  der  Benediktinerregel  sollte  zugleich  eine  Ver- 
schärfung derselben  sein.  Der  Bericht  eines  deutschen  Abtes  über 
die  Gewohnheiten  der  Mönche  von  Aniane  zeigt  dies  augenfälhg."^) 
Man    wü-d   manchmal    an    die    Einrichtungen    Columbas    erinnert: 


1)  C.  21  S.  208  f.;  41  S.  218. 

2)  C.  42  S.  219.  Vgl.  auch  die  Subskription  der  Tegernseer  Hand- 
schrift der  Bened.-Regel,  in  der  nach  Traubes  ansprechender  Vermutung 
Benedikt  spricht  (Abh.  der  Münch.  Akad.  XXI  S.  668  ff.). 

3)  Mansi  XIV  S.  349  ff.,  die  sog.  Murbacher  Statuten.  Wenn  der  Ver- 
fasser S.  3.52  von  illa  schola  monachorum  spricht,  iuxta  quorum  exempla 
nos  informandi  sumus,  so  kann  man  nicht  zweifeln,  dass  hier  an  Aniane 
gedacht  ist.  Mit  seinen  Schilderungen  vergleiche  man  die  Nachrichten  der 
V.  Ben.  37  f  S.  216.  Auch  hier  ist  sehr  bestimmt  hervorgehoben,  dass  die 
Anerkennung  der  Regel  Veränderungen  nicht  ausschloss.  Der  Bericht  wird 
Simpert  von  Murbach  zugeschrieben.  Ich  bezweifelte  in  der  1.  Aufl.  dieses 
Buches,  ob  mit  Recht,  und  bezeichnete  als  wahrscheinlicher  die  Abfassung- 
unter Ludwig  d.  Fr.  Seitdem  hat  Seebass  bestimmt  die  Annahme,  sie 
seien  von  Simpert,  verworfen,  und  als  Abfassungszeit  ebenfalls  die  Zeit 
Ludwigs  d.  Fr.  behauptet.  Als  Verf.  vermutet  er  Haito  von  Basel,  Ztsehr. 
f.  KG.  XII  S.  322  ff. 


—     580     — 

kein  überflüssiges  AVort  sollte  der  Mönch  reden,')  keinen  Moment 
der  Rast,  in  dem  er  sich  gehen  lassen  konnte,  sollte  er  kennen: 
tVir  ihn  sollte  dii'  Erholung  nur  in  dem  Wechsel  zwischen  der 
Lektion  und  der.  Handarbeit  bestehen;-)  die  schrankenlose  Demut 
sollte  sich  wie  Gott  dem  Herrn  gegenüber,  so  auch  im  Bezeigen 
gegen  die  Ordensobern  beweisen:  mau  verehrte  den  Namen  Gottes, 
indem  man  sich  bei  seiner  Erwäjmung  zu  Boden  warf,  man  ver- 
ehrte den  Vorgesetztem,  ind(Mn  man  das  Knie  vor  ihm  beugte.*'') 
Mau  meinte  die  Gebote  Christi  wörtlich  erfüllen  zu  sollen,  indem 
man  den  Mönchen  die  Ablegung  jedes  Eides  untersagte,  und  man 
■wähnte  das  letzte  Band,  das  die  Mönche  mit  der  AVeit  draussen 
verband,  abschneiden  zu  können,  indem  man  ihnen  den  Gel)rauch 
der  Muttersprache  verwehrte.^) 

Indem  Benedikt  die  Verschärfung  der  Zucht  in  den  Klöstern 
nicht  in  offenen  Gegensatz  zu  den  Kulturzielen  stellte,  welche  Karl 
verfolgte,  ermöglichte  er  die  weite  Ausdehnung  seines  Einflusses. 
Man  erkennt  ihn  daran,  dass  Alkuin  sein  Kloster  Cormari  mit 
zwanzig  Mönchen  aus  Aniane  besetzte,^)  dass  Theodulf  das  alt- 
b< 'rühmte  Kloster  St.  Mesmin,**)  Ijeidrad  die  Abtei  St.  Martin  auf 
lle  Barbe ')  durch  Mönche  J^enedikts  reformieren  liess.  Im  Bur- 
gundischen war  im  Jahi'e  818  die  Benediktinerregel  in  beinahe 
allen  Klöstern  anerkannt.^)  Am  gnissten  war  der  EinHuss  Bene- 
dikts in  A(iuitanien.  Ludwig  übertrug  ihm  schon  vor  Karls  Tode 
die  Oberaufsicht  über  sämtliche  Kl<ister  der  Provinz.     Benedikt  war 


1)  Mansi  1.  c. :  Duas  silentii  regulas  custodiunt,  un;im  nocturnani. 
alteram  diurnam  ...  In  nocturnali  silentio  penitus  loquencli  licontia  inter- 
dicta  est,  in  diurnali  vero  cum  alter  alterum  appellaverit,  sive  iunior  a 
seniore  aliquid  requisierit,  silenter  absque  uUo  stropitu  vocis  et  humilis  sit 
confabulatio,  paucis  valde  et  rationahilibu.s  verbis. 

2)  L.  c:  Nulla  eis  aut  simul  standi  aut  consedendi  aut  coambulandi 
«initur  mora  excepto  discendi  aut  cooperandi  gratia,  sed  semper  aut  in 
lectione  aut  in  opere  niannum  omnes  horas  diurnas  consumant.  Intervallum, 
quod  inter  opus  Dei  et  horara  lectionis  contigerit,  aut  orando  aut  legondo 
tranaigunt. 

3)  L.  c.  S.  353.  Jibenso  bei  dor  Hegrüssung  oinea  Fremden:  Genu- 
flectunt  et  dexteram  terratenus  dimittunt. 

4)  L.  c. 

5)  Ale.  ep.  184  S.  .309;  v.  Bened.  24  S.  2lU. 

6)  V.  Bened.  24  S.  209:  Thood.  rarm.  30  S.  520  f.;  v.  Maxim.  Miciac. 
A.  S.  Mab.  I  S.  590. 

7)  Bericht  Leidradn  M.G.  Ep.  IV  S.  643  Nr.  30;  V.  Bened.  24  S.  209. 
Benedikt  sandte  20  Schüler,  nach  Leidrads  Bericht  hatte  das  Kloster  90 
Mönche;  vgl.  auch  die  Urkunde  Ludwigs  B.M.  575  f. 

8)  Conc.  Cabil.  c.  22  S.  98. 


—     581     — 

eifrig  zu  visitieren  und  zu  reformieren/)  Unter  den  Mönchen  fand 
er  nicht  wenige  Gesinnungsgenossen;  sie  traten  mit  ihm  in  eine 
Gebetsverbrüderung.-)  Doch  stiess  er  bei  seiner  Thätigkeit  auch 
auf  Schwieiigkeiten.  Wie  es  scheint,  waren  es  nicht  persönhche 
Gegner,  durch  die  er  sich  bekämpft  sah.  Die  könighchen  Beamten 
wurden  über  die  Vermehrung  des  Besitzes  der  toten  Hand  bedenk- 
lich. Es  ist  bezeichnend,  dass  sie  ihre  Klagen  vor  Karl,  nicht  vor 
Ludwig  brachten.  Benedikt  wurde  an  den  Hof  berufen:  er  ging 
nicht  ohne  Sorgen;  dass  Karl  ihn  nach  Aniane  zurückkehren  liess, 
ist  jedoch  kein  Beweis  dafür,  dass  er  ihm  recht  gab.'^) 

Der  Tod  Karls  war  für  die  Bestrebungen  Benedikts  günstig. 
Es  gehört  zu  den  ersten  Massregeln  des  neuen  Kaisers,  dass  er 
den  südfranzösischen  Abt  nach  der  Mitte  des  Reichs  versetzte. 
Zuerst  übertrug  er  ihm  Maurmünster  im  Elsass,  und  da  er  ihm 
auch  dort  noch  zu  weit  vom  Hof  entfernt  schien,  gründete  er  für 
ihn  am  Fluss  luden  kaum  zwei  Stunden  von  seinem  Palaste  in 
Aachen  das  Kloster  KorneHmünster.  Es  sollte  nicht  durch  die 
grosse  Zahl  der  Mönche  hervorragen:  stiftungsgemäss  hatte  es 
nur  dreissig  Brüder;  aber  es  sollte  eine  Musteranstalt  für  das  ganze 
Reich  sein.*)  Auch  sonst  kargte  er  nicht  an  Gnadenerweisungen. 
Zu  den  ersten  Urkunden,  welche  er  als  Kaiser  ausstellte,  gehören 
drei  Diplome  für  Aniane.  Er  beschenkte  die  Stiftung  seines  Freundes 
und  bestätigte  ihr  die  von  Karl  verliehenen  Privilegien.^)  Nach 
und  nach  kamen  zwölf  Abteien  unter  die  unmittelbare  Leitung 
Benedikts.")  Überdies  wurden  alle  Klöster  des  Reiches  unter  seine 
Aufsicht  gestellt;  sie  hatten  an  ihm  einen  sehr  einflussreichen,  im 
Fordern  und  Fürsprechen  nie  ermüdenden  Vertreter.') 

Und  nun  sollte  es  Ernst  werden  mit  der  ausschliesslichen 
HeiTschaft  der  Benediktinerregel  in  den  fränkischen  Klöstern.  Die 
Verschiedenheiten,  welche  bisher  noch  geduldet  waren,  sollten  ver- 


1)  V.  Bened.  29  S.  411. 

2)  S.  Puckert  S.  229  f. 

3)  V.  Bened.  29.  Der  Vorgang  ist  von  Ardo  parteiisch  gefärbt;  ich 
halte  mich  an  die  von  ihm  berichteten  Thatsachen,  ohne  sein  Urteil  zu 
wiederholen. 

4)  V.  Bened.  35  S.  215.  Doch  sind  im  Lib.  vit.  von  Remiremont  unter 
Abt  Odelin  c.  860  45  Brüder  eingetragen,  Ebner  N.A.  XIX  S.  62. 

5)  B.M.  503—505,  vom  23.  und  24.  April  814;  vgl.  die  Kritik  von 
Puckert  S.  161  ff. 

6)  V.  Bened.  42  S.  219. 

7)  L.  c.  35  S.  215.  Heisst's  c.  36:  Profecit  eum  imperator  cunctis  in 
regno  suis  coenobiis,  so  ist  darunter  wohl  nur  das  Recht  der  Visitation 
verstanden. 


—     582     — 


j,clnviudeD.  Der  (iiuiulsat/  wdv.  Wie  alle  MiiMclie  ein  iiinl  das- 
selbe Gelübde  ablegen,  so  soll  auch  in  allen  Klöstern  dieselbe 
Lebenseini-icbtung  lien-scben.^)  Zu  diesem  Zwecke  fand  im  August 
81(i  in  Aachen  eine  Beratung  der  Prälaten  statt;-)  sie  beschlossen, 
die  genaue  Beobachtung  der  Voi-schrifteu  der  Benediktinerregel  so- 
wohl für  die  Gottesdienste  wie  flu'  das  Leben  in  den  Klöstern  den 
Mönchen  zur  Pflicht  zu  machen.")  Aber  daran  Avar  es  nicht  genug; 
im  Sonnner  des  nächsten  Jahres  v'ei-sanunelte  Ludwig  bei  (iclegen- 
heit  des  Reichstiigs  die  Äbte  aus  allen  Teilen  des  Reichs  von  neuem 
zu  Aachen.^)  Sie  berieten  mehrere  Tage  lang  in  der  Sakristei  des 
Münsters.  Das  Ergebnis  war  ein  umfassender  Beschluss,  in  welchen 
die  27  Kapitel  des  vorhergehenden  Jahres  aufgenommen,  zugleich 
aber  mannigiach  ergänzt  wurden.  Es  ist  die  Haupturkundc  der 
Klosten-eform  Ludwigs  d.  Fr.,  beschlossen  am   10.  .luli  SIT.') 

Da  Benedikt  der  Führer  der  Versanuneltcn  war,  so  konnte 
von  Anfang  au  darüber  kein  Zweifel  bestehen,  dass  die  Allgeincin- 
giltigkeit  der  Benediktinenvgel  i)rf)klainiert  werden  würde.  Doch 
begnügte  man  sich  auch  hier  nicht  mit  ihrer  Anerkennung  und  der 
Fordeiimg,  dass  jeder  Mönch  sie  Wort  für  AVort  auswendig  wisse,") 
man  sah  sich  veranlasst,    Bestinnnungen    zu    trefte]i,    welche  sie  in 


1)  L.  c.  36  S.  215. 

2)  Zur  Chronologie  vj,'l.  K.  Zeunior   in  den  Gott.  G.\.  1882  S.  1410  ff. 

3)  Die  .\nn.  Lauriss.  min.  berichten  z.  J.  816:  Factum  est  conciliuni 
magnum  .  .  et  praecoptuni  est,  ut  monachi  omnes  cursum  .s.  Benedicti  can- 
tarent  ordine  regulari  et  duo  Codices  scripti  sunt,  unus  de  vita  clericorum 
et  alter  de  vita  nonnarum.  Die  Nachricht  über  die  Klosterreform  steht 
vereinzelt,  hat  aher  durch  die  Vermutung  von  Secbass  in  der  S.  hl[)  Anm.  3 
angeführten  .Abhandlung,  dass  die  in  den  sog.  M>n-bacher  Statuten  wieder- 
holten 27  Kapital  dem  Aachener  Tag  von  816  angehören,  eine  Stütze  ge- 
wonnen. Die  Annahme  von  Seebass  hat  sehr  viel  Wahrscheinlichkeit;  denn 
1.  findet  sich  der  von  den  Laur.  min.  angeführte  Beschluss  wirklich  in  den 
27  Kai)iteln,  2.  können  diese  nicht,  wie  ich  in  der  1.  Aufl.  annahm,  ein 
Bericht  ül»er  den  Aachener  Konvent  von  817  .sein,  da  «17  72  Kapitel  an- 
genommen wurden,  der  Verfasser  des  Berichtes  aber  ausdrücklich  bemerkt, 
dass  auf  dem  Tage,  von  dem  er  berichtet,  nicht  mehr  als  27  beschlossen 
wurden,  S.  352,  3.  sagt  der  Verfasser  des  Berichtes  ausdrücklich,  dass  do 
sacerdotibuH  vel  scholasticis  suscipiendis  oin  Synodallx^schluss  nicht  gefasst 
wurde  (20  S.  352),  während  der  Konvent  von  Sl7  darüber  beschloss 
(c.  42). 

4)  V.  Bened.  36  S.  215;  chron.  Moiss.  S.  311   irrig  z    .T.  815. 

5)  Das  sog.  Cap.  monast.  Cap.  170  S.  344  ff.  Die  Abscheidung  von 
c.  77—83  durch  Nicolai  und  Borntius  scheint  mir  liorochtigt ;  dass  auch 
c.  71  interpoliert  .sei  (Nicolai  S.  147),  scheint  mir  weniger  sicher. 

6)  Diese  beiden  Bestimmungen  bezieht  Hefele  (CCt.  IV  S.  24)  offenbar 


—     583     — 

mancher  Hinsicht  ergänzten.  Das  war  zum  Teil  durch  die  nor- 
dischen Verhältnisse  veranlasst.  Es  war  ein  Zugeständnis  an  das 
Klima  Frankreichs  und  Deutschlands,  dass  man  den  Mönchen 
reichhchere  Kleidung  und  Speise  bewilligte,  als  in  der  Regel  vor- 
gesehen war,  oder  dass  man  gebot,  auch  das  Klostergefängnis  zu 
heizen.^)  Darin  Hegt  nicht  das  Charakteristische  dieser  Neuord- 
nung.') Man  erkennt  es  eher,  wenn  man  darauf  achtet,  dass  von 
theologischen  Studien  in  ihr  nicht  mit  einem  Worte  die  Rede  ist, 
wogegen  die  in  vielen  Klöstern  abgekommene  Übung  der  wortlosen 
Handarbeit  erneuert  mrd,^)  oder  dass  den  Mönchen  verboten  wird, 
im  Kloster  Schule  zu  halten,  es  sei  denn  für  die  Oblati.*)  Hier 
liegt  der  Gegensatz  gegen  das,  was  Karl  d.  Gr.  aus  den  Klöstern 
gemacht  hatte,  offen  •  zu  Tage.  Während  er  sie  zur  Teilnahme  an 
der  Kulturarbeit  geführt  hatte,  sollten  sie  jetzt  wieder  Stätten  des 
asketischen  Lebens  werden.  Diese  Absicht  tritt  in  zalilreichen 
anderen  Bestimmungen  hervor:  Da  und  dort  wird  die  Regel  ver- 
schärft,"'') die  Freiheit,  Ausnahmen  zu  gestatten,  ist  eingeschränkt,'') 
schmutzig  zu  sein  erscheint  als  für  einen  Mönch  geziemend,') 
der  Verkehr    mit    den    Laien    wie    ein    unrecht,*)    die    Forderung 


irrig  auf  die  Aachener  Beschlüsse  selbst,  Boretius  mit  Recht  auf  die  Bene- 
diktinerregel. 

1)  C.  11  f.,  22,  40. 

2)  Sirason,  JB.  L.'s  I  S.  86  scheint  mir  diese  Erleichtei'ungen  zu  über- 
schätzen. 

3)  C.  4,  17  f.  Dass  die  Handarbeit  in  vielen  Klöstern  ausser  Übung 
gekommen  war,  bezeugt  Smaragd  v.  St.  Mihiel  (comm.  Migne  102  S.  710 
und  894).  Die  Anordnungen  c.  17,  19  und  38  mussten  für  die  Studien 
hinderlich  sein.  Es  liegt  doch  nahe  anzunehmen,  dass  sie  das  sein  sollten. 
Abneigung  gegen  die  Gelehrten  liegt  auch  in  c.  42. 

4)  C.  45:  Ut  scola  in  monasterio  non  habeatur,  nisi  eorum  qui  oblati 
sunt.  Verlegte  man  nun  die  Laienschulen  ausserhalb  der  Klausur,  so  ist 
zweifelhaft,  ob  das  Erfüllung  und  nicht  vielmehr  Umgehung  dieser  Be- 
stimmung war. 

5)  C.  7  ist  im  Vergleich  mit  Reg.  Ben.  36  eine  Verschärfung;  die 
letztere  nimmt  an,  dass  den  Gesunden  von  Zeit  zu  Zeit  gestattet  werde  zu 
baden;  die  erstere  Bestimmung  giebt  dem  Prior  das  Recht,  es  überhaupt 
zu  verweigern.  Ebenso  sind  c.  8,  37,  47  Verschärfungen  der  Regel.  Be- 
sonders wird  die  dem  Abte  gewährte  Freiheit  eingeschränkt  c.  25 — 27. 

6)  C.  9  mit  Bezug  auf  die  Bischöfe,  29. 

7)  C.  6,  7. 

8)  C.  42  nur  Novizen  dürfen  im  Kloster  Wohnung  erhalten,  52  kein 
Laie  darf  ins  Refektorium  eingelassen  werden,  59  kein  Mönch  darf  den  Abt, 
wenn  er  Kanoniker  ist,  auf  Reisen  begleiten. 


—     584     — 

der  Demut  ist  gesteigert  bis  au  die  Greuze  der  Selbsteruiedri- 
gung.') 

Fasst  luau  alles  zusaiuuieu,  so  ist  klar,  dass  die  Aachener 
Beschlüsse  eine  Reaktion  gegen  die  Bestrebungen  Karls  bedeuten. 
Dem  gegenüber,  was  er  aus  dem  Mönchtuni  gemacht  hatte,  regten 
sich  die  ursjirünglichen  Ideen  dieses  Instituts.  Dank  der  Gunst 
Ludwigs  erlangten  sie  das  l' berge  wicht.  AVie  er  die  Beschlüsse 
der  Aachener  Synode  bestätigte,-)  so  kam  er  auch  zwei  weiteren 
Wünschen  der  Mönche  entgegen:  er  gewährte  den  Khistern  das 
Recht  der  Abtswahl, '^)  und  wenn  es  notwendig  schien,  Erleichte- 
rung der  staatlichen  Pflichten.^)  Endhch  sollte  auch  die  Umwaud- 
hmg  von  Klöstern  in  Stifter  verhütet  werden;  zu  diesem  Zweck 
Hess  Ludwig  ein  Verzeichnis  derjenigen  Klöster  aufstellen,  welche 
das  Recht  besässen,  von  Regularäbten  regiert  zu  werden."')  Diese 
Yei'Tügungen  bedeuteten  eine  Gewähr  für  den  Bestand  und  die 
Freiheit  der  Klöster. 

Das  stärkere  Hervortreten  der  mönchischen  Gedanken  zeigte 
sich    endlich    auch    darin,    dass  man  gleichzeitig")  mit  der  Reform 


1)  C.  13  Niederwerfen  vor  dem  Prior. 

2)  V.  Bened.  36  S.  215. 

3)  Cap.  138,  5  (a.  818—819)  S.  276:  Monachorum  causam,  qualiter  Deo 
opitulante  ex  parte  disposuerimus  et  quomodo  ex  se  ipsis  sibi  olip^ondi  al)- 
bates  licentiam  dederimus  .  .  ,  in  alia  scedula  diligenter  adnotari  fecimua. 
Dieser  andere  Erlass  ist  nicht  erhalten.  Dass  Ludwig  königliche  Klöster 
vergab,  hat  er  nicht  verhütet:  über  St.  Bertin  und  St.  Omer  s.  o.  S.  148, 
Corvey  gab  er  an  Warin :  quem  in  eodem  monasterio  abbatem  praefecimus 
833,  Wilmans  S.  43  Nr.  14. 

4j  V.  Ben.  39  S.  217.  Aus  späterer  Zeit  (834)  wissen  wir,  dass  Kempten 
Erlass  der  staatlichen  Leistungen  erhielt,  B.M.  900.  Ähnliches  war  aber 
auch  schon  unter  Karl  vorgekommen,  vgl.  B.M.  193  für  Prüm.  Über  c.  171 
S.  350,  ein  Verzeichnis  von  fränkischen  Klöstern  mit  Angabe  der  Leistungen, 
zu  denen  sie  verpflichtet  waren,  s.  Puckert  in  den  Berichten  der  Sachs. 
(ie.8.  d.  W.  1^90  S.  46  ff.  Er  zeigt,  dass  diese  Nanienliste  im  Uanzen  und 
in  ihren  einzelnen  Abteilungen  Erdichtung  eines  Späteren  ist. 

5)  V.  Bened.  39  S.  217:  Monasteria  in  regno  huo  cuncta  prenotata, 
in  quibus  ex  his  reguläres  abbates  esse  queant,  decernit  ac  per  scripturaui, 
ut  inconcu.ssa  omni  maneant  tempore,  tirmare  praecepit  suoque  anulo 
t-ignavit. 

6)  Die  praefatio  giebt  als  Jahr  dieser  Beschlüsse  816  ind.  X,  ann.  imp. 
III.  an  (Mansi  XIV  S.  147).  Ebenso  Ann.  Laur.  min.  unter  Beifügung  des 
Monats  August.  Die  beiden  Angaben  stimmen  nicht  genau  überein;  denn 
nach  der  Datierung  der  praefatio  müsste  die  Synode  nach  dorn  1.  September 
816,  weil  in  der  10.  ludiktion,  stattgefunden  haben.  Boretius  vermutete 
einen   Irrtum    in    der   ludiktion   (S.  265).     Das    ist    nicht    unmöglich.     Man 


—     585     — 

der  Klöster  es  unternahm,  die  Einrichtimg  des  kanonischen  Lebens 
durchzuführen  und  neu  zu  regeln. 

Der  Kaiser  selbst  hielt  in  der  Versammlung  der  Bischöfe  im 
August  816  eine  Rede,  um  darzulegen,  dass  das  Leben  der  Kleriker 
einer  Reform  bedürfe.  Sein  Gedanke  war,  es  solle  aus  den  Schriften 
der  Väter  eine  Sammlung  derjenigen  Stellen  veranstaltet  werden, 
welche  Anweisung  für  das  Leben  der  Geistlichen  gewährten.  Er 
hoffte,  dass  die  Autorität  einer  solchen  Sammlung  sich  höchst 
fruchtbar  beweisen  werde.  Der  offizielle  Bericht  über  diese  Vor- 
gänge lässt  durchblicken,  dass  nicht  alle  Bischöfe  von  der  Not- 
wendigkeit des  kaiserlichen  Vorschlags  überzeugt  waren.  Sie  ver- 
wahrten sich  dagegen,  dass  sie  mit  ihrem  Klerus  nicht  fromm  und 
gottselig  zusammenlebten.  Ein  Widerspruch  war  jedoch  unmöglich. 
So  beschloss  man  denn,  dem  Wunsche  des  Kaisers  zu  genügen. 
Dieser  hatte,  wenn  einer  jungen  Nachricht  Glauben  zu  schenken 
ist,  dm'ch  einen  Schüler  Alkuins,  den  Diakon  Amalarius,  einen  Ent- 
wurf für  die  von  ihm  vorgeschlagene  Schrift  bearbeiten  lassen.^) 
Derselbe  wurde  von  der  Synode  gebilHgt.  Er  sollte  künftighin  die 
Norm  fiir  alle  Kanoniker  des  fränkischen  Reichs  bilden."^)  Eine 
ähnliche  Anweisung  wurde  für  die  Nonnen  bearbeitet.^) 

Überblickt  man  nun  die  neue  kanonische  Regel,  so  bieten  die 
Auszüge,  welche  den  grössten  Teil  der  Schrift  füllen,  fast  nur  all- 
gemeine Aussagen  über  die  Führung  des  geistlichen  Amts.  Nur 
die  letzten  dreissig  Kapitel  enthalten  organisatorische  Bestimmungen, 
aber  auch  sie  untermischt  mit  Reflexionen  über  das,  was  sich  für 
die  Priester  geziemt.  Das  Bild  des  gemeinsamen  Lebens,  das  dem 
Verfasser  vorschwebte,  ist  dasselbe,  wie  wir  es  aus  den  Statuten 
Clu'odegangs  kennen."*)  Er  nennt  sie  jedoch  nicht  als  seine  Vor- 
lage und  hat  sie  auch  als  solche  nicht  direkt  benützt.  Das  ist 
erklärlich,  da  seine  Absicht  eine  weitere  war.  Chrodegang  hatte 
fiir  den  Klerus  seiner  Kathedrale  geschrieben;  jetzt  sollte  eine  Regel 
füi'  alle  Kanonikate  aufgestellt  werden,  nicht  nur  für  die  an  den 
bischöflichen  Kirchen,  sondern  auch  für  solche,  die  aus  ehemaligen 
Klfistern  entstanden  waren,  oder  die  sich  aus  dem  Klerus  irgend 


kann  aber  auch  annehmen,    dass  die  eine  Angabe  den  Anfang,    die  andere 
den  Schluss  der  Verhandlungen  im  Auge  hat. 

1)  Die  Beteiligung  Amalars  ist  nur  durch  Ademar  von  Chabannes 
Hist.  III,  2  M.6.  Scr.  IV  S.  119  bezeugt,  einen  jungen  und  nicht  immer 
glaubwürdigen  Schriftsteller. 

2)  Mansi  XIV  S.  147  ff. 

3)  Mansi  1.  c.  S.  247  ff. 

4)  Vgl.  mit  dem  oben  S.  62  ff.  Gesagten  c.  117  S.  230,  123  S.  283  f., 
126  ff.  S.  235  ff. 


—     öHf)     — 

einer  reichen  Kirche  gebildet  hatten.  Deshalb  mussteu  die  Vor- 
schnften  in  mancher  Hinsicht  allgemeiner  und  umfassender')  werden. 
Zugleich  wurden  sie  strenger;  denn  die  von  Ludwig  begünstigte 
Hochstelluug  des  mönchischen  Lebens  zeigt  ihre  Spuren  auch  in  dieser 
Verordnung.  Die  Beuediktinerregel  hat  von  neuem  auf  die  Regelung 
des  Lei)ens  der  Geistlichen  eingewirkt:  aus  ihr  ist  das  ethische 
Ideal  entnommen,  das  der  Kleriker  in  seinem  Verhalten  verwirk- 
lichen Süll.-')  Demgemäss  wird  das  Stift  dem  Kloster  ähnlicher  als 
bisher:  es  >nrd  wie  dieses  möglichst  vollständig  gegen  die  Aussen- 
welt  abgeschlossen.^)  Und  so  bestinnnt  der  Unterschied  zwischen 
Mönchen  und  Kanonikern  hervorgehoben  ist,*)  so  wiid  er  doch 
auf  der  anderen  Seite  auch  verwischt,  indem  die  Bewohner  eines 
Stifts  ebenso  als  gleichstehend  behandelt  werden,  wie  die  Insassen 
eines  Klosters, ■■*)  während  Chrodegang  die  Hücksicht  auf  den  ver- 
schiedenen kirchlichen  Hang  sorgsam  gewahrt  hatte.  Und  da.  wo 
erinnert  wird,  dass  die  Kanoniker  keine  Mönche  seien,  wird  zugleich 
hervorgehoben,  dass  die  letzteren  die  VoUkonnnenen  sind:")  die 
ganze  Einiichtung  des  kanonischen  Lebens  ei-scheint  wie  ein  Zu- 
geständnis an  die  menschliche  Schwäche.') 

Die  Kegel  für  die  Nonnen  ist  nach  Form  und  Inhalt  eine 
Nachbildung  deijenigen  ftir  die  Kanoniker.  Wie  diese  so  l)eginnt 
auch  sie  mit  Exzerpten  aus  älteren  kirchlichen  Schnftstellern,  an 
welche  sich  die  eigenen  Anweisungen  für  die  .lungfrauenklöster  an- 
schliessen.  Sie  zeigoi  dieselbe  verschwommene  Art  wie  die  liegel 
iVir  die  Kanoniker.  Sittliche  Vorschriften  und  Anordnungen  für  die 
Verwaltung,'')    allgemeine    Gedanken     und    Vorschriften     über    die 


1)  Vorschriften  über  die  Verpflichtung  der  Bischöfe  zur  Emchtung 
von  Kanonikaten  (c.  117),  über  die  Aufnahme  in  den  Klerus  (c.  118  f.), 
über  die  Verteilung  der  Speisen  (c.  122),  über  die  Einrichtung  von  Pflege- 
häusern  (c.   141). 

2)  Vgl.  die  Nachweise  Pückerts  8.  274  f. 

3)  117,  124  vgl.  Puckert  a.  a.  0. 

4)  C.  114  f. 

5)  C.  121:  Est  rationabile  iustunifjue  coram  Deo  et  hominibus,  ut  in 
unaquaque  canonica  congregatione  a  minimo  usque  ad  maximum  cibura  et 
potum  omnes  aequaliter  accipiant.     Vgl.  dagegen  reg.  (hrod.  23  S.  324. 

6)  C.  114. 

7)  Die  Interpolation  der  Kegel  Chrodegangs  (Mansi  XIV  S.  333  fi.)  ist 
jünger  als  die  Aachener  Regel.  Der  Beweis  liegt  in  c.  77  S.  341,  wo  eine 
Stelle  aus  c.  48  der  Pariser  Synode  von  829  (Mansi  1.  c.  S.  567)  zitiert 
wird.  Damit  erledigt  sich  die  von  Oelrner  f.IB.  Pippins  S.  217)  berührte 
Frage  gegen  Rettberg  (K(i.  D.'s  I  S.  4%). 

8j  AmtJipflichten    der    Äbtissinnen    (c.  7),    über   Aufnahme    neuer  Mit- 


—     587     — 

speziellsten  Angelegenheiten  gehen  neben  einander  her.  Es  war 
nicht  die  Absicht,  diese  Regel  zur  Norm  für  alle  Klöster  zu  er- 
heben; sie  sollte  nur  für  diejenigen  Jungfrauen  gelten,  welche 
Keuschheit  gelobt  hatten  und  in  eine  Gesellschaft  vereinigt  kano- 
nisch lebten.^)  Diese  Beschränkung  erklärt  sich  daraus,  dass  auch 
bei  den  Xonnen  eine  Scheidung  in  solche,  die  nach  den  älteren 
Eegeln,  und  solche,  die  nur  kanonisch  lebten,  sich  vollzogen  hatte. 
Die  letzteren  entbehrten  einer  gemeinsamen  Lebensordnung,  welche 
ihnen  nun  gegeben  wurde. 

Diese  Beschlüsse  fanden  sofort  die  Bestätigung  des  Kaisers; 
er  hess  genaue  Abschriften  der  beiden  umfängHchen  Regeln  her- 
stellen, um  sie  den  sämthchen  Erzbischöfen  des  Reiches  zu  über- 
senden. Binnen  eines  Jahres  sollte  die  Einftihrung  in  allen  Stiftern 
vollzogen  sein.-)  Auf  dem  Aachener  Tag  nach  AVeihnachten  818 
Avurde  die  Allgemeingiltigkeit  der  beiden  Regeln  ausdrückhch  er- 
klärt.") Grundsätzlicher  Widerspruch  wurde  nirgends  laut.  Aber 
es  war  doch  nicht  daran  zu  denken,  dass  die  Neuordnung  der 
Kanonikate  so  rasch  zu  Ende  gefiihrt  wurde,  als  Ludwig  ange- 
nommen hatte.  In  der  Erzdiözese  Trier  war  sie  im  Jahre  819 
noch  nicht  zum  Abschluss  gelangt;'')  eine  Vorstellung  der  Bischöfe 


glieder  (c.  8,  vgl.  reg.  can.  c.  118),  Verwaltung  des  Vermögens  der  Nonnen 
(c.  9),  Leben  im  Kloster  (c.  10,  vgl.  reg.  can.  c.  123),  Abschluss  des  Klosters 
gegen  die  Aussenwelt  (c  11,  vgl.  reg.  can.  c.  117),  .gleiche  Verteilung  von 
Speise  und  Trank  (c.  12  f.,  vgl.  reg.  can.  c.  121  f.),  gottesdienstliches  Leben 
c.  15—17,  vgl.  reg.  can.  1-31  und  136),  Disziplin  (c.  18,  vgl.  reg.  can.  134), 
Verkehr  mit  Männern  (c.  19  f.),  Mägde  (c.  21),  Erziehung  von  Mädchen 
(c.  22,  vgl.  reg.  can.  c.  135),  gesonderte  Zellen  für  die  Nonnen,  eigene 
Räume  für  Alte  und  Kranke  (c.  23,  vgl.  reg.  can.  c.  142),  Aufstellung  von 
Oberinnen,  SchafFnerinnen  und  Pförtnerinnen  (c.  24 — 26,  vgl.  reg.  can. 
c.  138,  140,  143).  Priester  für  das  Kloster  (c.  27),  Hospiz  vor  dem  Kloster 
und  Witwenhaus  in  demselben  (c.  28,  vgl.  reg.  can.  c.  141). 

1)  Cap.  169  S.  341:  Formula,  quam  (concilium)  .  .  castimoniae  dicatis 
in  una  societate  canonice  degentibus  observandam  studuit.  Den  gedachten 
Gegensatz  zu  canonice  wird  auch  hier  secundum  i-egulam  bilden. 

2)  Das  eben  angeführte  Kapitular  enthält  die  gleichlautenden  Schreiben 
des  Kaisers  an  die  Erzbischöfe  Arn  von  Salzburg  und  Sichar  von  Bordeaux, 
welche  auf  der  Aachener  Synode  nicht  anwesend  waren,  und  das  nur  wenig 
abweichende  an  Magnus  von  Sens,  der  an  ihr  teilnahm.  Mit  denselben 
wurden  den  p]rzbischöfen  die  Abschriften  zugesandt. 

3)  Cap.  138,  3  S.  276;  vgl.  Ann.  Lauriss.  Einh.  z.  819  S.  150. 

4}  Erzbischof  Hetti  an  Bischof  Frothar  von  Toul  (M.G.  Ep.  V  S.  278 
Nr.  B):  Per  triennium  haec  monitio  facta  est.  Hampes  Datierung  des  Briefs 
818  scheint  mir  unmöglich.     Die  Briefe   an  die  Bischöfe    (Cap.  169  S.  338) 


—     588     — 

aus  der  gk'iclK'ii  Zt-it  beweist,  dass  dies  auch  anderwärts  der  Fall 
war;  sie  mahnten  an  die  endliche  Durchführung  der  vorlängst  ge- 
fassten  Beschlüsse.')  Aber  durchgeführt  waren  sie  auch  zehn  Jahre 
später  noch  nicht.  Die  Synoden  von  829  erhoben  die  lebhaftesten 
ivlagcn  iil)er  die  Zustände  in  manchen  Donistiftern  und  anderen 
Kanonikaten.-) 

Noch  grösseren  Schwierigkeiten  l)egegnete  die  Klosterreform. 
Tni  ersten  Eifer  meinte  Ludwig  wie  im  Sturm  vorschreiten  zu 
können.  Er  ernannte  einige  Inspektoren,  um  die  Reform  zu  ül)er- 
wachen.^')  Gelegentlich  si)ielte  er  selbst  den  Visitator.'*)  Besonders 
aber  war  Benedikt  thätig,  unermüdlich  visitierte  und  uniformierte 
er  Männer-  nnd  Fi-auenklöster. •')  Man  traf,  wenn  es  niitig  schien, 
die  einschneidendsten  Massregeln,  um  den  Ubelständen  ai)zuhelfen.") 
Ein  neuer  Aufschwung  der  asketischen  Begeisterung  sollte  er- 
zwungen werden:  che  ]\Iönche  sollten  sich  ganz  in  die  Anschauungen 
und  Empfindungen  hineinleben,  welche  die  Asketoi  der  früheren 
Zeit  beherrscht  hatten.  Diesem  Gedanken  diente  die  Sanunlung 
der  Möuchsregeln,  welche  Benedikt  veranstaltete;  er  hatte  dabei 
nichts  im  Auge,  was  nur  entfernt  an  wissenschaftliclu!  Zwecke  er- 
innert: er  dachte  au  ein  Werk,  dessen  oft  wiederholte  Lektüre  den 
asketischen  Geist  stärken  sollte.')  Auch  das  Homiliar  des  Paulus 
Diakonus  schien  ihm  für  seine  Miinche  nicht  mehr  zu  genügen:  es 


sind  frühestens  im  H#rbst  HIß  ausgei^an^en ;  vor  «lern  Sommer  «19  kann 
also  dieser  Brief  niclit  gesohrieben  sein.  Das  in  ihm  erwiihnte  Plaoitum 
ist  deshalb  nicht  das  Aachener  nach  Weihnachten  818,  sondern  wahrschein- 
lich das  von  Kiersi  im  Herbst  820  (Ann.  Einh.  S.  154,  Xant.  S.  224). 

1)  Cap.  178,  9  I  S.  367  um  820:  De  institutione  vitae  canonicorum  .  .  .. 
ubi  necdiun  consumroata  est,  Providentia  et  stndiis  ]>erficiatur. 

2)  Synode  v.  Paris  I.  21  und  III.  18  MansiXIV  S.  n:,-^  und  fiOO;  Cap. 
196,  16  und  30  II  S.  34  und  38. 

3)  V.  Bened.  36  S.  215;  v.  Hlud.  28  S.  622.  Der  Auftrag  an  Hraban.  die 
Nonnenklöster  in  einem  nicht  genannten  Bistume  zu  visitieren  (Ep.  Fuld.  6 
S.  518)  gehört  ebenfalls  in  die  Reihe  dieser  Maasregeln,  winl  aber  in  eine 
etwa.s  spätere  Zeit  fallen,  nachdem  llraban  .\bt  war. 

4)  Vgl.  die  Urkunde  für  die  Bischöfe  der  Brotagno  (B.M.  658). 

5)  V.  Hlud.  28  S.  622.  Nicolai  nennt  S.  193  dealnilb  Benedikt  den 
ersten  Ordensgenoral.  Das  ist  doch  zu  viel  gesagt,  da  er  kein  dauerndes 
Amt  bekleidete. 

6)  Ep.  Fuld.  6  S.  518:  Ut  sibi  liceat,  monasteriola  .  .  mutare  et  nonnas 
.  .  in  alia  loca  transferre  secunduni  imperatoris  edictum. 

7)  Codex  regularum  und  concordia  regularum,  Migne  103  S.  423  ft. 
Über  beide  Bücher  v.  P.onod  38  S.  217.  Vgl.  Seebass  in  d.  Zt.schr.  f.  KG. 
XV  S.  244  ff. 


—     589     — 

sollte   verdrängt  werden    durch   eine   von  ihm  selbst  verfasste  Ho- 
miliensammlung. ' ) 

Aber  Hindernisse  zeigten  sich  sofort.  Alsbald  nach  der  Aachener 
Versamnüung  von  816  hat  einer  der  Bischöfe,  die  an  ihr  teilge- 
nommen hatten,  einem  Kloster,  dessen  Abt  er  war,  die  Beschlüsse 
mitgeteilt.  Nirgends  begegnet  man  prinzipiellem  Widerspruch,  man 
kann  nicht  einmal  sagen,  dass  jener  Bischof  Schwierigkeiten  machte : 
aber  ebenso  wenig  hat  er  alles  Beschlossene  rund  und  glatt  ange- 
nommen. Sein  Standpunkt  war:  verpflichtend  ist  nur  die  Regel; 
was  darüber  hinausgeht,  kann  man  halten,  aber  man  muss  es  nicht.-') 
Demgemäss  nahm  er  eine  Beihe  von  Bestimmungen  nur  mit  Vor- 
behalt an,'^)  in  einem  anderen  Fall  erklärte  er  iimd  heraus,  er  werde 
sich  durch  eine  neue  Verordnung  nicht  binden  lassen,  sondern  von 
seiner  rechtmässigen  Gewalt  Gebrauch  machen.^)  So  ein  Gesinnungs- 
genosse. Bei  anderen  fand  Benedikt  statt  des  bereitwilligen  Ent- 
gegen kommens,  auf  das  er  rechnete,  nur  üblen  Willen.  Ein  Bei- 
spiel bietet  das  Kloster  St.  Denis.  Man  konnte  erwarten,  dass  er 
in  diesem  wichtigen  Kloster  seinen  Ideen  Anerkennung  verschaffen 
würde,  aber  das  gelang  ihm  nicht.  Die  Mönche  hatten  die  Begel 
Benedikts  aufgegeben  und  wussten  den  Abt  zu  überzeugen,  dass 
das  Kloster  ein  Kanonikat  sei;  er  bestimmte  daraufhin,  dass  die- 
jenigen, welche  die  Mönchsregel  zu  beobachten  gesonnen  seien,  sich 
in  eine  der  Zellen  des  Klosters  zurückziehen  sollten,  während  die 
reiche  Abtei  selbst  den  Stiftsherren  verbheb.  ^)  Ahnhche  Er- 
fahrungen wird  er  auch  an  anderen  Orten  gemacht  haben.  Gleich- 
wohl waren  seine  Erfolge    unverkennbar.     Im  Jahre  817  mussten 


1)  V.  Bened.  1.  c:  Alium  ex  sanctorum  homeliis,  quae  in  exortatione 
monachorum  sunt  prolatae,  coniuncxit  librum  eumque  omni  tempore  in  ves- 
pertinis  collectis  legere  iussit.  Offenbar  vermisste  er  in  der  Sammlung  Pauls 
die  Rücksicht  auf  das  specifiscli  Mönchische. 

2)  Stafc.  Murb.  S.  349:  Quaedam  ibi  secundum  auctoritatem  regulae, 
quaedam  vero  usu  et  consuetudine  prolata  sunt.  Quae  consuetudo,  si 
aliquo  vitio  corrupta  non  fuerit,  pro  lege  regulari  inculpate  retineri 
poterit. 

3)  Seine  Anordnungen' über  das  Memorieren  der  Regel  heben  die  Pflicht 
dazu  auf,  vgl.  auch  c.  5,  10,  12,  20. 

4)  C.  4:  In  hoc  negotio  uti  regulari  potestate  volo,  cui  non  praeiudi- 
cat  alicuius  novae  constitutionis  censura.     Ähnlich  c.  22. 

5)  Vgl.  Ludwigs  Urkunde  vom  26.  August  832  (ß.M.  876).  Benedikt 
und  sein  Begleiter  Abt  Arnulf  von  Hermoutier  werden  von  dem  Kaiser 
etwas  unehrerbietig  als  boni  et  devoti  sed  simplicissimi  patres  bezeichnet. 
Die  Reform  wurde  erst  832  durch  Aldrich  von  Sens  und  Ebo  von  Rheims 
beendet. 


—     590     — 

die  Klöster  der  Bretagne  sich  entschliesseu.  auf  ilire  keltisclieu  Ge- 
woliuheitcn  zu  verzichten  und  nach  der  Regel  Benedikts  zu  leben.') 
WahiNcheinliih  um  dieselbe  Zeit  nahm  Remiremont  sie  an.^)  In  St. 
Wandrille  wurde. durch  Abt  Ansegis  die  Benediktinerregel  erneuert 
oder  eingetiihrt.  ■'^)  Als  Abt  Ratgar  von  Fulda  der  Opposition 
seiner  Mönche  weichen  musste.  erhielten  die  Mönche  Aaron  und 
AdaltVid.  welche  der  Kaiser  mit  der  Leitung  des  Klosters  beauf- 
tragte, den  Befehl,  die  genaue  Beobachtung  der  BenediktineiTCgel 
einzutiihien.^)  In  Reichenau  waren  die  Miinche  von  selbst  bestrebt, 
alle  Verstösse  gegen  die  Regel  zu  beseitigen.  8ie  rüsteten  sich 
dadurch  für  die  Visitation  des  Klosters,  dass  sie  ein  Paar  Mönche 
nach  Kornelimünster  sandten,  um  die  dortigen  Einriditungen  kennen 
zu  lernen.  (Jft'enbar  sollten  sie  als  Muster  dienen.  Die  Boten  des 
schwäbischen  Klosters  empfingen  den  tiefsten  Eindruck  von  der 
feierlichen  Ordnung,  die  in  dem  von  Benedikt  selbst  geleiteten  Stifte 
herrschte.'*)     Bei  der  Rückkehr  nahmen  sie  eine  Abschrift  von  der 


1)  Urkunde  Ludwigs  (B.M.  658). 

2)  Im  Liber  vitae  von  Remiremont  ist  als  die  Äbtissin,  unter  der  die 
Benediktinerregel  angenommen  wurde,  Ymma  genannt,  die  zweite  Vor- 
gängerin der  Theutilde,  welche  i.  .T.  821  —  822  Äbtissin  war.  Ebner,  NA. 
XIX  S.  74  vgl.  S.  54.  Das  Jahr  der  Annahme  ist  nicht  fastzustellen.  Da 
aber  unter  Theutilde  dies  P]reignis  als  epochemachend  für  das  Kloster  be- 
trachtet wurde,  so  ist  anzunehmen,  dass  es  nicht  allzuweit  zurücklag,  also 
in  die  ersten  Jahre  Ludwigs  fiel.  Remiremont  hatte  unter  Theutilde  90 
Nonnen. 

3)  Gest.  abb.  Font.  17  S.  51. 

4)  V.  Eig.  3  S.  223.  Schon  unter  Baugull  war  regulaiüs  vitae  duritia 
zum  Anstoss  eines  Teils  der  Mönche  nicht  streng  beobachtet  worden  (Ale. 
ep.  250  S.  406).  Dass  Ludwig  Ratgar  absetzte  (.\nn.  Laur.  min.  Fuld.  /,.  J.  817), 
erklärt  sich  wohl  daraus,  dass  er  von  ihm  Widerstrebon  gegen  seine  Reform- 
pläne erwartete-,  die  Mönche  warfen  ihm  in  ihrem  libellus  suppl.  Beein- 
trächtigung der  gottesdienstlichen  Übungen,  willkürliche  Abänderungen  der 
bisherigen  Gewohnheiten  u.  dgl.  vor. 

5)  M.G.  Ep.  V  S.  302  und  305  Nr.  3  und  5  sind  zwei  Briefe  mitge- 
teilt: der  eine  von  zwei  ungenannten  Brüdern  an  einen  ungenannten  Abt 
von  Reichenau,  der  andere  von  den  Reichenauer  Mönchen  Grimald  und 
Tatto  an  den  Reichenauer  Lehrer  Reginbert.  Es  unterliegt  keinem  Be- 
denken. Grimald  und  Tatto  auch  als  Verfasser  des  ersten  Briofes  zu  be- 
trachten; er  ist  dann  an  Abt  Haito  gerichtet.  Die  beiden  berichten  über 
den  Besuch  eines  ungenannten  Klosters,  in  dem  man  nur  Kornelimünster 
sehen  kann,  da  sie  nach  dem  zweiten  Briefe  zugleich  den  Hof  be- 
suchten. Sie  nahmen  dort  Abschrift  von  der  authentischen  Kopie  der 
Benediktinerregel.  Vgl.  Traube  in  den  Abh.  der  Münch.  Akad.  XXI  S.  631 
und  664.     Nach   der   Ift/toron    Stelle    ist   die    Abschrift    im  Cod.  Sang.  914 


—     591     — 

authentischen  Kopie  der  Benediktinen-egel  mit  sich,  welche  einst 
Karl  aus  Monte  Cassino  erhalten  hatte.  Sie  fügten  ihr  eine  Reihe 
von  Punkten  bei.  auf  deren  Beobachtung  Ludwig  den  grössten  Wert 
legte.')  Es  ist  charakteristisch,  dass  dabei  die  tadellose  Ordnung 
des  Gottesdienstes,  die  Übung  des  Stillschweigens,  die  Handarbeit  u. 
dgl.  hervorgehoben  ist,  während  der  Gedanke  an  Avissenschaftliche 
Beschäftigung  fehlt.-) 

Ein  nicht  unbedeutender  Anfang  zur  Dui'chflihrung  der 
Aachener  Beschlüsse  war  also  gemacht.  Es  hatte  ein  Recht,  Avenn 
Benedikt  sterbend  sich  seiner  Erfolge  freute.'^)  Und  wenn  ihn  die 
Mönche  von  Kornelimünster  als  den  Mann  riihmten.  durch  welchen 
Gott  im  Fi-ankenreiche  die  Benediktinerregel  wieder  hergestellt 
habe,*)  so  war  auch  dies  kein  unbegründetes  Lob.  xlber  vollendet 
war  das  Begonnene  noch  keineswegs,  als  Benedikt  am  11.  Fe- 
bruar 821  starb. '^) 

Er  war  ein  Mann,  in  dessen  Geiste  nur  für  eine  einzige  Idee 
Raum  war:  ihr  diente  er  treuUch  und  wandellos  bis  an  seinen 
Tod;  flu-  alles  was  daneben  lag.  war  sein  Sinn  verschlossen.  Die 
Kultur,  welche  Karl  pflegte,  duldete  er  mehr,  als  dass  er  sie  in 
ihrem  Wert  erkannte  und  förderte;  was  er  schrieb,  ist  von  un- 
vergleichlicher Barbarei.*^)     Die  Pai-teiungeu,  welche  unter  Ludwig 


erhalten.  Anlass  ihrer  Sendung  nach  Kornelimünster  war  die  von  dem 
Kaiser  angeordnete  Klostervisitation  (s.  S.  305):  Ne  dum  reguläres  monachi 
venerint,  qui  iussu  imperiali  tota  coenobia  gentis  nostrae,  ubi  opus  fuerit, 
regulariter  instruere  debebunt,  imparatiores  vos  inveniant.  Der  Bericht 
der  beiden  Mönche  bestätigt  die  v.  Bened.  38  S.  216 f.  gegebene  Schil- 
derung. 

1)  M.U.  Ep.  V  S.  302  Nr.  4.  Capitulae  novitiarum  de  his  in  quibus 
praeceptum  regulae  et  constitutiones  novellorum  conciliorum  acutius  nos 
considerare  et  promtius  exercere  iussio  imperialis  admonet. 

2)  Es  ist  nur  von  Wechsel  der  Handarbeit  und  der  lectio  divina  die 
Rede  (c.  24). 

3)  Schreiben  Benedikts  an  Abt  Georg  von  Aniane  (v.  Bened.  43  S.  220): 
Multa  monasteria  dudum  viciata  iam  aliquid  emendationis  a  nobis  accepisse 
videntur  largiente  Deo. 

4)  Schreiben  der  Mönche  von  Kornelimünster  (1.  c.  42  S.  219). 

5)  Vgl.  das  oben  S.  588  angeführte  Urteil  der  Synode  v.  829,  das  auch 
den  Mönchs-  und  Nonnenklöstern  srilt. 

6j  Wir  besitzen  von  ihm  die  oben  S.  307  erwähnte  Testimoniorum  nube- 
cula,  sodann  ein  Glaubensbekenntnis  (beides  bei  Baluzius  Miscell.  V  u.  Migne 
103)  und  3  Briefe,  einen  an  einen  gewissen  Guarnarius  M.G.  Ep.  IV  S.  561  ff. 
Nr.  40  und  2  in  der  V.  B.  43  f.  S.  219  f.  Bemerkenswert  ist  die  Vorliebe 
des  Goten,  der  das  Latein  mitleidlos  misshandelte,  für  Allitterationen  z.  B. 
Ut  federe  fidei  federeris,  formam  fidei  .  .  descrii^si  oder  Nobiscum  novando 


—     592     — 

alsl)al(l  hervortraten,  berührten  ihn  nicht;  man  bemerkt  niclit  ein- 
mal, dass  (las  Verhältnis  zu  Rom  ihn  irgendwie  beschäftigte.  Er 
wollte  nichts  sein  als  ein  Mönch,  und  er  war  nichts  als  ein  Mönch. 
In  der  Beobachtung  der  Formeln,  an  welchen  sein  Herz  hing.  Hess 
er  sich  durch  nichts  beirren:  noch  der  Totkranke  betete  die  vor- 
geschriebenen Stundengebete  mit  den  übrigen  Mönchen.  Als  man 
den  Vers  sang:  lustus  es,  domine,  et  rectum  iudicium  tuum,') 
seufzte  er:  Ich  sterbe.  Man  hörte  ihn  noch  sagen:  Herr,  handle 
mit  deinem  Knechte  nach  deinem  Erbarmen.-)  j\Iit  diesen  AVoiten 
verschied  er,  wie  er  gelebt  hatte,  als  aufrichtiger,  aber  nicht  als 
selbstgerechter  Mönch.  Er  konnte  schroff  sein;  die  Worte  des 
Paulus,  Argue,  obsecra,  increpa,  sagte  er  seinem  Freunde  Xifrid 
von  Narbonne  wie  ein  Vermächtnis.'^)  Aber  es  fehlte  ihm  doch 
nicht  an  der  Klugheit,  die  im  einzelnen  nachgeben  kann,  um  das 
Ganze  zu  fordern.  Die  Einrichtung  Anianes  unter  Karl  war  ebenso 
ein  Zugeständnis  an  die  Verhältnisse,  wie  sein  häufiger  Aufenthalt 
am  Hof  unter  Lud^^^g.*)  Es  war  ihm  nicht  gegeben,  in  frischer 
Begeistemng  die  Menge  mit  sich  fortzureissen.  Dazu  hing  er  zu 
sehr  an  Ausserlichkeiten  und  Kleinigkeiten;  es  hatte  in  seinen  Augen 
zu  grossen  Wert,  dass  die  Kutten  aller  Mönche  im  fränkischen 
Reiche  gleich  lang  und  ihre  Weinkrüge  gleich  gross  waren. "'')  Auch 
war  er  in  seinen  Reformen  viel  zu  ausschliesslich  Reaktionär,  ohne 
ein  neues,  weiter  liegendes  Ziel.  Tn  dieser  Hinsicht  st<^lit  er  weit 
hinter  anderen  grossen  Mönchen  zurück.  Deshalb  verdankte  er 
auch  seine  Erfolge  weniger  sich  seilest  als  dem  tiir  ihn  glücklichen 
Umstand,  dass  er  einen  Fürsten  fand,  der  seine  Absichten  billigte 
und  seine  eigene   Maclit  in  ihren  Dienst  stellte. 

Die  Klosterreform  wurde  denn  auch  nach  Benedikts  Tode  fort- 
gesetzt. Im  Jahre  822  weilte  der  Abt  Aldrich  von  Fei-rieres  in 
St.  Amand.  um  im  Auftrag  des  Kaisers  das  Kloster  nach  der  Be- 
nediktineiTegel  zu  reformieren,'*)  Im  Jahre  .S27  wurde  durch  Ebo 
von  Rheims  die  Abtei  Montic'render  aus  einem  Kanonikate  wieder 
zu    einem    Benediktinerkloster    umgestaltet;^    dasselbe   geschah    in 


ii'A.il.'.      \       .-(;hlus8  des  Briefes  wird  deragemäss   statt  des  sinnlosen  xuna 
zu  lesen  sein  saturitate  sacra  sat  conspiciendo  Deum. 

1)  Ps.  119,  V.  137. 

2)  V.  Boned.  41  S.  218. 

3)  L.  c.  44  S.  220. 

4)  Die    Mönche    entschuldigen    gewisBermassen    sein    Verfahren:    Pro 
augmento  fidelium,  non  pro  terrenis  rebus. 

5)  L.  c.  36  S.  21.5,  38  S.  217. 

6)  Urkunde  Ludwig«  (B.M.  732). 

7)  L.  c.  813. 


—     598     — 

dem  gleichen  Jalu'e  mit  St.  Maixent  in  Poitiers ;  ^)  auch  die  Mönche 
in  St.  Denis  mussten  sich  endlich  entschhessen,  die  HeiTschaft  der 
Regel  wieder  anzuerkennen,  der  sie  sich  mit  unrecht  entzogen 
hatten.-)  Lenkte  Ludwig  im  Jahre  829  die  Aufmerksamkeit  der 
Bischöfe  auf  die  wenig  ei-fi-euhchen  Zustände  in  den  Nonnenklöstern 
der  Erzdiözese  Mainz, ^)  so  war  das  ohne  Zweifel  die  Einleitung  zu 
einer  Reform.  Diese  Vorgänge  werden  sich  an  zahh-eichen  Orten 
^•iederholt  haben.  Auch  che  Zahl  der  Rehgiosen  scheint  in  den 
reformierten  E^östern  gestiegen  zu  sein.*)  Musste  man  sich  da  und 
dort  zu  Zugeständnissen  herbeilassen,  so  verlor  man  doch  das  Ziel 
nicht  aus  dem  Auge.  So  wird  in  einem  bischöflichen  Antrag  dieser 
Zeit  zugegeben,  dass  ehemahge  Klöster  Kanonikate  bleiben  sollten, 
wemi  sie  nicht  wenigstens  zwölf  Biiider  zählten;  aber  im  letzteren 
Falle  AN-urde  darauf  bestanden,  dass  sie  die  Regel  wieder  aner- 
kannten; sei  es  zweifelhaft,  ob  die  Stiftung  früher  ein  Kloster  ge- 
Avesen  sei,  dann  möge  die  Entscheidung  über  die  Zukunft  den 
Brüdern  selbst  überlassen  werden.^)  Auch  solche  Verfügungen 
zeigen,  dass  Ludwig  bei  Vornahme  der  Klosterreform  grössere  Kon- 
sequenz bewies  als  in  seinen  sonstigen  Regierungshandlungen.  An 
dieser  Sache  nahm  er  mehr  wirklichen  Anteil  als  an  fielen 
anderen. 

Noch  entschiedener  als  in  den  vereinzelten  Xacluichten  über 
refonnierte  Klöster  tritt  die  Wh'kuug  der  Thätigkeit  Benedikts  auf 
dem  rein  geistigen  Gebiete  an  den  Tag.  Auf  seine  Reform  ist 
die  Verstärkung  sowohl  der  asketischen  Richtung  innerhalb  des 
Mönchtums,  als  auch  des  Gemeingefiihls  der  Mönche  zurückzu- 
fühi-en,  die  man  in  der  ereten  Hälfte  des  neunten  Jahrhunderts 
bemerken  kann. 

Was  das  Letztere  anlangt,  so  beweist  sich  der  enge  Zusammen- 
schluss  der  Mönche  in  der  Ausdehnung,  welche  die  Gebetsverbrü- 
derungen nun  erlangten.  Schon  unter  Karl  bestand  ein  Gebets- 
verein zwischen  einigen  südwestdeutschen  Klöstern.  Er  umfasste 
Reichenau,  Murbach,  Pfäfers,  Schuttern.  Gengenbach,  Schwarzach, 
Neuweiler,    Hombach  und  Mamiiiünster.^)     Jetzt  gewann  derselbe 


1)  L.  c.  817. 

2)  S.  S.  589. 

3)  Cap.  II  S.  7  Nr.  186,  3. 

4)  In  Remiremont  starben  vor  Einführung  der  Benediktinerregel,  d.  li. 
in  ungefähr  200  Jahren,  369  Nonnen  (Ebner  N.A.  XIX  S.  71  ff.)  Unter 
Theotilde  aber  hatte  das  Kloster  90  Bewohnerinnen.  Man  sieht,  dass  vor- 
her die  Zahl  geringer  gewesen  sein  muss. 

5)  Cap.  175  S.  358. 

6)  Als  Benediktinerkongregation    möchte   ich  aber    diese  Verbindung 
Hauck,  Kirchengeschichte,   n.    2.  Aufl.  38 


—     594     — 

eine  weite  Ausdehnung  im  ganzen  fränkischen  Reich,  mein-  als 
hundert  geistliche  Genossenschaften  in  Deutschland,  Frankreich  und 
Italien  gehörten  ihm  an.')  Ausserdem  stand  St.  Gallen  mit  sieben- 
undzwanzig. Pfäfers  mit  10  Klöstern  und  Stiftern  in  Verbindung.-) 
Es  wai'en  zunächst  die  ideellen  Beziehungen,  die  auf  diese  Weise  ge- 
pflegt wurden.  Aber  der  manchfache  brietliche  Verkehr,  der  zwischen 
den  verbrüderten  Kongregationen  stattfand,''^)  musste  auch  in 
äusserhchen  Dingen  das  Zusammenwirken  und  den  Zusammenhalt 
fordern.'*) 


nicht  bezeichnen    (Ebner,  Gebetsverbrüderungen  S.  40).     Über  andere  Ver- 
eine, Ebner  S.  41 ;  die  Annahmen  sind  zum  Teil  sehr  unsicher. 

1)  Vgl.  Ebner  S.  43  f.  Das  Verbrüderungsbuch  ist  826  angelegt;  es 
wurde  ca.  830  und  dann  •wiederholt  im  10.  und  11.  .lahrh.  erweitert.  Am 
stärksten  sind  natürlich  die  schwäbischen  Diözesen  vertreten:  Konstanz 
mit  dem  Domstift,  St.  Gallen,  Kempten,  Schienen,  Zürich  und  Zurzach; 
Strassburg  mit  dem  Domstift  und  St.  Stephan,  Ebersmünster,  Kttenheim- 
münster,  Gengenbach,  Haslach,  Maurmünster,  Neuweiler,  Schuttern, 
Schwarzach,  Surburg,  Augsburg  mit  dem  Domstift,  Ellwangcn,  Feuohtwangen, 
Ottenbeuren,  Basel  mit  dem  Domstift,  Münster  im  Gregorienthai  und  Mur- 
bach, die  Diözese  Chur  mit  Disentis.  Pfilfers  und  Tufers.  Aus  fränkischen 
Diözesen  Fulda,  Lorsch,  Seligenstadt,  Domstift  in  Speier,  wenn  St.  Maximus 
auf  den  Dom  bezogen  werden  kann  S.  165  8.  37,  Klingenmünster,  Weisson- 
burg,  Mosbach,  Herrieden,  das  Domstift  in  Metz,  Gorze,  Hornbach,  Dom- 
etift  in  Köln,  Prüm.  Aus  bairischen  Dicizesen:  St.  Peter  in  Salzburg,  Chiemsee, 
Freising,  Mattsee,  Mondsee,  Altaich,  Metten;  aus  Sachsen  nur  Gorvey  und 
Halberstadt.     Nicht  zu  bestimmen:  Buxbrunn. 

2)  A.  a.  0.  S.  45.  Das  Verbrüderungsbuch  von  St.  Gallen  ist  vor  812, 
das  von  Pfäfers  um  830  angelegt. 

3)  Eine  Vorstellung  geben  die  Formeln:  Abschluss  einer  Verbindung: 
Form.  Bitur.  App.  4  f.  S.  179  f.;  Todesanzeigen:  Form.  Sal.  Merk.  60  S.  261; 
Lindenbr.  Addit.  4  S.  283;  Form,  extrav.  II,  34  f.  S.  571;  Morb.  7,  11,  12, 
23  S.  331  ff.;  Aug.  Coli.  A  21  S.  347;  Laud.  6  —  10  S.  514  f.;  Antworten: 
ib.  11 — 13  S.  518;  Regelung  einer  bisher  formlos  unterhaltenen  Verbindung: 
Aug.  Coli.  C  2  S.  365. 

4)  Aus  deutschem  Gebiet  ist  mir  kein  Beispiel  bekannt.  Dagegen 
findet  sich  bei  Du  Gange  unter  dem  Wort  fraternitas  ein  interessanter 
Vertrag  zwischen  dem  Abt  Gregor  von  St.  Martin  in  Autun  und  dem  Abt 
Girfred  von  Flavigny  v.  .1.  894.  Hier  werden  zuerst  die  Gebetsleistungen 
festgesetzt,  dann  heisst  es:  Demuni  .  .  petimus,  ut  si  qui.'ilibet  nostrorum  vitio 
8U0  lapaus  abiectusve  fuerit,  a  vobis  recipiatur  nee  aliorsnm  eat,  quousque 
eatisfactione  acta  spreto  vitio  aut  recipiatur,  aut  certe  iudicio  veetro,  quid 
agendum  sit,  decernatur.  Man  vgl.  ferner  Form.  Salic.  Merk.  62  S.  262; 
hier  wird  ein  verbundenes  Kloster  gebeten,  während  3  Tage  Psalmen  und 
Messen  zu  singen,  damit  Gott  dem  König  ins  Herz  gebe,  dass  er  dem  Kloster 
die  Wahlfreiheit  verleihe. 


—     595     — 

Die  Verschärfung  der  asketischen  Gesinnungen  bei  den  Mönchen 
sieht  man  z.  B.  darin,  dass  ein  Mann  wie  Hraban,  ein  Schüler 
Alkuins,  nur  in  Ausnahmefällen  kirchliche  Thätigkeit  der  Mönche 
zuliess,  im  allgemeinen  missbilligte  er  sie  eben  so  sehr  wie  welt- 
liche: ihre  Pthcht  sei  nur  zu  fasten  und  zu  beten.  ^)  Dasselbe 
wird  durch  die  in  den  Klöstern  gepflegte  Litteratur  bezeugt.  Der 
Biograph  Alkuins  machte  seinen  Helden  mehr  zu  einem  Asketen, 
als  er  es  in  Wirklichkeit  war.  Alkuins  Freude  an  Virgil  war  ihm 
bereits  unverständlich  geworden;  er  fand  in  der  weltlichen  Litteratur 
nichts  als  Wermut.'-)  Fasten,  Wachen  und  Selbstkasteiung,  das 
wai-en  die  Tugenden,  die  er  kannte  und  rühmte.'^)  Sofort  begaim 
man  die  Verschiedenheit  von  Mönchen  und  Welthchen  schärter 
zu  accentuieren ;  man  hört  wieder  Ausserimgeu,  welche  Salviau 
hätte  thun  können:  Jeder  Reiche,  erklärt  Christian  von  Stablo,  ist 
entweder  ungerecht  oder  Erbe  eines  Ungerechten.*)  Der  Verfasser 
der  Lebensbeschreibung  Findans  sieht  in  den  Mönchen  einfach  die 
Erwählten:  Gott,  der  sie  vor  Grundlegung  der  Welt  zum  ewigen 
Leben  prädestinierte,  führt  sie  aus  den  mancherlei  Sorgen  und  Be- 
strebungen dieser  Welt  in  seinem  unaussprechlichen  Erbarmen  zu 
den  Einrichtungen  eines  vollkominneren  Lebens.')  Für  die  An- 
schauung der  Mönche  flössen  der  Eintritt  in  das  Kloster  und  die 
Nachfolge  Jesu,  der  Austritt  aus  dem  weltlichen  Leben  und  die 
Loslösung  von  der  Sünde  wieder  zusammen.  Li  einem  Formular 
für  die  Bitte  um  Aufnahme  in  ein  Kloster  sagt  der  Petent:  Wir 
haben  gehört,  dass  der  Herr  Jesus  Christus  durch  sein  Evange- 
Uum  verkündigt  hat:  Wer  nicht  allem  entsagt,  was  er  besitzt, 
kann  nicht  mein  Jünger  sein,  und:  Wer  verlässt  Vater  oder  Mutter 
oder  Bmder  oder  Schwestern,  Häuser  oder  Acker  und  anderes 
um  meines  Namens  willen,  der  wird  es  hundertfach  erhalten  imd 
das  ewige  Leben  besitzen.  Deshalb  bitten  wir  eure  Liebe  um 
Aufnahme     in    eure    Kongregation.      Wir    verzichten    demgemäss 


1)  Ep.  Fuld.  fragm.  9  S.  519:  Ut  monachi  .  .  neque  civilibus  neque 
ecclesiasticis  negociis  Be  implicent,  nisi  forte  praecipiatur  eis  ab  episcopo 
civitatis  propter  opus  necessarium,  sed  in  locis,  quibus  renuntiaverunt  se- 
culo,  sedulo  manentes  ieiuniis  et  orationibus  operam  dent. 

2)  V.  Ale.  1  S.  6  f.;  4  S.  13 :  Qui  noluit  absintium  saecularis  littera- 
turae  nosse,  Dei  quantenus  intraret  in  potentiam. 

3)  L.  c.  8  S.  20. 

4)  Expos,  in  Matth.  c.  45  (Migne  106  S.  1426):  Qui  maiores  sunt  in 
isto  saeculo,  per  tyrranidem  sunt,  et  per  potestatem  sunt  super  eos  maiores; 
quia  omnis  dives  aut  iniquus  aut  iniqui  haeres. 

5)  V.  Find.  init.  (_M.G.  Scr.  XV  S.  503j.  Die  Biographie  ist  gegen 
Ende  des  9.  Jahrhunderts  verfasst. 

38* 


—     506     — 

auf  jeden   eigeuon  AVillcii    und    iiUeu  eigciieii  Besitz,    wiv  Evange- 
lium  und   Regel    uns   leinen.')     Und   in    einer  Litanei   dieser  Zeit 
beten  die  Mönche:    Befreie  uns  von  den  irdischen  Wünschen   und 
der  fleischlicheii  Lust,    damit  keine    Sünde    in    uns    herrsche    und 
■wir    Dir    allein    zu   leben    wiiidig  seien.-)     Man  kann  nicht  sagen, 
dass  solche  Gedanken  unter  Karl  unmöglich  gewesen  wären.    Aber 
sie    sind    doch    sehr   verschieden    von    den    Äusserungen    über    das 
^rönchtum,  die  wir  von  Alkuin  und  Paulus  Diakonus  hörten.-')    Sie 
führten  alsbald  dazu,  dass  man  die  Ausdehnung  der  gelehrten  Ar- 
beit auf  die  antike  Litteratur,   wie  sie  unter  Karl  üblich  geworden 
war,    missbilligte.     JVIan    konnte  jetzt   hören,    dass  das  litterarische 
Studium   Zeitvergeudung,    seine  Wurzel    Lust    am  Heidentum    sei. 
Darüber  klagt    Lupus  von    Ferneres  in   einem  13rief  an  Einhard: 
man    tadele    die    Beschäftigung    mit   den   Schriften    der   Alten    als 
Nichtsthun,  das  nur  zum  Missglauben  führen  werde.'*)    Kein  Wundei-, 
dass  schliesshch  auch  jene  exzentrischen  Formen  der  Askese  wieder 
henoilraten,    von   denen    in  Karls  Zeit  nicht  die  Rede  war:    noch 
das  neunte  Jahrhundert  sah  die  Erneuerung  des  Reklusenwesens.'"') 
So  völlig  parallel  gingen  die  Überzeugungen  mit   dem  Leben. 
Wie   die   Erweiterung  der   mönchischen   Thätigkeit   unter  Karl  zu 
unbefangeren  Anschauungen  gefüln-t  hatte,  so  bewirkte  die  schroffere 
Aljsonderung  der  ^Mönche  unter  Ludwig,    dass  sie  sich   wie  früher 
in  ihren  engen  Gedankenkreis  abschlössen.    Auch  das  ist  ein  Stück 
der  Auflösung  des  durch  Karl  begriindeten  kirchlichen  Zustandes. 
Die  urs})rünglichen   Gedankeft  des  mönchischen  Instituts  reagierten 
gegen  die  Aufgai)en,  die  er  ihm  gesteckt  hatt<*. 

Erfolglos  ist  demnach  Benedikts  Thätigkeit  nicht  gewesen. 
Aber  wer  die  kirchhche  Entwickelung  von  einem  allgemeineren 
Gesichtspunkt  aus  beurteilt,    wird  in  das  Lob,    das  ihr  gewöhidich 


1)  Migne  99  S.  62.5.  Diese  Litanei  wird  Paulin  von  Aquileja  zugp- 
Bchrieben;  .sie  ist  .jedoch,  wie  die  Heiligennamon  bewoisen,  nordfranxösisch. 

2)  Form.  nccl.  28  8.  568  f.  Diese  Formol  wurde  im  .lahro  826  in 
das  Verbrüderungsbuch  von  Reichenau  eingetragen,  s.  die  Bemerk.  Zeumera 
S.  568;  sie  findet  sich  auch  in  der  Formelsammlung  von  Flavigni,  welche 
gleichfalls  nach  Karls  Tode  geschrieben  ist  (form.  42  S.  479,  vgl.  S.  469). 
Smaragd,  comment.  in  reg.  S.  Benod.  c.  nS  S.  902  :  (^uia  te  pannis  exspo- 
liatum  veteribus,  pariterquc  exspoliatum  vitiis  perdiderat  mundus,  etc. 

3)  S.  0.  S.  144  f. 

4)  Ep.  1  S.  44  (ed.  Desdevises  du  Dezert):  Amor  literarum  ab  ij»so 
fere  initio  pueritiae  mihi  est  innatus,  nee  earum,  ut  nunc  a  plerisque  vo- 
cantur,  superatitioaa  otia  fastidivi. 

5)  Der  Schotte  Findan  in  Rheinau  i.  .1.  8.')!,  v.  Find.  M.G.  Scr.  XV 
S.  504  f.     Wiborat  bei  St.  Gallen  (Ann.  Sangall.  mai.  z.  J.  916  S.  78). 


—     597     — 

erteilt  wird,  schwerlich  einstimmen  können.  Und  zu  einer  neuen 
Blüte  des  Mönchtiims  vermochte  sie  nicht  zu  führen.  Abgesehen 
davon,  dass  der  Impuls,  den  sie  den  Mönchen  gab,  nicht  stark 
genug  war,  verhinderten  das  schon  die  pohtischen  Verhältnisse  des 
Reichs.  An  ihnen  scheiterte  die  Verwirklichung  des  benecük- 
tinischen  Verfassungsideals.  Ludwig  hatte  sich  unter  dem  Einflüsse 
seines  Freundes  für  die  Wiederherstellung  der  freien  Abtswalil  be- 
geistert: er  erklärte  sie  für  ein  vernünftiges,  Gott  wohlgefälHges 
Werk.^)  Aber  wie  er  zu  thun  pflegte,  entband  er  sich  in  ^^elen 
Einzelfällen  von  der  Beobachtung  seines  Grundsatzes.  Es  dauerte 
nicht  lange,  so  raussten  ihn  die  Bischöfe  daran  erinnern,  dass  die 
Klöster  von  ßegularäbten  zu  leiten  seien  und  dass  deren  Wahl 
den  Mönchen  zustehe.-)  Doch  das  war  in  den  Wind  geredet. 
Nach  wie  vor  wm'den  Klöster  an  Laien  überlassen.  Im  Jahre  f-!29 
stand  es  in  dieser  Hinsicht  jedenfalls  nicht  besser  als  unter  Karl."') 
Die  üblen  Folgen  waren  an  den  inneren  Zuständen  der  Klöster  zu 
bemerken.  Sie  standen  im  Verdacht  der  schhmmsten  Unsitthchkeit,*) 
jin  genaue  Beobachtung  der  Regel  war  gegen  Ende  der  Regierung 
Ludwigs  so  Avenig  zu  denken  als  vor  dem  Beginn  der  Reform.  Man 
sieht  es  aus  den  Beschwerden  der  Aachener  Synode  von  836,  ^)  die 
von  der  Mainzer  Synode  von  847  -wiederholt  wm-den;^)  ohne  Zweifel 
waren  sie  begründet.  Es  kam  immer  wieder  vor,  dass  Mönchs- 
kongregationen sich  in  Kanonikate  verwandelteii   oder  auflösten.'^) 


1)  Undatierte  Urkunde  Ludwigs  in  den  Mittli.  des  Instit.  XVI  S.  210  Nr.  4. 

2)  Cap.  179,  9  S.  369.  Das  Kapitel  fällt  nach  818,  ist  aber  nicht  be- 
stimmt zu  datieren,  da  Puckert  S.  24  im  Rechte  ist,  dass  c.  9  an  die  Regel 
Benedikts  von  Nursia  zu  denken  ist.  Darin  jedoch  scheint  er  mir  im  Un- 
recht zu  sein,  dass  diese  Vorstellung  vor  das  Cap.  138  gehöre.  Denn  der 
Grund,  dass  es  nachher  überflüssig  gewesen  sei,  zeigt  doch  ein  gar  zu  opti- 
mistisches Urteil  über  Ludwigs  Regierungsweise. 

3)  Cap.  150,  10  (a.  823—825)  S.  305,  169  S.  341;  v.  Wal.  11,4  S.  549: 
Monasteriorum  (Wala)  ostendit  et  enumeravit  pericula,  cum  iam  tunc  tem- 
poris  nonnulla  iam  a  laicis  tenebantur,  etsi  hodie  multo  minus  inveniuntur, 
quae  de  proprio  regantur  ordine,  sed  sunt  .  .  omnia  pene  mundi  usibus  et 
studiis  occupata  vel  depravata;  quia  cum  bene  coepisset  rex  de  his  in  fine 
crebescentibus  malis  a  saecularibus  sunt  pervasa.  Vgl.  die  Anträge  der 
Synode    von  Juditz  bei  Diedenhofen  (a.  844)  c.  3  ff.     M.G.  Cap.  II  S.  114  f. 

4)  Cap.  196,  50  (a.  829)  S.  42;  Conc.  Aquisgr.  (a.  836)  U^,  c.  12  ff. 
S.  682;  Hrab.  in  Ep.  Fuld.  fragra.  19  S.  525:  Tarn  spurca  ibidem  (in  den 
Nonnenklöstern)  fieri  narrantur  libidinis  inquinamenta,  ut  incaesti  crimen 
pro  nihilo  dueatur. 

5)  L.  c.  I,  11  S.  676;  U^,  15  S.  683. 

6)  Cap.  248  praef.  II  S.  174,  vgl.  c.  13  S.  179. 

7)  Cap.  175  S.   358. 


—     Ö98     — 

So  blieb  CS  aucli  unter  Ludwigs  Nacbtolgoru.  Rcsoudei-s  in 
Fraukroicb ')  und  Ijothringen -)  wurde  oiuo  Menge  Klöster  an  Tjuieu 
zu  Leheu  gegeben.     Etwas  gesicbertcr  war  ihre  Ijage  in  Deutsch- 


1)  Über  Karl  d.  K.  vgl.  Ann.  Bert.  z.  J.  858  S.  .^0;  859  S.  51;  862 
S.  57  und  59  u.  ö.  Über  Ludwig  d.  Stammler  z.  J.  877  S.  137.  St.  Riquier 
hatte  seit  Angilberts  Tod  ununterbrochen  Laienäbte,  s.  Traube,  Poet.  lat. 
III  S.  268  f. 

2)  Lothar  I.  gab  St.  Evre  bei  Toul  einem  Laien  zu  Lehen;  durch 
Lothar  II.  wurde  das  Kloster  i.  J.  858  restituiert  (B.M.  1250);  Bonmoutier 
kam  durch  Lothar  II.  in  Laienhände  (Bouq.  IX  S.  515,  vgl.  Gest.  ep.  TuU. 
27—30.  M.G.  Ser.  VIII  S.  638).  Nach  den  Urkunden  Bouq.  IX  S.  398  und 
515  befanden  sich  auch  die  Klö.ster  des  h.  Germanus  und  Martin,  welche 
dem  Bistume  Toul  gehörten,  im  Besitz  von  Laien.  St.  Germain  wurde 
dem  Bistume  durch  Arnulf  i.  .1.  893  zurückgegeben  (B.M.  .1833).  St.  Die, 
Moyen  moutier,  Senones  und  Etival  waren  Ausgang  des  9.  Jahrhunderts 
beinahe  ganz  verödet;  Moyen  moutier  hatte  1511  mansi  besessen,  die  ver- 
loren gingen  (Chron.  Med.  mon.  5  f.,  M.G.  IV  S.  89).  Von  den  Klöstern  im 
Metzer  Sprengel  war  Gorze  bis  863  im  Laienbesitz  (s.  Calmet,  Hist.  de  Lor- 
raine I.  Preuves  S.  307);  es  verarmte  während  dieser  Zeit  völlig  (Urkunde 
Ludwigs  d.  D.  von  875,  B.M.  1475).  Die  Klöster  St.  Martin  de  Glandieres 
(Longeville),  St.  Arnulf,  St.  Glodesind  und  Gorze  erhielten  im  Jahre  875  von 
Ludwig  d.  D.  entfremdete  Güter  zurück  (B.M.  1472  —  1475.  Doch  vgl.  be- 
züglich der  Urkunde  für  St.  Glodesind  Wolfram,  Mitth.  des  Instit.  XI  S.  1  ff.). 
Im  Jahre  897  reservierte  sich  Zwentibald  St.  Glodesind  (Kegin.  chron.  z.  d. 
J.  S.  607).  Hornbach  war  im  Jahre  900  im  Besitze  des  Grafen  und  Abtes 
Walaho  (B.M.  1937).  Wenden  wir  un.s  zur  Diözese  Trier,  so  war  Kchter- 
nach  seit  864  im  Besitz  des  Laien  Raginar  (Cat.  abb.  Fiptern.  M.{4.  Scr.  Xlll 
S.  793).  Ludwig  d.  D.  gab  es  im  Jahre  870  an  seinen  Neffen  Karlmann, 
den  unglücklichen  Sohn  Karls  d.  K.  (Reg.  chron.  /..  d.  J.  S.  583).  Im  .hihre 
895  zählte  es  40  Mönche  (Görz,  Reg.  78).  St.  Maximin  war  im  Jahre  853 
im  Besitz  des  Grafen  Adalhard  (Beyer,  ÜB.  I.  73,  nach  Dümmlers  Verbesse- 
rung des  Namens  Alardo  in  Adalardo,  OF'r.  R.  II  S.  22).  Von  Kaiser  Arnulf 
wurde  die  Abtei  dem  Grafen  Megingaud  übergeben,  sequestratis  aliquibuB 
monasterii  posessiunculis,  quae  vix  artam  monachis  sustcntationem  potuissent 
praebere  (Sigeh.  mirac  s.  Max.  8  M.G.  Scr.  IV  S.  231).  Sjjäter  bcsass  es 
der  Graf  Konrad  als  Lehen  (Regin.  chron.  z.  J.  906  S.  610).  Oehren  reser- 
vierte sich  Zwentibald  (Regin.  chron.  z.  J.  897  S.  607),  nachdem  er  das 
Kloster  kaum  an  Trier  restituiert  hatte  (B.M.  1907).  Auch  dieses  Kloster 
kam  in  «len  Besitz  des  Grafen  Konrad  (Regin.  1.  c.|.  Tholey  wurde  von 
Karl  d.  K.  der  Kirche  von  Verdun  entzogen  und  einem  gewissen  Adalhelm 
übertragen  (J.W.  2*^56).  Im  Lüttirhsrhen  erhielt  Sfablo  durch  Lothar  II. 
(iüter  zurück,  welche  Lothar  I.  dem  Klö.ster  entzogen  hatte  (B.M.  1261), 
späiter  kam  es  nebst  Malmedy  an  den  Grafen  Raginarius  (B.M.  1949;  Ser. 
abb.  Stab.  M.G.  Scr.  XIII  S.  293).  König  Arnulf  schenkte  Süstern  im  .Fahre 
891  dem  Maler  Siginand  (B.M.  1806).  St.  Servatius  in  Mastricht  eignete 
sich  um  896  der  Graf  Reginhar  an  (B.M.  1923 1. 


—     599     — 

land.  Aber  auch  hier  hatte  ein  so  -wichtiges  Kloster  wie  Hersfelcl 
in  Herzog  Otto  von  Sachsen  einen  Laienabt.^)  Und  auch  hier 
blühten  nur  einzelne  Klöster,  während  von  einer  weiteren  Aus- 
dehnung des  klösterhchen  Instituts  kaum  die  Eede  sein  kann. 
AVohl  sind  auf  deutschem  Boden.  ausschhessHch  Sachsens,  in  dem 
Jahi-hundert  nach  Karls  Tode  etwa  fünfzig  Klöster  und  Stifter  neu 
entstanden.  Aber  nur  wenige  von  ihnen  sind  zu  gi'össerer  Bedeu- 
tung gelangt.-)  Und  bezeichnend  genug  waren  das  meisteas 
Nonnenklöster :  das  Frauenmünster  in  Zürich,  die  Abteien  Lindau, 
Essen  u.  a..,  unter  den  Mönchsklöstern  allein  das  Kloster  Eheinau. 
Die  übrigen  alle  bheben  wenig  bedeutend.  Die  wichtigsten  waren 
Chorhen-enstifter  wie  die  von  Ludwig  d.  D.  gegründeten  königHchen 
Kapellen  zu  Frankfiu-t  und  Regensburg,  die  Stiftungen  der  Kon- 
radiner  zu  Liraburg  imd  Weilburg  im  Lahnthal,  imd  St.  Castor  in 
Coblenz.  Die  Mönchsklöster  gelangten  zum  Teil  überhaupt  nicht 
zu  gesichertem  Bestand  und  verschwanden  schon  nach  kurzer  Zeit 
wieder.-")  zum  Teil  waren  sie  von  Anfang  an  von  älteren  Klöstern 
abhängig  imd  entbehrten  damit  der  ersten  Voraussetzung  für  eine 
kräftige  Ent-v\-ickelung,  der  Freiheit  der  Bewegung.*)  Von  keinem 
einzigen  dieser  Klöster  ist  irgend  ein  originaler  Anstoss  auf  die 
Entwickelimg  des  Mönchtunis  ausgegangen.  Auch  KomeHmünster 
ist  das  nicht  geworden,  was  sein  Stifter  erwartete.  Die  Klöster 
des  neunten  Jahrhunderts  waren  sozusagen  zufälhge  Stiftungen. 
Da  und  dort  von  Fürsten  oder  anderen  Herren  oder  von  Bischöfen 
und  Abten  ins  Leben   gerufen.-')  fügten   sie   sich  in   die  Reihe  der 

1)  B.M.  1997. 

2)  Ich  verweise  für  alles  einzelne  auf  das  Verzeichnis  der  Stifter  und 
Klöster  in  der  zweiten  Beilage. 

3)  Z.  B.  Auhausen  an  der  Altmiihl,  Hirschau,  Brachau,  Saal,  Karsbach, 
St.  Grerraanus  in  Toul,  Aluwini  mons. 

4)  Abhängig  waren  von  Fulda:  Johannisberg,  Salmünster,  Brachau, 
Rohr,  Saal,  Petersberg;  von  dem  Salvatorstift  in  Frankfurt:  Ursel;  von  St. 
Gallen:  St.  Victorsberg;  von  Lorsch:  Heiligenberg;  von  St.  Stephan  in  Metz: 
Aluwini  mons. 

5)  Von  ungefähr  der  Hälfte  ist  der  Ursprung  unbekannt;  von  den 
übrigen  sind  begründet:  von  Fürsten  9,  nämlich  von  Ludwig  d.  Fr.  Korneli- 
münster,  von  Ludwig  d.  D.  die  Stifter  in  Frankfurt  und  Regensburg  und 
das  Frauenmünster  in  Zürich,  von  Karlmann  Alt-Ötting,  von  Arnulf  Roding, 
von  der  Kaiserin  Irmgard  Erstein,  von  der  Kaiserin  Richardis  Andlau  und 
von  der  Königin  Richildis  Juvigni;  von  Herren  8:  Seligenstadt,  Schännis, 
Wiesensteig,  Hirschau,  Karsbach,  Kettenbach,  Limburg,  Weilburg;  von 
Bischöfen  5:  nämlich  Essen  von  Altfrid  von  Münster,  St.  Hubert  von  Walt- 
kaud  von  Lüttich,  St.  Castor  von  Erzbischof  Hetti,  Neumünster  von  Bischof 
Adventius,    St.  Evre  von  Bischof  Frothar;    von  Äbten  5:  Johannisberg  und 


—     (500     — 

schou  bestehenden  Klöster  ein.  ohne  dass  dadurch  das  Bild  des 
kirchlichen  Zustandes  wesentlich  verändert  worden  wäre.  Das 
neunte  Jahrhundert  brachte  keinen  Mann  hervor,  der  tür  das 
Mönchtuni  eine  ähnliche  Bedeutung  hatte  wie  Coluniba,  Bonifatius 
oder  auch  nur  Tassilo. 

Nur  in  Sachsen  war  die  Zahl  der  neuen  Klöst^'r  verhältnis- 
mässig gross.  Es  gehr)rt  zur  Versclnnclzung  dieser  jungen  Kirclu>n- 
provinz  mit  der  älteren  deutschen  Kirche,  dass  das  ^Nliinchtum  auch 
in  ihr  festen  Fuss  fasste,  und  dass  die  sächsischen  KKister  aul- 
hörten Missionsposten  zu  sein. 

Weitaus  das  wichtigste  Kloster  ist  Corvey.^)  Es  wurde  tür 
Sachsen  bald  das,  was  Fulda  für  Franken  und  Reichenau  tiir 
Schwaben  war.  Seine  Gründung  steht  noch  in  Zusammenhang 
mit  der  Bekehrung  des  sächsischen  Stammes.  Es  ist  deshalb  nicht 
unwahrscheinlich,  dass  der  Plan  bis  in  die  Zeit  Karls  zurückreicht.-) 
Er  hatte  sächsische  Geiseln  und  Gefangene  nach  Corbie  gesandt. 
Vielleicht  wurde  dadurch  in  Adalhard  der  Gedanke,  ein  Kloster 
in  Sachsen  zu  gi'ünden,  wachgerufen.  Sein  Stm-z  unter  Ijudwig 
d.  Fr.  hinderte  zunächst  die  Verwirklichung.  Aber  er  hatte  die 
Mönche  seines  Klostei-s  für  die  Idee  begeistert;  an  Wala  hatte  sie 
einen  eifi-igen  Vertreter:  so  Hess  man  sie  nicht  fallen.  Auf  der 
Beichsversammlung  zu  Paderborn  im  Jahre  Sl.")  gaben  Ludwig  und 
Bischof  Hathumar  von  Paderborn  ihre  Einwilligung.  Alsbald  wurde 
der  Bau  an  einem  Orte  Namens  Hetha.  mitten  im  AN^ilde,  be- 
gonnen. Die  Lage  Hethas  erwies  sich  jedoch  als  wenig  geeignet. 
Deshalb  bewirkte  Adalhard  nach  seiner  Begnadigung  die  Verlegung 
nach  der  günstiger  gelegenen  Villa  Höxter  an  der  Weser.  Wala 
bestinmite  ihren  Besitzer,  sie  an  Ludwig  zu  verkaufen:  dieser  über- 
liess  sie  dann  dem  Kloster.'')  Am  (i.  August  822  haben  die  Mönche 
von    ihrer   neuen  Heimat  Besitz   ergriften.'*)     Seitdem   ist   die  Stif- 


Petersberg  von  Hraban,  Salmülister  von  Hiiggi,  Heiligenberg  .von  Theoderich 
von  Lorsch  und  Münstereifel  von  Markward  von  Prüm. 

1)  Nachrichten  über  die  (rründung  giebt  Paschasiiis  Radbert  v.  Adalli. 
65  tf.  S.  531  f.;  V.  Wal.  I,  12  S.  h-iü,  womit  zu  vergleichen  Transl.  Vit.  5  H. 
S.  577  f.,  der  Cat.  abb.  et  fratr.  Corb.  bei  .Taffc,  Bibl.  III  S.  66  f.;  der  Be- 
richt der  jüngeren  v.  Adalh.  c.  44  Mab.  A.  S.  IV,  1  S.  335  f.  und  die  Ur- 
kunden Ludwigs  d.  Fr.  (B.M.  754  f.;  (irtindungsurkunde  und  Immunitäts- 
vprleihung);  vgl.  auch  1702. 

2)  Transl.  Vit.  5. 

3)  Transl.  Vit.  10  f.  Fundat.  Corb.  Monast.  bei  Wilmane  I  S.  507  ft", 
Über  sie  M.  Meyer,  Zur  alt.  Gesch.  Corveys  und  Höxters,  Paderborn  1893 
.^.   11  ff. 

4)  Tran.sl.  Vit.  11;  Cat.  abbat.  S.  66.  Die  Weihe  des  Platzes  fand 
am  25.  August  statt. 


—     601     — 

tuüg  rasch  aufgeblüht;  \oy  allem  erhielt  sie  durch  reichliche  Schen- 
kungen einen  sehr  beträchthchen  Grundbesitz.'^)  Die  Leitung  ging 
nach  Adalhards  Tod  an  ein  jüngeres  Glied  seines  Geschlechtes, 
AVarin,  über.-)  Gleichzeitig  mit  Con-ey  unternahmen  Adalhard 
und  Wala  die  Gründung  eines  Frauenklostei's  zu  Herford.'^)  Waren 
diese  beiden  Abteien  Stiftungen  fränkischer  Männer,  so  ist  eine 
grössere  Anzahl  anderer  von  Gliedern  des  neubekehrten  Volkes 
selbst  gegründet.  AVir  haben  jenes  Grafen  Hessi  gedacht,  der  als 
einer  der  ersten  unter  den  sächsischen  Grossen  die  Notwendigkeit 
des  Anschlusses  der  Sachsen  an  das  ii'änkische  Reich  und  an  das 
Christentum  erkannte.  Wie  er  selbst  als  Mönch  starb,  so  war  in 
seinem  Hause  die  A'erehrung  des  asketischen  Lebens  gleichsam 
erbhch.  Seine  Tochter  Gisla  gründete  zwei  Frauenklöster,  das  eine 
zu  Karsbach  in  Franken,  unweit  der  Mündung  der  Saale  in  den 
Main,  das  andere  zu  Windhausen  am  Harz,  da,  wo  die  Bode  aus 
dem  Gebirge  in  die  Ebene  tritt.  Zwei  Enkehnnen  Hessis,  Hruot- 
hild  und  ßihhild,  waren  die  ersten  Äbtissinnen  der  beiden  Klöster.^) 
Andere  Stiftungen  sächsischer  Familien  sind  Lammspringe.  Wildes- 
hausen, Brunshausen  und  Drübeck.  Das  erstere  Kloster  gründete 
um  das  Jahr  845  der  Graf  Ricdag;  Äbtissin  wiu^de  seine  Tochter 
Ricbm'g.'^)  Das  zweite  wurde  kurz  vor  dem  Jahre  855  von  dem 
Grafen  AValtbert,  einem  Enkel  Widukinds,  gestiftet;  er  übertrug 
seinem  ältesten  Sohn  AVicbert  die  Leitung  und  bestimmte,  dass 
stets  einer  seiner  Nachkommen  Abt  sein   sollte.*^)     Das  dritte,   im 


1)  Vgl.  Traditiones  Corbeiens.  herausgegeben  v.  P.  Wigand,  1843.  Die 
Sammlung  besteht  aus  zwei  Registern ;  I  §  225 — 486  aus  der  Zeit  von  822  — 
c.  875;  II  §  1—224  aus  der  Zeit  von  963—1037;  vgl.  E.  Schröder  in  den 
Mitth.  des  Instit.  XVIII  S.  27  ff.  und  M.  Meyer  a.  a.  0.  S.  1  ff. 

2)  Transl.  Viti  12.  Über  die  Abstammung  Warins  s.  Wilmans,  Kaiser- 
urkunden I  S.  304  ff". 

3)  Angedeutet  v.  Wal.  I,  12  S.  538,  berichtet  Transl.  Pusinn.  2  (Wil- 
mans 1.  c.  S.  542).  Eine  gewisse  Bestätigung  bietet  Ludwigs  Urkunde  von 
838  (B.M.  946).  Über  die  Gründung  des  Klosters  handelt  Wilmans  1.  c. 
S.  275  ff.;  vgl.  hiezu  das  abweichende  Urteil  Mühlbachers  über  die  Urkunden 
B.M.  1365  und  1720. 

4)  Charoltesbach  und  Winitohus  V.  Liutbirg.  2  M.G.  Scr.  IV  S.  1  9. 
Das  Kloster  Winitohus  wurde  im  10.  Jahrhundert  nach  Quedlinburg  ver- 
legt. 

5)  Die  Angabe  beruht  auf  der  verunechteten  Urkunde  Ludwigs  d.  D. 
vom  13.  Juni  873,  B.M.  1455;  vgl.  die  gefälschte  Urkunde  Altfrids  vom 
1.  November  872.  Janike,  ÜB.  des  Höchst.  Hildesheim  I  S.  5  Nr.  12. 

6)  Wihaldeshusen.  Stiftungsurkunde  des  Grafen  Waltbert  bei  Wil- 
mans 1.  c.  S.  532.  Osn.  ÜB.  I  S.  32  Nr.  46.  Philippi  hält  die  Bestimmung 
über    die    Leitung    des     Klosters    für    intei'poliert.      Das    Stift    erhielt    im 


.  —      (i()2      — 

.Iiihrc  8'y2  entstandt'ii,  ist  eine  Stiftung  des  Graten  Liiulolf,  der  es 
vier  Jiihre  später  von  Brunsluuisen  naeh  Ganderslieim  verlegte. 
Auch  hier  trat  eine  Verwandte  des  Stiftei-s,  seine  Tochter  Hathu- 
niod.  als  Äbtissin  an  der  Si)itze.-)  Drübeck  endlich  wurde  von 
Adelbrin.  der  Schwester  der  Grafen  Theti  und  XVikkcr.  kurz  vor 
dem  Jahre  877  erbaut;  sie  selbst  war  die  erste  Äbtissin  und  ihre 
Nachfolgeiinnen  sollten  stets  aus  dem  Geschlechte  der  Stifter  er- 
wählt werden.  Adelbrin  hatte  schon  vorher  ein  Kloster  in  Hom- 
burg im  Nordthüringgau  gegründet.-)  A\'ie  man  sieht,  waren  alle 
genannten  Klöster  als  Familienstiftungen  gedacht.  Andere  ver- 
dankten ihre  Entstehung  Bischöfen  oder  Religiösen:  so  wurde 
Ridigijjpi,  ein,  wie  es  scheint,  bald  wieder  eingegangenes  Nonnen- 
kloster, von  Hildigrim,'*)  Neuenheerse  von  Liuthard  von  Pader- 
born,'') Wunstorf  von  Theoderich  von  Minden."*)  Bassum  von 
Anskar,")  Bücken  von  Rimbert,')  Metelen  von  der  Nonne  Friduwi '') 
gegründet.  Herzebrock  ist  im  Jahre  SHO  von  einer  edelen  Frau 
Namens  Waldburg")  und  ihrer  Tochter  Duda  und  Möllenbeck 
im  Jahre  S96  von  der  Matrone  Hiltii)urk  und  einem  Priester 
Namens    Folkhai't*")    gestiftet.      In    Bödekkeu^^)     und    Frecken- 

Jahre  85.5  die  Immunität  (B.M.  1372);  nach  Dümmler  (OFr.  R  II  S.  335 
Anm.  4)  gehört  die  Immunitätsverleihung  erst  in  das  Jahr  871;  vgl.  dage- 
gen die  ßeraorkungen  Mühlbachers. 

I)  Brunesteshusen.  V.  Bernw.  12  (M.G.  Scr.  IV  S.  762);  v.  Hathum.  2  tt'. 
(1.  c.  S.  167);  hist.  de  primord.  coen.  Gander.-^h.  (1.  c.  S.  306  ft'.). 

2)  So  nach  der  allerdings  verunechtcten  Urkunde  Ludwigs  III.  vom 
26.  Januar  877  (B.M.  1510);  vgl.  Jacobs  ÜB.  des  Kl.  Drübeck  S.  Xlll. 

3)  Nach  einer  Urkunde  König  Arnulfs  aus  dem  ersten  Jalire  seiner 
Regierung  (B.M.  1758). 

4)  Die  Stiftung  wurde  auf  der  Wormser  Synode  von  868  bestätigt 
(Diplom  Luidberts  von  Mainz,  Mansi  XV,  S.  H83  ff.) 

5)  Urkunde  Ludwigs  d.  D.  vom  14.  Oktober  871  (B.M.  1447). 

6)  Adam,  Gest.  Ham.  eccl.  pont.  I,  32  S.  25. 

7)  L.  c.  I,  45  S.  32. 

8)  Urkunde  Arnulfs  vom  16.  August  889  (B.M.  1777)  nach  welcher 
das  Kloster  die  volle  Immunität  erhielt.  Auch  diese  Stiftung  war  Familien- 
stiftung; die  Nachfolgerinnen  Friduwis  sollton  ihrem  (ieschlechte  entnom- 
men werden. 

9)  Khrhard,  Regest.  Westfal.  1,  S.  10«  Nr.  424:  vgl.  Wilraans,  Addi- 
tamenta  S.  2  Nr.  2. 

10)  Urkunde  Arnulfs  vom  13.  August  896  (B.M.  1871). 

II)  Der  Stifter  Bödekkens  war  ein  gewisser  Mainulf.  Seine  legendarisclie 
Biographie  i.st  A.S.  Oct.  III  S.  210ff,  un.l  im  Auszuge  MG.  Scr.  XV  S.  211  ff. 
gedruckt.  Ihre  Vorlage  ist  vielleicht  Kndn  des  9.  oder  Anfang  des  10.  Jahr- 
hunderts verfasst.  Die  vorliegende  Umarbeitung  durch  einen  Mönch  Sigeward 


60 


o 


hoi'st')  hat  die  Sage  die  Erinnerung  an  die  Stiftungszeit  getrübt; 
aber  sicher  fällt  die  Entstehung  beider  Klöster  in  das  neunte  Jahr- 
hundert. 

So  wirkten  Laien  und  Kleriker  zusammen,  um  Sachsen  mit 
Klöstern  zu  lullen.  Selbst  das  Einsiedlerwesen  bheb  dem  kaum 
für  das  Christentimi  gewonnenen  Lande  nicht  ganz  fi'emd:  man  hat 
im  1 0.  Jahrhundert  eine  Höhle  am  Abhang  des  Harzes  gezeigt,  in 
der  die  h.  Liutburg  als  Klausnerin  gelebt  habe.-)  Man  wird  daraus 
nicht  schhessen  dürfen,  dass  bei  den  Sachsen  im  neunten  Jahr- 
hundert mehr  asketische  Begeistenmg  vorhanden  war,  als  bei  den 
anderen  deutschen  Stämmen.'')  Was  geschah,  ist  nur  ein  Beweis 
dafür,  dass  der  sächsische  Stamm  alle  Einrichtungen  des  Christen- 
tums rasch  und  energisch  ergriff. 


gehört  dem  11.  Jahrhundert  an.  Sie  berichtet  c.  7  ff .  eingehend  über  die 
Klostergründung.  Ich  halte  höchstens  den  Namen  des  Stifters,  seine  Be- 
ziehungen zu  Baduard  von  Paderborn  und  den  Dedikationstag,  10.  November, 
für  zuverlässig. 

1)  Die  Stifterin  des  Klosters  ist  die  h.  Thiadildis.  Ihre  Biographie  (A.S. 
Jan.  II  S.  11.56^  ist  nicht  wertvoller  als  die  v.  Mainulfi.  Nacb  Diekamp 
(Forsch.  24  S.  629  ff.)  ist  das  Kloster  vor  857  durch  Everward  mit  Genehmigung 
des  Bischofs  Liudbert  von  Münster  gegründet. 

2)  In  der  Urkunde  M.G.  Dipl.  I  S.  268  f.  Nr.  186  vom  5.  Dezember 
956  schenkt  Otto  I.  die  Höhle,  ubi  quedam  Liutburg  quondam  fuit  inclusa 
an  Quedinburg.  Über  die  Lage  der  Zelle  s.  Reinecke,  S.  78  f.  die  Gleich- 
zeitigkeit der  Y.  Liutb.  M.G.  Scr.  IV  S.  158  ff.  bestreitet  Reinecke  in  der 
Ztschr.  des  Harzvereins  XXX,  1897  S.  1  ff.  Er  schreibt  sie  der  2.  Hälfte 
des  12.  Jahrhunderts  zu,  nimmt  aber  eine  Vorlage  aus  dem  9.  Jahrhundert 
an.  Die  letztere  Annahme  scheint  mir  nicht  hinreichend  begründet,  auch 
die  Bedenken  gegen  die  Gleichzeitigkeit  sind  nicht  alle  überzeugend. 

3)  Der  Beweis  hierfür  liegt  in  der  Thatsache,  dass  die  Zahl  der  Mönchs- 
klöster im  Verhältnis  zu  der  der  Nonnenklöster  eine  sehr  geringe  ist.  Unter 
den  aufgezählten  18  Klöstern  sind  4  Mönchs-  und  14  Nonnenklöster.  Auch 
der  Heliand  zeigt,  dass  die  asketische  Anschauung  den  Sachsen  ziemlich 
fremd  war.     Darüber  s.  unten  Kap.  5. 


Drittes  Kapitel. 

Die  litterarisclie  Bewegung  seit  dem  Tode 

Karls  d.  (ir. 


Was  im  Bereiche  der  Kultur  geschaffeu  winl  ist  in  der  Regel 
unabhängiger  von  der  Pei-son  seines  Urhehers  als  was  auf  dem 
Felde  der  Politik  erreicht  wird.  Dort  vollziehen  sich  alle  Ver- 
änderungen langsamer  und  allniählicher  als  hier.  Deshalb  ist  der 
EinHuss  des  einzelnen  Ereignisses  geringer.  So  könnte  es  auf  den 
ei-sten  Blick  scheinen,  dass  die  litteraiische  Kultur,  welche  Karl 
ins  Leben  gerufen  hatte,  durch  seineu  Tod  nicht  beiiihrt  wurde. 
Die  litterarische  Betriebsamkeit  ist  unter  seinem  Sohne  kaum  ge- 
ringer als  imter  ihm.  Bei  näherer  Beobachtung  bemerkt  man  doch 
bald,  dass  der  Hingang  des  Kaisers  nicht  ohne  tiefgreifende  Folgen 
geblieben  ist. 

Vor  allem  hörte  der  Hof  jetzt  auf  den  Mittvlinnikt  des  wisseu- 
schaftlichen  Lebens  zu  bilden.  Man  hat  den  Gelehrtenkreis,  den 
Karl  um  sich  sammelte.  Wdhl  eine  Akademie  genannt.  Tn  der 
l'hat  war  er  das,  was  Akadeniicen  sein  wollen,  das  Zentrum  der 
geistigen  Bewegung  des  Reichs.  Unter  liudwig  verödete  der  Hof; 
ihm  selbst  gebrach  die  Gabe  anzuregen;  statt  der  soliden  Gelehrten 
und  der  witzigen  Litteraten  führte  der  ehrliche,  aber  beschränkte 
Benedikt  von  Aniane  das  grosse  Wort.  Auch  dir  Ifcifschule  verlor 
ihre  Bedeutung  fiir  die  AUgen^-inheit.*)  Das  hing,  wie  es  scheint, 
zusammen  mit  der  Pei-sfinlichkeit  ihres  Leiters,  des  Kelten  flemens. 


1)  Tl.or  ihrpn   Fort>)estan(l  8.  Simson,  .113.  L.'.s   II  S.  2.''iP>ff'. 


—     605     — 

Er  wai'  berühmt  als  Grammatiker:^)  Abt  Ratgar  von  Fulda  sandte 
etliche  seiner  Schüler  zu  ihm,  damit  sie  in  seiner  Umgebung  ihre 
Bildung  vollendeten.-)  Aber  eine  produktive  Persönlichkeit  war  er 
nicht:  als  Schriftsteller  kam  er  kaum  in  Betracht;  in  dieser  Hin- 
sicht stand  er  unendlich  weit  hinter  Alkuin  zurück.  Und  wenn 
er  bedacht  war.  seinen  Schülern  ja  nicht  zu  viel  darzubieten,'^)  so 
war  das  zwar  sehr  verständig;  aber  zu  begeistern  versteht  derjenige 
gewöhnlich  nicht,  der  sein  Ziel  niedrig  steckt.  Sollte  Clemens  der 
von  Theodulf  so  übel  behandelte  Irländer  gewesen  sein,*)  so  würde 
man  in  seiner  Ernennung  zum  Leiter  der  Hofschule  eine  der  Mass- 
regeln zu  erkennen  haben,  durch  welche  Ludwig  seinen  Gegensatz 
gegen  die  Umgebung  seines  Vaters  bethätigte.  Um  so  verständ- 
hcher  wäre,  dass  der  Einfluss  der  Schule  sank. 

Kein  Wunder,  dass  die  Zeitgenossen  alsbald  einen  Rückgang 
des  litteraiischen  Literesses  zu  bemerken  glaubten.  Wenn  ein 
jüngerer  Mann,  wie  Servatus  Lupus  die  Zeiten  Karls  und  Ludwigs 
verglich,  so  sah  er  dort  Licht  und  hier  Schatten.  Er  urteilt,  unter 
Karl  sei  das  Wort  wahr  gewesen,  dass  die  Künste  da  gedeihen, 
wo  man  sie  ehrt;  jetzt  seien  wenige  den  Lernbegieiügen  hold,  ja 
man  hege  Argwohn  gegen  die  Studien  selbst.'^)  Xicht  anders  ur- 
teilte   Walahfrid    Strabo.*^)     Es    war   die    allgemeine    Empfindung. 


1)  Ermold.  Nigell.  In  hon.  Hlud.  IV  v.  403  f.  S.  69;  Theod.  carni. 
app.  79  V.  55  f.  S.  581.  Necrol.  Wirzb.  zu  IV.  Kai.  Jun.  Clementis  presbiteri 
magistri  palatini     (Forsch.  VI  S.  116). 

2)  Catal.  alb.  Fuld.  M.G.  Scr.  XIII  S.  272:  (Ratger)  Modestum  cum  aliis 
ad  Clementem  Scoltum  grammaticam  studendi  (gratia  direxit). 

3)  Poet.  lat.  II  S.  670  Nr.  24. 

4)  Theod.  carm.  25,  v.  160  fi".  S.  487.  Die  Beziehung  auf  Clemens 
bei  Simson,  JB.  II  S.  257.  Neben  ihm  lehrte  ein  gewisser  Thomas.  Doch 
hält  Simson  es  für  ungewiss,  ob  der  von  Walahfrid  (carm.  XXXVl  S.  387) 
als  praeceptor  palatii  angeredete  Mann  Lehrer  an  der  Hofschule  oder  ein 
Hofbeamter  gewesen  sei.  Die  Nebeneinanderstellung  des  Clemens  und 
Thomas  in  dem  oben  Anm.  1  citierten  Gedicht  v.  55—57  macht  es  doch 
sehr  wahrscheinlich.  Auch  Ratlaic,  der  Notar  Einhards  (Transl.  Marceil.  1 
S.  240),  und  sein  Nachfolger  als  Abt  von  Seligenstadt  (Hrab.  carm.  90 
V.  4,  carm.  83  v.  9  f.  S.  273;  vgl.  Lupi  ep.  67),  der  unter  Ludwig  d.  D. 
königlicher  Kanzler  war  (840-854  Dümmler,  OFr.  R.  II,  S.  431,  Mühl- 
bacher Reg.  S.  XCVIII),  scheint  am  Hofe  gelehrt  zu  haben:  Flures  nam 
docuit  verbis  et  scribere  fecit.  Sein  Unterricht  beschränkte  sich  aber  wohl 
auf  das  Urkundenschreiben. 

5)  Ep.  1  S.  44. 

6)  Vorrede  zu  Einhards  Leben  Karls:  (Karolus)  regni  a  Deo  sibi 
commissi  nebulosam  et,  ut  ita  dicam,  pene  cecam  latitudinem  tocius  scientie 
nova  irradiacione   et  huic  barbariei  ante  partim  incognita   luminosam  red- 


—     60H     — 

Schon  im  Jahre  !S22  l)erieten  die  Bischöfe  aul' dem  Tage  zu  Attigni 
über  eine  bessere  Einriclitmig  des  Unterrichts  tiir  the  Kleiiker;  sie 
verpflichteten  sich,  in  jedem  Bistum  wenigstens  eine,  in  besonders 
gi'ossen  Diözesen  zwei  oder  drei  Scliulen  zu  errichten.^)  Ludwig 
gab  bereitwilhg  seine  Zustimmung.-)  Aber  es  ist  sehr  wenig  wahr- 
scheinhcli,  dass  aus  diesen  Vorsätzen  Thaten  wurden.  Denn  auf 
der  AVormser  Reichsversammkmg  des  Jahres  829  führten  die  Bi- 
schöfe wieder  Khige  über  den  Stand  der  Biklung:  es  sei  zu  be- 
fürchten, dass  das.  was  Karl  geschaffen  habe,  zu  Gnmde  gehe. 
Ludwig  möge  wenigstens  an  drei  passenden  Orten  öffentliche  könig- 
liche Schulen  errichten;  davon  werde  er  grossen  Ruhm  und  die 
Kirche  vielfachen  Nutzen  haben.  ^) 

Es  war  nicht  ganz  richtig,  wenn  man  von  einem  drohenden 
Verfall  der  Studien  sprach.  Die  Zahl  der  Schriftsteller  ist  in  den 
nächsten  Jahrzehnten  nach  Karls  d.  Gr.  Tod  nicht  geringer,  sondern 
grösser  als  widirend  seines  Lebens.  Auch  die  Aufgaben,  an  welche 
sie  sich  wagten,  sind  nicht  unbedeutender  als  früher;  sie  lernten 
sogar  sich  aul'  dem  theijlogischen  Gebiete  freier  bewegen,  als  es 
Alkuin  that.  Aber  es  ist  doch  sehr  begreillich.  dass  der  Eindruck 
entstand,  die  wissenschaftliche  Arbeit  sei  in  raschem  Rückgang  be- 
griffen. Unter  Karl  standen  die  geistigen  Interessen  im  Vorder- 
grunde. Kleriker  und  Laien,  Männer  und  Frauen  naiimen  den 
regsten  Anteil  an  dem  litterarischen  Leben  und  IVeiben.  Das  be- 
gaim  unter  Ludwig  aufzuliören:  man  empfand  und  man  vermissto 
es.  Das  Interesse  für  die  Wissenschaft  beschränkte  sich  mehr  als 
i)isher  auf  gewisse  enge  Kreise,  sagen  wir  es  bestimmter  auf  die 
Klöster.  Die  Mönche  haben  weiter  studiert  und  exzerpiert,  Verse 
gemacht  und  Kommentare  zusammengetragen.  Sie  übertrafen  an 
Kenntnis  der  patristischen  Litteratur  bald  die  Theologen  Karls: 
Hraban  war  ohne  Zweifel  gelehrter  als  Alkuin.  Aber  das  war  ein 
kleiner  Gewinn;  denn  sie  verloren  je  länger  je  mehr  den  freieren 
und  weiteren  Blick,  den  jene  dem  V^erkehr  mit  dem  Kaiser  veidunk- 
ten.     Die  Litteratur  nach  Karl  streifte  im  Laufe  weniger  Jahrzehnte 


didit,    Deo    illustrante.     Nunc  vero  relabentibus  in  contraria  studiis    lumen 
«apientie  quod  minus  deligitur  rarescit  in  plurimis. 

1)  Caj».  174,  2  f.  S.  357.  Es  ist  nur  an  das  Studium  der  Kleriker  ge- 
dacht. Für  ihren  Unterhalt  Bollten  die  Kltorn  oder  Herren  sorgen,  ut  propter 
rerum  inopiam  doctrinae  studio  non  recedant. 

2)  Cap.  150,  6  S.  304:  Scolao  ad  filios  et  ministros  eccleHiae  instru- 
endos  vel  edocendos,  sicut  nobis  praeterito  tempore  ad  Attiniacum  pro- 
misistis  et  vobis  iniunximus,  in  congruis  locis,  ubi  necdum  perfectum  est. 
ad  loultorum  utiliatem  et  profectum  a  vobis  ordinari  non  neglegantur. 

3)  Petit,  episc.  4  M.G.     Cap.  II  Nr.  196  S.  37. 


—     HOT     — 

den  universellen  Charakter  ab,  den  er  ihr  verHehen  hatte :  sie  wurde 
Fachlitteratur  des  einzigen  gelehrten  Standes,  den  es  gab,  des  Klerus. 

Dass  an  die  Stelle  des  Hofes  die  mancherlei  Klöster  des  fränki- 
schen Reiches  als  Pflegestätten  der  Litteratur  traten,  hatte  für  die 
Entwicklung  derselben  noch  eine  andere  Folge.  Sie  verlor  das 
einheithche  Gepräge,  das  sie  unter  Karl  trug.  Der  Westen  und  der 
Osten  des  Reicbes  traten  auseinander.  Man  kann  das  schon  vor  der 
Teilung  des  Reichs  bemerken ;  es  ist  also  nicht  Folge  der  pohtischen 
Trennung,  wurde  aber  durch  sie  natürlich  verstärkt.  Vergleicht 
man  die  beiden  Reichshälften,  so  herrschte  die  lebhaftere  Thätigkeit 
ohne  Zweifel  auf  französischem  Gebiet.  Unter  Ludwig  ist  kaum 
ein  Erlahmen  der  Produktivität  wahrzunehmen;  unter  der  im  all- 
gemeinen wenig  rühmHchen  Regierung  Karls  d.  K.  nahm  die  Litte- 
ratur geradezu  einen  neuen  Aufschwung.  Erst  seit  dem  Tode  dieses 
Fürsten  zeigten  sich  die  Folgen  der  ungünstigen  politischen  und 
sozialen  Zustände  auch  auf  dem  Gebiete  der  Litteratur.  Und  wie 
manchfaltig  waren  immer  noch  die  litterarischen  Hervorbringungen: 
ein  Erbe  aus  Karls  Zeit  war  die  höfische  Epik,  wie  sie  Ermoldus 
Nigellus  pflegte;  die  Kämpfe  unter  Ludwig  brachten  Agobards  her- 
vorragendes Talent  für  politische  Publizistik  zur  Entfaltung;  unter 
Karl  wagten  die  Theologen  sich  an  die  selbstständige  Erörterung 
theologischer  Probleme  und  gleichzeitig  trat  in  der  Erneuerung  des 
neuplatonischen  Pantheismus  die  Philosophie  der  Theologie  an  die 
Seite  mit  dem  Anspruch,  die  Wissenschaft  schlechthin  zu  sein.  In 
denselben  Jahren  schrieben  Hinkmar,  dieser  bedeutendste  Kanonist 
der  fränkischen  Kirche,  und  die  Verfasser  der  falschen  Rechts- 
quellen, die  ihren  Betrug  nur  wagen  konnten,  da  sie  ül^er  eine  un- 
gemein ausgebreitete  Belesenheit  in  der  älteren  Litteratur  verfügten. 
Gleich  rege  bheb  endhch  lange  Zeit  der  Sinn  für  historische  Auf- 
zeichnungen. Er  zeitigte  eine  so  charaktervolle  Schrift  wie  Nithards 
Historien  und  so  umfassend  angelegte  Werke  wie  die  Weltchroniken 
Freculfs  und  Ados,  eine  so  wertvolle  Lokalgeschichte  wie  die  des 
Klosters  St.  Wandrille  und  so  wohl  überlegte  Biographien  wie  die 
der  Äbte  Adalhard  und  Wala.  Ist  die  Form  der  letzteren  für  den 
modernen  Leser  ermüdend,  so  ist  sie  doch  zugleich  ein  Beweis  da- 
für, dass  man  sich  über  das  bloss  stoffliche  Interesse  an  einem  ge- 
schichtlichen Bericht  zu  erheben  bestrebt  war. 

Wendet  man  den  Bhck  auf  das  deutsche  Gebiet,  so  ist  das 
Bild,  das  sich  darbietet,  weit  weniger  wechselvoll  und  farbenreich.^) 


1)  Man  vergleiche  zum  Folgenden  die  einschlägigen  Partien,  bei  Bahr, 
Geschichte  der  röm.  Lit.  im  karol.  Zeitalter  1840,  Ebert,  Gesch.  d.  Lit.  des 
M.A.  II  1880,  Wattenbach,  D.'s  Gesch.-Quellen  I. 


—     ß08     — 

Die  Mouche  hielten  Schule  und  die  Litteiateu  schriebeu  liir  die 
Schule  oder  zum  Ersatz  derselbeu.  Wenn  ein  wessthänkischer 
Schriftsteller  cinnuil  äusserte,  es  sei  ihm  vöUig  klar,  dass  die  Weis- 
heit um  ihrer  selbst  willen  zu  erstreben  sei/)  so  war  das  kein  Wort 
für  die  ostfränkischen  Schriftsteller  dieser  Zeit,  sie  wollten  mit  dem, 
was  sie  schrieben,  nützen.  Ihre  Bücher  waren  Lehrbücher,  sie 
sollten  der  allgemeinen  und  der  theologischen  Ausbddung  der  Kle- 
riker dienen,  oder  sie  sollten  den  Priestern  Handreichung  zur  Aus- 
richtung des  geistlichen  Amtes  in  den  Gemeinden  bieten.  Die 
ganze  Litteratur  Deutschlands  trägt  den  Charakter  des  Schul- 
niässigen.  Es  stimmt  wohl  dazu,  dass  Deutschland  die  Heimat 
der  grannnatischen  Studien  war.-) 

Dass  in  dieser  Weise  die  Litteratur  Deutschlands  und  Frank- 
reichs sich  sonderte,  ist  eines  der  Anzeichen  datur,  dass  die  Ein- 
heit der  Reichskirche,  wie  sie  unter  Karl  d.  G.  bestanden  hatte, 
nicht  nur  äusserlich  durch  die  Teilung  des  Reiches  zersprengt 
wurde;  sie  hatte  sich  innerlich  schon  zu  lösen  begonnen.  Die  prak- 
tische xA.rt  der  Deutschen  und  die  dialektische  Aidage  der  Franzosen 
machten  sich  geltend.  Die  religiöse  und  die  kirchliche  Entwickelung 
der  beiden  Nationen,  die  entstanden,  indem  sie  sich  trennten,  ist 
denn  auch  fernerhin  nicht  gleichartig  verlaufen. 

Die  Littei-atur  diente,  wie  bemerkt,  in  Deutschland  vorzugs- 
weise zur  Ergänzung  oder  zum  Ersätze  mündlicher  Untcnveisung. 
Wir  vei-suchen  deshalb  zimächst  uns  den  Stand  des  UnteiTichts- 
wesens  nach  Karl  d.  Gr.  zu  vergegenwäi-tigen.  Hier  ist  es  nun 
bemerkenswert,  dass  die  Schulen  an  den  Domkirchen  mit  deii- 
jr-nigen  der  grossen  Klöster  nicht  wetteitern  konnten.  Wir 
wissen,    dass    in    Midnz,''^)    Köln,    Konstanz,   ^fünster    und    Ver- 


1)  Lup.  Fcrrar.  ep.   1  S.  43. 

2)  S.  Ebert,  a.  a.  0.  S.  119. 

3)  Erwähnt  unter  Erzbischof  Otgar,  826—847,  Ep.  Ful.l.  fragm.  7 
S.  518.  Unter  Hraban.  847—856,  lag  die  Leitung  der  Schule  in  der  Hand 
des  Chorbischofs  Thiotmar,  der  von  liudolf,  Mirac.  sanct.  in  Fuld.  eccl. 
tranal.  3  S.  332,  i.  J.  835  als  Fuldischcr  Mönch  erwähnt  wird.  Hraban 
schreibt  an  ihn :  Quia  mei  cooperatorem  in  sacro  ministerio  to  elegi,  hortor, 
ut  rjuod  pro  infinnitate  corporis  coram  multis  exponere  non  possum,  tu 
qui  iunior  aetato  et  validior  es  corpore  illia  qui  ad  sacerdotium  ordinati 
sunt  et  ministerium  sacerdotalo  agere  debent  notuin  facias,  et  eis  persua- 
deaa,  immo  iubeas,  ut  diligenter  discant  etc.,  ep.  .55  S.  509.  Thiotmar 
starb  am  23.  Januar  857,  Ann.  necr.  Fuld.  M.G.  Scr.  XHI  S.  177.  Nicht 
auf  die  Mainzer  Schule  kann  sich  beziehen,  was  Hraban  in  einem  an  den 
Chorbischof  Reginald  gerichteten  Brief  aus  den  .lahren  835—847  schreibt: 
Necesse  e.st,    ut  cos  quos  ad  divinum   officium  promovere  concupiscis,    dili- 


—     609     — 

dun^)  Stiftsschulen  bestanden,  wahrscheinlich  auch  an  anderen 
Orten.  Am  bedeutendsten  war,,  wie  es  scheint,  die  Mainzer  Schule; 
dort  wirkte  der  Presbyter  Probus,  der  zum  Bekanntenkreise 
des  Abts  Lapus  von  Ferneres  gehörte.^)  Auch  in  Würzburg  wird 
das  Schulwesen  sich  in  gutem  Stand  befunden  haben:  mit  einem 
gewissen  Stolz  sjjrach  Bischof  Humbert  von  den  Schätzen  der 
Bibliothek,  die  das  Domstift  besass/^)  Aber  man  muss  bezweifeln, 
ob  alle  Bischöfe  dem  Unterrichtswesen  die  Sorgfalt  widmeten,  die 
ihm  gebührte:  sie  selbst  leugneten  nicht,  dass  Mängel  vorhanden 
waren.-*)  In  der  Regel  lernten  die  jungen  Klenker,  die  an  die 
Bischofshöfe  kamen,  wohl  mehr  durch  den  Umgang  mit  dem  Bischof 
als  durch  methodischen  Unterricht. '^  ErklärKch,  dass  auch  ein 
Bischof  seinen  Neffen  zuerst  in  eine  Klosterschule  schickte,    damit 


genter  doceas  atque  cum  disciplina  erudias,  ut  sciant,  qualiter  divini  verbi 
ministri  fieri  debeant,  ep.  40  S.  479.  Denn  Reginald  wirkte  in  einer  noch 
zum  Teil  heidnischen  Gegend,  S.  478,  also  in  dem  sächsischen  Teil  der 
Mainzer  Diözese. 

1)  Über  Köln  v,  Radb.  1  M.G.  Scr.  XV  S.  569;  Konstanz  v.  Chuonr. 
ep.  1  M.G.  Scr.  IV  S.  431;  Münster  v.  II  Liudg.  I,  31  S.  420;  Verdun  Gesta 
ep.  Vird.  19  M.G.  Scr.  IV  S.  45. 

2)  Seinen  Tod  erwähnen  die  Ann.  Fuld.  z.  J.  859  S.  54:  Cuius  casta 
conversatio  et  doctrinae  sanctae  studium  Mogontinam  illustravit  aecclesiam. 
Lupus  von  Ferrieres  schreibt  über  ihn  an  Altwin:  Non  scripsisti,  quid 
Probus  noster  exerceat,  scilicet  utrum  in  saltu  Germaniae  disciplinas 
liberales,  ut  serio  dicere  solitus  erat,  ordine  currat  an  certe  inchoatam  sa- 
turam,  quod  magis  existirao,  struens,  etc.  (ep.  7  S.  67;  vgl.  10  S.  72).  Auch 
Walahfrid  Strabo  hat  ihn  geschätzt  (carm.  45  S.  393). 

3)  Hrab.  ep.  S.  440,  Becker  Catal.  S.  38.  Die  Bibliothek  war  übrigens 
rein  theologisch;  das  charakterisiert  das  Aufhören  des  universellen  In- 
teresses. 

4)  Für  die  Behauptung  von  Specht,  Gesch.  des  Unterrichtswesens 
S.  175,  dass  seit  dem  9.  .Jahrhundert  an  allen  Domkirchen  ausser  den 
Stiftsschulen  auch  solche  für  arme  Knaben  bestanden,  wüsste  ich  keinen 
Beweis.  Das  Gegenteil  scheint  mir  ziemlich  sicher  zu  sein.  Das  Zuge- 
ständnis der  Bischöfe:  Scolas,  de  quibus  hactenus  minus  studiosi  fuimus 
quam  debueramus,  omnino  studiosissimi  emendare  cupimus  (Cap.  174,  3 
S.  357),  beweist,  dass  bis  zum  Jahre  822  nicht  einmal  Stiftsschulen  über- 
all bestanden;  der  gute  Vorsatz  von  822  war  im  Jahre  829  noch  nicht 
ausgeführt  Cap.  196,  39  S.  40:  Ut  unusquisque  episcoporum  in  scolis  ha- 
bendis  .  .  abhic  malus  studium  adhiberet.  Die  Folgezeit  war  für  Neu- 
gründungen möglichst  ungünstig.  Vv'ie  sollte  man  da  an  Armenschulen  ge- 
dacht haben? 

5)  Vgl.  den  Brief  Salomons  IL  wahrscheinlich  an  Witgar  von  Augs- 
burg, Coli.  Sangall.  24  S.  409  f. 

Hauck,  Kirchengeschichte.    11.    2.  Aufl.  39 


—     610     — 

er  dort  uuterwiesen  werde.^)  Siclier  ist  jedenfalls,  dass  keine  Doni- 
schule  eine  ähnliche  Bedeutung  gewann,  wie  die  grossen  Kloster- 
schulen. In  den  Klöstern  wurde  ohne  Zweifel  allenthalben  gelehrt.-) 
Aber  nur  in  vereinzelten  Fällen  ist  es  uns  möglich,  ein  Bild  von 
der  Entwickelung  der  Schulen  zu  gewinnen. 

Unter  Ludwig  d.  Fr.  begann  die  Blüte  der  Schule  von  Fulda, 
welche  nun  längere  Zeit  den  ersten  Rang  unter  den  deutschen 
Schulen  einninnnt.  Sie  hat  sich  nur  sehr  allniähhch  zu  dieser 
Höhe  aufgeschwungen.  Zwar  wissen  wir,  dass  von  der  Gründung 
des  Klosters  an  in  ihm  unterrichtet  worden  ist;  Einhard  und  Kigil 
haben  ihre  erste  Bildung  dort  empfangen.'')  Aber  man  kann  nicht 
annehmen,  dass  die  Fuldische  Schule  hervorragend  war.  Indem 
die  Abte  begabte  Jünglinge  nach  St.  ]\[artin  in  Tours  oder  an  den 
Hof  schickten,*)  erkaimten  sie  selbst  den  Vorrang  der  dortigen 
Schulen  im.  Die  Thätigkeit  des  Klosters  hig  in  dieser  Zeit  auf 
anderen  Gebieten:  Karl  d.  Gr.  benützte  die  Mönche  als  ]\fissionare, 
Abt  Katgar  als  Bauhandwerker.''')  Erst  unter  Eigil  traten  die 
■wissenschaftlichen  Bestrebungen  als  gleichberechtigt  nei)en  die 
Kunstptlege.  Länger  als  ein  halbes  Jahrhundert  hatte  Eigil  dem 
Kloster  bereits  angehört,  als  ihn  die  Wahl  der  Brüder  zu  dessen 
Leitung  berief.")  Jedermann  hatte  Vertrauen  zu  seiner  klaren  Per- 
sönlichkeit und  /.UV  Unabhängigkeit  seines  Charakters.  Denn  Nie- 
mand war  weniger  geneigt  als  er,  sich  durch  Gerede  beeinflussen 
zu  lassen;  er  liebte  es  nicht,  auf  das  Urteil  anderer  zu  hören;  demi 
dadurch,  sagte  er  wohl,  werde  das  eigene  Ui-teil  nur  verwirrt.') 
Von  einem  solchen  Manne  durlte  man  erwarten,  dass  er  allen 
Unordnungen  kräftig  steuern  würde,  ohne  doch  Milde  und  Freund- 


1)  Vgl.  Form.  Aug.  20  S.  373. 

2)  Ein  Recht  zu  dieser  Annahme  geben  die  Nachrichten  über  die 
Schüler  in  den  Kuldischen  Propateien  (s.  o.  S.  570  Anni.  4,  5,  7,  S.  571  Anm.  3), 
vgl.  auch  V.  Meinw.  4  Sir.  XV  S.  445. 

3)  Vgl.  S.  177.  Dass  die  Scliulo  auch  unter  IJaugult"  bestand,  orgiobt 
8ich  au8  Ale.  ep.  250  S.  405:  Adolescentulos  vestros  .  .  docete  etc. 

4)  Cat.  abb.  Fuld.  M.(t.  .Scr.  XIII  S.  272  über  Ratgar;  er  schickte  Hraban 
und  Hatto  nach  Tours,  Brun  zu  Einhard,  Modestus  u.  a.  zu  Clemens  Scottua. 

5)  Das  beweisen  die  Klagen  der  Mönche  in  iliror  Anklageschrift  (M.(i. 
Ep.  IV  S.  548  Nr.  33),  auch  wenn  man  in  Hetraciit  zieht,  da.'is  Gegner 
sprechen;  vgl.  Hrab.  carm.  40  Str.  8  S.  204:  Qui  cedere  nescit.  Candid.  de 
V.  Aeigil.  II,  5  (Poet.  lat.  II  S.  99j.  In  der  prosaischen  Biographic  spricht 
Candidus  unparteiischer  (c.  3  S.  223). 

fi)  Er    war    nicht    lange    nach    dem  Tode    des  Bonifatius   dem   Kloster 
übergeben  worden  (v.  Eig.  1   S.  223). 
7)  L.  c.  6  S.  225. 


—     611     — 

lichkeit  gleich  seinem  Vorgänger  vermissen  zu  lassen.  Dass  er  an 
Kunsterfahrung  hinter  Ratgar  nicht  zurückstand,  bewies  er  durch 
die  Vollendung  der  Salvatorkirche  und  durch  den  interessanten 
Rundbau  von  8t.  Michael.  Freuten  sich  die  Zeitgenossen  beson- 
ders an  den  synibohschen  Bezügen,  die  sie  in  dem  Bauwerke  fanden, 
so  schätzen  wir  höher  die  Selbstständigkeit  des  Gedankens  und 
die  trotz  der  kleinen  Dimensionen  und  der  schlichten  Ausführung 
erreichte  AVürde  des  Gesamteiudracks.^)  An  A\assenschafthchem 
Sinn  übertraf  Eigil  Ratgar  weit;  gerne  beteiligte  er  sich  an  Dispu- 
tationen über  tlieologische  Fragen.-)  Auch  litterarisch  hatte  er 
sich  durch  seine  Biographie  Sturms  bereits  hervorgethan.'^) 

Für  die  Schule  war  sein  Amtsantritt  nicht  nur  deshalb  be- 
deutungsvoll, weil  den  Studien  jetzt  ihr  Recht  eingeräumt  wurde, 
sondern  mehr  noch  deshalb,  weil  er  den  richtigen  Mann  an  ihre 
Spitze  stellte.  Schon  unter  Ratgar  hatte  Hraban  zu  lehren  be- 
gonnen.^) Eigil  erkannte  das  unvergleichhche  Lehrtalent  seines 
Fi'eundes  und  übertrug  ihm  die  Oberleitung  der  Schule.^) 

Hraban  betrachtete  sich  als  Schüler  Alkuins.  Was  einst  der 
Meister  Alkuin  lehile,  das  bewahre  dein  Herz,  ruft  er  einmal 
seinem  Freunde  Samuel  zu.")  Das  war  für  die  Richtung  der 
Studien  nicht  ohne  Bedeutung.  Man  wollte  wenigstens  die  Ver- 
l)indung  klassischer  und  theologischer  Erudition  nicht  aufgeben."^) 
FreiHch  fehlte  es  in  Fulda  nicht  an  Gegnern  des  klassischen  Stu- 
diums: sie  sahen  in  ihm  nur  Beschäftigung  mit  dem  Heidentum.'^) 


1)  Vgl.  Dohme,  Gesch.  d.  deutschen  Baukunst  S.  16.  Das  Stift  bei 
St.  Michael  stammt  nicht  aus  dieser  Zeit;  es  ist  jünger;  erst  Abt  Ruthar, 
gest.  1096,  hat  Kanoniker  bei  St.  Michael  gesammelt,  Dronke,  Trad.  Fuld, 
c.  27  S.  61. 

2)  V.  Eigil.  20  S.  231. 

3)  S.  0.  S.  170. 

4)  Dass  Hraban  schon  vor  804  lehrte,  beweist  Ale.  ep.  142  S.  223: 
Feticiter  vive  cum  pueris  tuis.  Ist  nach  Dümmlers  früherer  Vermutujig 
ep.  88  S.  132  gleichfalls  an  Hraban  gerichtet,  so  ist  anzunehmen,  dass  er 
alsbald  nach  seiner  Rückkehr  aus  Tours  mit  dem  Lehren  begann;  vgl.  oben 
S.  152  Anm.  2. 

5)  Candidus  berichtet,  dass  Hrabanus  magister  die  am  1.  November 
819  erfolgte  Dedikation  der  Salvatorkirche  in  Fulda  beschrieb  (V.  Eig.  16 
S.  280;  vgl.  über  das  Datum  Ann.  Fuld.  z.  J.  819).  Darf  man  annehmen, 
dass  Hraban,  als  er  diese  Schrift  verfasste,  magister  war,  so  ist  seine  Er- 
nennung zum  Leiter  der  Schule  vorher  erfolgt. 

6)  Cai-m.  28  v.  19  f.  S.  190. 

7)  Vgl.  Hrab.  ep.  36  S.  470. 

8)  Versus  Johannis  Fold.  Didasc.  (Poet.  lat.  I  S.  392)  v.  7  ff.: 

39* 


—     612     — 

Thatsäclilicli  liatton  die  Fachstudien  das  l'hergewicht  über  die  all- 
gemeinen: Fulda  war  vornehnilieh  theolotfische  Schule.  Als  solche 
war  es  weithin  berühmt.  Wie  einstmals  Hi'aban  als  junjTei-  Mann 
nach  Tours  gezogen  war,  um  Alkuin  zu  hören,  so  kamen  jetzt  aus 
dem  Westen  Jünglinge  nach  Fulda,  um  von  ihm  zu  lernen.  Damit 
er  in  dem  hessischen  Kloster  Theologie  studiere,  sandte  Aldrich 
von  Sens  den  jungen  Servatus  Lupus  zu  Hraban.^)  In  Weissen- 
burg-)  nnd  Reichenau.'^)  in  St.  CTallen^)  und  Ellwangen."*)  auf  den 
bischöflichen  Stühlen  von  Halberstadt ^)  und  Regensburg')  begegnet 
man  später  M;innei*n.  die  in  Fulda  gebildet  worden  waren.  Weit- 
hin über  Deutscldaud  erstreckte  sich  somit  der  EinHuss  dieser 
Schule. 

Zu  den  Gehilfen  Hrabaus  gehörte  der  vorhin  genannte  Samuel, 
sein  Mitschüler  in  Tom-s,^)  der  Mönch  Candidus,  ein  Zögling  Ein- 


Nam  quia  Virgilium  nobis  in  mente  reducis, 

Horreo  valde  suum  nee  precor  eloquium. 
His  placeat,  quibus  omne  malum  delectat  adire; 
Illius  in  scriptis  invenietur  enim. 
1;  Lup.  op.  1:    A    praefato    ppiscopo   ad  venerabilom  Rabannm  direc- 
tus sum,  uti  ab  eo  ingressum  caperem  divinarum  scripturarum. 

2)  Otfrid  war  ein  Schüler  Fuldas  (Zuschrift  an  Lintbert,  Krist  ed. 
Piper  S.  11). 

.3)  Walahfrid,  Carm.  9  Überschrift  S.  358:  Ad  Maiirnm  Hrabanuni  ab- 
baten! Fuldensera,  magistrum  suum. 

4)  Die  Annahme  liegt  nahe,  das«  die  Kreundschaft  zwisi-hen  Otfrid 
und  den  St.  Gallern  Hartmut  und  Werinbert  daher  stammt,  dasa  sie  siimt- 
lich  Schüler  Hrabans  waren  (s.  das  Widmungsgedicht  des  Krist  an  beide, 
Piper  S.  685  ff.  besonders  S.  695). 

5)  Dor  Mfinch  Ermanrich  war  ein  Schüler  Rudolfs,  s.  seinen  Brief  an 
diesen  (MJt.  Scr.  XV  S.  155).  Wahrscheinlich  war  auch  Gundram,  Hrabans 
Neffe,  in  Fulda  gebildet.  Ermanrich  lobt  ihn  als  iirbanitate  ac  muniraento 
divinorum  eloquiorum  coraptus  necnon  et  in  coturno  sublimis  (ep.  ad.  Gundr. 
1.  c.  S.  153).  Er  trat  in  die  königliche  Kapelle  ein  und  erhielt  das  Klostor 
Solnhofen  (S.  154).  Mönch  war  er  jedoch  nicht  (ep.  Gundr.  ad  Ermanr. 
S.  1.54:  Licet  divprso  habitu,  uno  tarnen  serviamus  domino).  Der  bekann- 
teste Schüler  Fuldas  ist  der  Mönch  Gottschalk;  der  vornehmste  Karls  un- 
glücklicher Enkel  Bernhard,  s.  Dümmler,  ep.  Fiildens.  Fragm.  1  M.6.  Ep.  V 
S.  517. 

6)  Hemmo  vnn  Hall)er8ladt  war  Hrabans  Mitschüler  iHrab.  de  univers. 
praef.  opp.  V  S.  11,  auch  ep.  36  S.  470). 

7)  Bischof  Battirich;  er  stammte  ans  Baiern  (Hrab.  carm.  11  v.  6 
S.  173),  war  aber  Mönch  in  Fulda,  ehe  er  i.  .1.  817  das  Bistum  erhielt  (ep. 
Fuld.  2  Frapm.  2  S.  517  f.),  unter  Ludwig  d.  D.  fungierte  er  als  Erz- 
kapellan (1.  c). 

8)  Hrab.  carm.  28  v.   13  ff.: 


—     G13     — 

hards,^)  und  der  sonst  kaum  gekannte  Mönch  x\skrich.-)  Der 
letzte  bedeutende  Lehrer  Fuldas  war  Hrabans  Schüler  Rudolf.  Er 
sowohl  als  Candidus  war  auch  als  Maler  angesehen.^)  Mit  Ru- 
dolfs Tode  begann  der  Ruhm  Fuldas  zu  erbleichen,  wenn  auch 
nach  Avie  vor  Unterricht  erteilt  wurde.*)  Wie  mangelhaft  er  war, 
lehrt  das  Wenige,  was  im  Kloster  in  den  letzten  Jahizehnten  des 
neunten  Jahrhunderts  geschrieben  wm-de.  Man  wusste  die  latei- 
nische Sprache  nicht  mehr  frei  und  ungehindert  zu  handhaben. 
Die  litterarische  Thätigkeit  des  Klosters  musste  erlahmen;  schhess- 
lich  hörte  sie  ganz  auf. 

Die  Arbeit  in  der  Schule  von  Fulda  wurde  unterstützt  durch 
die  reiche  Büchersammlung,  welche  das  Kloster  besass.  Ihre  An- 
fänge   reichten   wie    die    der  Schule    in    die  Gründungszeit  zurück. 


Quoiiclam  nempe  meum  gaudebam  te  esse  sodalem 

Inter  lectores,  frater  amate  mihi; 
Nunc  quoque  te  gratulor  retinere  iura  magistri, 
Crescere  virtute,  patris  habere  locum. 
Lector  v.  14    wird    in    diesem   Zusammenhang    im    Sinne    von    Lehrer    ver- 
standen werden  müssen;  so  heisst  auch  Colcu,  den  Alkuin  als  magister  be- 
zeichnet   (7  f.  S.  32  f.),    bei    Simeon    Dunelmensis    ^presbyter    et    lector"  (s. 
JaflFes  Anm.  zu  ep.  7). 

1)  In  der  Vorrede  zu  dem  Leben  Eigils  erzählt  Candidus:  Cum  illi 
(Hrabano)  querebur,  quia  non  haberem  quemquam  mecum  consociorum, 
tum  quo  in  divina  lectione  disputando  et  legendo  proficere  potuissem,  tale 
mihi  responsum  proferebat:  Exerce,  inquit,  temetipsum  legendo  et  aliquid 
utilitatis  adde  dictando.  Nam  dum  ego  ibidem,  ubi  nunc  ipse  moraris, 
quondam  commanerem,  librum  .  .  In  laudem  s.  crucis  .  .  incepi.  Bei  den 
Worten  „Ibidem,  ubi  nunc  ipse  moraris,  hat  man  wohl  an  die  Knaben- 
schule zu  denken.  Hraban  hatte  ebenfalls  über  das  Amt  des  Schulmeisters 
geseufzt:  Horum  (der  Kirchenväter)  lectioni,  schrieb  er  an  Erzbischof  Hai- 
stulf,  intentus,  quantum  mihi  prae  innumeris  monasticae  servitutis  retina- 
culis  licuit  et  pro  nutrimento  parvulorum,  quod  non  parvam  nobis  ingerit 
molestiam  et  lectionis  facit  iniuriam,  ipse  mihi  dietator  simul  et  notarius 
et  librarius  existens,  in  schedulis  mandare  curavi  etc.  (opp.  I  S.  729).  Über 
das  Schülerverhältnis  zu  Einhard  vgl.  Cat.  abb.  Fuld.  (M.G.  Scr.  XIII  S.  272). 

2j  Ann.  necr.  Fuld.  app.  Scr.  XIII  S.  217;  als  Bote  Hrabans  erwähnt 
Hrab.  ep.  42  S.  481;  Ann.  Fuld.  z.  844  S.  35.  Dümmler  hat  S.  31  auf  ihn 
aufmerksam  gemacht. 

3)  Vgl.  Hrab.  carm.  72  v.  12  S.  226:  Rodulph  pictor;  Cand.  Vit.  metr. 
Aeig.  XVII  V.  131  S.  112.  Als  Goldschmied  wird  der  Mönch  Isanbert  ge- 
nannt, Hrab.  c.  72  v.  11. 

4j  In  den  ann.  necrolog.  Fuld.  (M.G.  Scr.  XIII  S.  165  ff.)  findet  sich 
eine  Anzahl  Schülernamen:  873  Thiotmar  scol.  (S.  182),  879  Waninc  scol. 
(S.  184),  885  Eribo  scol.  subd.  (S.  186),  886  Neribo  scol.  (ib.),  888  Irminfrid 
scol.,  Helmfrid  scol.  (ib.). 


—     fiU     — 

Sie  war  nicht  ausschliesslich  theologisch.  Wir  wissen,  dass  Abt 
"Raugnlf  selbst  die  Bucolica  Virgils  abschrieb.^)  Hraban  aber 
rühmt  in  einem  Gedicht  an  den  Bibliothekar  Gerhoh.  dass  sie  die 
gesamte  theologische  uiul  weltliche  Litteratur  umfasse.-)  Er  selbst 
hatte  di\s  Hauptverdienst  an  ihrer  Vermehrung."')  Von  ihrem  Be- 
stände geben  die  erhaltenen  Fragmente  von  Katalogen  kaum  eine 
Vorstellung.  Doch  zeigen  sie  wenigstens  den  Zusammenhang  mit 
Alkuin:  man  besass  eine  JMenge  seiner  Schriften.^)  Wo  die  eigene 
Sammlung  nicht  genügte,  half,  so  lange  Einhard  lebte,  dessen 
Bibliothek  aus.  Die  Mönche  von  Fulda  hatten  einen  Katalog  der- 
selben:^) der  Austausch  von  Büchern  muss  also  ziemlich  lebhaft 
gewesen  sein. 

Was  die  übrigen  fi'änkischen  Klöster  anlangt,  so  sind  nur  ver- 
einzelte Notizen  über  ihre  Schulen  auf  uns  gekommen.  Ein  Ge- 
dichtchen Walahfi'ids  giebt  Zeugnis  von  der  Klosterschule  in 
Weissen])urg,")  die  Vorrede  Christians  zu  seinem  Matthäuskommen- 
tar von  der  zu  Stablo.  Er  hat  in  ihr  zweimal  das  Evangelium 
i\[atthäi  erklärt.')  Aus  einem  Briefe  des  Servatus  Lui)us  erhalten 
wir  Kunde  von  der  Schule  in  Prüm;  er  schickte  drei  Knaben  dort- 
hin, um  die  deutsche  Sprache  zu  erlernen.**)  Wie  in  Fulda  werden 
auch  in  Prüm  die  Alkuinschen  Überlieferungen  ge])flegt  worden 
sein.")     Abt  INlarkward  war  in   Ferneres  gebildet. 

Behauptete  Fulda  unter  den  fränkischen  Klöstern  unbestritten 
den  wissenschaftlichen  Vorrang,  so  erwuchsen  ihm  in  den  Schulen 


1)  S.  Kunstmann,  Hrab.  S.  35. 

2)  Cami.  23  v.  13  flF.  S.  187.  Dümiulor  vermutet,  dase  der  hier  ge- 
nannte Gerhoh  identisch  mit  demjenigen  ist,  der  818  starb  (Ann.  Necrol. 
Vü\(\.  S.  171).  Vgl.  auch  Serv.  Lnp.  ep.  33  S.  98;  er  wünscht  eine  Sueton- 
handschrift  aus  Fulda. 

3j  Cat.  abb.  Fuld.  M.G.  Scr.  XIII  8.  272. 

4)  Becker,  Catalogi  S.  30  f. 

5)  Lup.  Ferrar.  ep.  1  S.  45  f.;  5  S.  Rl. 

6)  Carm.  4  v.  43."^  f.  S.  349  f.  an  Grimald. 

7)  Migne  106  8.  1261  ff.  über  ihn  Diimmlor  in  den  SB.  der  Berl. 
Akad.  1891  S.  935  ff.  Er  hat  bewiesen,  dass  Christians  herkömmlicher 
Heiname  Druthmar  kein  Kecht  hat.  Christian  stammte  wahrscheinlich  aus 
dem  südlichen  Burgund  (S.  1401  C  vgl.  1382  D).  Aus  welcher  Schule  er 
hervorging?,  ist  mir  nicht  bekannt.  Ein  Zusaminenbang  mit  Alknin  ist 
nicht  any.unohmon,  da  ihm  der  Johanneskommentar  Alkirns  nnboknnnt  war 
(8.  d.  Prolog  S.  1263). 

8)  Ep.  33  S.  98.  Vgl.  ep.  68  S.  136:  Cuiu8  (des  Deutschen)  usum  hoc 
tempore  pemecessarium  nemo  nisi  nimis  tardus  ignorat. 

9)  Vgl.  Serv.  Lup.  ej).  69  S.  137:  man  schickte  die  Briefe  Ciceros  nach 
Forrif  rf>s,  damit  sie  mif  cinor  dortigen  Handschrift  verglichen  würden. 


—     ()15     — 

der    beiden    schwäbischen    Klöster     Reichenau     und     St.    Gallen 
Eivalen. 

Der  Aufschwung  der  ersteren  beginnt  schon  in  Karls  Zeit: 
Abt  AValdo  stand  dem  Gelehitenhof  des  Königs  nahe;^)  von  Al- 
kuins  Wissenschaft  suchte  er  für  sein  Kloster  Gewinn  zu  ziehen; 
er  sandte  den  Mönch  Wadilcoz  nach  Tours,  um  Alkuin  zu  hören. 
Auch  den  Bücherbesitz  seiner  Abtei  vermehrte  er  dm'ch  Bezug  von 
Handschriften  von  dort.-)  Später  bewährte  sich  Haito  als  tüch- 
tiger Vorsteher  der  Schule:^)  unter  ihm  studierten  zwei  Reichenauer 
Mönche  bei  einem  berühmten  Schotten,  vielleicht  jenem  Clemens, 
der  die  Hofschule  leitete.*)  Lehrer  in  Reichenau  war  der  Mönch 
Reginbert,'')  der  sich  besonders  durch  die  Vergrösserung  der  Bibliothek 
verdient  machte:  manchen  Kodex  hat  er  selbst  abgeschrieben,")  zahl- 
reiche andere  Bücher  wurden  dem  Kloster  als  Geschenke  übergeben.') 


1)  Er  war  zuerst  Abt  in  St.  Gallen,  wurde  786  Abt  von  Keichenau 
und  806  von  St.  Denis  (Herim.  Aug.  z.  d.  J.  786  und  806);  er  starb  den 
29.  März  813  (Necrol.  Aug.  S.  274;  Ann.  Aug.  bei  Jaffe,  Biblioth.  III  S.  703). 
Verkehr  mit  Karl  ergiebt  sich  aus  Dung.  ep.  1  M.G.  Ep.  IV  S.  570  u.  578. 

2)  Gallus  Öhem,  Chronik  von  Reichenau  (ed.  Barack  1866j  S.  43  f. 
8)  Vis.  Wett.  V.  114  f.  S.  307. 

4)  L.  c.  V.  123  S.  308.  Der  eine  der  beiden  war  der  spätere  Abt 
Erbald. 

5)  Grimald  und  Tatto  nennen  ihn  in  ihi-em  Briefe  praeceptor  (M.G. 
Ep.  V  S.  302  Nr.  3). 

6)  S.  d.  brevis  librorum,  quoa  ego  Reginbertus  .  .  scripsi  aut  scribere 
feci  vel  donatione  amicorum  suscepi  (Becker,  catal.  S.  19),  und  vgl.  die  von 
Dümmler  zusammengestellten  Inskriptionen  von  ihm  geschriebener  Codices 
(Poet.  lat.  n  S.  424). 

7)  Gallus  Öhem  nennt  eine  Menge  Personen,  denen  die  Bibliothek  von 
Reichenau  Zuwachs  verdankte.  Unter  Abt  Johann  oder  Petrus  einen 
Sachsen  mit  Namen  Edefrid  ^der  haut  ettliche  bücher  von  im  in  saxischer 
Zungen  geschriben  hie  verlanssen"  (S.  43).  Unter  Waldo  sandte  Wadillcoz 
aus  Tours  Bücher  nach  Reichenau;  ein  italienischer  Bischof  Lampert,  der 
Mönch  im  Kloster  ward,  ein  Sachse  Hartrich,  Drutmund,  der  Bruder  des 
Abts  Ello  von  Altaich,  die  Priester  Monachus,  Honoman  und  Angser,  die 
Mönche  Theotast,  Pruinc,  Ello,  Hetto,  Crahalith,  Adam,  Hiltimar,  Sigimar, 
Franiurus  ,, haben  alle  bücher  in  die  Ow  braucht"  (S.  44).  Über  Haito: 
,,Man  vindt  ouch  von  im  geschriben,  das  er  alle  sine  bücher,  vor  und  nach 
dem  Bistum  erobert  und  überkouien,  hie  in  disem  gotzhus  verlaussen  habe. 
Under  im  syen  ouch  in  die  Ow  und  in  das  gotzhus  komen  von  andeucht 
und  liebe  gottes  vil  andächtige  ernsthafftig  und  treffenlich  man,  die  mit 
inen  gutt,  eren  und  nämlich  vil  bücher  gebraucht  haben."  Er  nennt  21 
Personen  (S.  50).  Abt  Erlebald  Hess  im  Kloster  und  in  St.  Denis  Bücher 
schreiben;  ausserdem  nennt  Öhem  die  Namen  von  36  Schenkern  (S.  51). 
Ähnliche  Nachrichten  über  Rudhelm  (S.  53).     In  den  Reichenauer  Formeln 


—     H16     — 

Nach  ihm  lehrten  Giimald,  der  spätere  Erzkapelhiii,')  Tatto"-) 
und  Wettin.^)  Ihr  Schüler  war  Walahfrid  Strabo.  der  her- 
YcM'ragendste  unter  den  Lehrern  Reichenaus.  Seine  i)oetischen 
Arbeiten  zeigen,  dass  er  die  römischen  Dichter  in  ähnlichem  Um- 
fange kannte  wie  Alkuin;"*)  aber  auch  in  Reicheuau  war  die  naive 
Freude  an  den  klassischen  Studien  dahin:  mau  verabscheute  das 
Heidnische.  Jener  Mönch  aus  dem  schwäbischen  Kloster,  der  auf 
einer  Pilgerfahrt  nach  Hom  diese  und  jene  antike  Inschrift  in  sein 
Gedenkbuch  eintrug,  konnte  sich  nicht  entschliessen  seine  Blätter 
durch  Erwähnung  des  Heidentums  gleichsam  zu  beflecken.''^)  Unter 
der  Menge  von  Büchern,  die  Regiubert  abschrieb,  ist  die  antike 
liitteratur,  abgesehen  von  Ijehrbüchern,  überhaupt  nicht  vertreten, 
unter  den  Werken,  welche  unter  den  Äbten  Erlebald  und  Kuad- 
helm  neu  erworben  wurden,  allein  durch  Vitruv.")    Auch  er  wurde 


ist   da   und    dort    v,.n  Büchern  die  Rede,    Coli.  C.  9  S.  369;  15  S.  372;  17 
S.  372  f.;  18  S.  373;  22  S.  374. 

1)  Grimald  war  Schüler  der  Hofschule  (s.  o.  S.  186  Anm.  1).  Er 
lehrte  sodann  in  Keichenau;  Ermenrich  und  Walahfrid  waren  seine  Schüler 
(Ermenr.  ep.  ad  Grim.  M.G.  Ep.  V  S.  536  und  567).  Tnter  Ludwig  d.  D. 
wurde  er  Kanzler  (vor  dem  19.  Oktober  833,  s.  die  Urkunde  Wartmann, 
ÜB.  I,  318).  Entweder  von  ihm  oder  schon  von  Ludwig  d.  Fr.  erhielt  er 
die  Abtei  Weissenburg;  als  Abt  wird  er  bereits  am  18.  August  833  bezeichnet 
(Trad.  Wizenb.  S.  148  Nr.  158,  vgl.  Theg.  v.  Hlud.  47  S.  600).  Er  baute 
das  abgebrannte  Klo-ster  wieder  auf  (Martyrol.  Wizenb.  bei  Böhmer  Font. 
IV  S.  311,  vgl.  Walahfr.  carm.  44  S.  393).  Im  Jahre  841  übertrug  ihm 
Ludwig  d.  D.  die  Abtei  St.  Gallen  (Ratp.  cas.  7  S.  67);  im  Jahre  854  oder 
kuiz  vorher  wurde  er  Erzkapellan  (s.  die  Urkunde  Ludwigs  vom  22.  Juli 
854,  Wartmann  II,  50);  er  war  noch  im  Besitze  eines  dritton  Klosters,  man 
weiss  nicht,  welches  (P>menr.  ep.  26  S.  564).  Vgl.  über  ihn  Dümmler,  OFr.  R. 
II  S.  430  IT. 

2)  Tatto  wird  von  Walahfrid  als  sein  Lehrer  bezeichnet  (vis.  Wett. 
j.raef.  S.  302,  v.  881  S.  331,  carm.  13  S.  360). 

3)  Vis.  Wett.  V.  176  tf.  S.  309,  carm.  3  a  S.  334.  Gleichzeitig  wird 
-lor  Mci.Hter  der  Schule  Buntvit  sein,  den  Gallus  ()hem  nennt  (S.  53). 

4j  In  Reichenau  und  St.  Gallen  besass  man  auch  etwas  Kenntnis  des 
(Triechischen,  die  in  Fulda  mangelte;  eine  griechische  Handschrift  der  paul. 
Briefe,  Cod.  F  des  ausgehenden  9.  Jahrhunderts,  stammt  aus  Reichenau 
(8.  Gregory,  Proleg.  zu  Tisch«ndorf  N.T.  e<l.  VIII  S.  30);  cod.  0«'  enthaltend 
die  Hymnen  des  Luk.  Plvangeliums  und  Wc  Fragmente  des  Marcus  und 
Lukas  stammen  aus  St.  Gallen  (1.  c.  S.  28).  Der  in  Reichenau  gebildete 
Ermenrich  zeigt  ein  wenig  anspruchsvoll  seine  griechischen  Kenntnisse 
(carm.  ad  Grim.  v.  31  ff.   S.  212,l 

5;  Jahn  und  Seebode,  Archiv  i.  IMiil.  Bd  V;  vgl.  Mommsen,  Her.  d. 
Loipz.  Ges.  d.  Wiss.  IV  S.  296, 

6)  Becker,  Cat.  Nr.  9  S.  19. 


—     617     — 

ohne  Zweifel  als  Lehrbuch  benützt.  Denn  auch  in  der  Pflege  der 
Kunst  eiferten  die  Mönche  von  Keichenau  denen  von  Fulda  nach. 
Es  gab  eine  Malerwerkstätte  im  Kloster.  Als  Grimald  die  Otniars- 
kapelle  in  St.  Galleu  ausmalen  liess,  benützte  er  Maler  aus 
Reichenau.^)  Ihrer  schönen  neuen  Klostergebäude  freuten  sich  die 
Mönche  so  sehr,  dass  sie  selbst  in  einem  Briefe  an  den  Papst 
nicht  vergassen,  sich  ihrer  zu  rühmen.-) 

Langsamer  entwickelte  sich  die  Schule  von  St.  Gallen.^)  Ihre 
Blüte  fällt  erst  unter  Ludwig  d.  D.  Doch  war  sie  länger  vorbe- 
reitet; die  St.  Galler  Bibliothek  hatte  schon  unter  Abt  Gozbert 
eine  gewisse  Bedeutung  erlangt.^)  Ludwig  übertrug  die  Abtei  an 
Grimald;'^)  da  er  durch  sein  Amt  in  der  Kanzlei  an  den  Hof  ge- 
fesselt w^ar,  so  leitete  sie  als  sein  Vertreter  Otfrids  Freund  Hartmut. 
Nach  Grimalds  Tod  im  Jahre  872  wurde  er  Abt.**)  Unter  seine 
Verwaltung  fällt  eine  sehr  ansehnliche  Vermehrung  der  Bibliothek: 
man  macht  hier  dieselbe  Wahrnehmung  wie  überall,  dass  das 
Interesse  an  den  klassischen  Studien  schwindet:  unter  den  von 
Grimald  geschenkten  Werken  ist  noch  eine  Virgilhandschrift,  da- 
gegen beiludet  sich  unter  den  von  Hartmut  erworbenen  kein  klas- 
sisches Werk  mehr.')  Darf  man  in  Hartmut  einen  Repräsentanten 
der  Schule  Hrabans  sehen,  so  war  dieselbe  doch  in  St.  Gallen 
nicht  allein  herrschend.  Hier  treffen  wir  wieder  auf  die  Thätigkeit 
jener  Kelten,  die  nie  ganz  aus  der  fränkischen  Kirche  verschwanden. 
Es  war  unter  Grimald,  dass  ein  schottischer  Bischof,  Namens  Mar- 
cus, und  sein  Neffe  Möngal,  von  einer  Komwallfahrt  zurückkehrend, 
nach  St.  Gallen  kamen.  Die  Pilger  wollten  nicht  an  den  Reli- 
quien ihres  berühmten  Landsmanns  vorüberziehen,  ohne  ihnen  ihre 
Verehrung  erwiesen  zu  haben.  Im  Kloster  bewunderte  man  das 
vielseitige  Wissen  Möngals  und  Jjeredete  ihn  zu  bleiben.^)     Er  trat 


1)  S.  die  Inschriften  in  d.  Mitth.  der  antiq.  Ges.  in  Zürich  B.  XII  S.  213. 

2)  Form.  Aug.  Coli.  C.  26  S.  377:  Insulam  omni  ornatu  novorum  edi- 
ficiorum  comptam  mediam  reddit. 

Bj  Vgl.  Meier,  Geschichte  der  Schule  von  St.  Gallen  (JB.  f.  Schweizer 
Gescb.  X  S.  35  ff.). 

4)  Vgl.  die  ältesten,  wahrscheinlich  unter  Grimald  hergestellten  Kata- 
loge bei  Becker,  Cat.  Nr.  15  und  22  S.  32  und  43. 

5)  Im  Jahre  841  (s.  S.  616  Anm,  1). 

6)  Grimald  starb  d.  13.  Juni  872.  Hartmut  trat  883  zurück;  er  starb 
d.  23.  Januar;  das  Jahr  ist  nicht  bekannt  (Ann.  Sangall.  mai.  S.  77;  abb. 
S.  Gall.  cat.  S.  35;  Ratp.  cas.  s.  Gall.  8  S.  67;  necrol.  S.  Gall.). 

7)  Becker,  Cat.  23  f.  S.  53  fi". 

8)  Ekkeh.  cas.  s.  Gall.  S.  78.  Er  war  vor  seiner  Pilgerreise  Abt  von 
Bangor  in  Ulster  und  starb  871,  s.  Zimmer,  N.Ä.  XVII  S.  210. 


—     018     — 

an  die  Spitze  der  inneren  Schule,  während  an  der  äusseren  der 
Deutsche  Iso  lehrte.')  Zwei  i^leichzeitige  Leln'er  sind  Wichram '^ 
inid  l{ichl)ert.**)  Schüler  des  Klosters  waren  die  Männer,  die  später 
als  Lehrer  der  Schule  von  St,  Gallen  den  höchsten  Ruhm  ver- 
liehen: Katpert.  und  Notker  der  Stammler,  auch  Bischof  Salomo  III. 
von  Konstanz.  Mit  ihrem  Tode  trat  auch  in  St.  Gallen  ein  Rück- 
gang ein. 

Unter  den  bairischen  Schulen  scheint  die  von  Freising ^)  die 
wichtigste  gewesen  zu  sein.  Wie  das  Bruchstück  eines  PVeisinger 
Katalogs  beweist,''')  legte  man  dort  Gewicht  auf  die  formale  Bil- 
dung. Nach  Sachsen  wurde  die  Gelehrsamkeit  vom  Westen  des 
Reiches  her  verpflanzt.  Der  erste  Lehrer  Corveys,  Anskar,  war 
unter  Adalhard  und  Wala  in  Corbie  gebildet.") 

Die  Einrichtung  der  Schulen,  Methode  und  Art  des  Unter- 
richts und  der  Erziehung  werden  im  Ganzen  überall  die  gleiche  ge- 
wesen sein.  Das  von  Alkuin  gegebene  Vorbild  blieb  herrschend. 
Die  Zucht  war  streng,  ja  hart.  Das  galt  in  höherem  Masse 
von  der  inneren  als  von  der  äusseren  Schule.')  Hatten  die  Zöghnge 
der  letzteren  eine  etwas  grössere  Freiheit,  so  mussten  sie  andererseits 
auch  von  ihren  Eltern  oder  Herren  erhalten  werden,**)  nötigenfalls 
sich  selbst  versorgen.  Wir  hören  von  einem  AVaisenknaben  in  St. 
Gallen,  der  in  seinen  freien  Stunden   um  das  tägliche  Brot  arbei- 


1)  Ekkeh.  cas.  2  S.  92  f. 

2)  Necrol.  s.  Gall.  z.  IS.  Oktober  S.  482;  Wichram  ist  in  den  Urkunden 
bei  Wartmann  Nr.  475  (II  S.  91  a.  860—861),  556  (V  S.  170  a.  872),  697 
(II  S.  299  a.  895*  gnnannt.  Er  ist  der  Verfasser  eines  opusculum  de  com- 
puto  (Studien  und  Mitth.  aus  dem  Benedikt.  Orden  IV,  2  S.  -357  fl".). 

3)  Genannt  in  einem  der  St.  Galler  Kataloge  (Becker  Nr.  23  S.  53). 

4)  Die  Schule  von  Freising  wird  in  den  Freisinger  Urkunden  ein  paar- 
mal erwähnt:  Meichelbeck,  Hist.  Fris.  I,  1  S.  123;  I,  2  S.  83  Nr.  108; 
S.  314  Nr.  613. 

5;  Becker  Nr.   19  S.  41. 

6)  V.  Ansk.  6  S.  26. 

7)  Ekkoh.  cas.  s.  Gall.  S.  78:  (Iso  Salamonem)  delicatius  quasi  cano- 
nicum educ.-/erat.     Walahfr.  Vis.  Wett.  v.  177  f.: 

Cui  fortuna  dodit  scolis  adnectier  illis, 

Quis  gandere   seiet  nitida  et  lasciva  iuventus. 

8)  Cap.  174,  3  S.  357:  Parontes  vel  doniini  singulorum  de  victn  vel 
substaniia  corporali  unde  subsistant  providere  studeant,  qualiter  solacium 
habeant,  ut  propter  renim  inopiam  doctrinae  studio  non  recedant.  Die 
Bestimmung  bezieht  eich  auf  die  Domschulen.  Dass  sie  auch  auf  die 
äusBeren  Klosterschulen  Anwendting  fand,  ergiebt  sich  aus  der  in  der  fol- 
genden Anmerkung  iTw;i()ntfn   Notiz. 


—     619     — 

tete.-^)  Die  Einrichtung  eines  allen  zugänglichen  Unterrichtes,  wie 
sie  Karl  vorgeschwebt  hatte,  scheint  demnach  bald  nach  seinem 
Tode  wieder  ins  Stocken  gekommen  zu  sein. 

Eine  Vorstellung  von  der  baulichen  Anordnung  der  Kloster- 
schulen gewährt  der  Bamiss,  der  unter  Abt  Gozbert  für  den 
Neubau  von  St.  Gallen  entworfen  wurde.  ^)  Die  innere  Schule 
bestand  aus  sechs  grossen  Zimmern,  den  Unterrichts-,  Schlaf-  und 
Krankenräumen,  so\vie  der  Stube  des  Lehrers.  Sie  umgaben  auf 
drei  Seiten  einen  von  offenen  Hallen  umsäumten  Hof;  an  der 
vierten  Seite  stiess  er  an  die  Kirche.  Küche  und  Badehaus 
lagen  etwas  abseits.  Die  äussere  Schule  lag  der  Abtswohnung 
benachbart.  Hier  waren  die  Zimmer  rings  um  eine  grosse  Halle 
angeordnet.  Die  einzelnen  Gemächer  waren  weit  kleiner  als  in 
der  inneren  Schule:  man  forderte  von  den  Zöglingen  nicht  die 
volle  Gemeinsamkeit  des  Lebens  wie  von  den  zukünftigen  Mönchen. 
Auch  das  Haus  des  Lehrers  war  von  den  Schülerwohnungen  ge- 
sondert. 

Wenn  man  in  dem  Unterrichtswesen  dieser  Zeit  das  Fort- 
wirken der  Thätigkeit  Alkuins  wahrnehmen  kann,  so  entfernte 
man  sich  an  einem  Punkte,  wie  es  scheint  überall,  von  der  Linie, 
die  in  Karls  Zeit  inne  gehalten  worden  war.  Das  Deutsche 
wm-de  nicht  mehr  nur  als  ein  unentbehrliches  Mittel  der  Ver- 
ständigung gepflegt,  sondern  man  begann  eine  Art  von  deutscher 
Bildung  zu  erstreben.  Wir  hören  kaum  von  einer  Klosterschule, 
von  der  sich  dies  nicht  nachweisen  oder  vennuten  Hesse.  So  vor 
allem  von  Fulda:  aus  Hrabans  Schule  ist  Otfrid  von  Weissenburg 
hervorgegangen,  einer  der  frühesten  Dichter  in  unserer  Sprache 
und  einer  der  ersten,  der  sie  mit  dem  Auge  des  Philologen  be- 
trachtete. So  weit  verbreitet  war  der  Huhm  des  Klosters  als  einer 
Pflegestätte  deutscher  Bildung,  dass  man  sich  von  Servatus  Lupus 
in  seiner  westfränkischen  Heimat  erzählte,  um  seiner  VorHebe  flu- 
die  deutsche  Sprache  willen  hab  er  Fulda  aufgesucht.  Nicht  minder 
in  Prüm.  Es  wurde  eben  erwähnt,  dass  Servatus  seinen  Neflen 
und  zwei  andere  Jünglinge  zu  Abt  Markward  sandte,  damit  sie  in 
Prüm  deutsch  lernten.'^)  Ebenso  in  den  schwäbischen  und  bairischen 
Klöstern.  Hier  ist  der  Ruhm  St.  Gallens  unbestritten;  aber  auch 
Reginbert  von  Reichenau  schrieb  deutsche  Gedichte  ab  zum  Behufe 
des  Unterrichts  in  der  deutschen  Sprache;*)  in  Baiern  endlich  ent- 


1)  V.  Gall.  II,  39  S.  29. 

2)  Keller,  Bauriss  des  Klosters  St.  Gallen,  Zürich  1844. 

3)  Ep.  6  S.  62;  83  S.  98. 

4)  Becker,  Cat.  Nr.  10,  22  S.  22. 


—     (i20     — 

stand  die  sog.  Hriibansche  Glosse ;M  aucli  (Jtliids  Krist  wurde  dort 
alsbald  gelesen  und  abgeschrieben.-) 

Die  genannten  Schulen  sind  die  J^ildungsstätten  und  Wir- 
kungsstätten der  Theologen  des  neunten  Jahrhunderts.  AVir  ver- 
suchen ihre  Persönlichkeit  und  den  Charakter  ihrer  Theologie  uns 
zu  vergegenwärtigen. 

Kiue  ähnliche  Stellung  wie  früher  Alkuin  nimmt  jetzt  Hra- 
banus  Maurus ")  ein:  er  war  zugleich  der  angesehenste  Lehrer  und 
der  eiuriussreichste  Schriftsteller  Deutschlands.  Aber  wie  verschie- 
den ist  der  Lebensgang  beider:  während  Alkuni  in  die  Fremde 
geführt  wurde,  hat  Hrabaii  beinahe  sein  ganzes  Leben  in  seiner 
Heimat  verbracht:  in  Mainz  geboren/)  erhielt  er  seine  Erziehung 
und  wissenschaftliche  Bildung  in  dem  benachbarten  Kloster  des 
heiligen  Jjonifatius.  Fulda  und  Alainz  waren  dann  auch  die  Orte 
tiir  die  Thätigkeit  des  Mannes.  Unterbrochen  wurde  der  Aufent- 
halt in  der  Heimat  nur  einmal  durch  eine  Studienreise  nach  Tours. 
So  kurz  Hrabans  Aufenthalt  bei  Alkuin  war.  so  gewährte  ei'  ihm 
doch  ein  bleibendes  Vorbild  für  sein  Streben  und  Arbeiten. ''•)  Als- 
bald nach  seiner  Kückkehr  begann  seine  Thätigkeit  in  der  Schule. 
Auch  trat  er  in  den  Klerus  ein:  im  Jahre  801  wurde  er  Diakon, 
814    Priester.")     In    diesem    luhigen    Lebensgang    erschienen    die 


1)  S.  Kögcl,  über  das  Keronische  Glossar,  iy79,  S.  XLVII. 

2)  Bischof  Waldo  von  Freising  Hess  den  Krist  durch  einen  Priestor 
Sigihard  abschreiben  (Meichelbeck,  H.  Fris.  I  S.  155). 

3)  Ich  citiere  nach  Migne  107—112;  die  Gedichte  nach  Poet.  lat.  II; 
die  Briefe  nach  M.G.  E\<.  V;  Kunstmann,  Hrab.  1841;  Bilhr,  G.  d.  r.  L. 
S.  415  fl";  Ebert  S.  120ff.;  Düuimlers  Prooeni.  S.  154  tf.;  ders.,  Hrabanstu- 
dien,  SB.  der  Berliner  Akademie  1898  S.  24  ff.;  Mein  Aufsatz.  P.B.K-  XII 
S    4^>'.)  ff.     Über    die   Namensibrni    Hraban,    d.  h.  der  Habe  Dümmler  S.  26. 

4)  Carm.  97  v.  8  ff .  S.  244  (Selbstverfasstc  Grabschrift  Hrabans  in 
Mainz): 

IJrbe  (luideni  liac  genitus  sum  ac  sacro  fönte  renatus, 

In  Fulda  post  haoc  dogma  .sucrum  didici. 

Quo  nionachus  factus  seuiorum  iussa  sequebar. 
I)er  Beiname  Magnenlius  bezeichnet  Hraban  als  Mainzer;  so  Ebert,  zu- 
stimmend Dümmler.  Das  Geburtsjahr  steht  nicht  fest.  Man  nimmt  776 
an,  da  Hraban  i.  .1.  801  die  Diakonenweihe  erhielt  Dümmlt'r  hält  ein 
späteres  Jahr,  etwa  784  für  wahrscheinlicher  (8.  27).  Entscheiden  lässt 
eich  nicht.  Die  Familie  gehörte  dem  fränkischen  Adel  an  (s.  die  Grab- 
schrift für  Hrabans  Bruder  Tutin  c.  9ß  v.  3  8.  24!^  und  vgl.  Diimmler 
S.  28). 

5)  Vgl.  oben  8.  152  Anm.  2.  Dass  ihm  Alkuin  den  Beinamen  Maurus 
gab,  erwähnt  er  selbst,  ep.   14  8.  40'6. 

6)  Ann.  Lnuriss.  min.  z.  dd.  JJ. 


—     621     — 

Misshelligkeiten  zwischen  Abt  Ratgar  und  den  Mönchen  schon  wie 
ein  grosser  Sturm.  Auch  Hraban  hatte  unter  dem  herrischen 
Wesen  des  Abtes  zu  leiden.  Aber  sein  gelassener  Gleichmut 
wusste  sich  in  das  Unangenehme  und  Kränkende  zu  fügen.  ^)  Um 
so  freundlicher  gestaltete  sich  sein  Leben  unter  Abt  Eigil:  war 
es  für  diesen  eine  Freude,  mit  dem  gelehrten  Genossen  zu  dispu- 
tieren oder  der  Unterredungen  anderer  mit  ihm  zu  lauschen,-)  so 
sah  Hraban  in  Eigil  den  Lehrer  und  den  Freund,  den  zu  lieben 
er  nie  aufhören  werde. •^)  Jetzt  konnte  er  sich  seiner  Neigung 
gemcäss  ganz  den  gelehrten  Studien  widmen.  Zu  der  Lehrthätig- 
keit  gesellte  sich  bald  auch  eine  umfassende  litterarische  Wirk- 
samkeit. Weder  diese  noch  jene  erhtt  einen  Eintrag,  als  Hraban 
nach  Eigils  Tod  im  Jahre  822  die  Leitung  der  Abtei  übernahm.^) 
Jede  Stunde,  welche  er  an  den  Regierungsgeschäften  erübrigen 
konnte,  widmete  er  den  Studien  oder  dem  Unterricht;  das  war  die 
einzige  Leidenschaft  dieses  leidenschaftslosen  Mannes.'^)  Er  kannte 
keine  andere  Arbeit,  die  er  an  Wert  der  htterarischen  hätte  gleich- 
stellen können.  In  der  verzeihlichen  Überschätzung  des  eigenen 
Thuns  mteilte  er,  allein  das  Geschriebene  sei  unvergänglich,  wäh- 
rend jedes  andere  Werk  der  alles  zerstörenden  Zeit  erhege.*^)  Und 
doch  fehlte  es  ihm  nicht  an  praktischer  Begabung.  Den  An- 
forderungen, welche  die  Leitung  des  grossen  Klosters  an  ihn  stellte 
erwies  er  sich  besser  gewachsen  als  Alkuin.  Sein  Schüler  Rudolf 
rühmt  seine  Sorge  für  die  klösterliche  Disziplin  und  für  die  Fort- 
schritte seiner  Schüler.  Besonders  aber  lag  ihm  die  religiöse  Unter- 
Aveisung  des  Volks  in  den  zum  Kloster  gehörigen  Ortschaften  am 
Herzen:  er  selbst  hat  gepredigt;  er  vermehrte  die  Zahl  der  Priester 
auf  dem  Lande,  nicht  minder  die  Zahl  der  Kirchen.")  Rudolf 
giebt  an,  dass  dreissig  Oratorien  in  verschiedenen  Bistümern  unter 
ihm  erbaut  worden  seien.-)  Xach  wie  vor  bHeb  Fulda  der  wich- 
tigste Sitz  der  Kunst  in  Deutschland.     Hraban  vollendete  den  von 


1)  Carna.  20  S.  185,  Bitte  an  Ratgav  um  Zurückgabe  der  ihm  wegge- 
nommenen glossi  parvique  libelli.  Auch  carm.  40  S.  204  f.  spricht  doch 
mehr  Betrübnis  als  Ingrimm  aus. 

2)  V.  Eigil.  20  S.  231. 

3)  Carm.  22  v.  7  ff.  S.  187. 

4)  Ann.  Fuld.  z.  d.  J.  Eigil  starb  am  15.  Juni  822,  cat.  abb.  M.G. 
Scr.  Xni  S.  273. 

5)  Rudolfi  mirac.  sanet.  in  Fuld.  eccl.  transl.  1  S.  330;  vgl.  c.  15 
S.  340. 

6)  Carm.  21  S.  186. 

7)  Mir.  sanct.  1  S.  330. 

8)  L.  c.  14  S.  340. 


—     622     — 

Ei^'il  bei^'onneiieii  Neubau  des  Klosters:  uuu  entstanden  offene 
Hallen  an  den  Höfen:  die  Kirche  erhii-lt  reichen  Schmuck  an  niu- 
sivischen  Bildern  und  Teppichen;  ^)  ilhnhch  wurde  die  von  Hraban 
selbst  erbaute  Kiix-he  in  Rasdorf  verziert.")  Dazu  kam  die  Her- 
stelhmjSf  prächtiger  Altarbaldachine  und  l{t4i(iuieuschreine.  Maler 
und  Mosaicisten,  Goldschmiede  und  Erzgiesser,  Sticker  nnd  KaUi- 
graphen  wirkten  zusammen :  •')  man  hat  den  Eindruck  der  frischesten, 
erfolgreichsten  Tliätigkeit. 

Zwanzig  Jahre  lang  stand  Hraban  an  der  Spitze  des  Klostere; 
dann  legte  er,  vielleicht  nicht  ganz  freiwilhg,  seine  Würde  nieder. 
Er  war  kein  })olitischer  Abt;  das  wäre  ebenso  gegen  seine  Natur 
wie  gegen  seine  Überzeugungen  gewesen:  er  beklagte  es  als  Unrecht, 
wenn  die  Träger  kirchlicher  Amter  sich  zu  ijolitischer  Tliätigkeit 
drängten.'*)  Aber  schwankend  in  seinen  ])ohtischen  Überzeugungen 
war  er  nicht.  Er  gehörte  zu  den  Anhängern  des  Einheitsgethmkens 
des  Reichs.  So  lange  Lud\\ag  d.  Fr.  lebte,  hat  er  in  Treuen  an 
ihm  gehalten:  auch  in  der  schlimmsten  Zeit  zweifelte  er  nicht, 
welche  Stellung  er  einzunelnnen  habe.  Nach  Ludwigs  Tod  sah  er 
in  Lothar  den  Erben  des  Reiches.^')  Als  dieser  den  Kampf  mit 
seinen  Brüdern  aufnahm  und  als  Ludwig  den  Treueid  forderte, 
verliess  er  Fulda  und  begab  sich  zu  dem  Kaiser.  Nach  dem  Un- 
terliegen Lothars  wurde  vielleicht  sein  Rücktritt  gefordert,  oder 
hielt  er  ihn  selbst  im    Interesse  des  Klosters  für  rätlich.")    Jeden- 


1)  L.  c.  1.  S.  330:  Monasterium  totum  domibus  aportis  et  habitaculis 
congruentibus  exstruxit  et  ecclesiam  ex  Uivoiso  metallorum  preciosanimque 
vestium  genera  pulchra  varietate  decoravit.  In  diesem  Zusammenhang 
kann  man  bei  den  vestes,  wie  mich  dünkt,  nur  an  Teppiche  denken,  welche 
unterhalb  der  musivischen  Bilder  an  den  Wänden  aufgchilnf^t  wurden. 

2)  L.  c.  13  S  338.  Wenn  hier  von  picturis  et  diversorium  varietate 
metallorum  die  Rede  ist,  so  scheinen  gemalte  Bilder  neben  den  musivischen 
angebracht  worden  zu  sein. 

3)  L.  0.  3  S.  332;  8  S.  335;  12  S.  337;  13  S.  338;  14  S.  339;  Hrab. 
carm.  61  S.  222  und  besonders  Dronke,  Tradit.  Fuld.  32''  S.  63.  Auch 
Hatto.  Hrabans  Nachfolger,  wusste  die  Kunst  zu  schätzen  (Hrab.  carm.  38 
V    1   S.   196:  Nam  pictura  tibi  cum  omni  sit  gratior  arte). 

4)  Kp.  36  S.  470  an  Hemrao  von  Halberstadt:  Prob  dolor!  nnilti  in- 
veniuntur  huius  tcmporis  viri  ex  ecclesiasticis  personis,  qui  relicto  pracdi- 
candi  officio  et  spiritali  conversatione  in  eo  se  magnos  estimant,  si  terrenis 
negotÜH  preponantur  et  disceptationibus  saecularuim  sepc  inters^int,  ita  ut 
in  eorum  conventibus  quasi  arbitres  presideant  et  eorum  conflictuum  iudi- 
ces  fiant. 

5)  Ep.  28  an  Lothar  S.  444. 

6)  Der  aächs.  Annalist  z.  840  Scr.  VI  S.  575  und  die  Annal.  Yburg. 
z.  d.  J.  Scr.  XVI  8.  4HR  berichten  übereinstimmend,    Hraban  habe  sich    in 


—     623     — 

falls  zog  er  sich  nicht  imgern  aus  einer  Stellung  zurück,  deren 
Glanz  für  ihn  nur  wenig  Reiz  haben  konnte:  er  fühlte  sich  alt 
und  krank.  ^)  Auf  dem  Petersberge  bei  Fulda  hatte  er  eine  Kirche 
und  eine  Zelle  gebaut.  Dort  liess  er  sich  nieder.-)  Seine  Müsse 
eifüllte  er  mit  litterarischen  Arbeiten. 

Ludwig  d.  D.  war  grossdenkend  genug,  den  pohtischen  Gegner 


das  Reich  Lothars  begeben  relicta  quam  habuit  potestate,  die  Brüder 
hätten  ihn  zur  Rückkehr  aufgefordert;  da  er  sich  weigerte,  hätten  sie 
Hatto  erwählt;  dann  sei  Hraban  gekommen  und  es  hätte  nun  eine  fried- 
liche Auseinandersetzung  stattgefunden.  Die  Quelle  der  beiden  Nachrichten 
war  otfenbar  feindlich  gesinnt;  doch  werden  die  Angaben  zum  Teil  richtig 
sein.  So  zunächst,  dass  Hraban  840  Fulda  verliess.  Aller  Wahrscheinlich- 
keit nach  war  der  Grund,  weshalb  er  es  that,  der  von  Ludwig  d.  D.  ge- 
forderte Fidelitätseid,  Ann.  Fuld.  z.  840  S.  31.  Der  Eid  kann  erst  im  Spät- 
jahre 840  gefordert  worden  sein.  Damit  ist  das  Datum  seiner  Flucht  ge- 
geben. Dass  in  Fulda  nicht,  wie  in  St.  Gallen  (Gas.  s.  Galli  7  Scr.  II  S.  67) 
die  Ernennung  eines  neuen  Abtes  erfolgte,  sondern  Unterhandlungen  ein- 
geleitet wurden,  beweist,  dass  die  Mönche  ihm  treu  waren.  Richtig  ist 
ferner  seine  Rückkehr;  sie  erfolgte  im  Frühjahre  841;  am  20.  Mai  urkundete 
er  cum  consensu  et  voluntate  fratrum,  C.D.  S.  239  Nr.  -53.5.  Aber  dass  vor- 
her die  Wahl  Hattos  stattfand,  ist  nun  sehr  unwahrscheinlich.  Im  Sommer 
befand  sich  Hraban  wieder  in  der  Umgebung  Lothars  B.M.  1052  in  Aachen, 
1053  in  Mainz.  Man  könnte  annehmen,  dass  in  dieser  Zeit  Hatto  gewählt 
wurde.  Aber  ep.  30  S.  448  widerspricht:  nach  ihr  ist  Hraban  noch  Abt, 
er  erwartet  die  Ankunft  Ludwigs,  und  sieht  ihr  sehr  unruhig  entgegen. 
Die  Ankunft  Ludwigs  in  Fulda  konnte  Hraban  nur  erwarten,  wenn  er,  als 
Lothar  Ende  August  841  gegen  Frankreich  aufbrach,  Ann.  Fuld.  S.  32,  nach 
Fulda  zurückkehrte.  Ludwig  weilte,  seit  Mitte  August,  wo  er  sich  nach 
Salz  an  der  Saale  begeben  hatte  (Ann.  Fuld.  S.  32),  in  den  rheinischen 
Gegenden.  Darnach  ist  der  Brief  zu  datieren.  Die  Wahl  Hattos  in  Hra- 
bans  zweiter  Abwesenheit  ist  vollends  unwahrscheinlich.  Es  ist  vielmehr 
anzunehmen,  dass  Ludwig  seinen  Rücktritt  forderte,  oder  dass  er  ihn  an- 
bot. Die  Wahl  Hattos  fand  vor  dem  2.  April  842  statt;  an  diesem  Tage 
wird  er  zuerst  als  Abt  genannt,  Dronke  C.D.  S.  242  Nr.  543.  Dass  der 
Rücktritt  als  freiwillig  erscheinen  sollte,  zeigt  Lup.  Ferr.  ep.  21  S.  85: 
Audivi  sarcinam  administrationis  vestrae  vos  deposuisse  et  rebus  divinis 
solummodo  nunc  esse  intentos,  Hatoni  vero  nostro  curam  sudoris  plenam 
reliquisse.  Aber  unrichtig  war  es  doch  nicht,  wenn  ein  jüngerer  Bericht, 
die  Ann.  Hildesh.  z.  J.  842,  bemerkt:  Rabanus  abba  Fuld.  coen.  expulsus 
de  monasterio.  Dass  die  Sache  nicht  in  der  Ordnung  geschah,  zeigt  der 
Satz,  mit  dem  Lupus  schliesst:  Cuius  rei  ordinem  .  .  beatitudinis  vestrae 
literis  expectabo  cognoscere. 

1)  S.  den  S.  622  Anm.  5  angeführten  Brief  an  Lothar;  an  Samuel  von 
Worms  ep.  24  S.  431. 

2)  Rudolf.  1.  c. 


—     624     — 

zu  achton:  wie  es  schoint.  tliat  er  seihst  don  ersten  Sclnitt,  um  ihe 
ahgerissenen  Bezielmngen  wieder  anzuknüpfen.     Wahrscheinlich  im 
Sommer    845,    als    der    König   in    Frankfurt   verweilte,')    berief  er 
Hrahan  zu  einer'  Zusammenkunft  nach  Rasdorf:    man    sprach   von 
theologischen  Dingen;    der  König  wünschte  eine   allegorische   Er- 
klärung   der    in    der  Matutin    gesungenen   Hymnen.     Hraban  war 
noch  zurückhaltend;  er  lehnte  des  Königs  Aufforderung  ab;  es  sei 
niclit  nötig,  dass  er  dasselbe  zweimal  thue;  er  habe  jene  Hymnen 
schon    in    seinen    exegetischen    Werken    erklärt.     Si)äter  reute  ihn 
diese  Antwort  und  er  erfüllte  nun  doch  den  Wunsch  des  Königs.-) 
Indem  er  das  kleine  Schriftchen  Ludwig  übersandte,  versicherte  er 
ihm  zugleich,    so    weit  er  könne,    wolle  er  ihm  gerne   dienen.     Er 
dachte  wohl  nicht,   dass   ihn   Ludwig   beim  Worte   nehmen    würde. 
Dieser    aber    ernannte    ihn,    als    Erzbischof  Otgar    von    Mainz    am 
•_M.  April  847  starb,  zu  dessen  Nachfolger.  =^)     Hi-aban  war  damals 
l)ereits  ein  Siebziger;  doch  stand  er  noch  neun  Jahre  lang  an  der 
Spitze  des  grossen  Erzbistums. 

Was  er  als  Bischof  erstrebte,  kann  man  aus  den  Anordnungen 
der  beiden  von  ihm  abgehaltenen  Synoden  ■*)  sehen.  Man  bemerkt 
leicht,  dass  die  Beschlüsse  der  Synode  von  847  zum  grossen  Teile 
dem  I'rotokoll  der  Mainzer  Synode  von  813  entnommen  sind.  Dort 
waren  (Trundlinieu  gezogen    für   die  Thätigkeit  der  Bischöfe,'*)    die 


1)  S.   die    Urkunden    1343  —  1.34.5    boi   R.M.     Man  kann  ancli   an    don 
Sommer  843  denken,  nach  B.M.  1334 f. 

2)  Brief  an  Ludwig  ep.  33  S.  465. 

3)  Ann.  Fuld.  z.  .1.  847.     Ep.  Fuld.  fragm.  31  S.  .531.  Der  Ordinations- 
tag  war  der  2fi.  Juni. 

4)  M.G.  Cap.  II  S.  173  ff.  Nr.  248  und  249.  Anwe.send  waren  auf  der 
1.  Synode  ausser  Hral.an:  Samuel  von  Worms,  Gozbald  von  Würzbiirg,  Ba- 
turat  von  Paderborn,  Ebo  von  Hildesheim,  Gorbrath  von  Chur,  Hemmo 
(Haimo)  von  Halberstadt,  Waltgar  von  Verden,  Anskar  von  Bremen,  Otgar 
von  ?]ichstädt,  Lanto  von  Augsburg,  Salomo  von  Konstanz  und  Gnbhard 
von  Speier,  also  fast  nur  BischiWe  des  Mainzer  Sprengela.  Nach  Ann.  Fuld. 
z.  d.  J.  fand  die  Synode  Anfang  Oktober  847  statt.  Auf  der  zweiten  waren 
Bischöfe  ans  Ostfranken,  Schwaben,  Baiern  und  Sachsen  anwesend:  Erz- 
bischof Liupramm  von  Salzburg,  die  Bischöfe  Gozbald,  Salomo,  Esso  von 
Chur,  Lanto,  Olkar,  Gebhard,  Hemmo,  Baturat,  Gozbert,  schwedischer  Missi- 
onsbischof,  Erchanfrid  von  Kegensburg,  Harthwig  von  TaHsaii,  Lantfrid  von 
Sehen,  Altfrid  von  Hildesheim,  Liutprand  (vielleicht  ist  Liutbert  von  Münster 
gemeint).  Die  Synode  tagte  am  3.  Oktober  852.  Dies  .Tahr  giebt  Rudolf  in 
den  Fuldischen  .Jahrbüchern  an.  Das  Sydonalprotokoll  hat  widersprochende 
Angaben. 

5)  C.  1:    Notwendigkeit  des   rechten  Glaubens    =    conc.  Mog.  a.  813 
cap.  1;  c.  2:  Kenntnis  der  Kanones  und  Predigt  in  der  Volkssprache.    Die 


—     Ü25     — 

Disziplin  unter  Klerus  und  Laien/)  die  Ordnung  des  kirchlichen 
Besitzes  -)  und  das  Zusammenwirken  der  geistlichen  und  der  staat- 
lichen Obrigkeit.^)  die  er  als  giltig  anerkannte  und  über  die  er 
nicht  hinausstrebte.  Sein  Ziel  war  nur,  den  Zustand  der  Kirche, 
den  Karl  d.  Gr.  hergestellt  hatte,  zu  bewahren  oder  zu  erneuern. 
Die  eigenen,  zum  Teil  durch  die  augenbhckhchen  Verhältnisse  her- 
vorgerufenen Bestimmungen  fügten  sich  leicht  an.  Sie  sind  Zeugen 
dafür,  dass  die  Kirche  unter  den  Nachwirkungen  des  Bürgerkriegs 
noch  manchfach  ütt.^)  Ähnlichen  Inhalts  sind  die  Beschlüsse  der 
zweiten  Synode,  nur  dass  hier  das  Ankämpfen  gegen  UnsittHch- 
keit  des  Klerus  und  gewisse  Volkssünden  noch  mehr  in  den  Vorder- 
grund tritt.'') 


letztere  Bestimmung    =    conc.  Turon.  a.  813  c.  17;    c.  3:    Die  Taufe  nach 
römischer  Ordnung  =  conc.  a.  813  c.  4. 

1)  C.  13,  14,  16:  Beobachtung  der  Regel  von  Seiten  der  Mönche  und 
Kanoniker;  Besitzlosigkeit  der  Mönche,  Amtsführung  der  Äbtissin.  Ana- 
loge Bestimmungen  in  c.  9,  10,  13,  14  der  Synode  von  813;  c.  17  f.:  Schutz 
der  Armen  =  conc.  a.  813  c.  6 f.;  c.  28:  Bestrafung  unzüchtiger  Kleriker  = 
conc.  a.  813  c.  53,  nur  dass  jetzt  als  letztes  Mittel  Bestrafung  durch  die 
weltliche  Gewalt  hinzugefügt  ist;  c.  29:  Verbotene  Ehen  =  conc.  a.  813 
c.  56,  jedoch  mit  Ergänzungen;  c.  30:  Ehen  im  4.  Grad  =  conc.  a.  813 
c.  54,  ebenso. 

2)  C.  10  (Schluss):  Pflicht  der  Zehntleistung  =  conc.  a.  813  c.  38; 
c.  11:  Zehntrecht  =  conc.  a.  813  c.  41. 

3)  C.  4:  Pflicht  der  Eintracht  =  conc.  a.  813  c.  5. 

4)  C.  5:  Verschwörung  oder  Aufruhr  wird  mit  Exkommunikation  be- 
straft; c.  6:  Schutz  für  das  Kirchengut;  c.  7:  Recht  des  Bischofs  auf  die 
Verwaltung  des  Kirchengutes;  c.  8:  Pflicht  der  Kleriker,  das  im  kirchlichen 
Dienst  Erworbene  der  Kirche  zu  vei-machen;  c.  9:  Freilassungen  in  der 
Kirche;  c.  10  (Anfang):  Verteilung  der  Zehnten;  c.  12:  Gegen  die  Simonie ; 
c.  19:  Gegen  ungerechte  Beamte;  c.  20:  Bestrafung  der  Verwandtenmörder; 
c.  21:  des  Kindsmordes  u.  dgl.;  c.  22:  des  Mordes;  c.  23:  des  fahrlässigen 
Todschlags;  c.  24  f.:  der  Ermordung  eines  Priesters  oder  eines  abge- 
setzten Geistlichen;  c.  26 f.:  Seelsorge  an  Kranken  und  Verbrechern;  c.  31: 
Busszucht. 

5)  C.  1  =  conc.  a.  847  c.  5;  c.  2  =  c.  7;  c.  3  (Anfang)  =  c.  10, 
Schluss  =  c.  11,  die  Mitte,  Verfahren  gegen  diejenigen,  welche  die  Lei- 
stung der  Zehnten  verweigern,  ist  neu;  c.  4  ^  c.  6;  c.  5:  Gegen  die  Ver- 
teilung von  Kirchen  in  Privatbesitz;  c.  6:  Gegen  das  Waid  werk  der  Bi- 
schöfe, mit  Bezugnahme  auf  Karlmanns  Kapitulatur  von  742  c.  2;  es  wird 
als  Synodal dekret  des  Bonifa tins  angeführt;  c.  7:  Gegen  mulieres  extraneae; 
c.  8:  Verfahren  bei  Anklagen  gegen  Kleriker;  c.  9.:  Busse  bei  fahrlässiger 
Kindstötung;  c.  10:  bei  Unzucht;  c.  11:  bei  Mord;  c.  12:  Es  ist  zulässig, 
eine  Konkubine  zu  Verstössen,  um  heiraten  zu  können;  c.  13:  Verfahren  bei 
Mordverdacht;    c.  14:    Sonntagsfeier,   aus   Karoli  cap.  28,   81  S.  61;    c.  15: 

Hauck,  Kirchengeschichte.    II.    2.  Aufl.  40 


—     62H     — 

Kiichonpolitisclio  Ziele,  wie  man  sie  in  dieser  Zeit  im  west- 
lichen Kelche  verfolgte,  lagen  Hralian  ferne.  In  dem  "Biscliofs- 
anite  sah  er  vor  allem  die  PHitht  der  Seelsorge.  A\'enn  er  die 
Thätigkeit  eines  ISfain/er  riiorbischofs  mit  den  Worten  schildert, 
er  stärke  dnrch  Lehre  und  ]\[ahnung  die  Gläubigen,  dass  sie 
das,  was  sie  mit  dem  Munde  bekennen,  in  guten  Werken  auch 
üben,  diejenigen  aber,  welche  in  mancherlei  Sünden  verfallen 
seien,  bringe  er  durch  evangelische  Zucht  zurecht,  damit  sie 
durch  die  Busse  wieder  in  ihren  früheren  Stand  hergestellt  wür- 
den,') so  wird  er  selbst  in  diesem  Sinne  gewirkt  haben.  Dass 
er  bedacht  war.  die  Zahl  der  Kirchen  in  seiner  Diiizese  zu  ver- 
mehren, darf  man  nach  dem,  was  Avir  über  seine  Thätigkeit  in 
Fulda  wissen,  vernuiten.-)  Und  dass  die  Klöster  an  ihm  einen 
Schützer  und  Fürsprecher  hatten,  war  nach  seiner  Vergangen- 
heit nicht  anders  zu  erwarten.^)  Auch  die  Sorge  für  die  Armen 
gehöi-te  zum  Bischofsamte;  Hraban  hat  sich  ihrer  nicht  ent- 
schlagen. Ruddlf  erzählt  bewundernd,  dass  während  der  grossen 
Hungersnot  des  Jahres  850  tätlich  dreihundert  Notleidende  an 
seinem  Tische  speisten.'*) 

Hraban  starb  am  1.  Februar  Sö(>  "')  mit  dem  Ruhme,  ein 
frommer   und    gelehrter  Mann   gewesen   zu    sein.")     Mit  Bonifatius 


Nur  den  Verheirateten  schliesst  der  Umgang  mit  einer  Konkubine  vom 
Abendmahl  aus;  c.  16:  Taute  kranker  Kinder;  c.  17:  Parochialzwang:  c.  18: 
Die  Annahme  fremder  Kleriker  verboten:  c.  10:  Simonie;  c.  20:  Wer  einen 
Priester  deshalb  nicht  anerkennt,  weil  er  früher  verheiratet  war,  wird  ver- 
flucht; c.  21:  Ehrerbietung  der  niederen  Kleriker  gegen  die  höheren;  c.  22: 
Während  der  Fasten  sind  nur  Samstags  und  Sonntags  Heiligenfeste  zu- 
lässig; c.  23:  Die  Priester  dürfen  Schauspielen  nicht  anwohnen;  c.  24:  Dio 
Messe  darf  nicht  in  Privatliiiusorn  gesungen  werden;  c.  2."):  Keine  Ordina- 
tion um  rield. 

1)  An  den  Chorbischof  Reginald  (ep.  40  S.  478). 

2)  Erwähnt  wird,  dass  er  am  28.  Oktober  850  die  Wigbertskircho  zu 
Hersfeid  (Ann.  Hildesh.  z.  d.  .!.;  s.  die  Inschriften  Poet.  Lat.  II  S.  228  ff.) . 
und  am  1.  September  852  die  von  Ludwig  d.  D.  gegründete  Salvatorkirche 
in  Frankfurt  weihte  {s.  Düinmler,  OFr.  R.  I  S.  359 f.). 

3)  Ludwig  d.  D.  erneuerte  am  fi.  .Juni  849  auf  seine  Fürsprache  die 
verbrannten  Urkunden  von  Klingenmünster  (B.M.  1351).  Hraban  stellte 
die  abgebrannte  Kirche  wieder  her  (carm.  76,  v.  13  ff.  S.  228).  Kr  empfiehlt 
Fuldische  (Gesandte  an  den  Papst  und  sendet  eigene  Boten  in  Sachen  der 
Privilegien  Fuldas  nach  Rom  (ep.  Fuld.  fragni.  27  S.  528  f.) 

4)  Ann.  Fuld.  z.  d.  .1. 

5)  Ann.  Fuld.  z.  d.  .1. 

R)  Riid.  Mirac.  1  S.  330:  Vir  valde  religiosus  et  in  scri]itnris  divinis. 
adprime  erudHn« 


—     627     — 

und  Alknin  lässt  er  sich  vergleichen;  aber  man  kann  ihn  nicht 
neben  sie  stellen.  Denn  beide  haben  neue  Bahnen  erschlossen; 
er  ist  auf  einem  bereits  eröffneten  Wege  weiter  fortgeschritten. 
Sein  Talent  war  ganz  überwiegend  rezeptiv:  an  Kenntnis  der 
heiligen  Schrift,  der  Idrchlichen  Litteratur  und  des  kirchhchen 
Rechtes  war  ihm  im  fi'änkischen  Reiche  niemand  überlegen,  in 
Deutschland  niemand  gleich.  Er  ist  der  erste  gelehrte  Theologe 
unseres  Vaterlands.  In  bescheidenem  Selbstbewusstsein  freute  er 
sich  dessen.^)  Aber  den  Kreis  des  Wissens,  das  seine  Zeit  be- 
sass,  hat  er  nicht  wesentlich  erweitert,  und  die  Methode  des  Studiums, 
an  die  sie  gewöhnt  war.  hat  er  nicht  verbessert.  Schon  dass  er  des 
Griechischen  unkundig  war.-)  schränkte  sein  Wissen  in  die  bis- 
herigen Grenzen  ein,  und  seine  Gesinnung  hielt  ihn  wie  alle  anderen 
unter  dem  Bann  der  Tradition.  Seinem  Bilde  fehlt  es  etwas  an 
hellen  Farben  und  scharfen  Linien.  Mehr  als  bei  irgend  einem 
der  Männer  aus  der  Umgebung  Karls  tritt  bei  ihm  die  Persön- 
lichkeit des  Schriftstellers  hinter  seinen  Werken  zm'ück ;  nicht  ein- 
mal bei  den  Gedichten  ist  es  anders.  Aber  ist  nicht  gerade  das 
bezeichnend?  Denn  darin  l)eweist  sich  der  schlichte  Mann,  der 
bestrebt  ist,  zu  nützen,  nicht  sich  zur  Geltmig  zu  bringen.  Hraban 
hat  einmal  den  Klerikern  gesagt,  sie  sollten  heber  treffend  als 
beredt  sprechen.-^)  Der  Rat  charakterisiert  ihn.  Er  Avünschte  für 
sich  nichts  Besseres.  Möge  mir,  so  schreibt  er  als  Lehrer,  die 
Gnade  Gottes  gewähren,  dass  ich  den  Knechten  Christi  dieuhch 
sei,  von  solchen,  die  gut  lehren,  lerne  und  diejenigen,  welche  ernst- 
lich arbeiten,  einigermassen  fördere*)  Diese  Schlichtheit  stimmt 
wohl  überein  mit  der  Zuverlässigkeit,  die  sich  in  allem  Thun 
Hrabans  zeigt.  Er  hat  in  seinen  Grundsätzen  nie  geschwankt. 
Auch  dabei  aber  war  er  sozusagen  farblos;  welch  ein  Unterschied 
zwischen  ihm  und  einem  Manne  wie  Agobard!  Während  der 
letztere  ganz  Feuer  und  Flamme  für  seine  Überzeugungen  war, 
zeigte    Hraban    nie    Schwung    und    Begeisterung:    aber  er  bewies 


1)  An  die  Kaiserin  Judith  (ep.  17  a  S.  420):  Studio  sacrarum  orationum 
non  sumus  omnino  vacui.  An  Haistulf  von  der  Schrift  de  inst,  cleric:  Mu- 
nusculum  licet  non  condignura,  tarnen  ut  credo  non  ingratum,  ep.  3 
S.  3Ö5. 

2)  Servatus  Lupus  wandte  sich,  um  gi-iechische  Worte  erklärt  zu  er- 
halten, von  Fulda  aus  an  Einhard  (ep.  5  S.  59). 

3)  De  clericor.  instit.  III,  36  (opp.  I  S.  413) :  Dicat  sapienter  quod  non 
dielt  eloquenter,  potius  quam  dicat  eloquenter,  quod  dicit  insipienter. 

4)  An  den  Mönch  Makarius  bei  Übersendung  des  Buchs  de  comj)uto 
(ep.  4  S.  388). 

40* 


—     628     — 

Treue.  In  der  AVandollosigkeit  seiner  Gesiniiunu  l)onihte  seine 
Stärke.  Sie  konnte  ihn  staiT  und  nn,c;proclit  nmclioii.  Der  ^Nfann. 
der  vom  Fanatiker  nichts  an  sich  liatte,  handelte  dann  wie  ein 
Fanatiker.  Er  war  nicht  im  Stande,  Charaktere,  die  anders  waren 
ids  er,  zu  verstehen,  und  denjenigen  wieder  zu  vertrauen,  in  denen 
er  sich  einmal  getäuscht  hatte.  Der  unghickhclie  Gottschalk  musste 
das  erfahren.  Es  scheint  eine  That  fanatischer  R(»hheit  zu  sein, 
dass  Hrahan  ihm  jede  Möglichkeit  entzogen  wissen  wollte,  schriftlich 
oder  mündlich  seine  Meinung  /u  vertreten,')  dass  er  liet,  dem  Er- 
krankten den  Trost  des  Abendmahls  zu  versagen.-)  Und  doch 
war  Hrahan  nicht  roh,  er  war  nur  vertrauenslos:  Gottschalk  hatte 
sein  Gelübde  als  Mönch  gebrochen,  sein  Amt  als  Priester  verletzt, 
seineu  Beruf  als  Prediger  missbraucht:'*)  was  andei-s  als  Schlechtes 
konnte  man  von  ihm  erwarten?  Männer  wie  Hrahan  kennen  sitt- 
liche Konflikte  nicht:  deshalb  verstehen  sie  nicht,  dass  es  für 
anders  geartete  Menschen  Pflichten  geben  kann,  welche  nicht  auf 
der  gewfihnlichen  Heerstrasse  liegen:  das  Unverstandene  weisen  sie 
von  sich  als  das  Schlechte.  Das  ist  beschränkt;  aber  es  ist  ehrlich. 
Ehrlich  war  Hrahan  auch  in  seiner  Gutmütigkeit  und  Ernsthaftig- 
keit. Jenes  geki'äukte  Nein,  das  er  Ludwig  in  Kasdorf  sagte,  reute 
ihn  schon,  als  er  nach  Hause  ritt.  Alle  Ubeiti'eibung  im  Urteil 
über  die  Menschen  lehnte  er  ab:  nur  Gute,  erinnert<^  er,  giebt  es 
allein  im  Himmel,  nur  Schlechte  allein  in  dei-  Hölle.*)  Wie  un- 
ermüdlich war  er,  den  Anfordei-ungen  zu  genügen,  welche  von 
allen  Seiten  an  seine  litterarische  Produktivität  gestellt  wurden!  Zu 
spotten  verstand  er  nicht;  den  Hohn,  mit  welchem  Gottschalk 
seine  Gegner  Hrabaniker  nannte,  liess  er  unerwidert:  für  ihn  han- 
delte es  sich  um  Recht  oder  Uin*echt.  Alles  l'ngeordnete.  Un- 
methodische stiess  ihn  ab.'"')  Am  wenigsten  konnte  er  je  ernsthafte 
Dinge  leicht  behandeln:  es  widerstrebte  ihm,  sich  bei  einem  Glase 
Wein  über  religiöse  und  tlieologische  Fragen  /u  unterhalten.")  Die 
Ijeichtfeiiigkeit,  mit  der  sich  mangelhaft  ausgebildete  ^länncr  in  den 
Klerus  drängten,  war  ihm  verhasst. ')  Mönch  war  er  von  ganzer 
Seele;    er    lebte     in     den    Anschauungen     nnd     Vorui'teilen     seines 


1)  Ep.  44  S.  496. 

2)  An  Hinkmar  (ep.  43  S.  489). 

3)  Kp.  44  1.  c. 

4)  Kp.  Fuld.  fragm.   16  S.  .522. 

5)  Ep.  4  S.  3S7:    Confusa   series   vim   cognoscendi    abstulit  ot  tedium 
lectionia  invexit. 

6)  De  vidpndo  Deo  (opp.  VI  S.  1262). 

7)  Dr  rleric.  instit.  III.   1   S.  377  ff. 


—     (J29     — 

Standes.^)  Deshalb  war  es  ihm  unmöglich,  eleu  Bedenken  gegen 
die  Darbringung  von  Kindern  für  das  Klosterleben  gerecht  zu 
werden.-)  Er  sah  darin  nur  einen  Angriff  auf  die  chiistHche  Fröm- 
migkeit. Jeder  Widerspruch  gegen  das  Mönchtum  war  ihm  uner- 
träghch.^)  Aber  er  verwarf  deshalb  das  thätige  Leben  nicht:  er 
machte  die  treffende  Bemerkung,  dass  der  Herr  keinen  Tadel  gegen 
Martha  ausspreche.-*)  Und  von  mönchischer  Selbstgerechtigkeit 
hielt  er  sich  frei.  Langsame  und  ebene  Naturen  wie  Hraban  sind 
im  allgemeinen  wenig  Versuchungen  ausgesetzt;  dazu  verlief  sein 
Leben  so  glatt,  dass  man  nicht  vermuten  kann,  dass  er  sich  schwerer 
Verfehlungen  anzuklagen  hatte.  Und  doch,  wenn  er  in  seinen  Ge- 
dichten auf  seine  Sünden  und  die  göttliche  Gnade  zu  reden  kommt, 
so  sind  seine  Verse  weniger  steif  als  gewöhnhch :  dann  meint  man 
mehr  den  Mann  reden  zu  hören  und  weniger  den  wohl  geübten 
Metriker.  ■^)  Auch  für  Hraban  hatte  die  Harmonie  des  Daseins 
Reiz;  er  fand  sie  in  der  ununterbrochenen  HeiTschaft  der  gleichen 
Gesinnung,  in  der  Übereinstimmung  des  Handelns  mit  den  sittlichen 
(Trundsätzen.  Ein  so  geregeltes  Leben  verglich  er  mit  der  Musik : 
der  Kunst,  gut  zu  modulieren.") 


1)  Vgl.    die    interessante   Schilderung    des  Mönchtums    (de   obl.  puer. 
S.  432). 

2)  De  oblat.  pueror.  S.  419,  428. 

3)  L.  c.  S.  430. 

4)  De  purit.  cord.  opp.  VI  S.  1293;    freilich    bin    ich   nicht   ohne    Be- 
denken gegen  die  Authentie  dieser  Schrift. 

5)  Carm.  9  v.  5  ff.  S.  171: 

ßespice  me  miserum,  fienti  et  miseratus  adesto 

Qui  graviter  peccans  aeger  in  orbe  dego. 
Eripe  me  bis,  invicte,  maus,  procul  omnia  pelle, 

Quae  mentem  et  corpus  crimina  dira  tenent: 
Nam  vitam  variis  macularam  erroribus  omnem 

Atque  tuam  legem  spernere  non  timui. 
Lingua,  mente,  manu  commisi  noxia  multa, 

Textus  evangelii  quaeque  vetare  seiet. 
V.  27  ff. 

Nunc,  deus  alme,  tuum  famulum  pietate  sueta 

Conversum  recipe,  quem  dolor  excruciat. 
Sana  contritum,  flentem  solabere  maestum, 

Indulgens,  quaeso,  crimina  cuncta  tuo. 
Da  mihi  spem  venia«,  fac  corda  merentia  laeta 

Commutans  lacerum  iam  facias  placidum. 
Daque  fidem  plenam,  da  spem,  da  j)ignus  amoris, 

Mandataque  tua  corde  manuque  geram. 

6)  De  cleric.  instit.  ITT,  24  S.  401  f. 


—     680     — 

Seine  Schriilstellerei  ortViihmt  dvn  Schüler  Alkuiiis:  wie  jener 
hat  er  Gedichte  gemacht,  ohne  zum  Dichter  geschatten  zu  sein;') 
wie  l)ei  jenem  erwuchs  ein  Teil  seiner  Schriften  aus  (lein  Unter- 
richt und  wai-  für  den  ['nterricht  [bestimmt;-)  wie  jener  war  er 
eifi-ig  in  der  Erklärung  der  heiligen  Schrift.  Zu  den  wichtigsten 
Büchern  des  Alten  und  Neuen  Testaments  hat  er  zum  Teil  sehr 
umfängliche  Kommentare  geschrieben : '')  er  begann  vor  S22  mit  der 
Erklärung  des  Mattliäusevangeliums  und  setzte  diese  Thätigkcit 
während  seiner  Amtsführung  als  Abt  und  Erzbischof  unermüdlich 
fort,  dabei  unterstützt  von  seinen  Schülern,  die  für  ihn  Stellen  aus 
den  Schriften  der  Kirchenväter  sannnelten.^)  Denn  seine  Kommen- 
tare beruhen  wie  die  Alkuins  durchaus  auf  älteren  Werken.'')  Doch 
ist  eine  Verschiedenheit  vorhanden:  Alkuin  bearbeitete,  indem  er  ex- 
zerpierte; bei  Hraban  herrscht  das  wörtliche  Citat.  Er  hatte  ein 
lebhaftes  Gefühl  für  das  litterarische  Eigentum,")  deshalb  unter- 
liess  er  nicht,  seine  Quellen  im  einzelnen  zu  neuneu:  eigene  B<^- 
merkungen  kennzeichnete  er  als  sein  Eigentum.  Alkuin  schloss 
sich  in  der  Regel  an  Einen  Ausleger  an.')  Hraban  hatte  eine  Reihe 
von  Büchern  vor  sich,  aus  denen  er  Stellen  aushob;  jener  suchte 
kurze,  handliche  Werke  darzubieten.  Anlass  zu  seinen  Erklärungen 
gab  ihm  manchmal  der  Umstand,  dass  er  die  alten  Kommentare 
zu  ausführlich  fand:  Hrabans  Arbeiten  sind  weit  umfänglicher:  den 
Matthäus  erklärte  er,  weil  ein  umfassender  und  vollständigei-  K(»m- 
meutar  zu  diesem  Evangelium   fehle.'')     INfan  sieht,  die  Siimine  des 


1)  Vgl.  Ebert,  I-.  d.  M.A.  II  S.  H2W:  Dümmler  8.  29  ft".;  über  dio 
Quollen,  die  Nachweise  in  der  Ausgabe  der  Hedichte  u.  S.  25.  Über  den 
über  de  laudibus  .<<.  crucis  s.  .f.  v.  Schlosser  in  d.  .TH.  der  kimsthist.  Samm- 
lungen etc.  XIII  S.  1  tt'. 

2)  Ebert  a.  a.  0.  S.   126  ff. 

3)  Pentateuch,  historische  Bücher,  .lesajaa,  Jeremias,  Pjzechiel,  Daniel, 
Proverb.,  "Weisheit,  .Jesus  Sirach,  Makkabäer,  Matthäus,  .Johannes ,  Pau- 
linische Briefe  (s.  P.RE.'   XII  S.  4fi3). 

4)  Ep.  23  S.  429:  Adiuvantibus  consortibus  lertinnis  uostrap.  Ebenso 
arbeitete  Alkuin  s.  o.  S.  136. 

ö)  Dümmler  macht  M.G.  Ep.  fV  S.  .588  darauf  aufmerksam,  dass  Hraban 
auch  den  gleichzeitigen  Claudius  von  Turin  benützte. 

6)  An  Haistulf  über  den  Matthäuskommentar  (ep.  .">  S.  389):  Com- 
niodum  duxi  eminus  e  latere  primas  nominuni  (der  Verfasser)  litteraa  ini- 
primere,  perque  has  viritim,  ubi  cuiusque  patrum  incipiat,  ubi  sermo  quem 
traiistuli  desinat,  intimare,  sollicitus  per  omnia,  ne  maiorum  dieta  furari 
et  haec  quasi  mea  propria  componere  dicar.  Das-s  sein  Quellenverzcichnis 
nicht  vollständig  i.st.  bemerkt  Dümmlor  Ep.  V  8.  394   Anm.   1. 

7)  S.  oben  S.   133  f.  Aiiiiiiikiit)f.'<'n. 

8)  Ep.  5  S.  389. 


—     ()31     — 

Wissens  und  des  theologischen  Interesses,  welche  Hraljau  bei  seinen 
Lesern  voraussetzte,  war  grösser,  als  die  Alkuin  erwartete,  ein  Be- 
weis der  fortgeschrittenen  theologischen  Bildung.  Aber  der  Umfang, 
welchen  exegetische  Werke  nun  wieder  gewannen,  musste  ihre  Ver- 
breitung hindern.  Vielleicht,  dass  sich  darauf  die  missgünstigen 
Urteile  über  die  theologische  Litteratur  stützten,  welche  Hraban  nicht 
ohne  Selbstgefühl  zurückwies.^)  Dass  in  den  iVuslegungen,  besonders 
der  alttestamentlichen  Bücher,'-)  die  allegorische  Deutung  herrscht, 
ist  selbstverständhch.  Hraban  fand  sie  bei  seinen  Gewährsmännern 
imd  überlieferte  sie  treuhch  weiter."^)  Galt  sie  doch  als  die  Krone 
alles  Schriftverständnisses.  AVieder  aber  bemerkt  man  den  Fort- 
schritt der  theologischen  Bildung,  wenn  Hraban  sich  nicht  begnügte, 
in  der  eigenen  Auslegung  den  geistlichen  Schriftsinn  darzubieten, 
sondern  versuchte,  die  selbstständige  Anwendung  der  Allegorie  seinen 
Schülern  zu  ermöglichen.  Zu  diesem  Zwecke  stellte  er  eine  Art 
Lexikon  der  in  der  heiligen  Schrift  vorkommenden  allegorischen  Be- 
griffe zusammen.'*)    Li  der  Einleitung  legte  er  die  herrschende  An- 

1)  L.  c.  Magis  parati  sunt  aliena  lacerare,  quam  propria  opuscula 
condere. 

2)  Vorrede  zum  Exoduskomraentar  (opp.  II  S.  9). 

3)  Er  hat  doch  nicht  nur  bei  den  Alten  gelernt.  Ep.  14  S.  403  be- 
merkt er:  Ebraei  cuiusdam,  modernis  temporibus  in  legis  scientia  non 
ignobiliter  oruditi,  opinionem,  quam  ille  dixit  super  huius  libri  (Reg.)  ca- 
pitulis  traditionem  Ebraeorum  habere,  non  paucis  locis  .  .  inserui.  Vgl. 
ep.  18  S.  432. 

4)  Allegoriae  in  universam  sacram  scripturam  (opp.  VI  S.  849  flF.). 
Rudolf  erwähnt  in  seiner  Übersicht  der  Werke  Hrabans  (Mirac.  15  S.  340) 
diese  Schrift  nicht.  Ich  will  darauf  keinen  Zweifel  an  ihrer  Echtheit 
gründen;  denn  auch  sicher  echte  Schriften  werden  von  ihm  übergangen. 
Jedoch  scheint  mir  sicher,  dass  sie  bei  Migne  in  überarbeiteter  Gestalt 
vorliegt.  Der  Beweis  liegt  darin,  dass  das  Inhaltsverzeichnis  und  die  Reih» 
der  Artikel  nicht  übereinstimmt.  Stellen  wie  S.  1071:  „Tres  paradisi:  vo- 
luptuosa  duicedo  invisibilium,  quae  irrigatur  sicut  hortus  deliciarum;  sin- 
cera  puritas  spiritalium,  quae  in  se  conservat  hominem;  deliciosa  veritas 
supercoelestium,  unde  Paulus  audit  verba,  quae  non  licet  homini  loqui," 
klingen  nicht  Hrabanisch,  sondern  jünger.  Bedenklich  bin  ich  auch  gegen 
die  neun  Roden  über  das  Leiden  des  Herrn  (opp.  VI,  1425  ff.j,  die  gleichfalls 
von  Rudolf  nicht  genannt  werden.  Die  Sprache  scheint  mir  nicht  Hraba- 
nisch; eine  so  reichliche  Verwendung  des  Reims  wie  in  dem  letzten  Ka- 
pitel: Tu  in  bis  omnibus  insensatus,  induratus  et  ingratus  haec  vides  et 
rides,  serve  nequam  et  degenerans,  qui  sine  pudore  et  sine  dolore  vides 
coram  te  patibulum  etc.  ist  mir  in  Prosaschriften  Hrabans  unbekannt.  In 
dem  Gedicht  de  fide  cathol.  (Poet.  lat.  11  S.  197)  finden  sich  ebenfalls  viele 
Reime:  aber  wie  ungeschickt  stellt  sich  Hraban  sie  zu  finden,  im  Vergleich 
mit  der  eben  angeführten  Stelle : 


—     (i32     — 

sieht  über  den  vierfachen  Schriftsinn  kui/  dar.  Mau  bemerkt,  dass 
die  bei  der  allegorischen  Auslegung  unvermeidliche  AVillkürlichkeit 
ihm  in  seiner  verständigen  Weise  Bedenken  bereitete;  der  Ge- 
danke lag  ihm  jedoch  ganz  ferne,  an  dem  Rechte  der  Allegorie  zu 
rütteln. 

Ein  Teil  der  exegetischen  Schriften  Hrabaus  war  von  Laien  ver- 
anlasst und  Laien  gewidmet.^)  Dennoch  dachte  idraban  vornehmlich 
an  Kh'rikor  als  seine  Leser.  Li  dem  Widmungsschreihen  seines 
Matthäuskommentars-)  an  Erzbischof  Haistulf  von  Mainz  sprach  er 
die  Bitte  aus,  Haistulf  möge  sein  Werk  der  Geistlichkeit  seiner 
Diözese  empfehlen;  die  Priester,  denen  eine  Bibliothek  fehle,  könnten 
daraus  die  mancherlei  Erklärungen  der  älteren  Schriftsteller  kennen 
lernen.^)  Die  Absicht,  der  Bildung  des  Klerus  zu  dienen,  herrscht 
nun  ausschliesslich  in  einer  zweiten  Reihe  Hrabanischer  Schriften, 
die  zugleich  seinen  eigenen  Anschauungen  näher  führt,  als  es  die 
Kommentare  vermögen. 

Alkuiu  hatte  einst  in  seinem  Buche  über  den  Trinitätsglauben 
eine  eingehende  Darstellung  des  altkirchhchen  Dogmas  gegeben. 
Wir  besitzen  kein  Werk  Hrabans,  das  sich  mit  dieser  Schrift  zu- 
sammenstellen liesse.  Doch  ist  sein  wichtigstes  Werk  ebenfalls  ein 
Lehrbuch,  die  Schrift  über  die  Bildung  der  Geistlichen.^)  Hraban 
verfasste  sie  auf  die  dringenden  Bitten  seiner  im  kirchlichen  Amte 
stehenden  Freunde  und  Schüler,  um  ihnen  Belehrung  Inr  ihre  amt- 
liche Thätigkeit  daizubictcn.'')     Charakteristisch  für  sein   Werk  ist 


Aeterne  reruni  conditor 

Et  clarus  mundi  formator, 

Deu8  in  adiutorium 

Intende  tu  humilium  etc. 
Ange.sicht.s   dessen  scheint   mir  die  Verwendiinpf  des  Reims    in    den    Reden 
nur  vorstündlich,  wonn  gorpiinto  lateinische  Gedichte  schon  lange  verbreitet 
waren. 

1)  Der  Kommentar  zur  Chronik  ist  durch  Ludwig  d.  Fr.  veranlasst, 
die  zu  Judith  und  P^sther  sind  der  Kaiserin  .Tudith  gewidmet;  Ludwig  d.  D. 
hestimrate  ihn  zur  Erklärung  der  biblischen  Hymnen  s.  o.  S.  624. 

2)  Eine  eigentiimlicho  Parallele  zu  diesem  Werk  ist  der  von  Köberlin 
(Progr.  von  St.  Anna  in  Augsburg  1891  S.  19  tt.»  heraungogebene  Kommentar. 
Dass  zu  .5,  22  S.  59  der  jüdische  Gewährsmann  Hrabans  angezogen  wird, 
zeigt,  da.ss  Hraban  spricht.  Die  Vermutung  Traubes,  dass  der  Komm,  eine 
Schülernachachrift  der  Vorlesungen  HraVjans  sei,  hat  viel  für  sich,  NA. 
XVII  S.  458  f. 

3)  Opp.  I  S.  727. 

4)  Opp.  I  S.  29.3  ff. 

5)  Zuschrift  an  Haistulf  S.  295,  auch  Ep.  3  S.  385.     Hraban    übergab 


—     033     — 

mm,  dass  das  Dogmatische  durchaus  in  den  Hintergrund  tritt.  Es 
war  die  Folge  davon,  dass  es  nicht  gelungen  war,  die  religiöse  Be- 
deutung des  altkirchlichen  Dogmas  zu  erfassen.  Hraban  kannte  es; 
er  stellte  es  als  die  Glaubensregel  neben  das  Symbol  und  die  Heilige 
Schrift,^)  Aber  wenn  er  in  der  letzteren  ausschliesslich  religiösen 
Inhalt  fand,-)  und  wenn  ihn  die  Kenntnis  des  Symbols  deshalb  für 
nötig  dünkte,  da  man  in  ihm  den  Glauben  besitzt,'^)  so  schien  ihm 
die  Wahrheitsregel  nur  zu  dem  Zwecke  notwendig,  dass  man  ge- 
wahrt sei  vor  häretischem  Irrtum.*)  Ging  ihre  Bedeutung  darin 
auf,    so    genügte    eine    möglichst   kurze,    gesetzesartige  Zusammen- 


das  vollendete  Werk  Haistulf,    als  dieser  behufs  der  Einweihung   der  neu- 
erbauten Kirche  in  Fulda  war,  1.  November  819. 

1)  II,  53—57  S.  364  ff. 

2)  III,  c.  3  S.  380:  (Scripturam  divinam)  legentes  nihil  appetunt 
aliud,  quam  cogitationes  voluntatemque  illorum,  a  quibus  conscripta  est, 
invenire,  et  per  illas  voluntatem  Dei.  III  c.  4  S.  381:  In  eo  se  exercet 
omnis  divinarum  scripturarum  studiosus,  nihil  in  eis  aliud  invenitur  usquam, 
nisi  diligendum  esse  Deum  propter  Deum  et  proximum  propter  Deum  .  .  . 
Quisquis  ergo  scripturas  sacras  vel  quamlibet  partem  earum  intellexisse  sibi 
videtur,  ita  ut  eo  intellectu  non  aedificet  istam  geminam  charitatem  Dei 
et  proximi,  nondum  intellexit,  quemadmodura  opoi'tebat  eam  scrire.  De  oblat. 
pueror.  (opp.  I  S.  419):  Si  quis  scripturam  sacram  .  .  inspexerit,  non  aliud 
eam  quam  destructionem  infidelitatis  atque  cupiditatis  et  aedificationem 
fidei  ac  charitatis  nobiscum  agei-e  reperiet.  Ähnlich  de  occl.  discipl.  I  (opp. 
VI  S.  1194;  III  S.  1234  u.  ö.).  Daraus  ist  Hrabans  Auslegungskanon  zu 
verstehen :  Quidquid  in  sermone  divino  neque  ad  morum  honestatem  neque 
ad  fidei  veritatem  proprie  referri  potest,  figuratum  esse  cognoscas  (de  der. 
inst.  III,  13  S.  389). 

8)  II,  56  S.  369:  Est  symbolum  signum,  per  quod  agnoscitur  Deus, 
quodque  proinde  credentes  accipiunt,  ut  noverint,  qualiter  contra  diabolum 
fidei  certamina  praeparent;  in  quo  quidem  pauca  sunt  verba,  sed  omnia 
continentur  sacramenta.  De  totis  enim  scripturis  haec  breviatim  coUata 
sunt  ab  apostolis,  ut  quoniam  plures  credentium  litteras  nesciunt,  vel  qui 
sciunt  praeoccupatione  saeculi  scripturas  legere  non  possunt,  haec  corde 
retinentes  habeant  sufficientem  sibi  scientiam  salutarem.  De  eccl.  disc. 
III  S.  1235:  Fidem  ante  omnia  rectam  et  immaculatam  necesse  est  habere, 
et  secundum  apostolicae  institutionis  normam  symbolum  a  sanctis  patribus 
constitutum  memoriter  tenere  et  religiöse  vivere  studero  etc. 

4)  Mit  den  Worten:  Haec  est  post  apostolicum  symbolum  certissima 
fides,  quam  doctores  nostri  tradiderunt,  leitet  Hraban  (de  instit.  cleric.  II, 
57  S.  369j  eine  knappe  Darstellung  des  trinitarischen  und  christologischen 
Dogmas  ein,  an  welche  sich  eine  Reihe  weiterer  Erläuterungen  des  apo- 
stol.  Symbols  anschliesst;  man  sieht,  dass  das  Dogma  gewissermassen  als 
ein  Zweites  zu  dem  Symbol  hinzukommt.  Seinen  Zweck  liest  man  c.  58 
S.  371:    Hoc   cavendum    est   omni  animae  timenti  Deum,  ut  non  a  fide  ca- 


—    (i:u    — 

fassuug.  Aber  wo  sollte  dann  das  Interesse  an  dei-  Erörterung 
des  Dognnis  iierkoniinen,  das  noch  Alkuin  beseelte?  Es  bot  ja 
nicht  einmal  Erkenntnis.  So  vei-flachte  das  theologische  Interesse, 
indem  es  sich  zirgl(>ich  erweiterte.  Der  Kleriker  wurde  nicht  mehr 
zum  Theologen  gebildet,  sondern  zum  Diener  des  Kultus:  er  sollte 
vor  allem  wissen,  wie  man  die  Kultushandlungen  vollzieht  und  was 
sie  bedenten.') 

In  letzterer  Hinsicht  i^t  Hrabans  Unterweisung  umfassend. 
Er  zeigte  sich  ancli  darin  als  Gelehrter,  dass  er  Vollständigkeit 
der  Dai"stellung  erstrebte:  er  beginnt  mit  der  Kirche  und  den 
kirchlichen  Amtern.  behandelt  sodann  die  Kleidung  der  Kleriker, 
ferner  die  Sakramente,-)  die  kirchlichen  Gebetsstunden  und  das 
Gebet  überhaupt.  Fasten,  Almosen  und  Busse,  die  Feste,  den 
Kirchengesang,  die  Lektionen  und  das  Symbol,  woran  sich  ein 
Ketzerkatalog  anschliesst.  So  in  den  beiden  ersten  Küchern:  das 
dritte  P>uch  giebt  einen  Uberl)lick  ül)er  das.  was  der  Kleriker,  um 
sein  Amt  recht  führen  zu  können,  an  wissenschafthcher  Kiklung 
bedarf:  das  Ziel  des  theologischen  Studiums  ist  das  "S^ei-ständnis 
der  Biltc].  Aber  Hraban  zeigt  sich  darin  als  der  echte  »Schüler 
Alkuins,  dass  er  einen  Zwiespalt  zwischen  der  theologischen  Bil- 
dung und  der  auf  dem  Studium  der  antiken  Litteratur  ruhenden 
allgemeinen  Bildung  nicht  z>igiebt:  ähnlich  wie  sein  Lehrer  zieht 
er  aus  der  Verwerfung  des  Heidnischen  nicht  die  Folgei-ung.  dass 
die  heidniscbe  Litteratur  verwerflich  sei;  auch  sie  enthält  Wahr- 
heiten, welche  wie  die  geoft'enbarten  von  Gott  stammen.  F^r  fordert 
für  den  Kleriker  nicht  nur  Unterricht  in  den  sieben  freien  Künsten, 
sondeni  auch  Kenntnis  der  Geschichte,  ja  der  antiken  Philosophie. 
l)ie.se  gesamte  Bildung  aber  soll  den  Priester  befähigen  zu  pre- 
digen; denn  Lehrer  des  \'olks  ist  er  vor  allen  Dingen.  Das  Buch 
schliesst  dem  entsprechend  mit  einer  Anweisung  zur  Predigt,  in 
Avelcher  Hrabans  verständige,  auf  das  Nützliche  bedachte  Art  sich 
klar  beweist.  7 


tholica  decidens  et  relinquens  doctrinam  veritatis,   in    crrores  haereticoruni 
cadat,  quia  hoc  certissimura  mortis  est  ^enus. 

1)  Ein  gowisHer  Fortscliritt  in  der  theologi.sfhcn  Enidition  ist  dabei 
unverkennbar;  man  vergl.  das,  was  Hraban  über  das  Abendmahl  .sagt  (I, 
.31  S.  31fitl'.),  mit  den  ungenügenden  Antworten,  die  Karl  über  die  Taufe 
erhielt. 

2)  Die  Beschreibung  der  Messe  (1,  33  S.  322)  entspricht  nicht  genau 
dem  sog.  Gregorianum. 

3)  Cruel,  Gesch.  d.  d.  Pred.  S.  ."»7,  urteilt  unbillig  scharf,  indem  er  er- 
klärt, Hraban  wiederhole  bloss  die  aus  Augustin  geschöpften  ganz  allge- 
meinen Kegeln  der  Rhetorik,    ohne  spociclle  Anweisungen    für   den    christ- 


—     685     — 

Eine  originale  Arbeit  war  diese  Schritt  Hrabans  so  wenig  als 
seine  Kommentare.  Er  lehnte  es  wie  einen  Vorwurf  ab,  dass  er 
irgend  etwas  Eigenes  geben  wollte;  sein  Ehrgeiz  war.  den  katho- 
hschen  Glauben  und  die  katholische  Überzeugung  überall  zu  wieder- 
holen. Er  habe,  so  schrieb  er  in  der  Vorrede,  Cyprian.  Hilarius, 
Ambrosius,  Hieronymus,  Augustin,  Gregor,  Ckysostomus,  Damasus, 
Cassiodor  und  etliche  andere  Väter  benützt:  bald  Stellen  aus  ihren 
AVerken  wörtlich  in  seine  Schrift  aufgenommen,  bald  ihre  Gedanken 
mit  eigenen  Worten  wiedergegeben;  nur  wo  es  nötig  gewesen  sei. 
habe  er  Eigenes  beigefügt.')  Das  war  nun  einmal  die  Überzeugung 
der  Zeit,  dass  das  in  der  Vergangenheit  Geleistete  unerreichbar 
sei:  (he  Kraft  wurde  dadurch  gelähmt;  denn  die  eigene  Thätigkeit 
beschränkte    sich   auf  die  Auswahl  und  Verbindung  der  Exzerpte. 

Die  Vorstellung,  welche  wir  aus  Hrabans  Schrift  de  insti- 
tutioue  clericorum  von  der  Bildung  der  Kleriker  in  dieser  Zeit 
gewinnen,  wird  ergänzt  durch  seine  zweiundzwanzig  Bücher  über 
das  All.-)  Er  widmete  diese  Frucht  der  Müsse,  welche  er  seit 
seinem  Rücktritte  Aon  der  Abtswürde  genoss,  seinem  Jugendfreund 
Hemmo,  Bischof  von  Halberstadt.  Dem  mannigfach  beschäftigten 
Manne  ■')  sollte  durch  dies  Werk  das  Fortleben  in  der  Wissenschaft 
ermöglicht  oder  erleichtert  Averden.  Auch  hier  hatte  Hraban  nicht 
nur  das  Vorbild  Alterer  vor  Augen,  sondern  entnahm  er  das,  was 
er  sagte,  ihren  Schriften,  besonders  Isidors  Etymologien.  Neben 
ihnen  benützte  er  Beda  und  Hieronymus.'*)  Man  hat  das  Werk 
treft'end  mit  einer  Enzyklopädie  verglichen;  denn  in  einer  grossen 
Menge  kurzer  xA.rtikel  handelt  es  von  allem  dem.  was  Hraban  als 
wissensAvert  betrachtete.     Den  Beginn  machen  theologische  Gegen- 


lichen  Kanzelredner,  so  dass  sein  Werk  in  dieser  Beziehung  völlig  wertlos 
sei.  Um  ein  Beispiel  anzufühi-en,  war  doch  die  Warnung,  man  solle  nicht 
eine  Predigt  lernen  und  dann  hersagen,  sondern  auf  die  Mienen  der  Hörer 
achten  und  bei  jedem  C4egenstande  so  lange  verweilen,  bis  man  an  ihnen 
wahrnimmt,  dass  er  verstanden  sei  (III,  30  S.  408),  in  einer  Zeit  nicht 
wertlos,  in  welcher  die  meisten  Prediger  lateinische  Reden  vor  sich  hatten,  die 
sie  deutsch  wiedergeben  sollten.  Hrabans  Rat  warnte  vor  wörtlichen  Über- 
setzungen. Er  scheint  mir  auch  zur  Beurteilung  der  lateinischen  Muster- 
predigten, die  wir  haben,  nicht  ohne  Wert. 

1)  Opp.  I  S.  296  =  ep.  3  S.  38.5. 

2)  Opp.  V  S.  9  ff.,  ep.  36  f.  S.  470  ff. 

3)  L.  0.  S.  471 :  Neque  mihi  ignotum  est,  qualem  infestationem  habeas, 
non  solum  a  paganis,  qui  tibi  confines  sunt,  sed  etiam  a  populorum  turbis, 
quae  per  insolentiam  et  improbitatem  morum  Tuae  Paternitati  non  parvam 
molestiam  ingerunt. 

4)  S.  Werner,  Alcuin  etc.,  S.  106  f. 


—     ()3(i     — 

stäiule;  GS  iblgeii  sodann  in  langer  Reihe  Gegenstünde  der  Natur- 
geschichte, der  Geograpliie,  der  Teclmik :  mit  einem  Wort  eine 
l'bei-sicht  über  das  reale  AVissen.  das  man  bei  einem  gebildeten 
Manne  voraussetzte.  Die  Kenntnis  der  Sachen  ergab  sich  für 
Hraban  aus  der  Etymologie  der  Worte.  Es  ist  deshalb  begreif- 
lich, dass  er  auch  hier  von  einem  mystischen  Sinn  der  Dinge  reden 
konnte,  er  fügte  nicht  selten  einen  Hinweis  darauf  seinen  Erläute- 
rungen bei:  der  Teil  des  Buches,    welcher  ihm  selbst  angehört. 

Die  Kommentare  und  diese  beiden  Schriften  sind  die  wich- 
tigsten Werke  Hrabans.  Der  ünterscliied  seiner  Zeit  von  der 
Alkuins  tritt  in  ihnen  augenfällig  an  den  Tag.  Der  Umfang  des 
Wissens,  der  im  allgemeinen  vorhanden  war.  hatte  zugenommen: 
man  begnügte  sich  nicht  mehr  mit  Einer  Erklärung  einer  Schrift- 
stelle: man  wollte  womöglich  mehrere:  man  meinte  über  die  ver- 
schiedenartigsten Dinge  unterrichtet  sein  zu  müssen.  Aber  die 
Ai)sicht  zu  forschen  war  noch  mein-  geschwunden,  als  das  l)ei  Al- 
kuni  der  Fall  war:  Hraban  übellieferte  nicht  mehr  Gedankenent- 
wickelungen, sondern  nur  noch  Resultate.  Dazu  hat  sich  der  Kreis 
der  Leser  verengert:  als  Alkuin  lebte,  schien  es,  dass  die  litte- 
rarische Bildung  Eigentum  der  oberen  Klasse  des  Volkes  werden 
würde,  als  Hraban  schrieb,  war  es  entschieden,  dass  nur  der  Klerus 
im   Pjesitz  der  litterarischen   Bildung  bleiben  werde. 

Wir  können  die  kleineren  Schriften  Hral)ans  hier  übergehen:^) 
sie  l)ringen  keinen  neuen  Zug  zu  seiniM*  oder  seiner  Zeit  Charak- 
teristik: nur  seine   Homiliensanunlungen  sind  noch  zu  erwähnen. 

Haistulf  von  Afainz  forderte  ihn  auf.  eine  Sammlung  von  Pre- 
digten für  das  Volk  zu  verfassen.  Hral)an  war  dazu  bereit;  er 
schrieb  nach  und  nach  sicl)zig  Reden,  welche  er  dem  Erzbischof 
einzeln,  so  wie  er  sie  vollendet  liatt«-.  zuschickte.-')  Dass  er  auch  in 
diesen  Reden  nicht  selbstständig  arbeitete,  kann  nicht  Wunder  nelnnen; 
er  folgte  vornehndich  den  unter  Augustins  Namen  verbreiteten  Ho- 
milien  des  Cäsarius  von  Arles.'')  Seine  Thätigkeit  besehränkte  sich 
auf  Auswahl  und  Kürzung  der  frenulen  Arbeiten;  selten  fügte  er 
eine  Ergänzung  bei.  Trotz  dieser  Abhängigkeit  von  einer  äl- 
teren Vorlage  luit  Hraban  seinen  Predigten  eine  bestimmte  Fär- 
bung gegelien:  sie  sind  moralisierend.  Das  tritt  besonders  in 
der  Wahl  <ler  Themen   heivor:    aber   ni.m   liemcrkt  es  am  Ii    in   den 


1)  S.  P.R.E.«  XII  S.  4M  f. 

2)  Opp.  IV  S.  9  ff.  Dio  Widmung  auch  MM.  E]t.  V.  S.  391  Nr.  6. 
Düminler  schreibt  dift  Fredigten  den  ersten  Jahren  von  Hrabans  Thätiglveit 
aU  Abt  zu,  S.  34. 

3)  S.  Cruel,  Gesch.  d.  d.  Pred.  S.  63  tf. 


—     637     — 

Festpredigten.  Für  Weihnachten  z.  B.  giebt  Hraljan  folgende 
Rede.')  Ich  bitte  euch,  dass  ihr  wiUigen  Herzens  die  Worte, 
welche  der  Herr  verleihen  wird,  annehmet  an  diesem  süssen  Tage, 
an  welchem  Eeue  auch  über  die  Ungläubigen  und  Sünder  kommt, 
an  dem  der  Gottlose  berührt  wird  von  dem  Erbarmen,  der  Reu- 
mütige Vergebung  hoft't,  der  Gefangene  an  der  Befreiung  nicht 
verzweifelt,  der  Verwundete  nach  Heilung  sich  sehnt,  an  dem  ge- 
boren wird  das  Lamm,  welches  der  Welt  Sünden  hinnimmt:  Christus 
unser  Heiland,  über  dessen  Geburt  sich  der  inniger  freut,  der  ein 
gutes,  der  ängstlicher  fürchtet,  der  ein  beschwertes  Gewissen  hat, 
der  Gute  brünstig  betet,  der  Sünder  demütig  fleht,  der  süsse,  wahr- 
haft süsse  Tag.  der  allen  Büssern  Vergebung  biiugt.  Ich  ver- 
spreche euch,  Kindlein,  und  bin  gewiss:  wer  aufrichtig  Busse  thut 
und  nicht  wieder  zur  früheren  Sünde  zurückkehrt,  dem  wird  ge- 
geben werden,  was  er  auch  bittet,  nur  bitte  er  im  Glaul)en  ohne 
Zweifel  und  wende  er  sich  nicht  zurück  zum  Gelüsten.  Heute 
wird  die  Sünde  der  ganzen  Welt  weggenommen,  und  ein  Sünder 
sollte  verzweifeln?  Aber  sehet  zu,  wie  beschaffen  die  Busse  sein 
muss;  denn  viele  sagen  beständig,  sie  seien  Sünder,  und  sie  ii'euen 
sich  doch  an  der  Sünde:  das  ist  ein  Zugeständnis,  keine  Besse- 
rn g,  die  Seele  wird  angeklagt,  nicht  geheilt.  Nur  der  Hass  gegen 
die  Sünde  und  die  Liebe  zu  Gott  führt  zu  rechter  Busse,  in  der 
man  sich  so  bekehrt,  dass  man  nicht  wieder  umkehrt,  und  so  be- 
reut, dass  man  die  That  nicht  wiederholt.  Da  heute  der  Herr 
geboren  ist,  liebste  Brüder,  so  wollen  wir  unserem  Heilande  Gelübde 
thun  und  halten.  Wir  wollen  freundlich  und  vertrauend  geloben, 
er  wird  das  Vermögen  geben,  dass  wir  es  halten  können.  Alles 
was  wir  ihm  versprechen,  das  wollen  wu'  von  ihm  erhoffen.  Aber 
niemand  wähne,  dass  ich  bei  diesem  Versprechen  vergängliche  und 
irdische  Dinge  meine.  Denn  jeder  von  uns  soll  das  opfern,  was 
der  Heiland  in  sich  erlöst  hat:  die  eigene  Seele.  Und  wenn  du 
mich  fragst:  Wie  kann  ich  meine  Seele  opfern,  die  er  in  seiner 
Gewalt  hat?  so  will  ich  dir  sagen,  wie:  durch  heilige  Sitten,  keusche 
Gedanken,  nützliche  AVerke.  durch  Abkehr  vom  Bösen  und  Hin- 
kehr zum  Guten,  durch  Flucht  vor  den  Lastern  und  Liebe  zu 
Gott  u.  s.  w.  AhnHch  ^ie  hier  eilt  Hraban  in  den  Predigten  am 
Oster--)  und  Himmelfahrtsfest'")  von  der  Erwähnung  der  gefeierten 


1)  Hom.  4  S.  14.     Die  Rede    ist  ein  Auszug  aus  Augustin  de  temp.  7 
(8.  Cruel  S.  64). 

2)  Hom.  17  S.  34,    aus    Augustin    de   temp.  163  und  136  und  Gregor, 
hom.  22  (s.  Cruel  S.  64). 

3)  Hom.  21  S.  42,    zum    Teil    aus    Augustin    de    temp.    175    (s.    Cruel 
S.   64). 


—     Ü8S     — 

Thatsache  fort  vaw  Autlonlcnniii-  /.ii  Hiisso  und  Hcilimiiiif.  In 
dieser  moralisierenden  Haltung  tragen  die  Predigten  Hral)ans  völlig 
dasselbe  Gepräge,  wie  die  aus  der  Zeit  Karls  d.   (Tr.') 

Während  diese  erste  Sanindung  Reden  olnn'  Text  darbietet, 
enthidt  die  7,\veite  Schrittauslegungen.  Hrahan  scliiifl)  >ie  auf  den 
Wunsch  des  Kaisers  Lothar;-)  aber  nicht  nui-  /.u  dessen  frommer 
Privatlektüre.-')  Auch  diese  HomiljtMi  sind  als  Ansprachen  an  die 
Gemeinde  gedacht,  sie  sollten  wohl  fiii-  die  Hofkapelle  Ijothars 
verwandt  werden.  Da  sie  \'ers  fiir  A'ers  dem  Texte  folgen,  so 
stehen  sie  den  exegetischen  Werken  Hiahans  näher  als  den  aNfahn- 
reden:  zumal  in  der  Erklärung  der  historischen  Texte  hei'rscht  die 
Allegorie.  ]\Ian  wird  ihnen  wenigstens  die  Bedeutung  nicht  ab- 
sprechen dürfen,  dass  sie  zeigen,  in  welcher  Weise  der  Gemeinde 
das  Verständnis  der  kirchlichen  Ticktionen  erschlossen  werden 
sollte.-') 

]\ran  kann  bei  Hrahan  noch  weniger  als  bei  Alkuin  eine  ge- 
schlossene theologische  Gesamtanschauung  erwarten.  Aber  die  Frage 
lässt  sich,  wie  mich  dünkt,  aufwerfen  und  beantworten,  was  von 
den  vielen  theologischen  Gedanken,  die  er  exzerpierte,  thatsächlich 
sein  Eigentum  geworden  ist.  Hierauf  geben  seine  Gedichte  Ant- 
wort. Es  ist  nun  auffiUlig,  wie  wenig  seine  religiöse  Anschauung 
von  den  theologischen  Aussprüchen  beherrscht  wurde.  di(>  er  so  oft 
las  un<l  wiederholte.  Sie  steht  ganz  unter  dem  Eintluss  der  volks- 
tümlichen Vorstellungen. 


1)  Vgl.  den  Rat  an  Humpprt  von  Würzburg:  Quia  per  comessaiioneni 
nliriotatem  et  tuqiia  verba  ac  ioca  in  conviviis  celebrata  säepe  rixae 
oriuntur  atqno  homicidia  perpetrantur,  exceptis  hi.s  quae  latrones  et  ina- 
li<,'ni  homines  quotidie  in  insidiis  ob  cupiditatem  agere  solent.  neceasariuni 
mihi  videtur,  ut  sedula  praedieatione  ab  bis  vitiis  abstinoro  ])lebe8  admo- 
neantur  (Kp.  Fuld.  fragni.  18  S.  524). 

2)  Brief  Lothars,  Hrab.  ep.  49  S.  fyOS,  UrabmiH  .Antwort  S.  504;  Ibiof 
tlrabans  bei  Absendnng  des  2.  Teils  S.  .505.  Der  1.  Teil  dieser  Sammlung 
int  ungedruckl,  aber  bandacliriftlich  vorhanden:  der  2.  Migne  110  S.  135 
gedruckt;  der  3.  ist  entweder  verloren  gegangen  oder  überhaupt  nicht 
verfasst. 

3)  So  Cruel  S.  58;  aber  Lothar  begehrte  eine  Krkläning,  welche  vor- 
golefien  werden  .ioIHp.  Hr.iban  wiin.scht,  dass  sein  Werk  tarn  ad  vestrani, 
quam  ad  vestrorum  utilitateni  proHcuum  sit  (ep.  51  S.  506),  und  richtet  seine 
Kodon  an  die  fratres  canssimi  oder  fratre«  benigni,  oder  fratres  schlechthin. 

4)  Cap.  36,  4  S.  106:  Ut  omnibu.i  fe-stis  et  diebus  dorainicis  unufi- 
quigque  sacerdos  evangelium  Chri.sti  populo  praedicct.  Cruel  scheint  mir 
auih  hier  zu  rasch  fertig  mit  dem  rrteii:  Fiir  die  Geschichte  der  deutschen 
Predigt  hat  das  Werk  Voin^  F',.'dputung  (H.  58'. 


—     639     — 

Christus,  der  König,  das  ist  die  Bezeichnung,  welche  unzähUge 
Male  wiederkehrt.^)  Er  thront  in  der  Himmelsburg,-')  die  Engel 
und  Heiligen  sind  sein  Heer,^)  die  Märtyrer  seine  Gefolgschaft,  die 
unter  dem  Kreuzesbanner  einherzieht ;*)  er  bereitet  für  die  Seinen 
grosse  Belohnungen,  in  seinem  Palaste  werden  sie  sich  einstmals 
ewig  ergötzen,'^)  umgekehrt  erwartet  auch  er  Gaben  von  ihrer 
Hand.*^)  Das  alles  war  ja  nun  freilich  bildlich  gedacht;  aber  das 
Bild  beherrschte  den  Gedanken:  Christus  war  für  den  Glauben 
Hrabans  einfach  der  alles  Gute  gebende  und  wirkende  Herr,  der 
Vertreter  des  unendlichen  Erbarmens  Gottes;^)  er  hilft,  reinigt,  er- 
höht, liebt,  verklärt,  bewahrt,  schützt,  lenkt,  giebt  Liebe  und  Friede, 
heisst  es  einmal.'^)  Es  war  Hrabans  ernster  Lebensanschauung 
durchaus  entsprechend,  dass  er  in  der  Sündenvergebung  die  zentrale 
Gabe  sah:  Christus  giebt  sie,  wie  er  alle  andern  Gaben  giebt. ■^) 
Hrabau  zählt  einmal  auf,  in  wie  mannigfacher  Weise  man  zur 
Sündenvergebung  gelangen  kann;  aber  sie  hört  deshalb  nicht  auf 
Gabe  zu  sein;  deim  alle  diese  Wege  zum  Erbarmen  sind  geöffnet 
durch  die  Gnade  des  Erlösers.^")  Der  Gedanke,  dass  Christus  der 
Heiland  ist,  tritt  ganz  unter  die  Vorstellung  des  rettenden  und 
gebenden  Königs.  Hraban  hat  ein  langes  Gedicht  über  den  katho- 
lischen Glauben  geschrieben;^^)  in  ihm  ist  natürlich  auch  von  dem 
Leben  Jesu  die  Rede:  er  besiegt  den  Teufel  und  beruft  seine 
Jünger,    und   nun    leuchten    weithin    im  jüdischen  Lande  Wunder- 


1)  Selbst    der    „berühmte  König"  fehlt  nicht  (carm.  14  v.  15  S.  177). 

2)  Carm.  28  v.  11  S.  190:  Christus  in  arce  deus.  Man  hat  den  Ein- 
druck, als  gebrauche  Hraban  das  Wort  arx  einfach  wie  wir  Himmel;  de 
laud.  cruc.  8  v.  1  S.  179  liest  man  z.  B.  Christus  rex  arce  serenus;  das 
wird  in  Prosa  wiedergegeben;  rex  mitissimus  in  coelis  regnat  (S.  273). 

d)  Carm.  53  v.  47  S.  218:  Caelicolae  cuncti,  sanctorum  exercitus  om- 
nis;  carm.  18  v.  48  f.  S.  183: 

Qui  sequitur  Christum  gaudebit  in  arce  superna 
Cum  sanctis  pariter  regna  tenendo  iDoli. 
De  laud.  cruc.  3  S.  161:   Sanctorum  angelorum  ordines  et  coelestis  militae 
exercitus. 

4)  Carm.  37  v.  75  ff.  S.  195. 

5)  Carm.  51  v.  2  S.  216:  Christus  in  arce  sedens  praemia  magna  parat; 
vgl.  24  V.  13  S.  188;  18  v.  43  S.  183. 

6)  De  laud.  cruc.  prolog  S.  145. 

7)  Carm.  9  v.  21  f.  S.  181:  Deus  immensae  bonitatis,  verus  amator 
humanae  formae;  vgl.  carm.  12  S.  174  f.;  carm.  39  v.  96  S.  204. 

8)  Carm.  53  v.  47  ff.  S.  218. 

9)  Carm.  12  v.  15  S.  175;  vgl.  de  eccl.  discip.  HI  (opp.  VI  S.  1258  ff.). 

10)  De  niod.  poenit.  23  (opp.  VI  S.  1330). 

11)  Carm.  39  S.  197  ff. 


—     (>40     — 

tliaten  auf:  in  der  ^Menschheit  offenbart  sich,  der  im  Atlier  lierrscht. 
Da  tlielit  die  ganze  Macht  des  alten  Drachen,  da  überall  die  Dä- 
monen Christum  als  Gott  bekennen.  Aber  es  kommt  die  Zeit 
seines  Todes:  Judiia  erhel)t  Krieg  wider  ihn,  sammelt  die  Scharen 
seines  Volkes:  so  wird  er  getötet;  aber  indem  nun  der  Schöpt'ei- 
des  Lichts  in  die  Unterwelt  eintritt,  zerbricht  er  die  Riegel  der- 
selben und  führt  als  Sieger  die  J^eihgen  mit  sich  emi)or:  dann 
ersteht  er  in  Herrlichk(Mt.  als  der  allmächtige  König  der  Könige. 
Das  ist  die  Anschauung,  die  auch  sonst  herrscht:  der  Tod  Christi 
ist  erlösend,  weil  er  der  Sieg  über  Tod  und  Hölle  ist,  weil  Ohristus 
durch  ihn  die  gesamte  Hinunelsherrlichkeit  erwarb,  die  er  den  Seinen 
nun  ausspendet. ^) 

Es  ist  klar,  dass,  wenn  diese  einfache  Vorstellung  dem  reli- 
giösen Bedürfnis  genügte,  die  theologischen  Reflexionen,  welche 
Hraban  nicht  unbekannt  waren,  mehr  oder  weniger  ihren  Wert 
fih-  ihn  verloren.  Dass  sie  ihm  innerlich  fremd  waren,  sieht  man 
aus  dei-  ungeschickten  Art,  in  der  er  sie  verwendet.  In  einer  der 
verdrehten  Figuren  in  dem  Büchlein  vom  Lob  des  heiligen  Kreuzes, 
kommt  Hraban  auf  den  paulinischen  Ausspruch,  dass  Christus  die 
Handschrift,  welche  gegen  uns  war,  an  das  Kreuz  heftete.  x\ber 
wie  versteht  er  den  Gedanken  des  Apostels?  Er  erklärt:  der  Herr 
gi'ündete  die  preiswerte  Lehre  des  Evangeliums,  welches  die  Finster- 
nis der  Sünden  vertreibt,  jede  Unthat  verbietet  und  den  Götzen- 
dienst ganz  verwehrt,  das  ein  ehrsames  Leben  lehrt  und  es  durch 
die  Tugenden  seiner  Prediger  allen  Nationen  unter  dem  Himmel 
emi)tiehlt.-)  Ein  anderes  ]\Ial  verwertet  er  die  Bezeichnung  Christi 
als  des  zweiten  Adam:  er  stellt  gegenüber  den  ersten  Adam,  dei- 
uns  die  Zier  der  Unsterl)lichkeit  raubte,  und  den  andern,  der  vom 
Himmel  zu  uns  kam  und  alle  Herrlichkeit  der  himndischen  Klar- 
heit mit  sich  brachte:  durch  die  Schuld  des  einen  haben  wir  iiu- 
endliche  Leiden  erduldet,  durch  die  Gnade  des  andern  werden  die 
ihm  folgenden  gläubigen  Heerscharen  gerettet  und  erlangen  das 
ewige  Licht.'')  Man  sieht,  dass  von  den  ])aulinischen  und  altkirch- 
lichen Gedanken  nicht  viel  zurückgeldicben  ist.  Dcmgeniiiss  ist 
auch  die  Stellung  Hrabans  zur  rrädcstinationslehre  begreiflich:  er 
hat  nicht  selten  Äusserungen  gethan.  welche  ])rädestinatianisch 
klingen,  aber  er  hat  auch  dann  nicht  i)rädestinatianisch  gedacht. 
Denn    diese    ganze   Theorie    war   für   ihn    unfasslich:    sie    verstiess 

1)  Daher  ist  das  Krenz  das  Siegeszeichen,    carm.  62  ff.  S.  222  ff.,    mid 
sehr  oft  in  don  Gedichten  de  laude  crucis. 

2)  Figur  20,  pro.sai.sche  Bearlteitiing  S.  284. 

3)  Figur  12,  prosaische  Bearbeitung  S.  277. 


—     641     — 

gegen  seine  religiöse  Voraussetzung  von  dem  unendlichen  Erbarmen 
Gottes.  Las  er  sie  bei  Augustin,  dann  hinderte  ihn  seine  Ver- 
ehrung der  Alten  zu  bemerken,  dass,  was  er  las,  seinen  Überzeu- 
gungen widersprach.  Las  er  sie  bei  einem  jungen  Mann  wie  Gott- 
schalk, dann  fühlte  er  es  sofort:  er  achtete  sich  verpflichtet, 
Widerspruch  zu  erheben.  Für  ihn  selbst  lag  der  Gehalt  der  Prä- 
destinationslehre einfach  in  der  Überzeugung,  dass  der  Menschen 
Anfang,  Mitte  und  Ende  in  dem  Willen  und  der  Macht  Gottes 
steht.  1) 

Bestimmter  noch  als  Alkuin  zeigt  Hraban  die  ganze  Schwierig- 
keit, welche  die  Verpflanzung  der  altkirchlichen  Theologie  in  die 
neue  Welt  hatte.  Man  lernte  von  den  Alten;  aber  wenn  es  darauf 
ankam,  das  eigene  religiöse  Bedürfnis  zu  stillen,  so  benützte  man 
das  Gelernte  nicht  oder  nur  unvollkommen.  Man  fand  Befriedi- 
gung in  den  einfachsten  Vorstellungen.  Es  lagen  in  ihnen:  in  der 
zentralen  Stellung  der  götthchen  Gnade  und  der  Sündenvergebung 
und  damit  zusammenhängend  in  der  Unmittelbarkeit  des  Verhält- 
nisses des  Einzelnen  zu  Christo,  Keime,  die  einer  Entwickelung 
fähig  gewesen  wären;  man  war  sich  elessen  nicht  bewusst,  und  hätte 
man  es  bemerkt,  so  hätte  man  nicht  gewagt,  sie  zu  entwickeln:  es 
fehlte  ihnen  ja  der  Stempel  des  Alten. 

Hraban  ist  der  fruchtbarste  und  thätigste  unter  den  theo- 
logischen Schriftstellern  der  deutschen  Kirche  nach  Karl  d.  Gr. 
Alle  anderen  sind  mehr  oder  weniger  unvollkommene  Parallelen 
zu  ihm.  Sie  haben  die  gleichen  Interessen,  befolgen  die  gleiche 
Methode,  vertreten  dieselben  Anschauungen:  es  hätte  jeder  von 
ihnen  jedes  behebige  Werk  des  andern  ebenfalls  schreiben  können. 

Zeitgenossen  Hrabans  waren  Smaragdus  von  St.  Mihiel,  Ama- 
larius  von  Metz  und  Bruun  von  Fulda.  Wie  Hraban  so  begann 
auch  Smaragdus "-)  schon  unter  Karl  d.  Gr.  zu  schreiben :  abgesehen 
von  jenem  Gutachten  über  die  Lehre  vom  heihgen  Geiste,  war  sein 
erstes  Werk  ein  Kommentar  zum  Donat,  um  nicht  zu  sagen:   ein 


1)  Aus  einem  Brief  an  Humbert  von  Würzburg,  Ep.  Fuld.  fragra.  18 
S.  523. 

2)  Seine  Werke  bei  Migne  t.  102,  die  Gedichte  auch  Poet.  lat.  I  S.  605. 
Ebert,  L.  d.  MA.  II  S.  108  ff.,  Zöckler,  P.  RE.2  XII  S.  370.  Über  sein  Leben 
ist  wenig  bekannt.  Dass  er  schon  unter  Karl  angesehen  war,  ergiebt  sich 
aus  dem  oben  S.  33.5  Erwähnten.  Als  Abt  verlegte  er  sein  Kloster  von 
dem  Berg  in  einen  von  ihm  errichteten  Neubau  an  der  Maas  (Chron.  s. 
Mich.  5  M.G.  Scr.  IV  S.  81).  In  Urkunden  Ludwigs  d.  Fr.  kommt  sein 
Name  mehrfach  vor:  816  (B.M.  595,  601,  61.3);  824  (B.M.  764);  826  (B.M. 
811).  Wann  er  gestorben  ist,  steht  nicht  fest;  sein  Epitaphium  Poet.  lat.  I 
S.  605,  auch  in  der  Chronik  v.  St.  Mihiel. 

Hauck,  Kirchengeschichte.   II.    2.  Aufl.  41 


—     642     — 

ins  Christliche  umgesetzter  Donat.^)  A^'ic  sich  schon  daraus  ergieht, 
war  er  ein  gi-animatisch  wohl  geschulter  Mann;-)  amli  die  Gesetze 
der  Met nk  waren. ihm  geläutig:  jedoch  ganz  wie  Hraban  wurde  er 
je  länger  je  mehr  theologischer  Schril'tst(>ller.  Als  Abt  von  St.  Mi- 
liiel  schrieb  er  sein  „Diadem  der  Mönche"/')  ein  Erbauungsbuch, 
bestimmt  zur  Verlesung  im  täglichen  Abendkajjitel.  Auch  Sma- 
ragdus  will  nicht  eigene  Gedanken  geben,  sondern  er  bietet  eine 
Blumenlese  aus  den  Werken  der  orthodoxen  Väter.^)  Dass  er  das 
beschauliche  Leben  über  das  thätige  erhebt,  wird  man  dem  Mönche 
nicht  verargen;  denn  er  ist  entfernt  davon,  das  letztere  zu  ver- 
werten :  ^)  er  verteidigt  sogar  die  weltliche  Thätigkeit  der  Bischöfe 
und  Äbte.")  Aber  sein  sittliches  Ideal  ist  doch  das  asketische:  die 
christliche  Vollkommenheit  l)esteht  in  der  Mortihkation; ")  über- 
haupt treten  die  alten  Anschauungen  über  die  Verachtung  der  Welt 
stärker  hervor  als  in  der  Umgebung  Karls.**) 

Sodann    widmete    Smaragdus    Ludwig  d.  Fr.    ein    Erbauungs- 
buch, den  königlichen  Weg.")     Er   will   den  Weg  lehren,    welcher 


1)  S.  Ebert  S.  108  f. 

2)  Er  scheint  auch  etwas  Griechisch  verstanilen  zu  haben  (s.  Com- 
nient.  S.  722  A.  u.  ö.).  Gross  war  aber  seine  Wissenschaft  nicht  (a. 
S.  724  u.  ö.). 

3)  Da  diese  Schrift  älter  ist  als  die  via  regia,  die  letztere  aber  Lud- 
wig gewidmet  wurde,  ehe  er  die  Kaiserkrone  erhielt,  so  wird  jene  noch 
im  ersten  Jahrzehnt  des  9.  Jahrhunderts  verfasst  sein. 

4)  Prolog.  S.  593. 

5)  C.  24  f.  S.  619. 

6)  C.  46  S.  643:  Ornent  ecclesiam,  qui  solis  rebus  spiritalibus  vacant; 
tegant  ecclesiam,  quos  et  labor  rerum  corporalium  gravat.  Noquaquam  ergo 
contra  rectorem  siuini  exteriora  agonteni  miininnet  is  qui  intra  sanctam 
ecclesiam  iam  spiritualiter  fulgnt  (nach  Gregor  d.  (ir.). 

7)  C.  23  S.  618;  47  S.  644;  68  S.  664;  demgemäss  wird  der  Unter- 
schied zwischen  den  Weltlichen  und  den  Religiösen  bestimmt:  Uli  prae- 
ceptis  generalibus  adstringuntur,  isti  praecepta  generalia  perfectius  vivendo 
transcendunt.  Ad  perfectum  non  sufficit.  nisi  abnegatis  omnibus  suis  etiam 
seipsum  almeget. 

8)  C.  14  S.  610  f.;  c.  20  fr.  S.  616  «F.;  80  S.  674.  In  anderen  Punkten 
bemerkt  man  dieselben  Anschauungen  wie  bei  Alkuin;  so  z.  B.  darin,  dass 
die  Befreiung  von  der  Sünde  einen  Hauptbestandteil  der  religiösen  Re- 
flexion bildet  (c.  lö  ff.  S.  611  tt'.;  33  ff.  S.  627).  Charakteristisch  ist,  dass 
der  Reichtum  des  göttlichen  Erbarmens  .mf  die  Allmacht  gegründet  wird 
(c.  51  S.  648;  vgl.  comment.  S.  708). 

9)  Man  ist  nicht  einig  darüber,  ob  das  Buch  für  Karl  oder  für  Lud- 
wig d.  Fr.  bestimmt  ist.  Neuerdings  hat  sich  Dümmler  für  das  Erstere 
erklärt,  M.G.  Ep.  IV  S.  533   Anm.  1.     Es  ist  richtig,   dass  die  von  ihm  an- 


—     643     — 

den  Herrscher  durch  die  Erfülhmg  der  allgemeinen  Christen-  und 
der  besonderen  Königspflichten  ^)  zur  Erlangung  der  ewigen  Freuden 
tührt.  Als  rehgiöses  Motiv  hebt  er  die  Erfahrung  der  göttlichen 
Liebe  im  geistlichen  wie  im  irdischen  Leben  hervor.")  Es  ist  der 
gleiche  Gedanke,  den  er  dem  König  und  den  Mönchen  ans  Herz 
legt,  wie  er  auch  das  ewige  Leben  beiden  mit  ähnlichen  Farben 
schildert.^) 

Eine  Frucht  der  Klosterreform  war  Smaragds  Kommentar 
zur  Benediktinerregel.*)  Das  Buch  ist  nicht  ein  Kommentar  im 
modernen  Sinne  des  Wortes,  vielmehr  knüpfte  Smaragdus  an  die 
Vorschriften  der  Regel  allerlei  erbauliche  Gedanken;  er  wollte  aus- 
sprechen, was  die  Regel  dem  Einzelnen  zu  sagen  hat.  Vergleicht 
man  diese  Schrift  mit  dem  zehn  bis  zwölf  Jahre  älteren  Diadem 
der  Mönche,  so  wird  sich  eine  Verschärfung  der  mönchischen  An- 
schauungen kaum  verkennen  lassen.  Das  Leben  im  Kloster  und 
in  der  Welt  sind  einander  gegenübergestellt  wie  das  Gute  und  das 
Schlechte,  das  Christliche  und  das  Widerchristliche.'')  Schwerlich 
hat  Smaragdus  seine  Sätze  so  scharf  gedacht,  wie  seine  Worte 
lauten;  aber  dass  er  so  reden  konnte,  zeigt,  welche  Intensität  die 
mönchischen  Überzeugungen  wieder  gewonnen  hatten.  Das  Mönchs- 
leben galt  den  Religiösen  nicht  mehr  als  eine  Art  des  christlichen 
Lebens,  sondern  als  dasselbe  schlechthin ;  der  Eintritt  in  das  Kloster 
ist  das  Gegenbild  der  Taufe, *^)  das  Leben  in  ihm  ist  Nachahmung 


geführten  Äusserungen  auf  Ludwig  bezogen  nicht  glatt  aufgehen.  Anderer- 
seits aber  scheinen  mir  die  amplexus,  quos  nobis  dulciter  regalis  ulna  por- 
rexit,  die  oscula  melliflua  des  Königs,  seine  forma  patiens  et  ornata  recht 
schlecht  auf  Karl  zu  passen.  Ich  halte  deshalb  die  Beziehung  auf  Ludwig 
für  wahrscheinlicher. 

1)  Die  wichtigste  Pflicht  ist  der  Schutz  der  Schwachen  (c.  9  f.  S.  939  ff.). 
An  Unterwürfigkeit  der  Hierarchie  gegenüber  wird  nicht  gedacht,  wohl  aber 
an  die  kirchliche  Aufgabe  des  Königs  (c.  18  S.  958) ;  auch  an  die  Zehnten 
wird  erinnert  (c.  12  S.  958). 

2)  C.  1  S.  935. 
3j  C.  3  S.  940. 

4)  Vgl.  Traube,  Abb.  der  Münch.  Akad.  XXI  S.  646  und  S.  717  f. 

5)  S.  696:  Sunt  milites  saeculi,  sunt  et  milites  Christi  .  .  .  Pugnant 
illi  contra  hostes,  ut  se  et  interfectos  aeternam  perducant  ad  poenam; 
pugnant  isti  contra  vitia,  ut  post  mortem  aeternam  vitam  consequi  possint 
ad  praemia,  etc. 

6)  S.  700:    Adoptione  recepta  filiorum  abrenuntiamus   diabolo  et  ope- 

ribus  eins  et  pompis  eius  in  baptismo;    postea    antem    in    filiorum  numero 

computati  sumus,  quando  per  conversionis  gratiam  relinquimus  munduni  et 

secuti  sumus  Christum,  etc. 

41* 


—     044     — 

des  Gelioi-sams  Christi:  die  Mönche  machen  die  Gewalt  des  Teufels 
zu  nichte,  sie  leben  hier  schon  wie  die  Engel.*) 

Doch  auch  Sniaragdus  fühlte  sich  zum  Dienst  der  Gemeinde 
verpflichtet:  auch  er  wollte  die  Prediger  in  ihrem  Beruf  unter- 
stützen. Er  that  es,  indem  er  eine  Perikopenerklärung  darbot.  Sie 
sollte  ihnen  das  allegoiische  Verständnis  der  Schrifttexte  erleich- 
tern.-) Sie  war  also  tiü'  solche  bestimmt,  die  eigene  Predigten  zu 
verfassen  gewöhnt  waren. 

Amalarius,  ein  Schüler  Alkuins.")  über  dessen  Leben  ein  kaum 
aut'/uhellendes  Dunkel  schwebt,^)  repräsentiert  in  seinen  weitschich- 
tigen Werken  über  die  kirchlichen  Offizien '')  und  die  Ordnung  des 
Antiphonars")  das  durch  die  gottesdienstlichen  Reformen  Pippins 
uiul  Karls  wachgerufene  Interesse  an  den  kirchlichen  Handlungen, 


1)  S.  694f.;  713  f.;  716;  807  u.  ö.  Die  Zusammenstellung  der  Mönche 
mit  der  Urgemeinde  in  Jerusalem  fehlt  nicht  (S.  724). 

2)  Praef.  S.  13:  Cernens  in  ecclesia  plurinios  dinnarum  scripturarum 
mysticos  sagaciter  perquirere  sensus,  earumque  typicos  mavelle  decerpere 
fructus,  hunc  ex  multis  unum  allegoriarum  floribus  plenum  curavi  colligere 
libnim. 

3)  S.  0.  S.  153  Anm.   1. 

4)  Nimmt  man  an,  dass  der  Schriftsteller  Amalar  nicht  dieselbe  Person 
mit  dem  Trierer  Bischof  dieses  Namens  war  (s.  o.  S.  180),  so  ergeben  sich 
folgende  Daten  über  das  Leben  des  Ersteren:  er  war  ein  Westfranke  (vgl. 
das  wiederholte  nostrae  regionis  mit  Bn/.iohung  auf  Alkuin  de  ord.  ant.  58 
S.  1303  und  67  S.  1307),  und  gehörte  dem  Metzer  Klovus  an;  denn  vertraut 
war  er  zunächst  mit  den  liturgischen  Schriften  von  Metz  (ib.  29  S.  1281). 
Welche  Stellung  er  einnahm,  ist  nicht  festzustellen;  denn  den  Bezeichnungen 
Diakon,  Presbyter,  Abt  fehlt  die  Gewähr.  Noch  unter  Leo  III.,  also  vor 
816,  war  er  in  Rom  (de  eccl  off.  III,  42  S.  1160  und  IV,  40  S.  1235,  vgl. 
Einh.  ep.  4  S.  111).  Eine  zweite  römische  Reise  machte  er  i.  .7.  831,  von 
Lu'.wig  bevollmächtigt,  eine  Abschrift  des  römischen  Antiphonars  vom  Papst 
zu  erbitten  (de  ord.  ant.  prol.  S.  1243  und  58  S.  1303).  Inzwischen  muss 
er  zum  Chorbischof  ordiniert  worden  sein;  denn  an  der  Pariser  Synode  von 
825  nahm  er  als  Bischof  teil  (B.M.  794);  auch  die  spätere  Übertragung  der 
Verwaltung  der  Diözese  Lyon  nötigt  zu  der  Annahme,  dass  er  die  bischc'if- 
liche  Ordination  hatte.  Vielleicht  ein  Auftrag  des  Kaisers  führte  ihn  nach 
Konstantinopcl  (de  ord.  ant.  21  S.  1275\  auch  Istrien  und  Unteritalien  hat 
er  gekannt  (Flor.  Mag.  ep.  M.G.  Ep.  V  S.  271). 

5)  Gewidmet  [jidwig  d.  Fr.  Die  Schrift  ist  nach  der  Vormälihing 
Ludwigs  d.  Fr.  mit  Judith  (Februar  819,  s.  S.  988)  und  vor  der  liomreise 
des  Jahres  831  (s.  S.  987)  geschrieben. 

6»  Die  Abfassung  nach  der  zweiten  Romreise  ergiebt  sich  aus  dem 
Prolog  (S.  1243  ff.).  Dass  die  eclogae  de  officio  missae  (S.  1315)  mit  dem 
schön  eingebundenen,  von  Fiorus  Ep.  V  S.  268  so  bitter  verhöhnten  Em- 
bolium  identisch  sind,  halte  ich  für  nicht  unwahrscheinlich. 


_     (j45     — 

Indem  er  die  Herstellung  eines  reineren  Textes  und  die  Annähe- 
rung desselben  an  die  römisclien  Formen  erstrebte,  bewegte  er  sich 
ganz  in  der  Eichtung  Karls  und  Alkuins.  Aber  er  ging  darüber 
hinaus;  denn  seine  Bücher  hatten  zugleich  ein  praktisches  Absehen. 
Wie  man  die  heihge  Schrift  allegorisch  deutete,  so  deutete  er  auch 
den  Kiütus  m  allen  seinen  Bestandteilen.  Dadiu'ch  sollte  er  für 
das  rehgiüse  Leben  fi-uchtbar  gemacht  werden.  ^)  Schwerlich  hätte 
Amalars  Unternehmen  Widerspruch  hei-vorgerufen,  wenn  er  nicht 
als  Verwalter  der  Diözese  Lyon  nach  Agobards  Vertreibung  den 
Versuch  gemacht  hätte,  den  dortigen  Gottesdienst  seinen  Ansichten 
gemäss  zu  reformieren.  Nun  verband  sich  mit  der  herkömmlichen 
Abneigung  gegen  liturgische  Xeuerungen  der  persönliche  Groll 
kirchhcher  Gegner.  Ihr  Wortführer  in  Lyon  war  Florus  Magister;-) 
Agobard  selbst  aber  brachte  die  Sache  an  den  Kaiser,^)  der  die 
Angelegenheit  der  Synode  von  Eaerzi  838  zur  Untersuchung  über- 
wies. Bei  diesen  Verhandlungen  antwortete  Amalar  auf  die  Fi-age 
der  Bischöfe,  wo  er  seine  Lehre  gelesen  habe,  mit  dem  selbst- 
bewussten  Wort:  In  meinem  eigenen  Geiste.^)  Damit  trat  er  je- 
doch nur  scheinbar  aus  der  Reihe  der  traditionahstischen  Theologen 
heraus;  denn  thatsächhch  ist  er  in  seinen  Schriften  ebenso  abhängig 
von  den  Alteren  wie  irgend  ein  zweiter  Schriftsteller  dieser  Zeit. 
Seine  Gegner'')  haben  sehr  geringschätzig  über  ihn  geurteilt,     Sie 

1)  Amalar  legte  seiner  Erklärung  den  ordo  Romanus  zu  Grunde;  er 
bemerkt  aber  selbst,  dass  die  faktische  Gestalt  des  römischen  Gottesdienstes 
nicht  immer  mit  dem  ordo  übereinstimmte  (c.  14  S.  1032).  Was  das  Anti- 
phonar  anlangt,  so  verglich  er  mit  dem  in  Metz  gebrauchten  ein  von  Wala 
aus  Rom  nach  Corbie  gebrachtes  Exemplar,  das  er  in  der  dortigen  Biblio- 
thek auffand  (Prol.  S.  1243). 

2;  Florus  hat  4  Schriften  in  dieser  Angelegenheit  geschrieben:  1.  Ep.  1 
Migne  119  S.  71—80  und  M.G.  Ep.  V  S.  267.  2.  Ep.  ad  Theod.  vill.  conc. 
Migne  S.  94:  Mönchemeier  hat  S.  44  den  überzeugenden  Nachweis  geführt, 
dass  der  angebliche  Brief  vielmehr  als  Bruchstück  einer  vor  der  Synode 
von  Kierzi  gehaltenen  Rede  zu  betrachten  ist.  8.  Das  Opusculum  de  causa 
fidei  S.  80,  dessen  Schluss  aber  nach  Mönchemeier  S.  47  f.  zu  der  Rede  ge- 
hört. 4.  Die  von  Mönchemeier  S.  235  ff.  zuerst  veröffentlichte  Streitschrift. 
S.  243  sind  nicht,  wie  M.  annimmt,  einige  Worte  ausgefallen ;  es  ist  einfach 
zu  lesen :  pars  sanctificati  .  .  non  Amalarius  sit  .  .  ,  ut  ipse  dicit,  sed  ipse 
panis  Christus. 

3)  Flori  op.  de  causa  fid.  6  S.  81.  Unter  dem  pastor  de  commissi  gre- 
gis  Salute  sollicitus  kann  nur  Agobard  verstanden  werden. 

4)  Flori  op.  de  causa  fid.  S.  82.  Über  die  angeblichen  Irrlehren  Ama- 
lars vgl.  Mönchemeier  S.  49  ff. 

5)  Ausser  Florus  hat  auch  Agobard  den  litterarischen  Streit  gegen 
Amalar  geführt,  opp.  II  S.  101  ff.  contra  libr.  IV  Amalarii. 


—     64ß     — 

warfen  ihm  Iirtüiuor.  [jiigeii  und  Pliaiitasteivioii  vor;')  das  wai- mit 
unst'rechter  »Schärfe  gesprochen;  aber  siclier  war  Geisteskhirheit 
nicht  seine  starke  Seite;  auch  dadincli  reizte  er  zum  Widerspruch, 
dass  er  in  der  naivsten  AVeise  den  Wert  dci-  eigenen  Leis- 
tungen überschätzte.  Doch  seine  Bücher  wurden  viel  gelesen:  dass 
sie  in  Kierzi  verdaiiimt  wurden,  hinderte  nicht,  dass  sie  auf  die 
liturgischen  Anschauungen  des  ^Mittelalters  einen  grossen  Eintluss 
übten.-) 

Ein  bescheidneres  Seitenstück  zu  Amalars  Schriften  waren  die 
Erläuterungen  zu  den  Psalmen,  die  ein  ungenannter  Mönch  dem 
Kegensburger  Bischof  Badurich  widmete:  sie  bestanden  aus  Ex- 
zerpten aus  den  berühmtesten  Psalmenkommentaren.'') 

Die  ausgeprägteste  Eigenart  unter  den  genannten  Männern 
hatte  vielleicht  Brunn,  mit  dem  Beinamen  Candidus.^)  Er  verleug- 
nete nicht,  dass  er  ein  Schüler  Einhards  war.'')  Schon  die  unbe- 
fangenere Weise,  in  welchei-  er  die  Stellung  der  Laien  innei'halb 
der  rhristenheit  beurteilte,")  wiid   mau   als   Erbe  aus  dem  Verkehr 


1)  Florus  ej).  1  S.  2(it; :  Tarn  inepto  elocjnio,  iani  absurdis  sensilms,  tarn 
oxquisitis  et  inauditis  fantasiis  involvitur,  ut  putes  cum  Hniphatico  moro 
bachari  Vgl.  das  Urteil  der  Schrift  de  tribus  epi.stolis  c.  40  Migne  121 
S.  1054:  Qui  et  verbis  et  libris  suis  mendaciis  et  erroribus  et  phantasticis 
atque  haereticis  disputationibus  plenis  omnes  pene  apud  Franciam  occle- 
sias  et  nonnullas  ctiam  alianim  re^ionum,  quantuni  in  se  t'uit,  iiifocit. 
Dabei  wirkte  aber  die  alte  Abneigung  dpr  Lugdunenser  gegen  den  ihnen 
aufgedrängten  Verwalter  ihres  Bistums.  Denn  der  Verfasser  bemerkt  selbst, 
da.s8  die  Schriften  Amalars  viel  und  gerne  gelesen  wurden:  Simpliciores. 
qui  eos  —  seine  Bücher  —  multum  diligero  et  legende  frequentare  dicun- 
tur  (I.  c).  Ebenso  Klonis:  Mbri  ipsi  foro  nbif|no  ilis^iorsi,  foro  omnibus  noti 
sunt,  cp.   1  S.  268. 

2)  Über  seinen  Ausgang  wi.ssen  wir  nichts.  Um  850  lobte  er  noch; 
denn  Hincmar  Hess  sich  von  ihm  ein  Gutachten  über  die  Prädestinations- 
lehre erteilen  (De  trib.  ep.  39  S.  1052);  kurz  darnach  muss  er  gestorben 
sein;  donn  er  war  schon  tot,  als  oin  Kleriker  von  Lyon  das  Buch  ile  trib. 
pp.  schrieb  (1.  c.  4U  S.  1054i.  Seinen  Tudcftag  hat  das  Metzer  Nekrologium 
aufgezeichnet:    29.  April  (Forsch.  XII 1  S.  598). 

3)  Sie  sind  bei  Migno  129  S.  1399  ff.  gedruckt  ;  der  VVidmungsbrief 
auch  U.a.  Ep.  V  S.  359  Nr.  35. 

4)  Ebort.  Lit.  d.  M.A.  H  S.  331  H.  Hichtor  im  Programm  des  Heal- 
gymnasiums  zu  Leipzig  1890. 

5)  Cat.  abl.  Fuld.  M.G.  Scr.  Xlli  S.  272.  Waitz  hat  (Scr.  XV  S.  221) 
die  Vermutung  ausgesprochen,  Bruun  sei  entweder  selbst  ein  Angelsachse, 
oder  von  einem  Angelsachsen  unterriehtcl. 

fi)  Er  unterscheidet  nicht  Kleriker,  Mönche  und  Weltlichf,  .sondern 
duo  genera  liominum.    unum  eorum,    qui  praedicant  fidem  Christi,   alterum 


—     647     — 

mit  Eiuhard  betracliten  dürfen.  Wie  dieser  war  er  sodann  eben 
so  sehr  Künstler  als  Schriftsteller.  Er  malte  die  Apsis  über  dem 
Grabe  des  Bonilatius.^)  Als  Schriftsteller  versuchte  er  sich  auf 
dem  Felde  der  Geschichtschreibung  durch  seine  Biographien  der 
Äbte  Baugulf  und  Eigil.^)  Er  bewies  dabei,  dass  das  Vorbild  Ein- 
hards  bei  ihm  nicht  verloren  war:  seme  Lebensbeschreibung  Eigils 
gleicht  den  Sammlungen  von  Wundergeschichten,  welche  von  den 
Heihgenbiographen  produziert  Avurden,  wenig  oder  gar  nicht;  sie 
schildert  wirkhche  Ereignisse  und  erhebt  durch  die  Darstellung 
zugleich  einen  gewissen  künstlerischen  Anspinich.  Doch  fühlte  er 
sich  zunächst  als  Theolog.  Den  Mönchen  seines  Klosters  legte  er 
in  der  Passionszeit  die  Leidensgescliichte  Jesu  nach  den  vier  Evan- 
gelien   aus;    er  hat  seine  Vorträge  dann  niedergeschrieben.-^)     Die 

eomm  qui  fidei  doctrinam  a  praedicatoribus  accipientes  ipsos  praedicatores 
de  substantia  terrena  sustentant.  ut  opus  praedicationis  implere  valeant 
(de  pass.  dorn.  2  S.  61). 

1)  V.  metr.  Aeig.  XVII  v.  131  ff.  S.  112. 

2)  Die  erstere,  verlorene,  Biographie  schrieb  er  auf  Anlass  Eigils,  die 
letztere  bewogen  durch  den  Rat  Hrabans,  litterarisch  thätig  zu  sein  (Prol. 
zur  V.  Eig.  S.  222  f.). 

3)  Mit  dem  Verfassernamen  Candidus  presbyter  oder  magister  sind 
drei  theologische  Schriften  auf  uns  gekommen:  1.  die  oben  S.  147  erwähnten 
Dicta  de  imagine  Dei,  2.  das  Opusculum  de  passione  domini  Migne  106 
S.  57 ff.,  3.  der  Brief  über  das  Schauen  Gottes,  a.  a.  0.  S.  103  ff.  und  M.G. 
Ep.  IV  S.  557  ff.  Nr.  39.  Das  Urteil,  welchem  Candidus  sie  angehören,  ist 
unsicher.  Der  erste  Herausgeber  Pez  nahm  sie  für  Witto  in  Anspruch, 
wof^eo'en  die  Hist.  litt,  de  la  France  Bd.  V  S.  17  f.  vielmehr  auf  Bruun  riet. 
Ebenso  urteilte  ich  in  der  1.  Aufl.  S.  596,  auch  Richter  S.  26  ff.  Dagegen 
hat  sich  Dümmler  (S.  557  Anm.  2)  dahin  ausgesprochen,  dass  die  Annahme 
von  Pez  richtig  sei.  Ich  kann  dem  nach  wiederholter  Überlegung  der  Sach- 
lage nicht  zustimmen.  Vielmehr  halte  ich  eine  sichere  Entscheidung  für 
unmöglich;  denn  die  Bezeichnungen  presbyter  und  magister  passen  ebenso 
auf  Witto  wie  auf  Bruun;  auch  dass  die  Auslegung  der  Passionsgeschichte 
für  eine  geistliche  Genossenschaft  bestimmt  ist,  entscheidet  nicht  gegen  den 
ersteren.  Dagegen  finden  sich  Kleinigkeiten,  welche  eher  auf  den  Mönch 
von  Fulda  als  auf  den  Alkuinschüler  passen:  c.  12  S.  83  B  erinnert  der 
Redner  zur  Erläuterung  v.  Mt.  26,  78  daran,  dass  man  nicht  an  eine  ver- 
schiedene Sprache,  sondern  an  einen  verschiedenen  Dialekt  zu  denken  habe: 
ut  ipsi  scitis,  unaquaeque  provincia  et  regio  aliquid  proprium  habet  quod 
loquitur  quasi  nativum  tenet,  et  inde  conici  solet  de  qua  provincia  vel  re- 
gione  sit  qui  loquitur.  Das  ist  natürlicher  im  Munde  des  in  Deutschland 
lebenden  Deutschen  als  im  Munde  des  Angelsachsen,  der  in  Frankreich  und 
Deutschland  sich  aufhielt.  C.  16  S.  91  A  wird  zur  Misshandlung  Jesu  be- 
merkt: Hoc  solet  agere  fragilis  huius  mundi  potestas,  non  solum  videlicet 
Deo  digna  Servitute  se  non  subiciens,    sed   etiam  eius  nomini  persecutiones 


—     G48     — 

Erkläiimg.  welche  er  darbietet,  ist  mitunter  allegorisierend,  vornolim- 
lich  jedoch  praktisch  erbaulich.  Dabei  tritt  der  moralisierende  Zug. 
der  den  Deutschen  dieser  Zeit  durchweg  eigen  ist,  stark  hervor: 
der  Tod  Jesu  ist  der  stärkste  Liebesbeweis,  den  es  giebt;  er  erlöst 
von  Sünden,  indem  er  als  Beispiel  der  Gerechtigkeit  die  Gläubigen 
zur  Nachfolge  einlädt.^) 

Bnums  Brief  über  die  Frage,  ob  Christus  Gott  mit  leiblichen 
Augen  sah,  lässt  einen  Blick  in  die  Reflexionen  thun,  mit  welchen 
die  Kleriker  und  Mönche  dieser  Zeit  sich  beschäftigten.  Andere 
Beispiele  hiefür  bieten  der  etwas  ältere,  anonyme  Traktat")  über 
den  Zustand  der  Seele  nach  dem  Tode,  und  der  ebenfalls  ohne 
den  Namen  des  Verfassers  auf  uns  gekommene  Brief,  •')  in  dem  die 
augustinische  Ableitung  der  Trinität  aus  der  Liebe  wiedergegeben  ist. 

quantum  in  se  est  excitans.  Das  ist  ein  Satz,  der  schwerlich  um  das  Jahr 
800.  viel  eher  um  das  Jahr  840  geschrieben  sein  wird.  ICs  ist  klar,  dass 
diese  Wahrnehmungen  zu  einem  sicheren  Ergebnis  nicht  führen;  aber  wie 
die  Dinge  liegen,  kann  man  sich  doch  nur  an  sie  halten,  wenn  man  nicht 
vorzieht,  auf  die  Beantwortung  der  Frage  nach  dem  Verfasser  ganz  zu  ver- 
zichten. Dass  die  Erklärung  der  Passionsgeschichte  und  der  Brief  über  das 
Schauen  Gottes  denselben  Verfasser  haben,  wird  nicht  zu  bestreiten  sein; 
wogegen  die  Dicta  de  imagine  Dei  Witto  angehören  mögen   s.  o.  S.  148,  Anm.  1.) 

1)  Praef.  S.  59:  Ad  hoc  natus  est,  ut  homines  suo  exemplo  et  verbo 
doceret,  et  via  esset  omnibus  credentibus  ad  regnum  coelorum.  Ita  dico 
via,  quia  sicut  per  viam  ita  nobis  per  eins  doctrinam  et  exempla  venien- 
dum  est  ad  regnum  coelorum.  Venit  filius  Dei,  ut  doceret;  venit,  ut  quae 
docuit  impleret;  docuit,  ut  unusqnisque  homo  diligeret  Deum  et  diligeret 
proximum  sicut  se  ipsum  .  .  .  Dilcxit  proximos  ita,  ut  se  ipsum  pro  suis 
fratribus  et  proximis  ad  mortem  traderet.  Nam  alitcr  humanuni  genus  ab 
aeterna  morte  redimi  non  potuit,  nisi  ut  aliquis  innocens  pro  omnibus  mo- 
reretur.  Wie  Candidus  die  Erlösung  durch  den  unschuldigen  Tod  Christi 
verstand,  zeigt  c.  14  S.  8ö:  Ut  nos  huniilitate  sua  a  nostra  snperbia  libe- 
raret,  dignatus  est  iudicium  sustinere  iniquorum:  er  erlöst  die  Menschen 
vom  Stolz,  indem  er  ihnen  das  Beispiel  der  Demut  giebt.  Sehr  lehrreich 
für  den  Gedanken  des  Candidus  ist  auch  folgende  Stelle:  Omnia  peccata 
nostra  effuso  sanguine  Christi,  i.  e.  emisso  spiritu  eins  mundabantur  .  .  . 
Videtie,  fratres,  quod  sanguis  ille  animac  Christi  tignram  lenet,  cum  ait 
(Hebr.  10,  22)  a.spersi  corda;  .spiritus  enim  spiritum  bono  exemplo  asper- 
gere  poteat,  non  autem  sanguis  cor  aspergcre  valet. 

2)  Migno  96,  1379  fl".  Der  Traktat  ist  gerichtet  an  einen  sonst  un- 
bekannten Mann,  Namens  Arsenio.  Er  findet  sich  in  einem  i.  J.  812  ge- 
Mcbriebenon  Kodex.  Der  Verfasser  bestreitet,  dass  die  Seelen  in  einen 
Zwisfhenznstand  eintreten.  Sie  kommen  entweder  in  den  Himmel  oder  in 
die  Hölle.  Bei  Arsenio  könnte  man  an  Wala  denken,  den  Hadbert  bekannt- 
lich mit  dem  Namen  Arsenius  bezeichnet. 

3)  M.G.  Ep.  V  S.  615  Nr.  1. 


—     649     — 

Unter  der  nächsten  Generation  litterarischer  Männer  war  der 
geistig  hervorragendste  ohne  Zweifel  der  Mönch  Gottschalk.  ^)  Er 
war  einer  der  Männer,  die  kühn  sich  dem  Geiste  ihres  Jahrhunderts 
entgegensetzen.  Wie  die  meisten,  die  das  wagen,  ist  er  im  Kampfe 
zu  Grunde  gegangen.  Aber  sein  Auftreten  ist  wie  eine  Weis- 
sagung: es  deutet  darauf  hin,  dass  im  deutschen  Volke  Kräfte 
schlunnnerten,  welche  der  Herrschaft  der  kirchlichen  Tradition  sich 
nicht  für  immer  fügen  konnten. 

Gottschalk  wurde  als  Knabe  von  seinem  Vater,  einem  sächsi- 
schen Grafen  Bern,  für  das  Klosterleben  dargebracht.-)  Das  war 
ein  Schicksal,  das  er  mit  Hunderten  teilte.  Aber  Avas  andere  als 
einen  Beweis  elterhcher  Frömmigkeit  verehrten,  das  verabscheute 
er  als  einen  Raub  an  seiner  Freiheit.  Es  fehlte  ihm  nicht  an  Be- 
gabung für  die  Studien :  man  darf  annehmen,  dass  er  an  den  Alten 
sich  begeisterte;^)  auch  die  Glut  religiöser  Empfindung,  die  man 
im  Kloster  sucht,  war  ihm  nicht  fremd.  Trotzdem  konnte  er  sich 
in  seine  Lage  nicht  fügen  und  finden:  er  bestand  darauf,  dass  ihm 
sein  Eecht  zuiiickgegeben ,  dass  er  aus  dem  Kloster  entlassen 
würde.  Es  war  verhängnisvoll  für  ihn,  dass  er  seine  Forderung 
gegen  Hraban  richten  musste;  denn  niemand  hatte  weniger  Ver- 
ständnis für  ihr  Recht,  als  er,  und  niemand  kannte  weniger  Nach- 
giebigkeit gegen  das,  was   ihn   unrecht  dünkte.     Hraban  hat  denn 


1)  Die  Gedichte  G.'s  hat  Traube  Poet.  lat.  IH  herausgegeben.  Was 
G.  sonst  geschrieben,  zählt  Freystedt  in  dem  unten  anzuführenden  Aufsatz 
S.  529  ff.  auf.  Man  vgl.  über  ihn  Borrasch,  d.  Mönch  Gottschalk  v.  Orbais, 
Thorn  1868;  Schrörs,  d.  Streit  über  die  Prädestination,  Freib.  1884;  Ebert 
S.  166:  Dümmler,  OFr.  R.  I  S.  327  u.  ö.;  Traube,  Poet.  lat.  III  S.  707  ff.; 
Freystedt,  Zeitschr.  f.  KG.  XVIII,  der  zum  Schaden  seiner  Arbeit  die  zwei 
Jahre  vorher  erschienene  von  Traube  übersehen  hat. 

2)  Ep.  Fuld.  fragm.  29  S.  529. 

3)  Traube  erinnert  Poet.  lat.  III  S.  708,  dass  nach  Walahfrid,  carm.  18 
S.  362,  Gottschalk  es  war,  der  Walahfrid  den  Namen  Honoratus  beilegte, 
und  nimmt  an,  dass  dieser  Name  in  Erinnerung  an  den  römischen  Gramma- 
tiker Servius  Honoratus,  einen  Kommentator  Virgils,  gewählt  sei;  von  da 
aus  folgert  er,  dass  auch  der  Name  Fulgentius  an  die  Virgilstudien  erinnere, 
er  sei  deshalb  nicht  dem  Bischof  von  Ruspe,  sondern  dem  afrikanischen 
Grammatiker  Fulgentius  Planciades,  ebenfalls  einem  Ausleger  Virgils,  ent- 
nommen. Die  Annahme  ist  möglich.  Aber  wenn  Walahfrid  sagt,  dass  G. 
ihm  einstmals  nomen  honore  ductum  gegeben  habe,  so  scheint  mir  die 
andere  Annahme  einfacher,  dass  in  dem  Honoratus  überhaupt  keine  gelehrte 
Anspielung  liegt,  sondern  dass  die  Bedeutung  des  Wortes  massgebend  war; 
ebenso  dann  auch  bei  dem  Fulgentius.  So  oder  so,  jedenfalls  beweisen  die 
Namen  die  Begeisterung  für  das  Altertum. 


—    «5r)0    — 

iiucii.  als  L'iiic  Mainzer  Synode  unter  Otgar  i.  .1.  8lMi  ')  Gottschalk 
den  Austritt  aus  dem  Kloster  gestattete,  gegen  dies  Urteil 
appelliert.*)  Wir  lulicu  nichts  über  den  Erfolg.  Aber  wir  wissen, 
dass  (lottschalk  Mönch  l)lieb.  Kanu  man  anders  vermuten,  als 
dass  Hraban  es  durchsetzte,  dass  er  Mönch  bleiben  nuisste?  Das 
Einzige,  was  ihm  eingeräumt  wurde,  war,  dass  er  Fulda  mit  Orbais 
vertauschte.'"*)  Er  war  geneigt,  über  Fragen  zu  grübeln,  die  zu 
allen  Zeiten  die  Reflexion  tiefsinniger  Theologen  augeregt  hal)en. 
obgleich  sie  jenseits  der  Grenzen  menschlicher  Erkenntnis  liegen;') 
in  der  dogmatisch  lebhafteren  Umgebung,  in  welche  er  im  Westen 
kam,  wurde  er  auf  das  Studium  Augustins  geführt.  Bisher  hatte 
er  keinen  ]\[eister  gefunden,'')  an  den  er  sich  halten  konnte, 
hier  fand  er  ihn.  Was  er  über  die  göttliche  Vorlierbestimmung 
las,  berührte  verwandte  Saiten  in  seinem  Innern:  er  lernte  von 
Augustin.  nicht  wie  die  exzerpierenden  Kompilatoren  rings  um  ihn 
her,  sondern  wie  der  Gleichgesinnte  vom  li leichgesinnten  lernt. 
Nicht  einzelne  Formeln  und  Sätze  eignete  er  sich  an,  sondern  er 
durchdrang  sich  mit  der  Gesamtanschauung  des  afrikanischen 
Kircheidehrei-s.  Wie  bei  Augustin  erhegt  das  menschliche  Ich 
der  Wucht  der  Vorstellung  des  alles  vorauswissenden,  alles  voraus- 
bestimnienden,  alles  wirkenden  und  schaffenden  Gottes.  Gottschalk 
spitzt  die  Sätze  möglichst  zu:  ohne  Gottes  Erbarmen  konnte  nie- 
mals, noch  kann,  noch  wird  je  können  irgend  einer  dei'  Heiligen, 
geschweige  denn  einer  von  uns  Ungerechten,  auch  nur  einmal  den 
Sinn  fruchtbar  darauf  richten,  etwas  Gutes  zu  beginnen,  noch 
weniger    es    zu    vollbringen.'')     Denkt  er  sich  Gott  gegenüber,    so 


1)  In  St.  Alban,  Teilnehmer  waren  5  Erzbischöfe,  24  Bischöfe,  4  Chor- 
bischöfe und  6  Äbte,  ep.  Fuld.  fragm.  1.  c. 

2)  Ep.  Fuld.  fragm.  1.  c.  Hraban  appellierte  an  den  Kaiser.  Er  .schrieb 
damals  seine  Abhandlung  de  oblat.  pueror.  (opp.  I  S.  419  tf.).  Für  (iott- 
schalk  ist  Hatto,  der  spätere  Abt,  eingetreten. 

3)  fiottschalk  erscheint  später  als  Mönch  von  Orbais  (Ann.  Hert.  z.  .1. 
849).  Die  Annnhme  liegt  nahe,  dass  sein  Übergang  von  Fulda  dorthin  im 
Zusammenhang  mit  den  Ereignissen  von  829  steht;  Traube  schiebt  einen 
längeren  Aufenthalt  in  Corbie  ein,   S.  709. 

4)  Vgl.  Servat.  Lup.  ep.  73  S.  141  tf.  Die  Antwort  auf  eine  Frage 
(lottschalks  über  das  Schauen  fiottes.  Servatus  bemüht  sich  um  Aufschluss, 
warnt  ihn  aber,  ne  his  ultra  quam  oportet  occupatus,  ad  utiliora  vestiganda 
sive  docenda  minus  .^ufBcias.  Vgl.  Hinkmar  in  der  von  »lundlach,  Ztschr. 
f    KG.  X  S.  263  herausgegebenen  Streitschrift. 

.5)  (Tottiichalk  klagt  später:  Nemo  fuit  mihi  dux  (Carm.  ad  Katr.  v.  89 
S.  7.55). 

6)  Brief  an  Lupus  von  Chälons  s.  M.     Poet.  lat.  III  S.  723.    Die  Stelle 


—     6Ö1     — 

koniijit  ihm  nur  der  imeiidiiche  Zwiespalt  zwischen  dem,  was  er  ist, 
und  der  ewigen  Eegel  zum  Bewusstsein:  Von  Gott  geschaffen,  hat 
er  sich  an  das  Eitle  verloren,  statt  ihm  zu  dienen,  hat  er  ihn  ver- 
lassen, den,  der  kam,  ihn  zu  erlösen,  hat  er  nicht  erkannt,  die  Ge- 
bote, die  er  ihm  gab,  nicht  erfüllt:  es  bleibt  ihm  nur  die  inuner 
wiederholte  Bitte:  O  Gott,  mit  dem  armen  Knecht  hab  Erbarmen.^) 
Aber  indem  er  dui'ch  Gott  zu  nichte  wird,  richtet  er  sich  zugleich 
an  Gott  auf.  Gott  verhüte,  sagt  Gottschalk,  dass  ich  der  Gnade 
dessen  missti-aue.  in  dem  ich  immer  vertraute  und  vertraue  sehff 
zu  werden:  denn  der  Lazarus  sterben  Hess,  um  ihn  erwecken  zu 
können,  der  ist  mächtig,  auch  mich,  der  ich  in  Sünden  versunken 
bin,  lebendig  zu  machen.-) 

Gottschalk  hat  diese  Gedanken  in  den  Formeln  Augustins 
ausgesprochen.  Er  scheute  nicht  davor  zmiick,  die  schroffsten  Sätze 
des  Lehrers  der  alten  Kirche  zu  wiederholen:  wie  jener  leugnete 
er,  dass  Christus  die  Verworfenen  habe  retten  wollen,-')  und  ertrug 
auch  kein  Bedenken,  hiefür  eine  neue  Formel  zu  prägen,  indem  er 
von  einer  doppelten  Prädestination  sprach,  der  Erwählten  zur  Ruhe 
und  der  Verworfenen  zum  Tod.*)  Es  war  kein  neuer  Gedanke,  nur 
schärfer  noch,  als  es  bei  Augustin  gewöhnlich  geschieht,  war  es 
ausgesprochen,  dass  auch  in  dem  Untergang  der  Verlorenen  Gottes 
Wille  sich  vollzieht.'^)  Dass  aber  Gottschalk  nicht  nur  in  theologi- 
schen Formeln  sprach,  zeigen  seine  Gedichte,  die  einzigen  in  dem 
ganzen  Jahrhundert,  die  nicht  aus  Reminiscenzen  zusammengesetzt 
sind;  es  liegt  in  ihnen  eine  Unmittelbarkeit  der  rehgiösen 
Empfindung  und  eine  AVärnie  des  Tons,  die  dieser  Zeit  sonst  fremd 


zeigt,  dass  Freystedt  mit  seiner  Behauptung  irrt,  dass  für  Gottschalk  im 
Unterschied  von  Augustin  nicht  das  anthropologische  Interesse  leitend  ge- 
wesen sei,  sondern  das  theologische,  S.  541.  Die  Anschauung  ist  auch  in 
Bezug  auf  Augustin  schief. 

1)  Carm.  5  S.  729.  Tiefes  Sündengefühl  spricht  sich  auch  in  den 
übrigen  Gedichten  aus. 

2)  Brief  an  Lupus  S.  724. 

3)  Bruchstück  bei  Hinkmar  de  praed.  27,  Migne  125  S.  275:  Quos 
pessimos  futuros  esse  praescivit  .  .  ipsos  salvari  penitus  nolit.  Hinkmar 
gegen  ihn  Ztschr.  f.  KG.  X  S.  261. 

4)  Hinkmar  a.  a.  0.  5  S.  89. 

5)  Dass  Gott  zur  Sünde  prädestiniert  habe,  hat  G.  selbstverständlich 
nicht  gelehrt.  Er  sagt  in  dem  längeren  im  Gefängnis  abgefassten  Bekennt- 
nis, Migne  121  S.  349:  Credo,  praescisse  te  ante  saecula  quaecunque  erant 
futura,  sive  bona  sive  mala,  praedestinasse  vero  tantummodo  bona.  Zu  dem 
Guten  rechnete  er  einerseits  gratiae  beneficia,  andererseits  iustitiae  iudicia. 
Das  ist  genau  augustinisch. 


—     t)52     — 

sind.  ^Nlaii  kann  ermessen,  wie  hinieissend  dieser  Mann  /n  reden 
wusste. 

Er  gewann  in  <  )rbais  Schüler  für  seine  Überzeugungen; ')  aus 
der  heiligen  Schritt,  wie  aus  den  älteren  Theologen  wusste  er  sie 
/u  beweisen.-)  Es  scheint  aber,  dass  es  ihn  gerade  jetzt  nicht 
mehr  im  Kloster  duldete.  Weim  er  sich  von  dem  Rheimser  Chor- 
bischof Rigbold  die  Priesterweihe  erteilen  liess"*)  und  dann  mit  et- 
lichen Schülern  das  Kloster  verliess,  so  ist  klar,  dass  er  Thätigkeit 
suchte.  Er  ging  nacii  Oberitahen.')  Aber  dass  er  dort  seine 
Überzeugungen  verkündigte,  lenkten  die  Auiinerksamkeit  auf  sie; 
sie  waren  der  Zeit  so  fremd,  dass  sie  Widerspruch  hervorrufen 
mussten.     Wieder   fand  Gottschalk  Hraban  unter  seinen  Gegnern. 

]\Ian  würde  Hraban  Unrecht  thun,  wenn  man  in  seinem  Auf- 
treten nur  die  Wirkung  alter  Feindseligkeit  wahrnehmen  wollte. 
Denn  Gottschalks  Sätze  verletzten  den  Mittelpunkt  seiner  religiösen 
l'berzeugungen,  dcui  Glauben  an  di(^  Güte  und  Gereclitigkeit 
Gottes.-')  Der  Gedanke:  Gott  der  Schöpfer  des  Heils,  schloss  für 
ihn  den  anderen  von  der  Allgemeinheit  des  göttlichen  Gnadenwillens 
unmittelbar  in  sich.  Die  Vorstellung,  dass  derselbe  Gott,  der  alles 
Gute  geschatfen  hat,  irgend  jemand  zum  Verderben  bestinnnt  habe, 
entsetzte  ihn.")  Man  versteht  es,  Avenn  man  sich  erinnert,  dass  die 
Verzweiflung  füi-  ihn  die  grösste  Sünde  war.")  Auch  er  sprach  von 
dem  allmächtigen  und  unüberwindlichen  Willen  Gottes:  ai)er  die 
Schwierigkeit,    die    für    den    (Jedankcn     in     solcbcn    Sätzen     liegt. 


1)  Hincm.  de  praed.  2  S.  84;  vgl.  dio  übrigen  von  Traube  S.  710  Anm.  2 
gesammelten  Stellen. 

2)  Hincm.  in  c.  Hinc.  Laud.  43,  Migne  126  S.  441.  Fiii-  die  Begabung 
und  die  Leiden.schaftlichkoit  Gottschalks  ist  der  Satz  bezeichnend,  F'lod.  H.  K. 
111,  14  Scr.  XIII,  .")01:  Non  solum  scriptura.s  .  .  sed  et  catliolicoruiii  dicta 
detruncata  per  totum  diem  sine  respiratione  aliqua  prevalet  memoriter 
decantare. 

3)  Hincm.  de  praed.  2  S.  85. 

4)  Die  Zeit  ergieht  sich  aus  llrab.  ep.  22  S.  42H  an  Notliiug.  Der 
Brief  ist,  wie  Dümmlor  gezeigt  hat,  OFr.  R.  1  S.  332  Anm.  2,  i.  J.  840 
geschrieben,  ft.'s  Austritt  aus  Orbais  erfolgte  also  am  Endo  der  dreissiger 
.lahre.  Er  ist  in  Auflehnung  gegen  dio  kirchliche  Disziplin  erfolgt.  Das 
sagt  Hinkmar  in  seiner  ersten  Streitschrift,  Ztschr.  f.  KG.  X  S.  261:  Antc- 
(|uam  ex  ista  parrorhia  contra  legos  ecclesiasticas  excommunicatua  i)ergorct. 
Daraus  erklärt  sich  Hrabaiis  Bezeichnung  quidam  gyrovagus  monachus.  Die 
Legalität  seiner  Ordination  hat  Hinkmar  angefochten. 

."))  Ep.  22  S.  429:  Qui  de  Dco  bono  et  iusto  tain  noipiiter  sentinnt. 

6)  Ep.  42  S.  481:  vgl.  de  praed.  S.  1.^31. 

7)  p]p.  Fuld.  fragm.  12  S.  520:  Desperatio  inier  omnia  crimina  (minima 
ist  wohl  Druckfehler)  maximum  crimen  est. 


—     (i53     — 

empfand  er  nicht:  sie  enthielten  für  ihn  nur  die  fromme  Über- 
zeugung, dass  der  Menschen  Anfang,  Mitte  und  Ende  in  Gottes 
Hand  steht. ^)  Deshalb  fühlte  er  sich  verpflichtet,  gegen  seinen 
ehemahgen  Mönch  aufzutreten.  Er  that  es  im  Jahre  840  in  einem 
dem  erwählten  Bischof  von  Verona,  Nothing,  gewidmeten  Schriftchen 
über  die  Prädestination.-)  Aber  sein  Eingreifen  war  vergeblich.  Nicht 
nur,  dass  Gottschalk  seine  Wirksamkeit  in  Oberitalien  fortsetzte;'') 
er  fand  an  dem  Grafen  Eberhard  von  Friaul  eine  Stütze.^)  Es 
bedurfte  eines  neuen  Eingreifens  Hrabans,  um  die  Verweisung  seines 
Gegners  aus  Itahen  zu  erreichen.  Wie  es  scheint,  hat  Gottschalk 
vergeblich  in  Rom  Einsprache  dagegen  erhoben.'^)  Er  musste  das 
Reich  verlassen  und  hat  nun  einige  Zeit  in  den  östlichen  Grenz- 
ländern gewirkt.*')  Dann  kehrte  er  nach  Deutschland  zurück,  er- 
bittert, wie  es  scheint,  durch  seine  Erlebnisse,  zweifelnd  an  der 
Treue  alter  Freunde,  aber  unerschüttert  in  seinen  Überzeugungen. ') 
Vor  der  Mainzer  Synode  im  Oktober  848  trat  er  gegen  Hraban 
auf:  unumwunden  bekannte  er  seine  Überzeugungen.^)  Aber  seine 
Niederlage  war  von  Anfang  an    gewiss:    er  Avurde   als   entlaufener 


1)  Ep.  Fuld.  fragm.  18  S.  523. 

2)  Opp.  VI  S.  1530  ff.     Der  Brief  an  Nothing  ist  die  Widmung. 

8)  Freystedt  nimmt  nach  Walahfrid  carm.  18  v.  9  S.  362  an,  dass  G. 
von  der  Keise  nach  Rom  i.  J.  838  nach  Orbais  zurückkehrte.  Voraussetzung 
ist,  dass  Eberts  Datierung  des  Gedichts  (spätestens  888)  richtig  ist.  Traube 
S.  712,  4  lässt  dagegen  das  Gedicht  im  Dezember  848  verfasst  sein.  Der 
Dezember  ist  nach  v.  18  sicher.  Dann  aber  ist  788  sehr  unwahrscheinlich, 
da  Walahfrid  im  Laufe  dieses  Jahrs  nach  Erlebads  Rücktritt  Abt  wurde, 
Ann.  Aug.  S.  68,  also  schwerlich  an  Weihnachten  am  Hofe  war.  Man 
müsste  an  Weihnachten  837  denken;  aber  je  weiter  man  sich  von  840  ent- 
fernt, um  so  unwahr-scheinlicher  wird  der  Ansatz.  Traubes  Datierung  ist 
gegenüber  den  palatinae  nebulae  v.  20  f.  auch  nicht  ohne  Schwierigkeit; 
doch  nicht  unmöglich.  Nimmt  man  sie  an,  so  ist  die  Annahme  der  Rück- 
kehr nicht  notwendig;  man  sieht  auch  keinen  Grund  für  dieselbe  ein. 

4)  Hrab.  ep.  42  S.  481.  Carm.  4,  3  und  5,  2  S.  728  f.  scheinen  mir 
dem  Zusammenhang  nach  nur  bildlich  verstanden  werden  zu  können.  An- 
ders ist  es  mit  Carm.  6.  Aus  diesem  Grund  aber  wird  es  schwerlich  wäh- 
rend des  Aufenthalts  bei  Eberhard  verfasst  sein:  der  Aufenthalt  bei  dem 
Grafen  war  kein  Exulat,  sondern  erst  nach  der  Vertreibung  aus  Italien. 

5)  Stammt  das  Gedicht  Walahfrids  erst  aus  d.  J.  848,  so  ist  der  rö- 
mische Aufenthalt  zwischen  die  Thätigkeit  in  Friaul  (longius  meantem)  und 
die  in  Dalmatien  etc.  (extera  rura  adire)  zu  verlegen. 

6)  Ann.  Bert.  z.  849  S.  36.  Einem,  de  praed.  2  S.  84:  Peragratis  re- 
gionibus  plurimis. 

7)  Diese  Vorstellung  ergiebt  sich  aus  Walahfrids  angeführtem  Gedicht. 

8)  Dass  Gottschalk  als  Beklagter  vor  die  Synode  geladen  wurde,  sagt 


—     G54     — 

Mönch  l)('strat"t.  aus  Dtnitscliland  ausgewiesen  und  Hinkiiiar  von 
Rheiins.  einem  nicht  niindoi'  entschiedenen  Gegner  als  Hrabau, 
übergehen.-') 

Durcli  das  Mainzer  Urteil  war  für  Deutschhmd  die  Frage 
abgethan.  Tni  Westi'eiche  begann  nun  erst  ein  lange  dauern- 
der und  an  überraschenden  Wendungen  reicher  Streit,  der  ohne 
klares  Resultat  zu  Ende  kam.  Gottschalk  ist  treu  seinen  llber- 
zeugungen  im  Gefängnis  gestorben,  der  erste  mittelalterliche  IMärtyrer 
des  Augustinismns. 

Ein  Freund  und  Mitschüler  Gottschalks  war  Walahtrid  Strabo.^) 
]\Ian  kann  sich  kaum  zwei  verschiedenere  Charaktere  denken  als 
diese  zwei  Mönche.  Walahtrid.  der  Sohn  eines  geringen  Alamannen.^) 
hatte  das  gleiche  Schicksal  wie  der  sächsische  Grat'ensprössling,  als 
Kinil  dem  Kloster  übergeben  zu  werden.  Aber  wiUu'end  sich 
Gottschalks  ganze  Natur  gegen  den  Zwang  empörte,  der  ihm  in 
Fulda  angethan  wurde,  hatte  AValahfrid  nur  freundliche  Er- 
innerungen an  die  Männer,  welche  die  P'ührei-  und  Lehrer  seiner 
Jugend  in  Reichenau  waren:  an  Haito.  Grimald.  Wettin  und  Tatto: '') 
Für  den  begabten  Knaben  war  di("  Klosterschule  der  i-echte  Ort; 
begierig  nahm  er  an.  was  ihm  an  Bildungselementen  dargeboten 
wurde'*)  und  lenksam,  wie  er  war.  fügte  er  sich  leicht  in  die 
Anschauungen,  die  im  Kloster  heri-schten.  Wer  geistlichen  IMännern 
folgt,  der  irrt  niemals:  diesen  Grundsatz  spricht  er  später  aus;") 
es    war    gewiss    seine    aufrichtige  Überzeugung.     Sie  bewahrte    ihn 

weder  Hiiiljiin  noch  Hinkiii;ir.  i'ass  iiuin  ilin  als  onthiut'enen  Möncli  bestrafte, 
zeigt  die  Geisselung.     Denn  der  l'riester  durfte  nicht  geschlagen  worden. 

1)  Ann.  Fuld.  z.  848  S.  38  zeigt  indessen,  dass  es  sich  nur  um  einen 
Majoritätsbeschluss  handelte.  Brief  Hrabans  an  Hiukmar  in  dessen  Schrift 
de  praed.  2  S.  84. 

2/  Migne  113  f.,  die  (Jedichte  Poet.  lat.  U  Ö.  2f>\)  Vi'.  In  die  Lebens- 
geachichte  Walahfrids  Licht  gebracht  zu  haben,  ist  ein  Verdienst  Kberts 
(Berichte  der  philos.  bist.  Klasse  der  silchs.  'lesellsch.  der  Wissenach.  1878 
S.  100  ff.,  vgl.  Lit.  d.  MA.  II  S.  145  tf.). 

3)  In  der  inetrischon  Vorrede  zu  der  Schrift  ile  reb.  occles.  (c.  79 
S.  417)  nennt  er  «ich  pauper  hebesque  (ähnlich  c.  18  v.  23  S.  303);  in 
einem  Gedichte  an  den  (irafen  Konrad.  Judiths  Bruder,  spricht  er  von  sich 
als  obscnrus  ingenio  natalilius  atquo  (c.  37  v.  3  S.  387);  als  Alamanuo  be- 
zeichnet er  sich  c.  2  v.  12  S.  297.  Die  Zeit  seiner  Geburt  hat  Ebert  (S.  101  f.) 
auf  ca.  809  bestimmt. 

4)  Carm.  3  v.  38  ff.  S.  305;  v.  176  ff.;  v.  873  ff.;  c  4,  27  v.  430  S.  349. 
->)  Daaa  er  griechisch  verstand,  ist    wahrscheinlich  fs.  DiSmmler,  Poet. 

lat.  II  S.  259). 

6)  Vorrede  zur  visio  Wettini  S.  302. 


—     ()55     — 

Tor  herben  Konflikten:  aber  der  geistigen  Unmündigkeit,  die  in  ihr 
Hegt,  ist  er  nie  entwachsen. 

AVak^hfrid  war  ein  frühreifes  Talent.  Mit  fünfzehn  Jahren  be- 
gann er  Verse  zu  machen.^)  Er  hatte  sein  achtzehntes  Lebensjahr 
noch  nicht  vollendet,  als  er  mit  seiner  ersten  grösseren  Arbeit  her- 
vortrat.-) Sie  behandelt  einen  VorMl,  der  sich  kurz  vorher  ereignet 
und  ungemeines  Aufsehen  erregt  hatte.  Im  Jahre  824  starb  der 
Reichenauer  Mönch  Wettin.  Er  war  mehrere  Tage  vor  seinem 
Tode  schwer  krank.  In  den  Fiebei^iaroxysmen  glaubte  er  Gesichte 
zu  sehen :  er  erbhckte  den  Teufel  und  die  Dämonen  in  dem 
Zimmer,  in  welchem  er  lag;  er  hörte  den  Jubel  der  höllischen 
Gäste,  über  die  Beute,  die  ihnen  bald  zufallen  würde;  dann  aber 
wai'd  es  wieder  friedhch  mii  ihn  her:  Engel  vertrieben  die  Spuk- 
gestalten aus  dem  Gemach.  Noch  Wunderbareres  bekam  er  zu 
schauen.  Ein  Engel  wurde  sein  Führer  durch  die  jenseitige  Welt, 
er  zeigte  ihm  die  liebhchen  Berge  der  Sehgen  und  die  mancherlei 
Qualen,  welche  die  Ungerechten,  sei  es  zur  Yerdannnnis  oder  auch 
zur  Remigung,  zu  ertragen  haben.  Manchen  ihm  wohlbekannten 
Mann,  unter  ihnen  den  xA_bt  Waldo,  ja  Kaiser  Karl,  erblickte 
Wettin  unter  den  Gepeinigten.  Man  kann  sich  denken,  wie  die 
Erzählungen  des  Kranken  die  Mönche  erregten.  Die  meisten  glaubten 
an  die  Wirklichkeit  der  Gesichte;  doch  wm-de  auch  das  Urteil  laut, 
sie  seien  leere  Träume.^)  Haito,  der  seinem  Bistum  entsagt  hatte 
und  als  Mönch  im  Kloster  lebte,  schrieb  Wettius  Erzählung  sofort 
auf'*)  Walahfi'id  bearbeitete  sie  nicht  allzu  lange  darnach  metrisch. 
Er  widmete  seine  Arbeit  dem  Hofkaplan  Grimald.  Man  kann 
nicht  sagen,  dass  er  den  poetischen  Wert  des  Stoffes  ausgenützt 
hätte:  dazu  war  das  sachliche  Interesse  zu  gi'oss,  das  er  au  dem 
Ereignisse  nahm.  Flu-  uns  erhält  sein  Gedicht  einen  gewissen 
Wert  durch  die  Charakteristik  der  Reichenauer  Abte,  die  er  ein- 
geflochten hat:  nur  ist  sie  zu  sehr  Lob,  als  dass  sie  anschaulich 
wäre.'^)  Nicht  lange  nach  Vollendung  dieses  Erstlingswerkes*^)  wird 
Walahfrid  Reichenau  verlassen  haben,  um  bei  Hraban  seine  theo- 
logische Ausbildung   zu  vollenden.     Wie    seine    späteren  Schriften 


1)  Vgl.  die  Überschrift  zu  carm.  5  S.  350. 

2)  Vorrede  zur  visio  Wettini  S.  303.  Vgl.  Plath,  Zur  Entstehungs- 
geschichte der  visio  Wettini  N.A.  XVII  S.  261  S.,  der  zeigt,  dass  der  Brief 
Form.  Aug.  Coli.  C.  25  S.  376  von  Walahfrid  an  Adalgis  gerichtet,  sich  auf 
die  Visio  bezieht. 

3)  Vorrede  S.  302. 

4)  Poet.  lat.  II  S.  267. 

5)  Günstiger  urteilt  Ebert,  L.  d.  MA.  S.  149. 

6)  Wahrscheinlich  i.  J.  826.     S.  Ebert  a.  a.  0.  S.  102. 


—     G56     — 

beweisen,  verdankte  er  Hrahan  seine  theologisclie  Metliode:  der 
Aut'entlialt  in  Fulda  war  demnach  von  grosser  Bedeutung  für  ihn; 
um  so  weniger  kann  man  zweifeln .  dass  er  gerne  in  Fulda  weilte 
trotz  mancher  kleiner  Unbequemlichkeiten,  die  das  Leben  mit  sich 
brachte:  er  wusste  sie  mit  gutem  Humor  zu  eintragen. ^) 

Von  Fulda  aus  k;ini  er  als  Erzieher  des  jungen  Karl  an  den 
Hof.-)  In  seiner  Bescheidenheit  war  er  geneigt,  es  als  die  Folge 
eines  glücklichen  Zufalls  anzusehen,"')  dass  man  in  der  Umgebung 
des  Kaisers  auf  ihn  aufmerksam  wurde.  Doch  fehlte  es  nicht  an 
Personen."*)  welche  der  aus  Alamannien  stammenden  Kaiserin  den 
jungen  talentvollen  Schwaben  empfehlen  koimten.  Denn  Judith 
besonders  begünstigte  ihn.  Er  dankte  es  ihr  durch  manchen 
rühuienden  Vers:  was  an  Judith  Gutes  war,  lernen  wii-  aus  den 
freundlichen  Worten  des  Dichters,  wälirend  von  ihren  schlinnnen 
Seiten  die  Geschichte  ihres  Gemahls  nur  zu  laut  Zeugnis  ablegt. 
Auch  den  Kaiser  hat  Walahfrid  verherrlicht.  Es  war  kein  Miss- 
griÜ",  der  ihm  ])ersönlich  zur  Last  fiillt,  wenn  er  ihn  als  den  weisen 
und  guten  König  dem  gottlosen  Tyrannen  Theoderich  d.  Gr.  gegen- 
üi)erstellte.  Denn  so  hatte  längst  vor  ihm  der  Undank  der  Kirche 
über  den  grössten  Herrscher  des  fünften  und  sechsten  Jahrhunderts 
geurteilt.  Al)er  für  den  s])äteren  Leser  bekommt  seine  glänzende 
Schilderung  einen  wehmütigen  Zug:  er  hat  sich  im  Ijobe  nicht 
minder  vergriffen  als  im  'i'adel.'')  Manches  andere  (Gelegenheits- 
gedicht stammt  aus  dieser  Zeit  und  lässt  erkennen,  dass  doch 
etwas  von  dem,  was  den  Hof  Karls  gross  gemacht  hatte,  am  Hofe 
seines  Sohnes  erhalten  war. 

Dem  Kaiser  wird  A\'alahfrid  die  Ernennung  zum  Abte  von 
Reichenau  verdankt  haben.**)  Er  konnte  sich  ihrer  nicht  lange  er- 
freuen; denn  von  Ludwig  d.  D.  winde  er  aus  dem  Kloster  ver- 
trieben;') er  hat  einige  Jahre  in  dii-  Ferne  zugebracht;  kurz  nach 
seiner  Rückkebi-  ist  er  im  Jahre  S4H  gestorljen.**) 


1)  Carm.  9,  2  f.  S.  358  f.    Im  ersten  Gedichtchen  bittet  er  um  Schuhe, 
im  zweiten  um   einen  Diener. 

2)  Von  Ehert  nachgewiesen  S.  102  f.;    ebenso  die  Zeit:    Frühjahr  829. 

3)  C.  23  a  V.  5  S.  378. 

4)  Sein  Lehrer  Grimald  stand  Ludwig  d.  Fr.  nahe. 

5)  Carm.  23  S.  370  ff.;    vgl.    was   Ebert  (Lit.  d.    MA.  II    S.   ir.4  ff.)    zu 
diesem  Gedichte  bemerkt. 

6)  Wahrscheinlich  auf  Empfehlung   Grimalds  (Ermenr.  op.  28  S.  566). 
Ebert  S.  107:  gegen  Ende  838. 

7)  Carm.  76v.40ff.S.  414,  vgl.  Hatp.  Cas.  s.  Gall.  7  S.  67;  vgl.  Ebert  S.  108. 

8)  Ann.    Alam.    z.  d.  .T.     W.'s   Epitaphinm    Poet.    lat.  II  S.  423.     Über 
seinen  Tod  vgl.  auch  die  Notiz  bei  P>menrich,  ep.  ad  Grim.  27  S.  564. 


—     657     — 

Walahfrid  ist  der  eiuflussreichste  exegetische  Schriftsteller  des 
Mittelalters.  Denn  der  von  ihm  verfasste  Kommentar  zur  heiligen 
Schrift,  die  Glossa  ordiuaria,  wurde  das  exegetische  Handbuch  fiii- 
Jahrhunderte.  Aber  das  Werk  ist  so  wenig  ihm  eigen,  wie  irgend 
ein  Kommentar  Hrabans  diesem  gehört.  Ganz  in  der  Weise  seines 
Lehrei-s  arbeitete  er  mit  fremden  Gedanken  nicht  nur.  sondern  mit 
fremden  Sätzen  und  Worten;  nur  an  ganz  wenigen  Stellen  hat  er 
eigene  Bemerkungen  eingefügt.  Und  vergleicht  man  nun  seine 
Schrifterklärung  mit  der  Hrabans,  so  kann  man  nicht  umhin, 
ein  Sinken  des  wissen schafthchen  Interesses  wahrzunehmen:  sie 
ist  düi-ftiger.  Das  Kompendium  tritt  an  die  Stelle  des  Hand- 
buchs.^) 

Den  gleichen  Charakter  trägt  Walahfrids  Schrift  über  die 
kirchlichen  Dinge.  Sie  ist  ein  Seitenstück  zu  xlmalars  Schriften 
wie  die  Glosse  zu  Hrabans  Kommentaren.  Aber  während  Ama- 
larius  auf  phantastischen  IiTwegen  einem  hochgesteckten  Ziele 
nachtrachtete,  begnügte  sich  der  jüngere  Mann,  um  das  kirch- 
liche Handeln  zu  verstehen,  mit  einigen  wenigen  dürftigen 
Notizen.-) 

Unter  den  harten  scharfgeschnittenen  Charakteren  dieser  Zeit 
ei-scheint  Walahirid  wie  ein  Fi-emdhng.  Der  pohtische  Kampf  war 
ftir  ihn  nicht  eine  Aufforderung  zum  Handeln:  höchstens  entlockte 
er  ihm  einen  Seufzer  über  das  Unglück  des  Landes.^)  Auch 
Hraban  enthielt  sich  poKtischer  Thätigkeit;  aber  er  that  es,  weil 
er  es  prinzipiell  missbilhgte,  dass  die  Diener  der  Kirche  sich  in 
die  Angelegenheiten  des  Staates  mischten,  und  er  hatte  dabei  sehr 
bestimmte  politische  Ansichten.  Bei  Walahfrid  war  das  anders: 
seiner  ganzen  Art  lag  es  fern,  Partei  zu  ergreifen;  er  war  keine 
pohtische  Natur.  Deshalb  konnte  er,  ohne  unlauter  zu  sein,  mit 
den  entschiedensten  Gegnern  freundHch  verkehren:  er  verehrte  be- 
wundernd die  schöne  Kaiserin  Judith,  und  er  hatte  Beziehungen 
zu  Agobard  von  Lyon.*)  Er  war  Erzieher  Karls  d.  K.,  und  er 
sang  das  Lob  Kaiser  Lothars.^)  Nicht  einmal  wenn  er  selbst 
leiden  musste,  hess  er  sich  auf  einen  Parteistandpunkt  di'ängen:  er 
wui'de  deshalb  nicht  zum  Feind  Ludwigs  d.  D.,  weil  dieser  ihn 
aus  seiner  Abtei  vertrieb ;  in  dem  Gedicht,  in  welchem  er  über  das 


1)  Vgl.  über  die  Glosse  Reuss,  P.  RE.^  XIV  S.  774. 

2)  De  ecclesiasticarum    rerum    exordiis   et  incrementis.     M.G.  Cap.  II 
S.  473. 

3)  Carm.  6  v.  32  S.  356;  24  v.  1  flf.  S.  379. 

4)  Carm.  8  S.  356  f. 

5)  Carm.  76  S.  413f. 

Hauck,  KirchengescMchte.    11.    2.  Aufl.  42 


—     658     — 

Uuulück  der  Verbannung  klagte.*)  liest  man  kein  herbes  Wort 
über  den  Kiinig,  der  ihn  verbannt  hatte.  Es  passt  dazu,  dass  ihn 
das  Meuschenge\vühl  am  Hofe  abstiess:  der  Schmutz  der  Bettler, 
die  von  dem  milden  König  AliiMt>('n  heischten,  war  ihiu  ebenso 
verhasst  wie  das  Geschrei  der  hadernden  Parteien,  die  am  Hofe 
Recht  suchten.-)  "Wenn  er  sich  einen  schönen  Ort  vorstellte,  dann 
dachte  er  an  den  sonnigen,  blumen gefüllten  Klostergarten, ■^)  an 
einen  einsamen  Berggipfel  oder  an  ein  abgeschlossenes  Waldthal, 
in  dem  der  Epheu  über  den  Boden  hinkriecht  und  die  scheuen 
Yögel  sich  hören  lassen.^) 

Ein  dritter  Schüler  Hrabans  ist  Rudolf  von  Fulda.  Er  wa«- 
weniger  Theolog  als  Gottschalk  und  AValahfrid;  doch  hat  er  im 
Kloster  theologischen  Unterricht  gegeben;  der  Fuldische  Mönch 
Erkanbert  hat  nach  seinen  Auslegungen  einen  Kommentar  zum 
Johannesevangelium  geschrieben.'*)  Dagegen  galt  er  als  überaus 
berühmter  Geschichtschreiber  und  Dichter.")  Von  seinen  Gedichten 
jedoch  scheint  nicht  eines  erhalten  zu  sein;  nur  über  seine  Ge- 
schichtschreibung können  wir  urteilen.  Er  hat  die  Jahrbücher  des 
Klosters  vom  Jahre  839 — 863  bearbeitet,  das  Leben  der  Äbtissin 
Lioba  geschildert  und  einen  Bericht  über  die  zahlreichen  Reliqmen- 
erwerbungen  Hrabans  verfasst.  Sind  die  Annalen  in  formeller 
Hinsicht  ein  Beweis  für  die  Blüte  der  klassischen  Studien  in  Fulda, 
so  in  sachlicher  ein  Zeugnis  für  die  gegenseitige  Absonderung  der 
Teile  des  karohngischen  Reichs.  Rudolf  hat  kaum  mehr  Interesse 
für  das,  was  im  Westen  vorging.  Für  den  CJesichtspunkt.  von 
welchem  aus  wir  die  P^ntwicklung  der  Litteratur  betrachti'n,  sind 
die  hagiographischcn  Schriften  Rudolfs  beinahe  wertvoller  als  seine 
Annalen.  Denn  in  ihnen  lenkt  die  Heiligeni)iographie  wieder  ganz 
in  das  alte  Fahrwasser  ein;  nachdem  Willibald.  Eigil  und  Brunn 
sich  dazu  aufgeschwungen  hatU^i,  die  geschichtlichen  Ereiginsse 
aufzuzeichnen,  herrscht  bei  Rudolf  wieder  vornehmlich  die  Sucht 
nach  dem  Wunderbaren:  seine  Werke  bezeichnen  den  Punkt,  an 
dem  der  Ertrag  der  Kultur  Karls  d.  (4i'.  für  die  kirchengeschieht- 
liche  Biographie  verloren  ging. 


1)  L.  c.  V.  54 f.: 

Nunc  ohlita  mihi  iam  sunt  Alamannica  rura, 
Eligo  planitiem  Francorum  (nämlich  Speier). 

2)  Carm.  2.3  v.  18  tJ'.  S.  370. 

3)  Carm.  4  S.  335  ft". 

4)  Carm.  28  v.  11  ff.  S.  370. 
.5)  M.G.  Ep.  V  S.  3.58  Nr.  34. 

R)  Ann.  Fulrl.  z.  .T.  865;  F-rmenricha  Urteil  über  Riulolf  in  den  der  v. 
Sol.  vorange.^tellton  Briefen  iM.G.  Scr.  XV  S.  154  f.). 


—     659     — 

Rudolfs  Schüler  war  der  fuldische  Schul  Vorsteher  Megiuhart.^) 
Nach  Rudolfs  Tod  entschloss  er  sich,  den  von  jenem  begonnenen 
Beiicht  von  der  Überfiilu-ung  der  AlexandersreHquien  von  Rom 
nach  Wildeshausen  zu  beendigen.-)  Man  ist  ganz  an  die  Weise 
des  Meisters  erinnert.  Einerseits  zeigt  sich  der  historische  Sinn  in 
dem  Wertlegen  auf  urkundHche  Quellen,^)  andererseits  die  die 
historische  Betrachtung  zerstörende  Überschätzung  des  Wunder- 
baren. Noch  stärker  tritt  die  letztere  Seite  hervor  in  der  Predigt 
über  den  fast  unbekannten  Mainzer  Heiligen.  Ferrutius.*)  Megin- 
liart  hier  zu  erwähnen,  würden  diese  Schriften  kaum  Anlass  geben, 
dagegen  erhält  er  dadurch  eine  gewisse  Bedeutung,  dass  er  sich 
an  einen  theologischen  Gegenstand  wagte.  Er  widmete  dem  Erz- 
bischof Günther  von  Köln  eine  Schrift  über  che  drei  kirchlichen 
Symbole.^)  Es  ist  nicht  auÖ allig,  dass  er  in  den  historischen  Ab- 
schnitten derselben  nur  Stellen  aus  älteren  Werken  reproduzierte.'') 
Gleichwohl  hat  das  Urteil  ein  Recht,  dass  er  eine  gewisse  Selbst- 
ständigkeit bewies:  denn  der  wichtigste  Teil  der  Schrift,  die  Unter- 
suchung über  das  Wesen  des  Glaubens,  erscheint  als  die  Frucht 
eigenen  Nachdenkens. 

Die  Bemerkung,  welche  die  hagiographischen  Schriften  Rudolfs 
und  Meginharts  nahelegen,  kann  man  auch  sonst  machen.  Altfiüd 
von  Münster  besass  die  klarste  Einsicht  in  die  relative  Wertlosig- 
keit der  AVundergeschichten  im  Vergleich  mit  der  redhchen  Predigt- 
arbeit: ')  gleichwohl  entrichtete  er  im  2.  und  3.  Buch  seiner  Biographie 


1)  Er  selbst  bezeichnet  sich  als  praefectus  scholae,  de  fide  S.  251. 

2)  Brief  an  Sunderold,  damals  Priester,  später  Erzbischof  von  Mainz, 
M.G.  Scr.  11  8.  674. 

3)  Aufnahme  der  drei  Briefe  Lothars,  c.  4. 

4)  M.G.  Scr.  XV  S.  148. 

5)  Caspari,  Kirchenhist.  Anecdota  S.  251  ff.  Günther .  wünschte  com- 
pendiosum  opusculum  de  fidei  symbolo.  Dem  entspricht  die  Schrift.  Megin- 
hart  zerlegte  sie  in  4  Teile:  de  fide,  de  varietate  symboli,  d.  h.  über  das 
apostolische,  das  nicänische  und  konstantinopolitanische  Symbol.  Das 
letztere,  latior  symboli  forma,  quam  nunc  universalis  ecclesia  publice  prae- 
dicat  et  frequentat,  —  vgl.  quae  decantari  assolent  — -,  steht  ihm  selbst- 
ständig neben  dem  Nicänum;  die  beiden  späteren  Formeln  betrachtet  er  als 
aus  dem  Apostolicum  erwachsen. 

6)  S.  die  Nachweise  Casparis,  der  die  Benützung  von  Rufin,  Augustin 
und  Gennadius  darthut. 

7)  V.  Liudg.  II  praef.  S.  411:  Quamvis  praeponendum  sit  ministerium 
evangelicae  praedicationis  et  multorum  illuminatio  cordium  operationibus 
miraculorum  ostensionibusque  signorum,  ad  honorem  tarnen  largientis  Domini 
stilo  alligari  fecimus,  quae  ab  eodem  s.  viro  facta  recolimus.  Der  Gedanke 
stammt  von  Alkuin  (s.  v.  Willibr.  14  S.  50). 

42* 


—     ßfiO     — 

Liiidgers  dem  Wiiiulorulauben  seiner  Zeitcennssen  seinen  Triiiut. 
Die  Biojcrrapliie  Willeluuls  schien  unvollkommen,  so  lange  dem 
grossen  Missionar  der  Heiligenschein  der  AVunderthaten  fehlte,  deshalb 
hat  Anskar  diesen  Mangel  ersetzt.^)  Den  Mönchen  von  St.  Gallen 
genügten  die  Wmider,  welche  Gozbert  und  Walahtrid  von  Abt 
Otmar  erzählt  hatten,  nicht;  Tso  fügte  eine  zweite  Reihe  hinzu.-) 
Wandalbert  von  Prüm  ergänzte  die  von  Hause  aus  au  Wundem 
nicht  aruie  Lebensbeschreibung  Goars  mit  einem  zweiten  Buche,  das 
nur  Wunder  enthält.'')  In  Ermenrichs  Biographie  des  Mönchs 
Sualo  und  des  Bischofs  Hariolf'*)  mussten  l)ereits  die  Wuuder- 
geschicliten  Ersatz  leisten  für  den  fast  vollständigen  Mangel  an 
Nachnchten  über  das  Leben  der  Heiligen.'*)  Die  Erzählungen 
über  Reliquienübeiiragungen  waren  vollends  einges  dazu  be- 
stimmt, Wunder  zu  belichten.  Hier  hatte  schon  Einhard  den  Ton 
augegeben. 

Der  ebcQ  genannte  Ernienricli,  Miinch  im  Kloster  Ellwaugen. 
charakterisiert  die  Zeit  noch  nach  einer  anderen  Seite.  In  seinem 
Briefe  an  den  Erzkapellan  Griniald")  giebt  er  einen  Beweis  von  dem 
bunten  Wissen,  das  ein  mit  gutem  Gedächtnis  ausgestatteter  ]M(")hc1i 
in  den  Klosterschuleu  sich  nicht  allzuschwer  aneignen  konnte.  Es 
ist  kaum  glaublich,  von  wie  vielen  Dingen  auf  den  vierzig  Seiten 
jenes  Briefs  die  Rede  ist:  Ethik,  Dogmatik  und  Exegese,  Gottes- 
dienst, Seelsorge  und  Kirchenzucht,  Psychologie,  Dialektik  uiul 
Mjihologie,  Gramnuitik,  Rhetorik  und  Metrik  —  in  dem  allen  war 
Ermenrich  bewandert  und  von  dein  allen  wusste  er  zu  reden.  Aber 
die    Lu'^t    und    der    Drang,     ein     zusammenhängendes     und     ah- 


1)  Über  dit)  kritische  Frage  nach  dem  Autor  der  v.  Willeh.  a.  oben 
S.  350  Anm.  2. 

2)  Vorrede  laos  M.G.  Scr.  II  S.  47. 

3)  Auch  hier  zeigt  die  Vorrede,  dass  man  bewusst  nach  Wundern 
suchte  (M.G.  Scr.  XV  S.  362). 

4)  Die  erster«  M.G.  Scr.  XV  8.  I-Jl,  tlio  letztere  X  S.  11.  Über  Ermen- 
rich B.  Dümmler,  Forfich.  XIII  S.  473;  XIV,  405  und  Kp.  V  S.  534f.;  Ebert, 
L.  d.  MA.  II  S.  17R. 

5)  Die  Aufforderung  Gundramras,  dae  Leben  8ola.s  zu  beschreiben, 
setzt  Ermenrifh,  offenbar  unwillkürlich,  um  in  die  andere,  tanti  viri  signa 
annotare  (S.  154);  obnuRO  ist  din  v.  Hariolfi  oin  Dialog,  in  quo  carptim  do- 
clanintur  miracula  .sua. 

6)  Zuerst  von  Dümmler  herausgegeben  in  einem  Hallischen  Programm 
▼.  1873;  nun  auch  im  5.  Band  der  Briefe.  Die  Abfasssungszeit  ergiebt  sich 
einerseits  daraus,  dass  der  Tod  Walahfrids  (18.  August  849)  erwähnt  ist 
(c.  27  S.  564),  andererseits  daraus,  dass  E.  Gozbald  von  VVürzburg,  gest. 
20.  September  855,  als  lebend  nennt,  c.  30  S.  568. 


—     6(U     — 

geschlossenes  Werk  zu  produzieren,  wovon  Alkuin  und  Hraban  er- 
füllt waren,  fehlte  ihm  gänzlich.  Er  kam  nicht  darüber  hinaus, 
Pläne  für  Schriften  zu  machen.^)  Seinen  Brief  schrieb  er  eigent- 
Hch  nur,  um  zu  zeigen,  wae  viel  er  und  wie  viel  sein  Lehrer  Grimald 
wüssten.  Hebt  er  hervor,  dass  das  nicht  ohne  grosse  Mühe  ver- 
fasste  Schreiben  dem  Leser  höchst  nützlich  sein  werde, ^)  so  war 
das  eine  Täuschung;  dieses  Gewirr  von  Notizen  Avar  sehr  wenig 
geeignet  zu  belehren. 

Dieses  Ermatten  der  Produktionslust  ist  charakteristisch  für 
den  Ausgang  des  neunten  Jahrhunderts.  Es  ist  vielleicht  nicht  zu 
viel  gesagt,  dass  es,  als  das  Jahrhundert  zu  Ende  ging,  im  ganzen 
Gebiete  des  ostfränkischen  Reichs  keinen  litterarisch  thätigen  Theo- 
logen mehr  gab.  Die  Gelehrten  waren  nicht  ausgestorben:  Liutbert 
von  Mainz  war  als  äusserst  gelehrter  Maini  berühmt;'^)  die  Namen 
Witgars  und  Adalberos  von  Augsburg  wurden  auch  jenseits  des 
Rheins  mit  Achtung  genannt:"*)  aber  niemand  schrieb  mehr.  Am 
bezeichnendsten  ist,  dass  St.  Gallen,  dessen  erste  Blütezeit  in  die 
letzten  Jahrzehnte  des  neunten  und  den  Beginn  des  zehnten  Jahr- 
hunderts fällt,  keine  theologischen  Schriftsteller  hervorgebracht  hat. 
Nirgends  im  Ostreich  fand  sich  eine  gleich  grosse  Summe  von 
Talent  und  Erudition  vereinigt.  Man  könnte  St.  Gallen  mit  dem 
Gelehrtenhofe  Karls  d.  Gr.  parallelisieren :  aber  der  Unterscliied  ist 
doch  sehr  gross.  Vor  allem  fehlte  in  St.  Gallen  die  Produktivität. 
Die  Grössen,  an  deren  Ruhm  sich  die  späteren  Generationen 
St.  Gallischer  Mönche  sonnten,  waren  doch  eigenthch  nur  Schul- 
meister;'') und  wenn  sie  etwas  schrieben,  so  hielten  sie  sich  vom 
Gebiete  der  Theologie  ängstlich  ferne.  In  der  Klostertradition  lebte 
ihr  Bild  fort:  der  ernste  strenge  Ratpert,  der  alles,  was  nicht  mit 


1)  C.  8  S.  542,  über  eine  beabsichtigte  Schrift,  die  er  Ludwig  d.  D. 
widmen  wollte.  S.  543  spricht  er  die  Absicht  aus,  zu  einer  andern  Zeit  die 
Dialektik  zu  behandeln. 

2)  L.  c.  17  S.  554:  Non  absque  magno  labore  coUegi  ea  ad  utilitatem 
legentium.  Ähnliche  Äusserungen  öfter,  z.  B.  c.  4  S.  538:  Haec  idcirco  tarn 
late  protuli,  ut  sciant  legentes  etc.  C.  19  S.  557:  Scripsi  haec,  ut  necessaria 
coram  exposita  vel  inviti  recognoscant.  C.  24  S.  561 :  Gustum  ex  aliquantis 
necessariis  porrigo  illis,  qui  nesciunt. 

3)  Ann.  Fuld.  z.  J.  889:  Literulis  doctis  doctior  ille  fuit. 

4)  Vgl.  Hincm.  Rhem.  ep.  ad  Hincm.  (Migne  126  S.  280)  und  Regln, 
in  der  Widmung  seiner  Chronik  S.  543,  auch  z.  J.  887  S.  597. 

5)  Über  den  zu  Unterrichtszwecken  bestimmten  Vocabularius  St.  Galli 
s.  Meyer  (JB.  f.  Schw.  Gesch.  X  S.  63  f.).  Den  Stufengang  des  Unterrichts 
zeichnet  ein  Brief  im  St.  Galler  Formelbuch  (M.G.  Form.  coli.  Sang.  41 
S.  423). 


—    m2    — 

dem  Unterricht  zusaninieiihiiifj.  für  ZeitverschweiKlung  hielt.*)  der 
kunst-  iiiul  hedrrreiche  Tiiolilo,  eine  so  frisclie.  thatkräftisc  Xatnr. 
dass  man  es  für  ein  Unrecht  halten  konnte,  dass  ein  solcher  Mann 
Mönch  geworden  war;-)  der  feine  und  zarte  Notker,  wie  geschaftcn 
für  das  heschaidiche  Leben,  durch  Unerwartetes  leicht  verwirrt  ahei* 
stark  in  (-leduld  und  Gewissenhaftigkeit."')  Besonders  ihn  hat 
die  Erinnerung  der  Zeitgenossen ,  idealisiert.  Man  besitzt  noch 
sein  Bild:*)  er  sitzt  sinnend  an  der  Schreibtafel;  der  Kopf  ist  auf 
die  linke  Hand  gestützt,  die  grossen  Augen  sind  halb  nach  oben 
gerichtet,  träumerisch,  ohiir  einen  Gegenstand  zu  fixieren.  Ein 
schmerzlicher  Zug  um  den  Mund:  die  schmalen,  mageren  Hände 
machen  den  Eindruck  des  Kränklichen.  Die  Geschichten,  welche 
die  Mönche  sich  von  ihm  und  seinen  Genossen  erzählten.  Hest  mau 
mit  Vergnügen.  Aber  wenn  man  sich  diese  Männer  neben  Alkuin, 
Theodulf  und  Einhard  gestellt  denkt,  so  fällt  der  Vergleich  doch 
sehr  zu  ihren  Ungunsten  aus:  ihre  litterarischen  Leistungen  stehen 
weit  hinter  denen  der  karohngischen  Zeit  zurück.  So  manchfach 
gebildet  Ratpert  war,  geschrieben  hat  er  doch  mir  Gedichte  und 
sein  Buch  über  die  Schicksale  St.  Gallens;  Xotker  war  vic^Ueicht 
der  belesendste  Theologe  seiner  Zeit:  aber  wir  verdanken  es  nur 
einem  Zufall,  dass  wir  das  wissen.'')     Und  ist  es   richtig,  dass  er 


1)  Ekkeh.  Gas.  s.  Gall.  3  S.  95.  Über  Ratport  schrieb  Zimmermann, 
R.  V.  S.  G.  1878.  Vgl.  Meyer  v.  Knonau  in  den  fieschichtsschr.  d.  deutsch. 
Vorzeit,  10.  .lahrh.  Bd.  XI,  Einleitung;  Ebert,  L.  d.  MA.  HI.  S.   156  f. 

2)  Ekkeh.  1.  c.  S.  94,  .s.  Ebert,  S.  152. 

3)  Ekkeh.  1.  c,  Meyer  v.  Knonau  in  d.  Mittli.  der  antiq.  Gesellsch.  z. 
Zürich  XIX,  4  (1877),  Ebert  S.  144.  Über  seinen  Bruder  Othere,  Stutz, 
Benefizialwesen  S.  146. 

4)  Das  Bild,  Eigentum  d  antiq.  rfeselLschaft  zu  Zürirh ,  ist  der  Ab- 
handlung von  Meyer  v.  Knonau  in  guter  Reproduktion  beigegeben.  Ob  es 
Porträt  ist,  wie  Meyer  v.  Knonau  geneigt  ist  anzunehmen,  lasse  ich  dahin- 
gestellt.    Unmöglich  dünkt  es  mich  nicht. 

5)  Wenn  die  notatio  Notkeri  unserem  Notker  angehört,  so  ist  sie  ein 
Reweis  für  seine  staunenswerte  Belesenheit  in  der  lateinisch  -  kirrhiirhen 
liitteratur.  Man  begreift  dann  den  Ruhm,  dass  es  im  Reiche  Karls  III. 
keinen  gelehrteren  Mann  gebe,  als  ihn  (Ekkeh.  cas.  3  S.  96).  Dümraler 
(Formelbuch  Salomos  S.  157)  erklärt  sich  mit  F]nt,schiedenheit  für  die  Rich- 
tigkeit der  Überschrift;  ihm  stimmt  Ebert  (L.  d.  MA.  III  S.  150)  zu.  Da- 
gegen %erhält  sich  Meyer  v.  Knonau  gegen  die  Überschrift  ablohnend 
(Mitth.  etc.  S.  5).  Da  der  Verfasser  sicher  ein  Mönch  von  St.  Gallen  war 
(S.  78:  Otmaros,  nostrura  et  Belgicum),  so  scheint  mir  trotz  mancher  Be- 
ilenken, die  grö.ssere  Wahrscheinlichkeit  dafür  zu  sprechen,  dass  die  Über- 
schrift richtig  ist.  Ein  ihm  wahrscheinlich  angehöriger  Brief  über  die 
Tonsur  steht  Form.  Coli.  Sang.  Nr.  28  S.  412. 


—     663     — 

der  Verfasser  des  St.  Galler  Lebens  Karls  d.  Gr.  -war,  dann  braucht 
man  nicht  zu  beweisen,  dass  sein  Urteil  nicht  auf  gleicher  Höhe 
mit  seiner  Belesenheit  stand,  ^)  Tuohlo  vollends  war  schöpferisch 
nur  als  bildender  Künstler.-)  Das  Erlahmen  eigener  Thätigkeit 
auf  dem  theologischen  Gebiete  ist  um  so  auffälliger,  da  die  Nach- 
richten über  die  Vermehrung  der  St.  Gallischen  Bibliothek  beweisen, 
dass  man  sich  im  Kloster  so  gut  wie  ausschhesslich  mit  Theologie 
beschäftigte.'^)  Das  universelle  Interesse,  welches  die  Zeit  Karls  d.  Gr. 
ausgezeichnet  hatte,  war  fast  ganz  verschwunden.^) 

Anderwärts  war  es  ebenso.  In  Lothringen  war  das  Kloster 
Prüm  von  lange  her  ein  Sitz  manchfacher  Studien.  Unter  Abt 
Markward  ist  allerlei  Hagiographisches  dort  geschrieben  worden.'^) 
Sein  Nachfolger  Eigil  gehörte  zu  dem  Freundeski-eise  Hrabans. 
Als  Radbert  mit  seiner  Abendmahlslehre  hervortrat,  hat  er  seine 
abweichende  Ansicht  in  einem  Brief  an  Eigil  dargelegt.^)  Von 
892  an  stand  Regino  an  der  Spitze  des  Klosters,  ein  vielfach  ge- 
bildeter Mann.  Aber  irgend  etwas  Theologisches  ist  in  Prüm 
nicht  geschrieben  worden.  Regino  selbst,  der  im  Jahre  899  aus 
seinem  Kloster   weichen  musste,')   hat  sich  als  Geschichtschreiber 


1)  Annahme  von  Zeumer,  Hist.  Aufs,  dem  Andenken  von  Waitz  ge- 
widmet S.  97  f.  Wattenbach  GQ.  I  S.  187  stimmt  zu.  Die  Richtigkeit  der 
Annahme  scheint  mir  sicher-,  vgl.  die  gleiche  Selbstbezeichnung:  balbus,  eden- 
tulus  hier  U,  17  und  in  dem  28.  Briefe  der  St.  Galler  Formelsammlung  S.  412. 

2)  Aber  die  Nachrichten  Ekkeharts  im  einzelnen  sind  Legende  s.  J. 
v.  Schlosser,  Wiener  SB.  1890  Bd.  123  S,  180  S. 

3)  Vgl.  oben  S.  617.  In  der  notatio  Notkeri  ist  vor  den  heidnischen 
Dichtern  gewarnt  und  statt  dessen  auf  Prudentius  und  die  christlichen 
Poeten  hingewiesen  (S.  73);  vgl.  auch  Ermenr.  ep.  24  S.  561;  doch  wird 
c.  25  S.  563  zugegeben:  Sicut  stercus  parat  agrum  ad  proferendum  satius 
frumentum,  ita  dicta  paganorum  poetarum  licet  feda  sint,  quia  non  sunt 
uera,  multum  tamen  adiuuant  ad  percipiendum  diuinum  eloquium. 

4)  Schon  Ermenrich  klagt  überhaupt  über  das  Ermatten  der  ge- 
lehrten Interessen:  Una  (angustia)  est,  quia  cerno  docentium  raritatem, 
altera  quia  discentium  crescere  uideo  tarditatem,  intantum  ut  nee  de  tali- 
bus  uel  interrogare  dignentur  et  sie  artes  inscrutabiles  a  non  discentibus 
uilescunt, 

5)  Markward  Abt  829—  853,  Regin.  ehr.  z.  d.  JJ,  Unter  ihm  schrieb 
Wandalbert  s.  u.,  auch  die  Hist,  transl.  Chrisanti  et  Dariae  Scr.  XV  S.  374 
ist  unter  ihm  entstanden, 

6)  Eigil  Abt  853—860,  Regin.  ehr.  z.  d.  JJ.  Hrabans  Schrift  Migne  112 
S.  1510  ff.  Nicht  ohne  ein  gewisses  Interesse  ist  die  Notiz  S.  1512:  Quon- 
dam  in  terra  Wlgarorum  quidam  nobilis  potensque  paganus  bibere  me 
suppliciter  petivit  in  illius  Dei  amore  qui  de  vino  sanguinem  suum  facit. 

7)  Regin,  ehr.  z.  d.  JJ. 


—     8H4     — 

und  als  MusikschriftstoUer  einen  Namen  gemacht;^)  nicht  minder 
verdient  machte  er  sicli  durcli  seine  Sammlung  der  kanonischen 
Vorschnften  über  die  kirchhche  Disziplin  um  die  kirchliche  Ord- 
nung.') Aber  ein  Theologe  war  er  nicht.  Bei  den  neuliekchrten 
Sachsen  fehlte  es  weder  an  theologischer  Bildung  noch  an  Begabung 
und  Lust  7A\  litterarischer  Thätigkeit.  Den  Mönch  Frudegard  von 
Corvey  schätzte  Kadbert  hoch  genug,  dass  er  seinen  Widerspruch 
gegen  die  A\'andelungstheorie  durch  eine  eigene  Zuschrift  beant- 
wortete.^) Ein  litterarisches  Talent  war  der  Priester  Agius,  seine 
Elegie  auf  den  Tod  der  Äbtissin  Hathumod  von  Gandersheim  ge- 
hört zu  den  anziehendsten  Werken  des  ausgehenden  neunten  Jahr- 
hunderts.'*) Aber  einen  Theologen  hat  Sachsen  nach  Gottschalk 
nicht  wieder  hervorgebracht. 

AVir  haben  früher  die  ersten  schier  unwillkürlichen  Ansätze 
zur  Entstehung  einer  theologischen  Litteratur  in  deutscher  Sprache 
zu  beoi)achten  gehabt.'')  Unter  Ludwig  d.  Fr.  setzt  sich  diese  Be- 
wegung noch  fort.  In  den  Jahren  823 — 825  ist  in  Fulda  die 
lateinische  Bearbeitung  des  Tatianischen  Diatessaron  ins  Deutsche 
übersetzt  worden.")  Man  hat  die  Bearbeitung  gelobt  als  sauber 
und  sorgfältig.')  Aber  mit  ihr  bricht  die  Thätigkeit  auf  diesem 
Gebiete  ab:  sie  ist  das  letzte  grössere  Werk  geistlicher  Prosa  in 
althochdeutscher  Sprache,  das  d(>ni  nomiten  Jahrliundcrt  ent- 
stammt.*') 

Nur  an  einem  Punkte  hörte  die  Produktivität  nicht  ganz  auf. 


1)  Vgl.  Ebert,  Lit.  d.  MA.  III  S.  227;  Wattenbach,  Gg.  I  S.  259  0'. 

2)  Über  diese  Schrift  unten  Kapitel  5. 

3)  Migne  120  S.  13Ö1  ff. 

4)  Agius  schrieb  auch  die  prosaische  V.  Hathumodae  (gest.  29.  November 
874)  M.G.  Scr.  IV  S.  165  tf.  Poet.  lat.  III  S.  367  ff.  Über  seine  Persönlich- 
keit wissen  wir  nichts.  Die  Annahme  von  Pertz,  er  sei  der  Bruder  Hathu- 
mods,  ist  doch  nur  eine  ansprechende  Vermutung,  eben.so  die  von  Traube, 
er  sei  Schüler  von  Corvey  und  identisch  mit  dem  unter  den  Corveyer 
Mönchen  genannten  Agicus  (Scr.  XIII  S.  37.5).  Denn  Sachsen  wurden  auch 
ausserhalb  Corveys  gebildet.  Die  von  Pertz  und  Traube  au.sgesprochone 
Vermutung,  Agius  sei  der  sächsische  Dichter,  welcher  die  Thaten  Karls  be- 
sang (Scr.  I  S.  225  ff.),  der  s.  g.  Poeta  Saxo,  hat  viel  Ansprechendes. 

5)  Vgl.  oben  S.  HiOff. 

6)  So  Kossinna ,  über  die  ältesten  hochfränkischen  Sprachdenkmäler 
S.  97—99;  Kelle  sagt  um  830,  S.  112;  Piper  um  823  S.  121.  Ausgabe  von 
Sievers,  2.  Aufl.,  Paderborn  1892.  Über  das  Verhältnis  des  lateinischen 
Textes  zu  dem  syrischen  Diatessaron,  s.  Zahn,  Forschungen  z.  Gesch.  des 
NTl.  Kanons  I  S.  298  ff. 

7)  Piper  a.  a.  0. 

8)  Auf  niederdeutechem  Gebiet  hat  man  länger  fortgearbeitet;  Zeugen 


—     065     — 

Die  rege  Teilnahme  am  gottesdienstlichen  Leben  bewirkte,  dass 
man  sich  an  den  übererbten  Formen  desselben  nicht  genügen  Hess. 
Zwar  wirkte  die  Einführung  der  römischen  Messe  hemmend.  Neue 
Messgebete  scheinen  nicht  mehr  entstanden  zu  sein:^)  aber  neue 
Hymnen  und  Litaneien  wurden  auch  jetzt  verfasst.  Was  Pauhn 
von  Aquileja"-)  und  Theodulf"^)  gewagt  hatten,  das  versuchten  jetzt 
Hral»an-*)   und  Walahfrid,^)   Ratpert,**)    Notker '')  und  Ermenrich.^) 


sind  die  Fragmente  eines  niederdeutschen  Psalmenkommentars.     Müllenhoff 
und  Scherer,  Denkmäler  I  S.  233. 

1)  Der  liber  sacramentorum  des  Abts  Grimald  (Migne  121  S.  797  fiF.) 
ist  lediglich  eine  Ergänzung  des  Gregorianischen  Sakramentars  durch  For- 
mulare, welche  Grimald  im  kirchlichen  Gebrauche  fand;  s.  praef.  S.  797: 
Quia  sunt  et  alia  quaedam  quibus  necessario  s.  utitur  ecclesia,  quae  idem 
Pater  (Gregorius  M.)  ab  aliis  iam  edita  esse  inspiciens  praetermisit,  idcirco 
operae  pretium  duximus,  ea  velut  flores  pratorum  vernantes  carpere  et  in 
unum  congerere  atque  correcta  et  emendata  suisque  capitulis  praenotata 
in  huius  corpore  codicis  seorsum  ponere,  ut  in  hoc  opere  cuncta  inveniret 
lectoris  industria,  quaecunque  nostris  temporibus  necessaria  esse  perspexi- 
mus,  quanquam  plura  etiam  in  aliis  sacramentorum  libellis  invenissemus 
inserta. 

2)  An  der  Thatsache,  dass  Paulin  Hymnen  dichtete,  besteht  kein 
Zweifel,  s.  Ale.  carm.  17  S.  239,  Walahfr.  de  reb.  eccl.  26  S.  506:  Traditur 
Paulinum  .  .  saepius  et  maxime  in  privatis  missis  circa  immolationem  sacra- 
mentoi'um  ymnos  vel  ab  aliis  vel  a  se  compositos  celebrasse.  Welche 
Hymnen  ihm  angehören,  ist  jedoch  nicht  mehr  festzustellen.  Ebert  (L.  d. 
MA.  II  S.  91)  erklärt  den  Hymnus  über  die  Geburt  Christi  (carm.  11  S.  144  f) 
für  authentisch;  Dümmler  stellt  sämtliche  geistliche  Lieder  unter  die  car- 
mina  dubia. 

3)  Von  ihm  ist  der  Palmsonntagshymnus  Gloria  laus   et  honor  (c.  69 

S.  558). 

4)  Dümmler  rechnet  nur  die  beiden  Hymnen  auf  Bonifatius  und  die 
heiligen  Marcellin  und  Petrus  (c.  81  f.  S.  234  ff.)  zu  den  echten  Gedichten 
Hrabans,  alle  andern,  auch  das  Lied  Festum  nunc  celebre  (S.  249  Nr.  9), 
das  Ebert  als  hrabanisch  anzuerkennen  geneigt  ist  (S.  145),  erklärt  er  für 
unsicheren  Ursprungs. 

5)  Carm.  21  S.  367;  25a  S.  381;  72  S.  411;  77  S.  415;  83  S.  418:  s. 
Ebert  S.  161. 

6)  Canisius,  Thesaurus  II,  3  S.  195,  199  flf.;  vgl.  Ebert  HI  S.  1-57. 
Schubiger,  Die  Sängerschule  St.  Gallens  1858  S.  36  f.  Ratpert  verfasste 
auch  einen  deutschen  Hymnus  auf  den  h.  Gall,  der  jedoch  nur  in  der  la- 
teinischen Übersetzung  Ekkeharts  IV.  erhalten  ist  (Müllenhoff  und  Scherer, 
Denkmäler  Nr.  12  S.  27). 

7)  Canis.  1.  c.  S.  220  f.,  s.  Ebert  III  S.  149. 

8)  Hymnus  auf  den  heiligen  Sualo  M.G.  Scr.  XV  S.  163.  Eine  ano- 
nyme rhythmische  Litanei,  die  sich  auf  Konrad  I.  bezieht,  ist  von  Dümmler 
in  den  Mitth.  d.  antiq.  Gesellsch.  zu  Zürich  herausgegeben  (XII  S.  222). 


—      ()()H      — 

Die  gereimte  Übei-setzung  des  18S.  Psaluies.')  und  die  Lieder  auf 
den  heiligen  Petrus,  Georg  und  (iall ')  lassen  vermuten,  dass  man 
bereits  da/u  tortschritt,  auch  die  deutsche  Sprache  für  den  geist- 
lichen Volksgesang  zu  verwerten.  Solche  Lieder  werden  bei  AVall- 
fahrtcn  und  ähnlichen  Anlässen  ausser  dem  Kyrie  gesungen  worden 
sein.")  Das  ist  der  Anfiing  des  deutschen  Kirchenliedes.  Für  die 
nächste  Zeit  war  wichtiger,  dass  der  Zufall  ein  Paar  fehlerhafte 
Se<iuenzen  aus  dem  westfränkischen  Kloster  Jumieges  dem  dichte- 
risch begabten  Notker  in  die  Hand  spielte.  Das  mangelhafte  Vor- 
bild gab  ihm  die  Anleitung  zur  Gestaltung  einer  neuen  Form 
gottesdienstlicher  Gesänge,  die  sich  in  der  Folgezeit  als  ungemein 
fruchtbar  bewies."*) 

Auch  die  Fortl)ildung  des  Heiligenkalenders  zur  Legenden- 
sammlung, die  sich  in  den  Martvrologieu  dieser  Zeit  vollzieht,  mag 
erwähnt  werden.') 

1)  Müllenhoff  und  Scherer,  Denkmäler  13  S.  31  if. 

2)  L.  c.  9  S.  21,  17  S.  35:  vgl.  über  den  Hymnus  auf  den  h.  (rall 
S.  665  Anm.  6. 

3)  Vgl.  Rudolf.  Mirac.  sanct.  5  S.  334:  (Populi)  qui  nos  in  dicendis 
laudibus  divinis  et  in  sacro  onore  ferendo  non  segniter  adiuvabant.  Wolfh. 
Mirac.  Waldb.  IV,  10  S.  553:  Cum  agmine  clericorum  et  pauperum  com- 
niixto  flamina  devehentiura  et  Kyrie  eleison  voce  sonora  canontium  etc. 
Transl.  Vit.  26  S.  öHi.  Vgl.  auch  Ludwigslied  v.  46  (MiiUonhotf  und  Scherer, 
Denkmäler  S.  26):  Ther  kuning  reit  kuono,  sang  lioth  frano,  Joh  alle  saman 
sungun   Kyrrieleison. 

4)  Für  die  musikalische  Seite  dieser  Sache  verweise  ich  auf  das  an- 
geführte Werk  Schubigers,  Die  Sängerschulo  St.  (Ballens,  185S.  Kin  Mangel 
seiner  Untersuchung  besteht  darin,  dass  er  den  Nachrichten  Kkkehard.s  viel 
zu  unbedingten  Glauben  schenkt.  Die  Widmung  der  Sequenzen  Notkcr.s 
an  Liutward  von  Vercelli  ist  von  Dümmler  in  den  Mitth.  der  antiq.  Gesell- 
schaft zu  Zürich  XII  S.  224  ediert.  Die  Frage,  welche  Se«iuenzen  Notker 
verfasst  hat,  wird  durch  Wilmans  (Ztschr.  f.  d.  Altertli.  N.  F.  III  S.  267| 
dahin  beantwortet,  dass  41  Sequenzen  mit  höchster  Wahrscheinlichkeit 
Notker  zuzuschreiben  seien. 

5)  Die  Martyrolosrien,  welche  die  Namen  des  Hieronymus  und  Beda 
tragen,  sind  blosse  Heiligenkalender.  Dagegen  ist  schon  die  von  Florus 
von  Lyon  vorgenommene  Bearbeitung  des  Martyrol.  Bedae  eine  konsequente 
Erweiterung  desselben  (Migne  94  S.  790).  An  Florus  schloss  sich  Wandal- 
bert von  I'rüm  in  seinem  metrischen  Martyrologium  an  (ep.  ad  Otric.  Poet, 
lat.  II  S.  569).  Dasselbe,  geschrieben  848  (s.  Dümmler  1.  c.  S.  567),  ist 
freilich  kaum  etwas  anderes  als  ein  versifizierter  Kalender.  Hraban  dagegen 
giebt  in  seinem  zwischen  «40  und  S.'")4  geschriebenen  Martyrologium  (opp.  IV 
S.  1121fr..  die  Widmung  auch  Kp.  48  S.  502  f.)  regelmässig  weitere  Nach- 
richten über  die  von  ihm  erwähnten  Heiligen.  Noch  ausführlicher  als 
Hraban  ist  Ado  von  Vienne,  der  vor  870  sein  auf  Florus  gegründetes  Mar- 


—     667      — 

Fasst  man  alles  zusammen,  so  gewinnt  man  ein  wenig  erfreu- 
liches Bild.  Zwar  hörte  die  gelehrte  Tliätigkeit  nicht  auf  und 
wurde  der  Umfang  des  Wissens,  über  welches  die  Zeit  verfügte, 
nicht  geringer.  Aber  die  Teilnahme  der  Laien  am  litterarischen 
Leben  war  seit  Karls  Tod  erloschen;  und  unter  dem  Klerus  schwand 
eben  so  sehr  das  Interesse  an  der  allgemeinen  Bildung  als  der 
Rest  eigener  Produktivität  auf  dem  theologischen  Gebiete.  Man 
war  gegen  die  klassischen  Studien  bedenklich,  und  man  kam  von 
dem  Reproduzieren  fremder  Gedanken  schliesshch  auf  das  Ab- 
schreiben älterer  Werke.  Fand  die  historische  Litteratur  stets  eine 
gewisse  Pflege,  so  wurden  doch  die  annahstischen  Aufzeichnungen 
immer  dürftiger,  und  was  die  Biographien  anlangt,  so  drohte  die 
Lust  am  Wunderbaren  den  Sinn  für  die  wirklichen  Ereignisse  zu 
ersticken.  Zugleich  lieferte  Ratpert  in  seiner  Klostergeschichte  von 
St.  Gallen  eine  Probe  tendentiöser  Fälschung  der  Geschichte,  und 
bewies  Reginos  Chronik,  dass  den  Geschichtschreibern  der  Mut  ent- 
gangen war,  alles  zu  sagen,  was  sie  wussten. 

Die  Woge  des  Lebens  steigt  auf  und  ab.  Unter  Karl  hatte 
sie  sich  mächtig  gehoben,  hundert  Jahre  nach  seinem  Tode  war 
sie  zerflossen. 


tyrologium  zusammenstellte.  (Migne  123  S.  201  ff.).  Wie  Dümmler  (Forsch. 
25  S.  198  und  201)  nachgewiesen  hat,  schenkten  sowohl  Hraban  als  Ado 
ihre  Werke  nach  St.  Gallen,  vgl.  die  Widmung  an  C4rimald  Poet.  lat.  II 
S.  169  Nr.  6.  Dort  wurden  sie  für  das  St.  C4aller  Martyrologium  benützt, 
als  dessen  Verfasser  man  Notker  zu  betrachten  pflegt.  Vgl.  den  angeführten 
Aufsatz  von  Dümmler;  Zöckler  P.  RE.  P  S.  147;  Ebert,  L.  d.  MA.  II  und 
III  bei  den  betr.  Autoren.  Die  erste  eigentliche  Legendensammlung  ver- 
fasste  der  Mönch  Wolfhard  von  Herrieden  auf  V^eranlassung  PJrchanbolds 
von  Eichstädt  (Anon.  Haser.  10  M.G.  Scr.  VII  S.  256);  die  Vorreden  zu  den 
einzelnen  Monaten  sind  gedruckt  bei  Pez,  Thes.  anecdot.  VI  S.  90  ff.,  und 
in  Pertz  Archiv  V  S.  565.  Vgl.  Ann.  Boll.  XVH,  1898  S.  5  ff.,  wo  die 
Quellen  Wolfhards  nachgewiesen  sind. 


Viertes    Kapitel. 

Missionsunternehmungen. 


Die  Bekeliruiig  der  Sachsen  öffnete  den  Weg  zur  nordisclien 
^fissinn.  Sic  nötigte  gewisserniassen  zu  iln\  Liudger,  der  \vie  kein 
zweiter  Mann  die  Verhältnisse  des  Xordeiis  kainite,  täuschte  sich 
darüber  nicht,  dass  die  sächsische  und  friesische  Kirche  nur  dann 
ungestört  sich  entfalten  könnten,  wenn  es  gelang,  die  Nordländer 
für  den  christlichen  Glauben  zu  gewinnen.  Er  sah  die  Gefahren, 
welche  von  ihnen  drohten,  so  bestimmt  voraus,  dass  sie  ihn  selbst 
in  seinen  Träumen  l)eschäftigten.')  und  er  drang  deshalb  in  Karl, 
dass  er  ihju  die  Erlaubnis  zu  einem  Missionszug  nach  dem  Norden 
erteile.'-)  Aber  Karl  verweigerte  sie.  Thn  dünkte  wohl  die  Lage 
in  Sachsen  selbst  noch  zu  unsicher,  als  dass  man  an  weitere  Unter- 
nehmungen hätte  denk<'n  können.  Überhaupt  verhielt  er  sich  den 
Dänen  gegenülier  vielmehr  defensiv  als  aggressiv.*')  Er  vermied, 
die  natürlichen  Grenzen  der  deutschen  Machtsphäre  zu  über- 
schreiten; die  Einrichtung  der  Marken  w.ir  zum  Schutz  der  Reichs- 
•'renzen.  nicht  zum   AnurifV  auf  das  NachbiU'land  bestinnnt. 


1)  V.  Liudg.  II,  3  S.  412  f. 

2)  L.  c.  6  S.  414. 

3)  Schon  i.  .T.  808  erwartete  Karl  einen  Angriff  Göttriks  auf  Sachsen: 
er  selbst  verhielt  sich  lediglich  defensiv  fAnn.  Einh.,  S.  Amand.  z.  d.  J.). 
Auch  die  Gründung  von  Itzehoe  i.  .1.  809  hatte  nur  einen  defensiven  Zweck. 
(Ann.  P^inh.).  Der  Friede  wurde  810  von  Göttrik  gebrochen  (1.  c);  seine 
Ermordung  machte  i.  .T.  811  den  Abschluss  einf^s  Friedens  möglich  (1.  c). 
Sein  Nachfolger  Hemming  starb  jedoch  bpreits  Ende  des  .lahres  811.  Nun 
brach  der  Streit  um  den  Thron  aus. 


—     ()(>9     — 

Allein  ganz  konnte  er  sich  den  Konsequenzen  der  Thatsache 
nicht  entziehen,  dass  die  Nordländer  nunmehr  Nachbarn  des  frän- 
kischen Reiches  waren.  Er  musste  zu  den  Thronstreitigkeiten  in 
Dänemark  Stellung  nehmen.  Dort  kämpften  die  Nachkommen 
Göttriks  und  Haralds  um  die  Herrschaft.  Die  ersteren  wurden 
von  den  Schweden,  die  letzteren  von  den  Abodriten  begünstigt. 
Auch  Karl  stand  dem  Stamme  Haralds  wohlwollend  gegenüber.^) 
Aber  der  jüngere  Harald  unterlag.  Kurz  nach  Karls  Tode  flüchtete 
er  in  das  fränkische  Reich:  der  länderlose  König  war  bereit,  des 
Kaisers  Vasall  zu  werden,  und  Ludwig  versprach  ihm  daraufhin 
seine  Unterstützung  zur  Wiedereroberung  Dänemarks.-) 

Durch  dies  Versprechen  wurde  die  Zurückhaltung,  welche  Karl 
den  nordischen  Angelegenheiten  gegenüber  beobachtet  hatte,  auf- 
gegeben.^) Hier  schien  Ludwig  eine  thätigere  Politik  einzuschlagen 
als  sein  Vater.  Möghch,  dass  der  Gedanke  an  die  Ausbreitung 
der  Kirche  dabei  mitgewirkt  hat.'*)  Denn  er  trat  nun  alsbald  in 
den  Vordergi'und.  Aber  mau  kann  nicht  sagen,  dass  Ludwigs 
pohtische  Massregeln  geeignet  waren,  der  Mission  die  Wege  zu 
ebnen.  Zunächst  versuchte  er  mit  ganz  ungenügenden  Mitteln 
Harald  zurückzuführen:  er  scheiterte  dabei  kläglich.')  Sodann  ent- 
fremdete er  durch  eine  ebenso  unkluge  als  ungerechte  Massregel 
die  Abodriten,  bislier  treue  Bundesgenossen  der  Franken,  für  immer 
dem  Reiche.*')  Endlich  liess  er  es  geschehen,  dass  Harald  durch 
einen  Vertrag  mit  seinen  Vettern  sich  einen  Teil  des  Reichs  er- 
kaufte, das  er  ganz  beanspnicht  hatte.')  Der  Erfolg  von  dem  allen 
war,  dass  die  alten  Feinde  unversöhnt  blieben,  die  alten  Freunde 
zu  Feinden  wurden  mid  die  Anhänglichkeit  des  bisherigen  Schütz- 


1)  Ann.  Einh.  z.  J.  813. 

2)  Ann.  Einh.  z.  J.  814. 

3)  Angesichts  der  Darstellung,  welche  die  Keichsannalen  von  Karls 
nordischer  Politik  geben,  scheint  mir  Rimberts  Angabe  über  Karls  Pläne 
bezüglich  Hamburgs  (V.  Ansk.  12  S.  33)  durchaus  unwahrscheinlich.  Ihr 
gegenüber  verlieren  auch  Dehios  Folgerungen  aus  dem  Begriff  des  Kaiser- 
tums (Gesch.  d.  Erzbist.  Hamburg-Bremen  S.  36  f.)  ihr  Gewicht. 

4)  Freilich  ist  auf  die  Verse  des  Ermoldus  (In  honor.  Hlud.  IV"  v.  21  ff.) 
nicht  das  mindeste  Gewicht  zu  legen.  Etwas  mehr  Wert  haben  die  Worte 
,,consilio  imperatoris"  Ann.  Einh.  z.  J.  823. 

5)  Ann.  Einh.   z.  J.  815. 

6)  L.  c.  z.  J.  816,  819,  821,  823. 

7)  L.  c.  z.  J.  819.  Es  liegt  nahe,  an  einen  Zusammenhang  des  nor- 
mannischen Raubzugs  im  Jahre  820  mit  der  im  Jahre  vorher  erfolgten  Ver- 
treibung zweier  Söhne  Göttriks  aus  Dänemark  zu  denken.  Er  wäre  dann 
eine  Folge  der  Einmischung  Ludwigs  in  die  dänischen  Verhältnisse. 


—     G70     — 

lings  sich  lockerte.  Das  friiiikische  Keicli  ei-scliieii  im  Norden 
schwäclier,  als  es  in  AVirklichkeit  war;  man  fürchtete  es  nicht 
mehr,  aher  n)ari  beargwöhnte  es. 

So  unsicher  war  die  Lage,  als  mit  der  Mission  l)egonnen 
wurde.  Ihr  erster  Träger  war  der  Erzhischof  Ebo  von  Rheims. 
Wir  haben  ihn  im  Kampfe  Ludwigs  mit  seinen  Söhnen  als  hef- 
tigen Gegner  des  Kaisers  kennen  gelernt.^)  Das  war  er  nicht 
imniei-  gewesen.  Der  deutsche  Bauernsohn-)  war  am  Hofe  Karls 
d.  (Ir.  aufgewachsen,^)  ein  Sjjiel-  und  Lerngenosse  der  Prinzen,  wie 
man  später  wissen  wollte,^)  der  Milchl)ruder  Ludwigs.  Die  hervor- 
ragende Begabung  des  Jünghngs  machte  sich  rasch  bemerklich; 
Karl  schenkte  ihm  die  Freiheit,  um  ihm  den  Eintritt  in  den 
Priesterstand  möglich  zu  machen.  Es  war  ein  weiterer  Beweis 
seines  Vertrauens,  dass  er  ihn  dem  jungen  Ludwig  zum  Dienst*' 
überliess.  Dieser  fand  in  dem  JugendfreuTid,  was  ihm  selbst  fehlte, 
frische  Auffassung  und  energische  Thatkraft/')  Er  behielt  ihn  in 
seiner  Umgebung  und  stellte  ihn  an  die  Spitze  seiner  Bibliothek. 
Das  Verhältnis  beider  war  nicht  das  des  Herrn  zum  Diener,  son- 
dern das  des  Freundes  /.um  Freunde.")  Kurz  nach  seiner  Thron- 
besteigung erhol)  Ludwig  seinen  Bibliothekar  auf  den  P>zstuld  von 
Rheims.')  So  wurde  Ebo  einer  der  eiiiHussreichsten  kirchlichen 
Älänner  im  Keiche.  Sein  F]hrgeiz  dürstete  nach  Thaten.  Die  Be- 
ziehungen Ludwigs  zu  Dänemark,  der  Aufenthalt  dänischer  Männer 
am  Hofe**)  lenkten  seine  (icdanken  auf  dif  Predigt  unter  diesem 
\'olke.  Es  ist  begreiflich,  dass  er  für  seine  Pläne  liei  Ludwig 
offene  Emi)fänglichkeit  fand. 

1  )ii'  Art,  wie  die  ]Mission  begonnen  wurde,  zeigt,  dass  sie  nicht 
als  Privatunternehmen  des  Erzbischofs,  sondern  als  eine  Staatsaktion 
betrachtet  werden  sollte.  Ludwig  legte  die  Sache  einer  Reichsver- 
sammlung vor  und  sandte  nn't  ihrer  Zustimmung  Ebo  nach  Rom, 
um  die  p:i|)stliche  Volhiiacht  zur  Heidenpredigt  zu  erholen.") 
Paschalis   erteilte    sie    nicht    nin-,    er   ernannte    zugleich    P^l)o    zum 


1)  S.  0.  S.  500  ff. 

2)  Thegan  v.  Hlud.  44  S.  r,99;  Flod.  Hist.  Rem.  eccl.  II.  10  S.  467. 

3)  Brief  Karis  d.  K.  im  Nikolaus  I.  Mansi  XV  S.  797. 

4)  Flodoard.  1.  c. 

.5)   Karl  d.  K.  lobt    an   Ebo    noljilitutem    vehementis    ingonii    und    be- 
zeichnet ihn  als  servitio  strenuus  ingenioque  agilis  (1.  c). 

6)  Vers,  ad  Kbon.  v.  8  (Poet.  lat.  I  S.  623). 

7)  Karl  d.  K.  1.  <;. 

8)  V.  AtiHk.  13  S.  8rj. 

9)  Brief  Anskara  an  die  deutschen   Bischöfe,   Lapponberg.   Hamb.  ÜB. 
I  S.  28  Nr.  17.     Da  Ebo  im  Sommer  823  in  Dänemark  verweilte,  so  ist  die 


—     671     — 

päpstlichen  Legaten  für  den  Norden  und  empfahl  ihn  als  solchen 
der  gesamten  Christenheit.  Ein  Genosse  Namens  Hahtgar,  den  er 
ihm  zui'  Seite  stellte,  hatte  die  Aufgabe,  den  Verkehr  des  Legaten 
mit  dem  päpstlichen  Stuhle  zu  vermitteln.^)  Der  Kaiser  aber 
schenkte  dem  Krzbischof  den  unweit  der  Grenze  gelegenen  Ort 
AVelanao  als  sicheren  Ausgangs-  und  Eückzugspunkt  für  seine 
Missiousreisen.  ■-)  Ebo  richtete  ihn  für  diesen  Zweck  ein.  indem  er 
ein  Stift  gründete.^) 

So  wurde  die  nordische  Mission  eröffnet.  Karl  d.  Gr.  hatte 
heidnische  Stämme  unterworfen  und  sie  dann  zm-  Annahme  des 
Chiistentums  genötigt.  Jetzt  sollte  die  Bekehrung  eines  Volkes 
ohne  Eroberung  versucht  werden,  und  doch  sollte  sie  ein  Unter- 
nehmen des  Reichs  sein.  Denn  im  kaiserlichen  Auftrag  und  mit 
päpstücher  Vollmacht  begab  sich  Ebo,  wahrscheinlich  im  Frühjahr 
823,  zu  den  Dänen. ^)  Der  nächstbenachbarte  sächsische  Bischof, 
"Willerich  von  Bremen,  begleitete  ihn.^)  Hört  man  von  grossen  Er- 
folgen, die  ihnen  gelangen,'^)  so  muss  man  sich  doch  hüten,  dieselben 


im    Text    erwähnte  Reichsversammlung    wahrscheinlich    die    zu  Attigni  im 
Herbst  822.' 

1)  J.W.  Nr.  2o53.  Bemerkenswert  ist,  dass  Paschalis  vollständig  ver- 
schweigt, dass  er  auf  kaiserliche  Aufforderung  hin  handelt;  er  stellt  die 
Sache  so  dar,  als  sei  die  Sendung  aus  seiner  Initiative  hervorgegangen: 
Quia  in  partibus  Aquilonis  quasdam  gentes  consistere,  quae  necdum  agni- 
tionem  Dei  habent  .  .  cognovimus:  idcirco  .  .  Ebonem  .  .  necessarium  cum 
consensu  fidelium  Dei  duximus  illis  in  partibus  pro  inluminatione  veritatis 
dirigendum. 

2)  V.  Ansk.  13  f.  Welanao  ist  Münsterdorf  an  d.  Stör,  südöstlich  von 
Itzehoe. 

3)  V.  Ansk.  14  S.  36. 

4)  Nach  Ann.  Einb.  z.  J.  823  kehrt  Ebo  in  der  Begleitung  Theothars 
und  Hruodmunds,  der  fränkischen  Gesandten,  zu  Ludwig  zurück,  nachdem 
er  aestate  praeterita  viele  Dänen  getauft  hat,  also  im  Sommer  823.  Über 
die  abweichende  Angabe  der  Ann.  Fuld.  s.  Simson,  JB.  L.'s  I  S.  211. 

5)  Ann.  Xant.  z.  J.  823  S.  225. 

6)  Ann.  Einh.  1.  c.  Die  Angabe  ist,  wie  mich  dünkt,  von  geringerem 
Werte,  als  Dehio  (S.  40)  und  Simson  (S.  211)  annehmen.  Denn  von  vielen 
Taufen  konnte  Ebo  reden,  wenn  er  auch  nur  fünfzig  Menschen  getauft 
hatte.  Was  hatte  das  aber  für  eine  Bedeutung  unter  einem  den  Franken 
feindlich  gegenüberstehenden  Volk?  Auf  das  von  Simson  verwox'fene  Ur- 
teil Adams  (Gest.  H.  eccl.  pont.  I,  17  S.  17)  will  ich  kein  Gewicht  legen; 
es  mag  tendentiös  sein.  Allein  was  wir  über  Anskar  und  die  Vertreibung 
Haralds  wissen,  beweist,  dass  das  Christentum  in  Dänemark  keine  Macht 
war.  Ebos  Taufen  wären  ein  Erfolg  gewesen,  wenn  er  als  Heidenprediger 
irgendwo  im  Lande  sich  niedergelassen  und  nur  durch  Predigt  und  unter- 


—     (372     — 

zu  üherschätzeu.     Demi    die   Hauptsache   gelang  iluieu  niclit.     Die 
dänischen  Fürsten  hielten  sich  nach  wie  vor  vom  Christentum  fern. 
Selbst  Harald  lilieb  ein  Heide.     Erst  als  er  erkannte,    dass    seine 
Lage    unhaltliar    sei,    entschloss    er   sich,    zum    Christentum    über- 
zutreten:') er  warf  sich  nun  ganz  den  Frauken  in  die  Arme.     In- 
dem er  sich  nicht  in  der  Heimat,   sondern   auf  fränkischem  Boden 
tauten  Hess,  bewies  er  recht  augenfällig,  dass  er  nicht  die  Gemein- 
schaft   der  Kirche,    sondern    die   Hilfe  Ludwigs    suchte.     Niemand 
wnrd   sich  wundem,   dass  man   am  fränkischen  Hofe  Haralds  P2nt- 
schluss  als  einen  grossen   Sieg   betrachtete.     Er  wurde   als  solcher 
gefeiert.    Als  Erzbischof  Otgar  am  Johannistage  826  in  der  Albans- 
kirche bei  ^Nlainz  den  Dänenkönig  und  sein  Gefolge  taufte,   wurde 
alle   Pracht    des   Kaisertums    entfaltet.-)     Die   Grösse    des    Erfolgs 
sollte    auch    dem    blödesten  Auge    klar  werden.     Thatsächlich  war 
es  nur  ein  Scheinerfolg.    Jedermann  sah  sieb  schliesslich  getäuscht: 
hatte  Harald    gehotft,    dass    Ludwig    ihn    nach   seiner  Taufe    that- 
kräftiger  unterstützen  würd(^  als  vorher,  so  erwies  sich  das  als  Irr- 
tum;   er    musste    vielmehr    im    Jahre    827    ganz    aus    Dänemark 
weichen.-^)     Hatte  man  im  fränkischen  Reiche  schnelle  Ausbreitung 
des  Christentums    als  Frucht   seiner   Bekehrung   erwartet,    so    war 
auch  das  umsonst.     Statt  dass  durch    die  Taufe  Haralds  der  Ein- 
Huss  des  Chi-istentums  auf  Dänemark  gesichert  worden  wäre,  wurde 
er  in   den   nächsten   Jahren    nach   seiner  Taufe  fast  ganz  zerstört. 


Weisung  gewirkt  hätte.  Sie  waren  ein  Misslingen,  naclulom  er  als  geist- 
licher Gesandter  des  Kaisers  und  dos  Papstes  kam,  um  die  Dänen  zur  An- 
nahme der  fränkischen  Religion  aufzufordern. 

1)  Ann.  Kinh.,  Xant.  z.  J.  826;  Theg.  33  S.  597;  V.  Hlu.l.  40  S.  629; 
V.  Ansk.  7  S.  26;  die  lebendige  Schilderung  des  Ermold.  Nigell.  (in  hon. 
Hlud.  IV  V.  147  Ö'.  S.  62  ff.)  ist  für  die  geschichtliche  Beurteilung  des  Er- 
eignisses ohne  Wert;  dagegen  ist  Rimberts  Angabe,  dass  Harald  erst  in 
Ingelheim  zum  Entschluss,  sich  taufen  zu  lassen,  bewogen  wurde,  nicht 
gerade  unwahrscheinlich.  Die  annalistischen  Nachrichten  widersprechen 
weder,  noch  bestätigen  sie  dieselbe.  Doch  macht  das  Schweigen  der  Bio- 
graphen bedenklich.  Dass  Haralds  Lage  verzweifelt  war,  beweist  die  Über- 
lasBung  des  Gaus  Riustri  an  ihn. 

2)  Mit  Harald  wurde  seine  Gemahlin  und  sein  (Tefolgo  getauft,  nach 
Ann.  Xant.  über  400  Menschen.  Wenn  man  diesem,  für  einen  König,  der 
mit  seinen  Mannen  kommt,  recht  bescheidenen  Gefolge,  die  hundert  Schiffe 
dea  Ermoldus  (v.  287)  gegenüber  stellt,  so  gewinnt  man  einen  Massstab 
für  die  Cbertreibungen  des  Poeten.  .Tohannis  als  Tauftag  ist  nicht  über- 
liefert; man  nimmt  die.sen  Tag  an,  da  das  Fe.st  in  den  Aufenthalt  Ludwigs 
in  Ingelheim  fallt.     Tauftermin  war  übrigens  Johnnnis  nicht. 

3)  Ann.  Einh.  z.  J.  827  und  828;  V.  Hlud.  42  S.  631. 


—     073     — 

Der  einzige  Gewinn,  den  die  nordische  Mission  aus  Haralds 
Übertritt  zog.^)  war,  dass  ihr  der  Mann  zugeführt  wurde,  der  in 
den  nächsten  Jahrzehnten  mit  unvergleichhcher  Treue  an  der  Be- 
kehrung der  nordischen  Völker  arbeitete,  freilich  ohne  dass  die 
Frucht  seiner  Arbeit  seinem  Eifer  entsprach;  es  war  Anskar.^) 

Anskars  Heimat  war  der  Nordwesten  Frankreichs.  In  der 
Nähe  des  Klosters  Corbie  ist  er  im  Jahre  801  geboren.^)  Der 
zarte, ^)  gemütstiefe  und  phantasiereiche  Knabe  verlor  schon  im 
fünften  Jahre  seine  Mutter.  Die  Erziehung  im  Kloster,  dem  ihn 
sein  Vater  nun  übergab,  konnte  den  Hang  des  Kindes  zu  einem 
innerUch  gerichteten  Leben  nur  verstärken.  Es  war  ihm  nicht  mög- 
lich, sich  unbefangen  an  dem  jugendhch  übermütigen  Treiben,  das 
den  Klosterschulen  nicht  fremd  war,  zu  beteihgen.  Stimmte  er 
einmal  in  den  Ton  seiner  Schulgenossen  ein,  so  stiegen  in  ihm 
alsbald  Bedenken  auf,  ob  das  auch  recht  sei.  Es  war  so  anders 
als  das  Leben  mit  der  Mutter.  Ihr  Bild  begleitete  ihn  bei  Tag 
und  Nacht;  er  erblickte  sie  wohl  im  Traume,  wie  sie  auf  dem  lieb- 
hchsten  Wege  mit  anderen  Seligen  im  Geleite  der  Jungfrau  Maria 
wandelte.  Gern  wäre  er  ihr  entgegengeeilt ;  aber  es  dünkte  ihn, 
dass  er  in  einem  Sumpfe  wate,  der  seinen  Fuss  hemmte.  Da  neigte 
sich  Maria  ihm  zu  mit  der  Frage:  Kind,  fällst  du  zu  deiner  Mutter 
kommen?  und  als  er  antwortete:  Wie  gerne,  mahnte  sie  ihn,  das 
Eitle  zu  meiden;  denn  wer  daran  sich  erfi'eue,  könne  nicht  in  die 
Gemeinschaft  der  Seligen  gelangen.  Wenn  den  Knaben  die  Er- 
innerung an  die  früh  verlorene  Mutter  zum  Ernste  führte,  so  machte 
in  den  Übergangsjahren  vom  Knaben  zum  Jüngling  der  Tod  Kaiser 


1)  Dehio  (S.  41)  überschätzt  die  Bedeutung  der  Taufe  Haralds,  wenn 
er  sie  einen  Erfolg  von  grösstem  Gewicht  nennt.  Über  das  Gewicht  der 
Erfolge  entscheidet  die  Folgezeit,  und  sie  beweist  hier,  dass  die  Taufe 
Haralds  nur  ein  Scheinerfolg  war.  Denn  sie  trug  für  die  Bekehrung  Däne- 
marks keine  Frucht. 

2)  Die  Hauptquelle  für  das  Leben  Anskars  ist  seine  von  seinem  Nach- 
folger Rimbert  verfasste  Biographie.  Sie  ist  glaubwürdig,  leidet  aber  wie 
fast  alle  Heiligenleben  daran,  dass  sie  in  ihrem  Helden  den  Heiligen  schildert. 
Von  neueren  Schriftstellern  nenne  ich  neben  Simson,  Dümmler  und  Dehio : 
Foss,  Die  Anfänge  der  nordischen  Mission,  Berlin  1882  und  1884,  und 
Michelsen  P.  RE.  P  S.  573  ff.  Über  die  ältere  Litteratur  verweise  ich  auf 
Dehio,  Krit.  Ausf.  EK  S.  56  ff. 

3)  Das  Geburtsjahr  ergiebt  sich  daraus,  dass  Anskar  am  3.  Februar 
865  starb  (Adam.  Gest.  I,  36)  und  63  Jahre  und  einige  Monate  alt  wurde 
(V.  Ansk.  40  f.).  Die  Umgebung  Corbies  als  Geburtsort  ist  wahrscheinlich, 
da  Anskar  in  Corbie  erzogen  ist. 

4)  Er  war  während  seines  ganzen  Lebens  kränklich  (V.  Ansk.  40  S.  74). 
Hauck,  Kirchengeschiclite.    II.    2.  Aufl.  43 


—      674     — 

Karls  einen  mächtigen  Eindmck  auf  ihn:  er  hatte  den  greisen 
Hen-scher  wohl  nicht  lange  vorher  gesehen.  Als  dann  die  Kunde 
von  seinem  Tode  durch  das  Ijand  tiog,  erschütterte  sie  ihn  auf  das 
tiefste.  Dass  ein  so  mächtiger  und  weiser  Herrscher  starh.  mahnte 
ihn  an  die  Vergänglichkeit  auch  des  Grössten.  In  dieser  Zeit  war 
es,  dass  er  als  das  heste  Lehensende  das  eines  Märtyrers  sich 
wünschte.  Er  glaubte,  dass  der  HeiT  selbst  in  einem  Gesichte 
ihm  diesen  Ausgang  verheissen  habe.^) 

So  reifte  er  zum  Manne;  er  wurde  Lehrer  au  der  Kloster- 
schule in  Corbie.  Als  die  sächsische  Tochterstiftung  gegründet 
wurde,  sandte  Adalhard  ihn  dorthin,  um  in  dem  neuen  Kloster 
das  Amt  eines  Lehrers  zu  übernehmen.  Dazu  wählten  ihn  die 
Brüder  zum  Prediger.-) 

Als  es  sich  nun  im  Jahre  1^26  darum  handelte,  einen  Priester 
zu  finden,  der  Harald  nach  Dänemark  begleite,  brachte  Wala  im 
Rat  des  Kaisers  Anskar  in  Vorschlag.  Ohne  Zögern  erklärte  er 
sich  bereit,  die  gefahrvolle  Sendung  zu  übernehmen.  Die  Auf- 
forderung des  Königs  galt  ihm  als  ein  göttlicher  Befehl.  Durch 
sein  Beispiel  entflammt,  erbot  sich  ein  Mönch  von  Corbie,  Autbert, 
ihn  zu  l)egleiten.  Der  Kaiser  stattete  die  Glaubensboten  mit  den 
nötigen  Kirchengeräten  und  anderem  Bedarf  aus.'"^)  Allein  ilir 
Auszug  Ijrachte  ihnen  nichts  als  die  Bitterkeit  getäuschter  Hoff- 
nungen. An  erfolgreiche  Predigttbätigkeit  wnr  nicht  zu  denken. 
Anskar  sah  sich  genötigt,  seine  Arbeit  hau] )tsiichHch  auf  die  Schule 
zu  konzentrieren:  ein  Paar  Knaben  wies  ihm  Harald  zu.  andere 
kaufte  er;  aber  auch  so  stieg  die  Zahl  der  Schüler  kaum  üi»er 
zwölf.')  Offenbar  wollte  in  Dänemark  niemand  von  der  Annahme 
des  Christentums  etwas  wissen.  Dazu  kam,  dass  unget-ihr  zwei 
Jahre  nach  dem  Beginn  der  Arbeit  Autbert  erkrankte:   er  niusste 


1)  Rimhert  erzählt  diese  Geschichte  c.  2  ff.  nach  Mitteilungen  Anskara, 
Dessen  Neigung.  Wunderbares  zu  sehen,  ist  aus  dem  von  ihm  herrührenden 
Teile  der  V.  WiUeh.  bokannt. 

2)  V.  Ansk.  6. 

3)  Das  Notwendigste  vergase  er  freilich:  ein  Schitl'  zur  Oberfahrt. 
Anskar  erhielt  es  von  Hadebald  von  Köln  fv.  Ansk.  7  S.  29). 

4)  Nach  der  Darstellun?  Rimbort-s  ^c  7  Schluss  u.  c.  8)  nahm  Anskar 
seinen  bleibenden  Aufenthalt  nicht  unter  den  Heiden  „aliquando  inter 
chriHtianos  aliquando  inter  paganos  constituti".  Die  herkömmliche  An- 
nahme, dass  Anskar  seine  Schule  in  Schleswig  gründete,  ist  dfshalb  schwer- 
lich richtig.  Auch  die  Annahme,  dass  er  und  Autgar  zwei  .lahre  an  der 
Schule  arbeiteten,  widerspriclit,  da  Harald  «27  vertrieben  wurde.  Anskar 
war  zunücht  ihm  als  Seelsorger  beigogeben,  musste  ihm  also  folgen.  Man 
bat  wohl  anzunehmen,  dass  die  Schule  eine  Art  Hofschule  Haralds  war. 


—     675     — 

sich  nach  Corvey  zurückzielien,  wo  er  nicht  lange  dai-nach  starb. 
Kein  Wunder,  dass  schhessHch  die  ganze  Dänenmission  aufhörte. 
Anskar  folgte  einer  Aufforderung,  in  Schweden  das  Evangelium  zu 
verkündigen;  dort  schienen  die  Verhältnisse  wenigstens  anfangs 
günstiger.^)  An  seine  Stelle  bei  Harald  trat  der  Mönch  Gislemar:^) 
er  war  sozusagen  Haralds  Hofprediger;  aber  wir  hören  nicht,  dass 
er  in  Dänemark  als  Missionar  gearbeitet  hätte. 

Es  scheint,  dass  Anskar  selbst  sich  nicht  verhehlte,  dass  auf 
dem  bisherigen  Wege  nichts  zu  erreichen  sei.  Man  musste  stär- 
kere Kräfte  entfalten,  um  in  Dänemark  Fuss  zu  fassen.  Diese 
Erwägung  führte  zum  Entschluss  der  Gründung  des  Erzbistums 
Hambm-g. 

Karl  d.  Gr.  hatte,  wie  wir  früher  sahen,  in  Sachsen  eine  An- 
zahl Bischofssitze  errichtet.^)  Aber  die  Verteilung  des  Landes  in 
bischöfliche  Diözesen  war  noch  nicht  durchgeführt,  als  er  starb. 
Es  gab  noch  weite  Landstriche,  die  zu  keinem  Bistume  gehörten. 
Ludwig  brachte  das  Werk  seines  Vaters  zum  Abschluss,  indem  er 
nach  dem  Tode  Hildigrims  im  Jahre  827  einen  eigenen  Bischof 
mit  dem  Sitze  in  Halberstadt  ernannte*)  und  in  Hildesheim ■^)  und 
Osnabrück*^)  zwei  neue  sächsische  Bistümer  gründete.    Dabei  erhielt 


1)  Ich  unterlasse  es,  Anskars  Thätigkeit  in  Schweden  zu  schildern, 
da  sie  ohne  Rückwirkung  auf  die  deutsche  Kirche  geblieben  ist. 

2)  V.  Ansk.  10.  Dehio  (I  S.  51)  lässt  Gislemar  die  Stelle  Anskars  an 
der  kleinen  Gemeinde  in  Schleswig  einnehmen.  Allein  abgesehen  davon, 
dass  wir  von  dieser  Gemeinde  nichts  wissen,  widerspricht  das  direkt  den 
Worten  Rimberts:  cum  Herioldo  esse  disposuit  Gislemarum. 

3)  S.  S.  389  ff.,  40.5  ff. 

4)  Vgl.  oben  S.  410  f.  Die  Notizen  über  Hildigrims  Tod  hat  Schmidt, 
ÜB.  von  Halberstadt  S.  4  Nr.  10  zu.sammengestellt ;  vgl.  H.'s  Grabschrift 
(Kraus,  Inschr.  d.  Rheinlande  II  S.  291  Nr.  630). 

5)  Die  Nachrichten  über  die  Gründung  Hildesheims,  bezw.  die  Ver- 
legung von  Elze  nach  Hildesheim,  sind  legendarisch,  s.  Rettberg,  KG.  D.'s 
11  S.  466,  Simson,  JB.  L.'s  II  S.  284  f.  und  Bernheim,  N.A.  XX  S.  62  u.  74. 
Sicher  ist,  dass  Ebo  von  Rheims  nicht  der  erste  Bischof  von  Hildesheim 
war,  was  Simson  (S.  286)  nicht  für  unmöglich  hält.  Das  beweist  der  Brief 
der  Synode  von  Troyes  an  Nikolaus  I.:  Ludovici  largitione  .  .  episcopium 
Hildenesheim  vacans  obtinuit  (Mansi  XV  S.  794).  Der  Hildesheim  er  ßischofs- 
katalog  nennt  als  Vorgänger  Ebos  Gunthar  und  Rembert  (N.A.  XV  S.  624). 
Der  letztere  ist  durch  die  Erwähnung  im  Reich enauer  Verbrüderun^sbuch 
(S.  159  Sp.  22  Z.  24i  gesichert.  Darnach  steht  die  Gründung  des  Bistums 
unter  Ludwig  d.  Fr.  ausser  Zweifel,  und  man  hat  keinen  Grund,  den  Namen 
Gunthars  als  ersten  Bischofs   zu  verwerfen. 

6)  Die  Gründungsgeschichte  von  Osnabrück  ist  durch  gefälschte  Ur- 
kunden  verdeckt,    s.  B.M.  898,  401,   841,  1305,   1780;    vgl.  Wilmans,  KU.  1 

43* 


—     678     — 

Osnabrück    das    Land    zwischen    Ems    und    Hunte    einschliesslich 
der    von    den    Klöstern    Meppen    und    Vishock    niissionioi-ton    Ge- 


S.  319  ff.,  Philippi,  Osnabrücker  ÜB.  I  S.  VIII  ff.  und  besonders  Jostes.  Die 
Kaiser-  und  Königsurkunden  des  Osnabrücker  Landes  1899,  der  zuerst  den 
Text    aus  den   lange    verschollenen  Originalen    herausgab.     Die  Unechtheit 
der  Urkunden  Karls  und  Ludwigs  wird  gegenwärtig  allgemein  angenommen. 
Doch  glaubt  Hüffer  hier  wie  bei  Bremen   aus   den  Fälschungen   die  beiden 
ersten   Stiftungsurkunden  Karls    für  O.snabrück    herausschälen    zu    können, 
Korv.  Studien  S.   183  ff'.,   hier  mit  so  wenig  Recht  wie  dort,  vgl.  die  Kritik 
Philippis    in   d.   Gott.   Gel.   Anz.   1899   S.   490  ff.     Hüffers    Annahme    unter- 
stützend, hat  .Testes  S.  14  ff.  die  Behauptung  aufgestellt,    dass  die  Namens- 
formen Etanasfeld  in  dem  falschen  Karis-Diplom  von  S04,  Nr.  2  und  Angare 
in  dem  Diplom  Ottos  von  965  Nr.  12  das  Vorhandensein  einer  Vorlage  aus 
dem  9.  Jahrhundert  beweisen.    Die  Behauptung  scheint,  wenn  einem  Nicht- 
philologen  ein  Urteil  erlaubt  ist,  begründet.     Auch  darin  ist  Jostes  meines 
Krachtens  im  Rechte,  dass  er  annimmt,   die  Grenzbeschreibung,    um  die  es 
sich  handelt,  sei  weder  Forstgrenze   noch  Bistumsgrenze   gewesen,    sondern 
Grenze   eines   Missionssprengeis.     Von   diesem  Punkte   aus   vermag  ich  nun 
aber  den  Übergang  zur  Gründung  des  Bistums  unter  Karl,  den  Jostes  voll- 
zieht,  nicht   zu  finden.     Mich  dünkt  im  Gegenteil,   dass  jene  Grenzbestira- 
mung    ein  Beweis    für    das   Nebeneinander    der   Missionsbezirke  Osnabrück, 
Meppen  und  Visbeck  im  9.  Jahrhundert  ist.    Die  Auflösung  derselben,  bezw. 
ihre  Vereinigung  zum  Bistum  Osnabrück,  war  nun  aber  i.  J.  819  noch  nicht 
vollzogen;   denn  damals   stand  Abt  Castus  von  Visbeck  noch  an  der  Spitze 
eines  Missionsbezirks,  B.M.  681.     Dagegen  hatte  Meppen  —  und  man  wird 
annehmen  dürfen  auch  Visbeck  —  vor  834  seine  Bedeutung  für  die  Mission 
verloren;  denn  damals  wurde  das  Kloster  an  Corvej  gegeben,  d.  h.  aufgelöst, 
B.M.  906.     Daraus    ergiebt    sich,    dass   die  Organisation  des  Bistums  0.sna- 
brück  zwischen  819  und  834,  also  in  die  Zeit  Ludwigs  fällt.     Damit  stimmt 
überein,    dass    ein  Osnabrücker  Bischof  zum   ersten   Male   auf  der  Mainzer 
Synode  829  erscheint,  vorausgesetzt,  dass  Geboinus  episc.  (Ep.  Fuld.  fragm. 
29  S.  530)  identisch  ist  mit  Gefwin  von  Osna brück;    er  ist  auch   der  erste 
Bischof,  den  Egilmar  in  seiner  Querim.  ad  Steph.  Pap.  (Osnabrücker  ÜB.  1 
S.  53  ff.  Nr.  60)    nennt.      Wenn    Egilmar    die    Gründung    des    Bistums    auf 
Karl  d.  Gr.  zurückführt,  so  ist  darauf  kein  Gewicht  zu  legen;  denn  das  ist 
nur  eine  Folgerung  aus  der  irrigen  Voraussetzung,  dass  Karl  ,,8ingulos  eius- 
dem    provincie    episropatus   ex   decimarum    stipendiis  constituisset"  (S.  54). 
Die  Bischöfe  Wiho  und  Meingaz,    die    in    den  jüngeren  Fälschungen  (B.M. 
398  u.  841)    und    in    den   Osnabrücker  Annalen  (Osn.  GQ.  I  S.  1)    als  Vor- 
gänger Gefwins    genannt    werden,    sind    demnach    schwerlich   Bischöfe    von 
Osnabrück  gewesen;  wenn  die  Namen  überhaupt  einer  richtigen  Erinnerung 
entstammen,    so   waren  Wiho   und  Meingaz  vielleicht   die  Leiter  des  Osna- 
brücker MissioDssprengels.     Philippi.    der    sie    auf  Grund    der  Osnabrücker 
Annalen   als   die  ersten  Bischöfe   betrachtet,   ist  genötigt,   im  Fulder  Brief 
eine  Verwechsolung  Geboins  mit  Meingaz  anzunehmen,  da  dieser  nach  den 
Osnabrücker  Annalen  orst  833  starb  (ÜB.  1  S.  10).     Aber  entscheidet  nicht 


—     677     — 

biete.  ^)  Hiklesheini  untl  Halberstadt  teilten  sich  in  die  Haupt- 
masse des  ostfälischen  Landes,  dessen  nördliche  Gaue  an  Verden 
fielen.-)  Das  Land  nördlich  der  Elbe  gehörte  zu  den  Gebieten, 
welche  Karl  keinem  Bistum  unterstellt  hatte.  Die  älteste  Kirche 
in  Hamburg  hatte  xlmalar  von  Trier  im  Auftrage  des  Kaisers 
eingeweiht;  vielleicht  war  dieser  Teil  Sachsens  überhaupt  der  Arbeit 
der  Kirche  von  Trier  überwiesen  worden.  Später  nahm  der  Priester 
Heridac  eine  ganz  selbstständige  Stelkmg  ein.  Man  wollte  wissen, 
dass  Karl  sich  mit  der  Absicht  getragen  habe,  ihn  zum  Bischof 
zu  erheben.  Er  starb  jedoch,  ehe  dieser  Plan,  wenn  er  wdrkhch 
bestand,  ausgeführt  w^urde.  Ludwig  sah  von  der  Gründung  eines 
Bistums  für  Nordalbingien  ab  und  teilte  das  Land  zwischen  Bremen 
und  Verden.^) 

Ohne  Zweifel  hatte  Anskar  dieselbe  Erfahrung  gemacht,  die 
vor  ihm  schon  so  oft  gemacht  worden  war,  dass  ein  Missionar, 
um  fi'ei  handeln  zu  können,  die  bischöfliche  Ordination  besitzen 
müsse.'*)  Würde  man  ihn  zum  Bischof  seines  Missionsprengeis  in 
Dänemark  und  Schweden  gemacht  haben,  so  wäre  dadurch  wenig 
gedient  gewesen.  Denn  in  seinem  Missionsgebiet  hatte  er  nirgends 
einen  sicheren  Stützpunkt:  wollte  mau  ihm  einen  solchen  verschaffen, 
so  musste  ihm  ein  deutsches  Bistum  übertragen  werden.  Unter 
diesen  Verhältnissen  lag  der  Gedanke  nahe,  das  Land  jenseits  der 
Elbe  von  den  beiden  Bistümern,  denen  es  einverleibt  war,  wieder 
loszutrennen  und  als  eigenes  Bistum  zu  konstituieren.  Man  gewann 
dadurch  einen  Sprengel,  der  für  Anskar  durchaus  geeignet  war. 
Willerich  von  Bremen  und  Helmgaud  von  Verden  legten  der  Ver- 
kleinerung ihrer  Diözesen  kein  Hindernis  in  den  Weg.  Aber 
Ludwig  begnügte  sich  nicht  mit  der  Gründung  eines  Bistums  Ham- 
bm-g:  Anskar  wurde  Erzbischof.  Von  des  Kaisers  Bnider  Drogo 
von  Metz  wurde  er  unter  Assistenz  der  drei  Erzbischöfe  von  Mainz, 


vielmehr    der  Brief   gegen    die  Glaubwürdigkeit   der   annalistischen  Mittei- 
lungen ? 

1)  Vgl.  Philippi  in  den  Mitteilungen  des  bist.  Vereins  zu  Osnabrück 
XXII  S.  37  f.;  Stüve,  Gesch.  d.  H.  Osnabrück  I  S.  5  f. 

2)  Eine  Grenzbeschreibung  des  Bistums  Verden  in  der  unechten  Ur- 
kunde Karls  vom  29.  Juni  786  (B.M.  263). 

3)  V.  Ansk.  12. 

4)  Rimbert  lässt  Ludwig  die  Gründung  des  Erzbistums  Hamburg  vor- 
nehmen cognito  patris  sui  voto,  ne  quid  eins  studii  inperfectum  remaneret 
(c.  12  S.  34).  Der  Wert  dieser  Motivierung  ist  sehr  gering.  Sie  ist  ver- 
mutlich durch  den  Satz  „pium  studium  sacri  genitoris"  in  der  Urkunde 
Gregors  IV.  (J.W.  2574)  veranlasst. 


—     ß78     — 

Tnor  und  Rheinis  geweiht.')  Er  sollte  das  Recht  haben,  nach 
allen  nordischen  Ländern  Missionen  zu  senden  und  Bischöfe  in 
ilinen  einzAisetzen.'*)  Das  waren  angesichts  der  Lage  in  Dänemark 
und  der  unsicheren  Erfolge  in  Schweden  grosse  Pläne.  Aber  so 
wju"  Ludwig:  er  bemass  das,  was  er  wollte,  nie  nach  dem,  was  er 
konnte,  sondern  gefiel  sich  in  grossen  Entwürfen,  denen  kleine 
'J'haten  folgten.  Auf  des  Kaisers  Wunsch  bestätigte  Papst  Gregor  IV. 
die  Erhebung  Anskars,  indem  er  ihm  das  Pallium  erteilte.  Zugleich 
ernannte  er  ihn  und  seine  Nachfolger  zu  päj)stlichen  Legaten  fin- 
den Xorden  und  Osten.'')  Da  die  dem  Erzbischof  Ebo  früher  ver- 
hehenen  Rechte  dadurch  nicht  aufgehoben  werden  sollten,  so  gab 
es  nun  zwei  Legaten  für  dasselbe  Gebiet.'*) 

Es  war  verständig,  dass  Auskar  und  Ebo  die  schwedische 
Mission  sofort  selbstständig  machten.  Zu  ihrem  Leiter  bestimmten 
sie  Gauzbert,  einen  Verwandten  Ebos;  gemeinsam  haben  sie  ihn 
zum  Bischof  geweiht.  Ebo  überliess  ihm  zugleich  die  Zelle 
AVelanao.''') 

Anskar,    dem    der   Kaiser   die    fränkische   Abtei  Turholt   ver- 


1)  Die  Zeit  steht  nicht  fe.st.  Adam  nennt  (Gest.  I,  18  S.  17)  das  Jahr 
832  —  18.  Jahr  Ludwigs.  Das  18.  Jahr  Ludwigs  reicht  vom  27.  Januar  831 
bis  dahin  832.  Da  Anskar  Ende  September  oder  Anfang  Oktober  864  in 
seinem  34.  .Amtsjahre  erkrankte  (V.  An.'^k.  40  S.  74),  so  kann  er  nicht  832, 
sondern  musa  er  im  Herbste  831  geweiht  sein  (a.  Dehio,  Krit.  Ausf.  VI  S.  54). 
Foss  (11  S.  12)  ist  bedenklich  wegen  der  Worte  ,,tunc  archicapellani''  bei 
Rimbert,  und  hält  die  Möglichkeit,  dass  Anskar  831  zum  Krzbischof  ernannt 
und  834  geweiht  worden  sei,  nicht  für  ganz  au.sgeschlossen.  Das  ist  sie 
jedoch  ohne  Zweifol  und  das  iunc  Kimlioits  ist  lediglich  ein  rjodächtnia- 
fehler. 

2)  Die  Stiftungsurkunde  Ludwigs  vom  15.  Mai  834  (B.M.  899)  ist  eine 
mit  Benützung  der  v.  Ansk.  verfertigte  Fälschung. 

3)  J.W.  2574.  Vollstiinilig  unverletzt  ist  diese  Urkunde  nicht.  Nach 
Kimbert«,  hier  ganz  unanfechtbarem  Zeugnis,  enthielt  die  Bulle  Gregors 
eine  Stelle  über  ?ibo  von  Kheims,  die  man  in  dem  uns  vorliegenden  Texte 
vergeblich  sucht.  Sie  wurde,  gewiss  nicht  ohne  Absicht,  beseitigt.  Da 
demnach  eine  Überarbeitung  stattgefunden  hat,  so  ist  es  nicht  unwahr- 
scheinlich, da.sa  einzelne  Stellen  dem  Orii^inaie  eingefügt  wurden.  Dazu 
wird  die  meines  Wiawens  bci.spiello.se  Bestimmung  gehören,  nach  welcher  die 
Konsekration   der  Nachfolger  An.skars   zunächst  dem  Hofe  überlassen  wird. 

4.  V.  Ansk.  13  S.  35. 

5)  L.  c.  14  S.  36.  Gauzbert  wird  unter  dem  Namen  Simon  als  epi- 
scopus  Sueonum  von  Hraban  erwähnt.  Dieser  hat  ihm  allerlei  Geschenke 
genchickt.  ein  missale  cum  lectionibus  et  evangeliis,  ein  Psalterium  und 
eine  Handschrift  der  AG.,  Priester-  und  Altargewänder,  eine  Glocke  und 
eine  Klingel,  Ep.  Fuld.  fragm.  17  S.  523. 


—     679     — 

lieh/)  beschränkte  seine  Thätigkeit  auf  seine  Diözese  und  auf  die 
Dänenmission.  Was  die  erstere  anlangt,  so  befand  sich  die  kirch- 
liche Organisation  derselben  in  den  ersten  Anfängen:  noch  im 
Jahre  847  gab  es  nur  vier  Taufkirchen.-)  Das  christhche  Be- 
kenntnis aber  war  für  einen  guten  Teil  des  Volkes  etwas  sehr 
Ausserliches.^)  Der  Mission  diente  es,  dass  Anskar  in  Hamburg 
ein  Stift  mit  einer  Schule  gründete;  er  berief  Mönche  aus  Corbie 
als  Lehrer.  Auch  Turholt  wurde  als  Missionsschule  benützt.*) 
Liest  man  aber,  dass  er  jetzt  wie  früher  sich  genötigt  sah,  die 
dänischen  Zöglinge  für  seine  Schulen  zu  kaufen,  so  ist  klar,  dass 
die  Abneigung  der  Dänen  gegen  die  Annahme  des  Christenturas 
in  unveränderter  Stärke  fortbestand.  Schhesslich  kam  es  so  weit, 
dass  der  Übertritt  geradezu  verboten  wurde;  auch  auswärts  Ge- 
taufte konnten  nur  insgeheim  an  ihrem  Glauben  festhalten.  Es 
gab  nicht  eine  Kirche  jenseits  der  deutschen  Grenze.^) 

Anskar  ermüdete  nicht;  aber  seine  Lage  wurde  immer  schwie- 
riger. Bei  der  Teilung  des  Reichs  unter  Ludwigs  Söhne  fiel  Tur- 
holt an  Karl  d.  K.  Er  entzog  dem  deutschen  Bischof  die  Abtei 
und  verlieh  sie  einem  gewissen  Raginar.  Anskar  war  ohne  die 
sicheren    Einkünfte    Tm-holts    nicht   im  Stande,    die    von    ihm    ge- 


1)  V.  Ansk.  12  S.  34.  Turholt  ist  Thourout  in  Westflandern  südlich  von 
Brügge;  nach  Puckert  S.  19  ein  Kollegiatstift ;  aber  v.  Rimb.  6  S.  84  weist 
auf  ein  Kloster. 

2)  L.  c.  22  S.  47.  Ausser  der  von  Karl  d.  Gr.  gegründeten  Kirche 
in  Hamburg  (s.  o.)  kommen  in  Betracht:  Meldorf  (Milindorp)  in  Ditmarschen, 
älter  als  die  Zeit  Anskars  (Adam.  Gest.  I,  15  S.  15),  Heiligenstedten  (Heligen- 
stät)  nordwestlich  von  Itzehoe,  wohin  Anskar  Reliquien  des  h.  Maternian 
brachte  (Adam.  I,  20  S.  18)  und  Schönefeld  (Scanafeld)  nördlich  von  Itzehoe 
(Adam.  II,  15).  Auch  die  Gründung  dieser  Kirche  scheint  in  die  Zeit  Karls 
zurückzureichen,  während  Heiligenstedten  möglicherweise  von  Anskar  ge- 
gründet ist.  Heiligenstedten  und  Schönefeld  lagen  in  Holstein  im  engeren 
Sinn,  während  Hamburg  die  Kirche  für  Stormarn  war. 

3)  Das  zeigt  der  v.  Ansk.  38  S.  72  f.  erzählte  Vorgang. 

4)  V.  Ansk.  15  S.  36  f.;  36  S.  71.  Das  monasterium  in  Hamburg  ist  c.  16 
genannt;  da  nur  clerici  erwähnt  werden,  wird  man  an  ein  Stift  zu  denken 
haben;  möglicherweise  war  die  Einrichtung  wie  nach  Adam.  I,  32  S.  25 
später  in  Bremen:  Habitu  quidem  usi  canonico  regula  vivebant  monastica. 

5)  Das  Gesagte  ergiebt  sich  aus  v.  Ansk.  24  S.  52  f.  Es  gewährt  einen 
Massstab,  um  den  Wert  der  allgemeinen  Aussagen  Rimberts  über  die  Er- 
folge von  Anskars  Missionsthätigkeit  zu  beui'teilen,  z.  B.  c.  15:  Pastor  in 
partibus  Dauorum  strenuo  suum  implebat  officium  et  exemplo  bonae  con- 
versationis  multos  ad  fidei  gratiam  provocabat.  Man  darf  bei  den  ,, vielen'" 
immer  nur  an  einzelne  denken.  Bei  Adam  wird  aus  den  multi  Rimberts 
innumerabilis  multitudo  (I,  19  S.  18). 


—     680     — 

schaft'eiien  Eiiinchtungen  aufrecht  zu  erlialüMi:  er  niusste  die  Mönche 
aus  C(>rbie  in  .ihre  Heimat  entlassen;  andere  seiner  ^Mitarbeiter 
sagten  sich  von  ihm  los;  sie  wollten  seine  Armut  nicht  teilen.  Die 
Schulen,  auf  die  er  seine  Hottnung  für  (li(>  Zukunft  gesetzt  hatte, 
waren  vernichtet.*)  Bald  traf  ihn  ein  noch  schwererer  Sclüag.  Im 
Jahre  845  erschienen  normannische  Seeräuber  vor  Hanii)urg.  Zum 
T'nglück  war  der  Graf  Bernhar  eben  abwesend.  Anskar  dachte 
wohl  einen  Moment  die  Stadt  zu  lialten,  aber  zum  Kriegsmann  war 
er  nicht  geschaffen,  und  die  Bürger,  denen  der  Führer  fehlte,  hatten 
kein  Vertrauen  zum  Widerstand.  So  gelang  es  den  Dänen,  in 
die  Stadt  zu  dringen.  Als  Anskar  das  bemerkte,  gab  er  alles  ver- 
loren: er  dachte  nur  noch  an  die  Rettung  der  Reli(]uien.  Sie  ist 
ihm  auch  gelungen.  Aber  ausserdem  wui'de  nichts  gerettet.  Dom 
und  Stift  gingen  in  Flammen  auf:  die  Bibliothek,  welche  Anskar 
gesammelt  hatte,  verbrannte,  die  Kirchengeräte  wurden  eine  Beute 
der  Dänen.  2)  Der  Fortbestand  des  Hamburger  Erzbistums  schien 
in  Frage  gestellt.  In  derselben  Zeit  wurden  die  Anlange  der 
schwedischen  Kirche  vernichtet.  Hier  war  es  die  Bevölkerung, 
welche  sich  gegen  the  Missionare  erhob:  sie  stüi'mte  das  Haus,  in 
welchem  sie  sich  aufhielten;  Nithard,  ein  Xeffe  Gauzberts,  wurde 
ermordet,  der  Bischof  mit  seinen  übrigen  Gefährten  verjagt.  Jahre 
lang  befand  sich  kein  christlicher  Priester  mehr  in  Schweden.'') 

Lnter  diesen  Verhältnissen  bewies  Anskar,  woiin  er  gross  war: 
alles  Unglück,  das  ihn  traf,  konnte  die  Treue  nicht  brechen,  mit 
der  ©r  an  seinen  Pflichten  hing.  Mit  den  wenigen  Klerikern,  die 
bei  ihm  aushielten,  arbeitete  er  weiter.  In  seinem  eigenen  Gebiet 
hatte  er  keine  Heimat  mehr.  Er  musste  es  als  ein  Glück  be- 
trachten, dass  ihm  eine  Matrone  Namens  Ikia  das  südlich  der  Ell)e 
im  Bistume  Verden  gelegene  Gut  Ramesloh  überlicss;  es  war  Jahre 
lang  sein  Wohnort.*)  Doch  war  es  politisch  zu  wichtig,  dass  die 
kirchliche  Organisation  im  nördlichen  SachsiMi  sich  nicht  auflöste, 
als  dass  Anskar  lange  in  dieser  dürftigen  Lage  hätte  bleiben  köimen. 
Ludwig  d.  D.   suchte   sofort  Abhilte   zu   scharten.     Als    kurz    nach 


1)  V.  Ansk.  21  S.  46. 

2)  L.  c.  16  S    37.     Ann.  Fnld.,   Bert.  7..  .1.  84.Ö. 

3)  V.  An8k.  17  ff.  S.  38  ff.  Über  die  Zeit  vpl.  Kunik,  Forsch.  XXIV 
S.  191  f. 

4)  Adam.  Gest.  I,  25  S.  21:  Was  Adam  über  die  unfreundliche  Auf- 
nahme Anskars  in  Bremen  erzählt,  i.st  von  zweifelhaftem  Wert,  da  der 
dortige  Bi.ochof  Leuderich  bereits  am  24.  August  845  starb.  Adam  selbst 
führt  es  übrigens  mit  einem  ,,fertur"  ein.  Nach  Adam  I,  32  blieb  Rames- 
loh ein  Stift.  Die  gefälschte  Urkunde  (Lappenberg,  ÜB.  1  S.  16  Nr.  10) 
scheint  er  nicht  gekannt  zu  haben. 


—     681     — 

der  Zerstörung  Hamburgs,  am  24.  August  845,  Bischof  Leuderich 
von  Bremen  starb,  fasste  er  den  Gedanken,  Anskar  das  erledigte 
Bistum  zu  übertragen  und  die  hambiu'gische  Diözese  mit  der  von 
Bremen  zu  vereinigen.  Dadurch  Aväre  Anskar  geholfen  gewesen; 
allein  seine  Gewissenhaftigkeit  machte  Schwierigkeiten.  Er  konnte 
sich  in  die  Verletzung  des  kirchlichen  Rechts  nicht  finden,  die  in 
der  Vereinigung  zweier  Diözesen  unter  einem  Bischof  lag.  Zwar 
erklärte  sich  die  Eeichsversammlung  von  Paderborn  im  Herbste 
845  für  die  Zulässigkeit  der  von  dem  König  gewünschten  Mass- 
regel. Aber  dadurch  wurden  Anskars  Bedenken  nicht  beruhigt. 
Nun  legte  Ludwig  die  Sache  der  Mainzer  Synode  von  847  vor. 
Anskar  war  selbst  anwesend;  die  Synode  trug  seinen  Zweifeln  da- 
durch Rechnung,  dass  sie  beschloss,  den  Zustand  wieder  herzu- 
stellen, wie  er  vor  dem  Jahre  831  gewesen  war.  Der  Bischof  von 
Verden  sollte  den  damals  abgetretenen  Teil  seiner  Diözese  wieder 
erhalten.^)  Dann  war  Anskar  nicht  Bischof  zweier  Diözesen,  son- 
dern er  war  Bischof  von  Bremen ;  aber  das  Hamburger  Bistum 
war  aufgelöst.  Dieser  Beschluss  wurde  zunächst  ausgeführt.  Allein 
es  ist  begreiflich,  dass  sich  auch  gegen  ihn  Bedenken  erhoben: 
konnte  der  König  ein  vom  Papste  bestätigtes  Erzbistum  wieder 
aufheben?'-)  Man  kam  deshalb  schliesslich  auf  Ludwigs  ursprüng- 
lichen Plan  zurück :  ^)  Anskar  blieb  Erzbischof  von  Hamburg  und 
erhielt  dazu  das  Bistum  Bremen.'^) 

Diese  Einrichtung  war  ohne  Mitwirkung  des  Kölner  Erz- 
bischofs getroifen,  zu  dessen  Diözese  Bremen  gehörte.'^)  Daraus 
erwuchsen  neue  Schwierigkeiten;  denn  als  Anskar  wahrscheinHch 
kurz    nach    der  Weihe  Günthers    dessen  Zustimmung  zu  dem  Ab- 

1)  V.  Ansk.  22  S.  47  f.  Den  Tag  in  Paderborn  erwähnen  Ann.  Fuld. 
z,  J.  845.  Die  Anwesenheit  Anskars  in  Mainz  ergiebt  sich  aus  den»  Syno- 
dalschreiben, Cap.  248  II  S.  173.  Auch  Ebo,  der  kurz  vorher  das  Bistum 
Hildesheim  erhalten  hatte  (Hincm.  ep.  ad  Nicol.  Migne  126  S.  82),  war 
anwesend. 

2)  Auch  der  Widerspruch,  den  Anskar  in  Bremen  fand  (v.  Ansk.  36 
S.  71)  mag  mitgewirkt  haben. 

3)  V.  Ansk.  22  S.  48.  Bei  der  zweiten  Synode,  der  die  Sache  vor- 
gelegt, wurde,  kann  man  nur  an  die  Mainzer  Synode  von  848  denken.  Verden 
wurde  aus  dem  Besitze  des  Bistums  Bremen  entschädigt,   s.  o.  S.  389  Anm.  1. 

4)  Adam.  I,  26  (aus  dem  liber  donationumj:  Anno  Ludovici  secundi 
nono  (848)  domnum  Ansgarium  ab  Aldrico  clerico  et  comite  Reginbaldo, 
legatis  caesaris,  ductum  in  episcopatum. 

5)  Köln  war  nach  dem  Tode  Hilduins,  der  842  das  Bistum  erhielt 
(Ann.  Col.  brev.  z.  d.  J.  S.  97)  und  wahrscheinlich  845  starb,  mehrere  Jahre 
erledigt,  bis  am  22.  April  850  (rünther  zum  Erzbischof  geweiht  wurde  (Ann. 
Col.  brev.  z.  d.  J.). 


—     682     — 

kommen  erbat,  erliielt  er  eine  abschlägige  Antwort.  Die  Verstän- 
digung war  dadurch  erschwert,  dass  (TÜnther  nicht  Ludwigs,  son- 
dern Lothars  Unterthan  wai-.  Es  bedurfte  einer  Zusammenkunft 
der  Füi*sten  und  einer  neuen  Beratung  der  Biscliöfe,  um  seinen 
Widei-spruoh  zu  überwinden.')  Einige  Jahre  später  bestätigte  der 
Papst  das  Übereinkommen.  Die  BedenkHchkeit  Anskars  wird  auch 
diese  A'ersicheruug.  dass  er  im  Rechte  sei.  begehrt  hal)en.  Und 
Ludwig  widerstrebte  nicht.  Durch  öalomo  1.  von  Konstanz  legte 
er  die  Angelegenheit  Nikolaus  I.  vor;  als  Gesandter  Anskars  be- 
gleitete der  Presbyter  Nordfrid  den  Bischof.  Der  Papst  billigte  die 
Vereinigung  der  beiden  Diözesen  und  in  Konsequenz  dei'selben  die 
Trennung  Bremens  von  dem  Kölner  Erzbistum.-) 


1^  V.  Ansk.  23  S.  48  ff.     Der  Bericht,  den  Rimbert  in  diosom  Kapitel 
giebt,    leidet,    wie   besonders  Dehio  (Krit.  Ausf.  VII  S.  54  f.)  hervorgehoben 
hat,  an  mancherlei  Schwierigkeiten.    Dehio  löst  sie  etwas  gewaltsam,  indem 
er  die  Nennung  von  Worms  als  Irrtum  vorwirft,   ebenso  die  Hereinziehung 
des  Papstes  durch  Günther,  und  aus  der  Notiz  Adams  (1,  29  S.  24)  das  .Tahr 
860   erschliesst;    Adam    habe   das  Jahr  der  Urkunde  auf  die  ihm  gewohnte 
Kpoche  (840)  reduziert.     In  der  That   nmss  Adam   eine  Umrechnung  vorge- 
nommen   haben;    denn    im    21.   Jahre   Ludwigs    war  Lothar  II.   noch    nicht 
König.     Aber  ob  er  auf  die  richtige  Zahl  kam.  ist  mehr  als  fraglich;  seine 
Zahlen  über  die  päpstliche  Urkunde  sind  ganz  falsch  und  erwecken  geringes 
Vertrauen  zu  seinen  Umrechnungen.     Ein   vollständiger  Irrtum   Kimberts  in 
Bezug  auf  die  Ortsangabe   scheint   mir  deshalb  weniger  wahrscheinlich  als 
eine  richtige  Rechnung  Adams.    Nun  hat  schon  Dahlmann  auf  das  Jahr  857 
verwiesen.      Im    Februar    desselben    fand    eine    Zusammenkunft    zwischen 
Ludwig  und  Lothar  in  Koblenz  statt,  der  im  März  eine  Reichsversammlung 
in   Worms  folgte  (Ann.  Fuld.  z.  d.  J.).     Ist   es    nun    nicht  wahrsclioiniicher, 
dass  Rimbert   sich    darin   irrte,    dass   er  die  Zusammenkunft  der  Könige  an 
denselben  Ort  mit  der  Reichsversammlung  verlegte,  als  dass  er  den  Namen 
Worms  ohne  jeden  thatsächlichen  Anhalt  schrieb?    (Vgl.  auch  Floss  II  S.  17.) 
Dass  in  der  Notiz  über  den  Papst  ein  Irrtum   liegt,    halte    ich    für    sicher-, 
nicht  weil  Oiinthor.    als  ilie  Verhandhingen  stattfanden,    mit  dem   Papst  in 
heftigstem  Konflikt  stand  (so  Dehio);  das  war  weder  857  noch  860  der  Fall; 
sondern    weil    Nikolaus    es    tadelt,     dass    (Jünther    seine    Zustimmung    gab 
(Mansi  XV  S.  456  Nr.  4):   Licet  a  (runthario  haoc  non  potuerit  dari  licontia 
nee  ab  eo  tale  quid  peti  debuerit.    Hätte  tiunthar  jenen  Vorbehalt  gemacht, 
Bo    hätte    der  Papst   so   nicht   schreiben    können.     Die   Notiz  Rimberts    soll 
demnach  erklären,  wie  es  kam,  dass  der  Papst  in  die  Sache  gezogen  wurde, 
und  erklärt  es  falsch.     Wahrscheinlich  wünschte  Anskar  die  päpstliche  Be- 
stätigung;   deshalb  sandte  er  einen  Boten    nach  Rom.     Dann    macht    auch 
tue  Verzögerung  der  Sache   keine  Schwierigkeit.     Denn    Anskars  Bedenken 
werden  durch  den   Konflikt  Günthers  mit   dem   Papste,    wenn  nicht  hervor- 
g»'rufen,  so  doch  verstärkt  worden  sein. 
2)  V.  Ansk.  23  S.  49.    J.W.  2759. 


—     688     — 

Seitdem  Anskar  im  Besitze  Bremens  war,  konnte  er  die 
Missionsarbeit  wieder  aufnehmen.  Nach  Schweden  sandte  er  einen 
Einsiedler  Namens  Ardgar;  aber  die  Wahl  dieses  Mannes  war 
nicht  glücklich.  Zwar  wurden  durch  seine  Ankunft  die  wenigen 
treuen  Christen  im  Glauben  gestärkt.  Aber  ihm  fehlte  das  Ver- 
ständnis für  die  Bedeutung  der  Mission;  von  der  Sehnsucht  nach 
dem  beschauHchen  Leben  getrieben,  verliess  er  nach  kurzer  Zeit 
Schweden.  Seitdem  hörte  die  Verkündigung  des  Christentums  in 
diesem  Lande  wieder  auf.^) 

Besser  gestaltete  sich  die  Lage  in  Dänemark.  Ludwig  d.  D. 
benutzte  Anskar  mehrfach  als  Gesandten.  Dabei  lernte  König 
Horich  die  Zuverlässigkeit  und  Tüchtigkeit  des  Erzbischofs  schätzen. 
Die  Achtung  vor  dem  Manne  kam  dem  Glauben  zu  gute,  den  er 
bekannte.  Horich  gestattete  ihm,  in  Schleswig  eine  Kirche  zu 
bauen  und  einen  Priester  anzustellen,  der  sich  dauernd  in  Däne- 
mark aufhalten  sollte.  Zugleich  gab  er  den  Dänen  die  Erlaubnis 
zm'  Annahme  der  christlichen  Religion.  Erst  seitdem  war  an  Er- 
folge der  Missionspredigt  zu  denken.  Sie  fehlten  denn  auch  nicht; 
aber  was  wir  über  sie  hören,  nötigt  anzuerkennen,  dass  bei  dem 
Übertritt  zum  Chiistentum  in  den  meisten  Fällen  mehr  Aberglaube 
als  Glaube  wirksam  war.-) 

Immerhin  war  wenigstens  Boden  gewonnen.  Sofort  strebte 
Anskar  weiter;  er  glaubte  die  günstige  Gesinnung  Horichs  füi'  die 
Wiederaufnahme  der  schwedischen  Mission  benutzen  zu  können. 
Gauzbert,  der  die  Verhältnisse  aus  eigener  Anschauung  kannte, 
betrachtete  sie  als  hoffnungslos;  er  weigerte  sich,  nach  Schweden 
zurückzukehren:  das  wäre  gefährlich  und  unnütz.  Jedoch  Anskar 
liess  sich  dadurch  nicht  beirren:  er  entschloss  sich,  selbst  nach 
Schweden  zu  gehen.  Die  L^nterstützung  Ludwigs  und  Horichs 
fehlte  ihm  nicht;  jener  betraute  ihn  mit  einer  Botschaft  an  den 
schwedischen  König  Olaf,  so  dass  er  als  deutscher  Gesandter  kam; 
dieser  liess  ihn  durch  einen  eigenen  Boten  geleiten  und  empfehlen. 
So  war  wenigstens  für  die  persönliche  Sicherheit  des  kühnen 
Predigers  gesorgt.  Aber  die  Lage  war  wenig  glückverh eissend; 
die  schwedischen  Christen  erwarteten  nicht,  dass  Anskar  irgend 
etwas  erreichen  werde.  In  der  That  hatte  er  es  nur  dem  günstig 
fallenden  Lose  zu  danken,  dass  christlicher  Gottesdienst  und  der 
Aufenthalt  christlicher  Priester  zugelassen  wurde.  Der  Erfolg  der 
Reise  war  die  Wiederherstellung  des  aufgelösten  Missionspostens. 
Nach   einem  Vorschlage    Gauzberts    übertrug    ihn    Anskar    dessen 


Ij  V.  Ansk.  19  S.  39. 

2)  L.  c.  24  S.  52  f.:  vgl.  Dehio  S.  76. 


—     U84     — 

Nerton,  dein  Priester  Erinil)ert.  So  lange  er  lebte,  trug  er  Sorge, 
dass  der  Posten  nicht  unbesetzt  blieb:  aber  mehr  als  ein  Priester 
scheint  nie  in  Schweden  gewesen  zu  sein.  Schon  dies  Beweis 
genug,  dass  an  grosse  Eriblge  nicht  gedacht  werden  kann.*) 

In  Dänemark  brachte  der  Tod  Horichs  im  Jahre  854  das 
kaum  (Gewonnene  wieder  in  Gefahr  des  Untei-gangs.  Denn  der 
jüngere  Horich  liess  die  Kirche  in  Schleswig  schliessen .  vertrieb 
den  l^riestor  und  verbot  die  Ausübung  der  christlichen  Keligion. 
Doch  (lauerte  diese  Bedrängnis  nicht  lange.  Es  gelang  Anskar 
und  dem  Grafen  Burghard.  den  König  umzustimmen.  Die  Kirche 
in  Schleswig  wurde  wieder  cröftiiet  und  in  Ribe  eine  zweite  ge- 
gründet.") 

So  standen  die  Dinge  als  Anskar  starb. ^)  Die  Frucht  der 
stolzen  Legation  an  alle  Stämme  der  Dänen  und  Schweden  nach 
Faröer,  Grönland  und  Island,  zu  den  Wenden  und  Slawen  war, 
dass  im  dänischen  Grenzland  zwei  Kirchen  errichtet  waren  und  in 
einer  schwedisciien  Handelsstadt  ein  Priester  wirkte.^)  Ein  geringes 
Resultat,  das  fast  einem  Misslingen  gleich  zu  achten  ist.  Es  war 
nicht  die  Schuld  Anskars.'')  Zwar  wird  man  zweifeln  dürfen,  ob 
er  in  ähidicher  Weise  zum  Missionar  geschatten  war,  wie  etwa 
W'illcbad.  Reflektierenden,  oder  dürfen  wir  sagen,  grüblerischen 
Naturen,  wie  er  es  war,  fehlt  gew()hnlicli  die  elementare  Kraft  der 
Begeisterung,  welche  andere  mit  sich  foiireisst.  Er  war  immer  voll 
Hedenken,  bald  übei'  scinm  Seelenzustnnd,  bald  über  seine  Arl)eit(^n 
und  Massreg<'ln.  W'ehhc  ^lüiie  es  iiim  kostete,  ihi'erHerr  zu  werden, 
lassen  die  mancherlei  Träume  ermessen  ,  von  denen  sein  Biograph 
berichtet.    Aber  was  ihm  an  natürlicher  Begal)ung  abgehen  mochte. 


1)  V.  Ansk.  25  S.  53  ff. 

2)  L.  c.  31  f.  S.  63.  Die  Lage  des  Christentums  in  Dänemark  ist 
auch  durch  die  Bemerkung  charakterisiert,  dass  erst  der  jüngere  Horich 
das  rrlockengeläuto  zulioss,  qnod  antea  nefandum  paganis  videbatur  (c.  32 
S.  64). 

3)  3.  Februar  865  (V.  Ansk.  41   8.  75). 

4)  Dehio  S.  80  ff.  überschätzt,  wie  mich  dünkt,  den  Krtrag  von  Ane- 
kars  Thätigkeit.  Die  fort^chreitentlc  Auflösung  der  Nationalreligion 
wurde  ni'ht  durch  die  Missionspredigt  bewirkt;  die  letztere  war  nur  einer 
der  mitwirkenden  Faktoren,  und  wie  es  scheint,  einer  der  schwächsten. 
Das  verkennt  Dehio  auch  nicht.  Aber  giebt  man  es  zu,  dann  ist  es  doch 
unmöglich,  ,,da8  Gesamtresultat  bedeutend  zu  nennen".  Das  wäre  es  nur 
dann  gewesen,  wenn  es  Anskar  gelungen  wäre,  die  nationale  Antipathie 
gegen  das  Christentum  zu  überwinden.  Das  war  aber  trotz  Horichs  'Junst 
nicht  der  Fall. 

5)  Vgl.  die  schöne  Charakteristik  Dehios  S.  86  ff. 


—     685     ~ 

ersetzte  er  durch  unvergleichliche  Treue  und  unermüdlichen  Eifer. 
War  er  erst  über  den  Weg  klar,  den  er  gehen  sollte,  so  kannte  er 
kein  Zurückweichen.')  Vielleicht  hat  in  der  deutschen  Kirche  dieser 
Zeit  kein  Mann  so  selbstlos  gearbeitet  als  er;  er  war  stets  bereit, 
die  grössere  Hälfte  der  Arbeit  für  sich  zu  nehmen  und  sich  mit  der 
kleineren  Hälfte  des  Ansehens  und  Einflusses  zu  begnügen.-')  Dass 
das  gute  Verhältnis  zu  Ebo  nie  gestört  wurde /^)  ist  ohne 
Zweifel  sein  Verdienst;  schon  der  Gedanke,  man  könne  ihm  eigen- 
nützige Motive  zutrauen,  beunruhigte  ihn.^)  In  seiner  Selbstlosig- 
keit glich  er  den  Bischöfen  dieser  Zeit  wenig:  sie  wurden  Fürsten, 
er  fühlte  sich  als  Prediger;'')  dadurch  war  er  geeignet  zum  Missions- 
bischof Wenn  er  trotzdem  wenig  erreichte,  so  lag  der  Grund  zum 
Teil  an  den  Schwierigkeiten,  welche  Ludwgs  PoHtik  geschaffen 
hatte,  zum  Teil  aber  auch  daran,  dass  die  deutsche  Kirche  Anskar 
allein  liess.  Welche  Menge  von  Missionsarbeitern  war  im  Jahi-- 
hundert  vorher  aus  dem  kleinen  Northumberland  hervorgegangen. 
Jetzt  hören  wir  nicht,  dass  die  mächtige  deutsche  Kirche  dem 
Dänenmissionar  auch  nur  einen  Gehilfen  zur  Verfügung  stellte.'^) 
Das  war  das  Entscheidende:  die  Expansionskraft  der  deutschen 
Kirche  war  erlahmt.  Anskar  war  nicht  getragen  von  der  Teilnahme 
der  Heimat;  deshalb  verzehrte  er  seine  Klraft  vergebHch  auf  einem 
verlorenen  Posten. 

Anskar  hat  seine  Vereinsamung  gefühlt.  Im  Jahr  vor  seinem 
Tode  arbeitete  er  eine  Denkschrift  über  die  nordische  Mission  aus, 
um  sie  an  König  Ludwig  und  die  deutschen  Bischöfe  zu  senden. 
Sie  war  eine  Bitte  um  Förderung  seiner  Lebensarbeit;')  aber  sie 
war  vergebHch.  Die  Verhältnisse  wurden  nach  seinem  Tode  nicht 
besser.    Zwar  erhielt  er  seinen  Lieblingsschüler  Eimbert  zum  Nach- 


1)  V.  Ansk.  36  S.  70:  Ad  omnia  quae  forte  praecipua  definire  debebat 
spacium  cogitandi  habere  voleba,t  et  nihil  ternere  disponebat,  antequam 
gratia  Dei  illustratus  ipse  in  mente  sua  sentiret,  quod  melius  esset. 

2)  Charakteristisch  ist  besonders  seine  zweite  schwedische  Reise:  er 
unternahm  sie,  da  Gauzbert  nicht  wollte,  und  das  Ende  war,  dass  ein  Neffe 
Gauzberts  die  Frucht  seiner  Arbeit  erntete. 

3)  V.  Ansk.  34  S.  65. 

4)  L.  c.  22  S.  47. 

5)  L.  c.  35  S.  66:  Sicut  in  eius  (des  Martin  von  Tours)  vita  legerat, 
magnopere  populis  verbum  domini  praedicando  prodesse  studebat. 

6)  Nur  von  Hraban  wissen  wir,  dass  er  Teilnahme  für  das  Missions- 
werk hatte,  vgl.  oben  S.  678  Anni.  5. 

7)  V.  Ansk.  41  S.  75.  Die  Denkschrift  ist  verloren;  der  begleitende 
Brief  an  die  Bischöfe  in  Hamb.  ÜB.  I  S.  28  Nr.  17. 


—     686     — 

folfier.')  Auch  liess  Rimbert  die  Kirchen  in  Schweden  und  Däne- 
niai'k  nicht  verwaisen;  er  seihst  hat  sie  ethche  INIide  aufgesucht.'^ 
Aber  von  einer  weiteren  Ausdelmunjj;  des  Missionswerkes  hfiren  wir 
nicht.  Statt  vorzudringen  wurde  das  Christentum  zurückgedrängt. 
Durch  (he  t'urclithare  Niederhige,  wtdche  die  Normannen  am 
2.  Februar  8.S0  den  Sachsen  am  Strande  der  Nordsee  beibrachten, 
wurde  aucli  die  Kirche  betroffen.  Es  war  das  geringste,  dass  zwei 
Bischöfe.  Tliiadnch  von  Minden  und  ]\larkward  von  Hihlesheim.  auf 
der  Walstatt  bheben;'^)  viel  schwerer  wog  der  Verlust  der  Eider- 
gi-enze.^)  Das  Christentum  wurde  aus  einer  Position  vertriel)en. 
die  vollkommen  sicher  geschienen  hatte.  Wie  schwach  Reich  und 
Kirche  geachtet  wurden,  beweist  nichts  so  deutlich  als  dass  nun 
auch  die  Slawen  vordrangen.  Auch  ihnen  gegenüber  tiel  ein  deut- 
scher Bischof,  Wolfhard  von  Minden;'^)  auch  sie  nahmen  Landstriche 
ein,  welche  eine  Zeit  lang  deutsch  und  christhch  gewesen  waren.") 
Schliesslich  erreichten  die  Verwüstungszüge  der  Ungarn  auch  die 
Niedersäciisischen  Ebenen:  Brand  und  Mord  bezeichneten  liier  wie 
in  Oberdeutschland  ihre  Spuren.'} 

Wie  hätte  in  diesen  Jahrzehnten  an  Mission  gedacht  werden 
können?  Sie  hörte  vollständig  auf.")  So  unniöghch  schien  die  Er- 
reichung des  Zwecks,  zu  dem  Hand)urg  einst  gegründet  war,  dass 


1  Die  vita  Riinberti  ist  unter  Bischof  Adalgar  von  Bremen  von  einem 
Mönch  von  Corvey  geschrieben  (c.  12  S.  91.  Adam.  (Test.  I,  37  S.  27).  Sie 
ist  ein  Heiligenleben  gewöhnlichen  Schlag.-^,  ohne  viel  Inhalt. 

2)  V.  Rnub.  l(i  S.  94. 

3)  Ann.  Fuld.,  Bert.  z.  d.  .1.,  Widuk.  res  gest.  Sax.  I,  16  S.  15  f., 
Thietm.  chron.  II,  15  (M.G.  Scr.  III  S.  750),  Necrol.  Visbec.  z.  2.  Februar 
(Böhmer,  Font.  IV  S.  496). 

4)  S.  Dümmler,  OFr.  K.   III  8.  1-36. 

5)  Ann.  Corb.  z.  d.  .1.  S80;  ann.  necrol.  Fuld.  z.  15.  September  886 
(M.G.  Scr.  XIII  S.  186);  Ann.  Hildesh.  z.  .1.  885. 

6)  Das  Vordringen  der  Abodriten  ergiebt  sich  aus  ArnulfH  erfolglosem 
Feldzug  gegen  sie  (Ann.  Fuld.  z.  .1.  889).  Wenn  nun  im  .lahre  895  abodri- 
tischo  Uesandto  vor  Arnulf  erschienen  und  von  ihm  (iewährung  ihrer 
Forderungen  erhielton  (1.  c),  so  erscheint  es  als  höchst  wahrscheinlich,  dass 
Arnulf  ihnen  das  eingenommene  Land  überliess. 

7)  Ann.  Corb.,  Hildesh.  z.  J.  906;  Alam.,  Regln,  cont.  z.  .1.  908;  Ann. 
Hildesh.  z.  d.  .T.  909;  Regin.  contin.  z.  .T.  915;  Adam.  Gest.  I,  54  f.,  S.  37, 
vgl.  Dümmler.  OFr.  R.  IH  S.  546  f.,  551  f.,  595  f. 

8)  Das  Einzige,  das  Adam  zu  sagen  weiss,  ist:  Nobis  hoc  scire  suf- 
ficiat,  omnes  (reges  Danorum)  adhuc  paganos  fuisse  ac  in  tanta  reg- 
norum  mutatione  vel  excursione  barbarorum  christianitatem  in  Dania,  quae 
a  8.  Ansgario  plantata  est,  aliquantulam  remansisse,  non  totam  defecisse 
T.  .54  .'^.  37). 


—     687     — 

der  Plan,  das  Erzbistum  aufzulösen,  von  neuem  hervortreten  konnte. 
Es  mag  richtig  sein,  dass  persönlicher  Ehrgeiz  mitbestimmend  war, 
wenn  Erz bischof  Hermann  von  Köln  die  AViederein Verleihung  Bremens 
in  seinen  Sprengel  forderte.  Aber  man  kann  doch  nicht  leugnen, 
dass  die  augenblickliche  Lage  seinem  Verlangen  eine  starke  Be- 
gründung gab.^)  Von  dem  Hamburger  Sprengel  war  so  gut  wie 
nichts  übrig  geblieben;  Adalgar  war  thatsächlich  nur  Bischof  von 
Bremen.-)  Die  Hamburger  Erzbischöfe  hatten  keine  deutschen 
Suffi-agane,  und  es  war  ihnen  im  Laufe  von  sechzig  Jahren  nicht 
gelungen,  in  ihrem  Missionssprengel  Bistümer  zu  gründen.  Man 
konnte  wohl  die  Frage  erheben,  ob  der  Bestand  dieses  Erzbistums 
ohne  Sprengel  noch  ein  Recht  habe.  Verneinte  man  sie,  dann  war 
es  nur  gerecht,  wenn  Bremen  an  Köln  zurückfiel. 

Es  charakterisiert  die  deutschen  Zustände,  dass  über  eine  Ein- 
richtung, die  einstmals  vom  König  getroffen  war,  nun  vor  dem 
Papste    gerechtet  wm^de.-^)     Die  Entscheidung,   welche  Papst  For- 


1)  Dehio  (S.  98)  urteilt  zu  scharf,  wenn  er  Hermanns  Forderung 
einen  Angriff  nennt,  ^wie  er  frivoler  nicht  gedacht  werden  kann".  Denn 
Anskars  Werk  sollte  nicht  erst  zertrümmei-t  werden ,  sondern  war  bereits 
zertrümmert. 

2)  Rimbert  bestellte,  von  Krankheit  genötigt,  unter  Zustimmung  des 
Königs  den  Mönch  Adalgar  aus  Corvey  zu  seinem  Koadjutor  (V.  Rimb.  21 
S.  97).  Als  er  am  11.  Juni  888  starb  (Adam.  Gest.  I,  46  S.  32,  Necrol.  Fuld. 
mai.  S.  186)  folgte  ihm  Adalgar  im  Bistum.  Er  starb  am  9.  Mai  909  (Adam. 
I,  52  S.  36).  Sein  Nachfolger  war  Hoger,  der  am  20.  Dezember  915  starb 
(Adam.  I,  54  S.  87). 

3)  Hermann  erhob  im  Sommer  890  bei  Stephan  V.  Klage.  Aus  der 
Antwort  des  Papstes  (J.W.  3458 1  ergiebt  sich,  dass  die  Thatsache,  dass 
Hamburg  keine  Suffragane  hatte,  Eindruck  auf  ihn  macbte.  Er  schreibt: 
Si  prouincia  et  suffraganei,  quibus  presit,  deest,  qualiter  usum  palli  pro- 
meruit,  ambignum  habeur.  Stephan  verfügte,  dass  Anwälte  beider  Parteien 
sich  nach  Rom  begäben;  dann  wolle  er  die  Sache  entscheiden.  Adalgar 
reiste  nun  nach  Rom.  Hermann  schickte  zwar  Vertreter,  aber  ihre  Voll- 
machten waren  ungenügend.  Deshalb  vertagte  der  Papst  das  Urteil  und 
beauftragte  den  Erzbischof  Fulko  von  Rheims,  am  15.  August  892  in  Worms 
eine  Synode  der  Kölner  und  Mainzer  Diözese  abzuhalten  und  die  Angelegen- 
heit zu  untersuchen.  Das  Ergebnis  sollte  Fulko  ihm  vorlegen,  Hermann 
und  Adalgar  aber  sollten  selbst  in  Rom  erscheinen  oder  Bevollmächtigte 
senden  (J.W.  3470.  Flod.  Eist.  Rem.  eccl.  IV,  1  M.G.  Scr.  XIII  S.  558). 
Stephan  starb,  ehe  die  Synode  stattfand,  am  14.  September  891.  Sein 
Nachfolger  Formosus  wiederholte  seine  Verfügung,  indem  er  sie  nur  dahin 
abänderte,  dass  Erzbischof  Hatto  von  Mainz  den  Vorsitz  auf  der  Synode 
führen  sollte  (J.W.  3483).  Sie  wurde  im  August  892  in  Frankfurt  ab- 
gehalten.     Hefele    (CG.    IV    S.  551)    hat    diese   Synode    übersehen.     Wenn 


—     688     — 

niosus  nach  hingen  Verhandhingeii  traf,  hess  die  Dinge,  wie  sie 
waren.  Das  Hamhurger  EivJjistiun  bheb  bestehen;  aber  gewisser- 
niassen  als  eine  Hoffnung  oder  als  eine  Verptlichtung  für  die 
Zukunft. 

Wenn  Hamburg  auch  die  Slawenniission  übertragen  war,  so 
wurde  doch  nicht  einmal  ein  Anfang  zu  ihr  gemacht.  Obgleich  die 
Sorben,  Wil/.en  und  Abodriten  die  fränkische  Hoheit  anerkannten, 
hört  man  weder,  dass  sie  nach  dem  Christentum  begehrten,  noch 
dass  nuui  versuchte,  es  ihnen  nahezubringen;  wo  die  deutsche 
Sprache  aufhörte,  hörte  auch  der  christliche  Glaube  auf.^)  Vollends 
die  Erschütterung  der  deutschen  Heri-schaft  seit  den  letzten  Jahren 
Ludwigs  d.  Fr.  musste  den  Gedanken  an  die  Mission  ganz  in  die 
Feme  rücken. 

Wenden  wir  uns  dem  Südosten  zu,  so  war  die  Lage  dort  nicht 
immer  friedlich,-)  aber  zunächst  günstig.    Vor  allem  kam  ihr  zu  gute. 


Dehio  (I  S.  99)  sie  nur  aus   Kölnischen  Suft'raganen  bestehen  lässt,  so  weiss 
ich  nicht,  worauf  sich  dies  gründet;  der  Brief  des  Formosus  (.T.W.  3487)  giebt 
kein  Recht  dazu;    der  Papst  sagt  nur,    es   seien  die  Bischöfe    in  Frankfurt 
zu.sammengekommen,  und  es  hätten  die  Kölner  Diözesanen  einstimmig  die 
Unterordnung  Bremens  unter  Köln  bezeugt.     Die  Anwesenheit  der  Mainzer 
ist  dadurch  nicht  ausgeschlossen.     Auf  Grund  des  Berichtes  der  Frankfurter 
Synode    entschied    Formosus:     So    lange    bis    Hamburg    eigene    SuflVagan- 
bistümer  habe,   sollte  Bremen  mit  Hamburg  verbunden  bleiben;    der  Ham- 
burger Erzbischof  solle,  wenn  der  Kölner  ihn  einlade,  entweder  persönlich 
oder  durch  einen  Vertreter  an  den  Kölner  Synoden  teilnehmen,  ohne  dass 
jedoch    dadurch     seine    Unterwerfung     unter    Köln     ausgesprochen    werde. 
Würde    einstmals    eine    wirkliche    Hamburger    Erzdiözese    gegründet    sein, 
dann  solle  Bremen  wieder  in  den  Verband  mit  Köln  eintreten  (.bW.  3487 f.). 
Thatsächlich    fiel   also  die  Entscheidung   zu  Gunsten  Hamburgs;   denn   was 
Hermann  zugestanden  wurde,  war  doch  nur  ein  gänzlich  wertloser  Schein 
auf  die  Zukunft.     Es  scheint  aber,  dass  man  in  Hamburg  gleichwohl  nicht 
mit  ihr  zufrieden  war.    Man  erfand  deshalb  die  Fabel  von  der  Vernichtung 
der   Hamburger  Privilegien  durch   Arnulf  und  Formosus,   um   sie   durch  die 
gefälschte  Bulle  Sergius'  111.  glänzend  wiederherstellen  zu  lassen  (J.W.  3537). 
Auch    die    Nachrichten,    welche    Adam     unter    starken    Zweifeln    an    ihrer 
Glaubwürdigkeit  über   die   Synode    von  Tribur   mitteilt  (Gest.  I,   51  S.  34), 
werden  in  das  Bereich  dieser  Fälschungen  gehören  (vgl.  Dehio,  Knt.  Au.sf.  X 
S.  58  f.);    Hefele  (CG.  IV  S.  560)  wiederholt  Adams  Notizen,    ohne  Zweifel 
auszusprechen. 

1)  Hraban  an  Hemmo  von  Halberstadt  (zwischen  842  und  847):  Neque 
mihi  ignotuni  est,  qualem  infostationem  habeas,  non  solum  a  paganis,  qui 
tibi  confines  sunt,  sed  etiara  a  populorum  turbis  (ep.  36  S.  470). 

2)  Strakosch- Grassmann,  Geschichte  der  Deutschen  in  Österreich  I 
S.  475  ff. 


—     689     — 

dass  zahlreiche  Deutsche  in  das  dünnbevölkerte  Land  einströmten;^) 
wo  sie  sich  niederliessen,  bauten  sie  Kirchen  und  wurden  Piiester 
angestellt;-)  sodann  dass  Ludwig  die  Verwaltung  den  wendischen 
Gaufürsten  abnahm  und  baierischen  Grafen  übertrug.'^)  Dadurch 
verlor  das  Land  rasch  den  Charakter  als  reines  Missionsgebiet.  So- 
wohl der  Passauer  wie  der  Salzburger  Anteil  standen  unter  eigenen 
Landbischöfen  und  schienen  der  Selbstständigkeit  entgegen  zu  reifen.*) 
Neben  den  von  den  Bischöfen  gesandten  Priestern  arbeiteten  nach 
wie  vor  Mönche  aus  den  bairischen  Klöstern.  Ludwig  d.  D.,  der 
seit  826  in  Baiern  regierte,'')  förderte  die  Konsolidierung  der  kirch- 
lichen Zustände  durch  Landschenkungen.**)  Auch  trug  er  Sorge 
dafüi\  die  regelmässige  Abhaltung  bischöflicher  Visitationsreisen  zu 
sichern  und  zu  erleichtern.^)  Wenn  Erzbischof  Ad  alrani  von  Salzburg 


1)  A.  a.  0.  S.  435.  Die  Einwanderung  jenseits  des  Wiener  Waldes  ist 
zuerst  um  833  nachweisbar  (S.  441),  noch  etwas  jünger  ist  die  in  West- 
ungani  bis  zur  Raab  (S.  442).  In  Karantanien  ist  der  erste  deutsche 
Grundbesitz  um  822  nachweisbar  (S.  448);  vgl.  oben  S.  469. 

2)  B.M.  1319;  1326;  1340. 

3)  Convers.  10  S.  11;  vgl.  Krones  S.  45  ff.  Er  erinnert,  dass  das  dem 
Amtsträger  überwiesene  Gut   ein   Keimlager  deutscher  Ansiedelung  wurde. 

4)  S.  oben  S.  469.  Der  Chorbischof  Osbald  verkehrte  direkt  mit  Papst 
Nikolaus  I.  (J.W.  2854).  Zur  Errichtung  einer  eigenen  kärntner  Diözese 
kam  es  freilich  erst  im  Jahre  1070  durch  die  Konstituierung  des  Bistums 
Gurk,  Urk.  Alexanders  IL,  J.W.  4673,  vgl.  Bd.  III  S.  747. 

5)  Dümmler,  OFr.  R.  I  S.  25  f. 

6)  Auf  seine  Fürsprache  schenkt  Ludwig  d.  Fr.  d.  22.  März  828  an 
das  Kloster  Kremsmünster  Grundbesitz  im  Grunzwitigau,  wo  die  Mönche 
eine  Kirche  errichtet  hatten  (B.M.  824);  Ludwig  bestätigt  830  dem  Kloster 
Altaich  seinen  Besitz  in  der  Wachau  (1.  c.  1302),  schenkt  831  an  Salzburg 
ein  Gut  am  Einfluss  der  Görschitz  in  die  Gurk  (1.  c.  1384),  832  an  Regens- 
burg den  Ort  Herilungoburg  am  Einfluss  der  Erlaf  in  die  Donau  (1.  c.  1308), 
833  an  Passau  für  den  Chorbischof  Anno  Grundbesitz  im  Orte  Litaha  (1.  c. 
1311),  836  an  Passau  ebenfalls  für  Anno  die  Kirche  Kirchbach  mit  grossem 
Grundbesitz  (1.  c.  1319);  837  an  Salzburg  Grundbesitz  in  Ips  mit  einer  von 
Adalram  erbauten  Kirche  (1.  c.  1326),  844  dem  Priester  Dominikus  (s.  u. 
S.  691)  Grundbesitz  zu  Lebenbrunn  (1.  c.  1340);  859  dem  Passauer  Chor- 
bischof Alberich  10  Höfe  zu  Nuzbach  und  Oedenburg  (1.  c.  1399);  860  be- 
stätigt dem  Kloster  Altaich  eine  Schenkung  des  Priwina  (1.  c.  1401) ; 
schenkt  860  dem  Kloster  Mattsee  20  Höfe  in  Steiermark  (1.  c.  1402),  an 
Salzburg  Steinamanger  und  Pinkafeld  mit  24  Höfen  (1.  c.  1403);  864  an 
Salzburg  Grundbesitz  in  Gurk  (1.  c.  1411),  in  Steiermark  und  Pannonien 
(1.  c.  1413);  868  an  Metten  Grundbesitz  im  Treismafeld  (1.  c.  1424). 

7)  Die  Visitationen  mussten  dadurch  erleichtert  werden,  dass  Ludwig 
die  üblichen  Leistungen  der  Grafen  und  des  Volkes  ablöste.  Salzburg  er- 
hielt   6  Bauernstellen    mit    5  Hörigenfamilien    und    12  Knechten    zu  Gurk, 

Hauck,  Kircheugeschicbte.   11.    2.  Aufl.  44 


—     ()00     — 

gerühmt  wurde,  weil  ihm  Gott  die  Gahe  der  Sprachen  verliehen  hahe, 
und  er  deshalb  die  Barbaren  recht  unterweisen  könne,')  so  ist  das 
ein  Beweis  datur.  das  die  Hauptsache,  die  Predigt  in  der  Volks- 
sprache, unter  den  neu  bekehrten  Slawen  so  wenig  unterblieb  wie 
in  Deutschland. 

Es  konnte  als  ein  weiterer  Schritt  vorwärts  betrachtet  werden, 
dass  innerhalb  des  Salzburger  Missionsgebiets  ein  von  dem  Reiche 
abhängiges  slawisches  Fürstentum  entstand.  Deim  sein  Heri-scher 
unterstützte  die  kirchlichen  Einrichtungen  nach  Kräften.  Eine  selt- 
same Verkettung  von  Ereignissen  führte  dazu.  Zwischen  den 
Jahren  S.'50  und  SH5  wurde  ein  gewisser  Priwina  von  dem  MiUiren- 
herzog  Moimir  aus  seiner  Heimat  verjagt.")  Er  Höh  zu  dem  bairi- 
schen  Grafen  Ratbod,  der  in  Pannonien  gebot.  Er  muss  ein  unter 
seinem  Stamme  angesehener  und  einflussreicher  Mann  gewesen  sein ; 
denn  Ratbod  ])rachte  ihn  sofort  zu  dem  König  Ludwig.  Wir 
wissen  nicht,  ol)  Priwina  als  Anhänger  der  Deutschen  aus  MiUn-en 
vertrieben  wurde;  unwalirscheinlich  ist  es  nicht;  jedenfalls  war  er  jetzt 
bereit,  sich  ganz  an  sie  anzuschliessen.  AVie  Ludwig  gebot,  Hess 
er  sich  im  christlichen  Glauben  unterrichten;  in  der  Martinskirche 
zu  Traismauer  wurde  er  von  einem  Salzburger  Priester  getauft 
Als  (, 'brist  kehrte  er  zu  Ratbod  zm'ück.  Doch  die  Freundschaft 
mit  ihm  war  nicht  von  Bestand;  wieder  wissen  wir  nicht,  worüber 
die  beiden  Männer  sich  entzweiten.  Genug,  dass  Priwina  noch 
einmal  flüchtig  werden  rausste;  er  vcrhess  das  fränkische  Gebiet. 
Da  war  es  nun  entscheidend,  dass  er  dem  Christentum  treu  blieb 
und  von  der  Verbindung  mit  den  Deutschen  sich  nicht  lossagte. 
Bald  gelang  es  dem  Kärntner  Grafen  Salacho,  ihn  mit  Ratbod 
wieder  auszusöhnen.  Unter  den  bairischen  Grossen  genoss  Priwina 
solches  Ansehen,  dass  sie  Ludwig  bestimmten,  ihm  einen  Landstrich 
in  Unteipannonien  am  Plattensee  zu  Lehen  zu  geben.  Dadurch 
trat  der  mäluische  Flüchtling  in  die  Reihe  der  bairischen  üptimatcu. 


2  Höfe  mit  einer  Mühle  zu  Kamern  und  Selz,  Wald  und  Weinberg.     Dazu 
kam  noch  die  vom  Volk  zu  leistende  Abfindung  (B.M.  1411). 

1)  Carm.  Salisb.  7  v.   18  ft".  (l'üet.  lat.  II  .S.  462): 

Qui  jiius  ecce  tibi  virtutum  munera  Christus 
Cessit  et  ipee  sacer  linguarum  dona,  sacerdos, 
Dogmate  praeclaro  valeas  quo  rite  docere 
Barbaricas  doctor  doctorum  saepe  phalanges. 

2)  Conv.  Bagoar.  10  S.  11.  Die  Zeit  ist  nicht  sicher.  Einen  An- 
haltspunkt giobt  die  Amtszeit  des  Grafen  Ratbod,  die  ungefähr  830  beginnt 
Pflmmler,  Wiener  SB.  X  S.  19),  einen  zweiten  die  Thatsache,  dass  Adalram 
die  Kirche  in  Neitra  weihte.  Adalram  starb  im  Januar  836.  Es  bleiben 
also  für  Priwinas  Vortreibung  nur  die  ersten  Jahre  des  4.  Jahrzehnts. 


—     691     — 

Inzwischen  scheint  es  ihm  gelungen  zu  sein,  sein  Erbgut  im  heuti- 
gen ungaiischen  Slowakenland  wieder  in  seine  Gewalt  zu  bringen. 
Denn  dort,  in  Neitra,  erbaute  er  eine  Kirche.  Erzbischof  Adalwin 
von  Salzburg  hat  sie  eingeweiht:^)  es  ist  die  erste  Kirche  im  Ge- 
biet der  Mähren,  von  der  wir  wissen.  Jedoch  nahm  Priwina  seinen 
Sitz  nicht  in  Mähi'eu,  sondern  auf  seinem  pannonischen  Lehen,  das 
ihm  Ludwig  im  Jahre  847  zu  eigen  überliess.-)  An  der  Zala  er- 
baute er  eine  Burg;  zahlreiche  Ansiedler  hessen  sich  in  ihi-er  Nähe 
nieder.  So  entstand  die  älteste  Stadt  in  dieser  Gegend;  man  nannte 
sie  nach  ihrer  Lage  im  Sumpf-  und  Moorlande  Moosburg. '^)  Am 
24.  Januar  850  weihte  Erzbischof  Liupram  die  erste  in  ihr  ge- 
gründete Kirche  zu  Ehren  der  Maria.  Bei  dieser  Gelegenheit 
wurde  zwischen  dem  Fürsten  und  dem  Erzbischof  vor  zweiunddreissig 
deutschen  mid  slawischen  Zeugen  ein  Vertrag  abgeschlossen,  um  die 
kü'chHchen  Verhältnisse  zu  regeln.  Priwina  stellte  den  Priester 
Dominikus,  den  er  bei  sich  hatte,  miter  Liupram  und  erkannte  da- 
durch die  Rechte  des  Erzbistums  an;  Liupram  aber  übertrug  dem 
Dominikus  in  aller  Form  die  neue  Kirche  und  die  Leitung  der  neuen 
Gemeinde.*)  Für  die  rasch  wachsende  Stadt  hess  Liupram  durch 
deutsche  Handwerker  und  Künstler  eine  zweite,  dem  Märtyrer 
Hadrian  geweihte,  Kirche  emchten.  Eine  dritte,  Johannes  dem 
Täufer  geweiht,  darf  man  wohl  als  Baptisterium  betrachten.  Wie 
für  Moosburg,  so  wurde  auch  für  das  flache  Land  Sorge  getragen. 
Es  war  zum  Teil  von  Slawen,  zmn  Teil  von  Deutschen  bewohnt. 
An  vierzehn  deutschen  und  slawischen  Ortschaften  wm-den  Kirchen 
errichtet.  Deutsche  Klöster  und  Stifter  erwarben  Grundbesitz  im 
Lande.  •'^)     Das  Zusammenwirken    der    deutschen  Priester   und   des 


1)  Conv.  Bagoar.  HS.  12.  Die  Verhältnisse  Neitras  sind  sehr  wenig 
klar.  Denn  später,  i.  J.  880,  ist  es  im  Besitze  Swatopluks  (Schreiben  Jo- 
hanns VIII.,  J.W.  3319),  und  Theotmar  von  Salzburg  behauptet,  erst  dieser 
habe  die  Bevölkerung  christianisiert  (Boczek,  Cod.  dipl.  Morav.  I  S.  60 
Nr.  91).  Darnach  ist  zu  vermuten,  dass  Priwina  Neitra  nicht  halten 
konnte,  und  dass  infolge  dessen  die  christliche  Stiftung  bald  wieder  zu 
Grunde  ging. 

2)  Conv.  Bagoar.  12  S.  13.     B.M.  1347  d. 

3)  Nach  Krones,  Besiedelung  S.  46,  das  jetzige  Szalavär-Szalaburg. 

4)  C.  B.  11  S.  12:  Tunc  dedit  Priwina  presbyterum  suum  Dominicum 
in  manus  et  potestatem  Liuprammi  archiepiscopi  et  Liuprammus  illi  pres- 
bytero  licentiam  concessit  in  sua  dioecesi  missam  canendi,  commendans  illi 
ecclesiam  illam  et  populum  procurandum  sicut  ordo  presbyteratus  exposcit. 
Dominikus  gehörte  diesen  Worten  nach  ursprünglich  dem  Salzburger  Klerus 
nicht  an;  vielleicht  war  er  ein  italienischer  Kleriker. 

5)  I.  J.  860  Altaich    B.M.  1401,    nach   860    St.  Emmeram  Cod.  Anam. 

44* 


—     692     — 

slinvischen  Füi-sten  führte  zu  den  glückliclistoii  Erfolgen.  Diese 
aünstifre  Entwickelung  wurde  auch  durch  den  Tod  Priwinas  nicht 
unterbrochen:  er  Avurde  von  den  Mälu-cn  erschhigen;*)  wie  es 
scheint,  haben  sie  ihm  seinen  Anschhiss  an  die  Deutschen  nicht 
verziehen.  Seine  Herrschaft  erbte  sein  Sohn  Chozel;  er  ging  zu- 
näclist  auf  dem  von  ihm  betretenen  Wege  weiter,  indem  er  an  der 
Verbindung  mit  Salzburg  festhielt.  Von  dort  kamen  die  Vorstelier 
der  ])annonischen  Kirche.  Der  Nachfolger  des  ]^oininilais.  Swar- 
nagal,  war  seinem  Namen  nach  ein  Slawe.  Ihm  folgte  wieder  ein 
Deutscher,  Altfrid.  Wenn  Erzbischof  Adahvin  ihn  zum  Archi- 
])resbyter  erhob,  so  darf  man  darin  wohl  die  Absicht  sehen,  die 
Konstituierung  einer  eigenen  pannonischen  Diözese  anzubahnen. 
Die  Zahl  der  Kirchen  an  deutschen  mul  slawischen  Orten  ver- 
mehrte sich  noch  weiter.  Adahvin  hat  zwölf  neue  Kirchen  ein- 
geweiht. Es  schien  eine  slawische  Kirche  zu  erwachsen,  die  in 
engster  Verbindung  mit  einem  deutschen  Ei-zbistume  stand. 

Einen  Moment  lang  ötfnete  sich  eine  viel  weiter  reichende 
Aussicht.  Seit  dem  Jahre  SIS  waren  die  Bulgaren  in  die  Sphäre 
der  fränkischen  Politik  eingetreten.  Es  gelang  ihnen,  nicht  ohne 
Schädigung  des  Keiches.  sich  in  Unterpaunonien  festzusetzen.'') 
Das  Verhältnis  zu  Deutschland  blieb  unsicher  bis  zum  Frieden  von 
Tulln  im  .lahre  S64.  Erleichtert  oder  herbeigefidn-t  wurde  der  Al)- 
schluss  des  Friedens  dadurch,  dass  der  bulgarische  König  Rogoris 
sich  zur  Annahme  des  Christentums  entschloss.^^)  p]r  nötigte  seine 
Unterthanen.  sich  ebenfalls  taufen  zu  lassen,  und  als  infolge  dessen 
ein  Autstand  ausbrach,  schlug  er  ihn  mit  lilutiger  (rewalt  nieder.'*) 
Was  imiiier  seine  Motive  gewesen  sein  mögen,  so  suchte  er  aus 
seinem  (ilaubeuswechsel  möglichst  viel  politischen  Gewiini  zu  ziehen: 
er  .sandte  nach  Kegensburg,  Pom  und  Konstantinopel  Polen , 
welche  von  seiner  und  seines  Volkes  Bekehrung  berichÜMi  und  um 
Zusendung    christlicher  Prediger  bitten    sollten.''*)     Im    fränkiscben 


Pez,  Theg.  I,  3    8.  233   Nr.  50;    i.  .1.  Sfil    Froising    Cod.    .lipl.    .\nstr.    Fris. 
S.  19  Nr.  18. 

1)  Conv.  Uiigoar.  13  i<.  \A.  Priwina  lolite  noch  am  20.  Februar  860 
(ürk.  l.ufhvigH  d.  D.,  15. M.  1401);  am  21.  März  861  scheint  er  schon  ge- 
tötet gewesen  zu  sein  (Urk.  Chozels  bei  Moichclbeck,  H.  Fr.  1,  2  S.  353 
Nr.  710). 

2)  Ann.  Einh.  z.  .1.  827;   vgl.  Mühlhacher  D.  ^4.  R.  3.55  tt'. 

3)  Ann.  Bert.  z.  .1.  864;  vgl.  Nico).  I  ca]i.  ro-^p.   11  (Mansi  XV  S.  457). 

4)  Ann.  Bert.  z.  J.  866.  Christ,  expos.  in  Matth.  (Migne  106  S.  14-56 
H)  spricht  von  Obertritten  bei  den  Bulgaren. 

5)  Ann.  Fuld.,  Bert.  z.  J.  866;  Xant.  z.  .1.  868;  Theophan.  chron.  con- 
tin,   IV,   13  S.  161   (od.   Bonn). 


—     693     — 

Reiche  war  man  über  die  Kunde  von  den  Ereignissen  an  der 
unteren  Donau  hoch  ei'fi'eut;  man  erklärte  sie  sich  gemäss  der 
eigenen  rehgiösen  Stimmung^)  und  war  sofort  bereit,  jener  Auf- 
fordeiimg  zu  entsprechen:  sie  schien  ein  neues,  weites  Missionsfeld 
zu  erschliessen.  AVelchen  Wert  ihr  Ludwig  d.  D.  beilegte,  zeigte 
er  dadurch,  dass  er  auch  die  westfränkische  Kirche  zur  Beteiligung 
aufforderte.-)  Die  Hauptarbeit  sollte  jedoch  den  bairischen  Bischöfen 
zufallen.  Der  gelehrte  Mönch  Ermanrich  von  Ellwangen  war  so- 
eben von  Ludwig  an  die  Spitze  der  Passauer  Diözese  gestellt 
worden.^)  Er  schien  der  rechte  Mann  für  die  Leitung  der  Bul- 
garenmissiou.  An  der  Spitze  eines  zahlreichen  geistHchen  Gefolges 
begab  er  sich  im  Jahre  867  zu  Bogoris.  Allein  er  traf  auf  ganz 
andere  Verhältnisse,  als  man  in  Deutschland  erwartet  hatte:  statt 
freie  Bahn  zu  linden,  fand  er  sie  bereits  von  andern  Arbeitern  be- 
setzt. Nikolaus  I.  hatte,  der  bulgarischen  Auftbrderung  gleichfalls 
Folge  leistend,  zahlreiche  römische  Priester  zu  Bogoris  gesandt;  sie 
hatten  die  Arbeit  inzwischen  begonnen.  Als  Ermanrich  und  die 
Seinen  ankamen,  erschienen  sie  wie  Eindringhnge.  Sie  kehrten 
deshalb  noch  im  Sommer  867  nach  Deutschland  zurück.^)  Der 
Plan,  die  deutsche  Mission  bis  jenseits  der  slawischen  Welt  aus- 
zudehnen, war  gescheitert. 

Bald  sollte  auch  in  Pannonien  der  deutsche  Einfluss  beseitigt 
werden.  Das  hängt  mit  den  Verhältnissen  des  mährischen  Reichs 
zusammen. 

Die  nordöstlichen  Nachbarn  Baierns  waren  die  slawischen 
Stämme  der  Tschechen  und  Mähren,  Obgleich  einer  Nation  an- 
gehörend, waren  sie  durch  die  Verschiedenheit  der  Sprache  ge- 
trennt, die  Mähren  durch  die  Gleichheit  des  Dialekts  mit  den  Süd- 
slawen, den  Slowenen,  verbunden.'^)  Beide  Stämme  kamen  in 
Abhängigkeit  von  den  Deutscheu:  die  Tschechen  erkannten  seit 
Karl  d.  Gr.  die  fränkische  Oberherrschaft  an;  mährische  Gesandte 
erschienen  zum  ersten  Male  im  Jahre  822  zu  Frankfurt,  um  dem 


1)  Das  sieht  man  aus  den  ann.  Bert.  1.  c:  Rex  Bulgarorum  .  .  Deo 
inspirante  et  signis  atque  afflictionibus  in  populo  regni  sui  monente  christia- 
nus  fieri  meclitatus  fuerat. 

2)  Ann.  Bert.  1.  c.  S.  86. 

3)  Ermanrich  starb  am  26.  Dezember  874  (Ann.  Alam.  z.  d.  J.  Necrol. 
Aug.  S.  282).  Da  er  neun  Jahre  lang  Bischof  war  (catal.  M.G.  Scr.  XIII 
S.  362),  so  muss  er  im  Jahre  865  Passau  erhalten  haben. 

4)  Ann.  Fuld.  z.  J.  867. 

5)  Über  die  Nationalität  der  Mähren  s.  Dümmler,  Arch.  f.  Kunde  österr. 
GQ.  XIII  S.  169  ff. 


—     (ilM      — 

Kaiser  zu  huldiiicn  und  Oschenko  darziibringeii.')  Damals  waren 
Tschechen  und  Mähren  Heiden.  Böhmen  wird  noch  achtzehn  Jahre 
später  als  heidnisches  Land  bezeichnet;  ■)  .doch  bewirkten  die  Be- 
ziehungen zum  fränkischen  Reich,  dass  wenigstens  die  Führer  des 
Volkes  sich  vor  die  Frage  gestellt  sahen,  ob  sie  Christen  werden 
oder  Heiden  l)leiben  wollten.  Im  Jahre  S45  entschlossen  sich  vier- 
zehn tschechische  Fürsten  auf  einmal  den  Christennamen  anzu- 
nehmen. Sie  erschienen  mit  ihren  Mannen  in  Begensburg  am  Hofe 
Ludwigs  d.  D.  und  Hessen  sich  taufen.'')  Schon  die  Anzahl  genügt 
zum  ]-}eweise.  dass  rehgiöse  Beweggründe  nicht  wirksam  waren. 
Gleichwohl  wüi'de  es  allen  Gewolmheiten  der  damaligen  Kirche 
widei-sprochen  haben,  wenn  man  die  Neugetauften  ohne  Begleitung 
eines  Priestei"s  in  die  Heimat  entlassen  hätte.  Wenn  Begensburg 
später  Anspruch  darauf  erhob,  dass  Böhmen  ein  Bestandteil  seiner 
Diözese  sei,^)  so  wird  man  an  diese  Taufe  und  an  die  ihr  folgende 
Sendung  eines  oder  etlicher  Priester  gedacht  haben.  Dauernde 
Fnicht  erwuchs  aus  dieser  Massentaufe  nicht.  Im  Gegenteil  daif 
man  wahrscheinlich  den  tschechischen  Aufstand  im  Jahre  84()  mit 
ihr  in  Verbindung  setzen.'')  Die  Heiden  erwehrten  sich  mit  GcAvalt 
des  Christentums,  das  ihnen  aufgedrängt  werden  sollte.  Zwar 
wurden  die  Tschechen  im  Jahre  84S  unterworfen;  aber  sie  l)heben 
stets  unzuverlässig  und  zu  jedem  Veirat  bereit.  Infolge  dessen 
hörten  die  Kämpfe  nicht  auf.  Wenn  hiebei  nicht  selten  Bischöfe 
Führer  der  deutschen  Heere  waren,")  so  musste  das  jede  Möglich- 
keit, Mission  zu  treiben,  zei-stören.  Seit  dem  Erstarken  des  mähri- 
schen Reiches  schlössen  sich  die  Tschechen  an  dasselbe  an.  V^on 
dort  aus  scheint  das  Christentum  von  neuem  zu  ihnen  vorgedrungen 
zu  sein. 

Jener  Herzog  ^Nfoimir,  Priwinas  Gegner,  ist  der  erste  mährische 
Füi-st,  den  die  Geschichte  kennt.  Dass  er  ein  Christ  war,  ist  sehr 
unwahi'scheinlich; ')  dagegen  ist  sicher,  dass  ihn  die  Deutsclien  als 


1)  Ann.  Einh.  z.  J.  822. 

2)  Ann.  Bert.  z.  .T.  840:  Paganao  oxteraeque  gentes  ----  Ann.  Fuld.  z. 
d.  J.:  Sclavi. 

3)  Ann.  Fuld.  z.  d.  .1. 

4)  Othl.  V.  Wolfk.  29  (M.G.  Scr.  IV  S  538):  Quoniara  Poemia  provincia 
8ub  Ratisponensia  occlesiae  parochia  extitit,  etc. 

5)  Ann.  Fuld.,  Bert. 

6)  855:  Rex  misit  aciem  Baiowariorum  in  Poemanios,  quorura  ductor 
fernst  comes  exatitü,  epiacopis  nimul  comitantibua  (Urk.  bei  Meichelbeck,  H. 
Fris.  I,  2  S.  350  Nr.  702);  857  Otgar  von  Eichatätt;  871  Arn  von  Würzburg; 
872  Am  und  Abt  Sigehard  von  Fulda  (Ann.  Fuld.  z.  dd.  JJ.). 

7)  Dudik,  Mährens  allg.  (iesch.  I  (1860)  S.  129  nimmt  an,  dass  Moimir 


—     695     — 

Feind  betrachteten.  "Wenn  Ludwig  im  Jahre  nach  der  Taufe  der 
tschechischen  Fürsten  Moimir  vertrieb  und  das  mährische  Herzog- 
tiun  seinem  Neffen  Rastislaw  übertrug/)  so  wai-  seine  Absicht  viel- 
leicht, mit  einem  Male  das  Christentum  bei  beiden  slawischen 
Stämmen  ziu"  Anerkennung  zu  bringen.  Denn  Rastislaw  war  ein 
Clu-ist.  Bei  den  Böhmen  misslang  Ludwigs  Plan,  dagegen  wurde 
er  bei  den  Mähi'en  verwirklicht.-)  Rastislaw  bekehrte  wahrschehi- 
lich  mit  denselben  Mitteln  wie  König  Bogoris,  sein  Volk.^)  Schon 
im  Jahre  852  konnte  man  von  den  Mähren  als  einem  neu  be- 
kehrten Stamme  sprechen.^)  Dass  der  Herzog  vornehmlich  deutsche 
Priester  in  das  Land  führte,  war  durch  seine  Beziehungen  zu  Lud- 
wig bedingt;  die  geogi'aphische  Lage  wies  ihn  auf  das  Bistum 
Passau,  das  die  Südgrenze  seines  Landes  bildete.  Doch  wii'kten 
neben  den  deutschen  Missionaren  itahenische,  vielleicht  auch 
griechische.^) 


mit  dem  grösseren  Teil  seines  Volkes  das  Christentum  etwa  gleichzeitig  mit 
Priwina  angenommen  habe.  Aber  aus  der  von  ihm  zitierten  Stelle  der 
Transl.  Clem.  (c.  7  Font.  rer.  Bohem.  I  S.  96)  lässt  sich  das  unmöglich 
folgern.  Es  widerspricht  nicht  nur  Moimirs  feindliches  Verhältnis  zu  den 
Deutschen,  sondern  besonders  die  Vernichtung  der  Kirche  in  Neitra  (s.  oben 
S.  691  Anm.  1). 

1)  Ann.  Fuld.  Hildesh.,  Quedlinb.,  Lambert,  z.  J.  846. 

2)  Die  Hauptquellen  für  das  Folgende  sind  neben  den  wenigen  Briefen 
und  Brieffragmenten,  welche  erhalten  sind,  die  v.  Methodii,  herausgegeben 
V.  Dümmler,  Arch.  f.  K.  öst.  GQ.  XUI  S.  153  ff. ;  v.  Constant.,  herausgegeben 
V.  Dümmler  u.  Miklosich,  Denkschr.  d.  Wiener  Ak.  phil.  bist.  Kl.  XIX  S.  230ff.; 
und  transl.  Clementis,  herausgegeben  in  den  Font.  rer.  Bohem.  I  S.  93.  Sie 
gehören  zu  den  im  ganzen  glaubwürdigen  Heiligengeschichten.  Dass  sie  in 
der  Verteilung  von  Licht  und  Schatten  auf  die  Helden  und  ihre  Gegner 
ungerecht  sind,  teilen  sie  mit  allen  Erzeugnissen  dieser  Litteraturgattung. 
Unter  den  Bearbeitungen  verweise  ich  auf  Dümmlers  bahnbrechende  Unter- 
suchungen: Über  die  östlichen  Marken  des  fränk.  Reichs  (Arch.  f.  K.  öst. 
GQ.  X  S.  42  ff.),  u.  die  pannon.  Legende  v.  h.  Meth.  (a.  a.  0.  XHI  S.  147  ff.). 
Dudik,  Mährens  allg.  Gesch.  I  S.  121  ff.  hält  sich  nicht  frei  von  Vor- 
urteilen; von  geringem  Werte  ist  Rattingers  breiter  Aufsatz  in  den  Stimmen 
aus  Maria-Laach,  XXII  S.  38  ff.  —  Bonwetsch,  Cyr.  u.  Method.  1885,  ders.  P. 
RE.  IV3  S.  384;  Friedrich  in  d.  Münch.  SB.  1892  S.  393;  Götz,  Geschichte 
der  Slawenapostel  Konstant,  u.  Method.  1897;  Bretholz,  Gesch.  Mährens  I 
1893  S.  64  ff.     Jagic  im  Arch.  f.  slaw.  Philologie  Bd.  IV  S.  97  ff. 

3)  Transl.  Clement.  7  S.  96.     V.  Meth.  5. 

4)  Conv.  Mogunt.  11  (M.G.  Cap.  Nr.  249  II  S.  189):  In  rüdem  adhuc 
christianitatem  gentis  Maraensium. 

5)  V.  Meth.  5  lässt  Rastislaw  dem  Kaiser  sagen:  Intraverunt  ad  nos 
doctores  multi  christiani  ex  Italia  et  ex  Graecia  et  ex  Germania.     Dagegen 


—    nrn;    — 

Ein  solcluT  Aiitaiiir  cIit  inälirisclR'u  Mission  nuisste  die  Arbeit 
tintremein  erschweren.  Auch  später  wirkten  die  pohtischen  Ver- 
hältnisse hindernd.^)  Rastishiw  war  zwar  bereit  gewesen,  die  Herr- 
schaft aus  den  Händen  der  Deutschen  anzunehmen;  aber  sein  Ehr- 
geiz war,  als  unabliängiger  Fürst  über  ein  grosses  Reich  zu  gebieten. 
Seit  S.").")  befand  er  sich  deshalb  in  mehr  oder  weniger  oft'enem 
Krieg  gegen  das  fränkische  Reich. ^  Dass  er  im  Jahre  870  be- 
seitigt wurde, '^  war  kaum  ein  öewinn.  Denn  sein  Nachfolger 
8watopluk  war  aus  dem  gleichen  Stoffe  wie  er:  er  verriet  den 
Herzog  an  die  Deutschen,  um  seine  Stellung  zu  erhalten,  und  warf 
sich  dann  sofort  zum  Vorkämpfer  der  Mähren  gegen  die  Deutschen 
auf.^)  So  wurde  denn  beinahe  zwanzig  Jahre  lang  gekämpft:  erst 
der  Friede  von  Forchheim  im  Jahre  874  ftihiie  zu  geordneten  Zu- 
ständen.^) 

Vom  Christentum  fielen  die  Mähren  in  diesen  Kriegszeiten 
nicht  wieder  ab;  aber  die  deutsche  Mission  wurde  vernichtet.  Es 
scheint,  das  Rastislaw  gleich  im  Beginn  des  Kanii)fes  die  deutschen 
Priester  vertrieb  und  ihnen  auch  fernerhin  den  Zugang  vcrwehile.") 


behaupten  die  deutschen  Bischöfe,  quia  ex  inde  (aus  Baiern)  piimuni  im- 
buti  et  ex  pagania  christiani  sunt  facti.  Et  idcirco  Pataviensis  episcopus 
ciuitatis,  in  cuius  ditione  sunt  illiua  tempore  (?  terrae)  populi,  ab  exordio 
christianitatis  eorum,  quando  voluit  et  debuit,  illuc  nuUo  obstante  intrauit 
et  synodalem  cum  suis  et  etiam  ibi  inucntis  conuentum  fre(juentauit  et 
omnia,  (juae  agenda  sunt,  potenter  egit  et  nullus  ei  in  faciem  restitit. 
Dass  hier  eine  tendentiöse  Übertreibung  vorliegt,  ist  nicht  zweifelhaft; 
ebenso  klar  ist  jedoch,  dass  auch  die  Angabe  der  v.  Meth.  tendentiös 
gcfasst  ist.  Die  geographische  Lage  Mährens  schlicsst  jeden  Zweifel  daran 
aus,  dass  die  ersten  Prediger  des  Christenturas  von  Deutschland  aus 
dorthin  kamen  und  dass  sie,  nicht  Italiener  und  Griechen,  die  Hauptarbeit 
leisteten. 

1)  Vgl.  Dümmler,  OFr.  R.  I  S.  388  f.;  Dudik,  a.  a.  0.  I  S.  131. 

2)  Ann.  Fuld.  z.  d.  J.  855,  858,  863,  865,  866.  869;  Bort.  z.  d.  J.  861, 
866,  871 :  Regin.  chron.  z.  J.  860. 

3)  Er  wurde  zum  Tode  verurteilt,  jedoch  begnadigt,  und  geblendet 
in  ein  Kloster  verwiesen  (Ann.  Fuld.,  Bert.,  Alam.  z.  J.  870,  Xant. 
z.  J.  871). 

4)  Ann.  Fuld.,  Bert.  z.  J.  870  f. 

5)  Ann.  Fuld.  z.  J.  874  Ugl.  Dümmler,  OFr.  R.  II  S.  375). 

6)  Dies  wird  in  der  Denkschrift  Theotmars  behauptet;  dabei  gehört 
es  wieder  zu  den  Übertreibungen  derselben,  dass  sie  von  dem  .\bfall  vom 
Christentum  spricht  (Boczek  S.  61).  Aber  diese  Übertreibung  berechtigt, 
wie  mich  dfinkt,  nicht  dazu,  die  ganze  Nachricht  zu  verwerfen,  da  die  Ver- 
treibung der  deutschon  Priester  an  sich  sehr  wahr.scheinliih  ist.  Viel  wahr- 
scheinlicher als   die  Begründung,    wokhc   die   v.  Meth.  dem  Verlangen  des 


—     697     — 

Ein  Ersatz  fiii'  sie  war  notwendig:  er  fasste  den  Plan,  ihn  in  Kon- 
stantinopel zu  suchen.  Wenn  der  Beschluss,  diesen  Weg  zu  be- 
schreiten, nach  einer  Beratung  mit  Swatopluk  und  den  mähi'ischen 
Grossen  gefasst  wurde, ^)  so  ist  klar,  Avelche  Bedeutung  man  ihm 
zuzuschreiben  hat:  das  mährische  Volk,  im  Kampfe  mit  den  Franken 
begriffen,  suchte  Anlehnung  an  das  giiechische  Eeich.  Zieht  man 
in  Betracht,  dass  die  Sendung  in  dieselbe  Zeit  fällt,-)  in  welcher 


Rastislaw  giebt.  Nach  ihr  beklagt  sich  Rastislaw  über  die  Verschiedenheit 
der  Lehre  bei  den  vielen  griechischen,  italienischen  und  deutschen  Priestern, 
welche  in  Mähren  wirkten,  und  verhingt  deshalb  von  Kaiser  Michael  einen 
Lehrer,  welcher  die  Mähren,  diese  simplices  homines,  die  ganze  Wahrheit 
lehre.  Zu  diesem  Zweck  wird  dann  der  berühmte  Philosoph  Konstantin  zu 
ihm  gesandt  (c.  5  S.  158.)  Hier  ist  die  Behauptung  einer  Lehrverschieden- 
heit zwischen  Deutschen  und  Italienern  sinnlos;  es  könnte  sich  höchstens 
um  Lehrverschiedenheiten  zwischen  Morgenländern  und  Abendländern 
handeln.  Aber  wie  hätte  dann  ein  neuer  griechischer  Lehrer  die  Ent- 
scheidung geben  sollen?  Dazu  bedurfte  es  für  die  Menschen  des  9.  Jahr- 
hunderts des  Ausspruchs  einer  kirchlichen  Autorität.  Während  nun  hier 
über  Überfluss  an  Lehrern  geklagt  wird,  findet  man  in  der  transl.  Clem.  7 
die  Klage  über  Mangel  an  Lehrern;  ihm  abzuhelfen,  soll  der  Kaiser  den 
Philosophen,  von  dessen  grossen  Erfolgen  unter  den  Chazaren  Rastislaw 
gehört  hat,  nach  Mähren  senden.  Woher  der  Mangel  an  Lehrern  stammte, 
wird  nicht  gesagt,  erklärt  sich  aber  aus  der  Behauptung  der  Deutschen: 
Rastislaw  hatte  die  deutschen  Priester  vertrieben  und  suchte  in  Konstanti- 
nopel einen  Ersatz  für  sie.  Der  Satz  Dümmlers  (Archiv  etc.  XIII  S.  167): 
Rastislaw  habe  in  Konstantinopel  einen  Lehrer  verlangt,  „um  das  Wort 
Gottes  in  seiner  Sprache  zu  hören'',  scheint  mir  unbegründet;  nach  der  v. 
Meth.  klagt  der  König:  Neque  habemus  quempiam,  qui  nos  in  veritate  in- 
stituat  et  sensum  scripturae  interpretetur.  Hier  ist  nicht  von  Mangel  an 
slawischer  Unterweisung  die  Rede,  sondern  davon,  dass  die  vielen  Lehrer 
nicht  das  Rechte  lehrten;  slawisch  mussten  auch  sie  reden,  sonst  wären  sie 
überhaupt  nicht  verstanden  worden.  Nach  der  transl.  Clem.  fehlte  es 
überhaupt  an  einem  Lehrer;  qui  ad  legendum  eos  et  ad  perfectam 
legem  ipsam  edoceat.  Auch  hier  wird  der  Nachdruck  auf  den  Inhalt  der 
Lehre  gelegt,  da  es  sich  von  selbst  verstand,  dass  ein  Lehrer  der  Slawen 
slawisch  mit  ihnen  sprach. 

1)  V.  Meth.  5;  V.  Const.  14. 

2)  Über  die  Zeit  der  Sendung  fehlt  es  an  Angaben.  Man  kann  sie 
nur  rückwärts  daraus  erschliessen,  dass  Konstantin  und  Method  Mähren  im 
Spätjahr  867  wieder  verliessen.  Wenn  sie  sich  nach  der  transl.  Clem.  7 
S.  97  vier  und  ein  halbes  Jahr,  nach  der  v.  Meth.  5  S.  159  drei  volle  Jahre, 
nach  der  v.  Const.  5  S.  243  40  Monate  in  Mähren  aufhielten,  so  sind  das 
Widersprüche,  die  sich  nicht  lösen  lassen.  Sie  sind  insofern  ohne  Bedeu- 
tung, als  auch  nach  der  transl.  Clem.  die  Sendung  Rastislaws  in  das  Jahr 
863    fallen    kann.     Damals  verbreitete  Ludwig   das  Gerücht,    er  werde   ge- 


—    fios    — 

111:111  einen  kombinierten  fräukisch-bnlguriselien  Angriff  erwartete,  so 
wird  die  Absicht  vollends  durchsichtig:  weil  die  Bulgaren  sich  nach 
Westen  wandten,  so  wandten  sich  die  Mähren  nach  Osten;  die  Be- 
ziehungen zu  Koustantinopel,  die  man  suchte,  sollten  die  fränkisch- 
bulgarische Verständigung  aufwiegen. 

Jedermann  weiss,  dass  Kaiser  Michael  in  Konstantin  und 
Method  zwei  Männer  nach  Mähren  sandte,  welche  wie  wenig  andere 
fiir  die  Missionsarbeit  geeignet  waren.')  Und  wie  viel  leichter  war 
ilnien  die  Arbeit  gemacht  als  den  deutschen  Priesteni.  Denn  ihnen 
stand  niclit  der  Nationalhass  bei  jedem  Schritte  hindernd  im  Weg. 
Dazu  kam,  dass  sie  als  Orientalen  an  den  Gottesdienst  in  den  natio- 
nalen Sprachen  gewöhnt  waren  und  deshalb  nicht  nur  slawisch 
predigten,  sondern  auch  die  Messe  in  slawischer  Sprache  hielten.-) 
Besonders  das  Letztere  gewann  ihnen  die  Herzen  des  Volkes. 
Die  slawische  Messe  wurde  überall  eingeführt,  die  beiden 
Griechen  waren  die  anerkannten  Leiter  des  mährischen  Kirchen- 

wesens. 

Papst  Nikolaus  I.  befand  sich  damals  in  offenem  Streite  mit 
der  morgenländischen  Kirche.     Im  Jahi-e  8()6  erhess  Photius  seine 


meinsam  mit  den  Bulgaren  Rastislaw  angreifen  (Ann.  Fuld.  z.  .T.  863).  Da- 
durch wurde  Rastislaw  geradezu  genötigt,  Beziehungen  zu  den  Griechen 
zu  Buchen. 

1)  Dem  Inhalt  dieses  Buches  gemäss  sehe  ich  davon  ab,  die  Thätig- 
keit  Konstantins  und  seines  Bruders  darzustellen,  und  beschränke  mich  auf 
die  Verdrängung  der  Deutschen  durch  sie. 

2)  Dass  auch  die  Deutschen  den  Slawen  slawisch  predigten,  folgt  aus 
der  Natur  der  Sache  und  ergiebt  sich  aus  dem  oben  S.  690  über  Adalram 
und  S.  692  über  Swarnagal  Gesagtem.  Auch  die  Thatsache  liefert  einen 
unanfechtbaren  Beweis,  dass  die  slawische  Kirchensprache  Ausdrücke  ent- 
hält, welche  aus  dem  Althochdeutschen  und  dem  Lateinischen  entnommen 
sind.  Das  Verdienst,  darauf  aufmerksam  gemacht  zu  haben,  gebührt 
Dümmler  (Archiv  etc.  S.  170).  Den  Beweis  hat  Miklosich  (Denkschriften 
der  Wiener  Akad.  XXIV  S.  9  ff.)  geliefert.  Ich  finde  nur,  dass  Dümmler 
die  notwendige  Konsequenz  aus  seinem  Satze  zu  ziehen  unterlassen  hat, 
wenn  er  OFr.  R.  II  S.  1^5  mit  Bezug  auf  die  Predigt  der  beiden  Brüder 
sagt:  ,da8  Volk  vernahm  mit  Begierde  die  Lehren  des  Christentums  in 
seiner  eigenen  Sprache."  In  slawischer  Sprache  müssen  sie  ihm  schon 
vorher  verkündigt  wordon  sein.  Das  Neue,  was  die  Griechen  unternahmen, 
war  nicht,  dass  sie  slawisch  predigten,  sondern  dass  sie  die  Liturgie  in 
slawischer  Sprache  hielten  und  die  Bibel  oder  gewisse  Teile  derselben 
übersetzten.  Die  Zuverlässigkeit  der  convers.  Bag.  bewährt  sich  auch  hier, 
wenn  sie  Method  vorwirft,  dass  er  vilescere  fecit  cuncto  populo  ex  parte 
missas  et  evangelia  ecclesiastieumque  officium  illorum,  qui  hoc  latino  cele- 
braverunt  (c.  12  S.  14). 


—     609     — 

berülimte  Enzyklika,  um  die  orientalischen  Patriarchen  zu  einer 
Synode  gegen  Rom  einzuladen.  Unmöglich  konnte  Nikolaus  unter 
diesen  Verhältnissen  dem  Eindringen  von  Griechen  in  eine  abend- 
ländische Ejrche  ruhig  zusehen.  Er  that,  was  er  thun  musste,  und 
forderte  Konstantin  und  Method  nach  Rom.-) 

Sie  folgten  der  Vorladung ;  ihre  Reise  führte  sie  durch  Chozels 
Gebiet.  Der  Fürst  empfing  sie  ehrenvoll  und  sie  wussten  ihn 
während  ihres  Aufenthalts  völlig  zu  gewinnen.  Nicht  nur  impo- 
nierte ihm  die  überlegene  wissenschaftHche  Bildung  Konstantins,'-) 
sondern  besonders  erfi'eute  ihn  die  slawische  Messe.  ^)  Hat  vielleicht 
auch  die  mystische  Frömmigkeit,  als  deren  Vertreter  man  Kon- 
stantin, den  Bewunderer  des  Pseudodionysius,"*)  betrachten  darf,  ihn 
angezogen?  Wie  dem  auch  sei:  Chozel  sprach  den  Wmisch  aus, 
dass  die  Griechen  ihm  Kleriker  für  sein  Land  ausbildeten.'^)  Seine 
Absicht  dabei  kann  nur  auf  die  Einführung  der  slawischen  Litm-gie 
gerichtet  gewesen  sein.  Bald  gingen  seine  Gedanken  weiter.  Wäh- 
rend die  beiden  Brüder  noch  in  Rom  verweilten,  sandte  er  eine 
Botschaft  an  den  Papst,  er  möge  ihm  Method  als  Lehrer  über- 
lassen.'^') 

Nikolaus  war  gestorben,  ehe  die  Mährenmissionare  in  Rom 
eintrafen,  Hadrian  aber  hatte  sich  mit  ihnen  verständigt.  Um  sie 
an  Rom  zu  ketten,  machte  er  ihnen  ein  Zugeständnis,  wüe  es  nie 
ein  Abendländer  erreicht  hätte:  er  gewährte  die  Verwendung  der 
slawischen  Sprache  im  Gottesdienst.  Indem  die  Griechen  in  rö- 
mischen Kirchen  die  slamsche  Messe  hielten,  war  ihre  Berechtigung 
in  der  feierlichsten  Weise  anerkannt.^  Als  nun  Chozels  Aufforde- 
rung in  Rom  eintraf,  trug  Hadrian  kein  Bedenken,  ihr  zu  willfahren. 
Er  hatte  Method  und  drei  seiner  Schüler  ^)  zu  Priestern,  zwei  andere 
zu  Lektoren  geweiht,  und  entliess  sie  nun  nach  Pannonien.  Wie 
man  sieht,  erhielt  Method  keine  kirchHche  Würde:  die  Zugehörig- 
keit Pannoniens  zu  Salzbm-g  war  durch  seine  Sendung  nach  Pan- 
nonien  nicht   beriihrt;    aber  die  Berechtigung  zur  Einführung  der 


1)  V.  Meth.  6  S.  159;  Transl.  Clem.  8  S.  97. 

2)  Aus  ihr  erklärt  sich  der  Beiname   des  Philosophen  für  Konstantin; 
vgl.  auch  V.  Meth.  8  S.  160. 

3)  V.  Meth.  8  S.  160. 

4)  Anast.  ep.  2  ad  Card.  Calv.  Migne  129  S.  741. 

5)  V.  Const.   15  S.  243. 

6)  V.  Meth.  8  S.  159. 

7)  Der  Brief  Hadri ans,  v.  Meth.  8  S.  159,  ist  unecht;  an  der  Thatsache 
der  Anerkennung  besteht  gleichwohl  kein  Zweifel. 

8)  Konstantin  ist  am  14.  Februar  869  in  Rom  gestorben;  man  begrub 
ihn  in  St.  demente. 


—     700     — 

slawisclu'ii  Liturtiio  war  Oliozi'!  thatsäclilirli  erteilt.  W'ciui  er  iiuu, 
naclulem  Metluxl  kaum  bei  ihm  eingetroffen  war,  clensell)en  von 
neuem  iiacli  ]^)m  sandte  und  zugleich  das  vorher  nicht  erliobene 
Verhingen  steHte.  dass  er  zum  Biscliof  geweiht  werde,  so  ist  das 
nur  verständhch,  wenn  die  deutschen  Priester  sofort  gegen  die  Ein- 
führung der  shiwischen  Messe  Eins})ruch  erlioben.  Cliozel  konnte 
nur  dann  hotien,  iliren  AViderstaud  zu  brechen,  wenn  ]\rethod  die 
bischüfhche  Autorität  über  sein  Fürstentum  erhielt.^)  P^rst  jetzt 
also  trat  der  Gedanke  hervor,  Pannonien  aus  dem  Verbände  mit 
Salzburg  zu  lösen.  In  Rom  niusste  man  gegen  ihn  mehr  Bedenken 
haben  als  gegen  die  Ernennung  Methods  zum  Slawenlehrer;  denn 
dass  Salzl)urg  nicht  gutwillig  auf  einen  Teil  seiner  Diözese  ver- 
zichten würde,  war  vorauszusehen.  Wenn  Hadrian  gleichwold  den 
Wiuisch  Chozels  erfüllte,  so  zeigt  das,  für  wie  gross  er  die  Gefahr 
hielt,  dass  sich  Äfethod  an  seine  heimische  Kirche  anschliesse.  Um 
dem  AViderspruch  Salzburgs  zuvorzukommen,  erwählte  er  einen  mehr 
klugen  als  ehrlichen  Ausweg:  er  ernannte  INfethod  nicht  zum  pan- 
nonischen  Biscliof,  sondern  erneuerte  das  alte  sirmische  Erzbistum 
und  übertrug  es  ihm.  Dadurch  war  dem  Anspruch  Salzburgs  ein 
älterer  gegenübergestellt,  ja  Salzburg  war  ins  Unrecht  gesetzt:  es 
hatte  einen  Teil  einer  fremden  Diözese  okkujiiert.") 

Method  kehrte  demnach  als  Erzbischof  von  Sirmium  zu  Cbozel 
zujück.  Jetzt  wurde  die  Annahme  der  slawischen  Litmgie  geboten. 
Der  Archipresbyter  Rihiiald.  der  ihre  Annahme  verweigerte,  sah 
sich  genötigt,  das  Land  zu  verlassen;  er  begab  sich  mich  Salzburg."') 

Dort  konnte  man  unmöglich  sich  schweigend  in  das  Gesche- 
hene fügen.  Denn  liier  handelte  es  sich  nicht  wie  in  ^läliren  um 
gewaltsame  Vertreibung  etlicher  Missionare  während  eines  Krieges; 
sondern  hier  handelte  es  sich  um  einen  seit  beinahe  zwei  «Jahr- 
zchnten  kirchlicli  organisierten  Teil  des  Erzbistums.  Method,  so 
gi'oss  seine  Verdienste  in  Midiren  gewesen  sein  mögen,  ist  von  dem 


1)  Die  V.  Meth.  unterlässt  jede  Motivierung  der  Rücksendnn<j  Methods 
mich  Rom;  dio  transl.  Clem.  spricht  nhorhanjit  nicht  von  ihr,  sondern  lässt 
die  beiden  Brüder  .sogleich  zu  Bischöfen   geweiht  werden  (c.  9  S.  98). 

2)  Nach  V.  Meth.  8  ging  schon  der  Wunsch  Chozels  dahin,  dass  Method 
zum  Bischof  von  Sirmium  geweiht  werde.  Ks  ist  jedoch  viel  wahrschein- 
licher, dass  man  in  Rom  auf  den  Gedanken  kam,  ein  altes  Bistum  zu  er- 
neuern, als  dass  der  slawi.Mche  Filr.^t  ihn  hatte,  der  schwerlich  etwas  von 
den  altkirchlichen  Bistümern  an  der  unteren  Donau  wusste.  Auch  darin 
ist  die  V.  Meth.  ungenau,  dass  sie  die  Weihe  Methods  zum  Krzbischof  nicht 
erwähnt.  Sie  ist  genau  genommen  dio  einzige  sicher  bezeugte  Thatsache 
(Schreiben  .Johanns  VIII.,  J.W.  3267). 

3)  Conv.  Bagoar.  12  S.  14. 


—     701     — 

Vorwurf  nicht  freizusprechen,  als  EindringKng  fremdes  Gebiet  an 
sich  gerissen  zu  haben. 

Erzbischof  Adalwin  handelte  im  Bewusstsein  seines  guten 
Rechtes,  indem  er  Method  vor  eine  Synode  der  bairischen  Geist- 
lichkeit lud.')  Chozel,  vom  Reiche  abhängig,  konnte  das  um  so 
weniger  hindern,  als  König  Ludwig  unzweideutig  Partei  für  Salz- 
burg ergriff.  In  seiner  Anwesenheit  fand  die  Synode  wahrschein- 
hch  gegen  Ende  des  Jahres  870  statt. ^) 

Es  kam  zu  heftigen  Auseinandersetzungen.  Der  Ingrimm  der 
Baiera  gegen  alles  Slawische  trat  ganz  unverhohlen  an  den  Tag. 
Besonders  Bischof  Ermanrich,  der  ja  auch  über  den  Raub  seines 
Missionssprengeis  zu  klagen  hatte,  liess  seiner  Heftigkeit  die  Zügel 
schiessen:  er  ging  mit  der  Reitpeitsche  auf  Method  los  und  hätte 
ihn  geschlagen,  wenn  ihm  nicht  andere  in  den  Arm  gefallen  wären.  ^) 
Umgekehrt  reizte  Method  seine  Gegner  dm-ch  den  spöttischen  Hoch- 


1)  Bretholz  hat  in  den  Mitth.  f.  Ost.  Gesch.F.  XYI  S.  342  f.,  der  bis- 
herigen Anschauung  entgegentretend,  die  Ansicht  entwickelt,  es  habe  sich 
vielmehr  um  eine  i.  J.  870  in  Mähren  nach  dem  Sturze  Rastislaws  in  Gegen- 
wart Swatopluks  abgehaltene  Disputation  gehandelt;  Swa,topluk  habe  Method 
den  Deutschen  ausgeliefert.  Die  Annahme  scheitert,  wie  mich  dünkt,  an 
der  Verteidigung  Methods,  die  zum  Angriff  auf  die  Deutschen  wird,  dass 
sie  die  alten  Grenzen  gegen  die  göttlichen  Gesetze  überschreiten.  Das  kann 
sich  nur  auf  Pannonien,  nicht  aber  auf  Mähren  beziehen. 

2)  V.  Meth.  9  S.  160  f.  Die  Annahme  des  Jahres  870  gründet  sich 
darauf,  dass  die  conversio  Bagoariorum  75  Jahre  nach  der  Überweisung 
Pannoniens  an  Salzburg  geschrieben  ist  (c.  14  S.  14).  Bezieht  man  diese 
Angabe  auf  die  Übertragung  durch  Pippin  i.  J.  796  (c.  6  S.  97,  vgl.  oben 
S.  465),  so  kommt  man  auf  871  als  Abfassungszeit  dieser  Denkschrift.  Dar- 
nach ist  anzunehmen,  dass  Method  870  als  Erzbischof  in  Pannonien  zu 
schalten  begann.  Da  die  Denkschrift  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  für 
den  Papst  bestimmt  war,  so  ist  sie  durch  die  Appellation  Methods  veran- 
lasst. Demnach  muss  die  Synode  einige  Zeit  vor  ihrer  Abfassung  abgehalten 
worden  sein;  also  wahrscheinlich  im  Spätjahr  870.  Dümmler  (OFr.  R.  II 
S.  377)  erinnert,  dass  Ludwig  d.  D.  damals  eine  Reichsversammlung  zu 
Regensburg  hielt.  Strakosch-Grassmann,  der  auf  die  von  der  Seinen  ab- 
weichende Chronologie  „nichts  giebt"  S.  490,  hat  sich  den  Beweis  für  die  Seine 
sehr  leicht  gemacht,  indem  er  auf  J.W.  2976  und  die  dort  vorkommende 
Bezeichnung  des  Methodius  als  episcopus  verweist.  Denn  er  hätte  den  Brief 
nur  zu  Ende  lesen  müssen,  um  zu  finden,  dass  M.  in  ihm  mit  aller  wün- 
schenswerten Deutlichkeit  als  Erzbischof  bezeichnet  wird:  cum  inter  archi- 
episcopos  causa  versetur.  Ein  ebenso  schlimmer  Lapsus  ist  sein  zweiter 
Beweis,  die  Stelle  v.  Clem.  2.  Denn  Eparchie  bedeutet  ja  eben  den  Metro- 
politansprengel. 

3)  Brief  Johanns  VIII.  (J.W.  2977). 


—     702     — 

nnit.  mit  dem  er  sie  nls  Idioten  behandelte.^)  Die  Hauptsache 
■war  doch,  dass  die  gegenseitii^e  Rechtsauschauung  sich  ausschloss. 
Die  Deutschen  machten  Method  zum  ^'orwurf,  dass  er  in  ein 
fremdes  Gebiet  eingedrungen  sei:  sie  gingen  davon  aus,  dass  Pan- 
nonien  zweifellos  einen  Teil  der  Salzburger  Diözese  bildete.  Method 
leugnete  nicht,  dass  das  Eindringen  in  einen  fremden  Sprengel  ver- 
werflich sei,  aber  er  leugnete,  dass  dieser  Vorwurf  ihn  treffe:  Pau- 
nonien  gehöre  nicht  zur  Diözese  Salzburg;  es  hänge  von  Rom  ab; 
nur  aus  Ehrgeiz  hätten  die  Salzburger  die  alten  Grenzen  ihrer 
Diözese  ül)erschritten.-)  Eine  Verständigung  war  unmöglich;  die 
Entscheidung  der  Synode  konnte  nicht  zweifelhaft  sein,  Method 
wurde  in  aller  Form  abgesetzt  und  nach  Deutschland  verwiesen. '^) 
AVahi-scheiidich  als  Gefangener  eines  Freisinger  Klosters  lebte  er 
dort  zwei  und  ein  halbes  Jahr.^) 

Natürlich  appellierte  er  nach  Rom.  Dorthin  wandte  sich 
auch  Adalwin.'')  Er  wird  jene  Denkschrift  vorgelegt  haben,  aus 
Avelcher  wir  den  grössteu  Teil  unserer  Kunde  von  den  Anfängen 
des  Erzbistums  schöpfeji.  Eine  leidenschaftslose  Darlegung  des 
Sachverhalts,  welche  das  Recht  Salzburgs  zu  beweisen  wohl  ge- 
eignet war:  sie  wies  überzeugend  nach,  dass  die  Kirche  in  Pan- 
nonien  eine  Frucht  der  langjährigen  Arbeit  der  Salzburger  Bischöfe 
und  Priester  sei.  Auch  König  Ludwig  richtete  eine  Voi-stellung 
an  l'ai)st  Johaim  VIII.  Es  scheint,  dass  er  der  von  ]\Iethod  auf- 
gestellten Behaui)tung  gegenüber,  Pannonien  gehöre  dem  heiligen 
Peti-us,  daran  eriiuierte,  dass  von  Rom  für  die  Bekehning  des 
Landes  nicht  das  Geringste  geschehen  sei.")  Dass  Karl  d.  Gr. 
dass  Land  an  Salzburg  überwiesen  hatte,  daran  gedachte  sein  Enkel 

1)  V.  Meth.  9  S.  160. 

2)  L.  c. 

3)  Die  V.  Meth.  verschweigt  die  Absetzung:  dagegen  wird  sie  von 
.Tohann  VIII.  erwähnt  (J.W.  2975). 

4)  Die  V.  Meth.  sagt  nur:  Miserunt  in  Suevos  et  dotinebant  annos 
duos  et  dimidinni.  An  ein  Froisinger  Klo.stcr  zu  denken  voranla.'^.st  Johanne 
Schreiben  an  Bischof  Anno  (J.W.  2979).  Nach  demselben  suchte  Anno 
Methods  Appellation  nach  Rom  zu  verhindern:  Petente  illo  .  .  ipsiuB  snncte 
Romane  sedis  iudicium  concedi  minime  permisisti,  sed  in  eum  cum  sequa- 
cibus  tuis  et  sociis  quasi  sententiam  pertulisti  et  a  divinis  celebrandis 
officiis  illum  sequnstrans  carceri  mancipasti. 

.5)  In  der  Instruktion  für  Paul  von  Ancona  (J.W.  2976)  spricht  Johann 
von  wiederholten  Appellationen. 

fi)  Ergiebt  sich  aus  dem  Bruchstück  eines  päpstlichen  Schreibens  an 
den  König  (J.W.  2970)  und  aus  der  Instruktion  für  Paul  von  Ancona  (Nr.  1 
und  2). 


—     703     — 

nicht  mehr:^)  so  vollständig  waren  die  Rechte  vergessen,  welche 
der  König  einstmals  in  den  kirchlichen  Angelegenheiten  geübt 
hatte. 

Johann  VIII.  zweifelte  keinen  Moment,  dass  er  bei  der  An- 
ordnung seines  Vorgängers  zu  beharren  habe.  Dem  König  erwiderte 
er,  nur  durch  die  kriegerischen  Unruhen  in  Itahen  seien  die  Päpste 
längere  Zeit  verhindert  worden,  Bischöfe  nach  Pannonien  zu  senden. 
Niemand  aber  könne  daraus  gegen  die  Rechte  Roms  irgend  etwas 
folgern;  denn  die  römischen  Rechte  seien  unverjährbar.-)  Erz- 
bischof Adalwin  aber  gebot  er,  Methodius  sofort  in  sein  Amt  wieder 
einzusetzen.")  Er  sandte,  um  die  Sache  zu  betreiben,  den  Bischof 
Paul  von  Ancona  als  Legaten  nach  Deutschland.  Derselbe  hatte 
den  Auftrag,  eine  Synode  der  bairischen  Bischöfe  abzuhalten;  auf 
dersellien  sollte  jedoch  keine  Untersuchung  über  die  Diözesan grenzen 
stattfinden,  sondern  es  sollte  nur  die  Wiedereinsetzung  Methods 
vorgenommen  werden.  Erst  wenn  die  letztere  erfolgt  sei,  könne 
man  an  die  erstere  denken;  sie  müsse  jedoch  in  Rom  stattfinden. 
Ermanrich  von  Passau  wurde  nach  Rom  vorgeladen,  um  sich  dort 
wegen  seines  Verfahrens  gegen  Method  zu  verantworten,  und  bis 
zu  seinem  Erscheinen  exkommuniziert.  Auch  Anno  von  Freising 
wurde  unter  der  Drohung  der  Exkommimikation  nach  Rom  be- 
rufen. 

Es  ist  nicht  bekannt,  ob  Paul  die  angekündigte  Synode  ab- 
hielt. Sicher  ist  jedoch,  dass  die  deutschen  Bischöfe  sich  fügten. 
Method  wurde  freigegeben.  Wie  in  Pannonien,*)  so  wurde  nun 
auch  in  Mähren  seine  erzbischöfhche  Autorität  anerkannt.  Dort- 
hin waren  vielleicht  im  Jahre  870  deutsche  Priester  zurückgekehrt; 
sie  wurden  jetzt  von  neuem  verjagt,  Swatopluk  übergab  Method 
das  ganze  Kirchenwesen.  ■^)  Das  pannonische  und  das  mährische 
Missionsgebiet    waren    für    Deutschland    verloren;    auch    Böhmen 


1)  Das  ist  um  so  auffälliger,  als  die  Salzburger  Denkschrift  die  That- 
saclie  nicht  nur  erwähnt,  sondern  am  Schluss  noch  eigens  hervorhebt:  A 
tempore,  quo  dato  et  praecepto  domni  Karoli  imperatoris  orientalis  Pan- 
noniae  populus  a  Juvavensibus  regi  coepit  praesulibus,  etc.  (c.  14  S.  14). 

2)  J.W.  2970. 

3)  L.  c.  2975. 

4)  Chozels  Fürstentum  kam  nach  seinem  Tode  wieder  unter  die  Ver- 
waltung deutscher  Grafen  (Dümmler,  OFr.  R.  II  S.  382).  Damit  wird  es 
zusammenhängen,  dass  Theotmar  von  Salzburg  wieder  Amtshandlungen  in 
diesem  Gebiet  verrichtete  (Äuct.  Garst,  z.  J.  874  M.G.  Scr.  IX  S.  565:  Ein- 
weihung der  Kirche  in  Pettau). 

5)  V.  Meth.  40  S.  161.  Paul  von  Ancona  war  beauftragt,  mit  Method 
zu  Swatopluk  zu  gehen  (J.W.  2976  Nr.  5). 


—     704     — 

scliloss   sich,    so   weit   von  Cliiistontiiin  in  rliosoni  Jjando  die  Rede 
sein  kann,  an  die  mährische  Iviichc  an.') 

Dieses  Kesnltat  wurde  durch  die  Schwierigkeiten,  mit  welchen 
INfethod  zu  lingen  liatte,  nicht  geändert.  Auch  dass  Swatopluk 
selbst  schhesshcli  den  nationalen  Charakter  der  mährischen  Kirche 
wieder  zerstörte,  brachte  keinen  AVandel  hervor.  Denn  Mähren 
bheb  der  deutschen  Kirche  gegeniilu'r  verschlossen.  Vergeblic;!!  er- 
hob Erzbischof  Theotmar  von  Salzl)urg  energischen  Einspruch,  als 
Johann  YIII.  im  Jahre  900  neue  Ordinationen  für  Mähren  vor- 
nahm.-) Die  Zerstörung  des  mährischen  Keichs  durch  die  Ungarn^) 
um  das  Jahr  !)0()  machte  vollends  jedem  Gedanken  an  die  Wieder- 
einnahme des  verlorenen  kirchlichen  Gebiets  ein  Ende:  die  kirch- 
lichen Grenzen  Passaus  und  Salzburgs  wurden  wieder  bis  an  die 
Enns  und  den  Abhang  der  Alpen  zurückgeschoben.  Die  deutsche 
Kirche  hatte  im  Beginne  des  zehnten  Jahrhunderts  nicht  einmal 
mehr  das  Gebiet  inne.  welches  sie  unter  Karl  d.  Gr.  besetzt  hatte. 


1)  Ann.  Pra^.  z.  J.  894  (Font.  rer.  Boliom.  II  S.  376):  Hoc  anno  bap- 
tizatus  est  Borivoi,  primus  christianus  in  Bocmia,  cum  uxore  sua  Ludmila. 
Cosm.,  chron.  Boem.  I,  10  (l.  c.  S.  18)  erwähnt  dio  Taufe  a  Methodio  epi- 
scopo  in  Moravia. 

2)  Boczek,  Cod.  dipl.  Mor.  I  S.  60  ff.  Nr.  Ol  und  92.  Die  Eingal.o 
Theotiuars  ist  von  dem  gesamten  bairischen  Ejiiscopat,  den  Bischöfen  Waldo 
von  Freising,  Erchenpahl  von  Kichstädt,  Zacharia.s  von  Sebon,  Tuto  von 
Hegensburg  und  Kicliar  von  Passau  unterzeichnet. 

3)  S.  Dümmler,  OFr.  I(.   III  S.  533  f. 


Fünftes  Kapitel. 

Ergebnisse. 


Der  Niederschlag  der  Thaten  und  Ereignisse  sind  die  Zustände. 
Nach  ihnen  muss  man  deshalb  forscheu,  wenn  man  die  Ergebnisse 
der  Arbeit  einer  geschichthchen  Epoche  erkennen  will.  Stellen  wir 
die  Frage  nach  den  religiösen  Zuständen  des  neimten  und  beson- 
ders des  ausgehenden  neunten  Jahrhunderts,  und  suchen  wir  dabei 
ebensowohl  die  Kräfte  gesunden  Lebens,  die  wirksam  waren,  als 
die  krankhaften  geistigen  Strömungen,  die  nicht  fehlten,  zu  er- 
kennen ! 

Prinzipieller  Widerspruch  gegen  die  cln-isthche  Lehre  und  un- 
verhohlene FrivoKtät  war  der  Zeit  fremd.  Wenn  von  dem  Abte 
Hucbert,  dem  Bruder  der  Königm  Thietberga,  erzählt  -^vird,  dass 
er  über  das  evangehsche  Wort:  Wer  sich  selbst  erniediigt,  wird 
erhöhet  werden,  spottete,*)  so  steht  das  ganz  vereinzelt  da.  Fehlte 
es  nicht  an  solchen,  die  sich  in  religiöser  Hinsicht  ziemlich  gleich- 
giltig  verhielten,-)  so  lag  darin  doch  keine  Feindsehgkeit  gegen  das 
Christentum  oder  die  Religion  überhaupt.     Ein  Satz,  den  Christian 

1)  Gest.  abb.  Lob.  12  (M.G.  Scr.  IV  S.  60). 

2)  Vgl.  die  Schilderung,  die  Hraban  von  dem  Leben  Gleichgiltiger 
entwirft  (de  eccles.  discipl.  EI,  opp.  VI  S.  1252):  Qualis  ille  est  Christia- 
nus qui  cum  mane  a  lecto  ebrietatis  suae  surrexerit,  non  aliquo  operi  utili 
insistit,  non  ad  ecclesiam  orationis  causa  vadit,  non  ad  audiendum  verbum 
Dei  concurrit,  non  eleemosynas  agere  satagit,  non  infirmos  visitare  vel  ca- 
lumniam  patientibus  subvenire  contendit,  sed  aut  in  venatum  foras  pergit, 
aut  domi  lites  et  contentiones  excitat  aut  aleae  vel  fabulis  et  iocis  se  inu- 
tilibus  impendit,  donec  edulium  suum  a  servis  laborantibus  praeparatur. 

Hauck,  Kirchengeschichte.   II.    2.  Aufl.  45 


—     70(1     — 

von  8t;il)l()  oinnial  ;uissi)ncht.  cliarakterisiert  die  Zeit.  Kr  sagt: 
Niemand  kann  Gott  hassen.')  Feindseliger  Unglaube  gehörte  tur 
die  Mensclien  des  neunten  Jahrhunderts  zu  dem  Unvoi-stellharen. 
Auch  war  di(>  Zahl  der  Gleichgiltigen  verhältnismässig  nicht  gross. 
AVenn  die  Pariser  Synode  von  829  tadelnd  erwähnt,  dass  manche 
Gemeindeglieder  nur  selten  zur  Ejrche  kämen,  so  spricht  sie  zu- 
gleich aus,  dass  die  meisten  die  Gotteshäuser  sehr  häufig  besuchten.-) 
Otfi-id  von  Weissenburg  aber  schildert  die  Franken  als  gottes- 
fiirchtiges  Volk:  alles,  was  sie  denken,  wirken  sie  mit  Gott;  sie 
unteniehmen  nichts  ohne  seinen  Kat;  sie  sind  tieissig  sein  Wort 
zu  lernen,  zu  singen,  zu  erfüllen.*'^) 

Allein,  wenn  der  Glaube  nirgends  auf  grundsätzlichen  Wider- 
spnich  stiess  —  selbst  den  abgeschwächten  Gegensatz:  Gläul)igk(Mt 
und  Aufklärung  kennt  diese  Zeit  nicht  — ,  so  fehlte  doch  viel 
daran,  dass  er  das  Verhalten  beherrscht  hätte.  Dass  einzelne  Ver- 
brechen und  Unthaten  vorkamen,  ist  natürlich  kein  Beweis  liiefür, 
wohl  aber  dass  in  mancher  Hinsicht  die  Durchschnittssittlichkeit 
aut^allend  gering  war.  Am  schlimmsten  stand  es  wahrscheinlich 
in  Bezug  auf  die  Keuschheit.  Hraban  urteilte,  dass  es  wenige 
(Christen  gäbe,  die  von  Fleischessünden  unbefleckt  seien.*)  Von 
andeni  wurde  dieselbe  Ansicht  in  der  schärfsten  Form  ausge- 
sprochen."') Erzätilungen  wie  die  von  dem  Klosterschüler  Salomo, 
dem  spätem  Bischof  von  Konstanz,  der  die  Gastfreundschaft,  die 
er  genoss,  damit  lohnte,  dass  er  die  Tochter  seines  AV'irtes  ver- 
führte,") und  Beschlüsse  w'ie  der  der  Mainzer  Synode  vom  Jahre  S52. 
welcher  Konkubinate  gewissermassen  kirchlich  legitimierte,')  verwehren, 

1)  Expos,  in  Matth.   IH  Migne  106  S.  1317. 

2)  II,  11  (Mansi  XIV  S.  588). 

3)  Krist  I,  1  V.  105  ff.  S.  26;  vgl.  v.  111  f.:  Sio  eint  gnate  thegana, 
oiih  gote  thiononte  alle. 

4)  De  mod    poenit.  8  (opp.  VI  S.   1315). 

5)  Gutachten  der  Minorität  aiif  der  Synode  zu  .Vachon  H62  (h.  o. 
S.  548  Anm.  10):  Si  quaecunquo  comniittuntur  ante  nuptias,  postquam  nup- 
tum  fuerit,  in  crimine  detineantur,  licentia  non  modica  tribuitur  et  viro  et 
mulieri  solvendi  coniugium.  Ut  de  mulieribus  taceam,  rarus  aut  nuUua  est 
vir  qui  cum  uxore  virgo  conveniat.  Vgl.  da.s  Rätsel  de  castanea:  Millibus 
in  multig  vix  postea  cemitur  una  («c.  lasta).  Poet.  lat.  1  S.  22  Nr.  7;  Jon. 
de  instit.  laic.  II,  2  S.  170  f.  L>ie  schlimmsten  Verirrungen  der  Sinnlichkeit 
tadelt  die  Pariser  Synode  von  829  (III,  2  S.  595),  womit  zu  vergleichen  vis. 
Wett.  6  S.  270  und  24  S.  274. 

6)  Ekkeh.  cas.  s.  Gall.  1  S.  92. 

T)  C.  15  (M.G.  Cap.  II  S.  190  Nr.  249):  Is  qui  non  habet  uxorem,  et 
pro  axore  concubinam  habet,  a  communione  non  pellatur,  tan  tum  aut  unius. 


—     707     — 

dass  man  solche  Urteile  für  übertrieben  halten  kann.  Überdies 
lassen  die  Biissbücher  dieser  Zeit  einen  unaussprechlichen  Abgnmd 
von  Gemeinheit  ahnen.  Besonders  schlimm  war  der  Stand  der 
Sitthchkeit  in  manchen  Nonnenklöstern:  sie  waren  geradezu  Stätten 
der  Unzucht.^)  Ebenso  wird  die  Unmässigkeit  als  ein  allgemein 
heiTschendes  Laster  bezeichnet.-)  Man  wird  sich  kaum  dai'über 
wundern.  Aber  darüber  wundert  man  sich,  dass  der  Selbstmord 
verhältnismässig  häufig  gewesen  zu  sein  scheint.^)  Die  leidenschaft- 
Hche  Gewaltthätigkeit  des  deutschen  Wesens  durchbrach  auch  jetzt 
noch  oft  genug  die  Schranken  des  Eechts.  Es  wäre  leicht,  eine 
Menge  Thaten  aufzuzählen,  welche  an  die  Zustände  der  Mero- 
wingerzeit  erinnern.  Priester,  welche  in  der  Handhabung  der 
Kirchenzucht  ihre  Pflicht  thaten,  zogen  sich  nicht  selten  den  giim- 
raigsten  Hass  der  dadurch  Betroffenen  zu.^)  Wie  übel  hat  man 
dem  ai'men  Folkard  in  Metz'^)  und  einem  der  Priester  Arns  von 
Würzburg  *^)  mitgespielt.     Auch   die  rücksichtslose  Eintreibung  der 


mulieris  aut  uxoris  aut  concubinae,  ut  ei  placuerit,  sit  coniunctione  con- 
tentus.  Die  Bestimmung  ist  der  1.  Synode  von  Toledo  c.  17  (Bruns  S.  206) 
entnommen. 

1)  Conc.  Aquisgr.  (a.  836)  II,  2  c.  12  (Mansi  XIV  S.  682):  Quae  (mo- 
nasteria  puellarum)  in  quibusdam  locis  lupanaria  potius  videntur  esse  quam 
monasteria;  vgl.  conc.  Paris  (a.  829)  I,  c.  43  S.  564)  und  Hraban  an  Hum- 
bert (Ep.  Fuld.  fragm.  19  S.  525).  Über  Unzucht  der  Kleriker  conc.  Aquisgr. 
II,  2  c.  7  S.  681. 

2)  Theodulf.  cap.  13  S.  195;  27  S.  199;  Episc.  relat.  ad  Hlud.  -54  (a.  829) 
M.6.  Cap.  II  S.  45:  Sunt  et  alia  detestanda  vitia,  quae  ita  habentur  quasi 
naturaliter  in  usu,  ut  ea  perpetrantes,  quanti  sint  criminis,  non  advertant. 
Sicut  sunt  ea,  quae  apostolus  aperte  enumerat,  i.  e.  ebrietates,  comessa- 
tiones  etc. 

3)  Christ,  expos.  in  Matth.  43  (Migne  106,  1416):  Non  solum  apud 
Deum  eiusque  Christianos  exsecrabile  malum  est  sibi  inicere  manus,  verum 
et  apud  antiquos  paganos  ita  exosum,  ut  manus '  quae  hoc  perpetrasset 
communi  sepultura  cum  corpore  careret.  Sed  quod  dici  dolor  est,  adhuc 
hodie  nomine  tenus  Christiani  hoc  faciunt.  Daraus  erklärt^  sich  wohl  der 
Nachdruck,  mit  dem  Hraban  gegen  die  Verzweifelung  spricht  (de  mod. 
poen.  4  ff.  opp.  VI  S.  1306  ff.). 

4)  Vgl.  die  Klagen  Liutberts  von  Mainz:  Si  quando  .  .  criminibus 
publicis  .  .  resistere  et  eis  cum  adiutorio  coepiscoporum  nostrorum  finem 
vel  modum  imponere  conamur,  potentiores  quilibet  .  .  quasi  fera  bestia  vitam 
nostram  lacerare  et  omni  auctoritate  indignam  .  .  garrire  consueverunt; 
adicientes  insuper  et  comminantes,  apud  vos  (d.  Papst)  de  nobis  se  vindi- 
caturos  et  de  gradu  episcopali  deposituros  (ep.  Mog.  HS.  332  f.). 

5)  Conc.  Mett.  (a.  888)  c.  10  Mansi  XVHI  S.  80. 

6)  Conc.  Mogunt.  (a.  888)  c.  8  Mansi  XVIII  S.  66,  vgl.  c.  7.  Ein 
drittes  Beispiel  conc.  Trib.  (a.  895)  c.  2,  Cap.  II  S.  214. 

45* 


—     TOS     — 

Zehnten  machte  da.  und  dort  böses  Bhit.*)  Nicht  minder  rief  die 
steigende  Macht  der  Bischöfe  und  Äbte  die  Eifersucht  der  welt- 
hchen  Grossen  wach.-)  Mancher  kirchhche  Würdenträger  hatte 
darunter  zu  leiden/')  Freihch  waren  die  Kleriker  nicht  immer 
besser  als  die  Laien. ^) 

Solcht>    Ei-scheinungen    geben    einen   Massstab    zur  Schätzung 
der  iülgemeiuen  Sittlichkeit.    Das  Urteil,  dass  sie  in  mancher  Hin- 
sicht nicht  hoch  stand,  ist  ohne  Zweifel  begründet.    Allein  für  sich 
allein    sagt    es    nichts.     Man   muss   die  sittlichen  Zustände  an  der 
Vergangenheit  messen:   und  vergleicht  man  nun  die  Zustände  um 
das  Jahr  900  mit  denen  um  das  Jahr  700.   so  ist  der  Foitschritt 
nicht    zu    verkennen.^)     Die    Hauptsache    ist,    dass    in    der   letzten 
Merowingerzeit  die  Kirche  ihren  sittigenden  Einfluss  auf  das  Volk 
beinahe  völlig   eingebüsst  hatte,    während   das  jetzt  nicht  der  Fall 
war.    Überall  trat  die  bleibende  Frucht  des  Wirkens  des  Bonifatius 
und  der  Thätigkeit  Pippins  und  Karls  an  den  Tag.    Im  Schwanken 
der  politischen  Verhältnisse  wurde  die  kirchliche  Organisation  nicht 
wieder  erschüttert,  ja  sie  erhielt  nun  erst  ilu-e  volle  Durchbildung. 
Zwar   darin  trat   kein  Wandel  ein,    dass  die  Bischöfe  als  die 
geistliche    Aristokratie   in    allen    Angelegenheiten    des    Reichs    der 
weltlichen    Aristokratie    zur    Seite    standen.")      Im    Gegent^nl,    im 
neunten  Jahrhundert  wurden  die  Grundlagen    gelegt,    auf  welchen 
sich    alsbald    die    fürstliche    Macht    der    Bischöfe    erheben    sollte.*) 
Wenn    Karl   d.  Gr.    sie    für    die   Staatsgeschäfte    nicht    entl)ehren 
konnte,  so  wurden  sie  unter  Ludwig  d.  Fr.  vollends  in  die  ])olitische 
Parteiung    verflochten.     Der   Tadel,    den    die    welthchc    Thätigkeit 


1)  Die  Klaj?en  des  Erzpriesters  Hadubnind  über  den  üblen  Willen 
seiner  Gemeinden  mögen  begründet  gewesen  sein.  Aber  Hrabans  Ermah- 
nungen zeigen,  dass  ein  grosser  Teü  der  Schuld  auf  ihn  fiel,  Ep.  Fuld. 
fragm.  16  S.  521  f. 

2)  Vgl.  Dümmler,  OFr.  R.  III  S.  639. 

3)  Conc.  Mog.  (a.  847)  praef.  Cap.  II  8.  174,  Regin.  chron.  z.  .1.  895 
S.  606.  Einzelne  Fälle:  Gonc.  .\lth.  (a.  916)  c.  31  M.G.  Leg.  II  S.  559.  Regin. 
chron.  z.  J.  903  S.  610. 

4)  Vgl.  ep.  Mog.  7  S.  325;   Nicol.  I  an  den  Chorbischof  Osbald  (J.W. 

2854). 

5)  Nicht  ohne  Wort  ist  da«  Urteil  Salomos  II.  von  Kon.stanz,  der, 
nachdem  er  einen  Teil  seiner  Diözese  visitiert  hatte,  schreiben  konnte,  er 
habe  nicht  gerade  viel  Schlechtes  gefunden  (Form.  Sangall.  38  S.  420). 

6)  Charakteristisch  hiefür  ist  die  Urkunde  Karls  d.  D.  für  Langrea 
vom  15.  .lanuar  887  (B.M.  1694),  wo  es  heisst:  Ob  deprecationom  Liuthardi 
ven.     Vercellensis  episcopi  aliorumque  nostrorum  principum. 

1)  Hierüber  im  nächsten  Buch. 


—     709     — 

der  Bischöfe  fand,^)  verhallte  fruchtlos.  Bald  hatte  man  nicht  nur 
über  ihre  Teilnahme  an  Eegieruugshandlmigen  zu  klagen;  wie  in 
der  Merowingerzeit  zogen  sie  wieder  zu  Feld;  sie  erscheinen  nicht 
selten  als  Heerführer.  Im  Jahre  871  leitete  Am  von  Würzburg 
neben  dem  Grafen  Ruodolt  einen  Feldzug  gegen  die  Tschechen.  Im 
Jahre  darauf  führte  er  Karhnann  ein  Hilfsheer  zu;  im  Jahi'e  884 
zog  er  gegen  die  Normannen.-)  Ebenso  kriegerisch  war  sein  Nach- 
bar, Erzbischof  Liutbert  von  Mainz:  auch  er  lag  bald  gegen  die 
Wenden,  bald  gegen  die  Normannen  zu  Felde.  ^)  Während  im 
Jahre  840  dem  Bischof  Aldrich  von  Le  Mans  von  Ludwig  d.  Fr. 
die  Erlaubnis  erteilt  wurde,  einen  Okonomus  zu  bestellen,  der  an 
seiner  Statt  die  bischöflichen  Vasallen  im  Felde  führte,^)  bat  dreissig 
Jahre  später  Franko  von  Lüttich  den  Papst,  er  möge  zAvei  Klerikern 
seiner  Diözese  die  bischöfliche  Ordination  erteilen,  da  er  durch 
seine  vielfachen  Kriegszüge  an  der  ^Ausrichtung  seines  Amts  ge- 
hindert sei.'')  Das  waren  nicht  Ausnahmen,  sondern  so  stand  es 
überall.  Karl  d.  D.  verpflichtete  geradezu  Bischöfe.  Abte  und 
Grafen  zum  Schutze  des  Eeichs  gegen  die  Normannen.*^)  Zwischen 
den  Jahren  886  und  908  sind  zehn  deutsche  Bischöfe  auf  dem 
Schlachtfeld  gefallen.')  Wenn  man  den  ganzen  Umschwung,  der 
im  Lauf  eines  Jahrhunderts  in  Bezug  auf  die  Stellung  der  Bischöfe 
eintrat,  sich  vergegenwärtigen  will,  so  muss  man  Männer  wie  Hatto 
von  Mainz '^)  und  Salomo  III.  von  Konstanz  mit  Männern  wie 
Anskar  und  Liudger  vergleichen.  Während  die  Thätigkeit  der 
letzteren  in  der  Ausrichtung  ihres  kirchlichen  Benüs  aufging,  hat 
von  den  ersteren  die  Kirchengeschichte  wenig,  die  Beichsgeschichte 
um  so  mehr  zu  berichten. 

Gleichwohl  wiu-de  der  Episkopat  nicht  wieder  zu  dem,  Avas  er 
unter  Karl  Martell  gewesen  war.  Denn  die  Bischöfe  des  neunten 
Jahrhunderts  verloren  die  geistliche  Seite  ihi^es  Amtes  nicht  aus  dem 


1)  Z.  B.  V.  Wal.  II,  3  S.  549,  über  Hraban  s.  o.  S.  622. 

2)  Ann.  Tuld.  z.  dd.  aa.  JJ.  S.  384  ff. 

3)  L.  c.  z.  d.  J.  872,  874,  883. 

4)  Urkunde  Ludwigs  d.  Fr.  vom  15.  Februar  840  (B.M.  971):  Quod 
multa  ex  bis,  quae  in  sua  parochia  agere  debebat  .  .  ,  propterea  quod  iam 
assidue  in  nostro  servitio  .  .  commorabatur,  neglecta  erant,  tarn  in  pi-aedi- 
catione  seu  conErmatione  atque  doctrina  quam  et  in  restaui-atione  eccle- 
siarum  vel  pravorum  hominutn  correctione. 

5)  Ann.  Lobiens.  z.  J.  870  S.  195. 

6)  Ann.  Fuld.  z.  J.  884  S.  399. 

7)  Dümmler,  OFr.  R.  lü  S.  639  Anni.  1. 

8)  Regino  an  Hatto  (de  synod.  caus.  praef.  S.  1):  Vestra  sapientiae 
supereminens  celsitudo  in  disponendis  rebus  publicis  assidue  versatur. 


—     710     — 

Auge.  Das  beweisen  vor  allem  die  Kouzilieu  dieser  Zeit.  Seitdem 
die  kirchlichen  Angelegenheiten  nicht  mehr  so  unmittelbar  von  den 
Füisten  geleitet  wurden,  wie  unter  Karl  d.  Gr.  und  zum  Teil  noch 
unter  Ludwig  d.  Fr./)  kamen  rein  kirchliche  Versamnduugen  wieder 
häutiger  vor.     Sie  waren  weit  davon  entfernt,   sich  in  irgend  einer 


'o 


Hinsicht  in  Gegensatz  zu  den  Königen  zu  stellen.  Aber  es  ist 
doch  deutlich,  dass  das  stärkere  Hervortreten  des  synodalen  Ele- 
mentes dem  Kückgang  der  königlichen  Gewalt  entspricht.  Die  Ober- 
aufsicht über  das  kirchliche  Leben,  die  einst  Karl  getuhrt  hatte,  fiel 
jetzt  dem  Episkopat  zu.  Er  hat  sich  dieser  Ptlicht  nicht  entschlagen. 
Die  Synoden,  die  Hraban  in  den  Jahren  .S47,  S4S  und  S5'2 
in  Mainz  hielt,  sind  früher  erwähnt  worden.-)  Versamndungen  der 
Bischöfe  fehlen  in  keinem  der  folgenden  Jahrzehnte.  Mau  weiss 
von  einigen  ^Lainzer  Synoden  untei-  Hrabans  Nachfolgern:  Anfang 
( )ktober  S.')7  fand  eine  solche  unter  Erzbischof  Karl,-*)  im  Herbst 
867  eine  zweite  unter  Liutbert  statt.^)  Am  IG.  Mai  S6S  tagten 
die  deutschen  Bischöfe  in  Anwesenheit  König  Ludwigs  zu  Worms :''') 


1)  Die  Synoden  unter  Ludwig  sind,  wie  unter  Karl,  grösstenteils  in 
Verbindung  mit  Reichstagen  abgehalten:  auch  wenn  dies  nicht  der  Fall 
war,  waren  sie  vom  König  entboten.  Bekannt  sind  folgende:  Aachen  816, 
8.  D.S.  .382;  (Aachen  817  Synode  der  Äbte,  s.  o.  S.  .582  tf.);  Aachen  818— 819, 
8.  0.  S.  587;  Attigni  822,  Ann.  Einh.  z.  d.  J.  S.  159,  Cap.  174  S.  357;  Paris 
825,  s.  o.  S.  487  f.;  wahrscheinlich  Ingelheim  l.-Juni  826,  Ann.  Einh.  z.  d.  .1. 
S.  169,  verb.  Cap.  1.54  S.  5110'.;  Mainz,  Paris,  Lyon  u.  Toulouse  Frühjahr 
829,  Cap.  1*5411  S.  2,  vgl.  oben  S.  497  f.;  Worms  August  829  Ann.  Einh.  z.  d. 
J.  S.  177,  Cap.  196  S.  26  ff.,  191  S.  12  ff.,  vgl.  oben  S.  606;  Compiegne  833. 
vgl.  M.G.  Cap.  197  1".  II  S.  51—57;  Diodenhofen  835,  s.  o.  S.  .508;  Aachen 
836.  B.  0.  S.  .562;  Kiersi  838,  s.  o.  S.  64.5f.;  Ponen  ?,  s.  u.  S.  720,  3.  Ich  ver- 
weise auf  die  dankenswerte  Zusammenstellung  der  fränkischen  Synoden 
von  742-843  von  Werminghoff,  N.A.  XXIV  S.  4.5!)  ff. 

2)  S.  0.  S.  624  ff. 

3)  Ann.  Fuld.  z.  d.  ^.  S.  48:  Inter  alia.  (juae  ventilata  sunt  de  iure 
ecclcsiaetico. 

4'  Ann.  Xant.  z.  d.  .1.  S.  232.  Es  handelte  sich  um  ?irledigung  eines 
Disziplinarfalls:  Ein  Priester,  der  eine  Zeit  lang  in  Sachsen  den  Heiligen 
gespielt  hatte,  wurde  als  Schwindler  abgesetzt. 

6)  Ann.  Fuld.  z.  d.  .1.  S.  67.  Das  Konzil  war  sehr  zahlreich  besucht. 
Anwesend  waren  die  drei  Erzbischctfe  T-iutbert  von  Mainz,  Adalwin  von  Salz- 
burg und  Rimbert  von  Hamburg,  19  Hiechöfe:  Altfrid  von  Hildesheim,  Gunzo 
von  Worms,  Salomo  I.  von  Konstanz.  Anno  von  Freising,  Landfrid  von  Sehen, 
Ermenrich  von  Passau.  Otgar  von  Eichstädt,  Witgar  von  Augsburg,  Liutbert 
von  Münster.  Thiadrich  von  Minden,  Hildegrim  von  Halberstadt,  Liuthard 
von  Paderborn,  Erolf  von  Verden,  Egibert  von  Osnabrück,  Arn  von  Würz- 
burg. Gebhi.rd  von  Speier,  Ratolf  von  Strassburg.  Hcssi  von  Chur,  Ambrich 


—     711     — 

sie  nahmen  eine  gegen  die  Griechen  gerichtete  Denkschrift  an.^) 
Fünf  Jahre  später  war  der  deutsche  Episkopat")  unter  dem  Vor- 
sitze der  drei  Erzbischöfe  in  Köhi  versammelt.^)  Im  Jahre  877 
oder  878  hielt  Liutbert  wieder  eine  Synode  in  Mainz.*)     In  Köln 

von  Regensburg  und  eine  Anzahl  Chorbischöfe  und  Äbte.  So,  wenn  mau 
die  in  der  Überschrift  der  Professio  fidei  genannten  Bischöfe  (Mansi  XV 
S.  867)  sämtlich  für  anwesend  hält.  Aber  gerade  die  Vollzähligkeit  macht 
bedenklich.  In  der  Unterschrift  des  Diploms  für  Neuenheerse  (1.  c.  S.  886) 
fehlen  die  fünf  letzten  Namen.  Es  scheint  mir  nicht  unwahrscheinlich,  dass 
ihre  Träger  in  Worms  nicht  anwesend  waren,  und  man  die  Namen  dem 
Glaubensbekenntnis  um  der  Vollständigkeit  halber  beifügte.  Die  nächste 
Synode  ist  die  oben  S.  701  erwähnte  bairische. 

1)  Die  Denkschrift  gegen  die  Griechen  bei  Neugart,  Ep.  Const.  I 
S.  520  ff.     Die  80  Kapitel  der  Synode  bei  Mansi  1.  c. 

2)  Nach  Ann.  Fuld.  z.  J.  870  S.  72  am  26.  September  870.  Praesidentibus 
metropolitanis  episcopis  provinciarum,  Liutberto  Mogontiacensium,  Berthulfo 
Treverorum,  Williberto  Agrippinensium  cum  ceteris  Saxoniae  episcopis. 
Weiter  erzählen  die  Fulder  Annalen,  dass  bei  dieser  Synode  die  Peters- 
kirche in  Köln  eingeweiht  worden  sei.  Diese  Angabe  macht  nun  aber 
Schwierigkeiten.  Denn  nach  Liutberts  Urkunde  vom  28.  September  874 
(Lacomblet,  ÜB.  I  S.  32  Nr.  66,  vgl.  Nr.  67)  fand  in  diesem  Jahre  eine 
Synode  in  Köln  unter  Anwesenheit  der  drei  Erzbischöfe  und  anderer  Bischöfe 
aus  dem  Kölner  und  Mainzer  Sprengel  statt  ob  suae  (Williberts)  ecclesiae 
dedicationem  faciendam.  Die  Datierung  der  Urkunde  ist,  wie  Dümmler 
(OFr.  R.  II  S.  368  Anm.  3)  gezeigt  hat,  irrig:  sie  muss  i.  J.  873  erlassen 
worden  sein.  Ist  es  nun  aber  wahrscheinlich,  dass  in  den  Jahren  870  und 
873  zwei  Synoden  unter  Anwesenheit  der  gleichen  Männer  und  zu  dem- 
selben Zweck  stattfanden?  Trotz  der  Gründe  Dümmlers  kann  ich  das  nur 
für  höchst  unwahrscheinlich  halten.  Die  Annahme  eines  Irrtums  der  Fulder 
Annalen  scheint  mir  weniger  Schwierigkeit  zu  haben,  so  dass  die  Synode 
von  870  ganz  zu  streichen  ist.  Anwesend  waren  nach  der  gefälschten,  aber 
nach  einer  echten  Vorlage  gearbeiteten  Urkunde  Altfrids  von  Hildesheim 
(Lacomblet  I  S.  36  Nr.  69)  ausser  diesem  und  den  drei  Erzbischöfen  Berhard 
von  Verdun,  Thiedrich  von  Minden,  Gerolf  von  Verden,  Liuthard  von  Pader- 
born, Hildigrim  von  Halberstadt,  Holdolf  von  Münster,  Athilbold  von  Utrecht, 
Eikbret  von  Osnabrück. 

3)  Über  die  Verhandlungen  bemerken  die  Fuldischen  JB. :  Cum  plurima 
ad  aecclesiasticam  utilitatem  pertinentia  ventilassent.  Bei  Aventia  Ann. 
IV,  16  S.  592  werden  folgende  Mitteilungen  gemacht:  Sacerdotes,  episcopi 
avari,  Veneri  ventrique  dediti  ignominia  notati  tribuque  moti  sunt.  Caeteri 
iussi  sunt  vivere  iuxta  Christi  .  .  placita.  Imperatum  mystis  ut  litteris  s. 
philosophiae  operam  darent,  ut  oves  pascerent  .  .  ante  omnia  ut  curam 
pauperum  agerent.  Die  Quelle  ist  nicht  nachweislich.  Vgl.  auch  den  Kanon 
einer  Kölner  Synode  bei  Mansi  XVI  S.  565. 

4)  Berufungsschreiben  Liutberts  an  Salomo  II.  von  Konstanz  (Ep. 
Mog.  12  S.  334  f.).     Über  die  Beschlüsse  wissen  wir  nichts. 


—     712     — 

l'aud  am  1.  April  bN7  eine  neue,  freilich  nur  schwach  besuchte 
Synode  statt; ')  im  Sommer  S88  folgte  eine  gemeinsame  General- 
synode der  Erzdiözesen  Mainz,  Köln  und  Trier  in  Mainz.  **)  Am 
1.  Mai  89.3  vei-sanmielte  Katbod  von  Trier  die  Bischöfe  seines 
Sprengeis  in  St.  Arnulf  zu  Metz.'')  Es  war  seit  langer  Zeit  die 
erste  Synode  der  Kirchenprovinz  Trier;,  sie  blieb  auch  für  lange 
die  letzte.  Alle  diese  Synoden  mit  Ausnahme  der  Wormser  von 
868  waren  rein  geistliche  Yersammlungen.*)  Dagegen  waren  in 
früherer  AVeise  mit  Reichstagen  verbunden  die  Synoden  von  Forch- 
heim   im   Mai  890  ^)    und    von    Tribm-   im   Mai    89.').")     Auf  der 


1)  Mansi  XVIII  S.  45fF.  Anwesend  waren  Willibert,  Franko  von  Lüttich, 
Odilbald  von  Utrecht,  Wulfelin  von  Münster,  Drogo  von  Minden.  Liutbert 
und  Rimbert  hatten  der  Synode  zugestimmt.  Die  Beschlüsse  sind  unbedeu- 
tend. An  Johannis  887  sollte  eine  neue  Synode  in  Foro  Julii  (?  Jülich 
zusammentreten. 

2)  Mansi  XVIII  S.  61  ff.  Aus  der  Urkunde  tür  Corvey  (Erhard,  Reg. 
Westf.  I,  2  S.  27  ff.  Ni-.  34)  ergiebt  sich  die  Anwesenheit  von  Liutbert  von 
Mainz,  Folco  von  Rheims,  Willibert  von  Köln,  Thiadmar  von  Salzburg,  Rad- 
bod  von  Trier,  Johann  von  Ronen,  Adalgar  von  Hamburg,  Liutward  von 
Vercelli,  Am  von  Würzburg,  Hrodberht  von  Metz,  Adalhelm  von  Worms, 
Godethank  von  Speier,  Wicberht  von  Hildesheim,  Deth  von  Verdun,  Do- 
dilo  von  Cambrai,  Honorat  von  Beauvais,  Heidilo  von  Noyon,  Balthramm 
von  Strassburg,  Waldo  von  Freising  und  Thiadulf  von  Chur.  Über  die 
Unterschriften  und  die  Zeit  der  Synode  s.  Wilmans,   Kais.  Urk.  I  S.  4.54  ff". 

3)  Mansi  XVIII  S.  77  ff.  Anwesend:  Ratbod  von  Trier,  Rotbert  von 
Metz,  Dado  von  Verdun  und  Arnold  von  Toul.  Die  Gründe  Dümmlers,  OFr. 
R.  III  8.  360  Anm.  1  für  das  Jahr  893  und  gegen  888  sind,  wie  mich  dünkt, 
durchschlagend. 

4)  Bei  den  Kölner  Synoden  von  873  und  887  ist  die  Erlaubnis  des 
Königs  erwähnt,  Ann.  Fuld.  z.  870;  lussu  Hludowici  regis;  Mansi  XVHI 
S.  45:  CoQsensu  imp.  Karoli. 

5)  Ann.  Fald.  z.  J.  890  S.  119.  Urkunde  für  Neuenheerse  (Wilmans, 
l.  c.  S.  527) :  Ego  Sunderoldus,  humilis  Mogontiacensis  sedis  archiepiscopus 
una  cum  ven.  Coloniensis  civitatis  archiepiscopo  Herimanno,  necnon  et  aliis 
coepiscopis  et  consacerdotibus  nostris,  qui  nobiscum  ad  praesentem  syno- 
dum  convenere.  Beschlüsse  sind  nicht  überliefert.  Anwesend  waren  Arn 
von  Würzburg,  Wibert  von  Verden,  Hrodberht  von  Metz,  Godtfthank  von 
Speier,  Plgilmar  von  Osnabrück,  Erkanbald  von  Eichstädt,  Adivlgar  von 
Hamtmrg.  Dado  von  Verdun,  Biso  von  Paderborn.  Ailmar  (Engelniar)  von 
Passau,  Agiulf  von  Ualberstadt.  Drogo  von  Mindon,  Wigbert  von  Hildes- 
heim.  Wolfhelm  von  .Münster.  Die  nächste  Synode  ist  die  oben  S.  687,  3 
erwähnte  Frankfurter  i.  J.  892. 

6)  ( 'ap.  2.52  II  S.  208  ff.  Anwesend  waren  die  drei  Erzbischöfc  Hatto, 
Hermann  und  Ratbod.  sowie  Adalgar,  der  aber  unter  den  Bischöfen  unter- 
zeichnete,   und    die    Bischöfe   Waldo    von    Freising,    Erkanbald,    Tuto    von 


—     713     — 

Synode  zu  Hohenaltheim  im  Ries  am  20.  September  916  beiieten 
die  Bischöfe  wieder  allein.^) 

Bischöfliche  Diözesansynoden  wm*den,  wenn  nicht  regelmässige 
so  doch  ab  und  zu  gehalten.-) 

Ge^viss  dienten  diese  Versammlungen  den  Standesinteressen 
des  Episkopats:  je  enger  sich  die  Bischöfe  zusammenschlössen,  um 
so  leichter  konnten  sie  hoffen,  die  Verminderung  ihrer  Macht  und 
die  Erschütterung  ihrer  Stellung  hintanzuhalten,  oder  sich  in  den 
Schwierigkeiten  zu  behaupten,  von  denen  Reich  und  Kirche  be- 
troffen waren.  Gewiss  war  es  auch  das  Bestreben  der  Synoden, 
der  wankenden  Maclit  des  fränkischen  Königtums  eine  Stütze  dar- 
zubieten. Aber  weder  das  eine  noch  das  andere  spiicht  die  haupt- 
sächlichste Bedeutung  der  Synoden  dieser  Zeit  aus.  Sie  liegt  auf 
dem  kirchlichen  Gebiet.  Allerdings  neue  Ziele  lassen  ihre  Be- 
schlüsse nicht  erkennen.^)  Obgleich  der  Episkopat  jetzt  h'eier  handeln 
konnte    als    unter  Karl,    machte   er  nicht  den  Versuch,  die  kirch- 


Regensburg,  Adalbero  von  Augsburg,  Salomo  III.,  Theodulf  von  Chur,  Iring 
von  Basel,  Baldramn  von  Strassburg,  Godethank,  Theotelaus  von  Worms. 
Dado,  Wigbert  von  Hildesheim.  Rudolf  von  Würzburg,  Sigimund  von  Halber- 
stadt, Hrodberht,  Drogo,  Biso,  Egilmar  von  Osnabrück.  In  Bezug  auf  die 
kritische  Frage,  ob  die  Fassung  der  Beschlüsse  von  Tribur  in  der  sog.  Vul- 
gata,  d.  h.  der  ausführlichen  Redaktion  der  58  Kapitel,  echt  sei  oder  ge- 
fälscht, stimmen  die  Untersuchungen  von  V.  Krause,  N.A.  XVII  S.  51  und 
281  und  Seckel,  N.A.  XIX  S.  367  und  XX  S.  291  überein  in  der  Anerkennung 
der  Echtheit  derselben.  Ein  Gegensatz  besteht  zwischen  beiden  Gelehrten 
in  der  Beurteilung  de.s  Verfahrens  Reginos.  Nach  Krause  schöpfte  er  die 
sog.  Extravaganten  aus  unzuverlässigen  Quellen.  Dagegen  hat  Seckel  in 
einer  Handschrift  der  Stadtbibliothek  zu  Chälons  s.  M.  eine  Sammlung  Tri- 
burischer  Beschlüsse  entdeckt  und  als  Reginos  Quelle  nachgewiesen,  die  er 
als  Redaktion  halboffizieller  Natur  betrachtet. 

1)  M.G.  Leg.  II  S.  554  £F.  Die  Unterschriften  fehlen ;  doch  ergiebt  sich 
aus  c.  30  S.  559,  dass  die  sächsischen  Bischöfe  nicht  anwesend  waren.  Über 
die  Beschlüsse  vgl.  Bd.  IH  S.  13  ff. 

2)  Es  liegt  in  der  Natur  der  Sache,  dass  bischöfliche  Synoden  nur 
zufallig  erwähnt  werden.  Aus  der  Dürftigkeit  der  Nachrichten  kann  man 
also  nicht  folgern,  dass  die  Synoden  beinahe  ganz  unterblieben.  In  den 
Mir.  Otm.  I,  2  S.  48  sind  jährlich  wiederkehrende  Bistumssynoden  als 
regelmässige  Institution  im  Bistum  Konstanz  in  der  zweiten  Hälfte  des 
8.  Jahrhunderts  betrachtet.  Von  einer  Bistumssynode  in  Münster  unter 
Bischof  Wolf  heim  giebt  dessen  Urkunde  vom  6.  Juli  889  Nachricht  (Wil- 
manns,  Kais.  Urk.  I  S.  530).     Es  nahmen  53  Kleriker  an  ihr  Teil. 

3)  Ich  sehe  deshalb  davon  ab,  eine  Übersicht  über  die  Synodal- 
beschlüsse zu  geben.  Das  Wichtigste  wird  in  der  folgenden  Darstellung 
zur  Erwähnung  kommen. 


—     TU     — 

liehe  Gesotziii'biin^  des  grossen  Königs  tbrtzvifiihreu.  Die  Synoden 
haben  denn  anch  trotz  der  Menge  ihrer  BeschUisse  das  kirchhche 
Leben  nicht  in  ähuHcher  AV'eise  gefordert,  wie  es  durch  ihn  ge- 
schehen war.  Das  Ziel,  das  sie  sich  steckten,  war  niedriger;  sie 
suchten  zunächst  /.u  erhalten,  was  er  geschaffen  hatte,  und  sodann 
Gleichmässigkeit  des  Verfahrens  in  der  kirchlichen  Disziplin  her- 
iiiustellen.  Nicht  zufördei^st  als  Organe  der  kirchlichen  Regierung 
haben  sie  gehandelt,  sondern  sie  leisteten  der  Kirche  hauptsächhch 
den  Dienst  eines  Obergerichtes.  Das  war  ohne  Zweifel  ein  IMangel: 
er  wild  zusammenhängen  mit  der  allgemeinen  Vorstellung,  dass 
das  kirchlich  Normale  in  der  Vergangenheit  gegeben  ist  und  dass 
das  kirchliche  Leben  deshalb  den  Charakter  des  Gleichbleibenden 
/u  tragen  hat.  Aber  auch  dies  zugegeben,  wird  das  Urteil  ein 
Recht  haben,  dass  die  Synoden  dieser  Zeit  ein  Beweis  dafür  sind, 
dass  den  Bischöfen  das  Bewusstsein  ihrer  kirchlichen  Pflichten  nicht 
entschwunden  war:  sie  hatten  nicht  nur  persönliche  und  selbstische, 
sondern  auch  sachliche  und  ideale  Ziele. 

Sah  das  Volk  in  ihnen  immer  noch  die  Seelsorger  ihrer 
Diözesen,')  so  war  auch  dies  nicht  unberechtigt.  Es  war  üblich, 
dass  sie  regelmässig  predigten.-)  Ihre  Kirchenvisitationen  waren 
nach  wie  vor  zugleich  Predigtreisen.'*) 

Doch  kamen  Seelsorge  und  J^redigt  je  länger  je  mehr  in 
andere  Hände.*)  Wir  haben  früher  die  Bildung  von  selbstständigen 
Parochien  innerhalb  des  Bistums  erwähnt.  Die  damit  begoimene 
Dezentralisation  der  kirchlichen  Tliätigkeit  liatte  im  neunten  Jahr- 
hundert ihren  Fortgang.  Sie  wurde  durch  manchfache  "\'erhiUtnisse 
gt'tordert.  Je  enister  Karl  darauf  gedrungen  hatte,  dass  die 
rehgiöse  Versorgung  des  ganzen  Volkes  zur  AVahrheit  würde,  um 
so  einleuchtender  wurde  es,  dass  sie  notwendig  sei.  Nicht  nur 
der  Episkopat    erkannte,   dass  es  nichts    nütze,  den  Kirchenbesuch 


1)  Vgl.  die  füngiibp  dos  Klerus  und  Volks  von  Mainz  an  TiUdwig 
d.  Fr.  Otgars  Rnckkohr  l.etr.  v.  .T.  834  M.G.  Ep.  V  S.  324  f. 

2)  Nicht  nur  ein  Mann  wie  Anskar  liat  regelmässig  gepredigt  (V. 
.\nsk.  37  S.  72).  Auch  Bernold  von  StraHsl)urg  wird  wegen  seiner  deut- 
schen Schriftauslngungen  gerühmt  (Erm.  Nig.  In  laud.  Pipp.  1  v.  145  tt'. 
S.  84).  Das  Predigen  der  Bischöfe  wird  gefordert  Paris  (a.  829)  1,  24 
.S.  .>54f.  Aach.  (a.  836)  1.  7  f.  S.  675:  11,  1  ff.  S.  077.  Hohenalth.  (a.  91(5) 
c.  5  S.  5ÖB. 

3)  Vgl.  z.  H  HM.  1411.  Dass  die  Visitationsreisen  der  Bischöfe  ge- 
wöhnlich mit  den  Firmungsreisen  zusammenßelen  (Cap.  210,  15  a.  845  bis 
850  II  S.  83,  Dove.  Ztschr.  f.  KR.  IV  S.   18)  ist  leicht  verständlich. 

4)  Vgl.  Bd.  I  S.  219;  llatch,  Grundlegung  d.  Kirchenverf.  Westeuropas, 
1888  S.  44  ff.     Imbart  de  la  Tour  in  d.  Kevue  bist.  63  S.  1  ff.,  68  S.  1  ff". 


—     715     — 

zu  befehlen,  wenn  die  Kirchen  so  dünn  gesät  waren,  dass  man 
sie  nur  schwer  erreichen  konnte.^)  sondern  auch  das  Volk  selbst 
verlangte  nach  leicht  zugänglichen  Kii'chen.-)  Die  Fordeiiing 
musste  um  so  dringender  sein,  da  die  Bevölkerung  beständig  zu- 
nahm. Noch  wurde  überall  in  Deutschland  der  Wald  gerodet,  und 
entstand  auf  dem  so  gewonnenen  Boden  Ortschaft  um  Ortschaft.^) 
Demgemäss  wm'de  die  Zahl  der  Kirchen  im  Laufe  des  neunten 
Jalu'hunderts  nicht  unbedeutend  vermehrt.  Das  wissen  wir  von 
allen  Teilen  Deutschlands:  von  dem  altchristhchen  Gebiet  auf  dem 
hnken  Ufer  des  Rheins,*)  -wie  von  dem  fi'änkischen  Deutschland 
am  Main  und  in  den  deutschen  Mittelgebii'gen, ')  von  den  Gegenden 
am  Fusse  der  Alpen  *^)  wie  von  dem  kaum  bekehrten  Sachsen : ') 
der  Grund  wdrd  überall  der  gleiche  gewesen  sein:  man  erstrebte 
eine  gleichmässigere  Verteilung  der  Kirchen  über  das  Land  und 
man  musste    also  ergänzen.     So  entstanden  überall   neue  Kirchen 


1)  Vgl.  Form.  Paris.  2  S.  264  eine  Pariser  Urkunde,  in  der  der  Bischof 
bekundet,  dass  er  ob  difficultatem  longioris  viae,  quae  sua  inpeditione 
christianos  videlicet  offendit  agricolas  atque  in  divinis  officiis  minus  reddit 
capaces,   eine  Kirche  gebaut  habe. 

2)  Urk.  Ludwigs  d.  D.  für  Prüm,  B.M.  1450 :  Die  Hörigen  in  Neckarau 
(bei  Mannheim)  beklagen  sich  bei  Ludwig  d.  Fr.,  dass  sie  wegen  der 
Rheinüberschwemmungen  die  Kirche  in  Altripp  auf  dem  linken  Rheinufer 
nicht  besuchen  können.  Ludwig  weist  ihnen  quoddam  curtile  in  Neckarau 
zum  Bau  einer  Kirche  an,  sowie  einen  Hof  zur  Ausstattung. 

3)  Kirchen  in  neuen  Ortschaften  sind  vielfach  erwähnt,  z.  B.  Ludov. 
Cap.  138  a.  818,  819  c.  12:  Statutum  est  de  villis  novis  et  ecclesiis  in 
eisdem  noviter  constructis,  ut  decimae  de  ipsis  villis  ad  easdem  ecclesias 
conferantur.  Wiederholt  Worms.  Syn.  a.  868  c.  52  Mansi  XVI  S.  878. 
Syn.  Trib.  a.  895  c.  14  Cap.  II  S.  221 :  Si  (quis)  in  qualibet  silva  vel  deserto 
loco  ultra  miliaria  IV  aut  V  vel  eo  amplius  aliquod  dirutum  conlaboraverit, 
et  illic  .  .  ecclesiam  construxerit  et  consecratam  perpetraverit,  prospiciat 
presbyterum  ad  servitium  Dei  idoneum  et  studiosum  et  tunc  demum  novam 
decimam  novae  reddat  ecclesiae. 

4)  Gest.  ep.  Vird.  17  (M.G.  Scr.  IV  S.  44)  über  Bischof  Hilduin  von 
Verdun:  Construxit  multas  aecclesias  in  isto  episcopatu. 

5)  Thietm.  chron.  I,  3  (M.G.  Scr.  III  S.  735)  über  Arn  von  Würzburg: 
In  urbe  Wirciburgensi  unum  domino  templum  et  in  episcopatu  suo  ad  in- 
star eiusdem  aecclesias  9  in  10  annis  fecit.  Vgl.  auch  Hrabans  Kirchen- 
bauten auf  fuldischen  Besitzungen  (oben  S.  621). 

6)  Vgl.  Baumann,  Gesch.  des  Allgäu  I  S.  99,  S.  HO  u.  119  über  die 
von  Kempten  und  Ottenbeuern  aus  gegründeten  Kirchen. 

7)  Transl.  Libor.  6  S.  151  über  Badurad  von  Paderborn :  Haec  illi  cura 
prima  immjnebat,  aecclesias  per  omnem  parochiam  suam  sub  celeritate 
construere. 


—      Tili     — 

iiebcTi  den  alten.  Die  Notwendigkeit,  bestimmte  Sprengel  iür  sie 
zu  bilden,  war  nun  gegeben  duroli  die  gesetzlicbe  Anerkenmnig 
des  Zehntrecbtes:  aller  Grundbesitz  war  zehntptiichtig  und  die 
Zebnten  gehöi-ten  stets  bestimmten  Kirchen:  M  indem  den  Kirchen 
auf  neugerodetem  Land  der  Anspruch  auf  gewisse  Zehnten  zuge- 
sprochen wurde, ^)  wurde  zugleich  der  Zehntbezirk  der  schon  be- 
stehenden scharf  abgegrenzt.  War  damit  die  Zugehörigkeit  aller 
Grundbesitzer  zu  bestimmten  Kirchen  gegeben,*^)  so  lag  es  in 
der  Xatur  der  Sache,  dass  diese  nun  auch  die  sämthchen  geist- 
lichen Amtshandlungen  an  ihreu  Kirchen  vollzogen  wünschten: 
in  der  Kirche,  in  der  sie  zur  Messe  gingen  und  die  Predigt 
höi-ten,  wollten  sie  ihre  Kinder  taufen  lassen,  bei  ihr  wollten  sie 
selbst  bestattet  werden. •*)  Die  Folge  war,  dass  einer  immer 
gi-össeren  Zahl  von  Kirchen  das  Recht  zu  taufen  eingeräumt 
wurde.  Schon  unter  Ludwig  d.  Fr.  erschien  es  als  das  Sacli- 
gemässe.  dass  jede  hinreichend  dotirte  Kirche  mit  einem  fest 
angestellten    Pnester    besetzt    werde.'')      Ihm    aber   wurde    die    ge- 


ll Die  alten  Kirchen  werden  im  allgemeinen  den  neuen  gegenüber  in 
ihrem  Besitz  geschützt.  Vgl.  Form.  Sen.  rec.  12  S.  217  aus  d.  J.  808.  Conc. 
Mog.  a.  813  c.  41  Manei  XIV  S.  74;  Conc.  Mog.  a.  847  Cap.  248,  11  S.  179. 
Hier  wird  die  Abtretung  vom  Zehnten  nicht  überhaupt  auegeschlossen, 
sondern  nur  von  der  Zustimmung  dos  Bischofs  abhängig  gemacht.  Syn. 
Trib.  a.  895  c.  14  S.  221:  Piacuit  ut  decimae  sicut  et  aliae  possessiones 
antiquis  conserventur  ecclesiis  .  .  Si  quis  autem  in  aftinitate  antiquae 
ecclesiae  novalia  rura  excoluerit,  decima  exindc  debita  antiquae  reddatur 
ecclesiae.    Dann  folgt  die  oben  S.  715  Anm.  3  wiedergegebene  Bestimmung. 

2)  Vgl.  die  S.  715  Anm.  3  angeführten  Stellen. 

3)  Conc.  Aquisgr.  n.  ^36  II,  2  c.  5  S.  681:  De  omnibus  homiiiibu.s,  qui 
ad  eorum  ecclesiam  pertinent.  Conc.  Mog.  a.  852  c.  17  Cap.  249  II  S.  190: 
NuUus  presbytcr  fidelibus  s.  Dei  ecclesiae  de  alteriua  parrochia  persuadeat, 
ut  8uam  ecclesiam  roncurrant  derelicta  propria  ecclesia.  et  suas  decima« 
^\h'\  dont. 

4)  Man  untorscliied  zwischen  Kirchen,  die  das  Recht  hatten,  ut  ibidem 
aspicere  deberent  ad  missaa  vcniendi  et  ad  baptismum  vel  praedicationem 
et  ut  decima«  suas  ad  basilicam  dare  deberent  (Form.  Sen.  rec.  12  S.  217), 
und  Kirchen,  die  nuUum  alium  honorem  nisi  tantummodo  divinum  officium 
non  decimani,  non  baptistorium,  non  sepulturam  haben  (Form.  Paris.  2 
S.  264).     Die  ersteren  entsprechen  den  Pfarrkirchen. 

5)  Ludovioi  cap.  138  (a.  818.  X\())  c.  11  S.  277:  Statutum  est,  post- 
quam  hoc  impleüim  fuerit  (das«  jede  Kirche  einen  kostenfreien  Manaus  er- 
hält), ut  unaquaeqne  ecclesia  suum  presbyterum  habeat,  ubi  id  fieri  facultas 
providente  episcopo  permiserit.  Synode  zu  Paris,  (a.  829)  c.  49  S.  567: 
Sicut  unii'uique  civitati  convenit  proprium  habere  episcopum,  ita  et  unam- 
quamque  basilicam    .  .    decet    et    oportet  proprium  habere  presbyterum.  .  . 


—     717     — 

samte  geistliche  Vereorgung  der  Kirchspielgenossen  zur  Pflicht 
gemacht.-')  Je  länger  je  mehr  begannen  die  Parochien  den  späteren 
Pfarreien  zu  entsprechen.  Gewiss  waren  die  Kirchspiele  des  neunten 
Jalirhundeiis  noch  weit  ausgedehnter  als  die  des  sechzehnten  oder 
die   der  Gegenwart.-)     Aber    geschlossen    waren    sie    bereits.     Nur 

Vix  euim  quispiam  presbyterorum  in  basilica,  in  qua  divinae  servituti 
mancipatus  est,  digne  atque  strenue  militare  invenitur :  quanto  minus  id  in 
duabus  aut  tribus  aut  eo  amplius  basilicis  digne  exequi  valet?  .  .  .  Statui- 
mus  .  .,  ut  singulae  basilicae  plebes  et  res,  quibus  consistere  possint» 
habentes  singulos  habeant  presbjteros.  Si  vero  plebes  habuerint  et  rebus, 
quibus  consistere  possin t,  caruerint,  in  arbitrio  episcoporum  pendet,  utrum 
ita  consistere  debeant  aut  possint,  necne.  Relat.  ep.  a.  829  (cap.  II  S.  33 
Nr.  196,  11):  De  presbyteris  et  eorum  ecclesiis,  u.  44  S.  41  Wiederholung 
von  Paris  c.  49.  Synode  zu  Aachen  (a.  836)  II,  2  c.  16  S.  683:  Censuimus, 
ubicunque  possibile  fuerit,  unicuique  ecclesiae  suus  provideatur  ab  episcopis 
Presbyter.  Mainz  (a.  852)  c.  17  (M.G.  Cap.  249  S.  190):  Nullus  presbiter 
lideUbus  s.  Dei  ecclesiae  de  alterius  presbiteri  parroechia  persuadeat,  ut 
suam  ecclesiam  concurrant  derelicta  propria  ecclesia,  et  suas  decinias  sibi 
dent.  Worms  (a.  868)  c.  51  (Mansi  XVI  S.  878)  =  Cap.  138,  11;  Metz 
(a.  888)  can.  3  (Mansi  XVIII  S.  78  f.).  Regino  I,  44b  S.  45  (im  wesent- 
lichen =  Trib.  c.  14);  II,  442  S.  387  f.:  üt  si  quilibet  presbyteronim  de- 
functus  fuerit,  vicinus  presbyter  .  .  nulla  precatione  .  .  ecclesiam  illam  ob- 
tineat,  quia  titulus  per  se  constans  antea  exstitit.  Das  Kapitel  ist  =  Conc. 
Namnet.  c.  16  (Mansi  XVIII  S.  171).  Hefele  verlegt  diese  Synode  in  das 
Jahr  658  (CG.  EI  S.  104);  ich  zweifele,  ob  mit  Recht.  Der  Inhalt  der  Be- 
schlüsse scheint  vielmehr  auf  den  Anfang  des  9.  Jahrh.  hinzuweisen.  Dies 
auch  zur  Berichtigung  von  Bd.  I  S.  387,  1. 

1)  Syn.  V.  Aachen  a.  836  II,  2  c.  5  S.  681.  Ut  presbyteri  de  Omnibus 
hominibus,  qui  ad  eorum  ecclesiam  pertinent,  per  omnia  curam  gerant. 
Vgl.  unten  über  die  Amtspflichten  der  Pfarrer.  Bemerkenswert  ist  besonders 
das  Verbot,  Bezahlung  für  Taufen  anzunehmen,  Regln.  Not.  20  S.  21. 
Auch  Ep.  Fuld.  fragm.  16  S.  522  gehört  hierher;  Hraban  tadelt  dort  das 
unverständige  Festhalten  mancher  Presbyter  an  den  alten  Taufzeiten. 
Endlieh  ist  Syn.  Trib.  c.  15  S.  222  zu  erwähnen,  die  Bestimmung,  dass 
entweder  bei  Kollegiat-  und  Klosterkirchen  begraben  werde ,  oder  ubi 
decimam  persolvebat  vivus. 

2)  Wenn  man  aus  den  für  das  Bistum  Chur  bekannten  Zahlen  Schluss- 
folgerungen ziehen  darf,  so  war  die  Zahl  der  Pfarrkirchen  im  Verhältnis  zu 
der  Zahl  der  übrigen  Kirchen  geringer  als  gegenwärtig.  Das  Bistum  hatte 
unter  Ludwig  d.  Fr.  im  ganzen  über  230  Kirchen,  davon  waren  31  bischöf- 
lich ,  die  übrigen  königlich.  Unter  den  bischöflichen  waren  6  Tauf- 
kirchen und  25  minores  tituli ;  zu  jeder  Tauf kirche  gehörten  also  noch  4 
abhängige  Kirchen.  M.G.  Ep.  V  S.  309  Nr.  7.  Wenn  das  Verhältnis  bei 
den  königlichen  Kirchen  analog  war,  so  gab  es  unter  ihnen  40  Pfarr-  und 
160  Filialkirchen  und  Kapellen,  der  ersteren  also  im  ganzen  Bistum  noch 
nicht  ein  halbes  Hundert. 


—     71.S     — 

jiusiialiinsweise  wird  es  Sicdelun^oii  gegeben  haben,  über  deren 
PiU-uchialaiigehörigkeit  man  im  I'ngewissen  war.  80  wenig  wir 
die  Entwickelung  im  einzebieii  verfolgen  können,  so  sicher  ist  es 
deshalb  doch,  dass  die  Paroi-hialbildung  })i'inzipiell  im  Laufe  des 
neimten  Jahrlnmderts  dnrchgetuhrt  worden  ist.  Wenn  die  erste 
Synode  zu  lliesbach  unter  Arn  von  Salzburg  beschloss,  es  sollten 
bestimmte  Pfon-bezirke  abgegrenzt  und  ihre  Zahl  der  Bevölkerungs- 
ziffer gemäss  bemessen  werden.*)  so  sieht  mau  zugleich,  dass  die 
Parochialbildung  nicht  dem  Zufall  überlassen  blieb:  man  trug 
Sorge  dafür,  dass  sie  wirklich  den  Bedürfnissen  entsprach.') 

Aber  die  mittelalterlichen  Gemeinden,  die  in  dieser  AVeise 
entstanden,  wai'en  in  keiner  Hinsicht  ein  Seitenstück  zu  den  Ge- 
meinden der  alten  Kirche:  es  waren  lediglich  Seelsorgerbezirke. ^) 
Die  Kirchspielgenossen  hatten  als  solche  wohl  Pflichten  aber  keine 
Kechte. 

Die  Gesamtzahl  der  Kirchen  in  Deutschland  in  der  ]\fitte  des 
neunten  Jahrhunderts  lässt  sich  mit  ziemlich  grosser  Wahrscheinlich- 
keit auf  drei  und  ein  halbes  Tausend  angeben. "*) 

Indem  die  Zerlegung  der  Bistümer  in  selbstständige  Kirch- 
spiele vollendet  wurde,  begann  die  Vereinigung  der  letzteren  zu 
grösseren  Verbänden,  die  Bildung  der  sog.  Dekanien.'')  Die  Ver- 
mutung liegt  nahe,  dass  die  Rücksicht  auf  che  Disziplin  unter  dein 


1)  Vgl.  oben  S.  450. 

2)  Wie  sich  in  dieser  Frühzeit  die  Parochien  zu  den  Hundertschaften 
und  Zendereibezirken  verhielten,  Lamprechfc,  Wirtschafts-Geschichte  I,  1 
S.  238  ff. ,  scheint  mir  eine  Frage,  die  nach  dem  vorliegenden  Material 
nicht  beantwortet  werden  kann. 

3)  Vgl.  Gierke,  Genossenschaftsrecht  I  S.   145. 

4)  Der  Beleg  liegt  in  dem  Schreiben  der  Mainzer  Synode  von  847  an  Lud- 
wig (I.D.  (Gap.  II  S.  173  Nr.  248).  Hier  wird  erwähnt,  dass  die  Synode  angeord- 
net habe,  ut  in  singulis  parochiis  per  episcopos  et  clericos,  per  abbates  et 
inonachoB  Gottesdienste  für  den  Kaiser  veranstaltet  werden  sollten,  und  wird 
sodann  bemerkt,  dass  3500  Messen  gehalten  und  1700  Psalter  gebetet 
würden.  Da  man  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  für  jede  Kirche  eine  Messe 
anzunehmen  hat,  ergiebt  sich  die  Zahl.  Dass  sie  rund  ist,  liegt  auf  der 
Hand;  sie  ist  übrigens  keines  Falls  zu  hoch.  Das  beweist  der  Vergleich 
mit  den  230  Kirchen  von  Chur.  In  Betracht  kommen,  da  es  sich  um  das 
Deutachland  des  Vertrags  von  Verdun  handelt,  21  Bistümer:  der  Durchschnitt 
bleibt  also  hinter  Chur  bedeutend  zurück.  Nimmt  man  an,  dass  nur  die 
Kirchen  in  den  13  in  Mainz  vertretenen  Bistümern  zusammengezählt  sind, 
90  kommt  man  auf  einen  unbedeutend  höheren  Durchschnitt  als  in  Chur 
(269). 

5)  Vgl.  SägraüUer,  Die  Entwickelung  des  Archipresbyterats.  Tübingen 
1H9H. 


—     719     — 

Klerus  für  diese  neue  Einrichtung  bestimmend  gewesen  ist.-^)  Je 
zahlreicher  er  wurde,  je  mehr  er  über  die  zum  Teil  sehr  ausgedehnten 
Diözesen  hin  zerstreut  war,  um  so  notwendiger  waren  Mittels- 
personen zwischen  dem  Bischof  und  den  einzelnen  Klerikern,  die  die 
unmittelbare  xA.ufsicht  über  sie  und  ihi-e  Amtsführung  übten.-)  Man 
bezeichnete  nun  diese  Priester  mit  einem  älteren  Titel  als  Erz- 
priester ^)  oder  man  verwendete  den  in  den  Klöstern  üblichen  Namen 
der  Dekane.*)  Bei  der  Bildung  der  Sprengel  ist  man  schwerlich 
von  einem  einzigen  Gesichtspunkt  ausgegangen.  Vielfach  wd  das 
Tochterverhältnis  der  Kirchen  zu  einander  entscheidend  gewesen 
sein.  Der  Vorsteher  der  Mutterkirche,  der  nicht  selten  Erzpriester 
im  alten  Sinn  gewesen  sein  wird,  wurde  mit  der  Aufsicht  über  den 
Klerus    der    Tochterkirchen    betraut.'^)      Aber    eine    einigermassen 


1)  Cap.  112,  38  a.  799—800  IS.  230:  Archipresbyteri,  qui  perquirere 
et  perscrutari  ceteros  presbyteros  solent;  vgl.  Syn.  Pap.  von  850  Cap.  228, 
13  II  S.  120  und  Cap.  Lamb.  von  898  Cap.  22.5,  12  II   S.  110. 

2)  Sägmüller  nimmt  an,  dass  sich  der  Archipresbyterat  in  Deutschland 
anders  entwickelte  als  in  Frankreich  und  Italien,  S.  73.  Das  letztere  wird 
richtig  sein,  nicht  aber  das  erstere.  Die  Hauptverschiedenheit  der  deutschen 
und  französischen  Entwickelung  findet  er  darin,  dass  es  in  Deutschland  in 
der  Karolingerzeit  keine  vom  Bischof  ernannten  Aufsichtsorgane,  d.  h.  keine 
Dekane,  gab;  die  Archipresbyter  seien  die  geborenen  Aufseher  der  Geist- 
lichen der  zu  ihrer  Taufkirche  gehörigen  Gotteshäuser  gewesen  (S.  81). 
Allein  abgesehen  von  dem  allgemeinen  Bedenken,  dass  Deutschland  während 
der  Karolingerzeit  in  fast  allen  Institutionen  von  Frankreich  abhängig  war, 
ist  Sägmüllers  Grund  nicht  richtig:  die  Erzpriester  waren  bischöflich  be- 
stellte Beamte.  Das  ist  Cap.  112,  38  S.  230  (Riesbacher  etc.  Statuten)  ganz 
bestimmt  ausgesprochen:  Ad  hoc  constitutos,  ut  in  ipsis  episcopi  sui  par- 
tiantur  onera  sua.  Und  das  wiederholt  die  Relation  der  Bischöfe  von  82^ 
(Cap.  196,  32  S.  32),  indem  sie  die  Erzpriester  neben  den  Chorbischöfen  und 
Archidiakonen  zu  den  ministri  episcoporum  rechnet.  Dass  die  Bezeichnung^ 
decanus  in  Deutschland  nur  ein  paarmal  vorkommt,  scheint  mir  dem  gegen- 
über nicht  gerade  wichtig.  Denn  die  Stelle  Reginos  (I,  295  S.  136)  zeigt 
genügend,  dass  man  bei  den  beiden  Namen  an  dieselben  Personen  dachte. 
Der  Name  Dekan  ist  auch  218  S.  109  wiederholt,  auch  hier  so,  dass  man 
sieht,  er  war  nicht  alleinherrschend.  V.  Udalr.  6  S.  395  aber  liefert,  wie 
mich  dünkt,  einfach  den  Beweis,  dass  die  beiden  Namen  in  Deutschland 
nebeneinander  gebraucht  wurden. 

3)  über  die  Erzpriester  im  früheren  Sinn  s.  Bd.  I  S.  219. 

4)  Vgl.  Reg.  Bened.  21.  Sie  sind  ebenfalls  Aufsichtsorgane:  Decani 
sollicitudinem  gerant  super  decanias  suas  in  omnibus  secundum  mandata 
Dei  et  praecepta  abbatis  .  .  Tales  eligantur,  in  quibus  securus  abbas  par- 
tiat  onera  sua. 

5)  So  erklärt  sich  der  Übergang  des  Titels  auf  ein  Amt  mit  neuem 
Inhalt.     Walahfrids    bekannter  Satz    de    exord.   32    S.    515:    Centenarii  .  . 


—     720     — 

gleichmässigo  Abgrenzung  von  Dekanien  war  auf  diesem  Wege 
nicht  zu  erreichen.  In  anderen  Fällen  mag  man  sich  an  den  po- 
Htischen  Bezirk,  die  Hundeilschaft,  angeschlossen  haben;  ^)  oder  es 
wirkten  auch  beide  Gesichtspunkte  zusammen.  Die  CTeistlichen  der 
Dekanien  versammelten  sich  zu  monatlichen  Konferenzen.")  Dass 
man  die  Institution,  nachdem  sie  einmal  bestand,  auch  fiir  die 
Disziplin  unter  dem  Volk  und  für  die  Verwaltimg  der  bischöflichen 
Einkünfte  benützte,  ist  leicht  verständlich.'') 

Die    Vereinigung    mehrerer    Dekanien     zu    Archidiakonaten*) 


presbyteris  plebium  qiii  baptismales  ecclesias  tenent  et  ininoribus  prenbyteris 
praesunt,  conferri  queunt,  entspricht  dieser  Stufe  der  Entwickelung.  Nur 
darf  man  nicht  aus  ihm  folgern,  dass  alle  Pfarrer  von  Taufkirchen  Krz- 
priester  wurden.  Das  ist  1.  ausgeschlossen  durch  die  oben  S.  717  Anna.  2 
angegebenen  Zahlen  über  das  Bistum  Chur,  und  das  wird  2.  widerlegt  durch 
Ep.  Fuld.  fragm.  16  S.  522:  der  Brief  ist  an  einen  Erzpriester  gerichtet 
und  es  ist  in  ihm  von  den  Taufen  durch  die  Priester  die  Rede.  Es  gab 
also  830 — 840  Priester  an  Taufkirchen,  die  nicht  Erzpriester  waren.  Ekkeh. 
€as.  s.  Galli  c.  124  widerspricht  nicht.  Denn  aus  dieser  Stelle  ergiebt  sich 
nur,  dass  der  Leutpriester,  presbyter  publicus,  von  St.  Gallen  für  den  Be- 
zirk zwischen  (-Joldach  und  Sitter  sinodica  quaeque  praeter  disiunctiones 
toniugum  pro  episcopo  faceret,  d.  h.  ?]rzpriester  war,  und  dass  dagegen  die 
übrigen  P>zpriester  opponierten,  die  nun  als  schamlose  Menschen  verleumdet 
werden.  Wie  .Sägmüller  S.  79  die  Worte:  Qui  feminas  nudatas  aquis  im- 
mergi  impudicis  oculis  curiosi  perspiciant.  auf  Taufen  beziehen  kann,  ist 
mir  nicht  recht  verständlich.  Von  Erwachsenentaufen  kann  doch  im  11.  Jahr- 
hundert keine  Rede  mehr  sein:  es  handelt  sich  natürlich  um  das  Gottes- 
urteil. 

1)  Aus  Walahfrids,  s.o.S.  719  Anm.5,  zitierter  Stelle  ergiebt  sich  das  nicht. 
Dagegen  weisen  f^orm.  Sangall.  31  S.  416  mit  der  Überschrift:  Illo  episco- 
pus  N.  archipresbytero  pagi  ill.  und  Confr.  Sangall.  S.  46:  De  Augnstgaugense 
€unipertus  archipresbytor  allerdings  darauf  hin.  Die  <Taup  waren  bekannt- 
lich von  sehr  verschiedener  Grösse.  Der  Augustgati  gehörte  zu  den  kleinen. 
Man  wird  vornehmlich  an  die  üntergaue  zu  denken  haben,  die  nicht  selten 
mit  den  alten  Hundortschaften  zusammonfiplen.  s.  Schröder.  RG.  S.  122, 
W.  Schultze.  Die  fränkischen  (laiigrafschaften  S.  448. 

2)  Reg.  1.  c.  218  f.  S.  109  f.  Hincm.  Cap.  superadd.  1  Migne  125 
S.  798. 

3)  Vgl.  in  ersterer  Hinsicht  Cap.  112,  15  S.  228;  Syn.  Rotom.  16  Bruns  H 
S.  271  und  die  o.  S.  719  Anra.  5  zitiert«  Stelle  Ekkehards,  in  letzterer  Hin- 
sicht Cap.  255,  3  a.  844  II  S.  256.  Dass  die  Synode  von  Ronen  der  Mitte 
des  7.  Jahrhunderts  angehöre,  ist,  wie  mich  dünkt,  besonders  durch  das 
16.  Kapitel  ausgeschlos-sen,  vgl.  Hefele,  CG.  HI  S.  97.  Ist  sie  aber  dem 
9.  Jahrhundert  zuzuweisen,  dann  wird  man  bei  dem  König  Hlodovens  eher 
an  Ludwig  d.  Fr.  al.H  an  Ludwig  d.  St.  zu  denken  haben. 

4)  Schrödov,  Entwickelung  des  Archidiakonats  S.  40  f.  nimmt  an,  dass 


—     721     — 

scheint  in  Deutschland  im  neunten  Jahrhundert  noch  nicht,  oder 
nur  ganz  vereinzelt  vorgekommen  zu  sein.  Noch  war  es  das  Regel- 
mässige, dass  jeder  Bischof  nur  einen  Archidiakon  hatte:  er  war 
sein  Gehilfe  bei  der  Verwaltung  des  Kirchenguts  wie  bei  der  Hand- 
habung der  kirchhchen  Disziphn.^)  So  war  es  unter  Karl,  so  unter 
Ludwig  d.  Fr.,  so  auch  später.-)  Zur  Unterstützung  der  Bischöfe 
in  den  eigentlich  bischöflichen  Amtsgeschäften  standen  ihnen  in 
grösseren  Diözesen,  besonders  auch  im  Missionsgebiet,  Chorbischöfe 
zur  Seite.-^)  Sie  waren,  wie  es  scheint,  nicht  selten  für  bestimmte 
Bezirke  aufgestellt^)  und  hatten  dort  wahrscheinlich  die  generelle 
Vertretung    des  Bischofs.'^)     Nun    begannen    zwar   im  Westen    des 


erst  durch  Bonifatius  das  Institut  des  Archidiakonats  in  das  Innere  Deutsch- 
lands übertragen  worden  sei.  Das  ist  sehr  wenig  wahrscheinlich.  Vielmehr 
wird  es  überall,  wo  es  geordnete  Diözesen  gab,  auch  einen  Archidiakon 
gegeben  haben.  Denn  es  giebt  keinen  Grund  anzunehmen,  dass  in  Mainz 
oder  Worais  die  Verhältnisse  anders  lagen  als  in  Trier  oder  Metz.  Hier 
ist  der  Ai'chidiakonat  stets  nachweislich,  s.  Schröder  a.  a.  0.,  ebenso  in  dem 
kleinen  Verdun,  s.  Beyer,  ÜB.  I  S.  8  Nr.  6:  Ego  Gisloaldus  archidiaconus : 
er  war  offenbar  eine  allgemein  herrschende  Einrichtung.  Die  sog.  Statuten 
des  Bonifatius  beweisen  nichts,  da  sie  Bonifatius  nicht  angehören,  s.  o. 
S.  235,3. 

1)  In  Bezug  auf  das  Kirchengut  vgl.  z.  B.  Stat.  eccl.  antiq.  17  Bruns  I 
S.  143;  Form.  Flav.  43  f.  S.  480  f.;  in  Bezug  auf  die  Disziplin  Form.  Sal. 
Merk.  64  S.  263;  Stat.  Bonif.^4  und  12  Mansi  XII  S.  383  und  u.  S.  734. 

2)  Der  Indic.  de  arch.  ad  arch.,  Form.  Sal.  Merk.  64  S.  263,  nimmt 
nur  je  einen  Archidiakonus  in  der  Diözese  an.  Er  stammt  aus  der  Königs- 
zeit Karls  und  aus  Westfranken.  Ebenso  weiss  die  Relat.  ep.  von  829  Cap. 
196,  10  II  S.  33  nur  von  einem  Archidiakon:  Ut  unusquisque  episcoporum 
super  suum  archidiaconum  .  .  curam  adhibeat  etc.  Vgl.  ferner  Conc.  Ro- 
tom.  16  Bruns  II  S.  271;  Wendungen  wie  Cap.  II  S.  8  Nr.  187,  Concil. 
Aquisgr.  a.  836  II,  2  c.  4  S.  680  führen  nicht  notwendig  auf  die  Annahme 
mehrerer  Archidiakonate  in  einem  Bistum. 

3)  Sie  erscheinen  als  die  nächsten  untergebenen  der  Bischöfe  Cap.  187 
a.  829  II  S.  8:  Relat.  ep.  a.  829  Cap.  196,  9  II  S.  32;  Syn.  Aquisgr.  a.  836 
II,  2  c.  4  S.  680;  Walahfr.  de  exord.  32  S.  515;  Teilnahme  an  Synoden: 
Mainz  829  Ep.  Fuld.  fragm.  29  S.  530,  Mainz  847  Cap.  248  II  S.  173. 

4)  Ebo  de  min.  Rhem.  eccl.  bei  Sirmond  opp.  IV  S.  350:  Chorepiscopi 
ministerium  est  omnem  sacerdotalem  totius  regionis  sibi  commissae  conver- 
sationem  corrigere  atque  dirigere;  vgl.  Schröder,  D.  Archidiak.  S.  36  f. 

5)  Walahfi'.  de  exord.  32  S.  515:  Sicut  comites  quidam  missos  suos 
praeponunt  popularibus  .  . ,  ita  quidam  episcopi  chorepiscopos  habent,  qui 
in  rebus  sibi  congruentibus,  quae  iniunguntur,  efficiunt.  Hrab.  de  instit. 
cleric.  I,  5  S.  301:  Ch.  vicarii  sunt  episcoporum  .  .  Ordinati  sunt  propter 
pauperum   curam,    qui    in  agris  et  villis  consistunt,    ne  eis  solatium  confir- 

Hauck,  Kirchengeschichte.   II.    2.  Aufl.  46 


722 


Reichs  schon  unter  Ludwig  tl.  Fr.  die  Bestrebungen,  den  Chor- 
episkopat zu  beseitigen.')  Aber  sie  fanden  in  Deutschland  keine 
Zustimnuing;  im  Gegenteil  trat  einer  der  angesehensten  Schrift- 
steller, Hraban.  für  das  Recht  dieser  Einrichtung  in  die  Schranken: 
er  glaubte  sie  bis  in  die  apostolische  Zeit  zurückführen  zu  können.-) 
In  dem  weiten  wendischen  ]Missionsgebict  war  überdies  die  Thätig- 
keit  der  Chorbischöfe  unentbehrlich.  So  kam  es.  dass  während  im 
"Westen  der  Streit  mit  dem  vollen  Sieg  des  Episko])ats  endete,  in 
Deutschland  die  ältere  Einiichtung  fortl)estand.  Es  lassen  sich 
Chorbischöfe  in  den  Diözesen  Mainz,  Köln,  Trier,  Konstanz,  Eich- 
städt,  Salzburg,  Passau,  Regensburg,  Freising  nachweisen.^)  In 
Fi-ankreich  scheint  die  Beseitigung  des  Chorepiskopats  den  Aulass 
zur  Erneimung  mehrerer  Archidiakone  und  damit  zur  Teilung  der 
Diözesen  in  Archidiakonate   gegeben   zu  haben. ^)     In  Deutschland 

mationis  deesset.  Ep.  25  S.  431  f.  spricht  er  auch  für  ihr  Recht  Priester 
und  Diakonen  zu  ordinieren  und  Kirchen  zu  weihen,  überhaupt  reliqua 
sacerdotalis  officii  peragere. 

1)  Vgl.  Weizsäcker,  Der  Kampf  gegen  den  Chorepiskopat,  1859; 
Schröder  a.  a.  0.  S.  37  ff. 

2)  Ep.  25  S.  431  ff.  an  Drogo  von  Metz;  über  die  Datierung  Dümmler 
in  den  Hrabanstudien  S.  38. 

3)  Mainz:  Humbert,  auf  der  Mainzer  Synode  von  829  Ep.  Fuld.  fragm. 
29  S.  530,  später  Bischof  von  Würzburg;  Reginbald,  an  ihn  Hrab.  ep.  30 
S.  448  ff.,  seine  Grabschrift  Poet.  lat.  II  S.  242  Nr.  93;  Diatmar,  Thiotmar 
auf  der  Mainzer  Synode  von  852  Cap.  249  II  S.  185;  Folchard  und  Roginhar, 
ebendaselbst.  Mit  Rücksicht  auf  den  grossen  Umfang  der  Diözese  gewährte 
Stephan  V.  i.  J.  888  Krzbischof  Liutbert  das  Recht  nach  Mainzer  Sitte  Chor- 
bischöfe aufzustellen,  J.W.  3443.  Da  die  Beziehung  auf  die  Metzer  Synode 
zu  Tage  liegt,  so  kann  das  Schreiben  nur  in  dieses  Jahr  gehören.  Köln: 
Hildebert,  gest.  862  Ann.  Col.  br.  z.  d.  J.,  M.G.  Scr.  I  S.  97,  Toet.  lat.  HI 
S.  204.  Trier:  Thegan,  ein  Brief  von  ihm  c.  836  M.G.  Ep.  V  S.  337  Nr.  22; 
nach  dem  Tode  Thietgauds  «69  verwalteten  Chorbischöfe  die  Diözese,  Ann. 
Xant.  z.  d.  J.  S.  233.  Konstanz:  Thioto  unter  Bischof  Salomo  839—871, 
Confr.  Aug.  321,  2;  vielleicht  aiich  Wolfgrin  der  Mainzer  Synode  von  829, 
vgl.  Confr.  Aug.  S.  262,  3S4,  40.  Eichstädt:  (iottabert  und  Suaterloh,  932 
auf  der  Synode  von  Dingolfing,  M.G.  Leg.  III  S.  482.  Salzburg:  Theo- 
dorich, Conv.  Bagoar.  8  S.  9  f.,  Otto  ib.  9  S.  10,  Osbald  ib.,  Confr.  Aug. 
4.34,  3,  vgl.  V.  Gebeh.  2  M.G.  Scr.  XI  S.  26  und  c.  6  S.  38.  Passau:  Anno, 
Alberich,  Madalwin  s.  S.  463  Anm.  6.  Regen.sburg:  Hunric  ^<83,  Ried 
Cod.  Dipl.  I  S.  61  Nr.  62.  Freising:  Sigihart  unter  BLschof  Hitto  811— 834, 
Confr.  Aug.  546,  2;  Uerolf  in  Tannkirchen  bei  Wolfratshausen  um  854, 
Meichelbeck  H.  Fr.  I,  2  S.  351  Nr.  704,  Confr.  Aug.  545,  2;  Kuno,  Meichel- 
beck  I.  2  S.  429  Nr.  982  'von  908.  Wohin  die  Chorbischöfe  Eburaccar  und 
Manno  der  Mainzer  Synode  von  829  gehören,  weiss  ich  nicht. 

4j  Der  8.  Kanon  der  Metzer  Synode    v.  888   bezeichnet  den  Sieg  der 


—     723     — 

folgte  man  dem  französischen  Vorbild  erst  seit  dem  zehnten  Jahr- 
hundert. 

In  dieser  "Weise  Aviu'de  das  Bistum  zu  einem  manchfach  ge- 
ghederten  Organismus.  Man  kann  die  Wichtigkeit  dieser  Neu- 
formationen ,  besonders  die  der  Bildung  der  PfaiTeien  für 
das  Volksleben  kaum  hoch  genug  schätzen.  Ei-st  seitdem 
jedermann  einem  bestimmten  Priester  als  seinem  Seelsorger  gegen- 
überstand, war  es  möghch,  dass  sich  jenes  Bewusstsein  bildete, 
das  Otfiid  einmal  ausspricht:  Wie  viel  wert  ist  es,  dass  Gottes 
Hirten  uns  leiten.^)  Und  bis  auf  diesen  Tag  ist  es  der  Pfarrer, 
dm'ch  dessen  Arbeit  fast  allein  die  Kirche  ihren  Einfluss  auf  das 
Volk  ausübt. 

Die  Bestimmungen  der  Aachener  Synode  von  836-)  und  die 
Visitationsiragen  bei  Regino  von  Prtim'^)  machen  es  leicht,  eine 
Voi'stellung  von  dem  Leben  und  der  Thätigkeit  eines  Pfan-ers  des 
neunten  Jahrhunderts  zu  gewinnen.  Er  stand  den  Laien  als  Glied 
eines  besonderen  Standes  gegenüber.  Schon  durch  die  regelmässig 
getragene  priesterliche  Kleidung  unterschied  er  sich  von  ihnen. 
Seine  Wohnimg  hatte  er  in  der  Nähe  der  Kii'che;  täglich  um  neun 
Uhr  las  er  die  Messe,  ausserdem  war  er  vei'pfliclitet,  die  kanoni- 
schen Gebetsstunden  einzuhalten  und  durch  das  Läuten  der  Glocke 
das  Volk  an  sie  zu  erinnern. 

Als  seine  wichtigste  Pflicht  betrachtete  man  die  Unterweisung 
der  Gemeinde:  er  sollte  regelmässig  predigen,  d.  h.  er  hatte,  nach- 
dem Evangehum  und  Epistel  durch  einen  Kleriker  verlesen  waren, 
den  Wortsinn  der  Lektionen  zu  erläutern.*)     Es    lag    ihm  ob,   die 


Gegner  des  Chorepiskopats,  indem  das  pseudoisidorische  Urteil  über  den- 
delben  hier  wiederholt  wird:  luxta  decreta  Damasi  papae  {=  Pseudo- 
Damas.  19  Hinschius  S.  509  ff.),  Innocentii  (ep.  25  Coust.  I  S.  608,  der 
Papst  spricht  von  den  Presbytern)  et  Leonis  (?  Mansi  ep.  119  S.  240) 
vacuum  est  atque  inane  quidquid  in  summi  sacerdotii  chorepiscopi 
egerunt  ministerio,  et  quod  ipsi  iidem  sint,  qui  et  presbyteri  (Mansi  XVIII 
S.  80).  Sobald  dies  Urteil  sich  durchsetzte,  musste  der  Chorepiskopat  ver- 
schwinden. 

1)  Krist.  I,  28,  9  f.  S.  131. 

2)  n,  2  c.  5.  S.  631  f. 

3)  Notitia,  quid  episcopus  vel  eius  ministri  in  sua  synodo  diligenter 
mquirere  debeant  per  vicos  publicos  sive  villas  atque  parochias  propriae 
dioecesis.  S.  19  ff. 

4)  Regln.  §  84  S.  25:  Si  epistolam  et  evangelium  bene  legere 
possit  atque  saltem  ad  literam  eius  sensum  manifestare;  Syn.  Altheim.  5 
S.  556. 

46* 


—     724     — 

Gemeinde  zur  Teilnahme  am  gottesdienstlichon  Loben  /ii  erziehen: 
zu  diesem  Zweck  hatte  er  sie  ühor  die  Ptiicht  der  Sonntagsruhe 
und  di-r  Aufmerksamkeit  auf  die  Predigt  zu  belehren;  am  Ascher- 
mittwoch forderte  er  sie  zur  Beichte  auf,  an  Weihnachten,  Ostern 
und  Ptingsten  lud  er  sie  zur  Teilnahme  am  heiligen  Abendmahl 
ein:  die  Heiligenfeste  und  das  Quatemberfasten  kündigte  er  an. 
Er  feierte  mit  ihr  die  Bittgänge  in  der  Himmelfahrtswoche  und 
andere  Prozessionen. 

Aber  damit  waren  seine  Pflichten  nicht  erfüllt :  er  galt  als 
verantwortlich  für  das  Heil  eines  jeden  Gemeindeghedes.  Starb 
ein  Kind,  ohne  die  Taufe  erhalten  zu  liaben,  so  wurde  dem  Pfarrer 
daraus  ein  Vorwurf  gemacht.')  Ebenso  hatte  er  Sorge  zu  tragen, 
dass  alle  Kinder  zur  rechten  Zeit  zur  Firmung  kamen.  Es  war 
seine  Aufgabe,  die  Gefirmten  zu  untemchten.  Diese  Unterweisung 
schloss  sich  an  das  Vaterunser  und  Symbol  an.-)  Deshalb  ge- 
hörte eine  Erklärung  dieser  Stücke  überall  zur  Kirchenbibliothek. ") 
Geriet  ein  Gemein deghed  auf  Abwege,  so  musste  er  suchen,  es 
auf  den  rechten  AVeg  zurückzuführen.  Fremde  und  Arme  wandten 
sich  au  ihn  um  Hilfe;  er  musste  stets  bereit  sein,  sie  an  seinem 
Tische  zu  speisen.  Besonders  waren  die  Kranken  seiner  geistlichen 
Ptlege  anvertraut:  er  betete  mit  ihnen,  nahm  ihnen  die  Beichte  ab 
und  erteilte  ihnen  che  Sallning  mit  dem  geweihten  Ol;  sah  er,  dass 
es  mit  einem  Kranken  zu  Ende  ging,  dann  sollte  er  ihm  das  h. 
Abendmahl  reichen  und  seine  Seele  Gott  befehlen,  den  Leib  aber 
chi-istlich  bestatten.  Alles  dies  wurde  als  einfache  Erfüllung  der 
Amtsi)flicbten  angesehen;  es  galt  deshalb  als  Unrecht,  wenn  der 
Pfarrer  Bezahlung  dafür  forderte  oder  annahm. 

Ausserdem  hatte  er  für  die  Kirche  und  di(^  Verwaltung  des 
Kirchengutes  Sorge  zu  tragen:  jene  sollte  in  gut<'m  baulichen 
Stand  erhalten  werden;  die  Altäre  sollten  reiidich  und  würdig  be- 
deckt sein,  Abendmahlsgefässe  und  andere  kirchliche  Geräte^)  gut 


1)  Schwifirigkeiten  erwuchsen  daraus,  dass  man  an  den  aUkirchlichen 
Taufzeiten  glaubte  festhalten  zu  müssen.  So  viel  ich  sehe,  haben  die  Ge- 
meinden die  Aufgabe  dieses  Gebrauchs  erzwungen,  vgl.  ep.  ?\ild.  fragm.  Ifi 
S.  .522. 

2)  Vgl.  Wiegand,  Die  Stellung  des  apostol.  Symbols  im  kirchl.  Leben 
des  MA.  S.  261  ff. 

3)  Auch  das  sog.  Athanasianum  sollte  er  auswendig  wissen,  und 
im  Stande  sein,  dasselbe  verbis  communibus  enunciare  (Regln.  §  86 
S.  25). 

4)  Als  Ki rohen goräte  erscheinen  bei  Regino:  1.  die  Glocken  '§  2);  da 
der  Visitator  sich  zu  vergowissern  hat,  aus  welchem  Metall  sie  sind  (Regln. 


—     725     — 

vei'wabrt  und  trei  ^on  Staub  und  Schmutz  erhalten  werden.  Das 
Pfarrgut ^)  gewährte  dem  Pfründebesitzer  ein  sicheres  Einkommen; 
aber  es  sollte  nicht  dem  Privatvorteil  des  jeweiligen  Inhabers 
dienstbar  gemacht  werden:  es  galt  als  Unrecht,  wenn  ein  Pfan-er 
reich  wurde:  mehr  als  jeder  andere  Christ  war  er  zm'  Wohlthätig- 
keit  verpflichtet.-) 

Es  ist  nicht  anzunehmen,  dass  dies  ein  nirgends  verwirklichtes 
Idealbild  ist;  geii\dssen hafte  Pflichterfüllung  gab  es  im  neunten  Jahr- 
hundert ohne  Zweifel  ebenso  wie  zu  jeder  anderen  Zeit.^)  Gewiss 
ist  freilich  auch,  dass  nicht  alle  Pfarrer  diesen  Anforderungen  ent- 
sprachen. Gerade  die  Visitationsfi'agen  zeigen,  dass  es  nicht  an 
Pi'iestern  fehlte,  die  sehr  ungeistlich  lebten,  ihre  Zeit  auf  der  Jagd 
und  in  Wirtshäusern  zubrachten,  den  Voi'\sau-f  der  Unkeuschheit 
auf  sich  luden  und  durch  ihr  Thun  und  Lassen  bewiesen,  dass  sie 
bei  der  Ausrichtung  ihres  Amtes  nur  sich  selbst  dienten.  Besonders 
die  Priester  an  Eigenkirchen  standen  in  schlechtem  Rufe:  das  per- 
sönliche Abhängigkeitsverhältnis,  in  dem  sie  sich  befanden,  brachte 
viele  Schwierigkeiten  mit  sich,  und  nicht  jeder  Kleriker  war  der 
Mann,  seine  eigene  Würde  und  die  seines  Standes  unverletzt  zu 
wahren.*)  Aber  es  wäre  Unrecht,  dies  als  Regel  zu  betrachten. 
Am  wenigsten  lässt  sich  daran  zweifeln,    dass  in  den  meisten  Ge- 


§  2  S.  19),  so  hat  man  an  solche  aus  Eisen  oder  Erz  zu  denken.  Eine 
Glocke  mit  einer  Inschrift,  die  den  Auftraggeber,  Abt  Harbert,  und  den 
Giesser,  Paternus,  nennt  in  Laubach  Folc.  Gest.  abb.  Lob.  12  M.G.  Scr.  IV 
S.  60.  2.  Der  Altar  mit  seinen  indumenta  (§  4).  3.  Kreuze  (§  5).  4.  Reli- 
quienkapseln (§  5\  5.  Kelch  und  Patene  (§  6).  6.  Ein  Wassergefäss,  in 
welchem  der  Priester  sich  die  Hände  wäscht  {§  8).  7.  Die  Pixis  mit  der 
Hostie  (§  9).  8.  Missale,  Lektionar  und  Antiphonar  (§  10).  9.  Die  sonstigen 
Bücher  (§  11,  82,  86,  94—96).  10.  Die  Priestergewänder  und  ein  Schrein 
zu  ihrer  Aufbewahrung  (§  12).  11.  Lichter  und  zwar  Kerzen  (§  13,  74). 
12.  Weihrauchbecken  (§  32).  13.  Weihwassergefäss  (§  36).  14.  Taufbecken 
in  Ermangelung  eines  Taufbrunnens  (§  54). 

1)  Regin.  not.  14 f.  S.  20:  Investigandum  si  habeat  ipsa  ecclesia 
mansum  habentein  bonoaria  duodecim  praeter  cimiterium  et  curtem,  ubi 
ecclesia  et  domus  presbyteri  continetur  et  si  habeat  mancipia  quatuor? 
Quot  mansos  habeat  ingenuiles  et  quot  serviles  aut  accolas,  unde  decima 
reddatur. 

2)  Conc.  Mog.  a.  847  Cap.  248,  13  S.  179  f. 

3)  Vgl.  die  Schilderung  Hrabans  über  die  Amtsführung  des  Mainzer 
Reginald  ep.  40  S.  478. 

4)  Vgl.  die  Schüderung  Agobards  ep.  11,  11  M.G.  ep.  V  S.  203;  die 
Klage  eines  Priesters  Atto  über  die  ihm  widerfahrene  Behandlung  ib. 
S.  339  Nr.  25. 


—    72r,     — 

nieindon  zioiulicli  regclinässig  gepredigt  wurde.')  Messe  und  Predigt 
stehen  wohl  nebeneinander.^) 

Was  man  als  den  notwendigen  Inhalt  der  Predigt  betrachtete, 
zeigt  der  Brief  Hrabans  an  Haistulf  von  Mainz,  der  als  eine  Art  Vor- 
wort an  die  Spitze  seiner  Honiiliensamnilung  gesteUt  ist.  Ich  habe, 
so  schreibt  er,  Reden  für  die  Volkspredigt  vollendet,  die  alles  be- 
handeln, was  meines  Erachtens  der  Gemeinde  notwendig  ist,  näin- 
hch  zunächst,  wie  man  die  christlichen  Hauptfeste  begehen  soll: 
frei  von  irdischer  Arbeit  soll  mau  sich  dem  Worte  Gottes  widmen, 
und  seinen  Willen  erkennend,  soll  man  bestrebt  sein,  ihn  auch  mit 
der  That  zu  vollbringen.  Damit  habe  ich  Predigten  über  die  ver- 
schiedenen Tugenden  verbunden,  über  Glaube,  Hoftuung,  Liebe, 
Keuschheit,  Massigkeit  und  andere  Tugenden,  wie  man  nach  ihnen 
streben  und  sie  bewahren  und  dadurch  Gott  gefallen  und  das 
ewige  Leben  empfangen  könne.  Daran  schliessen  sich  Keden  über 
die  mancherlei  Verführung  zu  Irrtum  und  Laster,  womit  der  alte 
Feind  das  Menschengeschlecht  betrügt  und  verführt,  dass  die  Schafe 
Christi  wissen,  wie  sie  dem  Anfall  des  wilden  Wolfes  entfliehen  und 
sich  vor  ihm  hüten  können.^) 

Ahnhche  Gesichtspunkte  werden  überall,  wo  selbstständige 
Predigten  gehalten  wurden,  bestimmend  gewesen  sein.^)  Erhalten 
sind  ausser  den  Predigten  Hi*abans  und  vielleicht  Haimos  ^')  nur  etliche 


1)  Vgl.  Concil.  V.  Aach.  (836)  II,  11  S.  679;  II,  2  c.  h  S.  681.  Mainz 
fa.  847)  c.  2  S.  176.  Hohenalth.  c.  5  M.G.  Leg.  II  S.  556.  Regln.  I,  c.  204  f. 
S.  103  ff.  Hraban  an  Humbert  von  Würzburg  (oben  S.  638  Anm.  1);  Christ, 
expos.  in  Matth.  9  S.  1302;  36  S.  1374  u.  ö.  Heliand  v.  1857  ff.  S.  132  (ed. 
Sievers).  Hier  auch  das  Wort:  Seola  bisuorgon.  Form.  Senon.  rec.  17 
S.  220:  Si  praedicare  liceat,  si  emendare,  si  corrigere,  si  erigere  eccleaüs, 
si  confirmare  aut  baptizare  aut  poenitentiam  dare. 

2)  Agob.  ep.  11,  11  S.  204:  Derelinquunt  frequenter  publica  officia  et 
predicamenta. 

3)  Kp.  6  S.  301. 

4)  Vgl.  Conc.  Mog.  (a.  847)  c.  2  S.  176,  niich  c.  17  dor  Synode  von 
Tours  (a.  813).  Stärker  tritt  das  Dogmatische  hervor  bei  Regino  I,  205 
S.  103  f.,  entnommen  aus  Karls  admonit.  general.  (cap,  3!^,  S2  S.  61  f.)  bez. 
w.  aus  Ansegis  I,  76  S.  404.  Was  Rimbert  (v.  Ansk.  37  S.  72  über  Ans- 
kar«  Predijjton  sagt,  mag  hier  angeführt  wordon,  da  es  die  moralisierende 
Art  der  Predigt  des  neunten  .Jahrhunderts  kennzeichnet:  Sermo  praedica- 
tionis  illius  multa  suavitate  profusus,  partim  erat  horribilis,  ut  certo  pro- 
baretur  indicio  infusione  spiritali  verba  eius  moderari,  quo  miscens  terrori- 
bu8  blandimentÄ,  vim  divini  iam  praetenderet  iudicii,  in  quo  veniens  dominus 
et  terribiiis  peccatoribus  et  blandus  apparobit  instis. 

5)  Die  unter  Haimos  Namen  prhaltenen  Ilomilien  harren  noch  einer 
Unterauchung.     Hrabans  Predigten  besass  man  in  Würzburg  s.  ep.  26  S.  439. 


Lobreden    auf    Heilige,    die    an    den    Festen    derselben    verlesen 
wurden.^) 

Neben  der  Predigt  diente  die  Beichte  der  seelsorgerlichen  Ein- 
wirkung des  Priesters  auf  die  Gemeindeglieder.  Gerade  hier  ist  die 
Annahme  berechtigt,  dass  was  in  Karls  Zeit  Forderung  war,-)  im 
Laufe  des  neunten  Jahrhunderts  herrschende  Sitte  wurde.  Denn 
kaum  eine  zweite  kirchliche  Handlung  entsprach  so  sehr  der  religiösen 
Kichtung  der  Zeit:  dem  Nebeneinander  von  Sündenbewusstsein  und 
von  Wertschätzung  der  eigenen  Leistung,  das  man  überall  bemerkt. 
Man  war  der  Überzeugung,  dass  ein  Priester,  der  treulich  an  der 
Bekehrung  der  Sünder  arbeite,  dadurch  sich  selbst  den  besten  Dienst 
thue,  er  bedecke  seine  Sünden  und  erwerbe  sich  ewige  Herrlichkeit.^) 
Die  Priester  selbst  aber  erkannten  darin  die  höchste  Gabe  ihres 
Amtes,  dass  sie,  die  Sünder,  zu  ^Mittlern  bestellt  seien,  um  für  die 
Bussfertigen  einzutreten.*) 

Wie  wir  sahen,  gehörte  es  zu  den  Amtspflichten  der  Pfarrer, 
am  Beginn  der  Fastenzeit  zur  Beichte  einzidaden.'^)  Diese  Auf- 
forderung richtete  sich  zunächst  an  diejenigen,  welche  sich  einer 
Todsünde  bewusst  waren,  dehnte  sich  dann  aber  auf  alle  aus,  denen 
ihr  Gewissen  irgend  eine  Sünde  vorhielt.*^)  Nach  dem  ursprünglichen 
Gedanken  sollte  das  Sündenbekenntnis  von  dem  Beichtenden  frei 
abgelegt  werden;  die  Fragen  des  Priesters  sollten  ihn  nur  unter- 
stützen. Das  liess  sich  nicht  durchführen.  Wenn  man  die  von 
Regino  gegebene  Form  der  Beichthandlung  als  tj-pisch  betrachten 
darf,    so  wurden   die  Fragen   des  Priesters    unerlässlich;   jedenfalls 


1)  Katbod  von  Utrecht  über  Suitberct,  Lebuin  u.  Amalberga, 
Migne  132. 

2)  S.  oben  S.  250—253. 

3)  Vgl.  die  sehr  bezeichnenden  Darlegungen  in  der  Vorrede  des  Poenit. 
Bigot.  (Wasserschieben,  Bussordnungen  S.  444):  Dicit  scriptura  divina: 
Quia  qui  convertit  peccatorem  ab  errore  viae  suae,  salvabit  animam  suam 
a  morte  et  cooperit  multitudinem  peccatorum  suorum.  .  .  Discant  sacer- 
dotes  domini,  qui  ecclessiis  praesunt,  quia  pars  eins  data  est  cum  his,  quo- 
rum  delicta  repropitiaverint.  Quid  autem  repropitiare  delictum?  Si  ad- 
sumseris  peccatorem  et  monendo,  hortando,  docendo,  instruendo  adduxeris 
eum  ad  poenitentiam  ab  errore  coercens  a  vitiis  emendaveris  et  effeceris 
eum  talem,  ut  ei  converso  propitius  fiat  Deus,  pro  delicto  propitiare  diceris. 
Cum  ergo  talis  sis  sacerdos  et  talis  sit  doctrina  tua  et  sermo  tuus,  pars  tibi 
datur  eorum,  quos  correxeris,  ut  et  illorum  interitus  marcescit  et  illorum 
Salus  tua  sit  gloria. 

4)  So  in  dem  Gebet  vor  der  Beichte  bei  Regino  I,  303  S.  140. 

5j  S.  Regino,    Notit.    §  59    S.   23,    u.    vgl.    conc.  Aquisgr.  II,    2    c.  5 
S.  681. 

6)  Regin.  I,  292   S.  135. 


—     728     — 

gewannen  sie  einen  viel  breiteren  Raum,  als  sie  anfangs  hatten.') 
Das  Sündenbekenntnis  scliloss  mit  dem  an  Gott  gerichteten  Gebet 
um  Vergebung  nnd  mit  der  an  den  Priester  gericliteten  Bitte  um 
seine  Intercession.  Es  wurde  gewöhnhcb  vor  dem  Altar  abgelegt.'") 
Darauf  sjn-aeh  der  Priester  ein  Beichtgebet  und  versicherte  endlich 
dem  Kontitenten  die  Vergebung,  indem  er  sie  ihm  zuwünschte.  Der 
allmächtige  Gott,  lautet  Reginos  Formel,  sei  dein  Helfer  und  Schützer 
und  gewähre  dir  Vergebung  deiner  Sünden,  der  vergangenen,  gegen- 
wärtigen und  zukünftigen.'') 

Für  jede  gebeichtete  Sünde  wurde  eine  entsprechende  Fi-ist  als 
Busszeit  l)estinmit.  Während  derselben  war  der  Sünder  zu  gewissen 
Bussleistungen  verpflichtet:"*)  er  galt  jedoch  nicht  als  aus  der  Ge- 


1)  Regin.  I,  304  S.  142:  Vidensautemeum  sacerdos  verecundantem  rursum 
prosequatur:  Fortassis,  carrissime,  non  omnia,  quae  gessisti  ad  memoriam 
modo  veniunt.  Ego  te  interrogabo.  Tu  cave,  ne  diabolo  suadente  aliquid 
celare  praesumas.  Et  tunc  eum  ita  por  ordinem  interroget:  Fecisti  homi- 
cidium?  etc.  Hiemit  ist  zu  vergleichen  Thedoiilfi  cap.  II  S.  219;  hier  die 
ausdrückliche  Mahnung:  Non  omnia  crimina  debet  ei  innotescere,  quia  multa 
vitia  recitantur  in  poenitentiali,  quae  non  decet  hominem  scire. 

2)  Vgl.  Cap.  196,  53  S.  43:  Id  nonnisi  in  ecclesia  coram  sancto  al- 
tari  .  .  faciant. 

3)  Regino  I,  304  S.  148. 

4)  In  welcher  Weise  die  Busszeiten  beobachtet  wurden,  lernt  man  aus 
Valicell.  II  c.  46  S.  564:  Post  hoc  expositum  patres  nostri  consideraverunt 
imbecillitatem  poenitentium  et  quia  post  his  temporibus  non  est  talis  fervor 
penitentiae,  qualis  antiquitus  erat,  quando  canones  efficiebantur.  .  .  Hoc 
variaverunt,  ut  qui  annum  nnuin  erat  in  pane  et  aqua,  inter  ipsuni  pnniten- 
tialom  annum  I  diem  ebdomade  duceret  penitens  in  p.  e.  a. ;  cetoris  vero 
de  medioeriter  penit. ,  .  .  atque  eo  modo  simul  mixtos  compleat  penitens 
Huos  annos.  Simili  modo  de  duobus  annis  i.  p.  e.  a. ,  I  dies  in  ebdomada, 
et  de  tribus  annis  i.  p.  e.  a.  II  dies  in  ebdom.,  ut  simul  mixtos  conplerentur 
ponitentia  annum  levius.  Vgl.  Conc.  Mogunt.  (a.  847)  c.  31  8.  184;  (852) 
c.  10  t.  S.  1^9.  Wie  allgemein  die  Vertauschung  der  Buaszeit  mit  Husa- 
leistungen  war.  zeigt  Ps,  Theod.,  de  poenit.  divers.  S.  621:  Logimus  in 
poenitentiali,  pro  criminalibus  culpis  annum  I  aut  II  .  .  poenitentiam  agere 
in  pane  et  aqua.  .  .  Sed  haec  causa  et  ardua  et  difficilis  est  et  istis  iam  tem- 
poribus id  suadere  poenitentibiia  non  possumus.  (Hei  Cummean  lautot  die 
entsprechende  Stelle  noch:  Apud  aliquos  haec  causa  gravis  ot  ardua  vidotur. 
Tdeo  alii  statuunt  etc.  S.  463).  Et  ideo,  qui  ita  non  potest,  consilium  da- 
raus, ut  unusquisque  poenitenti  in  alii«  jtiis  operibus,  quantum  potest, 
suadeat  diluere  peccata  sua.  i.  e.  in  orationibus  et  psalmis  ac  vigiliis  et 
elomosini«  et  assiduis  lamontationibns.  .sive  in  oruce  stando  ac  saepius  flec- 
tpndo  gonua  nee  non  et  in  susceptione  pauperum  et  peregrinorum,  et 
ieiunet.     Regin.  II,  c.  446—454  S.  389  ff. 


—     729     — 

meiude  ausgeschlossen.  Man  war  sich  der  Abweichung  von  der 
altkirchhchen  Sitte,  die  hierin  lag,  bewusst,  sah  aber  in  ihr 
durchaus  kein  Unrecht.-^)  Bei  der  Beichte  in  Todesnot  sollte  ganz 
von  der  Auflegung  einer  Busse  abgesehen  werden.  Denn  der  Ster- 
bende sollte  mit  dem  vollem  Trost  der  Absolution  von  hinnen 
scheiden.-) 

Welchen  Wert  man  auf  das  regelmässig  wiederholte  Sünden- 
bekenntnis legte,  tritt  besonders  in  der  Ausbildung  der  sogenannten 
ofienen  Schuld  hervor.  Auf  die  sonntägliche  Predigt  Hess  man  ein 
Sündenbekenntnis  und  die  Absolution,  in  Verbindung  damit  Avohl 
auch  Glaube  und  Vaterunser  folgen.  Alle  diese  Stücke  wurden  in 
deutscher  SjDrache  gesprochen.  In  den  lateinischen  Messgottesdienst 
war  somit  ein  bedeutender  deutscher  Bestandteil  eingefügt.  Die 
erhaltenen  Formeln  der  offenen  Schuld  sind  sämtlich  jünger.  Aber 
es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  die  Ausbildung  dieser  gottes- 
dienstlichen Form  dem  neunten  Jahrhundert  angehört.  Ihre  Hei- 
mat war  das  südöstliche  Deutschland.'') 

Wer  möchte  leugnen,  dass  die  Durchführung  der  Beichte  Be- 
weis eines  sittlichen  Ernstes  ist,  der  Bewunderung  verdient?  Allein 
die  bedenklichen  Seiten,  welche  von  dieser  Einrichtung  uuablösbar 
scheinen,  traten  doch  sofort  hervor.  Ganz  abgesehen  von  der,  man 
gestatte  das  Wort,  Roheit  des  Eindringens  in  das  geheimste  Leben 
des  Nächsten,  musste  das  Fragen  und  Forschen  nach  möglicher- 
weise begangenen  Sünden  in  vielen  Fällen  zur  Versuchung  werden, 
sie  wirkhch  zu  begehen.     Das  hat  schon  Theodulf  von  Orleans  be- 


1)  Poenit.  Merseb.  c.  117  (Wasserschieben  S.  403):  Secundum  canones 
poenitentes  non  debent  communicare  ante  completam  poenitentiam.  Nos 
autem  pro  misericordia  post  annum  vel  post  YI  menses  licentiam  damus 
communicandi.  Ebenso  Vindob.  c.  86.  Ps.  Theod.  c.  26  S.  610;  29,  4 
S.  612.  Cummean.  c.  14,  6  S.  492;  vgl.  Ps.  Gregor,  c.  11  S.  541.  Be- 
zeichnend dafür,  wie  ernstlich  man  Exkommunikationen  zu  vermeiden  strebte, 
ist  auch  Cap.  242,  6  a.  860  II  S.  155. 

2)  Conc.  Mog.  a.  847  Cap.  248,  26  II  S.  182. 

3)  Ich  verweise  über  diese  Einrichtung  auf  die  Darlegungen  Scherers 
(MüllenhofF  u.  Seh.,  Denkmäler  S.  592  ff.).  Die  erhaltenen  Formeln  ge- 
hören dem  11.  und  12.  Jahrhundert  an  (1.  c.  Nr.  87—97  S.  220  ff.).  Der 
Beweis  für  das  hohe  Alter  der  Institution  liegt  in  den  oben  S.  463  er- 
wähnten altslawischen  Denkmälern.  Ist  der  dort  angenommene  Ursprung 
derselben  richtig,  so  muss  die  offene  Schuld  in  Baiern  schon  im  9.  Jahr- 
hundert üblich  gewesen  sein.  Dass  ihre  Entstehung  über  Karls  Zeit  zurück- 
reicht, halte  ich  nicht  für  wahrscheinlich.  Die  Stelle  der  offenen  Schuld 
nahm  anderwärts  eine,  ohne  Zweifel  ebenfalls  deutsche,  Gebetsvermahnung 
ein  (s.  Regino  I,  192  S.  98  f.). 


—     730     — 

merkt.')  Und  wie  oft  imisste  es  zu  Gewisseiisbedeiiken  darüber 
tülüvii.  ol)  mau  nicht  die  Sünde  vielleiclit  doch  begangen  habe.-) 
Dann  bot  die  Beiclite  nicht,  wie  sie  sollte,  Trost,  sondern  Qual. 
Man  versteht,  dass  die  Pariser  Synode  von  829  den  Priestern  ans 
Herz  legte,  dass  sie  in  verständiger  AVeise  nach  den  Sünden  der 
Beichtkinder  forschen  sollten.^)  Aber  beim  Blick  auf  die  Litteratur 
der  Bussbücher  kann  man  nur  schwer  glaul)en,  dass  diese  Mahnung 
viel  nützte.  Die  Bedenken,  welche  wir  Protestanten  gegen  die 
Verhängung  der  Pönitcnzen  hegen,  lagen  völlig  ausserhalb  des  Ge- 
sichtskreises des  neunten  Jahrhunderts.  Es  waren  andere  Schwierig- 
keiten, die  man  bei  der  Bestimmung  der  Bussfristen  fand.  Sie 
entsprangen  den  verschiedenen  Ansätzen  der  Bussbücher.  Wie 
früher  erwähnt  wurde,  erklärte  sich  die  Synode  v(m  Ohalon  s.  S. 
gegen  die  Bussbücher  überhaupt.'*)  Zunächst  meinte  man,  auf 
diesem  Standpunkt  beharren  zu  können.  Die  Pariser  Synode  von 
829  wiederholte  die  Verwerfung  der  Pönitentialien.  indem  sie  be- 
schloss,  die  Bischöfe  sollten  sie  sich  überge})en  lassen  und  ver- 
brennen. Sie  selbst  sollten  ihre  Kleriker  über  das  kanonische  Mass 
der  Busse  unterrichten. •'"')  Aber  war  ein  solcher  Beschluss  durch- 
führbar? Die  kanonischen  Bestimmungen  waren  in  einer  Menge 
von  Synodalbeschlüssen  und  Väterstellen  zerstreut.  Unmöglich 
konnte  man  von  den  Pfarrern  ihre  Kenntnis  erwarten,  wenn  man 
ihnen  nicht  eine  Samndung  derselben  in  die  Hand  gab.  Dem- 
gemäss  musste  sich  der  Gedanke  aufdrängen,  dass  es  vor  allem  not- 
wendig sei,  ein  Bussbuch  aus  anerkannten  Quellen  herzustellen. 
Wie  nahe  er  lag,  sieht  man  daraus,  dass  er  von  verschiedenen 
Männern  ungefähr  gleichzeitig  ergriHen  wurde.  Ebo  von  Rheims 
trug  sich  eine  Zeit  laug  mit  dem  Plan,  ein  offizielles  Bussbuch  zu 


1)  Theod.  I  S.  219. 

2;  Stellen  wie  Poen.  Valicell.  11,  22  S.  559  lassen  ahnen,  wie  geftlhr- 
ich  die  Beichtpraxis  werden  konnte:  Si  aliquis  in  se  vel  jtarvnni  rocela- 
verit  peccatuni,  sciat  se  exinde  ratione  rodituros  secundiim,  iUud,  qiiod  do- 
minus de  verbo  otioso.  quanto  magis  nos,  si  plura  peccata  vol  crimina,  que 
conainiaimus,  recelaverimus,  quia  scriptum  est:  Nulluni  peccatum  inultum 
dimittit  Dens,  h.  e.  sine  vindictam.  (.^uodsi  non  iudicareniur  liic  per  peni- 
tentiam,  iudicat  illam  Deus  per  veritatoni  in  iudicio.  Nam  et  de  satis- 
factione  dicit:  Quacunquo  hora  conversus  fuerit  peccator  ad  penitontiam, 
omnia  peccata  eius  in  oblivione  traduntur. 

3)  C.  32  S.  560:  Presbyteri  imperiti  solerti  studio  ab  episcopis  suis 
instruendi  sunt,  qualiter  et  contitentium  peccata  discrete  inquirere  eisque 
coDgruum  modum  .  .  poenitentiae  noverint  imponere. 

4)  S.  oben  S.  253,  Anm.  1. 

5)  C.  32  S.  559. 


—     731     — 

verfassen.  Er  selbst  führte  ihu  nicht  aus,  aber  er  regte  Hahtgar 
von  Cambrai  an,  ihn  zu  verwirklichen.^)  In  Deutschland  hatte 
Otgar  von  Mainz  denselben  Gedanken:  er  forderte  Hraban  auf,  ein 
Bussbuch  nur  aus  Synodalbeschlüssen  und  Sentenzen  der  Väter 
zusammenzustellen.-)  Aus  den  gleichen  Erwägungen  sind  zwei 
anonyme  Sammlungen  von  Busssatzungen  hervorgegangen.^)  Die 
Absicht  war  stets  die  Verschiedenheit  in  der  Bestimmung  der  Buss- 
zeit zu  beseitigen  und  alle  Willkür  dabei  auszuschhessen ,  indem 
man  nur  aus  kirchlich  anerkannten  Quellen  schöpfte. 

Aber  indem  man  diesen  Gedanken  ausführte,  erwies  er  sich 
als  unausführbar.  Die  Stellen,  welche  Hraban  in  seinem  Pöni- 
tentiale  zusammentrug,  waren  freilich  sämthch  älteren  Konzilien - 
beschlüssen,  den  apostolischen  Kanon  es  und  päpsthchen  Schreiben 
entnommen.  Aber  sie  enthalten  zum  grossen  Teile  keine  Bestim- 
mungen über  die  Busszeit,  sondern  sprechen  nur  die  Verwerf hchkeit 
der  betreffenden  Sünde  aus.  Dies  Pönitentiale  konnte  also  die 
älteren  nicht  ersetzen.  Hraban  selbst  hat  dies  Urteil  ausgesprochen, 
indem  er  in  seinem  zweiten  für  Heribald  von  Auxerre  bearbeiteten 
Bussbuch  Bestimmungen  aus  älteren  Bussbüchern  aufnahm.*)  Und 
sein  Urteil  hat  die  Mainzer  Synode  von  847  bestätigt,  indem  sie 
als  massgebend  fiü-  das  priesterliche  Urteil  die  kirchhche  Gewohn- 
heit neben  den  Kanones  nannte.^) 

Die  gleiche  Erfahrung  wie  Hraban  machte  Hahtgar.  Dadui'ch 
dass  er  seinem  Werke  ein  angeblich  römisches  Pönitentiale  bei- 
fügte,^) sprach  er  aus,  dass  seine  Arbeit  ohne  diese  Ergänzung  den 
praktischen  Bedüi"fnissen  nicht  genüge. 


1)  Ep.  ad.  Halitg.  M.G.  Ep.  V  S.  616  Nr.  2  c.  830,  vgl.  Friedberg,  P. 
RE.  m-^  S.  583. 

2)  Hrab.  ep.  32  S.  462  v.  842. 

3)  Die  sog.  Collectio  Dacheriana  und  eine  coli.  Vaticana,  s.  Schmitz, 
D.  Bussbücher  I  S.  715  ff'. 

4)  Opp.  IV  S.  467  ff.;  benützt  ist  das  Poenit.  Egberti  (c.  18  S.  484  f.) 
und  Theodori  (c.  30  S.  491). 

5)  C.  31  S.  911. 

6)  Vorrede  S.  693 :  Addidimus  huic  operi  .  .  poenitentialem  Romanum 
alterum,  quem  de  scrinio  Romane  ecclesiae  adsurapsimus,  attamen  a  quo 
sit  editus  ignoramus:  idcirco  adnectendum  praescriptis  canonum  sententiis 
decrevimus,  ut  si  forte  haec  probatae  sententiae  alicui  superfluae  sint  visae, 
aut  penitus,  quae  desiderat,  ibi  de  singulorum  criminibus  nequiverit  inve- 
nire,  in  hac  saltem  brevitate  novissima  omnium  scelera  forsitan  inveniet 
explicata.  Wie  man  sieht,  lässt  diese  Selbstkritik  an  Aufrichtigkeit  nichts 
zu  wünschen  übrig.  Halitgar  erkannte,  dass  seine  Sammlung  nicht  brauch- 
bar sei;  um  sie  dazu  zu  machen,   sah  er  sich  genötigt,   zu  den  alten  Buss- 


( .• 


32 


Es  ist  liegreiflicli.  dass  es  nicht  gelang,  (iic  alten  Bussbücher 
zu  verdrängen.  Neue  Sanindungen,  welche  im  Verlaufe  des  neunten 
Jahrhunderts  hervortraten,  tragen  wieder  ganz  den  alten  Chai-akter;^) 
oder  man  suchte  sich  dadurch  zu  helfen,  dass  man  die  alten  und 
neuen  Han(ll)üclier  gleichsam  zusammenschmolz.  So  wurden  die 
drei  ei-sten  Bücher  Halitgars  mit  dem  augeblichen  Bussbuche  Bedas 
verbunden.-)  Auch  Kegino  musste.  um  die  kirchliche  Diszi])lin  voll- 
ständig darzustellen,  zu  Exzerpten  aus  Bussbüchern  greifen.  Mit 
einem  Worte:  die  Bussbücher  behaupteten  sich.*^) 

Für  die  Verwaltung  der  Beichte  war  das  nicht  heilsam.  An 
Stelle  der  seelsorgerlichen  Behandlung  der  Sünden  trat  eine  mehr 
oder  weniger  richterhche.  Audi  dies  Bedenken  haben  die  Zeit- 
genossen bereits  erkannt.  Es  fehlt  nicht  an  Erinnerungen  daran, 
dass  der  Beichtiger  nicht  ein  Zensoramt  ausübe,  sondern  dass  er, 
gleichsam  die  Last  der  Sünden  mittragend,  die  Irrenden  beraten 
solle.  Er  wird  demgemäss  aufgefordert,  die  individuellen  VerliiÜt- 
nisse  nicht  ausser  Acht  zu  lassen.^)  Mögen  nun  auch  solche  ^Mah- 
nungen  nicht  ganz  wirkungslos  gewesen  sein,  so  musste  der  Ge- 
brauch der  Bussbücher  doch  immer  von  neuem  dazu  versuchen, 
die  Sünde  als  ein  geistlicher  Richter  zu  bestrafen  und  die  Buss- 
leistung als  Genugthuung  für  das  Unrecht  zu  betrachten.  Zu  dem 
letzteren  wai-  die  sittliche  Laxheit  ohnehin  nur  zu  sehr  geneigt. 
Es  kam  vor,  dass  man  wähnte,  im  Genuss  des  mit  Unrecht  er- 
worl)enen  Guts  bleiben  zu  können,  wenn  man  nur  die  Pönitenz  auf 
sich  nahm:  dann  war  ja  für  die  Sünde  genug  gethan."^)    Das  wurde 


büchern  zurückzukehren.  Er  that  es,  indem  er  ein  aus  dem  römischen 
Archiv  stanimondes  Pönitentiale  beifügte.  Die  Nachricht  über  die  Prove- 
nienz dieses  Pönitentiale  hat  Wassorschleben  (a.  a.  0.  S.  .58)  für  wahrschein- 
lich unwahr  erklärt,  wie  mich  dünkt,  ohne  hinreichende  Gründe.  Aber 
selbstverständlich  beweist  der  Umstand,  dass  Halitgar  dies  Bussbuch  von 
Rom  erhielt,  nichts  dafür,  dass  dasselbe  ein  offizielles  oder  offiziöses  Er- 
zeugnis der  römischen  Kirche  und  als  solches  in  Rom  im  Gebrauch  war. 
Es  ist  vielmehr,  wie  Wasserschloben  dargethan  hat,  fränkischen  Ursprungs 
(S.  58,  72). 

1)  Wasserschieben,  Bussordnungen  I  S.  83  S. 

2)  Waaserschleben  S.  81;  Schmitz  T  S.  720,  735. 

3)  Die  Rückkehr  zu  den  Bnssbüchern  zeigt  Regino.  Nach  Notit.  59 
S.  25  hat  der  visitierende  Bischof  zu  fragen:  (Si  presbyter  plebi)  iuxta 
qualitatem  delicti  poenitentiani  iniungat,  non  ex  corde  suo,  sed  sicut  in 
poenitentiali  scriptum  est. 

4)  Vorrede  zu  der  Schrift  de  remed.  peccator.  f  Wasserschieben  S.  248  f.), 
von  Regino  wiederholt  S.   148. 

5)  Christ,  in  Mattb.  11  S.  1308  f.:  guidam  acquisivit  hominom  iniuste 
vel    tulit    alodium    alicuius    et  venit  ad  confessionem  et  dicit:    Mea  culpa, 


—     733     — 

getadelt.  Aber  war  es  viel  besser,  wenn  die  Möglichkeit  gewährt 
wurde,  die  Pöuitenzen  durch  Geldzahlungen  zu  ersetzen,^)  ja  sogar 
die  Busse  durch  einen  Dritten  ableisten  zu  lassen  ?  -)  Das  geschah 
ohne  Tadel  und  trotz  des  Tadels.  Man  würde  Unrecht  thun.  wenn 
man  die  Bedeutung  der  Beichte  nur  hienach  beurteilen  wollte. 
Ohne  Zweifel  hat  sie  das  Bewusstsein,  dass  der  Mensch  für  all 
sein  Thun  und  Lassen  Gott  verantwortlich  ist,  mächtig  gestärkt. 
Aber  andererseits  ist  doch  auch  klar,  dass  dieser  Gewinn  teuer 
erkauft  wurde.  Das,  was  im  Christentum  als  eine  Kette  rehgiöser 
Vorgänge  gedacht  ist,  wurde  zu  einer  Reihe  von  Handlungen,  die 
äusserlich  abgemacht  werden  konnten  und  vielfach  sehr  äusserlich 
abgemacht  worden  sind. 

Die  von  den  Priestern  geülite  Beichtzucht  fand  ihre  Ergän- 
zung in  den  bischöflichen  Sendgerichten. ■^)  Sie  sind  aus  den  seit 
lange  üblichen  Visitationen  der  Diözesen  gleichsam  herausgewachsen*) 
und  lieweisen  also  ebenfalls  die  dem  neunten  Jahrhundert  eigene 
Tendenz,  Rechtsformen  auf  das  kirchliche  Leben  zu  übertragen. 

Schon  in  Ludwigs  d.  Fr.  Zeit  gewannen  die  bischöfUcheu 
Visitationsreisen  den  Charakter  von    Gerichtsfahrten.     Einen   oder 


peceavi  in  tali  facto,  da  mihi  poenitentiam.  Et  dicit  ille:  Abstine  tanto 
tempore  a  vino  et  carne.  0  quam  aperta  seductio  .  .  .  Debueras  dicere: 
Destrue  opus  et  accipe  tunc  poenitentiam. 

1)  Der  Gedanke  ist,  dass  Almosen  an  Stelle  von  Fasten  oder  Psalmen- 
singen  treten  (Poen.  Merseb.  a.  c.  41  f.  S.  395,  c.  148  S.  405;  Vindob.  a. 
c.  43  f.  S.  420).  An  der  ersteren  Stelle  Mers.  148  bemerkt  man,  dass  die 
Anordnung  noch  neu  war,  und  Anstoss  erregte:  Neminem  hoc  conturbet. 
Übrigens  ist  die  Tarifierung  schon  durchgeführt:  1  Tag  Fasten  =  50 — 70 
Psalmen  beten  =  1  Denar;  1  Woche  =  300  Psalmen;  ein  Jahr  =  21  oder 
26  Solidi.  Vgl.  Cummean.  praef.  S.  464.  Vindob.  6  S.  495  f.  Remens.  2 
S.  498  f.  Valicell.  I.  c.  1  S.  547,  mit  dem  charakteristischen  Einleitungssatz : 
Quomodo  possumus  penitere  VII  ann.  in  uno  anno,  nach  einem  angeblichen 
Diktum  des  Bonifatius  (Egbert,  c.  16  S.  246).  Almosen  werden  hier  übri- 
gens nicht  genannt,  sondern  nur  Psalmengesang,  Paternostergebet  und 
Messen. 

2)  Cummean.  praef.  S.  468:  Qui  psalmos  non  novit  et  ieiunare  non 
potest,  elegat  iustum,  qui  pro  illo  hoc  imploat  et  de  suo  precio  aut  labore 
hoc  redimat,  id  per  unumquemque  diem  de  precio  valente  denario  in  pau- 
peribus  eroget.  Doch  fehlte  es  nicht  an  Widerspruch:  Merseb.  a.  c.  44 
S.  396:  Si  quis  mercedem  accipit  et  ieiunaberit,  si  per  ignorantiam  hoc 
fecerit,  ieiunet  pro  se,  quantum  se  promisit  pro  illo  ieiunare,  et  quod  ac- 
cipit det  pauperibus,  et  qui  aliena  peccata  super  se  susceperit,  non  est 
dignus  christianus;  vgl.  iudic.  Clem.  3  S.  434. 

3)  Dove,  Ztschr.  f.  KR.  IV  u.  V.     Ders.  P.  RE.  XIV-  S.  119  ff. 

4)  S.  0.  S.  236  f. 


—     734     — 

zwei  Tage  vor  dem  Bischof  begab  sich  ein  Archi|)iesbytei'  oder  der 
Arcliidiakon  in  den  zu  visitierenden  Ort.  Er  versammelte  das  Volk, 
kündigte  die  Ankunft  des  Bischofs  au  und  forderte  unter  Drohung 
mit  der  Exkommunikation  alle  auf,  vor  dem  Bischof  zu  erscheinen. 
Gemeinsam  mit  dem  Ortspiiester  erledigte  er  sodann  die  geringeren 
Sachen,  während  die  Entscheidung  der  wichtigeren  dem  Bischof 
vorbehalten  blieb. ^)  War  dieser  eingetroffen,  so  wurde  die  ganze 
GeuKMude.  oder  mehrere  benaciibarte  Gemeinden-)  mit  ihren  Priestern 
vor  ihm  versammelt.  Er  forderte  das  Volk  bei  seinem  Eide  auf. 
Zeugnis  über  die  Priester  zu  geben  ;'^)  ebenso  hatten  die  letzteren 
über  die  Gemeinden  zu  berichten.*)  Daraufhin  urteilte  der  Bischof. 
So  war  die  Elinrichtung  noch  in  der  Mitte  des  neunten  Jahrhun- 
derts. Zum  Abschluss  kam  sie  dm'ch  die  Einführung  der  Send- 
zeugen,   die    in   den    nächsten  Jahrzehuten   vorgenommen    wurde.'') 


1)  Synode  v.  Rouen  c.  16  (Bruns  II  S.  271).  Über  die  Zeit  der  Synode 
8.  o.  S.  720  Anm.  3. 

2)  Das  letztere  verordnete  die  Synode  zu  Toulouse  i.  J.  844  c.  4  (M.G. 
Cap.  II  S.  257).    Eine  analoge  Vorschi-ift  für  Deutschland  ist  nicht  erhalten. 

3j  Conc.  Mogunt.  (a.  852)  c.  8  S.  188:  Si  quis  presbiter  .  .  mala  de 
se  suspicari  permiserit  et  populus  ab  episcopo  iuramento  seo  banno  chri- 
stianitatis  constrictus  infamiam  eins  patefecerit,  et  certi  accusatores  cri- 
minis  eius  defuerint,  admoneatur  primo  seorsum  ab  episcopo  etc. 

4)  Ergiebt  sich  aus  Stellen  wie  Regino  Notit.  38  f.  S.  24. 

5)  Die  Zeit  der  Einführung  der  Sendzeugen  ergiebt  sich  aus  dem  Ver- 
gleich des  Anm.  3  zitierten  Mainzer  Kanons  mit  den  zwei  Konstanzer 
Briefen  Form.  Sangall.  30  S.  415  und  38  S.  420.  Nach  der  ersteren  SteUe 
kannte  man  die  Geschworenen  in  der  Mitte  des  9.  .Jahrhunderts  in  Mainz 
noch  nicht.  Dagegen  darf  man  aus  Form.  Sangall.  30:  Cum  diocesim  meam 
circuirera,  deveni  ad  locum,  ubi  momorati  honiines  habitabiint  et  ibi  didici 
a  moioribus  natu  vici  illius,  <[uhi  idem  coniugos  ita  sibiinet  consanguinitate 
iuncti  essent  etc.  und  38:  Cum  adiutorio  jirudentiura  virorum,  schliessen, 
dasfl  sie  gegen  Ende  des  9.  Jahrhunderts  in  der  Konstanzer  Diözese  ein- 
geführt waren.  Die  Briefe  sind  von  Salomo  II.  an  Liutbert  von  Mainz  ge- 
richtet (a.  Zeumer,  N.A.  VIII  S.  525  und  Dümmlor.  Formelbuch  S.  135  ff.). 
Eine  analoge  fanrichtung,  jedoch  ohne  Bezug  auf  das  Sendgericht,  ordnet 
die  Synode  von  Rouen  c.  15  S.  271  an:  Ut  decani  in  civitatibuB  et  in  vicis 
publicis,  viri  veraces  et  Deum  timentes  constituantur,  qui  desidea  et  negli- 
gentes  commoneant,  ut  ad  Dei  servitium  absque  dilatione  properent,  et  ut 
ipsi  decani  sacramento  adstringantur,  ut  nulla  intnrvenionte  causa  scilicet 
aut  amoris  aut  timoris  aut  ])ro])inquitatis,  muneris  negligentes  et  trana- 
greaaores  reticeant,  quin  propnis  sacerdotibus  proprias  eorum  culpas  mani- 
fe«tent.  Regino  II,  5,  69  S.  215  beweist,  dass  diese  Einrichtung  auch  in 
Deutschland  eingeführt  war.  Die  Annahme,  dass  sie  das  Vorbild  für  die 
Auf.ttellung  Ge.ichworener  im  Sendgericht  bot,  liegt  sehr  nahe.  Ein  zweites 
Vorbild  hatte  man  auf  weltlichem  Gebiete.     Ludwig  d.  Fr.  ordnete  i.  J.  828 


—     735     — 

Diese  ausgebildete  Form  des  Sendgerichts  lernt  man  besonders  aus 
Regino  kennen.  Nach  ihm  eröffnete  der  Bischof  die  Verhand- 
lungen mit  einer  Ansprache  an  das  Volk  und  berief  sodann  aus 
der  Mitte  der  Gemeinde  sieben  angesehene  Männer  zu  öffentlichen 
Zeugen.  Sie  leisteten  auf  Reliquien  den  Eid,  alles  was  in  der 
Pfan-ei  gegen  den  Willen  Gottes  und  das  rechte  Christentum  ge- 
schehen sei.  ohne  Furcht  und  Gunst  zu  enthüllen.  An  sie,  nicht 
mehr  au  die  Gesamtheit,  richtete  der  Bischof  seine  Fragen.  Er 
forschte  nach  den  Verbrechen  wider  das  Leben,  die  Ehe,  den  Besitz 
und  die  öffentliche  Treue,  nach  heidnischem  Aberglauben  und  Un- 
gehorsam gegen  die  Institutionen  der  Kirche.^)  Da  die  Sendzeugen 
verpflichtet  waren,  die  Anklage  zu  erheben,  so  war  verhütet,  dass 
irgend  ein  Verbrechen  ungerügt  blieb.  In  diesem  Punkte  unter- 
schied sich  das  Verfahren  im  Sendgericht  grundsätzlich  von  dem 
im  weltlichen  Gerichte.  Im  übrigen  war  es  dem  letzteren  nach- 
gebildet. Nicht  der  Kläger  hatte  seine  Anklage  zu  beweisen,  son- 
dern der  Beklagte  war  verbunden  seine  Unschuld  darzuthun.  Als 
Beweismittel  diente  für  die  Freien  der  Eid,'')  für  die  Unfreien 
das  Gottesgericht.^)  Der  Bischof  fand  das  Urteil  gemeinsam  mit 
den  Priestern.*)  Der  Schukhge  wurde  mit  öffentlicher  Busse  be- 
legt.'^)    Diese  gewann   dadurch  wieder  grössere  Bedeutung,   als  sie 


die  Aufstellung'  öifentlicher  Zeugen  für  das  Gericht  der  Königsboten  an 
(M.G.  Cap.  187  II  S.  8).  Diese  Einrichtung  wurde  zu  Worms  829  noch 
weiter  ausgedehnt:  es  sollten  die  Königsboten  angesehene  Männer  aufstellen, 
ut  adiutores  comitum  sint  ad  iustitias  faciendas  (Cap.  192,  3  II  S.  15). 

1)  Regln.  II  c.  2  ff.  S.  207  ff. 

2)  Vgl.  die  Schwurformeln  Regin.  II  c.  235  S.  306:  De  hoc,  quod  mihi 
reputatum  est  in  hac  synodo,  quod  simul  cum  ista  femina  adulterium  vel 
fornicationem  fecissem,  quod  ego  non  ita  feci,  nee  unde  me  culpabilem 
recognosco.  Sic  me  Dens  adiuvet  ad  istud  iudicium  suum ;  c.  239  f.  S.  307. 
Doch  kam  es,  in  Abwesenheit  des  Beklagten,  auch  vor,  dass  die  Thatsache 
der  Anklage  durch  das  Zeugnis  der  Anwesenden  bewiesen  wurde.  Form. 
Sangall.  30  S.  416:  Quod  inquisitione  facta  et  fide  cum  iuramento  data,  ita 
verum  esse  dedici,  ut  omnes  a  minimo  usque  ad  maximum  id  ita  se  habere 
proclamarent. 

3)  Regin.  11  c.  303  S.  332. 

4)  S.  Dove  1.  c.  V  S.  13  und  über  die  Form  des  Urteils  S.  25  ff. 

5)  Ygl.  Regino  II  c.  6  ff.  S.  216  ff.  Demgemäss  besteht  die  Mainzer 
Synode  von  847  auf  dem  alten  Grundsatz:  Qui  publice  peccat,  oportet  ut 
publica  mulctetur  poenitentia  et  secundum  ordinem  canonum  pro  merito 
suo  et  excommunicetur  et  reconcilietur  (c.  31  S.  184).  Wie  die  öffentliche 
Busse  durch  den  Bischof  verhängt  wurde,  so  stand  ihm  allein  auch  die 
Reconziliation  zu  (Synode  von  Worms  868  c.  8  Mansi  XV  S.  871).  Dass 
auch    die  Bischöfe    bei    der  Bestimmung    der  Bussen   die  Bussbücher  nicht 


—     73(i     — 

eine  Zeit  lang  gehal)t  hatte,')  zumal  da  mau  Kiurichtuiigen  trat, 
um  ihren  Vollzug  zu  kontrollieren.-)  Wer  sich  dem  Sendurteil 
nicht  unterwarf,  vei-tiel,  nachdem  er  zu  dreien  Malen  vergel)lich 
gemahnt  war.  der  Exkonnnunikation:  er  wurde  ausgestossen  aus 
dem  Frieden  der  Kirche  und  damit  der  bürgerlichen  Gesellschaft. 
Vor  vei-sammelter  Gemeinde  hielt  der  Bischof,  umgehen  von  zwölf 
Priestern,  die  l)rennende  Kerzen  in  den  Händen  trugen,  eine  An- 
sprache, in  welcher  er  die  Pflicht,  tote  Glieder  vom  Leibe  der 
Kirche  zu  trennen,  darlegte;  sodann  sprach  er,  während  die  Priester 
die  Kerzen  zu  Boden  warfen  und  verlöschten,  den  Bannfluch  über 
den  Ungehorsamen  aus:  er  schied  ihn  von  der  heiligen  Kirche  und 
jeder  Gemeinschaft  der  Christen  l'iu'  Zeit  uiul  Ewigkeit.  Verflucht 
solle  er  sein  in  der  Stadt  und  verflucht  auf  dem  Lande,  verflucht 
sein  Eingang  und  vei-fluclit  sein  Ausgang.  Kein  C'hrist  sofle  ihn 
grüssen,  kein  Priester  ihm  die  Messe  lesen,  niemand  Verkehr  noch 
Gemeinschaft  mit  ihm  ])flegen.  es  sei  denn,  dass  er  undcehre  und 
Busse  thue.'*) 

Noch  war  es  Regel,  dass  der  Bischof  das  Sendgericht  persön- 
lich hielt,  obgleich  er  sich  durch  einen  Beauftragten  vertreten  lassen 
konnte.'')     Auch  war  es  in  Deutschland  nicht  üblich,  dass  er  von 


entbebren  konnten,  beweist  Regino.  Die  Ungleichheit  der  Strafsätze  musste 
bei  den  öttentlichen  Gerichten  sich  noch  fühlbarer  machen  als  in  der 
Beichte.  Daher  das  Bestreben  der  Synoden  durch  neue,  bezw.  erneuerte 
allgemeine  Bestimmungen  Einheit  herzustellen;  vgl.  bes.  Conc.  Tribur. 
c.  52  tf.  S.  241  und  den  bei  Itegino  erhaltenen  Text  11,  6  tf.  S.  21«,  hier 
mit  der  Überschrift:  Ut  poenitentia  super  homicidiis  non  diverse  more  ut 
prius,  aed  in  episcopiis  singulis  uno  more  agatur. 

1)  Vgl.  oben  S.  249  f. 

2)  Regln.  I,  295  S.  136  f. 

3)  Regln.  11,  412  ff.  S.  369.  Ein  eigenartiges  Mahnverfahren  hat  das 
Sendrecht  der  Main-  und  Rednitzslawen  (Ztschr.  f.  KR.  IV  S.  HIO  ff.).  Nach 
demselben  soll  der  Ungehorsame  durch  Pfändung  eines  Vermügensstückeu 
zum  Gehorsam  genötigt  werden,  und  erst  wenn  diese  Massregel  vergeblich 
ist,  verfallt  er  der  Exkommunikation.  Gegen  Doves  Bestimmung  des  Schrift- 
stückes hat  sich  Riezler  erklärt  (Forschr.  XVI  S.  397  ff.);  er  sucht  den  Ur- 
sprung desselben  im  Bistum  Eichstädt.  Allein  .seine  Deutung  von  pac- 
tum =  bair.  Gesetz  ist  wenig  überzeugend;  und  die  ceterao  n.itiones  bleiben 
bei  der  Beziehung  auf  Eichstädt  unerklärt.  Doves  Ansicht  scheint  mir  des- 
halb die  wahrscheinlichere. 

4)  Da«  Erstere  ergiebt  sich  aus  Salomos  II.  Bemerkung  (Form.  Sang.  8H 
S.  420):  Vestra  novit  industria,  quam  diu  episcopium  mihi  commisaum  ab 
infirmi.s  et  senio  defessis  hominibus  retentum  est,  adeo  ut  iam  nonus  annus 
pene    sit    exactus,    ex    quo   nullus  eorum  ipsani  parocbiam  circuire  poterit. 


—      787     — 

dem  Grafen  oder  einem  Diener  desselben  begleitet  wurde. ^)  Für 
Frankreich  verordnete  dies  Karl  d.  K.  im  Jahre  853."-) 

Man  mag  anerkennen,  dass  die  bischöflichen  Sendgerichte 
einen  offenbaren  INIangel  des  altdeutschen  Strafrechts  ergänzten. 
Ihm  fehlte  die  Vorstellung,  dass  das  Unrecht  unter  jeder  Bedingung 
bestraft  werden  muss,  auch  wenn  dadurch  nicht  die  Gesamtheit 
geschädigt  wird.  Gerade  dieser  Gesichtspunkt  herrschte  im  Send- 
recht. Allein  klar  ist  doch,  dass  diese  Fortbildung  der  kirchlichen 
Zucht  nur  möglich  war,  weil  die  staatliche  Gewalt  ihre  Aufgabe 
sehr  unvollkommen  löste,  und  dass  sie  die  Erfüllung  der  Aufgabe, 
welche  die  Kirche  hatte,  störte.  Wenn  man  das,  was  wir  über 
die  Sendgerichte  im  Anfang  des  zehnten  Jahrhunderts  Avissen,  mit 
dem  vergleicht,  was  über  die  Kirchenvisitationen  unter  Karl  d.  Gr. 
bekannt  ist,'^)  so  ist  augenfällig,  dass  die  Seelsorge  völlig  in  das 
Gericht  umgeschlagen  ist.  Die  Kfrche  aber  hat  Seelsorge  zu 
treiben,  nicht  Gericht  zu  halten. 

Wie  beschaffen  war  nun  die  Frömmigkeit,  die  unter  so  manch- 
facher  Pflege  und  Bevormundung  durch  die  Leiter  der  Kirche  er- 
wuchs ? 

In  vieler  Hinsicht  ist  der  Unterschied  zwischen  der  Religio- 
sität des  neunten  und  der  des  sechsten  und  siebenten  Jahrhunderts 
nicht  gar  gi'oss.  Nur  treten  die  charakteristischen  Züge  jetzt 
schärfer    und   deutlicher   hervor.     In    anderer  Hinsicht   kann    man 


Das  Letztere  wird  durch   den  Zeugeneid  bei  Regino  IL  3  S.  208  bewiesen: 
Ai-chiepiscopo  de  Treviris  aut  eius  misso. 

1)  Der  Beweis  hiefür  liegt  in  dem  9.  Kapitel  der  Synode  von  Tribur 
S.  218;  denn  unter  dem  Placitum,  welches  der  Bischof  episcopatum  circum- 
eundo  canonice  constitutum  decreverit,  kann  nur  an  das  Sendgericht  ge- 
dacht werden.  Hat  der  Graf  wissentlich  oder  unwissentlich  auf  denselben 
Tag  ein  Placitum  angesetzt,  so  soll  die  von  ihm  angesagte  Versammlung 
ausfallen,  und  er  soll  mit  seiner  Umgebung  an  dem  bischöflichen  Placitum 
teilnehmen.  Daraus  folgt,  dass  er  für  gewöhnlich  nicht  an  ihm  teilnahm. 
Wenn  Dove  (Ztschr.  f.  XR.  lY  S.  22)  schon  in  cap.  19,  6  S.  45  die  Anord- 
nung findet,  dass  der  geistliche  Richter  zum  Schutz  aber  auch  zur  Kontrolle 
von  dem  Grafen  zu  begleiten  sei,  so  scheint  mir  das  unrichtig.  Die  an- 
gezogene Stelle  handelt  nicht  von  den  Visitationsreisen.  Ebensowenig  ist 
cap.  90,  6  S.  190  die  Begleitung  des  Grafen  gefordert.  Adiutorium  ist  weit 
allgemeiner. 

2)  Conc.  Suess.  c.  10  (M.G.  Cap.  259  11  S.  269).  Die  Begleitung  des 
Bischofs  durch  den  Grafen  ist  übrigens  auch  in  Frankreich  nicht  regelmässig 
üblich  gewesen.  Das  beweisen  die  Worte  ,si  iusserint"  in  den  von  den 
französischen  Bischöfen  an  Ludwig  d.  D.  gesandten  Kapiteln  (Cap.  297,  7 
a.  858  II  S.  432,  vgl.  Conc.  Meld.  71   ib.  S.  415. 

3)  S.  o.  S.  236. 

Hauck,  Kirchengeschichte.   II.    2.  Aufl.  47 


—     788     — 

mehr  oder  weniger  tiefgehende  Yeriindeningen  wahrnehmen.  Was 
sich  an  froninier  Sitte  und  kirclilicheni  Krauch  l)ei  den  Franken 
gehildet  hatte,  das  wurde  Sitte  und  Brauch  des  deutschen  Volkes. 
AVir  haheu  das  in  Bezug  auf  den  Kirclienbesuch  bereits  bemerkt.^) 
Es  gilt  nicht  minder  in  Bezug  auf  die  Sonntagsfeier,-)  den  Em- 
pfang des  h.  Abendmahls,^)  besonders  in  Bezug  auf  Gebet  und 
Fürintte:  Morgen  und  Abend,-*)  das  Kreuz  am  AVege,"^)  der  Beginn 
der  Arbeit  und  Alahlzeit ")  —  dies  alles  wurde  Anlass  zum  Gebet. 
Alle  Paar  Stunden  erinnerte  der  Schall  der  Glocke  daran,  das 
Gebet  nicht  zu  versäumen.')  Dass  jedermann  diese  Sitte  ül)t<^,  war 
so  selbstverständlich,  dass  der  Dichter  auch  die  AVeisen  aus  dem 
Morgenland  ihr  Frühgebet  sprechen  lässt;  sie  bitten  den  Allwal- 
tenden, dass  sie  seine  Huld  und  seinen  AVillen  forthin  wirken 
möchten,  wie  sie  Mut  und  Sinn  an  jedem  Morgen  zu  ihm  ge- 
richtet haben.**)  In  jedem  ausserordentlichen  Ereignis  sah  man 
eine  Auftorderung  zum  Gebet:  wenn  ein  Gewitter  am  Himmel  stand, 
so  eilte  alles  A'olk  in  die  Kirche;")  war  ein  für  den  Staat  wich- 
tiger Beschluss  zu  fassen,  so  wurde  ein  allgemeiner  Fasttag  an- 
geordnet: ^")  der  Kj'ieger  bereitete  sich  zur  Schlacht,  indem  er  seine 
Sünden  beichtete: ^^)  vor  dem  Beginn  des  Kampfes  stimmte  man 
ein  Glaubenslied  an  und  unter  dem  lauten  Ruf  Kyrie  eleison  stürmte 


1)  S.  0.  S.  706. 

2)  Hier  wirkte  indes  das  Vorbild  der  Vornehmen,  besonders  das 
Ludwigs  d.  Fr.  schädigend,  vgl.  die  Vorstellungon  der  Bisrhöfe  Cap.  196.  32 
S.  39.  Auch  die  Knthaltung  von  Feldarbeit  war  nur  schwer  zu  erreichen, 
ib.  45  S.  41,  Conc.  Mog.  a.  852  Cap.  249,  14  S.  190. 

3)  Auch  in  dieser  Hinsicht  gab  Ludwig  d.  Fr.  ein  schlechtes  Beispiel, 
Cap.  196,  33  S.  39. 

4)  Theod.  cap.  I.  23  S.  198:  vgl.  das  Abendgebet  Poet.  lat.  I  S.  78 
Nr.  49. 

5)  V.  Ale.  14  S.  192;  vgl.  die  Gebete  beim  Kreuzschlagen  Ale.  lib. 
eacram.  Migne  101   S.  463. 

6j  Hraban  de  cleric.  instit.  II,  10  (opp.  I  S.  .329).  Christiani  expos.  in 
Matth.  37  S.  1392  D  und  1393  A.  Gebete  bei  Grimald.  lib.  sacram.  126  f. 
S.  850.  Das  bekannte  Tischgebet  des  kl.  Katechismus  Luthers  Hndet  sich 
hier  beinahe  wörtlich.  Man  sieht  die  ungeheure  Tenazität  dieser  einfachen 
Fornieln. 

7)  Regin.  Not.  29  S.  21. 

8)  Heliand  v.  690  ff.  S.  50  ed.  Severs. 

9)  Ann.  Fuld.  z.  J.  857  S.  48.  Ks  mag  gelegentlich  daran  erinnert 
werden,  dass  auch  die  Ausbildung  von  Passionsgottesdiensten  in  diese  Zeit 
ftUt;  Amal.  de  eccl.  off.  praef.  Migne  105  S.  991. 

10)  Ludov.  cap.  1.36  S.  270  f. 

11)  Ann.  Fuld.  z.  J.  896  S.  127.     Vgl.  die  Ky).  consol.  ad  pergentes  in 


—     739     — 

das  Heer  gegen  den  Feind. ^)  Sich  für  Leben  und  Sterben  die 
Fürbitte  derer  zu  sichern,  die  besonders  als  Diener  Gottes  betrachtet 
wurden,  war  jedermann  bestrebt.  Die  klösterUchen  Verbrüderungs- 
bücher mit  ihren  tausenden  von  Namen  geben  ein  Bild  davon,  in 
welchem  Masse  und  wie  allgemein  es  geschah.  Denn  neben  den 
Grossen  in  Welt  und  Kirche  findet  man  hier  eine  Menge  von 
Männern  und  Frauen  genannt,  von  denen  nichts  überliefert  ist  als 
der  Name :  man  darf  ihre  Träger  zum  Teil  in  den  untersten  sozialen 
Schichten  suchen.  Es  hat  fast  etwas  Eührendes,  dass  im  Reiche- 
nauer  Verbrüderungsbuch  30  unh-eie  Mühlknappen  sich  eintragen 
hessen.-)  Man  mag  daneben  stellen,  dass  ein  Hofmann  sich  die 
Aufnahme  in  den  Gebets  verein  dm'ch  Zahlung  von  dreissig  Silber- 
schillingen ^)  erkaufte. 

Die  lebenchge  Überzeugung  des  Volkes  spricht  sich  in  dem 
allen  aus,  dass  der  Mensch  und  des  Menschen  Los  ganz  in  Gottes 
Hand  steht.  Man  hört  sie  wieder,  wenn  der  Eintretende  mit  dem 
Gruss  empfangen  wm'de:  Sei  Gott  willkommen  und  mir.*)  Die 
Freundlichkeit  und  der  Schutz  des  allwaltenden  Gottes  soll  den 
Fremden  empfangen.  Schroffer  wii'd  sie  laut  in  dem  da  und  dort 
ankhngenden  Fatahsmus.  Im  Ludwigslied  spricht  der  König  vor 
Beginn  der  Schlacht:  Hier  zu  bleiben  ist  uns  bescheert,  so  lange 
es  Christus  will;  will  er  unsere  Hinfahrt,  so  hat  er  dessen  Gewalt.'^) 
Und  so  bildet  auch  im  Hehand  die  Gewissheit,  dass  das  irdische 
Geschehen  von  Ewigkeit  her  fest  bestimmt  ist,  den  Hmtergrund 
der  Anschauung.**)  Am  altertümhchsten  ist  es,  wenn  das  Schicksal 
gewissermassen  von  Gott  losgelöst,  wie  eine  selbstständige  Macht 
erscheint.')  Die  Wurt  ist  von  den  Deutschen  lange  Zeit  fast  wie 
ein  persönliches  Wesen  gedacht  worden.  Es  war  ein  Sieg  des 
Christentums,  dass  das  Wort  Schicksal  jenes  alte  Wort  verdi'ängte. 


bellum,  die  Schmitz  NA.  XV  S.  605  ff.  veröffentlicht  hat  v.  25.     Wie  mich 
dünkt,  ist  das  Schriftstück  nicht  ein  Brief  sondern  eine  Heerpredigt. 

1)  Ludwigslied  v.  46  f.  (Müllenhoff  und  Scherer,  Denkmäler  Nr.  11  I, 
S.   24). 

2)  S.  251  Sp.  339,  29  f.  eingetragen  um  830. 

3)  Form.  Aug.  coli.  C.  21  S.  374. 

4)  De  Heinrico  v.  13  (Müllenhoff  u.  Scherer,  Denkmäler  18  I  S.  39). 
Das  Lied  gehört  dem  10  Jahrhundert  an.  Der  Gruss  ist  aber  sicher  älter. 
In  dem  süddeutschen  ,Grüss  dich  Gott"  und  ,Behüt  dich  Gott"  sind  ähn- 
liche Formeln  bis  auf  die  Gegenwart  erhalten. 

5)  V.  37  f.,  S.  26. 

6)  S.  darüber  unten. 

7)  Ebenfalls  im  Heliand.'s.  u.  u.  vgl.  Grimm,  Mythologie  S.  817  f. 

47* 


—     740     — 

^lau  wundert   sich    niclit,    dass  Gottschalks  Lehre  iu    Deutschland 
bei  den  Laien  Ankkiug  fand.*) 

Mit  der  l'herzeugung  der  Abhängigkeit  von  einer  höheren 
Macht  verband  sich  unmittelbar  das  Bewusstsein  der  sitthchen 
Verpthclitung  Gott  gegenül)er.  Es  fehlte,  wie  wir  sahen,-)  der 
früheren  Zeit  nicht  ganz;  aber  es  erscheint  jetzt  klarer,  bestimmter. 
Jedei'manii  kennt  das  sog.  AVessobrunner  Gebet,  ein  Bruchstück, 
wie  man  annehmen  möchte,  einer  dichterischen  Bearbeitung  der 
Schöijfungsgeschichte.  Die  Phantasie  des  Dichters  führt  ihn  hinaus 
in  die  Zeit  vor  der  Zeit:  er  sucht  eine  Vorstellung  des  Unvor- 
stellbaren, der  Ewigkeit,  da  nichts  war  ausser  dem  einen,  allmäch- 
tigen Gott.  Angefügt  ist  dem  Bruchstück  ein  Gebet,  in  dem  die 
Gedanken  sich  wieder  zu  dieser  Welt  zurückwenden:  der  Verfasser 
bittet,  dass  der  heilige,  allmächtige  Gott,  der  Himmel  und  Erde 
gewirkt  und  den  Menschen  so  manches  Gut  verliehen  hat.  ihm 
gebe  rechten  Glauben  und  guten  Willen,  AVeisheit,  Verstand  und 
Kraft,  den  Teufeln  zu  widerstehen,  das  Arge  zu  meiden  und  Gottes 
Willen  zu  wirken. •'^)  Ahnliche  Gedanken  linden  wir  in  anderen 
deutschen  Gebeten  dieser  Zeit.'*)     Sie  waren  allgemein.'') 

Während  man  in  diesem  Punkte  von  einem  Fortschritt  der 
sittlichen  Kultur  reden  kann,  so  fehlte  ein  solcher  in  anderer  Hin- 
sicht. AVir  haben  früher  das  LieinanderHiessen  von  Glaube  und 
Aberglaube  beobachtet.")  Man  bemerkt  es  auch  jetzt  überall;  die 
abergläubischen  Elemente  der  Fnimmigkeit  wurden  nicht  ausge- 
stossen;  sie  blieben,  sie  wuchsen  mit  den  echten  Bestandteilen  der- 
selben zu  einem  untrenidiaren  Ganzen  zusammen.  Das  charakterisiert 


Ij  Hrab.  ep.  42  S.  481. 

2)  S.  Bd.  I  S.  186. 

3)  Müllenhoff  und  Scherer,  Denkmäler  I  S.  1  f.  Dass  das  poetische 
Stück  Gedicht  eines  Geistlichen  für  seine  Standesgenossen  sei  (Kelle,  G.  d. 
d.  L.  I  S.  74),  halte  ich  für  wenig  wahrscheinlich.  Für  dit^  Kleriker  machten 
die  Kleriker  lateinische  Verse. 

4)  Cap.  109  S.  224:  Trnhtin  god  thu  mir  hilp.  indi  forgip  mir  gawitzi 
indi  guodan  galaupun.  thina  minna  indi  rehtan  willeon.  heili  imii  gasunti. 
indi  thina  guodun  huldi.  Vgl.  das  St.  Emmeraner  Gebet  (Müllenhoff  und 
Scherer  Nr.  7«  l  S.  248  f.  und  11  S.  :3f)7  tt'.).  Eh  ist  kaum  nötig,  die  Ver- 
wandtschaft des  Gebetes  der  Weisen  im  Holiand  hervorzuheben. 

5)  Vgl.  die  Gebete  in  der  missa  pro  amico  und  pro  famiiiaribus  bei 
Grimald  Lib.  sacram.  (Migne  121  S.  922j.  Z.  li.:  Ut  famulo  tuo  N.  veniam 
suorum  largiri  digneria  peccatorum,  ut  ab  omnibus  inimici  vinculis  liberatus, 
tuis  toto  corde  mandatis  inhanreat,  ut  te  solum  semper  tota  virtute  diJigat. 
et  ad  tuae  quandoquo  beatitudinis  visionem  pervnniro  mereatur. 

6)  8.  Bd.  I  S.  190  ff. 


_     741     — 

z.    B.    das    Gottesgericht.')      Für     das     uralte    Beweismittel    der 
deutschen  Volksrechte-)  wurden  allmählich  feste  kirchliche  Formen 
ausgebildet.     Es  wurde  zu  einer  von   der  Kirche  geleiteten  Hand- 
lung. =^)     Der  Priester,    gekleidet  in  die  heihgen  Gewänder,    in  den 
Händen  das  Evangehenbuch  und  die  heiligen  Gefässe,  trat  vor  die 
Thüi-e  der  Kirche,  wo  das  Volk  mit  dem  Angeklagten  ihn  erwar- 
tete.    Er  begann  die  Handlung,  indem  er  den  Beklagten  bei  dem 
dreieinigen  Gott    und   dem  jüngsten  Gericht,   bei    dem   Geheimnis 
der  Taufe  und  bei  allen  Heihgen  beschwor,  im  Falle  er  sich  einer 
Schuld    bewusst   sei,    die  Kirche  nicht  zu  betreten,    sondern    seine 
Sünde    zu    bekennen.     Nachdem    sodann  im  Kirchhof  der  Ort  füi- 
die  Vornahme  des  Gerichts  bestimmt  und  durch  Bespreugung  mit 
Weihwasser   beuediziert  war,   begaben   sich  alle  in  die  Kirche,  wo 
eine  Messe  gelesen  wurde.     Dabei  hatte  der  Beklagte  zu  kommu- 
nizieren.   Der  Priester  reichte  ihm  Brot  und  Wein  mit  den  Worten: 
Der  Leib    und    das  Blut    unseres  Herrn  Jesu  Christi   sei    dir   zur 
Erprobung.     Xach  Vollendung  der  Messe    zogen   die  Anwesenden 
in  feieriicher  Prozession  imter  Vorantraguug  von  Kreuz,  Evangehen- 
buch und  Reliquien  an  den  Gerichtsplatz.    Dabei  wurden  die  Litanei 
und  die  Busspsalmen  gesungen.     Nun  folgte  das  Gebet,  dass  Gott, 
der    gerechte  Eichter,    sein   wahres   Gericht    offenbaren    und  jeden 
Zauber  verhüten  möge;    dann   die  Beschwörung   des  Wassers  oder 
was  sonst  das  Mittel  des  Gerichts  war,  dass  es  nicht  der  List  des 
Teufels    diene,    sondern    Schuld    und    Unschuld    enthülle;    hierauf 
wieder  ein  Gebet,  es  möge  nicht  die  Ungerechtigkeit  über  die  Ge- 
rechtigkeit siegen.     Nachdem   endlich  noch  das   Wassergefäss  mit 
Myrrhen  beräuchert  und  eine  nochmahge  Beschwörung  gesprochen 
war,  musste  der  Angeklagte  mit  der  Hand  in  das  kochende  Wasser 


1)  Die  ordines  iudiciorum  Dei  sind  von  Zeumer  gesammelt  in  den 
M.G.  Form.  S.  604  ff.  Ergänzungen  von  Hampe  NA.  XXIII  S.  380  ff.  Man 
vergleiche  Grimm,  Rechtsalterthümer  S.  908  ff. ;  Rettberg,  KG.  D.'s  11 
S.  749  ff.;  Dahn,  Studien  zur  Gesch.  der  german.  Gottesurtheile,  1857;  S. 
Kietschel  P.  RE.  VII»  S.  33.  Die  verschiedenen  Arten  der  Gottesurteile: 
Zweikampf,  der  jedoch  im  fränkischen  Recht  nicht  als  Gottesurteil  gilt, 
Probe  des  kalten  und  heissen  Wassers,  des  glühenden  Eisens,  des  Brots  und 
Käses,  des  hängenden  Psalters,  Brots  oder  Kessels,  darf  ich  hier  wohl  als 
bekannt  voraussetzen. 

2)  Über  den  Ursprung  der  Gottesui-teile  handelt  eingehend  Dahn,  1.  c. 
S.  22fl\ 

3)  Der  gerichtliche  Zweikampf  entzog  sich  der  Leitung  der  Kirche; 
das  hing  vielleicht  damit  zusammen,  dass  nach  karolingischem  Recht  der 
Zweikampf  vom  ordentlichen  Verfahren  ausgeschlossen  war  und  sich  nur  im 
Königsgericht  erhielt  (Sohm,  Frank.  Reichs-  und  Gerichtsverf.  S.  501  ff.). 


—     742     — 

greifen.  Die  Hand  wurde  darauf  mit  "Wolle  umwickelt,  die  Hülle 
vei-siegelt  und  am  drittcMi  Tage  wieder  geöffnet.  Dann  erst  ent- 
schied sich  Schuld  oder  Unschuld.') 

Dass  ganze  Verfahren  lässt  daran  nicht  zweifeln,  dass  man 
einen  möglichst  tiefen  Eindruck  auf  das  (remüt  des  Beklagten  er- 
strebte."-) Mau  suchte  ihn,  wenn  er  schuldig  war,  noch  im  letzten 
Moment  zum  Bekenntnis  zu  nötigen.  Aber  diese  psychologische 
AVirkung  auf  den  Verbrecher  war  doch  nicht  der  Hauptzweck. 
Man  lebte  vielmehr  der  IJberzeugung,  dass  Gott  in  diesem  Gericht 
die  Wahrheit  offenbare:'')  man  nahm  es  vor,  um  jeglichen  Zweifel 
zu  lösen.*)  Der  Gedanke  war  also  nicht,  dass  Gottes  Rache  den 
Frevler  treffen  müsse,  sondern  dass  Gott  durch  ein  Zeichen  ent- 
hüllen werde,  wo  das  Recht  ist,  damit  dem  Richter  möglich  sei, 
gerecht  zu  urteilen.  Gott  möge,  so  heisst  es  in  einem  der  Gebete, 
alles  was  unsicher  und  ungewiss  ist,  darüber  wir  zweifeln,  klar  ent- 
hüllen, damit  wir  auf  Wahrheit  und  Gerechtigkeit  achten  und 
zwischen  Lüge  und  Wahrheit  unterscheiden  können.'^)  Dies  war 
der  Zweck.  So  fest  war  man  davon  überzeugt,  dass  man  geradezu 
sagte,  Gott  habe  geboten,  den  Zweifel  durch  das  Gericht  zu  ent- 
fernen.") Es  ist  ganz  entsprechend,  dass  man  von  dem  Priester 
forderte,  er  solle  in  gewissem  Glaul)en  an  das  göttliche  Erbarmen 
handeln,')  und  dass  der  Priester  vor  Beginn  der  Handlung  betete: 
Gieb  mir  die  Zuversicht  dein  Amt  auszurichten  und  wirke  du  selbst 
in  unserem  Dienst  das  Werk  deiner  Frömmigkeit.'')  Die  Offen- 
baiimg  der  Wahrheit  erwartete  man  stets,  r.ötigenfalls  durch  ein 
Wunder  zu  Gunsten    des  unschuldig  Bedrängten.     Für  diese  Zeit 


1)  Ordo  5  S.  608  ff. 

2|  Dotngemäss  wurde  wolil  vor  clor  Kouununion  noch  eine  Be.schwö- 
runi^'  ein^elept,  dass  der  Beklajfte,  wenn  er  sich  schuklig  wisse,  nicht  wage 
zu  kommunizieren  (ord.  8  S.  613),  oder  es  musste  der  Beklagte  unmittelbar 
vor  dem  Vollzug  seinen  fllauben  an  die  göttliche  Bewahrung  bekennen 
(ord.  10  S.  61«). 

3)  Ord.  1  a  S.  604. 

4)  Ord.  2  a  S.  605:  .\d  instiini  examinationom  cuiuslibet  dubietatis 
faciendam;  sing.  cap.  13  S.  700:  vgl.   IV,  3  a  S.   649. 

5)  Ord.  7  e  S.  612. 

6)  Ord.  13  S.  617:  XIV,  1  g  S.  675. 

7)  Ord.  19  g  S.  622:  Fidus  de  eins  dementia. 

8)  Ord.  27  b  S.  600,  vgl.  11.  1  S.  641;  Tu,  doniine  dixi.sti:  llabute 
fidem  Dcil  Kt  si  habueritis  fidom  et  dixeritis  nionti,  ut  transforatur,  statim 
flet.  Auge  in  nobis,  domine,  fidem  tuam  et  omnem  diffidentiam  et  infide- 
litatem  procul  a  nobis  depclle,  quia  tu  fidutiam  impetrandi,  que  poscimus, 
donasti. 


—     743     — 

gab  es  ja  keine  scharfe  Grenze  zwischen  natürhchem  und  wunder- 
barem Geschehen.  Deshalb  erinnerte  man  in  den  Gebeten  an  so 
viele  biblische  Beispiele  von  Wundem,^)  und  appelherte  man  nicht 
nur  an  die  Gerechtigkeit  Gottes,  sondern  auch  an  sein  Erbarmen 
und  seine  Geduld,  an  ihn,  der  der  Urheber  des  Friedens  und  der 
unsichtbare  Heiland  der  Welt  ist.-) 

Wer  möchte  diesen  schrankenlosen  Glauben,  dass  Gott  der 
Hüter  des  Rechts  ist,  diese  Scheu  vor  jedem  Zweifel  darüber,  wo 
Recht  und  Unrecht  sich  findet,  nicht  anerkennen?^)  aber  die  Men- 
schen dieser  Zeit  wurden  dadurch  unmittelbar  in  den  tiefsten  Aber- 
glauben geführt.  Die  Forderung  und  Erwartung  einer  direkten 
Entscheidung  Gottes  war  Aberglaube.  Und  wie  viel  abergläubisches 
Wesen  hing  sich  sonst  noch  an  die  Gottesgerichte  oder  trat  bei 
diesem  Anlass  an  den  Tag.  Die  Furcht  vor  den  unholden  Mächten, 
von  denen  man  wähnte,  dass  sie  in  der  Welt  ihr  Wesen  trieben, 
ist  kaum  irgendwo  so  deuthch,  als  im  Gottesgericht.  Alle  Krea- 
turen schienen  bereit,  den  Menschen,  an  dessen  Seele  ohnehin  der 
Zweifel  nagt,  zu  berücken  und  zu  verführen.^)  Wenn  man  das 
Vaterunser  auf  das  trockene  Gerstenbrot  schrieb,  das  der  Ange- 
klagte verzehren  sollte,  so  wurde  das  Gebet  des  Herrn  als  eine 
Zauberformel  benutzt.^)  Es  war  ein  Missbrauch  des  Abendmahls, 
dass  man  den  Angeklagten  nötigte,  in  der  Gerichtsmesse  zu  kom- 
munizieren, vollends  dass  der  Reinigungseid  der  beklagten  Priester 
und  Mönche  durch  die  Abendmahlsprobe  ersetzt  wurde.'')    Aber  in 

1)  Die  drei  Jünglinge  im  Feuerofen  1  b  S.  604  u.  ö.,  Susanna  1  b 
S.  604  u.  ö.,  Daniel  in  der  Löwengrube  8  c  S.  614,  Auferweckung  des 
Lazarus  4  S.  608  u.  ö.,  Hochzeit  zu  Kana  6  b  S.  610,  der  versinkende 
Petrus  6  b  S.  610,  die  Apostelwahl  durch  das  Los  7  e  S.  612,  die  Wunder 
überhaupt  4  S.  608  u.  ö.  Bezug  auf  Legenden  ist  selten:  Thekla  8  1  S.  614, 
Briccius  IX,  3  b  S.  622,  Brandan  XII,  4  b  S.  672.  Hier  mögen  auch  die 
Lektionen  der  Gerichtsmesse  zusammengestellt  werden:  Lev.  19,  10,  14 
(App.  1  f  S.  711),  Jes.  55,  6  f.  (Miss.  iud.  d  S.  707),  Dan.  13,  1  ff.  (XI,  3  a 
S.  668).  Mtth.  13,  24  ff.  (21  g  S.  624);  Mrc.  10,  17  ff.  (23  a  S.  627,  App.  I  i 
S.  711);  11,  22  ff.  (Miss.  iud.  g  S.  708,  X,  1  a  S.  663);  Lc.  6,  36  ff.  (I,  4  a 
S.  639);  Jo.  1,  Iff.  (XII,  li  S.  670),  3,  1  (33  b  S.  637),  8,  1  ff.  (XI,  3  a 
S.  668),  Gal.  5,  10  (33  b  S.  637),  Eph.  4,  23  (23  a  S.  627,   App.  I  g  S.  711). 

2)  Ord.  1  b  S.  604;  2  a  b  S.  605;  4  S.  608;  6  b  S.  610,  6  d  S.  611;  19  g 
S.  622;  22  c  S.  626. 

3)  Zweifel  gegen  das  Gottesgericht  fehlten  doch  nicht  ganz;  vgl.  Cap. 
62,  20:  Ut  omnes  iudicium  Dei  credant  absque  dubitatione. 

4)  Ord.  1  b  S.  604;  2  b  S.  607;  5  a  S.  609;  6  a  S.  610;  8  h  k  S.  613; 
10  e  S.  21;  21  h  S.  624;  26  c  S.  629  u.  ö. 

5)  Ord.  XII,  3  e  S.  671,  XIV,  4  a  S.  681  u.  ö.  vgl.  XIV,  4  f  S.  689. 

6)  Synode  zu  Worms  (868)   c.  10  u.  15   S.  871  f.,  wiederholt  Regin.  II 


—     744     — 

Deutschhind  nahm  niemand  Aiistoss  daran;')  es  berührt  fast  selt- 
sam, (hiss  sicli  hei  der  Krenzprobe  das  Gewissen  regte,  und  man 
ihre  Vornahme  verbot.')  ]\[an  wird  nicht  zweifchi  kiinnen,  dass 
die  Ijepalisierung  des  Aberghiubens.  die  darin  kig.  dass  die  Kirche 
die  Gottesgerichte  unter  ihro  Leitung  nahm,  dem  deutschen  ^^)lke 
Schaden   gel)racht  hat. 

Das  Anseilen  der  Gottesurteile  beruhte  auf  der  unverminderten 
Kraft  des  Wunderglaubens.  Es  ist  wohl  kein  Irrtum,  wenn  mau 
in  Karls  Zeit  eine  gewisse  Reaktion  gegen  denselben,  oder  sagen 
wir  nui-.  einen  Ansatz  zu  richtigerer  Beurteilung  des  religiösen 
AVertes  des  Wunders  bemerkt.  In  den  Kaiolinischeu  Büchern  tritt 
das  unverkennbar  hervor.^)  L'nd  wenn  Alkuin  in  seiner  Biographie 
Willi brords  äussert,  es  sei  zwar  der  Dienst  der  evangehschen  Ver- 
kündigung allen  AVundern  und  Zeichen  vorzuziehen,  doch  wolle  er, 
was  man  von  AVundern  AV"illil)rords  erzähle,  zur  Ehre  Gottes,  der 
sie  ihm  gegeben,  nicht  verschweigen/)  so  ist  das  eine  Art  Ent- 
schuldigung für  seinen  AVunderbericht.  Paulus  Diakonus  war  konse- 
ijuenter,  indem  er  in  seine  Biographie  Gregors  d.  Gr.  keine  AV^nider 
aufnahm  und  die  Frage,  ob  der  Heilige  welche  verrichtet  habe,  als 
niüssig  ablehnte.'*)  Kritische  Äusserungen  über  die  AVunder  kommen 
vereinzelt  auch  später  vor.")  Aber  im  allgemeinen  scheiterten  diese 
schwachen  Versuche,  sich  \<>u  einem  die  Zeit  belierrscheuden  A^)r- 


c.  277  f.  S.  321.  Die  Ansicht,  nach  welcher  die  Abendniiihlsprohe  nicht 
zu  den  Gottesgerichten  zu  rechnen  ist,  scheint  mir  richtig-.  Ks  tehlt  die 
zweifellose  göttliche  Entscheidung;  sie  vergleicht  sich  vielmehr  dein  Kid. 
Entstanden  wird  sie  sein  aus  der  Kommunion  des  Angeklagten  in  der  (ie- 
richtsmes«e. 

1)  Bekannt  ist  Agobards  Widerspruch  (advers.  legem  Gundob. ,  opp. 
I  S.  207  ff.);  auch  Stephan  V.  erklürto  sich  dagegen  (ep.  Mogunt.  13 
S.  335). 

2)  Ludwig  d.  Fr.  cap.  138,  27  S.  279  mit  der  Begründung:  Ne  quae 
Christi  passione  glorificata  est,  cuiuslibet   temeritate   conlemjttui  liaboatur. 

3)  III.  25  S.  1167.  Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  kein  Zwcilel  an 
der  Möglichkeit  und  Thatsächlichkeit  der  Wunder  laut  wird;  aber  man  ist 
misstrauisch  gegen  sie,  quia  signa  plerumquo  diabolico  instinctu  fiunt.  Dass 
in  diesem  Misstraupn  der  Keim  zu  einer  kritischen  Betrachtung  der  Wunder 
lag,  zeigt  das  angeführte  Kapitel. 

4)  C.  14  S.  50. 

5)  S.  Ebert,  Lit.  d.  M.A.  11  S  42  Anm.  4. 

6)  Bischof  Adalhohn  erklärt  Träume  n.  (iesichte  für  deliramenta  som- 
niorum  (Vis.  Wett.  10  S.  270  f.).  Wenn  der  Transl.  Libor.  zu  glauben  ist, 
machte  Madurad  von  Paderborn  die  Bemerkung,  dass  die  Sachsen  den 
biblischen  Wunderb'-richten  mehr  oder  weniger  ungläul»ig  gegenüberstanden 
(c.  7  S.  151). 


—     745     — 

lu'teil  zu  emauzipieren.  Das  Volk  fi-eute  sich  der  Wunder,  die 
seine  Heiligen  verrichteten.  Darin  sah  es  ihren  Ruhm  und  ge- 
wissermassen  eifersüchtig  ergriff  es  Partei  für  die  Ortsheihgeu.  Die 
Gebildeten  aber  fügten  sich  willig  dieser  populären  Strömung.^) 

Durch  nichts  wurde  der  Wunderglaube  so  sehr  gefördert  und 
zugleich  vergröbert,  als  durch  die  immer  weitere  Ausdehnung  der 
Heiligen-  und  ßehquienverehrung.  besonders  durch  die  mehr  und 
mehr  in  Schwang  kommenden  Translationen.-) 

Neben  die  Heiligen  der  biblischen  Geschichte  und  die  Mär- 
tyi-er  der  alten  Kirche  traten  in  stetig  wachsender  Anzahl  die  neuen 
Heiligen.  Noch  wurden  sie  nicht  von  der  Hierarchie  kreiert  und 
anerkannt,  sondern  die  Verehiimg  des  Volkes  wählte  sich  selbst 
ihre  Lieblinge.  Sie  bevorzugte  die  sagenhaften  Stifter  der  Bistümer 
und  ältesten  Klöster,^)  wandte  sich  daneben  aber  auch  den  kirch- 
lichen Grössen  der  jüngsten  Zeit  zu.  Im  Kalendarium  Karls  d.  Gr. 
ist  ihre  Zahl  noch  sehr  beschränkt:  neben  die  alten  fränkischen 
Heiligen,  deren  Gedächtnis  mit  der  Geschichte  der  Merowinger 
veiüochten  war,  Remigius  von  Eheims  und  Genovefa  von  Paris, 
treten  hier  aus  der  fränkischen  Zeit  nur  Medardus  von  Soissons, 
Leo  von  Sens,  Bonifatius  und  der  Würzburger  Kihan:  von  den 
Heihgen  des  Karohngerhauses  ist  nicht  ein  einziger,  nicht  einmal 
Arnulf  von  Metz,  genannt."*)  In  der  Verehrung  des  Volkes  standen 
wohl  Bonifatius  und  seine  Gefährten  am  höchsten;  schon  am  An- 
fang des  neunten  Jahrhunderts  gab  es  keinen  Tag  im  Jahr,  an 
dem  die  Zahl  der  Pilger  in  Fulda  grösser  gewesen  wäre,  als  am 
5.  Juni.'^)  Noch  jüngere  Männer  erschienen  bedeutend  genug,  sie 
neben  die  alten  Heroen  zu  stellen:  es  fehlte  nicht  ^-iel,  dass  auch 
der  schhchte  x^lkuiu  zu  einem  Heiligen  geworden  wäre.^) 

Zu  diesen  bekannten  Männern  gesellten  die  Translationen  die 


li  Ermanr.  sermo  de  v.  Sual.  8  S.  160.  Haec  vulgus  et  qui  minus 
intellegunt .  nosque  cum  eis  pro  luaximis  laudibus  tenent .  quod  sancti  Do- 
mini in  hoc  saeculo  a  diversis  languoribus  coipora  coecorum,  claudorum, 
aridcruni  et  paraliticorum  in  Christi  nomine  curant.  Bezeichnend  ist  auch 
ein  in  anderem  Zusammenhang  ausgesprochenes  Wort  Alkuins,  das  hier 
angeführt  werden  mag,  da  es  den  Lokalpatriotismus  im  Heiligendienst  zeigt : 
Illud  commune  est  omnibus  ubique,  quod  moleste  ferant  suos  dehonorare 
sanctos  (ep.  249  S.  403). 

2)  Beissel,  Die  Verehrung  der  Heiligen  u.  ihrer  Reliquien.    Freib.  1890. 

3)  Vgl.  die  Zusammenstellung  bei  Beissel  S.  36  ff. 

4)  Piper,  Karls  d.  Gr.  Kalendarium  S.  40  fF. 

5)  Libell.  suppl.  14  M.G.  Ep.  IV  S.  550;  Serv.  Lup.  ep.  5  S.  58. 

6)  Der  Trierer  Chorbischof  Thegan  schreibt  c.  836  bereits  von  dem 
heüigen  Alkuin,  M.G.  Ep.  V  S.  337. 


—     T4(>     — 

iillei-frag würdigsten  Persöulichkeiten.  Karl  d.  Cir.  war  dou  neuen 
Heiligen  und  der  Übertragung  ihrer  Reli«iuien  wenig  geneigt.  Er 
sprach  es  bestimmt  aus.  dass  dabei  in  der  Kegel  die  Verehrung 
Gottes  und  der  Heiligen  nur  Vorwand,  die  Vermehrung  des  kirch- 
lichen Besitzes  aber  Zweck  sei.^)  Auch  Alkuin  urteilte  sehr  scharf 
über  die  abergläubische  Keli([uien Verehrung:  es  sei  besser  im  Herzen 
die  Beispiele  der  Heiligen  nachzuahmen,  als  ihre  Knochen  undier- 
zutragcn.  ^Nfan  solle  die  evangelischen  Mahnungen  im  Innern  ge- 
schrieben haben,  statt  sie  auf  Tät'elcheu  graviert  um  den  Hals  zu 
hängen.  Das  sei  der  Aberglaube  der  Pharisäer,  denen  der  Heir 
ihre  Phylakterien  zum  Vorwurf  machte.')  Während  Karls  Regie- 
nmg  hört  man  denn  auch  nicht  gerade  viel  von  Translationen:  im 
Gegenteil,  man  bereitete  ihnen  Schwierigkeiten.  Das  geschah  z.  B. 
durch  den  Beschluss  der  Synode  von  Frankfm-t  im  Jalire  794 
gegen  die  Verehrung  neuer  Heihger"')  und  dm-ch  den  51.  Kanon 
der  Mainzer  Synode  von  813.^)  Al)er  ganz  hintaidialten  liess  sich 
die  Sache  nicht.  Das  hinderten  schon  die  Päpste,  welche  Reli(iuien 
als  Beweise  ihrer  Gunst  verteilten;'')  mehr  noch  der  allgemein& 
Glaube  an  die  Kraft  derselben,  den  man  auch  bei  Männern  wie 
Alkuin  und  Angilbert  rindet.")  Man  strebte  nach  ihnen  und  man 
wusste  sie  sich  aus  der  Nähe  oder  aus  der  Feme  zu  verschallcu. 
So  erwarb  das  Kloster  Schienen  aus  Jemsalem  den  Leib  des  Mär- 
tvrers  Genesius,^  Lul  von  Mainz  übertnig  die  R('li(|uion  des  h.  Fer- 
lutius  aus  Kastei  luich  ßlcidenstadt.'')  Durch  Karl  selbst  kam  der 
h.  Theodul  von  Rom  nach  Khngenmünster.")  Gleichfalls  in  Rom 
erwarb  das  Kloster  Kempten  i.  J.  774  die  Reliquien  der  h.  Gor- 
dianus  und  Epimachus.^^) 

Doch    das    waren    vereinzelte   Fälle.     Ganz   anders    wurde    es 


1)  Cap.  72,  7  S.  163. 

2)  Ep.  290  S.  448. 

3)  Cap.  28,  42  S.  77,  vgl.  cap.  22,  42  S.  56. 

4)  Mansi  XIV  S.  75. 

.5)  J.W.  Nr.  2429,  Reliquien  des  li.  Candidua  für  Karl;  2522,  Reli<iuienr 
des  C&sarius  für  Riculf  von  Mainz;  2528,  Petrusroliquien  für  Karl. 

6)  Alkuin  urteilte:  Honorificatur  Deus  in  illi«,  et  noatra  prote^itur 
vita  cum  illis,  ep.  75  S.  117;  er  bittet  um  Keli(|uicn  au.s  Italien  (ep.  11 
S.  37;  146  S.  236).  Angilbert  brachte  in  St.  Kifjuicr  eine  sehr  manchfache 
Sammlung  von  Reliquien  zusammen  (de  eccles.  Centul.  2  S.  175  flF.). 

7)  Mirac.  h.  Genes.  I  M.G.  Scr.  XV  S.  169. 

8)  Serm.  d.  s.  Ferrutio  S.  150;  vgl.  oben  S.  567,  2.  Die  Einweihung 
der   Kirche  fand  am  6.  .Tuni  812  statt  (a.  o.). 

9)  Hrab.  carm.  76  v.  7  S.  228. 

10)  Herim.  Aug.  chron.  z.  774  Scr.  V  S.  100. 


—     747     — 

unter  Ludwig;  nun  drängte  eine  Translation  die  andere.  Den 
Anfang  machte  Bischof  Waltcaud  von  Lüttich,  der  das  zurück- 
gekommene Kloster  Andagium  erneuerte  und  auf  die  Bitte  der 
Mönche  im  Jahre  825  den  Leichnam  Huberts  von  Lüttich  dorthin 
brachte.^)  Im  nächsten  Jahre  erwarb  Hilduin  von  St.  Denis  für 
das  Kloster  St.  Medard  in  Soissons  den  Leichnam  des  Märtyrers 
Sebastian.-)  Kaum  war  dieser  Schatz  für  das  fränkische  Reich 
gewonnen,  so  wusste  Einhard  durch  seinen  gewandten  Schi-eiber 
Ratleic  die  Reliquien  der  Märtyrer  Marcellin  und  Petrus  zu  er- 
langen. Er  brachte  sie  in  die  von  ihm  gebaute  Kirche  in  Sehgen- 
stadt. Jedennann  kennt  den  treuherzigen  Bericht,  in  welchem  er 
selbst  erzählt,  wie  jene  Rehquien,  man  weiss  nicht  soll  man 
sagen,  gekauft  oder  geraubt  worden  sind.^)  Und  nun  bheb  keine 
der  Landschaften  des  weiten  Reiches  hinter  der  anderen  zurück. 
Für  Franken  sorgten  besonders  der  Erzbischof  Otgar  und  Hraban 
von  Fulda.  Jener  erhielt  i.  J.  836  durch  einen  gallischen  Priester 
Namens  Fehx,  einen  geschäftsmässigen  Rehquienhändler,*)  die 
Reliquien  des  Bischofs  Severus  von  Ravenna  samt  denen  seiner 
Tochter  und  Schwester.  Felix  hatte  sie  im  Kloster  des  Heihgen 
bei  Ravenna  gestohlen;  Otgar  brachte  sie  zunächst  nach  St.  Alban 
bei  Mainz;  von  da  kamen  die  Reliquien  des  Severus  in  die  Pauls- 
kirche zu  Erfurt,  die  später  den  Xamen  des  neuen  Heihgen  an- 
nahm; das  Albanskloster  behielt  die  der  heihgen  Vincentia,  das 
Kloster  Altenmünster  in  Mainz  aber  w^urde  i.  J.  858  von  Erzbischof 
Karl  mit  denen  der  heihgen  Innocentia  beschenkt.'^)  In  Rom  hatte 
Otgar  vergebhch  um  einen  Heihgenleib  gebeten;'')  schhesshch  er- 
reichte er  doch  sein  Ziel:  er  erwarb  dort  die  Rehquien  der  heihgen 
Sergius,  Bachus  und  Justinus.  Die  beiden  ersteren  wiu'den  an  ver- 
schiedene Kirchen  verteilt,')  die  des  h.  Justin  brachte  er  nach  Höchst.*) 


1)  Transl.  Hubert.  2  S.  235  f. 

2)  Transl.  Sebast.  7  S.  382. 

3)  Transl.  Marcell.  et  Petr.  S.  239  ff.,  vgl.  auch  Einh.  ep.  10  S.  113. 

4)  Vgl.  u.  S.  749  Anm.  4. 

5)  V.  et  transl.  Sever.  S.  289  flf.  Das  altum  monasterium,  das  hier  ge- 
nannt ist,  sucht  ein  Zusatz  zu  Lamb.  ann.  z.  858  ebenfalls  in  Erfurt.  Man 
könnte  dann  nur  an  das  Domstift  oder  an  das  Kloster  auf  dem  Petersberg- 
denken. Aber  beide  waren  niemals  Nonnenklöster.  Überdies  weist  die  Art, 
wie  Liütolf  spricht,  darauf  hin,  dass  die  Nonnen  in  Mainz  za  suchen  sind; 
es  scheint  mir  deshalb  zweifellos,  dass  man  an  Altenmünster  in  Mainz  zu. 
denken  hat. 

6)  M.G.  Ep.  V  S.  71  Nr.  13. 

7)  Vgl.  Hrab.  carm.  55  S.  219;  77,  7,  5  S.  230;  80,  7,  4  S.  238. 

8)  Hrab.  carm.  71  S.  225. 


—     74S     — 

Hrahan  sorgte  lür  die  Kirchen  der  Ahti'i  Fulda.')  Aueli  der 
h.  Castor  fing  jetzt  an  berülnnt  zu  werden,  Erzhischof  Hetti  von 
Trier  hat  seinen  Leichnam  von  Garden  nach  Ooblenz  ühertragen.-) 
Für  die  Kirdie  in  Vallendar  erwarb  er  von  Einhard  Kehciuien  der 
h.  Marcellin  und  Petnis.'')  Nach  St.  Kicjuier  brachte  er  aus  Rom 
Keh(|uien  der  h.  Eusebius.  Pontian  und  Peregrin.*)  Der  Metzer 
Chorbischof  Ijantfrid  verschaffte  dem  Kloster  Xeuweiler  die  Reli- 
quien des  li.  Adelphus.'*)  Durch  Markward  von  Prüm  wurden 
einige  Jahre  nach  Ludwigs  Tod  die  Keli(iui<'n  der  h.  Chrysantus 
und  Daria  liir  das  Kloster  Münstereifel  erworben.") 

In  Schwaben  wusste  das  Kloster  Reichenau  seinen  Reliquien- 
besitz am  eilie])lichsteu  zu  vermehren.  Es  erhielt  i.  J.  S29  die 
Leil)er  des  h.  Valens  und  Senesius,')  864  die  des  h.  Januarius 
und  anderer  Heiligen,  die  ein  schwäbischer  Kriegsmann  aus  Cam- 
panien  entführt  hatte.'')  Das  Kloster  Rheinau  erwarb  in  Rom  die 
Reliquien  des  h.  Elasius.")     Dagegen   begnügten   sich   die  Mönche 


1)  Rudolf.  Mirac.  sanct.  in  Fuld.  eccl.  transl.  S.  329  0'.  Hraban  bedurfte 
für  seine  neuen  Kirchenbauten  vieler  Reliquien  (c.  1  S.  330).  Er  erhielt 
sie  zum  Teil  als  Geschenk  von  einem  in  Italien  begüterten  Franken,  Namens 
Halabing  (1.  c.  u.  c.  4  S.  333),  auch  von  Humbert  von  Würzburg  (ep.  26 
S.  440j,  zum  grössten  Teil  (s.  da.s  Verzeichnis  c.  3  S.  332;  4  S.  333;  9  S.  336) 
kaufte  er  sie;  unter  seinen  Lieferanten  ist  der  römische  Diakon  Deusdona, 
eine  ebenso  anrüchige  Persönlichkeit  wie  der  Gallier  Felix  (c.  2  S.  330)  und 
sein  Bruder  Theodor  (c.  9  S.  336),  ein  römischer  Laie,  Namens  Sabbatinus 
u.  a.  Man  hat  den  Eindruck,  dass  ein  schwunghafter  Handel  mit  Reliquien 
getrieben  wurde  (c.  4  S.  333).  Sie  kamen  in  die  Marienkirche  zu  Fulda 
(c.  3  S.  332),  in  die  Kirchen  zu  Johannisberg  (c.  7  S.  33.t',  zu  Holzkirchen 
(c.  11  S.  337',  zu  Rasdorf  (c.  13  S.  338)  und  in  nie  von  Hraban  erbauten 
Kirchen  (c.  14  S.  350).     Die  Tninalationen  fallen    in  die  Jahre  835-838. 

2)  Gleichfalls  im  Jahre  836  (Theg.  v.  Hludov.  app.  S.  603;  Gesta  Tre- 
vir.  25  S.  164). 

3)  Einh.  ep.  45  S.  132. 

4)  Carm.  Cent.  118  v.  7.     M.G.  Poet.  lat.  HI  S.  343. 

5)  Transl.  Adelph.  1  S.  294  mit  der  unmöglichen  Jahresangabe  846. 
Da  die  Translation  unter  Ludwig  d.  Fr.  stattfand,  so  wird  sie  in  dieselbe 
Zeit  fallen  wie  die  Translationen  Hrabans. 

6)  \m  J.  «44  (Transl.  Chrys.  1   S.  374  f.). 

7)  Ann.  Aug.  8.  67,  vgl.  cat.  abb.  Aug.  iM.G.  Scr.  H  S.  38),  wo  das 
Jahr  830  angegel)en  ist.  ebenso  in  den  Ann.  Alam.  cont.  Aug.  S.  49.  Nach 
den  Mirac.  a.  Marei  brachte  Ratold  von  Verona  die  Reliquien  vielmehr  nach 
seiner  Zelle  Radolfszell,  dagegen  nach  Reichenau  die  des  Ev.  Marcus 
<2  M.G.  Scr.  IV  S.  450) 

8)  Gallus  Öhem,  Chronik  S.  5y  f. 

9)  Im  J.  855  (v.  Find.  5  S.  505). 


—     749     — 

von  St.  Gallen  an  den  einheimischen  Heiligen.  Im  Jahre  864  er- 
hoben sie  die  Reliquien  Otmars  und  übertrugen  sie  in  die  Gallus- 
kirche.  Seitdem  feierten  sie  den  Depositionstag  als  ein  Fest. 
Partikeln  seines  Leichnams  kamen  später  nach  Reichenau  und 
Kempten.  ^)  Auch  Reliquien  Columbas  wusste  man  sich  in  St.  Gallen 
zu  verschaflen.-) 

Was  Baiern  anlangt,  so  brachte  Bischof  Hitto  im  Jahre  834 
die  Rehquien  des  Papstes  Alexander  und  des  Papstes  Justin  von 
Rom  nach  Freising. ■^)  Im  nächsten  Jahi'zehnt  suchte  der  dortige 
Bischof  Erchambert  die  Reliquien  des  Apostels  Bartholomäus  füi' 
seine  Kirche  zu  gewinnen.  Aber  er  traute  dem  Zwischenhändler^. 
einem  notorischen  ReHqiendieb,  nicht  ganz  und  wartete  deshalb 
unter  Veranstaltung  von  Fasten  und  Bittgängen,  ob  sich  die  Reh- 
quien durch  Wunder  als  echt  erwiesen.^)  Als  Liutpram  von  Salz- 
burg ün  Jahre  851  eine  Wallfahrt  nach  Rom  machte,  erhielt  er 
von  Leo  IV.  den  Leichnam  des  h.  Hermes  zum  Geschenk.*'')  König 
Karlmann  brachte  im  Jahre  876  die  Reliquien  des  h.  Maximilian, 
dann  der  h.  Fehcitas  und  ihrer  sieben  Söhne  nach  Otting.^)  Im 
Bistum  Eichstädt  wm*de  i.  J.  893  der  Leichnam  der  Äbtissin  Wal- 


1)  Mirac.  Otm.  1,  2  ff .  S.  48;  II,  2  S.  53. 

2)  Ermenr.  ep.  ad  Grim.  29  S.  567.     Gozbert,    der    Neffe    des    gleich- 
namigen Abts,  brachte  sie  aus  Bobbio. 

3)  Transl.  Alex.  1  S.  286  f. 

4)  Vgl.  den  ungemein  charakteristischen  Brief  Erehanberts  an  den 
Freisinger  Klerus  (M.G.  Ep.  V  S.  338  Nr.  23):  Denique  cognoscat  benevo- 
lentia  vestra,  quod  quidam  vir  nomine  Felix  per  missum  suum  demandavit 
seniore  nostro  regi,  dicens  se  corpus  s.  Portholomaei  apostoli  et  aliorum 
sanctorum  corpora  secum  nostris  partibus  detulere,  quod  nos  cum  gaudio 
et  libenti  animo  Deum  laudando  audivimus.  Sed  adhuc  incertum  habemus,. 
utrum  credibile  nobis  existere  debeat  an  non.  Contigit  fideles  senioris 
nostri  insimul  venisse  in  sua  praesentia,  et  de  eo  incipiebamus  meditare. 
Et  tunc  demum,  quando  pertractavimus,  ita  nos  coadunavimus  triduanam 
ieiunium  agere,  quatenus  a  Deo  omnipotente  in  aliquibus  signis  nobis 
ostendere  mereamur,  si  ipse  supradictus  Felix  verum  dicat  an  aliter,  et  ne 
fallente  diabolo  nos  decipiat.  Rogamus  vere  et  iubemus,  qui  spontanea 
voluntate  hoc  ieiunium  colere  volueritis,  ut  abstineatis  vos  a  vino  et  carne 
et  medo  et  melscada,  cervisa  et  de  lacte  et  ovo,  et  sequimini  crucem  ad 
horam  nonam  in  XII  kal.,  in  XI  k.  et  X  k.,  et  ut  istam  notitiam  aliis  in 
antea  non  negligatis  transmittere.  Über  Felix  s.  Ti-ansl.  Severi  1  M.G. 
Scr.  XV  S.  292;  Huic  erat  consuetudo  .  .  s.  reliquias,  ubicunque  potuerit 
furavi  questus  causa;  andere  Reliquienschwindler  sind  Ep.  V  S.  363  Nr.  1 
erwähnt. 

5)  Transl.  Hermet.  S.  410. 

6)  B.M.  1491. 


—     750     — 

biirgis  von  Hoidonhoim  nach  I]iclistädt  versetzt  ein  Teil  der  Reli- 
quien kam  später  von  dort  niich  Monheini.') 

Unter  keinem  der  deutschen  Stämme  aber  waren  die  Ver- 
treter der  Kirche  gleich  eifrig  in  d(>r  Enverbung  von  Relicpiien, 
als  bei  dem  zuletzt  bekehrten,  dem  sächsischen.  Dort  stiessen  die 
Itiblisclien  Wunderberichte  manchfach  auf  Unglauben:  man  wollte 
ilm  iil)ei-\vinden.  indem  man  die  Macht  der  Heiligen  den  Sachsen 
im  eigenen  Lande  zeigte.**)  Es  dauerte  auch  nicht  lange,  bis  der 
Wunderglaube  in  Sachsen  die  gleiche  Höhe  erreichte  wie  im 
übrigen  Deutschland.  In  das  .lahr  s:}()  fällt  die  Übertragung  des 
h.  Veit  nach  C'orvov  und  des  h.  I^iborius  nach  Paderborn.  Beide 
Reliquien  kamen  aus  Frankreich;  die  ersteren  erhielt  der  Abt 
Warin  von  Hilduin  von  St.  Denis,  dorthin  hatte  sie  einstmals 
Fulrad  als  Geschenk  Stephans  III.  gebracht;  =^)  die  letzteren  wurden 
von  Aldrich  von  Le  Maus  an  Bischof  Badurad  überlassen.")  Auch 
die  Reli(iuien  der  h.  Pusinna.  die  durch  den  Grafen  rob])o  nach 
Herford  gebracht  wurden,  stammten  aus  Frankreich.'*)  Noch  i.  J. 
sm  erwarben  die  Mönche  von  Corvey  dort  die  Reli(iuien  des 
h.  Justinus.")  Bald  tritt  aber  auch  hier  Italien  als  Beziigs(iuelle 
dieser  Heiligtümer  in  den  Vordergrund:  von  dort  stammten  die 
Reliquien  der  h.  Felicissimus  und  Agapet.  die  nach  Vreden  in 
Westfalen  kamen.')  Dort  erwarb  Waldbraht,  W^idukinds  Enkel, 
den  Reli(iuienschatz  von  Wildeshausen  ^)  und  Graf  Liudolf  den  von 
Brunshausen.")  Auch  Linthert  von  Münster  erhielt  von  Rom  die 
Relicjuien  des  Märtyrers  iSfagnus.^")  Wo  er  die  zahlreichen  in 
Freckenhorst  niedergelegten  RcU(iuien  erwarb,")  ist  nicht  bekannt.'-) 


1)  Mirac.  Waldb.  I,  5  f.  S.  540  f. 

2)  Transl.  Libor.  7  S.  151. 

3)  Transl.  Vit.  3  S.  577;  14flF.  S.  580  f. 

4)  Transl.  Libor.  8  S.  152. 

5)  Diese  Translation  fällt  in  das  Jahr  860,  s.  transl.  Pusinn.  5  f.  (Wil- 
matis,  KU.  I  S.  543  f.). 

G)  Ann.  Corb.  z.  891  .Taffe  I  S.  34.  Im  J.  949  erwarb  man  dazu  den 
Kopf  in  Magdeburg,  ib.  S.  35.  Die  Herkunft  aus  Frankreich  in  der  jungen 
Transl.  A.  S.  Roll.  Aug.  I  S.  33. 

7)  Im  .1.  839  (Ann.  Xant.  z.  d.  .1.  S.  226). 

8)  Im  J.  851  (Transl.  Alex.  4  ff.  S.  676  u.  Ann.  Xant.  /..  d.  J.  S.  229). 

9)  Im  J.  852  (Ann.  »^uedlinb.  z.  d.  J.  S.  46;  Hrotsuitb,  de  prim.  Gand. 
V.  118  ff.   S.  308  f.). 

10)  Im  J.  867;  sie  waren  ein  Geschenk  Nikolaus  J.  (Ann.  Xant.  z.  d.  .1. 
S.  232). 

11)  Im  J.  861  (Ann.  Xant.  z.  d.  ,1.   S.  230). 

12)  Reliquien    im  Privatbesitz    bezeugt    das   Braunschweiger  Reliquien- 


-     751     - 

Jede  Translation  glich  einem  Triunipliziige :  mit  Kreuzen  und 
brennenden  Kerzen  geleitete  die  Priesterschaft  den  Schrein,  der 
die  Eehquien  barg;  Scharen  Volks  folgten,  Kyrie  eleison  singend. 
Nahte  der  Zug  einer  Kirche  oder  einem  Kloster,  so  wTirde  er  auf 
die  feierlichste  Weise  eingeholt.^)  Durch  das  alles  musste  die 
Phantasie  des  Volkes  mächtig  en^egt  werden :  man  war  geneigt,  das 
einfachste  Ereignis  als  ein  Wunder  zu  betrachten.  Als  Rudolf 
von  Fulda  die  Reli(iuien  des  Märtyrers  Venantius  von  Soluhofen 
nach  Fulda  abholte,  klärte  sich  nach  einer  Regennacht  am  Morgen 
das  Wetter  auf:  er  war  überzeugt,  dass  das  durch  die  Verdienste 
des  Heiligen    geschehen    sei.-)     Es    war    gewissermassen    natürUch. 


kästchen  mit  der  Inschrift  Halega  Limuritue  thisi  GheualinJu  (diese  heiligen 
Reliquien  sind  der  Gewalind),  Haupt,  Ztschr.  f.  d.  Alt.  N.F.  II  S.  95  fl'. 

1)  Besonders  Rudolf  schildert  das  anschaulich  in  seinem  Bericht  über 
die  Erwerbung  der  Fuldischen  Reliquien. 

2)  Mirac.  sanet.  5  S.  334.  Zugleich  eine  Bemerkung  über  die  Topo- 
graphie. Waitz  identifiziert  das  hier  genannte  Holzkirehen  mit  der  Fuldi- 
schen Propstei  dieses  Namens,  in  Unter-Franken,  BA.  Marktheidenfeld,  s.  o. 
S.  571,  3.  Das  ist  aber  offenbar  irrig.  Denn  1.  unterscheidet  Rudolf  ganz 
klar  zwei  Orte  dieses  Namens,  indem  er  den  einen  näher  bezeichnet  als 
situm  in  Alamannia  (1.  c),  den  andern  als  situm  in  provincia  Waldsazi 
c.  11  S.  837).  Dass  er  diesen  Gau  für  schwäbisch  hielt,  ist  schlechthin 
unmöglich.  2.  ist  bei  der  Annahme  von  Waitz  die  Nachricht  (c.  10  S.  336), 
dass  Santhrat  von  Solnhofen  die  Reliquien  Quirins  vorläufig  in  Holzkirchen 
deponierte  und  dann  nach  Fulda  um  Verhaltungsmassregeln  sandte,  unver- 
ständlich. Schickte  er  seinen  Schatz  erst  bis  nach  Holzkirchen  im  Gaue 
Waldsassi,  so  konnte  er  ihn  ebensogut  gleich  nach  Fulda  schicken.  Sein 
Verfahren  hat  nur  Sinn,  wenn  er  ihn  in  einer  benachbarten  Kirche  depo- 
nierte. Demnach  ist  bei  dem  alemannischen  Holzkirchen  ein  Ort  in  der 
Nähe  von  Solnhofen  gemeint.  Man  hat  ihn  ohne  Zweifel  in  Holzkirchen 
an  der  Wörnitz  bei  Nördlingen  zu  finden.  Der  Ort  ist  von  Solnhofen  in 
einem  halben  Tagmarsch  zu  erreichen.  Bei  dieser  Annahme  ist  der  Bericht 
Rudolfs  im  5.  Kapitel  verständlich.  Er  vermied  des  starken  Regens  halber 
den  Weg  durch  das  Altmühlthal  zu  nehmen;  er  vermutete,  dass  der  Fluss 
ausgetreten  sei.  Deshalb  zog  er  über  die  Höhe,  zunächst  nach  Holzkirchen, 
von  da  am  nächsten  Tage  an  einen  nicht  sicher  zu  bestimmenden  Ort 
Truhtmuntiga;  am  zweiten  Tage  nach  Hassareodt,  d.  i.  Herrieden.  Die 
Entfernung  von  Holzkirchen  dorthin  ist  nicht  ganz  doppelt  so  gross  als  die 
von  Solnhofen  nach  Holzkirchen:  man  zog  aber  natürlich  in  sehr  kleinen 
Tagemärschen.  Von  Hassareodt  kam  man  nach  mehreren  Tagen  nach 
Hammelburg.  Was  Truhtmuntiga  (nach  den  Fulder  Traditionen  Trutmun- 
dingen)  anlangt,  so  möchte  ich  vermuten,  dass  in  diesem  Namen  der  der 
späteren  Grafschaft  Truentingen  steckt.  Man  könnte  dann  an  Altentrüdingen 
denken.  Dieser  Ort  liegt  genau  in  der  Mitte  zwischen  Holzkirchen  und 
Herrieden. 


7.02 


dass.  wciiii  eiue  solche  Stinunuug  ullgemeiu  war,  Kranke  sich  ge- 
sund fühlten.  Trat  dies  ein,  so  sorgten  die  Priester  dafür,  dass 
das  Wunder  nicht  verhorgen  Mich.  Als  eine  alte  kontrakte  Magd 
der  Al)tissin  !Mahtliilde  von  Zellingen  hei  einer  Translation  sich 
genesen  glauhte,  hestieg  alshald  der  Priester  Reginolf  einen  er- 
höhten Platz  und  zeigte  die  Geheilte  dem  Volk.')  Jedes  Wunder 
wurde  hegierig  geglauht  und  weiter  erzählt.  Aher  indem  mau  in 
dieser  Weise  Wunder  provozierte,  verlor  der  AVunderglauhe  die 
Naivität,  die  er  früher  gehaht  hatte.  Das  ahergläuhische  Element, 
das  ihm  anhängt,  trat  stärker  hervor.  Wie  entschieden  wurde 
fi-üher  der  Satz  hetont:  Die  Wunder  sind  Gottes."'')  Jetzt  leugnete 
man  das  natürlich  nicht,  aher  man  vergass  es.  Nichts  ist  charak- 
teristischer als  die  Weise,  wie  Ermanrich  von  den  Wundern  des 
h.  Sualo  spricht.'*)  Auch  Ratpert  lässt  den  h.  Gall  durch  seine 
Wunder  fortlehen'*)  und  Walahfrid  Straho  ruft  ihn  an,  dass  erden 
Seelen  die  Heilmittel  des  göttlichen  Erharmens  erflehe,  wie  er  durch 
seine  Verdienste  vielen  Gesundheit  des  Leihes  verleihe.''')  Man 
kann  nicht  zweifeln,  dass  in  der  ]\reinung  der  Laien  die  Macht  der 
Heiligen  noch  entschiedener  vor  die  AVirkung  Gottes  trat.  Wenn 
man  ihnen  zu  Ehren  Wachskerzen  anzündete,")  so  hat  das  Volk 
darin  schwerlich  etwas  anderes  als  ein  ihnen  dargehrachtes  Opfei" 
gesehen.  Ihnen  zu  Ehren  wurden  die  Wallfahrten  unternonnnen: 
nuin  war  der  Ühei'zeugung,  dass  das  Gehet  um  Sündenvergebung 
au  ihrem  Grabe  wirkungskräftiger  sei,  als  in  der  Heimat")  Die 
seltsamste  Gedankenvermischung  hegt  darin,   dass  man  schliesslich 


1)  Rud.  11  S.  337. 

2)  S.  Bd.  I  S.  199. 

3)  V.  Sual.  7  S.  159:  Dura  lectum  sit  ante  Christi  incariiationeni  cae- 
cum  a  nativitate  neminem  .sanctorum  inluininasse  .  .  et  dum  in  hoc  tem- 
pore moderno  illud  rariBsimum  sit,  iste  (Sualo),  salvo  omnipotentis  privilegio 
et  apostolis  et  auccessoribus  eorum  post  dato,  natum  a  primis  cunabuUs 
caecura  signaculo  crucis  apposito  irnidiavit. 

4)  Lobgesang  auf  den  h.  Gallus,  Str.  17  (Müllenhotl'  u.  Scherer,  Denk- 
mäler 12  I  S.  31). 

5)  V.  Gall.  II,  48  S.  31. 

6)  Transl.  Chrys.  17  S.  375:  Accendit  candelam  ex  more.  Um  den 
Brauch  zu  verstehen,  mu.ss  man  sich  an  die  an  heiligen  Bäumen,  Quollen 
etc.  angezündeten  Lichter  erinnern.  Auch  das  Trinken  zu  Ehren  der  Hei- 
ligen (8.  o.  S.  468  und  vgl.  Grimm,  Mythol.  S.  53)  gehört  hieher;  vgl.  die 
oben  S.  663  Anm.  6  mitgeteilte  Notiz  Hrabans. 

7)  Vgl.  die  Format»  für  einen  Kompilger,  Form.  Salzb.  2  S.  440;  den 
Brief  an  den  Papst,  ib.  60  S.  45"J  f.  Die  Verteidigung  der  Wallfahrten 
durch  .Jona."«  g^gen  Claudius  von  Turin,  de  cultu  imag.  III.  Migne  106 
S.  365  ff. 


—     753     — 

Reliquieu  Gott  wie  ein  Opfer  darbrachte.*)  Der  Widerspruch,  den 
Claudius  von  Turin  gegen  die  gesamte  Heiligen-  und  Reliquien- 
verehrung erhob,-)  scheint  in  Deutschland  nirgends  Zustimmung 
gefunden  zu  haben. 

Die  durch  Rehquien  bewirkten  Wunder  waren  in  gewissem 
Sinne  alltäglich.  Man  betrachtete  es  als  selbstverständlich,  dass 
sie  an  keinem  heihgen  Orte  fehlten.  Aber  der  erregte  Glaube  sah 
überall  Aussergewöhnhches,  Wunderbares,  das  ihn  beschäftigte:  bald 
erbhckte  man  ein  Kreuz  im  Monde '^l  oder  es  erschienen  an  den 
Kleidern  Ki-euze,  die  nicht  von  Menschenhand  gezeichnet  waren ;  *) 
bald  hörte  man  von  einem  Briefe,  der  vom  Himmel  gefallen  sei,'^) 
oder  es  erschi-eckte  ein  Weib  das  gemeine  Volk,  indem  es  vorgab, 
es  sei  ihr  der  jüngste  Tag  geoffenbart. *^)  Hier  bewies  ein  gött- 
hches  Strafgericht  über  einen  Sünder,  dass  Gott  seiner  nicht  spotten 
lässt, ')  und  dort  staunte  man  ein  Mädchen  an,  das,  nachdem  es 
das  heilige  Abendmahl  empfangen  hatte,  sich  Jaln-e  lang  jeglicher 
Speise  enthielt,*)  oder  man  lauschte  in  wollüstigem  Grauen  den 
Busspredigten  von  Einsiedlern,  die  l^ehaupteten,  sie  hätten  Verkehr 
mit  den  himmlischen  Geistern.'^)  Dass  man  Bhcke  ins  Jenseits 
that.  kam  nicht  ganz  vereinzelt  vor.^")  Wie  mächtig  der  Eindruck 
von  Karls  Persönlichkeit  Avar,  kann  man  auch  daran  ermessen,  dass 
die  Frage  nach  seinem  Geschick  im  Jenseits  die  Zeitgenossen  so 
lebhaft  beschäftigte,  dass  sie  in  Gesichten  die  Antwort  erbhckten. 
Aber  während  der  Mönch  Rotchar  ihn  unter  den  Sehgen  schaute,*^) 
sah     ilm     ein     altes     Weib     aus     dem     Gau    von    Laon    in     der 


1)  Inschrift  auf  dem  Reliquiare  des  Adventius  von  Metz,  Kraus  II 
S.  148  Nr.  303: 

üt  scelerum  noxas  redimam,  tibi  conditor  orbis, 
offero  templi  huius  humilis  Adventius  arcem. 

2)  Er  erklärte  die  Hilfe  oder  auch  nur  die  Interzession  der  Heiligen 
für  unmöglich,  da  sie  nichts  von  dem  wissen,  was  auf  Erden  geschieht, 
Dungal  Responsa  Migne  105  S.  466. 

3)  Ann.  Senon.  z.  J.  806  S.  103. 

4)  Ann.  Lauriss.  min.  z.  J.  786  S.  118. 

5)  Cap.  22,  78  (a.  789)  S.  60.  Karl  heisst  den  Brief  verbrennen.  Vgl. 
Baluz.  cap.  Reg.  Franc.  H  S.  1396  und  die  Bemerkung  Bd.  I  S.  538  Anm.  3. 

6)  Ann.  Fuld.  z.  J.  847  S.  36  f. 

7)  Ep.  Mogunt.  11  S.  333. 

8)  Einh.  ann.  z.  J.  825  S.  168.  Die  Sache  spielte  in  Commercj  bei 
Toul. 

9)  Ann.  Xant.  z.  J.  867  S.  232. 

10)  Vgl.  C.  Fritzsche,  Roman.  Forschungen  II  S.  247  ff.,  III  S.  337  ff. 

11)  Visio  Rotcharii  im  Auszug  A.  S.  Mab.  IV,  1  S.  627. 
Hauck,  Kirchengeschichte.   11.    2.  Aufl.  4g 


—     Tö-l     — 

(^ual.M  Der  Gesichte  Wettins  winde  in  uudereni  Zusanmioiihang 
bereits  gedacht;-)  kur/  nach  ihm  schaute  ein  enghschcr  Priester 
das,  was  hinter  der  sichtbaren  Welt  hegt.  Prudentius  hielt  seinen 
Bericht  ["nv  wichtig  genug,  ihn  in  seine  Annalen  aufzunehmen.'^) 
Um  dieselbe  Zeit  hat  ein  deutscher  Kleriker  einen  anschaulichen 
Bericht  über  eine  ihm  gewordene  Vision  an  Haito.  der  die  Ge- 
schichte Wettins  zuerst  aufzeichnete,  gesandt.'*)  Auch  ein  König 
durfte  einen  Blick  in  das  Fegefeuer  thuii.  Tjudwig  d.  1).  sah 
seinen   A'ater   in   demselben.') 

Die  Kirche  hat  sich  diesen  Auswüchsen  des  Glaubens  wenig- 
stens in  einzelnen  Fällen  abwehrend  gegenübergestellt.  Jene  Pro- 
phetin Thiota,  welche  das  Bistum  Konstanz  in  Aufregung  versetzte, 
wurde  auf  Hrabans  erster  vSynode  zu  dem  Geständnis  ihrer  Be- 
trügereien gebracht  und  verurteilt.^)  Das  gleiche  Schicksal  berei- 
tete Erzbischof  Liutbert  im  Jahre  H67  einem  sächsischen  Einsiedler, 
der  als  Prophet  aufgetreten  war.^)  Aber  zu  verwundern  ist  es 
nicht,  dass  dadurch  wenig  eireicht  wurde;  die  erregte  Wundei-sucht 
des  Volks  erhielt  ja  durch  die  ^lassregeln  der  Kirche  selbst  immer 
neue  Nahrung."') 

Wir  bemerken  den  T'bergang  von  (ilaube  in  Aberglaube  noch 
auf  einem  andern  Gebiet.  Es  seheint  kaum  ein  Unterschied  zwischen 
einem  Gebet  um  Segen  und  einem  kurzen  »Segenssprueh:  an  die 
Stelle  des  frei  gewählten  Woi-tes  tritt  eine  entsi)rechende  Formel. 
Und  doch  bewiesen  die  Formeln  sich  als  höchst  gef.ährlieh.  An 
BenediktioiK^n  war  diese  Zeit  ungemein  ?-ei(h.  Zunächst  war  die 
Kirche  die  N'erwalteiin  und  Spenderin  des  Segens.  Durch  den 
Priester  wurden  Jhäutigam  und  Braut  gesegnet:")  er  sprach  eine 
Segensformel  über  die  A\'(Khnerin,  die  zum  ersten  ]\Ial  die  Kirche 


1)  Viflio  cuiusdam  mulieria  paiiperculae  bei  Wattenbach,  GQ.  I  S.  277  A.  2. 

2)  S.  0.  S.  6.'i.5f. 

3)  Ann.  Bert.  z.  J.  839  S.  18  f. 

4)  AnfgRfiintlon  und  bekannt  gemacht  von  Hampe,  N.A.  XXII  S.  G28  ti". 
Hior  ist  die  Qual  Fulrad.i  von  St.  Denis  Gegenstand. 

5)  Ann.  Fuld.  z  .1.  874  8.  82.  Karl  .selbst  erscheint  als  Visionär  in 
der  Visio  Caroli.  JattV-  Bibl.  IV  S.  701.  deren  Verfa.sser  nach  einem  Hericht 
Hrabans  geschrieben  haben  will. 

6)  S.  0.  S.  753  Anm.  0. 

7)  S.  0.  S.  710  Anm.  4. 

8)  Das  angebliche  (4e.sicht  iiljcr  die  Verdammnis  Karl  Martolls  wegen 
der  Pänziehiing  der  Kirchengüter  hat  der  französische  Episkopat  in  seiner 
Vorstellung  an  Ludwig  d.  D.  von  858  verwertet,  (Jap.  297  II  S.  432  f. 

9)  Regin.  II.  1.52  8.  271.     Poenit.  Ps.  Theod.  II.  9  S.  577. 


-     755     - 

besuchte.-)  Er  benedizierte  das  Haus,  in  dem  man  wohnte,'^)  den 
Brunnen,  aus  dem  man  AVasser  schöpfte,^)  Brot  und  Salz,  das  man 
ass.'*)  Der  Segen  der  Kirche  schirmte  das  Getreidefeld  und  den 
Obstgarten'^)  und  weihte  Schwert  und  Banner^)  für  ihren  Gebrauch. 
Wurden  Geräte  aus  der  Römerzeit  aus  der  Erde  gegraben,  so  hätte 
man  nie  gewagt,  sie  zu  benutzen,  wenn  nicht  die  Kirche  sie  zuerst 
durch  ein  Segenswort  gereinigt  hätte.")  Wenn  das  Korn  in  Ähren 
schoss,  schnitt  man  einige  Halme  ab;  man  brachte  sie  an  Himmel- 
fahrt in  die  Kirche,  damit  sie  am  Altar  gesegnet  würden;  das 
gleiche  geschah  an  Jakobi  mit  dem  Obst,  an  St.  Sixt  mit  den 
Trauben.  **)  Ostern  war  die  Zeit,  in  welcher  man  Speck  und  Brot, 
Eier  und  Käse  auf  den  Altar  stellte,  um  sie  benedizieren  zu  lassen.^) 
Man  sieht:  Benediktionen  ül^erall. 

x4_n  die  mancherlei  Segenssprüche,  welche  der  Priester  sprach, 
schlössen  sich  andere  an,  die  jedermann  selbst  gebrauchte.  Bei 
unzähligen  Gelegenheiten  bezeichnete  man  sich  mit  dem  Kreuze; 
man  liebte  es,  einen  kurzen  Segen  dazu  zu  sprechen.  ^^)  Und  wie 
viele  Anlässe  gab  es  sonst,  derartige  Sprüche  zu  verwerten.  Wenn 
der  Hirt  das  Vieh  zur  Weide  trieb  oder  der  Jäger  zur  Jagd  auf- 
brach, so  thaten  sie  es  nicht,  ohne  dass  sie  eineii  Segen  über  ihre 
Hunde  gesprochen  hätten.-'^)     Wer  dem  Abreisenden  Lebwohl  ge- 


1)  Otfrid,  Krist  I,  14  v.  9  f.  S.  76. 

2j  Poenit.  Ps.  Theod.  33,  15  S.  619.  Benediktionsformeln  bei  Grimald, 
Lib.  sacram.  118  S.  848. 

8)  Formeln  für  die  annualis  benedictio  putei,  und  die  benedictio  novi 
putei  bei  Gerbert,  Monumenta  veteris  liturgiae  Alamannicae  II  »S.  125,  vgl. 
Orimald,  1.  c.  121  S.  849. 

4)  Grimald  1.  c.  112  u.  125  S.  847. 

5)  Gerbert  1.  c. 

6)  L.  c.  S.  110  f.  S.  125. 

7)  Grimald  1.  c.  120  S.  849  u.  Gerbert  1.  c.  S.  125. 

8)  Gerbert,  Vet.  lit.  Alam.  S.  534;  vgl.  die  Formeln  bei  Grimald  c.  122  f. 
und  die  Nachricht  der  Ann.  Senon.  z.  J.  868  S.  103,  dass  nach  der  grossen 
Teuerung  im  Winter  867—868  am  24.  Mai,  dem  ersten  Rogationstag,  neues 
Brot  zum  Segnen  in  Sens  dargebracht  wurde. 

9)  Walahfrid,  de  reb.  eccles.  19  S.  491;  St.  Galler  Predigt  bei  Balu- 
■zius  Cap.  II  S.  1376  Nr.  6:  Auf  den  Altar  werden  gebracht  spicae  novae, 
uvae  et  fava.  Alias  primitias  ad  domum  presbyteri  de  omni  fructu  debebis 
portare  et  presbyter  eas  benedicat.     Gerbert,  Vet.  üt.  S.  531  u.  534. 

10)  Ale.  lib.  sacram.  S.  463. 

11)  Deutscher    Hundesegen    bei  Müllenhoff   und   Scherer  I  S.  16  Nr.  3. 
Segenssprüche  über  Schweine  bei  Hattemer  I  S.  410. 

48* 


—     Tod     — 

sagt  hatte,  der  sandte  ihm  noch  ciuen  Segensspruch  iiach.M  i'^s 
gab  keine  Krauklieit,  deren  Kraft  man  nicht  hotite  durch  eine 
solche  Formel  brechen  zu  können;'-)  der  Zeidler  schüt/te  durch  sie 
die  ausHiegendeu  Bienen'')  und  der  Gärtner  vertrieb  durcli  sie  die 
Raupen  vom  Kohl.'*) 

Mancher  Segen  ist  ge>viss  in  einfach  frommem  Sinne  als  ein 
Gebet  gesprochen  worden.  AVer  möchte  djis  tadeln?  Aber  all- 
gemein war  es  nicht.  In  der  Regel  sprach  das  \'olk  die  Segeas- 
sprüche  als  Zauberformeln.  Wie  hätten  sonst  heidnische  oder  sinn- 
lose Sprüche  so  lange  im  Gebrauch  sein  können?  Als  die  alten 
Götter  längst  verlassen  waren,  wähnte  der  Kriegsgefangene  noch, 
dass  seine  Fesseln  brechen  würden,  wenn  er  einen  Spruch  von  den 
AValküren  darüber  spräche;"')  der  Reiter,  dessen  Ross  lahmte,  er- 
innerte sich,  wie  vordem  der  zauberkräftige  Wuotan  geholfen  hatte: 
sein  Name  sollte  auch  jetzt  helfen.")  Es  war  kaum  besser,  wenn 
heidnische  Sprüche  einen  christhchen  Anstrich  erhielten,  indem  mau 
die  Namen  der  Götter  durch  den  Namen  Gottes  oder  .Tesu  ersetzte.') 
Auch  hier  trat  Aberglaube  an  che  Stelle  der  Frömmigkeit. 

Und  lag  nicht  schon  in  dem  INIotiv  für  die  immer  wiederholte 
Segnung  alles  ]rdischen  eine  al)ergläubische  Vorstellung?  Das 
Volk  fürchtete  die  in  den  sinnhcheu  Dingen  unsichtbar  wirkenden 
feindseligen    Gewalten.^)     Das    Heidentum    als    Religion    war    ver- 


1)  Ein,  allerdings  etwas  jüngerer  Segen  bei  MüUenhoft' u.  Sclierer  I  .S.  18^ 
Nr.  4,  8 :  Ic  dir  nach  sihe,  ic  dir  nach  sendi 

mit  minen  fünf  fingirin  funvi  undi  funfzic  ensrili. 
Got  mit  gisundi  heim  dich  gisendi. 
offin  si  dir  diz  aigidor,  sami  si  dir  diz  selgidor; 
bislozin  si  dir  diz  wagidor,  sami  si  dir  diz  wafindor. 

2)  Lateinifiche  Benediktionsformeln  bei  Gerbert,  Monum.  S.  lH2ti'. ; 
deutsche  Sprüche  bei  MüUenhoff  u.  Scherer  4,  6  f.  I  S.  15;  allerlei  Segens- 
sprüche Ztschr.  f.  d.  A.  N.F.  26  S.  14  ff.;  vgl.  Grimm,  Mythologie  S.  1195  11. 
und  die  Sammlung  der  Heschwörungen  111  S.  492  ft". 

•i)  MülienhotV  u.  Scherer  16  S.  34;  Grimm  S.  1190. 

4)  Müllenhoti'  u.  Scherer  4.  5  S.  17;  Grimm  S.  1184.  N.A.  XV  S.  603  f. 
hat  Schmitz  ein  Bruchstück  veröffentlicht,  dessen  erste  Hälfte  er  als  Segen 
gegen  Gift  bezeichnet;  es  ist  aber  offenbar  ein  Stück  aus  einer  Johanncs- 
legendc.     Boi  dieser  .Annahme  passt  die  zweite  Hälfte  völlig  zu  der  ersten. 

5)  MüUenhoff  u.  Scheror  -i,  1   S.   ].■). 

6)  A.  a.  0.  4,  2  S.  16. 

7)  Grimm  a.  a.  0.  S.   1195  f. 

8)  Das  tritt  besonders  in  den  Exorzismen  hervor  (Gerbert,  Monum. 
S.  127  ff.);  aber  auch  in  den  Segenssprüchon.  In  der  benedictio  putei  heisst 
es:  Ut  ex  eo  fugare  digneris  omnem  diabolicae  tentationis  incursum,  oder 
in   dem  Segen   über   den    neuen   Brunnen:    Ut    repulsis    binc    fantasmaticis 


—     7Ö7     — 

nichtet,  aber  das  zum  Aberglauben  gewordene  Heidentum  lebte 
fort.  Den  alten  Göttern  hatte  man  entsagt,  aber  den  Glauben  an 
ihre  Macht  und  ihren  Einfluss  hielt  man  fest.  Die  Kirche  lehrte 
sie  verfluchen.  Das  Volk  aber  vergass  ihre  Kraft  nicht:  Balder 
und  AVuotan,  Sinthgunt  und  Sunna,  Freja  und  Volla  nennt  der 
Mersebiu-ger  Spruch  neben  einander;^)  wurden  sie  verabscheut,  so 
wurden  sie  zugleich  geftirchtet.  Und  das  nicht  allein.  Man  führte 
Gebräuche  ein.  in  denen  die  Götter  verhöhnt  wurden.-)  Liegt 
darin  nicht  der  Beweis,  dass  eine  gewisse  Zuneigung  zu  den  ge- 
stürzten HeiTen  der  Welt  im  Volke  noch  vorhanden  war?  Der 
Glaube  an  die  Macht  der  heidnischen  Götter  aber  floss  mit  der 
kirchlichen  Lehre  vom  Satan  vmd  den  Dämonen  zusammen  und 
erhielt  dadurch  vollends  einen  festen  Halt.  Wenn  die  lateinische 
Kirche  von  dem  Täufhng  forderte,  dass  er  dem  Teufel  entsage,^) 
so  Avurde  das  in  der  fi-änkischen  Kirche  ersetzt  durch  die  Frage: 
Entsagst  du  den  Unholden  ?  *)  den  feindsehgen  Gewalten  überhaupt, 
man  unterschied  nicht,  ob  Göttern  oder  Dämonen.  Der  Teufel. 
vor  dem  das  Volk  zitterte,  hat  kaum  mehr  eine  Ähnlichkeit  mit 
dem  Versucher  der  Bibel;  er  ist  ganz  zur  mythologischen  Kgm- 
geworden.*') 

Heidnischen  Vorstellungen  begegnet  man  deshalb  überall.  Noch 
ein  Schriftsteller  des  elften  Jahrhunderts  sagt  sehr  bezeichnend, 
dass  sie  sich  gleichsam  durch  Erbrecht  stets  von  Vater  auf  Sohn 
fortpflanzten.^)  Im  Stm'mwind  hörte  man  Wuotans  Heer.^  Von 
gewissen  Nächten   glaubte  man,   dass  in    ihnen  Holda  gefolgt  von 


calliditatibus  atque  insidiis  diabolicis  purificatus  perseveret.  In  dem  Salz- 
segen Grimalds  wird  gebetet:  Non  illic  resideat  spiritus  pestilens,  non  aura 
corrumpens,  discedant  omnes  insidiae  latentis  inimici,  ut  si  quid  est  quod 
aut  incoliiniitati  habitantium  invidet  aut  quieti,  aspersione  huius  aquae 
efFugiat;  vgl.  Cap.  28,  25  S.  76,  Ann.  Fuld.  z.  J.  858  S.  372. 

1)  Müllenhoff  u.  Sclierer  4,  2  S.  16. 

2)  Vgl.  das  Steinigen  Donar.s  in  Hildesheira  (Grimm,  Mythologie 
S.  172  f.). 

3)  So  auch  im  sächsischen  Taufgelöbnis  (MüUenhofF  u.  Scherer  51  I 
S.  198). 

4)  A.  a.  0.  52  T  S.  199.  Die  dritte  Frage  lautet  hier:  Forsahhistu 
allem  them  bluostrum  indi  den  gelton,  indi  den  gotum,  thie  im  heidene 
man  zi  bluostrum  indi  zi  geldom  enti  zi  gotum  habent?  Kossina,  Über  die 
ältest.  Hochfränk.  Sprachdenkmäler  1881,  bestimmt  als  die  Entstehungzeit  der 
Tauffragen  die  Jahre  801—803,  S.  94  f. 

5)  Vgl.  Grimm  S.  936  ff. 

6)  Correct.  Bui-ch.  c.  53  S.  643  (Wasserschieben,  Bussordnungen). 

7)  Grimm  S.  871. 


—     758     — 

grossen  Sclniivn  vun  W'oibeni  wcitliin  ül)er  cUus  Land  ialirc.')  Die 
Fnicht,  welche  der  Hagel  zerschlug,  meinte  man  von  Luftgeistern 
geraubt.-)  Im  Rjiuschen  der  Welle  wähnte  nuin  das  Zwiegespräch 
der  Berg-  und  Wassergeister  zu  vernehmen.'')  Jn  jeder  Krankiieit 
sah  man  etwas  J)äm(»uisches,  beinahe  Persönliches."*)  Wurden  die 
Götter  umgestaltet,  so  überdauerte  das  grosse  Geschlecht  der  Wichte 
und  Elbe  fast  unverändert  den  grossen  l^jergang  vom  alten  /n 
einem  neuen  Glauben.'')  Ungebrochen  blieb  auch  die  Scheu  vor 
der  überall  nahen  imd  doch  unnahbaren  Natur:  (^uell,  Baum  und 
Feld  blieben  heihg,  auch  nachdem  längst  vergessen  war,  wehliem 
Gott  sie  einst  geweiht  gewesen. 

Man  kann  die  Macht,  welche  der  alte  Ideenkieis  nocli  auf 
die  ]\Ienschen  des  neunten  Jahrhunderts  ausübte,  schwerlich  zu 
gross  denken.  Al)er  man  ahnt  sie.  wenn  man  wahrnimmt,  dass 
Vorstellungen,  die  aus  ihm  stammten  auch  in  die  iSchriften  dei- 
Theologen  eindringen,  die  doch  durch  ihre  ganze  Erziehung  und 
Bildung  dem  Volkstümlichen  grundsätzlich  entfiemdet  wurden. 
Wenn  der  gelehrteste  Theoluge  des  neunten  .laiuhiniderts  Gott  in 
der  Hinnnelslnn-g  wohnen  lässt,")  so  entnahm  er  diesen  Gedanken 
weder  der  Bibel  noch  dci'  altkirclilichen  Littei'atur:  es  ist  eine  volks- 
tümliche, in  ihrer  Wurzel  aus  der  deutschen  Mythologie  stammende 
Anschauung.')  Wenn  alle  Theologen  lehrten,  dass  der  Himmel 
nur  durch  Verdienste  zu  erringen  sei,  so  erklärt  sich  die  Stärke 
und  die  Allgeuieinheit  dieser  l'berzeugung  nicht  nur  aus  dem  Erbe 
der  alten  Kirche,  sondern  aus  dem  Fortleben  d<'s  Gedankens,  dass 
Walhall    sich    nur    der    höclisten    Leistung    öfthet.^)      \\'alhall    war 


1^  Kegino  II,  371  S.  3-54  f.  Rej^inos  Quelle  scheint  der  Beschluss  einer 
unbekannten  Synode  zu  sein.  8ein  Exzerpt  ist  für  den  Ursprung  des  Hoxen- 
wahns  wichtig.  Es  zeigt  ihn  noch  in  verhältnianiässig  milder  Gestult.  da 
der  Teufel  noch  nicht  eingemengt  ist. 

2)  Agühard,  de  grandine  2  S.  146  f. 

3)  V.  Gall.  (M.G.  Scr.  II  S.  7). 

4)  Urimm  S.  1106. 
r,)  Urimm  S.  408  flF. 

6)  Hraban,  b.  o.  S.  639  Anm.  2  und  vgl.  v.  Idae  5  S.  571:  C'oelorum 
palatinae  «fdcR. 

7)  Vgl.  die  Schildburg  dos  Kädmon  (trimm  (S.  »>62.  Es  wird  kaum 
nrttig  sein,  das  Missverstündnis  abzulehnen,  ids  ha>)e  Hraban  direkt  an  die 
.Mythologie  des  deutschen  AltortinnH  gedacht.  Nur  das  möchte  ich  hervor- 
heben, das»  gewisse  Vorstellungpn.  die  aus  dem  Altertum  stammten  und  im 
Volk*»  lebton.  auch  von  den  Theologen  geteilt  wurden,  welch««  alles  Heid- 
nische vermeiden  wollten. 

8)  Grimm  S.  779  f. 


—     750     — 

gefcillen;  aber  der  Weg  zum  Himmel  wurde  nicht  leichter  gedacht 
als  einst  der  Weg  zum  Göttersaal.  Schildert  der  Dichter  des 
Lieds  vom  jüngsten  Tag,  wie  der  Antichrist  mit  Elias  kämpft,  dass  des 
verwundeten  Propheten  Blut  auf  die  Erde  trieft,  und  wie  davon  ent- 
zündet die  Berge  im  Feuer  emporlodern,  kein  Baum  stehen  bleibt, 
die  Gewässer  vertrocknen,  das  Meer  versiegt,  der  Himmel  in  Glut 
steht,  der  Mond  herniederstürzt  und  die  ganze  Erde  brennt,^)  so 
geht  er  hiebei  von  kirchlichen  Vorstellungen  aus;  aber  er  verwebt 
in  sie,  vielleicht  ohne  es  zu  wissen,  andere,  die  er  in  der  volks- 
tümhchen  Anschauung  vorfinden  mochte  und  die  nichts  anders 
waren  als  verblasste  Erinnerungen  an  nationale  Mythen.  Selbst 
in  gottesdiensthche  Formeln  drängt  sich  derartiges  ein;  denn  was 
ist  die  Beschwörung  der  Paradiesesströme  anders  als  ein  Überrest 
der  Verehrung  der  Elemente?-)  Pflanzten  die  Theologen  in 
dieser  Weise  unwillkürlich  die  altnationalen  Vorstellungen  fort, 
wie  mächtig  müssen  sie  dann  in  der  Anschauung  des  Volks  ge- 
wesen sein. 

Mit  den  heidnischen  Vorstellungen  und  beinahe  zäher  als  sie 
lebten  die  heidnischen  Gebräuche  fort.  Was  wir  an  solchen  bei 
den  Franken  des  sechsten  Jahrhunderts  und  bei  den  neubekehrten 
Alamannen  und  Sachsen  wahrnahmen,^)  das  war  noch  im  neunten 
Jahrhundert  in  ganz  Deutschland  verbreitet.  Das  tägliche  Leben 
des  Menschen  war  wie  umsponnen  damit.  Der  Glaube  an  das 
unabwendbare  Schicksal  führte  zum  Achten  auf  Vorzeichen,  sei 
es  dass  man  sie  von  Kundigen  suchen  liess,^)  oder  dass  man 
selbst  das  zufälHge  Begebnis   als  Vorzeichen   deutete.'^)     Verwandt 


1)  Muspüli  V.  37  ff.  (Müllenhofl'  und  Scherer,  Denkmäler  I  S.  9);  vgl. 
Ebert,  L.  d.  MA.  III  S.  106  ff.;.  Vetter,  Zum  Muspüli  1872  S.  122  f.;  Kelle 
I  S.  139  ff.;  Kögel  1.  S.  317. 

2)  Coli,  judic.  Dei  2,  3  a  S.  642:  Invoco  quatuor  flumina,  qui  cucur- 
runt  in  paradiso. 

3)  S.  Bd.  I  S.  123  f.,  342  ff'.,  und  oben  S.  393  f. 

4)  Relat.  episc.  Wormat.  a.  829 ,  c.  54  (M.G.  Cap.  II  S.  44  f.).  Vgl. 
z.  B.  Poenit.  Ps.  Roman.  VI,  1  f.  S.  367;  Hubert.  24  f.  S.  380;  Merseb.  a.  22  f. 
S.  393;  Merseb.  b.  27  S.  432;  Cumm.  7,  3  ff .  S.  481;  Poen.  XXXV  Cap.  16,  1 
S.  516.  Ps.  Greg.  16  S.  542.  Ps.  Theod.  12,  6,  8,  11  ff.  S.  596  f.  Valicell. 
I,  86  f.  (Schmitz  S.  310).    Regln.  II,  354  ff.  S.  349  ff'. 

5)  Z.  B.  bei  Antritt  der  Reise,  Ps.  Greg.  16  S.  542:  Auspicia  sunt, 
quae  ab  itinerantibus  observantur.  Allgemein  verbreitet  war  das  Loosen, 
besonders  mit  den  sog.  sortes  sanctorum  (Ps.  Rom.  6,  4  S.  368;  Merseb. 
a.  26  S.  394;  Cumm.  7,  4  S.  431;  Poen.  XXXV  Cap.  16,  1  S.  516;  Ps.  Theod. 
12,  12  S.  597.  Vallic.  I,  111  (Schmitz)  S.  327,  mit  der  Glosse:  Sortes 
sanctorum  sunt,  quae  in  sinu  vel  gremio  mittunt  pro  qualicunque  causa  sive 


—     T()()     — 

ist  die  Unterscheidung  von  Glücks-  und  Unulückstagen:  besonders 
der  Mondwechsel  galt  als  einHussreich.')  Aus  der  Furclit  vor  den 
feindseligen  ^fachten  entstammte  der  Glaube  an  die  INfacht  des 
Zaubers,  der  die  unheimlichen  Gewalten  auf  ein  bestimmtes  Ziel 
lenkt.  Wie  man  im  Gottesgericht  durch  Gebete  und  Exorzismen 
den  störenden  Eintluss  des  Zaubers  abwehrte, '')  so  wähnte  man  sich 
im  ganzen  Leben  von  ihm  bedroht.  Schaden  an  Leib  und  Le})en, 
an  Hab  und  Gut,  in  Hof  und  Fekr^)  schrieb  man  ihm  zu.  Es 
scheint  seltsam  und  ist  doch  sehr  begreiflich,  dass  jedermann  die 
Zauberer  verabscheute  und  sich  gleichwohl  durch  Zauber  gegen  den 
Zauber  schirmte.  Man  schützte  den  eigenen  Leib,  indem  man  Amu- 
lette trug,'')  und  die  Saat,  indem  man  an  Stangen  Papierstücke 
über  sie  aufhing;  die  Glocke  wurde  getauft,  damit  ihr  Schall  gegen 
den  Hagel    nütze, •'^)    und    durch    die    seltsamste  Weise  brach    mau 

pro  bona  sive  pro  mala,  quo  eveniunt.  Das  war  jedoch  nicht  die  ursprüng- 
liche Bedeutung  der  sortes  sanctorura.  Sie  Itostaudon  vielmehr  darin,  dass 
eine  zufällig  aufgeschlagene  oder  vernommene  SchriftstcUe  als  Orakel  galt. 
Dass  sie  im  8.  und  9.  Jahrhundert  noch  so  geübt  wurden,  beweist  Cap. 
23,  20  S.  M:  Ut  nuUus  in  psalterio  vel  in  evangelio  vel  in  aliis  rebus  sor- 
tire  praesumat,  und  Regino  (II,  365  S.  352):  Sortes,  quae  dicuntur  false 
sanctoriini.  vel  divinationes.  qui  eas  observaverit.  vol  quarumcunque  sciip- 
turarum,  etc. 

1)  Ps.  Theod.  12,26:  Qiü  in  honore  lunae  pro  aliqua  sanitate  ieiunat ; 
Ps.  Greg.  23  S.  543;  Regin.  II,  372  f.  S.  356  f.;  Hraban,  hom.  43  S.  81.  Vgl. 
Grimm,  Mythologie  S.  676  f. 

2i  Ord.  1,  b  S.  604:  Si  quis  culpabilis  ingravante  diabolo  corde  in- 
duraio  per  aliqua  raaleficia  aut  per  herbas  contegere  peccata  sua  voluerit, 
etc.  2,  b  S.  607;  8  k  S.  614  u.  ö.     App.  1,  v  S.  713. 

3)  Ps.  Rom.  5,  1  ff.  S.  367;  Hubert.  10  f.  20  S.  378  ff.;  Cumm.  7,  1  f.-  8 
S.  480  f.;  Poen.  XXXV  Cap.  19  S.  517;  Ps.  Greg.  23  S.  543;  Ps.  Theod. 
12,  9  f.,  13  f..  20  S.  596  ff.;  Valic.  1,  80,  84  f.  (Schmitz)  S.  303  ff.;  Regin.  II. 
360  S.  .351:  Carol.  cap.  28,  25  S.  76;  .32,  51  S.  88;  Stat.  Hisb.  15  S.  228; 
Relat.  episc.  Wormat.  a.  829  1.  c.  S.  45;  Conc.  Tnb.  (a.  895)  c.  .'•)0  S.  241; 
AgoVjard,  de  grand.  1  ff.,  16  S.  145  ff.  Agobard  hebt  c.  1  ausdrücklich  die 
allgemeine  Verbreitung  dieses  Aborglaubens  hervor:  Pene  onines  homines, 
nobiles  et  ignobiles,  urbani  et  rustici,  senes  et  iuvenes. 

4)  Phylacteria  timl  ligaturae:  besonders  die  Kleriker  scheinen  die 
Amulette  angcfortigt  zu  haben,  Ps.  Theod.  12.  8  S.  596:  22  S.  .598.  Vali- 
celi.  I.  89  (Schmitz  S.  318).     Vgl.  Alkuins  Äusserungen  oben  S.  746. 

5)  Cap.  23,  34  S.  64:  üt  clocras  non  baptizent  nee  cartas  per  per- 
ticas  appendant  propter  grandinem.  Die  Papierstücke  enthielten  ohne 
Zweifel  Zaubnrfornieln.  Dass  das  Verbot  der  Glockentaufe  hiemit  ver- 
bunden ist.  legt  die  .Annahme  nahe,  dass  sie  mit  Rücksicht  ;nif  d;is  Läuten 
beim  Gewittpr  vorgenommen  wurde. 


—     761      — 

den  Zauber,  der  den  Regen  verhinderte.^)  Wort  und  Lied,  Kraut 
und  Stein,  das  Heiligste  und  das  Ekelhafteste  wurde  benützt,  um 
zauberhaften  Eintiuss  auf  andere  zu  üben.-)  Besonders  Krankheit 
und  Tod  gaben  Anlass,  die  Kraft  des  Zaubers  zu  erproben:  man 
sammelte  die  heilkräftigen  Kräuter,  indem  man  Beschwörungen 
mm-melte;^)  um  das  tieberkranke  Kind  zu  heilen,  legte  es  die 
Mutter  auf  den  Herd  oder  auf  das  Dach;^)  der  Vater  kroch,  um 
ihm  zu  helfen,  durch  ein  Erdloch,  das  er  darnach  mit  Dornen  ver- 
schloss.-')  Das  Haus,  in  dem  ein  Toter  lag,  schützte  man,  indem 
man  Getreidekörner  verbrannte.**)  Über  den  Leichnam  selbst  aber 
sangen,  die  bei  ihm  wachten,  Zauberlieder;  durch  tollen  Scherz 
suchten  sie  sich  das  Grauen  vor  dem  Tode  zu  vertreiben.') 

Endlich  ragten  noch  mancherlei  Überreste  des  heidnischen 
Kultus  in  das  Leben  herein.  Zwar  eigentlicher  Götzendienst 
scheint  im  neunten  Jahrhundert  nicht  mehr  vorgekommen  zu  sein.^) 


1)  Burch.  Wormat.  Dacr.  XIX,  5  Migne  140  S.  976. 

2)  Cap.  55,  1  S.  142;  61,  10  S.  149;  die  letztere  Stelle  erwähnt,  dass 
ein  Priester  das  Chrisma  verwendete  ad  iudicium  subvertendum,  also  um 
einen  Angeklagten  im  Gottesgericht  zu  schützen;  62,  21  S.  150;  78,  17 
S.  174;  119,  11  S.  237.  Poenit.  Valicell.  II,  29  S.  560.  Regin.  II,  369 
S.  354. 

3)  Regin.  II,  374  S.  357. 

4)  Poen.  Merseb.  a.  99  S.  401;  Vindob.  79  S.  421;  Cumm.  7,  14  S.  402; 
Ps.  Greg.  23  S.  543;  Valicell.  I,  92  (Schmitz  S.  316).  Um  einen  Anderen 
vor  Krankheit  zu  schützen,  gab  man  ihm  Asche  von  verbrannten  Menschen- 
knochen zu  essen  (Regin.  II,  369  S.  354). 

5)  Poen.  Ps.  Theod.  12,  16  S.  597. 

6)  Hlud.  cap.  138,  28  S.  279.  Poen.  Camm.  7,  15  S.  482.  Regin.  II,  368 
S.  353. 

7)  Regin.  Notit.  73  S.  24;  1.  c.  398  S.  180  f.  Sind  diese  Lieder  bei 
der  Leiche  die  sacrilegia  super  defunctos,  i.  e.  dadsisass  des  Indic.  su- 
perst.  2? 

8)  Nicht  nur  in  den  Pönitentialien  (z.  B.  Ps.  Greg.  26  S.  544 .  Pa. 
Theod.  12,  1  flf.),  sondern  auch  bei  Hraban  (de  vit.  et  virt.  III,  1,  opp.  VI, 
1347)  ist  von  sacrificiis  daemoniorum  die  Rede.  Dass  man  aber  dabei  nicht 
an  Götzenopfer  im  eigentlichen  Sinne  des  Wortes  denken  darf,  zeigt  die 
angeführte  Stelle  Pseudo-Gregors:  Qui  immolat  daemonibus  in  minimis 
causis,  i.  e.  ad  fontes  vel  ad  arbores,  unum  annum  poeniteat.  Qui  in  ma- 
chinis  (1.  magnis)  daemonibus  iramolaverit,  secundum  ca,nonicam  institu- 
tionem  decem  annos  poeniteat.  Sed  humanius  septem  annos  diffinierunt. 
Ut  arbitror,  daemoniis  in  machinis  immolare  est  suis  turpissimis  imagina- 
tionibus  credere,  vel  cum  per  quasdam,  quas  sanctorum  sortes  falso  vocant, 
divinationis  scientiam  profitentur,  sive  in  praecantationibus,  sive  in  charac- 
teribus  vel  in  quibuscunque  rebus  suspendendis  atque  ligandis. 


—     7(i2     — 

Aber  losgelöst  vou  der  Beziehung  ;uif  hestininite  Götter  bestanden 
religiöse  (lebräuche  noch  lange  fort.  Wenn  Kegino  den  Beschluss 
einer  westf'ränkischen  Synode  in  seine  Sanunlimg  aufnahm,  der 
gebot,  die  vom  Volke  verehrten  Bäume  und  Steine  zu  vernichten,') 
so  wird  ähnlicher  Kult  auch  am  Khein  und  an  der  ^Mosel  vorge- 
kommen sein.  An  wie  vielen  Orten  haben  sich  die  Namen  heiliger 
Foi-st  oder  heihger  Wald  bis  heute  erhalten  I-)  Für  so  heilig  heisst 
es  in  jenem  Beschluss.  achte  das  N'olk  gewisse  Bäume,  dass  es 
nicht  wage,  Ast  noch  Zweig  abzuschneiden.  An  solchen  Bäumen 
oder  au  heiligen  (Quellen  brachte  man  einlache  Opfer  dar  —  man 
ü'agte  nicht,  wem  —  indem  man  Lichter  anzündete  und  Kränze 
an  die  Bäume  hing,  oder  Blumen  in  tla>  W^asser  streute.'^)  An 
Saat  und  Ernte  knüpften  sich  ähnhche  Opfergebräuche. ^)  An 
wüsten  Orten  im  Walde,  au  Hecken  und  Kreuzwegen  löste  man 
Gelübde.'')  Die  meisten,  die  es  thaten,  wussten  wahrscheinlich  nicht 
anzugeben,  wai'um  gerade  dort;  so  wenig  als  derienige,  der  sich 
der  S(jnue  neigte,  sich  dessen  bewusst  war.  was  er  that. 

Die  Kirche  musste  dies  alles  verwerfen  und  hat  es  verworfen; 
auch  dem  Unwesen  der  Zauberei  ist  sie  entgegengetreten.  S.vno- 
dalbeschlüsse  und  Bussbücher  zeigen,  dass  sie  in  diesem  Kanipfe 
nicht  nachliess;  es  war  ihr  heiliger  Ernst  dannt..  A\'('nn  man  den- 
jenigen, der  einen  \\"ahi-sager  befi-agte,  mit  ebenso  schwerer  Pöni- 
tenz  belegte,  wie  den  fahrlässigen  Mörder,")  und  wenn  derjenige, 
der  das  Los  warf,  cljenso  schwer  bestraft  wurde,  wie  der  Mann,  der 
auf  Befehl  seines  LehnsheiTU  einen  Meuchelmord  beging.")  so  ist 
klar,  dass  man  es  mit  den  Sünden  des  Aberglaubens  nicht  leicht 
nahm.  Dazu  kam  die  Belehrung  in  Predigten.  Hraban  unterliess 
es  nicht,  in  seine  Predigtsamndung  ein  J'aai-  Keden  gegen  den 
Aberglaid)en    aufzunehmen.^)     Gegen    den   Hexenwahn    sollten    die 

1)  Hofriii.  II.  :i66  S.  352. 

2)  S    Grimm,  Mythnlogin  S.  64  tt'.;    Back.  Rom.  Spuren  S.  69. 

8)  Cap  22,  65  S.  .59:  Dp  arborilius  vel  pptris  vel  fontibus  ubi  aliqui 
Btulti  lumioaria  vel  alias  observationes^  taciunt,  etc.  Trail.  Fonubiic  Nr.  232 
ÜB.  d.  Landes  o.  Knns  I  8.  699:  Ad  sanctam  arborem. 

4)  Grimm  S.  öl  f.;  140  ff.;  231;  40.3. 

5)  Poenit.  Hubert.  24  S.  380;  Mersob.  a.  27  S.  394;  Vh.  Theod.  12,  18 
S.  597. 

6)  l'oen.  pH.  Theod.  U.  II  S.  .597.  v<t1.  C.  2  S.  586.  beidemale  eine 
rUntjahri^o  Fiufl«)7,eit 

7)  L.  c.   12,  12  S.  597,  vgl.  6,  ,'4  8.  588;  hier  wie  dort  drei  Bussjahre. 

8)  Hom.  42  f.  (Opp.  IV  .'^.  78  ff.).  Die  ernte  Rede,  contra  eos.  qui  in 
Innae  defectu  ciamoribus  se  fatigabunt,  int  unter  Benützung  einer  Stelle 
aus  der  lOU.  Homilie  des  Maximus  von  Turin  (Migue  57  S.  485),  sonst  viel- 


—     7(38     — 

Priester  uachclrücklich  predigen  und  das  Volk  überzeugen,  dass,  was 
man  von  den  Hexen  glaube,  nichtig  sei:  es  seien  satanische  Träume, 
denen  in  der  Wirkhchkeit  nichts  entspreche.^) 

Aller  der  Erfolg  dieser  Bemühungen  war  gering.  Die  Macht 
des  Aberglaubens  wurde  nicht  gebrochen:  nicht  weniges  ist  in 
kaum  veränderter  und  gemilderter  Fonu  bis  auf  die  Gegenwart 
gekommen. 

Es  wurde  vorhin  hervorgehoben,  dass  das  Bewusstsein  der 
sittlichen  Veipflichtung  in  der  Karolingerzeit  verglichen  mit  der 
mero wangischen  Epoche  als  verstärkt  erscheint.  Das  spricht  sich 
in  dem  tiefern  Gefühl  der  menschlichen  Unvollkommenheit  aus.-) 
Man  irrt  wohl  nicht,  wenn  man  es  als  Frucht  der  durchgeführten 
Beichtzucht  betrachtet.  Sie  nötigte  jedenfalls  zur  Reflexion  über 
den  eigenen  Seelenzustand.  Ganz  abgesehen  von  den  Fragen  des 
Priesters  leiteten  die  Beichtformeln  die  Beichtenden  an,  ihr  ganzes 
Leben:  Gedanken.  Worte  und  Werke,  das  Verhalten  in  den  ver- 
schiedensten Lagen  und  den  manchfachsten  Personen  und  Einrich- 
tungen gegenüber,  vor  die  Frage  zu  stellen,  ob  es  war,  wie  es  sein 
sollte.^)     Kein  Wunder,   dass  das  Bewusstsein  menschlicher  Sünd- 


leicht selbstständig  gearbeitet.  Bemerkenswert  ist .  wie  bestimmt  Hraban 
hervorhebt,  dass  es  sich  um  einen  ganz  natürlichen  Vorgang  handelt:  Ne 
forte  dubios  ac  sollicitos  de  lunae  obscuritate,  quae  nuper  accidit,  vos  re- 
linquam,  non  est  hoc,  fratres,  aliquod  portentam;  sed  naturalis  vis  cogit 
solem  ac  lunam  taliter  eclipsin,  hoc  est  defectum,  pati.  Nam  manifesta 
ratio  probat  solem  interventu  lunae,  quae  inferior  cursu,  lumen  ad  nostros 
oculos  non  posse  perfundere,  quod  fit  in  tempore  accensionis  eius;  lunam 
vero  similiter,  quae  a  sole  illustratur,  per  umbram  terrae  obscurari  in  ple- 
nilunio.  Die  43.  Homilie  stammt  ihrer  2.  Hälfte  nach  aus  August,  de  tem- 
pore 241  (s.  Cruel  S.  65).     Sie  ist  besonders   gegen  VVahrsagerei  gerichtet. 

1)  Regin.  II,  371  S.  354  ff. 

2)  Vgl.  Bd.  I  S.  207  f..  305  ff. 

3)  Das  Gesagte  gilt  von  den  lateinischen,  mehr  noch  von  den  deut- 
schen Beichtformeln.  Vgl.  für  die  ersteren  Regin.  I  c.  304  S.  147:  Et  in 
his  et  in  aliis  vitiis,  quibuseunque  humana  fragilitas  contra  Deum  et  crea- 
torem  suum  aut  cogitando  aut  loquendo  aut  operando  aut  delectando,  aut 
concupiscendo  peccare  potest,  in  Omnibus  me  peccasse  et  reum  in  conspectu 
Dei  super  omnes  homines  esse  cognosco  et  confiteor.  Für  die  letzteren 
die  sächsische  Beichte  (MüUenhoff  u.  Scherer,  Denkmäler  I  S.  236  ff.  Nr.  72): 
Ik  giuhu  goda  alomahtigon  fadar  .  .  allero  minero  sundjono,  thero  the  ik 
githahta  endi  gisprak  endi  gideda  tan  thiu  the  ik  erist  sundja  uuerkjan 
bigonsta.  Ok  iuhu  ik  so  huat  so  ik  thes  gideda  thes  uuithar  mineru 
christinhedi  uuari  endi  uuithar  minamo  gilovon  uuari,  endi  uuithar  minemo 
bigihton  uuari,  endi  uuithar  minemo  mestra  uuari,  endi  uuithar  minemo 
herdoma  uuari.  endi  uuithar  minemo  rehta  uuari  .  .  .  Ik  giuhu  that  ik  mi- 


—     7H4     — 

haftipfkeit  allf^enicin  war.  In  unziililiucii  Urkundt'ii  liest  man.  dass 
Güter  an  Kiichen  und  Klöster  geschenkt  wurden  für  das  Heil  der 
Seele  oder  um  Sündenvergebung  zu  erlangen,  oder  um  im  jüngsten 
(Tericht  bestehen  zu  können.^)  Nach  Hrabau  betet  der  rechte  Ohrist, 
so  oft  er  die  Kirche  betritt,  liir  seine  Sünden.-)  Wir  haben  ein 
einziges    Gebetbüchlein    aus    der    Zeit   nacii    Karl    d.    Gr.**)     Sein 


nun  fader  endi  moder  so  ne  eroda  ehdi  so  ne  minnjoda  so  ik  scolda  eiuli 
ok  mina  brothar  endi  mina  suestar  endi  mina  othra  nahiston  endi  mina 
friund  so  ne  eroda  endi  so  ne  rainnjoda  so  ik  scolda.  Thes  giuhu  ik  hlut- 
tarliko  that  ik  arraa  man  endi  othra  elilendja  so  ne  eroda  endi  so  ne  minn- 
joda  so  ik  scolda,  etc.  S.  237  .  .  unrehto  las.  unrehto  sang,  ungihorsani 
uuas,  mer  sprak  endi  mer  suigoda  than  ik  scoldi,  endi  mik  selvon  niid 
uvilon  uuordon  endi  mid  uvilon  uuerkon  endi  niid  uvilon  githankon,  niid 
uvilon  luston  mor  unsuvroda  than  ik  scoldi.  Fiild.  Beichte  (1.  c.  S.  241  f. 
Nr.  73)  .  .  thaz  ih  ci  chirichun  ni  quam  so  ih  mit  rehtu  scolta,  mina  fastun 
ni  bihielt  so  ih  mit  rehtu  scolta,  min  alamuosan  ni  gap  so  ih  mit  rehtu 
scolta,  zuuene  ni  gisuont^i,  sunta  ni  furlioz  themo  ih  mit  rehtu  scolta;  heilaga 
sunnuntaga  inti  heilaga  missa  inti  heihigon  uuizzod  ni  erita  so  ih  mit 
rehtu  scolta;  ana  urloub  gap,  ana  urloub  intphieng,  uncitin  ezzenti,  uncitin 
trinchanti.  uncitin  slafenti,  uncitin  uuachanti,  etc. 

1)  Beispiele  tindet  man  überall,  so  dass  es  beinahe  überflüssig  ist, 
auf  einzelne  hinzuweisen:  Pro  animae  meae  remedio  et  patri  raeo:  Wart- 
mann, ÜB.  V.  St.  Gallen  I  S.  228  Nr.  236;  vgl.  Nr.  237  S.  241  Nr.  251  u.  ö. 
Dronke,  Trad.  Fuld.  S.  146  flF.,  297  tl".  u.  ö.  Lacomblet,  Niederrh.  ÜB.  F 
S.  21  Nr.  42,  S.  22  Nr.  47.  S.  23  Nr.  49  f.  u.  ö.  Meichelbeck,  Bist.  Fris.  1.  2 
S.  221  Nr.  416.  Pro  animarum  nostrarum  remediis  vol  pro  aoterna  retri- 
butione:  Wartmann  I  S.  230  Nr.  238,  S.  233  Nr.  242,  S.  235  Nr.  244,  S.  241 
Nr.  252  u.  ö.,  vgl.  Meichelbeck,  Hist.  Fris.  I,  2  S.  207  Nr.  390.  Ob  amorem 
domini  nostri  .Jesu  Christi  et  remissionem  peccatorum  meorum  (Wartmann  F 
S.  231  Nr.  239).  Cogitans  de  Doi  timore  vel  aeterna  bona  retributiono. 
qualiter  aliquam  indulgentiam  delictotum  meorum  apud  pio  Domino  moroar 
udipiscere  (Meichelbeck  F,  2  S.  225\  Recordatus  innumerahilia  peccatorum 
meorum  (Wartmann  F  S.  232  Nr.  240).  I'ro  iieocatis  mois  ut  in  futuro 
ueniam  aliquam  promerire  merear  (Dronke  S.  149  Nr.  305.  S.  161  Nr.  338). 
<Janz  anders  klingen  die  Krwiigun^en  »mups  Mrtnchs:  Incertum  unicuiqne 
huiuH  miserabiliH  vitae  finem  et  horam  jiertimoscens,  uariosque  ac  omni- 
modifl  ainistros  inntantin  temporis  euentus  cnnsiderans  et  salvatoris  dicti 
recordans,  quod  dicit:  Si  vis  perfectus  esse  etc.,  omnem  huius  vitae  dp- 
lectationem.  quantum  humana  fragilita«  sinit,  pro  dpi  omnipotentis  amore 
pro  nihilo  durons  etc.  (Laoomlilet  1  S.  30  Nr.  65). 

2)  Homil.  44  (opp.  IV  8.  82). 

3)  Von  dem  f^iber  manu.aliH  der  Dhuoda,  eineiii  Krl)auung»buch.  da.s 
Dhnoda,  die  Oiemahlin  des  (irafpn  BpiTihard  von  Septimanien,  für  ihren 
Sohn  Wilhelm  .schrieb,  nehe  ich  ab  (Le  Manuel  de  Dhuoda,  pnbl.  p,  K. 
Bnndnrand.  Paris  1887);  vgl.  übpr  dasselbe  Ph.  A.  Becker  in  d.  Ztsrhr.  f. 
roman.  Philol    1.S97  S.  73  ff. 


—     765     — 

Verfasser  ist  Anskar;^)  es  enthält  kurze  Gebete  zu  den  Psalmen. 
Anskar  hat  sie  zum  Teil  aus  dem  früher  erwähnten  Gebetbuch 
Alkuins")  entnommen.  Man  sieht,  dass  dieses  den  rechten  Ton 
für  die  Zeit  getroffen  haben  muss.  Wie  in  Alkuius  Gel>eteu  kein 
Gedanke  so  vielfach  variiert  Avird,  als  der,  dass  wir  von  Sünden 
gereinigt  werden  und  das  Rechte  vollbringen,  ebenso  in  den  von 
Anskar  hinzugefügten  Gebeten.  Aus  dieser  Stimmung  versteht  man 
den  Ernst,  mit  welchem  Hraban  mahnte,  nie  an  der  Möglichkeit 
der  Sündenvergebung  zu  verzweifeln.^)  Man  kann  sich  kaum  zwei 
Männer  denken,  die  nach  ihrer  Geistesart  und  nach  ihren  Über- 
zeugungen verschiedener  wären  als  Hraban  und  sein  theologischer 
Gegner,  Gottschalk;  aber  in  der  Lebhaftigkeit  des  Sünden gefühls 
waren  sie  sich  ähnlich.  Von  Hrabans  Gesinnung  war  früher  die 
Rede.  Seitdem  ich  auf  dein  Geheiss  in  dieser  Welt  geboren  wurde, 
habe  ich  vor  den  andern  allen  meine  Liebe  an  das  Nichtige  ge- 
hängt. Dm-ch  häufiges  Sündigen  habe  ich  deinen  Zorn  gereizt  und 
dich  gekränkt  dm'ch  ungeheure  Kränkung,*)  bekennt  Gottschalk  in 
einem  seiner  Lieder.  Die  Prädestinationslehre,  an  welcher  er  mit 
so  unbeugsamer  Festigkeit  hing,  war  ihm  deshalb  wertvoll,  weil  sie 
ihm  Heilsgewissheit  bot.^)  Man  erstaunt  im  ersten  Momente,  wenn 
man  liest,  dass  Gottschalks  Lehre  auf  die  Laien  mächtigen  Ein- 
di'uck  machte.  Aber  die  Sache  ist  w^ohl  verständUch;  denn. nicht 
als  spekulatives  Dogma,  sondern  als  rehgiöse  Wahrheit  ergriff  man 
die  Prädestinationslehre.  Die  einen  mochten  in  der  Idee  der  unab- 
änderlichen Wahl  Frieden  linden;  die  anderen  wm-den  durch  sie 
erschi'eckt,  verwiiTt,  zur  Verzweifelung  getrieben.**) 

1)  Ztschr.  des  Vereins  f.  Hamburg.  Geschichte  II  S.  6  ff. 

2)  S.  0.  S.  144. 

3)  De  mod.  poenit.  (opp.  VI  S.  1304):  Quia  iste  error  —  die  Verzweif- 
lung an  der  Güte  Gottes  —  late  se  sparsit,  c.  4  f.  S.  1306  ff.;  vgl.  ep.  Fuld. 
fragm.  12  S.  520,  oben  S.  652  Anm.  7. 

4)  M.G.  Poet.  lat.  III  S.  729. 

5)  Kp.  ad  Ratram.  v.  141  ff.  a.  a.  0.  S.  736: 

Nam  facile  est  homini  miserum  se  voce  fateri. 
Ceu  Simulator  agit:  sed  corde  tenere,  quod  infit, 
Pauperis  est  animo  in  supero  regnantis  Olympo. 
niud  enim  reprobi  faciunt  persaepe  gemendi; 
Hoc  autem  electi  nimirum  ab  origine  mundi, 
Idcirco  haud  meritis,   veri  sed  munere  patris. 
Felices,  frater,  felices,  celse  magister, 
Quos  pater  in  Christo  delegit  more  benigno, 
Quorum  nemo  perit,  quos  sanguinis  unda  redemit 
Agni  caelestis,  qui  vitam  contulit  illis. 

6)  Hrab.  ep.  42  S.  481   an  Graf  Eberhard  von  Friaul. 


—      7(>()     — 

Die  Ht'iTscIiMtt  (licM's  Vorstolluiiüskreisos  l)e\viikte.  dass  die 
Eriniiorunu-  an  Tod  und  iüiigstcs  (Jericlit  jod(>niianii  stets  «fegen- 
wärtig  wai'.  ]\Iaii  lilauhte  an  die  Nähe  des  jüii^steii  Ta^es;  und 
man  sah  iliiii  mit  Zittciii  entgegen.^)  Denn  -widn-end  die  alte 
Kirche  von  ihm  (he  \'erkl;h-ung  (h'r  glänliigeii  Gemeinde  und  das 
Gericht  ühci-  ihre  Feindi'  erwartet  hatte,  dachte  man  jetzt  ziniächst 
an  dii'  Rechenschaft,  (he  ein  jeder  iU)er  sein  Thun  und  Ijassen 
ahU'gen  müsse.  Das  ist  in  der  einfachsten  Korni  in  eiiun-  Äfenge 
Schenkungsui'kunden  ansgesprodien.'')  in  ergreifendster  Weise  wii-d 
es  im  Lied  vom  jiingst(>n  Tage  hiut:  \v(M)n  einst  (he  Engel  alles 
Volk  /um  (ierichte  laden,  so  wird  enthüllt,  was  innner  der  Mensch 
gethan  hat:  da  soll  das  Haupt  sprechen,  die  Hand  sagen,  aller 
Glieder  jegliches  his  zum  kleinen  Finger,  was  sie  unter  den  Menschen 
Frevles  voUhrachten.  Es  ist  kein  so  listiger  ^Nlann.  der  dann  etwas 
zu  erlügen  vermöchte.'')  Und  fniclitl)ar  ist  das  Gericht:  Wehe  dem. 
der  im  Finstern  hüssen  soll,  hrennen  im  Peche.  Das  ist  das  Ent- 
setzliche, dass  der  Mann  zu  (lott  schreit  und  ihm  keine  Hilfe 
kommt,  dass  die  wehevolle  Seele  wähnt,  (inade  zu  erlangen  und 
iler    himndische  Gott    ihrer   nicht  gedenkt."*)      Ks  muss  dies(^s  Lied 


1)  Eim.  V.  Sual.  7  S.  159:  i)um  iain  piope  generalis  interitus  ipsiuä 
^mundi)  imiuineat  etc.  Christ.  Stabul.  In  Matth.  56  S.  1461 :  Idcirco  do- 
minus ultiniam  nobis  horam  voluit  esse  incocrnitam.  ut  semper  possit  esse 
suspecta.  ut  dum  illam  praevidere  non  possumus  ad  illam  sine  interniissione 
praeparemur.     Form.  Aug.  A.  23  S.  347. 

2)  Der  Gedanke  an  Tod  und  Gericht  liegt  in  den  zahllosen  Schen- 
kungen, die  pro  animae  remedio  gemacht  werden.  Man  vergleiche  ausser- 
<lem  Formeln  wie:  Cogitans  ultimam  discussionem  reproborum  et  remune- 
rationem  elcctoruni,  jiroptor  hoc  compunctus  decrevi  etc.  i Wartmann  ÜB. 
Nr.  219  I  S.  209).  Perpetrandum  est  unicuique  homini.  (juam  velociter 
tempora  caduca  pretereunt  et  Ventura  adpropiant.  Ideo  penset  unusquisque 
apud  semetipsuni,  .si  habeat,  unde  aliipiid  de  facultatibus  s\iis  tribuere 
valeat  ad  loca  venerabilia  pro  reniedium  iinimae  suae  ut  in  sempiterna 
requie  cum  b.  Petro  et  Andrea  parady.suni  mcreatur  possidere.  Quia  illi 
datis  retibus  suis  mercati  sunt  regnum  caeloruui.  Hcgnum  Dei  tantum 
valet,  quantum  habes.  (^uid  vilius,  cum  emitur,  quid  carius,  cum  possi- 
detur?  (Nr.  387  II  S.  8).  Cogitans  futuram  peccatorum  discussionem  et 
rotributiorfem  iustorum  (Nr.  4.^0  II  S.  68).  Cogitans  pro  salute  et  romedio 
animae  meao,  ut  in  futuro  vuniam  peccatorum  meorum  adipisci  merear, 
dono  (Dronke,  Cod.  dipl.  49><  S.  220),  Cunctis  tidelibus  liquet.  quia  mundi 
istius  facultates  ad  defectuni  cum  ipso  mundo  magis  ac  magis  inclinantur 
et  hoc  solura  stabile  esse  creditur,  quod  ad  precium  redemptionis  animae 
«uae  unusquisque  in  thesauro  caelesti   collocavit  (Nr.  530  S.  236). 

3)  Mu.spilli  V.  91  tt.  (Müllonhoft  und  Scherer.  Denkmäler  I  S.  14). 

4)  V.  25  ff.  S.  8. 


—     TUT     — 

dem  Sinn  der  Zeit  entsprochen  haben,  denn  es  war  weithin  be- 
kannt. In  Baiern  antgezeiclniet  war  es  Otfind  so  vertraut,  dass  er 
eine  Zeile  daraus  in  seinen  Krist  aufnahm.^) 

"Wenn  die  Beichte  dazu  beiti'ug.  dass  die  Gedanken  des  Volkes 
diese  Richtuno;  nahmen,  so  wurde  dadurch  auch  wieder  ihre  Be- 
deutung erhöht.  Sie  lehrte  ja  zur  Vergebung  gelangen;  man  be- 
trachtete sie  als  Trost,-)  der  den  Schmerz  der  Reue ^)  lindert.  Aber 
dieser  Trost  musste  erkauft  werden.  Nichts  hat  die  Kirche  dem 
Volke  nachdrücklicher  eingeprägt  als  die  Verpflichtung  durch  Bussen 
die  Sünden  zu  sühnen.  Jede  Busse  wurde  als  Schadenei-satz.  zum 
mindesten  als  eine  Gott  dargebrachte  Leistung  gedacht.*)  Deshalb 
erwirbt  sie  Vergebung.  Die  Worte  des  Dichters:  Alle  Sünden 
werden  im  jüngsten  Gericht  vor  dem  König  verkündigt,  ausser  wenn 
der  Mensch  mit  Fasten  und  Almosen  sie  büsste/^)  sprachen  ohne 
Zweifel  die  allgemeine  Überzeugung  aus.  War  man  doch  über- 
haupt der  Meinung,  dass  das  Verhältnis  des  Menschen  zu  Gott 
auf  Leistung  und  Gegenleistung  beruhe.  Jedes  fromme  Werk  wurde 
unter  diesem  Gesichtspunkt  betrachtet.^)     Am   bezeichnendsten   ist 


1)  Otfr.  I,  18,  9  S.  94  =  Musp.  14  S.  8. 

2)  Poen.  Ps.  Gregor.  Praef.  S.  537:  Constat  in  hoc  libello  consolatio 
magna  lugentium,  spes  beata  iustorum,  sanitas  infirmorum,  fortitudo  et  re- 
fugium  periclitantium. 

3)  Wie  entschieden  im  Altdeutschen  die  Vorstellung  „Schmerz"  in 
dem  Wort  Reue  liegt,  zeigt  die  Verwendung  des  Wortes  bei  Otfrid  V,  20 
V.  77  S.  645 :  Ob  ih  in  karkare  uuas,  ir  biriuuetet  daz. 

4j  Wieder  zeigt  Otfrid,  woran  man  bei  buoza  dachte.  Er  lässt 
Christus  zu  den  Seligen  sagen:  Ir  gibuaztat  mir,  in  uuar.  thurst  inti  hungar 
<V,  20  V.  73  S,  645\ 

5)  Muspilli  V,  95  ff.  S.  14. 

6)  Der  Beweis  liegt  wieder  in  den  Schenkungsurkunden.  Ein  Paar 
charakteristische  Formeln  mögen  angeführt  werden:  Pensandum  unicuique 
,  .  est  sapientia  Dei,  quid  per  Salomonem  fateatur  dicens:  Redemptio  ani- 
mae  viri  propriae  divitiae  eins;  ipsa  quoque  sapientia  auctrix  pi-omissionis 
et  in  perrentione  retributionis  recompensatrix.  quid  per  semetipsam  repro- 
mittat  adfirmans:  Date  et  dabitur  vobis  et  item:  Date  eljmosinam  et  omnia 
munda  sunt  vobis  (Wartmann  I  Nr.  215  S.  204).  Perpetrandum  est  salva- 
toris  nostri  verba  dicentis:  Date  elymosinam  etc.  et:  Sicut  aqua  extinguit 
ignem,  ita  elymosina  extinguit  peccatum  (Nr.  228  S.  204).  Humano  genere 
peccatorum  maculis  sauciato  atque  ob  culpam  inobedientiae  a  paradisi 
gaudiis  deiecto  inter  cetera  curationum  medicamenta  etiam  et  hoc  Deus 
mundo  remedium  contulit,  ut  propriis  divitiis  homines  suas  animas  ab  in- 
ferni  tartaris  redimere  potuissent  (Nr.  418  II  S.  38),  Dominus  ac  redemptor 
noster  dei  filius  admonet  dicens:  Date  elemosinam  etc,  (Dronke  Nr,  296 
S.  145).     Licet  parua  et  exigua  sint,  quae  pro  immensis  peccatis  meis  offero. 


—     7(iS     — 

wohl,  (lass  die  Sprache  für  den  Kultus  das  Wort  Gütt<'sdienst  hil- 
dete:')  man  sah  seihst  iui  (iehct  eine  Leistuiifi,  die  (lOtt  erzeij^t 
wird:  nicht  minder  in  der  Messe;  hesoiiders  die  zahllosen  Seelen- 
messen ■)  sind  dureh  diese  Ansehauunjf  hervorj^eruten  und  verstärkten 
sie  wieder.  Kein  Wundei".  dass  dieselhen  Mäinier,  welehe  niemals 
zögerten,  sich  als  Sünder  zu  hekennen.  keine  Bedenken  tiu.uen,  von 
Werken,  die  das  ewige  LebeJi  verdienen,  zu  reden.  Es  war  ihnen 
beides  aufrichtiger  Ernst:  Unvollkonunenheit  und  Verdienst,  (U-r 
Wert  der  eigenen  Leistung  und  die  Notwendigkeit  der  Gnade 
schlössen  sich  für  sie  nicht  aus.'^) 

Gerade  dem  gegenüber  drängt  sich  die  Frage  auf.  welche  Be- 
deutung die  Person  und  das  W'erk  Christi  in  der  religiiisen  An- 
schauiuig  hatte.  Wir  können  die  Antwort  aus  den  zwei  altdeutschen 
Dichtungen  über  das  Leben  Jesu,  dem  Helian(P)  und  dem  Krist,"^) 
schöpfen.  Beide  Werke  gehören  nicht  zu  den  volkstündichen  Dich- 
tungen. Der  niedersächsische  Kleriker,  der  unter  Ludwig  d.  Fr. 
Jesu  Leben  und  Lehre  in  der  Form  des  nationalen  Heldenliedes 
besaug,")  war  ebenso  wie  Otfrid  durch  das  Stuilium  der  lateinischen 


tarnen  scio  aequissimum  iudicem  plus  ileuotionem  mentis  donantis  quam 
quantitatem  muneris  inspiscere.  C^uam  ob  rem  ego  .  .  cogitans  pro  salute 
animae  nieae  ac  parentum  meorum,  ut  in  futuro  merear  vitara  aeternam, 
dono  etc.  (Nr.  514  S.  226).  Der  Gedanke  an  die  ewige  lielohnung  de.'^  guten 
Werkes  ist  sehr  häu6g,  z.  B.  Wartmann  Nr.  225,  231  f.,  245,  272,  278,  280 
etc.;  Dronke  316,  465;  Lacomblet  Nr.  73,  87;  Meichelbeck  Nr.  391  u.  ü. 

1)  S.  über  das  Wort  v.  Raumer,  d.  Einwirkung  des  Christent.  auf  die 
althochd.  Sprache  S.  309.  In  dem  Gebrauch  von  uobunga  für  Kultus 
(v.  Raumer  S.  331)  liegt  dieselbe  Anschauung. 

2)  Vgl.  die  Bestimmungen  des  Totenbundes  zu  Attigni  und  zu  Ries- 
bach (S.  64  und  401  f.):  Form.  Morbac.  7.  11  f.  23  S.  331  ff.  Aug.  A  21 
S.  347. 

3)  Charakteristisch  sind  folgende  unmittelbar  aufcinaniler  folgende 
Sätze  Alkuius:  Intercedere  studeatis,  quatinus  divina  dementia  vitam 
nostram  dirigere  in  suae  voluntatis  effectura  dignetur.  Quid  est  enim  vita 
hominis  in  hoc  mundo,  nisi  ut  serviat  Deo  et  ex  huius  operis  etfectu  eter- 
nam  sibi  proeperitatem  promereri  contendatV  {ep.  225  S.  456).  Ähnlich  im 
Heliand  und  bei  Otfrid  (s.  u.). 

4)  Vilmar,  Deutsche  Altertümer  im  Heliand,  lb45;  Windisch,  der 
Heliand  und  seine  Quellen,  1868;  Sievers,  Einl.;  Ebert,  L.  d.  M.A.  HI 
S.  101  ff.;  Scherer,  G.  d.  deutschen  Lit.  S.  44ff. ;  Kögel,  Gesch.  d.  deutschen 
Litteratur  I,  1  S.  270  ff. 

5)  Ebert,  S.   111  ff.     Scherer  S.  48  ff.     Kögel   1.  2  S.  1  ff. 

6)  Vgl.  Sievers,  Einleitung  S.  XXIV  ff.  und  P.  RE.  VIT*  S.  617.  Er 
nimmt  übereinstimmend  mit  Windisch  die  Zeit  zwischen  825  und  835  als 
wahrschcioliche    Entstehungszeit    an.      Als    Verfasser    betrachtet    er    einen 


—     769     — 

Theologie  gebildet.  'Wir  wissen,  dass  Hrabau  von  Fulda  Otiiids 
Lehrer  war  imd  dass  Otfrid  eine  umfassende  theologische  Bildung 
besass;  ^)  es  ist  nicht  unmöglich,  dass  auch  der  Verfasser  des  Hehand 
seine  Bildung  in  dem  fränkischen  Kloster  erhielt.  Er  legte  seiner 
Bearbeitung  des  Lebens  Jesu  die  Evangeheuharmonie  zu  Grunde, 
die  man  in  Fulda  besass,-)  und  deren  Abschriften  von  dort  aus 
an  andere  Orte  verbreitet  Avurden,  und  die  gelehrte  Schrift,  welche 
er  am  meisten  benützte,  war  ein  Werk  Hrabans,  sein  Matthäus- 
kommentar.'^j 

Wenn  demnach  die  beiden  deutscheii  Gedichte  als  Frucht  der 
gelehrten  Bildung  des  Klerus  betrachtet  werden  müssen,  so  waren 
sie  doch  nicht  nur  für  gelehrte  Leser  bestimmt.  Otfrid  schrieb 
ausdrückhch  für  solche,  welche  die  fremden  Sprachen  nicht  ver- 
standen;^) indem  er  sein  Werk  dem  Erzbischof  Liutbert  und  dem 
Bischof  Salomo  I.,  sowie  den  zwei  St.  Galler  Mönchen  Hartmut 
und  Werinbert  übersandte,  traf  er  selbst  Anstalt  es  sofort  in  wei- 
tere Kreise  einzuführen.'^)  Die  Widmung  an  den  Kaiser  aber 
brachte  es  in  Laienhäude.  Und  Ludwig  d.  Fr.  soll  den  Dichter 
des  Hehand  zu  seinem  Werke  aufgefordert  haben,  weil  den  Unge- 


Kleriker,  wogegen  Jostes,  Ztschr.  f.  d.  A.  40  S.  341  fl'.,  für  die  Annahme 
spricht,  dass  der  Verfasser  ein  hochbegabter,  aber  nicht  gelehrter  Volks- 
sänger gewesen  sei.  Seine  Heimat  sucht  er  in  Nordalbingien  (a.  a.  0. 
S.  160  fl'.),  Sievers  steht  dieser  Behauptung  etwas  skeptisch  gegenüber 
P.  RE.  VU»  S.  619,  bestritten  wird  sie  mit  gewichtigen  Gründen  von  F. 
Wrede,  Ztschr.  f.  d.  A.  N.F.  31  Bd.  1899  S.  333  ff.  Er  denkt  an  den  Süd- 
osten Sachsens.  Die  Bruchstücke  der  altsächsischen  Genesis,  von  denen  Sievers 
zuerst  einen  Teil  als  Interpolation  in  der  angelsächsischen  Genesis  nach- 
wies, und  von  denen  ein  anderer  Teil  1894  von  Zangemeister  in  einem  Vati- 
kan, aus  Heidelberg  stammenden  Kodex  entdeckt  wurden  (Zangemeister  und 
Braun,  Bruchst.  der  altsächs.  Bibeldichtung,  N.  Heidelb.  JB.  1894  S.  205  ft\), 
hält  Sievers  nicht  für  ein  Werk  des  Verfassers  des  Heliand  a.  a.  0.  S.  620. 

1)  Über  seine  Arbeitsweise  vgl.  Schönbach  a.  a.  0.  28  S.  103  ff.  Sein 
Werk  war  vollendet  zwischen  863  und  872;  für  d.  J.  870  spricht  Luft, 
Ztschr.  f.  d.  A.  N.F.  28  S.  246  ff. 

2)  Den  sog.  Tatian.  Sievers  S.  XL.,  vgl.  oben  S.  664. 

3)  Sievers  S.  XLI  ff.  Neben  Hraban  benützte  er  die  Kommentare 
Bedas  zu  Lucas  und  Marcus  und  Alkuins  zu  Johannes.  Sievers  hat  in  den 
Anmerkungen  zu  seiner  Ausgabe  die  Benützung  der  Quellen  im  einzelnen 
dargethan.  Für  Otfrid  verweise  ich  auf  die  Übersicht  Pipers  Einleitung 
S.  252  fl'.  Schönbach  hat  die  Nachweise  ergänzt  und  gezeigt,  dass  Otfr. 
bei  der  Auswahl  der  behandelten  Stücke  sich  an  die  kirchlichen  Lektionen 
anschloss,  Ztschr.  f.  d.  A.  N.F.  26  S.  209  ff ,  336  ff.  27  S.  369  ff. 

4)  I,  1  v.  119  ff.  S.  26. 

5)  Vgl.  Schönbach  a.  a.  0.  27  S.  412  ff. 

Hauck,  Kirchengeschichte.   II.    2.  Aufl.  49 


—     770     — 

lehrten  ebenso  wie  den  Gelehrten  die  Kunde  der  heiligen  Schrift 
zugänglich  sein  müsse. ^)  Nicht  das  Christusbild  des  Volkes  bieten 
uns  diese  Schriften,  aber  sie  lassen  ermessen,  welche  Umwandelung 
die  theologischen  Gedanken  erfuhren,  wenn  man  sie  dem  Volke 
vortrug,  wenn  man  religiös,  nicht  wissenschaftlich  durch  sie  wirken 
wollte. 

Da  ist  nun  die  erste  Bemerkung,  die  sich  aufdrängt,  dass, 
sicher  nicht  absichtlich,  sondern  unwillkürlich,-)  die  heilige  Ge- 
schichte germanisiert  wird.  Man  wiederholt  einen  oft  ausgesprochenen 
Satz,  wenn  man  sagt,  dass  die  ganze  Umgebung,  in  welche  der 
Heliand  Christus  versetzt,  deutsch  ist.  Deutsch  ist  das  Land  mit 
seinen  dichten  Wäldern,  durch  welche  einsame  Wege  führen,^) 
deutsch  die  Flur,  die  sich  weit  um  das  Haus  ausbreitet,*)  deutsch 
der  häufig  ])ewölkte  Himmel'')  und  der  Sturnnvind,  der  von  AVesten 
her  die  See  gegen  das  Land  treibt.")  Liest  man  von  den  um- 
wallten Burgen ')  von  dem  Dinghaus,  in  dem  Gericht  gehalten 
wird,^)  von  dem  Zimmer  mit  Bank  und  Bett")  und  von  der  weiten 
Halle,  in  der  die  Helden  sitzen  und  Meth  trinken,^")  so  ist  ein 
Stück  deutschen  Lebens  gezeichnet.  Deutsch  sind  nun  auch  die 
Menschen,  die  in  dieser  Umgebung  leben,  fühlen,  handeln  und  leiden. 
Es  will  nicht  viel  sagen,  dass  Pontius  Pilatus  zum  Herzog, ^^)  und 
Kaiphas  zum  Bischof^-)  wird,  dass  d(>r  Dichter  in  den  Magiern 
schnelle  Degen  ^'^)  sieht  und  dass   ihm  als  die  Weisen  Sprachkun- 


1)  Praefatio  S.  4;  Praecepit  namq.  cuidam  uiro  de  gente  Saxonum, 
qui  ajjud  suos  non  ignobilis  Vates  habebatur,  ut  uetus  ac  nouum  Testa- 
mentum  in  tiermanicam  linguam  poetice  transferre  studerot,  quatonus  non 
solum  literatis  uerum  etiatn  illiteratis  sacra  divinorum  praeceptorum  lectio 
panderetur.     Vgl.  über  die  praef.  Kelle,  Gesch.  d.  d.  L.  I  S.  ll.Sf. 

2)  Das  ergiebt  sich,  wie  mich  dünkt,  daraus,  dass  da  und  dort  darauf 
hingewiesen  ist,  dass  etwas  bei  don  .luden  üblich  war.  z.  B.  v.  453  ff.  S.  35, 
V.  2731  S.  188  u.  ö. 

3)  V.  604  S.  45;  1121  S.  81. 

4)  V.  2119  f.  S.  149. 

5)  V.  392  S.  31;  415  S.  33;  649  S.  49;  655  S.  49. 

6)  V.  1817  ff.  S.  129. 

7)  V.  339,  348  S.  27;  530  S.  41  u.  ö. 

8)  V.  5124  S.  349. 
9j  V.  147  S.  15. 

10)  V.  2733  ff.  S.  189;  die  Wände  der  Halle  sind   mit  allerlei  Schmuck 
behangen  (v.  4541  S.  311). 

11)  V.  5125  S.  349. 

12)  V.  4146  S.  283  u.  ö. 

13)  V.  543  S.  41. 


—     771     — 

dige  gelten,  die  in  den  Büchern  lesen,  ^)  oder  dass  er  die  Menschen 
ihre  Jahre  nach  den  Wintern  zählen  lässt,  die  sie  durchlebten."-) 
Tiefer  greift,  dass  er  sich  das  Leben  nicht  denken  kann  ohne  die 
ethischen  Mächte,  auf  denen  die  deutsche  Yolkssittlichkeit  beriüite: 
der  Einzelne  hat  seinen  Halt  an  dem  Zusammenhang  des  Ge- 
schlechts, an  der  Volkssitte  und  dem  Hecht  des  Volkes.  Dass 
man  den  Verwandten  hebt,  gilt  als  selbstverständlich;^)  was  die 
Familie  betrifft,  wird  gemeinsam  beraten,"*)  selbst  Christi  Predigt 
richtet  sich  zuerst  an  seine  Sippe.'*)  Bietet  das  Leben  mit  den 
Geschlechtsgenosseu  dem  Manne  Schutz  und  Stütze,  so  wird  es  ihm 
auch  zur  Versuchung:  der  Verwandte  reisst  den  Verwandten  zimi 
Frevel  hin.*^)  Grosses  und  Kleines  im  Leben  ist  gebunden  durch 
die  Sitte;  niemand  darf  lassen,  was  des  Landes  Brauch  ist.')  Der 
Brauch  der  Väter  aber  wird  zum  Gesetz,  wenn  er  durch  wohlweise 
Männer  niedergeschrieben  wird.^)  So  fest  wie  das  Familienband 
ist  der  Zusammenhang  von  Herr  und  Knecht.  Die  Trauer  der 
Jünger  im  Garten  Gethsemane  wird  dm'ch  die  Worte  geschildert: 
So  wird  das  Gemüt  bewegt  der  Menschen  Jeglichem, 
Wenn  er  verlassen  soll  den  gehebten  Herrn, 
Von  dem  guten  scheiden.^) 


1)  V.  572  S.  43;  613  S.  45;  3402  f.  S.  235. 

2)  V.  725  S.  53;  963  f.  S.  69. 

3)  V.  1446  ff.  S.  103. 

4)  V.  201  ff.  S.  19;  440  ff.  S.  33  f. 

5)  V.  1134  ff.  S.  81. 

6)  Ich  weiss  keinen  stärkeren  Beweis  für  die  Macht  der  Geschlechts- 
gemeinschaft als  die  Verse  (1492  ff.  S.  105  f.): 

Than  menid  thiu  lefhed,  that  enig  liudeo  ni  scal 
farfolgan  is  friunde,  et  he  ina  an  firina  spanit, 

suas  man  an  saca:  than  ne  si  he  imu  eo  so  suuido  an   sibbiun  bilang, 
ne  iro  magskepi  so  mikil,  ef  he  ina  an  mord  spenit, 
bedid  baluuuerco :  betera  is  imu  than  odar, 
that  he  thana  friund  fan  imu  fer  faruuerpa, 
mithe  thes  mages  endi  ni  hebbea  thar  eniga  minnea  to, 
that  he  moti  eno  up  gestigan 
ho  himilriki,  than  sie  helligethuing, 
bred  balumnti  bedea  gisokean 
ubil  arbidi. 
Der  CTedanke  stammt  übrigens  von  Hraban  (s.  Sievers  S.  105  Anm.). 

7)  V.  453  ff.  S.  34;  551  S.  40;  795  f.  S.  57. 

8)  V.  94  ff.  S.  11;  4551  ff.  S.  311. 

9)  V.  4773  S.  325.     Die    Übersetzung    aus    Simrock,    Heliand    2.    Aufl. 
S.  221. 

49* 


77-2 


Auch  die  Stiiiiimiiig.  die  im  (ieiliehte  lit'rrsclit.  die  Freude  ;im 
Lehoii  und  an  der  Welt,  die  es  erfüllt,  darf  man  als  deutschen 
Zug  in  Ansjduch  nehmen.  Die  Welt  ist  fiir  den  Dichter  die 
\\nindei'schöne  Welt:*)  wie  oft  hat  er  \\'^elt  und  Wonne  zusammen- 
gestellt,-') als  geln'irten  ))eide  Vorstellungen  zusammen.  IVIan  wird 
schwerlich  ein  zweites  poetisches  Werk  finden,  in  welchem  die 
Freude  an  der  hlendenden  Schönheit  des  Lichtes  so  häutig  aus- 
ges])roc]ien  wäre  als  im  Heliand.'^)  Xicht  minder  hat  der  Dichter 
seine  Lust  an  der  grünen  Aue.'*)  an  dem  warmen,  wonnereichen 
Sommer;'')  aher  auch  der  Besitz  erfreut  den  ^lenschen:  Perlen. 
kostl)are  Gewänder  und  allerlei  Geschmeide.")  Von  asketischer 
Anschauung  ist  nicht  viel  in  (hesem  Werke:  die  einzige  Stelle,  in 
der  sie  ausgesprochen  wird,  zeigt  recht  deutlich,  wie  fremd  sie  dem 
Dichter  und  dann  gewiss  auch  seinen  HöriM-n  war: 

So  selig  ist  niemand, 
Dass  er  beides  erziele  in  dieser  l)reiten  AVeit, 
Auf  dieser  Erde  im   Uherfiuss  zu  leben 
In  allen   Weltlüsten  und  doch  dem  waltenden  Gott 
Zu  Dank  zu  dienen,  sondern  unter  den  Dingen 
Muss  er  einem  von  beiden  auf  immer  entsagen. 
Den  Lüsten  des  Leibes  oder  dem  ewigen  Leben.') 

Wendet  man  sich  von  dem  Heliand  zum  Ki'ist,  so  ist  der 
Unterschied  gross  genug.  Zwar  die  Xationalisierung  des  evan- 
gelischen Berichts  ist  dem  Heliand  nicht  eigentündich.  Man 
findet  sie  ebenso  in  dem  Gedichte  Otfrid'-.  Die  Umgebung,  in 
welcher  Christi  Leben  verläuft,  ist  hier  ebenso  deutsch  als  dort: 
die  festen  Burgen^)  und  der  einsame  ^\'ald,")  der  wolkige  HimmeP") 
und  die  stürmische  See*')  bilden  hier  wie  dort  die  Szenerie;  Herzog,'-) 


1)  V.  3578  S.  245. 

2)  V.  2356  S.  165;  3265  S.  225;  4287  S.  293. 

3)  V.  2358  f   S.  165:  that  berhte  Höht,  sinsconi.    v.  3125  8.215:  horlite 
sunne.     v.  3134  S.  217.     v.  3575  ff.  S.  245  ii.  tt, 

4)  V.  3135  S.  217:  Ganl  pocUic  ondi  f^roni  uuan^,  paradiso  jfelic. 

5)  V.  4343  S.  297. 

6)  V.  1720  ff.  S.  123. 

7)  V.  16.55  S.  117.  Sinirock  S.  75. 

8)  1,  9  V.  35  S.  61-.  T.  11  V.  13  S.  66  u.  ö. 

9)  J.  10  V.  28  S.  64:  I.  11  v.  14  S.  66  n.  n. 

10)  II,  1  V.  18  S.  137. 

11)  III,  7  V.  15  f.  S.  279. 

12)  IV,  16  V.  11  .*^.  471;  IV,  20  V.  9  S.  490. 


(  ( o 


Bischof^)  und  adelige  Männer 2)  sind  die  handelnden  Personen;  wie 
im  Heliand  ist  das  Leben  des  Menschen  gefestigt  durch  den 
Fanlilienzusammenhang  •^)  und  die  Macht  der  sicheren,  alten  Sitte/) 
durch  die  Anhänglichkeit  an  die  teure  Heimat/^)  Wenn  die  Bilder, 
welche  Otfrid  entwirft,  verwaschener  sind,  wenn  sie  nicht  ebenso 
rund  und  fiisch  heraustreten  wie  im  Hehand,  so  hegt  der  Grund 
darin,  dass  che  poetische  Begabung  des  Weissenburger  Mönchs 
geringer  war  als  die  des  sächsischen  Priestei-s,  nicht  darin,  dass 
jener  sich  die  Dinge  anders  gedacht  hätte  als  dieser.  Man  bemerkt 
es,  sobald  Othid  eine  Schilderung  gelingt;  sie  liest  sich  dann  wie 
die  Beschreibung  eines  altdeutschen  Bildes.  Ich  erinnere  an  die 
Yerkündigmig:  Maria  mit  dem  Psalterbüchlein  in  der  Hand,  sitzt 
traurig  singend  im  Palaste;  neben  ihr  ihre  Arbeit,  ein  GcAvii'ke  aus 
tem-em  Garn.  Da  tritt  der  Engel  in  das  Gemach;  ehrfurchtsvoU, 
me  ein  guter  Bote  zu  Frauen  sprechen  soll,  grüsst  er  sie:  Heil 
ziere  Magd,  schöne  Jungfrau.^') 

Nicht  darin,  dass  das  eine  Gedicht  volkstümKch  und  das 
andere  gelehrt  wäre,  Hegt  die  Verschiedenheit  zwischen  ihnen;  sie 
sind  beide  ebensowohl  volkstümhch  als  gelehrt;  sondern  der  Unter- 
schied hegt  vor  allem  darin,  dass  die  Stimmung  der  Dichter  un- 
gleich ist.  Von  der  naiven  Freude  an  der  Erde,  die  im  Hehand 
herrscht,  ist  bei  Otfrid  nichts  zu  linden:  er  war  Mönch,  und  der 
Dichter  spricht  als  Mönch.  Die  Welt  erscheint  ihm  nicht  als 
wonnevoll,  sondern  als  elendvoll;  die  stiünnische  See  ist  das  Abbild 
des  Menschenlebens.')  Hunger  und  Durst,  manches  Leid  und 
manche  Angst,  zuletzt  der  Tod  geben  dem  Leben  seinen  Gehalt.^) 
Es  wundert  Otfrid,  dass  die  Menschen  die  Unruhe  der  irdischen 
Dinge  so  sehr  heben.^)     Dazu  kommt  die  Last  der  Sünden,  die  alle 


li  III,  25  V.  23  S.  391. 

2)  II,  12  V.  1  S.  198:  Nikodemus  ein  edilthegan  guater.     IV,  35  v.  1 

S.  544. 

3)  I,  9  V.  5  ff.  S.  59:  III,  15  v.  15  f.   S.  322: 

so  ofto  maga  sint  giuuon, 
then  is  io  gimuati  thero  nahistono  guati. 
Das  ist  kein   individueller  Zug  der  beiden  Gedichte.     Auch  in  Muspüli  ist 
die  Furchtbarkeit  des  jüngsten  Gerichtes   dadurch    geschildert,    dass    dann 
ni  mac  mac  helfan  vora  demo  muspille  (v.  57   S.  7). 

4)  I,  14  V.  3  S.  75;  vgl.  II,  8  v.  16  S.  178. 

5)  I,  18  V.  25  ff.  S.  95. 

6)  I,  5  v.  9  ff.  S.  44  f. 

7)  III,  7  v.  15  ft.  S.  279. 

8)  V.  23  v.  75  ff'.  S.  659. 

9)  L.  c.  V.  5  S.  655. 


—     774     — 

drückt.^)  das  Gericht,  das  allen  liovorstoht.  und  vor  dem  jedweder 
bangt.  Dem  Dichter  bebt  das  Herz,  wenn  er  daran  denkt:  er 
1  »reist  die  glücklich,  die  ihrer  Thaten  sicher  dem  Gericht  entgegen- 
sehen können.-) 

AVenn  man  die  beiden  Gedichte  von  diesem  Gesichtsj)unkt 
aus  betraclitet,  so  stellen  sie  die  beiden  Extreme  dar,  die  in  der 
Stimmung  des  deutschen  \'olkes  im  neunten  Jahrhundert  vorhanden 
waren:  den  Blick  für  das  Licht  und  für  den  Schatten,  die  noch 
unge])rochene  Freude  am  Irdischen  und  die  asketische  Verurteilung 
desselben. 

Wie  erscheint  nun  Chiistus  in  diesen  so  verschiedenen  Werken? 

Es  ist  ihnen  gemeinsam,  dass  sie  auch  Jesum  germanisieren: 
er  ist  der  König,  der  seine  Dienstmannen  um  sich  schaart,  der 
seinen  Getreuen  Gaben  austeilt  und  für  sie  kämpft,  dem  sie  in 
Treuen  anhangen.'')  Das  war  die  bei  den  Deutschen  überall  herr- 
schende Vorstellung.'*)  Mit  ihr  aber  sind  andere  kombiniert.  Leicht 
schloss  sich  der  Gedanke  an  TMunsti  Gottheit  an:  Christus,  der 
König,  war  ja  von  Anfang  nur  plastischer  Ausdruck  für  die  Idee: 
Christus  Gott.  Er  ist  der  mächtige  Gott,  der  heilige  Verwalter 
des  Himmels,  der  Herr  selbst.")  In  seiner  Gotteskraft  liegt  das 
Unterj)fand  dafür,  dass  er  der  Heilande  bester  ist.**)    Spröder  erwies 


1)  III,  1  V.  1.5  ff.  S.  256;  III,  7  v.  65  ff.  S.  283;  HI.  17  v.  59  ff.  S.  336 
11.   ö. 

2)  V,  19  S.  633  ff. 

3)  Heliand  v.  625  f.  S.  47;  v.  3995  ff.  S.  272:  v.  4799  S.  327;  v.  5583 
S.  371  u.  ö.  Krist  I,  20  v.  34  ff.  S.  102.  In  Bezug  auf  den  Heliand  ist 
dieser  Gedanke  so  oft  wiederholt,  dass  es  nicht  überflüssig  scheint,  zu 
erinnern,  dass  er  allein  nicht  ausreicht.  Was  z.  B.  Bach,  DG.  I  S.  94  über 
den  Christus  des  Heliand  sagt ,  giebt  alles  eher  als  eine  Vorstellung  von 
dem,  was  sich  der  Dichter  des  Heliand  vorstellte.  Auch  Soeberg  (Ztschr. 
f.  kirchl.  Wissensch.  IX  S.  148  ff.),  der  viel  treffender  urteilt,  ist  von  dieser 
einseitigen  Auffassung  nicht  ganz  frei. 

4)  Vgl.  die  von  Duchesne.  Lib.  pont.  II  S.  87  veröffentlichten  Landes, 
mit  folgender  Stelle : 

Christus  vincit,  Christus  regnat.  Christus  imperat. 

Rex  regum,  Christus  vincit. 

Rex   noster  Christus  vincit. 

Spes  nostra  Christus  vincit. 

Gloria  nostra  Christus  vincit  etc. 

6)  Heliand  v.  840  ff.  S.  61;  v.  1827  S.  131;  v.  2229  S.  156  u.  ö.  Krist 
I,  3  v.  41  ff.  S.  36;  I.  5  v.  23  ff.  S.  46  u.  ö. 

6)  Heliand  v.  3060  f.  S.  211  (Bekenntnis  des  Petrus):  That  thu  sie 
god  selbo.  heleandero  best.  Analog  ist,  dass  Otfrid  Christum  furist  alles 
gnatos  (III,  24  v.  57  S.  385j  nennt;  vgl.  IV,  26  v.  11  ff.  S.  511  f. 


—     775     — 

m 

sich  die  den  Evangelien  entnommene  Vorstellung  Christi  des  Lehrers. 
Man  kann  nicht  sagen,  dass  sie  mit  der  ersteren  zu  einem  einheit- 
Hchen  Bilde  verschmolzen  wäre.  Aber  für  die  didaktischen  Ab- 
sichteu  der  Dichter  hatte  sie  die  grösste  Bedeutung.  Besonders 
im  Hehaud  steht  sie  durchaus  im  Vordergrund.  Die  Frage  nach 
dem  Zweck  der  Sendung  Jesu  di-ängte  sich  schon  dem  altsächsi- 
schen Dichter  auf.  Er  beantwortete  sie  durch  die  Erinnerimg  an 
Christi  Lehre.  Es  ist  ungemein  bezeichnend,  dass  er  dem  Gebet 
Jesu  am  Grabe  des  Lazarus  diesen  Zweck  seiner  Sendung  ein- 
fügte.^) Je  entschiedener  dadurch  der  Gedanke  des  Evangelisten 
verändert  winde,  um  so  deuthcher  ist,  wie  sehr  jene  Vorstellung 
den  Dichter  beherrschte.  Die  Schilderung  der  Lehre  Christi  nimmt 
denn  auch  in  seinem  Gedichte  den  breitesten  Eaum  ein.  Vor  allem 
aber  bedingt  sie  seine  Aussagen  über  den  Heilsweg.  Wenn  man 
fragt,  was  er  seineu  Hörern  einprägen  will,  so  kann  man  nur  ant- 
worten: dass  das  Himmelreich  einem  jeden  gegeben  wird,  der  an 
Gott  gedenkt,  an  den  Heiland  aufi-ichtig  glaubt  und  seine  Lehre 
ertüllt.-)  Dass  das  Verhältnis  des  Menschen  zu  Gott  durch  Leistimg 
und  Lohn  bestimmt  wird,  das  ist  die  Voraussetzung,  von  der  er 
überall  ausgeht.  Nichts  ist  für  ihn  so  selbstverständlich,  als  dass 
der  Fromme  Gottes  Willen  wirkt,  um  Gottes  Huld  und  Lohn  zu 
erlangen.  Und  nichts  ist  ihm  so  gewiss,  als  dass  jedes  fromme 
Werk  Gott  zu  Dank  gethan  ist.  Das  verkündigt  der  Engel  dem 
Zacharias,^)  das  predigt  Johannes  der  Täufer,'')  das  wird  von 
Christus  selbst  gelehrt.'^)  Der  Dichter  lässt  Jesiim  versichern :  Die- 
jenigen, welche  beflissen  sind,  Gottes  AVerk  und  Willen  zu  voll- 
führen, bedürfen  nicht  mit  vielen  Woi-ten  um  Hilfe   zu  inifen;    der 


1)  That  sie  that  te  uuarun  uuitin,  that  thu  mi  an  these  uuerold  sen- 
des  thesun  liudiun  te  lerun  (v.  4095  f.  S.  279);  vgl.  1387:  Seggean  eu  godes 
V.  854  f.  S.  61;  v.  1826  ff.  S.  131;  v.  1417  ff.  S.  101. 

2)  V.  956  ff.  S.  69;  vgl.  892  ff.  S.  65;  1072  S.  77  ;  v.  1919  ff.  S.  137  u.  ö. 

3)  V.  116  ff.  S.  13: 

Thina  dadi  sind,  quad  he, 

uualdanda  uuerde  endi  thin  uuord  so  seif, 

thin  thionost  is  im  an  thanke. 
Verl    über  Hanna  v.  505  f.  S.  39:  Siu  habde  ira  drohtine  uuel  githionod  te 
thanca. 

4)  v.  900  ff.  S.  65: 

So  huue  so  that  men  forlatid 
gerno  thes  gramon  anbusni,  so  mag  im  thes  godon  giuuirkean 
huldi  hebencuninges. 

5)  V.  1110  ff.  S.  79;  V.  1686  S.  121:  ef  gi  uuilliad  aftar  is  uuillion 
theonon;  vgl.  691  S.  51  u.  ö. 


770     — 

lioiligo  (iott    weiss   jedos   Mensclion   Geflaiikcii.    Wmt    und   Willen 
und   ciieht  ihnen  von  seihst  ihrer   Werke  LohnJ) 

Man  sieht,  der  "Wrdiensthejiritt'  heherrscht  die  ganze  Anschau- 
ung. Aher  er  wirkte  nicht  eigentlich  religiös  verwüstend.  Dazu 
war  hei  di'in  Dichter  das  Bewusstsein  zu  lebhaft,  dass  Leistung  und 
Lohn  nicht  gleichwertig  sind.  Es  steht  schliesslich  doch  so.  dass 
derjenige,  der  Gottes  Willen  ei-fiillt.  damit  nur  en-eicht.  dass  er 
einen  milden  Ricliter  findet.-)  Auch  das  Gefühl  der  menschlichen 
Schwäche  war  zu  lel)haft.  Wie  oft  erinnert  der  Dichter  an  sie: 
ohne  die  Macht  des  Herrn  hat  des  Menschen  Gemüt  nur  kleine 
Kraft,  verlassen  von  der  Hilfe  Gottes  fällt  er  sofort.^)  Wer  den 
schmalen  Weg  gehen  will,  muss  von  dem  Herrn  er])itten,  dass  er 
es  kann;*)  denn  ohne  ihn  kann  niemand  weder  mit  Wort  noch  mit 
AVerk  etwas  Gutes  voUhringen;  aeshalh  müssen  die  Menschen  all- 
zumal an  die  alleinige  Kraft  Gottes  glauben.'*)  AVenn  der  Dichter 
tiTitzdem  auf  den  ewigen  Lohn  der  menschhchen  Verdienste  hoffen 
If'in-t,  so  kann  er  es  nur.  weil  er  an  die  Unendlichkeit  der  Gnade 
glaubt:  So  barmherzig  ist  der.  der  über  alles  Gewalt  hat.  dass  er 
keinem    hienieden    den  Wunsch    nach  Seligkeit    verweig(M'n    will;") 

1)  V.  1923  ff.  S.  137;  vgl.  V.  1788  S.  127  von  der  engen  Pforte: 

So  huuemu  so  ina  thurhgongid,  so  scal  is  geld  niman 
suuido  langsam  Ion  endi  lif  euuig. 

2)  v.  1980  ff.  S.  141: 

Thar  uuilliu  ic  iniu  an  reht  iiuesan 
mildi  mundboro,  so  huemu  so  minun  hir 
uuordun  hoiid  endi  thiu  uuerc  tVumid, 
tbea  ic  hir  an  thesumu  berge  uppan  geboden  hebbiii. 
Im   Althochdeutschen   wird    ^mild"    vielfach    zur    Übersetzung    von    ,iuispri- 
cors*  gebraucht  (v.  Raumer  S.  345).     D.irin   liegt   wie   in    der  Heliandätelle 
eine  Verallgomeinerun;;  des  biblischen  Gedankens. 

3)  In  losem  Anschluss  an  einen  Gedanken,  den  Hraban  darbot  (opp.  I 
S.  1125),  erklärt  sich  der  Dichter  die  Zulassung  der  Verleugnung  Petri  durch 
folgende  Kefloxion  (v.  5031  ff.  S.  ;^43): 

(Gott)  lot  ina  gekunnon,  huilike  rraft  hiil)et 

tho  niennisca  mod  ano  tho   mäht  godes, 
let  ina  gesundion  that  he  sidor  thiu  bet 
liudiun  gilobdi,  huo  liof  is  that 
iiianno  huilicumu,  than  he  men  gclrumit, 
that  man  ina  alate  ledes  thinges, 
sacono  endi  sundeono. 
vgl.  v.  .50.39  ff.  S.  343. 

4)  V.  1790  f.  S.  127. 

5)  v.  1767  ff.  S.  127. 

6)  V.  3502  f.  S.  241. 


-     777     - 

verloren  geht  nur  deijenige.  welcher  sich  nicht  erlösen  lässt.-^)  Sein- 
lehrreich  ist  hiefür  die  Betrachtung  über  die  verschiedenen  Wege 
zum  Himmelreich,  die  sich  au  das  Gleichnis  von  den  Arbeitern  im 
"Weinberg  anschliesst: -)  Mancher  beginnt  schon  in  der  Kindheit 
das  Welthche  zu  meiden.  Weisheit  und  Gottes  Gesetz  zu  lernen, 
und  fährt  damit  fort  bis  an  seines  Alters  Abend.  Dann  wandelt 
er  hinauf,  wo  ihm  alle  seine  Arbeit  gelohnt  wird.  Andere  jagen 
in  der  Kindheit  nach  nichtigen  Dingen,  bis  die  Gnade  Gottes  den 
Jüngling  im  Innern  mahnt.  Folgt  er  ihr  und  wendet  er  sein  Leben 
zum  Frommen,  dann  wird  auch  ihm  der  Lohn  in  Gottes  Keiche. 
Manche  leben  bis  zum  Mittag  des  Lebens  in  schweren  Sünden, 
bereuen  sie  aber  dann  und  beginnen  durch  Gottes  Kraft  gute 
AVerke:  auch  sie  empfangen  Dank.  Ein  anderer  gelangt  bis  an 
des  x^lters  Neige,  ehe  ihm  seine  Übelthaten  leid  werden.  Aber 
auch  ihm  N\ird  gelohnt,  wenn  sein  Herz  im  Alter  milde  wird;  ja 
selbst  derjenige  soll  nicht  verzweifeln,  der  erst  im  letzten  Augen- 
blick in  sich  geht:  die  göttliche  Barmherzigkeit  gewährt  ihm  den 
Wunsch  nach  Leben. 

Die  Anschauung,  welche  trotz  alles  verdiensthchen  Handelns 
im  letzten  Grunde  in  dem  Heil  eine  Gabe  Gottes  sieht,  hatte  eine 
Stütze  in  dem  populären  Fatalismus,  der  dem  Dichter  eigen  war: 
das  Grösste  und  das  Kleinste  ist  seiner  Überzeugung  nach  durch 
Gott  bestimmt.  Wie  der  unablässige  Wechsel  der  Generationen 
die  Macht  des  waltenden  Geschickes  zeigt,  =')  so  misst  der  mächtige 
Vater  jedem  einzelnen  unabwendljar  sein  Geschick  zu;*)  von  Grund- 
legung der  Welt  an  hat  er  geordnet,  welche  Völker  in  der  Welt 
herrschen    sollten:''^)    aber    auch    ein    leeres  Gerücht  dringt   nur  so 


1)  V.  2146  f.  S.  151:  Die  Hölle  droht  jedem,  so  thes  uuilleon  ne  habad 
tbat  he  is  alosie  er  hi  thit  Höht  agebe. 

2)  V.  3409  tt'.  S.  235  ff. 

3)  V.  3629  ff.  S.  249. 

4)  V.  510  ft'.  S.  39;  761  S.  55  u.  ö.  Auch  das  Handeln  der  Menschen 
erscheint  als  determiniert.  Von  der  Flucht  der  Jünger  beisst  es,  lange  zu- 
vor sei  der  Propheten  Wort  ergangen,  that  it  scoldi  giuuerden  so:  bethiu 
ni  mahtun  si  is  bemithan  (v.  4934  f.  S.  335).  Von  dem  verleugnenden 
Petrus  heisst  es  geradezu  (v.  4978  ff.  S.  339) : 

Ni  habda  is  uuordo  geuuald,  it  scolde  giuuerden  so 
so  it  the  gimarcode  the  mankunnies 
faruuardot  an  thesaru  uueroldi. 

5)  V.  38 ff.  S.  8: 

All  so  hie  it  fan  them  anginne  thuru  is  ena  craht 
uualdand  gisprak,  thuo  liie  erist  thesa  uuerold  giscuop 
endi  thuo  all  bifieng  mid  enu  uuordu, 


—     77S     — 

weit,  als  er  es  will.')  Scliliosslicli  erfiillt  sieb  über  einen  joden  das, 
was  von  Anfang  an  über  ibn  bescblossen  ist:"')  Drum  ist  es  ver- 
■:t'l)licb,  wenn  der  ^Sfenscb  unternimmt,  Gottes  Gedanken  zu 
kreuzen:'^)  der  ist  fromm,  der  das  duldet,  was  der  waltende  Gott 
bestimmt  hat.*) 

Im  Zusannneubang  solcher  Gedanken  hatte  der  Tod  Jesu 
liii-  den  Dichter  keine  Schwierigkeit,  (jottes  Schickung  vollzieht 
sich  aucli  in  ihm:  denn  auch  über  Jesus  herrscht  ein  unabwend- 
bares A'erhängnis.'')  Aber  er  betrachtete  den  Tod  Jesu  doch  nicht 
nur  von  diesem  Gesichtspunkte  aus.  Derselbe  galt  ihm  vielmehr 
als  erlösend.")  Hier  greift  nun  die  Vorstellung  von  den  in  der 
Welt  wirkenden  dämonischen  Kräften  ein:  um  sie  zu  bezwingen, 
erlitt  Jesus  den  Tod.  Denn  der  Tod  ist  für  ihn  der  Durchgang 
zum  Lel)en:  der  aus  dem  Tode  wieder  Hervorbrechende  schlägt 
die  Riegel  am  Höllenthore  zurück  und  bahnt  den  Weg  zum 
Himmelreich.')  hu  Anschluss  an  einen  Gedanken,  den  ihm  Hraban 
darbot,  meinte  der  Dichter,  der  Satan  habe  Jesu  Tod  verhindern 
wollen,  so1)ald  er  in  ihm  den  Gottessohn  erkannte.^) 


himil  endi  ertha  endi  ul  that  sea   bihlidan  egun 

giuiuirahtes  endi  giuualisanes:   tbat  uuartli  thuo  all  mid 

fasto  bifangan  endi  gifrumid  after  thiu,  [uuordon  godas 

huilic  than  liudscepi  landes  scoldi 

uuidost  giuualdan,  eftbo  huar  thiu  uuerold  scoldi 

aldar  endon. 

1)  V.  535  f.   S.  61. 

2)  V.  2593  S.  179:  Sculun  iro  regangiscapu  frumniien  iirilio  bain. 

3)  V.  645  f.   S.  49. 

4)  V.  4H92  fiF.  S.  333. 

5)  V.  4460  S.  305.  Zu  .ludas  sagt  der  Iloir  tioim  letzten  Abendmahl: 
Thiu  uurd  is  at  handun,  thea  tidi  sind  nu  ginahid  (v.  4619  f.  S.  315).  Ähn- 
lich zu  den  Jüngern  in  Gethsenianc:  Thiii  uurd  is  at  handun,  that  it  .so 
pigangen  scal,  so  it  god  fader  giniarcode  mahtig  (v.  4778  S.  325).  Ähn- 
liche Wendungen  öfter.  Es  ist  wohl  kein  Irrtum,  wenn  man  hierin  das 
Fortwirken  heidnischer  Vorstelhingen  erblickt;  vgl.  (irinira,  Mythologie 
S.  293:  Die  Allmacht  der  (iötter  erfahrt  durch  ein  noch  über  ihnen  stehen- 
des Verhängnis  Hemmung. 

6)  V.  3536  ft".  S.  243  u.  ö. 

7)  V.  491Hfl'.  S.  335;  5391  tf.  S.  363;  5769  ff.  S.  37ö  u.  ö. 

8)  V.  3427  ff.  S.  355:  Der  Dichter  verwertet  hier  einen  von  llraban 
exzerpierten  Gedanken  des  Hieronymus  (opp.  I  S.  1131).  Die  Verbindung 
zwischen  dorn  (bedanken  des  Sieges  über  die  Hölle  mit  der  Vorstellung 
Christi  des  Lehrers  ist  dadurch  hergestellt,  dass  der  Dichter  .Tesum  den 
Höllenzwang  durch  seine  Worte  abwehren  lässt  (v.  20^1  f.  S.  147).  Die 
Erfüllung  seiner  Lehre  führt  ja  in  den  Himmel. 


-     779     - 

So  der  Verfasser  des  Heliand.  Welche  Anschauung  finden 
wir  nun  bei  Otfi-id?  Dass  er  weit  mehr  Theologe  war,  als  jener, 
zeigt  sich  überall.  Wie  oft  gef;illt  er  sich  in  breit  ausgesponnenen 
allegorischen  Deutungen  der  evangehschen  Geschichte.  Er  kann 
das  AVort  Sinieons  über  das  Jesuskind  und  die  Himnielsstimme 
bei  der  Taufe  nicht  Aviedergeben,  ohne  der  theologischen  Formel 
von  der  ewigen  Erzeugung  des  Sohnes  zum  Ebenbild  des  Vaters 
zu  gedenken.^)  Am  deutlichsten  tritt  es  vielleicht  darin  hervor, 
dass  der  Tod  Jesu  und  die  Frage,  was  er  den  Gläubigen  ist, 
ihn  viel  lebhafter  beschäftigt  als  seinen  sächsischen  Zeitgenossen. 
Ihm  machte  der  Gedanke,  dass  das  Sterben  Jesu  Erlösung  ist, 
Schwierigkeit.  Er  reflektiei'te  darüber,  dass  wenn  sonst  ein  König 
im  Kampfe  für  seine  Mannen  fällt,  sein  Heer  sich  in  mutloser 
Flucht  auflöst,  dass  dagegen  auf  dem  Sterben  Jesu  die  Ret- 
tung der  Seinen  beruht.  2)  Aber  die  Lösung  dieser  Schwierig- 
keit findet  er  genau  in  denselben  Gedanken,  die  nrnn  im  Hehand 
liest.  Dem,  dass  er  mehr  darüber  nachdachte,  entspricht  es, 
dass  er  hier  der  anschaulichere  ist:  Jesus  kämpft  mit  dem  Satan 
in  dessen  eigener  Heimat,  der  Hölle,  dem  Todesort;  er  über- 
windet ihn  im  Einzelkampf  und  bindet  ihn,  dass  er  den  Menschen 
nicht  mehr  schaden  kann;  er  führt  sodann  die  Verstorbenen  aus 
der  Hölle  heraus  in  das  Himmelreich:  so  siegt  er  im  Tode.^) 

Mit  der  Überwindung  der  Hölle  ist  das  Hindernis  beseitigt, 
das  die  Menschen  vom  Himmelreich  ferne  hielt.  Sie  können  nun 
in  dasselbe  gelangen.  Der  Weg  dahin  ist  bei  Otfrid  ebenso  ge- 
dacht wie  im  Hehand:  Erfüllung  des  durch  Christi  Predigt  er- 
sclilossenen  göttlichen  Willens.  Dass  er  die  Notwendigkeit  der 
Gnade    noch    stärker    betonte,*)    hängt    ohne    Zweifel    mit    seiner 


1)  I,  15  V.  18  S.  79;  I,  25  v.  17  f.  S.  120. 

2)  III,  26  V.  37  ff.  S.  396. 

3)  I,  5  V.  51  ff.  S.  48;  I,  11  v.  59f.  S.  69;  II,  11  v.  47  ff.  S.  195  f.; 
IV,  3  V.  28  S.  413;  IV,  12  v.  59  ff.  S.  456  f  ;  V,  2  v.  9  ff  S.  563:  V,  4  v.  45  ff. 
S.  570;  V,  16  v.  1  ff".  S.  623.  Wie  mich  dünkt  liegt  die  Vorstellung,  dass 
Jesus  primär  Befreier  aus  Todes-  und  Höllenzwang  ist,  in  der  Verwertung 
des  deutschen  Wortes  arlosan  zur  Übersetzung  von  redimere  (s.  v.  Raumer 
S.  366  f.).  Der  Sinn  beider  Wörter  ist  ja  nicht  derselbe.  Die  allgemeine 
Verwendung  des  Wortes  zeigt  dann,  was  die  herrschende  Anschauung  des 
Volkes  war. 

4)  I,  2  V.  45  ff.  S.  31 : 

Thaz  (die  Erlangung  der  Seligkeit)  nist  bi  uuerkon  minen, 

suntar  rehto,  in  uuaru  bi  thineru  ginadu. 

Thu  hilphis  io  mit  krefti  theru  thinera  giscefti; 


—     7S0     — 

trüberen  AuÖassuiig  des  menschlichen  Wesens  zusammen.  Er 
kann  geradezu  sagen,  dass  (lott  diejenigen,  die  es  nicht  wert 
sind,  in  sein  Himmeh-eich  führt;  ^)  und  er  erklärt  sicli  das  daraus, 
dass  Gott  seinem  AVeseu  nach  gnädig  ist,-)  während  es  für  die 
Menschen  nichts  giebt,  was  ihren  Mut  so  hoch  erfreut,  als  die  \er- 
gebung.'^) 

Allein  in  dem  allen  liegt  doch  nur  eine  verschiedene  Modu- 
lation von  Gedanken,  die  wir  .iiuli  im  Heliand  fanden,  nicht  eine 
Verschiedenheit  der  Anscliauung.  Denn  auch  die  Gegenseite 
fehlt  bei  ( )tfrid  nicht.  Zu  allen  jenen  Sätzen  des  Heliand 
von  dem  Wert  der  guten  Werke,  die  bei  Gott  Gnade  und  Er- 
barmen erlangen,  von  den  Verdiensten,  die  im  Gerichte  Lohn 
finden,  lassen  sich  Parallelen  bei  ihm  nachweisen.*)  ja  er  spitzt 
wohl  den  Gedanken  noch  schärfer  zu,  indem  er  auch  den  Schmerz 
über  die  Sünde  als  verdienstlich  betrachtet:    wer    wahrhaftig    seine 


dua  huldi  thino  ubar  niih,  tliaz  ih  thanne  iamer  lobo  tliih, 

Thaz  ih  ouh  nu  gisito  thaz,  thaz  mir  es  iamer  si  thiu  baz, 

theih  thionost  thinaz  fülle,  iiuiht  alles  io  ni  uuolle, 

Jo  mir  io  hiar  zi  libe  uuiht  alles  io  ni  klibe, 

ni  si,  druhtin,  thaz  thin  uuillo  ist,  thu  io  ginadiger  bist. 

II,  24  V.  17  ff.  S.  250;  IV,  29  S.  522  ff.  Diese  Stelle  ist  besonders  deshalb 
interessant,  weil  Otfrid  über  das  hinausgeht,  was  ihm  seine  Vorlage,  hier 
Alkuin  (in  Johann,  opp.  I  S.  982),  darbot.  Die  Hauptstelle,  dass  die  gött- 
liche Liebe  das  Gewand  Christi,  seine  Gemeinde,  gewoben  hat,  ist  Otf'rids 
Eigentum  (v.  23  ff.  S.  524) : 

Uuanta  sia  span  scono  karitas  in  frono: 

sie  thie  faduma  alle  gab  ioh  sia  selbo  giuuab. 

Giuuisso,  so  ih  thir  zellu,   thiu  uuerk  bisihit  si  oliu 

si  iz  alias  gote  reisot  ioh  sinen  io  gizeigot. 

Ni  uuane,  theih  thir  golbo,  thia  tunichun  span  si  selbo, 

selbo  uuab  si  kriste  thu/.;  bi  thiu  ist  iz  allaz  so  aliingaz. 

Liegt  hier  eine  polemische  Beziehung  auf  die  spinnenden  und  webenden 
Nomen  vor? 

1)  V,  24  V.  16  S.  676:  Leti  unsih  in  richi  thin,  thoh  uuir  es  uuirdig 
ni  sin.  I,  2  v.  45  S.  31:  Thaz  nist  bi  uuerkon  minen  suntar  rehto  in  uuaru 
bi  tihnera  ginadu. 

2)  V,  24  V.  15:  Ginado  bi  unsih,  so  thu  bist.  Vgl.  hiezu  das  gereimte 
Augsburger  Gebet  (Miillenhoff  u.  Scherer  14  I  S.  34j:  Got,  thir  eigenhaf  ist, 
thaz  io  genathih  bist. 

3)  III.  1   V.  30  S.  257. 

4)  Z.  B.  I,  24  V.  9  ff.  S.  UH;  II,  9  v.  65  ff.  S.  187;  III,  19  v.  33  tf. 
^.  ;i47;  IV,  9  V.  27  ff.  S.  444;  V,  22  v.  4  S.  651  (von  allen  Seligen);  Hiar 
gitbionotun  sie  tbnz. 


—     781     — 

Sünden  bereut,  der  häuft  sich  einen  grossen  Schatz  auf;  erfüllt 
er  überdies  willig  Gottes  Gebote,  so  ist  er  ein  trauter  Freund  de& 
Herrn.  ^) 

In  solcher  Gestalt  wurde  der  christliche  Glaube  dem  Volke 
dargeboten  und  von  ihm  erfasst.  Es  ist  leicht,  ihre  dogmatische 
Unvollkommenheit  zu  erkennen,  und  die  widersprechenden  Ele- 
mente, die  neben  einander  vorhanden  waren,  aufzuzeigen.  Aber 
mit  diesem  Urteil  allein  wird  man  ihr  nicht  gerecht.  Ihr  Wert 
liegt  darin,  dass  sie  dem  Volk  eine  Fülle  religiöser  und  sittlicher 
Motive  in  einer  solchen  Weise  darbot,  dass  sie  auf  das  Volk 
wirkten.  Sie  war  trotz  ihrer  Mängel  geeignet,  die  sittliche  Kultur 
zu  fördern. 

Dabei  stiess  sie  jedoch  auf  den  unül^erAnndhcheu  Wider- 
stand der  sozialen  Verhältnisse.  Die  früher  bemerkte  Scheidung^ 
des  Volkes  in  Stände  setzte  sich  unaufhaltsam  fort.  Wenn  die 
Menge  der  eigenthchen  Knechte,  der  Sklaven,  geringer  wurde, 
so  wuchs  doch  ununterbrochen  die  Zahl  der  abhängigen  Leute.  ^)' 
Bald  freiwillig,  bald  gezwungen  ergaben  sich  Freie  in  fremde 
Gewalt.  Auf  ihre  persönKche  Freiheit  verzichteten  sie  dabei  nicht. 
Aber  was  nützte  ibnen  das  Eecht  der  Freien,  wenn  sie  die 
faktische  Unabhängigkeit  verloren  hatten?  Wenn  nicht  rechtlich,- 
so  traten  sie  doch  thatsächlich  auf  die  gleiche  Stufe  mit  den 
Liten.  Noch  unterschied  man  im  neunten  Jahrhundert  nicht 
regelmässig  zwischen  Adeligen  und  Nichtadehgen.  Aber  diese- 
Unterscheidung  kam  doch  bereits  vorr^)  und  unter  den  Nicht- 
adeligen wurden  zusammengefasst  die  Gemeinfreien,  die  Hörigen 
und  die  Sklaven.  Wenn  die  Ursache  dieser  sozialen  Verschiebung 
in  dem  Sinken  des  Durchschnittsbesitzes  der  Gemeinfreien  lag, 
so  war  ihre  Folge,  dass  sie  die  Stellung,  die  sie  ursprünglich  im 
Gemeinwesen  besessen  hatten,  einbüssten.  Die  Zahl  derjenigen, 
welche  im  Genuss  der  ßechte  bheben,  welche  dem  Volk  eigneten, 
wurde  eine  sehr  kleine;  die  grosse  Menge  war  davon  ausge- 
schlossen. 

Die  Rückwirkung  auf  die  kirchHchen  Verhältnisse  war  unver- 


1)  T,  24  V.  17flF.  S.  118. 

2)  Vgl.  Waitz,  VG.  V  S.  220  fF. 

3)  Z.  B.  in  der  Urkunde  Arnulfs  für  Zwentibolch,  viro  ijrogenie  bonae 
nobilitatis  exorto  (B.M.  1890),  in  der  Urkunde  Williberts  von  Köln  v.  873 
(Mansi  XVII  S.  278)  werden  neben  den  sacri  ordinis  viris  nur  nobiles  laici 
genannt;  vgl.  Form,  imper,  28  S.  312;  Form.  cod.  Laud.  14  S.  518.  Meichel- 
beck,  Hist.  Fris.  I,  2  S.  428  Nr.  980:  Quidam  nobilis  vir.  Form.  30  coli. 
Sangall.  S.  415.     Form,  extrav.  I,  9  S.  589. 


—     7S2     — 

meidlicli.  ludem  die  grosse  Majorität  des  A'olkes  herabsank  zu 
einer  Masse  politisch  und  sozial  Rechtloser,  wurde  sie  gleichsam 
festgebannt  in  der  Unkultur.  Um  so  schwieriger  war  die  Über- 
windung der  abergläubischen  Elemente  der  Frömmigkeit.  Es  ist 
denn  auch  in  den  nächsten  Jahrhunderten  kein  Schritt  vorwärts 
geschehen.  Vollends  unmöglich  wai*  jede  selbstständige  Beteiligung 
des  Volkes  am  Leben  der  Kirche.  Bis  sich  in  den  aufljlühendeh 
Städten  ein  neues  Volk  bildete,  ist  nicht  die  Xation,  sondern  sind 
allein  der  Klerus  und  der  Adel  die  Faktoren  der  kirchhchen  Ent- 
wickelung. 


Beilauen. 

I.  Bischofslisten. 


A.  Erzbistum  Mainz. 

1.  Mainz. 

Bonifatius,  gest.  5.  Juni  755. 

Lul.  Erzbischof  zwischen  780  und  782  (S.  206,  1),  gest.  16.  Okt.  786  (Ann. 

Lauresh.,  Fuld.  br.,  V.  Lul.  21  S.  147). 
Riculf,   gest.   9.   Aug.  813   (Ann.   Lauriss.   nsin.,   Sangall.,  Wirzib.,   Necrol. 

eccl.  Mog.  Böhmer,  Fontes  III  S.  142). 
Heißtolf,  gest.  826  (Ann.  Fuld.;  Ann.  Xant.  irrig  825). 
Otgar,  gest.  21.  April  847  (Ann.  Fuld.,  Necrol.  eccl.  Mog.). 
Hraban,  geweiht  26.  Juni  847  (Ann.  Fuld.);  gest.  4.  Febr.  856  (1.  c,  Ann. 

Necrol.  Fuld.;  Necrol.  eccl.  Mog.:  2.  Febr.). 
Karl,  geweiht  12.  März  856  (Ann.  Fuld.),    gest.   4.  Juni  863  (1.  c;  Necrol. 

eccl.  Mog.:  5.  Juni). 
Täutbert,    geweiht    30.   Nov.   863    (Ann.  Fuld.),    gest.  17.  Febr.  889  (Ann. 

Fuld.,  lib.  anniv.  Sangall.). 
Sundarold,  gefallen  26.  Juni  891  (Ann.  Fuld.,  Regin.  chron.;  Necrol.  eccl. 

Mog.:  28.  Juni). 
Hatto  I.,  gest.  15.  Mai  913  (Ann.  Sangall.  mai.,  Col.,  Wirzib.,  Necrol.  Aug. 

div.,  Merseb.  N.  Mitth.   des  thür.   sächs.  Vereins   XI  S.  234).     Im 

Necrol.    eccl.    Mog.    ist    der   18.  Jan.    mit    Unrecht    als   Todestag 

Hattos  I.  betrachtet;  vgl.  die  Urk.  v.  12.  März  918  (B.M.  Nr.  2028). 

2.  Augsburg. 

Rozilo  (s.  Bd.  I  S.  524). 

Tazzo  (s.  S.  47  Anm.  5).     Todestag  17.  Jan.  (lib.  anniv.  Aug.  S.  56). 

Sintpert,  Bischof   von  Augsburg    wahrscheinlich  810   (s.  S.  454  Anm.  1). 

Als  Todestag  wird  der  13.  Okt.   angegeben  (Catal.  ep.  Aug.  M.G. 

Scr.  Xm  S.  279). 


—     7S4     — 

Hanto,  812  erwähnt  (Ann.  Laur.   min.). 

Nidgar,    30.  Aug.  822    urkundlich    erwähnt   (Mcichelbeck,   Hist.  Fris.  I,  2 

S.  247    Nr.  470),    Juni   829    in    Mainz    (Ep.  Fuld.    fragm.  29  M.G. 

Ep.  V  S.  529).  Todestflg  27.  Sept.  (Necrol.  Udalr.). 
üdalmann. 

Lanto,  Anfang  Okt.  847  und  3.  Okt.  852  zu  Mainz  (S.  624  Anm.  4). 
Witgar,  867  zu  Metz  (M.G.  Oap.  245  II  S.  167),  gest.  887  (Regin.  chron.). 
Adalbero,    geweiht  887  (Regin.   chron.),    gest.   28.   April  910  (Ann.  Sang. 

mai.,  Hb.  anniv.  St.  Gall.;   >Jecrol.  Udalr.;    Ann.  Alam.  irrig  908). 

.{.  (hur. 

Ursicinus,  gest.  vor  759  (V.  s.  Gall.  II,  18  S.  25). 

Tello,  c.  760  Teilnehmer  am  Totenbund  von  Attigni  Cap.  106  I  S.  222, 
gest  24.  Sept.  (lib.  anniv.  Cur.).  Das  Todesjahr  ist  frühestens  766. 
Tellos  Testament  ist  vom  15.  Doz.  des  15.  Jahres  Pippins,  also 
765  datiert  (Mohr,  Cod.  dipl.  1  S.  10  Nr.  9). 

Constantius,  c.  773  nachweislich  (B.M.  155). 

Remedius,  gest.  27.  Juni  (lib.  anniv.  Cur.).  Von  den  Briefen  .\lkuins  an 
Remedius  gehören  Nr.  76  und  77  S.  118  f.  in  die  Jabro  791—796, 
263  und  310  S.  420  u.  478  in  die  Jahre  801—804. 

Victor  II.  scheint  das  Bistuui  kurz  nach  820  angetreten  zu  haben  (s.  die 
Eingaben  an  Ludwig  d.  Fr.  M.G.  Ep.  V  S.  309).  Letzte  urkund- 
liche Erwähnung  9.  Juni  831  (B.M.  865).  Todestag  7.  Jan.  (lib. 
anniv.  Cur.).  Da  Verendar  in  den  Sturz  Ludwigs  d.  Fr.  verwickelt 
war  (s.  S.  501),  so  ist  Victor  wahrscheinlich  ^B2 ,  möglicherweiso 
833  gestorben. 

Verendarius,  gest.  8.  Okt.  843—846  (lib.  anniv.  Cur.).  Die  angegebenen 
Jahre  ergeben  sich  daraus,  dass  Verendar  d.  21.  Jan.  843  zuletzt, 
und  Gerbrach  Anfang  Okt.  847  zuerst  urkundlich  nachweislich  ist 
(B.M.  1062  und  oben  S.  624  Anm.  4). 

Gerbrach,  Okt.  847  in  Mainz  (S.  624  Anm.  4). 

Esso,  zuerst  nachweislich  12.  Juni  849  (B.M.  1352),  zuletzt  16.  Mai  868 
(Syn.  zu  Worms  S.  710  Anm.  5),  852  auf  der  Synode  von  Mainz 
Cap.  249  I  S.  185,  gest.  10.  Nov.  flib.  anniv.  Cur.)  wahrscheinlich 
880.  Das  Jahr  ergiebt  sich  daraus,  dass  das  Bistum  am  4.  Jan.  881 
als  erledigt  erscheint. 

Rothar  (Otcnr),  gest.  16.  Juli  (lib.  anniv.  Cur.). 

Theodolf,  zuerst  nachweislich  22.  Jan.  888  (B.M.  1726),  zuletzt  10.  Aug. 
913  (\.  c.  2028). 

4    Kiclislädt. 

Willibald,  gest.  nach  dem  8.  Okt.  786  (Dronke,  cod.  dipl.  Fuld.  Nr.  85 
S.  52).    Todestag  7.  Juli  (Gundech.  lib.  pont.  M.G.  Scr.  VII  S.  243). 

Gerhoh,  für  ihn  eine  undatierte  Urkunde  Karls  (B.M.  353).  Todestag 
2.  Febr.  (Anon,  Ha.ser.  de  episc.  Eich.st.  M.G.  Scr.  VII  S.  254). 

Aganus,  wenn  identisch  mit  Agnus,  so  vor  810  in  Regensburg  (s.  S.  453 
Anm.  1)  und  3.  April  823    auf   einer    zweiten    bairischen   Synode 


—     785     — 

(Meichelb.,    H.Fr.  I,  2   S.  229  Nr.  634);    Todestag  6.  Nov.    (Anon. 

Haser.). 
Adelung  (Adaling).    Juni  829    in  Mainz  (Ep.  Fuld.  fragm.  29  M.G.  Ep.  V 

S.  529).     Todestag  30.  Juli  (A.  H.). 
Altinus  (Attun),    erwähnt  um  840   (Ermen.  v.  Sual.  10  S.  162).     Todestag 

22.  Febr.  (Anon.  Haser.). 
Otgar,  Oktober  847  in  Mainz  (s.  S.  624  Anm.  4),  gest.  6.  Juli  880  (Anon. 

Haser.). 
Gottschalk,  gest.  12.  Nov.  882  (Gundech.). 
Erchanbald,  gest.  19.  Sept.  912;  letzte  urkundliche  Erwähnung  5.  März  912 

(B.M.  2014).     Daraus   erhellt  der  Irrtum  Gundechars,    der  902  als 

Todesjahr  angiebt. 
üdalfrid,  gest.  1.  Jan.  933  (Gundech.  Anon.  Haser.  S.  254). 

5.  Halberstadt. 

[Hildigrim  L,  s.  S.  410  u.  675.  4]. 

Theotgrim,  Juni  829  in  Mainz  (Ep.  Fuld.  fragm.  29  M.G.  Ep.  V  S.  529); 

gest.    8.    Febr.    840    (Ann.    Quedl.,    Ann.    Saxo,    Necrol.    Werdin. 

Böhmer,  Font.  HI,  389). 
Haimo  (Hemmo),  gest.  28.  März  853  (Ann.  Fuld.;  Ann.  necr.  Fuld.;  Necrol. 

Merseb.:  27.  März). 
Hildigrim  H.,  gest.  21.  Dez.  886  (Ann.  Sax. ;  Necrol.  Werdin.,  Merseb.). 
Agiulf  (Egolf),  gest.  27.  Jan.  894  (Ann.  necr.  Fuld.,  Gest.  episc.  Halberst., 

Necrol.  Halberst.  N.  Mitth.  VHI  S.  60). 
Sigimund,  Mai  895  in  Tribur  (s.  S.  712  Anm.  6),  gest.  14.  Jan.  923  (Ann. 

Quedlinb.,  Thietm.  chron.  I,  12;  ann.  necr.  Fuld.:  924). 

6.  Hildesüeiui. 

Ountar  (S.  675  Anm.  5),    Todestag  5.  Juli  (Necrol.   Merseb.,    Hildesh.  Scr. 

rer.  Brunsw.  I  S.  765). 
Rembert  (S.  675  Anm.  5),  Todestag  12.  Febr.  (Necrol.  Hildesh.). 
Ebo,  erhält  das  Bistum  Hildesheim  zwischen  dem  April  845  (Bischofswahl 

für  Rheims)    und  Okt.  847  (Mainzer    Synode,    s.  S.  624  Anm.  4); 

Todestag  20.  März  (Necrol.  Hildesh.). 
Altfrid,  3.  Okt.  852  zu  Mainz  (s.  S.  624  Anm.  4),  gest.  15.  Aug.  874  (Ann. 

Alam.,  Necrol.  Hildesh.;  Ann.  Hild.:  875). 
Ludolf,  gewählt,  stirbt  vor  der  Weihe  875  (Ann.  Hildesh.). 
Markwart,  gefallen  2.  Febr.  880  (Ann.  Fuld.,  Corb.,  Thietm.  chron.  II,  15, 

Necrol.  Hildesh.). 
Wicpert,    geweiht   880   (Ann.   Hildesh.).    gest.  31.  Okt.  908  (Ann.  Necrol. 

Fuld.,  Necrol.  Merseb.;  Necrol.  Hildesh.:  1.  Nov.). 
Walpert,  gest.  3.  Nov.  919  (Ann.  necrol.  Fuld.,  Necrol.  Merseb.,  Hildesh.). 

7.  Eonstanz. 
Arnefrid,    gest.    746    (Cat.    abb.    Aug.    Scr.    XIII    S.   331;    Herim.    Aug. 

chron.). 
Sidonius,  gest.  4.  Juli  760  (Necrol.  Aug.;  über  d.  J.  s.  Wartmann,  ÜB.  zu 
Nr.  27  I  S.  31). 
Hauck,  Kirchengeschichte.    II.    2.  Aufl.  50 


—      780     — 

Johannes  II.,  gest.  9.  Febr.  782  (Necrol.  Aug.,  chron.  Suev.  univ.,  über- 
einstimmend die  Angabe  der  Amtsdauer  —  21  Jahre  —  in  den 
St.  Galler  und  Reichenauer  Katalogen;  Herim.  Aug.  chron.:  781). 

Egino,  gest.  25.  Aug.  811  (Necrol.  Aug.).  In  den  Ann.  Alara.  und  Weing. 
ist  813  als  Tode.«jahr  genannt;  irrig,  da  am  19.  Sept.  811  Wolfleoz 
bereite  Bischof  war  (Wartmann,  ÜB.  I  S.  196  Nr.  206).  Da  Kgino 
im  Herbste  810  noch  lebte  (Cap.  127  S.  249),  so  ergiebt  sich  das 
oben  angegebene  Datum. 

Wolfleoz,  Todestag  15.  März  (Necrol.  Aug.).  Das  Jahr  steht  nicht  fest; 
letzte  Erwähnung  835  (Ratp.  cas.  s.  Gall.  6  S.  66,  Ann.  Alam.  z.  d.  J.). 

Salomo  1.  Erste  Erwähnung  Anfang  Okt.  847  (Synode  zu  Mainz,  s.  S.  624 
Anm.  4);  gest.  871  (Ann.  Sangall.  br.,  Alam.),  wahrscheinlich 
2.  April  (Necrol.  Aug.). 

Patacho,  gest.  4.  Dez.  873  (Lib.  anniv.  St.  Gall.).  Nach  einer  Notiz  des 
15.  Jahrh.  (M.G.  Scr.  V  S.  71  n.  67)  war  Patacho  3  Jahre  lang 
Bischof;  für  874  ist  Gebhard  I.  nachzuweisen  (Wartmann,  ÜB.  II 
S.  198  Nr.  585;  daraus  ergiebt  sich  das  Todesjahr). 

Gebhard  I.,  gest.  18.  April  875.  Der  Todestag  im  Necrol.  Aug.  Baumann 
bezieht  ihn  auf  Gebhard  von  Speier;  als  dessen  Todestag  nennt 
jedoch  der  Necrol.  Spir.  den  20.  Mai,  so  dass  die  Beziehung  auf 
Gebhard  von  Konstanz  gesichert  ist.  Das  Jahr  875  ist  anzunehmen, 
da  Salomo  II.  vor  dem  31.  Jan.  876  Bischof  wurde  (s.  Form.  29 
coli.  Sangall.  S.  415  und  dazu  Zeumer,  N.  Arch.  VIII,  526  f.). 

Salomo  II.,  gest.  23.  Dez.  889  (Lib.  anniv.  St.  Gall.).  Als  Todesjahr  ist 
890  überliefert.  Da  jedoch  Salomo  III.  im  August  890  Bischof 
war  (Wartmann,  ÜB.  II  S.  280  Nr.  679),  so  muss  das  Jahr  889 
angenommen  werden. 

Salomo  III.,  gest.  5.  Jan.  919  (Ann.  Sangall.  mai.,  ann.  necr.  Fuld.). 

8.  Paderborn. 

Hathumar,  gest.  nach  dem  Juli  815  (s.  S.  409  Anm.  1),  wahrscheinlich 
noch  in  diesem  Jahre;  die  transl.  Libor.  lässt  ihn  bald  muh 
Karl  d.  Gr.  sterben  (c.  6  S.  151). 

Badurad,  erste  urkundliche  Erwähnung  2.  April  822  (B.M.  728).  Todes- 
tag 17.  Sept.  (Necrol.  Heris.  Wilmans,  KU  I  S.  504).  Da  Liuthard 
sicher  886  oder  887  gestorben  ist  und  27  Jahre  lang  Bischof  war 
(Ser.  ep.  M.G.  Scr.  XIII  S.  342),  so  erginbt  sich  als  Todesjahr 
Badurads  859  oder  860.  Am  22.  Mai  859  lebte  er  noch  (B.M.  139H). 
Die  i^adurad  zugeschriebene  Amtsdauer  von  48  Jahren  ist  demnach 
unrichtig. 

Liuthard,  gest.  2.  Mai  886  oder  887  (Necrol.  Heris.).  Diese  Jahre  folgen 
daraus,  dans  Liuthard  den  8.  Sept.  885  zuletzt  und  Biso  den 
22.  Sept.  887  zuerst  nachweislich  ist  (B.M.  1669  und  1711). 

Biso,  Todestag  9.  Sept.  (Necrol.  Heris.,  Merseb.).  Die  Angabe  einer 
25jährigen  Amtsdauer  ist  unrichtig:  richtig  scheint  dagegen  die 
Angabe  der  v.  Meinw.  1  S  107,  welche  ihui  23  Jahre  giebt.  Setzt 
man  seinen  Amtsantritt  in   den  Sommer  886  und  nimmt  man  an. 


—     787     — 

dasä  er  das  23.  Jahr  nicht  vollendete,  so  starb  er  d.  9.  Sept.  908. 
Die  9  Jahre  Dietrichs  führen  auf  dessen  feststehendes  Todesjahr 
917.  Zuletzt  nachweisbar  ist  Biso  als  Teilnehmer  der  Synode  zu 
Tribur  895  (s.  S.  712  Anm.  6). 

Dietrich.  Nach  Ser.  ep.  Päd.  und  v.  Meinw.  1  neun  Jahre  lang  Bischof; 
gest.  8.  Dez.  917  (Ann.  necrol.  Fuld.,  Necrol.  Paderb.,  s.  Erhard 
Regest.  516). 

9.  Speier. 

Basin,  gest.  vor  d.  25.  Juli  782  (S.  47  Anm.  4). 

Fraido  (Fleido),  urkundliche  Erwähnung  782  (B.M.  245).  Ist  der  in  der 
Fuldischen  Urkunde  198  S.  107  f.  genannte  Rihboto  ep.  der  gleich- 
namige Bischof  von  Trier,  so  starb  Fraido  nach  d.  8.  Nov.  791 
und  vor  d.  1.  Okt.  804. 

Benedikt,  Juni  829  in  Mainz  (M.G.  Ep.  V  S.  529). 

Hettin. 

Gebhard,  847  zu  Mainz  (S.  624  Anm.  4);  letzte  Erwähnung  877  (Form.  34 
coli.  Sangall.  S.  418);  Todestag  20.  Mai  (Necrol.  Spir.  Böhmer, 
Font.  IV  S.  321). 

G  0  d  e  th  ank  ,  888  in  Mainz  (S.  712  Anm.  2)  und  895  in  Tribur  (S.  712  Anm.  6). 

Einhard,  erste  urkundliche  Erwähnung  24.  Juni  903  (B.M.  1953),  gest. 
29.  Juni  918  (Necrol.  Spir.,  Ann.  necrol.  Fuld.). 

10.  Strassburg. 

Heddo,  letzte  urkundliche  Erwähnung  Dez.  775  (B.M.  195). 

Aylidulf,  Confr.  Aug.  188,  10. 

Remigius. 

Rachio,  Bischof  seit  784;  der  Prolog  einer  von  ihm  veranlassten  Abschrift 

des    spanischen  Cod.  can,  ist  im  5.  Jahre  seines  Episkopats,  788, 

geschrieben  (Migne  96,  1029). 
Outo  IL,  Confr.  Aug.  187,  1;   Todestag  26.  Aug.  (Necrol.  Argent.  Böhmer, 

Font.  III  S.  XV),  wenn  nicht  auf  Uto  IE.  bezüglich. 
Erlehard. 

Adalloch,  816  und  820  erwähnt  (B.M.  607,  692,  700). 
Bernald  (Bernhard),  erste  urkundliche  Erwähnung  12.  Juni  823  (B.M.  748), 

letzte  Erwähnungen   832   iForm.  extrav.  II,  17  S.  560  f.)  und  833 

(s.  0.  S.  504);  Todestag  17.  April  (Necrol.  Aug.). 
Rathold,  erste  urkundliche  Erwähnung  29.  Juli  840  (B.M.  1036);  die  Wahl 

muss    unmittelbar    vorher    erfolgt  sein,    da  Rathold  im  Aug.  840 

noch    nicht    ordiniert    war  (B.M.  1038),    gest.  20.  Nov.  874  (Ann. 

Alam.,  Weing.,  Necrol.  Romar.  Böhmer,  Fontes  III  S.  463;  Necrol. 

V^eissenb.  1.  c.  IV  S.  314:  21.  Nov.). 
Reginhard,    ein    zwischen  876    und  881    geschriebener    Brief  Salomos  II. 

an  ihn  (Form.  33  coli.  Sangall.  S.  417,  vgl.  36  S.  419i.     Todestag 

10.  Mai  (Necrol.  Argent.,  Weissenb.). 
Baltram,  888  in  Mainz  (S.  712  Anm.  2),  gest.  906  (Regln,  chron.). 
Otbert,  30.  Aug.  913  getötet  (Ann.  Sangall.  mai.,  necrol.  Aug.;  cont.  Regln.: 

914;  chron.  Suev.  univ.:   912). 

50* 


—     788      — 

11.  Verden. 

Patto,  gest.  2.  Juni  788  (S.  378  Anm.  Ij. 

Tanko.  gest.  808  (?  S.  406  Anm.  1). 

Nortila? 

Leyiulo? 

Rotila? 

Hysinger? 

Haruth,  gest.  829  (Ann.  necrol.  Fuld.),  nach  dem  Juni,  da  Haruth  an  dor 

Mainzer  Synode  Anteil  nimmt  (M.G.  Ep.  V  S.  530). 
Helmgaud,    erste   Erwähnung   Herbst  831  (v.  Assk.  12);    14.  Juni  838  zu 

Nimwegen  (Dronke,  cod.  dipl.  Nr.  513  S.  226). 
Wald  gar,  Okt.  847  zu  Mainz  (S.  624  Anm.  4),  letzte  Erwähnung  14.  Juni 

849  (B.M.  1353). 
Gerolf  (Erolfj  auf  den  Synoden  zu  Worms  868  (s.  S.  710  Anm.  5)  und  zu 

Köln  28.  Sept.  873  (S.  711  Anm.  2). 
Wigbert,    zuerst    erwähnt  26.  Febr.  874  (R.M.  1458),    zuletzt  Mai  895  zu 

Tribur  (S.  712  Anm.  6). 
Bernar. 

12.  Worms. 
Erembert,  gest.  793  (S.  47  Anm.  3). 

Bernhar,  in  den  Weissenburger  Ti-aditionen  bis  21.  Mai  825  (Zeuss,  Tradit. 

Wiz.  185  S.  173). 
Folcwich,    zuerst    erwähnt  31.  Okt.  826  (B.M.  808),    zuletzt  17.  Nov.  830 

(Zeuss  172  S.  159). 
Samuel,  gest.  6.  Febr.  856  (Ann.  necrol.  Fuld.  S.  166  u.  177). 
Gunzo,    gest.   872    (Ann.    Xant.;    Ann.    nerrol.    P^uld.    875:    Gundalah    epi- 

scopus). 
A dal  heim,  888  in  Mainz  (S.  712  Anm.  2). 
Thietlach,  895  in  Tribur  (S.  712  Anm.  6);  gest.  1.  Sept.  914  (Ann.  Worm. 

M.G.  Scr.  XVII  S.  37). 

13.  Würzhiirg. 

T'>iirchard,    gest.    zwischen    d.  .Fmii  7.')U  und  •).  .Inni  755  (s.  S.  48  und  49 

Anm.  1). 
Megingoz,  gest.  nach  777  (a.  S.  49  Anm.  2):    Todestag   26.  Sept.  (Necrol. 

Merseb.). 
Berenwelf,  gest.  26.  Sept.  800  (Ann.  Wirzib.,  Necrol.  Wirzib.). 
T.iuderich,  gp.st.  27.  Febr.  802  (Ann.  Wirzib.). 
Agil  ward,  gest.  810  vor  d.   1.   Mai  (Ann.  Wirzib.  z.  J.  832). 
Wolfger,  gest.  12.  Nov.  832  (Ann.  Wirzib.,  Necrol.  Merseb.). 
Humbert,  gest.  8.  März  842  (Ann.  Wirzib.,  Ann.  necrol.  Fuld.;  kal.  necrol. 

Fuld.,  Böhmer,  Fontes  IV  S.  451:  10.  März). 
Gozbald,    gest.    20.    Sept.   855    (Ann.    Fuld.,  Wirzib.,    ann.    necrol.    Fuld., 

Necrol.  Merseb.). 
Arn,  ppfallen  13.  Juli  892  (Regin.  chron.,  Ann.  Wirzib.,    Mirac.  Wigb.  11, 

Ann.  necrol.  Fuld.,  necrol.  Merseb.). 


—     789     — 

Rudolf,    gefallen    3.    Aug.   908    (Ann.    Alatn.,  Wirzb.,    ann.    necrol.    Fuld., 

necrol.  Merseb.\ 
Thiedo,  gest.  15.  Nov.  931  (d.  J.  932  in  den  Ann.  Wirzib.  S.  241  ist  irrig, 

da  Burchard  II.  an  der  Erfurter  Synode  v.  1.  Juni  732  Anteil  nahm, 

Const.  Imp.  I  S.  3  Nr.  2). 

B.    Erzbistum  Köln. 

1.  Kölu. 

Hildegar,  erschlagen  753  (s.  S.  52  Anm.  1). 

Berethelm,  erwähnt  13.  Aug.  762  (B.M.  93). 

Riculf,  erwähnt  c.  780  (Ale.  carm.  4  v.  18  f.  S.  221). 

Hildebold,  erste  Erwähnung  c.  791  (J.W.  2481),  gest.  3.  Sept.  819  (Ann. 
s.  Emmer.  mai.,  Col.  breviss.). 

Hadebald  (Hadubald),  gest.  841  (s.  d.  Bonner  Urkunden  v.  841  u.  842 
N.A.  Xm  Nr.  23  f.  u.  16  S.  159  und  156). 

Hilduin,  gest.  c.  845  (s.  S.  681  Anm.  5). 

Günther,  22.  April  850  geweiht  (S.  681  Anm.  5>,  Okt.  863  abgesetzt 
(Mansi  XV,  651,  Ann.  Fuld.). 

Willibert,  geweiht  16.  Jan.  870  (Ann.  Fuld.,  Col.  brev.),  gest.  11.  Sept. 
889  (Necrol.  Col.  Böhmer,  Font.  III,  343).  Regino  giebt  als  Todes- 
jahr 890  an;  jedoch  irrig,  da  Hermann  im  Mai  890  bereits  Bischof 
war  (J.W.  3457). 

Hermann,  gest.  11.  April  923  (Regln,  contin.,  necrol.  Colon.). 

2.  Bremen. 

Will  eh  ad,  gest.  8.  Nov.  789  (s.  S.  390). 

Willerich,    Bischof   seit    804    oder  805   (s.  S.  405  Anm.  4),    gest.  838  (s. 

S.  405  Anm.  4). 
Leuderich,  gest.  24.  Aug.  845  (s.  S.  680  Anm.  4). 

3.  Lüttieh. 

Florebert,  erwähnt  785  (Ann.  Gand.,  Lob.). 

Fulchar  (Folchrich),  erste  urkundliche  Erwähnung  23.  Mai  757  (B.M.  83  a), 

gest.  vielleicht  769  (S.  51  Anm.  6). 
Agilfrid,    gest.  787    (Ann.    Lob.;    Aegid.    Aureaev.  Gest.  ep.  Leod.  II,  32 

c.  a.  784). 
Gärbald,  gest.  810  (Ann.  Lob.,    Aegidius   stimmt  hier  zu,    da  er  Gärbald 

eine  Amtsdauer  von  ungefähr  26  Jahren  giebt},  Todestag  18.  Okt 

(Aegid.). 
Waltcaud  (Waldgoz),  geweiht  810  (Transl.  Hubevti,  M.G.  Scr.  XV  S.  236j 

gest.  831  (Ann.  Lob.)  nach  d.  19.  April  (B.M.  859).     Aegidius  irrt 

demnach,  wenn  er  Waltcaud  18  Jahre  giebt  und  den  8.  April  als 

Todestag  bezeichnet. 
Erard,  gest.  840  (Aegid.;  Ann.  Lob.  uni-ichtig  842). 
Hartgar,  geweiht  vor  d.  Aug.  840  (B.M.  1038),  gest.  852—855  (Ann.  Lob.: 

852,  Leod.:  854,  Aegid.:  30.  Juli  855). 


—     790     — 

Franko,  geweiht  852— 856  (Ann.  Lob.,  Aegid.),  gest.  9.  Jan.  901—904  (Ann. 

Lob.,  Leod.,  Aegid.,  Nccrol.  Roniaric). 
Stephan,  gest.  920  (Ann.  Lob.,  Leod.;  Aogid.:  19.  Mai  922). 

4.  Miudeu. 

Herkumbert,  Todestag  6.  Juni  (Necrol.  Visb.  Hölimer,  Font.  IV  S.  497). 
Haduwart,  gest.  16.  Sept.  853  (Ann.  Fuld.,  NocioL  Visb.). 
Thiadrich,    gefallen  2.  Febr.  880(Ann.  Fuld.,    Corb.,  Thietm.  chron.  II, 

15,  Necrol.  Visb.). 
Wulfar,   gefallen  15.  Sept.  886   (Ann.  necrol.  Fuld.,    Corb.,   Necrol.  Visb., 

Merseb.). 
Drogo,    geweiht  1.  April  887   zu   Köln    (Mansi  XVIII   S.  45  f.),    gestorben 

5.  Juni  902  (Ann.  necrol.  Fuld.,  Necrol.  Visb.,  Merseb.). 
Adalbert,  gest.  6.  Febr.  905  (11.  cc). 
Bernhar,  gest.  6.  Sept.  913  (s.  d.  Urkunde  Konrads  I.  v.  7.  Juni  914  für 

Bernhards  Nachfolger  Liuthar  (Dipl.  I  S.  22  Nr.  23). 

5.  Münster. 

Liudger,  gest.  26.  März  809  (s.  S.  407). 

Gerfrid,  gest.  12.  Sept.  839  (Ann.  Corb.,  Necrol.  Werd.;  Merseb.:  13,  Sep- 
tember. 

Altfrid,  letzte  urkundliche  Erwillmuug  20.  Juli  848  (Lacomblet,  ÜB.  l 
S.  29  Nr.  64);  Todestag  vielleicht  22.  April  (Necrol.  Werdin.). 

Liutbert,  erste  urkundliche  Erwähnung  24.  Dez.  851  (Erhard,  Regest. 
Nr.  405),  gest.  27.  April  871  (Ann.  Xant.). 

Holdolf,  zu  Köln  873  (e.  S.  711  Anni.  2). 

Wolf  heim,  zu  Köln  887  (s.  S.  712  Anm.  1).  zu  Tribur  895  (s.  S.  712 
Anm.  6);  Todestag  7.  Juli  (Necrol.  Merseb.). 

Nithard,  7.  Nov.  921  urkundlich  erwähnt  (M.G.  Leg.  I  8.  568). 

a.  Osntihriick. 

Gefwin,  »29  in  Mainz  (M.G.  f]p.  V  8.  530);  nach  den  Osn.  Ann.  (Osn. 
GQ.  I  S.  2)  erst  866  ge.storbon.  Ich  halte  die  Jahrcsangaben  der 
Osn.  Ann.  für  ganz  unsicher. 

Gozbert,  Bi.schof  nach  845  (8.  680;  vgl.  Querim.  Kgilm.  8.  54);  3.  Okt. 
852  in  Mainz  (S.  624  Anm.  4);  nach  den  Osn.  Ann.  8.  2  874 
gestorben. 

Egibert,  Bischof  vor  864,  da  er  unter  (lünther  von  Köln  amtiert  (Que- 
rim. Egilm.  8.  55),  16.  Mai  868  in  Worms  (S.  710  Anm.  5),  26.  Sept. 
873  in  Köln  (8.  711  Anm.  2);  nach  d.  Osn.  Ann.  n.  d.  Osn.  Totenb. 
1.  Fobr.  885  ge.st.,  s.  Philippi.  IIB.  I  8.  3(1. 

Egilmar,  wurde  vor  d.  11.  Sept.  hH<(  (Tod  Willibert.s  v.  Köln)  Bischof, 
da  Willibert  zu  seinen  Richtern  gehören  sollte  (Querim.  S.  55). 
895  in  Tribur  (S.  712,  6i.  Todestag  11.  Mai  (Necrol.  Osn.  s.  P:rhard 
Regest.  504).  Das  Todesjahr  ist  nicht  zu  bestimmen;  die  von  Er- 
hard für  906  benützte  Urktinde  Sorgius"  IH.  fJ.W.  3537)  ist  unecht; 
die  Osn.  Ann.  la.ssen  Egilmar  cr.'^t  918  sterben. 


—     791     — 

7.  ttrecht. 

Willibrord,  gest.  8.  Nov.  739  (s.  Bd.  1  S.  430). 

Gregor,  gest.  25.  Aug.  775  (?),  s.  S.  345  Anm.  1. 

Albrich,  gest.  784  (Ann.  Mosell.,  Lauresh.). 

Thiaderd. 

E  r  m  a  k  e  r. 

Ryxfrid  (Hrikfred),  18.  März  815  urkundlich  erwähnt  (B.M.  558). 

Friedrich,   829  in  Mainz  (M.G.  Ep.  V  S.  530);    in  einer  Urkunde  v.  834 

genannt  (M.G.  Scr.  II  S.  217  n). 
Hegihard,  21.  März  845  urkundlich  erwähnt  (B.M.  1085). 
Hungar,    zuerst    erwähnt  18.  Mai  854  (B.M.  1367),    zuletzt    863    auf   der 

Metzer  Synode  (Ann.  Fuld.). 
Odelbald,    zuerst    erwähnt    auf   der    Kölner  Synode  von  873  (s.  S.  711), 

gest.  899  (Regln,  chron.). 
Radbod,  9.  Juli  915  urkundlich  nachweislich  (B.M.  2035);  gest.  917  (Ann. 

necrol.  Fuld.). 

C.    Erzbistum  Trier. 

1.  Trier. 

Milo,  gest.  753  oder  757  (Görz,  Mittelrh.  Reg.  168). 

Weomad,  gest.  791  (Ann.  Maxim.). 

Richbod,  gest.  804  (Ann.  Lauriss.  min.,  Fuld.). 

Wazo. 

Amalar,  813  als  Gesandter  in  Konstantinopel  (Ann.   Einh.,  Fuld.),  Todes- 
tag 29.  April  (Necrol.  Mett.  Forsch.  XIII  S.  598). 

Hetti,    zuerst     erwähnt    27.    Aug.    816    (B.M.    606),    gest.    847    (Regln 
chron.). 

Thietgaut,   Okt.  863   abgesetzt  (Mansi  XV,  651,    Ann.  Fuld.).     Sein  Tod 
ist  in  den  Ann.  Bert.  z.  867  S.  90  erwähnt. 

Bertulf,  869  von  Karl  d.  K.  eingesetzt,  gest.  10.  Febr.  883  (Regln,  chron.). 

Ratbod,    8.  April  883    geweiht  (Regln,    chron.),    gest.  915    (Ann.    necrol. 
Fuld.,  Gest.  Trev.). 

Ruotger,   gest.  931  (Ann.  Maxim,  wird  in   diesem  Jahre   der  Amtsantrit 
Ruodperts  notiert;  Regln,  contin.  unrichtig:  928). 

2.  Metz. 

Ch rodegang,  gest.  6.  März  766.     Erledigung  2  J.  6  M.  19  T.  (Cat.  M.G. 

''scr.  XllI  S.  306). 
Angilram,    geweiht  25.  Sept.  768.     So    nach    der  Dauer   der  Erledigung. 
Gestorben  26.  Okt.  791  (Ann.  Lauresh.). 
Erledigung. 
G  und  Ulf,  gest.  7.  Sept.  822  (Necrol.  Mett.).     Das  Todesjahr  ergiebt  sich 
daraus,    dass  Drogo  823  das  Bistum    erhält.     In    der  Angabe    des 
Katalogs    über    die  Dauer   der  Vakanz  (27  J.  4  M.)    oder    in    der 
über    die    Amtszeit  Gundulfs  (6  J.  8  M.  7  T.)    liegt    deshalb    ein 


—     792     — 

Irrtum.     Hält  man  die  letztere  für  richtig,  so  wurde  Gundulf  am 

1.  Jan.  816  geweiht. 
Drogo,  geweiht  12.  oder  13.  Juni  823  (Ann.  Einh.,   Xant.,  Weissenb.,  Be- 

euens.),    gest.  8.  Dez.  855  (Ann.  necrol.  Fuld.,   Cat.;    Ann.  Alam.: 

856;  Hb.  anniv.  S.  Galli:  9.  Dez.). 
Adventius,    geweiht  7.   Aug.    858    (Necrol.    Mett.\    gest.    31.    Aug.    875 

(Catal.,). 
Wala,  geweiht  5.  April  876,  gefallen  11.  April  882  (Cat.,  Ann.  Fuld.,  Ve- 

dast.,  Regin.  chron.). 
fiuotpert,  geweiht  22.  April  833  (Regin.  chron.),    gest.  2.  Jan.  917  (Cat. 

.\iin.  8.  Vinc.  Mett.:  916;  Necrol.  Rortiar. :  3.  Jan.). 

3.  Toni. 

Godo?     Zeitgenosse  des  Königs  Pippin  (Gest.  ep.  Tüll.  21). 

Bodo?     Todestag  3.  Sept.  (1.  c.  22). 

Jakob,  vielleicht  757,  762  erwähnt  (S.  51  Anm.  4). 

Born,  urkundlich  erwähnt  11.  Juni  788  (B.M.  285)  und  in  einer  unda- 
tierten Urkunde,  die  zwischen  777  und  791  ausgestellt  ist  (1.  c. 
252);  Todestag  22.  März  (Gest.  24). 

Waning.  Todestag  27.  Dez.   (1.  c.  25). 

Frothar,  geweiht  22.  März  813  (1.  c.  26,  Flodoard,  Hist.  Rem.  eccl.  11,  18 
S.  466);  gest.,  wenn  die  35  jährige  Amtsdauer  der  gesta  richtig 
ist,  22.  oder  81.  Mai  845—848  (Necrol.  Romar.:  31,  Gest.:  22). 

Arnulf,  erwähnt  869  (Ann.  Bert.),  Todestag  17.  Nov.  (Gest.  27). 

Arnold,  12.  Juni  885  zuerst  erwähnt  (B.M.  1657),  gest.  4.  Dez.  893.  Dies 
Jahr  ergiebt  sich  daraus,  dass  am  13.  Juni  894  das  Bistum  er- 
ledigt ist  (B.M.  1849),  während  Arnold  am  2.  Febr.  893  noch 
lebte  (1.  c.  1833).  Der  Todestag  nach  dem  Necrol.  Romar.;  die 
gesta  nennen  den  5.  Dez.  (1.  c.  28).  Ist  die  Angabe  einer  23 jäh- 
rigen Amtsdauer  richtig,  so  hat  Arnold  das  Bistum  i.  J.  870  über- 
nommen. Dann  ist  dieses  Jahr  Arnulfs  Todesjahr.  Da  ihm  eine 
25  jährige  Aratsdauer  zugeschrieben  wird,  so  wird  Frothar  im  Mai 
845  gestorben  sein. 

1-udhelm,  geweiht  895  (Regin.  chron.),  gest.  3.  Sept.  906  (Regin.  chron., 
Gest.,  vgl.  die  Urk.  v.  1.  Sept.  906  B.M.  1981). 

Druogo,  geweiht  906,  gest.  28.  Jan.  922  (Regin.  chron.,  Necrol.  Romar.). 

4.  Verdiin. 

Peppo  (8.  Bd.  I  S.  394). 

Voachisus  (s.  S.  51   Anm.   5). 

Agroin  (s.  S.  51    Anm.  5). 

Madalveus,  in  Attigni  c.  762  (s.  S.  51  Anm.  5);  nach  gest.  ep.  Vird.  12 
S.  44  lebte  Madalveus  usque  ad  tempus  Karoli.  Sind  die  12  Jahre 
zwischen  ihm  und  Petrus  (Gest.  13)  richtig,  so  .starb  er  im 
Sommer  769. 

Am  albert,  nach  gest.   13  Chorbischof. 

Peter,  vielleicht  geweiht  zwischen  April  und  Okt.  781  (vgl.  cod.  Carol.  70 


—     793     — 

> 

S.  600  und  B.M.  236):    Amtsd.iuer  nach  den  gest.  25  Jahre,    also 

bis  806. 
Anstrannus,  Amtsdauer  5  Jahre,  also  bis  811. 
Heriland,  811—813  erwähnt  (Flod.  Hist.  Rem.  eccl.  II,  18\  gest.  11.  Juli 

823,  Necrol.  s.  Vitoni,  N.A.  XV  S.  130;    die  Amtsdauer   der  gest. 

(24  Jahre)  ist  unmöglich. 
Hilduin,  829  in  Mainz  (M.G.  Ep.  V  S.  530),    835    in    Diedenhofen  (Hinc. 

de    praed.  36   Migne  125   S.  390),    gest.  13.   Jan.  846   (Gest.  17  f.) 

oder  847  (Necrol.  s.  Vitoni  S.  127). 
Hatto,   7.  Juni  860  in  Koblenz  (B.M.  1402  b),    869    erwähnt    (Ann.    Bert. 

S.  101),  gest.   1.  Jan.  870  (Gest.  18). 
Berard,  gest.  31.  Dez.  879  (Ge.st.  19). 
Dado,  gest.  923  (Ann.  necrol.  Fuld.,  Gest.  20). 

D.    Erzbistum  Salzburg. 

1.  Salzburg. 

Johannes,  Todestag  10.  Juni  (Necrol.  Salisb.  Böhmer,  Font.  IV  S.  579). 
Virgil,    gest.  27.  Nov.  784  (Ann.  Juvav.  mai.,   Auct.  Garst.  M.G.  Scr.  IX, 

565;  Necrol.  Salisb.;  Ann.  s.  Emmer.  mai.  unrichtig:  755). 
Arn,  geweiht  11.  Juni  785  (s.  S.  419),  gest.  23.  Jan.  821;  Ann.  Juvav.  mai., 

necrol.  Salisb.;  Auct.  Garst,  irrig  822). 
Adalram,    geweiht    821  (Gonv.   Bagoar.  9  S.  10;    Auct.  Garst.:    1.  Dez.), 

gest.  4.  Jan.  836  (Conv.  Bagoar.,  Ann.  Salisb.  auct.  M.G.  Scr.  XIII 

S.  237,  Necrol.  Salisb.;  Ann.  Juvav.  mai.:  8.  Jan.  835). 
Liutpram,    geweiht    836    (Ann.   Salisb.  auct.),    gest.  14.  Okt.  859  (Conv. 

Bagoar.,  Auct.  Garst.,  Necrol.  Salisb.). 
Adalwin,  gest.  14.  Mai  873  (Necrol.  Salisb.,  Auct.  Garst.). 
Theotmar,    geweiht  13.    Sept.    873    (Auct.    Garst.),    gefallen    907    (Auct. 

Garst.);  der  Kampf  fand  am  5.  Juli  statt  (Necrol.  Frising.  Böhmer, 

Font.  IV  S.  587);  als  Todestag  Theotmars  giebt  Necrol.  Salisb.  d. 

21.  Juli;    entweder    starb    er    an    den  am  5.  erhaltenen  Wunden, 

oder  der  21.  ist  der  Tag  der  Deposition. 
Piligrim,  gest.  24.  Sept.  923  (Ann.  Salisb.;  Necrol.  Salisb.:   8.  Okt.  (vgl. 

über  den  Tag  Dümmler,   Piligrim  S.  145). 

2.  Freising. 

E  r  i  m  b  e  r  t. 

Joseph,  gest.  17.  Jan.  764  (s.  S.  425  Anm.  7). 

Aribo,  gest.  4.  Mai  784  (s.  S.  426  Anm.  6). 

Atto,  geweiht  784  (Ann.  s.  Emmer.  mai.),  gest.  27.  Sept.  811  (Necrol. 
Frising.).  Das  Jahr  811  steht  fest,  da  Atto  am  24.  Mai  d.  J.  noch 
lebte  °8.  die  Urkunde  Meichelbeck,  H.  Fr.  I,  2  S.  152  Nr.  284). 

Hitto,  gest.  11.  Dez.  835  (Necrol.  Frising.).  Die  letzte  während  seiner 
Amtszeit  ausgestellte  Urkunde  trägt  das  Datum  13.  April  835 
(Meichelb.  I,  2  S.  295  Nr.  563).  Die  Urk.  Ercharaberts,  Nr.  588 
S.  303,  gehört  nach  dem  Königsjahr  Ludwigs  d.  D.  zum  31.  Juli  836. 


—     794     — 

Erchambert,  gest.   1.  Aug.  854  (Necrol.  Frising.).     Das  Todesjahr  ergiebt 

sich  daraus,  dass  Anno  d.  17.  März  855  im  Amte  ist  (Meichelbeck 

I,  2  S.  350  Nr.  702). 
Anno,  gest.  9.  Okt.  875  (Necrol.  Frising.). 
Arnold,  gest.  22.  Sept.  883  (Necrol.  Frising.). 
"VValdo,  geweiht  884  vor  dem  26.  Juni  (B.M.  1644.    Ann.  Alam.  demnach 

irrig:  885);    gest.  18.  Mai  906  (Ann.   Alam.,    Necrol.  Frising.,  lib. 

anniv.  s.  Galli). 
Uto,    gefallen  5.  Juli  907   (Necrol.  Frising.  S.  587;    Auct.,    Garst.;    necrol. 

miss.    Frising.   S.  586:    6.   Juli;    necrol.  Merseb.,  Weissenb.    irrig: 

28.  Juni). 
Dracholf,  gest.  24.  Mai  926. 

3.  Passan. 

V  i  V  i  1  0. 

Beatus  (s.  S.  427    Anm.  3). 

Sidonius,  754  erwähnt  (s.  S.  427  Anm.  3). 

Ant  hei  m. 

Wi  SU  rieh,  gest.  zwischen  770  und  Aug.  774  (S.  427  Anm.  3). 

Waldrich.  gest.  22.  Aug.  804  oder  805  (s.  S.  427  Anm.  5,  der  Todestag 
im  Necrol.  Patav.   bei  Düramler,  Piligrim  S.  102). 

ürolf.  gest.  14.  Aug.  806  ^Necrol.  Patav.). 

Hatto,  zuerst  erwähnt  16.  Jan.  807  (Meichelbeck  I,  2  S.  154  Nr.  286), 
gest.  wahrscheinlich  8.  Dez.  817,  ila  ihm  11  Amtsjahre  zuge- 
schrieben werden  (Cat.  S.  362). 

Reginhar,  erste  urkundliche  Erwähnung  1.  Jan.  820  (M.B.  XXVIIl,  2 
S.  37  Nr.  40j,  letzte  16.  Febr.  836  (B.M.  1319).  Sind  die  20  Amts- 
jahre der  Kataloge  richtig,  so  starb  Reginhar  837  oder  838. 

Hartwich,  letzte  Erwähnung  864  (op.  Nicol.  Mansi  XV,  456  Nr.  6).  Nach 
der  Amtsdauer  von  26  Jahren  starb  Hartwich  in  diesem  oder  dem 
folgenden  Jahre. 

Er  ni  anrieh,  zuerst  erwähnt  867  (Ann.  Fuld.),  gest.  26.  Dez.  874  (Ann. 
Alam.,  Necrol.  Aug.).  Die  Amtsdauer  von  9  Jahren  führt  auf  Ende 
865  oder  Anfang  866  als  Zeit  der  Weihe. 

Ell  gi  Imar,  zuerst  erwähnt  7.  .Jan.  8H7  (B.M.  1690),  ge.st.  899  (Ann.  Fuld.). 
In  Bezug  auf  seine  Amtsdaiier  ditiorioren  die  Kataloge  (13,  22, 
12  J.). 

Wiching,  899  von  den  bair.  Bischöfen   abgesetzt  (Ann.  Fuld.). 

Richar,  geweiht  899  (Ann.  Fuld.),  gest.  16.  Sept.  902  (Necrol.  Patav.,  das 
Todesjahr  nach  der  3  jährigen  Amt.sdauer  der  Kataloge). 

Purchard,  zuerst  erwähnt  12.  Aug.  903  (B.M.  1956).  Die  Kataloge  geben 
ihm   12  oder  15  Amtxjahre. 

4.  Rcgensl)»rg. 

Gaubai  d  (.s.  Bd.  1  S.  490),  Todestag  2.i.   Dez.  (Necrol.  Wcltonb.,  Böhmer, 

Font.  IV.  nl'2\. 
Sigirich. 


_     795     — 

Sindpert,  geweiht  756  (s.  S.  428,  5),  gest.  29.  Sept.  791  (Ann.  Lauresh., 
Maxim,  z.  d.  J.,  Necrol.  Weltcnb. 

Adalwin,  geweiht  792  (s.  S.  428  Anm.  9)  vor  d.  22.  Juli  (s.  Ried,  Cod. 
dipl.  S.  7  Nr.  9),  gest.  4.  Okt.  816  oder  817  (Necrol.  Weltenb.); 
das  Todesjahr  ist  nicht  sicher;  man  weiss  nur,  dass  der  14.  Dez 
819  in  das  3.  Jahr  Badurichs  fällt  (Ried  S.  17  Nr.  20). 

Badurich,  geweiht  817  (Ann.  Emmer.  min.,  mai.),  gest.  12.  Jan.  847 
(Necrol.  Aug.:  das  Todesjahr  nach  der  30jährigen  Amtsdauer  der 
Kataloge. 

Erchanfrid,  geweiht  848  (Ann.  s.  Emmer.  min.),  gest.  1.  Aug.  864  (Ne- 
crol. Weltenb.,  das  Jahr  ergiebt  sich  aus  der  Verfügung  Nikolaus  I. 
V.  864,  Mansi  XV  S.  456  Nr.  5,  vgl.  mit  der  Urk.  Ambrichs  aus 
demselben  Jahr,  Ried  S.  49  Nr.  47). 

Ambricho,  die  Ann.  s.  Emmer.  min.  notieren  seine  Weihe  z.  J.  858;  da 
Erchanfrid  längere  Zeit  vor  seinem  Tode  krank  war,  so  ist  es 
nicht  unwahrscheinlich,  dass  Ambrich  damals  zum  Chorbischof 
geweiht  wurde;  gest.  14.  Juli  891  (Ann.  Fuld.,  Necrol.  Wel- 
tenb.). 

Aspert,  geweiht  890  (Ann.  Emmer.  min.),  wahrscheinlich  ebenfalls  zum 
Chorbischof;  Ambrich  starb  -gravis  aetate"  (Ann.  Fuld.),  gest. 
12.  März  894  (Necrol.  Weltenb.).  Das  Tod£sjahr  nach  der  Ordi- 
nation ütos  und  der  4jährigen  Amtsdauer  der  Kataloge. 

Tuto,  geweiht  894  (Ann.  Emmer.  min.);  gest.  10.  Okt.  930  (Necrol.  Wel- 
tenb., Salisb.).  Das  Todesjahr  nach  der  35  jährigen  Amtsdauer. 
Tutos  Nachfolger  wurde  933  geweiht  (Ann.  s.  Emmer.  min.). 

5.  Seben. 

Alim,  erwähnt  vor  800  (s.  S.  428  Anm.  10). 

Heinrich,  806,  15.  Dez.  urkundlich  nachweislich  (Meichelbeck,  Hist.  Fris 
I.  2  S.  94  Nr.  122),  807  in  Salzburg  (s.  S.  452  Anm.  6),  vor  810 
in  Regen.sburg  und  Freising  (s.  S.  453  Anm.  1). 

Aribo  (Erbeo),  17.  Jan.  u.  4.  Juli  828  urkundlich  erwähnt  (Meichelbeck  I,  2 
S.  280  Nr.  532);  829  in  Mainz   (M.G.  Ep.  V  S.  530). 

Wilfund,  ?  835  in  Diedenhofen  (Wilfinus  ep.,  Mansi  XIV  S.  660). 

Lantfrid,  urkundlich  erwähnt  4.  Sept.  845  (B.M.  1346),  868  in  Worms 
(s.  S.  710  Anm.  5). 

Zerito. 

Zacharias,  urkundlich  erwähnt  31.  Mai  893  (B.M.  1836)  erhält  den 
13.  Sept.  901  von  Ludwig  IV.  den  Hof  Brixen  (1.  c.  1945),  gefallen 
5.  Juli  907  (Auct.  Garst.,  über  den  Tag  s.  bei  Theotmar  v.  Salz- 
burg). 

Meginbert,  15.  Okt.  908  in  St.  Gallen  (Hist.  de  fratr.  conscr.  6,  St.  Gall. 
Mitth.  XI  S.  15),  letzte  urkundliche  Erwähnung  6.  Juli  916 
(B.M.  2041). 


TfMi 


K.    Erzbistum  H  a  m  b  u  r  g  -  B  r  e  m  e  n. 

Anskar,  Herbst  831  ordiniert,  845  Biscliof  von  Bremen,  gest.  8.  Febr.  865 

(b.  S.  677—684). 
Rimbert,  gest.  11.  Juni  888  (s.  S.  687  Anm.  2), 
A  dal  gar,  gest.  9.  Mai  909. 
Heger,  ge?t.  20.   Dez.  915. 


IL  Klösterverzeichnis. 

A.     Erzbistum    Mainz. 

1.  Maiuz. 

?  Mainz,  St.  Martin,  Domstii't.  Die  Kirche  ist  sehr  alter  Orün- 
dung.  Güter  derselben  werden  schon  in  den  ältesten  fuldischen 
Urkunden  erwähnt,  Dronke,  Cod.  dipl.  S.  5  Nr.  6,  S.  17  Nr.  27. 
Wann  das  Kanonikat  entstand,  ist  unbekannt. 
?  Mainz,  Monasterium  quod  dicitur  antiquuiu  (Dronke,  cod.  dipl. 
Nr.  337  S.  163)  ^  Altum  monasterium,  Altenmünster  (vgl.  v.  Sever.  7 
M.G.Scr.  XV S.  291,  Transl.  Sever.  5  S.  292  u.  oben  S.  747,  5).  Nonnen. 
7.  Jhrh.  Disibodenberg,  I  S.  292. 

722       Amöneburg.  St.  Michael,  I  S.  447. 
c.  730  Ohr  druff,  I  S.  461. 
c.  732  Fritzlar,  St.  Peter,  I  S.  477. 

741  Erfurt.  Domstitt  St.  Maria,  Kanoniker,  I  S.  497.  Nach  Auf- 
lösung des  Bistums  wird  die  Kirche  als  Kollegiatkirche  fort- 
bestanden haben.  Doch  lässt  sich  ein  Bewei.'i  für  diese  Annahme 
nicht  führen.  Urkundlich  nachzuweisen  i.st  das  Marienstift  erst 
i.  .1.  1119,  Dobenecker,  lieg.  Thur.  I  S.  238  Nr.  1183. 
744  Fulda,  St.  Salvatqr,  später  St.  Bonifatius,  I  S.  564. 
V         Mainz,    St.    Nicomed,    Nonnen,    18.  Dez.  765    erwähnt   (Dronke, 

Nr.  27  S.  17). 
?         Mainz,  St.  Victor,   Kanoniker  (Cod.  Lanresh.  Nr.   1977). 
?         Mainz,  St.  Maria  (Cod.  Laurcsli.  1.  c,  vgl.  Dronke,  Nr.  27  S.  18). 
764       Lorsch,  Lauresham,  St.  Nazarius,  II  S.  56. 
c.  768  Hersfeld  (Heroivesfeld),  St.  Simon  u.  Taddäus.,  11  S.  .58. 
vor  772  Schornsheim,    Nonnen,    II  S.  567;    kommt    782    an    Hersfeld, 
B.M.  246. 
755—786  Blei  den  Stadt,  St.  Ferrutius,  II  S.  567. 
vor  786  Neuenhof,  St.  Maria,  Nonnen,  II  S.  568. 
794?     Mainz,  St.  Alban,  II  S.  .567. 
803—817  Bisch  ofsberg  bei  Fulda,  St.  Maria,   Kanoniker,  II  S.  ,570. 
Dach  828  Seligen  s  tadt,  St.  .Marcellin  u.  Peter,  II  S.  180. 
▼er  836?  Erfurt,  St.  Severus,  Kanoniker.     Eb  ist  nicht  unwahrscheinlich, 


—     797     — 

dass  das  Severistift  als  KoUegiatkirche  St.  Paul  im  beginnenden 
9.  Jahrh.  bestand,  Transl.  Sever.  3  f.  M.G.  Scr.  XV  S.  292  f.  Mög- 
lich ist  jedoch  auch,  dass  erst  die  Translation  zur  Begründung 
der  Kanonikergenossenschaft  führte.  Man  bezeichnete  es  als 
altum  monasterium,  Zusatz  zu  Ekk.  ehr.  z.  1079  M.G.  Scr.  VI 
S.  203. 
822 — 842  Johannisberg  südlich  von  Fulda,  fuldische  Propstei,  gestiftet 
von  Hraban,  Dronke,  Trad.  Fuld.  S.  60,  24. 
852  Frankfurt  a.  M.,  St.  Salvator,  die  königliche  Kapelle.  12  Kano- 
niker. Gründer  Ludwig  d.  D.,  Urk.  Ludwigs  III.  v.  880  (ÜB.  der 
Reichsstadt  Frankfurt  I  S.  3  f.).  Das  Jahr  852  von  Dümmler,  OFr. 
R.  I  S.  359  aus  einer  fuldischen  Notiz  bei  Brower,  Ant.  Fuld.  152 
erschlossen. 

vor  876  Ursel,  monasterium  ad  Ursella,  oberhalb  Frankfurt  a.  M.  Von 
Ludwig  d.  D.  an  das  Salvatorstift  geschenkt,  s.  B.M.  L528. 

vor  909  Salmünster,  Salchinmunstere,  St.  Peter  u.  Johann,  Kanoniker. 
1.  J.  909  kam  durch  Tausch  der  bis  dahin  im  Besitz  von  Mainz 
befindliche  Ort  Salmünster  in  der  Wetterau  in  den  Besitz  von 
Fulda,  Nass.  ÜB.  I  S.  37  Nr.  82.  Nach  dem  Namen  ist  anzunehmen, 
dass  vorher  dort  ein  Stift  bestand,  das  aber  eingegangen  war. 
Die  fuldische  Notiz,  dass  Abt  Huggi  891 — 915  die  Kirche  neu 
baute,  Trad.  Fuld.  S.  56  Nr.  15,  ist  also  wahrscheinlich  richtig, 
unrichtig  ist  das  Jahr  860  und  die  Nennung  Liutberts  863—889 
als  Konsekrator  des  Neubaus.  Er  ist  wahrscheinlich  von  Hatto 
891 — 913  geweiht.  Mit  dem  Neubau  der  Kirche  wird  die  Erneue- 
rung des  Stifts  zusammenhängen. 

2.  Augsburg. 

?         Augsburg,    Domslift,    St.    Maria.     Entstehung    des   Kanonikats 
unbekannt.     Erste    Erwähnungen,   so   viel  ich  weiss,   im  Reichen. 
Verbrüderungsbuch  (s.  o.  S.  594,  1)  u.  V.  Udalr.  I.  S.  388. 
0.  739  Benediktbeuren,  Buranum,  I  S.  493. 
nach  739  Wessobrunn,  Wessofontium,  Wizzenbrunno,  St.  Peter,  I S.  493, 2 ; 

cf.  Not.  Wessof.  Scr.  XV  S.  1024. 
nach  739  Staffelsee,  Staphinseie,  St.  Michael,  I  S.  493,  2. 
nach  739  Kochelsee,  St.  Michael,  Nonnen,  I  S.  493,  2. 
nach  739  Sand  au,  I  S.  493,  2. 
nach  739  Sieverstadt,  I  S.  493,  2. 
nach  739  Fölling,  St.  Salvator,  Nonnen,  I  S.  493,  2. 
?         Füssen,  m.  Faucense,  St.  Magnus,  I  S.  328. 
c.  764  Ellwangen,  Elehenwang,  St.  Salvator,  Sulpicius  und  Servilian, 

II  S.  568. 
c.  764  Feuchtwangen,  Fiuhtinwang,  St.  Martin,  II  S.  568. 
748—788  Thierhaupten,  St.  Peter,  II  S.  437. 

vor  774  Herbrechtingen,  Aribertinga,  St.  Veranus,  II  S.  568. 
768—814  Stettwang,  St.  Maria,  II  S.  568. 


—     798     — 

768—814  Aldrichszell,  II  S.  568. 
768—814  Hirsch  Zell,  II  S.  568. 
vor  826  Ottenbeuren,  Uotinbura,  St.  Peter  u.  Alexander,  II  S.  568. 

3.  Chur. 

?         Chur,  St.  Maria,   Domstift.     Bischof  Victor  setzt  in  seiner  Ein- 
gabe an  Ludwifj  den  früheren  Bestand  eines  Kanonikates  am  Dom 
voraus,  MG.  Ep.  V  S.  309  Nr.  7. 
?  7.  Jahrh.  D  i  s  e  n  t  i  s ,  Desertina,  St.  Martin  ;  erste  Erwähnung  766  im  Testa- 
mente Teiles  (Mohr,  Cod.  dipl.  Nr.  9  S.  10). 
c.  700  Katzis,    Chazes,    Gaczes,    St.    Peter,    Nonnen,    Stifter    Bischof 

Victor  I.  (Inschrift,   Mohr  Nr.  5  S.  8). 
c.  731  Pfäfers,  Fabaria,  St.  Maria.  I  S.  337. 
vor  823  Schännis,  Skenninis,  St.  Sebastian,  Nonnen.     Als  Gründer  gilt 
der  Graf  Hunfrid  von  Chur,  der  Ann.  Einh.  z.  ^2Z  S.  161  erwähnt 
ist,    s.   Transl.    sang.    Dom.  14   M.G.   Scr.  IV  S.  448;    vgl.    Confr. 
Sangall.  23,  2  S.  15.     Das    Kloster    stand    in    Konfraternität    mit 
St.  Gallen,  107  S.  43.     Sein    Bestand  i.  J.  823    ist   durch    die  Er- 
wähnung von  zwei  Nonnenklöstern   im  Briefe  Victors  an  Ludwig 
gesichert,  M.G.  Ep.  V  S.  309  Nr.  7. 
vor  823  Tufers,    Mon.   Tubrense,   jetzt    Münsterthal.     Der  Bestand  i.  J. 
823  ist  ebenfalls  durch  Victors  II.  Eingabe  an  Ludwig  d.  Fr.  ge- 
sichert. 

4.  ElchstMt. 

c.  740  Eichstädt,  Domstift,  St.  Salvator,  später  St.  Willil.ald,  1  S.  518  f. 
751       Heidenheim,    Doppelkloster,    später    St.  Wunnibald,    I  S.  488 

und  520. 
c.  750  Solnhofen,  I  S.  523. 
vor  797  Herrieden,  Hasereod,  St.  Salvator,  Maria  u.  Vitus.     Die  ange- 
gebene Zahl  ergiebt  sich  aus  der  Urkunde  bei  Dronke,  Cod.  dipl. 
Nr.   145  S.  81;  s.  I  S.  523;  H  S.  572. 
8.  Jahrh.  Spalt,  St.  Salvator,  s.  H  S.  572. 
vor  823  Gunzen  hausen,  s.  I  S.  522,  7;  II  S.  572. 
vor  850  Monhoim,  Mowenhcini,  St.  Salvator,  Nonnen,  I  S.  523,  4. 
847  — 880  Piichstäd  t ,   St    Walburg,   Nonnen.     F'ntstanden    unter    Bischof 
Otgar,  Mir.  Walb.  1,  5  S.  551. 
vor  895  Auhaueen  a.  d.  Altinühl.     Itii   J.  895  von  Arnulf   an    Eichstädt 
übergeben,    M.B.  XXVIII,  2    S.   108  Nr.  78.     Das    Kloster    scheint 
infolge    dessen    e)ngoganj.'Pn    zu    sein.      Denn    in    einer    Urkunde 
Konrads  I.  v.  012,   M.G.  Dipl.   I  8.  4  Nr.  3,    wird   ,\iihausen  nicht 
mehr  al.s  Kloster  bezeichnet. 

.5.    Ilalbt-rstadt. 
vor  814  Dom  Stift,  St.  Stephan,  a.  o.  S.  410,   vgl.  confr.  Augiens.  223  f. 
S    221. 
0.  840  Windhausen,  Winitohus,  St.  Pusinna,  Nonnen,  II  S.  601. 


—     799     — 

vor  877  Homburg,  Nonnen,  II  S.  602. 

vor  877  Drübeck.    St.  Maria,  Veit,    Johann   d.  Tfr.  u.  Crispin,    Nonnen, 
II  S.  601  f. 
853—876  Ridigippi[?],  Nonnen,  II  S.  602. 
9.  Jahrb.  Helmstedt,  St.  Liudger,  II  S.  412. 

6.  Hildesheim. 

kurz  nach  814  Hildesheim,  Domstift,  St.  Maria,  II  S.  675  f. 

c.  845  Lamm  springe,  St.  Maria  u.  Hadrian,  Nonnen,  II  S.  601. 
852       Brunshausen,  Brunesteshusen,  St.  Innocenz  u.  Anast.,  Nonnen, 
II  S.  601;  i.  J.  856  nach  Gandersheim  verlegt  (S.  602). 

7.  Konstanz. 
?         Konstanz.  Domstift,  St.  Maria. 
614      St.  Gallen,  I  S.  327. 
?         Trudpertszelle,  I  S.  329. 
?         Säckingen,  St.  Hilarius,  I  S.  328  f. 
?         Man nz eil,  Madunzell,  II  S.  568. 
?         Hupoldeszell,  II  S.  569. 

724       Reichenau,  Augia,  Sintleozesavia,  St.  Maria  u.  Peter,  I  S.  336. 
vor  741  Lützelau,    Luzilunouva,    St.  Maria,    Peter,    Martin    u.  Leodegar, 

Nonnen,  I  S.  345. 
vor  741  Benken.  Babinchova,  I  S.  345. 

c.  750  Kempten,  Campidona,  St.  Maria  und  Gordian,  I  S.  328. 
vor  752  Luzern,  Luciaria,   St.  Moritz  u.  Leodegar,    von  König  Pippin  an 

Murbacb  geschenkt  (B.M.  1035),  I  S.  345. 
vor  769  Lauterbach,  Leodrabach,  St.  Salvator,  Nonnen,  II  S.  569. 
vor  776  Marchthal,  eccl.  Martellensis,  St.  Peter,  II  S.  569. 
vor  784  Esslingen,  St.  Vitalis,  II  S.  569. 
vor  784  Adalungszell,  St.  Georg  (im  Hegau),  II  S.  569. 

c.  800  Schienen,  Skina,  St.  Genesius,  II  S.  569. 
vor  805  Perahtoltescella,  II  S.  569. 

816       Trudpertszell  erneuert,  I  S.  329,   vgL  Dümge,  Reg.  Bad.  S.  5. 
vor  827  Ratpotszell,  H  S.  568. 

vor  739  Lindau,  St.  Maria,  Nonnen,  B.M.  961,  unechte,  aber  auf  echter 
Grundlage  beruhende  Immunitätsverleihung  Ludwigs  d.  Fr.  Vgl. 
die  Erwähnung  Transl.  Sang.  Dom.  15  M.G.  Scr.  IV  S.  449. 
vor  844  Rheinau,  Rinaugia,  Rinowa,  St.  Maria  u.  Peter.  Der  Stifter  des 
Klosters,  Wolvene,  stellt  es  858  unter  den  Schutz  des  Königs, 
B.M.  1389  c.  Die  Gründung  muss  vor  844  fallen ;  denn  die  älteste 
Rheinauer  Urkunde    stammt    aus   diesem  Jahr,    ÜB.  von  Zürich  I 

S.  16  Nr.  57. 
vor  850  Buchau,  Puahawa.  am  Federsee,  St.  Cornelius  u.  Cyprian,  Nonnen. 
Die  Urk.  Ludwigs  d.  Fr.  v.  22.  Juli  819,  B.M.  674,  ist  unecht,  echt 
dagegen  die  Ludwigs  d.  D.  v.  28.  April  857,   B.M.  1383.     Damals 
war  Ludwigs  Tochter  Irmingart  Äbtissin. 
853       Zürich,  St.  Felix  u.  Regula,  Frauenmünster.     B.M.  1366,  Sehen- 


—     800     — 

kung  Ludwigs  d.  D.  v.  21.  Juli  853,    der    als    der    Besitzer,    man 
darf  annehmen,    als  der  Gründer,    erscheint.     Äbtissin    war   seine 
Tochter  Hildegard. 
861       Wiesensteig,    Uuisontessteiga,    St.    Cyriak.     Gründungsurk.  der 
Stifter  Kuodolf  u.  Erich,   Wirt.  ÜB.  I  S.  159  Nr.  136. 

vor  874  Radolfszell,  St.  Peter.  Gründer  Bischof  Ratold,  Ratolf  von 
Verona,  Herim.  Aug.  z.  874  M.G.  Scr.  V  S.  107,  vgl.  Mirac.  s. 
Marci  2  M.G.  Scr.  IV  S.  450.  Über  Ratold  vgl.  Dümmler,  OFr. 
R.  I  S.  96  Anm.  2. 

vor  875  Faurndau,  Furentouna,  St.  Maria  u.  Alexander.  Ursprung  un- 
bekannt. Erste  Erwähnung  bei  der  Übergabe  des  Klösterleins  an 
den  Diakon  Liutbrand  durch  Ludwig  d.  D.,  B.M.  1469  v.  11.  Aug.  875. 

vor  881  Zurzach,  St.  Verena.  Ursprung  unbekannt.  Erste  Erwähnung 
bei  der  Übergabe  der  Abtei  an  die  Kaiserin  Richardis  durch 
Karl  d.  D.,   B.M.  1581  v.  14.  Okt.  881. 

um  876  Zürich,  Grossmünster,  St.  Felix  u.  Regula,  Kanoniker.  Die  Grün- 
dung ist  nicht  überliefert.  Ich  halte  für  wahrscheinlich,  dass  das 
Stift  ursprünglich  mit  der  Abtei,  dem  Frauenmünster,  verbunden 
war.  Die  Kanoniker  waren  die  Geistlichen,  die  in  dem  letzteren 
den  Gottesdienst  versahen.  Indem  sie  sich  als  selbstständige 
Kongregation  konstituierten,  entstand  das  Chorherrenstift.  Das 
geschah  um  die  angegebene  Zeit:  876  ist  Propst  Weringoz  ge- 
nannt, ÜB.  v.  Zürich  I  S.  52  Nr.  130.  Die  Kirche  ist  wahrschein- 
lich durch  Theodulf  von  Chur  887 — 914  geweiht;  denn  ihn,  nicht 
Theodulf  von  Orleans,  wird  man  in  dem  Theodulf  des  Besitzver- 
zeichnisses, ÜB.  V.  Zürich  I  S.  8  Nr.  37,  zu  finden  haben. 

vor  882  St.  Victorsberg  in  Vorarlberg,  Schottenkloster.  Ursprung  un- 
bekannt. Zuerst  erwähnt  bei  der  Übergabe  an  St.  Gallen  durch 
Karl  III.,  B.M.  1597. 
vor  903  Jonschwil,  Johanniswilare,  St.  Martin.  Ursprung  unbekannt. 
Der  Ort  ist  796  zum  ensten  Mal  genannt,  Schw.  UR.  I  S.  33 
Nr.  174,  die  St.  Martinskirche  daselbst  817,  a.  a.  0.  S.  52  Nr.  273, 
endlich  Abt  Emezo  i.  J.  903,  a.  a.  0.  S.  194  Nr.  916. 

S.   ruderboru. 

vor  814  Paderborn,  Domstift,   St.  Maria  u.  Kiiian,  II  S.  408  f. 
815       Corvey,  Corbeia  nova,  1.  Niederlassung  in  Hetha,  822  nach  Höxter 

verlegt,  St.  Stephan  u.  Veit,  II  S.  600. 
c.  822  Herford,  Herivurth,  St,  Maria  u.  Pusinna,  Nonnen,  II  S.  601. 
815—860  Bödekken,  St.  Maria  u.  .loh.,   Nonnen,  II  S.  602. 

868       Neuenheerae,  Herisi,  St.  Maria,  Saturnina,  Mart.,  Nonnen, IIS. 602. 

Jl.   Speier. 

?         Spei  er,  St.  Maria,  Domstift.    Die  Kanoniker  meines  Wissens  zuerst 
im  Roichen.    Verbr.-Buch  (.s.  S.  594,  1),    dann    i.  J.  865    erwähnt, 
B.M.   1417. 
7.  Jahrh.  Weissenburg,  Uuizenburgo,  St.  Peter  u.  Paul,  I  S.  292. 


—     801     — 

vor  762  Altripp,  cella  Altrepio,  St.  Medard,  I  S.  292  Anm.  7. 

vor  814  Klingenmünster,  Clinga,  Blidenvelt,  St.  Michael  u.  Theodul, 
n  S.  567. 
?  Hirsch  au,  St.  Aurelius.  Die  Urkunde  v.  9.  Okt.  1075,  durch 
welche  Heinrich  IV.  die  Wiederherstellung  des  Klosters  bestätigt, 
Wirt.  ÜB.  I  S.  276  Nr.  233,  lässt  das  Kloster  unter  Ludwig  d.  Fr. 
von  dem  Grafen  Erlefrid  und  seinem  Sohne  Noting,  Bischof  von 
Vercelli,  den  Vorfahren  der  Grafen  von  Calw,  gegründet,  dann 
aber  wieder  eingegangen  sein.  Das  wird  von  den  berichtenden 
Quellen  des  weiteren  ausgeführt.  Die  Angabe  ist  gegenwärtig 
fast  allgemein  aufgegeben,  s.  z.  B.  Helmsdörfer,  Forsch,  z.  Gesch. 
d.  A.  Wilhelm  1874  S.  106  flF.  Der  Hauptanstoss  besteht  darin, 
dass  ein  Bischof  Noting  von  Vercelli  sonst  gänzlich  unbekannt 
ist.  Man  wird  denn  auch  die  Einzelangaben  auf  sich  beruhen 
lassen  müssen;  die  Angabe  dagegen,  dass  in  Hirschau  vor  1075 
ein  von  einem  Vorfahren  des  Grafen  Adalbert  gestiftetes  Kloster 
bestand,  das  die  Grafen  später  wieder  auflösten,  wird  gleichwohl 
festgehalten  werden  müssen.  Denn  es  lässt  sich  nicht  absehen, 
wozu  diese  Nachricht  erfunden  sein  soll.  Bossert,  Würt.  KG. 
S.  69,  sieht  in  dem  Bischof  Noting  den  gleichnamigen  Bischof 
von  Konstanz.  Aber  eine  Klostergründung  zwischen  den  Jahren 
919  u.  934  ist  viel  unwahrscheinlicher  als  eine  solche  unter 
Ludwig  d.  Fr. 

10.  Strassburg. 

?         Strassburg,  St.  Maria,  Domstift.     Nachrichten  über  den  Anfang 
des  kanon.  Lebens  fehlen. 

7.  Jahrh.  Maurmünster,  mon.  Leobardi,  I  S.  293. 

7. — S.Jhrh.  Ebersheimmünster,  Novientum,  St.  Moritz,  I  S.  293. 
7.— S.Jhrh.  Claroangus,  Doroangus,  I  S.  293. 
c.  720  Honau,  Hoinowa,  St.  Michael,  I  S.  294. 

c.  730  Ettenheimmünster,  Monachorum  cella,  St.  Maria,  Johannes  u. 
Peter,  I  S.  294. 
vor  749  Surburg,  Suraburc,  St.  Arbogast,  I  S.  293. 

8.  Jahrh.  Hohenburg,  St.  Maria  u.  Peter,  Nonnen,   I  S.  293. 
716—741  Neuweiler,  Novum  willare,  St.  Peter  u.  Paul,  I  S.  338. 

vor  753  Schuttern,    OfFonszelle,    Ofi'unweiler,    St.    Maria,    Peter  u.  Paul, 

I  S.  338. 
vor  753  Schwarzach,  Arnulfsau,  Svarzhaha,  St.  Peter,  I  S.  338. 
vor  753  Gengenbach,  St.  Maria  u.  Martin,  I  S.  338. 
vor  768  St.  Hippolyt,  Audoldivilare,  St.  Pilt,  H  S.  570,  2. 
vor  774  Fulradsweiler,  Fulradovilare,  Leberau,  II  S.  570. 
c.  780  Eschau,  mon.  Ascoviense,  St.  Maria  u.  Sophie,  II  S.  569. 
S.Jhrh.?  Haslach,    Hasala,    Avellanum,    St.    Trinit.,    Maria  u.   Florentius, 

I  S.  339. 
8.  Jahrh.  Strassburg,  St.  Stephan,  Nonnen,  II  S.  569. 
C.810— 820  Strassburg,  St.  Thomas,  Kanoniker,  I  S.  293. 

H au ck,  Kirchengeschichte.   U.    2.  Aufl.  51 


—     802     — 

849  Erstein,  Erinstein,  St.  Maria  u.  Cäcilia,  Nonnen,  von  Irmgard, 
(^er  Gemahlin  Lothars  L,  gegründet,  B.M.  1104. 

887  An  dl  au.  Andeloha,  St.  Peter,  Nonnen,  gegründet  von  der  Kaiserin 
Richardis,  der  Gomahlin  Karls  d.  D.,  Regin.  chron.  z.  887  S.  127, 
Herim.  Aug.  z.  887  S.  109.  Das  Kloster  stand,  wenn  die  späte 
Angabe  J.W.  4195  richtig  ist,  im  Eigentum  der  röm.  Kirche;  aber 
nicht  seit  Johann  VIII.  (Puckert  S.  39);  denn  es  ist  erst  nach 
dessen  Tod  gegründet. 

tl,  Verden. 

785 — 788  Verden,  Domstift,  St.  Maria  u.  Andreas. 

845       Ramesloh,  Rhamaslahun,  Kanoniker,  II  S.  680. 

12.  ^Vorms. 

?         Worms,  St.  Peter,   Domstift. 
9.  Jahrb.  Neuhausen,  St.  Cj-riak,  II  S.  567. 
865 — 877  Heiligenberg.  Abrinsberg,  Mons  Abrahae,  St.  Michael.     Stifter 

Abt  Theotlerich  von  Lorsch,  Cod.  Lauresh.  I  S.  67,  Necrol.  Lauresh. 

S.  150,  Urk.  V.  882  u.  912,  B.M.  1533  u.  2021. 

13.  WürzF)urg. 

716       Hammelburg.  Hamala,  1  S.  872.     Es  ist  jedoch  fraglich,  ob  die 
beabsichtigte  Gründung  eines  Klosters  ausgeführt  wurde.    Geschah 
es,  so  muss  sich  d.is  Kloster  bald  wieder  aufgelöst  haben.     Denn 
die  Kirche  in  Hammelliurg  kam  schon  durch  Karlmann  an  Würz- 
burg, s.  o.  S.  4  Anm.  3,  der  übrige  königliche  Besitz  im  Ort  776 
durch    Karl    an    Fulda,    MüUenhoff    u.    Scherer  1    S.   223    Nr.   63, 
B.M.  201. 
c.  732  Tauberbischofsheim,  Nonnen,  I  S.  478. 
c.  732  Kitzingen,  St.  Maria,  Nonnen,  1  S.  478. 
c.  732  Ochsenfurt,  Nonnen,  I  S.  478. 
nach  741   Würzburg,  St.  Salv.  u.  Kilian,  Domstift;  vgl.  die  Urkunde  Karle 
V.  7.  Aug.  807  B.M.  421.     E^'ihv.  v.  Burch.  II,  7  S.  56. 
c.  750?  Würzburg,  St.  Andreas,    später  St.  Burchard,   Egilw.  1.  c.  II,  8 

S.  67. 
vor  747  Karlburg,  St.  Maria,  Nonnen,  s.  II  S.  4,  vgl.  Dronke,  cod.  dipl. 
24  S.   15. 
8.  Jahrh.  Amorbach,    St.  Maria.     Die    Gründung    liegt    im   Dunkeln;    der 
erste  nachwei.sliche  Abt.  Patto,  starb  788  (s.  II  S.  378  Anm.  1  u. 
390).     Nach  fuldiscber  Tradition  iflt  Amorbach  von  Fulda  aus  ge- 
gründet,  H.  Dronke,  Tnid.    Fuld.   S.  139  Nr.  61.     Qb    die    Angabe 
im  Rechte  ist,  läsHt  sich  nicht  entscheiden. 
8.  Jahrh.  Maggenzelle,  II  S.  49  Anm.  3. 
vor  775  Holzkirchen,  St.  Maria,  II  S.  571. 

786       Ansbach,  St.  Maria,  später  St.  Gumbert,  II  S.  571. 
vor  787  Baumerlenbach,  Ariiinbach,  St.  Salvator,  Nonnen,  il  S.  571. 
vor  788  Einfirst,  Mattenzelle,  U  S.  50  u.  571. 


—     803     — 

vor  800  Milz,  Milize,  Nonnen,  II  S.  570. 
c.  803  Baugolfsmünster,  II  S.  571.     Im  angegebenen  Jahre   trat  Abt 
Baugolf  zurück, 
vor  813  Fischbach,  Fisgibah,  H  S.  570. 
768—814  Neustadt  am  Main,  St.  Maria,  II  S.  571. 
768—814  Schwarzach,  Nonnen,  II  S.  571. 
768 — 814  Wangheim,    monasteriolum    in   Uuangheimero    marca.    Nonnen, 

II  S.  50  u.  570. 
781—814  Rasdorf,  Ratestorph,  II  S.  570. 
781—815  Hünfeld,  cella  Huniofeld,  II  S.  570. 

816       Megingaudeshausen,  St.  Salvator,  II  S.  49  Anm.  3. 
vor  824  Brachau,  Kl.  Brach  bei  Kissingen.     Gründung  unbekannt.    Im 
J.   824    als    monasteriolum    erwähnt,    Dronke,    Cod.  Dipl.  Nr.  410 
S.  185.     Wie  es  scheint,  bald  eingegangen. 
vor  824  Rohr,  Rora,  bei  Meiningen,   St.  Michael.     Gründung  unbekannt. 
Als    monasterium    i.    J.  824    erwähnt,    Dronke  Cod.  Dipl.  Nr.  458 
S.  200.     Von  Fulda  abhängig,  ib.  S.  205  Nr.  466. 
vor  824  Saal,    Sala,    am  Einfluss    der  Milz    in    die    fränkische  Saale.     In 
einer  Urkunde  v.  18.  Juni  824  erwähnt,  Dronke  Cod.  Dipl.  S.  198 
Nr.  447. 
vor  827  Mosbach,  Machesbach,  St.  Julian,  Nonnen,    Von  Einhard  Transl. 
Marceil.  I.  13  S.  244  zuerst  genannt.     Die  Abtei  lag  an  der  Elz 
unweit  von  deren  Mündung  in  den  Neckar.     Durch  Otto  IL  kam 
sie  an  Worms,  976  Dipl.  II  S.  160  Nr.  143. 
836       Petersberg,  Hugesberg,  nordöstlich  von  Fulda,  fuldische  Propstei. 
Stifter  Hraban,  nachdem   schon  Sturm  u.  Baugulf  an  der  Kirche 
gebaut  hatten,   Dronke  Trad.  Fuld.  c.  25   S.  60.     Einweihung  am 
28.    September    836,    Rud.   Mirac.   sanct.    Fuld.  14  M.G.    Scr.  XV 
S.  339. 
vor  838  Zellingen,  Cellinga,  Nonnen.     Am  Main   zwischen  Würzburg  u. 

Karlstadt.  Von  Rudolf  erwähnt  Mirac.  sanct.  Fuld.  HS.  337. 
um  840  Karsbach,  Charoltesbach,  Nonnen.  V.  Liutb.  2  M.G.  Scr.  IV 
S.  159,  vgl.  oben  S.  601.  Das  Kloster  scheint  bald  wieder  ein- 
gegangen zu  sein.  Karsbach  liegt  östlich  von  der  Mündung  der 
Saale  in  den  Main.  Die  Identifizierung  ist  übrigens  nicht 
sicher. 
vor  869  Murrhardt,  Murraharht,  St.  Januarius.  Die  ältesten  Urkunden, 
in  denen  M.  erwähnt  wird,  sind  Fälschungen  ohne  echte  Vorlagen, 
B.M.  288  u.  643.  Als  bestehend  wird  das  Kloster  genannt,  in 
einer  Urkunde,  wahrscheinlich  v.  869,  Wirt.  ÜB.  I  S.  173  Nr.  147 
(Die  Datierung  873  ist  falsch). 
9.  Jhrh.  ?  Schlüchtern,  Sluohderin,  St.  Maria.  Der  Ursprung  liegt  im 
Dunkeln.  Die  älteste  Urkunde,  die  in  Betracht  kommt,  ist  das 
Diplom  Ottos  III.  V.  12.  Dez.  993,  M.G.  Dipl.  E  S.  550  Nr.  140. 
Es  ist  auf  Grund  der  Fälschung  B.M.  288  ausgestellt.  Nach  ful- 
discher  Überlieferung  ist  Schi,  von  Fulda  aus  gestiftet,  s.  Dronke 
Trad.  Fuld.  S.  140. 

51* 


—     804     — 


B.    Erz  bis  tu  m  Köln. 

1.  Köln. 

6.  .rhrh.  ?  Köln,  St.  Gereon   ad  aureos  martyres,  Kanoniker.     Bd.  I  S.  294, 

6.  Jhrh?  Köln,    St.   Severin,    ältererer    Name    St.    Cornelius    und  Cyprian, 

Kanoniker,  s.  Bd.  I  S.  294. 

7.  .lahrh.  Köln,  St.  Kunibert,  ursprüüglich  St.  Clemens,  Kanoniker,  s.  Bd.  I 

S.  294. 

7.  Jahrh.  Köln,    St.    Ursula,    die    heiligen    Jungfrauen,    Nonnen,    s.    Bd.   I 

S.  294. 
648       Malmedy,  Malmundariura,  St.  Peter,  Paul  u.  Martin,  I  S.  280. 
c.  700  Kaiserswerth,  Werde,  Weride,  coen.  s.  Suitberti,  St.  Peter,  II 
S.  368  Kanoniker. 
?         Köln,  St.  Peter,  Domstift.     Über  den  Anfang  des  kanon.  Lebens 
fehlen  die  Nachrichten. 

8.  Jahrh.  Köln,  St.  Martin,  chron.  s.  Martini  M.G.  Scr.  II  S.  214  f. 

8.  Jahrh.  Köln,  St.  Cäcilia,  Nonnen.  Das  Kloster  wurde  941  von  Erz- 
bischof Wichfrid  nimis  honorifice  erneuert  (Lacomblet  Nr.  93,  I 
S.  51  f.).  Sein  Ursprung  mag  demnach  in  das  8.  Jahrh.  fallen. 
Worauf  die  Angabe  V)eruht,  St.  Cäcilia  sei  von  Hildobold  gestiftet 
(Studien  aus  d.  Benedikt.  Orden  IV,  I  S.  377),  weiss  ich  nicht. 
Mansi  XVll  S.  280  ist  natürlifh  kein  Beleg. 
?  Köln,  St.  Maria  auf  dem  Kapitol,  Nonnen.  Der  Ui-sprung  liegt 
ganz  im  Dunkeln:  denn  die  Angaben,  welche  Plektrud  zur  Stif- 
terin machen  (Rettberg,  KG.  D.'s  I  S.  544;  Ennen,  Gesch.  d.  Stadt 
Köln  l  S.  146),  sind  nur  Legenden;  zuerst  erwähnt  ist  das  Stift 
unter  Brun  v.  Köln  953 — 965  (v.  Brun.  34;  vgl.  auch  Ennen  und 
Eckertz,  Quellen  1  S.  467).  Die  ältesten  Bauteile  der  jetzigen 
Kirche  stammen  aus  dem  11.  Jahrhundert;  sie  ist  wahrscheinlich 
auf  alten  römischon  Fundamenten   errichtet  (Dehio-Bezold  S.  51). 

8.  Jahrh.  Xanten,  St.  Victor,  Kanoniker.    Älteste  Nachricht  die  Verwüstung 

durch  die  Normannen  i.  J.  863  (Ann.  Xant.  z.  J.  864  S.  230  f.). 
vor  787  Bonn,  St.  Cassius   und    Florentius,    Kanoniker,  II  S.  566  Anm.  6. 
vor  800  Godesberg,  Guodanesraons,   II  S.  566  Anm.  6. 
799—801  Worden,  St.  Salvator,  Maria  und  Petrus,  II  S.  407. 
c.  815  Kornelimünster,  luden,  St.  Salvator,  11  S.  581. 
vor  844  Münster eifel,    Monast.   Eiflie,    Novum    monast.,    St.   Chrysantus 
und   Daria,   vor  844   von   Prüm    aus    gegründet.     In    diesem    Jahr 
brachte  Markward  von  Prüm   die  Reliquien  der  h.  Chrys.  u.  Dar. 
dorthin,  Transl.  Chrys.  M.G.  Scr.  XV  S.  374. 
858 — 863  Essen,  Asenidi,  St.  Cosma.s  u.  Damian,  Nonnen.    Gründer  Altfrid 
von  Hildeeheim,  Chron.  Hild.  4  M.G.  Scr.  VII  S.  851,  vgl.  Diekamp, 
Münsterische  GQ.  IV  S.  127.     Die  Stiftungsurk.,  Lacomblet,  ÜB.  1 
S.  34  Nr.  69,  ist  unecht. 

9.  Jahrh.  Gerresheim,  Gerichesheim,  Si.  Hippolyt,  Nonnen.    Die  Stiftungs- 

urkunde,  Lacomblet,  ÜB.  1  S.  34  Nr.  68,  ist  gefälscht,  die  Existenz 


_     805     — 

des  Klosters  gegen  Ende  des  9.  Jahrh.'s  aber  durch  Nr.  73  u.  84 
S.  38  u.  46  gesichert.  Die  Gründung  durch  Gerric  erwähnt  Her- 
mann I.  V.  Köln  in  der  Urk.,  durch  welche  er  die  Vereinigung 
von  Gerresheim  u.  St.  Ursula  in  Köln  ausspricht,  11.  Aug.  922, 
Ann.  d.  hist.  Ver.  f.  d.  Niederrhein,  26.  u.  27.  Heft  S.  334. 
vor  900  Meschede,  Mescedi,  an  d.  Ruhr,  St.  Maria  u.  Walburg,  Nonnen. 
Gründung  unbekannt.  Erste  Urkunde  die  Immunitätsbestätigung 
Konrads  I.  Dipl.  I  S.  15  Nr.  16  v.  913.  Da  Vorurkunden  prae- 
cedentium  regum  erwähnt  werden,  so  fällt  die  Gründung  sicher 
in  das  9.  Jahrh. 

2.  LUtticli. 

6.  Jahrh.  Mastricht,     St.    Servatius,     Kanoniker.      Nach    Verlegung    des 

bischöflichen  Sitzes   nach  Lüttich  bestand  das  Kapitel  als  KoUe- 
giatstift  fort.    Erwähnt  unter  Karl  Martell,  s.  Bd.  I  S.  392. 
?         Lüttich,  St.  Maria  u.  Lambert,  Domstift. 

c.  648  Stablo,  Stabulaus,  St.  Peter,  Paul  u.  Martin,  I  S.  280. 

c.  650  St.  Trond,  mon.  s.  Trudonis,  I  S.  295. 

7.  Jahrh.  Ruetten,  Hreotio,  1  S.  295. 

7.  Jahrh.  Litte  mala,  St.  Peter  u.  St.  Martin,  I  S.  295. 

7.  Jahrh.  Nivelles,  Nivialla,  St.  Peter  u.  Gertrud,  Doppelkloster,  I  S.  295. 

7.  Jahrh.  Andenne,  Andane,  Nonnen,  I  S.  295. 

7.  Jahrh.  Fosse,  St.  Foillan,  I  S.  295,  im  9.  Jahrh.  Nonnen. 

7.  Jahrh.  Andagium,  s.  St.  Hubert. 

vor  711  Süstern,  Suestre,  St.  Salvator,  Peter  u.  Paul,  Nonnen,  I  S.  295. 
687 — 714  Chevremont,  Capremons,  Sta.  Maria  in  novo  Castello,  I  S.  295. 
vor  739?  Alden-Eyck,  Eika,  St.  Maria,  Reinihi  u.  Herlind,  Nonnen,  an- 
geblich von  "Willibrord  geweiht. 

vor  762  Rewin,  Cella  Riuiunio,  I  S.  295. 

8.  Jahrh.  ßergh,  mons  St.  Petri,  II  S.  128,  9;  566,  6. 

vor  814  Aachen,  kgl.  Kapelle  St.  Maria,  vgl.  ehr.  Moiss  z.  796  S.  303. 

825       St.  Hubert,    Andagium.     Die  Erneuerung   des  Klosters   steht  in 

Zusammenhang    mit    der  Erhebung   der  Hubertsreliquien,   Transl. 

Hub.  2  M.G.  Scr.  XV  S.  235. 

vor  870  Kessel,    Castellum,    in  der  Reichsteilung  von  870  genannt,  M.G. 

Cap.  251  S.  193. 
vor  870  Lüttich,  St.  Laurentius,  ebenso. 

S.  Minden. 

um  790  Minden,  Domstift,  St.  Peter,  H  S.  390  f. 

vor  814  Hameln,  Hamala,  St.  Bonifaz,  Kanoniker,  II  S.  412. 

871       Wunstorf,  Vuonherestorp,  St.  Peter,  Nonnen,  II  S.  602. 

896       MöUenbeck,  Mulinpeche,  St.  Peter,  Nonnen,  II  S.  602. 

4.  Münster, 

805—809  Münster,  Mimigernaford,  Domstift,  St.  Paul,  II  S.  406  f. 
805—809  Nottuln,  St.  Martin,  Nonnen,  II  S.  407. 


—     806     — 

vor  857  Freckenhorst.    Frikkenhurst.    St.   Peter  und  Bonifaz,    Nonnen, 
II  S.  602. 
889       Metelen,   Matellia.   St.  Corneliu.s  u.  Cyprian,  Nonnen,  II  S.  602. 
?         Liesborn,    Kanoniker,    St.  Maria,    Cosm.  u.  Dam.,    der   Legende 
nach    in    Karls  d.   Gr.    Zeit   gegründet  (Erhard,  Reg.  Westf.  290 
S.  92).     Die  Angabe  ist  wenig  wahrscheinlich.     Die  erste  Erwäh- 
nung  Liesborns    fällt   in  d.  J.  1019  (V.  Moinw.  165  S.   141);    vgl. 
indes  Wilmans  Addit.  S.  2  'Nr.  2. 
839?     Vreden,    Fredena,    St.   Felicissimus,    Agapet   und  Felicitas.     Die 
Kirche  bestand  i.  J.  839  (s.  S.  750,  7);  die  Gründung  der  Abtei  mag 
mit   der  Übertragung  der  Felicissimusreliquien    zusammenhängen. 

5.  Osnabrück. 

vor  814  Visbeck,  II  S.  409. 
vor  814  Meppen,  II  S.  409. 
819—834  Osnabrück,  St.  Crispin,  Domstift,  s.  IT  S.  675,  6. 
851 — 855  Wildeshausen,    Wihaldeshusin ,    8t.    Alexander.     Kanoniker, 
II  S.  601. 
860       Herzeh  rock,  St.  Maria,  Christina  u.  Martin,  Nonnen,  II  S.  602. 

6.  Utrecht. 

c.  700  Utrecht,  St.  Salvator,  s.  Bd.  I  S.  423. 

c.  700  Utrecht,  St.  Martin,  Domstift,  Kanoniker,  s.  Bd.  I  S.  423. 

c.  700  Egmont,  I  S.  423. 

c.  775  Deventer,  Kanoniker,   II  S.  352. 


C.    Erzbistum  T  r  i  e  r. 

1.  Trier 

Trier,    Domstift,    St.  Peter.     Die  Kirche  reicht  in  das  5.  .Tahrh. 

znrück;  wann  das  Stift  mit  ihr  verbunden  wurde.  läs.st  sich  nicht 

vermuten,  I  S.  29. 

Trier.  St.  Euchanus,   später  St.  Matthias,  I  S.  245. 

Trier,  St.  Maximin,    F  S.  245. 

Trier,  St.  Paulin.  Kanoniker,  I  S.  287. 

Trier,  St.  Maria  maior,  Kanoniker,  I  S.  287. 

Trier,  St.  Maria  ad  ripam,  ad  martyres,  St.  Mergon.   I  S.  288. 

Trier,  St.  Martin,  f  S.  288. 
7.  .lahrh.  St.  Goar,  Kanoniker.  I  S.  291. 
7.  .Jhrh.?  Trier,  St.  Symphorian,  Nonnen,   f  S.  288. 
7.  .lahrh.  Trier,    Oehren,    St.     Maria    a«l     horreum,     St.     Irmina.    Nonnen, 

[  S.  288. 
7.  Jhrh.?  Mönetermaifeld,  St.  Martin,  Kanoniker,  1  S.  28«. 
vor  634  Tholey,  Taulegius,  Teulegium,  St.  Moritz,  I  S.  288. 
vor  634  Longuion,  Mon.  Longagionense,   St.  Agatha,  I  S.  289. 
645 — 650  Cr>ugnr(n,  (Ja.'^econgidunus,  St.   Peter,  Paul  u.  ,Ioli.,  I  S.  2H9. 


—     807    ■  — 

vor  713  Mettlach,  Mediolacum,  St.  Dionys,  I  S.  290. 
vor  713  Pfalzel,  Palatiolum,  St.  Maria,  Peter  u.  Paul,  Nonnen,  I  S.  289. 
706       Echternach,  Epternacum,  St.   Peter  u.  Willibrord,  I  S.  290. 
720       Prüm,  Prumia,  St.  Salvator,  I  S.  290. 
vor  762  Kesseling,  Casloaca,  St.  Peter,  I  S.  291;  Prümer  Zelle  (B.M.  92), 
die,  wie  es  scheint,  bald  wieder  ein^inff. 
836       Coblenz.  St.  Castor,  Kanoniker.     Gründer  Erzbischof  Hetti,    Zu- 
satz zu  Theg.  V.  Hlud.  S.  603. 
vox'  845  Kettenbach  im  Lahngau,  Kanoniker.    Gründer  der  Graf  Gebhard. 
Ludwig  d.  D.   trägt    zur  Ausstattung    bei,    B.M.  1342.     Das    Stift 
wurde  nach  kurzer  Zeit   nach  Gemünden  im  Westerwald  verlegt. 
nach  845  Gemünden  im  Westerwald,  St.  Peter  u.  Severus,  Kanoniker,  s.  o. 
um  874  Juvigni,  Juviniacus,  St.  Scholastica,  Nonnen.    Stifterin  Richildis, 

die  Gemahlin  Karls  d.  K.     Calmet,  H.  de  Lon-.  III  S.  CXXIX. 
vor  892  Retel,    Retila,    bei   Sirk    an    der  Mosel,    St.  Sixt.     Unbekannter 
Stiftung.     Erste  Erwähnung  Regin.  chron.  z.  892  S.  140. 
910       Limburg  a.  Lahn,  St.  Georg,  Kanoniker.     Gründer  Graf  Konrad, 
der  Vetter  König  Konrads  L,    ürk.  Ludwigs  lY.  v.  10.  Febr.  910, 
B.M.  2007^ 
vor  912  Weilburg,  St.  Maria  u.  Walburg,  Kanoniker.     Der  Bestand  be- 
zeugt durch  Kenrads  I.  ürk.  v.  28.  Nov.  912,  B.M.  2024. 

2.  Metz. 

6.  Jahrb.  Metz,  St.  Stephan,  Domstift,  I  S.  246. 

6.  Jahrh.  Metz,  St.  Aposteln,  später  St.  Arnulf,  I  S.  246. 

6.  Jahrh.  Metz,  St.  Glodesind,  Nonnen.  I  S.  246  f. 

7. — S.Jhrh.  Metz,  St.  Peter,  maior  monasterium,   Marmoutier,  Nonnen,  s.  I 

S.  291. 
716—741  St.  Avold,  Eleriacum,  St.  Nabor,  1  S.  291. 
c.  745  Hornbach,  Gamundia,  St.  Peter,  I  S.  339. 
748       Gorze,  St.  Peter  u.  Gorgonius,  II  S.  55. 
vor  777  Salona,  St.  Privat,  St.  Maria  u.  Privat,  II  S.  566. 
vor  870  Herbitzheim,  Heribodesheim,  östlich  vou  Metz,  zuerst  erwähnt 

in  d.  Reichsteilung  v.  870,  Cap.  251  S.  194. 
vor  870  Metz,  St.  Martin  de  Glandiere,  Longeville,  westlich  von  der 
Stadt.  Unbekannter  Gi-ündung.  Erste  Erwähnungen  in  der  Wid- 
mung eines  von  dem  Mönch  Sigilaus  geschriebenen  Evangelien- 
buchs, Poet.  lat.  II  S.  670  c.  25,  und  in  der  Reichsteilung  v.  870. 
871  Neumünster,  Cella  in  villa  Vuibiliskirica,  St.  Terentius.  Stifter 
Bischof  Adventius,  B.M.  1445,  von  Bischof  Rodbert  ausgestattet 
893,  Beyer,  ÜB.  I  S.  141  Nr.  134. 

3.  Toul, 

■?         Toul,  Domstift,  St.  Stephan.     Stiftung  unbekannt.     Im  9.  Jahrh. 
nachweislich,  s.  die  Urk.  Bischof  Ludhelms  v.  898  Calmet,   H.  de 
Lorr.  I  preuv.  S.  330  f. 
c.  620  Remiremont,  Habendum,  St.  Peter,  Doppelkloster,  I  S.  283. 


—     808     — 

7.  Jahrh.  Bonmoutier.  Bodonis  monasterium,  St.  Salvator,  Nonnen  I  S.  291. 
7.  Jahrh.  Moye  n-moutier,  Meieni  mon.,  St.  Peter,  I  S.  291. 

7.  Jahrh.  St.  Die,  St.  Deodat,  Juncturae,  I  S.  292. 

c.  661    Senones,  St.  Maria  u.  Peter,  8.  Bd.  T  S.  291. 
7.od.8.Jhrh.?  Toul,  St.  Evre.  St.  Aper,  unbekannter  Gründung,  s.  u. 

8.  Jhrh.  ?  St.  Martin  an  der  Maas,  iuxta  castruni  de  Sorsiaco.    Unbekannter 

Gründung.  In  einer  Urk.  Ludwigs  d.  St.  v.  877  genannt,  Bouq.  IX 
S.  398  f.  Er  beruft  sich  auf  Urkunden  Lothars  I.  u.  II.  Vgl. 
auch  Gall.  Christ.  XIII  S.  1067. 

8.  Jhrh.  ?  St.  Germain  bei  Toul,  ebenso.  Wie  es  scheint,  bald  eingegangen, 
Gall.  Christ.  1.  c. 

8.  Jhrh.  ?  Toul,  St.  Peter  u.  Mansuet.  Alter  Gründung;  im  9.  oder  10.  Jahrh. 
eingegangen,  965  wieder  hergestellt,  M.G.  Dipl.  I  S.  404  Nr.  289. 

8.  Jhrh.  ?  Enfonvelle,  Ott'onis  villa,  St.  Leodegar,  erwähnt  in  der  Reichs- 
teiluug  V.  870  (Ann.  Bert.  S.  110).  Wenn  aus  dem  Gleichklang 
der  Namen  die  Identität  des  Stifters  dieses  Klosters  und  des 
Klosters  OfiFenweiler  (Schuttern)  erschlossen  werden  darf,  so  fällt 
die  Gründung  in  die  Mitte  des  8.  Jahrh. 

8.  Jhrh.  ?  Etival,    Stivagium,    St.    Peter.      Ebenfalls   870    zuerst    erwähnt 

0-  c). 
vor  825  Aluwini  mons,  am  Flusse  Brusch  im  Eigentum  eines  gewissen 
Wicbod,  der  die  Zelle  an  St.  Stephan  in  Metz  schenkte,  B.M.  793. 
Sie  scheint  alsbald  eingegangen  zu  sein. 
c.  836  Toul,  St.  Evre,  von  Bischof  Frothar  mit  Hilfe  Ludwigs  d.  Fr. 
erneuert,  Calmet  H.  de  Lorr.  T  Pr.  S.  301,  vgl.  Gesta  ep.  Tüll.  26 
M.G.  Scr.  VIII  S.  637,  B.M.  1661. 

4.  Yerdiin. 

7.  Jahrh.  Waslogium,  später  Beaulieu,  St.  Moritz,  I  S.  292. 
c.  709  St.  Mihiel,  Castellio,  I  S.  292. 
?         Verdun,  St.  Maria,  Domstift,  unbekannter  Gründung. 

I).    E  r  z  1)  i  s  t  u  in  S  a  1  z  b  u  r  g. 

1.  Sul/Imrg. 
696—700  Salzburg,  St.  Peter,  I  S.  361. 
696—700  Salzburg,  St.  Maria,  Nonnen,  1  8.  362. 
696—700  Maximilianszelle,  I  S.  362. 

?        Chiemsee.  Herrenwörth,  St.  Salvator.  II  S.  432. 
767       Otting,  im  Chiomgau,  St.  Stephan,  II  S.  431  f. 
748—788  Gars,  Garoz,  II  S.  431. 
748—788  Pisendorf,  II  S.  431. 
748—788  A  u ,  Auue  im  Isengau,  II  S.  431. 
748—788?  Chiemsee,  Frauonwörth,  St.  Maria,  II  S.  432. 

9.  Jahrh.  Raitenhasl  ach,    wenn    aus    der    falschen    Urkunde  (B.M.  1986) 

auf   den  Bestand    de»  Klosters   in  dieser  Zeit  geschlossen  werden 
darf. 


_     809     — 

vor  909  Traunkirchen,  am  Traunsee,  Nonnen.  Unbekannten  Ursprungs. 
Am  19.  Febr.  909  von  Ludwig  IV.  an  Piligrim  von  Passau  ge- 
geben, ß.M.  2001. 

2.  Freising. 

7.Jhrh.?  Weihenstephan,  I  S.  367. 
S.Jhrh.?  Frei  sing,  Domstift,  St.  Maria,  T  S.  366  u.  491. 
nach  739  Schiedorf,  St.  Dionys  u.  Tertulin,   I  S.  493,  2. 
c.  750  Altomünster,  I  S.  524. 
vor  758  Isen,  Isana,  St.  Zeno,  II  S.  435. 

762  Scheftlarn,  St.  Dionys,   II  S.  434. 

763  Scharnitz,  m.  Scarantiense,  St.  Peter,  II  S.  434. 
vor  770  Tegernsee,  Tegarinseo,  St.  Quirin,  II  S.  434 f. 

779       Schliersee,  Silurum,  St.  Sixt,  H  S.  435. 
764 — 784  Freising,  St.  Andreas.  Kanoniker,  II  S.  434. 
748—788  Moosburg,  Mosabyrga,  St.  Castulus,  II  S.  435. 
748—788  Ilmmünster,  Ilmina,  St.  Benedikt,  II  S.  435. 
748—788  Tegernbach,  Tegarinwanc,  St.  Michael.  II  S.  435. 

876       Altötting,  St.  Maria  u.  Philipp.    Gründer  Karlmann,  B.M.  1479. 
1491. 

3.  Fassau. 

?         Passau,  St.  Stephan,  Domstift,  s.  Bd.  I  S.  361,  1  u.  367,  4. 
?         St.  Florian,  ad  Puoche,  II  S.  432. 
vor  737  Kirchbach,   Kyrihbach,  St.  Maria  u.  Michael,  Nonnen,  I  S.  493 
Anm.  2. 
741       Nieder  alt  aich,  Altaha,  St.  Moritz,  I  S.  493. 
vor  748  Mondsee,  Maninseo,  Lunaelacus,  St.  Michael  u.  Peter,  II  S.  433. 
777       Krems münster,  Chremisa,  St.  Salvator,  II  S.  433. 
C.748— 788  Mattsee,  Mathaseo,  St.  Michael,  11  S.  433. 
c. 748— 788?  Osterhofen,  St.  Maria,  II  S.  433. 
c.748— 788?  Rott,  Rottthalmünster,  11  S.  433. 
c.748— 788?  Rindpach,  II  S.  433. 

?         Niedernburg,  St.  Salvator,  Nonnen,  II  S.  433,  8. 

4.  Regensbiirg. 

c.  700  Regensburg,  St.  Peter  u.  Emmeram,  I  S.  363 
c. 737— 748?  Weltenburg,  St.  Georg,  I  S.  493  Anm.  2. 
c.748 — 788  Regensburg,  Obermünster,  St.  Maria,  Nonnen,  U  S.  436. 
c.748— 788  Regensburg,    Niedermünster,    St.   Maria    u.   Erhard,    Nonnen, 

II  S.  436. 
c.748— 788  Metten,  Methema,  St.  Michael,  II  S.  436. 
c.748 — 788  Schönau,  Sconenauva,  St.  Martin,  U  S.  436. 
c  748— 788  Berg,  Haindlingberg,  St.  Salvator,  II  S.  436. 
748—788?  Pf  äff  münster,  St.  Tiburtius,  H  S.  436. 
748—788?  Engelbrechtsmünster,  II  S.  436. 
748—788?  Münchs münster,  Schwaig,  Sueiga,  St.  Peter,  II  S.  436. 

c.  819  Chammünster,    Cella  ad  Gambe,    819   erwähnt.     Die  Zelle    war 


—     siO     — 

von  St.  Erameram  abhänpi?  und  wurde,  wie  es  scheint,  nicht  hinge 
vorher  erbaut,  Urk.  B.  Baturichs  bei  Ried,  Cod.  chron.  dipl.  Ratisp.  I 
S.  17   Nr.  20. 
um  875  Re  ge  n  s  b  u  r  fj ,    St.  Maria,    alte    Kapelle,    Kanoniker.     Stiftung 
Ludwigs  d.  D.  ß.M.  1467. 
888—889  R  0  d  i  n  g ,  St.  Jacob.  Kanoniker.   Stittung  König  .\rnolfs  B.M.  1869. 

5.  Sebeu. 

769       1  n  n  i  c  h  e  n  ,  Intica,  St.  Peter  u.  Candid..  II  S.  437. 

E.    Erzbistum    Hamb  iirg- Bremen. 

787       Bremen,  Domstift,  St.  Peter,  II  S.  388  fl'. 

c.  822  Münsterdorf,  Welanao,  Kanoniker,  II  S.  761. 

c.  835  Hamburg,  Domstift,  St.  Maria,  II  S.  677 tf. 
848 — 865  Bassum,  Byrsen,  Bersene,  Bircsinun.  Nonnen,  II  S.  602. 
865 — 888  Bücken,  Bukkiun,  St.  Maria  u.  Maternian,  Kanoniker,  II  S.  602. 

F.    Erzbistum    Besan^on. 

Basel. 

?        Basel,  Domstift,  St.  Maria,  vgl.  Bd.  I  S.  323. 
c.  630  Granfelden,    Moutiers  Granval,    mon.   (rrandisvallis.    St.  Ger- 
manus, I  S.  277. 
c.  630  Uraanne,  St.  Ursitz,  I  S.  277. 

c.  630  Pferdmund,  Vermes.  Cella  Vertima,  St.  Paul,  I  S.  277. 
c.  650  Münster  im  Gregorienthai,  Confluens,  I  S.  293. 
c.  725  Murbach,  Vivarius  Poregrinorum,  St.  Leodegar,  I  S.  337  ff. 
vor  780  Masmünster,  Masunvillare,  II  S.   168,  570. 
vor  870  Solothurn.  Salodorum,  St.  Urs,  genannt  in  der  Reichsteilung 
(Ann.  Bert.  S.   111). 


III.  Litteraturübersicht. 


Die   Bd.     I    S.    586—595    angeführten    Werke    sind    in    das     nach- 
folgende Verzeichnis  nicht  aufgenommen. 

I.  Quellen. 

a)  Sammmlungen  und  Einzelausgaben. 

Agobardi  opera  ed  St.  Baluzius.     2  Tle.     Paris  1666. 

Ammiani  Marcellini    rerum    gestarum   libri  qui  supersunt  rec.  Eyssenhardt. 

Berlin   1871. 
Anecdota  Helvetica  ed.  H.  Hagen.     Leipzig  1870. 

Baedae  Historia  ecclesiastica  gentis  Anglorum,  ed.  A.  Holder.  Freiburg  1882. 
Bibliotheca  Casinensis  cura  et  stud.  monachorum  ord.  s.  ßened.    Bd.  I — IV. 

Casino  1873—80. 
Bibliothek  der  ältesten  deutschen  Litteratur-Denkmäler.    Paderborn.    Bd.  5: 

Tatian.  Lat.  u.   altdeutsch  herausg.  v.  E.  Sievers.     Bd.  6:  Isidorus  von 

Sevilla,  herausg.  v.   K.  Weinhold. 
Baluzius  St.,  Miscellaneorum   libri  VIT.     Paris  1678—1715. 
Denkmäler  deutscher  Poesie  und  Prosa  aus  d.  8.-12.  Jahrhundert,  heraus- 
gegeben   V.   K.    MüUenhoff    u.  W.    Scherer.     3.  Aufl.  v.  E.  Steinmeyer. 

Berlin   1892. 
Dhuoda.     Le  Manuel  de  Dh.  publ.  p.  E.  Bondurand.     Paris  1887. 
Fontes   rerum    Austriacarum.     Österreich.    Geschichtsquellen,   herausg.  v.  d. 

bist.  Comm.  der  Akad.  d.  W.  in  Wien.     Wien  1855  ff. 
Fontes  rerum  Bohemicarum.     Prag  1871  ff. 

Fragmenta  theotisca,  herausg.  v.  St.  Endlicher  u.  Hoffmann.     Wien  1834. 
Fragmente,  Wolfenbüttler.     Analekten   zur  Kirchengeschichte   des  MA.  aus 

Wolfenbüttler  Handschriften  v.  M.  Sdralek.     Münster  1891. 
Gallus  Oheim,  Chronik  von  Reichenau.  herausg.  v.  K.  A.  Barak.    Stuttg.  1866. 


—     812     — 

Geschichtschreiber  der  deutschen  A'orzoit  in  deutscher  Bearbeitung,  herausg. 

V.  Pertz,   Grimm,   Lachmann,    Kanke,  Hittor,  fortgesetzt  v.  W.  Watten- 
bach.    Leipzig. 
Geschichtsquellen  des  Bisthums  Münster.     4  Bde.     Münster  1851  flf. 
Geschicht^quellen,    Osnabrücker,    herausg.    v.    histor.   Verein   zu    0.     Osna- 
brück 1891  ff. 
Glossen,    die   althochdeutschen,    gesammelt   u.  bearb.  v.  E.  Steinmeyer  und 

E.  Sievers.     3  Bde.     Berlin  1879—1895. 
Handbibliothek,  germanist.,  herausg.  v.  J.  Zacher.    4.  Bd.    Heliand,  herausg. 

V.  E.  Sievers.     Halle  1878. 
Hymnen,    die    Murbacher.     Nach  den  Handschriften  herausg.  v.  E.  Sievers. 

Hallo   1874. 
Kaiser-  u.  Königsurkunden  des  Osnabrücker  Landes,    herausg.  v.  F.  Jostes. 

Münster  1899. 
Monumenta    Germaniae    historica.      Scriptores    rerum    Langobardicarum    et 

Italicarum  saec.     VI — IX,  ed.  G.  Waitz.     Hannover  1878. 
Monumenta  veteris  liturgiae  Alamanicae  v.  M.  Gerbert.    2  Bde.    St.  Blasien 

1777—79. 
Monuments,  les  plus  anciens,  de  la  langue  fran9aise  publ.  p.  E.  Koschwitz. 

Heilbronn  1886. 
Otfrids  ?]vangelienbuch,  herausg.  v.  P.  Piper.     Paderborn  1878. 
Quellen  und  Forschungen  zur  Spi-ach-  u.  Culturgeschichte  der  germanischen 

Völker,   herausg.  v.  B.  ten  Brink,   E.   Martin,  W.  Scherer.     Strassburg. 
Rhotores  latini  minores  ex  cod.  em.  C.  Halm.     Leipzig  1863. 
Scriptores    rerum   Brunsvicensium    ed.   G.  G.  Leibnitius.     8  Bde.     Hannover 

1707—11. 
Thesaurus  monumentorum   ecclesiasticorum   et  Historicorum  sive  IL  Canisii 

Loctione.s  antiquae  .  .  ed.  J.  Basnage.     4  Bde.     Amsterdam   1725. 
Thesaurus    anecdotorum    novissimus    e.    veterum    monumentorum  praccipue 

ecclesiasticorum  .  .  collectio  recentissima,  od.  B.  Pez.    5  Bde.    Augsburg 

1721—28. 


b)  Gesetze,  Briefe,  Urkunden,  Regesten. 

Catalopi  bibliothecarum  antiipii,  coli.  G.  Becker.     Bonn  1885. 

Codex  diplomaticus  et  opistolaris  Moraviao,  ed   A.   Boczek.     Olmütz  1836  If. 

Codex  principia  olira  Lanrishaniensis  abbatiae  diplomat.,   ed.  Acad.  Theod.- 

Palat.     3  Bde.     Mannheim  176H--70. 
Chrodegangi    Metens.    episc.    regula    canonicorum,    herausg.  v.  W.  Schmitz. 

Hannover  1889. 
I'ecretales    Pseudo-Ieidorianae    et    capitula    Angilramni,    rec.    P.   Hinschius. 

Leipzig  1863. 
Ermenrici  ep.  ad  Grimoldum  ex  cod.  S.  Galli  mem.  ed.  E.  Dümmler.  Halle  1873. 
Formelbuch    des    Bischofs    Salomo    Ili.    von    Konstanz,    herausg.    u.    erl.   v. 

E.  Dümmler.     Leipzig  1^57. 
•  Toschirhtaquellen,  die  Gurker,  v.  A.  v.  Jaksch.     Klagenfurt   1J^96. 
Geschichtsquellen,  Württembergische,  herausg.  v.  D.  Schäfer.    Stuttg.  1894  f. 


_     813     — 

Kaiserurkunden    der    Provinz    Westfalen,    v.    R.    Wilmans    u.    F.    Philippi. 

2  Bde.     Münster  1867  u.  81, 
Polyptycque  de  Vabbe  Irminon  pub.  p.  M.  B.  Guerard.    2  Bde.    Paris  1844. 
Regesta  historiae  Westfaliae,  bearb.  v.  H.  A.  Erhard.     2  Bde.     1847.  51. 
[Scherer],  Verzeichniss  der  Handschriften  der  Stiftsbibliothek  von  St.  Gallen 

Halle  1875. 
Servat  Loup,  Lettres  p.  G.  Desdevises  du  Dezert.     Paris  1888. 
Sirmondi  J.  opera  varia.     T.  IV.     Venedig  1728. 
Traditiones  Corbeienses,  herausg.  v.  P.  Wigand.     Leipzig  1843. 
Turmair's,    Joh.,    genannt    Aventinus,    sämmtl.  Werke,   herausg.  v.  d.  bayr. 

Akademie  d.  Wissensch.     5  Bde.     München  1881  ff. 
Urkundenbuch  der  Reichsstadt  Frankfurt  v.  J.   Fr.   Böhmer    Bd.    I  Frank- 
furt 1836. 
Urkundenbuch    des    Hochstifts  Halberstadt  u.   seiner  Bischöfe,    herausg.  v. 

G.  Schmidt.     4  Bde.     Leipzig  1883  fi". 
Urkundenbuch,    Hamburgisches,    herausg.    v.    J.    M.    Lappenberg.     1.    Bd. 

Hamburg  1842. 
Urkundenbuch    des    Stiftes    u.    der  Stadt  Hameln,   v.  0.  Meinardus.     Han- 
nover 1887. 
Urkundenbuch    des    Hochstifts    Hildesheim    u.   seiner  Bischöfe,    herausg.  v. 

K.  Janicke.     1.  Bd.     Leipzig  1896. 
Urkundenbuch,  Nassauisches,  bearb.  v.  W.  Sauer.     Wiesbaden  1885—87. 
Urkundenbuch,  Osnabrücker,  herausg.  v.  F.  Philippi.   1.  Bd.   Osnabrück  1892. 
Urkundenbuch   des  Herzogthums  Steiermark,    bearb.  v.  J.  v.  Zahn.     2  Bde. 

Graz  1875.  79. 
Urkundenbuch    der    Stadt  u.  Landschaft  Zürich,   bearb.    v.    .1.  Escher    und 

P.  Schweizer  Bd.  1  u.  2.     Zürich  1888  u.  92. 
Verbrüderungsbuch  des  Stiftes  St,  Peter  zu  Salzburg.    Mit  Erläuterungen  v. 
Th.  G.  V.  Karajan.     Wien  1852. 


IL  Darstellungen  und  Untersuchungen. 

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2.  Aufl.,  bearb.  v.  B.  Simsen.  Leipzig  1888.  2.  Bd.  v.  B.  Simson. 
Leipzig  1883. 

Ada-Handschrift,  die  Trierer,  bearb.  u.  herausg.  v.  K.  Menzel, 
P.  Corssen,  H.  Janitschek,  A.  Schnütgen,  F.  Hettner,  K.  Lamprecht. 
Bonn  1889. 

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stadt 1891. 

Ahn  er,  M.,  Fredegis  von  Tours.     Leipzig  1878. 

Au  s  f  e  1  d  ,  E.,  Lambert  von  Hersfeld  und  der  Zehntstreit  zwischen  Mainz, 
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1864  ff. 

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Bau-  u.  Kunstdenkmäler  von  Braunschweig.  1.  Bd.,  hearb.  v. 
P.   J.   Meier.     Wolfenbüttel  1896. 

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Biographie,  allgem.  deutsche,  herausg.  v.  R.  v.  Liliencron  u.  F.  X.  Wegele. 
Leipzig  1875  ff. 

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Eisleben  1879. 
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Schubiger,  A.,  Die  Sängerschule  St.  Gallens.     Einsiedeln  1858. 
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Köln  1895. 
Sickel,   Th.,    Das    Privilegium   Ottos  L    für    die    römische  Kirche.     Inns- 
bruck 1883. 
Sickel,  Th.,  Lehre  von  den  Urkunden  der  ersten  Karolinger.  Wien  1867  = 

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Simson,   B.,    Die    Entstehung    der    ps.-isidor.    Fälschungen    in   Le   Maus. 

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Sohm,  R.,  Die  fränk.  Reichs-  u.  Gerichtsverfassung.     Weimar  1871. 
Specht,  F.  A.,  Geschichte  des  Unterrichtswesens   in  Deutschland.     Stutt- 
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V.  S  p  r  u  n  e  r ,  Handatlas  für  die  Geschichte   des  MA.  u.   der  neueren  Zeit, 

bearb.  v.  Th.  Menke.     Gotha  1880. 
Steinmann,  E.,   Die  Tituli  u.   die   kirchl.  Wandmalerei  im  Abendlande. 

Leipzig  1892. 
Strakosch-Grassmann,  G.,    Geschichte  der  Deutschen  in  Österreich. 

Wien  1895. 
Stüve,  C,  Geschichte  des  Hochstifts  Osnabrück.     Jena  1853. 
v.  Sybel,  H.,  Kleine  historische  Schriften.     3.  Bd.     Stuttgart  1880. 
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Münster  1867—85. 
Hauck,  Kirchengeschichte.    II.    2.  Aufl.  52 


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Traube,  L.,  Karolingische  Dichtungen.     Berlin  1888. 

Uhlhorn,  G.,  Die  christl.  Liebesthätigkcit  im  MA.     Stuttgart  1884. 

Vetter,  F.,  Zum  Muspilli.     Wien  lf^72. 

Vilmar,  A.  F.  C,  Deutsche  Alterthümer  im  Heliand.     Marburg  1845. 

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Breslau  1844. 

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Wenk,  H.  B.,  Hessische  Landesgeschichte.    3  Tle.    Darmstadt  1783—1803. 

Werner,  K.,  Alcuin  und  sein  Jahrhundert.     Wien  1881. 

Werner,  K.,  Beda,  d.  Ehrwürdige.     Wien  1881. 

Weyl,  R.,  Die  Beziehungen  des  Papsttums  z.  fränk.  Staats-  u.  Kirchen- 
recht unter  den  Karolingern.     Breslau  1892. 

Wiegan  d.  F.,  Das  Homiliarium  Karls  d.  Gr.  auf  seine  urspr.  Gestalt  hin 
untersucht.     Leipzig  1897. 

Wiegan  d,  F.,  EB.  Odilbert   von  Mailand  über  die  Taufe.     Leipzig  1899. 

W  i  e  g  a  n  d  ,  F.,  Die  Stellung  des  apost.  Symbols  im  kirchl.  Leben  des  MA. 
Leipzig  1899. 

Windiscb,  E.,  Der  Heliand  und  seine  Quellen.     Leipzig  1868. 

W  i  n  k  e  1  m  a  n  n  ,  E.,  Geschichte  der  Angelsachsen  bis  zum  Tode  König 
Alfreds.     Berlin   1884. 

Witzschel,   H.,  Der  Ausgang  der  Sachsenkriege.     Halle  1891. 

Zahn,  Th.,  Forschungen  zur  Geschichte  des  NT.  Kanons.  1.  Tl.  Er- 
langen 1881. 

Zimmermann,  G.  R.,   Ratpert,   der  erste  Zürchergelehrte.     Basel  1878. 

Zöpfl,  H.,  Altertümer  d.  deutschen  Reichs  u.  Rechts.  3  Bde.  Leipzig 
1^59-61. 

b)  Periodische  Publikationen. 

Archiv    der    Gesellschaft   für    ältere    deutsche    (ieschichtskunde.     Bd.   1 — 3 

V.  Bächler  u.  Dümge.     Bd.  5—12  v.  G.  H.  Pertz. 
Archiv  f.  Philologie  u.  Pädagogik,   v.  G.  Seebode,   J.  Gh.  .Jahn  u.  R.  Klotz. 
Archiv  f.  slavische  Philologie,  herausg.  v.  Jagic. 
Blätter  f.  bayerische  Kirchengeschichte.     Rothenburg  o.  T. 
Dublin  Review. 

For-chungen,  romanische.     Erlangen. 
Jahrbuch  für  Schweizer  Geschichte.    Zürich. 
Jalii  liücher.  Neue  Heidell)erger. 
Jahrbücher,  preussische.     Berlin. 

Mt-moires  de  la  societee  arch.  et  hietor.  de  l'Orleanais. 
Memoiie  della  reale  Academia  di  Torino. 
Miitht'ilungen  des  histor.  Vereins  zu  Osnabrück. 

Mitihi'ilungen,  Neue,  des  sächsisch-thüringischen  Geschichtsvereins.    Halle. 
Monataberichte  der  Berliner  Akademie. 

Nachrichten  von  der  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Göttingen. 
Revue  benedictine.     Mared.-fous  (Brügge). 
Revue  d'histoire  et  de  literature  religieuse.    Paris. 


—     819     — 

Sitzungsberichte  der  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Leipzig. 

Simmen  aus  Maria  Laach.     Freiburg. 

Studien  u.  Kritiken,  Theologische.     Gotha. 

Zeitschrift,  Arcliivalische.     München. 

Zeitschrift  des  histor.  Vereins  f.  Niedersachsen.     Hannover. 

Zeitschrift  des  Harzvereins.     Quedlinburg. 

Zeitschrift  des  Vereins  f.  hamburg.  Geschichte. 

Zeitschrift  des  Vereins  f.  hessische  Geschichte.     Kassel. 

Zeitschrift  für  christliche  Kunst.     Düsseldorf. 

Zeitschi'ift  für  Geschichte  des  Oberrheins.     Karlsruhe. 

Zeitschrift  für  romanische  Philologie.     Halle. 

Zeitschrift,  Neue  kirchliche.     Leipzig. 


52* 


Register. 


A.  =-  Abt.     Ä.  =  Äbtissin,     ß.  =  Bischof.      D.  =   Diakon.      EB.  =  Erz- 
bischof.   G.  =  Graf.    H.  =  Herzog     K.  =  Kaiser  oder  König.     L.  -=  Lehrer. 
M.  =  Mönch.     N.  =  Nonne.     P.  =  Papst.     Pr.  =  Priester. 


Aachen   179.   257  f.  267. 
Aaron,  M.  590. 
Abba,  Ä.  568.  1. 
Abbin  384. 
Abendmahl  65. 278  f. 438. 

724.  738. 
Abendmahlsprobe  743. 
Aberglaube     276.     359. 

393  ff.  452.  497.  740  ff. 
Abgar  320.  327. 
Abodriten  669.686,6. 688. 
Absolutionsformel  728. 
Abtswahl  40.  56,  3.  573. 

584.   597. 
Adalboro,  B.  661.  712,  6. 
Adalbert,  Adelbert, 
Athalbert 

A.  V.  Ferneres  152,  1. 

A.  V.  Pfäfers  67.  442,  2. 

A.  V.  Tcgernsee  434,  6. 
Adiilfrid,  M.  590. 
AdalKar,EB.565,2.686,l. 

6S7.  712.  2.  5.  6. 
Adalhard 

A.  V.  Corbie78.  172  ff. 
184. 277,4. 336. 491ff. 
600  f.  674. 

G.  598,  2. 


Adalhelra 

B.    V.    Worms   712,  2. 
744,  6. 

Laie  598,  2. 
Adaiongus  569,  3. 
Adalram,EB.464,1.689f. 
Adalwin 

B.  V.  Regensburg  428. 
452,  6.  453,  1. 

EB.  V.  Salzburg  691  f. 
701.  703.  710,  5. 
Adam,  A.  168. 
Addula,  Ä.  345. 
Adegar  487. 
A.lel  781 

Adelbrin,  Ä.  602. 
Adelog,  B.  377. 
Adelporga,  H.   160. 
.Ädilbort  422. 
Ado 

B.   V.   Lyon  54,  4. 

EB.v.Vienne  607.666,5. 
Adoptiani.smus  2*^8  ff. 
Advcntiu.H,B.  546.548,10. 

558,  3.  5.56.  7.  599,  5. 

753,  1 
Agilfrid,  15.202,3.377,2. 
Agiulf,  Egolf,  H.  712,  5. 


Agius,  M.  664. 
Agnus,  B.  453,  1. 
Agobard,  EB.   307.  496. 

500  ff.  521,4.529.  607. 

645.  744,  1. 
Agroin,   B.  51,  5. 
Aguntum  455  f. 
Aisch  340.  342. 
Aistulf,  K.  15ft\  27  f. 
Ajulf,  EB.  244,  3. 
Aix  207,  6.  209,  2. 
Alarich,  Chorb.  469,  1. 
Alberich 

B.  V.  Utrecht  46,  1. 
127,  3.  171.  345,  1. 
351  f.  355. 

Passauer  Chorb.  463, 6. 
689,  6. 
Albert,  Aldebcrt,A. 171, 7. 
Albert,  EB   45.  126.  128. 

132. 
Alboin,  H.  31,  4. 
Alb.stadt  5,  1. 
Albuin,  A.  433,  6. 
Alchred,  K.  351. 
Aldhelm.  A.  132.  191. 
Aldrich.B.v.LeMansSOl. 

709.  750. 


821 


Aldrich,  A.  v.  Ferneres, 

EB.v.Sensl5h3.152,l. 

564,  5.  589,  5.  592.  612. 
Alim,  B.  428.  442,  1. 
Alkuin,Alciivine,  A.l  OOff. 

114  ff-.  121,6. 123  ff'.  163. 

185. 191. 194.  200.  202. 

242  ff-.  250.  254.277,4. 

293  ff.   324.   329.   333. 

844,  3.  348.  351.  400  f. 

421.    466  f.    578.    580. 

596.    611.    614  f.    630. 

659,7. 744ff'.  765. 768,3. 

769,  4. 
Allerheiligenfest   164,  3. 
Almosen  278. 452,4.767,6. 
Alpuni,  A.  442,  2. 
Altar  265  f.  724. 
Altentrüdingen   751,  2. 
Altfrid 

B.  V. Hildesheim  555,2. 
624,4.710,5.711,2. 

B.V.Münster  599,5. 659. 
Altheus 

B.  V.  Antun  519,  5. 

bair.  B.  453,  1. 
Alubert  347  f. 
Amalar 

B.  V.  Trier  54,  3.  180  f. 
201,2.208.405.677. 

V.    Metz    118,  3.    153. 
180,  6.  585.  644  f. 
Amalbert,  Chorb.  203,  2. 

217,  1. 
Amalung  380,  3.  6. 
Amandus,  B.  420.  455,  9. 
Ambo  266. 
Ambrich,  B.  710,  5. 
Ambrosiaster  289,  2. 
Ambrosius,  B.132,5.  196. 

635. 
Amönaburg   367. 
Anastasius 

Biblioth.  523,  1. 

Cubicularius  95. 

Gegenpapst  518,  4. 

Patriarch   308,  2. 


Andreas,  A.  385. 
Angilbert,  A.  96  f.  136,  3. 

174ff.  189.  196.  316,  3. 

324.  421.  598,  1.  746. 
Angilram,   B.    111.    169. 

202,3.203,2.206.432,1. 

447. 
Angilrams  Kapitel  522  ff'. 
!  Anno,  Hanno 

A.  V.   Münchsmün-ster 
436,  7. 

Passauer  Chorb.  468,6. 
689,  6. 

B.  V.  Freising  564,  4. 
702,  4.  703.  710,  5. 

Anonj-mus 

Benedictio  Dei  646. 
commonitorium  cuius-  ' 

que  episcopi  234,  7. 
de  process.Spirit.s.118. 

335.  I 

de  sancta  trinitate  648. 
de  tribus  epistolis  646 

1.  2. 
homilia    de     sacrileg 

393  ff. 

Tractatus,  utrum  ani- 
mae . .  mox  deducan-  j 
tur  ad  gloriam  vel  1 
ad  poenam  etc.  648.  ' 
Ansegis,  Ansigis,  A.  195. 

531,  1.  590. 
Anshelm,  EB.  521,  4. 
Anskar,  EB.  350,  2.  602. 
618.  624,  4.  660.  673  ff'. 
726,  4.  765.  | 

Antependien  265. 
Anthelm,  B.  427,  3. 
Antiphunar  34,  1.  644  f. 
Appellationen  38,7.207. 

542.  546. 
Aquileja201,3.  455.  461. 

465.  565,  1. 
Aquitanien  543.  580. 
Arbeo,  Arpeo,  Aribo,  B. 
234,5.  366, 1.425  f.  434. 
442,  1. 


Archidiakon  720  ff".  734. 
Archipresbyter  9,  2. 10,3. 

451,4.  719  f.  734. 
Ardgar,  Miss.  683. 
Ardo,  M.  575,  6. 
Arichis 

H.v.Benevent  95,1. 160. 
Langobai-de   160,  2. 
Arleslll.  207,  6.  209,1. 
Armen  wesen  60. 66.276  ff. 

626.  724. 
Arn,  Arno 

B.  V.  Würzburg  694,  6. 
709.710,5.712,2.-5. 
715,  5. 
EB.  V.  Salzburg  98  ff. 
107,2.113,3.7.132. 
138.166,2.196.  208. 
211, 1.419tf.  444.447. 
452,  6.453,1.459,1. 
463  ff.  587,  2. 
Arnfrid,Ernfrid,B.  48.59. 
Arnold,  B.  712,  3. 
Arnsdorf  464,  1. 
Arnulf 

A .  V.  Hermoutier  589, 5. 

B.  V.  Metz  745. 

ß.  V.  Toul  545,  10. 

H.  V.  Baiern  435,  3. 

K.  432,1.  435,  4.  565,  2. 
598,2.599,5.686,6. 
Arsenio  648,  2. 
Arsenius,  B.  554  f. 
Aschermittwoch  451,  2. 

724. 
Askrich,  B.  613. 
Assling  430,  1. 
Assuer,  A.  7. 
Asterga  390,  1. 
Asturien  290  f. 
Asylrecht  388,  1.  405. 
Athanasianum  724,  3. 
Athanasius,  B.  132, 5. 335. 
Athilbold,    Odilbald,    B. 

711,  2.  712,  1. 
Atrebanus  383. 
Attigni  384 


—     82'2 


Atto  s.  Hatto. 
Audoin.  B.  59,  1. 
Auf^sburg^  216. 
Augustgau  720,  1. 
Augustinus 

B.  V.  Hippo  50.  132,  5. 

137f.  148. 150.191,3. 

192.  195.  421.   635. 

650  tr. 

Pr.  460,  1. 
Austrulf.  A.  195. 
Autbert 

A.  v.S.  Yincenzu  133,2. 
138. 

Angelsachse  145. 

M.  V.  Corbie  674. 
Autchar  18. 
Avalen  445.  456.  460. 
Averhild  349. 

Kadanachgau  4, 3.  340, 2. 

571.  5. 
Badurad,Baturat,B.  408. 

510.    624,   4.     715,   7. 

744,  6.  750. 
Badurich,    Baturich,    B. 

428, 2. 436,«.  612,7. 646. 
Baiern  414  &.  749  f. 
Bjildebert,  B.  67. 
Balder   757. 
Balduin,  G.  549,  3. 
Baldun,  Pr.  431. 
Balthramni,     F^aldramn, 

B.  712,  2.  6. 
Bant  356,  3. 
Bardengau  366,  1. 
P.arnard,  A.,  EB.  4«3. 
Harr  216,  1. 

Bartholomäus,  EB.  514. 
Basel  234. 

Basilika  256.  259  f. 
Basin,  B.  47.  171. 
Baugulf,  A.  142,  2.  269. 

.590.  4.  610,  3.  614. 
Baulast  224. 
Bauri.fs     v.     St.    (iallen 

619. 


Beatus 

Pr.  in  Asturien  290  tt'. 

B.  V.   Passau  427.  3. 
Beda  126.  132.  191.  196. 

635.  666,  5.  769,  4. 
Begräbnis  716.  724. 
Beichte65f.  250f.  388,  1. 

438.724.727  ff.738.763f. 
Benedikt 

A.v.Anianel21,6.190,2. 
196.  306  f.  575  tf. 

A.  V.  Nursia  577. 
Levita  522.  527  ff. 
III.Pap8t516.518.  533. 

545. 
Benediktinerregel  48,  1. 

53.  60  ff.  191,2.4.434. 

572f.  577ff.  581ff.  643. 
Benediktionen  754  ff. 
Benevent  31.  93,  4.  160. 
Benjamin  383,  1. 
Beonrad,    A.,    EB.    123. 

136,  4.  171.  202,  3. 
Berehthelm,  B.  52.  54,  3. 
Berenwelf,  B.  49,2.  75,7. 

341  f. 
Beretrich.    A.   419,  5. 
Bern.  (-i.  649. 
Bernar,    Bernhar,   Bern- 
hard, Bernald 

B.  V.  .Stras.<5biirg  170,1. 
185.3.501.504.714,2. 

B.  V.  Verdun   711,  2. 
H.    V.   Worms    102,  1. 

202,  3.   211,  1.  336. 

567,  5. 
Bruder  Pippins  172.3. 
(i.    in    Nortliaibingion 

680. 
G.  V.  Septinianien  494. 

500.   764,  3. 
M.  in  Corbie  172, 2.491. 
Neffe   Ludwigs  d.  Fr. 

478.  491.  612,  5. 
Bernlef  3.55. 
Bernradh,   A.  385,  2. 
Bpriiwicli.    A.  511,  2. 


Berny  Riviere  23. 
Bertar,  B.  205,  2. 
Bertha,  Bertrada 

Gemahlin  Pippins  76. 
Tochter  Karls   d.    Gr. 

175. 
Tochter     Lothars    TL 
545,  4. 
Bertulf,  EB.  558,  7.  559. 

711,2. 
Besanfon  209,  1.  548. 
Bethlehem  333. 
Bibelübersetzung 
deutsche  192. 
latein.  193. 
Bibliotheken:  im  allgem. 
194  ff.  724. 
einzelne:  Aniano  196. 
579. 
Charroux   196. 
Einhards  614. 
Froising  618. 
Fulda  6 13  f. 
Hamburg  680. 
Hofbibliothek  194. 
Heichenau  197.615  f. 
Rheiin.s   195  f. 
Salzburg  196.  422. 
St.  Amand  196. 
St.  Gallen  169.  617. 

663. 
St.  (iermer  196. 
St.  Martin  194. 
St.  Riquior  176.  196. 
St.  Wandrillo  195. 
Staffelsee   197. 
Tannkirchen  24«,  3. 
Wnrzliurg  609. 
^ork  128.  132. 
Bilderstreit  72,  5.  307  ff. 

486  ff. 
Bilihild  601. 
Billerbeck  244,  3.  406,  6. 

407. 
Bischöfe:    Gericht    über 
204. 52 1.523  ff.  531  ff. 
537. 


—     823 


Bischöfe 

Rechte  u.  Pflichten  37. 
62. 230  ff.  530  ff.  562  f. 
626.  709  S. 
Wahl  u.  Erneniiung44. 
90.  200  ff.  521.  528  f. 
543.  563  ft". 

Biso,  B.  712,  5.  6. 

Bittgänge  724. 

Bittgottesdienste  46,   5. 

Bitttage  276. 

Bleichfeld  5,  1. 

Blexen  390. 

Bogoris,  K.  692  f. 

Böhmen  694. 

Bologna  86. 

ßonifatius,  EB.  4.11.  37. 
49,  2.  169f.  256,1.340. 
844  f.  367.  414.  570. 
647.  720,  4.  Synodal- 
statuten 235,  3.  Ser- 
mone 245,  1. 

Bonn  206,  4. 

Bordeaux  209,  1. 

Borivoi  704,  1.  . 

Borno,  B.  203,  2. 

Boruliterer  367.  376. 

Boruth,  H.  457. 

Boso 

G.  551,  7. 
Pr.  431. 

Bourges  207.  209,  1. 

Braisne  23,  2. 

Bregowin,  EB.  45. 

Bremen  203,  2.  208,  2. 
383,  1.  389f.  405.  677. 
681  ff. 

Brend  4,  3. 

Brenner  455. 

Bretagne,  Klöster  in  d. 
574,  3.  590. 

Briefe,  v.  Himmel  gefal- 
lene 753. 

Brizenheim  218,  4. 

Bruun,Candidus,M.r21,6. 
179,6.610,4.  612. 646  f. 
Bücher  193  fl'.  345. 


Bulgaren  666,  3.  692  f. 
Bun,  A.  58,  3. 
Buntwit,  L.  616,  3. 
Buraburg  372. 
Burchnrd,  Burghard 

B.  V.  Würzburg  13.  48. 

G.  684. 
Burcheim  4,  3. 
Burcsuint  391,  2. 
Burgbernheim  5,  2. 
Burgund  580. 
Bussbücher  252  f.  730  ff. 
Busswesen  65,  4.   249  ff". 

728  ff.  735. 

Cacatius,  H.  457. 
Calvulus  79,  2. 
Campulus  97  fi". 
Cancor,  Cr.  56,  3. 
Candidus  s.  Bruun. 
s.  Witto. 
Capitulatio       de      part. 

Saxon.  386  ff. 
Cäsarius,  B.  248.  636. 
Cassiodor  132.  635. 
Castus,  Gerbert    354,  5. 

675,  6. 
Catwulf,  Pr.  116. 
Censur  535,  8. 
Chalon  s.  S.  565,  1. 
Chälons  s.  M.  377. 
Cheitmar,  H.  457.  459. 
Chiemgau  423. 
Chiemsee  432. 
Childebrand,     s.    Hilde- 
brand. 
Childerich    III. ,    K.    13. 

44,  1. 
Chlotachar  I.,  K.  364. 
Chorbischöfe  9,  2.  203,  2. 

230.457.  463,6.469,1. 

721  ff. 
Chozel,  slaw.  Fürst  692. 

699  f. 
Christian,M.v.Stablo595. 

614.  705  f. 
Christophorus  72  ff.  79. 


Christusbilder  262.  263  f. 

321. 
Chrodegang,EB.  18.46,3. 

52.  62  ff.  253.  585. 
Chiysostomus,  B.  132,  5. 

138.  635. 
Chur  201.  215,3.217.221. 

277,  4.  565,  1.  717,  2. 
Cicero  614,  9. 
Cilli  455. 

Cittä  di  Castello  87. 
Claudius,  B.  490, 3.  630,5. 

753. 
Clemens 

Peregrinus  459,  3. 

L.  152,  2.  186,  2.  604  f. 
610,  4.  615. 
Cobbo,  G.  750. 
Colcu,  L.  612,  8. 
Cölibat  9,  2.  625.  5. 
Columba,   A.   59,  3.  455. 
Comes  242. 
Commachio  28. 
Commercy  753,  8. 
Corduba  287. 
Cudberht,  EB.  45. 
Cundhari,   Cundheri,   A. 

416,  5.  435,  2. 
Cynehard,  B.  45. 
Cyprian,B.164,8.197.635. 

Dado,Deth,B.712,2.3.5.6. 
Dagobert,  K.  364. 
Dalmatien  653,  5. 
Damasus  635. 
Dänemark  380. 400.668  ff. 
Daniel,  B.  54,  4. 
Dankfeste  276.  385. 
Daphnis  151,  2. 
Dekanien  718  ff. 
Desiderata  76  ff. 
Desiderius,K.28.30.77ff. 
Dettelbach  5,  1. 
Deusdona  748. 
Deutsche  Bildung  184  f. 

241.    245.    271  f.    477. 

619  f.  664.  666. 


—     824     — 


Deutz  381. 
Deventer  349.  352. 
Dhuota  764,  3. 
Dido,  B.  33".,  2. 
Dietrich .     Thiadrich, 
Theoderich 

A.  V.  Lorsch  599,  5. 

B.  V.  Minden  602.  686. 
710,  5.  711,  2. 

Chorb.  469.  722,  3. 

d.  Gr.,  K.  656. 
Dionvsio-Hadriana  228 f. 
Dionysius     Areopagita 
327. 

Exiguus  10,  1. 
Diözesansj-noden     38. 

233  ff.  451,  1. 
Disziplin  34, 3.  237  f.  563. 

625.  707.  718  f.  721. 
Ditmarschen  383,1. 679,2. 
Doljdagrecus,  A.  432,  1. 
Dodilo,  B.  712,  2. 
Bodo 

Alkuinschüler    151,  2. 

tränk.  Gesandter  80. 
Dokknm  344,3.  351.354. 
Dominikus,Pr.  689,6. 691. 
Donar  757,  2. 
Donatus,   Gramm.  641  f. 
Dornheim  4,  8. 
Doucy  555. 
Drenthfi.   Thriante    352. 

369. 
Droctegang,  A.  19,  3. 
Drogo 

B.v.Metz492,H.501.510. 
512.515.  564,4.677. 

B.V.Minden  712, 1.5.6. 

Sohn  Kiirlmanns  5. 
Du  da  602. 
Dnngal 

B.  155. 

M.    in    St.   Denis    154. 
270,  9.  490,  3. 
DnplitcT.  Pr.  460,  1. 
Dürrmcnz  218,  3.  267,  3. 
Duurstede  348. 


Eanbald,  EB.  124,  1.  189. 
Eberhard 

G.  653. 

M.  214,  6. 
Ebo,  EB.  185,  3.  484.  496. 

500.  506.  508.  514.  524. 

565,2.589,5.592.624,4. 

670  f.  675,  5.  678.  681, 

1.  721,  4.  730. 
Eborsind,  A.  67. 
Eburaccar,  Chorb.  722,  3. 
Egibert,Eikbret,B.710,5. 

711,  2. 

Egila,  B.  284.  296. 
Egilmar,  B.409,4.675,6. 

712,  5. 
Egilo,  EB.  544. 
Egilward,  B.  342. 
Eherecht9,2.10.34,3.40f. 

50,  3.  227  ff.  358.  387. 

398  f.  439  f.  443.452,3. 

549  f. 
Eichstädt  722,  3.  749. 
Eid  359.  387.  735. 
Eigenkirchen9,2. 10.217. 

226.  231.  725. 
Eigil 

A.v.Fuldal70.270.3H2. 
379.  610.  647,  2. 

A.  V.  Prüm  663. 
Eilbert,  B.  3.". 7,  1. 
Eilrat  357. 
Einhard 

Biogr.  Karls  104.  155. 
176  ff.  269,  5.  495  f. 
508.  596.  610.  614. 
627.  2.  646.  747. 

d.   Vater   177,  1. 
Ekbert.  EB.   126.  351. 
Ekkohart,  M.  665,  6. 
Elfenleinwerko  265.  267. 
Elipandu8,B.  130,5. 286  ff. 

306. 
Elze  413,  2.  675,  5. 
Embrun  207,  6.  209.  1. 
Emhilt  570,  8. 
Emisga  865. 


Emmigg  G.  379  f. 
Ems  356.  377  f.  676. 
Engern  370  ff.  408. 
Engilfrid.  Chorb.  469,  1. 
Engilmar,  Engelmar,  Ail- 

mar,  B.   712,  5. 
Engiandl23ff.  297.  323f. 

347  f.  360.  369. 
Enraed,  Pr.  46,  3. 
Eoban,  Reg.-B.  346. 
Epiphanius,  D.  320.  1. 
Ercanibert,   Erchambert, 
Erchanbert,       Her- 
cumbert 
B.  V.  P'reising  749. 
B.  V.  Minden  391.  401. 

406. 

Missionspriester  460,1. 

;  Erchanbold,  Erchcnpald, 

B.666,5.704,2.712,5.6. 

Erchanfrid.B.  428,2.  544. 

624.  4. 
Erchanraus,  B.  555,  2. 
I  Erembert,   B.   47.  75,  7. 
Eresburg  371.  374.  379,6. 

389. 
Ertlaich,  B.  102,  1. 
Erfurt  48. 
Erich,  H.  157.  461. 
,  Erimbert,  Pr.  684. 
I  Erkanbert,  M.  658. 

Erlcbald,  A.  615,  7.  616. 
I  Ermaker,  B.  355,  ö. 
Ermanrich,     Ermenrich, 
B.612,5.616.660f.665. 
693 ff.  701.  710.  5.  752. 
Erminbert,  EB.  206. 
I  Erminiswind  568,  8. 
Ermoldus   Nigollus   607. 
Ernust.  A.  442,  2. 
Erolf,  (ieroir,  B.  710,  5. 
Erzguss  267. 
i  Essfeld  4,  3. 
p:».so,He8.si,B.624,4.710,5. 
Eugen  II..  P.  484  ff.  499. 
EusebiuK  321. 
Eutropius  160. 


—     825     — 


Everwavd  603,  1. 
Ewald,  d. weisse  u.d.schw. 

368  f. 
Exarchat  24.  82.  85. 
Kxemption  58.  2. 
Exkommunikation  38,  7. 

249  f.  736. 
Exorzismen  896. 

Fabigaud,  A..  67.  , 

Fardulf  157  f.  202. 
Fasten   65,  2.   276.  438. 

451,  1.  738.  i 

Fastrada,  K.  460,  3.  567. 
Fatalismus     402.     739  f. 

777  f. 
Fater,  A.  433,  4.  | 

Fediritga  356.  1. 
Fehde  405,  2. 
Felix  ! 

B.v.Urgel293flF.  300ff. 

Reliquienhändler  747. 
749,  4. 
Fenkigau  413,  2. 
Festtage    235,  3.    275  f. 

451,  2.  724. 
Fidelis,  A.  291. 
Filioque   BIO.   825.   827. 

831  ff. 
Findan  596,  5. 
Firmung714, 8. 721,5.724. 
Fivilga  356,  1. 
Flavianus  159. 
Fleido,  Fraido,  B.  47,  4. 

202,  3.   567,  4. 
Fli  343. 
Florus  D.  255,  3.  510,  8. 

645.  666,  5. 
Folkard,    Folcard,    Fol- 
chard 

Chorb.  722,  3. 

Pr.  883,  1.  707. 

Stifter  V.  Möllenbeck 
602. 
Forchheim   340.    Friede 

V.  Forcbheim(874)696. 
Formosus,  P.  687,  8. 


Fortunatus,    B.    202,   8. 

838,  5. 
Fosete  356. 
Fraido  s.  Fleido. 
Franken  339  ff.  860  £F.  403. 

570.  706.  715.  747. 
Frankfurt  624.  693.  j 

Fränkische  Schweiz  342. 
Franko,   B    546.  547,  7. 

548,  10.    558,  3.    709. 

712,  1. 
Frankreich  607.737.750. 
Freja  757. 
Freising  284.  419.  429  f. 

463  f.   565,   1.    691,  5. 

722,  3.  749. 
Frekulf,B.  198.487  f.  607. 
Friaul  658. 
Fridugis,     Fredegis,    A. 

137,  3.   148  ff.  574,  4. 
Friduwi,  N.  602. 
Friesen  843  ff.  390.  406. 
Friesenfeld  365.  410. 
Friesische  Inseln  356. 
Friesisches  Gesetz  857. 
Fritzlar  872. 
Frothar 

B.v.Toul  201,2.203,2. 
510.  587,  4.  599,  5. 

EB.  V.  Bourges  558,  7. 
Frudegard,  M.  664. 
Fulchar,  Folcrich,  B.  51,6. 

67. 
Fulgentius,B.196.498,3. 
Fulgentius      Planeiades 

649,  8. 
Fulko,  Folco,  EB.  687,  8. 

712,  2. 
Fulrad,A.13.44,l. 49.171. 

566.  569.  750.  754.  4. 
Fürbitte  für  den  König91 . 

Gall,  A.  59,  8. 
Garich  401. 
Gaubald,  B.  428. 
Gaukönigshofen     4,     8. 
5,  1. 


Gebehard,  Gebhard 

B.  V.  Re<:ensburg  487. 

B.v.  Speier  624,4.710,5. 

Stifter  V.  Kettenbach 
807. 
Gebet  274.  738.  740. 
Gebetläuten     274.     728. 

738. 
Gebetsvereine  45.  47.  67. 

128.    442.    451  f.    581. 

593  f. 
Gefwin,  Geboin,  B.  506. 

675,  6. 
Geinheim  5,  2. 
Gelasius,  P.498,2.  509,3. 
Gelaufeld  456. 
Gemar  216.  1. 
Gennadius  195. 
Georg 

A.  V.  Aniane  591,  3. 

B.  V.  Ostia  32. 

B.  V.  Palestrina  71. 
Gerbert,  Castus  354,  5. 
Gerfrid,  B.  221,  5.  408. 
Gerhoh,  Bibl.  614. 
Gericht,  jüngstesl66. 264. 

766  f.  778,  8. 
Gerichtsstand  des  Klerus 

204  f.  451,  1.  509.537. 
Germanus  308,  2. 
Germar,  G.  102,  1. 
Gerold,  G.  461,  4.  478. 
Gervold,  A.,  B.  190.  195. 

201,  2. 
Gerwald  383,  1. 
Gesetz,  friesisches  357  f. 

sächsisches  404  f. 
Gesiebte  758  f. 
Gewalind  750,  12. 
Ghärbald,B.197,4.201,2. 

234,  3.  243.  268,  1. 
Gillebert,  B.202,8.203,8. 
Girfred,  A.  594,  4. 
Gisla 

Ä.  V.  Chelles  137,  5. 

Stifterin   v.  Windhau- 
sen 601. 


820 


Gisla,  Tochter  Lothars II. 

545,  4. 
Gislebert  424. 
Gislemar,  M.  675. 
Glasfenster  261. 
Glocken267. 684,2. 724,4. 

760. 
Glossen,  altdeutsche  191. 
Godethank,B.  712,2.5.6. 
Godo,  B.  51,  4. 
Goldschmiedekunst  267. 

613,  3. 
Gollachgau  340,  2.  391. 
.Gollhofen  4.  3.  5,  1. 
Gorbrath,    Gerbrach,   B. 

624,  4. 
Goten  165,  3. 
Gotescale  401. 
Gottabert,  Chorb.  722,  3. 
Gottesdienst    110.     233. 

253  ff.  451. 
Gottesurteil  735.   741  ff. 
Göttrik,   K.  668.  3.  669. 
Gottschalk,  M.  612, 5. 628. 

641.  649  ff.  765. 
Gozbald,  B.  624.  660,  6. 
Gozbert,  Gauzbert 

A.  V.  Feuchtwangen 
568,  3. 

A.  V.  St.  Gallen  169,  3. 
617.  619.  660. 

(Simon)  B.V.Osnabrück 
565,  2.  624,  4.  678. 
683. 

Gozbert,M.  inSt.Gallen 
749,  2. 
Gozfeld  49,  3.  340,  2. 
Gozhar,  Pr.  460,  1. 
Grabfnld  49,  3.  340,  2. 
Grabplatten  266. 
Gregor 

A.  V.  St.Martin  in  Autun 
594,  4. 

A.  V.  Utrecht  46,  1.  52. 
171.   194.  344  ff. 

B.  V.  Nyssa  319  f. 
Defen.sor  79,  2. 


Gregor 
H.  71. 
I.,P.137,2.  191. 196  f. 

305.  635. 
II.,  P.  119,4. 5. 308.367. 

III.,  P.  308,  2. 
IV.,  P.  96,5.  499  ff.  512. 
678. 
Griechen  15.  30.  33.  94. 
308  ff.  486  ff.  695.  697  ff. 
711. 
GriechischeSprache  134. 
159.    476.     616.     627. 
642,  2.  654,  5. 
Grifo  6.  20.  414. 
Grimakl,    Grimold,    (iri- 
moald 
A.  V.  St.  Gallen  59,  1. 
186.  590,  5.  615,  5. 
616  f.  654.  656,  4.  6. 
660.  665.   740,  5. 
H.     V.     Benevent    88. 
95,  1.  3. 
Gruss  739. 
Guarnarius  591,  6. 
Gubbio  28. 
Gumbert,  Guntbert,  A.,  B. 

570,  9.  571. 
Gundbald,  Guntbald,  M. 

499,  2.  500. 
Gundeland,  A.  56. 
Gundram,A. 612,5.660,5. 
Gunthar,  Günther,  Gun- 
dhar 
]{.  V.  liildcslioim  675,5. 
KB.  V.  K.-.ln  546  ff.  659. 

681  f. 
G.  418.  431. 
Pr.  460,  1. 
Guntheim  218,  3. 
Gunzo,  B.  710,  5. 
Gurk  OSO,  4. 

»ad  401. 

Ilad.lo,  Prior   171.  353. 
Hadebal(i,Hadubald,EB. 
674,  3. 


Hadeln  357,  1. 
Hadrian 

I.,P.  81  ff.  97.205.228. 
254.  284.  286.  293  ff. 
308,  2.  311  ff.  320. 
324 ff.  385.  444.  487. 

IL,  P.  557  ff.  699  f. 
Hadubrand,  P:Pr.  708,  1. 
Hafti  569,  3. 
Haholt  419.  435,  2. 
Haistulf,  EB.  613, 1.  632. 

636. 
Haito,  B.  170,  1.  202,  3. 

227,3.234,4.243.579,3. 

590,  5.  615.  654f.  754. 
Halabing  748,  1. 
Halaholf,  G.  569,  6. 
Halberstadt   409  f.    413. 

565,  1.  612.  675. 
Halitgar 

B.  V.  Cambrai   731. 

Missionspr.  671. 
Hallstadt  5,  2.  340. 
Hamburg405.669,3.675ff. 
Hameln  377,  4. 
Hammelburg4,3.5,2.381. 
Handarbeit  der  Mönche 

577  f.  583. 
Harald,   K.  669.  672. 
Harbert,  A.  724,  4. 
Harduin 

L.  in  St.  Saturnin  190. 

M.inSt.  Wandrille  195. 
Hariolf  568.  660. 
Hartgar,  B.  511. 
Harthiimus,  B.  51,  3. 
Harthwig,  B.  624,  4. 
Hartmut,  A.  612,  4.  617. 

769. 
Harz  377. 
Hasegau  413,  2. 
Hassegau  365  f.  410. 
Ha.s8gau  340,  2. 
Hassio,  Hessi,  G.  373,  3. 

379.  601. 
llathumar,   B.  408.  600. 
Hathumod,  Ä.  602.  664. 


—     827     — 


Hatto,  Atto  I 

A.v.Fuldal52,l. 610,4.  , 
622,  3.  650,  2. 

B.  V.  Freising  102,  1. 
234,  5.  427.  442,  2.  [ 
452,  6.  453,  1. 

B.  V.  Passau  452,  6. 

B.   V.   Verdun   547,  7 
548,  10.  556,  7. 

EB.   V.   Mainz   565,  2 
687,  3.  709.  712,  5 

Pr.  725,  4. 
Heddo,Eddo,  B.47.  59,1. 

61.  67. 
Heidentum  362  S.  387  f. 

393  if.  757  f. 
Heilbionn  4,  3.  5,  2. 
Heilige 

Adelgundis  377,  3. 

Adelphus  748. 

Agapet  750. 

Alexander  567,  4.  659. 
749. 

Andreas  4,  3. 

Audomar  877,  3. 

Bachus  747. 

Bartholomäus  749. 

Bavo  377,  3. 

Benedikt  429,  2. 

Blasius  748. 

Bonifatius  344,  3.  745. 

Brandan   743,  1. 

Briccius   743,  1. 

Candidus  746,  5. 

Cäsarius   746,  5. 

Castor  748. 

Christoph  429,  2. 

Chrysantus  748. 

Clodoald  377,  3. 

Cocovatus  570. 

Columba  749. 

Daria  748. 

Eligius  377,  3. 

Emmeram  426.  429,  2. 

Epimachus  746. 

Eusebius  748. 

Felicissimus  750. 


Heilige 

Felicitas  749. 
Ferrutius  567,  2.  659. 

746. 
Gallus  59.  749. 
Genesius  569,  5.   746. 
Genovefa  377,  3.  745. 
Georg  423,  1. 
Germanus  377,  3. 
Goar  660. 
Gordianus   746. 
Gorgonius  67,  5. 
Hadrian  691. 
Hermes  749. 
Hubert  747. 
Januarius  748. 
Innocentia  747. 
Johannes  4,  3.  429,  2. 

691. 
Justinus  747.  749  f. 
Kilian  745. 
Korbinian     416.    426. 

429,  2. 
Leo  V.  Sens  745. 
Liborius  750. 
Liudger  408. 
Lorenz  4*^,  1. 
Magnus  750. 
Marcellin  747. 
Marcus  748,  7. 
Maria  4,  3.  48,  1.  397. 

406,  6.  407.  429,  2. 

451,2.458,2.673.691. 
Martin  4,3. 429,2.464,1. 

690. 
Maternian  679,  2. 
Maximilian  749. 
Medardus  377,  3.  745. 
Michael  4,  3.  429,  2. 
Nabor  56,  5.  67,  5. 
Nazarius  56,  5.  67,  5. 
Otmar  749. 
Pankraz  429,  2. 
Peregrin  748. 
Petrus  4,  3.  48,  1.  80. 

390,  2.  407.  429,  2, 

746,  5. 


Heilige 

Pontian  748. 

Pusinna  750. 

Remigius4,3.377,3.745. 

Rupert  417. 

Sebastian  747. 

Senesius  748. 

Sergius  747. 

Sevei'us  747. 

Sintpert  454,  2. 

Sixtus  48,  1. 

Stephanus  418,4. 429,2. 

Sualo  752. 

Tertulin  426,  2.  429,  2. 

Thecla  743,  1. 

Theodulus  567,  4.  746. 

Trudo  377,  3. 

Valens  748. 

Valentin  416.   429,  2. 

Vedastus  377,  3. 

Veit  750. 

Venantius  751. 

Vincentia  747. 

Walburg  749. 

vgl.     das    Klösterver- 
zeichnis Beilage  H. 
Heiligendienst  143.377,3. 

397.  625.  5.  745  ff. 
Heiligenleben    136.    195. 

196,  7.  321.  658  f. 
Heiligenstedten  679,  2. 
Hello  343,  4. 
Heimo,  Pr.  460,  1. 
Heinrich,     Einrieb,     B. 

428,  10.  452,  6.  453,  1. 
Helena,  K.  327,  4. 
Helgoland  343,  4.  356  f. 
Heliand  603,  3.  768  ff. 
Helisachar,  A.  148.  494  f. 

496,  9.  500. 
Helmgaiid,  Helmgot 

B.  V.  Verden  677. 
G.  102. 
Helmstedt  339,  2. 
Hemming,  K.  668,  3. 
Hemmo,Haimo,B.  612,6. 
622,  4.  624,  4.  635.  726. 


—     828 


Herbocl,  A.  381,  4. 
Heriy)ald.  B.  731. 
Horiburg,  Ä.  4u7. 
Herich.  A.  216,  5. 
Heridac,  Pr.  077. 
Herlheim  4,  3. 
Hermann,  EB.  687.  712, 

5.  6. 
Herolf,  Chorb.  722,  3. 
Herzfeld  406,  6. 
Hessen  372.  570. 
Hessheim  217,  5.  218,  3. 
Hessi  s.  Hassio. 
Heterius,  M.  290  ff. 
Hetha  1500. 
Hetti,    EB.  510.  587,  4. 

599,  5.   748. 
Hexe  452,  3.  758,  1.  762  f. 
Hiddi  3.^0. 
Hieronymus    50.  132,  5. 

137.  154.  191,  3.  196  f. 

635.  666.  5.  778,  8. 
Higbald,Hjgbald,B.146. 

185,  1. 
Hilarius,B.2i9,2. 296.635. 
Hildebert,  Cliorb.  722,  3. 
Hildegar 

B.   V.   Köln  52.  54,  3. 

B.  V.  Meaux  547,  7. 
Hilde.oheim   377.  3.  409. 

675. 
Hil.libald.  Hildebold, EB. 

102,1.107,2.111.202,3. 

206.  208.  211,  1.  447. 
Hildibrand,  Childcbrand 

H.  V.  Spoleto  '.»5,  1. 

Oheim  Pippins  13.121. 
Hildigrim 

B.  V.  Chfilons  354,  5. 
377,3.408.410.602. 
675. 

B.  V.  Halber.stadt  408. 
710,  5.  711.  2. 
HibÜHnot  571,  4. 
Hildolf,  A.  48,  1. 
Hilduin,  A.  v.  St.  Denis 

495f.  508,  2.8.747.750. 


Hilduin 

B.  V.  Avignon  547,  7. 
B.  V.  Cambrai543.  559. 
B.  V.   Verilun   715,  4. 
EB.  V.  Köln  681,  5. 
Hilperich,  Maler  261. 
Hiltigar,  B.  453,  5. 
Hiltipurk  60^. 
Hiltun,  Pr.  198,  1. 
Hinkmar,  EB.  519,5.  541. 
543.  547  ff.  607.  654. 
Hitto,  B.  749. 
Höchst  747. 
Hoger,  EB.  687,  2. 
Hohenburg  a.  M.  48. 
Holda  757. 
Holdolf,  B.  711,  2. 
Holenburg  464,  1. 
Holstein  679,  2. 
Holzkirchen  i.  Ries  751,2. 
Holzschnitzerei  265. 
Homiliar246ff.588f.636f. 
Horich 

d.  ältere,  K.  683. 
I       d.  jüngere,  K.  684. 
Hospiz  auf  d.  Septimer 

277,  4. 
Höxter  600. 
Hraban 

A.EB.  152. 166,2.227,3. 
484. 507  f.  51 1,2. 522. 
564,  4.  567,  4.  588,  3. 
595.599,5.606.608,3. 
610.4.  611  ff.  647,2. 
649  ff.  665.  666,  5. 
678,  5.  685,  6.  722. 
726.  731.  747.  762. 
i  764  f.  769. 

Laie  47,  1. 
HrikfrP.l.   B.  355,  5. 
llrodbiit,     Hrodberht. 
Kuotpert,  Rotbert 
i      B.V.Metz  712,2.3.5.6. 
Pr.  431. 
Hrodgaud,  Rodcaud  95, 1 . 
161. 
1  Hruothild,  Ä.  601. 


Hucbert,  A.  545.  705. 
,  Huggi,  A.  599,  5. 
t  Hugmerke,     Hugmerchi 
j      352.  356,  1. 
Hugo 

A.  V.  Lobbesu.  St.Quen- 

tin  492,  6. 
ernannter  KB.  v.  Köln 

559. 
G.  494. 

Sohn  Lothars  11.545,4. 
Humbert,    Humpert,   B. 
609.638,1.641,1.722.3. 
748,  1. 
Hunesga  356,  1. 
Hunfrid,  G.  798. 
Hunger,  B.  548,  10. 
Hunrich 

A.  433,  3.  444. 
Chorb.  722,  3. 
Hunte  676. 
Hupold  569,  2. 
Hymnen  665  f. 

Jagstgau  340,  2. 
Jakob,  A.,  B.  51,  4.   67. 

203,  2. 
Icho,  A.  434,  5. 
Ickelheim  5,  2. 
Jeremias,  EB.  489  f.  564. 
Jerusalem  51,  5.  333. 
Jesi  28. 
Je88e,B.  102,1. 181,6.495. 

496,  3.  521.  4. 
Iffgau  49,  3.  340,  2. 
Ikia  680. 
Ildefons,  B.  296. 
Irama  177,  5. 
Immunität  38.  222. 
Iiiiola  86. 

Indiculus  superst.  393  ff. 
Ingeid   185,  1. 
Ingelheim 4, 3.  5.2.672,1. 
Ingeltrud  551,  7. 
Ingenuin,  B.  428,  10. 
Ingo,  G.  469. 
Inschriften   260,  4.   264. 


829     — 


Johannes 

A.  V.  Mattsee  433,  6. 

B.  V.  Konstanz  48.  59tf . 
67. 

B.  V.  Seben  428,  10. 
D.,  Gegenpapst  512. 
Dux  79. 

EB.  V.  Arles  211,  3. 
EB.  V.  Ravenna  541. 
EB.   V.   Ronen  712,  2. 
M.  in  Rom  90. 
M.  in  St.  Sabas  333. 
VIII.,  P.  558  ff.  702  ff. 
Pr.  285. 

Scotus  Erigena  535,  8. 
607. 
Jonas,  B.  489 f.  490, 3. 509. 
Jordanes  176,9.194,7.195. 
Joseph 

B.v.Freising419. 425,7. 

434,  3. 
Scottus   134,  3.   154  f. 
Ipphofen  4,  3.  5,  2. 
Irene,    K.   91,  4.    310  ff. 

327. 
Iring,  B.  712,  6. 
Irmgard,  Irmingard 
Gemahlin    Lothars    I. 

599,  5. 
Tochter  Ludwigs  d.  D., 
Ä.   V.  Buchau  432,   2. 
799. 
Irminfrid  434. 
Irminsul  371. 
Iroschotten  153  ff.  617. 
Isanbert,M.,Goldschmied 

613,  3. 
Isengau  423. 
Isidor,B.  50.192. 195. 296. 

635. 
Iso,  L.  618.   660. 
Itzehoe  668.  3.  679,  2. 
Juden  225,  7.  631,  3. 
Judith 

Kaiserin   494.   496,  8. 

499.  632,  1.  656. 
Tocht.  Karls  d.K.549,3. 


Juliana,  A.  49,  3. 
Jülich  712.  1. 
Justin  IL.  K.  320. 
Jütland  364. 

Kaisertum    104  ff.  318. 
Kanonikate574.584.587  f. 

593.  597. 
Kanonische  Regel:  Chro- 
degang   62  ff'.    586,  7; 
Aachen  585  ff. 
Kanonisches  Leben  62  ff. 

238  ff.  449.  585  ff. 
Kanonissen  586  ff". 
Kanzlei  490  f. 
Kapitel  65.  642. 
Kapitel  über  die  Bilder- 

verehrung  324. 
Kapitularien  280.  562. 
Karantanen  456  ff. 
Karl 

d.  D.  565,  1. 
d.  E.  565,  1. 
d. Gr.  55,1. 58,3.69-472. 
535.540.  563  ff.  578 f. 
668  f.  673  f.  702.  746. 
753  f. 
d.  K.  494—514.  521  f. 
538f.543f.555.598,l. 
607.  656.   679.  737. 
EB.v.Mainz565,2.710. 

747. 
K.  V.  Burgund  516,  7. 
Martell  12,  2.   121,  2. 

445.  754,  8. 
Sohn  Karls  d.  Gr.  144. 
Karl  mann 

Sohn  Karls  d.K.  598,2. 

SohnKarlMarteIls3ff. 

19.  53,4.340,2.364. 

Sohn    Ludwigs    d.    D. 

599,  5.  749. 
Sohn  Pippins  74.  81  f. 
Kärnten    457  ff.    465,  2. 

689,  1. 
Karolinische  Bücher  105. 
110.  316  fl\ 


Kastei  567,  2.  746. 
Keba,  Geba,  A.  59,  1. 
Kelch  268.  446. 
Kierzy  23. 
Kinzheim  216,  1. 
Kirchbach  689,  6. 

Kirchen:  in  Deutschland 
718;  im  B.  Freising 
429,  2;  im  B.  Münster 
406, 6  ;im  B.Osnabrück 
413,2;imB.Strassburg 
48,  1;  im  B.  Utrecht 
355,5 ;  im  EB.  Hamburg 
679;  im  EB.  Salzburg 
423,1;  691;  in  Franken 
4, 2;  in  Kärnten  458, 2; 
in  Lyon  233,4 ;  im  würz- 
burgerSlawenland342. 

Kirchenbau  256  f. 

Kirchenbauten  52,7. 56,3. 
387.418  423.429.611. 
621.  691.  715  f. 

Kirchenbesuch  706.  714f. 

Kirchengebet  91. 

Kirchengerät  265  ff.  622. 
724,  4. 

Kirchengesang  34.  53,  1. 
110.  253.  450. 

Kirchengut  43  ff'.  211  ff". 
388.  405,  5.  423.  451. 
493  f.  522.  528  f.  543. 
563.  625.  724. 

Kirchenlehen  221.  543. 

Kirchenstaat27f.33.77ff. 
475  ff. 

Kirchenvisitationen  233. 
236  f.  24 1.689. 7 14.  733. 

Kirchenvogt  232. 

Kirchenzucht  s.  Buss- 
wesen, Beichte,  Dis- 
ziplin. 

Kirchheim  4,  3. 

Kirchhof  387. 

Kirchthürme  260. 

Klassische  Studien  132. 
135.  605f.  611.  616  f. 
634.  658.  663,  3. 


830 


Klerus,  Zustände  im  34,3. 

89.   237  fl-. 
Klöster  und  Stifter 
Aachen :  St.  Maria  805. 
Adalungszell  569.  799. 
Alden-Eyk  805. 
Aldrichszell  568.  798. 
Altaich433.462.565,3. 

594,  1.  689,  6.  691,  5. 

809. 
Altomünster  809. 
Alt-Ötting  599,  5.  749. 

809. 
Altripp  715,  2.  800. 
Aluwini  Mons  599,3.4. 

808. 
Amönfburg  796. 
Amorbach  377.  802. 
Andenne  805. 
Andlau  215,  3.  599,  5. 

802. 
Angouleme:St.Eparch. 

574,  3. 
Aniane   573,  6.  577  ff. 
Ansbach :  St.Maria571. 

573.  802. 
Arra9:St.Vedastl36,3. 

265.  267.  5. 
Auiml.<!engau431.808. 
Augsburg:       Domstift 

594,  1.  797. 
Auhausen  a.  A.  599,  3. 

79«<. 
Autun:St.Mart.594,  4. 
Bangor  617,  S. 
Basel:  Domstift  594,  1. 

810. 
Bassum  602.  810. 
BaiigolfsmOnster   571. 

803. 
Baumerienbach    571. 

802. 
Beaulieu  808. 
Bpnediktbenren  797. 
Hfinken  569.  2.  799. 
Berg      8.      Haindling- 

berg. 


Klöster  und  Stifter 
Bergh   128,  9.  369,  3. 

566,  6.  805. 
Bischofsberg  570.  796. 
Bleidenstadt  566.  746. 

796. 
Bödekken  602.  800. 
Bonmoutier598,2.808. 
Bonn:    St.   Cassius   u. 

Florent.  566,  6.  804. 
Brachau  599,  3.  4.  803. 
Bremen:  Domstift  810. 
Bretigny  34,  3. 
Brunshausen  601.  750. 

799. 
Buchau  799. 
Bücken  602.  810. 
Buxbrunn  594,  1. 
Garden  748. 
Chammünster  809. 
Charroux  196. 
Chelles  137,  5. 
Chevremont  805. 
Chiemsee:     Herren- 

wörth  202,  3.  416,5. 

432.447.457.594,  1. 

80H. 
—  Frauenwörth    432. 

808. 
Chur:  Domstift  798. 
Claroangus  801. 
Coblenz :  St.Ca8tor699. 

748.  807. 
Corbie  172.  277,4.  378. 

491.  600.  673  f.  679. 
Cormari  580. 
Corvey  409,  4.  496,  9. 

584,  3.  594,  1.  600. 

664,    4.     674.    750. 

800. 
Cougnon  806. 
Devent^r  352.  806. 
Dijon,  St.  Seine  576  f. 
Disentis  594,  1.  798. 
Dif^ibodenberg  796. 
Drilbeck  601  f.  799. 
Durham  191. 


Klöster  und  Stifter 
Ebersheimmünster 

215,  3.  694,  1.  801. 

Echternach   123.   171. 

202,  3.  389.  565,  3. 

598,  2.  807. 
Egmont  806. 
Eichstätt:     Domstift 

798;St.Walburg798. 
Einfirst49,  3.  571.802. 
Ellwangen    418.    568. 

594,  1.612.660.797. 
Kino  8.  St.  Auiand. 
Enfonvelle  808. 
Engelbrechtsmünster 

436.  809. 
Erfurt:  Domstift  796; 

St.  Severus  747.  796. 
Erstein  215,  3.  599,  5. 

802. 
Eschau215,3.569.801. 
Essen  599.  804. 
Esslingen :    St.    Vital. 

569.  799. 
Etival  215,3  598,2.808. 
Ettenheimniünster 

48,1.215,3.594,1.801. 
Faurndau  800. 
Ferneres  128.  146. 
Feuchtwangen     568. 

594,  1.  797. 
Fischbach  570.  803. 
Flavigni  128,  9.  594,  4. 
Foreste  175,  2. 
Fo.sse  805. 
Frankfurt :  St.  Salvator 

599.  626,  2.  797. 
Freckenhorst  602.  750. 

806. 
Freiaing :  Donist.  594,1 . 

809;  St.  Andreas  434. 

809  ;Weihen8tephan 

809. 
FHtzlarl  69. 565,3. 796. 
Fulda  4,  2.  6,  2.  57  f. 

129.142,2.  169.214. 

215,3.219.259,6.7. 


831     — 


Klöster  urid  Stifter  j 

265.  269  f.  275.  3. 
277,4.377.381.499,2. 
511.565,3.570.573. 
590.594,1.610ff.664. 
796. 
Fulradsweiler    215,  3. 

565,  3.  570.  801. 
Füssen   797. 
Gandersheim  602.  799. 
Gars  431.  808. 
Gemünden  807. 
Gengenbacli   56.    593. 

594,  1.  801. 
Gent:  St.  Bavo  202,  3. 
Gen-esheim  804. 
Godesberg  566.  6.  804. 
Gorze  55.  67,  5.  169. 
594,  1.  598,  2.  807. 
Granfelden  215,  3.  810. 
Gunzenhausen572.798. 
Haindlingberg    436. 

809. 
Halberstadt:  Domstift 

410.  594,  2.  798. 
Hamburg:     Domstift 

679.  810. 
Hameln  412.  805. 
Hammelburg  802. 
Haslach  215,  3.  594, 1. 

801. 
Heidenheim   170.  750. 

798. 
Heiligenberg  599,  4.  5. 

802. 
Helmstedt  412.  799. 
Herbitzheim  807. 
Herbrechtingen  565,  3. 

568.  797. 
Herford  601.  750.  800. 
Herriedeu     463.     572. 

594,  1.  798. 
Hersfeld  58. 214.  224,1. 
378.     410.     565,    3. 
573.     599.     626,    2. 
796. 
Herzebrock  602.    806. 


Klöster  und  Stifter 
Hildesheim:    Domstift 

675.  799. 
Hirschau599,3.  5.  801. 
Hirschzeil  568.  798. 
Hohenburg  215,3.  801. 
Holzkirchen 565,3.571.  ' 

802. 
Honau211.6.215,3.801. 
Hornbach  215,  3.  593. 
594,  1.  598,  2.  807. 
Hornburg  602.  799. 
Hünfeld  570.  803. 
Hupoldszell  569.   799. 
Ilmmünster  435.  809. 
Innichen437.458.810. 
Johannisberg  b.  Fulda 

599,  4.  5.  797. 
Jonschwil  800. 
Isen  416,  5.  425,  7.  435. 

809. 
Jumieges  57,  4.  666. 
Justina  389. 
Juvigni  599,  5.  807. 
Kaiserswerth  368.  804. 
Karlburg  4.  802. 
Kar^bach  599,3.5.601. 

803. 
Katzis  798. 
Kempten  499,  2.  568,4. 
584,  4.  594,  1.  746. 
749.  799. 
Kessel  h05. 
Kesseling  807. 
Kettenbach  599,5.807. 
Kirchbach  433.  809. 
Kitzingen  802. 
Klingenmünster  202,3. 
215,  3.  567.  594,  1. 
626,  3.  746.  801. 
Kochelsee  797. 
Köln:  Domstift  594,  1. 
804;  St.  Cäcilia804; 
St.  Gereon  804;  St. 
Kunibert804;St.Ma- 
ria  auf  d.  K.804;St. 
Martin  381.  804;  St. 


Klöster  und  Stifter 

Severin  804;  St.  Ur- 
sula 804. 

Konstanz:     Domstift 
594,  1.  799. 

Kornelimünster  581. 
590.  599.  804. 

Kremsmünster43o.446. 
459.  462.  689,  6.  809. 

Lammspringe  601.799. 

Lauterbach  569.   799. 

Leberau  s.  Fulrads- 
weiler. 

Lerinum  491. 

Liesborn  806. 

Limburg  599.  807. 

Limoges :  St.  Martial 
574,  5. 

Lindau  599.  799. 

Littemala  805. 

Lobbes  574,  5. 

Longuiou  806. 

Lor8ch56.  67,5.  202,  3. 
214.  215,  3.  265.  427. 
565,  3.  573.  594,  1. 
.599,  4.  796. 

Lotusa  202,  3. 

Lüttich:  Domstift  805; 
St.  Lorenz  805. 

Lützelau  799. 

Luxeuil  215,  3.  432,  1. 

Luzern  799. 

Lyon:  St.  Martin  217,1. 
233.  4.  580;  St.  Paul 
217,1  :St.Peter217,l. 
233,4;  St.  Ragnebert 
217,1.233,4;  St.  Ste- 
phan 217,  1. 

Maggenzelle  49. 3.  802. 

Maiuz:  Domstift  796; 
St.  Alban  567.  672. 
747.  796;  Altenmün- 
ster 747. 7  96;  St.  Ma- 
ria 796;  St.  Nikomed 
796;  St.  Viktor  170. 
796. 

Malmedy  598,  2.  804. 


832     — 


Klöstor   und  Stifter 
Mannzoll   568    79it. 
Marchtlial  569.  799. 
Marseille:    St.   Viktor 

211,  6. 
Masmünsterl68.215,3. 

570    810. 
Mast  rieht:   St.  Sevvaz 

598,  2.  805. 
Mattenzelle  s.  Einfirst. 
Mattsee    483.    594,   1. 

689,  6.  809. 
Maurmünster   215,    3. 

581.593.594,1.801. 
Maximilianszelle418,3. 

456.  457.   1.  808. 
Megingaudeshausen 

49,  3.  803. 
Meppen  409.  676.  806. 
Meschede  805. 
Metelen  602.  806. 
Metten  436.463.594,1. 

689,  6.  809. 
Mettlach  51,  3.  211,  6. 

807. 
Metz:  Domstift  265,  2. 

594,  1.  599,4.  807; 

St.  Arnulf  598,2. 807; 

St.  Glodo«ind  598,  2. 

807;St.Martin598.2. 

807;   St.  l'eter  807. 
Michelstadt     177,     5. 

260,  1. 
Milz  265.  267,  3.  5.  570. 

803. 
Minden:  Domstift  805. 
Möllenbeck  602.  805. 
Mondsee  192,4.202,3. 

433.447.462.594,  1. 

809. 
Monheim  277,  4.  750. 

798. 
Monte  Cafsino  164. 172. 

355.  573. 
Montierender    574,   5. 

592. 
Moosburg  435. 463.809. 


Klöster  und   Stifter 
Mosbach   594.  1.   803. 
Moyen-raoutior  202,  3. 

215,  3.  270.  598,  2. 

808. 
Münchsmünster     436. 

809. 
Münster  :l>orastift406f. 

805. 
Münster  i.  Gregorien- 

thal  215,  3.  573,  6. 

594,  1.  810. 
Münsterdorf  671.  810. 
Münstereifel  748.  804. 
Münstermaifeld  806. 
Murbach      127.      170. 

215,3.511.593.594,1. 

810. 
Murrhardt  803. 
Neuenheerse  602.  800. 
Neuenhof  568.  796. 
Nenhausen  567.  802. 
Neumünstor  599,5. 807. 
Neustadt  a.M.  57 1.803. 
Neuweiler  593.  594,  1. 

74«.  801. 
Niederaitaich    s.    Alt- 

aich. 
Niedermünster  i.    Eis. 

215,  3. 
Niedernburg  433.  809. 
Nivelles  805. 
Noirmoutier  49 1.496,9. 
Nottuln  407.  805. 
Ochsenflirt  802. 
OhrdruH   796. 
Ölberg  833. 
Orbais  650.  652. 
Onnabrück:     Domstift 

806. 
Osterhofen  433.  809. 
Ottenbeuren568.594,l. 

797. 
Otting  418.  431.  808. 
Ötting  8.  Alt-Ötting. 
Paderborn :     Domstift 

800. 


Klöster  unil  Stifter 
Paris  :St.Gerniaind.Pr. 

216. 
Passau:   Domstift  809. 
Pcrachtoltszell     569. 

799. 
Petersberg    b.    Fulda 

599,  4.  5.  623.  803. 
Pfäfer8  511.  593  f.  798. 
;       Pfatfmünster  436.  809. 
Pfalzl  345.  807. 
Pferdmund  810. 
!       Pisendorf  431.  808. 
Poitier8:St.Hilar.574,3; 

St.  Maixent  593. 
Polling  797. 
Prüm  2 14. 565, 3. 594,1. 
i  663  f.  807. 

Quedlinburg  601,  4. 
Radolfszell  748,  7.  800. 
Raitenhaslach  808. 
Ramesloh  680.  802. 
Kasdorf  570.  622.  803. 
Ratpotszell  568.  799. 
Ravenna:   St.   Severus 

747. 
Regen8burg:St.Emmer. 

428.  436.  463.  565,  3. 

691,  5.  809;  Marien- 

kapello436,5.599.5. 

810;  Niedermünster 

436.  809;  Obermün- 

stor  436.  809. 
Reichenau     59.      170. 

202,3.511.573.  590. 

593— 612.615tf.656. 

748  f.  799. 
Remiremont  590.  593. 

807. 
Retel  807. 
Hewin  805. 

Rheinau  599.  748.  799. 
Ridigippi  (?)  602.  799. 
Rindj.ach  433.  809. 
Roding  599,  5.  810. 
Rohr  599,  5.  803 
Rott  433.  809. 


—     838 


Klöster  und  Stifter 
Ruetten  805. 
Saal  599,  3.  4.  803. 
Säckingen  799. 


Salmünster  599,  4.  5. 

797. 
Salona  s.  St.  Privat. 
Salzburg:  St.  Peter459. 

594,1.808;  St.  Maria 

808. 
Sandau  797. 
St    Aignan  202.  3. 
St.Araand202.3.259,6. 

420.  424.  574,  3.  592. 
StAvold  56,  5.  67,  5. 

215,  3.  259,  6.  277.  4. 

807. 
St.  Bertin  148  f. 
St.Denis  3.  6,  2. 12.  22. 

44,1.68.95.158.211,6. 

215,  3.  259,  6.  418. 

427,  7.  508.  569,  3. 

574,  3.  589.  593.  750. 
St.  Die215,3. 598,2.808. 
St.  Florian  432  f.  809. 
St.Ganen59f.l69.214f. 

215,3.259,6.7.260,1. 

270.277.4.511.594.1. 

599,4.612.617  f.661ff. 

666,  5.  749.  799. 
St.  Germer  de  Flay  196. 
St.  Goar  806. 
St.  Hubert  599.  5.  747. 

805. 
St.  Josse  s.  M.  128,  5. 
St.    Maur    des    Fosses 

575,  5. 
St.  Maurice  61. 
St.  Mesmin  580. 
St.  Michael  in   Fulda 

611,  1. 
St.  Mihiel  641,  2.  808. 
St.  Omer  148  f. 
St.Pilt215,3. 570,2.801. 
St.  Polten  434. 
St.  Privat  375,  2.  566. 

807. 
Hauck,  Kirchengeschichte 


Klöster  und  Stifter 
St.  Riquier  136,  3.  175. 

259,6.7.270.277,4. 

598,  1.  746,  6.  748. 
St.  Sabas  333. 
St.  Sigmund  215.  3. 
St.  Trond  805. 
St.  Viktorsberg  599,  4. 

800. 
S.Vincenzo  138.573,6. 
St.  Wandrille  7.    168. 

211,6.216.270.574,3. 

590. 
Schännis  599,  5.   798. 
Scharnitz  425,7. 426,1. 

2.  434.  809. 
Sclieftlarn  427,  5.  434. 

809. 
Schienen   569.  594.  1. 

746.  799. 
Schiedorf  426,2.  427,1. 

434.  809. 
Schliersee  435.  809. 
Schlüchtern  803. 
Schönau  436.  809. 
Schornsheiui  567.  796. 
Schuttern  215,  3.  593. 

594,  1.  801. 
Schvrarzach,  D.  Strass- 

burg215,3.  593.  801. 
—  D.  Würzburg  49,  3. 

571.  803. 
Seligenstadt,  D.Mainz 
180.260,1.261.594,1. 

599,5.605,4.747.796. 
1      —  (Osterwiekj  410. 
I      Sens:  St.  Peter,  St.  Jo- 
hannes,  St.   Remig. 
575,  5. 
Senones  202,  3.  215,  3. 

598,  2.  808. 
Sieverstadt  797. 
Soissons:    St.   Medard 

747. 
Solnhofen  261.  277,  4. 

798. 
Solothurn  810. 
U.    2.  Aufl. 


Klöster  und  Stifter 
Spalt  572.  798. 
Speier :  Domstift  594. 1 . 

800. 
Stablo  598,  2.  805. 
Staflfelsee  214.  219,  1. 

265.  267,  3.  5.  797. 
Stettwang  568.  797. 
Strassburg:     Domstift 

594,  1.  801;  St.  Ste- 
phan   215,    3.    569. 

594,1.  801;  St.  Tho- 
mas 215,  3.  801. 
Surburg  594,  1.  801. 
Süstern  598,  2.  805. 
Tauberbischofsheim 

170.  802. 
Tegernbach  435.  809. 
Tegernsee  416,  5.  434. 

809. 
Thierhaupten437.797. 
Tholey  598,  2.  806. 
Thourout  678  f. 
Toul:  Domstift  807;  St. 

Evre  598,  2.  599,  5. 

808;     St.     Germain 

598,2.599,3.808;  St. 

Martin   598,2.  808; 

St.  Peter  u.  Mansuet 

808. 
Tours :  St.  Martin  128. 

130.148f.  168.204,4. 

216.  262.  574,  4. 
Traunkirchen  809. 
Trier:    Domstift    806; 

Öhren  598, 2. 806;  St. 

Eucharius  806;    St. 

Maria  ad  ripam  806 ; 

St.  Maria  maior806; 

St.  Martin  806;  St. 

Maximin214,7.598,2. 

806;  St.  Paulin  806; 

St.  Symphorian  806. 
Troyes:  St.  Lup.  128. 
Trudpertszell  799. 
Tufers  798. 
Turholt  s.  Thourout. 
53 


—     834 


Klöster  und  Stifter 
Ursanne  810. 
Ursel  Ö99,  4.  707. 
Utrecht:  Domstift  171. 

344.353,2.565,3.806; 

St.  Salvator  806. 
Verden.  Dorastift  802. 
Verdun,  Domstift  808. 
Visbeck  409.  413.  676. 

806. 
Vreden  750.  806. 
Wanc^heim  570.  803. 
Weilburg  599.  807. 
Weissenburg  47,  3.  4. 

202,  3.  214  f.  215,  3. 

271.594,1.612.616,1. 

800. 
Welanao    s.    Münster- 
dorf. 
Weltenburg  436.  809. 
Werden  277,4. 407.411. 

511.  566.  804. 
Wessobrunn  797. 
Wiesen-steig 599,5  800. 
Wildeshausen  601. 750. 

806. 
Windhausen  601.  798. 
Worms:  Domstift  802. 
Wunstorf  602.  805. 
Würzburg:      Domstift 

802;  St.  Andreas  802. 
Xanten  804. 
York  124  f. 
Zellingen  752.  803. 
Zürifh :  Frauen  münster 

215,3.594.1.599.799; 

GrossmünRter  800. 
Zurzach  594,  1.  800. 
Kochergau  340,  2. 
Koesfeld  244,  3.  406.  6. 
Köln  54,  3.  208.  376.  559. 
681  f.  711,  2.  722,  3. 
Königsboten  225.  244,  2. 
252.    279  f.   425.   428. 
563. 
Königshöfe  in  Haiem445 ; 
in  Franken  5. 


Königshofen  im  rirabfeld 

4,3.  5,2;  im  Taubergau 

4,  3.  5,  2. 
Königtum    111  ff.   497  ff. 
Konkubinat  706. 
Konrad '' 

G.  598,  2. 

I.,  K.  665,  8. 
Konstantin 

d.  Gr.,  K.  327,  4.  459. 

V.,     Kopronjmus    30. 
308  f.  310,  5. 

VI. ,    Porphyrogenitus 
91,4.311  ff.  328  f.332. 

P.  71  ft'. 

Slawenmissionar695,2. 
698  ff. 
Konstantinische    Schen- 
kung 25. 
Konstantinopolitan.  For- 
mel 255, 2. 331  ff.  659,5. 
Konstanz  44,  3.   48.  59. 

722,  3. 
Konsulat  520,  4. 
'  Kotapert,  Chorb.  469,  1. 
Krankenhäuser  60.  277,4. 
Kreuz  398.  724,  4.  738. 
Kreuznach  4,  3.  5,  1. 
Kreuzschlagen  738,5.755. 
Kriegsdienst  der  Bischöfe 

709. 
Krönung  u.  Salbung  22f. 

75.89,1.104.106.482,1. 

513  f.  540. 
Krypten  424. 
Kunibert 

n.  V.  Köln  376,  2. 

B.unbek.  Sitzes  102, 1. 
Kuno,  Chorb.  722,  3. 
Kunst    257  ff.   424.    428. 

610  ff.  617.  621. 
Kyrie  eleison  738.  751. 

Lahn  381. 
Laionäbte  598  f. 
Lai.sa   381. 
1  Landerich,  Fr.  356. 


Langobarden  14  ff.  73  ff. 
Lantbert,  A.  569,  5. 
Lantfrid 

A.  V.    Benediktbeuren 
442,  2. 

B.v.  Sehen  624,4. 710,5. 

Chorb.  in  Metz  748. 

H.  V.  Alamannien  414. 
Lanto,  B.  624,  4. 
Laragau  s.  Lerigau. 
Latinus,  Fr.  458. 
Laubach  216,  2. 
Lauffen  4,  3.  5,  2. 
Lauwers  343.  354. 
Lechfeld  445. 
Leer  354,  5.  356. 
Leidrad,  KB.  181,  6.  190. 

201,2.  233  f.  304  f.  580. 
Leo 

EB.  v.Ravenna78.85f. 
95,  1. 

IIl.,d.Isamier,K.308,2. 

IV.,  Chazarus,  K.  310. 

Nomenciator  482. 

l.,P.42,4. 50. 256, 1.305. 

111.,  F.  96ff.  208,  302f. 
334.  408.  475  ff. 

IV.,  P.  516  ff.  533.  540. 
749. 
Lerigau,    Laras    383,    1. 

390,  1.  413,  2. 
Leuderich,  Liuderich 

B.V.Bremen  680,4.681. 

]{.  V.  Würzburg  342. 
Liafwin  348  f. 
Limoges  234. 
Lioba,  Ä.  46,  2.  170.  567. 

658. 
Liobald,  Fr.  198. 
Lippe  376. 

Litaneien  451,2.665.741. 
Litania  maior  563,  1. 
Liudger,  B.  155.171.  194. 

201,  2.  202,  3.  244,  3. 
346  f.  349  f.  354  f.  406. 
668. 
Liudolf,  G.  602.  750. 


—     835 


Liutbert 

B.  V.  Münster  603,  1. 

624,  4.  710,  5.  750. 

EB.  V.Mainz  Ö59.  661. 

707,  4.  709  ti'.  722,  3. 

734,  5.  769. 

Liutburg  603. 

Liutfrid,A.416,  5.432,1. 

Liuthard.  ß.  602.  710.  5. 

711.  2. 
Liutpram,  Liupiam,  Eß. 

624,  4.  691.  749. 
Liutprand 
B.  624,  4. 

K.  der  Langobai-den  15. 

Liutward,B.666.4.712,2. 

Looa  359  f.   362.  759,  5. 

Lothar 

I.,K.482.485.496ff.510ff. 

514.516.521.540.565, 

1.  598,  2.  622.  638. 

IL,  K.516,7.  543.545ff. 

566,  6.  598,  2. 
M.  in  St.  Amand  196. 
Ludmila  704,  1. 
Ludwig 

d.D.,  K.496.521f.  539. 
544.  555.559.565,2. 
598,2.599,5.617.623. 
632, 1.656.  680  f.  689. 
693.  701.  710.  754. 
d.Fr.,K.174.341,7.409,4. 
459,1.475ff.510.562ff. 
575  ff.  599,  5.  622. 
632,  1.  642.  669  ff. 
722.  747.  754.  769. 
1I.,K.512.514,1.  516,7. 

517,  1.  533.  540. 
d.  K.,  K.  565,  1. 
d.  St.  598,  1. 
Lügenfeld  504  f. 
Lul 

EB.v.Mainz44f.50.54,3. 
56f.  67.  75,  7. 121,6. 
170.8.171.  194.205. 
346.  567.  746. 
Jude  127,  2.  156. 


Lupus 

A.  V.  Chiemsee  432,  1. 
457. 

B.v.Chälons8.M.650.6. 
Servatus,  A.v.Ferrieres 
8.  Servatus. 
Lurnfeld  458,  2. 
Lutburc  391,  2. 
Lüttich  51.  208,  2.  234. 
377. 
;  Lyon  209,  1.  211,  6.  216. 
233  f.  508,  8. 

Madalhoh,  Pr.  458. 
Madalulf,   Maler  269,  5. 
Madalveus,  B.  51, 5. 203,2. 

333,  5. 
Madalwin,  Chorb.  463. 
Magnus,Eß.  181,6.587,2. 
Mähren  690  ff. 
Mahthild,  Ä.  752. 
Maingau  176. 
Mainulf  602,  11. 
Mainz44f.56f.205ff.376. 

608.  722. 
Maioran,  Pr.  457.  460,  1. 
Malerei  260  ff.  425.  613. 

617.  622.  647. 
Manno 

B.  442,  1.  453,  5. 
Chorb.  722,  3. 

Marcus 

A.  V.  Fulda  58. 

B.  617. 
Mariasaal  458,  2. 
Marin  32. 

Marius  Victorinus  289,  2. 
Markhelm  345.  349. 
Märkte  275. 
Markuwin  345. 
Markward 

A.  V.  Prüm  501.  599,  5. 
614.   619.   663.  748. 

B.  V.  Hildesheim  686. 
Martin 

Alkuinschüler   151,   2. 
B.  V.  Tours  574. 


Märtyrer  in  Sachsen  388. 

401. 
Martyrologien  666. 
Mastulo,  B.  428,  10. 
Matfrid,  G.  494.  510,  7. 
Matricularii  66. 
Matto,  Manto,  G.  49,  3. 
Maxentius,  B.  181,  6. 
Megenfrid  467,  2. 
Megingoz,  Megingaud 

B.  V.  Würzburg  41,  8. 
49  f.  67.  75,  7. 

G.  49,  3. 

G.  598,  2. 
Meginhart 

A.  in  Tegernsee  416,  5. 

L.  in  Fulda  659. 
Meingaz,  B.  675,  5. 
Melchisedek  536. 
Meldorf  679,  2. 
Meirichstadt  4,  3. 
Merowinger  12.  49. 
Mes.se  254. 644  f.  665. 723; 

slawische  698  ft'. 
Methodius,   Eß.    695,  2. 

698  ff. 
Metropolitanverfassung 

39.53.111. 113,3.205ff. 
Metz62ff.  68.203,2.  220. 

222. 1.  432,  1.  508.  543. 
Michael 

EB.  V.  Ravenna  78. 

IL,  K.  486. 

III.,  K.  538.  698. 
Michelnstadt  48. 
Migetius  283  ff. 
Milo 

A.  v.Ottenbeuren568,8. 

B.  v.  Trier  51. 
Milret,  B.  45. 
Minden  208, 2.  390  f. 405  t. 
Miniaturen  262. 
Modena  565,  1. 
Modestus    152,    2.    457. 

605,  2.  610,  4. 
Moduin,  B.  151,  3.  501. 
Moimir,  H.  690.  694  f. 
53* 


—     886 


Monatskonferenzen    der 

Kleriker  720. 
Mönchtum39ff..i6ff.l44. 

281.  4:)2.  r,6.S  tf.  642  f. 
Möngal,  L.  617. 
Moosburg  in  Pimnonioii 

691. 
Montier    on    Tarantaiso 

113,  3.  207,  6.  2U9,  1. 
Mulachgau  340,  2. 
Miinnerstadt  267,  3.  5. 
Miinster208,2.406f.  608. 
Murhacher  Hymnen  191, 

4.  Statuten,  sog.  579,3. 

582,  3.  589. 
Murboden  458,  2. 
Muspilli  759.  766. 

Xarbonne  209,  2.  211,  6. 
Nargaud.  M.  169. 
Natur  wiBsen.schaft     135. 

636. 
Neckarau  715,  2. 
Neckargan  340,  2. 
Neitra  691. 
Neuljurg  a.  D.  453  f. 
Neunte  224.  563,  3. 
Nibelung   121. 
Nicänum  332.  659,  5. 
Nier.stein  4,  3.  5,  1. 
Nifrid,    Nebridin.s,    EB. 

209,2.  211,3.305.592. 
NikolaiLsI.,  P.533f..'i49ff. 

682.  693.  698  f. 
Nithard 

(ieHchiflit.ssclireilier 
174,H.  175,4.470.607, 

schwed.  .Mi.ssionar  680. 
Nonne  v.lleidenheim  170. 
Nonnen9,  2.  41,6.  452,  2. 

593.  707. 
Nordend i  390,  1. 
Nordfrid,  Pr.  682. 
Nordgau,  bair.  340. 
Nordthiiringgau  366. 
Nortalbinger    37H.    382. 

400f.4u3.4n5.677.768.6. 


Northumberland  369. 
Nothing,  li.  652,  4.  653. 
Notker  d   St.  618.  662  f. 
665.  666,  5. 

Oberbollingen  569,  2. 
Oberraiirsberg  371,  1. 
Oblati  187,  1.629.  649. 
Odelin,  A.  581,  4. 
Odilbert,  EB.  181,  6. 
Odilo,  H.  414.  433.  435,  2. 

456. 
Oduin  151,  2. 
Offa,  K.  128,  5. 
Ohrnm,    Orhaira   382,  2. 
Ökonom,  bisch.  709. 
Olaf,  K.  683. 
Ölung,  letzte  248.  724. 
Onias  137,  3.  151,  2. 
Oportunus,A.433,3.442,2. 
Ordination  238.  451,  1. 
Orleans  234. 
Osbald,    Chorb.    469,    1. 

689,  4.  708,  4.  722,  3. 
Osnabrück  208.2.377.409. 

675  f. 
0.starstun]tha  5,  1. 
Oßterwi.ik  410. 
Ostfalen    372.   377.  409. 

677. 
Ostfranken  4  f.  340,  2. 
Osulf  15],  2. 
Otfrid  612,  2.  619  f.  723. 

767  H".  772  H'. 
Otgar 

B.  V.  Eichstädt^624,  4. 
694,  6.  710,  5. 

EB.    V.    Mainz   185,  3. 

224,  1.   510.  522,  8. 

564,6. 60X.3. 624.672. 

714,  1.  731.  747. 

Otherc  662,  3. 

Otmar,    A.    60.    277,    4. 

660. 
Otto 

Chorb.   469,  1.  722,  3. 

H.  V.  Sarhsen  599. 


Paderborn  101.377.  379. 

408.  565,  1.  7.50. 
Palästina  333. 
Panoas  321. 
Papsttum  8tl'.  34  f.  100  f. 

109ff.308tt".  326.  475ff. 

488  f.  498  ff.  514  ff.  527. 

532  ff.  560. 
Papstwah!   30.   96.    485. 

518. 
Paschalis 

Nomcnclator  97  ff. 

I.,  P.  481.  670  f. 
Passau  234.461.  465.  689 

695.  704.  722,  3. 
Pas-sionsgottesdienste 

738,  9. 
Pastoralan wei.><ung,  sog., 

V.  Neuching  448,  2. 
Patenschaft  272. 
Paternus,  Glockongiesser 

724,  4. 
Patriciat  21  f.  85  ff. 
Patto,  Spatto,Pacifionus, 

A.,  B.  378,  1.  390. 
Paul 

Afiarta  78.  82. 

B.v.Ancona702,6.703. 

D.158f.  191.246f.  596. 
744. 

I.,P.  23, 1.28 ff. 70. 194. 
309  f.  443,  4. 
Paulinu.s,  i'atr.  95.  117  f. 

156  f.  243,  3.  298.  302. 

306.  331  f.   464  f.  467. 

596,  1.  665. 
Pavia  83. 
Pegnitz  340. 
Peppo,    i;.  51.  5. 
Perahtcoz,  A.  442,  2. 
Peter 

A.  V.  Nonaninla  181,  2. 

A.  V.   Keichenau  59,  1. 

B.v.Verdun90,4.201,2. 
202. 

EB.   V.   Mailand  95. 

V.  Pisa  127.  155  f.  163. 


837 


Pettau  703,  4. 
Pfarrbezirke  450.  7 14  ff. 
Pfarrhaus  217. 
Philipp,  M.  73. 
Photius,  Patr.  698  f. 
Pippin 

d.  Höckerige  158. 

K.  3  ff.  18  ff.  52  f.  55,  1. 
57.60,2.  68.71. 120f. 
194.  227.  253.  309  f. 
343  f.  414.  443.  457. 
570. 

Sohn  Karls  461  ff. 

SohnLudwigs496.509. 
Pippinische    Schenkung 

27. 
Pirmin,  A.  169  f. 
Plattensee  690. 
Poeta  Saxo  191.  664,  4. 
Poitiers  162,  4. 
Pongau  455. 
Ponthion  20. 
Populonia  93,  4. 
Possessor,  B.  95,  1. 
Potho,  A.  90,  3.  97,  4. 
PrachthandschriftenllO, 

3.  194.   196,  1.  2. 
Prädestination  640  650  ff. 
Predigt66.240ff.  273.467. 

621.  624,  5.  634.  644. 

714.  723  ff.  762. 
Predigten,  anonyme  245, 

1.  393  ff.  468.  738,  11. 
Prekarien  530. 
Priester237ff.451,1.723ff. 
Pri-wina,  Slaw.  Füi'st  690. 
Probus,  L.  609. 
Prosselsheiüi  5,  1. 
Provinzialsynoden  235. 
Prozessionen  98.  563,  1. 
Prudentius  191.  663,  3. 
Pseudoamalar  392,  3. 
Pseudoathanasius  164,  8. 
Pseudodionysius   535,  8. 
Pseudoisidor  522.  531  ff". 

542.  557,  3.  772,  4. 
Pusterthal  458. 


Qu  atemberf asten  724. 

Rabigaud,  A.  95,  1. 
Radbert,  Ratpert 

L.  in  St.    Gallen   618. 
661  f.  665.  752. 

Paschasius,  A.  172,  2. 
503.  663. 
Radenzgau  340  f. 
Rado,  A.  136,  3.  172. 
Radolf,   Ratolf,   Rathold 
,       B.  V.   Strassburg  511. 
548,10.553,3.710,5. 

B.  V.  Verona  800. 
Raganard  151,  2. 
Raganbert,B.223,5.234,2. 
Raginald,  H.  87.  95,  1. 
Raginar,  Reginhar 

B.  V.  Passau  433,  7. 

G.  598,  2. 
I  Raginperht,  A.  435,  4. 
Rangau4,  8.  49,  3.  340,2. 

571,  5. 
Rastislav,  H.  695  ff. 
Ratbod,  Radbod 

B.   V.   Utrecht  727,   1. 

EB.  V.Trier  712,  2.3.6. 

G.  690. 
Ratchis,  K.  15.  159,  2.  3. 
Ratgar,  A.  224, 1.269. 570. 

590.  605.  610,  4.  621. 
Ratieie,  A.  605,  4. 
Ravenna  16.  24.  85  f.  89. 

107,  1.  257. 
'  Regensburg     612.     694. 

722,  3. 
I  Reggio  201,  3. 
Reginald,  Chorb.  608,  8. 

626,  1. 
Reginbald,  Chorb.  722,  3. 

725,  3. 
Reginbert,  Reginperht 

A.  V.  Moosburg  442,  2. 

Gründer  des  Kl.  Schar- 
nitz  434. 

L.  in  Reichenau  590,  5. 
615  f.  619. 


Reginhar.  Chorb.  722,  3. 
Regino  663  f.  723.  735. 
Reginolf,  Pr.  752. 
Reichsteilung  (806)  107,1. 
Reichsversammlungen 

757  Corapiegne  34,  2. 
35,  1. 

777  Paderborn  210,  1. 
375. 

780  Lippspringe  210,1. 

782  Lippspringe  382. 

786  Worms  210,  1. 

788  Ingelheim  445. 

789  Aachen  210,  1. 
792  Regensburg  210,1. 

295. 
794  Frankfurt  210,  1. 
797  Aachen  210,  1. 

403. 
802  Aachen  280. 
813  Aachen  211. 
815  Paderborn  600. 
822  Attigni  493,  606. 

670. 

828  Aachen  495.  497. 
528. 

829  Worms  606. 

830  Compiegne  496,  5. 

830  Nimwegen  496. 

831  Aachen  496  f. 
845  Paderborn  681. 
857  Worms  682,  1. 

Reliquiar    268.    750,  12. 

753,  1. 
Reliquien  333.  416.  426. 

658.    660.  680.   745  ff 

753. 
Rembert,  B.  675,  5. 
Remigius,  Remedius 

B.  V.  Chur  227,  3. 

B.  V.  Rouen34,1.54,  4, 
253. 

B.   V.   Strassburg  570. 
Rheims54,4.  207.209,  1. 

211,6.215,3.217.220. 

377.  508,  8. 
Ribe  684. 


—     838 


Ricburg,  Ä.  601. 
Ricdag,  G.  601. 
Kichar,  B.  704,  2. 
Richardis.   K.  599.  5. 
Richbert,  L.  61f<. 
Richbod,  Kicbod,  B.56,3. 

151,3.202,3.208,3.302. 
Richildis,  K.  599,  5. 
Ricult;  Richolf 

EB.v.Mainz58,3.151,3. 
206,  1.  207.  211,  1. 
567,  2. 

EB.  V.  Köln  171. 

Sachs.  Märt.  401. 
Riedfeld  5,  2. 
Rigbold,  Chorb.  652. 
Rihpald,  P^zpr.  700. 
Rimbert,  Eß.  564,  4.  602. 

669,  3.   673,  2.  685  ft'. 

710,  5.  712.  1.  726,  4. 
Riustri  390,  1.  672,  1. 
Roadhart,  A.  442,  2. 
Rodtrud.  Rotrud  137,  5. 

312. 
Roermond  369,  3. 
Rolland,  EB.  518,  5. 
Roml6.70tf.83.91. 94.127. 

129.  257.  517. 
Romanus,  B.  47,  1. 
Römischer  Dukat  27,  2. 
Rorich  401. 
Roi-ellä  93,  4. 
Rotchar,  M.  753. 
Rothad,    B.  541.  542,  4. 
Rothar,  G.  196. 
Rothonhof  5,  2. 
Rutirar,  G.   102,  1. 
Rouen  207.  209,  1. 
Rozilo,  B.  47,  5. 
Rnadholm,   A.  616. 
Rudolf 

B.  V.  VViirzburg  565,  2. 
712.  6. 

L.  in  Fulda  362.  613. 
621.  658. 
Rnfinus  195. 
Ruodolt,  G.  709. 


Rupert,  Ruopert 
B.  V.  Salzburg  417. 
G.  56,  3. 

Ruthar,  A.  611,  1. 

Saalegau  49,  3.   340,  2. 
Sabbatfeier  399. 
Sabbutinus  748,  1. 
Sabinerland  93,  4. 
Sachsen  275,3.  349.  354 f. 

360  ö\    664.   686.   715. 

750  f. 
Sachsenkriege  370  ft". 
Sakramentarl42, 2.  253  f. 
—  gregorian.  254.  665,  1. 
Salacho,  G.  690. 
Salbung  s.  Krönung. 
Salomo 

L,  ß.  V.  Konstanz  69, 3. 
624,  4.  682.  710,  5. 
769. 

IL,  B.  V.  Konst.  609,  5. 
734,  5. 

m.,B.v.Kon.st.618.706. 
709.  712,  6. 

Chorb.  469,  1. 
Salz  5,  1.  404,  4. 
Salzburg  61.  207  f.  222,  1. 

417  ff.  424.  461  ff.  465. 

689  S.  722,  3. 
Saizburjrgau  423. 
Samo  456. 
Samuel,  B.  151,3.  152,1. 

511.  611  f.  624,  4. 
Santhrat  751,  2. 
Sarkopliiign  266. 
Satisfaktionen  767  f. 
Saxnote  392. 
Schauspiele  625,  5. 
Schleswig  674,  4.  675,  2. 

6H3  f. 
Schnaittach  340. 
Schönefeld  679,  2. 
Schreiben  121,  6. 
Schrift,     h.     136.      193. 

633  f. 
Schuld,  offene  255.  729. 


Schulen, im  allgem.l68ff. 

185  ff.  236.  450.  583. 

618  ff'.  661,  5. 
einzelne:  Anianel90, 2. 

Biscbofsberg  b.  Ful- 
da 570,  4. 

Corvey  618. 

Echternach  171. 

Ferneres  614. 

Freising  618. 

Fritzlar  169. 

Fuldal69.610ff.619. 

Gorze  169. 

Hamburg  679. 

Hofschule  121  f.  147. 
168. 185  f.  262. 604. 

Holzkirchen  571,  3. 

Hünfeld  570,  7. 

Köln  608. 

Konstanz  608. 

Lyon  190. 

Mainz  608  ff. 

Metz  65.  145.  190. 

Münster  407.  608. 

Murbach  170. 

Prüm  614.   619. 

Rasdorf  570,  5. 

Reichenau  170.  185. 
615  ff-. 

Salzburg  146.  422, 

St.  Gallen   169.  186. 
617  ff. 

St.  Riquier  189. 

St.  Saturnin   190. 

St.  Wandrille  190. 

Stablo  614. 

'lauberbiscIinfHlifiiii 
170. 

Thourout  679. 

Tours  168.  186.  610. 

Utrecht   171.  347. 

Vcrdun  608. 

Weissenburg  614. 

Würzburg  609. 

York  126  f.   171. 
Schwaben  403.  568.  715. 
748  f. 


839     — 


Schwaigern  4,  3. 
Schweden  669.  675.  678. 

680.  683.  686. 
Sorot,  G.  569,  5. 
Seelenmessen  768. 
Seelsorge    248  f.   625,  4. 

724  fl'.  726,  1. 
Segenssprüche  755  ff. 
Selbstmord  707. 
Sendgericht  733  ff. 
Sendzeiigen  734. 
Sens  54,  4.  207.  209,  1. 
Sequenzen  666. 
Sergius 

EB.  V.  Ravenna  78. 

Legat  437,  4. 

II..  P.  512. 

III.,  P.  687,  3. 

Römer  73.  79. 
Servatus  Lupus,  A.  151,3. 

519,5.596.  605.608,1. 

609  ff.  6 19. 627,2. 650,4. 
Servius  Honoratus  649, 3. 
Sichar,  EB.  587,  2.  1 

Sidonius 

B.V.Konstanz  48. 59  ff. 

B.  V.  Passau  427. 
Sigehard,  A.  694,  6.  | 

Sigibod,  Pr.  347.  ' 

Sigiburg.  Syburg372.874. 
Sigidio,  A.  442,  2. 
Sigifrid,  A.  436,  6. 
Sigihard,  Chorb.  722,  3. 
Sigimund,  B.  712,  6. 
Siginand,  Maler  598,  2. 
Sigirich,  B.  428. 
Sigulf,    Vetulus    137,  2. 

145  ff. 
Silach  568,  8. 
Silvesterlegende  320.327. 
Simon,  B.  s.  Gozbert. 
Simon,  d.  Stylit  320. 
Simonie40.  89  f.  62.5,4.5. 
Simpert,  Sintpert,  Sind- 
bert, A.  V.  Murbach  ,B.v. 

Neuburg  u.  Augsburg 

453,  5.  454.  579,  3. 


Simpert,  Sintpert,  Sind- 
bert, B.  V.  Regensburg 

428.  442. 
Sirmium  700. 
Sklaven  89.  359. 
Skulptur  264  ff. 
Slawen  339  ff.  382.  400. 

419.   454  fl'.  686.    688. 

736,  3. 
Slawenkirchen,    Würzb. 

218.  240.  342. 
Slovenische  Sprachdenk- 
mäler 468. 
Smaragdu8,A.  23,  1.118. 

335.  641  f. 
Soissons  506. 
Sola,  Sualo  660.  665,  8. 
Sonderhofen  4,  3. 
Sondheim  217.  4. 
Sonntagsfeier    40.    241. 

274f.  358. 387. 441. 724. 

738. 
Sorben  688. 
Spanien  164  f.  282  ff. 
Speier47.215.3.217.222,l. 

658,  1. 
Spital  b.  Villach  458,  2. 
Spitäler  60.  277,  4. 
Spoleto  24,  1.  31  f. 
Staffelstein  340,  1. 
Stephan 

B.,  Legat  297.  329. 

IL,  P.16  ff.  52. 75. 308, 4. 
344. 

IIL,  P.  73  ft\  7.50. 

IV.,  P.  327.  478  ff'. 

V.,  P.   687,  3.  722,  3. 
Stöckenburg  4,  3. 
Stolgebüren273,4.717,l. 
Rtormarn  679,  2. 
Strassburg  47.  61.  215,  3. 

217.  499,  2. 
Stundengebet  274.   723. 
Sturm,  Styi-mi,  A.  7.  57. 

76,  4.  169,  5.  269.  379. 

381.  444. 
Suaterloh,  Chorb.  722,  3. 


Suidberct,  Suidbert 

B.  V.  Verden  391,  1. 

Missionar  367. 
Suitgar,  G.  414. 
Sündenbewusstsein  141  f. 

629.  642,  8.  650  f.  727. 

763  ff.  773  f. 
Sundergau  429,  1. 
Sunderold,    EB.    565,  2. 

659,  2.  712,  5. 
Swarnagal,   Pr.  692. 
Swatopluk  691,  1.  696  ff". 

701,  1. 
Symeon ,     Sangmeister 

34,  1. 
Synodalwesen35.38f.113. 

209  f.  451,  1.493.  521. 

532.  536  f.  710  ff. 
Synoden 

731  Rom  308,  2. 

743  Lestinnes   398,  2. 

740— 750bair.S.unbek. 
Orts  437  f. 

um  750  Aschheim  439. 

754  Konstantinopel 
308. 

755  Verneuil  35,  1.  36. 

756  fränk.  Syn.  unbek. 
Orts  36. 

756  Verberie  36. 

um  756  Aschheim  415. 
439. 

757  Compiegne  36. 
762  Attigni  67. 
767  Gentilli  310. 

769  Rom,  Lateran 49,2. 

54,  4.  310.  327,  7. 
um770  Dingolfing  441. 
771Neuching61, 6.442. 
772  Freising  453,  1. 
774— 804  Passau  453,1. 
777  Paderborn  210,  1. 

375. 
780  Lippspringe210, 1. 
786  Worms  210,  1. 
787.  Nicäa  H.  311  ff. 
791  Cividale  399,  1. 


—     840 


Synoden 

vor  792  Sevilla  286. 
792  Re^ensburg  210,1. 

295  f. 
794  Frankfurt  110. 117. 

128.204,2.207.210,1. 

297  tf.   329  f.  746. 

796  Cividale  117,3.306. 
381. 

797  Aachen  210,  1. 

798  Rom,  St.  Peter 303. 
798Riesbach447fl".718. 
799Riesbach225.450ff. 

799  Freising  450  ff. 

799  Salzburg  450  ff. 

800  Aachen  210.2.  304. 

801  Aachen  210,  2. 

802  Aachen  210,  1.  2. 
280. 

.     804  Regensburg  453,1. 

804  Frei.sing  453,  1. 

805  [ Freising ?J  452. 

807  Salzburg  452. 

808  Jerusalem  334. 

809  Aachen  210,2. 335f. 

809  Freising  453,  1. 

810  Regen.'iburg  453,1. 
810  Freising  453,  1. 
813  Mainz  211.235,3. 

281.  624.  746. 
813Arlesl  13.2.211.281. 
813Chalons.S.211.253. 

281.  730. 
813  Rheims  211.  281. 
813  Tour.'i211.213.281. 
?  Nantes  716,  5. 
814— 840  Reuen  720, 3. 

734,  5. 

816  Aachen  582.  710,1. 

817  Aachen  582, 710,1. 
818—819  Aachen  587. 

710,  1. 

825  Paris  331,  2.  487  f. 
710,  1. 

826  Ingelheim(?)  710,1. 
829  Mainz    498.    650. 

710.  1. 


Synoden 

829  Paris  497.  521,  3. 

528  f.  710,  1.  730. 
829  Lyon  498.  710,  1. 
829Toulouse498.710,l. 
829  Worms  606.710,1. 

835  Diedenhofen  508. 
710,  1. 

836  Aachen  509.  524. 
528  f.  562.597.  710,1. 
723. 

838Kierzy645f.  710,1. 

843  Coulaines  522,  4. 

844  Juditz  520  f.  528. 
597,  3. 

844  Toulouse  522,  4. 

844  Verneuil  522,  4. 

845  Meaux  522. 

846  Paris  522. 

847  Mainz522. 597.624. 
681.718,4.731.7.35,5. 

848Mainz.j22. 625.653. 
681,  3. 

852  Mainz  522.  706. 

853  Rom  517,  2. 
857  Mainz  710. 
860  Aachen  546  f. 

862  Aachen  548. 

863  Metz  551. 

863  Rom  551. 

864  Rom  554. 

867  Mainz  710. 

868  Worms  710  f. 
870?  Regensburg 701  f. 
873  Kr.in  711. 
877— 7H  Mainz  711. 

887  Köln  7 1 1  f. 

888  Mainz  712. 

888  Metz  722,  4. 

889  MiinKter  763,  2. 

890  Forchheim  712. 

892  Frankfurt  687,  3. 

893  Metz  712. 

895  Tribur687,  .3.  712. 
916     Hohenaltheim 

713. 
1058  Bamberg  342,  3. 


Tanko.  Tagko,  Tanncho, 

A.,  B.  378,  1.  406. 
Tannkirchen  248,3.722,3. 
Tara.sius,  Patr.  325  f. 
Tassilo,H.  57,4.414.426  ff. 

572. 
Tatian  664. 
Tatto,L.  170,1.185.590,5. 

615,  5.  616.  654. 
Taubergau  340,  2. 
Tauf  bekenntnis  271.  633. 

659,  5.   724. 
Taufe41,6.254f.387.464f. 

716.  724. 
Tauffragen    181,  6.   255. 

392.  757. 
Taufkessel   266.   724,  4. 
Taufkirchen  38.  451,  2. 

716.  717,2.  719,  5. 
Taufzeiten  465.    717,  1. 

724,  1. 
Tazzo,  Tozzo,   B.   47,  5. 

454,  2. 
Tello,  B.  67. 
Testamente  222. 
Teufel  757. 
Thätigesu.  beschauliches 

Leben  144  f.  159.  595. 

642  f.  646  f. 
Thegan,    Chorb.   722,  3. 

74.5,  6. 
Theodor,  Primic.  482. 
Theodotus,  Römer  81. 
Theodrada 

Ä.  V.  Soissons   172,  3. 

Tochter  Karls  571,  6. 
Theodulf,  Thiadulf 

ß.   V.   Chur  712,  2.  6. 

B.  V.  Como  95.  165,  4. 

B.  V.  Orleans  116.  155. 
164.181,6.188.202,3. 
206.234,1.242.251. 
277,4. 302. 335.491  ff. 
521,4.580.  605.665. 
Theophylakt 

Archid.  28,  5. 

B.,  Legat  297.  329. 


841 


Theotmar,     Tbeodemar, 
Thiadmar,Thiotmar, 
Diatmar 
A.  v.MonteCassinol62. 

573,  1.  4. 
EB.  V.  Salzburg  691,  1. 
696,  6.  703,  4.  704. 
712,  2. 
Chorb.  608,  3.  722. 
Theti,  G.  602. 
Theudebert  l.,K.  364.455. 
Theutilde ,     Theotilde, 
Thiadilde 
Ä.  590,  2..  593,  4. 
Stifterin    v.    Frecken- 
horst  603,  1. 
Theutsind,  A.  168. 
Thiatbraht,    Pr.    353,  2. 

355,  5. 
Thiaterd,  B.  355,  5. 
Thietberga,    K.  545  tf. 
Thietgaud,  EB.  546  ff. 
Thietlach, Theotelaus,  B. 

712,  6. 
Thiota  754. 
Thioto,  Chorb.  722,  3. 
Thomas,  L.  605,  4. 
Thonar  392  f. 
Thousey , Vertrag  v.555,2. 
Thurgau  59. 
Thüringen  339  f.  377,  3. 
Tiburnia  455. 
Tüpin,  EB.  54,  4.  205. 
Tischgebet  738. 
Torahtbraht  46,  2. 
Totenbund     s.     (Tebets- 

verein. 
Toto,  H.  71. 
Toul  51.  203,  2.  220. 
Tours  209,  1. 
Traismauer  464,  1.   690. 
Translationen  416. 426, 2. 

745  ff. 
Traun gau  456. 
Treueid  31. 7 1.91. 96.478  f. 

514.  517. 
—  päpstl.  485.  502  f. 


Trier  51.  54,3.  208.211,6. 

220.222,1.  559.565,1. 

.587.  722,  3. 
Trinitätslehre  310. 
Trinken  zu  Ehren  derHei- 

ligen  468.  663,  6.  752. 
Troandus  571,  3. 
Tschechen  693  f. 
Tullifeld  340,  2.  571,  5. 
TuUn,  Friede  von  692. 
Tuotilo  662  f. 
Tuscien  71. 
Tutin  620,  4. 
Tuto,  B.   704,  2.  712,  6. 

tlbersetzungen,  deutsche 

191  f. 
Umstadt  4,  3.  5,  1. 
Undrimä  458,  2. 
Ungarn  686.  689,  1.  704. 
Unglaube  705. 
Unkenstein217,5.  218,  3. 
Unmässigkeit   439.   707. 
Unno  357. 

Unsittlichkeit  439.  706. 
Upkirika  348,  3. 
Urolf,  B.  427,  5. 
Ursus,  EB.  113,  7.  465,  2. 
Utrecht  52.  344 ff.  355,  5. 

376. 
ütrhiustri  383,  1. 
ütto  436,  3.  442,  2. 

Valentin,  Pr.  499. 
Vallendar  748. 
Vaterunser  271.  724. 743. 
Velden  340. 
Venedig  89. 
Verbrüderung.sbuch  417. 

453,  3.  739. 
Verden  378.  384.  389,  1. 

390.  406.  677.  681. 
Verdienst  142,1. 727.767f. 

775.  780. 
Verdun  51.  203,  2.  220. 

510,  5. 
Verendarius,  B.  501. 


Hauck,  Kirchengeschichte.    II.    2.  Aufl. 


Viennelll. 207,6.  209,  1. 
Vikariat,  päpstl.  515  f. 
Vira,  Pr.  369. 
Virgil 

B.  V.  Salzburg  61.  417. 

442.  1.  457. 
Dichter  132,  6.  611,  8. 

614.  617. 
Vitalis,  B.  455,  3. 
Vitruv  259.  616. 
Volkfeld  49,  3.  340  f. 
Volksgesänge  185. 
Volksunterricht  187  f. 
Voschisus  51,  5. 

Wadilcoz,  M.  615. 
Wahlprivilegien  201.565. 

573. 
Waifar  44. 
Wala,A.184.491tf.497ff. 

529.  564,  6.  600  f.  674. 
Walahfrid  Strabo511,2. 

605.  612,  3.  614.  616. 

653,3.  654  ff.  660.  665. 

752. 
Walaho  598,  2. 
Waldbraht  750. 
Waldburg  603. 
Walderich,  Waltrich 

B.v.  Passau 427. 453,1. 

Stifter  v.Scheftlam434. 
Waldibert  73. 
Walde 

A.  V.  Reichenau  615. 

B.  V.  Basel  202,  3. 

B.  v.  Freising  620,  2. 
704,  2.  712,  2.  6. 
Waldrada  545  ff. 
Waldramnus   151,  2. 
Waldsazzin  49,  3.  340,  2. 
Walküren  756. 
Wallfahrten  40. 168.  333. 

666.  752. 
Wallonen  403. 
Waltbert,  G.  601. 
Waltcaud,  B.  599,  5.  747. 
Waltgar,  B.  624,  4. 

54 


—     842 


AValtung,   11.  459. 
Wandalbert,     M.     660. 

666,  5. 
Wanderbischöfe  37.41,6. 

230. 
Wando,  A.  195. 
Wanga  390,  1. 
Wangheitn  49,  3. 
Warin,  A.  584.3.601.750. 
AVaruiann,  I'r.  458. 
Wehrgeld  237,  3.  359,  3. 
Weissenburger    Katech. 

271  f. 
Weltende  166. 
Wenden  s.  Slawen. 
Wenilo,  EB.  547,  7. 
Weomad,   Viomagus,   B. 

44,  3.  51.  54,  3.  205,  5. 
Werd  i.  Rh.  60. 
Wemher,  B.  569,  7. 
Werinbert,M.612,4.769. 
Werngau  49,  3.   340,  2. 
Wessob  runn  er  <  1  ebet740. 
Westergau  429,  1. 
Westfalen  372 f.  380. 409. 
Wettin,  L.  Hl 6.  654 f. 754. 
Wibert,   Wicbert,   Wig- 
bert,  Wigberht 

A.v.Wilde6hau.'<en601. 

B  V.  Hiiaesheini712,2. 
5.  6. 

B.  V.  Verden  712,  5. 

Pr.  369. 
Wiborat  596,  5. 
Wichram,  L.  618. 
Wicterp,   B.  453,  5. 
Wido 

A.v.  St.  Wandrille  44,3. 
168.  195. 

G.  140. 
Widnkind3KO.382ff.400. 

601. 


;  Wiener  Wald  689,  1. 

Wigmodia  382.389.390,1. 
•  Wigrat  568,  3. 
Wiho,   B.  675,  6. 
Wijk  348. 
Wikker,  G.  602. 
Wilhelm,  G.  7ß4,  3. 
Willand.sheim  4,  3.  5,  2. 
Willefrith,  Pr.  46,  3. 
Willehad,  B. 344,3.  350fiF. 

354.  369.  381  f.  388  ff. 
Willerich,    Wilirich,    B. 

390.4.405.501.671.677. 
Willibald 

B.  V.  Eichstädt  48.  67. 
341,  3. 

Kanoniker  v.  St.  Victor 
170. 
Willibert,EB.  559.  564,4. 

711,  2.  712,  1.  2. 
Willibrord   171.  349. 
Willihar,  Wilchar,  Wul- 
char 

B.  V.  Sitten  62. 

EB.v.Sens  54,4.75. 205. 
284. 
Williswind,  (itin  56,  3. 
Wilmundingen  218,  3. 
Wiip,  Wulpen  349. 
Wilzen  400.  688. 
Windsheim  4,  3. 
Windisch   Matroi  455. 
Wingartoiba  H40,  3. 
Winidhar,  M.  169. 
Wiro  369,  3. 
Wi8urich,B.427,3.442,l. 
Witgar.    B.   609,  5.  661. 

710,  5. 
Witiza    8.    Benedikt    v. 

Aniane. 
Witto,  Wizzo,  Candidus 

137,  3.  146  ff.  422. 


Wodan,    Wuotan    392  f. 
756  f. 
,  Wohlthätigkeitsanstal- 
ten  277. 
Wolcanard,    A.    436,    5. 
>  442,  2. 

Wolfger,  B.  224, 1.341,7. 
I  Wolfgrin,  Chorb.  722,  3. 
I  Wolfhard 

B.  V.  Minden  686. 
I       M.  in  Herrieden  666, 5. 
f  Wolfhelra,  Wulfelin,  B. 
I       712,  1.  5.   713,  2. 
Wolfold,  B.  521,  4. 
Wolfpreht,  A.  442,  2. 
Worms  47.  222,  1.  499. 

565,  1. 
Wulfad,  EB.  544,  7. 
i  Wulfar,  EB.  203,  2. 
Wunderglaube  658  f.  674. 

742  ff. 
Wurt  739.  778,  5. 
Würzburg  4.  222,  1.  341. 
877.  403.  408. 

Ymma  590,  2. 

York  126  f.  171.  347  f. 

Zacharias 

ß.  V.  Sehen  704,  2. 

P.  8.  13.41.226.308,2. 
340,  5. 
Zauberei  396  f.452,3.760  f. 
Zehnten  5. 222  f.  225  f.388. 

401.440.452.625,4.5. 

707  f.  716.  725.  1. 
Zehntstroit,     Osnabr. 

409,  4. 
Zinsen  451,  1. 
Zollfeld  458,  2. 
Zürichgau   59. 
Zweikampf  741,  1.  3. 
Zwentibald  598,  2. 


Druck  von  Hartmann  ä:  Wolf  in  Leipzig. 


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