KIROHENGESCHICHTB DEUTSCHLANDS.
ZWEITER TEIL.
^5 KIRCHENGESCHICHTE
DEUTSCHLANDS
VON
Dr. albert HAUCK
PROFESSOR IN LEIPZIG
ZWEITER TEIL
ZWEITE AUFLAaE
LEIPZIG
J. C. HINRICHS'SCHE BUCHHANDLUNG
1900
Inhaltsverzeichnis.
Yiertes Buch.
Die fränkische Kirche als Eeichskirche.
Erstes Kapitel. Seite
Die Kirche unter König Pippin
Pippins Persönlichkeit S. 3. Sein Verhältnis zum Papsttum
S. 8. Entthronung der Merowinger S. 12. Rom und die Lango-
barden S. 14. Stephan IL sucht die Hilfe Pippins S. 18.
Pippins Versprechen S. 21. Italienische Feldzüge, die Pippi-
nische Schenkung S. 27. Papst und König im Kirchenstaat
S 29 Pippin als Leiter der fränkischen Kirche S. 33: die
fränkischen Synoden S. 35, das Kirchengut S. 43, Besetzung
der Bistümer S. 44, Chrodegang Erzbischof S. 52. Der Epis-
kopat und das Mönchtum S. 56. Chrodegangs Regel S. 62.
Pippins Tod S. 68.
Zweites Kapitel.
Karl d. Gr. und die Päpste
Tod Pauls I. S. 70. Erhebung Konstantins S. 70, sein Sturz
S 72 Wahl Stephans III. Das fränkische Bündnis durch diese
Beweaun-en nicht erschüttert S. 73. Karl und Karlmann
halten an der Verbindung mit Rom fest S. 74, suchen jedoch
zugleich eine Verständigung mit den Langobarden S. 76. Wider-
spruch Stephans III. hiegegen S. 76. Änderung der fran-
kischen und der päpstlichen Politik, S. 78. Stephans Tod
^ 81 Hadrian I. von der fränkischen Partei gewählt S. 81.
Bruch mit Desiderius S. 82. Eingreifen Karls S. 82. Erneue-
rung des pippinischen Versprechens S. 84. Umbildung des
Patriciats zur Herrschaft S. 85. Tod Hadrians S. 95. Erhebung
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Seite
Leos III. S. 96, Empörung gegen ihn S. 97. Karl, Richter
über den Papst S. 99. Die Kaiserkrönung S. 104. Kaisertum
und Papsttum S. 109.
Dritte.s Kapitel.
Theologie und Litteratur 120
Karls Interesse an der litterarischen Kultur S. 120. Berufung
fremder Gelehrter: die Angelsachsen Beonrad S. 123, Alkuin
S. 123, und seine Schüler S. 14:5; die Iroschotten .Tosephus
Scottus S. Ihi, Dungal S. 154; die Langobarden Petrus von
Pisa S. 155, Paulinus S. 156, Fardulf S. 157, Paulus Diakonus
S. 158, der Gote Theodulf S. 164. Das Schulwesen im frän-
kischen Reich vor der Berufung der Fremden S. 168. Ein-
heimische Vertreter höherer Bildung: Adalhard S. 172, Angil-
bert S. 174, Einhard S. 176, Amalarius S. 180. Gehalt der
neuen Bildung S. 182. Förderung des Schulwesens S. 185.
Folge für die deutsche Sprache S. 190. Übersetzungen S. 192.
Der Erfolg, Hebung des Bildungsdurchschnitts S. 192.
Viertes Kapitel.
KarlskirchlichesRegiment 200
Die Verfassungsverhältnisse im allgemeinen umgeändert, aber
die Verwaltung geordnet: Ernennung der Bischöfe S. 200,
Gerichtsstand des Klerus S. 204, Metropolitanverfassung S. 205,
Synodalwesen S. 209, das Kirchengut S. 211, die Eigenkirchen
S. 226, das Ehewesen S. 227. Beschränkte Geltung des kano-
nischen Rechts S. 228. Ziele und Erfolge der kirchlichen
Verwaltung Karls in Bezug auf die Stellung des Epi.skopats
S. 230, die Thätigkeit des geistlichen Standes S. 237, und die
Zustände in den Gemeinden S. 270.
Fünftes Kapitel.
L e h r V c r h a n d 1 u n g e n 282
1. Der adoptianischo Streit. Lage der spanischen Kirche S. 282.
Migotius S. 283. P^gila S. 284. Gegen beide Elipandus S. 286.
Dessen Porsönlichkeit S. 286. Sein Adoptianismus S. 288.
Gegen ihn Bcatns und Hoterius S. 290. P'ür ihn Felix von
Urgel S. 293. Synoden zu Regensburg S. 295 und Frankfurt
S. 297. Der litterarische Streit S. 300. Verhandlung zu
Aachen i. J. 800 S. 304. Felix' Tod S. 305. Fortgang der
littorarisrhen Fehde S. 306.
2. Der Bildorstreit. Synode zu Konstantinopel i. J. 754 S. 308.
Parteinahme der Päpste und der fränkischen Kirche S. 308.
Die 2. nicänische Synode S. 310. Widerspruch Karls d. Gr.
S. 312. Die Karolinischen Bücher S. 316. Erklärung der eng-
lischen Kirche S. 322. Hadrian soll der Verworfung der nirä-
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Seite
nischwi Beschlüsse zustimmen S. 324. Er weigert sich S. 326.
Synode zu Frankfurt i. J. 794 S. 329.
3. Über den Ausgang des h. Geistes. Die Frage während des
Bilderstreits berührt. Synode von Cividale S. 381. Streit in
Palästina S. 333. Leo III. und die fränkischen Theologen
S. 334. Synode zu Aachen i. J. 809 S. 335. Leo verweigert
seine Zustimmung zur Anerkennung der veränderten Formel
S. 336. Sie bleibt gleichwohl in Übung S. 337.
Sechstes Kapitel.
Ausbreitung der Kirche 338
1. Die Slawen im Reichsgebiet, besonders die Main- und Red-
nitzwenden S. 339.
2. Die Friesen S. 343, Thätigkeit Gregors von Utrecht S. 344,
Willehads S. 350, Alberichs S. 352, Liudgers S. 354. Das frie-
sische Gesetz S. 357.
3. Die Sachsen S. 360. Die Lage der Dinge vor Karl S. 364.
Karls Sachsenkriege v. 772 — 776 S. 370. Beginn der Missions-
arbeit S. 375. Kämpfe v. 778—785 S. 380. Die Capitulatio
de partibus Saxoniae S. 386, die Bistümer Bremen, Verden u.
Minden S. 388, Missionsarbeit S. 39L Letzte Kämpfe 792—804
S. 400. Fortsetzung der Gesetzgebung und der Organisation
S. 403. Die ersten Klöster S. 412.
Siebentes Kapitel.
Baiern und der Südosten 414
1. Herzog Tassilo S. 414. Der Episkopat S. 417. Kirchen
S. 429 und Klöster S. 431. Die Synoden S. 437. Empörung
und Absetzung Tassilos S. 443. Einfügung der bairischen
Kirche in die Reichskirche S. 447.
2. Die Slawen in den Ostalpen S. 454. Beginn der Missions-
thätigkeit S. 457. Der Avarenkrieg S. 460. Fortführung der
Mission und Teilung des Missionsgebiets S. 461.
Fünftes Buch.
Auflösung der Reichskirche.
Erstes Kapitel.
Die Erhebung des Papsttums über die weltliche Macht . 475
Ludwig d. Fr. S. 475. Schwächung der kaiserlichen Macht in
Rom S. 478. Minderung des kaiserlichen Einflusses auf die
Kirche S. 486. Beginnende Parteibildung unter dem frän-
kischen Episkopat S. 490. Eingreifen Gregors IV. in den
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Seite
Streit Ludwij^'s mit seinon Söhnen S. 500. Die Erniedrigung
ilc8 Kaisers und die Rückwirkung dieser Vorgänge auf die
Stellung von Papst und Kaiser S. 504. Die Teilung des Reichs
und der fortgesetzte Rückgang der kaiserlichen Macht in Rom
und in der Kirche S. 510. Die Befreiung der Kirche und des
Episkopats als Parteiprogramm im Reiche S. 522. Die Befrei-
ung der Kirche und die Erhebung des F'apsttums über die
weltliche Macht als Regierungsziel Nikolaus' I. S. 533. De-
mütigung Lothars 1 1. S. 545. Der Ertrag von Nikolaus' Thätig-
keit S. 557.
Zweites Kapitel.
Das Mönchtum 552
Karl d. Gr. und das Mönchtum S. 565. Lebhaftere Teilnahme
Ludwigs für dasselbe S. 575. Benedikt von Aniane S. 575.
Aachener Reform S. 582. Kanonische Regel S. 585. Schwierig-
keiten und Erfolge der Reform S. 587, kein dauernder Auf-
schwung S. 596. Ausbreitung des Mönchtums in Sachsen S. 600.
Drittes Kapitel.
Die litterarische Bewegung seit dem Todo Karls d. Gr. . 604
Der anregende Einfluss des Hofes hört auf S. 604. Auseinander-
treten Frankreichs und Deutschlands S. 607. Lage des ünter-
richtswesens in Deutschland S. 608. Die Theologen: Hraban
S. 620, Smaragdus S. 641, Amalarius S. 644, Bruun S. 646,
Gottschalk S. 649, Walahfrid S. 654, Rudolf S. 658. Meginhart
S. 659, Ermenrich S. 660, die St. Galler S. 661, die Prümer
S. 663 , sächsische Schriftsteller S. 664. Hymnen und Se-
quenzen S. 664.
Viertes Kapitel.
Missionsunternehmungen 668
1. Nordische Mission. Ludwigs d. Fr. Pläne S. 669. Ebo von
Rheims S. 670. Anskar S. 673. Das Erzbistum Hamburg und
die Vollendung der kirchl. Organisation Sachsens S. 675.
Mission in Schweden und Dänemark S. 678. Verbindung
Hamburgs mit Bremen S. 680. Aufhören der Mission S. 686.
2. Südöstliche Mission. Günstige Lage S. 688, Priwina S. 690,
die Bulgaren S. 692, die Mähren S. 693. Konstantin und
Method S. 698.
Fünftes Kapitel.
ErgebniBse. 705
Kein Unglaube S. 7U5. Hebung der Durchschnittasittlichkeit
S. 706. Die fördernden Einwirkungen der Kirche, vermittelt
durch den Episkopat und die Synoden S. 708, besonders durch
die Pfarrer S. 714: Predigt S. 723, Beichte S. 727, Send-
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— IX —
gerichtwS. 733. Die Frömmigkeit S. 737, Glaube und Aber-
glaube S. 740, Wundersucht S. 744, Heiligen- und Reliquien-
verelirung S. 745, Benediktionen S. 754. Heidnische Vorstel-
lungen und Gebräuche S. 757. Sündenbewusstsein S. 763,
Gedanke an Tod und Gericht S. 766, menschliche Leistungen
S. 767, die Person Christi S. 768.
Beilagen:
I. Bischofslisten 783
n. Klösterverzeichnis 796
UI. Litteraturübersicht 811
Register 820
Berichtigungen.
3. Traube erklärt die fragliche Stelle für Interpolation (Abh.
der Müncbener Akademie XXI S. 639).
V. u. lies Stiftsbibliothek statt Stadtbibliothek.
V. u. ,, Mondsee statt Monsee.
V. u. ,, Ragnebert statt Regnebert.
V. u. „ Grassmann statt Grossmann.
428 Anm. 2. Die letzten drei Zeilen dieser Anmerkung sind versetzt;
sie gehören zu Anm. 5.
574 Z. 4 V. u. lies 827 statt 877.
591 ,, 1 V. u. „ decerpsi statt descripsi.
616 „ 3 V. u. füge ein S. 115 fiF.
622 ,, 19 V. u. lies genere statt genera.
164
Anm.
169
Z. 15
192
„ 7
233
„ 1
417
„ 22
%
Viertes Buch.
Die fränkische Kirche als Reichskirche.
Hauck, Kirchengeschichte. 11. 2. Aufl.
Erstes Kapitel.
Die Kirche unter König Pippin.
Nicht immer ^-ird eine Stelle in der Welt leer, wenn ein
bedeutender Mann abgerufen wird.
Als Bonifatius den Tod eines Missionars erlitt, war er nicbt
mehr der leitende Träger der Eefonngedanken für die fränkische
Kirche. Die Zügel lagen schon in einer anderen Hand. In den
kii'chüchen Dingen nicht minder als in den pohtischen war Pippin
der Herrscher des Frankenreichs. ^)
Pippin gehört zu den INIännern, welchen das Gedächtnis der
Nachwelt nicht ganz gerecht geworden ist. Durch den glänzen-
deren Ruhm seines glückhchen Sohnes wuixle sein Name verdunkelt.
Und doch ist er in der langen Reihe der Nachkommen Arnulfs
von Metz der einzige, der, neben Karl gestellt, ihm als ebenbintig
erscheint, mag man auf das bhcken, was er war, oder auf das, was
er leistete. Wir vergegenwärtigen uns seine Persönlichkeit. Pippin
war ein Schüler der Mönche. Gleich seinem Bnider Karlraann
erhielt er die erste Bildung in St. Denis.-) Aber zum Mönch
war er nicht bestimmt und mönchisch ist er nicht geworden.
Frühzeitig machte denn auch der Unterricht in der Klosterschiüe
1) Über Pippin bandeln: Habn, JB. des fränkiscben Reichs 741—752,
Lpz. 1863; Ölsner, JB. des fränk. Reichs unter König Pippin, Lpz. 1871;
Müblbacber, Deutsche Geschichte unter den Karolingern, Stuttg. 1896;
Lamprecht, Deutscbe Geschichte, 2. Bd. 2. Aufl., Berlin 1895; Wej^l, Die Be-
ziehungen des Papsttums z. fränk. Staats- u. Kircbenrecbt unter den Karo-
lingern, Breslau 1892.
2) Vgl. Bd. I, 2. Aufl. S. 501.
— 4 —
ik'iii Leben am Hot' und im Fi'ldlagei- Platz, l'nd doch wirkten
d'w ei-sten Eindrücke bei ihm nicht minder hinge nach als bei
seinem älteren Bruder: widucnd Karl Maitell ein rein pohtischer
Charakter war, ist das bei keinem seiner beiden Söhne der Fall;
in ihren Augen hatten die Kirche und d'io kirchlichen Interessen
selbstständiges Recht. Wenn sie alsbald nach dem Tode Karls
seine kirchliche Politik verliessen, ^) so war hiebei Karlmann der
führende; Pippin folgte in der Gesamthaltung wie in einzelnen
Massregeln dem von ihm gegebenen Beispiel. That er das auch
mit einer gcAnsseii Selbstständigkeit, so ist doch unverkennbar, dass
das Vorbild des Bniders massgebend war. Überhaupt schloss er
sich enge an ihn an: Personen, die jenem nahe standen, hielt auch
er hoch, Massregeln, die jeuer begann, führte er fort. Sein Ver-
hältnis zu Bonilätius ist wie von Karlmann ererbt;-) nicht minder
erscheint die Ausstattung des Bistums Würzburg als gemeinsames
Werk der beiden Brüder. Karlmann hatte alsbald nach Antritt
der HeiTschaft auf das freigebigste fiii- das neugegründete Bistum
gesorgt. Er übertrug ihm fünfiuidzwanzig Kirchen im mittleren
Deutschland zwischen Rhein und Regnitz, Neckar und Thü-
ringer AVald, dazu das Marienkloster in Karlsburg. =^) Ausserdem
erhielt es Anteil an den Strafgeldern') und Abgaben der ostü-än-
1) Vgl. Bd. T S. 502 ff. u. ö25 ff.
2) Vgl. Bd. I S. .025 ff. und das Urteil über den Toten in der Urkunde
über die Schenkung Deiningens an Fulda (B.M. 88): Quem (das Kloster)
.sanctus Bonifacius novo construxit opere, ubi ipse praeciosus martyr corpore
requiescit. Auch Lioba schätzte er. V. Leob. 18 M.G. Scr. XV S. 129.
3) Urk. Ludwigs d. Fr. vom 19. Dez. 822 (B.M. 743). Die Kirchen
sind: 1. die Marienkirche in Würzburg; 2. im Wormsgau: Marienkirche in
Nierstein, Remigiuskirche in Ingelheim, Martinskirche in Kreuznach; 8. im
Mainpau: Peterskirebe in Umstadt; 4. im Neckargau: Martinskirchc in
Lauffen, Michaelskirche in Heilbronn: 5. im Gau "Wingarteiba: Martin.s-
kirche in Burchoim; 0. im Mulachgau: Martinskirohe in der Stochaml)urg
(Stökenburg bei Schw.-Hall); 7. im Taubergau: Martinskirche zu Künigs-
hofen, Martinskirche zu Schwaigern; 8. im Rangau: Martinskirche in Winds-
heira: 9. im Gollachgau: .Tohanniskirche in Gollhofen; 10. im Itfgau: Mar-
tinskirche in Willandsheim, Remigiuskirche in Dornheim, Andreaskirche in
Kinhheim, .lohanniskirche in Ipphofen; 11. im Gau Volkfcld: .Tohannis-
kirche in Herlhoim; 12. im Badanachgau: Martinskircho in (4aukönig.''hofen,
Remigiuskirche in Sonderhofen; 13. im Grabfeld: Martinskirche in Essfeld,
Peterskirche in Königshofen, Martinskirche in Brend, Martinskirche in Mei-
richstadt; 14. im Salagau: Martinskirche in Hammelburg.
4) In der angeführten Urk.: Necnon et de jtagensium uel heribannis
perpetuo par^ '^•' ■ l"Hiae per easdem largitiones posaideret. Vgl. Waitz, VG.
IV, S. 506.
— 5 —
kischen Gaue ^) und' den Zehnten von sechsundzwanzig Königshöfen
in Ostfranken, im Worms- und Maingau.-) Pippin fügte ansehn-
lichen Grundbesitz hinzu, ^) den er mit der Immunität ausstattete. •*)
Das ostfränkische Bistum wurde eine der reichsten Stiftungen
Deutschlands.
Aber neben dieser Gleichheit der Anschauungen und Ten-
denzen tritt doch die Verscliiedenheit des Temperaments der beiden
Brüder überall an den Tag.
Die Freude au der Macht, welche dem Geschlecht Arnulfs
von Metz eignete, besass Pippin in höherem Masse als Karlmann.
Während dieser auf seine grosse Stellung in der Welt verzichtete,
um den Frieden der Seele hinter Klostermauern zu suchen, griff
jener nach dem goldenen Keif: er hat ihn manches Jahr getragen,
ohne dadurch gedrückt zu werden. Und er wollte nicht nur
heiTschen; er w^ollte allein heiTschen : die oberste Gewalt mit einem
Zweiten teilen, dieser Gedanke war ihm unerträglich. Wie er
seinen König entthronte, um selbst König zu sein, so versagte er
seinem Neffen Drogo den Reichsteil, w^elcher ihm von Beclitswegen
1) Urk. Arnulfs vom 1. Dez. 889 (M. B. 28, 2 S. 98): Qualiter ipsi
(Pippin und Karlmann) . . . decimam tributi quae de partibus orientalium
franchorum uel de sclauis ad fiscum dominicum annuatim persolueve sole-
bant, quae secundum ülorum linguam steora uel ostarstuopha uocatur ut de
illo tributo siue reditu annis singulis pars decima ad predictum locum per-
solueretur siue in melle siue in paltenis seu in alia qualibet redibitione.
Über die ostfränkischen Gaue s. Stein, Gesch. Frankens I S. 43 fi., über
Ostarstuopha Zöpfl, Altertümer des deutschen Reichs und Rechts II (1860)
S. 63: ^Stuapha, Stauf, ist so viel wie Becher, und dient dieses Wort zur
Bezeichnung eines gewissen Masses, sowohl für Getreide als für Getränke.
Es ist daher unter Ostarstuopha eine um die Osterzeit zu entrichtende
Korngült (Naturalprästation) zu verstehen." Vgl. auch Schröder, D. RG.
S. 188; Brunner, D. RG. II S. 236 f.
2) Genannt sind in der Rheinprovinz: Kreuznach; in Hessen: Ingel-
heim, Nierstein, Umstadt; in Baden: Königshöfen; in Unterfranken:
Albstadt, Gaukönigshofen, Sonderhofen, Bergrheinfeld (?), Geinheim, Prossels-
heim, Königshöfen, Salz, Hammelburg, Dettelbach, Bleichfeld; in Mittel-
franken: Riedfeld, Rothenhof, Gollhofen, Burgbernheim, Ickelheim, Willands-
heim, Iphofen; in Oberfranken: Hallstadt; in Württemberg: Heilbronn,
Lauffen. S. die oben Anm. 1 angef. Urk. Arnulfs.
3) Vgl. die S. 4 Anm. 3 angef. Urk. Ludwigs: Ut quicquid Karlo-
mannus sive bonae memoriae domnus Pippinus rex et reliqui deo timentes
homines ad ipsam ecclesiam delegassent, tam in rebus et marchis. ac de-
cimis, necnon et de pagensium vel heribannis perpetuo pars ecclesiae per
easdem largitiones possideret. Der Grundbesitz im einzelnen ist unbekannt.
4) Vgl. die Urk. Ludwigs d. Fr. v. 19. Dez. 823 M.B. 37 S. 4 Nr. 5 u.
Ottos HI. v. 31. Dez. 992 M.G. Dipl. II S. 521 Nr. 110.
— 6 —
sebühi-to. um allein Hon- /u sein. Er duldete den Versuch nicht,
Eintluss auf ihn zu ühcn: als Karlniann wagte, seinen Weg zu
krruzen. setzte er ihn gefangen. ') Was kümmerte ihn Recht und
Liehe, wenn es die Macht galt ? Er schob jeden beiseite, der sich
ihm in den Weg stellte. Aber dabei vermied er roh gewaltsames
Vorgehen: er hat kein Blut vergossen. Sein Zorn flammte nicht
so jäh empor ^vie der Karlmaims: so wenig er vor durchgreifenden
Massregeln zurückwich, wenn er sie für notwendig erkannte, so
wissen wir doch von keiner That Pippins, welche sich mit dem
Blutüericht in Kannstadt vergleichen liesse. Kleine Naturen
zeigen sich daiin, dass sie denjenigen hassen, dein sie Unrecht
gethan haben. Pippin hat manchem Unrecht gethan; aber er hat
nie jemand gehasst. Was er that, that er ohne Erbitterung. Karl-
mann l)liel) lür ihn stets der geliebte Bruder: er hat später wieder-
lidlt Stiftungen für sich und ihn gemeinsam gemacht.-) Gegner
suchte er zu gewnnnen, auch wenn er sie vernichten konnte. Seine
Meinung war, dass jeder zu gewinnen sei, wenn man ihni nur
\'ei'trauen beweise, und er vertraute sich selbst genug, um sein Ver-
trauen gegen andere nicht ängstlich abzuwägen. Karlmnnn hatte
seinen Hall)bruder Grifo in Haft gehalten; er enthess ihn sofort
aus derselben; indem er ihn fürstlich versorgte, bot er ihm die
Mittel zum Aufstand.^') Der ehrgeizige Jüngling wähnte in der
That den Kampf aufnehmen zu können; er wurde leicht besiegt,
und dem t'berwundeuen geschah kein Leid. Nun wiederholte sich
das gleiche Spiel; das Ende w.ii'. dass Pii)pin seinen wieder ge-
schlagenen und gefangenen Bruder mit zwölf Grafschaften begabte,
wie einen Herzog, sagt der Chronist.'*) Zu versöhnen vermochte
er ihn auch jetzt nicht.'^') Das war gewiss nicht Kurzsichtigkeit:
es war die Sorglosigk«'it eines Mannes, der sich seiner unei*schütter-
lichen Überlegenheit bewusst ist, der den Nebenbuhler nicht hasst,
1) Ann. Einh.. Lanriss. (ich hehalto die herkömmliche Bezeichnung
bei. zitiere aber nach Kurze), Alam.. Guelf., Nazar., z. il. J. 753 und 7.55;
Vit. Steph. II. c. 30 8. 448 ed. Duchesne.
2) P. giebt die villa Exona (Essonne) an St. Denis zurück, ut melius
delectet ipsos monachos jiro nobis vel bonae meraoriae germano nostro
Kallomagno quondam seu subsequento progenie nostra die noctuquo Domini
misericordiam attentius deprecare (B.M. 101). Er schenkt die villa Aut-
mundistat (Umstadt) an Fulda pro animae nostrae remedium vel bonae
memoriae germano nostro Carolomanno quondam (ib. 100).
3. Ann. Mett. z. .1. 747. M.G. Scr. I 8. 830, vgl. ann. Einh. z. 747 S. 7.
4) Einh. ann. z. J. 748: ,more ducum"; vgl. ann. Mett. z. .1. 748 f.;
ann. Fold. z. 750 S. 5.
5) 8. die angef. St. und Fredeg. contin. 35 8. 183.
weil er ihn gering . schätzt. Gefährhchere Gegner, Aistulf und
Tassilo, behandelte Pippin nicht anders. Nichts charakterisiert
die Weise, wie er mit den Menschen umging, besser als seine
Aussöhnung mit Abt Sturm von Fulda. Er hatte ihn, mit Recht
oder Unrecht, nach Jumieges verwiesen. Nachdem die Ver-
bannung einige Zeit gedauert, hess er ihn an den Hof bringen.
Dort verweilte der Abt mehrere Tage, ohne vor den Fiu'sten
gerufen zu werden. Unerwartet führte der Zufall beide Männer
zusammen. Pippin wollte zur Jagd, seiner Gewohnheit nach ging
er zuvor zur Kapelle, um dort zu beten. Es war fi'üh am ^lorgen
vor Sonnenaufgang. Niemand war in der Kapelle anwesend als
Abt Sturm. Er hörte die Tritte des Nahenden, die Lampe in der
Hand öffnete er ihm dienstbereit die Thüre, dann schiitt er ihm
voran zum Altar. Pippin erkannte ihn wohl; doch sagte er nichts,
bis er sein Gebet verrichtet hatte. Dann wandte er sich zu dem
Mönch. Gott hat ims hier zusammengeführt, so redete er ihn an;
weshalb die Mönche dich verklagten, weiss ich nicht, auch nicht,
ob ich Grund zum Zorn gegen dich hatte. Sturm unterbrach ihn :
Ich bin nicht frei von Sünden, aber gegen dich, König, habe ich
kein Unrecht gethan. Darauf jener: Magst du jemals Sclüimmes
gegen mich im Sinne getragen oder vollbracht haben, Gott möge
es dir alles vergeben; ich verzeihe dir von ganzem Herzen: du
sollst fürderhin in Gunst und Freundschaft bei mir stehen. Bei
diesen Worten zog er einen Faden aus seinem Mantel und warf
ihn auf die Erde: eine symbohsche Handlung, welche in dem an
sinnbildhche ßechtsformen gewöhnten Zeitalter keine Deutung be-
durfte: sie sollte bezeugen, dass er jeden Argwohn aufgegeben
habe.^) Man begreift, dass Pippin die Menschen an sich fesselte;
er konnte unbedenkHch wagen, ehemahgen Gegnern einflussreiche
Stellen anzuvertrauen. Die reiche Abtei St. Wandrille gab er als-
bald nach Antritt der Herrschaft emem von seinem Vater abge-
setzten Gegner seines Hauses.-) Auch Abt Assuer von Prüm ge-
hörte einer Famihe an, welche che Waffen gegen die Karohnger
getragen hatte. ■')
Mit dieser sorglosen, selbstbewussten Art. die Menschen zu
behandeln, stimmt es wohl überein. dass Pippin in seinen Mass-
regehi sich gerne auf das im Augenbhck Notwendige beschi-änkte.
Niemand war weiter davon entfernt als er, nm- prinzipiell richtige
Lösungen der vorliegenden Schwierigkeiten als zulässig anzusehen.
1) V. Sturm. 18 M. G. Scr. II S. 374.
2) Vgl. Bd. I S. 394.
3) Vgl. Ölsner, JB. S. 19.
— 8 —
Dazu war Bonitatius fTeneinrt,; es liedrückte ihn, wenn or den Vm-
ständen Zu^u'stäiitlniss«^ nnichen niusste. Ganz anders Pij)j)in: ihm
«genügten Einriehtungen, die durch t'üln-har waren und den momen-
tanen Redürfuisseu entsprachen, mochten sie auch hinter dem weit
zurückbleihen . was er an und für sich als richtig erkannte. So
handehe er, wie wir henierkten, hei der Ordnung des Kirchenguts
und bei der Wiedereiniuhrung der Metropohtanverfassung,^) Dies
charakterisiert auch seine Pohtik: er hat alh^ Fragen, wekdie aus
der damahgen Wehhige sich ergaben, geonhiet, aber keine erledigt:
«las gilt von dem Verhältnis zu Rom, zu den Langobarden und zu
Baiern. Niemand wird die Ursache in Mangel an Kraft und
Energie suchen; denn in allem, was Pi])pin unternahm, beAväes er
Raschheit des Entschlusses und Nachdruck der That. ]Man möchte
eher vermuten, dass er sich mit einer vorläutigen Lösung zufiieden
gab, weil er an der Möglichkeit einer endgiltigeu zweifelte, und
dass ihm ein unsicherer Fiiede genügte, weil er dessen sicher war,
dass er jedem Wandel der Verhältnisse gewachsen sei. Hervor-
ragend scharfsinnigen Männern pflegen solche Zweifel und solches
Selbstvertrauen eigen zu sein. Und wenn nicht gelöst, so doch für
die Lösung vorbereitet hat Pippin jede Frage, die er angrift', Karl
der Grosse war in viel höherem Masse Vollender väterlicher Ge-
danken, als Pippin.
Vfillig unklar war in den ersten Jahren Pijipins das Verhältnis
zum Papsttum. Neue und alte Gedanken macliten neben einander
sich geltend, ohne ausgeglichen zu sein. Auf der einen Seite ver-
trat Bonifatius die Ansicht, dass dem Pa])ste die unmittell^are
Heri-schaft üi)er die Kirche gebühre; wenigstens unter dem Epis-
kopat gewann er tür diese Überzeugung rasch Anhänger.-) Auf
der anderen Seite konnte die bisherige Selbständigkeit der fi-än-
kischen Landeskin lic uinnöglich vergessen sein. Trat für den
Klenis ihr Weit hinter dem der engen Gemeinschaft mit der Ge-
samtkirclie zuiiick, so hat doch die I^aienwelt daian festgehalten.
Es lag in der Natur der Sache, dass die neuen Ideen weit lang-
samer auf sie wirkten, als auf die Geistlichkeit, ^\'elchen Stand-
punkt Pippin einnahm, sieht man aus seinem Verkehr mit Papst
Zachanas. Im Jahre 74() nchtete er sein ei-stes Schreiben nach
Rom.-') Ohne Vermittehmg des Legaten wandte er sich an den
Papst; wie einst die Merowingerkönige, so betrachtete auch er sich
1) S. Bd. I S. 529, 526, 551.
2) S. Bd. I S. 554 ff. —
3) Erhalten ist nur «He Antwort des Papstes Cod. Carol. 3 S. 479 ff.;
aus ihr lässt sich der Inhalt des verlorenen Schreibens Pippins entnehmen.
Da der Brief dos Piipsto» gleichzeitig mit einem an Tionitatius gerichteten,
— 9 —
als Vertreffer der fränkischen Landeskirche. Er berichtete über
ihren Zustand; man erstaunt über das günstige Urteil, welches er
fällte: offenbar Hess die Freude über den glücklichen Beginn der
Eeform ihn die bereits erreichten Erfolge überschätzen.^) Es folgte
eine lange Reihe von Fragen über che verschiedensten kirchlichen
Angelegenheiten: sie betreffen das kirchhche Eecht, vde die kirch-
Hche Sitte, besonders die Disziphn unter Klerus und Mönchen.-)
Pippin hätte keinen Anlass zu jenen Mitteilungen und diesen
vom 5. Januar 747 datierten Schreiben ist (Bonif. ep. 77 S. 348 f. ed.
Dümmler), so hat Pippin im Jahre 746 nach Rom geschrieben.
1) Cod. Carol. 3 S. 479 : (jaudemus . . addiscentes per relationem . . .
Pippini vestram omnium bonam conversationem et quod in bonis et Deo
placitis dispositionibus unanimes atque cooperatores estis; ita ut et aecle-
siae Dei et venerabilia loca per universam vestram provinciam sita adque
earum praesules, sacerdotes et religiosi abbates, ut condecet, in sancto
habitu et conversacione sacerdotali conversetis, etc.
2) Ich führe die Fragen an, da sie die fränkischen Zustände charak-
terisieren: 1. Quomodo honorari debeat metropolitanus episcopus a chor-
episcopis et parrochialibus presbiteris. 2. De episcopis, presbiteris et dia-
conibus dampnatis, quod pristinum officium usurpare non debeant. 3. De
presbiteris supervenientibus. 4. De presbiteris agrorum, quam obedienciam
debent exhibere episcopis et presbiteris cardinalibus. 5. De ancillis Dei,
si liceat eas ad missarum solemnia aut sabbato sancto pubplicae lecciones
legere et ad mis'sas psallere aut alleluia vel responsorium. 6. De viduis,
si possint im propriis habitaculis suis salvare animas. 7. De laico pellente
suam coniugem. 8. De presbiteris et diaconibus, qui se a mini.sterio aecle-
siastico subtrahunt et seorsum collectas faciunt. 9. De clericis et mona-
chis noa manentibus in suo proposito. 10. De clericis, qui sunt in ptochiis,
monasteriis atque martyriis. 11. Qui clerici etiam ab uxoribus abstinere
debeant. 12. De his, qui uxores aut qui viros dimittunt, ut sie maneant.
13. Monachus, si clericus factus fuerit, quid agi debeat. 14. Quod pres-
biteri aut diaconi, si in aliquo crimine prolaspi fuerint, non possint per
manus impositiones penitentiae remedium consequi. 15. De laicis, qui
aeclesias in suis proprietatibus construunt, quis ipsas debeat regere aut
gubernare. 16. De clericis, qui proprias eclesias relinquunt. 17. Pro epis-
copis, qui alterius clericos susceperint, ut excommunicentur. 18. Qui clerici
uxores sortiri debeant. 19. Ut nullus presbiter aut diaconus sine commen-
daticiis suscipiatur epistolis. 20. De virginibus vaelatis, si deviaverint.
21. De non velatis virginibus, si deviaverint. 22. De his, quae duobus
fratribus nupserint, vel qui duas sorores uxores accepei-int. 23. De his, qui
homicidium sponte perpetraverunt. 24. De his, qui homicidium non sponte
perpetraverunt. 25. De his, qui adulteras habent uxores, vel si ipsi adulteri
conprobantur. 26. De monachis et virginibus propositum non servantibua.
27. De his, qui non coacte sed voluntate propria virginitatis propositum
susceperunt, quod delinquaiit cum nupserint, etsi nondum fuerint consecrati.
— 10 —
Frneen gi'h:il)t, wenn er nicht Wert auf die Gemoinschaft mit Rom
ßelesjt luul wenn er niclit in dem Papst den Zeugen der kircli-
liclien Cherlielerung. d. h. des kircldieli<n Rechts gesc^hen hätte.
Aber die Entscheidungen Roms galten ihm dann doch nidit als
Normen, welche nicht oder nur mit Zustimmung des Papstes ausser
Acht gelassen werden durften, vielmehr bestimmte er selbst, wie
weit man ihnen nachkomuKMi kfinne. In wichtigen Punkten blieb
das unausgetuhrt , was Zacharias verfügte: er hob z. B. in seiner
Antwort die Notwendigkeit der ]\[etr()politanvci-fassung hervor;^)
das hinderte Pipjnn nicht, ihre bereits Ijegonnene Wiedereinführung
fallen zu lassen.") Als er später darauf zurückgriff, erneuerte er
sie in ganz unregelmässiger Weise. In Bezug auf diejenigen Kirchen,
die sich im Besitze von Laien befanden, traf der Papst seine An-
ordnungen ohne jede Rücksicht auf die fränkischen Verhältnisse
und das, was sie forderten, nur gemäss den älteren päpstlichen
Verfügungen. Aber was er hier anordnete, blieb ohne jede Ein-
wirkung auf die Zustände im fränkischen Reich.'') Nicht anders
war es. um einen weiteren l^unkt zu neimen, hinsichtlich der von
ihm verlangten schrotien Durchführung der kirchlichen Eheverbote:*)
es war nicht daran zu denken, dass Pippin die Beobachtung der-
selben geboten hätte.'')
Es ist klar: Pi]»pin urteilte über die Rechte des Papstes nicht
andei-s als die fränkischen Herrscher vor ihm: nur galt ihm das
Wort des Papstes mehr, als es jenen gegolten hatte.
Liest man die Antwort des Papstes, so bemerkt mau leicht,
da» rr mit der fränkischen AVeise. die kirchlichen Dinge zu be-
handeln, nicht einverstanden war. Er adressierte seinen Brief an
1) C. 1 S. 480. Zacharias entnahm bfikanntlich die Antworten auf die
Fragen Pippins beinalie ganz aus der Collectio rannnnm des Uionysius
Exiguu.H; 8. d. Anm. .latte's.
2) S. Bd. I S. 551.
3) Nr. 15. Der Papst forderte, abgesehen von der Sicherstelhing der
Dotation, ut in eodeiii loco nee futuris tomporilju.s baptisteria con>truantur
nee presbiter constituatur cardinalis. Vgl. Stutz, Benefizialwesen S. 21)S tf.
4) C. 22 S. 48.Ö. P^igene Bestimmung des Papstes: Nos, gracia divina
Buffnigante, iuxta pr.iedecessorum et antecessorum pontificum decreta multo
amplius confirmantes dicimus, ut, dum usqnae sese generacio cognoverit,
iuxta ritum et normani chriHtianitatis et religionom Komanorum non copu-
lentur coniugiis.
5) Pipp. Capit. 754—755 c. 1 S. 31. Decret. Compend. c. 1—4 S. 37.
Verm. 1 S. 40. Man beachte, mit welcher Entschiedenheit Zacharias Ge-
horsam gegen seine Kapitel fordert (S. 48ß). Um «o unrichtiger ist e.s, dass
Schmitz. Djp Bussbücher II S. 25 die Antwort des Papstes als eine Art Ver-
faHsunfj-urkiinde für die fränkische Küche betrachtet.
— 11 —
Pippin, aber augerectet werden stets die Bischöfe und nicht der
Fürst: der Papst wollte keinen Mittelsmann zwischen sich und ihnen.
Seinem Briefe fehlte es nicht an rühmenden Worten über Pippin;
aber er unterliess nicht, den Grundsatz sehr bestimmt auszusprechen,
dass die Fürsten sich auf das Aveltliche Gebiet zu beschränken
hätten. -■) Hier tritt der prinzipielle Gegensatz der Anschauungen
an den Tag. Was Pippin als seine Fürsteupfhcht betrachtete, er-
schien dem Papste wie ein Übergriff. Zwar wagte er nicht, ihn
schroff zurückzuweisen; aber er versuchte, ihn zu verhindern. Des-
halb schrieb er gleichzeitig an Bonifatius und beauftragte ihn, seinen
Legaten, das Schreiben an Pippin auf einer Synode zu verlesen,
also kirchlich bekannt zu machen.-) So sollte die Entscheidung
kirchlicher Fragen den Organen der Kirche vorbehalten werden.
Auch die römische Anschauung über den Umfang der päpstlichen
Macht glaubte er geltend machen zu können: Pippin hatte einen
Eat begehrt, er bezeichnete seine Erkläningen als Befehle, die nicht
überschritten werden dürften.'^)
Aber Zacharias erreichte seinen Zweck nicht; so viel wir
wissen , wurde nicht einmal der Versuch gemacht, sein Schreiben
öffentlich zu verkündigen.*) Einem HeiTscher wie Pippin gegenüber
Hess sich die Erweiterung der päpstlichen Gewalt über che fränkische
Kirche nicht unter der Hand erreichen.
So vei*schieden die Vorstellungen über die Grenzen der beider-
seitigen Befugnisse waren, von denen man am fränkischen Hof und
in Rom ausging, so dachte man doch auf beiden Seiten nicht ent-
fernt an Streit. Im Gegenteil: Schritt für Schritt traten die beiden
Gewalten, welchen die Zukunft gehörte, sich näher, bis es schliess-
1) S. 480: Principes et soculnres hoinines atque bellatores convenit
curam habere et soUicitudinem contra inimicorum astutiam et provintiae
defensionem, praesulibus vero sacerdotibus adque Dei servis pertinet salu-
taribus consüiis et oracionibus vacare.
2) Bonif. ep. 77 S. 349.
3) S. 486: Haec vobis dedimus in mandatis, ut nee nos coram Deo de
taciturnitate iudicemur, nee vos de neglectu coram eo cogamini reddere
racionem.
4) Rettberg, KG. D.'s I S. 379 urteilt, der Auftrag des Papstes werde
von Bonifatius sicher vollzogen sein. Die Sache ist mindestens fraglich, da
nichts davon überliefert ist und aus den Briefen des Bonifatius sich nichts
darüber folgern lässt. Aber auch die Bekanntmachung durch Bonifatius
angenommen, so erhielten die päpstlichen Bestimmungen dadurch nicht
Gesetzeskraft; dazu wäre die Bekanntmachung durch Pippin nötig gewesen.
Dass sie nicht erfolgte, ergiebt sich aus den Abweichungen der späteren
Gesetzgebung.
— 12 —
lieh zur engsten A'erhindung kam. Hatte Pippin zunächst nur die
von Bonifatius angeknüpften kirchHchen Beziehungen zu Rom ge-
pflegt, so that er den zweiten Schritt, indem er für die Entthronung
der Merowinger die Zustinnnung des Papstes begehrte.
Dass er den Entschluss fosste, die Hand nach der Krone aus-
zustrecken, hat auf den ersten Blick etwas Rätselhaftes. Denn er
besass das "Wesen der königlichen Gewalt; welchen Wert hatte dem
gegenüber iln- Xame? Doch wer weiss nicht, dass die Heri'sch-
begai)ten und HeiTschlustigen sich in der Regel an dem vollen
Gefühl der Macht nicht weniger erfreuen als an ihrem Besitz?
Jenes aber hängt an der äusseren Stellung, an dem Namen. Noch
andere Beweggründe mögen mitgewirkt haben. Die Herrschaft war
in dem Hause Arnulfs von ]Metz erblich geworden: wir mssen, dass
gerade Pippin in dem Gedanken an die Zukunft seines Geschlechtes
lebte. Als er das Kloster S. Denis in den Besitz einer Menge
entfi'emdeter Güter wiederherstellte, erklärte er, er thue das, damit
die Mönche um so lieber für ihn, seine Söhne und den Bestand des
fränkischen Reichs beten möchten.') Der Bestand des Reichs und
die Herrschaft seiner Familie war für iini untrennbar. Aber die
letztere war nicht sicher, so lange ein König der Franken über dem
Herzog und Füi-sten der Franken stand. So lange drohte der Aus-
l)ruch eines Konflikts: und wer mochte sagen, wie ein solcher enden
würde? Denn noch verlieh die Krone auch dem schwächsten Träger
einen gewissen Glanz.-)
Wenn Pippin es unternahm, den bisherigen Zustand zu ändern,
so vermied er doch ein Vertahren, das als Gewaltthat empfunden
worden wäre. Kr verliandelte offen mit dem Volk.'") \'on ihm
sollte seine Erhebung ausgehen, wie einst Chloduwechs Wahl zum
König über das Reich Sigiberts.'') Aber die Verhältnisse lagen
andei"s als damals; denn der Tliron war nicht erledigt und Pippin
war kein Merowinger. Das war der Punkt, an dem Bedenken und
Zweifel entspringen konnten: sie mussten abgeschnitten werden.
Durch wen aber konnte das geschehen als durch den Träger der
iWichsten sittlichen Autorität, den römischen Bischof?'') So kam
man di/n. di- päpstliche Urteil anziniifcn. Sind wir über die
1) MM. i»ipl. I S. 109 Nr. 23.
2) Die Datipning einer Schenkung für M. (lallen: Repiiante doinno
Dostro Teotlerico rojje snpra Carulum Maiorera donius (Wirt. ÜB. I S. 3
Nr. 3) i»t in dieser Hinsicht sehr vielsagend.
3) Fredeg. oont. 33 S. 182: Una cum consilio et consensu omnium
Francorum.
4) Greg. Tur. Hist. Franc. II, 40.
■•>) Vgl. Bd. I S. 562.
— 13 —
Frage,, welche Burchiird von Würzburg und Fulrad von S. Denis
Zacharias vorlegten, recht unterrichtet, so ging sie durchaus auf das
moralische Recht oder Unrecht des augenl^lickhchen Zustands: Die
Könige der Franken besitzen nicht die königliche Macht; ist das
gut oder nicht? ^) Wenn Zacharias uiieilte, es sei nicht gut, wenn
er auf die Störung der naturgemässen Ordnung himvies, die in der
Machtlosigkeit des fränkischen Königs lag, -) so war ausgeschlossen,
dass die Ordnung dadiu-ch wiederhergestellt wurde, dass Childerich
die Macht zurückerhielt, welche seine Ahnen einstmals besessen
hatten. Denn was bedeutete Childerich neben Pippin? Es war
nur möglich, dass ihm der Name genommen wm'de, den er mit
Unrecht tnig.
Nur den Wert hatte das päpstHche Urteil für Pippin, dass es
den Platz für erledigt erklärte, den er einnehmen wollte. Die Krone
wurde ihm nicht vom Papst, sondern von den Franken übertragen.
So betrachtet& man die Sache in der nächsten Umgebung Pippins.
Die von seinem Oheime Childebrand veranlasste Fortsetzung der
Chi-ouik Fredegars lässt ihn im Jahre 751 nach alter Sitte dm'ch
die Wahl aller Franken auf den königUchen Thron erhoben werden.
Indem che Bischöfe den Gewählten salbten und die Füi-sten ihm
hulchgten,'^) erkannten sie ihn als rechtmässigen König an. Es ist
1) Ann. Laur. mai. z. J. 749 S. 8: Interroganclo de regibus in Francia,
qui illis temporibus non habentes regalem potestatem, si bene fuisset an
non. Über Bedenken gegen die Sendung s. Hahn, Eist. Ztschr. N. F. 9
S. 336: vgl. auch Waitz, VG. III S. 62 Anm. 1. Die Namen der Gesandten
in den Ann. Lauriss. a. a. 0. Um Bonifatius von jeder Verwickelung in
die Sache zu entlasten, bestreitet Rettberg I S. 391 und II S. 315 ff. die
Beteiligung Burchards. Seine Gründe hat schon Waitz a. a. 0. S. 63 Anm. 1
wenig überzeugend genannt.
2) Ann. Laur. mai. 1. c. : Ut non conturbaretur ordo.
3) Fredeg. cont. 33 S. 182. Meine Auffassung unterscheidet sich von
der herkömmlichen dadurch, dass ich auf die Wahl durch das Volk grösseres
Gewicht lege, als gewöhnlich geschieht, und infolgedessen der Erklärung
des Papstes geringere Bedeutung zuschreibe. Die drei von einander unab-
hängigen Hauptquellen über den Vorgang betrachten als handelndes Sub-
jekt das fränkische Volk. Fredeg. cont. a. a. 0.: Electione totius Francorum
in sedem regni com consecratione episcoporum et subiectione principum . . .
ut antiquitus ordo deposcit, sublimatur in regno. Ann. Laur. mai. z. J. 750:
P. seeundum morem FrancoVum electus est ad regem ... et elevatus a Francis
in regno. Nota de unct. Pip. reg. (M.G. Scr. XV, S. 1): Per auctoritatem
et Imperium . . . Zachariae . . et electionem omnium Franchorum ... in regni
solio sublimatus est. Wie entschieden die allgemeine Überzeugung die war,
dass das Volk stets die Krone überträgt, zeigt besonders deutlich Einh. V.
Kar. 3: trotz des Erbrechts und trotz der vorhergegangenen päpstlichen
— 14 —
richtig, dass d'w He-rrschaft Pij^ijins eiueii anderen Uispnini; hatte
als das alte Königtum der MeiowingerJ) aber es ist zweifellos,
dass man sie jenem als gleieliartig ei-scheinen lassen wollte.
Man kiuin über die Motive, welche Pippin zur Entthronung
seines Königs bewogen, zweifeln: dagegen sind die Folgen seiner
That durchsichtig. Die Gründung der neuen Dynastie führte in
den staatlii'hen YerhiUtuissen unzweifelhaft zur Konsohdation der
Zustände. Für die kirchlichen Dinge war wichtig, dass die von
Bonifatius angebahnte Verl)in(lung mit dem Papsttum ungemein
lu-festigt wurd(\ Nachdrücklicher als durch die au Zacharias ge-
richtete Frage konnte es nicht ausgesprochen werden, dass das
fränkische Volk im Papste den obersten Vertreter des morahscheu
Piinzips auf Erden anerkenne.
Doch der Gang der Ereignisse führte bald darüber hinaus.
Bei dem Thnniwechsel hatte Pippin des Papstes bedurft; wenige
Jahre später bedui-fte der Papst Pippins. Der Griuad lag in den
Yerhjdtnissen zu den Langobarden.
So lange Zacharias lebte, wurde der Friede, den er im Be-
ginn seines Pontilikats hergestellt hatte, aufrecht erhalten. Das
war das Verdienst des Papstes. So oft sich Schwieiigkeiten er-
hoben, suchte er die Langoljardenkönige pei-sönlich auf, und jedes-
mal gelang es ihm, zu einer Vei-ständiguug zu kommen.'-) Er war
Salbuncf Karls und Karlnianns sind es die Franken, welche facto soleiunitor
generali conventu ambos sibi reges constituunt. Dass bei den geistlichen
Berichterstattern die Mitwirkung des Papstes wichtiger erscheint als sie
war, ist nicht zu verwundern. Indem Zacharias mehr antwortete, als er
gefragt wurde (Ann Laur. mai. z. J. 749), hatte er das nahe gelegt. So
erscheint denn sein Rat, von dem eine Anzahl von Quellen wissen (Gest.
abb. Font. 14 S. 43; Ann. Mett. z. .J. 750), zum Befehl gesteigert (Ann. P^in.,
Stabul. z. 749, Laur. mai. u. min. zu J. 750; Chron. Moiss. S. 292). Dem
gegenüber ist es bemerkenswert, dass einige Berichte die Wahl durch die
Franken allein erwähnen, ohne der päpstlichen Erklärung zu gedenken.
So Ann. s. Col. Sen. z. 751 (M.G. Scr. I S. 102): P. electus est in regem,
und Ann. Xant. z. .1. 7-50. Dass man in Rom nicht der Meinung war, die
Übertragung der Krone an Pippin sei eine That des Zacharias, ergiebt sich
aus dem Schweigen seines Biographen. Derselbe betrachtete übrigens Karl
Mnrtell schon als fränkischen König (c. 21 S. 433). Eine Benützung der
Chronogr. des Theophanes led. Bonn. S. fi20), wie bei v. Ranke, Weltgesch.
V, 2 S. 24, scheint mir unthunlich; der Natur* der Sache nach le.sen wir
hier nur Reflexionen eines Fernstehenden. — Dass die Thronbesteigung
Pippins in die erste Hälfte des November 751 fällt, hat Sickel gezeigt (Forsch.
IV, 439 ff.); vgl. auch Mühlbacher, Deutsche Gesch. unter den Karol. S. 56.
1) Waitz, VG. III Ö. 62; v. Ranke, WG. V, 2 S. 22.
2) Vit. Zach. 6 ff.; 14; 23.
— 15 —
der rechte IMann liiv IIuterhandliiDgeü. Denn wai' er auch kein
gi-osser Mensch, so hat man doch überall den Eindruck, dass er
ein Stück von der politischen Feinheit der Griechen als Erbteil
seines griechischen Blutes überkommen hatte. Er verstand, im
rechten Moment zu fordern und im rechten Moment nachzugeben;
nie übei-sah er etwas, das für später wertvoll sein konnte. In
seinem persönhchen Auftreten war er zugleich gewinnend und im-
ponierend;^) nie leidenschafthch, stets Herr seiner selbst, wusste er
auch die xA.blehnung eines Wunsches zu ertragen, ohne dass er sich
von dem Verweigernden zurückzog. Er gab niemand verloren, zeigte
gegen niemand Abneigung, war schwer zu einem zornigen Worte
hinzureissen , -) Vorwürfe beantwortete er mit der Miene der ge-
ki-änkten Unschuld, kein Wunder, dass seine Umgebung ihn als
äusserst sanft und liebenswürdig hochschätzte. Aber dieser bieg-
same Manu verstand es, zu herrscheu; er wusste klar, was er wollte.
Dass er gerne persönlich unterhandelte, zeigt, wie sehr er sich
dessen bewusst war, dass er die meisten Menschen übersah ; er Hess
es niemandem empfinden. Um so leichter musste es ihm werden
die Menschen nach seinem AVillen zu lenken.
Über die Langobarden herrschte seit Liutprands Tode ^) König
Eatchis. Er war an pohtischem Geschick Zacharias keineswegs
gewachsen; die Zeitgenossen rühmen ihn als einen tapferen, waffen-
gewandten Mann;*) die Modernen erkennen an, dass er, lur den
Wert der Bildung empfänghch, che geistigen Interessen in seinem
Eeiche förderte ; '") dazu gedenkt Paulus Diakonus seiner Gutherzig-
keit:^) lauter Eigenschaften, die einem Piivatmann zm- Zierde ge-
reicht hätten. Aber Weichheit des Gemüts war nicht die Eigen-
schaft, welche der Inhaber eines schwankenden Thrones bedurfte.
Eatchis starb denn auch nicht als König, sondern als Mönch. Mit
Gemahlin und Kindern legte er im Jahre 749 vor Zacharias die
Klostergelül)de ab.')
Erbe der Krone war sein jüngerer Bruder Aistulf. Er war ein
Mann aus ganz anderem Stoff. Es lag etwas Heftiges, Eücksichts-
loses in seinem Auftreten; kaum konnte er seine Leidenschafthch-
1) L. c. 10.
2) L. c. 1: Tardus ad irascendum.
3) Er starb im Jan. 744. Bethmann und Holder-Egger, Langob. Re-
gest. N. Arch. III S. 264. Über sein Verhältnis zu Rom s. Bd. I S. 495 f.
4) Paul. Diac. H. Lang. VI, 26; 52; 56.
5) Oelsner, JB. S. 114.
6) L. c. VI, 56: Pietate solita.
7) Vit. Zacb. 23 S. 434; Chron. s. Bened. Casin. 25 M.G. Scr. Lang.
S. 487; vgl. N. Arch. III S. 272.
— 16 —
kcit henieistciii: iii.ui liürtr ihn mit den Zähnen knirsehen. \venn
ihn etwas erregte.') Für Rom war er ein weit imhenuenierer Naeh-
har als sein sanfter Brnder. Denn er kehrte zu dem Gedanken
zurüek, die Grieehen vülHg" ans Itahen zu verdrängen und die
hmgohardisclie Macht durch die Eroherung der Gebiete abzurunden,
welche bisher die Heirschaft des Kaisers anerkannten. Zunächst in
Betracht kamen Rom und Ravenna; von den Römern forderte
Aistulf eine jährliche Kopfsteuer, also die Anerkennung seiner Ober-
hoheit; Ravenna und das undiegende Gebiet vereinigte er i. J. 751
geradezu mit seinem Reiche.-)
Vielleicht dass es der Klugheit des Zacharias gelungen wäre,
sich mit ihm zu verständigen; allein kurz nach des Königs Thron-
besteigung starb der Papst. -^l Auf den Griechen folgte ein Römer,
Stephan 11. Seinem Vorgänger war er in allen Stücken unähn-
lich : er war kräftiger, rascher, aber auch derber, um nicht zu sagen
plumper. In seinem Auftreten, wie in seinen Anschauungen hatte
er etwas Volkstümliches: es kam wohl vor. dass er, wie irgend ein
^lönch, liarfuss und Asche auf dem Haupt in einer Prozession ein-
hei-schreitend. ein Clnistusbild trug.^) Unbedenklich wiederholte er
die ])ei dem Volke herrschenden abergläubischen Vorstellungen über
die Macht der Heiligen; •"') er hat sie ohne Zweifel geteilt. Auch
darin empfand er wie die Menge, dass er glaubte, durch die Häu-
fung gottesdienstlicher Handlungen werde ihre Wirksandceit erhöht.")
Das Bizarre, Übertriebene erschien ihm eindrucksvoll: als Aistulf
den mit Rom geschlossenen Frieden l)rach. heftete er die Vertrags-
urkunde an „das anbetungswürdige Kreuz unseres Gottes",') ein
Appell sei es an Gott, sei es an das Volk. Seine persönliche
Würde galt ihm nicht so viel als Zacharias: es k.ini ihm auf einen
Fussfall nicht an, wenn er mu- sein Ziel dadurch erreichte.^) Im
Reden und Pi-edi«en war er unennüdhch.") Aber wenn sein Bio-
1) Vit. Steph. II. 10 S. 442; 22 S. 446.
2) L. c. 6: 15 f.
3) Aistulf bestiejf im Sommer 749 den Tlnon (Bethmann und Holder-
Egj?er, N. Arch. III S. 272». Zachariiis starb d. 22. oder 23. März 752 (s.
Duchesne I S. CCLVIII). Sein nächster Nachfolger, ein Presbyter Stephan,
starb vier Tage nach seiner Wahl. Je nachdem ninn ihn zählt oder nicht,
wird der neu gewählte Stephan als II. oder III. bezeichnet.
4) Vita Steph. II. c. 11.
5) Cod. Carol. 5 S. 488: Ab ij».. principe apostolorum vestra dimit-
tantar peccata.
6. V. Steph. II. 12 f. S. 448.
7) Ib. c. 11.
8) Cbron. Moi.ss. S. 293; vgl. Cod. Carol. 8 S. 496.
9) Vita Steph. II. 12 f.
— 17 —
gi-aph die stete Festfgkeit rühmt, mit der er die kirciiliclie Tradi-
tion aufrecht erhalten hahe,^) so war er doch alles eher als ein
Thectlog. Wenn ihm eine That gefiel, fragte er nicht viel danach,
ob sie nach dem Buchstaben des kirchlichen Rechts zulässig sei
oder nicht. Niemals würde Zachaiias als etwas LöhHches angeführt
haben, dass ein fränkischer Abt thätig in den Kampf ein griff ;
Stephan hatte seine Freude an dem mutigen Mönch und rühmte
ihn wiederholt -j ]\lit seiner Kenntnis der Bibel sah es nicht glän-
zend aus: es 1>egegnete ihm. eine alttestamenthche Stelle als pauh-
nisch anzufiihren,'^) oder Bibelworte zu erwähnen, die nicht in der
Bibel stehen.^) Die Briefe, die unter ihm und unter seinem Vor-
gänger aus der päpstHchen Kanzlei ausgingen, sind für beide höchst
bezeichnend. Xatürhch tragen sie den Stempel ihrer Zeit und den
gemeinsamen Ton. der geisthchen Schriftstücken einmal eigen ist.
Im übrigen aber sind sie weit yerschieden. So lange Zacharias
lebte, waren die päpsthchen Schreiben stets toU Würde und Sal-
bung, immer erbaulich, aber nie eigenthch beredt. Seitdem Stephan
das päpsthche Amt inne hatte, ändert sich der Ton: Fm^cht und
Freude. Liel^e und Hass werden lebhafter ausgesprochen, bei den
Schilderungen sind die grellsten Farben gewählt, die Mahnungen
sind eifiigei-. diingender: nicht nur die Sache, auch die Form soll
Eindruck machen, nicht überführt, sondern mit fortgerissen soU der
Empfänger des Schreibens werden.* Stephan trug kein Bedenken,
seine Mahnungen an die Franken dem Apostelfürsten in den Mund
zu legen:-') musste es nicht Eindruck machen, wenn Petrus selbst
zu ihnen sprach?
Ein solcher Mann war wenig geeignet, die Ton Zacharias fest-
gehaltene Politik foi-tzutuhren. So war denn auch, was Stephan
wollte und erreichte, durchaus verschieden von den Zielen seines
Vorgängers. Diesem war es dm-ch kluges Davieren gelungen, Ver-
hältnisse, die an und für sich unhaltbar waren, noch ein Jahrzehnt
aufrecht zu erhalten. Stephan war dazu nicht im Stande; es fehlte
ihm an der Gleduld und Euhe, die nötig gewesen wären. Aber
mit gesundem Instinkt ergriff er die rechte Massregel, um neue
Zustände zu schaffen, und mit rascher Entschlossenheit that er
einen Schritt der in Rom unerhört war, der aber zum Ziele führte.
Er und Aistulf waren Xachbam, welche nicht in Frieden
leben konnten; vollends bedenklich wurde die Lage dadurch, dass
1) Vit. Steph. e. 3.
2) Cod. Carol. 8 S. 498 und 9 S. 500. ■
3) L. c. 6 S. 490; Pred. Sal 5, 4.
4) L. c. 8 S. 496: Qm salvat, tarn quam qui edificat.
5) L. c. 10 S. 501 ff.
Hauet, Kirehengeseliiehte. IL 2. Aufl.
— 18 —
(Ici- gi-iochisclu> Kaiser mit seinen Ansprüchen wieder hervortrat
und drii Papst zur Vertretung derselhen luMiütztoJ) In dieser Ver-
wirrung kam Steplum auf den Gedanken zurück, den vierzehn Jahre
vorher Gregor ]II. gehabt hatte, der aber au Karl Martells Al)-
neitjung gegen einen Brucli n)it den Langobarden gesclieitert war:-)
er turdei-te das ?]ingreiten der Frauken zu Gunsten des Pajjstes.
Er war nacli allen Seiten hin so eingeengt, dass er das nicht frei
und offen thun konnte: im tiefsten Geheimnis sandte er im FriUi-
jahr 753 durch einen zurückkehrenden Pilger einen Brief au Pii)i)in:
er bat, der Frankeuköuig möge ihn durch eine Gesandtschaft auf-
fordern lassen, über die Alpen zu kommen; denn persönlich wollte
er sich mit Pippin verständigen, inu- im Gehnte einei- fränkischen
Gesandtschaft aber konnte er hoften. frei(> Bahn durch das Lango-
b;irdenreich zu finden.
Der Entschluss Pippins, auf die Aufforderung Stephans ein-
zugehen, ist epochemachend;^) er hat der Geschichte der nächsten
Jahrhunderte ihre Richtung gegeben; denn durch ihn wurde jene
enge Veri)indung zwischen dem fi-änkischen Reich und dem Papst-
tum begründet, welche dem mittelalterlichen Staat und der mittel-
alterlichen Kirche ihr eigentümliches Gepräge verliehen hat. Pi]i]iiii
hat ihn nicht leichthin gefasst. Wie bei seiner Thronbesteigung,
so versicherte er sich auch jetzt der Zustinnnung des Volks. Der
Sendung Chrodegangs und Aufeuirs nach Rom gingen Beratungen
mit den fränkischen Grossen voraus; mich gemeinsamem Beschluss
des Königs und der ()[)tinKiten wurde die Gesandtschaft abgeord-
1) V. Stpph. II. 8.
2) S. Bd. I S. 496. Der Biograph Stephans erinnert c. 15 an Gregor.
3) Die Litteratur über diese Verhandlungen und die Schenkungen
Pippins und Karls ist sehr reich. Ich erwähne v. Sybel. Kl. histor. Schriften
111, 1x80 S. 67; Ficker, Forschungen zur Reichs- und KG. Italiens II, 1869
S. 829; Martens, Die röm. Frage 1881; ders., Neue Krörterungen 1882;
den»., Beleuchtung der neuesten Kontroversen 1898; Weiland, Ztschr. f.
KR. N.F. II S. 368; Scheffer-Boichorst in den Mitt. des Instit. f. österr.
Gesch. V 1884 S. 193; Duchesne in der Einleitung seiner Ausgabe des Lib.
pontif. I S. CC.XXXVI; ders., Revue d'hist. et de liti-r. rclig. I, 1896 S. 105 ft.;
Lamprecht, Die röm. Frage 1889; Kehr in .1. Hiet. Ztschr. 70. Bd., 1892,
S. 385 u. in den Gott. G.A. 1895 S. 694 u. 1896 S. 128; Schaubo, Hist.
Ztschr. 72. Bd.. 1H94. S. 193; Sickel, D. Ztschr. f. Gesch. W. 1894 S. 301;
SchnUrer, Die Entstehung dos Kirclienst. 1894; Sackur in den Mitt. des
Instit. f. örterr. Gesch. XVI, 1895 S. 399 u. XIX, 1898 S. 55; Lindner, Die
«. g. Schenkungen Pippins, Karls d. Gr. u. Ottos I. 1896; Ketterer, Karl
d. Gr. u. d. Kirche 1898. Weitere Litteraturangaben bei Ölsner, JB. S. 129;
Kehr S. 388 f.
— 19 —
net.^) Doch wer möciite zweifeln, dass das letzte Wort Pippin zu-
kam? Was geschah, war sein AVille. Wenn man es verstehen
will, so muss man fragen, wodurch seine Entscheidung herheigeführt
wurde. Die kirchlichen Berichterstatter betrachten sie als lediglich
dm'ch die Frömmigkeit des Königs motiviert. Nicht anders wollte
er selbst sie angesehen haben. Jedermann kennt die Antwort, mit
der er die Fordenmg, das eroberte Land dem Kaiser zurück-
zustellen, ablehnte: nicht aus Gunst gegen irgend einen Menschen,
sondern aus Liebe zum heiligen Petrus und um der Vergel)ung
seiner Sünden willen habe er den Kampf mit den Langobarden
aufgenommen.-) Dass das che ganze Wahrheit war, wird niemand
glauben; aber es war doch schwerlich ganz ohne AVahrheit. Denn
sicher hat Stephan die Erwägungen, die er nicht müde wurde zu
wiederholen, dem König von Anfang an vorgehalten: er hess die
Unterstützung des Papsttums als höchste religiöse Plhcht erscheinen,
selbst die Drohung mit der Exkommunikation scheute er nicht, um
Hilfe von Pippin zu erz\dngen.^) Aber man konnte ganz in der
Frömmigkeit jener Zeit aufgehen, ohne doch die Verpflichtung zum
Kampf für das Papsttum oder für Rom anzuerkennen. Das zeigt
die Stellung Karlmanns: er, der Mönch, versuchte Pippin zu be-
wegen, dass er treu der Pohtik Karl Martells das Einverständnis
mit den Langobarden dem mit dem Papste vorziehe."*) Deshalb
wird die Frömmigkeit Pipphis ihn zwar im allgemeinen geneigt ge-
macht haben, einen päpstHchen Wunsch zu erfüllen; jedoch sie
allein genügt nicht, seinen Entschluss zu erklären. Auch die Dank-
barkeit flu' den päpstlichen Bescheid im Jahre 751 kann man nicht
als hinreichenden Grund ansehen. Stephan hat sie nicht erwartet:
in keinem seiner Bnefe bezieht er sich auf das Entgegenkommen
seines Vorgängers gegen die Wünsche Pippins.') Wichtiger ist.
1) Gest. ep. Mett. M.G. Scr. II S. 268; vgl. den Brief Stephans an die
fränk. Grossen Cod. Carol. 5 S. 488 u. Vit. Steph. IL 18 S. 44-5.
2) Vit. Steph. II. 45.
3) Der erste, durch den Pilger übersandte Brief (V. Steph. 15) ist
bekanntlich nicht erhalten. In dem durch Abt Droctegang von Jumieges
i. J. 753 überbrachten Schreiben heisst es schon: Imple dominicum dictum,
sicut scriptum est: Quoniam qui perseveraverit etc. Ex hoc enim centuplum
accipies et vitam possidebis aeternam (Cod. Carol. 4 S. 487; vgl.V. Steph. IL
16); von späteren Briefen sind zu vergleichen ejD. 6 — 10 S. 488 ff., auch 24
S. 528: Qualiter (Stephanu.s) vos terribili adortatione adiit.
4) Ann. Lauriss.; Einh. z. J. 753; Ann. Mett. z. J. 754; Vit. Steph.
IL 30.
5) In Stellen wie Cod. Carol. 6 S. 489: Per b. Petrum, qui vos in
reges unxit, liegt nur die Erinnerung an die durch Stephan vollzogene
Salbung.
— 20 —
tlass (las Verhältnis des fränkischen Königs zu den Langobarden
bereits gethibt war, als die Verbindung z^\^scheu ihm und dem
Papste geschlossen wurde. Wir kennen die Ureachen nicht, welche
dazu führten; aber wir wissen, dass in derselben Zeit, in welcher
die Boten Stejjhans unterwegs waren, um Pippin aufzusuchen, des
Königs um-uhiger Bruder Giifo. aus Aquitanieu tlUchtoiid. sich nach
der L(»nd)ardei wandte.') Er muss bei Aistulf einen Rückhalt gegen
seinen Bruder erwartet haben. Wenn nun Pippin Grund hatte,
die Langobarden zu seinen Feinden zu zählen, so war der Papst
für ihn ein wertvoller Bundesgenosse. Dazu kam, dass die Anträge,
welche Stephan dem Könige machte, eine bedeutende Erweiterung
der fränkischen Machtsphäre in Aussicht stellten. Das konnte
Pippin nicht übei-sehen. und nach allem, was wir von ihm wissen,
hatte nii bt-^ ^o viel Gewalt über ihn, als der Gedanke an grössere
Macht.
So erhielt denn Stephan eine seinen "Wünschen entsprechende
Antwort. Am 14. Oktober 753 ist er, begleitet von den beiden
fi-änkischen Gesandten und einem zahlreichen Gefolge römischer
Kleiiker und Tiaien, aufgebrochen,-) um den fränkischen Kcinig
diesseits der Alpen aiüzusuchen. Anfang Januar 754 traf er mit
ihm in Ponthion zusammen.'^) Pippin hat ihm die grösste Ehr-
erbietung erzeigt; er versagte ihm den Dienst nicht, den der rJimische
Bi.schof nach der coustautinischen Schenkung zu beanspruchen
hatte: als Marschall schritt er neben des Papstes Zelter einher.'*)
Aber dadurch wird die Thatsache nicht geändert, dass Stephan als
Schutzflehender nach Ponthion kam. Seine Bitte ging nicht nur
dahin, dass der fränkische König sich in den augenblicklichen Ge-
fahren seiner annehme und Rom gegen die Langobarden decke.
Er wünschte vielmehr die Herstellung eines dauernden Schutzver-
hältnisses. Das ist der Punkt. ;iuf den er in seinen Brief(>n immer
wieder zuiiickkommt. Bald hest man: Alle Angelegenheiten der
1) Fredeg. cont. 35 S. 183; Ann. Sith. z. 753; Ann. Mett. z. J. 751;
Liiuris.'f. min. z. .1. 755; Pet.; Fiilcl. z. J. 753.
2) Da« Datum vita Steph. Tl. 19 8.445; über die Bogleiter des Papsts
a. a. 0. vgl. c. 23 S. 446. Die Verhandlungen in Pavia c. 21 ff. S. 246
können hier übergrangen werden; bemerkenswert ist nur, dass Stephan sie
als kaiserlicher Unterthan im Auftrag des Kaisers führte. Sickel erinnert,
dam dieser Befohl der letzte Befohl des Kaisers an den Papst war, S. 319.
3) Vita Steph. II. c. 24 ff.; Fn-deg. cont. 36 S. 183; chron. Moiss. S. 292.
Über den äus.soren Hergang vgl. Ölsner, JB. S. 126 ff.; v. Ranke, WC4. V, 2
S. 28 ff.; Mühlbacher, D. G. S. 60 ff.; Schnürer S. 41 ff. Ponthion (Pontico)
im Dep. Marne, Arr. Vitri-le-Fran^ois.
4) Vita Steph. 11. 25.
— 21 —
heiligen KirChe Gott(*s haben wir Eiu'em Schoo^se anvertraut,^)
bald: Xacli Gott haben wir Euren Händen die Seelen aller Römer,
haben wir Dir und dem fränkischen Volk die heihge Kirche Gottes
und unser, der römischen Republik Volk. übergel)en."-) bald: Alle
Völker, che ringsumher wohnen und zu Euch, dem durch Gottes
Macht tapferen Frankenvolk, ihre Zuflucht genommen haben, sind
gerettet worden; wenn Ihr allen Hilfe geleistet habt, so müsst Ihr
vielmehr the heihge Kirche Gottes und ihr Volk von der Be-
di'änguug durch die Feinde befi-eien ; '^j schliesslich versichert der
Apostel Petnis selbst: Die Kirche, welche mir der Herr übergeben
hat, habe ich Euch durch die Hand meines Vikars kommendiert."*)
Piljpin nahm die UlDergabe Roms und der Römer in seinen
Schutz an. Das sprach der Titel Patricius Romanoram ■^) aus. den
er seitdem führte.'^) Seine Schutzpflicht in Bezug auf die römische
1) Cod. Carol. 6 S. 490; vgl. 7 S. 491. Die Übersetzung ^Angelegen-
heiten", nicht y Besitzungen", welch letztere ebenfalls möglich ist, scheint
mir vorzuziehen. Die Nebeneiuanderstellung der causa, civitates et loci in
der ersten, der eausae, iustitia et defensio in der zweiten Stelle spricht
für die allgemeinere Bedeutung von causa. Vgl. auch die Fassung, welche
die vita Steph. 26 S. 447 der päpstlichen Anforderung giebt : Ut per pacis
foedera causam b. Petri et reipublicae Romanorum disponeret.
2) L. c. 8 S. 496 f. ; 9 S. 499 f.
3j L. c. 8 S. 496.
4) L. c. 10 S. 503. AVie Stephan eine solche commendatio verstand,
zeigt ep. 11 S. 506: Spolitini . . . se commendare per nos . . . excellentiae
tuae cupiunt, vgl. mit ep. 17 S. 515: Spolaetinus et Beneventanus, qui se
sub vestra . . . potestate contulerunt.
5) Was diesen Titel anlangt, so möchte ich auf das Wort Patricius
kein allzu grosses Gewicht legen, besonders nicht in dem Patricius den
Stellvertreter des Kaisers sehen (Grashof, Arch. f. kath. KR. 1879 Bd. 41
S. 193 ff., gebilligt von Ketterer S. 59). Denn kaiserliche Rechte hat Pippin
sicher nicht erhalten. Der Titel Patricius war auch dem fränkischen Reich
nicht fremd, vgl. die Patric. Agröcola u. Celsus Greg. Tur. H. Fr. IV, 24
S. 159, Mummolus, ib. IV, 42 S. 175. Transl. Germ. 1 M.G. Scr. XV S. 5,
ist Aquitaniae patricius genannt. Die Wahl des Wortes war offenbar ein
Ergebnis der Verlegenheit : der Titel Kaiser oder König war ausgeschlossen,
man griff deshalb zu einer in Italien üblichen (vgl. Pauli Diac. Hist. Lang,
ni, 12 S. 120; 18 S. 124 u. ö.) Bezeichnung, die den Vorteil bot, sehr
unbestimmt zu sein. Die Vermutung Duchesnes S. 129, Stephan habe Pippin
diesen Titel gegeben, um den dux Romae beseitigen zu können, halte ich
nicht für wahrscheinlich. Ebensowenig die Ansicht von Sickel, Pippin habe
den Papst als den rechtmässigen Herrn des Landes betrachtet, der über
sein Volk verfügen konnte S. 341.
6) Man spricht aligemein davon, dass der Papst Pippin und seine
Söhne zu Patriciern ernannte: Waitz, VG. III S. 85; Oelsner, JB. S. 144;
— 22 —
Kirche nhvi erkannte er an duitli die Zusagen, welche er dem
Papste machte. Sie werden zunäclist allgemein mid umfassend ge-
lautet hal)en: Sicherstellnng Eoms. Aher es lag doch in der Xatur
der Sache, dass die augcnhückliche Lage des Papstes und das
was sie tV»rderte. nicht unerwogeu und unerwähnt blieh. Dadurch
erhielt das S<'hutzversprecheu eine gegen die Langol)arden g(MMch-
teto Spitze. Pippin verpflichtete sicli. das, Avas Stephan diirrh
Uutt'rhandlungen vergeblich zu erreichen gesucht hatte, nötigenfalls
mit WaHcngewalt zu erzwingen: den Verzicht auf die Unterwerfung
Roms, die Herausgabe Ravennas und die Restitution der Patri-
monien. M Das ist das Pippinische Versprechen.
Stei)han sah die Absicht verwirklicht, welche ihn iilter die
Alpen geführt hatte. Hört man nun, dass er daraufhin in St.
Denis Pippin als den König der Franken und Patricius der Römer
sall)te,-) so kann man über die Bedeutung dieser Handlung kaum
zweifeln. Es ist unmöghch an Übertragung dieser Würden durch
den Papst zu denken: König war Pip])in ja seit Jahren, auch sali
V. Ranke, WG. V, 2 S. 31 ; Mühlbacher, D. G. S. 66; Martens, D. röm
Frage S. 85; Kehr S. 434: Ketterer S. 58; Duche.sne 3. 129 u. a.; Abel,
.IB. S. 172 sagt gar, das Papsttum habe den Karolingern diese Würde auf-
gelegt. Aber von einer Ernennung im eigentlichen Sinn des Wortes kann
koine Rede sein: der Pap.st kam ja als Bittender. Vielmehr muss die An-
nahme des Titels einen Teil der Verabredungen gebildet haben. Überliefert
ist bekanntlich die Ernennung niclit. Allerdings erzählt die Notitia de
unct. Pip. M.G. Scr. XV S. 1, dass Pippin per manus . . Stophani . . in re-
gom et patriciura una cum . . filiis Carolo et Carolomanno . . unctus et beno-
dictus est; ähnlich Chr. Moiss. S. 293: Stephanus . . Pippinum regem Fran-
corum ac patricium Romanorum oleo unetionis perunxit; vgl. Ann. Mett.
z. J. 754. Aber, wie ersichtlich, steht hier die Salbung zum Patricius der
zum König völlig gleich. Durch die letztere wurde Pippin nicht zum König
ernannt, also auch nicht durch die erstere zum Patricius: hier wie dort
liegt in der Salbung nur die Benediktion (s. S. 23 Anm. 1).
1) V. Steph. II. 26: Papa .. regem .. deprecatus est, ut per pacis
foedera causam beati Petri et reipublicae Romanorum disponeret. Qui de
prapsenti iurHurando . . . papam satisfecit omnibus eius maudiitis ot am-
monitionibuH .sese totis nisibus oboedire et . . . exarchatum Ravennae et
reipublice iura seu loca reddere media omnibus. Cod. Carol. 7 S. 491 ; vgl.
Fredeg. cont. 36 S. 183; Cbron. Moiss.; Ann. Mett. z. .1. 754.
2) Nach gewöhnlicher Annahme 28. Juli 754, Not. de unct. Pip. M.G.
Scr. XV S. 1. Da.s Tagesdatum bei Hilduin. Vit. Dionys. Areopag. zitiert
Bouq. V S. 436. Martens (R Fr. S. 22; vgl. 41 tf.) verlegt die Salbung auf
den 19. oder 20. Februar. Die Tage halte ich für ganz unsicher; in der
Hauptsache dagegen stimme ich Martens bei: die von der Vit. Steph. 11.
27 f. angegebene Reihenfolge der Thatsachen verdient den Vorzug vor der
Zeitangabe Hilduins.
mau in der*Salbimg Jediglich einen Benediktionsakt. Sondern der
Papst erstattete dem König seinen Dank, indem er ihm das ge-
währte, für dessen Inhaber er sich hielt: geisthche Segnungen.^)
Pippin sollte sich als von Gott und dem Apostel Petrus in seinem
Königtum und Patriciat bestätigt und zur Ausrichtung seiner hohen
PHichten ausgerüstet betrachten.
Auch jetzt Avieder legte Pippin seine Verabredungen mit dem
Papste den fränkischen Grossen vor. Es bedurfte zweier Versamm-
lungen zu Bei-ny Ri viere und zu Kierzy. um zur Verständigung zu
kommen.-) Denn der Vertrag mit dem Papste stiess auf AVider-
spruch.-') Das ist begreiflich, bedeutete er doch den Bruch mit den
Traditionen Karl Mai'tells. Aber Pippin Hess sich dadurch so
wenig beirren, als dm'ch die Warnungen seines Bruders Karl-
mann. ■*) Das Ende war, dass die Franken den Beschluss ihres
Königs bilhgten.') Xun hat Pippin sein Versprechen beschworen;*^)
so bestimmt war ins Auge gefasst. wie weit er gehen wollte,
dass er dem Papste eine Urkunde darüber ausstellte.') Sie
1) Vgl. S. 21 Anm. 6. Auch Stephans Bruder, Paul L, spricht das
klar und bestimmt aus, ep. 83 S. 540: Oleo sancto vos . . . ungens cele-
stibus replevit benedictionibus. Noch Smaragdus von St. Mihiel unter
Ludwig d. Fr. sah in der Salbung nicht Übertragung der Königswürde : Te
ret^em esse et sacri chrismatis unctio et fidel confessio, operisque confirmat
et actio (Via reg., epist. nunc. Mign. 102, 933). Ebenso Papst Leo IV.,
Coli. Brit. 37 f. (N. A. 1880, V S. 390 f.).
2) Die Quellen reden von zweiReichsversamnilungen; die erste zuBrenua-
cus, Bernacus mach Longnon, Geographie S. 401: ßerny Fdviere, Dep. Aisne,
nach anderen Braisne bei Soissons) war das gewöhnliche Märzfeld (Fredeg.
cont. 36 S. 183; Ann. Mett. z. J. 754). Die zweite fand zu Carisiacum, Kierzy
unweit Laon, Osteni, 14. April, 754 statt (V. Steph. IL 29; verb. Ann.
Lauriss. z. J. 753). Daran halten die meisten fest (s. Oelsner, JB. S. 148;
Mühlbacher, Reg. 71 g u. i; v. Ranke, WG. V, 2 S. 35). Dagegen erklärt
Martens (R. Fr. S. 33 ff., vgl. Beleucht. S. 11) beide Versammlungen für
identisch; der Biograph Stephans habe sich im Ort geirrt. Seine Gründe
scheinen mir unzureichend; das rasche Aufeinanderfolgen zweier Versamm-
lungen wird sich aus dem Widerspruch erklären, den die Verhandlungen
fanden. — Wie entschieden Stephan das fränkische Volk als Teilnehmer
am Vertrage betrachtete, zeigt sein Brief Cod. Carol. 9 S. 498.
3) Einh. vit. Kar. 6.
4) V. Steph. II. 30. Aus den späteren Ereignissen wird man schliessen
dürfen, dass auch die Königin Bertrada gegen eine feindselige Wendung
wider die Langobarden war.
5) V. Steph. IL 29; Fredeg. cont. 37 S, 183; Ann. Mett. z. J. 754.
6) Cod. Carol. 11 S. 505: Sub iureiurando.
7) Man nimmt im allgemeinen an, dass die Urkunde in Kierzy aus-
gestellt wurde. Ganz sicher scheint es mir nicht, da Stephan in Kierzy
— 24 —
lautete aut Hei-stelliinf? der Gerochtsamo rles hcilicjen Petrus.
Schutz, BetVeiuiiji. Erlulliuii.u der Kirelie und des röiiiischen Volkes.
insbesondere auf Kückgal«' Kavennns und der von Aistult" eroberten
Städte des Exarchats.M
nicht anwesend war (V. Steph. IL 29). Martens (R. Fr. S. 51 ff.) leugnet,
dass flborhrtui>t oine Urkunde ausgestellt worden sei: die lebhafte Phantasie
des Papstes habe aus der Unterschrift des Friedensdokuments eine Urkunde
gemacht, in welcher Pippin und seine Söhne die Ausantwortung der 22
Städte versprachen. Ich vermute, dass hier der Phantasie des Papstes zu
vie\ und seinem Verstand zu wenig zugetraut ist; vgl. Sickel. Das Privileg.
Otto I S. 25.
ll Die Urkunde ist Vita Hadr. 42 S. 498 als im Namen Pippins, seiner
Söhne und der fränkischen Grossen ausgestellt bezeichnet. Dies ist richtig
nach Cod. Carol. 37 S. 548: Vos, vestrique suboles . . atque Universum reg-
num Francorum. Über den Inhalt der Urkunde, bezw. über den Wert
der angeführten Stelle der Vita Hadriani gehen die Meinungen gegenwärtig
weiter auseinander als jemals. Ich begnüge mich zu bemerken, dass die
Annahme Kehrs von einem in Kiei'zy geleisteten Eventualversprechen be-
züglich der beabsichtigten oder erwarteten Aufteilung des Langobarden-
reichs mir unmöglich scheint: sie scheitert daran, dass das Bündnis nach
der weiteren Haltung Pippins u. allen Äusserungen Stephans und Pauls ein
Bund zur Verteidigung, nicht zum Angriff war. Demnach bleibt für mich
die Kluft unüberbrückbar, die zwischen dem Inhalt der Urkunde nach der
vitn Hadriani einerseits, und nach den Angaben der Bx-iefe Stephans und
Pauls andererseits klaflt. Von den letzteren kommen in Betracht: Cod. Carol.
7 .S. 491 : Vos beato Petro polliciti estis eins iustitiam exigere et defen-
sionem s. Dei ecclesiae procurare; 19 S. 520: Petimus . . ut perfectius ea,
quae i)ertinent ad exaltationem et ad am])liatam liberationem s. Dei ecc-
lesiae et istius . . provintiae, sicut b. Petro et . . Stephane papae polliciti
estis, cunrta perficere . . iubeatis; inhaltlich übereinstimmond 22 S. 525;
29 S. 534: Defensio atque auxilium s. Dei ecclesiao vel eins peculiaris po-
X»uli; 45 S. .562: Vos b. Petro et vicario eius . . spopondisse, se amicis no.stris
amicos esse et se inimicis inimicos. Die.se Stellen fuhren, wie man sieht,
über allgemeine Zu.sagen nicht hinaus; auch aus ep. 19 ergiebt sich, wie
mich dünkt, nicht mit Notwendigkeit, dass bestimmte Oebiotc! genannt
waren. Da aber die vita Stejib. schon in Ponthion bestimmte (lebiete ge-
nannt sein läHMt (s. S. 22 Anm. 1), so muss man annehmen, dass solche auch
in der Urkunde genannt waren. Dabei ist ausgeschlossen, dass die Urkunde
mehr nannte als in Ponthion verspfi'ochen war; denn unmöglich konnten
die Franken, deren Bedenken erst beseitigt werden niussten, geneigt sein.
mehr /.nziisagcn als der König. Daraus ergiebt sich der im Texte angegebene
Inhalt. Au8 dem Schreiben Stephans 111, an .Johann von Grado (Ep. Langob.
21 S. 715) möchte ich nicht zu viel folgern. Stephan sagt: Fideles b.
Petri . . in scriptis contulerant promissionem, ut sicut hanc nostram Roma-
Dorum prorinciam et exarchatum Kavennatium et ipsam quoque vostram
provinciam pari modo ab inimicorum o]>i)rPssionibus semper defendere
— 25 —
Rückgfrbe. iiicLt ÜbergalDe; ^) denn konsequent bestand der
Papst darauf, dass die von den Langobarden liesetzten Gebiete
Besitztum des heiligen Petrus gewesen seien. Das war eine den
rechtlichen wie den wirklichen Zuständen schroff widersprechende
Fiktion: sie ist nm- verständhch, wenn er die angebhche Schenkung
Konstantins als Beweismittel benützte.-)
procurent. Denn der Papst kann hier ebensogut eine Folgerung aus einer
allgemeinen Phrase gezogen als den Inhalt genau angegeben haben. Was
V. Hadr. 42 anlangt, so ist es richtig, dass die Annahme nicht nötig ist,
dass Karls Urkunde v. 774 den Wortlaut des Pippinischen Diploms v. 754
wiederholte. Allein damit kommt man nicht gar weit. Denn auch dann
bleibt es unerklärlich, dass Karl den angegebenen Umfang als Inhalt des
Schenkungsversprechens seines Vaters betrachtet haben soll. In Bezug auf
Spoleto und Benevent war eine Täuschung kaum möglich; Karl hat diese
Herzogtümer nach 774 auch keineswegs als dem Papste geschenkt behan-
delt, ganz im Gegenteil, das zeigt schon die Urk. für Farfa v. 24. Mai 775
B.M. 183; wer in die partes Spoletii ging, verliess das päpstliche Gebiet,
ep. 65 S. 593, vgl. 82 S. 615. Wohl aber hat Hadrian auf die Herzogtümer
Ansprüche erhoben und behauptet, et ipsum Spoletinum ducatum vos prae-
sentialiter offeruistis b. Petro, ep. 56 S. 581. Auch diese Stelle ist demnach
kein Zitat, sondern eine Folgerung aus der Schenkung v. 774. Daraus ergiebt
sich : sie enthielt die geographische Bestimmung der V. Hadr. nicht. Nach
diesem Jahr bestand also ein Gegensatz in der Auslegung des Versprechens:
der Verf. der V. Hadr. fälschte nur dadurch, dass er die päpstliche Aus-
legung als die authentische in seine Biographie aufnahm. Es ist ähn-
lich, wenn er das Herzogtum Spoleto von Hadrian der päpstlichen Herr-
schaft einverleibt werden lässt 33 S. 496. Denn er wusste natürlich ganz
genau, dass Spoleto thatsächlich nicht päpstlich geworden war.
1) Stephan spricht stets von Zurückgabe ; Paul I. hält sich gewöhnlich
an diesen Sprachgebrauch; dann und wann giebt er ihn auf (ep. 30 S. 536:
Provintia vestro certamine redempta et a vobis Petro concessa; 37 S. 548 f.).
2) Ich berühre hier einen Punkt, der die KG. Deutschlands nicht direkt
betrifft, jedoch in diesem Zusammenhang nicht übergangen werden kann.
. In den Briefen Stephans wie in seiner Biographie tritt ein Begriff auf, der
vorher nicht vorkommt, sich auch in den Briefen Pauls I. und Stephans lU.
findet, dann aber wieder verschwindet: b. Petri sanctaeque Dei ecclesiae
respublica (Cod. Carol. 6 S. 489), sanctae Dei ecclesiae respublica Roma-
norum (Vit. Steph. IL 30, 31, 33 vgl. 45). Ich bin mit Waitz (VG. III
S. 88) darin einverstanden, dass nicht nur der römische Dukat gemeint sein
kann (Genelin, Das Schenkungsversprechen und die Schenkung Pippins,
1880 S. 21). Allein wenn Waitz dann sagt: ,Mau wird nur allgemein den
Römischen Staat, die Römische Herrschaft verstehen können, die der Papst
offenbar für Italien an die Stadt Rom knüpfte und mit der Kirche des
heiligen Petrus hier in solchen Zusammenhang brachte, dass er als Vor-
steher der Kirche auch die Rechte des Reichs geltend machte", so scheint
mir hiedurch jene auffällige Formel nicht erklärt: so wie die Worte lauten,
— 26 —
\\;ts in Poiitliion l)e,uann und in Kierzy zu Endo kam. war
der Al)schluss rines Bündnisses: so hat man es in Korn hotnichtet.^)
Es war nicht auf Zeit, sondern es war für innner gescldossen: ge-
währte es Rom den Schutz des mächtigsten der ahendländischen
Staaten, so kettete es doch auch das Papsttum an (his fränkische Reich.
Eine dauernde, in gewissem Sinn staatsrechtUche Verbindung
dieser beiden Gewalten war hergestellt. Al)cr wie so ganz anders
war diese Verbindung gestaltet, als sie sich Bonifatius gedacht
hatte: es war nicht zur Anerkennung der unbedingten Herrschaft
sajren sie aus, dass die Kirche oder der heilige Petrus Besitzer der res-
pul'lica Konianorum ist. Der Papst als solcher ist zugleich der Herr der
respublica Romanorum. Diesem Verständnis entspricht es durchaus, dass
die Rückgabe an die respublica (Cod. Carol. 6 S. 489; 45 S. 563) und die
an den heiligen Petru.s (V. Steph. 11. 45; ep. 6 S. 489; 7 S. 492) oder an
die Kirche (ep. 6 S. 490) identisch ist, ebenso, dass Stephan die Römer als
noster populus reipublice Romanorum bezeichnet (ep. 7 S. 493; 8 S. 496;
vgl. 10 S. 501 f.). Die Verhältnisse vor Stephan gaben zu dieser Formel
kein Recht: sie beruhte auf einer Fiktion; bewiesen konnte sie nur werden
durch eine neue Fiktion: die donatio Konstantins. In Bezug auf ihren Ur-
sprung scheint mir nach den neueren Verhandlungen über diese Frage —
vgl. Grauert, Die konstant. Schenkun«,', im Hist. JB. der Görresgesellsch.
3. Bd. 1882 S. 3flF., 4. Bd. 1883 S. 45 ff.; Weiland, Die konst. Schenkung,
Ztschr. f. KR. N.F. 7. Bd. 1889 S. 137 u. 185; Brunuer. Festgabe f. (ineist,
Berl. 1888 S. 1; Zeumer. ebenda S. 39; J. Friedrich, Die konstantinische
Schenkung. Nördl. 1889; Martcns, Die falsche General-Konzession Konstantins,
München 1889; Scheffer- Boichorst, Neuere Forsch, über die konst. Schenkung,
Mitt. dei^ In&t. f. österr. G. 10. Bd. 1889 S. 302, 11. Bd. S. 128 ff.; Löning,
Die Entstehung der konst. Schenkungsurkunde. Hist. Ztschr. N.F. 29. Bd.
1890 S. 193 — der Urs^irung im 8. Jahrhundert und in Rom so gut wie ge-
sichert. Fraglich ist, ob man an die Zeit Stephans II. oder an die Pauls I.
zu denken hat. Für die Beantwortung dieser Frage scheinen mir nach wie
vor die Rückforderungen Stephans entscheidend zu sein. Da sie thatsäch-
lich in der Luft schwebten, bedurften sie einer Stütze; sie fanden sie durch
die Behauptung der konstantinischen Schenkung.
1) V. Steph. II. 26 (8. d. Stelle S. 22 Anm. 1). Paul I. (od. Carol. 12
S. 508: Firmi et robusti ... in ea fide et dilectione et caritatis concordia
at^pie pacis foedera, quae . . . germanus meu8 . . . vobiscum coniirmavit, per-
manentes et cum nostro populo pennanebimus usque in finem. 37 S. 548:
(Dilectio) quam cum . . . Stepbano papa et per eum cum omnibus successo-
ribus pontificibus vos ve.strique soboles et cuncta vestra proles atfiue uni-
veraum regnum Francorum usque in finem secuii conservare spondistis.
Vgl. 42 8. 555. Stephan III., 45 S. 562: Ita vos (Karl und Karlmann) b.
Petro et . . . vicario eius (Stephan II.) vel eins «uccessoribus spppondisse, se
BT" • — '-' micos esse et se inimicis inimicos; .sicut et nos in eadem
»y ■ r dinoscimUr permanere. .
— 27 —
des Papstes in der -fränkischen Kirche gekommen, viehnehr zur
Aufrichtung der fränkischen Schutzherrschaft über Rom. Musste
sie nicht die Unterordnung des Papstes unter den König zur Folge
haben? Denn wer konnte Pippin hindern, den römischen Bischof
wie einen anderen Bischof seines Reichs zu behandehi? Anderer-
seits abpr : wie viel Aveniger Schwierigkeiten standen den päpstlichen
Ansprüchen entgegen, wenn das Frankenreich und Rom in einem
unlösbaren Bunde standen, wenn der Papst nicht mehr als Aus-
länder betrachtet werden konnte? Was Erniedrigung des Papst-
tums schien, konnte für die kirchhchen Anspräche desselben un-
gemein förderlich werden. Vergessen waren dieselben in Rom nicht.
Wenn Avirklich Stephan bei der Erfindung der konstantinischen
Schenkung die Hand im Spiele hatte, so ist kein Zweifel, was
seine letzten Gedanken waren. Er verhehlte sie kaum. Denn me
machtvoll sprach dieser machtlose Papst: er gebot, er drohte dem
Manne, von dessen Hilfe seine ganze Existenz abhing. Denn er
dachte seine Stellung als die höchste auf Erden.
Entgegengesetzte Möglichkeiten lagen in den Verhältnissen.
Die Frage war. welche von ihnen wirkhch werden sollte.
Wir verfolgen die Entwickelung der itahenischen Angelegen-
heiten nicht im einzelnen;^) denn für die deutsche Kirchengeschichte
kommen nur die Resultate in Betracht. In einem raschen und
erfolgreichen Feldzuge nötigte Pippin noch im Jahr 754 Aistulf
zu Zugeständnissen, welche den Forderungen des Papstes genüg
thaten. Durch eine im Herbst 754 ausgestellte Schenkungsurkunde
über-wies er sodann die von den Langobarden abzutretenden Orte der
römischen Kirche.-) Das ist die Pippinische Schenkung. Da Aistulf
1) Icli verweise auf die Darstellung Oelsners, JB. S. 193 ff., auf Langen,
Gesch. d. röm. Kirche S. 656 ff.; in Bezug auf die Friedensschlüsse auf
Lamprecht, Röm. Frage S. 70 fi'.
2) Cod. Carol. 6 S. 489; vgl. die Wiederherstellung der ürk. bei Lam-
precht S. 91 ff., die mir aber nicht überzeugend erscheint. Besonders die
Aufnahme des Absatzes civitatem Romanam ist durch das, was wir über den
Friedensschluss wissen, ausgeschlossen; vita Steph. 37 S. 451 weiss nur von
der Rückgabe der civitas Ravennantium cum diversis civitatibus, der Fort-
setzer Fredegers nur von der emeudatio dessen, was contra Romanam
ecclesiam vel sedem apostolicam contra legis ordinem geschehen sei. In
den Briefen des Cod. Carol. sind s. Dei ecclesiae reipublicae civitates et
loca, 6 S. 489, 7 S. 493, im allgemeinen, speziell nur Narni 8 S. 495 genannt.
Es ist nun ausgeschlossen, dass man aus der Erwähnung von Narni auf
Schenkung aller der Orte und Gebiete schliessen darf, die im Hlud. in Ver-
bindung mit Narni genannt sind. Denn Cod. Carol. 8 S. 495 wird klar unter-
schieden zwischen Narni, das von Pippin geschenkt ist, und anderen Orten,
die der h. Petrus besitzt: Civitatem Narniensem, quam b. Petro tua chris-
— 2S —
>tiue Zusagen nicht austuhite.') gritfeu die Franken zwei Jahre
später von neuem zu den AVatten: der zweite Friedensschluss
1 trachte die Orte, auf welche Stephan Anspnich erhob, thatsäch-
Hch in seine Gewalt. Eine zweite Schenkungsurkunde gewähr-
leistete der römischen Kirche die Sicherheit ilires Besitzes. Das
Gebiet, welches ihr überlassen oder, wie der Papst l)ehauptete,
zurückgegeben wiu'de. ei^streckte sich weitliin am adiiatischen ^[eere:
Comacchit» im Po-Delta bezeichnet den nördlichsten. Jesi bei An-
cona den südlichsten Piuikt. im Westen gi'iÖ' es über den Kamm
des Gebirgs hinüber. Gubbio gehörte dazu.-) Zu weiteren Abtre-
tungen entschloss sich nach dem Tode Aistiüfs Desideiius. um im
Kampf um die Krone der fränkischen mid päpstlichen Unter-
stützung sicher zu sein."^
Durch diese Vorgänge wurden die politischen Verhältnisse
Italiens auf einer völhg neuen Gnindlage geordnet. Neu wai- aber
nicht nur. dass der Staat der Kii'che nicht mehi- Fiktion, sondern
Wirklichkeit wai- ; neu war ebensosehi-. dass das Frankenreich fortan
als italienische Macht in Betracht kam: es begann in die Stellung
Ostroms einzm-ücken. Pippins Siege haben liiezu geführt. Aber
der Gedanke gehörte Stephan II. Insofern ist er der Gründer des
Kirchenstaats. Das giebt ihm epochemachende Bedeutung tiir die
Gescliichte des Papsttiuns. Doch stai'b er schon im Jahre nach
dem entscheidenden Vertrag, am 26. April Töl^) Zum Nach-
folger erliielt er seinen Bruder Paulr'*) (he volle Kontinuität der
tianitas concessit, abstulerunt seu et aliquas civitates nostras comprehen-
derunt. Wo diese Orte zu suchen sind, ergiebt die vorhergehende Schilde-
rung: in hac Romana proWncia, d. h. im römischen Dukat. Er gehörte
demnach nicht zu dem von Pippin geschenkten Gebiet. Narni war unter
»' - : II. an die Langobarden verloren gegangen (V. Greg. 13 S. 403), unter
/ ts hatte Liutprand den Ort dem h. Petrus wieder geschenkt (V.
Zach. 9 S. 428). Er ist aber später wieder verloren gegangen (vgl. V. Steph.
U. 41 S. 452 u. 47 S. 4-54).
1) Cod. Carol. 6 f. S. 488 ff.
2) Vit. Steph. II. 46 f. S. 453 f.
3) Vit. Steph. II. 49—51 S. 454; Cod. Carol. 11 S. 506; 14 S. 512:
16 S. 513; vgh hiezu Kehr, Nachrichten der GG. 1896 S. 129 ff. Aistulf
starb gegen Ende 7.56.
4) Stephan richtete angesiciit^ «u-s i<j<u-> eine Aufforderung an Pippin
und seine Söhne, den übernommenen Verpflichtungen getreu zu .sein. vgl.
Cod. Carol. 45 S. 562.
5) Paul wurde nicht einstimmig gewählt; Gegenkandidat war der
Ar« aus Theophylakt (V. Pauh 1 S. 463)., wahrscheinlich derselbe,
der X >ii'-t /'-' -:\he stand und mit Bonifatius Briefe wechselte (Bonif.
fii ^'l n - Dem Zwip»palt liegt also wahrscheinlich ein Gegen-
— 29 —
politischen' Richtung war dadurch gesichert; denn selten haben
zwei Brüder in so völliger Übereinstimmung über die Absichten
und Ziele, yde über die Mittel und Wege gehandelt wie diese
beiden Päpste: man kann ihi- Pontifikat fast als eines l)etrachten.
Welche Stellung hatten nun Stephan und Paul innerhalb des
Gebietes, das sie den Staat der heihgen Kirche nannten? Der
erste Einch'uck ist, dass sie LandesheiTen waren. Allerchngs haben
sowohl Stephan wie Paul den Kaiser als HeiTScher von Rom prin-
zipiell anerkannt. Al^er das bedeutete nicht ^iel. Demi wenn schon
längst das faktische Aufhören der giiechischen Herrschaft die
Stellung des Papstes in der ,,heihgen Republik Roms"'^) erhöht
hatte, so stand er nun unbestritten an der Spitze der Stadt. Wie
er im Namen des römischen Klerus an Pippin schi-ieb, so auch im
Namen der Grossen, des gesamten Volkes und Heeres der Römer ; -)
er nannte die römischen Adehgen seine Optimaten-, er ging mit
ihnen zu Rate wie Pippin mit den fränkischen Grossen; ^) er sprach
von seinem Volk, von seinen Städten und Bm'gen und von seinem
Gebiete.'*) Andererseits sahen, die Römer im Papst ihi-en HeiTu;
sie erkannten an, dass sie ihm zu steter Treue verpflichtet seien;
von Stephan rühmten sie nach seinem Tode, dass er sie heilsam
regiert habe.'^) In chesen Redewendungen spiegehi sich Zustände,
die wirkhch bestanden : in der Verwaltung, der Pohtik, der Rechts-
pflege des römischen Gemeinwesens erscheint der Papst als leitend:
er vertrat die Gerechtsame der römischen Städte den Langoliarden
gegenüber und musste umgekehrt die Gerechtsame der letzteren
in den päpsthchen Städten anerkennen;^) er verhandelte mit König
Desiderius über gemeinsame Abwehr emes drohenden giiechischen
satz gegen die Richtung zu Grunde, die Stephan dem Papsttum gegeben
hatte. Vgl. Dopffel, Kaisertum u. Papstwechsel S. 10 f.
1) Vgl. Vit. Greg. III. 15 S. 420f.: (Gregorius) Gallensium castrum . . .
in conpage sanctae reipublicae atque corpore Christo dilecti exercitus Ro-
mani annecti praecepit.
2) Cod. Carol. 9 S. 498 (Stephan IL).
3) L. c. 12 S. 508: TJna cum nostris obtimatibus aptum prospeximus
(Paul I.). Zur Chronologie der Briefe Pauls s. Kehr a. a. 0. S. 103 ff.
4) L. c. 8 S. 494 f.; (Stephan IL); 12 S. 508; 13 S. 510; 19 S. 520;
20 S. 521; 21 S. 523; 34 S. 541 (Paul L).
5) L. c. 13 S. 510: Nos . . firmi ac fideles servi sanctae Dei ecclesiae
et . . . domni nostri Pauli summi pontificis . . conistimus, quia ipse noster est
pater et obtimus pastor, et pro nostra salute decertare cotidiae non cessat,
sicut et . . . Stephanus papa, fovens nos et salubriter gubernans.
6) L. c. 20 S. 521; 37 S. 549 (Paul L); vgl. über den Begriff der
iustitiae Kehr a. a. 0. S. 146.
— 30 —
Ansriffs:') die Kriegsmacht des römischen Gebiets stand nnter
seinem Oherhefehl: -) nicht minder ernannte er Beamte und Richter.'^)
Die Papstwahl aber wurde als rechtsgiltig betrachtet, ohne dass sie
die Bfstätiizung. sei es des Exarchen, sei es des Patricius fand.^)
Man könnte deshalb geneigt sein, in ihm den völhg souveränen
Herrn des Kirchenstaats zu erbhcken. Das war er jedoch nicht:
er war Heri-scher, aljer er war nicht souverän. Die Herrscher-
rechte, die er übte, gingen nicht über diejenigen hinaus, welche
Tassilo in Baiern besass. Wie dieser, so hatte auch er einen Herrn
über sich. Man kann kaum einen der Biiefe Stephans und Pauls
lesen, ohne dass man durch dies oder jenes daran erimiert wird,
dass die Päpste Pippin gegenüber gebunden waren: nicht nm- im
allgemeinen zur Treue gegen das fi-änkische Bündnis, sondern in
jeder einzelnen wichtigeren Angelegenheit. Vor allem waren sie in
dem ganzen Gebiet der äusseren Politik nicht frei. Stephan konnte
seine Stellung zu Koustantinopel nicht nach eigenem Ermessen
wählen. Lasst uns wissen, schreibt er an Pippin. was Ihr mit dem
Silentiar. dem Gesandten Konstantins V.. geredet, welchen Be-
scheid Ihr ihm erteilt habt; auch eine Abschrift des Briefes, den
Ihr ihm gegeben, teilt uns mit. damit wir wissen, wie wir in Über-
einstimmung damit zu handeln haben.'') Ebenso gebunden waren
die Päpste in Bezug auf das Verhältnis zu den Langobarden:
Pippin überwachte es.") Bei den nie fehlenden Streitigkeiten kam,
wenn beide Teile sich nicht einigen konnten, die Entscheidung
seinen Gesandten zu;') der z^^•ischen dem römischen Volke und
König Desiderius abgeschlossene Friedensvertrag bedurfte und er-
hielt seine Bestätigung.**) Das alles geht über die Rechte hinaus.
1) L. c. 38 S. 551 (Paul I.).
2) Vit. Steph. II. 50 S. 455.
3) Cod. Carol. 49 S. 569 (Stephan II. für Ravenna).
4) S. die beiden Formulare im Liber diurnua, ed. Sickel S. 49 ff.
Nr. 59 f. In dem ersten wird der Tod des Papstes angezeij?t, in dem zweiten
da-s Wahldekret vorgelegt und der Befehl zur Konsekration erbeten. Der
Eingang von Cod. Curol. 12 S. 508 ist nach dem ersteren gearbeitet. Aber
es wird sodann lediglich die vollzogene Wahl mitgeteilt; und zwar von
dem Gewählten selbst, nicht von den Wählern. Jener amtierte also bereits.
5) L. c. 11 S. 506 f.
6) L. c, .38 S. 551.
7) L. c. 21 S. .524: Pro vestra amplissima satisfactione adprobationera
fecimufl in praesentia . . . vestrorum fideliuro missorum cum Langobardorum
regia missia; et satisfacti sunt vestri missi de tantis iniquitatibus et cogno-
verunt nostram veritatem et eorum mendacium. Vgl. 34 S. 541 f.
8) L. r. 11 S. .-,06: 16 S. 514.
— 31 —
welche dem mächtigen Bundesgenossen eines Schwachen von selbst
zufallen: es zeigt, dass Pipijin in den politischen Dingen als Ober-
herr betrachtet wurde. Er war mehr, als die Namen Verteidiger,
Befreier, Protektor, die man ihm gerne gab.^) aussprachen. Das
Gleiche zeigt sich in den inneren Verhältnissen. Man mag kein
Gewicht darauf legen, dass sich die Römer einmal seine Getreuen
nannten,-) oder dass Paul I. die Angriffe auf päpstliches Gebiet
und päpsthche Rechte als Auflehnung gegen die königliche Ge-
walt Pippins bezeichnete;^) dagegen ist die Thatsache sehr gewich-
tig, dass Paul die Grossen von Spoleto und Benevent zugleich dem
heihgen Petrus und dem fränkischen König Treue schwören hess.^)
Sie stellt ausser Zweifel, dass schon unter Pippin auch die Römer
den Treueid leisteten. Die Vorstellung, dass Rom ehien Bestand-
teil des Königreichs Pippins bildete, lag nicht ganz ausserhalb des
Gesichtskreises Paiüs.'^) Versicherte er, er werde stets Pippins
Willen gehorsam sein,*^) so war dieser Satz schwerhch wohl er-
wogen"; er ist zu offenherzig; aber er spncht das Verhältnis beider
Männer treffend aus: so wenig Pippin in vieler Hinsicht die päpst-
liche Herrschaft beschränkte, so sehr war doch der Papst genötigt,
zu gehorchen, wenn der fränkische König eine Entscheidung traf.
Der Papst war, obgleich Landesherr in einem Teile Itahens, doch
weit weniger unabhängig als vorher: er war geschützt durch den
fi'änkischen Bund; aber er war nicht der gleichberechtigte, sondern
der untergeordnete Genosse des Bundes.
So unsicher war das Verhältnis der päpsthchen zur könig-
1) L. c. 12 S. 508; 13 S. 510; 16 S. 513; 20 S. 521 u. ö.
2) L. c. 13 S. 509: In nobis, vestris fidelibus.
3) L. c. 20 S. 521: Contra beatum Petrum et vestram regalem poten-
tiam se erigens (Desiderius) malitias nobis comminatur inferre.
4) L. c. 17 S. 515: . . . Alboinum ducem Spoletinum cum eius satra-
pibus, qui in fide beati Petri et vestra sacramentum prebuerunt. Voraus-
setzung ist die ep. HS. 506 erwähnte Thatsache: Tarn Spolitini quamque
etiam Beneventani . . . se commendare per nos . . . excellentiae tuae cupiunt.
Sie wollen in dasselbe Verhältnis zu Pippin treten wie die Römer; zur
Sache vgl. Kehr S. 131 u. 135.
5) Ep. 34 S. 541 : Vere sieut benignus rex et araator . . . sanctae Dei
ecclesiae agere . . . semper studes. Paul sagt das, indem er dafür dankt,
dass Pippin sich seiner Ansprüche gegen die Langobarden annahm. Bewies
er sich darin als gnädiger König, so ist die Vorstellung einer Ausdehnung
seines Königtums auch über das päj)stliche Gebiet genau genommen schon
gegeben.
6) L. c. 37 S. 549: Nos de hoc vestrae obtemperasse voluntati;
41 S. 554: In quantum virtus subpetit, voluntati vestrae obtemperandum
decertamus; 42 S. 555: Permanebimus vestris obtemperantes voluntatibus.
— 32 —
Hellen ^rru-lit. Rechte uiul l'tlichten waren nirgends genan abge-
grenzt. Uniniiglich konnten die Dinge auf die Dauer sich in diesem
Zustande halten. Aber es entsprach Pippins Art, eine bestinunte
R.'j.lung zu unterlassen: genug, dass in Italien nichts geschehen
konnte, was er nicht wollte, und dass nicht mehr geschehen konnte,
.il- >'V wollte.
Das politische Übergewicht Pippins wirkte unmittelbar auf das
kirchliche Gebiet. Indem Paul den fränkischen König in über-
schwängUchen Worten als neuen Moses und David feierte,') legte
er ihm nahe, in die innersten kirchlichen xAngelegeuheiten einzu-
greifen. Pippin enthielt sieb dessen im allgemeinen, soweit Itahen
in Betracht kam. Aber wenn er irgend eine Massregel wünschte,
so wurde sie vollzogen, unangesehen, ob sie nach den Kirchen-
fjesetzen gestattet war oder nicht. Er hatte zwei italienische (ireist-
liche, den Bischof Georg von Ostia und einen römischen Priester
Namens Petras, als für seinen Dienst taugliche Männer kennen
gelernt und wünschte, der Papst solle erlauben, dass er sie im
fränkischen Reiche behalte. Die dauernde Entfernung kirchhcher
Würdenträger von ihren Ämtern widersjjricht den kirchlichen Ord-
nungen. Gleichwohl war der Papst bereit, sie zu gestatten, und
nicht nur dies: er bat zugleich, der König möge ihm erötlhen. was
mit dem Bistum Georgs und der Kirche Peters zu geschehen habe,
damit sie nicht infolge der Entfernung ihrer Inhaber Schaden
nähmen.-)
So der Papst gegenüber dem König; man sieht, er war iu
der That gehorsam. Anders, wenn es sich um Wünsche des
Papstes an den König handelte. Pippin hat sie sorgfältig geprüft
und je nach den Umständen gewährt oder abgelehnt. So hielt er
es im Grossen wie im Kleinen. Es war ein sehr begreitlicher
Wunsch der Päpste das Rom von der Pentapolis trennende Her-
zogtum Sjjoleto mit ihrem Staate zu verbinden; aber so klug sie
es antingen, Pijjpin für den Plan zu ge\vinnen, sie mussten darauf
verzichten. '0 Einer der ersten römischen Geschäftsträger am frän-
kischen Hofe war der Priester Marin; er wusste Pijjpin für sich
einzunehmen; auf dessen Fürwort erhielt er die Kirche des heil.
Chrjsogonus in Rom. Allein nun kam an den Tag. dass Marin
sich in ein geheimes Einverständnis mit dem griechischen Ge-
1) L. c. 11 S. 505 (Stfiplüin II.)-. 3:i S. 539 f.; 39 S. 552; 43 S. 557
(Paul I.).
2) L. c. 21 8. 524; 37 S. 549.
3) L. c. 11 S. 506; 17 S. 515; 30 S. 536, hier erscheint Spoleto wieder
als anerkannt langobardisches Gebiet.
— 33 —
sandten eingelassen 'habe. Paul wünschte dem Unzuverlässigen
die Möglichkeit zu weiteren VeiTätereien abzuschneiden und schlug
vor, Pippin sollte ihm zu diesem Zweck ein fränkisches Bistum
übertragen. Dieser dachte nicht daran, eine so seltsame Art von
Strafe zu vollziehen; er hielt Marin im fränkischen Reiche zurück,
behess ihn aber in seinem bisherigen Eang. Damit war der Papst
nicht einverstanden : er bat wiederholt und dringend um Entlassung
seines Klerikers; aber vergeblich; Pippin untersagte diesem sogar
den Verkehr mit Rom; der Papst wagte nicht zu widersprechen;
er starb, ohne dass Marin die Erlaubnis zur Rückkehr erhalten
hätte. ^)
In dieser Weise gestaltete sich das Verhältnis Pippins zu den
Päpsten: sie hatten keinen Grund sich persönlich über ihn zu be-
klagen, im Gegenteil er legte Gewicht darauf, dass auch äusser-
hch stai-k hervortrete, wie enge er den Päpsten verbimden war: er
hat beide Päpste zu Gevattern gewonnen.') Aber er war doch
nicht niu' der stärkere Bundesgenosse, mid deshalb das einfluss-
reichere Glied im Bunde. Sondern entscheidend für ihn waren
nur die Interessen der eigenen Herrschaft, nicht die der Kiuie,
noch w^eniger die Wünsche oder Forderangen seiner Verbündeten.
Der fürchenstaat, so wie er ihn gründete, w^ar kaum lebensfähig.
Man weiss, dass Stephan die Vereinigmig des gesamten ehemals
byzantinischen Besitzes in Itahen unter der päpsthchen HeiTschaft
erstrebte:'^) aber wie viel fehlte, dass dies Ziel erreicht wm'de!
Weder er noch Paul vermochte Pippin je weiter zu drängen, als
er selbst sich vorgesetzt hatte. Er entschied stets aUein; damit
aber verfiel der Verteidiger unwillkürlich in die Rolle eines
HeiTen. Als Stephan über die Alpen zog, hat er diesen Ausgang
sicher nicht vorausgesehen. Aber es giebt Situationen, in denen
Persönlichkeiten und Verhältnisse auf einander wirken wie Natur-
kräfte: das Schwergewicht der Macht entscheidet: man möchte von
Notwendigkeit reden.
Wenn man im Auge behält, dass das Verhältnis Pippins zu
den Päpsten sich in dieser Weise gestaltete, so ist die Entwicke-
lung, welche die kirchhchen Dinge in Deutschland nahmen, ver-
ständHch. Sie wm-den nicht von Rom aus geleitet, obwohl eine
enge und dauernde Verbindung des fränkischen Reichs und der
römischen Kirche hergestellt war. Die diu'ch Bonifatius begonnenen
Reformen wurden fortgesetzt; aber der Impuls zu dem, was ge-
1) L. c. 24 S. 529; 25 S. 529 f.; 29 S. 535; 99 S. 653.
2) L. c. 6 S. 488 Stephan IL; 14 S. 511: Paul der Pate Gislas.
3) Ib. 11 S. 505.
Hauck, Kirchengeschichte, n. 2. Aufl. 3
— 34 —
schall, fzing von «liiii P'üi-sten aus. Zwar wurde die Autorität
Roms durchaus anerkannt: Pippin hat in einzelnen Punkten die
fränkischen P'inrichtunfi;en nach dem Vorbild der römischen umzu-
gestalten vei-sucht : durch ihn zuei-st ist d(T römische Kirchengesang
diesst^its der Alpen heimisch geworden.') Er hat päpstliche Ge-
sandte mit aller Hochachtung aufgenommen; waren sie bei einer
Keichsveixammlung anwesend, so legte man Wert auf ihre Äusse-
rungen.-) Auch j)äpstliche Gutachten wurden erbeten und beachtet.'^)
Abel- in dem allen hegt doch keine wirkliche Teilnahme an der
Regierung der fränkischen Kirche. Denn bei allen Anordnungen.
1) Caroli cap. 22, 80 S. 61: Ut cantum Ronianum pleniter discant . . .
secundum quod . . . Pippinus rex deceitavit ut fieret, quando Gallicanuin
tulit ob unaniraitatem apostoHcae sedis et sanctae Dei aecleeiae pacificam
concordiam. Vgl. cap. 30 und libr. Carol. I, 6 (Ale. ep. 31 ed. Jaffe S. 228) :
Dum (eccl. Franc.) ab ea (Rom) paulo distaret ... in officiorum celebra-
tione . . . Pippini regia cura et industria, sive adventu in Gallias . . . Ste-
phani . . . est ei etiam in psallendi ordine copulata. Vgl. Walahfr. Strab.
de exord. et incr. 26 S. 84. Mit der Gesaugreform wird die Sendung eines
Antiphonale u. Responsale aus Korn zusammenhängen Cod. Carol. 24 S. 529.
Ein römischer Sangmeister, Namens Symeon. hielt sich eine Zeitlang im
fränkischen Reiche bei Remedius von Rouen auf. Als er von Paul I. zu-
nickberufen wurde, um die Leitung der römischen Gesangschule zu über-
nehmen, sandte Remedius etliche seiner Mönche nach Rom, um sie dort
ausbilden zu lassen (Cod. Carol. 41 S. 553 f.)
2) Man vgl. die Anwesenheit römischer Legaten auf der Reichsver-
sammlung von Compiegne. Wird bei ein paar Beschlüssen (c. 14, 16, 20
S. 38 f.) bemerkt, dass sie zustimmten, so ist einerseits klar, dass man auf
ihre Zustimmung Wert legte, andererseits, dass man sie doch nicht zu
bedürfen glaubte.
3) Vgl. die responsa Stephani, quae Brittanico monasterio dedit (754
Mann. XII. 5.')8 ff.). Die Fragen bezogen sich zum Teil auf das Kborccht.
zum Teil auf die Disziplin der Kleriker. Die letzteren geben eine Vor-
stellung von der Verwilderung der fränkischen Geistlichkeit: man hört von
einem Priester, der sich nicht über seine Ordination ausweisen konnte,
gleichwohl eine Zeitlang als Priester fungierte, darauf den geistlichen Stand
vorlies-s und heiratete (c. 10); von andoren, die weder das Symbol, noch das
Vater-Unser, noch die Psalmen im Gedächtnis hatten (c. 13), oder denen
die Taufformel fremd war (c. 14). Die Antworten auf die erstere Reihe
von Fragen sind deshalb von Wert, weil sie zum Teil Dinge betreffen, die
alsV)ald im friinki.«ichen Reiche gesetzlich geordnet wurden, und zwar mannig-
f:irh iibweirhend von den Erklärungen Stephans. Die Frage nach dem
I{ochte der Ehe bei geistlicher Verwandtschaft, welche Bonifatius so lebhaft
beschäftigt hatte (ep. 82 — 84 S. 282 ff.), wird von Stephan verneint. Man
siebt, dass die gleichlautenden Entscheidungen der Bischöfe (I. c. S. 283)
im fränkischen Reiche nicht durchgedrungen waren (c. 4).
— 35 —
die man traf, pflegte- man ganz selbstständig zu handeln : wie sie
ausschliesslich den Bedürfnissen der fränkischen Kirche angepasst
waren, so wurden sie ins Werk gesetzt durch die landeskirchhchen
Gewalten, d. h. den Fürsten und den Episkopat. Wie früher die
Merowingerkönige, so vermittelte Pippin den Verkehr zwischen Rom
und den fränkischen Bischöfen; wie sie, so erhess er Vorscliriften
über rein innerkirchliche Dinge. Er nannte sich nicht, wie sein
Sohn, Leiter der Kirche; aber er war es.
Die Jahre von 753 bis 756 waren entscheidend für die Stel-
lung Pippins zum Papsttum. Beinahe in die gleiche Zeit fällt
seine die Kirche betreffende gesetzgeberische Thätigkeit. Sie knüpft
sich an die vier Synoden, welche im Laufe von nicht ganz
drei Jahren stattfanden. i) Mit der ersten, der Synode zu Ver-
1) Über die Chronologie der Pippin'schen Synoden besteht keine Über-
einstimmung. Sicher ist das Datum der Synode zu Verneuil, 11. Juli 755,
und so gut wie sicher das Jahr der Versammlung von Compiegne 757. Was
die übrigen anlangt, so verlegt Rettberg (KG. D.'s 1 S. 419) die Synode zu
Verberie in das Jahr 753; daran hält auch Hefele fest (CG. III S. 573)
wogegen Oelsner (JB. S. 455) unter Zustimmung Mühlbachers (R.J. 81) sich
für 756 entscheidet und Boretius sie dem letzten Jahrzehnt Pippins zuweist
(Cap. R. Fr. S. 39). Von den Beschlüssen von Verneuil scheidet Oelsner,
dem Hefele beistimmt (CG. III S. 590), c. 13—25, die sogen, petitio epis-
coporum, ab (S. 468 ff.); sie sei hervorgegangen aus den Beratungen der
Herbstsynode des Jahres 755; das sogen, capitulare incerti anni (= cap. 13
S. 31) sei Pippins Vorlage für diese Synode. Auch nach Boretius gehört
das letztere in das Jahr 755, wenn nicht schon 754. Was nun die Synode
von Verberie betrifft, so giebt es für das Jahr 753 genau genommen gar
keinen Grund; irgend ein Ansatz lässt sich nur gewinnen durch den Ver-
gleich mit den Beschlüssen von Compiegne. Hier geht nun aber das urteil
auseinander: während Oelsner (S. 450) sagt, dass die Bestimmungen von
Compiegne sich zum Teü an diejenigen von Verberie anschliessen, kon-
statiert Boretius das umgekehrte Verhältnis. Vergleicht man decret. Comp.
1_4 ixiit Verm. 1, so scheint mir sicher, dass Oelsner im Rechte ist. Das
letzte Dekret zieht zwei Fälle, Verwandtschaft im 3. oder 4. Glied, in Be-
tracht; das erstere noch einen dritten, Verwandtschaft im 3. und 4. Glied;
es erweist sich dadurch als das spätere; dafür spricht auch die strengere
Strafe (Comp. 4 vgl. mit Verm. 1). Dasselbe ergiebt sich aus der Ver-
gleichung von Comp. 18 und Verm. 12; die erstere Bestimmung ist die
spätere, weil genauere: sie unterscheidet die zwei Fälle, dass die betreffenden
Schwestern mit Wissen oder ohne Wissen sich vergangen haben, während
die letztere ohne Rücksicht hierauf die Straf bestimmung trifft. Ist hienach
die Synode zu Verberie vor der zu Compiegne abgehalten, so andererseits
höchst wahrscheinlich nach der von Verneuil. Denn die Vorrede der letz-
teren nötigt anzunehmen, dass sie stattfand, nachdem längere Zeit keine
Synode gehalten worden war. Dann bleibt als Jahr nur das von Oelsner
3*
— 36 —
neuil.M 1 1. .Iiili 755, iiiihin Pippin wieder auf, was er elf Jahre vorher
in Soissons begouneu hatte,-) Ln Frühjahr 756 sodann tajijte in
Gegenwart des Kcinigs eine gemeinsame Versammlung der geist-
hehen und welthdien Grossen; im Herbste folgte eine rein geist-
liehe Synode in Verberie/^) endhch im Jahre 757 der Tag zu
f'ompiegue,"') che letzte Reichs vei-sanmdung unter Pippin, welche
kii-ehliche Gesetze erhess.
Man erkennt die Weise Pijjpins in dieser raschen Folge von
Synoden: er drängte vorwärts, bis das erreicht war, was er für
nötig hielt; dann hess er die Dinge sich ruhig weiter entwickeln.
Von Anfang an aber wai' er entschlossen, nicht mehr zu wollen,
als er eri'eichen konnte. In dieser Hinsicht ist kein zweites Schiilt-
angenommene. Stimme ich hierin Oelsner zu, so nicht in der Abtrennung
der CO. 13 — 25 von der Synode von Verneuil. Der handschriftliche Befund
ist hier für mich entscheidend. Dass die Worte des cod. Pal. 577 „Deo
gratias. Finit'' das Gewicht nicht haben, dass ihnen Oelsner beilegt, und
dass sich in den übrigen Handschriften die Überschrift petitio episcoponim
nicht findet, ergiebt sich aus den Angaben bei Boretius (S. 25 Anm. g.).
Es erübrigt die Frage, ob cap. 13 vor oder nach der Synode von Verneuil
erlassen ist. Boretius verweist für seinen Ansatz auf Vernens. 22 : De illos
alios telloneos quod vos antea perdonastis; er findet einen Bezug auf cap.
13, 4. Dabei ist vorausgesetzt, dass teloneum perdonai'e einen Zoll erlassen
heisst; so versteht auch Oelsner (S. 251) den Satz. Aber perdonare ist hier
als synonym mit donaro gebraucht (donati non sint) und bedeutet also
schenken, wa.s es ja schon an und für sich bedeuten kann. Die Meinung
ist diinn: In Bezug auf die übrigen, von Pippin an kirchliche Institute ver-
liehenen Zölle soll es so gehalten werden, dass in Fällen, wo ein Zoll ge-
setzlicherweise nicht erhoben werden darf, er auch nicht als verliehen zu
betrachten ist. Dadurch sollte die Zollbefreiung der Pilger sichergestellt
worden: man sollte sich ihnen gegenüber nicht auf ein früher verliehenes
Zollrecbt berufen dürfen, da Zölle von Pilgern überhaupt nicht erhoben
werden sollten. Ist dies richtig, so Hegt in dem antea kein Bezug auf
cap. 13, 4, und es bleibt Oelsners Nachweis im Recht, dass cap. 13 auf die
Vemenaische .Synode folgte. Die Versammlung, in der das Kapitel be-
schlossen wurde, niuss im Frühjahr 756 stattgefunden haben, ehe Pippin
den Zug nach Italien antrat. Denn unmöglich ist das cap. eine königliche
Vorlage für die Verhandlungen einer Synode, wie Oelsner annimmt (S. 470).
Das ist durch cap. 5 und 7 ausgeschlossen. Es kann nur der Beschluss
einer gemischten Versammlung sein. Die Anwesenheit Pippins bei einer
aolcben ist selbstverständlich.
1) Vemus palatium publicum: Verneuil, Depart. Oise, Arr. Senlis.
2) S. Bd. I S. 528 f.
3) Vermeria palatium: Verberio in demselben Depart. und Arr. wie
Verneuil.
4) Compendium palatium: Compicgne ebenfalls im Depart. Oise.
— 37 —
stück füi' den Geist der Pippin'schen Verwaltung so charakteristisch
als che Einleitung zu den Beschlüssen von Venieuil. Es sind
Worte der Bischöfe, welche man liest, aber sie geben, wie aus-
drücklich hervorgehoben wird, die Gedanken des Königs wieder.
Es ist leicht möghch, dass sie aus einer Vorlage Pippins an die
Synode einfach herübergenommen worden sind. Wir wissen, dass
€r in Verneuil anwesend war und an der Beratung und Festsetzung
der Beschlüsse teilnahm; von einer Bestimmung ist ausdrückhch
bemerkt, dass sie auf seine Anordnung getroffen wurde. ^) In jeuer
Einleitung hören wu- nun: Die Regeln der Väter, die Normen der
Kirche würden ausreichend gewesen sein, wenn sie üi Geltung ge-
bheben wären. Aber allerlei misshche Verhältnisse und die un-
ruhigen Zeiten führten dazu, dass ihre Beobachtmig zum Teil
unterbheb. Peshalb hat der Erankenkönig Pippin die galhschen
Bischöfe fast vollzählig zu einem Konzile versammelt, geleitet von
dem Wunsch, die kanonischen Eimüchtungen einigennassen wieder-
herzustellen. Es ist im Augeuljhck unmöghch, das, was der Kirche
Gottes, wie er wohl einsieht, widersprechend ist, vollständig zu
bessern; doch will er wenigstens eine teilweise Reform. Werden
ihm von Gott friedliche und ruhige Zeiten gewährt, so hat er den
Wunsch, dass unter dem Beistande der götthchen Gnade die kirch-
hchen Rechte wieder vollständig in Geltung treten.
So die Gesinnung, in der Pippin das kirchhche Reformwerk
von neuem begann. Was er erstrebte, sieht man aus dem Inhalt
der S}Tiodalbeschlüsse. Das erste Ziel war, die bischöflichen Rechte
innerhalb der Diözesen in vollem Umfang zur Anerkennung zu
bringen. Hiebei knüpfte er unmittelbar an die Bestimmungen von
Soissons an. Und da diese sich an die Thätigkeit des Bonifatius
anschlössen, so diente, was er festsetzte, der von jenem aus-
gegangenen Reformbewegung. Aber dabei wiu-de ihre Richtung
verändert: Bonifatius hatte bei seinen Reformen den Bhck auf Rom
imd auf die Gesamtkirche gerichtet; jetzt "wurde die Reform ganz
in landeskirchhcher Beschränkung gedacht. Das zeigt sich, wenn
man sich die Beschlüsse der vier Sjuoden im einzelnen vergegen-
wärtigt.
Die Anordnungen der Synode zu Verneuil über die Besetzung
der Stadtbistümer, die Unterweisung des gesamten Diözesanklenis
unter den Episkopat und die Ausschliessung der Wanderbischöfe
mederholten Sätze von Soissons.-) Doch schien jetzt bereits eine
1) Cap. 6: Sed domnus rex dicit, quod vellit, ut etc.
2) Cap. 1; 3; 8; 9; 13; vgl. Cap. Suess. 3—5. Cod. Carol. 3 zeigt,
dass diese Fragen Pippin auch in der Zwischenzeit beschäftigten; vgl.
cap. 3; 4; 8; 10; 15—17.
— 38 —
weitergcheude Regelung der Idrchlicheu Verhiiltuisse inöglich.
Denigeniiiss wurde vertiigt, dass Vakanzen die Frist eines Viertel-
jalu-s niclit übei-schreiten sollten,^) dass die Anlage von Tauf-
kiichen. also die Emchtnng selbstständiger Parocjiien von der
Zustimmung des Bischofs abhänge , -) dass der Übergang der
Kleriker von einer Kirche zur anderen und von einem Bistum iu
das andere unzulässig sei,'^) dass die Priester regelmässig an den
Bistumssynoden Anteil zu nehmen hätten/) und dass sie verl)unden
seien, vor dem geistlichen Gerichte Recht zu suchen.^) In dem
allen ist die Absicht unverkennbar, die Stellung der Bischöfe zu
festigen; man daif den gleichen Zweck wohl auch in den Be-
schlüssen über die Beobachtung der Immunitäten ") und die Giltig-
kcit der bischötlicheu Exkommunikation ') suchen. Wenn nun aber
1) Cap. 17. Zu (Trunde liegt der 25. Kanon von Chalcedon.
2) Cap. 7.
3) Cap. 12 und 21. Dem ersteren liegt der 20. Kanon von Chalcedon
zu Grunde, der jedoch mit Rücksicht darauf, dass sich im fränkischen Reiche
zahlreiche Kirchen im Besitze von Laien befanden, erweitert ist. Die Worte
des 21. Kapitels: Sicut in illo alio sinodo dLxistis, verweisen wohl nicht auf
irgend eine unbekannte Synode, sondern auf Cap. Suess. 4: Unusquisque
presbyter, qui in parochia est, episcopo obediens et subiectus sit.
4) Cap. 8. Bistumssynoden waren der fränkischen Kirche nicht fremd
(Conc. Autiss. [a. 573—603] can. 7, vgl. Bd. I S. 221); die letzte Synode
vor Bonifatius, Auxerre 695 (S. Bd. I S. 388), zeigt, dass man länger an
ihnen als an den grösseren Synoden festhielt.
5) Cap. 18. Wiederholung des can. 9 der 3. karthag. Synode, bezw.
der Synode von Hippo (393, Bruns, Canones etc. 1 S. 124). Beigefügt sind
die Worte: Et maxime, ne in talibus causis inquietudine domno rege faciant.
6) Cap. 19.
7) Cap. 9. Verkehr mit einem Exkommunizierten zieht Exkommuni-
kation nach «ich. VA ut sciatis, qualis sit modus istius excommunicationis:
in eccleaia non debet intrare, nee cum nullo christiano cybum vel potum
sumere; nee eius munera accipere debet, vel osculum porregere, nee in
orutione inngero, nee .•<alutare, antequam ab e])iscopo suo sit reconciliatus.
Zulä-srtigkoit der Appellation an die Metropoliten. Endlich: Quod si aliquis
ista omnia contempserit, et episcopus hoc minimo emendare potuerit, regis
iadioio exilio condamnetur. Das Kapitel wiederholt Beschlüsse älterer
fränki.scher Synoden (s. Turon. [567] can. 8 S. 124; Autiss. [a. 573—603]
ran. 38 f S. 182 f.; Remens. [c. a. 625] can. 5 S. 203). Es genügt nicht,
mit Oellner (JB. S. 227) an Cod. Carol. 3. 2 S. 481 zu erinnern. In Bezug
auf die Verbannung vorweist Oelsner darauf, dass diese den Pönitential-
büchern nicht fremd ist; es ist doch ein Unterschied; denn sie kennen sie
nur als eine von der Kirche aufgelegte Busse, während sie hier als eine
vom König verhängte Strafe in Betracht kommt.
— 39 —
hiebei als "letzte Instanz über den Bischöfen der König zu ent-
scheiden hat, so war offenbar der Gedanke der Landeskirche mass-
gebend: man kannte keine jenseits der staatlichen Grenzen ge-
legene geisthche Gewalt. Noch ein anderer Punkt ist bemerkens-
wert. AVir erinnern uns, dass Pippin auf die Durchführung der
Metropolitan Verfassung verzichtet hatte. ^) Indem man das kirch-
liche Strafrecht sicherstellen wollte, ergab sich die Notwendigkeit
einer geisthchen Appellationsinstanz über den Bischöfen. Von
diesem Punkte aus wurde man zu der Einsicht gedrängt, dass
Metropoliten nicht zu entbehren seien. Aber Pippin sah auch jetzt
davon ab, die alten Sprengel, und damit die alte feste Ordnimg
zu erneuem; er begnügte sich, ethche Bischöfe in vicem metropo-
litanorum zu bestellen, und forderte Gehorsam gegen sie bis zu
besserer Regelung der Angelegenheit.-). Dass hier nur eine pro-
visorische Ordnung getroffen ward, bheb nicht ohne Folgen bei
dem Versuch, das Synodalwesen wieder zu beleben: Zweimal im
Jahi-e sollten Synoden zusammentreten; man konnte sie nicht als
Versammlungen der Bischöfe einer kirchhchen Provinz konstituieren ;
vom landeskirchhchen Gesichtspunkt beheiTScht, schuf man Reich-
synoden. Die erste, im März vom König berufen, sollte in seiner
Gegenwart tagen, die zweite im Oktober in Soissons oder einem
anderen eigens bestimmten Ort. Während bei jener die sämtlichen
Bischöfe des Reichs anwesend sein sollten, hatten an dieser nur
die interimistischen Metropohten und andere von ihnen geladene
Kleriker teilzunehmen. Die Herbstsynoden waren demnach Ver-
sammlungen kirchhcher Notabelu, ohne Zweifel bestimmt, die Be-
schlüsse der Frühjahrssynoden vorzubereiten. =^)
Ein weiteres Ziel der Synode von Verneuil war Ordnung des
Mönchtums. Bischöfe und Synoden wurden zm- Reform der Klöster
verpflichtet; man meinte so durchgreifende Massregeln, wie Ab-
1) S. Bd. I S. 550 f.
2) Cap. 2: Episcopos quos in vicem metropolitanorum constituimus,
ut ceteri episcopi ipsis in Omnibus oboediant secundum canonicam institu-
tionem, interim quod secundum canonicam constitutionem hoc plenius emen-
damus. Die Annahme von Oelsner (JB. S. 222), dass diese Bestellung kurz
vor der Synode stattgefunden habe, scheint mir weniger einfach als die
andere, dass die Synode selbst sie vornahm. Cap. 4: Quos modo consti-
tuimus, nötigt nicht zu Oelsners Annahme ; denn modo kann sich ebensogut
auf die Gegenwart als auf die nächste Vergangenheit beziehen; vgl. praeL
S. 33: Facultas modo non suppetit.
3) Cap. 4. Massgebend sind auch hier die älteren fränkischen An-
schauungen; vgl. Bd. 1 S. 162ff.; 506; 529, und über die abweichenden Ge-
danken des Bonifatius ib. S. 554 ff.
— 40 —
Setzung wiiliTstrobonder Äbte, nicht vermeiden zu könnend) Wur-
den die Bisohüte als hiezu liefugt erkliiii:, so konnten sie doch einen
neuen Aht nur mit Zustimnumg des Königs einsetzen.'-) Die
Mönche sollten an das Kloster gebunden sein, in welchem sie ihr
Gelübde abgelegt liatten. i\Ian gestattete ihnen nur in dem Fall den
Übergang in eine andere Mönchsgenossenschaft, dass das Kloster,
dorn sie angehörten, an einen Laien kam.^) Zum zeitweiligen Ver-
lassen sollte zwar die Erlaubnis des Königs, den Hof zu besuchen,
nicht aber eine Walltahrt nach Rom berechtigen.'*) Dass man dem
fi-eien Asketentum entgegentrat,'^) ist begi-eithch.
Neben dem, was zur Organisation der Hierarchie und Hebung
des Mönchtums geschah, treten die Massregeln zurück, welche zur
Förderung der allgemeinen Sittlichkeit dienen sollten. Das Wich-
tigste ist, dass man den Beschluss eines früheren fr-änkischen Kon-
zils, der dritten S^Tiode von Orleans, über die Sountagsfeier wört-
hch wiederholte, und dass man öffentlichen A})schluss der Ehen
forderte.") In Hinsicht des Klerus beschränkte man sich auf eine
nachdrückliche Erklärung gegen die Simonie und auf das Verbot
wcltlirlid- ( leschäfte. ')
1) Cap. 5; 6; 20. Das letztere Kapitel fordert Kechnungisablage an
den König oder Bischof, je nachdem das Kloster königlich oder bischöflich
ist. Der Satz beginnt: In illo alio sinodo nobis perdonastis, ut illa mona-
steria, ubi regulariter monachi vel monachas vixerunt, ut hoc quod eis de
illas res demittebatis unde vivere potuiesent, ut exinde etc. Boretius be-
merkt dazu: Huius eynodi canones hodie non exstant. Wie mich dünkt,
liegt auch hier ein Bezug auf die Synode von Soissons vor. Cap. 3: De rebus
eccle.siasticis subtraditis monachi vel ancillas Dei consolentur, usque ad
illorum nccessitati satisfaciant.
2) An Stelle des abgesetzten Abts ist per verbum et voluntatem domno
rege vel consensu servorum Dei ein neuer zu wählen. Hefele (CG. III
S. 588) erklärt: »Unter Zustimmung der Bischöfe"; mir scheint, dass viel-
mehr an die Mönche zu denken ist ; die Bischöfe wählen ja. — Dass auch
hier die im fränkischen Reiche von Anfang an heimische Anschauung fest-
gehalten wurde, ohne dass das Vorbild des Bonifatius Nachahmung fand,
braucht kaum hervorgehoben zu werden. Vgl. Bd. I S. 234 f. und 566.
3) Cap. 10.
4) Cap. 6 und 10. Waren den M<".nrhen Romwiillfahrton schlechthin
Vorboten, .so unterstützte man im übrigen die l'ilger durch Gewährung der
Zollfreiheit (cap. 22).
5) Cap. 1 1 .
6) Cap. 14; vgl. Aurel. III (a. 538) can. 31 S. 82, vgl. Bd. I S. 213;
cap. 15. Oelsner (JB. S. 219) überschätzt die Synode, indem er sagt, es
flollt« das gesamte religiöse Leben der Nation neugestaltet werden.
"1 r.n. 21 und IR; Ipt/toros nach Conc. Chalc. can. 3.
— 41 —
Die ^iTüijahrss\Tiode des Jahi'es 756 baute an dem in Ver-
neuil begonnenen Werke fort, indem sie eine Frage zu entscheiden
unternahm, die längst auf der Tagesordnung stand, die man aber
in Yerneuil nur eben berührt hatte, ^) die Frage der verbotenen
Ehen. Wii- wissen, wie weit in dieser Sache die fränkischen
ßechtsanschauungen und die kirchlichen Vorschriften auseinander-
gingen.') Die letzteren waren im Jahre 747 von Papst Zacharias
auf Anlass Pii^pins in ihrer ganzen Schärfe formuliert worden,"^)
aber die ersteren waren gleichwohl in ungestörter Geltung geblieben.
Jetzt erst legte man Hand an, das iränkische Eherecht den kirch-
hchen Normen anzunähern. Dabei blieb man weit hinter dem
zurück, was Zacharias gefordert hatte: man verbot nur die Ehe in
den drei nächsten Verwandtschaftsgraden, die mit Nonnen und die
zwischen geistlich Verwandten.^) Statt auf die Höhe der Forderung
legte Pippin den Nachdruck auf die strenge Bestrafung der Über-
tretungen.'^) Wie sch^\derig die Regelung der Angelegenheit war,
sieht man daraus, dass auch die beiden nächsten Versammlungen
sich vornehmlich mit ilu' beschäftigten:*^) man hatte gewisse Ehen
imter schweren Strafen verboten; nun musste man Bestimmungen
daniber treffen, vde mit den früher geschlossenen iacestuosen Ehen
zu verfahren sei; ') noch eine Anzahl anderer Fragen war zu ent-
scheiden.^) Nirgends sind die Grundsätze ausgesprochen, von welchen
1) Cap. 9. Vgl. auch Suess. c. 9.
2) Vgl. Löning, G. d. d. KR. II S. 542 ff.
3) Cod. Carol. 3 c. 22 S. 485; s. o. S. 10 Anm. 4.
4) Letzteres ein Zugeständnis an die kirchlichen Forderungen; vgl.
Cod. Carol. 1. c; Resp. Steph. 4 Mans. XII, 559.
5) Cap. Xni. 1—3.
6) Von den Beschlüssen von Verberie beziehen sich nicht auf Ehesachen
c. 4 (die Nonne muss im Kloster bleiben, wenn sie nicht wider ihren oder
ihres Mannes Willen in das Kloster kam), 14 (Wanderbischöfen steht das
Ordinationsrecht nicht zu), 15 (ein degradierter Priester darf die Nottaufe
vollziehen), 16 (Kleriker dürfen keine Waffen tragen). Von den Kapiteln
von Compiegne c. 12 (die Taufe durch einen nicht getauften Priester ist,
wenn formell richtig vollzogen, giltig), 5 und 14 (Wiederholung von Verm. 4).
7) Verm. 1 ; Comp. 1 — 3. Bei Verwandtschaft im dritten Glied wurde
die Ehe aufgelöst; bei dem vierten Glied wurde sie geduldet.
8) Dass die thatsächlichen Verhältnisse zu weiteren Bestimmungen
führten, ergiebt sich aus der Form von Comp. 9. Oelsner erinnert (JB.
S. 312) treffend auch an den Brief des Bischofs Megingoz an Lul (Bonif.
etc. ep. 134 S. 420). Derselbe ist wichtig, weil er zeigt, wie ratlos der
Einzelne den V'erhältnissen gegenüberstand, und weil er beweist, dass die
Abweichung von den römischen Forderungen den Ansichten des fränkischen
Episkopats Entsprach.
— 42 —
man sidi leiten liess; doch treten sie bestimmt genug hervor. Vor
allenj sah man in der Ehe eine Verhiiuhing, die niu' dann zu Recht
l)esteht, wenn beide Teile völhg freiwillig auf sie eingegangen sind:
eine erzwungene Ehe ist keine Ehe.^ Von der sittlichen Hoheit
dieser Verbindung wai' man so überzeugt, dass man eine geschän-
dete Ehe nicht ertragen konnte: sie musste gelöst werden.-) Darunter
sollte jedoch der Unschuldige nicht leiden: ihm war in diesem Fall
wie überhaupt die Wiederverheiratung gestattet.^) Man achtete
die Ehe als eine so innige Gemeinschaft, dass sie die Kluft, welche
Freie und Sklaven trennte, überbrücken könne. ^) Und doch war
sie nicht d;is höchste Gemeinschaftsv(»rhältnis, das man kannte:
über ihr stand das Verhältnis des Lehensträgers zum Lehens-
herrn,'')
Wir irren wohl nicht, wenn wir in cheser Bem-teiluug der Ehe
deutsche Anschauungen wirksam finden. Auch indem man sich in ge-
wissem Masse den Ordnungen fügte, Avelche sich in der römisch-christ-
lichen Welt gebildet hatten, und welche man den Deutschen als gött-
liches Gebot vorhielt, vermochte mau nicht auf das Nationale ganz
zu verzichten. Des Unterschieds war man sich klar bewusst: man be-
Ij Verm. 6; 13; Comp. 6; 7. — Verm. 8 bildet nur einen schein-
baren Wider.spruch: der Freigelassene wird als durch den freiwilligen Um-
gang mit der Magd bereits gebunden betrachtet.
2) Verm. 2; 10—12; 18; Comp. 10; 11; 13; 18. Gestattet war die
Lösung der Ehe, wenn die Frau dem Manne nach dem Leben stellte
(Verm. 5). Dass die Ehe auch durch gegenseitige Übereinkunft aufgelöst
werden konnte, zeigt Formul. Turon. 19 S. 145: Placuit utrisque volun-
tatibua, ut se a consortio coniugali separare deberent, quod ita et fecerunt.
3) Verm. 2; 3; 9; 10; 11; 17; 18; Comp. 11; 13; 17; 18. Wie mich
dünkt, widerlegen diese Bestimmungen Rettbergs (KG. D.'s II S. 757 f.)
Annahme, dass diese ganze Gesetzgebung der Absicht diene, die Ehe mög-
lichst zu erschweren. Die Abweichung von den römischen Grundsätzen, die
in ihnen liegt (siehe S. 43 Anm. 1), beweist, dass das nicht die Absicht war.
4) Die Resp. Steph. 1 wiederholen den bekannton Ausspruch Leos
d. Gr., wonach P^hen mit .Sklaven an sich nichtig sind: Ancillam a toro
abicere et uxorem certae ingenuitatis accipero non duplicatio coniugii sed
profectuH est honestatis. Verm. 7 giebt eine analoge Bestimmung, fügt aber
hinzu: Sed melius est suam ancillam tenere; vgl. c. 8; 13: Qui seit uxorem
Buam ancillam esse et accepit eam voluntarie, semper postea permaneat
cum ea; c. 20. Compend. 8.
5) Der Lebensmann muss dem ins Ausland ziehenden Uorrn folgen,
cui fidem mentiri non poterit. Weigert sich die Frau, amore parentum aut
rebus suis zu folgen, so wird sie nicht genötigt; nur muss sie unverheiratet
bleiben; dagegen steht es dem Manne frei, wieder zu heiraten (Verm. 9;
vgl. Compend. 9).
— 43 —
merkte bei einer der- Verfügungen, dass die Kirche sie nicht an-
erkenne; Gesetzeskraft hatte sie gleichwohl.^)
Seit dem Jahre 757 nihte die gesetzgeberische Thätigkeit
Pippins; er erstrebte keinen Abschluss seiner Reformgesetze ; es lag
ihm mehr an der Durchführung des Beschlossenen.
Man hat vermutet, dass unmittelbar nach seiner Erhebung zum
König die im Jahre 744 zu Soissons zugesagte Sicherstellung des
kirchlichen Besitzes von neuem angeordnet wurde.-) Das ist wahr-
1) Verm. 18: Qui cum consobrina uxoris suae manet, sua careat et
nullam aliam habeat. lUa mulier quam habuit faciat quod vult. Hoc aecclesia
non recipit. Auch Verm. 17 steht im Widerspruch mit der Resp. Steph. 2
ausgesprochenen Anschauung; unter Zustimmung des römischen Gesandten
wurde eine Abänderung dieses Beschlusses vorgenommen (Comp. 20); allein
diese Änderung traf das Wesentliche der Sache nicht ; denn auch iru zweiten
Beschluss ist vorausgesetzt, dass bei zugestandener Verweigerung der ehe-
lichen Pflicht die Ehe aufzulösen ist. Löning (G. d. d. KR. II S. 590) ver-
steht die Bestimmung anders. Besonders die prinzipielle Erlaubnis der
Wiederverheiratung für den unschuldigen Teil steht gegenüber der prin-
zipiellen Versagung derselben (Cod. Carol. 3 c. 7 und .12 S. 482 f.; Resp.
Steph. 5).
2) So Waitz, VG. III S. 68 Anm. 1, auf Grund der Notiz der Ann.
Alam. (Guelf. Nazar.) z. J. 751: Res ecclesiarum descriptas atque divisas;
vgl. Ann. Bertin. z. J. 749. Oelsner (JB. S. 10) bezieht die Notiz nur auf
ein lokales Faktum, Gütereinziehungen in Alamannien durch die Grafen.
Ribbeck (D. s. g. Divisio des fränkischen Kirchenguts [Berlin 1883] S. 65 ff.)
sieht in der Notiz der Ann. Bertin, die Überlieferung eines Ereignisses von
hervorragender, das ganze Reich umfassender Wichtigkeit: bis zum Jahre
751 sei in den Bistümern, die auf dem Reichstage von Soissons kanonische
Bischöfe erhalten hatten, die Verwaltung des Vermögens von der des geist-
lichen Amts getrennt geblieben; als aber in diesem Jahre in mehreren
Stiftern beides wieder vereinigt wurde, habe man sich nicht auf die Um-
wandlung der entfremdeten Güter in precariae verbo regis beschränkt,
sondern ein Drittel oder die Hälfte der Güter der wirklichen Disposition
des Bischofs zurückgegeben. Dagegen versteht Ribbeck die Nachricht der
Ann. Alam etc. wie Oelsner, mit dem Unterschiede, dass er nicht an lokale,
sondern allgemeine Einziehung denkt: in völlig geordnetem Verfahren seien
Einziehung und Restitution neben einander hergegangen. Je wichtiger bei
dieser Ansicht die Notizen sind, um so unbegreiflicher erscheint es, dass
die frühesten Berichterstatter von den Vorgängen zum Teil nur halbe, zum
Teil keine Kunde geben: von der Restitution berichtet ja nur ein Bericht-
erstatter d. 9. Jahrh.'s (Ann. Bertin.). Um so unbegreiflicher ist es auch,
dass sich von der Ausführung der doppelseitigen Massregel Pippins kaum
eine Spur fiachweisen lässt. Ich vermag deshalb in der Angabe der Ann.
Bertin. nur eine bereits sagenhaft umgestaltete (Hereinziehung des Boni-
fatius) Wiedergabe der Thatsache zu erkennen, dass unter Pippin ziemlich
— 44 —
f^cheiulioh. wenn auch nicht geA\iss; dagegen ist sicher, dass wäh-
rend seiner Regierung zahh'eiche entfremdete Kirchengüter zurück-
gegeben wurden.') Überhaupt kann er nicht karg gegen die Kirche
gewesen sein. Die Biscliüfe hatten das Vertrauen, dass die könig-
hche Vntei-stützung anueu Stiftungen nicht fehlen werde.-) Er
selbst legte A\'ei-t darauf, als Beschützer des Kirchenguts anerkannt
zu sein: unter den Gründen für den aquitanischen Krieg wird die
Schädigung der Kirchen durch Waifar angeführt.-')
AVar es schon ein Gewinn, dass die ^\^llkürlichen Verfügungen
über das Kircheugut wenn auch nicht unterblieben, so doch ein-
geschränkt wui'den, so war noch wichtiger, dass in die Besetzung
der Bistümer ^vieder eine gewisse Stätigkeit kam; länger dauernde
Vakanzen hörten auf. So lückenhaft die Bischofsreihen für diese
Zeit teilweise noch sind, so giebt es doch kein deutsches Bistum,
von dem nicht ein oder der andere Bischof aus Pippins Regiei'ungs-
zeit bekannt wäre.
Fiü- ^lainz hatte, \ne wii- sahen, Bonifatius dui'ch die Er-
weitgehende Restitutionen erfolgten, wogegen die Angabe der Murbacher
Annalen (Ann. Guelf. : Res ecclesiarum descriptae, quae et divisae) mir
allerdings darauf zu führen scheint, dass in dieser Zeit eine Anordnung
erging, welche das Besitzrecht der Kirche an das in Laieuhänden beßnd-
liche Kirchengut sicherstellen sollte: es handelte sich um eine Verzeich-
nung der Kirchengüter, welche auch verteilt waren. Mehr beweisen die
Vorgänge in Le Mans, auf die sich Ribbeck S. 69 f. bezieht, nicht.
ll Kin Beispiel bietet St. Denis, wo mit dem Amtsantritt Fulrads die
Rückforderungen des entfremdeten Be^sitzc8 beginnen; die ersten Entschei-
dungen zu Gunsten des Klosters fallen noch in die letzten Jahre Childe-
richs III. (B.M. 56, 57, 58); in zwei Fällen handelt es sich um Güter, welche
in den Besitz anderer Stiftungen gekommen waren, im dritten (Nr. 58) um
Güter in elf verschiedenen Gauen; Fulrad wollte oftonl)ar von Anfang an
reine Bahn .schatfen. Gleichwohl gehen die Rückgaben noch fort: 1. Miirz
752 (Nr. 63), 754 (Nr. 74', 766 (Nr. 101). Vgl. auch Ribbeck a. a. 0. S. 73 ff.
2) Conc. Vern c. 6: Si aiiqua monasteria sunt qui eorum ordinem
propter paupertatem adimplere non potuerint, hoc ille episcopus de veri-
tate praevideat et hoc domno rege innotescat. ut in sua elimosina hoc
emendare faciat.
8) Fredeg. cont. 41 S. 1H6; Ann. Lauriss., Einh. z. .1. 760. Doch ist
zu bemerken, daas Entfremdungen auch unter Pippin vorkamen. Das ist
in Bezug auf die Kostnitzer Diözese zweifellos (Walahfr. V. Gall. II, 15
S. 24: Vit. Otmari 4 S. 43), vgl. was Gest. abb. Font. 15 S. 44 über den
von Pippin zum Abte von St. Wandrille ernannten Laien Wido erzählt
wird. Auch Iiul von Mainz hatte über Beraubungen zu klagen (Bonif. etc.
ep. 111 S. 399i; über Weomad von Trier .-i. u. S. 51 Anni. 3. Vgl. Oelsner,
JB. 8. 7 f., und Ribbeck a. a. 0. S. 70 ff.
— 45 —
liebung Luis Sorge getragen.^) Mau begreift die volle Sjinpathie,
welche zwischen beiden Männern heiTschte; denn mancher Zug,
der dem Lehrer eignete, findet sich bei dem Schüler wieder. So
ü'euhch wie Bonifatius hing Lul an der Heimat; sorgsam pflegte
er che Gemeinschaft mit der enghschen Kirche; sein Briefwechsel
mit ihi'en Bischöfen war kaum minder lebhaft als der des Boni-
fatius: die Erzbischöfe Cudberht und Bregowin von Canterbury,
Alkuins Lehrer Aelljert von York, die Bischöfe Milret von Wor-
cester mid C}'iiehai'd von Winchester waren unter seinen Korre-
spondenten.-) Man hat den Eindruck, dass er zu ihnen in einem
vertrauteren Verhältnisse stand als zu seinen fränkischen Amts-
genossen; denn wälu-end er das Martyiium des Erzbischofs sofort
nach England meldete, um die jährhche Feier seines Todestags zu
veranlassen, wissen wir von einer gleichen Mitteilung an den frän-
kischen Episkopat nichts.'^) Mit Cudberht, Cynehard und Älilret
stand er längst in einem Gebetsvereine,*) ehe er einer ähnhchen
Verbindimg fränkischer Bischöfe beitrat.'^) Wenn die fi-änkischen
Verhältnisse ihn bediiickten, so erleichterte er sein Herz, indem er
seine Sorgen und Klagen vor seinen enghschen Kollegen aus-
schüttete.**) Auch daiin bemerkt man das Vorbild des Bonifatius,
dass Lul sich des Eingi'eifens in che politischen Dinge konsequent
entliielt.') Wie hätte es anders sein können? denn auch er war
beheiTscht von der asketischen Anschauimg des Lebens, die ge-
neigt war, selbst in kh-chhchen Würden welthche Grösse zu
1) Vgl. Bd. I S. 470 ff.; 568.
2) Über die englischen Korrespondenten Luis handelt mit erschöpfender
Gründlichkeit und in anziehender Form Hahn, Bonifaz und Lul S. 256 ff.
3) Wir besitzen die Antwortschreiben Cudberhts und Milrets in der
Briefsammlung des Bonifatius (ep. 111 f. S. 397 ff.), dagegen keine Antwort
eines fränkischen Bischofs. Lul scheint zur jährlichen Feier des Todestags
aufgefordert zu haben (s. S. 399).
4) Ep. 111 S. 399: Quod iam olim, vivente venerandae memoriae Boni-
facio . . aeque conditum esse constat, id ipsum semper renovare ad invicem
satis necessarium ducimus; hoc est: ut mutuae pro nobis nostrisque et hie
viventibus et hinc obientibus interpellationes, orationes, missarumque reme-
dia . . agantur; vgl 112 S. 401; 114 S. 403; 1-38 S. 423.
5) Totenbund von Attigni (s. u.).
6) Ergiebt sich aus ep. 111 S. 399.
7) Die Vermutung Hahns (B. und L. S. 255), Lul habe vielleicht bei
Abschluss der Verträge Pippins mit Stephan H. über die Verhältnisse der
römischen Kirche mitgewirkt, halte ich für unwahrscheinlich, wenn bei dieser
Mitwirkung an mehr gedacht ist, als an die mögliche Teilnahme an Be-
ratungen.
- 46 —
sehen.') Seine Arbeit galt seiner Diözese. Dabei erwiesen sich seine
Bezieluingen zu der enghschen Kirche als wertvoll; es war ihm mög-
lich, tnsche Arbeitskräfte aus (lei-selben zu gewinnen;-) noch waren
die Zustände im Mainzer Sprengel nicht so gefestigt, dass er sie
hättr entbehren können. Freilich machten die Landsleute ihm mit-
unter auch Sorgen ; nuinche machten die Fremde aufsuchen, da sie
sich den kirchlichen Ordnungen nicht fügen wollten.") Doch fehlte
es Lul nicht an INfut und Kraft, dem Unrecht energisch entgegen-
zutreten.'') Überhaupt war er zur Leitung eines kirchlichen Sprengeis
geeignet; er vei-stand die Kunst, Vorgänge, die alle bewegten, in
gottesdienstlichen Handlungen ausklingen zu lassen i'"*) er suchte
religiös zu wirken, indem er die Gedanken seiner Diözesanen auf
Tod lind Jenseits richtete: wir hören gelegentlich von einem
1) Ep. 92 S. 379. Anlässlich der Erhebung Gregors zum Abte von
St. Salvator in Utrecht spricht Lul von temporalis potestas et terrestris
dicio, qua auctore Deo iam nunc uteris. Wie ungefährlich diese irdische
Herrlichkeit war, zeigt der Scherz Alkuins, der über Gregors Nachfolger
Alberich als vaccipotens praesul ppottet, dessen Gäste nur Honig, Mehlbrei
und Butter vorgesetzt erhalten (carm. 4 v. 7 tf. S. 221).
2) Ep. 138 S. 423. Wie eng die eingewanderten Angelsachsen zu-
sammenhielten, ergiebt sich z. B. daraus, dass Lioba sich vor ihrem Tod
von einem englischen Priester, Torahtbraht, das h. Abendmahl reichen liess
(V. Liob. 21 S. 130).
3) Ep. 110 S. 396 f. beklagt sich Lul über zwei Priester, Willefrith
und P^nraed. Dem Namen nach ist der letztere, wahrscheinlich auch
der erstere, ein Angelsachse. Willefrith hatte Enraed ohne die Zu-
stimmung Luis in die Mainzer Diözese gezogen, ein Verstoss gegen Vem.
c. 8. Beide hatten sich ausserdem am Kirohengut vergriffen. Die Vor-
stellung ist nicht adressiert. Jaöe betrachtet sie als nach Rom gerichtet;
mit Unrecht (s. Oelsner, JB. S. 223). Oelsner selbst nimmt an, der Brief
sei entweder für eine fränkische Synode oder für den Mt^tropoliten bestimmt.
Das erstere scheint mir unwahrscheinlich, da von den Bischöfen in der
dritten Person die Rede ist. Ist das letztere lier Fall, so kann der Kni-
pfänger nur Clirodegang von Metz gewesen sein. Dümmler bezeichnet in
der Überschrift entweder die fränkischen Bischöfe oder Fulrad als Empfänger;
die letztere Annahme ist, wie mich dünkt, durch den Satz: Vestro iudicio
adscribimus emendanda, ausgeschlossen; denn Fulrad hatte keine kirchliche
Autorität.
4) Er exkommuniziert die Äbtissin Suitha, weil sie zwei Nonnen ohne
seine Erlaubnis eine Reise (Wallfahrt nach Rom? in longinquara regionem
ire, vgl. Conc. Vern. 10) hatte antreten lassen (ep. 128 S. 415 f.). Suitha
war eine Schülerin des Bonifatius.
.^i Bei drohender Wa.-<8er8not in Thüringen ordnete er allgemeine
Fasten und Bittgottesdienste an (ep. 113 S. 402).
— 47 —
Totenbund , 'dem auch Laien augehörten. i) Nhnmt mau hinzu,
dass er zu den literarisch gebildeten Männern gehörte, so kann
man sich nicht wundern, dass seine Landsleute ihn rühmten.^)
Doch ein bedeutender Mann, der den Verlust des Bonifatius hätte
ersetzen können, war er nicht; er arbeitete als treuer Diözesan-
bischof, so wie Bonifatius sich einen solchen gedacht und gewünscht
hatte: aber für die weitergehenden Ziele seines Vorgängers in die
Bresche zu treten, dazu wai- er nicht der Mann; so viel wir wissen,
hat er das nie versucht.
Noch w^eniger als er traten die Bischöfe der Nachbarstädte
Worms und Speier, Erembert^) und Basin,*) sowie die des schwä-
bischen Augsbui'g^) hervor. In Strassburg lag die Leitung noch
in den Händen Heddos, der uns als Gesinnungsgenosse des Boni-
fatius bekannt ist.'') Der ehemahge Mönch scheint sich besonders
1) L. c. Für zwei verstorbene Laien, Megenfrith und Hraban, werden
je 10 Messen gelesen; für den gleichzeitig verstorbenen Bischof Romanus
von Meaux 30.
2) Ale. carm. 4 v. 52 ff. S. 222 :
Egregiam forsan venies Maggensis ad urbem
Perpetuumque vale doctori dicite Lullo.
Ecclesiae specimen, sophiae qui splendor habetur
Moribus et vita tanto condignus honore.
3) Erwähnt in der Bestätigungsurkunde der Immunität von Worms
764 (B.M. 97); sodann als Teilnehmer der Lateransynode von 769 (V. Steph.
in. 17 S. 473); ferner 770 als Zeuge bei einer Schenkung für Fulda (Dronke,
Cod. dipl. S. 20 Nr. 31). Erembert ist wahrscheinlich zugleich Abt von
Weissenburg (Zeuss, Trad. Wiz. S. 44 Nr. 42 u. ö.). Er stirbt nach Ann.
Xant. S. 223 i. J. 793.
4) Basin war wohl vorher Mönch in Weissenburg. Zeuss S. 139
Nr. 149 (a. 753) und S. 211 Nr. 221 (a. 756) ist ein B. diaconus genannt.
Er unterschreibt als Zeuge Pippins Urkunde für Prüm vom 13. August 762
(B.M. 93). Um 780 von Alkuin genannt (carm. 4, 56 ff.):
0 Basine bone, Spirensis gloria plebis,
Me, rogo, commenda Paulo, pater alme, patrono,
Cuius et alma domus fratres nos fecerat ambos.
Er muss bald nachher gestorben sein; denn am 25. Juli 782 wird bereits
sein Nachfolger Fraido genannt (B.M. 245).
5) Von Rozilo (s. Bd. I S. 524) wissen wir nichts als den Namen;
ebensowenig von seinem Nachfolger Tazzo oder Tozzo. Den ersteren kennen
die Augsbuöger Bischofslisten nicht; für den letzteren giebt der Katalog
von Niederaltaich eine Amtsdauer von 5 Jahren an, eine Angabe, die zu
jung ist, um Wert zu haben (M.G. Scr. XIII S. 334). Der Michelfeldcr
Katalog (1. c. S. 279) schöpft aus der fabelhaften Vit. Magni.
6) S. Bd. I S. 337 u. 493.
— 48 —
der Föi(lt>rung dos Klostenvesens gewidmet zu haben.') In Kou-
stanz folgten auf Anifnd. der unter Karlmann starb,-) Sidonius^)
und Johannes II.,'') beide Kirehenfürsten fränkischer Art, die
Henvn in ilirer Diözese sein wollten. Von den durch Bonifatius
gestifteten Bistümern ging Erfurt wahrscheinlich schon ujiter Pi[)i)in '')
ein. Wilhliald vou Eichstätt überlebte den König; auch sein Haupt-
interesse scheint Förderung der Klöster seiner Diözese gewesen zu
sein.") Dagegen starb Bischof Burchard von Würzburg in den
ei-sten Jahren nach der Thronbesteigung Pippins, für die er selbst
gearbeitet hatte. Die Sage lässt ihn gegen Ende seines Lebens
auf sein Bistum verzichten: durch Krankheit gebrochen, erfiült von
Sehnsucht nach dem beschaulichen Leben, habe er sich mit sechs
Brüdern nach dem Schlosse Hohenburg am Main zmiickgezogeu ;
er hal)e sich mit der Absicht getragen, in der Nähe, im Dorfe
Michelnstadt, ein Kloster zu gründen, um dort zu sterben. ') Da-
gegen kennt ihn die Geschichte als den Manu, den die Franken
1) Er erneuert Ettenheimmünster (Monachorum cella) mit Unterstützung
Pippins für 30 Mönche ; er ernannte den Abt Hildolf und führte die Bene-
diktinerregel ein. Die reiche Ausstattung gab er mit Zustimmung des
Klerus und der Bürger zum Teil aus dem Besitz seiner Kathedrale. Es
gehörten zu ihr folgende Kirchen: Marienkirche in Ettenheim, St. Peter in
Kuest (Rustun), St. Maria in Epfich (Hepheka), St. Sixt und Laurentius in
Benfelden, sämtliche Kirchen im Aargau, genannt sind Spiez, Scherziingen
(Scartilinga), Bibersch. Urk. v. 13. März 762, Mign. 96, 1547 tf. Vgl.' auch
die Urkunde für Arnulfsau-Schwarzach v. 27. Sept. 749, Mign. 88 S. 1314.
Tber H.'.s Eingreifen in die St. Gallischen Angelegenheiten s. u.
2) 736—746 (s. Ladewig, Reg. ep. Const. 24—27). Er war zugleich
Abt von Reichenau.
3) 746 — 4. Juli 760; ebenfalls Abt in Reichenau; nimmt an dem
Reichstage von Compiegne teil (Urk. Chrodegangs Mans. XII, 656). Über
seinen Streit mit St. Gallen e. u.
4) 760—9. Februar 782; seit 759 Abt von St. Gallen, als Bischof zu-
gleich Abt von Reichenau.
5) Bonif. etc. ep. 113 S. 402 erscheint die provincia Thyringorum als
Hestandteil des Mainzer Bistums.
6) Vgl. Bd. I S. .520.
7) Vit. Burch. U. c. 11 f. M.G. Scr. XV S. 58 f. Die beiden Bio-
graphien Burchard» sind wertlos (s. Wattenbach, GQ. I S. 126). Das hat
schon Rettberg (KG. D.'s II S. 314) gezeigt: wenn er ihre Angaben gleich-
wohl bonützte, 80 ist das eine bei ihm seltene Inkonsequenz. Ich sehe von
dem, waa sie berichten, völlig ab. Nicht einmal die Angabe des 2. Februar
als Todestag (Vit. II, c. 12 S. 59) scheint mir beglaubigt; das von Wegele
(Abh. d. bair. Akad. XIII, 3) edierte Corpus regulae S. Kiliani Wirz. kennt
den Todestag so wenig als die ältere Biographie. Die Zusätze zum Mart.
Bedae bei Eckhart (Comment. I S. 829) haben II Id. Octobr.
— 49 —
neben dem "klugen A-ijte von St. Denis für den geeignetsten Boten
hielten, um das Urteil des Papstes über die Entthronung der
Merowinger zu erholen. M Wie völhg muss dieser Angelsachse zum
Franken geworden sein, wenn man ihn zu dieser Sendung wählen
konnte. Sein Nachfolger Megingoz") war ein Franke; die Famihe,
der er entstammte, war im Wüi'zburger Bistum reich begütert.'')
1) Annal. Lauriss., Einh. z. J. 749. Abgesehen hievon ist die einzige
sichere Nachricht über Burchard die Angabe Liudgers, er sei vor Bonifatius
gestorben (Vit. Greg. 6 S. 72). Das Jahr 753 als Todesjahr ist lediglich
Annahme. Sicher ist, dass er im Juni dieses Jahres noch lebte; er unter-
schreibt Pippins Urkunde für Fulda (B.M. 70).
2) Die Angaben der Vit. II. Burch. über Megingoz lasse ich ebenfalls
ausser Betracht. Fest steht, dass er zu den Schülern des Bonifatius gehörte
(Willib. Vit. Bonif. praef. S. 430, V. Greg. 6 S. 72), dass er Juni 753 noch
Priester war (Unterschrift, B.M. 70) und dass Bonifatius selbst ihn zum
Bischof weihte (s. M's. Grabschrift bei Eckhart, Com. I S. 524). Wandel-
bert von Prüm (Mirac. Goar. 1 S. 364) möchte ich nicht als Zeugen an-
führen, obgleich er bez. der Ordination das Richtige hat. Das Todesjahr
ist unsicher. Wenn die Nachricht, dass auf der Lateransynode des Jahres
769 bereits sein Nachfolger unterschreibt (Berohelpos, episcopus civitate
Wirsburgo, V. Steph. III., 17 S. 478), richtig wäre, so müsste man an-
nehmen, dass Megingoz spätestens 768 gestorben ist. Allein dem wider-
spricht die Angabe des Chron. Lauriss. (M.G. Scr. XXI S. 348), M. habe
774 an der Einweihung der Lorscher Kirche teilgenommen; wichtiger noch
sind die Nachrichten über die Missionsthätigkeit, die M. in Sachsen übte
(s. u. Kap. VI). Darnach muss man annehmen, dass er das Jahr 777 über-
lebte. Die genaueren, auf die Vit. Burch. gestützten Angaben Rettbergs,
Abels u. a. sind ganz unsicher. Was der Würzburger Katalog (M.G. Scr.
Xni S. 338) an Zahlen giebt, ist offenbar falsch (vgl. Schäffler, Archiv.
Ztschr. III S. 285). Als Todestag giebt das Corp. Reg. S. 52 den
26. September.
3) Der Name des Bischofs wiederholt sich in einer fränkischen Grafen-
familie. Ihn trug der Stifter des Klosters Megingaudeshusen im Itfgau
(Stiftungsurk. v. 816 bei Ussermann, episc. Wirz., Cod. prob. S. 7 Nr. 6).
Aber schon vorher muss der Name in der Familie erblich gewesen sein;
denn das Kloster hiess nicht nach dem Stifter, sondern nach dem schon
vorher bestehenden Ort. Die Güter, welche dem Kloster übergeben wurden,
lagen im Iffgau und Rangau. In den Fulder Traditionen sind grosse
Schenkungen eines Grafen Matto, Manto und seines Bruders Megingoz
verzeichnet; die Güter lagen im Salgau, Grabfeld, Werngau, Gozfeld, Volk-
feld und W.aldsazzin (Urk. v. 19. April 788 bei Dronke, Cod. dipl. Fuld.
S. 53 Nr. 87; vgl. Dronke, Tradit. S. 23 f. Nr. 15; Cod. dipl. S. 54 Nr. 88;
Tr. S. 29 Nr. 104, S. 24 Nr. 21). Im letzten Falle ist die Zeit der Schenkung
,sub Karolo imperatore" angegeben. Die Identität dieses Megingoz mit
dem Stifter von Megingozhausen folgt aus den Zeitangaben. In der Urkunde
88 übergeben Matto und Megingoz nebst ihrer Schwester der Äbtissin
Hauck, Kirchengeschichte. II. 2. Aufl. 4
— 50 —
Sein Bild ist nicht ganz so versclnvoninion , wie das seines heilig
gesprochenen Vorgängei-s. Denn wir besitzen einige Briefe von
ihm. welche genügen, um eine Yorstelhmg von seiner PersiinHch-
keit zu gewinnen. Er zeigt sich als ein Mann, der so gut oder
so schlecht wie che meisten seiner in England gebildeten Standes-
genossen einen lateinischen Brief schreiben konnte; sein Stil hat
nichts Eigentümliches: er bewegte sich nicht fi'ei in der fremden
Sprache. In den Kirchenvätern war er einigermassen bewandert:
er hatte Augustin und Hieronymus, Leo d. Gr. und Isidor gelesen:
al)er bereitwillig erkannte er die höhere Bildung Luis an,^) vne er
auch die Grösse des Bonifatius verelu'te. Ihm verdanken ^\^r neben
Lul die Biogi-aphie des grossen Organisators und Missionars.-) In
seinem Verhalten spricht sich ein verstänchger, gerader Sinn aus.
Er glaubte nicht schroft" sein zu müssen, um ein pHichtgetreuer
Bischof zu sein;'^) aber er war gewissenhaft; durch persönhche
Rücksichten Hess er sich in seinen Entschlüssen nicht bestimmen.^)
Jaliana Kirche und Klösterlein in der Wangheimer Mark an Fulda. In der
Urkunde 87 hört man von der Zelle Einfirst an der Saale. Wird in zwei
späteren Urkunden (Nr. 444 u. 445 vom 18. Juni 824) ein monasteriolum
Mattencella im Salgau genannt, so ist die Identifizierung von Einfirst mit
diesem Klösterlein, wie Rottberg bemerkt (KG. D.'s II S. 331), unbedenk-
lich. Darin kann ich jedoch Rettberg nicht folgen, dass auch das unge-
nannte Kloster in Wangheim mit Mattencelle identisch sei; denn Wang-
heim lag, wie Urkunde 87 ausdrücklich sagt, im Grabfeld, nicht im Salgau.
Auch das im Volkfeld gelegene Kloster Schwarzach wird auf die gleiche
Familie zurückgeführt (s. Rettberg II S. 331 1. Der Vater der drei Ge-
schwister hiess Macco (Urkunde 87); die Annahme Rettbergs, er sei der
Stifter von Mattencelle, hat deshalb nicht viel für sich. Kommt nun in
demselben Gebiet, in welchem die Güter der Familie lagen, später ein Ort
Maggencelle, Macchencelle vor (Urkunde 831, 833, 849), so könnte man an
ein von ihm gegründetes, im Verlauf wieder eingegangenes Kloster denken,
.ledcnfalls steht der kirchliche Sinn dos Hauses ausser Zweifel. Die Zu-
gehörigkeit des Bischofs zu ihr ist strikt nicht zu beweisen, aber sehr wahr-
scheinlich: zu der Gleichheit des Namens kommt, dass seine Schwester
Äbtissin, »eine Nichten Nonnen in einem der Familie gehörigen Kloster sind
(ep. 130 8. 417), ein Verwandtor will sich des inijioiliuiontum saeculi ent-
ledigen und Mönch werden (ep. 136 S. 421); man könnte dabei an Matto
oder den jüngeren Megingoz denken; der Bischof wäre dann der Bruder
Maccos. ?3ine andere Vermutung Wirt. KG. S. 46. Vgl. über das Geschlecht
Stein G. F.'s I S. 47 f.
1) Ep. 134 S. 420.
2) Vgl. die Widmung an beide S. 429.
3) Ep. 134 S. 420; M. ist der milderen Ansicht, Gestattung der Wieder-
verheiratung Geschiedener, geneigt.
4; Ep. 1.30 S. 417 f.
— 51 —
Wenn er im asketischen Leben die Blüte der Sittlichkeit sah, so
war er doch freidenkend genug, dass er das Joch der mönchischen
Pflichten dem nicht aufgelegt A\issen wollte, von dem er voraussah,
dass er es nicht werde tragen können.^)
In Trier machte der Tod Milos'-) eine Neubesetzung des
Stuhles möglich. Die "Wahl traf einen jüngeren Mann, AVeoraad,
den Abt des Klosters St. Maximin ; '^j erst unter Karl "ward er
häufiger genannt. Von den Bischöfen, von Toni,**) Yerdun'*) und
Lüttich ^) sind ledighch die Namen überliefert. Der Kölner Bischof
1) Ep. 136 S. 421.
2) S. Bd. I S. 394 u. 534.
3) Rettberg (I S. 471) niDjmt nach Milo eine Lücke an, da man sonst
für Weomad eine 40jährige Regierung annehmen müsste. Der Grund scheint
mir nicht stichhaltig, die Vermutung Abels (JB. S. 436j, der in der Urkunde
Karls (B.M. 252) genannte Bischof Harthamus sei Milos Nachfolger, unsicher.
Nach der Urkunde kann Harthan> Klosterbischof gewesen sein, wie Ratbert.
Milo übertrug ihm die Abtei Mettlach ; Pippin belehnte ihn nach Milos Tod
mit ihr. Weomads Name erscheint zum ersten Mal 13. August 762 unter
der Urkunde Pippins für Prüm (B.M. 93). Es ist auffällig, dass er, wie seine
Amtsgenossen in Köln und Speier, dem unmittelbar darauf geschlossenen
Totenbund nicht beitrat. Nimmt man hinzu, dass unter ihm nachweislich
Entfremdungen von Kirchengut stattfanden (Urkunde Ludwigs IV. vom
19. September 902, Beyer, ÜB. I S. 214 Nr. 150), so liegt die Vermutung
nahe, dass er es mit seinen bischöflichen Pflichten nicht allzu ernst nahm.
Die Angabe, er sei Abt von St. Maximin gewesen, findet sich in einer Inter-
polation zu Gest. Trevir. 25, M.G. Scr. Vül S. 163.
4) Einen Bischof Godo, welcher anstatt der verbrannten Urkunden
des Bistums von König Pippin neue erhielt, erwähnen Hug. Flav. chronic. I
(M.G. Scr. Vni, 341) u. Gest. ep. Tüll. 21 (ib. S. 636). Die Angaben der
letzteren über die Bischöfe dieser Zeit sind übel verwirrt. Die Tuller Kata-
loge haben nach Godo die Namen Bodo und Jakob (M.G. Scr. XIII S. 308).
Ein Bischof Jakob unterschreibt die Urkunde Chrodegangs für Gorze,
23. Mai 757 (Mansi XII, 655). Man identifiziert ihn herkömmlich, jedoch
ohne Beweis mit Abt Jakob von Hornbach, der den Totenbund von Atti-
gni als Bischof von Hornbach unterschrieb. Vgl. auch Gest. ep. Tüll. 23
S. 637, wonach er in St. Benignus zu Dijon begraben liegt.
5) Als Nachfolger des Bd. I S. 394 erwähnten Peppo nennen die Gest.
ep. Vird. 12 (M.G. Scr. IV, S. 43) Voschisus, Agroinus und Madalveus, vor
und nach dem letzteren wird eine Vakanz angesetzt. Madalveus ist ge-
sichert durch seine Teilnahme am Totenbund zu Attigni. Von seiner Reise
nach Jerusalem und den Gunstbezeigungen Pippins gegen ihn und sein
Bistum erzählen Gest. ep. Vird. 1. c. ; Hug. Flav. chron. I S. 340 fi'. ; vgl.
Ann. s. Benig. Div. z. J. 760 (M.G. Scr. V S. 38).
6) Fulchar von Lüttich ist Teilnehmer am Totenbund zu Attigni.
Er unterschrieb die S. 55 Anm. 1 genannte Urkunde für Gorze und 13. August
4*
52
Hililc^Mi- wurde, als or T'ipitiii auf einem Zuge gegen die Sachsen
lu'gleitete. ei"schlagen.') Von seinem Nachfolger Berehtlu^lm wissen
wir wieder nur den Namen.-) Das einzige Bistum, welches wäh-
rend der ganzen Regierung Pippins unbesetzt blieb, ist Utrecht.
Aber hier hindcrtm Bedenken Gregors, der das Bistum leitete,
seine Weihe zum Bischof. Wie Virgil in Salzburg stand er als
Abt an der Spitze der wichtigen Diözese.'^)
Der bedeutendste der deutschen Bischöfe unter Pippin war
Chrodegang von i\Ietz. AVir haben seine Erhebung bereits er-
wähnt."*) Paulus Diakonus rühmt ihn als einen in jeder Hinsicht
ausgezeichneten ^NTann; er hebt seine Gewandtheit, deutsch wie
lateinisch zu sprechen, seine Fürsorge fih- Wittwe?i und Waisen,
auch seine imponierende Erscheinung hervor.'') Was wir sonst von
ihm wissen, zeigt, dass er seine PHichten nicht leicht nahm; der
Widerspruch zwischen Ideal und Wiiklichkeit konnte ihn wx'hmütig
stimmen; doch statt ihn zu lähmen, drängte er ihn zu handehi.")
Er hatte Sinn für das Schöne') und Würdevolle; auch bei Kleinig-
keiten bemerkte er, ob sie passend oder unpassend seien : "*) aber er
ging nicht in Kleinigkeiten auf; seine Absicht war, dauernden
TOJ die Urkunde Pippins für i'rüm , (JIM. 93). Als Todesjahr geben die
.-Vnn. Lobb. S. 195 d. J. 769 an, dagegen lässt ihn Oelsner (JB. S. 475) schon
gegen Ende d. J. 762 sterben; er stützt sich auf Gest. ep. Leod. (M.G.
Scr. XXV, 47j. Mir scheint die eine Annahme so unsicher wie die andere.
1) Ann. S. Amandi z. J. 753, Lauriss. (in Castro quod, dicitur luberg,
Iburg bei Osnabrück), Einh., Mett.
2) Unterschreibt 762 die Urkunde für Prüm (B.M. 93).
3) Vgl. über ihn Kap. VI.
4) Vgl. Bd. I S. 512 f.
5) Gest. ep. Mett. (M.G. Scr. IT S. 268 f.); vgl. die Grabschrift Chrode-
gangs fPoet. lut. I 8. 108 f.). Die Vit. Chrod. (M.G. Scr. X S. 552 tf.) kommt
al.M Quelle nicht in Betracht (s. Wattenbach, (jQ. I S. 345).
6) Vgl. die Vorrede zur Regel S. 1 : Cum officii mei pastoralis curam
invigilare coepi.isem et in tantara negligentiam clerum plebemque devenisse
conspicerem, coepi moestus conqueri, quid agero deberem ; sed divino fultus
auxilio . . volui . . parvum decretulum facere. Urkunde für Gorze (Migne 89
8. 1121): Dum in voluminibus divinarum soriem scripturarum juxta possi-
bilitatem ex mediocritato mei sensus, attonitis auribus et sedula considera-
tione, inspicerem, quid Dei filiu.s diceret, . . idcirco coepi mocstus conquirere,
quid pro animae remedio, quid pro abluendis ponderibus peccatorum face-
rera vel in q'uibu» imitarcr oxempla prisconim patrum. Der Unterschied
dos Sollen« und Könnens beschäftigte ihn: s. Prolog, reg. S. 1: Quantum
j.'i-.iumu8 fri non qnantum debemuB.
7) Gest. ep. Mett. S. 268 über seine Bauten.
8) Vgl. unten S. 62 flP. über seine Regel.
— 53 —
Nutzen zu schauen. 'Es gemalmt an Bonifatius, dass ihm, dem
vornehmen, am Hofe erzogenen Mann, die asketische Beurteilung
des Lebens nicht fremd war. Mit voller Überzeugung ging er auf
die von jenem Ijegonnene Reform der fränkischen Kirche ein: nie-
mand arbeitete eifriger an der Hebung des Klerus und des Mönch-
tums als er; auch die Verbindung mit Rom fand an ihm einen
aufrichtigen Förderer.^) Aber nur in einzelnen Punkten, nicht
überhaupt waren seine Anschauungen denen des Bonifatius gleich;
ja ihre Verschiedenheit ist A-ielleicht grösser als ihre Ven\^audtschaft.
Denn Chrodegang fühlte sich ganz als fränkischer Bischof; dass
die fränkische Kirche Landeskirche war, bedrückte Bonifatius ; ihm
schien es das Natürliche und Richtige. Verkehr mit England hat
er, so viel wir wissen, niemals gepflogen; dagegen stand er in der
innigsten Verbindung mit Pippin,-) während Bonifatius den Hof,
so viel er konnte, gemieden hatte.
Ihm nun gab Pippin den ersten Rang in der deutschen Kirche.
Denn nur auf Anlass und mit Zustimmung des Königs kann es
geschehen sein, dass ihm Stephan II. während seines Aufenthaltes
im fränkischen Reich die erzbischöfliche Würde übertrug.^) Da-
durch wurde Metz nicht zum Erzbistum ; ^) aber Ohrodegangs Würde
1) Gest. ep. Mett. S. 268: Ipsum clerum abundanter lege divina Ro-
manaque imbutum cantilenae morem atque ordinem Romanae ecclesiae ser-
vare praecepit. Vgl. Regul. can. c. 2, 7, 8.
2) Grabschrift v. 17: Eegibus acceptus, pupulo venerabilis omni. Vgl.
die Sendung nach Rom (Vit. Steph. II. 18 S. 445) u. Gest. ep. Mett. 1. c:
Cum esset in omnibus locuples, a Pippino rege omnique Francorum coetu
singulariter electus Romam directus est.
3) Zusatz zu Vit. Steph. II. 53 S. 456. Grabschrift v. 7 f. Contin. Bed.
754: Pro eo (Bonif.) Redgerus consecratur archiepiscopus a Stephano papa.
Über die Contin. Bed. s. Hahn, Forsch. XX S. 558 fi'.; zur Sache Duchesne
z. d. V. Steph. Anm. 63 S. 461. Über die Nachricht des Änon. Mog. Pass.
Bonif. S. 477 f. von einem Streit zwischen Bonifatius und Stephan über die
Ordination Chrodegangs s. Bd. I S. 571 Anm. 2.
4) Wenn Hahn (B. u. L. S. 251) von einer Verschiebung des Erzbis-
tums von Mainz auf Metz und von einer Loslösung desselben von Trier
spricht, so beruht das auf der meines Erachtens in-igen Voraussetzung, dass
damals geordnete Metropolitansprengel überhaupt bestanden. Auch die
Annahme Hahns von einer Nebenbuhlerschaft Chrodegangs und Luis scheint
mir des Beweises zu enthehren. Bonif. et Lul. ep. 92 S. 379 kann sich
nicht auf Chrodegang beziehen: er wurde ja nicht Bischof, sondern er war
Bischof und wurde Erzbischof. Stichelt Lul über einen Mann, qui semper
iurare solebat, nihil se terreni accepturum, cum subito ex improviso velut
novum fantasma episcopus apparuit, so muss man an einen Mönch denkeu,^
der Bischof wurde, etwa Weomad von Trier. Ebensowenig geht ep. 111
— 54 —
Wiir kein Mossci- Titel, er hat erzhischöfliche Aintsliiiiullungen voll-
zogen.') So lange er lelite.-) hlicl) er der einzige Erzbischof im
(leutvschen 8praehg(>l)iet ; ") für den westlichen Teil des Reichs wur-
den, wie erw."ihnt, in Verneuil einige Bischöfe ])ersönlicli zu Metro-
jtoliten bestimmt:"') sie erhielten demnach dieselbe Stellung, welche
( 'hrodegang im Osten hatte.
S. .399 auf den Papst (Hahn S. 253 Anm. 3). Die Deutung dieser Stelle
unterliegt, wie mich dünkt, keinem Zweifel; der Mann magnao auctoritatis,
der i. J. 7ö4 postpositis antiquorum patrum decretis ac legibus ecclesiasticis
relictis iuxta proprias adinventiones prava et plurimorum nociva saluti sen-
tiit adfirmavit atque egit, ist Pippins Bruder Karlmann, der ausdrücklich
wegen Verletzung der kirchlichen Gebote zur Haft in einem fränkischen
Kloster verurteilt wurde (Vit. Steph. H. 30 S. 448), dem man vorwarf, er
strebe mit aller Macht darnach, ecclesiae causas subvertere, (ib.). Ist diese
Deutung richtig, so ergiebt sich zugleich Luis und also Bonifatius' Urteil,
über die römischen Angelegenheiten. Es lautet, wie man es erwarten muss.
1) Gest. ep. Mett. S. 268: Hie consecravit episcopos quam plurimos
per diversas civitatos. Auch, dass er an der Spitze aller Bischöfe den
Totenbund von Attigni unterschrieb, zeigt seine Stellung, obgleich er sich
nur Bischof nannte (Cap. 106 S. 221).
2) Er starb 6. März 766 (Necrol. Mett., Forschungen XHI, 598; Ann.
Lauresh. z. J. 766).
3) Lul wurde erst zwischen 780 und 7S2 Krzbischof (s. u.); Weomad
V. Trier heisst 772 noch Bischof in der Urkunde Karls (B.M. 142). ebenso
in dem Brief Hadrians an Tilpin um 775 (J.W. 2411); in der undatierten
Urkunde betr. Mettlach (B.M. 252) aus den Jahren 777—791 heisst es: Ubi
Weomadus archiepiscopus pontife.x es.'^e videtur. Die Form des Satzes weist
darauf hin, dass es damals ein Erzbistum Trier nicht gab. hi der That
liatte Trier noch unter Amalarius keine Sutfragane (M.G. P^p. V S. 244 Ni-. 3).
Hildegar von Köln wird von einem späteren Verfasser als Erzbischof be-
zeichnet (Einh. Ann. ad a. 753 S. 11); allein auch angenommen, dass hier
Hildegar nicht nur deshalb Erzbischof genannt wird, weil in der Zeit des
Verfasscra Köln Erzbistum war (die Ann. Laur. sprechen nur von einem
Bischof), kann der Titel nur persönlich gewesen sein. Denn Berehthelm
unterschreibt Pippins Urkunde für Prüm vom 12. August 762 (B.M. 93)
als Bischof.
4) Auf dor Lateransynode von 760 untorzeichnet Wulchar von Sens
als archiepiscopo provintiae Galliarum, civitate Senense (V. Steph. 111. 17
S. 47.3); Hadrian I. nennt ihn ebenfalls schlechthin archiepiscopus provinciae
Galliarum (Cod. Carol. 96 S. 644). Dagegen Ado von Lyon, Daniel von Nar-
bonne und Tilpin von Rheims nennen sich nur Bischöfe. Remigius oder
Homedins von Ronen, Pippins Halbbruder, wird herkiimmlicherweise als Krz-
bischof bezeichnet (z. B. von Abel, JB. S. 105 f.); allein die älteren Quellen
kennen ihn nur als Bischof: so nennt er sich selbst (Totenbund zu Attigni,
Uap. 106, S. 221; Unterschrift unter der Urkunde Heddos für Schwarzach,
Migne 88 8. 314); so kennen ihn die Gest. abb. Font. 12 u. 15 S. 36 u. 45.
— oö —
Ausseiiich angesehen war Clu'odegang Nachfolger des Boni-
fatms: er war austrasischer Erzbischof, wie es jener gewesen war.
Doch möchte ich deshalb beide Männer nicht neben einander stellen.
Weder was die Macht der Persönlichkeit noch was die Tiefe und
den Umfang des Einflusses anlangt, lässt Chrodegang sich mit
Bonifatius vergleichen. Lumerliin war seine Stellung so hervor-
ragend, dass seine Unternehmungen sofort allgemeine Bedeutung
gewannen. Das sieht man bei verschiedenen Gelegenheiten. Es
war nichts Sonderliches, dass er wie so mancher andere Bischof
ein Kloster gründete, Gorze, unweit von Metz.-^) Wie es auch sonst
vorkam,"-) fundierte er die neue Stiftung aus dem Gute seiner
Kathedrale: das Kloster sollte im Besitze der Metzer Kirche stehen;
es sollte den Bischöfen die Möglichkeit gewähren, sich zeitenweise
in die Einsamkeit zurückzuziehen.^) Wer eiinnerte sich dabei nicht
an die Gedanken des Bonifatius bei der Stiftung von Fulda ? Auch
darin dachte Chrodegang wie der angelsächsische Bischof, dass er
die Begel Benedikts allen anderen Mönchsregeln vorzog; besonders
die Gütergemeinschaft, welche in den Benediktinerklöstem herrschte,
erschien ihm als ein hohes Ideal.*) Aber väe klar ist auch die
Verschiedenheit der Ansichten. Bonifatius meinte seine Stiftung
dadurch vor verderbhchen Einflüssen zu schützen, dass er sie aus
der Verbindung mit der Landeskirche löste; Chrodegang fügte sie
ihr möghchst fest ein: die Wahl des Abtes von Gorze sollte zwar
von den Mönchen vorgenommen werden, aber die Zustimmung des
Bischofs war erforderlich; in Ausnahmefällen war dem letzteren
sogar das Recht, den Abt zu ernennen, gewahrt. Er hatte die
Pflicht, das Kloster zu visitieren und. wenn nötig, auf Grund der
Erst bei Nith. Hist. IV, 2 heisst er Erzbischof. Auf Grund dessen scheint
mir die Annahme notwendig, dass es i. J. 769 im fränkischen Reich wieder
nur einen einzigen Erzbischof gab. Vgl. Weyl S. 89 ff., dessen Anschauung
ich freilich nicht zustimmen kann.
1) Südwestlich von Metz, unweit der französischen Grenze. Für die
Gründung kommen in Betracht die in Andernach 20. Mai 748 ausgestellte
Dotationsurkunde (Migne 89, 1119) und das in Compiegne 23. Mai 7-57 ver-
liehene Privilegium (1. c. 1121, auch bei Mansi XII, 653); beide Urkunden
sind unter Zustimmung Pippins erlassen. Undatierte Bestätigungsurkunde
Karls (B.M. 151). Die Kirche wurde Petrus und Stephanus geweiht.
2) S. S. 48 Anm. 1.
3) Urkunde von 757 S. 654: Si praefatus pontifex lucranda oratione
aut visitatione fratrum quando ei placuerit in ipso monasterio venerit, vel
aliquam moram pro lucrandis animabus fecerit, cum exinde in Dei nomine
vult habere regressum etc.
4) L. c. S. 653.
— 56 —
Regel RetV.rnien vorzunohnien. Chrodegang vertrat hierin nicht
neue Geihink«'n : es war die Tradition der fränkischen Landeskirche,
die in ihm k'hte.
Daraus erklärt sich der Einfluss, der von Gorze auf andere
Klöster ausgeiiltt wurde. Er ist gering im Vergleich mit dem,
welcher im Jahrhundert vorher von Luxeuil ausging. Aber er war
vorhanden. Auch Gorze war eine Zeitlang eine Musterstiftung. Im
Jahre 761 sandte Chrodegang Müuche von dort nach Gengenbach,
in der Strassburger Diözese;^) drei Jahre später wurde in dem
damals waldbedeckten -) Weschnitzgrunde im ]\Iainzer Bistum das
Kloster Lorsch gegründet; die Stifter waren mit Chrodegang ver-
wandt und übertrugen ihm die Einrichtiuig. Sechzehn ]\lönche von
(jorze waren die ersten Bewohner des neuen Klosters;'') an der
Spitze stand, nachdem Chrodegang im Spätjahr 765 die Leitung
abgegeben hatte, sein Bruder Guudeland.'*) Dass er in den Klöstern
der eigenen Diözese die gleichen Grundsätze forderte, die er in
Gorze heimisch machte, ist selbstverständhch.'')
Sie en-angen rasch das Übergewicht ül)er die von Bonifatius
vertretenen t'berzeugungen. Unterwerfung der Klöster unter den
Episkopat war ein überall erstrebtes Ziel. Auch ein so treuer
SchiÜer des Bnnifitins wie Lul von Mainz bilhgte es. Die Ein-
1) Ann. Lauresh. S. 28: ,monasterium Hrorlharti".
2) Theoclulf. carm. 49, 6 S. 550: Silvestri in iure.
3) Über die Stiftving Ann. Lauresh. S. 28; Chron. Laur. (M.G. XXI,
341); Gest. ep. Mett. S. 268, Urkunden Karls von 772 ( B.M. 141) u. 773
(Nr. 14«), Die Stifter waren die Grätin Williswind, die Wittwe eines Grafen
Ruoi>ert, und ihr Sohn Cancer, Verwandte Chrodegangs (Chron. Lauresh.
S. 341). Sie übergaben ihm das Kloster zum Besitz. Über das Gründungs-
jahr Hufschmied Ztschr. f. G. d. Ob.-Rheins, 47. Bd. S. 633 ff. Chrodegang
erwarb i. J. 765 für das Kloster die Reliquien des h. Nazarius. Der Besitz
de« Klosters vermehrte sich schon in den ersten Jahren seines Bestandes un-
gemein rasch. Noch Gundeland übergab das Kloster an Karl d. (4r. Es er-
hielt im Mai 772 die Immunität, 773 freie Abtswahl (B.M. 143, 148). Im
.lahre 774 wurde die von Gundeland neuerbaute Kirche eingeweiht: sie wird
als more antiquorum et imitatione veterum errichtet gerühmt. Eine Vor-
stellung davon, wie eng der Anschluss an antike Vorbilder gewesen sein
wird, giebt das erhaltene Eingangsthor, das wohl dem Bau Richbods (t 804)
angehört.
4) Hufschmied, a. a. 0. S. 6-35 ff.
5) Chrodeganj? gründete ausser Gorze noch das monasterium St. Petri
in parochia b. SteyOiani in pago Mosellensi (Gest. ep. Mett. S. 268). Da er
Reliquien des h. Naher nach St. Avold brachte, scheint er zu diesem Kloster
ähnlich nahe Beziehungen gehabt zu haben wie zu Gorze und Lorsch (Ann.
Laurifs. min. z. J. 767, Fuld. z. J. 766).
— 57 —
riclituDgen, "welche Bonifatiiis füi- Fulda getroffen hatte, fanden an
ihm einen entschiedenen Gegner.^) In Fulda erklärte man die
Feindseligkeit des Bischofs aus persönlicher Eifersucht gegen Stm-m; -)
schwerlich mit Recht; der Grund lag ohne Zweifel tiefer. Die
Mönche von Fulda Avaren eifrige Prediger; das Volk strömte ihnen
zu; sie gründeten in den Waldgebirgen nördlich des Mains eine
Zelle und eine Kirche um che andere, Sie selbst sahen darin
lediglich Pfhchterfüllung, Arbeit zum Heil des Volkes;'^) aber ist
es zu verwundern, wenn Lul die Sache von einem anderen Ge-
sichtspunkt aus beurteilte? Sie arbeiteten in seinem Bistum, ohne
ihm irgendwie verantwortlich zu sein. Eben strebte man die un-
kontrolherbare Thätigkeit der Wanderbischöfe und fremden Priester
zu beseitigen: dm'chbrach nicht das Thun der Mönche die Ordnung
im Bistume in weit l)edenklicherer Weise ? Hier war ein sach-
licher, nicht nur ein persönlicher Gegensatz gegeben. Die Ent-
scheidung schien dadurch herbeigeführt zu werden, dass Pippin
Sturm aus Fulda entfernte*) und das Kloster an Lul überwies.
1) Quelle ist Eigils Vit. Sturm. 16—18. Sie giebt selbstverständlich
die fuldische Anschauung der Verhältnisse.
2) Vit. Sturm. 16.
3) L. c. : Qui cum verbum Domini instanter ubique praedicasset et
eum diligenter omnes auscultassent, hostis humani generis invidus tantam
in plebe utilitatem non sustinens, discordias inter fratres seminare coepit.
Vgl. Vit. Gregor. 10: (Sturmi) quantum profecerit in eremo sua post mar-
t}-rium s. magistri, Bocauna silva in testimonio est, quae prius omnimodis
inculta erat ac desertum, nunc autem ab Oriente usque ad occidentera, a
septemtrione usque ad meridiem ecclesiis Dei et electis palmitibus mona-
chorum repleta est.
4) Die Darstellung Eigils ist gerade hier sehr wenig durchsichtig.
Ich lasse sie auf sich beruhen. Die Thatsache der Verweisung Sturms nach
Jumieges macht sehr wahrscheinlich, dass er nicht ganz so schuldlos war,
als Eigil behauptet. Lagen etwa Beziehungen zu Tassilo in der Mitte ? So
Oelsner, JB. S. 516. Die Vermutung hat viel für sich. Auch Hahn (B. u.
L. S. 268) büligt sie. Dass Lul eine Zeitlang an der Spitze des Klosters
stand, beweisen die beiden Urkunden Dronke, Cod. dipl. S. 6 Nr. 8 u.
S. 16 f. Nr. 26. Dass im Datum der ersteren ein Fehler liegt, ist sicher:
im zweiten Jahre Pippins lebte Bonifatius noch. Da die Urkunden von dem
gleichen Manne ausgestellt, von dem gleichen Schreiber geschrieben, zum
Teil von den gleichen Zeugen unterfertigt sind, und da die Monatstage nur
um drei Tage auseinanderliegen, so ist kein Zweifel, dass sie auch in das
gleiche Jahr gehören; hält man das Jahr der zweiten Urkunde fest, so in
das Jahr 763. Das ist bekanntlich das Jahr des Abfalls Tassilos (Ann. Einh.
Lauriss., z. d. J.). Die Verbannung Sturms würde darnach in den Sommer
763 unmittelbar nach der Rückkehr aus dem aquitanischen Krieg zu setzen
— 58 —
Dieser ernannte einen Priester, Namens Marcus, zum Abt. Aber
der AVidei-stand der ]\I()nche machte es dem neuen "\'orsteher un-
möglich, sein Amt /u verwaUen. Xun gestattete Lul den Brüdern,
einen Aht aus ihrer eigenen Mitte zu wählen:^) es hig ihm nichts
an der Pei-söidichkeit. alles daran, dass sein Aufsichtsrccht über
das Kloster anerkannt werde. Wir wissen nicht, was Pippin be-
wog, nach einiger Zeit seine Stellung zu ändern. Er gestattete
Stunn die Rückkehr und übergab ihm die Leitung des Klosters
von neuem; auch das Privilegium des Zacharias trat wieder in
Kraft: die Folge war, dass die Unterordnung des Klosters untei
den Bischof aufhörte.-) AVar Lul hier unterlegen, so gab er doch
seine Sache nicht verloren: er suchte den Eintluss Fuldas zu unter-
graben, indem er in Hersfeld ein bischötliches Kloster, ein Trutz-
Fulda, grün'lete.'^)
sein. Im Mai 766 war Sturm wieder Abt (vgl. Dronke S. 19 Nr. 29 ff.). So
auch Oelsner. Gegenhauers (D. Kl. Fulda I, 1871 S. 28 tl'.) abweiehendo Be-
rechnung scheitert an seiner unmöglichen Datierung der Urkunde Nr. 8.
Er lässt anno II stehen, setzt die Thronbesteigung Pippins richtig 751 — 752
und lässt die Urkunde nach Dronke 31. August 755 datiert sein. Dass
später das Verhältnis Luis zu Fulda ein freundliches wurde, zeigt die Ur-
kunde S. 46 Nr. 75. Sie hat kein Jahresdatum, kann aber nur in das Jahr
785 fallen, da nur in diesem Jahre der 25. September ein Sonntag war, Lul
den Titel Erzbischof und Karl den eines Königs der Langobarden führt.
1) V. Sturm. 17.
2) L. c. 19. Wenn Pippin Lul gebot, quod causam suam et monastorii
defensionem a nullo alio quaeroret nisi a rege, so erscheint dadurch Pippins
Standpunkt gewahrt. Die Exemption von der bischöflichen Jurisdiktion
und die direkte Unterstellung unter Rom sollte die königliche Macht nicht
>)e8chränken.
3) An die Gründung eines Klosters in Hersfeld, Herolvesfeld, hatte
bereit.s Bonifatius gedacht (s. Hd. I S. 565), den Gedanken aber wieder auf-
gegeben; von Lul wurde er kurz nach Pippins Tod ausgeführt. Er gründet
das Kloster auf Eigengut, übergiebt es jedoch später an Karl. Durch Karls
Privilegium vom 5. Januar 775 (B.M. 172) erfahren wir, wie das Verhältnis
des Bi.tchofs zum Kloster geordnet wurde; nicht nur waren die kanonischen
Rechte des Bischofs ausdrücklich anerkannt uml derselbe zur Vornahme der
Ordinationen und P.enediktionen für berechtigt erklärt, sondern es wurde
auch verfügt, dass im Falle von Uneinigkeiten Mit und Mönche sich an
den Bischof und, wenn ihm die f'.inigung nicht gelinge, an die königliche
Synode zu wenden hätten. Das Kloster erscheint also im Unterscliiede von
Fulda als der Diözese Mainz und der fränkischen Landeskirche eingegliedert.
Lul seibat war erster Abt (BM. 17.S, 188 ff. u. ö.); sein Nachfolger ist Bun
(Nr. 266); dann vereinigt Riculf die Abtei wieder mit dem Bistum. Das
Kloster war den Aposteln Simon und Taddeus geweiht. Interessante Auf-
schlösse über den Besitz giebt das Breviarium S. LuUi von Landau, Ztschr.
— 59 —
Der Gegensatz /wischen Bischof und Kloster findet sich ebenso
in der Konstanzer Diözese. Das Kloster auf der Reichenau war
königlich; aber die Bischöfe Arnfrid, Sidonius, Johannes waren zu-
gleich Abte daselbst; ^) sie hatten also das Kloster völlig in ihrer
Hand. Neben ihm erljlühte seit dem ersten Viertel des achten
Jahrhunderts die Gallenzelle zu einer reichen Abtei; der Besitz
melu'to sich zum Teil durch Schenkungen, wohl auch durch Kauf-)
Die Güter lagen nicht nur in der nächsten Umgebung, dem Thur-
gau und Zürichgau, sondern auch jenseits des Bodensees und des
Eheines; der Ruhm des heiligen Gallus begann also weithin in
Schwaben sich auszubreiten. Aber die rechtliche Lage war unklar
uiul deshalb unsicher; denn zu den königlichen Klöstern gehörte
St. Gallen nicht, bischöflich al)er wollte die Stiftung des Columba-
schülers nicht sein.'^)
d. Yer. f. hessische Gesch. X S. 108 ff. herausgegeben, auch bei Wenk, ÜB.
zu Bd. II S. 15 Nr. 12 (vgl. Schröder in den Mitt. des Inst. XVIII S. 1 ff.).
1) Über die Anfänge Reichenaus s. Bd. I S. 337. Als Heddo Reichenau
verliess, ging die Leitung des Klosters an den Mönch Keba, Geba über, 7.34.
Dieser starb nach zwei Jahren, in demselben Jahre wie Bischof Audoin von
Konstanz, 736; nun wurden beide Würden vereinigt; diese Verbindung
dauerte bis zum Tode des Johannes, 9. Febr. 782. Damals erhielt Reichenau
in Peter einen eigenen Abt. (Herrn. Contr. z. J. 734 ff.)
2) Vgl. Bd. I S. 345; Meyer von Knonau, Mitteilungen zur vaterl. Ge-
schichte 1872, Xm S. 87 ff.; Egli, KG. der Schweiz S. 88 ff.
3) Ich berühre hier eine Frage, über welche die Meinungen auseinander-
gehen. Ich vermag keiner der einander gegenüberstehenden Anschauungen
mich vollständig anzuschliessen. Dass St. Gallen vor 760 nicht ein könig-
liches Kloster war, auch nicht in dem Sinne, wie Oelsner (JB. S. 512) diesen
Begriff versteht, scheint mir sicher; ebensowenig möchte ich es aber in
dieser Zeit als bischöfliches Kloster bezeichnen, was es seit 760 ohne Zweifel
gewesen ist. Ich halte demnach die Fragestellung, ob königlich, ob bischöf-
lich, welche die bisherigen Antworten bedingt, für nicht ganz zutreffend.
Man muss sich erinnern, dass Gall und seine Genossen Schüler Columbas
waren, und dass die Golumbaklöster ihre Unabhängigkeit von den Bischöfen
grundsätzlich behaupteten (vgl. Bd. I S. 267, 298 ff.). Das geschah zweifel-
los auch in St. Gallen. Die Lage des Klosters war dadurch eine unsichere,
dass es unabhängig sein wollte, ohne königlich, ohne immun zu sein. Denn
seit der Bonifazischen Reform der fränkischen Kirche ei'kannten die Bischöfe
prinzipiell nur entweder königliche oder ihrer Aufsicht unterstehende Klöster
zu. Dafür ist Vern. c. 20 (vgl. auch c. 8) bezeichnend. Aus dieser Sach-
lage folgte ge Wissermassen mit Notwendigkeit der Streit, wie ihn die Ur-
kunde Ludwigs vom 22. Juli 854 (Wartmann, ÜB. II S. 50 Nr. 433) zeichnet.
Grimald von St. Gallen und Salomo von Konstanz haben berichtet, quod
inter episcopos praedictae urbis et inter abbates praefati monasterii tem-
poribus attavi nostri Pippini atque avi nostri Karoli necnon b. m. Hludowici
— ÜU —
In Altt Otinar') hatte das Kloster einen tüchtigen, auf
seine Selbstständigkeit bedachten Vorsteher. Er erweiterte die
Klostergebäude, so dass sie die steigende Zahl der Mönche
autnchiiien konnten, baute neben dem Arnienhause ein Spital
für Aussätzige, sorgte übcrliaupt dafür, dass di(! geistlichen Auf-
gaben des Klosters eiiüllt werden koiniten. Auch die Bene-
diktinerregel wurde unter ihm den Brüdern bekannt.') Allein er
ging im Kampfe für das Kloster zu Grund; als Gefangener ist er
am Itj. November 759 auf der kleinen Rheininsel Werd bei Stein
gestorben."') Seine Gegner waren nicht nur die nach dem Besitze
des Klosters lüsternen Grossen. Sie hätten ihr Ziel nicht erreicht,
wenn nicht Sidonius von Konstanz auf ihre Seite getreten wäre.
Die Absetzung Otnuirs brach für den Moment den Widerstand des
KIo>;fors gegen den Biscliof Sidonius ernannte den Mönch Jo-
. . semiier ilissensio et discordia esset, quia episcopi . . inonasterium ad
partem episcopatus vindicai'e voluerunt, eidem rationi monachi cum propriis
abbatibus resistentes ad avum atque genitorem nostrura se reclamaverunt.
Sickels Darstellung (Mitt. , zur vaterl. Gesch. 1865, IV S. 16 0.) wird, wie
mich dünkt, diesem unanfechtbaren Bericht nicht gerecht; er stellt ausser
P'rage, dass die Bischöfe der angreifende Teil waren. Dass der Streit erst
unter Otmar ausbrach , ist begreiflich : der Besitz des Klosters hatte erst
Wert, seitdem es nicht mehr eine unbedeutende Zelle war. Oelsner hat
mit Hecht an die angeführte Stelle erinnert. Um so autfallender ist es,
dass er dann doch urteilt (S. 512), die Erklärung für alle Vorgänge in St.
Gallen liege ganz allein in der selbstständigen Stellung der Grafen. Sie
liegt zum grösst«n Teile darin, dass der Plpiskopat die Klöster sich in
früherer Weise zu unterwerfen suchte. Vgl. Egli, S. 89 tf.
1) Das Leben Otmars schrieb der Mönch (lozbert, ungefähr 70 Jahre
nach dem Tode des Abts; Walalifrid Strabo gab der Biographie ihre uns
vorliegende Form (M.G. Scr. U S. 41). Auch in seiner Fortsetzung der
Vit. S. Gall. c. HS. 23 erwähnt Gozltert Otmar. Kr war ein Alamanne,
kam als Knabe nach Chur, wurde dort Priester und erhielt von Waltrara,
dem Grundherrn der Gallenzelle (vgl. Wartmann, ÜB. I S. 81: Waldrata,
qui fuit uxor Waldramno tribuno), die Leitung des Klosters. Was die Zeit
betriflt, so darf man auf die Nachricht von einer vierzigjährigen Amts-
führung (Vit. Gall. M, 15) koinon allzu grossen Wert legen; doch muss eine
lange Thätigkeit Otmars angenommen werden; sie reicht sicher in die Zeit
Karl Martell» zurück. Urkundlich kommt er zuerst 744 vor (Wartmann I, 10).
2) Pippin schenkte 747 durch Karlmann veranlasst, libellum, quem
lienedictuH pater de coenobitarum conversatione composuerat, einige zins-
pflichtipe Leute im Thurgau und eine Glocke an das Kloster (Mir. S. Galli
II. 11. M.G. Scr. II 8. 23 1.
3) Der Monatstag ist Vit. Otm. 6 erwähnt; als Jahr giebt Iso (Mir.
Otm. I, 5 S. 49) das siebente Jahr I'i]»pins an; Herim. Contr. 759; Ann. S.
Gall. maj. 760.
— 61 —
hannes von Reichen^i zum Abt.') Dieser wird sich in ähnlich
schwieriger Lage befunden haben wie Marcus in Fulda; doch war
er ihr besser gewachsen als jener. Durch Heddo von Strassburg
■snu'de ein Vergleich vemiittelt. in welchem St. Gallen die Ab-
hängigkeit vom Bischof anerkannte, wogegen die Abte die freie
Verwaltung des Klosters erhielten.-) Im Zusammenhange damit
wird die Einführung der Benediktineiregel stehen.'^) Jener Vertrag
hinderte jedoch die Vereinigung der Abtei mit dem Bistum nicht;
denn er wurde dadurch umgangen, dass nach des Sidonius Tod'*)
Abt Johann zum Bischof gewählt wurde. Da er auch an die
Spitze von Reichenau trat,'^) so Avaren die beiden Klöster mit dem
Bistume verbunden. Was Lul vergeblich erstrebte, wm-de hier
also eiTeicht.
Heddo von Strassburg und Virgil von Salzburg behaupteten,
wie es scheint, die Oberleitung der Klöster ihrer Diözesen, ohne
AViderspruch zu finden.*') Ähnlich wird es in anderen Bistümern
gewesen sein. Dagegen wiu'de das alte Kloster Agaunum wie St.
1) Die Darstellung der Katastrophe Otmars bei Gozbert-Walahfrid ist
bedenklicli. da sie Züge aus Eigils Leben Sturms verwertet. Wie bei Eigil,
so geht hier die Klage aus der Mitte des Klosters selbst hervor; wie Sturm,
so weigert sich Otmar, sich zu verteidigen; wie jener erklärt: Licet a pec-
catis immunis non sim contra te delictum non feci, so dieser: Fateor rae
supra modum peccasse in multis, de huiusmodi autem obiectione criminis
secreti mei inspectorem Deum invoco testem. Als historischer Kern bleibt
nur, dass Otmar von den verbündeten Gegnern beseitigt wurde. Dass Jo-
hannes nicht gewählt wurde, liegt in der Natur der Sache: er kann nur
entweder von dem Bischof oder von Warin und Rudhard ernannt worden
sein. Das Erstere ist wahrscheinlicher.
2) Wartmann, ÜB. I S. 87 Nr. 92, die Bestätigung des verlorenen Ver-
trags durch Karl. Die Abhängigkeit vom Bistum ausdrücklich anerkannt:
Monasthirium s. Gallone, qui aspicit ad ecclesiam s. Mariae urbis Constan-
tiae. Die gegenseitigen Zugeständnisse: üt annis singolis abbates . . partibus
s. Mariae eiusquae pontificibus in censum uncia de auro et caballo valente
libra una persolvere deberent; in reliquo vero, quicquid ad ipsum mona-
sthirium obtingebat, cum omni integritate . . rectores sui in eorum haberent
potestatem pleniter dominandi.
3j Urkundlich ist ihre Herrschaft i. .T. 779 bewiesen, Wartm. I S. 85 Nr. 90.
4) 4. Juli 760; Necrol. Aug. (M.G. Necr. S. 277) giebt den Tag; das
Jahr ergiebt sich aus dem Todesjahre Otmars.
5) Ladewig, Reg. Const. 35.
6) S. oben S. 48 Anm. 1 und unten Kap. YII. Die dort zu erwähnende
Synode zu Neuching zeigt, dass der Gegensatz zwischen Episkopat und
Mönchtum auch in Baiern vorhanden war, und dass er auch hier sachliche
Gründe hatte.
— Ü2 —
Gallen mit dem Bistum vereinigt: A\'illili;ir war Abt von St. Mamice
und Hischol von Sitten.')
W't'ini der E|)iskoi)at bestrebt war, die Klöster in Unterord-
nuMir unter der biscbütiicben Autorität zu halten, so lag darin kein
Widei-sprucli gegen die Idee des Mönchtums. Nieuiand bezweifelte,
dass das asketische Leben das religiös vollkonnnene Lebeii sei.
Die Bischöfe sprachen diese Überzeugung in der schärfsten Weise
aus, indem sie vereucliten, den Weltklerus dadurch zu heben, dass
sie Eiiu'ichtungen des Mönchtums auf ihn übertrugen. Auch hier
gab Chrodegang das Vorbild. Nichts hat seinen Namen so be-
kannt gemacht als die Einfiihrung des kanonischen Lebens für die
Metzer Geisthchkeit.-) Er unternahm dabei nicht etwas völlig
Neues und Unbekanntes,'') auch brauchte er sein Vorbild nicht in
Italien zu suchen:"*) Sache und Xame fand er schon in der älteren
fränkischen Kirche.
Es ist längst bemerkt worden, dass er fast bei allen Bestim-
mungen seines Statuts das Vorbild der Benediktinerregel vor Augen
hatte.'') Er entnahm ihr nicht nur eine iNIenge einzelner Anord-
1) S. E-ii o. \fö.
2) Gest. ep. Mett. S. 2G3. Die regula canonicoriini in ursjnüngliclier
Gestalt Mansi XIV, 313 ff., Migne 89, 1097 ff., neu herausgcgeb. v. W. Schmitz
1889; Tgl. Ebner RQS. 1891 S. 82; die erweiterte Fasaung 1. c. 332 ff. und
1057 ff. Beziehungen auf die Metzer Kirche c. 4, 5, H u. ö.
3) Vgl. Bd I S. 22.^).
4) Annahme von Oelsner S. 209 unter Beziehung auf V. Steph. II. 12.
.\ber die Stolle handelt, wie mich dünkt, nicht von der vita canonica,
sondern lediglich von dem auf Klerus und Laien gerichteten seelsorger-
lichen Eifer des Papste.s. Auch die 4 Stellen (c. 2, 7, 33), an denen Chrode-
gang sich auf das römische Vorbild beruft, beweisen nichts; denn sie beziehen
sich mit Ausnahme von 2, 10 (Titulatur) auf das V(n-halton im Gotteadion.sl :
Sitzen nach dem Alter, kein Stock in der Kirche, Erwartt-n des Bischofs,
in c. 8 ist nicht von den Kanonikern, sondern von den Stadtgeistlichen die
Rede. Ans der Regel \iUbt sich also auf das gemeinsame Leben des rö-
mischen Klerus nicht schliessen. Eher auf das Gegenteil. Denn wenn
Chrodegang sich für solche Kleinigkeiten, wie dass der Kleriker keinen
Stock in die Kirche mitnehmen soll, auf das römische Beispiel beruft, so
ist doch anzunehmen, dass er sich auch für die Hauptsache auf dies Bei-
spiel berufen hätte, wenn er es vor Augen gehabt hätte. Die Einrichtung
wird al.io vor 7.33 getroffen worden sein.
ö) Mabillon, A. S. lil, 2 S. 185. Ohne Vorbild in der Benediktiner-
regel sind c. 4, 5, 8, 10, 14, 30—34; im übrigen ist das Verhältnis fol-
gendes: c. 1 beginnt mit denselben Worten wie Ben. 7, geht aber nach
dem ersten Satz seinen eigenen Weg; c. 2 schliesst eich an Ben. 63 an;
c. 3 entspricht Ben. 22; übertragen ist der gemeinsame Schlafsaal und die
o
— 6ö
nungen; sonclern die sittlichen und religiösen Anschauungen, welche
Benedikt aussprach, dienten ihm überhaupt zu Wegweisern. Es
war ganz im Geist des Mönchtums gedacht, wenn er seinen
Klerikern vorhielt: Mögen wir nicht wert sein, mit den erhabenen
Hirten und ihren Herden von dem Herrn zu hören: Ei, du frommer
und getreuer Knecht, so möge doch wenigstens uns das gewährt
werden, dass wir Vergebung unserer Sünden erlangen. Denn dem
wird der Eingang in das Reich nicht versagt, dem seine Sünden
vergeben smd. Und wer so glückhch ist, irgend einen Platz im
Paradiese zu erreichen, der kann nicht als unglücklich geachtet
werden. Am Himmel aber erhält jeder Teil, der, so gut er kann,
durch ein verdienstliches Leben daliin zu eilen sich bestrebt. Darauf
lasst uns den Sinn richten, so viel wir können: wü- können ja
nicht, so viel wir sollen; unser Leben mag uns füi' eine kurze Frist
bitter werden in der Busse, damit Gott, der nun barmherzig und
langmütig ist, nicht zuletzt den Ingrimm seiner Strafe über uns
ergiesse.-^) Zieht man das Einzelne in Betracht, so erinnert an das
mönchische Vorbild, dass der Hof der Kanoniker, so weit es irgend
anging, gegen die Laien abgeschlossen wurde; niemand sollte ihn
betreten, der nicht Mitghed der Genossenschaft war; Handwerker,
die innerhalb der Mauern zu arbeiten hatten, mussten ihn nach
Vollendung der Arbeit alsbald wieder verlassen.-) Auch die Ge-
meinsamkeit des Lebens bei der Arbeit, bei der Mahlzeit, bei der
Ruhe wurde von den Mönchen auf die Kleriker übertragen.^)
Jedoch nur in dem letzten Punkte hessen sich die Vorschiiften
Benedikts imverändert nachahmen. Dagegen nahm Chi'odegaug
schon bei den Mahlzeiten auf die hierarchische Ghederuug des
Klerus Rücksicht; bei der Anordnung der Tische \rie bei der Ver-
Vorschrift, dass Jüngere und Ältere die Betten neben einander haben
sollen; alles übrige ist selbstständig; c. 6 Anfang aus Ben. 43; c. 7 erste
Hälfte aus Ben. 19 f.; c. 9 beginnt mit den Worten Ben. 48, ist aber im
•übrigen selbstständig; c. 11 erste Hälfte aus Ben. 72; ebenso 12 aus Ben. 70;
c. 13 beinahe vollständig = Ben. 69; c. 15 berührt sich leicht mit Ben. 25;
c. 16 = Ben. 26; c. 17 im ganzen = Ben. 23; c. 18 nimmt den Anfang
aus der Überschrift von Ben. 48, ist aber im übrigen selbstständig; c. 19
Anfang aus Ben. 24; c. 20 entspricht Ben. 49, weicht jedoch in einem
Hauptpunkte ab; Chrodegang giebt Vorschriften, bei Benedikt handelt es
sich um ein freiwilliges Opfer; c. 21, 22, 23 schliessen sich an Ben. 56, 39,
40 an; die Anordnungen im einzelnen sind jedoch selbstständig; c. 24 zum
grossen Teil aus Ben. 35; c. 25 — 29 verwenden Stellen aus Ben. 64 f., 31,
66, 36, 55.
1) Regul. can. prolog.
2) C. 3.
3) C. 9; 21; 3.
— G4 —
toiluiif? dos Weins wurde ihr Rechnung getragen: der Priester sass
am gleichen Tisch mit dem Priester, der Diakon mit dem Diakon,
jener erhielt drei Becher Wein, der niedere Kleriker zwei.M l ber-
hau])t legte Throdegang Wert darauf, das Gefühl tür die Autorität
zu stärken : er wi<Hlerholte die Bestimmung der Benediktinerregel,
dass niemand den anderen einfach mit seinem Namen anreden
sollte ; aber während der Mönch dem Mönche stets den Titel Bru-
der oder Vater-) gab, wurde von den Geisthchen gefordert, dass
sie die kirchliche Würde des Angeredeten nicht zu nennen ver-
gässen.'') So war denn auch die Genossenschaft der Kanoniker
viel strenger monarchisch verfasst als die benediktinischen Mönchs-
vereine. Benedikt wies den Abt an den Rat der Brüder; *) eine
ähnliche Bestimmung ko?mte Chrodegang nicht treffen: der Bischof
war dem Klerus gegenüber souverän. Er ernannte ohne Zweifel
den Primicerius; auch dieser war nicht an Rat und Zustimmung
seiner Genossen gebunden: er konnte, wen er wollte, mit Aufsicht
und Leitung betrauen.*^) In anderer Hinsicht waren die Klerikei-
weniger gebunden als die ^lönche: ihr Beruf führte sie häufig in
die Stadt, es war unmöghch, ihnen das zu verwehren.**) Nicht
minder wird die Rücksicht auf die Anforderungen des geistlichen
Amts gehindert haben, die Besitzlosigkeit des Einzelneu streng
durchzuführen. Zwar wurde an dem Grundsatz, dass die Nachfolge
Christi Armut erheische, festgehalten: der Eintretende musste.zum
Besten der Kirche auf seine Habe verzichten; aber indem ihm ge-
stattet wurde . sie als Prekarie auf Lebenszeit zurückzunehmen,
blieb ihm die Nutzniessung; nni- das Recht, das Seine zu veräussern
oder zu vererben, war ihm entzogen.')
Das in dieser Weise streng durchgeführte gemeinsame Leben
der Kleriker sollte religiösen Gehalt bekonnnen durch gcmeinschaft-
üche Erbauung. Allen Gliedern der Genossenschaft war die pünkt-
1) C. 22 f.
2) Nonnus c. 63 = Vater.
3) C. 2.
4) C. 3.
5) C. 9.
6) C. 4. Es wurde nur gefordert, dass alle Kanoniker zum Komple-
toriuni sich im claustrum einfänden.
7) C. 31 : Licet legamus antiquam ecclesiam sub tempore apostolorum
ita unnnimem roncordemque extetisHO, et ita omnia reliquisse. ut singuli
predia sua vendentes ad pedibus apostolorum precia ponercnt. . . Sed quia
nostris temporibus persuaderi non potest, saltim vel hoc consenciamus, ut
ad aliquantulumcunque similitudinem conversacionis eorum nostros animos
contrahamus.
— 65 —
Hellste Beobachtung der kanonischen Stunden zur Pflicht gemacht.^)
An jedem Sonn- und Festtag empfingen sie das heihge Abendmahl;
wenigstens zweimal im Jahre mussten sie die Beichte ablegen.'-)
Dazu kam die Einrichtung des Kapitels : täglich versammelten sich
in einer bestimmten Stunde alle Kanoniker, um Lektionen aus der
heihgen Schrift und dem Statut Chi'odegangSj an gewissen Tagen,
Sonntag, Mittwoch mid Freitag, auch aus anderen erbauhchen
Schriften beizuwohnen. In diesen Versanmilungen wurden die not-
wendigen Anordnungen bekannt gemacht und die öffentlichen Rügen
erteilt. Es konzentrierte sich in ihnen gewissermassen die Geraein-
samkeit des Lebens. Zugleich aber griff Chrodegang hier über den
Kreis des Kathedi-alklerus hinaus; denn an den sonntäglichen
Kapiteln hatte der gesamte Klerus der Stadt Anteil zu nehmen. ■')
Dm-ch chese Einrichtungen '') hoffte Chrodegang seine Geist-
lichkeit zu einem Stande zu erziehen, der ebenso durch Würde und
Haltimg ^) wie durch Frömmigkeit **) ausgezeichnet war. Das Ideal
war jene rehgiöse Vollkommenheit, welche man sich in der Urge-
memde verwirklicht dachte; aber Chrodegang verzichtete auf die
Übereinstimmung, er begnügte sich mit der Annähenmg an das
Vorbild.')
Da die Genossenschaft alle Bewohner des bischöflichen Hofs
umfasste, so gehörten ihr im weiteren Sinne auch die Knaben und
Jünghnge an, welche in der Umgebung des Bischofs zu Geistlichen
ausgebildet wm'den.*') Das Metzer Kanonikat bildete die Schiüe,
durch welche der gi'össte Teil des Diözesanklerus hindm-chging.
Dadm'ch gewann Chrodegangs Eegel den ausgedehntesten Einfluss.
1) C. 4—6.
2) C. 14. Die eine Beichte sollte zu Beginn der Fastenzeit, die andere
im Herbst von Mitte August bis Anfang November dem Bischof abgelegt
werden. Die gewissenhafte Beobachtung der Fastenzeiten wurde natürlich
ebenfalls gefordert (c. 20).
3) C. 8.
4) Es braucht kaum bemei-kt zu werden, dass die herkömmlichen
Mittel der Kirchen- und Klosterzucht angewandt wurden, um Ausschreitungen
zu bestrafen und Widerspruch niederzuschlagen (c. 15 — 19); Beachtung ver-
dient besonders c. 15 über die publica poenitentia bei graviores culpae,
i. e. homieidium, fornicatio, adulterium. furtum vel his similia.
5) Vgl. c. 2, 33 u. ö.
6) C. 1, 9, 11 u. ö.
7) Vgl. c. 31, 14. Prol.
8) C. 2: Pueri parvi vel adulescentes in oratione vel ad mensas cum
disciplina ordines suos custodiant, foras autem ubi et ubi custodiam habeant
et disciplinam.
Hauck, Kirchengeschichte. II. 2. Aufl. 5
— 60 —
Die Geistlichen lebten sich von Jugend auf in die Anschauungen
ein. von welchen sie durchdrungen war.
Endlidi galten aucii die Matricularii als Zugehörige des bischöf-
lichen Hufes. Deshalb unterhess Chrodegang nicht. Bestinnuungen,
welche sich auf sie beziehen, in seine Regel aufzunehmen.') Sie
sind von besonderem Interesse, da in ihnen die rehgiösen Ziele
der ganzen Einrichtung klar hervortreten. Chrodegang verhehlte
sich nicht, dass die Armen in seelsorgerhcher Hinsicht übel ver-
wahrlost seien, sie lebten ohne Predigt und ohne Beichte.^ Um
dem abzuhelfen, richtete er eigene Erbauungsstunden ein, welche
für sie je am zweiten Samstag in St. Stephan gehalten wurden.'^)
Wie von den Kanonikern, so forderte er auch von ihnen in jedem
Jahre zweimahge Beichte. Endlich brachte er Ordnung in che
Veileilung der Unterstützungen.^)
Chrodegang hatte bei AufsteUung seines Statuts nicht die Ab-
sicht, eine allgemeine kirchhche Institution zu schaften ; er be-
schränkte sich auf das ihm Naheliegende.'^) Seine Regel war für
den Klerus der Kathedrale von St. Stejihan und der von ilir ab-
hängigen Kirchen, St. Paul und St. Maiia, bestimmt.") Aber sie
gewann bald eine viel weiter greifende Bedeutung. Es ist nicht
unwahrscheinlich, dass das schon in Pippins Zeit begann; unter
Karl wurde das JNIetzer Kanouikat ein Musterinstitut für die fit'äu-
kische Kirche.
Wenn nun auch Chrodegang, so viel wir wissen, Massregeln,
1) C. 34: Matricolarii tarn domi quam et suborbanis — tani <iui in
domo sunt quam illi qui per ceteras ecclesias infra civitate vel vicis matri-
colas habent.
2) Quia non secundum institutionem antiqui ecclesie eorum esse con-
versatio, sed sub magno quodam periculo et negligentiam et, ut ita dixerim,
absque praedicatione et confessione erant in (juadam socuritate positi. neqne
ad domum ad stacionom publicum ad audiendum verbum Dei veniebaut
noque in reliquis stacionibus sed erant omnes sedentes unu.squisque in
loca sua.
3) In denselben wurden Homilien verlesen.
4) Verteilt wurde Brot und Speck oder Brot und Käse; für jede Vor-
teilung war bestimmt: Brot von 8 Schefl'eln und Speck von 6 MastHchweinen
oder eine pensa Käse. Uhlhom berechnet aus dem Brotverbrauch 240 matri-
cularii (Liebesthätigkeit II S. 25). In der Fastenzeit wurde Brot und Wein
verteilt; für das Osterfest Brot und Wein, Speck und Käse. An Wein waren
jährlich 24 modia nötig.
ö) Vgl. den Prolog, S. 52 Anm. 6.
6) Ergiebt sich aus c. 24. Die Regel ist die Frucht von Beratungen ;
vgl. Pro!.: ,Fratrum spiritualium consolatione adiutus'; c. 34: Una cum
consensu fratrum .tpiritualium constituimus.
— 67 —
welche die ganze fränkische Kh^che betrafen, weder angeregt noch
ausgeführt hat , so gingen doch seine Sorgen und Gedanken auf
die Allgemeinheit: er erstrebte den innigen Zusammenschluss des
Klerus auf rehgiöser Grundlage. Zeuge dessen ist der Totenbund
von Attigni, an dem er teilnahm, den er wahrscheinlich veranlasste. •*)
Er hatte im Jahr 762 eine schwere Krankheit zu überstehen;-)
sie wird ihm den Gedanken nahegelegt haben, die auf einer Synode
zu Attigni ^) versammelten fränkischen Prälaten zum Abschluss
eines Gebetsvereines zu ermuntern: sie verpflichteten sich, füi' jedes
verstorbene Mitghed hundert Messen feiern und hundert Psalmen
singen zu lassen, jeder Bischof hatte ausserdem persönlich dreissig
Messen zu lesen. Aus dem deutschen Teile des Reichs nahmen
die Bischöfe Heddo von Strassburg, Lul von Mainz, Megingoz von
Würzburg, Baldeberht von Basel, Folcrich von Lüttich, Johannes
von Konstanz, Wilhbald von Eichstädt und Tello von Chm* An-
teil, sodann die Abte Jakob von Hornbach, der sich als Bischof
bezeichnete, Fabigaud von Wessobrunn, Athalbert von Pfäffers und
Eborsind von Altaich.
Chrodegang starb am 6. März 766.*) In der letzten Zeit vor
semem Tode hatte ihn besonders die Versorgung seiner Klöster
mit Reliquien beschäftigt.'') Er war darin ganz ein Kind seiner
1) Oelsner, JB. S. -360 ff., 477.
2) Ann. Lauresh., Mosell. z. d. -J.
3) Die einzige Nachricht über diese Synode enthält der Totenbund,
Capitul. 106 S. 221: (Episcopi seu abbates) apud villam publicam Attinia-
cum pro causa relegionis ac salute animarum congregati synodali conventu
inter cetera salubriter sapienterque definita hoc quoque statuerunt etc. Das
Jahr der Zusammenkunft steht nicht fest. Sicher ist nur, dass sie nicht
vor dem Juli 760 (Stuhlbesteigung Johanns II. von Konstanz) stattgefunden
haben kann. Weniger fest steht der terminus ante quem. Denn das Jahr
762 als Todesjahr Fulchars von Lüttich ist, wie mich dünkt, nicht so gut
beglaubigt, wie Oelsner S. 475 annimmt. War Baldebert von Basel iden-
tisch mit dem gleichnamigen Abte von Murbach, dann würde man nicht
über 762 hinabrücken dürfen; denn der Abt starb in diesem Jahre (Ann.
Alam. S. 28). Aber die Identität steht nicht ausser Zweifel; zwar ist ge-
wiss, dass Baldebert von Murbach den Bischofstitel führte (Confrat. Aug.
[ed. Piper] 171, 7 S. 209); aber er kann auch Klosterbischof gewesen sein.
Die Teilnahme bairischer Äbte an dem Bunde nach 763 ist zwar unwahr-
scheinlich, aber nicht geradezu unmöglich. Immerhin macht das Zusammen-
treffen der Namen in der Urkunde Pippins für Prüm (B.M. 93) und in
Attigni die Gleichzeitigkeit sehr wahrscheinlich.
4) Ann. Lauresh. z. d. J.
5) Er liess sich von Paul I. die Reliquien des Gorgonius, Nabor und
Nazarius schenken und verteilte sie an die Klöster Gorze, St. Avold und
5*
— 68 —
Zeit, (lass er auf den Besitz von oft^ recht zweifeil lafteii Heilig-
tüineni den höchsten Wert legte. Überhaupt war er kein bahn-
brechender Mann: nirgends vertrat ei' einen neuen Gedanken oder
steckte er ein neues Ziel. Es genügte ihm, ein stets williger Mit-
helfer bei allen kirchlichen Massregeln seines Königs zu sein.
Pippin gab dem Verstorbenen keinen Nachfolger; das Bistum Metz
blit'l) einige Jahre lang erledigt.') Fand er niemand, der ihm den
Jugendgenossen einsetzen konnte?
Zwei Jahre nach Chrodegang, am 24. September 768, ist auch
er gestorben.-) Der Tod kam ihm nicht unerwartet. Seine letzte
Schenkung galt dem Kloster St. Denis; er machte sie in Erwartung
seines baldigen Endes. Es ist charakteristisch für den Mann, der
stets mit klarem Blicke den Ereignissen ins Auge gesehen hat,
dass er bei der Darbringung seiner Gabe den Wunsch nach Ge-
nesung zurückhielt odei" unterdrückte. Die IMönche sollten für die
Gesundheit seiner Seele beten und seinen Leib in ihrer Gruft be-
statten.") Wie oft sind ähnhche Worte in Stiftungsbriefen wieder-
holt worden. Der Augenblick, in welchem sie diesmal ausgesprochen
wurden, verleiht der abgenützten Formel individuellen Gehalt.
Bei der kirchengeschichtlichen Beurteilung Pippins denkt man
unAnllkürlich zuerst an sein Bündnis mit Rom. Ohne Zweifel war
es das wichtigste Ereignis seiner Begierung. Doch auch abgeselien
hievon war sie für die Kirche bedeutungsvoll. Indem Pi])pin in die
Arbeit des Bonifatius eintrat, verhütete er, dass die Frucht der
treuen Thätigkeit des angelsächsischen Bischofs verloren ging. Aber
<r nahm seine Gedanken nicht auf, ohne sie zu verändern. Da-
durch, dass er sie den nationalen Vorstellungen anpasste, fügte er
die von einem Fremden begonnene Reform in den landeskirchlichen
Rahmen ein.
Lorsch (Gest. ep. Mett S. 268; Ann. Laurcsh. z. J. 775). über die Mirac.
Gorg. 8. Wattenbach, GQ. I S. 370.
1) Gest. ep. Mett. S. 209.
2) B.M. 112a.
3) L. c. 107: Pro animao no.strae remodiniu sou et proptor locum
sepulttirae corpori-s moi.
Zweites Kapitel.
Karl d. (jr. und die Päpste.
Konnten die Verhältnisse auf dem Punkte beharren, zu welchem
Pippin sie geführt hatte?
Er hatte der fränkischen Politik eine entscheidende Wendung
gegeben. Indem er den römischen Patriciat übernahm, beschritt er
den Weg, auf welchem die Geschlossenheit des fr'änkischen Staates
sich auflöste. Bis dahin war derselbe trotz der Sprachverschieden-
heit seiner Bewohner ausschliesslich national. Weder Chlodowech
noch Dagobert, weder Pippin der Altere noch Karl Martell hatten
jemals andere Interessen zu vertreten als fränkische. Das war seit
dem Frühjahr 753 anders. Seitdem hatte der fränkische König
füi' ein Gemeinwesen zu sorgen, das sich nicht als Teil des frän-
kischen Reiches fühlte und das zu bedeutend war, als dass es je
im fränkischen Reiche aufgehen konnte. Die Folge zeigte sich so-
fort : mit diesem Jahr hatte die rein nationale Politik des Franken-
reichs ein Ende : seit diesem Jahr gab es wieder eine em-opäische
Politik. Karl d. Gr. hat sie mit unvergleichlichem Talent und nie
versagendem Glück geleitet. Er schritt von Erfolg zu Erfolg; aber
als er sich König der Franken sowie der Langobarden und Patri-
cius der Römer nannte, war das Staatswesen, das Chlodowech ge-
gründet hatte, untergegangen: der nationale Staat hatte sich zu
einem die abendländische Kulturwelt umspannenden Reiche er-
weitert. Das waren die Konsequenzen von Pippins Entschluss.
Dass die fränkische Kirche Landeskii'che war, entsprach der
nationalen Abgeschlossenheit des fränkischen Staats. Vergebens
hatte Bonifatius versucht, hier eine Änderung herbeizuführen: es
— 70 —
fjolang ihm niclit, die fränkische Kirche als untergeordnetes GHed
drni p;ii)stHchon ^Nfachthereich einzufügen. Gerade Pippin hatte ihr
den hindeskirchhchen Charakter erhalten. Aber war es möglich,
dass sie ilni bewahi-te. während die staatliclien Verhältnisse sich
immer entschiedener umgestalteten? In der That verlor sie durch
Karl ihr bisheriges Gepräge: durch ihn geschah es, dass alles, was
an geistigem Leben in der abendländischen Christenheit vorhanden
war, sich in der fränkischen Kirche sammelte; alle kirchlichen
Fragen, welche die Zeit bewegten, wurden auf fränkischem Boden
besprochen und entschieden. Damit trat der Gedanke des landes-
kirchliclien Al)schlusses zurück hinter dem Gedanken der alle um-
spannenden kirchlichen Gemeinschaft, welclie durcli die fränkische
Kirche repräsentiert wurde. So wurde die Landeskirche zur lieichs-
kirche. Aber indem das geschali, bheb die Stellung, welche der
HeiTscher in der Landeskirche inne gehabt hatte, unangetastet; der
fi-änkische König erscheint nun als Leiter der abendländischen
Christenheit, wie er vorher Regent der fränkischen Kirche gewesen war.
Das wai- möghch, da das Verhältnis zum Papsttum sich so ordnete,
dass der Papst dem fränkischen König als I^nterihan gegenüber trat.
AVir werden dadurch zur Betrachtung der itahenischen Ange-
legenheiten zuriickgeführt.
Pippin hatte es nicht unternommen, die Stelhnig des Papstes
zum Patricius genau zu bestimmen. Das Verhidtnis blieb in der
Schwebe. Doch gab es einen festen Punkt: das Papsttum bedurfte
des Kückh.ilts. welchen ihm das fränkische Büiulnis darbot. Des-
halb bestand keine Gefahr, dass dasselbe von römischer Seite ge-
ltrochen werden würde. Tn den Erschütterungen, welche kurz vor
]*il)}iins Tod in Rom eintraten, bewies sich recht augenfidlig, dass
Sfin Bestand unabhängig von den Persönlichkeiten war, welche
jeweilig den römischen Stuhl einnahmen.
Am 28. Juni 767 starb Papst Paul 1. Iva <ler Glut des
riiniischen Sftmmers zu entfliehen, hatte er sich nach St. Paul vor
den ^fauern begeben. Dort ergriff ihn die Krankheit, der er er-
lag.') Er hatte nicht an seinen Tod gedaclit, als er die Stadt ver-
liess; denn es waren keine Massregeln für die Wiederbesetzung des
römischen Stuhles getroffen. Um so leichter konnte der Gedanke
entstehen, dass die päpstliche Macht dem als sieben- P)ente zufallen
werde, der es wagte, sie an sicli zu raffen. Es gab in Rom Männer,
welche in dem Amt des Bischofs zunächst den Jk'sitz der höchsten
Gewalt in der Stadt erblickten: die römischen Grossen. Zum ersten
1) CoDC. Later. (Mansi XIF. 717). Über den Tag vgl. die Bemer-
kung bei .TW. S. 283, und Ducheane. Lib. pont. J S. 480 Anna. 3.
— 71 —
Male griff damals der römische Adel tiimultiiarisch in die Papst-
wahl ein.-^)
An der Spitze einer mächtigen Familie stand Toto, den man
Herzog von Xepi nannte.-) Seine Macht gründete sich auf seine
Besitzungen in Tuscien. Als man stündhch das Ende des Papstes
erwartete, drang er an der Spitze der Miliz aus den toscanischen
Städten und der von ihm bewaffneten Bauern in Rom ein: er l)e-
sass auf dem Janiculus'') ein festes Haus; von da aus beherrschte
er die Stadt. Die Führer des römischen Klerus täuschte er dm'ch
Versprechungen, welche er nicht zu halten gedachte.*) Zum Papste
hatte er seinen Bruder Konstantin, einen Laien, bestimmt. Rascher,
als es irgend jemand erwartete, handelte er; denn noch ehe Paul
die Augen geschlossen hatte, war sein Nachfolger erwählt. Mit
dem bewaffneten Gefolge Totos bemächtigte sich Konstantin des
Lateran; man nötigte den Bischof Georg von Palestiina, ihn am
Tage nach Pauls Tod zum Subdiakon und Diakon zu weihen.
Sofort liess er sich vom römischen Volke den Treueid schwören.'^)
Am Sonntag darauf, 5. Juli 767, erfolgte seine Konseki'ation in
St. Peter. Der Klerus und die Bevölkenmg waren überrascht und
konsterniert. Konstantin hatte wenig Freunde; aber niemand wagte,
ihm offen Widerstand zu leisten. Toto meinte mit Gewalt jede
oppositionelle Regung niederhalten zu können. Einen seiner Gegner,
den Herzog Gregor, dessen Besitzungen in der Campagna lagen,
Hess er umbringen.
Die Erhebimg Konstantins war in jeder Hinsicht unregel-
mässig, ein Bnich mit den bisherigen römischen Traditionen. Aber
Pippin gegenüber hielt er vollständig an der Stellung seiner Vor-
gänger fest. Wenige Tage nach seiner Inthronisation eröflPuete er
den Verkehr init dem fränkischen König, indem er ein Schreiben
1) Vgl. Hegel, Gesch. der Städteverfassung in Italien I S. 212.
2) Quellen für die erzählten Ereignisse sind Vit. Steph. III. 2 — 24 und
der Bericht des Christophorus vor der Lateransynode, Mansi XII, 717 f.;
beide im wesentlichen übereinstimmend. Vgl. Baxmann, Polit. der Päpste I
S. 262 ff.; Gregorovius, Gesch. der Stadt Rom II S. 350 ff.; Reumont, Gesch.
der Stadt Rom II S. 121; Langen, Gesch. d. röm. K. S. 688 ff.; Dopffel,
Kaisertum u. Papstwechsel 1889 S. 15 ff.; Duchesne in d. Revue d'histoire
et de litt, relig. 1896 S. 245 ff.; Ketterer, Karl d. Gr. und die Kirche 1898
S. 19 ff.
3) Toto dringt durch die porta Pancratii in Rom ein, seine Gegner
nahen der Stadt auf der via salaria, überschreiten den Tiber auf dem pons
Milvius und richten den Angriff ebenfalls auf die porta Pancratii.
4) Conc. Later. S. 717.
5) V. Steph. III. 4 S. 469.
72
an ilm nchtete, um die Bostätigung der seinen Vorgängern ge-
machten Zusagen zu erbitten.-') Man glaubt Stephan II. oder
Paul I. reden zu hören, so gleich sind die Phrasen, in welchen er
von den Verdiensten Pippius um die Kirche, von dem Bund zwi-
schen ihm und den Päpsten, von seiner eigenen Anhänglichkeit,
ti'euen Liebe und festen Freundschaft gegen den fränkischen Herr-
scher spncht. Bald folgte ein zweites Schreiben: Konstantin
lüi-chtete, Pippin könnte ungünstigen Nachrichten Glauben schenken,
die über ihn und seine Erhebung in das fränkische Reich dringen
möchten.-) Dem wollte er vorbeugen, indem er keinen Zweifel an
seiner Bundestreue aufkommen hess. Deshalb hob er gethssentlich
hervor, dass er den Beistand der Franken nicht entbehren könne; ^)
er sprach fast wie ein Vasall dem Lehensherni gegenüber.^) Ein
Schreiben der orientalischen Patriarcheii. das eine rein innerkirch-
liche Frage betraf, beeilte er sich dem König vorzulegen.'*) Von'
dem Standpunkt der fi'änkischen Politik aus hatte Pippin keinen
Gnmd, mit Konstantin unzufrieden zu sein. Der Papst hatte denn
auch von ihm nichts zu fürchten.
Allein er war der Situation in Rom nicht mächtig. Seine Er-
hebung war im Widei-spnich mit den Verabredungen geschehen,
welche zwischen Toto und dem römischen Klerus getroften worden
waren.'') An der Spitze der Geistlichkeit stand der Primicerius
< 'hristophonis, ein Mann voll Selbstgefühl, stets bereit, kircliliche
l berzeugungen nachdrücklich auszusprechen, aber ganz unliedenk-
hch in der Wahl seiner Mittel: ein Eid hatte für ihn besonders
deshalb Wert, weil er das sichei-ste Mittel war, (he (legner zu be-
trügen.") Während er sich in das Geschehene zu fügen schien.
1) Cod. Carol. 98 S. 649, Juli 767.
2) L. c. 99 S. 652, nach dem 31. Aug. 767.
3) L. c. S. 651 : Dum . . me . . in vestro .solito auxilio et protectiono
commisi, paratum iam remedium inveni, et afflictus animus raeus paulisper
expiravit,
4) L. c. S. 652: Nos quidem, testatur nobis Deus noster, cui occulta
cordi« manifest^v sunt, ut plus etium quam prplati nostri predecessores
pontificcs in vestra a Deo protecti regni ve.stri Francorum caiitate et di-
lectione atqne .sincera fidel itate cum omni nostro populo firma constantia
erimuH pennansuri.
5) L. c. S. 6-52. Es bezog sich auf die Bilderfrage.
6) Conc. Later. S. 717.
7) V. Stepb. in. .5 S. 469. Chri>tf)phoni.s fS. 718) erwähnt natürlich
den Eid nicht, bontätigt aber den Betrug. Christophorus war schon untor
Stephan II. einflu-ssreich, Paul 1. hatte ungeteiltes Vertrauen zu ihm (Cod.
Carol. 36 S. 546).
— 73 —
sann er darauf, den 'verhassten Eindringling zu beseitigen. Dazu
aber y\'ar ihm die Unterstützung einer auswärtigen Macht nötig.
Da die Franken Konstantin anerkannten, so suchte und fand er
Anlehnung an die Langobarden. Dann warf er die Maske ab. An
der Spitze von Banden aus dem Sabinerlande und Langobarden
aus Spoleto zogen Sergius, Christophonis' Sohn, und der lango-
bardische Priester AValdibert gegen Rom. Toto, der sich mannhaft
verteidigte, wurde meuchhngs erstochen. Konstantin hatte nicht den
Mut, für seine Stellung zu kämpfen; er floh in die Kirche. Man
möchte annehmen, dass die Führung des Amts, das er an sich ge-
rissen hatte, ihn den Unterschied zwischen einem geistUchen Beruf
und weltlicher Macht lehii;e; denn viel ernster küngt sein zweiter
Brief als sein erster.^) Die Vorwürfe seines Gewissens werden ihn
zum Feighng gemacht haben : so wurde er ruhmlos beseitigt.
Einen Augenbhck schien es, dass durch den Stm'z Konstan-
tins das fränkische Bündnis zenissen werden wiü'de. Denn nun
machten die Langobarden den Versuch, die Fiiicht der gelungenen
Empömng für sich zu pflücken. Von einigen Römern unterstützt
erhoben sie einen Mönch aus dem Erlöster des heiligen Vitus,
Namens Phihpp,' auf den römischen Stuhl. Aber wie völhg täuschten
sie sich über ihre Macht in der Stadt! Xm* ein paar Stunden
konnte ihr Erwählter träumen, Papst zu sein.
Am 1. August 768 versammelte Christophonis den Klenis
und das Volk auf dem Forum vor dem Bogen des Septimius Seve-
rus.-) Dort wurde Stephan III. zum Papste gewählt. Er war von
Geburt ein Sicihaner; unter Gregor III. war er, noch ein Knabe,
nach Rom gebracht worden, um in einem römischen Kloster er-
zogen zu werden. Herangewachsen wurde er Mönch. Bald zogen
ihn die Päpste in ihren Dienst; Zacharias machte ihn zum Priester
bei S. Cäciha, behielt ihn jedoch in seiner Umgebung im Lateran;
ebenso stand er Stephan IL und Paul I. nahe.-^) Dass dieser
Mann auf den päpsthchen Thron "erhöht wurde, war ein Programm:
seine Wahl bedeutete Widerstand gegen den Adel, Behauptung
der Selbstständigkeit gegen die Langobarden, Festhalten an dem
fränkischen Bündnis. Man sieht: das letztere blieb in diesen
Schwankungen das unverrtickbare Fundament der päpstlichen Pohtik.
Im übrigen suchte Stephan sich möghchst rasch und möghchst voll-
1) Vgl. Sätze wie ep. 99 S. 650: Dum . . considero, quanta mihi in-
repti pastoralis officii debet insistere curandas ruendasque dominicas ratio-
nales oves, valde fateor intolerabüis mestitia cordis mei archano adhesisse.
2) V. Steph. 111. 11 S. 471: In Tribus fatis. Über diese Bezeichnung
s. Reumont, Gesch. d. Stadt Rom 11 S. 172.
3) Erwähnt als Gesandter des Ersteren V. Steph. II. -50 S. 45.5.
— 74 —
ständig seiner Gegner /u entledigen. AVenn es Widerstand gegen
den Adel nnd die Langobarden galt, war er der römischen Bevöl-
kemng sicher; die rohe Grausamkeit, mit welcher Konstantin und
seine Aidiänger. sowie Waldibert misshandclt wurden, oti"enl)art
einen Abgrund von Hass: der Papst l)rauclite nur den Pöbel ge-
währen zu lassen, so wiu'de seine Arbeit vollzogen. Nachdem er
auf diese AVeise sich in seiner Stellung befestigt hatte, wandte er
sich an Pippiu. Die Wahl seines Gesandten zeigt, wie viel ihm
dju-an lag. dass keine Störung im Verhältnis zu den Franken ein-
trete; sein Bote war jener Sergius, der eben als Führer der Er-
hei)ung gegen Konstantin sich hervorgethan hatte. Er überbrachte
ein päpstliches Schreiben, in welchem Pippin aufgefordert wurde,
etliche gelehile, der heiligen Schrift und der kanonischen Einrich-
tungen kundige Bischöfe nach Rom zu senden. In ihrer Anwesen-
heit sollte eine Synode statttinden. um die durch Konstantins Usur-
l)ation verwirrten Verhältnisse wieder zu regeln.^) Stephan konnte
die Rechte des Patricius nicht unumwundener anerkennen, als es
in dieser Aufforderung geschah; er konnte nicht vollständiger sich
darein fügen, dass Pippin der Leiter der fränkischen Kirche war.
Während man in dieser Weise in Rom alle Berechnungen
auf den unveränderten Fortbestand der Verltindung mit den Franken
l>aute, schien deren Sicherheit vom fränkischen Hof aus erscliüt-
tert zu werden.
Die Gesandten trafen Pippin nicht mein- am Leben; die
Regierung war an seine beiden Söhne, Karl und Ivarlmajm. über-
gegangen. Man konnte erwarten, dass sie in jeder Hinsicht an der
Politik Pii)i)ins festhalten würden. Denn so wenig wir über die
.lugend der beiden Könige wissen,-) so ergiebt sich doch aus den
dürftigen Notizen die eine Thatsache, dass Pi]i]iin seine Söhne un-
gemein trühzeitig zur Teilnahme an seinen Herrscherakten iierbei-
1) Der Brief verloron: Inhaltsangabe V. Stejih. III. 16 S. 473.
2) Bekanntlich steht weder das Jahr noch der Ort der Geburt Karls
d. Gr. fest. Der Geburtstag war der 2. April, s. die Notix aus einem
Lor.scher Kalender des 9. .lahrh.'s bei Piper, Karls d. Gr. Kalondar. S. 7-5.
Die einzige Geschichte, die aus seiner .Tugend erzählt wird (Tranal. Ger-
mani, M.G. Scr. XV S. 6), ist von mehr als fraglicher Glaubwürdigkeit.
Man vgl. über die Jugend Karls: Abel, JB. des fränk. Reichs unter Karl
d. Gr., 2. Aufl., von Simson, 1888, S. 9 ff. Für das Jahr 742 als Geburts-
jahr und gegen 747 .scheint mir die Thatsache aus8chla;;gebend, dass Karl
im Januar 7.">4 zur Begrüssung Stephans 11. von Pippin vorausgesandt wurde
(V. Steph. II. 2ö: Fred. cont. 36 S. 183); wäre Karl 747 geboren, so wäre
er damals noch nicht sieben .Jahre alt gewesen, für eine solche Sendung
aUo zweifellos zu jung.
— 70 —
zog. Sie ^^^ren deni' Knabenalter kaum entwachsen, da nahm er
sie schon in das Feldlager mit; ^) Urkunden, die er ausstellte, Hess
er von ihnen unterzeichnen;-) als Stephan 11. nach Frankreich kam,
sandte er den Jüngling Karl ihm entgegen, um ihn auf fränkischem
Boden willkommen zu heissen ; ■') selbst die päpstliche Salbung
wollte er nicht allein empfangen: -wie ihm selbst so erteilte der
Papst auch seinen Söhnen die königliche AVeihe.*) Wer möchte
die Absicht, welche in dem allen liegt, verkennen? Pippin wollte,
dass seine Ziele ihre Ziele würden; sie sollten sehie Lebensarbeit
fortsetzen. Von Karl d. Gr. ist das geschehen: kein Gedanke lag
ihm so fern als der, dass der Nachfolger sich nur dann als sell)st-
ständiger Herrscher beweist, wenn er mit der Politik seines Vor-
gängers bricht. Im Gegenteil, ihm galt die Kontinuität der Regie-
rungsgrundsätze etwas. Schon die Weise, wie er die Männer be-
handelte, welche seinem Vater nahe standen,'^) bewies, dass er
nichts anderes wollte, als was sein Vater gewollt hatte. Eine j)äpst-
liche Gesandtschaft konnte also des freundhchsten Empfangs sicher
sein. Deragemäss erkannten die Söhne Pippins Sergius gegenüber
ausdrückhch das Versprechen ihres Vaters von 754 an;**) auch der
von Stephan ausgesprochene Wunsch nach Abordnung einer Ge-
sandtschaft fand bereitwiUige Erfüllung. Indem der einzige frän-
kische Erzbischof an der Spitze von zwölf Bischöfen des Reichs in
Rom erschien,'') ward dem Papste der Beweis geliefert, dass die
1) Im Jahre 762 begleiten Kar] und Karlmann den König in den aqui-
tanischen Krieg (Ann. S. Amand., Pet. z. d. J.); wenn auch das Geburts-
jahr Karlmanns nicht feststeht, so war er doch sicher bedeutend jünger
als Karl, im Jahre 762 also kaum über das Knabenalter hinaus; dass von
Karl zum ersten Mal im Jahre 761 die Teilnahme an einem Feldzuge er-
wähnt ist. mag zufällig sein (Ann. S. Amand., Pet., Lauriss., Einh. z. d. J.).
2) Urkunde für St. Calais vom 10. Juni 760 (B.M. 89, zur Datierung
s. Havet, Quest. Merov. S. 168 f.): Der König versichert, dass er das Kloster
sub sermone tuitionis nostrae vel emunitatibus ipsius monasterii vel munde-
burdo illustris viri Caroli filii nostri qui causas ipsius abbatis vel monasterii
habet receptas, aufnehmen wolle. Urkunde für Prüm vom 1.3. August 762
(B.M. 93j.
3) Fredeg. contin. 36 S. 18.3; Chron. Moiss. M.G. Scr. I S. 292.
4) Notit. de unct. Pipp. M.G. Scr. XV S. 1. Wenn Stephan II. seine
Briefe an Pippin und seine Söhne richtete, so wird er bemerkt haben, dass
Pippin Wert darauf legte, dass die politischen Dinge seinen Söhnen nicht
fremd blieben.
5) Z. B. den Abt Sturm, s. V. Sturm. 21 S. 375.
6) Cod. Carol. 45 S. 562, hier ist Sergius ausdrücklich genannt.
7) V. Steph. III. 17 S. 473. Aus dem deutschen Gebiet waren unter
den Bischöfen Lul von Mainz und Erembert von Worms; Berenwelf von
— 70 —
Söhne Pippiiis entsclilossen waren, die enge Verbindung mit Eom
aufrecht zu erlialtcn. welche ihr Vater gegründet hatte. ^) Gewiss
hessen sie es auch an der ausdrücklichen Versicherung nicht fehlen,
dass sie ihre Macht für die Rechte des heiligen Petnis einsetzen
würden. '-)
(ik'icliwohl war die Stellung des fränkischen Hofs zu den ita-
lienischen Angelegenheiten nicht volhg die gleiche wie zehn Jahre
vorher. Schon Pijipin hatte in seiner letzten Zeit jeden neuen
Konflikt mit den Langobarden vermieden.^) Seine Erben gingen
noch einen Schritt weiter: sie suchten zu einer vollen Verständigung
mit ihnen zu kommen. Eine P\amilienverbindung der beiden Königs-
liäu>er sollte die Eintracht der beiden Völker sichern. Diesen (le-
daiiken vertrat die Königin Bertrada;^) dass er })ei den fränkischen
(Jros.sen Beifall fand, ist mehr als wahrscheinlich, hatten sie doch
nur widerwillig dem Angriff auf die Langol)arden zugestimmt. Kein
Wunder, dass die jungen Könige auf ihn eingingen. Sie schienen
sich dadurch nicht von der Richtlinie der Politik ihres Vaters zu
entfernen: hatte er den Frieden aufrecht erhalten, so suchten sie
ihm die Gewähr der Dauer zu verleihen. Einen Schlag gegen
Rom meinten sie dadurch gewiss nicht zu führen.'') Aber sie
täuschten sich über den Eindruck, den ihr Verhalten in Rom
macht«' ; denn hier sah man in der Wiederherstellung eines guten
Verhältnisses zwischen Franken und Langobarden eine ernste Ge-
fährdung der eigenen Lage.
Stephan IIT. war von Anfang an nicht ohne Argwohn gegen
die fränkische Politik. Sie ergriff ihm nicht entschieden genug
Würzburg, den eine Handschrift nennt, war sicher nicht Teilnehmer. Ist
der Name der Stadt richtig, so kann nur Megingoz gemeint sein; vgl. oben
S. 49 Anm. 2.
1) Auf die Verhandlungen der Synode (Mansi XII, 718 tf.) habe ich
hier nicht einzugehen, da sie das Verhältnis zum fränkischen Reiche nicht
berühren. Sie fand im April 7G9 statt.
2) Da89 es an solchen Versicherungen nicht fehlte, zeigt Cod. Carol.
44 S. 559.
3) Cod. Carol. 38 S. .5.50 ; Anf. 700.
4) Einh. v. Kar. 18: Heirat Karls mit der Tochter des Desideriu.s auf
Rat seiner Mutter. Annal. Mosell. (M.G. Scr. XVJ S. 496), Lauresh., Lauriss ,
Einh. z. J. 770: Reise Bertradas nach Italien des Friedens wegen. Es liegt
nahe, damit die Reise Sturms nach Baiern (V. Sturm. 22 S. 376) zu kom-
binieren. So Abel, .IB. S. 65 fl'.
5) In die Zeit, in welcher die Unterhandlungen mit Desiderius statt-
fanden, fällt der Cod. Carol. 44 S. 558 f. beantwortete Brief Karls und Karl-
mann.4 an Stephan. Er enthielt Versicherungen, welche den Papst sehr
befriedigten. Ferner die Sendung des Ittherius, 46 S. 564.
— 77 —
Partei.^) Als er nuh erfuhr, was im AYerke war, that er alles,
um die Verständigung zwischen Franken und Langobarden zu ver-
hindern. Er sandte ein langes Schreiben an die beiden Brüder.-)
In ihm erklärte er die beabsichtigte Heirat'^) für eine teuflische
Eingebung; unter Anrufung Gottes, des Richters der Lebendigen
und der Toten, kraft der Autorität des Apostels Petrus verbot er
sie; er sprach den Fluch aus über jeden, der seiner Weisung zu-
widerhandeln würde. Er fabelte, Pippin habe im Namen seiner
Söhne den Päpsten Gehorsam gelobt; ja sie selbst hätten dasselbe
Versprechen Paul I. gegenüber abgelegt. Und jetzt, ruft er aus,
ist das euer Versprechen! Die Verbindung mit den Langobarden
betrachtete er als Bruch des mit den Päpsten geschlossenen Bundes.
Ein seltsam leidenschaftlicher Brief, und seltsam das Verfahren,
durch welches- Stephan den Nachdruck seiner Worte noch zu
steigern suchte. Bevor er sein Schreiben absandte, legte er es auf
das Grab des Apostels nieder; dort brachte er sodann das Mess-
opfer dar: von der Konfession des Petrus hinweg, gleichsam ge-
nehmigt und bestätigt durch ihn, wurde es an die fränkischen
Brüder abgeschickt.
Nie hat ein Papst in einer politischen Angelegenheit seine
geisthche Autorität entschiedener in die Wagschale geworfen; nie
mit weniger Erfolg und nie mit weniger Recht. Mit weniger Er-
folg: denn Karl hess sich durch die päpsthchen Vorstellungen nicht
hindern, die Ehe mit der langobardischen Königstochter abzu-
schhessen.*) Und mit weniger Recht: denn nachdem der Papst
kaum in solch massloser Weise gegen die Langobarden gesprochen
hatte, knüpfte er selbst Beziehungen zu Desiderius an, die uner-
1) Ergiebt sich aus den letzten Sätzen von Cod. Carol. 44 S. 560: Si,
quod non credimus, ipsas iustitias exigere neglexeritis aut distuleritis, scia-
tis, vos de istis rationes fortiter ante tribunal Christi eidem principi apos-
tolorum esse facturos. Si quis autem vobis dixerit, quod iustitias b. Petri
recepimus, vos ullo modo ei non credatis.
2) Cod. Carol. 4ö S. 560 ff.; v. Ranke (WG. V, 2 S. 113j verlegt den
Brief nach der Vermählung Karls; aber Stephan mahnt nicht, die Ehe wieder
aufzulösen, sondern sie nicht einzugehen. Hefele (CG. III S. 606j möchte
das Schreiben am liebsten für unecht erklären, vragt es aber nicht geradezu
und nimmt nun an, dass Karl vielleicht heiratete, ehe das päpstliche
Schreiben in seine Hand kam, und seine Ehe wieder löste, vielleicht infolge
des päpstlichen Schreibens.
3) Offenbar wusste er nicht, wer von den beiden Brüdern die lango-
bardische Prinzessin heiraten sollte. Über seine Behauptung, sie seien beide
verheiratet gewesen, s. Abel, JB. S. 82 f.
4) Sommer 770, Ann. Lauresh., Mosell., Fukl. u. a. z. 770.
— 78 —
wartetste Wendung, die die päpstliche Politik nehmen konnte.
Otienhar glaubte Stephan, dass für sein vornehmstes Ziel, die Ab-
rundung der j)äpstlichen Herrschaft, von den fränkischen Brüdern
wenig oder nichts zu erwarten sei: er hatte vergel)lich darauf ge-
drungen, dass sie die Langobarden zur Befi'iedigung der i)äpstlichen
Ansprüche nötigten;^) er hatte in der Khefrage vergeblich seine
ganze Autorität eingesetzt. Welchen Wert hatte angesichts dessen
der fränkische Bund? Die Möghchkeit aber, ihn durch ein Ein-
verständnis mit den Langoliardcn zu ersetzen, wurde dem Pa])st
daduich geboten, dass die fränkisch-lang()l)Midische Verbindung, kaum
geschlossen, sich wieder löste. Noch im Jahre 770 sandte Karl
Uesiderata nach Pavia zurück.-) Die Trennung seiner Ehe er-
klärte das Bündnis, das sie stützen sollte, für aufgehoben. A\'ir
kennen die Gründe nicht, die den jungen Herrscher bewogen, den
eben betretenen Weg wieder zu verlassen; nur dies ist überliefeit,
dass er es that unter Widerspruch der Königin Bertrada,'^) und
dass es der ^leinung seiner Mutter am Hofe nicht an gewichtiger
Zustimmung fehlte. Neben anderen sprach Adalhard. der spätere
Abt von Corbie, fiii- das Recht der Königin:^) ilir persönlich
scheint auch Karl selbst eine Schuld nicht gegeben zu haben.'')
Um so gewisser ist, dass er durch politisclie Erwägungen l)estimmt
wurde: er wird erkannt liaben, dass die Sicherheit des Fiicdens in
Italien nur der langobardischen Macht zu Gute kam, während der
fränkische Eintiuss zuiückging. Denn man bemerkt, dass er sofort
Massregilii tnit. um die Verschiebung der Machtverhältnisse zu
hindeni: noch gegen Ende des Jahres 770 musste der Usurpator
Micliael, der nach dem Tode des P]rzl)is(hofs Sergius im Herbst
7G!t durch Desiderius' Eintiuss das Erz])istnm Ravenna erhalten
hatte, aus demselben weichen. An seine Stelh; trat der Archidiakoii
Ijco, ein ausgesjjrochen fränkisch gesinnter Mann.")
Am päpstlichen Hofe gab es eine l.iiigobardische Partei. An
ihrer S))itze stand Paul Afiarta, ein Kaiiimerherr, der sich in
1) Cod. Carol. 44 S. 060; 45 S. 563. Die durch Bertrada vermittelten
Abtretungen, .\nn. Lauresh. z. 770 S. 30, genügten offenbar nicht.
2i Kinh. V. Kar. 18: Incertum qua de causa post annum eam re-
pudiavit. Die Zeitangabe iat irrig, s. Havet, C^uestions Mörov. fc'. 145 ff".
3) Kinh. a. a. 0.: Colebat eam (Bertrada) cum summa reverentia ita
ut nulla unquum invicem sit exorta discordia praeter in divortio filiae Desi-
derii regis, quam illa suadente acceperat.
4) V. Adalh. 7 M.G. Scr. II S. .525. Radbert bringt mit seiner Oppo-
sition seinen ?".intritt ins Kloster in Zusammenhang.
5) Da« ergiebt sich aus der Anm. 2 angeführten Äusserung Einhards.
6) V. Steph. 111. 25 S. 477; vgl. Cod. Caiol. 85 S. 621.
— 79 —
Stephans Gimst behaiff^tet hatte, obwohl er aus seinen Gesinnungen
kein Hehl machte.^) Auch der Bruder des Papstes, der Dux Jo-
hannes, hielt sich zu den Langobarden.-) Unter der Vennittelung
dieser Männer kam im Winter 770 — 771 eine Verständigung zwi-
schen Stephan und Desiderius zu Wege.^) Der letztere begab
sich in der Fastenzeit 771 nach Rom, um den Bund zum Abschluss
zu bringen.*) Aber das ganze Unternehmen stiess auf den leb-
haftesten Widerstand der fränkischen Partei. Christophoinis, längst
argwöhnisch gegen den Papst, ■^) setzte sich der Änderung der päpst-
hchen Pohtik entgegen, die alles m Frage zu stellen drohte, was
seit dem Jahr 753 erreicht war. Bei ihm war der pohtische
Gegensatz gegen che Langobarden zum persönlichen Hass geworden.
L^nd reichlich vergalten sie ihm denselben. Er wusste, dass er
nicht nm* lun seinen Einfluss, sondern um sein Leben kämpfte.
Deshalb giiff er zu den äussersten Mitteln. Aus der Umgegend
von Rom zog er bewafl&iete Banden in die Stadt, um sie gegen
einen Angriff zu halten. Dm-ch die eiTegte Bevölkenmg sollte
Stephan genötigt werden, von dem Plan einer Yerbindimg mit den
alten Feinden Roms abzustehen. Aber Christophorus unterlag; er
büsste seine Opposition mit dem Leben ; das gleiche Schicksal hatte
sein Sohn Sergius. Indem Stephan die Männer, denen er seine
Erhöhung verdankte, der Feindsehgkeit der Langobarden opferte,
heferte er den Beweis, dass der Plan, den sie bekämpften, schon
ziu" That geworden war, Desiderius bestätigte das dadurch, dass
er die Abtretung zahh-eicher Städte, auf welche der Papst An-
spruch erhob, gelobte.*^) Indem er das von Pippin geleistete Ver-
sprechen einlöste, zahlte er den Preis für die Beseitigung des frän-
1) V. Steph. m. 28 S. 478; in den Briefen des C. C. ist er nicht
erwähnt.
2) V. Hadr. 10 f. S. 489 werden neben Paul Afiarta als am Tode des
Sergius beteiligt genannt CTregor, defensor regionarius, Johannes, dux, ger-
manus domni Stepbani papae, und Calvulus, cubicularius.
3) Vgl. V. Steph. III. 28 ff. S. 478; V. Hadriani 5 S. 587; Cod.
Carol. 48 S. 566 und die verlorenen von Aventin benützten bairischen An-
nalen (s. Riezler, SB. der Münchener Akademie 1881 I S. 247 ff.}.
4) Riezler S. 253: In quadragesima. Als Jahr muss man 771 an-
nehmen, nicht wie Reumont, G. d. St. Rom II S. 122 u. a. 769, und wie
ich in der 1. Aufl. dieses Werkes 770. Die erstere Annahme beruht auf
dem Ansatz Sigiberts, Cbron. Scr. VI S. 333, der aber kein Gewicht hat; die
letztere ist ausgeschlossen, da die Fastenzeit für die Anwesenheit des Desi-
derius in Rom feststeht.
5) Riezler a. a. 0.: Suspectum quod cum hoste sentiret.
6) Cod. Carol. 48 S. 567 aus d. J. 771.
— so —
kischen Parteigängers, welcher bisher die Kurie beheri-scht hatte,
und für den Vei-zicht auf das Bündnis, das gegen die Langobarden
gericlitct war.
Was in Rom geschehen war, konnte am fi-änkischen Hofe
nicht hinge unbekannt bleiben. Stephan beeilte sich denn auch,
einen Bericht über die Ereignisse an Kiui zu senden.^) Aber in
wie seltsamem Lichte ei"scheinen sie in demselben! Die gemordeten
Führer der fi-änkischen Partei werden als Empörer gegen den Papst
geschildert, die im Verein mit dem fränkischen Gesandten Dodo
ihn zu eiTuorden suchten. Dagegen ist Desiderius sein Retter. Das
Urteil Stephans über ihn ist völlig umgesclüagen. Während er
eben kaum einen Ausdruck gefunden hatte, der der Tiefe seines
Absehens vor den Langobarden genügte,') ist Desiderius nun sein
ausgezeichneter, erhabener, von Gott geschützter Sohn.") Hatte er
bisher alles von der Intervention der Franken erwartet, so wünschte
er jetzt jeden Aiilass zu beseitigen, der ihr Eingreifen hätte her-
beiführen können; er erklärte, alle Gerechtsame des heiligen Petrus
habe er vollständig von Desiderius empfangen.'') Und nicht genug
daran: er suchte ihre Einmischung in die italienischen Angelegen-
heiten dadurch unmöglich zu machen, dass er neue Zwietracht
zwischen den kaum vei^söhnten Brüdern erregte.'')
Der Papst schien in dem Schwanken der Verhältnisse das
beste Spiel gespielt zu haben: er konnte hoft'en, zugleich seine Un-
abhängigkeit von den Franken und die Erweiterung seines Besitzes
in Itahen zu eneichen. Und doch lag ein Fehler in seiner Rech-
nung. Er beachtete nicht, dass er in dem iNIoment machtlos wai-,
indem er sich von den Franken trennte. Er sollte es nur zu l)ald
erfahren.
Desiderius fühlte sich durch seine Zusagen nicht gel)unden.
Als Stephan an die Herausgabe der ihm versprochenen (Ort-
schaften erinnerte, verweigerte er sie: nicht ohne einen gewissen
Hohn lehnte er das Ansinnen des Papstes ab. Im Kreise seiner
Vertrauten führte dieser bittere Klage ül)er die Untreue des Lango-
bardenkönigs: alles habe er ihm gelogen, was er auf die Reliquien
1) Cod. Carol. 48 S. .566 ti., an Bertrada und Karl gerichtet.
2) L. c. 45 S. 560 ff. : FoetentiHsima Langobardorum gens, quae in
numero gentinm nequaquatn conputatur, de cuius natione et leprosorum
genuB oriri certnm est.
3) L. c. 48 .S. 567.
4) L. c. Da, die Behauptung unwahr ist (Vit. Hadr. 5 S. 487), so Ist
der Zweck, zu dem sie ausgesprochen wurde, einleuchtend.
5) Anders läast sich die Denunziation Dodos, indirekt Karlmanns, nicht
verstehen iCod. Carol. 48 S. 566).
— 81 —
des heiligen t^etrus geschworen habe.^) Aber er hatte nichts gegen
ihn als Worte. Denn wie hätte er wagen sollen, die fränkische
Hilfe anzmiifen?"-) So trug ihm das Einvernehmen mit den Lango-
barden die Früchte nicht, die er davon erwartete.
Der Eindnick, den die römischen Vorgänge am fränkischen
Hofe machten, war der übelste. Karlmann soll an Ki'ieg gedacht
haben. ■^) Er starb aber, ehe es zur Ausführung dieses Gedankens
kam, am 4. Dezember 7 Tl."*) Was Karl that, ist nicht überliefert.
Da das Verhältnis zu seinem Bnider in dessen letzter Zeit getrübt
war,^) so ist es möglich, dass er aus diesem Grunde die Dinge in
Itahen sich selbst überHess. Sicher ist, dass die langobardische
Partei in Rom am Ruder bheb. Obgleich Desiderius Stephans
Erwartungen getäuscht hatte, war Paul Afiarta der einflussreichste
Mann an der Kurte. Er war entschlossen seine Stellimg zu be-
haupten: eme Anzahl seiner Gegner hielt er in enger Haft; als
man Stephans Tod erwartete, verwies er andere aus der Stadt. ^)
Er wollte die Wahl seines Nachfolgers beherrschen.
Stephan starb am 3. Februar 772.') Aber nun erwies sich,
dass die fr'änkische Partei in Rom nicht so unbedeutend war, wie
es zuletzt den Anschein gehabt hatte. Denn trotz der Massregeln
Paul Afiartas hatte sie Erfolg. Mit der Wahl Hadrians erlangte
sie das Übergewicht von neuem.
Hadnau I.^) war ein Römer aus vornehmer FamiHe. Nach
dem frühen Tode seiner beiden Eltern wurde er unter der Obhut
seines Oheims Theodotus erzogen, eines Mannes, der in welthchen
und kirchhchen Geschäften eine hei-vorragende Stellung einnahm.
Unter Paul I. trat er in den Klerus ein, Stephan IH. erteilte ihm
die Weihe zum Diakon. Sein Biograph rühmt seine geisthche
Gesinnung und sein exemplarisches Verhalten, auch seine allge-
IJ Y. Hadr. 5. S. 487.
2) Der Brief über den Tod des Cbristophorus und Sergius ist das
letzte Schreiben des Papstes, das der Cod. Carol. enthält.
3) V. Hadr. 5 S. 487.
4) Ann. s. Amandi z. 771 M.G. Scr. I S. 12; vgl. Abel, JB. S. 96;
Mühlbacher, ü. G. S. 93.
5) Einh. V. Karol. 3; vgl. Cathuulfi ep. (Ep. III S. 502 Nr. 7): Ut
de fratris tui insidiis . . Dens te conservavit . . . Quod Dens transtulit
iUum (Karlmann) . . et exaltavit te super omne hoc regnum sine sanguinis
effusione. Die Sache ist nicht durchsichtig; die Grossen Karlmanns standen
auf Karls Seite, Ann. Laur. z. 770 S. 82.
6) V. Hadr. 4 S. 486 f.
7) S. Duchesne, Lib. pont. I S. CCLVIIIf.
8) Über Hadrian vgl. die S. 18 Anm. 8 u. S. 71 Anm.2 angeführte Werke.
Hauck, KirehengescMchte. U. 2. Aufl. 6
— 82 -
meine Beliebtheit. Aus ihr eiklärt er seine WahU) Doch das
sind Woi-te: (he ersten Handhnigen Hadrians beweisen, dass er
der Erwähhe der fränkischen Partei war.-) Noch vor seiner Kon-
sekration rief er die von Paul Afiarta Verbannten zurück; auch
die Gefanirenen ^^-^u'den entlassen. Die Auffordonuig des Deside-
rius. in ein älmhciies Verhältnis zu ihm zu treten wie Stei)haii IIl.,
beantwortete er mit dem Verlangen, dass jener die vei-sprocheneu
Abtretungen ausliiln-e. Alsbald folgte der Sturz der langobardischen
Faktion: Paul Afiarta wurde in Ravenna, andere in Rom getötet;
dagegen wurden die Leichname des Christophorus und Sergius aus-
gegraben und ehrenvoll in St. Peter beigesetzt.'^)
Nun erhob sich Desiderius; er besetzte einen Teil des Exar-
chats von Ravenna, und lehnte jedes weitere Zugeständnis an Rom
ab.^) Er meinte den Papst zum Rücktritt auf die langobardische
Seite nötigen zu können. Indem er sich zum Vertreter der Rechte,
welche die Kinder Karlmaims auf die Hen-schaft ihres Vaters
hatten, aufwarf, forderte er von Hadrian, dass er ihnen die Salbung
erteile."'^) Gehorchte der Papst, so war seine Freundschaft mit Karl
für immer gestört; denn niemals hätte dieser, der inzwischen die
Einheit der Regierung im fränkischen Reiche hergestellt hatte.")
eine solche Massregel verziehen. Die Lage Hadrians war schwierig.
Er war ein schöner ') und liebenswürdiger Mann ; aber, wie solche
Männer zu sein pflegen, geistig nicht eben hervoiragend ; besondei-s
fehlte ihm jede Initiative: einen kühnen Entschluss fassen, wjir
nicht seine Sache; erbebte es, in der einmal eingeschlagenen Rich-
tung weiter zu gehen. Das kam ihm in diesem Momente zu gut;
jeder Gedanke, die Parteistellung, der er seine Erhei)ung verdankte,
zu verändeni, lag ausserhalb seines Gesichtskreises; so hielt er un-
veniickt an dem fränkischen Bündnis fest, hart wie ein Diamant,
sagt sein Biograph.'')
Durch diese Lage der Dinge war Jvarl genötigt einzugi-eifeu.
1) V. Hadr. 1 ff. S. 486.
2) Die Phra.sen im Wahldekret, auf welche v. Ranke (WG. V, 2 S. 117)
und Abel (JB. S. 134) Wert legen, halte ich für wertlos. Die Biographie
Hadrians spricht nicht von einhelliger Wahl.
3) V. Hadr. 4 ff. S. 486 ff.; vgl. (iregorovius, Gesch. der Stadt Rom II
S. 383 ff.
4) L. c. 6 f. S. 488; 18 S. 491.
5) L. c. 9 S. 488; 23 S. 493.
6) Einh. vita Carol. 3; Ann. Lauriss., P^inh. z. 771 S. 32 f.
7) V. Hadr. 1 : Elegans et nimis decorabilis persona. Vgl. Theod.
carm. 26 v. 7 S. 489: Forma decens.
8) V. Haflr. 9 S. 488.
— 83 —
Auch wenn er gewolFt hätte, konnte er sich dem Kampfe nicht
entziehen. Aber er fasste den Entschhiss nicht ohne eingehende
Beratung mit den fränkischen Grossen, und diesmal erklärten sie
sich ohne Widersprach für den Kiieg.') Der Erfolg des umsichtig
vorbereiteten und nachdrücklich geführten Feldzugs war die Ver-
einigung des langobardischen Reichs mit dem fi-änkischen -) und
die Erneuerung der Schenkung Pippins. Die letztere wurde in
Rom vorgenommen. Von dem belagerten Pavia hinweg begab sich
Karl im Frtihjahi^ 774 nach der Stadt des Papstes, um das Oster-
fest dort zu begehen. Hadrian Hess den fränkischen König em-
pfangen, wie man in früheren Zeiten den Exarchen einzuholen
pflegte. Eine Tagereise- weit sandte er ihm die städtischen Be-
amten mit dem Banner Roms entgegen. Als Karl am folgenden
Tag, dem Samstag vor Ostern, sich der Stadt nahte, fand er eine Milbe
vor den Thoren die gesamte Mihz miter ihren Führern versammelt:
mit lautem Zm'uf begriissten sie den Schirmvogt der römischen
Republik. Dann kam die Schuljugend, Hymnen singend, mit Palmen
und Ölzweigen in den Händen: das war gleichsam der Gruss des
zukünftigen Geschlechtes. Alles Volk aber jubelte dem Einziehen-
den zu : man trug Kreuze und Kirchenfahnen vor ihm her. Hadrian,
umgeben von dem gesamten Klerus der Stadt, stand am Portal
der Peterskirche. Dort erwartete er den König. Aber nicht als
Herrscher, sondern als Pilger wollte Karl das Heihgtum betreten,
das sich über dem Grabe des Apostels erhob: er war vom Pferde
gestiegen und folgte zu Fuss den vorgetragenen Ki'euzen; jede
Stufe von St. Peter küsste er, ehe er sie beschiitt. Dann umarmte
er den Papst, Hand in Hand traten beide in die Kirche, empfangen
von dem Gesang: Benedictus qui venit in nomine Domini. Vor
der Konfession des Apostels warfen sich die Franken zu Boden,
um Gott flir den errungenen Sieg zu danken.'^)
So schildert der Biogi-aph Hadrians die festhche Pracht, mit
welcher der erste Einzug eines fränkischen Königs in Rom um-
geben wurde. Er schweigt von den Gedanken, welche Hadrian
bewegten, als er an der Treppe von St. Peter dem Zuge des frem-
den Herrschers entgegenbhckte. Aber es ist kein Zweifel, dass die
beiden Männer, die sich als erklärte Freunde begrüssten, von tiefem
Misstrauen gegen einander erfüllt waren. Karl benachrichtigte den
Papst nicht von seiner Absicht, nach Rom zu kommen. Erwartete
er Schwierigkeiten von Seiten Hadrians ? Als dieser die unerwar-
1) Ann. Lauriss., Einh. z. J. 773 S. 34 f.
2) Vgl. Abel, JB. 139 ff.; v. Ranke, WG. V, 2 S. 119 ff.
3) V. Hadr. 35 ff. S. 496 ff.
6^
— 84 —
tete Kunde erhielt, Karl ziehe in raschen Märschen nach Rom,
empfand er alles eher als Fi'eude; sein Erstaunen war das des
Schreckens.*) Fürchtete er, Karl werde in seiner Stadt als Herr
auftreten? Der Frankenherrscher durchzog das römische Gebiet,
ohne die Znstinnnung des Papstes eingeholt zu haben; erst als er
ihm Auge in Auge gegenüberstand, bat er um (Mo Erlaubnis, die
Stadt betreten, sein Gebet bei den versciiiedenen Heiligtümern ver-
richten zu dürfen. Jetzt konnte diese Bitte nicht mehr versagt
werden. Und doch gewährte sie Hadriau nicht, ehe der König mit
seiner gesamten Begleitung ihm Sicherheit geschworen hatte. Aber
auch Karl forderte, dass der Papst ihm eidlich seine Treue ver-
plände. Nach solchen Vorbereitungen fand atn MittAvoch nach
Osteni, dem 6. April 774, in der Peterskirche die feierliche Er-
neuerung des Pippinschen Vorsjirechens statt. Hadrian Hess die
Urkunde von 754 verlesen, Karl stellte eine neue gleichlautende
aus, welche er mit eigener Hand auf das Grab des Apostels nieder-
legte.-) Auch dabei rausste er den Argwohn des Papstes beruhigen:
er versicherte ihm, nicht um Gold und Silber, Bücher oder Lehens-
leute zu gewinnen, sei er über die Alpen gezogen, sondern allein
um die Rechte des heiligen Petrus zu vertreten, die Kirche Gottes
zu erhöhen und die päpsthche Sicherheit zu verstärken.'') Wie er
sich dem Papste verpflichtete, so dieser dem Krjuigc: man kann
nicht l)ezweifeln, dass er ausdrücklich und ohne Vorbehalt auf jede
selbstständige Politik verzichtete.^) Das Bündnis, das in Kierzi
1) L. c. 35: In magno stupore et extasi fleductus. Ahoi (JB. S. 154)
übersetzt: in hohem Grade überrascht. Das ist doch zu schwach.
2) Cod. Carol. 55 S. 578; V. Hadr. 41 ff. S. 498. Zur Sache vgl.
oben S. 24 Anm. 1, und die Litteraturangaben S. 18 Anm. 3.
3) Cod. Carol. 56 S. 581 : Rccordari te credimus, . . qualiter nobis . .
affati cstis, dum ad limina . . Petri et Pauli properati estis. Hierauf die
im Texte mitgeteilte Stelle.
4) L. c. 51 S. 571 : Ferebatur in ipsis rogalis vestrae potontiao apicibus,
quod . . missi vestri . . vobis retulissent, quod ea quae eis a vobis essend
iniuncta, benignae atque amabiliter a nobis esse suscepta. Sed cognoscit
omnipotens Deus, . . qnia omnom missum, a vestris rogales obtutil)U8 directum,
cum nimio amore et decenti honore suscipero studomus; et oninem vestram
voluntatem sincera mentis integritato inplere satagimus . . . Absit namquo
a nobis, . . ut ea, quae inter nos mutuo coram sacratissimi corpus fautoris
tui . . Petri confirmavimus atque stabilivimus, per quovis modum irrituni
facere adtemptemus. Vgl. .^2 S. 574; 54 S. 577; 55 S. 579; 56 S. 580. Alcu.
Epist. 93 S. 137 (Karl an Leo III.): Sicut cum . . praedecessoro vestro sanctae
patemitatis pactum inii, ist in dieser Gestalt wahrscheinlich verderbt; JaJBPe
verändert paternitatis in compaternitatis; von Lamprecht S. 17 gebilligt;
mir scheint die Konjektur von Marlons, Rom. Fr. S. 111, es .sei zu lesen
— 85 —
abgeschlossen, das tl\irch das Verhalten Stephans ins Schwanken
gekommen war, ^vTirde erneuert: Rom blieb dem fränkischen Eeich
angefügt; der Papst hatte ein Anrecht auf den fränkischen Schutz;
er bheb in vieler Hinsicht souverän,^) aber er entbehite des wich-
tigsten Souveränetätsrechts : seine politische Stellung nach eigenem
Ennessen wählen zu können.
Die Absicht Karls war offenbar, das Verhältnis zu Rom imd
dem Papste so zu belassen, wie Pippin es geordnet hatte. Aber
war das möglich? Der Patriciat war aufgerichtet worden, als die
Stadt und ihr Bischof den fränkischen Schutz gegen die Lango-
barden bedurften. Xun war der fränkische König zugleich König
der Langobarden, die Notwendigkeit einer Schutzmacht hatte damit
aufgehört. Wenn man gleichwohl an dem Patiiciate festhielt,
musste der Titel dann nicht, gewissermassen naturnotwendig, einen
neuen Inhalt erhalten? Titel sind wertlos in den Händen Lässiger;
von thatkräftigen, aggressiven Männern geführt, werden sie zu An-
sprüchen.
Die Pi-age wurde alsbald brennend. Die wichtigste der Städte,
die Pippin dem Papst überlassen hatte, war Ravenna. Aber sie
war ein unsicherer Besitz; Erzbischof Leo, von Hause aus ein
Parteigänger der Franken,-) fühlte sich kaum minder als Herr in
seiner Stadt wie der Papst als Herr in Rom: er übte ähnhche
Gewalt in ihr, wie dieser: die Beamten zu ernennen, nahm er als
sein Recht in Anspruch. Den zunächst hegenden Teil des Exai'chats
betrachtete er als seiner Verwaltung unterstellt; als i. J. 774 ein
päpstlicher Abgeordneter die dortigen Beamten füi- Hadiiau in
vestrae sanctae paternitatis viel wahrscheinlicher. Denn das folgende be-
weist, dass es sich nicht um das Taufpatenverhältnis, sondern um den Bund
handelt. Die Phrase vestra sancta paternitas ist ganz unanstössig: ich ver-
stehe nicht wie Lamprecht daran Anstoss nehmen kann, nachdem Karl den
Papst fortwährend mit vestra sanctitas, vestra sanctissima benevolentia, sanc-
tissimus pater anredet.
1) Vgl. Sickel Z. f. GW. 1894 S. 326 f.
2) Vgl. oben S. 78. Eine fragmentarische Biographie Leos findet sich
bei Ägnellus, Lib. pontif. eccl. Raven. 160 (Scr. rer. Lang. S 381). Hier
ist Leo durchaus fränkischer Parteigänger: Hie primus Francis Italiae iter
hostendit per Martinum diaconum suum, . . et ab eo Karolus rex invitatus
Ytaliam venit. Dass die Nachricht über die Parteistellung des Erzbischofs
Grund hat, ergiebt sich aus dem, was wir sonst über ihn wissen. Paul
Afiarta hatte an ihm einen heftigeren Feind als an dem Papst; er hat ihn
wider den Willen des letzteren hinrichten lassen (Vit. Hadr. 14 S. 490).
Trieb er hier die Geschäfte der fränkischen Partei, so hielt ihn anderer-
seits Karl trotz der Anklagen Hadrians.
— 86 —
Pllidit uohnu'n wollte, sah or sich duich Leo gehindert;') von den
Städten Iniola und Bologna behauptete dieser geradezu, Karl habe
sie mit nichten dem h. Peter und dem Papst, sondern vielmehr
iiim geschenkt. Hadrian erblickte in dem Auftreten des Erzbisehofs
Empörung: nicht mit Unrecht urteilte er, dass, wenn ihm nicht
f'ewehrt werde, die Lage Homs sclüimmer sei als vor der Zer-
stöning des langobardischen Reichs:'-) er ai)pellierte an Karl. Aber
wenn er bat, Karl möge eine Verfügung über die Stellung des
p]r/.bischol's tretfeu,'*) so lag in der Form wie in der Sache die An-
erkennung der Oberhoheit Karls. Dieser zögerte nicht, eine Ent-
scheidung zu erlassen. Sie lautete nicht zu Gunsten des Papstes.
Der Gesandte, der seine Einsprache zu vertreten gehabt hatte,
wurde wegen unziemhchen Auftretens in Haft genommen.') Leo
aber, der seine Sache am Hofe persönlich betrieb,'') erhielt Recht;
Hadrian klagte, er sei nur stolzer und tyrannischer zurückgekehrt.
In der That nahm er jetzt so wenig als vorher päi)stliche Befehle
an, den Verkehr zwischen dem Exarchat und Rom wussto er zu
hindern; die beiden von ihm beanspruchten Städte hielt er in
strenger Abhängkeit.") Vergeblich suchte der Papst auf wenig
edle Weise den Argwohn Karls gegen Leo zu erregen:') es ge-
hört zu den grossen Eigenschaften Karls, dass er für Verläum-
dungen ganz und gar unzugänglich war: Leo blieb im Besitz, der
Papst musste sich gedulden."^)
1) Cod. Carol. 49 S. 568; 54 S. 576 f.; 55 S. 579 f. Asnell. Lib. pon-
tif. c. 159 S. 380, vgl. Kohr, Nachr. d. G.G. 1896 S. 1B9 ff.
2) Cod. Carol. 49 S. 568, aus d. J. 774.
3) L. c. S. 509: Feto te coram Deo omnipotente, ut ita disponere
inbea.<<, eundemque archiepiscopum sub nostra potestate contradere digneris,
ut a nobia cunctum exarchatuiii disponatur, sicut . . domnus Stephanus . .
disponere visua est.
4) L. c. 51 S. 572, aus d. J. 775; er kam indes bald wii>d(>i, . frei
53 S. 575, aus dcnisielbcn Jahr.
5) L. c. 53 S. .575.
6) L. c. 54 S. 577; 55 S. 579.
7) L. c. 54 S. 576 f.
8) Nach Leo.s Tod (Febr. 777) erscheinen Imola und IJologna als
päpHtlicher Besitz; s. Kehr S. 144. Aug dem ferneren Schweigen Hadrians
über die Sache folgert liindner S. 47, dass Karl iiini /.u gunsten entschied.
Dm scheint mir hier so wenig berechtigt, wie bei Uitlä di Castello (s. S. 87
Anm. 3). Die Verhältnisse scheinen mir vielmehr die Annahme nahezulegen,
da«s Karl zwischen den hadernden Uischöfen so vormittolte, dass er Leo in
Besitz lieas, aber da.s Recht Roms anerkannte und deshalb den Übergang
der Städte in römischen Besitz nach Leoa Tod sicherte. Ähnlich Schnürer
S. 96. Zu Ende waren die päpstlichen Beschwerden bezüglich Ravennas
— 87 —
Dass Karl den 'Erzbischof gewähren Hess, war ein Verstoss
gegen die Pippinsche Schenknng; es ist zugleich ein klarer Be-
weis dafür, dass er sich als oberster Herrscher über das päpstliche
Temtoriiim betrachtete. Demgemäss handelte er auch sonst. Im
Jahr 773 hatte Cittä di Castello^) am Oberlaufe des Tiber dem
Papst gehuldigt.'-) Nun bemächtigte sich der Herzog Raginald
von Chiusi der Stadt. Hadrian war empört: das, was Karl zum
Heil seiner Seele dem Apostelfiirsten dargebracht habe, trachte
der Herzog der Kirche wieder zu entreissen. Aber dieser hatte
mit Zustinmmug Karls gehandelt: die Stadt war ihm vom König
überlassen.^)
Wenn der Papst gelegenthch päpsthches und fränkisches Ge-
biet identifizierte,'*) so that Karl ches auch. Jedoch waren die
Konsequenzen, welche beide daraus zogen, sehr verschieden: Hadrian
folgerte, dass Karl die Pflicht habe, ihn in seinem Besitze zu ver-
theidigen; Karl folgerte, dass er das Recht habe, auch über das
päpstliche Territorium zu verfügen. Man bemerkt durchweg einen
Gegensatz in der Auffassung des Patriciats. Karl war mit dem
Verhalten Hadrians nicht immer zufrieden: er hielt die Mahnung
für angebracht. Hadrian möge seinen Patriciat achten.'^) Dieser
erwiderte, auch der Patriciat, den Pippin dem heihgen Petrus über-
mit Leos Tode nicht. Nur richteten sie sich jetzt gegen die Beamten Karls
(Leos IIL Brief 9 S. 101).
1) Castellum Felicitatis.
2) V. Hadr. 33 S. 496.
3) Cod. Carol. 58 S. 583, aus dem Frühjahr 776. Hadrian sagt zwar,
er glaube nicht, dass das Ganze auf einer Anordnung Karls beruhe; aber
er wusste, dass es der Fall war. Das zeigt die Wendung, die er gebraucht:
Non vobis hoc durum pareat, S. 584,ii. Bei dieser Sachlage ist es sehr
wenig wahrscheinlich, dass er Recht erhielt. Dai-aus, dass Hadrian keine
weiteren Klagen vorbrachte, lässt sich nicht das Gegenteil folgern. Er
schwieg auch über Spoleto, seitdem er einsah, dass er nichts erreichte.
Ein Recht auf Cittä di Castello hatte er nicht.
4) L. c. 64 S. 591 : Terracinensem civitatem . . in servitio . . vestro
atque nostro . . subiugavimus ; ibid.: . . ut eos (Gaeta und Neapel i in Om-
nibus subiugantes sub vestra atque nostra sint dicione; 90 S. 627 bezeichnet
Hadrian die Herzoge Konstantin und Paul als seine und des Königs Ge-
treuen. Vgl. auch 61 S. 588.
5) L. c. 85 S. 622, aus d. J. 788 oder 789, beweist, dass solche Er-
mahnungen erfolgten: Sicut in commonitorium illud (eine von Karl dem
Papst übersandte Denkschrift über die Rechte des Königs bei den Bischofs-
wahlen in Ravenna, s. S. 621) referebatur, pro honore vestri patriciati nullus
homo esse videtur in mundo, qui plus pro vestra regale excellentia decer-
tari molietur exaltatione, quam nostra apostolica assidue deprecatio. Eine
— 88 -
lassen habe, möge dann unangetastet bleiben.^) Er glaubte durch
den König in seiner Stellung geschädigt zu sein. Mau kann das
kaum schärfer ausdrücken, als er es that, indem er an Karl
schrieb, er möge ihn wenigstens behandeln wie den Herzog von
Bejievent.-) Karl betrachtete als zu den Rechten seines Patriciats
gehöng. dass er Appellationen aus dem pä]^=;tliohen Gelnet annehmen
könne. Man liegreit't. dass Hadrian das nicht dulden wollte. Logisch
war es ganz richtig, wenn er einwandte. Karl gestatte ja auch
seinen Unterthanen nicht, ohne königliche Erlaubnis Rom zu be-
suchen.'^) Der Fehler war nur, dass er dabei voraussetzte, Karl
erkenne ihn als gleichberechtigte Macht an. Das that jener nicht.
Tlun genügte es nicht, dass Hadrian in rein pohtischen Fragen sich
jeder selbstständigen Bewegung enthielt'*) und alles vollzog, was er
ähnliche, wieder durch eine Äusserung Karls hervorgerufene Versicherung
94 S. 635, aus den Jahren 790—791.
1) An der zuletzt angeführten Stelle; dass man aus dem Wortspiele
nichts über einen Patriciat des Papstes folgern darf, ist klar (s. Abel, JB.
S. 174j. Das Wort bedeutet hier einfach Herrschaft. Das ist von Wert
für die Deutung des Titels überhaupt.
2) Cod. Carol. 94 S. 635: Scripsimus, ut eos — Leute, die an Karl
appelliert hatten — nobis dirigi sicut Beneventano duci fecistis. Ep. 84
S. 620 beschwert sich Hadrian, dass Karl Grimoald besser behandele als den
heiligen Petrus.
3) L. c. 94, 635 f.: Sicut vestra regalis excellentia in suis referuit
apicibus: minime ei contrarium videretur, quicunque de epi-scopis aut
comitibuB seu ceteris hominibus partibus vestris aut nostra iussione com-
jilendi sivae propria voluntate ad nos venire voluerint; sed nee non nostrae
paternitati displicere rectum est, quali.scunque ex nostris aut pro saluta-
tionis causa aut querendi iustitiam ad vos properavorint. Nihil duriu.s
vobis exinde apparet. Sed sicut vestris hominibus sine vestiai absolutiono
ad limina apostolorum neque ad nos coniungunt, ita et nostri homines, qui
apud vos venire cupiunt, cum nostra absolutione et epistola veniant. Vgl.
auch ep. 75 S. 606. Dass Karl Beschwerdon, die aus dem päpstlichen Ge-
biet direkt an ihn gerichtet waren, annahm, zeigt die Urkunde für Co-
macchio (B.M. 226).
4) Charakteristisch ist besonders das Verhalten H. 's Tassilo gegenüber
(vgl. Ann. Kinh.; Tjauriss. z. J. 781 und 787). Auch das zweifellose Erbrecht
der Söhne Karlmanns anzuerkennen, versuchte Hadrian nicht. Bei rein
politischen Dingen liess er es nicht an Versicherungen seines Gehorsams
fehlen: Cod. Carol. 64 S. 591: Sine vestro consilio nullatenus ibidem — ■
gegen Terracina — dirrigere voluiraus; 79 8. 611; 80 S. 613: Aec — Unter-
nehmnnjr gfgfn Benevent — existimantos in vestro . . regali arbitrio emi-
simu.s pertractandum, ut, qualiter vobis placuerit, disponere coleriter dignetur,
nobis intimante per suos regales affatos suam nostramque securitatis salutem;
82 S. 616.
— 89 —
forderte.^) Pippiu wäre damit zufrieden gewesen; Karl ging weiter:
er griff direkt in die innerstaatlichen und innerkirchlichen Verhält-
nisse des römischen Gebietes, in die gesamte Staatsverwaltung ein.-)
Der Papst war nicht imstande, das zu verhindern. "Wohl oder übel
fügte er sich jedesmal. Es kam vor, dass von Rom aus Sklaven
an Muhammedaner verkauft wurden: Karl wollte diese Barbarei
so wenig dulden, als er in Deutschland den Verkauf christlicher
Sklaven in das heidnische Ausland gestattete, und schrieb darüber
an den Papst. Hadrian war über den Vorwm-f des Königs betreten,
er schob seiner Gewohnheit nach die Schuld auf andere und rühmte
sich selbst: aber er wagte nicht, das formelle Recht des Königs zu
seiner Einsprache zu bestreiten.'^) Ein anderes Mal veifügte Karl,
dass den Venetianem der Handel in Ravenna nicht mehr gestattet
werde. Hadrian erwiderte auf das königHche Reskript: „Nachdem
Eiu-e könighche Sieghaftigkeit den Befehl erlassen hat, dass die
venetianischen Händler aus dem Gebiet von Ravenna und der
Pentapolis vertrieben werden sollen, so haben wir in jene Gegenden
Schreiben gesandt, wodurch \dv Euren königlichen Willen erfüllen"'.^)
Konnte ein Vasall anders schreiben ? Nicht anders ging es in den
kirchlichen Angelegenheiten: wie Karl die kirchlichen Zustände des
fränkischen Reichs beaufsichtigte, so die des römischen Gebiets.
Hadrian niusste sich Vorstellungen gefallen lassen über die mangel-
hafte Sitthchkeit, die den Frauken an dem römischen Klerus auf-
fiel. Er erklärte, tief gekränkt, man habe den König durch Ver-
leumdungen hintergangen: an seinen Priestern, das vdsse Gott, hafte
kein Makel. '^j Aber es dauerte nicht lange, so erhob Karl einen
neuen Vorwm'f: seine Missi hätten ihm berichtet, dass in Ravenna,
Tuscien und anderen Orten die Simonie an der Tagesordnung sei:
ein grosser Teil des kirchlichen Vermögens werde dadurch ver-
schleudert: nicht nur Gold und Silber, sondern auch Grundbesitz.
Der Papst verteidigte sich, niemals habe er wissentlich einen Simo-
1) Vgl. die Salbung der Söhne Karls Ostern 781 (Ann. Lauriss.,
Einh. z. d. J.).
2) Dass Hadrian die unmittelbar landesherrlichen Rechte übte wie
Stephan III., ist selbstverständlich; daher auch die gleichen Wendungen:
Noster Romanorum reipublicae populus (Cod. Carol. 57 S. 583); provincia
nostra (56 S. 581); nostri Romani (59 S. 585); civitas nostra Centumcellen-
sium (ibid.); noster exercitus (61 S. 589j. Über seine Unternehmungen zum
Besten der Stadt und der Campagna s. Gregorovius, Geschichte der Stadt
Rom II S. 421 fi'.
3) Cod. Carol. 59 S. 584 f., aus d. J. 776.
4) L. c. 86 S. 622 f., zwischen den Jahren 787 und 791.
5) L. c. 59 S. 585.
— 90 —
nisten konsekriert; or bestritt, dass das überliaupt vorkommen könne;
sclion in den Ordinationsformnlaren sei dagegen Vorsorge getroften.^)
Al)er was bedenteto diese Entgegnung? Audi die Biscbofswablen
Hess Karl nicht ausser Betracht: er forderte als sein B,echt, dass
bei der Wahl des Erzbischofs von Ravennn ein fränkischer Gesandter
anwesend sei. Hadrian widersprach lebhatt: wir wissen nicht, mit
welchem Erfolge.-) Selbst Eingriti'e des Königs in die geistliche
Gerichtsbarkeit musste der Papst ertragen. Ein Mönch Johannes,
wie es scheint ein schwärmerischer Kopf, wandte sich klagend an
den König: dieser nahm seine Klagen an und gebot dem Papste
Abstellung, zugleich bedeutete er ihn, Johannes dürfe weder ver-
urfeilt, noch exkommuniziert oder gegeisselt werden, überhaupt solle
nichts gegen ihn unternonnnen werden. Der Papst erwiderte: .,In
dem allem haben wir uns Eurer königlichen Forderung gemäss ver-
halten, den Mönch, so weit es nötig war, ermahnt und ihn unge-
kränkt an seinen Ort entlassen." Er unterliess nicht, hervorzuheben,
dass er nur aus allzu grosser Liebe zu dem König dem Mönche
die verdiente Strafe geschenkt halie.") In einem anderen Fall
machte es ihm weniger Beschwerde, einem Befehl Karls zu folgen,
welcher ebenfalls gegen die kanonische Ordnung verstiess. Kai'l
sandte einen gewissen Petrus nach Korn, damit er dort die bischöf-
liche Weihe erhielte. Hadrian erteilte sie ihm und berichtete darül)er
an Karl: ..AVir haben hicbei. wie wir gewohnt sind, mit günstigem
Willen Eure Aufträge ertiillt." ■»)
Man kann nicht sagen, dass Karl in diesen Fällen von den
Rechten des Patriciats Gebrauch machte, wie er dessen Pflichten
erftillte. Denn bei Abschluss des Vertrags von Kierzy hat sicher
niemand an solche Rechte gedacht. Hadrian hattp so unrecht nicht,
1; L. c. ".»4 .s. 634 (a. 790— 791 1. Dass Simonie vorkiim. orgiobt sich
aus Ale. ep. 92 S, 1.36 (Karl an Angilbert): De simoniaca subvertenda hae-
resi diligentissime suadeas illi (Leo III.) . . et quidquid mente teneas nos
eaepius querelis agitasse inter no8.
2) Cod. Carol. 85 S. 621. Der Präzedenzfall, der in der Beseitigung
Michaels lag (s. o. S. 78), war dem Papste sehr unbequem.
3) L. c. 88 S. 624 f. Dass der König im Langobardonreich ebenso wie
in Franken als oberster Leiter der Kirche auftrat, ist bekannt (vgl. Capit.
89 ff. S. 188 fl'.; Abel. .IB. S. 443 ff.). Gelegentlich beauftragte er den Papst
mit einer Untersuchung; dieser ordnete dabei sein Urteil ganz der könig-
lichen Entschpidung unter: er spricht Abt Potho von S. Vincenzo frei und
bittet darnach um dessen Wiedereinsetzung (Cod. Carol. 66 f. S. 594 f.).
4) L. c. 70 S. 600. Man identifiziert, ohne völlig sichern Grund, diesen
Petnjs mit Bischof Petrus von Verdun. Sicher ist nur. dass der vom Papst
Ordinierte für das fränkische Reich bestimmt war.
— 91 —
wenn er sich über Neuerungen beklagte.^) Aber auf Karl machte
die Beschwerde keinen Eindruck; er schaltete einfach als Oberherr
von Rom; seine Eechte bemass er nach dem, was dem König im
fi-änkischen Reiche zustand. Der Papst aber konnte diese Wendung,
welche die Institution des Patriciats erhielt, nicht hindern, so wenig
sie ihn befriedigte.-) Seit der Zerstörung des Langobardenreichs ^)
war er dem Frankeukönig gegenüber völhg machtlos; er musste
sich noch mehr in dessen AVillen fügen, als es der Fall war, so
lange die Furcht vor den langobardischen Nachbarn der Kitt des
fränkischen Bundes war. AVas hatte es dem gegenüber für einen
Wert, dass Hadrian vor den Orientalen mit dem Gehorsam Karls
gegen seine AVillensmeinung prahlte,^) oder dass er in voll-
tönenden Worten von Rom als der Hauptstadt der AVeit sprach?'^)
Ln fränkischen Reich sagte man richtiger: Rom war einst die
Hauptstadt der Welt;'') man bezeichnete sie als eine Karl gehörige
Stadt. ") Der Papst selbst aber bestätigte, dass Rom einen fremden
Herrn hatte, indem er die Fiü'bitte für den Frankenkönig in die
gottesdienstHchen Gebete aufnalim.-) Es war nm- konsequent, dass
im päpsthchen Gebiet dem König und dem Papste der Treueid
geschworen wurde. ^) Was Karl in Baiern erst forderte, nachdem
Tassilos Untreue weltkundig war, geschah in Rom von Anfang an.
Hier drängt sich nun die Frage auf, wie die römische Bevöl-
kerung sich dieser stärkeren Betonung der fränkischen Herrschaft
gegenüber verhielt. So viel sich sehen lässt, erhob sie nirgends
Widerspruch oder Widerstand. Niemand verweigerte die Ablegung
1) L. c. 94 S. 635.
2) Die nach Ficker und Lamprecht zuletzt von Schnürer S. 100 vor-
getragene Vermutung, dass i. J. 781 eine Verständigung zwischen Hadrian
und Karl stattfand, wobei Hadrian auf die Zusagen von Kierzy verzichtete,
scheint mir keineswegs erwiesen. Notwendig ist die Annahme nur infolge
der abweichenden Beui-teilung des Versprechens von 754.
3) Martens (D. röm. Frage S. 236) urteilt, der Fall von Pavia sei für
die Bedeutung, welche Karl dem Patriciatstitel zuschrieb, belanglos. Das
heisst doch die Sache dem Namen gegenüber unterschätzen.
4) J.W. 2448 an Konstantin und Irene: Nostris obtemperans monitis
adque adimplens in omnibus voluntates.
5) Cod. Carol. 72 S. 602 f., vgl. 53 S. 575; 92 S. 629 u. ö.
6) Paul. diac. carm. 25 v. 9 S. 60: Quae caput orbis erat; vgl. Bonif
ep. 14 S. 263.
7) Paul. diac. ep. HS. 508: Civitatis vestrae Romuleae.
8) Ordo Romanus (Mabill. Mus. Ital. II, 17). Hadrian bezieht sich in
seinen Briefen vielfach hierauf, z. B. Cod. Carol. 50 S. 570; 59 S. 584.
9) S. 0. S. 31 Anm. 4 und Cod. Carol. 55 S. 579.
— 92 —
des Treueides. Jene Appellationen und Klagen, die wir erwähnten,
scheinen alle mehr oder weniger spontan aus der "> Titte der Be-
völkerung hervorgegangen zu sein. Man hatte ein lebhaftes und
richtiges Gefühl für die Situation. Wenn einmal das Gerede ent-
stand. Karl habe die Absicht, Hath'ian abzusetzen und seine Stelle
einem Franken zu übertragen,^) so ist unverkennbar, dass man
Koni als gänzlich von Karl belierrscht betrachtete. Nicht anders
dachte man diesseits der Alpen: man pries den König, der ganz
Italien von Aosta bis Calabrien erobert habe: man war stolz darauf,
dass Kom, einstmals die Herrin der Welt, jetzt dem fränkischen
Szepter unterworfen sei.-)
Die Entwickelung. welche wir beobachten, ist die Umwande-
lung des Patriciats zur Herrschaft. -^ Sie war die einfache Kon-
sequenz der Machtverhältnisse. Bündnisse, bei welchen die Macht
der Teilnehmer völlig ausser Gleichgewicht steht, haben stets zur
Unterweriung des Schwächeren unter den Stärkeren geführt. Inso-
fern trifft Hadrian kein Vorwurf: die Verhältnisse waren mächtiger
als er; er nmsste geschehen lassen, was geschah.*) So unbestreit-
bar das ist, so kann man doch des Eindrucks sich kaum erwehren,
dass er pei-sönhch den Anforderungen seiner Stellung nicht ge-
wachsen war. Sein höchstes, um nicht zu sagen, sein einziges In-
teresse war die Vergrösseiiing des ])äpstlichen Besitzes. Er war
unermüdhch, alte und neue Forderungen an Karl zu stellen: bald
war die Ausdehnung der päpsthchen Landeshoheit das Ziel seiner
Sehnsucht,'') bald die Wiedererlangung von alle dem, was irgend-
1) Cod. Carol. 92 S. 629. Der Brief ist nicht bestimmt zu datieren.
2} Einh. V. Kar. 6: Totam Italiam .suao ditioni subiugaret; c. 15:
Italiam totam, quae ab Augusta Praetoria usque in Calabriam inferiorem . .
porrigitur. Paul. Diac. carm. 22 v. 18 S. ö8:
Cuniquo vir arnii])oten.s .scoptri.s iunxisset avitis
Cigniferumquo Padum Romuleumque Tybrim.
1.1. f;o.«t. ep. Mett. fi. Vgl. Cath. ep. M.f4. Ep. V S. 502.
r-5) Vgl. Brunner, D. RG. II S. 87: Verfa.s8ungsmä.ssig stellte sich das
päpstliche Gebiet als eine mit umfassenden Hoheits- und Iramunitätsrechten
au.igestattete geistliche Herrschaft dar. wel<-ho innerhaU) des fränkischen
Reiches lag.
4) Parallel geht die Lösung Roms aus dem Vorband mit Konstanti-
nopel. Hadrian sah davon ab sf-ine Urkunden nach den Kaiserjahren zu
datieren; er datierte sie, regnante Deo et salvatore nostro Jesu Christo, nach
den Jahren seines PontiHkats {». J.W. I S. 289, vgl. Sickel S. 324 f).
5) Vgl. über Cittä di Castello oben S. 87. über Spoleto S. 24 Anm. 1.
In beiden Fällen handelte es sich um die Landeshoheit.
— 93 —
wann ein Kaiser, ein Patricier oder irgend ein frommer Mann der
römischen Kirche geschenkt hatte. ^) Er wusste neue Rechts-
ansprüche zu schaffen, indem er die Bürgerschaft veranlasste, ihm
zu huldigen.-) und er Avusste alte wieder zu entdecken, indem er
die Urkunden des päpsthchen Archivs durchforschen liess.'^) Dass
Karl ebenso zurückhaltend war zu gewähi'en, wie er eifrig zu for-
dern,^) dämpfte sein Feuer nicht: er war so an das Fordern ge-
wöhnt, dass er es nie und nirgends unterhess. Nicht nur Kai4
wurde dui'ch immer neue Gesuche überhäuft; auch wenn Hadrian
1) Cod. Carol. 60 S. 587. Die bekannte Stelle, an der auf die Schen-
kungen Konstantins Bezug genommen wird. Bezeichnend ist besonders die
Unterscheidung zwischen Konstantin, der der Kirche potestatem in his
Hesperiae partibus largiri dignitas est, und den diversi imperatores, patricii
etiam et alii Deum timentes, von denen cuncta alia in partibus Tusciae,
Spoletio seu Benevento atque Corsica simul et Savinensae patrimonio b.
Petro concessa sunt.
2) V. Hadr. 33 S. 496.
3) Cod. Carol. 60 S. 587 v. Mai 778: Unde et plures donationes in
sacro nostro scrinio Lateranensae reconditas habemus.
4) Über Cittä di Castello s. oben S. 87, über Spoleto S. 24 Anm. 1.
Über das Sabinerland ep. 68 — 72 S. 597 ff. Hadrian verlangte Savinense
territorium sub integritate, 68 S. 598 ; in integro Patrimonium nostrum Savi-
nense, 69 S. 599; nach der ersten Verhandlung beklagte er sich: Minime
ipsum suscepimus in integro patrimonium vel nostris missis contraditus est,
ibid., vgl. 70 S. 600, und 71 S. 602; nach der letzteren Stelle trugen per-
vers! et iniqui homines die Schuld; aus 72 S. 603 ergiebt sich, dass sie dem
von Hadrian geführten Beweis widersprachen. Ihr Widerspruch muss den
königlichen Sendboten begründet erschienen sein; denn sie unterliessen
daraufhin die Übergabe. Lindner hat erinnert (S. 51), dass das Ludovici-
anum den Streit entschieden zeigt, aber wie mich dünkt, nicht im Sinn des
Papstes; denn die Worte territorium Sabinense, sicut a Karolo . . concessum
est sub integritate, quemadmodum ab Itherio et Magenario . . definitum est,
Sickel S. 175, schliessen eine Einschränkung in sich. Hadrian beklagt sich
ja ep. 72 S. 603 darüber, dass er durch Maginar nicht das ganze Sabiner-
land erhielt. Über Populonia und Rosellä ep. 79 S. 611; hier werden die
Städte gefordert; ep. 80 S. 613: der Papst klagt, dass er sie nicht bekommen
hat, quia sunt alii ex missis vestris, qui contemnere moliuntur et fedare
vestram oblacionem ; wiederholt 84 S. 620. Im Ludovic. sind die Städte
päpstlich. Über Orte im Beneventischen ep. 79 S. 611: der Papst fordert
ihre Übergabe; 80 S. 613 f., er beklagt sich über Verzögerungen durch die
missi Karls, 84 S. 620, sie wollen ihm nur episcopia, monasteria et curtes
pubHcas, simul claves de civitatibus sine hominibus übergeben. Der Grund
lag in der Abneigung der Bevölkerung, Cod. Carol. app. 2 S. 656; die
Wünsche des Papstes wurden also schwerlich erfüllt.
— 94 —
iiacli Konstantiuopel sclirieb, bat er um Begüustigung-cu.') Alles
gab iliiii Anlass, einen Wunsch oder eine Bitte auszusprechen:
l)auto er an der Peterskirche, so liess er sich das Holz schenken;-)
wenn er ein Pferd geschenkt bekam, verlaugte er schon bei dem
Dank ein schüneres/') Abgesehen hievon, liess er die Dinge gehen,
wie sie gingen. Er machte keinen ernstlichen Versuch, sich der
lur die päpstliche ^Macht höchst ungünstigen Entwickelung des
Patriciats entgegenzustemmen. Man sollte meinen, er müsste in
den Griechen ein Gegengewicht gegen die Franken gesucht haben ;
aber wenn er einnial einen Schritt that, um Beziehungen zu ihnen
anzuknüpfen, so geschah es ohne Entschlossenheit und ohne den
Mut, etwas zu wagen.'') Kein Wunder, dass es ihm nie gelang,
durcli sein Eingreifen irgend eine Wendung der Verhältnisse her-
beizutuhren; was geschah, kam stets über ihn wie ein Verlüingnis.
Karl hat den Papst ostentativ verehrt. Wer aber gewohnt ist,
mehr auf die Thaten als auf die Worte der Menschen zu achten,
kann nicht übersehen, dass er ihn mit der äussersten Gering-
schätzung behandelte. Niemals hat er ihn zu Rat gezogen; der
Entschluss war stets schon gefasgt, wenn Hadrian von der Sache
eHuhr.'') Seine Worte galten ihm als Luft: wie viele Männer hat
er in seinen Briefen an Karl der schlechtesten Handlungen ge-
1) Mansi Xli. 1057.
2) Cod. Carol. 65 S. 592 aus d. .1. 779 oder 780. Später verlangte er
ausserdem noch das Blei für die P.fidanhvmg (78 S. 009 a. 781 — 786\
b) L. c. 81 S. 614, wahrscheinlich Herbst It^l.
4) Vgl. Abel, JB. S. 384, 549, 603; Harnack, Die Beziehungen des
fränkisch-italienischen zu dem byzantinischen Reiche (1880) S. 17 tt". Das
Verhalten Hadrians gegen Konstantinopel ist voll von AVidersprüchen, so
das« man sieht, es fehlte ihm ein leitender Gedanke: 773 verbannte er die
Mörder des Sergius nach Konstantinopel (V. Hadr. 13 und bes. 15), d. Ii.
er erkannte die staatliche Zusammengehörigkeit Roms \iii<l Konstantinopels
an. Wenn Martens (D. röm. Frage S. 134) sagt, Hadrian habe sich kon-
fidentiell an einen ihm fremd gegenüberstehenden Souverän gewandt, so
geben dazu die Worte des Biograjihon keinen Anlass; der Brief Hadrians
an Irene macht es sehr unwahrscheinlich. In derselben Zeit begann er die
Kaiserjahre bei seinen Urkunden wegzulassen (s. S. 92 Anra. 4), d. h. er leugnete
die Zugehörigkeit Roms zum griechischen Reich. In soinom Schreiben
nach Konstantinopel aber sprach er konsequent von kaiserlichen Befehlen
(Mansi XII. 1057).
5) Besonders charakteristisch : das Verhalten der fränkischen Gesandten
im Jahre 775 (vgl. Cod. Carol. 56 S. 580 f.); Karls Wegbleiben von Rom
im Jahre 776, entgegen früheren Zusagen (vgl. Ann. Lauriss., Kinh. z, d. J.
mit Cod. Carol. 51 8. 571). Das Gleiche wiederholt sich im .Fiihro 77« (Cod.
Carol ^<" ^' -'^f'
— 95 —
ziehen; aber seine Anklagen schadeten bei dem König nicht einen
einzigen.^) Genau so wenig Gewicht hatten seine Empfehlungen
und Ratschläge: den Cubicularius Anastasius, welchen Hadrian als
besonders treuen Diener rühmte, liess Karl in Haft nehmen ; -) die
politischen Ratschläge, welche von Rom kamen, befolgte er nicht;
wie es scheint, nahm er sich nicht einmal die Mühe, zu sagen,
wanim er sie nicht erfüllte, er liess sie einfach unausgeführt.^)
Hadrian hatte ein Gefülil davon, dass er nichts vermochte: als
Peter von Mailand, Pauhn von Aquileja und Theodulf von Como
sich einer Verfügung entgegensetzten, die er zu Gunsten von St.
Denis erlassen hatte, hat er sich in einem Schreiben an den Abt
über ihre Einsprache in der schärfsten Weise ausgelassen; man
kann kaum anders sagen, als dass er schimpfte. Aber gegen die
drei Bischöfe einzuschreiten wagte er nicht: das Überhess er dem
König. ■^)
Mehr als zwanzig Jahre lang standen Karl und Hadrian neben
einander. Während derselben ist jener Herr der abendländischen
Welt und dieser Unterthan des fränkischen Königs geworden. Es
war keine glückliche Zeit fiir das Papsttum.^) Hadrian starb am
Weihnachtsfeste 795. Noch liest man in der Vorhalle der Peters-
kirche die preisende Inschrift auf schwarzer Marmorplatte, welche
Karl, um das Gedächtnis des Verstorbenen zu ehren, nach Rom
1) Cod. Carol. 54 S. 576: Leo von Ravenna; 56 S. 580: Bischof Possessor
und Abt Rabigaud; 57 S. 582: Hildibrand von Spoleto, Arigis von Bene-
vent, Rodeaus von Friaul und Raginald von Chiusi; 80 S. 613: die frän-
kischen Gesandten; 84 S. 619 if. : Grimoald von Benevent; vgl. Anm. 4 über
Peter von Mailand, Paulin von Aquileja und Theodulf von Como. Es ist be-
greiflich , dass dieses Talent im Verleumden unablässig fürchtete, ver-
leumdet zu werden (51 S. 573; 59 S. 585).
2) L. c. 49 S. 569; 51 S. 572: Quod aliqua inportabilia verba, que
non expediaebat, vobis locutus fuisset. Der Papst hatte Unglück mit seinen
Empfehlungen. Der Langobarde Gausfred, für den er sich ebenfalls ver-
wandte (50 S. 570), erwies sich als Betrüger (51 S 572).
3) Vgl. z. B. 80 S. 613; 83 S. 618; 84 S. 619 f. über die Einsetzung
Grimoalds in das Herzogtum Benevent. Eine Ausnahme, welche jedoch die
Regel bestätigt, bildet der Zug gegen Benevent im Jahre 787, welchen
Hadrian anriet, während Karl abgeneigt war. Er liess sich wohl dadurch
bestimmen, dass seine fränkische Umgebung sich für den Zug erklärte.
Alsbald kam er jedoch auf seinen ersten Plan zurück: ehe es zum Schlagen
kam, legte er die Sache friedlich bei (Ann. Lauriss., Einh. z. J. 787).
4) M.G. Ep. V S. 3 ff. Nr. 1 ; zur Erklärung Hampe NA. XXH S. 748 ff.
5) Langens Rede von einem glänzenden Pontifikate Hadrians (Gesch.
d. röm. Kirche S. 767) scheint mir auch nach seiner eigenen Darstellung
nicht begründet.
— 96 —
sandte. Das hochgespannte Lob der Persönlichkeit des Papstes
verhüllt nic-iit im gerinofsten. ^vie Karl seine Stellung betrachtete:
er sah in ihm nur den Träger eines geisthchen Amts: was er von
Hadrian sagte, konnte er von jedem fränkischen Bischof sagen
und ist oft genug von fi'änkischen Bischöfen gesagt worden. Wenn
er aber seinen und des Papstes Xamen und Titel zusammenstellte,
so treten die Worte .Jcli König" vor die anderen „Du Vater". ^)
Die Inschrift redete sehr deutlich für den Nachfolger Hadrians:
es war Leo III., ein geborener Römer. Er beeilte sich denn auch,
darüber keinen Zweifel zu lassen, dass er (he Rechte Karls in
ihrem ganzen Umfang anerkenne.-) Indem er Karl unter Vorlage
des Wahlprotokolls von seiner Erhel)ung '^) Mitteilung machte, über-
sandte er ihm Schlüssel zur Konfession des A})Ostels und das
Baimer der Stadt;'*) zugleich versicherte er ihm seine Treue und
bat er, der König möge einen seiner Grossen nach Rom senden,
um dem Volke den Treueid abzunehmen."'') Angilbert, der im Jahre
1; i'oet. lat. aev. Carol. I S. 113:
V. 5: Nobilis ex magna genitus iam gente parentuui,
Sed sacris longe nobilior meritis.
Exomare studens devoto pectore pastor
Semper ubique suo templa sacrata deo,
Ecclesias donis, populos et dogmate sancto
Imbuit, et cunctis pandit ad astra viam.
Pauperibus largus, nulli pietate secundus,
Et pro plebe sacris pervigii in precibus.
Doctrinis, opibus, muris erexerat ax'ces,
Urbis et orbis honor, inclyta Roma, tuas.
V. 23: Nomina iuugo simul titulis, clarissima, nostra
Hadrianus Carolus, rex ego tuque pater.
2) Über Leo vgl. die S. 71 Anm. 2 angeführten Werke.
3) V. Leon. 111. c. 2 S. 1. Die Wahl erfolgte am 26. Dezember 79.").
Daas Leo das Wahlprotokoll Karl vorlegte, zeigt Ale. ep. 93 S. 136. Um
Bestätigung, d. h. um (Tenehmigung zur Konsekration, hat er nicht gebeten;
denn er wurde schon am 27. Dez. geweiht. Gleichwohl spricht sich in der
Vorlage des Wahlprotokolls die Empfindung au.s, dass der Papst sich dem
König untergeordnet fühlt««.
4) Ann. Lauriss., Einh. z. J. 796 S. 98 f.
5) Ann. Einh. z. .1. 796, und Ale. ep. 93 S. 136 f. Von Leo selbst scheint
der Fidelitätaeid nicht gefordert worden zu sein. Ich glaube nicht, dass
es berechtigt ist, in der fidelitas promissionis einen Eid zu sehen (so Lam-
preoht S. 13). Da es nun sicher ist, dass Gregor IV. ihn geschworen hat
(M.G. Ep. V S. 230 Nr. 17), so muss man annehmen, dass er erst unter
Ludwig d. Fr. verlangt wurde. Dass aber die Ableistung des Treueides eine
Konsequenz aus der Stellung ist, die Karl den Päpsten zuwies, ist ein-
leuchtend.
— 97 —
796 im Aufb'ag des* Königs sich nach ßom begab, wurde denn
auch zur Erneuerung des zwischen den Päpsten und dem frän-
kischen Reich bestehenden Vertrags bevollmächtigt.-^) Leo hatte
Grund, in solcher Weise das Licht seiner Treue gegen das frän-
kische Bündnis leuchten zu lassen; denn er beduifte dringender als
Hadrian des Schutzes. Trotz der einstimmig erfolgten AVahl stand
ihm in der Stadt selbst eine mächtige Partei entgegen, die der
Optimaten. Ihre Führer waren zwei der ersten päpstlichen Beamten,
der Nomenciator Paschalis und der Saccellarius Campulus.-) Sie
gehörten zu den Männern, welche imter Hadrian I. hervoiTagenden
Einfluss besessen hatten; PaschaHs stand ihm dm'ch Verwandtschaft
nahe; er war sein Xeffe.'") Campulus hatte eine lange Laufbahn
an der Kurie hinter sich; bereits im Jahre 781 erscheint er unter
den Vertrauensmännern Hadrians.*) Jetzt herrschten neue Männer
am Hofe; die alten frihlten sich geki'äukt und zurückgesetzt. Daher
ihr leidenschafthcher Hass gegen Leo. Denn lediglich persönlich,
nicht pohtisch war der Gegensatz, welcher Rom spaltete; er war
deshalb nicht minder tief und unversöhnlich. Man muss annehmen,
dass die Bemühungen, Leos Stm'z herbeizufühi'en, alsbald nach
seiner Erhebung begannen. Zuerst suchten seine Gegner dadurch
ans Ziel zu kommen, dass sie seine Stellung den Franken gegen-
1) Ale. ep. 93 S. 136 f. kündigt Karl dem Papst die Sendung Angilberts
an. Er bemerkt: Uli omnia iniunximus, quae vel nobis voluntaria vel vobis
necessaria esse videbantur; ut ex conlatione mutua conferatis quicquid ad
exaltationem s. Dei ecclesiae vel ad stabilitatem honoris vestri vel patri-
ciatus nostri firmitatem necessarium intellegeretis. Sicut enim cum b. p.,
praedecessore vestrae (s. S. 84 Anm. 4) sanctae paternitatis, pactum inii,
sie cum beatitudine vestra eiusdem fidei et caritatis inviolabile foedus sta-
tuere desidero. Es giebt keine Nachricht darüber, dass die Bundeserneue-
rung vollzogen wurde; auch durch Ann. Einh. z. 817 S. 146 ist diese An-
nahme nicht notvrendig gefordert; aber es spricht nichts dagegen, dass es
geschah. Ale. ep. 92 S. 135 ist eine Instruktion für Angilbei't, die von der
Vertragserneuerung nichts enthält, in ihren Aufträgen für den Papst aber
bezeichnend für Karls Urteil ist.
2) Ann. Einh. z. J. 801: Multi alii Romanae urbis habitatores nobiles.
Ale. ep. 146 Juni 798 S. 237: Quid Romanorum nobilitas novi habeat
adinventum; 218 S. 362, nach d. 4. April 801: Qualiter longa certatio pas-
toris et populi terminata esset. V. Leon. III. e. 11 ff. S. 4 f.
3) Cod. Carol. 61 S. 589, Mai 778.
4) L. c. 67 S. 595 aus dem Mai oder Juni 781. C. war Mitglied der
Kommission, welche über Potho von S. Vincenzo zu richten hatte (vgl. Ale.
ep. 93 S. 137). Dass auch er mit Hadrian verwandt war, lässt sich, so viel
ich sehe, nicht beweisen. Denn Theoph. chron. p. 399: (K iv -rj^ 'Pw[j.ri auy-
Y£vi"i? . . 'Aopiavo'j 'juyz'.vr,'jav:c; tov Äaöv, reicht zum Beweise nicht hin.
Hauck, Kirchengescliichte. II. 2. Aufl. 7
— 98 —
über untergruben. Die sclilinunsten Gerüclite über das Leben des
Papstes wurden gotlissentlicli verbreitet. Aber das fübrte zu nichts.
Denn iVänkischei-seits traute man dem Papste und dm'chschaute
man die ]\Iotive seiner Feinde. M Nun wagten sie Gewalt. Bei
der lierküinmlichen Prozession am Markustage 799 -) ülxM-tielen und
misshandelten sie den Papst; in der allgemeinen Verwirrung be-
mächtigten sie sich seiner Person; sie schleppten ihn in ein Kloster;
wahi-scheinlich haben sie ihn dort auf Gmnd der Verbrechen, die
sie ihm schuld gaben, abgesetzt"'). Aber sie waren nicht stark
genug, den Anhang des Papstes niederzuhalten: Leo wurde befreit,
und der Erfolg war nur, dass er sich ganz in die Arme Karls
waif"*). Indem er nach Deutschland floh, übergab er die Ent-
scheidung über sein Schicksal dem Spiiich des Königs. Die
Gegenpartei widerstrebte dem nicht; denn sie hatte so gute Gründe,
gegen Leo zu klagen, dass sie nicht daran zweifelte, Karls Ui*teil
werde gegen ihn fallen'').
1) Auf die S. 97 Anm. 2 angeführte Frage Alkuins: Quid Romanorum
nobilitas novi habeat adinventum, antwortete Am de domini apostolici reli-
giosa vita et iustitia, quales et quomodo iniustas patitur perturbationes a
filiis discordiae (ep. 159 S. 258).
2) Vgl. über dieselbe Duchesne Lib. pont. II S. 35 Anm. 17.
3) V. Leon. III. c. 11 ff. S. 4f. ; Ann. S. Amand., Lauriss., Einh. z.
J. 799 und 801; die letzteren Stellen (auch theod. carm. 32 v. 11 S. 523)
sprechen von einer Absetzung Leos; die Angabe scheint mir sehr beachtens-
wert, t'ber die Misshandlungen des Papstes vgl. die Zusammenstellung
sämtlicher Quellen bei Simson, JB. S. 583 ff. Was dem Papste wirklich
geschah, zeigt seine Aussage ,debilitare voluerunt" (M.G. Ep. V S. 63 Nr. 6).
Dass die Nachricht, er sei geblendet worden, mit oder ohne sein Zuthun
an den fränkischen Hof kam, ergiebt sich aus Karls Erstaunen, als er den
Papst gesund vor sich sah; vgl. Ale. ep. 178 S. 295: Quod nobis vestrae
bonitatis . . voluntas de apostolici pastoris mirabili sanitate demandare cu-
ravit. In dem Worte mirabili liegt nicht die Annahme eines Wunders
(Jaff4: mire sanatus); denn Alkuin spricht in dem Folgenden nur von dem
Schutz Gottes, qui impias compescuit manu« a pravo voluntatis effectu.
Wunderbar war dem König die gute Gesundheit dos Papstes, weil er ihn
ganz anders zu sehen erwartete. Dass die öffentliche Meinung alsbald zur
Annahme eines wirklichen Wunders kam, ist nicht weiter auffällig. Aus
Theod. carm. 32 v. 1.*) ff. S. 523 f. sieht man, wie geneigt man war, unter
jeder Bedingung ein Wunder zu V^ehaupten.
4) Ob er sich nach Deutschlaml begab, weil er wollte, oder weil ihn
seine Befreier nötigten, ist hiefür gleichgiltig.
5) Ale. ep. 179 S. 297. V. Leon. III. 17 S. 6. Was Leo vorgeworfen
wurde, ist nicht genau bekannt. Alkuin spricht im angeführten Brief nur
im allgemeinen von crimina adulterii vel periurii.
— 99 —
So wurde Karl 'zum Richter des Papstes. Es Avar nicht der
Gewinn, den er durch khige Benützung der Umstände aus denselben
zog. Man könnte eher sagen, er wiu'de in diese Stellung gedrängt.
Aber es ist klar, dass er nun vollends als der oberste Herr über
Rom und über den Papst erschien und handelte. Die unein-
geschränkte Herrschaft über die Stadt der Cäsaren fiel ihm als
reife Fracht der Entwickelung zu, ohne dass er sie zu pflücken
brauchte.
Diesseits der Alpen wusste man längst von dem Zwiespalt
zwischen Leo lU. und den römischen Grossen.-') Karl selbst sah
schai'f genug, dass er auf die sitthche Integrität des Papstes nicht
unbedingt baute;-) dagegen zweifelte er nicht an seiner politischen
Zuverlässigkeit. Die kü'chhchen Männer aber betrachteten es als
selbstverständlich, dass der rechtmässige Inhaber des päpstlichen
Stuhles ein tüchtiger Mann sei, und waren deshalb geneigt, alles
Gute von ihm zu glauben und alles Üble als Verleumdung der
Gegner zu verwerfen.'^) Als vollends die übertriebenen Nachrichten
von den Misshandlungen, welche er erduldet habe, über die Alpen
drangen, erweckten sie Teilnahme und Mitleid für ihn und Ent-
lastung -sN^der seine rachlosen Feinde. FreiHch konnte das fromme
Zutrauen zu Leo von denen nicht festgehalten w^erden, welche die
Dinge aus der Nähe sahen. Aber äusserhch bewahrten auch sie
die Verehi'img gegen den Träger der höchsten kirchlichen Gewalt.^)
Das that besonders Karl. Er empfing Leo mit den gi'össten Ehren-
bezeigungen;^) aber er war nicht von Anfang an entschlossen, für
ihn zu entscheiden.
Die Gedanken, welche am fränkischen Hofe erwogen wurden,
1) S. die S. 97 Anm. 2 und S. 98 Anm. 1 angeführten Stellen.
2) Die Ermahnungen, welche Karl 796 Leo durch Angilbert erteilen
lässt (Ale. ep. 92 S. 135 f.), zeigen Misstrauen. Später war die Stimmung
der Franken gegen Leo geradezu erbittert (J.W. 2529).
3) Ale. ep. 159 S. 258 Nov. 798 (s. oben S. 98 Anm. 1).
4) Bekannt ist, wie vollständig Arns Urteil über den Papst umschlug;
im Jahr 798 lobte er ihn (s. Ale. ep. 159 S. 258, o. S. 98 Anm. 1). Dagegen
schrieb Alkuin i. J. 799 oder 800 mit Bezug auf einen Brief Arns, 184 S. 309:
Epistola prior . . quaerimonias quasdam habens de moribus apostolici et de
periculo tuo apud eum propter Romanos . . . Quia ego nolui, ut in alterius
manus pervenisset epistola, Candidus tantum illam perlegebat mecum. Et
sie tradita est igni. Ein paar Jahre später (802) klagt Alkuin selbst über
Simonie an der Kurie (ep. 258 S. 416).
5) Carol. M. et Leo (Poet. lat. I S. 366 f.); V. Leon. 16 S. 5 f.; Ann.
Lauriss. ; Einh. etc. Die Darstellung des äusseren Hergangs bei Simson,
JB. S. 179 fe., und Langen, Gesch. d. röm. K. S. 773 ff.
— 100 —
lernen wir aus den Briefen Alkuins kennen. Er, der gewohnt war,
die Dinge in Koni /n idealisieren, war entsetzt, als er die erste
Nachricht von der Erhebung gegen Leo erhielt: dort, von wo aus
der Quell der Billigkeit und Gerechtigkeit sich durch heilige Rinn-
sale üherallhin ergiesseu sollte, dampfe ein tiefer Sumpf der ärgsten
Gottlosigkeit, schrieb er an Arn von Salzburg.') Als er von Karl
ertiihr, der Pai)st sei geblendet, war sein einziger Trost, dass
wenigstens sein König auf dem Plan stehe. Drei Personen, so
lesen wir in seiner an den König gerichteten Antwort, waren in
der AVclt bisher die höchsten: nämlich die apostolische Erhaben-
heit, welche den Sitz des heiligen Petrus, des Apostelfürsten, stell-
vertretend einnimmt; aber was an dem Heirn dieses Thrones ge-
schehen ist. hat mir Eure Güte kundtiiun lassen. Sodann die
kaiserliche "Wüi'de und die weltliche Macht des zweiten Rom; aber
auf wie gottlose Weise der Lenker jenes Reiches abgesetzt ist.
nicht von Fremden, sondern von den Seinen, ja den eigenen Brüdern,
davon ist die Kunde überallhin gedrungen. Endlich die könighche
Würde, in welcher unser Herr Jesus Christus Euch zum Leiter
des christlichen Volks einsetzte, die Ilu- au Macht den Heiden
anderen HeiTscheni vorangeht, an Weisheit sie übertrefft und an
Würde des Reiches sie übeiragt. Siehe, auf Dir allein beiiiht das
ganze Heil der Kirchen Christi: Du bist der Rächer der Ver-
brechen. Du der Leiter der L-renden, Du der Tröster der Betrübten,
I)u (lii- Erhebung der Guten.") Später liess Karl ihn wissen, dass
Leo nach Deutschland kommen würde. Er erwiderte, indem er
von neuem die Überzeugung aussprach, dass nur Karl die ver-
win-ten Verhältnisse zu ordnen imstande sei.'*) Davon war ohne
Zweifel jedermann im Frankenreiche durchdrungen. Aber als nun
Leo ei-schien. als die gegen ihn erhobenen Klagen verlauteten,
begann der Zwiespalt: Alkuiu vertrat mit allem Nachdruck den
Standpunkt, dass der apostolische Stuhl von niemand gerichtet
werden könne: weder einen Reinigungseid leisten, noch freiwillig
zurücktreten dürte der Papst. Es war nicht nur das Vertrauen
zu der Unschuld Leos, was ihn so reden hiess, sondern besonders
die Rücksicht auf die Stal>ilität der Verhältnisse: Welcher Hirte
in der Kirche Christi wüi-do sicher sein, wenn jener von t^bel-
1) Ep. 173 S. 286. Mai 799.>'
2) Ep. 174 S. 288, Juni 799.
3) Ep. 177 S. 292, .luli 799: Quibus tuam beatitudinem Omnibus ne-
cessarium est votis exaltare, intercessionibus adiuvare, quatenus per vestram
Prosperitäten! christianum tueatur imperium, fides catholica defendatur.
iuetitiae regula omnibus innotescat.
— 101 —
thätern abgesetzt wihxle, der das Haupt der Kirchen Christi ist?
Er wird seinem Hen-n stehen oder fallen.^) Andere dachten anders:
die Verbrechen, welche dem Papste vorgeworfen wurden, schienen
ihnen so exorbitant, dass sie urteilten, er müsse dm'ch einen feier-
hchen Eid seine Unschuld beweisen. Die Dritten, überzeugt von
seiner Schuld, wollten öflentliches Ärgernis vermeiden und den
Papst in der Stille zum Rücktritt bewegen.-)
Der König ging seinen eigenen Weg. Er konnte Alkuins
Anschauung nicht ohne weiteres teilen: die w'underbare Gesundheit
des eben geblendeten imd verstümmelten Papstes machte auf ihn
einen anderen Eindruck als auf den gelehrten Theologen ; er glaubte
nicht an das Wunder.'^) Auch war sein Urteil über Leo von An-
fang an weniger günstig als das Alkuins; er vertraute der Unschuld
des Papstes nicht. ^) Deshalb durchschaute er die Schwierigkeit
der Lage besser. Dem alternden Freunde ersparte er den Schmerz,
seinen Rat nicht befolgt zu sehen. Er lud ihn nicht zu der Ver-
sammlung in Paderborn, forderte auch kein Gutachten von ihm.'^)
Ebensowenig trat er den entgegengesetzten Vorschlägen bei. Das
Verfahren war ihm wohl zu rasch; denn niemals hat er seine
Schritte vorsichtiger abgemessen als in diesem Augenblick.
Er konnte nicht umhin, Leo als rechtmässigen Inhaber des
römischen Stuhles zu behandeln. Durch eine Empörung konnte
der Papst seiner Würde nicht beraubt werden. Rief er den fi'än-
kischen Schutz an, so durfte ihm derselbe nicht fehlen, x^ber
gegen den Papst wurden laut und öffentlich vor dem König als
dem obersten Richter die schwei-sten Anklagen erhoben.*^) Konnte
er Papst bleiben, wenn sie begründet waren? War es zulässig,
sie zu ignorieren? Karl beantwortete die letzte Fi-age mit Xein,
indem er den fi'änkischen Grossen, welche Leo nach Rom zm'ück-
" 1) Ep. 179 S. 297, August 799.
2) L. c. Ich. beziehe diese Stelle nicht, wie Simson (JB. S. 185) zu
thun scheint, lediglich auf die römischen Gegner Leos. Diejenigen, welche
consilio secreto suadent, ut deponeret sine iuramento pontificatum et quie-
tam in quolibet monasterio ageret vitam, müssen Männer der Umgebung
Karls gewesen sein, welche auf diese Weise die Sache beizulegen suchten.
Wie wären die römischen Gegner dazu gekommen, dem Papste Ratschläge
zu erteilen?
3j Ale. ep. 178 S. 295 (s. o. S. 98 Anm. 2). Die Worte ^mirabilis
sanitas" klingen ironisch, zeigen also Unglauben; Alkuin sieht sich denn
auch zu einer moralischen Ermahnung veranlasst.
4) S. oben S. 99 Anm. 2.
5) Ale. ep. 179 S. 297.
6) V. Leon. IIL c. 17 S. 6.
— 102 —
begleiteten/) den Auftrag gab, eine Untei-sucbimg zu veranstalten.
Sie sollte sieb iiiclit nui- auf die Empörung, sondern aucb auf die
Anklagen gegen Leo erstrocken.-)
Anfang Dezember 799 fand in Rom die merkwürdige Ver-
bandlung statt. Der Biograpb Leos vei-sicbert, dass keine einklage
beA\iesen ^Yerden konnte. •') Erzbischof Arn von Salzburg jedoch.
der zu den Richtern gehörte, urteilte anders. Mochte es ihn auf
das tiefste schmerzen, er konnte sich der Einsicht nicht verschliessen,
dass die Anklagen gegen Leo stichhaltig seien.*) Li welcher Lage
befanden sich nun die deutschen Gesandten! Es war unmöghch,
die Unschuld des Papstes zu behaupten; war es möglich, dass man
ihn fi'änkischerseits follen Hess? Die Verantwortung hiefiir wagten
sie nicht zu übernehmen: so enthielten sie sich des Urteils. Leo
blieb als Papst anerkannt, aber Paschahs, Campulus und ihr An-
hang wurden nicht als des Aufinihrs schuldig hingenchtet: sie
wm-den über die Alpen gesandt; der König sollte über ihr Schick-
sal entscheiden.'')
Im Herbste 800 begab sich Karl nach Italien. Der ausge-
sprochene Zweck seines Romzuges war die Untersuchung der dem
Papste schuldgegebenen Verbrechen. In oftencr Versammlung er-
klärte das der König selbst.") Das Ende war, dass Leo sich vor
Kai-1 und allem Volke durch einen feierlichen Eid von den gegen
ihn erhol)eneu xA.nklagen reinigte. Er schwiu' am 23. Dezember 800
an einem der Amljonen der Peterskirche auf das Evangelium, dass
er die ihm vorgeworfenen Verbrechen weder volll)racht, noch zu
1) Teilnehmer der Kommission waren die Erzbischöfe Hüdibald von
Köln und Am von Salzburg, die Bischöfe Kunibert (unbekannten Sitzes),
Bernhard von Worms, Hatto von Freising, Jesse von Amiens und der er-
wählte Bischof Erflaious, ferner die Grafen Helmgot. Roticar und Gerniar.
2) Der Auftrag ergiebt sich aus der Thatsache der Untersuchung (1.
c. 20 S. 6 f.).
3) V. Leon. III. c. 20 S. 7.
4) Ale. ep. 184 S. 309 (s. S. 99 Anm. 4).
5) V. Leon. lü. 1. c.
6) Ann. Lauriss., Einh. z. J. 800: Post septem vero dies rex contione
vocata, cur Koraam venissot Omnibus patefecit, et exinde cotidie in ea quae
venerat facienda operani dedit. Inter quae vel maximum vel difficillimum
erat, quod primum inchoatum est, de discutiendis quae pontifici obiecta
sunt criminibus. Vgl. die Worto Karls: Dum nos Romam . . pro quibu.sdara
causis s. Dei ecclesiae ac domini Leonis papae pervonissimus (Urkunde für
Arezzo, B.M. 363) und Leos IH. eigene Aussage: Auditum . . est . . qua-
liter homines mali . . miserunt super me gravia crimina. Propter quam
causam audiendam . . rex Carolus una cum sacerdotibus et optimatibus
suis istam pervenit ad urbem (M.G. Ep. V S. 63 Nr. 6).
— 103 —
vollbi-in gen "geboten habe. Wenn er dabei wiederholt erklärte, er
leiste seinen Schwur, ohne von jemand gerichtet oder gezwungen
zu sein, aus eigenem freien Willen und um allen Verdacht zu be-
seitigen,^) so werden dadurch nicht viele getäuscht worden sein.
Ebensowenig Wert hatte die Erklärung der Anwesenden, sie wagten
nicht über ihn zu richten.-) Das alles war Form ohne Gehalt.
Denn Karl und die fränkischen Bischöfe hatten vorher beschlossen,
dass er den Reinigungseid schwören müsse. ■^) Man stellte ihn,
wie es scheint, vor die Wahl zwischen dem Schwiu' und dem
Eücktritt.'^)
Der Eid des Papstes galt als Beweis seiner Unschuld, des-
halb auch der Schuld seiner Gegner. Nach römischem Rechte
venu-teilte sie Karl zum Tode. Damach aber begnadigte er sie ; '")
hätte er es gethan, wenn er Leo für schuldlos gehalten hätte ?^)
Für seinen Entschluss, den Papst, wenn frgend möglich, zu
halten, waren ohne Zweifel in erster Linie kfrchliche Erwägungen
ausschlaggebend. Dm-ch die Schuld der Person sollte che Hoch-
achtung vor dem Amte nicht erschüttert werden. Deshalb trug
Karl Bedenken, Leo zu entfernen. Aber der Papst musste durch
seinen Eid den Beweis liefern, dass Karl das morahsche Recht
habe, ihn zu schlimmen.
1) M.G. Ep. V S. 63 f. Nr. 6; vgl. V. Leon. III. c. 21 f. S. 7.
2) V. Leon. a. a. 0.
3) Nach den Ann. Lauresh. z. d. J. erfolgte die Eidesleistung gemäss
•einem Beschlüsse Karls und der anwesenden Bischöfe, si eius (des Papstes)
voluntas fuisset et ipse petisset. Damit war dem Papste doch nur der
■Schein eigener Entschliessung gewährt.
4) Dass auch bei den Verhandlungen in Rom die Entfernung Leos aus
seinem Amte in Frage kam, beweist Ale. ep. 212 S. 353 an Riculf von Mainz:
Sicut audivi, quod sine dolore cordis non dicam, ipsos male inter se dissen-
tire magistros (die mit Karl gekommenen Bischöfe). Quidam vero volentes
rudis panni assumentum veteri inmittere vestimento et peiorem facere scissu-
ram ; quidam vero meliori consilio vetera reformare et in antiquum reponere
ordinem; cum quibus vestram sanctissimam sollicitudinem laborare audivimus.
Es ist klar, das der Bericht der Biographie Leos durch und durch tendentiös
ist (vgl. Döllinger, Münchener bist. JB. 1865 S. 381 ff., und Simson, JB.
S. 229); v. Ranke (WG. V, 2 S. 182) nimmt den Bericht als glaubwürdig hin.
5) Ann. Lauriss., Einh. z. J. 801 ; vgl. Lauresh., Laur. min.
6) Ketterer S. 72, Ebner, H. JB. XII S. 550 folgend, glaubt an die Wir-
kung der Fürbitte Leos und an dessen Unschuld. Aber indem Karl den
Papst zu dem Reinigungseid nötigte, that er genau das, was diejenigen, die
Leo für schuldig hielten, schon in Paderborn verlangt hatten und was
Alkuin mit allem Nachdruck widerriet, Ale. ep. 179 S. 297. Sollte er dann
wirklich anderer Meinung gewesen sein als jene?
— 104 —
Zwei Tat^o nachdem Leo sich durch einen wahrscheinlich
tidschen Eid von den schhninisten Ankhigen, die gegen einen
Priester erhohen werden konnten, gereinigt hatte, krönte er in
8t. Peter Karl zum Kaiser. Ein Vorgang, so bekannt, dass mau
ihn nicht zu schihleru braucht, und doch in mancher Hinsicht völhg
dunkel. Eiidiai'd erzählt, Karl habe versichert, er würde trotz des
Festes an jenem AVeihnachtstage die Kirche nicht l)etreten haben,
wenn er den Plan des Papstes hätte ahnen können,^) War das
Heuchelei? Das ist unglaublich; denn Karl hatte keine Ui-sache,
zu heucheln: Wer konnte ihn hindern, die Kaiserkrone zu nehmen,
wenn er sie wollte? Aber er wollte sie nicht. Wir wissen nicht,
dass sein Ehrgeiz dahin ging, römischer Imperator zu heissen; aber
wir haben Grund, anzunehmen, dass es ihn freute, als fränkischer
König über die ehemalige Welthauptstadt zu herrschen. Als das
höchste Glück, das Gott ihm gegeben, priesen es die ^Männer seiner
Umgebung, dass er, der Fi-ankeukönig, das goldene, kaiserliche
Rom eingenommen habe, dass Gott ihm Italien mit allen seinen
Schätzen verliehen habe.-) Das wird auch seine Überzeugung ge-
wesen sein; denn er hielt das Römische nicht für besser als das
Deutsche; im Gegenteil, auch in Rom wollte er als Deutscher er-
kannt sein.'') So wenig einer seiner Vorfahren auf dem fränkischen
Thron je nach dem Kaisertum gestrebt hatte,^) so wenig w'ar es
1) V. Karol. 28. Vgl. Ann. Mas. z. J. 801 : die widersprechende Nach-
richt, dass die Krönung auf Grund eines Synodalbeschlusses erfoljft sei,
Ann. Lauresh. z. J. 801 und daraus in anderen Quellen. Die Vereinigung
dieser Nachrichten ist niclit möglich; die Glaubwürdigkeit Einhards ohne
Zweifel grösser. Rettbergs Meinung, dass Karl selbst im Einverständnis
gewesen sei und Alkuin die ganze Idee erdacht habe (KG. D.'s I S. 430),
klingt auch bei Neueren wieder, z. B. bei Martens, D. röra. Frage S. 212,^
beleucht. S. 39 tf. Aber wenn dieser sagt: Die Hauptsache ist, dass Karl
die Würde begehrte, so fehlt für diese Hauptsache jeder Beweis. Aus den
im Texte dargelegten Gründen ist mir eine solche Annahme sehr unwahr-
scheinlich. Die Polemik. Beloucht. S. 47 f., hat mich nicht davon über-
zeugt, da.ss man Einhards Worte anders zu verstehen hat, als sie lauten.
Auch der geistvollen Hypothese Düllingers (a. a. 0.) kann ich nicht beitreten.
Ihre Voraussetzung, dass das Imperium Karl einen tief in der Meinung der
Völker wurzelnden Rechtstitel verliehen habe, scheint mir nicht so sicher,
als allgemein angenommen wird. Die Verehrung der mittelalterlichen Welt
gegen da« Imperium ist, so viel ich sehe, nicht Voraussetzung, sondern
Wirkung des Kaisertums Karls.
2) M.G. Ep. V S. .502 (Brief des Priesters Catuulf an Karl c. a. 775).
3) Man weiss, dass Karl sich nur zweimal in seinem Leben entscbloss,
römische Tracht anzulegen (s. Einh- V. Karol. 23).
4) Sätze, wie der Giesebrechts (Geschichte der deutschen Kaiserzeit I
— 105 —
sein höchstes poKti^ches Ideal. Er hat in einer offenen Staats-
schrift das herbste Urteil über das römische Imperium, seine Träger
und seine Institutionen ausgesprochen: das wdldeste, tapferste Reich
sei es gewesen, aber zugleich das eifiigste in der Anbetung und
Verehrung der Götzen; die Kaiser Männer voll ungemessenen Ehi--
geizes; einzehie seiner Einrichtungen gehörten zu den Übeln, welche
die Christen gänzlich abzuschaffen vei^iflichtet seien. ^) Es ist, als
habe Karl absichthch ausser Acht gelassen, dass es auch christ-
liche Kaiser gegeben hatte: als etwas ünchristliches. Heidnisches
sollte das Imperium ei-scheiuen. Hier erkhngt wieder der alte,
aber unvergessene Stolz der Franken, welche sich als das recht-
gläubige Volk den Römern, den Mördern der Gläubigen, gegen-
überstellten.-) Wenn ein Angelsachse die Würde des fi-änkischen
S. 123, 3. Aufl.), dass das Kaisertum das höchste politische Ideal gewesen
sei, dem die deutschen Machthaber seit Jahrhunderten zustrebten, sind
völlig unrichtig, wenn man sie auf die fränkischen Könige anwendet. Nur
auf das aber, was sie erstrebten, kann es ankommen. Vgl. das sehr mass-
volle Urteil Duchesnes S. 283.
1) Libr. Carol. II, 19: (In sententia Joannis Constantinopolitani epi-
scopi illarum imaginum mentio fit) quas gentili et superstitioso ritu-Koma-
norum imperatores ostentabiliter ob sui favoris arrogantiam adorare cen-
suerunt. Quam quidem sacrilegam impietatem ita nullos antiquorum regum
reperimus habuisse, sicut et pene nuUam gentem tantae crudelitatis tanto-
rumque idolorum servitiis subditam, ut illam, uspiam legimus exstitisse.
Magnae ergo crudelitatis et revera magnae crudelitatis et fortitudinis quon-
dam fuit. Dan. 7, 7. Gentes, quas delevit, devorasse, quas vero tributis
addixit, pedibus conculcasse dicitur. et in tantum daemonum culturis in-
servivit, ut quarundam gentium quas subegerat idola suis nihilominus idolis
socians infeliciter adoraret. Unde vanissimum et ab omni ratione seclusum
est, ab ea re intra sanctam ecclesiam sumere exempla quae propter gentili-
tatis maculam prorsus a catholicis creditur abdicata. Si vulgus . . impera-
torum imagines vanis et pemiciosis laudibus honerat, quid ad nos, qui
gloriamur in cruce Domini . . qui tanto errori obniti potius quam assensum
praebere debemus, . . qui . . eum cum suis sequacibus prorsus exsecrari debe-
mus. Vgl. III, 15: Doctor gentium non vos imperatorum imitatores, sed
6U0S imo Christi fieri hortatur . . et ut imperatorum fasces sive vulgi bac-
chatus a Christicolarum mentibus dirimeret, ait: Nobis Christus cruciflxus
est. Bezug auf die Christenverfolgungen; dann: Odisse debet christianus . .
eos qui oderunt dominum. Die römischen Kaiser werden bezeichnet als
homines protervia vanii;atis inflati, pompa saeculari elati, bonorum ambi-
tione cupidi, iactantia pleni. Über die Verehrung der Kaiserbilder: Hoc
malum cum caeteris malis quae Christi adventu frustrata sunt, frustrari
omnino debet.
2) Vgl. den Prolog zur Lex Salica (s. Bd. I S. 182). Dass diese
Stimmung auch später noch vorhanden war, zeigt Mon. Sangall. I, 1 S. 631.
— 106 —
Königtums für erhabener als die des griechischen Kaisertums er-
klärte, wenn er das rümische und das chnsthche. d. h. das fi'än-
kische Reich als das Niedrigere und das Höhere einander gegen-
ühei-stellte. ') wie hätte es Karl gelüsten sollen, seinen deutschen
Königstitel mit dem römischen Kaisernameu zu vertauschen?
Dazu die Krönung durch den Papst. AVie Karl darüber
urteilte, beNvies er, als er im Jahre 813 seinem Sohne Ludwig die
kaiserliche AViuxle übertrug: da liiess er den König mit eigener
Hand die Krone vom Altar nehmen und sich aufs Haupt setzen.-)
Ei-strebt hat demnach Karl die kaiserhche Würde nicht. Aber
als sie ihm dargeboten wurde, wies er sie auch nicht zurück. Nach
einem Moment des Zögeras begann er den kaiserlichen Titel zu
führen.-') Und sehr rasch erkannte er, dass auch in diesem Titel
Gewalten schhunmerten, die er nui' zu wecken l)rauchte.'^) Dass
der gi'osse König den Kaisernamen annahm, hat dem Imperium
den Schimmer verheben, welcher es im Mittelalter umstrahlt: er
ist der Wiederschein von Karls erhabener Person, nicht ein Erbe
aus der Römerzeit.
Rätselhaft ist, Avas Leo III. mit der von ihm wohl vorbe-
reiteten Handlung l)eabsichtigte. Wollte er sich dem König, der
ihn L"r'tt.t hatte, dankbar' beweisen, oder wollte er dem Herrscher,
1) Ale. ep. 174 S. 288, Juni 799. Die Stelle ist so klar als möglich:
Tertia (hohe Würde in der Welt) est regalis dignitas, in qua vos domini
nostri Jesu Christi dispensatio rectorem populi christiani disposuit, ceteris
prefatis dignitatibus (Rom und Kaisertum) potentia excellentiorera, sapientia
clariorem, regni dignitate sublimiorem. Die Zählung ist also eine
aufsteigende Klimax. Ketterers ^erst die dritte Würde" S. 78 ist irrig. Ep.
200 S. 331: Quae terra (Spanien) olim . . tirannorum ferax fuerat, qui Ro-
manum saepissime imperium lacerare solebant. Et nunc multo peius sacra-
tissimas christiani imperii aures cjuibusdam scisuiaticae perversitatis novita-
tibus fatigare adgi-editur. Der Brief fällt in den Juni 800. Ich brauche
kaum zu bemerken, dass man aus dem Worte imperium nichts folgern darf.
Von Karls Reich findet es sich schon im Jahre 794 verwendet in dorn Libell.
episcop. Italiae (Mansi XIII, 873): Caroli regis domini terrae imperii eius
decreto. Niemand wird darin den Kaisergedanken finden. Imperium ent-
spricht einfach dem deutschen , Reich*.
2) Thegani V. Ludov. 6 (M.G. Scr. II S. 592). Hemerkenswert ist
auch, da«8 die Ann. Fuld. ant. z. 801 Leo ganz ignorieren; sie bemerken
nur: Karolua rex a Romanis est appellatus Augustirs (ed. Kurze S. 13«).
3) Karl nennt sich in der Urkunde für Arezzo vom 4. März 801 (B.M.
863) rex Francorum et Romanorum atque Langobardorum. Alkuin schreibt
in demselben Jahr, genau wie früher, an David pater patriae (ep. 229 S. 372)
oder David rex (ep. 231. 240. 261).
4) Vgl. die allgemeine Eidesleistung im Jahre 802 (Capit. 33, 2 S. 92).
— 107 —
Tor dessen Gericht er eben gezittert, zeigen, dass auch er Gaben
zu verteilen habe? Kein AVort der Überheferung giebt hierüber
Auskunft. Aber klar ist, dass er für sich und für die Stellung
des Papstes dui'ch seine Handlung nichts gewann. Wenn auch
das immittelbare Regiment über Rom nach wie vor dem Papste
verblieb, so konnte doch seit der Krönung daran nicht mehr der
mindeste Zweifel sein, dass Karl Herr in Rom und im Kirchen-
staate sei.^) Die alte Hauptstadt der Welt wurde zur ersten
Metropole des Karohngerreichs.-) Die Rechte, welche einst die
giieclüschen Kaiser besessen hatten, wurden nun von dem fi'än-
kischen Kaiser geübt. ^)
Die Kaiserkröimng hatte in Wü'khchkeit nicht jene epische
Grösse, welche che Berichte, die den äusseren Hergang schildern,
ihr verliehen haben. Nach ihnen handelt der oberste Bischof der
Christenheit wie geleitet von höherer Eingebung, das gesamte Volk
aber diu"chzuckt bhtzartig die Erkenntnis, was der feierhche Vor-
gang bedeutet, der sich vor seinen Augen vollzieht, und in lautem
Zuruf spricht es das aus, was der Stellvertreter des Apostels durch
seine Handlung andeutet: ein Bild ohne Schatten, eine Melodie
ohne Dissonanz. In Wirklichkeit waren die Schatten tief, die Disso-
nanzen grell genug. Sie haften an der Person Leos. Er war für
schuldlos erklärt worden, aber nur wenige waren von seiner Schidd-
losigkeit überzeugt. Dass dieser Mann sich sofort m die erste
Reihe drängte, indem er unaufgefordert dem König die Kaiser-
1) Vgl. die Klagen und Äusserungen Leos III. ep. 2 (M.G. Ep. V S. 89
11. 91; 9 S. 101; 10 S. 102 f.); ferner die Wegführung der Theoderichstatue
aus Ravenna (Agnell. Lib. pontif. c. 94 S. 338). Leo wagt nicht, Rom zu
verlassen ohne einen Auftrag des Kaisers (Einh. ann. z. J. 804). Dass in
der Reichsteilung vom Kirchenstaate nicht die Rede ist (Capit. 45 S. 127 f.),
ist nicht weiter auffällig, da er nicht unter unmittelbar königlicher Ver-
waltung stand. Dem Gedanken der durch die Teilung nicht aufgehobenen
Einheit des Reichs entspricht es, dass cura et defensio ecclesiae s. Petri
den drei Brüdern gemeinsam zur Pflicht gemacht wird (§ 15 S. 129). Die
Unterzeichnung der Teilungsurkunde durch Leo steht in Parallele zu der
Bestätigung derselben durch die Optimaten (Einh. ann. z. J. 806).
2) Testament Karls (Einh. V. Karol. 33); der Gedanke lag dem An-
schauungskreis der Zeit nicht ferne, s. die Äusserung Leos III. bei der Er-
hebung Arns zum EB.: Qui dudum vester fuit coepiscopus, nunc autem frater
et coepiscopus noster, J.W. 2495; ebenso in Bezug auf Hildibald von Köln
J.W. 2521. Vgl. Weyl S. 54 f.
3) Dass irgendwelche Verhandlungen über die Rechte des Kaisers
stattfanden, ist nicht überliefert und sehr unwahrscheinlich. Karl und
seine Nachfolger nahmen einfach die Rechte in Anspruch, welche die
griechischen Kaiser früher geübt hatten.
— 108 —
kröne darbrachte, nnissto di'u p]iiulruck hervorrufen, der sicli in
Karls Äusserung unverliohlen ausspricht: die Sache wäre hesser
unterhhehen.
Auch abgesehen hievon ist die Bedeutung der Kaiserkninung
nicht iihcrgross: sie war keine That. sie repräsentierte nur. Weder
wurden (hu'ch sie neue Verhältnisse geschaften, noch neue Gewalten
auf den Plan geführt. Karls Reich war nach dem Weihnachts-
feste des Jahres 800 genau dasselbe, was es vorher gewesen war.
Nirgends waren die Rechtsverhältnisse geändert. Nur ein neuer
Name wuj'de dem HeiTscher desselben gegeben: Imperator. Kaum
kann mau sagen, dass er nun erst Landesherr in Rom war; denn
schon vorher hatten ihm die Römer den Treueid geschworen. Auch
die Politik Karls bheb völlig die gleiche. In der inneren Verwal-
tung, besondei-s in der Leitung der kirchlichen xVugelegenheiten
verfolgte er diesell)en Ziele, die ihm seit seinem Regierungsantritt
voi'sch webten. In den äusseren Verhältnissen hielt er sich nach
wie vor innerhalb der natürlichen Grenzen der fränkischen Macht-
sphäre. Es reizte ihn nicht, seine Herrschaft nach dem Oriente
hin auszudehnen; im Gegenteil vermied er Konflikte mit den Griechen.
Die Scheidung Roms vom Morgenlande aber, seine Einfügung in
die westeuro])äisciie Welt hatte sic*h sciion vor dem Jahre 800 voll-
zogen: Gregor II. hatte sie geahnt. Bonifatius hatte, ohne dass er
es wusste, an ihr gearbeitet, Pippin und Karl haben sie herbei-
geführt. Am wenigsten lässt sich sagen, dass nun die beiden Ge-
walten nebeneinander standen, deren Ringen die Geschichte des
Mittelaltei-s bewegt: das Kjiisertum und das souveräne Papsttum.
Im Reiche Karls d. Gr. war für ein souveränes Papsttum kein
Raum: es ist das Erzeugnis der Schwäche seiner Nachfolger.
Gerade bei der Krönung bekannte sich Leo vor allem Volk als
des Kaisei-s Unterthan. Nachdem er ihm die Krone aufs Haupt
gesetzt hatte, huldigte er ihm in der Weise, m der einstmals die
Römer ihre Kaiser adoriert hatten.') Karl mochte an das Urteil
denken, das er wenige Jahre vorher über solche byzantinische Sitten
ausgesprochen hatte. '^) Aber hier entsprach die Form der Sache:
die Briefe Leos an Karl sind Berichte eines Unterthanen an
den Herrscher: er meldete ihm pflichtgemäss, was er erfuhr;^) er
legte ihm die Sclu'eiben vor, die er erhielt, nicht minder die-
1) Ann. LaurisB., Einb. z. J. 801.
2) S. oben S. 105 Anm. 1.
3) M.<T. Ep. V S. 66 Nr. 8: Omnia. quac de singrilie partibus nobis
accidunt, necense est, ut vestrae intimemuH imperiali potostate. S. 96 Nr. 6;
S. 97. Nr. 7.
— 109 —
jenigen, die er erlieSs;^) so weit ging seine Devotion, dass er an
ihn selbst adressierte Briefe, wenn sie zugleich für den Kaiser be-
stimmt waren , nicht zu öffnen wagte ; -) hatte er sich zu be-
schweren, so stellte er doch den Bescheid ganz in des Kaisers
Willen;^) ordnete Karl eine Massrege] an, so war er eifrig, sie
ganz nach dessen Wünschen durchzuführen.'*) Wenn er sich einmal
als dessen Diener bezeichnete, so lag darin keine Übertreibung.'^)
Es war ebenso sachgemäss, wie dass er seine Urkunden nach den
Kaiserjahren „unseres Herrn, des frommen Karl" datierte.^)
Wir haben den Gang der Ereignisse verfolgt, welche dazu
führten, dass Karl immer bestimmter als der Herrscher, der Papst
immer unverhohlener als der Unterthan erschien. Fragen wir nun,
wie sich dazu die Anschauungen verhielten, welche über das Ver-
hältnis der beiden Gewalten verbreitet waren.
Auch bei grossen Männern widersi^richt nicht selten der
schhesshche Erfolg der m'sprünghchen Absicht. Was ihre eigene
Arbeit herbeigeführt und gestaltet hat, steht im Gegensatz zu den
anfänglichen, den manchmal lange festgehaltenen Überzeugungen.
Dann bilden sich die letzteren wohl dem Erfolge gemäss um; denn
durch nichts werden die Menschen so sicher beherrscht als durch
ihre eigenen Thaten. Bei Karl war dies nicht der Fall. Die
Stellung, welche Leo HI. ihm gegenüber einnahm, entsprach viel-
mehr den Ansichten über Papstgewalt und Königsmacht, von
welchen er von Anfang an beseelt war, und welche auch von den
Männern seiner Umgebung geteilt wurden.
Karl verehrte das Papsttum; in vielen Stücken galt ihm ein
päpsthches Wort und ein päpsthcher Rat als entscheidend. Das
benihte auf seiner Überzeugung von der Lehi^gewalt des Papstes:
er sah in ihm den Zeugen der apostolischen Tradition. Als er
1) M.G. Ep. V S. 66 f. Nr. 8; S. 90 Nr. 2; S. 92 Nr. 3; S. 97 Nr. 7;
2) Ib. S. 97 Nr. 7. [S. 99 Nr. 8.
3) Ib. S. 88 Nr. 1 ; S. 89 Nr. 2. Besondera über die Sendboten Karls
tatte er manchfach zu klagen S. 91 Nr. 2; S. 101 Nr. 9. Karl riss endlich
die Geduld, und er antwortete ihm spitzig, er sei überhaupt nicht imstande
-einen Königsboten zu finden, der Leo gefiele S. 102 Nr. 10.
4) Ib. S. 90 Nr. 2; S. 94 f. Nr. 5.
5) Ib. S. 103 Nr. 10: Cogitamus, quod nullus de antecessoribus nostris
partibus ipsis (es ist wohl vestris zu lesen) cum tanto amore servierunt,
quantum nos servivimus. Sed nostrum servitium, ut videmus, nemini ap-
tum fuit.
6) Imperante domino nostro Carolo piissimo perpetuo Augusto a Deo
coronato magno et pacifico imperatore anno . . post consulatum eiusdem . .
in dictione . . (s. J.W. S. 307).
— 110 —
auf der Synode zu Fianktuit ') eine dogmatische Frage entscheiden
liess, hegrUndete er die Richtigkeit seiner Bestimmung mit der
Erinnerung, dass er den römischen Bischof ethche Male deshalb
befragt habe, da er zu ^vissen wünschte, was die röjuische Kirche,
belehrt durch apostolische Überlieferungen, über jene Frage er-
kläre.-) \\'enn er von der Herrschaft des Papstes in der Kirche
sprach, so fasste er den vieldeutigen Ausdruck sofort dahin näher;
der Papst lierrscht durch seine Lehre. ^) In den Karoliuischen
Büchern wird dieser Punkt mit absichthchem Nachdruck hervor-
gehoben: die römische Kirche ist von dem Herni über die andern
apostolischen Kirchen erhöht, wie Petrus über die übrigen Apostel;
nicht auf Grund von Spiodalbeschlüssen, sondern kraft der Auttjrität
des HeiTu besitzt sie den Primat. Ihr Rat ist von den Gläubigen
zu hören; aus den Schriften, welche sie als kanonisch anerkennt,,
sind che Beweisstellen zu entnehmen; die Anschauungen deijenigen
Kii'chenlehrer, welche sie annimmt, sind zu beobachten.'*) In diesem
Punkte konnte man in Rom mit Karl zutrieden sein.
Aus der Hochstellung der römischen Tradition erklärt sich
Karls Verehrung gegen die kultischen Ordnungen der römischen
Kirche. Er hat ihre Einfülnning in seinem Reich gefördert: die
L'rsache war nicht, dass er die römische Messe für erbauhcher oder
die römische Musik fiii" schöner hielt als die heimische; nur der
Gedanke an die Gleichheit mit Rom bestimmte ihn zur Annahme
der fremden Gewohnheiten.^) Aus demselben Ginmde forderte er
Beobachtung des römischen Ritus bei der Taufe. Selbst in solchen
Kleinigkeiten wie in der Form der Schuhe sollten die Geistüchen
sich an das römische Vorbild halten.") Karls Motiv liest man weder
in den Karoliuischen Büchern: von Anfang an sei die fränkische
Kirche im Glauben einig gewesen mit der römischen, dagegen in
der Fonn des Gottesdienstes wären kleine Verschiedenheiten vor-
handen. Diese berührten zwar den Glauben nicht, doch habe sein
Vater wie er selbst sich um ilu-e Beseitigung bemüht, damit die-
1) Juni 794, Ann. Mosel!. (M.G. Scr. XVI, 498).
2) Carol. ep. ad ?:ii].. (Mansi XIII 901).
3) Widmung einer Prachtband-schrift des Psalters an Hadrian I. (Poet>
lat. I S. 91 f.) V. 20: Ecclesiamque Dei dogmatis arte regas.
4) Libr. Carol. I, 6 (Migne 98, 1019 ff.).
5) Capit. 22, 80 (a. 789) S. 61 : Ob unanimitatera apostolici .sedis et
s. Dei eccleniae pacificam concordiara ; vgl. 30 S. 80; 117, 9 S. 23.5 und
Leidrads Verwaltungsbericht, wonach Karl ihm einen Metzer Kleriker be-
hufs Reform des Gesanges in Lyon zusandte. M.G. Ep. IV S. 542 f. Nr. 30.
In Metz herrschte der römische Kirchengesang seitChrodegang; vgl. oben S. 34.
6) Capit. 23, 23 f. S. 64. Concil. Mog. (813j c. 4 Mansi XIV S. 66.
— 111 —
jenigen. wefche in einem Glauben vereinigt seien, nicht dui'ch die
Verschiedenheit gottesdiensthcher Formen getrennt wih-den. Er
unterlässt nicht, hervorzuheben, dass Papst Hadi'ian ihn hiezu er-
mahnt habe.-')
Es geht über die bisher gezeichnete Linie kaum hinaus, dass
er auch die administrative und disziphnare Gewalt des Papstes un-
bedenkhch anerkannte, wo immer sie der Wahnmg traditioneller
Ordnungen diente. Als bei der Wiederherstellung der Metropoh-
tansprengel sich der alte Streit zwischen Arles und Vienue erneute,^
wurde die Entscheidung getroffen auf Grimd der Verfügungen
früherer römischer Bischöfe : Karl setzte ihre Giltigkeit ebenso unbe-
denkhch voraus, als er die Erledigung eines analogen Streits Hadrian
Überhess. ^) Um die Bischöfe Angilram von Metz und Hildebald
von Köln dauernd am Hof zurückhalten zu können, erwirkte er
selbst füi- sie die Entbindung von der Residenzpflicht.'') Dass der
Papst falsche Lehre durch Verhängung des Bannes bestrafte, schien
ihm völlig in der Ordnung: er hat es im adoptianischen Streite
nicht nm' zugelassen, sondern provoziert.*)
Allein diese Anerkennung römischer Rechte hinderte nicht,^
dass Karl sich selbst als den Leiter der fi'änkischen Kirche be-
trachtete. Das galt ihm als unmittelbarer Ausfluss seiner Königs-
pflichten und Rechte. In den Karohnischen Büchern erklärte er,^
nach Gottes Gabe habe er das Steuerruder der Kirche im Umfange
seines Reichs übernommen; ihm sei sie in den stüi'mischen Fluten
dieser Welt zm- Leitung anvertraut.^) Demgemäss bezeichnete er
die fi'änldschen Kirchen als seine Küxhen, Bistümer und Klöster
als ihm zm- Regierung überlassen.^) Das Verhältnis der könighchen
Macht zm- Papstmacht aber bestimmte er in einem Schreiben an
Leo LH. folgendermassen: Unsere Aufgabe ist es, mit Hilfe Gottes
die heihge Kirche Christi nach aussen gegen den Einbruch der
Heiden und die Verwüstung durch die Ungläubigen mit den Waffen
zu verteidigen und nach innen dm'ch Anerkennung des kathohschen
Glaubens zu festigen. Em^e Aufgabe ist es, wie Moses mit zu Gott
erhobenen Händen unseren Kjiegsdienst zu imterstützen, damit das
christliche Volk, dank Eurer Fürbitte, von Gott geführt und aus-
1) Libri Carol. I, 6 S. 1021.
2) Capit. 28, 8 S. 75 (Frankfurter Synode).
3) Cap. 28, 55 S. 78.
4) Vgl. unten das 5. Kap.
5) Praef. lib. I S. 1001 f.
6) Capit. 30 S. 80: Quia curae nobis est, ut nostrarum ecclesiarum ad
meliora semper proficiat status; 29 S. 79.
— 112 —
gestattet, stets und überall den Sieg über die Feinde seines Namens
habe.*)
Man sieht: während Karl dem Papst eine rein religiöse Thätig-
keit zuwies, nahm er die Sorge tür die Kirche im weitesten Umfang
als zum Amte des Königs gehörig in Ans])ruch. Das war der
ausschlaggebende Grundsatz, an den mau immer wieder eriiuiert
wird. Vit'lU'icht fühii kein Schriftstück so unmittelbar in die Ge-
danken ein. in welchen Karl handelte, als das im Jahre 789 er-
lassene Sendschreiben; der König erklärt, er wolle ein Mitarbeiter
der Bischöfe bei ilu-er religiösen Arbeit an dem Volke sein: dazu
fühle er sich verpflichtet aus Dankbarkeit für die ihm und seinem
Volk erwiesene götthche Gnade. ])ie königlichen Sendboten sollten
deshalb vereint mit den Bischöfen kraft der Autorität des Herrschers
bessern, was zu bessern ist. Niemand achte, so schliesst seine An-
sprache, diese fromme Ermahnung für vermessen, sondern jeder
nehme sie willigen Sinnes an. Wir lesen ja im Königsbuche, me
der heilige Josias das ihm von Gott verliehene Königreich zum
Dienste Gottes zurückzuführen bestrebt war. Nicht dass ich mich
dem heiligen Könige gleichstellte; aber es hegt uns ob, dem Vor-
bild der Heihgen nachzufolgen und, dem Herrn Jesus zu Ehren,
so viele wir können zum Eifer im rechten Leben zu versammeln.-)
Diesen Uberzeugimgen gemäss gestaltete sich Karls Stellung
zu der Kirche in ])eutschlaiid und Frankreich. Er regieite sie
genau so, wie er das Reich regierte. Seine Herrschaft war nicht
absolut, sie war gesetzmässig: wie er dort an die Volksrechte ge-
l)unden war, so achtete er sich hier zur Beobachtung der kirch-
hchen Gesetze verpflichtet. Innerhalb dieser Schranken aber hatte
seine Macht keine Grenze. Seine Kapitulnrien griften überall in
das Geljiet der kirchlichen Gesetzgebung und der kirchlichen Xer-
waltung ein; sie 'i)estimmten das Grosse, wie sie das Kleine regelten;
sie eiTieucrten altes und schufen neues Recht. '^) Die Königsboten
1) Ale. ep. 93 S. 137.
2) Ciipit. 22 S. 53. Hcfele (CG. III S. 664) sieht in dem Kapitular
eine Vorlage Karls für die Aachener Synode von 789, welche die liischöfo
annehmen und zu einer kirchlichen Vorschrift erheben sollten. Aber da
das Schriftstück gerichtet ist an omnes ecdesiasticae pietatis ordines seu
saecularis potentiae dignitates, so ist das unmöglich. Die Worte der Ein-
leitung: Considerans . . una cum sacerdotibus et consilariis nostris zeigen,
dasa der Erlass als Resultat einer Verhandlung, an der geistliciio und welt-
liche Grosse teilnahmen, betrachtet sein will. Der Satz: (.^uapropter et
nostros ad vos direximus missos, lässt annehmen, dass die königlichen Send-
boten den Erlass an die einzelnen Bischöfe überbrachten.
3) Die Belege hiefür bringt das 4. Kapitel.
— 113 —
kontrolierten die Ausführung der kirchlichen Vorschriften ebenso
wie sie die Beobachtung der weltUchen Gesetze überwachten.^)
In allen kirchhchen Angelegenheiten stand die letzte Entscheidung
bei dem König: selbst die Synoden legten ihm ihre Beschlüsse
vor, dass er Fehlendes beiftige. Irriges bessere, das Richtige dui'ch-
fiihre.-) Mit einem Wort: Karls Thätigkeit umspannte das ganze
Gebiet des kii'chhchen Lebens; für die Herrschaft der Päpste Hess
sie keinen Platz. Deshalb sind direkte Eingrifte Roms in die Lei-
tung der deutschen Kirche unter Karl nicht vorgekommen: traf
der Papst eine organisatorische Massregel, so war er vom König
dazu beauftragt;-^) entschied er eine Streitfrage, so war sie ihm
vom König zui' Entscheidung zugevnesen;"*) verhängte er den Bann,
so geschah es im Einvernehmen oder auf Anlass des Königs. '')
Auch die Disziphn über die Bischöfe hat Leo III. ihm geradezu
überlassen.*^) Päpsthche Erlasse galten keineswegs als entscheidend
ftii- die königlichen Bestimmungen: sie waren Autoritäten neben
andei-n, aber nicht über andern.') Daraus folgte nicht, dass der
Einfluss Roms unter Karl erlahmte oder dass das Ansehen des
Papsttums sank. Beides war dadui'ch verhütet, dass er in dem
Römischen das kirchlich Normale sah. Während an Herrschaft
1) Vgl. z. B. Cap. 33, 10 ff. (a. 802) S. 98 f.
2) Synode von Arles 813. Mansi XIV S. 62; vgl. S. 117 Anm. 3.
3) Erhebung Arns zum Erzbischof. (J.W. 2496 : Quod vestra . . excel-
lentia mandasset nobis . ., quod Arnonem . . archiepiscopum constitueremus.)
Entscheidung über den erzbischöflicben Rang von Moustier en Tarantaise,
Embrun und Aix, Cap. 28, 8 S. 75. Verfügungen über Grado und Aqui-
leja J.W. 2521. Ich kann nicht finden, dass Ketterer S. 103 mit Recht
hieraus folgert: die Abgrenzung der einzelnen Metropolitansprengel voll-
zog Rom.
4) S. S. 111 Anm. 2 und vgl. Cod. Carol. 67 S. 594 ff.
5) Tassilo, Ann. Lauriss. z. 787 S. 74 f. Die Adoptianer, vgl. hierüber
unten. Die päpstlichen Androhungen des Bannes hat Weyl S. 72 ff. zu-
sammengestellt. Sie beweisen natürlich nichts, da an sich jeder Bischof
berechtigt war, den Bann zu verhängen.
6) Vgl. J.W. 2521 über Fortunat von Grado: Ut de anima eius curam
ponatis, ut per vestrum pavorem suum ministerium melius expleat. Quia
non audivimus de eo, sicut decet de archiepiscopo. Der Gedanke ihn zur
Rechenschaft zu ziehen, kommt dem Papst überhaupt nicht.
7) Bezeichnend ist hiefür Karls Entscheidung des Streites zwischen
Arn und Ursus von Aquileja. Der letztere berief sich auf die antiqua auc-
toritas, der erstere auf römische Privilegien. Karl erklärte: Nos eorundem
auctoritatem neutiquam falsara, neutiquam infirmam facere volumus, quia
una antiquitate, altera s. Rom. ecclesiae sublimitate praecellebat, entschied
aber secundum rectitudinis normam anders als beide beanspruchten (B.M. 448).
Hauck, Kirchengeschichte. IL 2. Aufl. 8
— 114 —
Ivoins nicht gedaclit wurde, stieg docli der geistige Einfliiss des
Papsttums.
In letzterer Hinsiclit tiinlerte Karl die zuerst von Ronifntius
in die fränkische Kirche vcrptianzten Anschauungen. Al)gesehen
davon alu-r waren sie völlig verschwunden: die ^Nlacht des Kaisers
über die Kirche war im Reiche Karls diesellje wie im Staat der
Merowinger die Macht des Königs.
In welchem Masse die v(in Karl ausgesprochenen Anschau-
ungen herrschend waren, tritt geradezu überraschend darin hervor,
dass die Fremden, welche Karl in seine Umgebung zog, seine
Stellung innerhall) der Kirche nicht anders ansahen als er selbst.
AVie oft bezeichnete Alkuin Karl als den Schützer der heiligen
Kirche: er dachte dabei nicht nur an Schutz gegen äussere Feinde,
sondern auch an Behütung vor falscher Lehre. ^) Mit zwei Schwertern
lässt er Karl ausgerüstet sein: mit dem einen schlage er im Innern
der Kirche die falschen Lehren nieder, mit dem anderen wehre er
der Verwüstung durch die Heiden.-) Daran fügte sich sofort ein
anderer Gedanke: Karl ist der Leiter der Kirche Christi:'*) er
bessert das Schlechte, stärkt das Gute, erhfiht das Heilige, breitet
den chnsilichen Glauben aus:^) seine Autorität kann das. was in
der Kirche nicht zu loben ist, leicht beseitigen.'*) Man wundert
sich nicht, dass er den König schliesslich geradezu als Priester*)
und Prediger") bezeichnet, dass er die Kirche seiner Herrschaft
untergeordnet sein lässt.'') Er preist das fränkische Volk glücklich
1) Vgl. z. B. ep. 41 S. 84; 171 S. 281: 202 S. 335.
2) Ep. 171 S. 282. Dümruler zitiert zu dieser Stelle Lo. 22, 38. Ich
zweifele doch, ob eine Beziehung anzunehmen Ist (vgl. die Auslegung der
Stelle ep. 136 S. 206).
3) Ep. 136 S. 209: Dilectissime ecclesiarum Christi dofensor ot rector,
tuap nanctissiniae eapientiae venerabile studiuni alios aramonendo exhorte-
tur, alios castigando corrigat, alio.s vitae distiplinis erudiat. ut omnibus
omnia factus ex omnibus mercedem habere niereari.s perpetuam. Carm. 26
V. 6 S. 245.
4) Ep. 121 8. 176.
5) Ep. 136 S. 209; vgl. 211 S. 351; carm. 4-5 v. 42 S. 258.
6) Adv. Elip. I, 16 S. 25: C'atholicus in fide, rex in potestate, pontifex
in praedicatione, iudex in aequitate, philosophu.s in literarum studiis.
7) Ep. 41 S. 84: Beatus populus tali rectore exaltatus et tali praedi-
catore munitun. Die stärkste .Stelle ist wr.lil ep. 171 S. 281: guod olim
apostolici patre.M suis scriptis in contirmationem fidei catholicao diversis
mundi partibus peregerunt, hoc vestra sanctissima sollicitudo implere non
cetsat; vgl. 178 S. 294.
8) Ep. 198 S. 327: Dum vestrae potentiae gloriosam sublimitatem
non periturae Chaldeis flammis Hierusalem imperare scio, sed perpotuae
— 115 —
um seines Herrschers' willen: das siegreiche SchAvert halte er in
seiner Rechten, die Posaune der katholischen Predigt ertöne von
seinen Lippen. Deshalb sei er der neue David; denn auch der
israelitische König habe die Nationen ringsum unterworfen, unter
seinem Volk aber sei er der Prediger des göttlichen Gesetzes
gewesen.^)
Welche Stellung bUeb dann für den Papst? Wir wissen, wie
hoch Alkuin das Papsttum stellte; aber er hatte keine Ahnung
davon, dass es je zu einem Gegensatze der geistlichen und welt-
hchen Macht kommen könne. Der Grund war, dass auch er das
päpstliche Amt als ausschliesslich in der rehgiösen Sphäre befind-
lich betrachtete. Er empfahl sich einmal Hadrians sonderlicher
Fürbitte; dabei äusserte er. gewiss höre der Papst nicht auf^ täg-
lich die ganze Christenheit vor Gott zu vertreten und besonders
für diejenigen zu bitten, welche ihn eigens darum angingen. Auch
er sei dui'ch die Taufe Eigentum des Hirten, der seine Seele für
seine Schafe dahingegeben, und der sie dann dem Petrus zur Weide
anvertraut habe, indem er ihm zugleich die Macht verlieh, im
Himmel und auf Erden zu lösen und zu binden. Seinen Stell-
vertreter, so spricht er zu dem Papste, erkenne ich in Dir: Du
bist der Erbe wunderbarer Macht. Er fährt fort, er sei eines von
den dem Papste anvertrauten Schafen, aber schwer krank durch
seine Sünden; deshalb komme er zu ihm, um geheilt zu werden:
diu-ch die ihm von Christo verliehene Gewalt möge er das Band
seiner Schuld lösen.-)
Der Papst als der vornehmste Träger des Schlüsselamts war
für Alkuin gewissermassen der Repräsentant der göttlichen Gnade
auf Erden. Mit diesem Gedanken verband sich leicht die Hoch-
stellung der päpsthchen Lehrautorität. Leo dem Dritten iiift
Alkuin zu: Du. der Du den Schlüssel des Himmelreichs trägst,
der Du von dem Lichte, das alle Menschen erleuchtet, diis Licht
der Weisheit besitzest. Du Hirte der Schafe Christi, weide die-
jenigen, welche Dir übergeben sind, mit dem Brote des Lebens, den
Blüten der Tugenden, dem Worte der Predigt.") In einem Brief
pacis civitatem pretioso sanguine Christi constructam regere atque guber-
nare, etc.
1) Ep. 41 S. 84.
2) Ep. 27 S. 68; ähnlich an Leo III. ep. 94 S. 138 f.
3) Ep. 234 S. 379f. Wenn Alkuin dabei sehr nachdrücklich bemerkt:
Hoc est opus tuum, haec laus dignitatis tuae, wenn er vor saecularis ara-
bitionis cupiditas warnt, so sieht man, dass er das Übergreifen des Papstes
auf das weltliche Gebiet ebenso entschieden missbilligte, als er das der
Bischöfe vei-warf-, vgl. ep. 17 S. 48: Divisa est potestas saecularis et potestas
8*
— IIG —
an die Mönclie in Südfrankroich orklärt er: Wer als ein katholischer
Chnst und nicht als Schismatiker erfunden werden \vill. der folge
der hewälirten Autorität der römischen Kirche; lasst uns das Vor-
hild unseres Heils immer da nehmen, woher wir im Anfan"; den
katliolischen Glauhen empfangen hahen, damit nicht die (^lieder von
ihrem Haupte geschieden werden, damit uns nicht der Himmels-
plortner als abtrünnig von seinen Lehren verwerfe.')
Von diesen Gedanken ging nun aher Alkuin niciit dazu weiter,
dass er ein Recht des Papstes, bindende Vorschriften zu erlassen,
behauptete: zu befehlen gebührt dem König. Der Papst herrscht
nur diuch >eine Lehren und Ermahnungen.-) Hier ist die Schranke
zwischen den beiden Gewalten.
Niemand wird in Alkuins Aussagen eine reifhch erwogene
Theorie übei- wc^ltliche und geistliche Macht finden wollen. Sie
sind Reflexe der thatsächlichen Lage, die er im fränkischen Reiche
antraf. Gerade darauf beruht ihr Wert; denn sie zeigen, dass
ernst gesinnte Männer die Gewalt, welche Karl in der Kirche
übte, nicht als drückend empfanden: sie erkannten sie nur als
heilsam.
Andere haben das nicht minder bestimmt ausgesprochen als
Alkuin. Nicht in dem Papst, sondern in dem König sah Theodulf
von Orleans den Stellvertreter des Petrus: er sprach von einer
Kfinigshen-schaft Karls über die Kirche. "^ Nach der Zerstörung
des Langobardenreichs richtete ein Priester, Namens Cathwulf, ein
Schreiben an Karl, das auf uns gekommen ist. Da nennt er ihn
den Stellvertreter Gottes, dessen PHicht es sei, alle Glieder Gottes
zu behüten und zu regieren. In die zweite Reihe nach dem König
spiritatis; illa portat glarlium mortis in manu, haec clavora vitae in lingua.
Um 80 bemerkenswerter ist, dass er von diesem Grundsätze dem Koni«?
pejfenüber keine Anwendung macht. Über die päpstliche Lehrautoritäl vgl.
femer oarm. 15 S. 238; 28 8. 247; adv. Felic. VII, 14 S. 227.
1) Kp. 137 S. 215.
2) Carm. 28 v. 17 £f. S. 247.
3) Carm. 32 v. 31 ff.:
Caeli habet hie (Petrus) claves, proprias te jussit haben",
Tu regis ecclesiac, nam regit ille poli.
Tu regis eius opes, clcrum popnlumque gubemaa
Hie te caelicolaB ducot ad usque choros.
Von Ludwig d. Fr. carm. 37 Str. 3:
Hie decus ,Iudae, ecclesiae paterque
Ornat hanc sollers, recreat, fovetque,
Erudit, mnnit, colit, instruitque
Dogmate largo.
— 117 —
steUt er d\e Bischöfe, seien sie doch nur Stellvertreter Christi.
Sein Amt der Kirche gegenüber, hielt er sodann dem König vor,
sei noch nicht ausgelichtet, wenn er den geistlichen Stiftungen
reiche Pnvilegien erteile, nein, Karl habe rechte Bischöfe einzu-
setzen und mit ihnen die Klöster zu regieren. Cathwulf hatte ein
gewisses Gefühl dafür, dass das Kirchhche und das StaatHche
selbstständige Gel>iete sind; es dünkte ihn ein Frevel, wenn die
Klöster durch Laien, nicht durch ihre geisthchen Hirten reformiert
würden: aber in dem König dachte er das auf den unteren Stufen
Getrennte vereinigt.^)
Dieselbe Bemerkung macht man bei Paulinus von Aquileja:
mit allem Nachdruck erklärte er sich dagegen, dass Bischöfe
politisch thätig seien oder zu Felde zögen; darin erbhckte er eine
tiefe Schädigung der Kirche.-) Aber ebenso entschieden war er
der Meinung, dass der Beruf des Herrschers sich auch auf die
Kirche erstrecke : =^) Geisthches und Weltliches dachte er wie zwei
Gebiete, welche von einem Herrn regiert werden, im übrigen jedoch
selbststänchg neben einander stehen. Seine Anschauung teilten seine
italienischen Amtsgenossen; am Schlüsse des Gutachtens, welches
sie auf der Synode von Frankfurt im Jahre 794 abgaben, fordern
sie Karl zum Kampf wider die Feinde des christhchen Namens
auf; vor allem Geräusche der Welt möge die Kirche behütet werden,
damit die Priester dem Herrn allein dienen mid nur in seinem
Lager Kriegsdienste leisten können. Kämpfe Kaii gegen die sicht-
baren Feinde Christi, so stritten sie mit geistlichen Waffen gegen
1) M.G. Epist. IV S. 501 ff. Nr. 7.
2) Bruchstück eines Briefs an Karl M.G. Epist. IV S, 52-5 Nr. 18 a;
vgl. 18 b. Beinahe sämtliche Sätze finden sich wieder in dem sogenannten
Libell. sacrosyll. der Italiener auf der Frankfurter Synode.
3) Ep. 18 c S. 527: Ut admirabili in rerum eccle&iasticarum sive civi-
lium administratione strenuus et sapientiae fönte redundes et virtutis ex-
hibitione triumphes. Vgl. das Schreiben der Synode von Forumjulii (Mansi
XIII, 829 ff., auch M.G. Ep. IV S. 517 Nr. 15): Quae cuncta (die Synodal-
beschlüsse) . . in vestro decrevimus reservare iudicio : quatinus . . si nullius
esse deprehendantur momenti, vestrae auctoritatis censura penitus abolita
sopiantur; si vero alicuius fortasse utilitatis . . poterunt approbari, vestris
fulcita fortius adiumentis vivaciter convalescant. S. 520: Neminem alium
(als Karl) arbitrati sunt s. ecclesiam de inlatis iniuriis tam potentissime
quam regali animadversione ulcisci, vicariam ab eo vicissitudinis expetens
curam; ut quemadmodutn illa eum et in praesenti saeculo nequam sacris
tuetur perpetem precibus, et inter bella spiritalibus non cessat coronare
triumphis, et coelesti regno . . participem fieri imprecatur, ita et ille princi-
palem adeptus potentiam et ab inimicis eins valenter eam defendere et de
hostibus eins . . non desinat vindicare.
— 118 —
die unsichtlianMi Feinde. Karl aber sei Herr und Vater. Kimig
und Priester, aller Christen Leiter und Führer.')
Stellen wir nehen diese Äusserungen Ficnider die Aussagen
fränkischer Männer! Finer der Tiicnldgen, die Karl iil)er di(! Frage
des Ausgangs des heiligen Geistes /u Kate zog, äusserte sich in
der AVidniung seines Gutachtens darüber, wie viel die Christenheit
dem Krmig verdanke: nicht nui- Friede und Ruhe, sondern auch
die stetig Avachsende Ausbreitung des christlichen Glaubens, die
Unterdrückung der Irrlehren, die Pflege der geistHchen und welt-
lichen Wissenschaft. Dabei ist es für ihn selbstvei-ständlich, dass
die Kirche unter dem Gebot seiner Herrschalt steht: Karl erscheint
wie der Stellvertreter Christi, dieser triumjjhiert in seinen Thaten.-)
In derselben Zeit schrieb der Abt Smaragdus von St. Mihiel für
den jugendlichen König Ludwig seinen „Königlichen Weg". Hier
mahnt er den Fürsten: Der Eifer um das Haus des Heirn soll
dich verzehren; denn in diesem Hause Gottes bist auch du ein
Glied Christi. Siehst du etwas Verkehrtes in der Kirche CJhristi,
eile, es zu ändern; lass nicht ab, es 'zu bessern. Siehst du im
Hause Gottes einen in Üppigkeit und Trunkenheit verfallen, so
hindere, verbiete, drohe, wenn der Eifer um das Haus Gottes dich
verzehri. Siehst du einen Stolzen oder Zornmütigen, einen Trunk-
süchtigen oder Neidischen, einen l'ppigen. Geizigen oder (Grausamen,
so bändige alle, bedrohe alle, halte alle in strenger Zucht. Thue,
was du kannst, gemäss der Stellung, welche du hast, gemäss dem
Königsamte, das du führst, gemäss dem (Jhristennamen, den du
trägst, als Stellvertreter Christi, der du bist.-')
Das waren Anschauungen, die num in Kom nicht teilen konnte.
Von kirchlichen Aufgaben Karls wusste und sjjrach m.in freilich
auch dort. Aber man beschränkte sie ;iuf die Verteidigung der
Kirche gegen äussere Feinde und auf die Fihöhung Roms und des
\) Miinai XIII. 8^3.
2) Vgl. M.G. Epist. IV S. 490 Nr. 3 die Widmunpr 'I't Alkiiin /.uge-
8chripl)cnen Schrift dp i)rocos8. Spir. s. Über die Frage <lnr Aiitorschaft
unter, im 5. Kapitel. Die Haiiptstellon sind: fllniversalis occlesia) sub ex-
cencntis.sinio dominationis ve.strae inij»crio conversatnr. . . Chri.sto, qui ve.stri
est cordis possessor, per vos de ipsis (haeretifis) triumphante . . . Vestrae
dominationis titulus nulla aetate, niilla otiam vetustato aliolente, in uni-
versali manebit ecclesia.
3) Via Tf-K- <•■ 18 (Mifjne 102 S. 9.*)H). ('bor Smanigdus und seine Schrift
f«. u. Buch V Kapitel 3. Statt violentia temulentum ist offenbar vinolentia
7.U lewn. Ähnliche Äusserungen anderer fehb-n nicht, vgl. /.. IJ. Amalar.
pp. 7 ad Ludov. Pium (M.G. Kp. V S. 258): Cum sciamus vos roctorem esse
totius christiacae religionix, quantum ad homine.s pertinct.
— 119 —
Papsttums durch immer neue Gaben und Schenkungen; höchstens
dass man noch den Schutz des Glaubens vor jeder Gefalii" nannte,')
Dagegen wurde mit absichthchem Nachdruck hervorgehoben, dass
den Päpsten die Sorge für die Gesamtkirche übertragen, dass ihnen
die Herrscliaft über dieselbe verliehen sei.-) Man behauptete, die
Kirchen von Konstantiuopel. Alexandria und Antiochia seien Rom
nicht nur unterworfen, sondern sie wagten auch nicht einer römischen
Entscheidung zu widersprechen.^) Die Rechte, welche Karl in An-
spruch nahm, wurden nicht direkt bestritten; aber niemals wurden
sie gebilligt oder anerkannt. Kein Wunder: man hatte den orien-
talischen Kaisern gegenüber zu nachdrücklich die Unabhängigkeit
des geistlichen Gebiets von der weltlichen Macht vertreten.*) als
dass man die h'änkischen Anschauungen hätte annehmen können.
Verwarf man den Satz: Ich bin Kaiser und Priester, wenn ein
Nachfolger Konstantins d. Gr. ihn aussprach, wie hätte man ihn
billigen sollen, wenn er von dem Erben Pippins behauptet wurde ?'^)
Hier lag ein Keim künftigen Zwiespalts. Im Momente frei-
Kch w^ar nichts davon zu bemerken: zu überwältigend war die
Pei-sönlichkeit Karls, zu unbedeutend Hadriau und Leo. Unge-
hindert von ihnen und kaum gefördert durch sie waltete Karl
in der fi'änkischen Kirche: das neue Leben, das in ihr erwuchs,
ist allein durch ihn geweckt und gepflegt, zur Blüte und Reife
gebracht.
1) Z. B. Cod. Carol. 55 S. 579.
2) Hadrian an Karl 794 (M.G. Ep. V S. 6): Evangelium scientibus
iiquet, quod . . Petro claves regni caelorum et totius ecclesiae cura com-
missa est (Jo. 21, 17; Lc. 22, 31; Mt. 16, 18 f.). Ecce cura ei totius eccle-
siae et prineipatus committitur. Et ipse vices suas vicariis suis pontificibus
relinquere dinoscitur ecclesiae curam gerendi. Vgl. Cod. Carol. 94 S. 634.
3) Hadrian an den Abt von St. Denis M.G. Ep. Y S. 4.
4) Gregor IL an Kaiser Leo Isaur. (Mansi XII, 968 f.J : Scis, imperator,
s. ecclesiae dogmata non imperatorum esse sed pontificum, quae tuto debent
dogmatizari. Idcirco ecclesiis praepositi sunt pontifices a reipublicae negotüs
abstinentes; et imperatores ergo similiter ab ecclesiasticis abstineant, et
quae sibi commissa sunt, capessant.
5) Derselbe an denselben (1. c. S. 976 f.): Scripsisti: Imperator sum
et sacerdos . . Non sunt imperatorum dogmata sed pontificum; quoniam
Christi sensum nos habemus. Alia est ecclesiasticarum constitutionum in-
stitutio et alius sensus saecularium . . . Quemadmodum pontifex introspi-
ciendi in palatium potestatem non habet ac dignitates regias deferendi, sie
neque imperator in ecclesias introspiciendi et electiones in clero pei'agendi
neque consecrandi.
Drittes K a ]) i t e 1.
Theologie und Litteratur.
Pippiu hat die von Bonifatius begonnene Reform der frän-
kischen Kirche geüh-dert, indem er die äussere Ordnung in den
kirchhchen Dingen, so weit es anging, wiederherstellte. Karl fuhr
darin fort; aber er beschränkte sich nicht darauf: er arbeitete au
der inneren Erneuerung der Kirche. Das wichtigste Mittel, dessen
er sich bediente, war die Pflege der Theologie.^)
Als Karl die Regierung antrat, war die fränkische Kirche
vollständig theologielos: es fehlte alles, was auch nur entfernt auf
den Namen wissenschaftlicher Thätigkeit Anspruch machen konnte.
In diesem Punkte war der Untei-schied zwischen England und
Deutschland inmiens. Als er starb, war der Yorsprung Englands
nicht nur verschwunden, England wai- überholt: nun deckte sich
fränkische Theologie und abendländische Theologie überhaupt. Dass
es dazu kam. ist Karls Werk: es ist das Grösste, Reinste, was er
für die Kirche geleistet hat.
Er war dabei ganz (.rigiual. Als Politiker hatte er seinen
Vater zum Vorbild; ohne den Riss zu verändern. l»aute er auf
dem von ihm gelegten Gninde weiter. Auch als Feldhen- ist er
in die Schule Pippins gegangen; wie das kriegerische Talent in
1 ) Man verjfleiche zu diesem Kapitel, abgesehen von der Spoziallitte-
rdtur: Biihr, Geschichte der römischen Litteratur im karolingiscben Zeit-
alter (Karlsruhe 1840r, Ebert, Allgemeine Geschichte der Litteratur des
Mittelalters im Abendlande (2. Bd., Leipzig 1^80); Wattenbach, GQ. I 6. Aufl.
S. 150 ff.; Werner. Alcuin und sein Jahrhundert (Wien 1881); L. Traube,
Karolingische Dichtungen (Berlin 1888) S. 46 ff.
— 121 —
der Familie Arnulfs -von Metz erblich war, so gew-iss auch eine
strategische Tradition. Dagegen fanden die Interessen der Kultur
bei Pippin wenig Mege. Zwar hören A\-ir,, dass ihm ein Mann
wie der Kelte Yirgil wegen seiner Gelehrsamkeit wert war;^) al)er
er schätzte an ihm wohl vornehmhch die Selbstständigkeit der
Gedanken, die ausser der Regel gingen. Denn sonst Überhess er
die Gelehrten sich selbst. Von seines Vaters Tagen her bestand
am Hofe eine Schule:'^) dort lehrte man diejenigen Kenntnisse,
welche für die Bildung der Prinzen und der Söhne der Aristo-
ki-atie als unerlässlich galten.'^) Aber die Aufsicht über die Schule
lag in den Händen der Königin,^), Pippin nahm sich nicht darum
an. Auch die Sorge für die Aufzeichnung seiner Thaten über-
liess er anderen, seinem Oheim Hildebrand und seinem Vetter
Nibelung.'^)
In jener Schule wm'de Karl unterrichtet;") schwerlich würde
1) Conv. Bogoar. 2 (M.G. Scr. XI S. 6).
2) Unter Karl Martell war der spätere Abt Gregor von Utrecht Schüler
der Hofschule (V. Greg. 2 M.G. Scr. XV S. 67).
3) V. Wal. I, 6 S. 442 (Mab.): Fuit a puero inter tirocinia palatii
liberalibus mancipatus studiis. Der Verfasser der V. Wilh. Gellon. liisst
seinen Helden c. 3 A. S. Mab. IV, 1 S. 70 disciplinis liberalibus, literis
divinis ac diversis philosophorum doctrinis, ut erat moris fieri de principum
filiis, unterrichtet werden. Das war unter Pippin, übrigens nicht an der
Hofschule. Man darf wohl auch aus Cod. Carol. 24 S. 529 auf die Lehr-
gegenstände an der Hofschiile schliessen; hier schreibt Paul I. an Pippin:
Direximus . . praecellentiae vestrae et libros, quantos reperire potuimus: id
est antiphonale et responsale, insimul artem gramaticam, Aristolis (sie!),
Dionisii Ariopagitis geotnetricam, orthografiam, grammaticam, omnes Greco
eloquio scriptas. Wenn Paschasius Radbert die deutsche Bildung Adalhards
und Walas hervorhebt (\. Adal. 77 S. 532; V. Wal. I, 1 S. 533), so dient
auch dies zur Charakteristik der Hofschule unter Pippin.
4) V. Bened. 1 M.G. Scr. XV S. 201: Hie . . filium suum in aula
gloriosi Pipini regis reginae tradidis inter scolares nutriendum.
5) Fredeg. cont. 34 S. 182.
6) V. Adalh. 7 S. 525; Ale. adv. Elip. I, 16 S. 251. Es ist herkömm-
lich, diese Angaben als stark übertrieben zu behandeln (vgl. z. B. Abel,
JB. S. 21). Ich bezweifle nicht, dass der Zustand der Hofschule unter
Pippin, verglichen mit dem unter Karl, viel zu wünschen übrig Hess. Doch
beweisen die Anmerk. 3 beigebrachten Notizen, dass von einer Art wissen-
schaftlicher Unterweisung, wissenschaftlich natürlich im Sinne des 8. Jahr-
hunderts, geredet werden kann. Jedenfalls darf man auf die Nachricht,
dass Karl nicht schreiben konnte, so grosses Gewicht nicht legen, wie
gewöhnlich geschieht. Man muss erwägen, dass das Schreiben eine Kunst
war. und dass man deshalb ganz allgemein zu diktieren pflegte. Das thaten
Männer, die selbst schreiben konnten, wie Alkuin (ep. 207 S. 343 f), Bene-
— 122 —
sie ilmi den Weii des Wissens für die meiischliche Gemeinschaft
erschlossen hahen, wenn nicht ein angeborenes Rihlungshedürfnis
in ihm gehöht hätte. Seinen Zeitgenossen fiel sein nncrsiitthcher
Wisscnsdnrst iinf:') er gehcirte in der That zu den Menschen,
welchen das Vnvei-standene lästig ist: mochte es sich um Namen
handeln, welche jedermann gedankenlos gebrauchte, da sie altüber-
liefert waren,-) oder um Erscheinungen, welche das Zeitalter als
unheindich anstaunte, da sie aussergewöhnlich waren :=') Karl wollte
darüber unterrichtet sein. Auch da. wo anderen Männern das Ge-
tuhl der Ehrfurcht den ^NFund schloss. wagte er zu fragen: er be-
merkte Unebenheiten in der h. Schrift und er wollte eine Er-
klärung des Irrationellen*). Weil ihm das Wissen [Befriedigung
gewährte, schätzte er es als notwendig für die Allgemeinheit.
Besoudei-s für die Ausrichtung des kirchlichen Berufs dünkte ihn
ein gewisses Mass theologischer Bildung unerUisslich. Dies Urteil
ist ihm nicht erst erwachsen, als er durch die Eroberung Italiens
in Beriihrung mit ]\Iäunern kam, welche an Bildung die Franken
seiner Umgebung überragten.''^) Es stand ihm bereits fest, als er
den Thron bestieg. Schon in seinem ersten Kai)itulare") vei-Tügte
er, dass ungebildete Priester so lange zu sus])endieren seien, bis sie
die Lücken ihres AVissens ausgefüllt hätten. Weigerten sie sich
dessen, so sollten sie abgesetzt werden: denn die das Gesetz Gottes
nicht verstehen, seien auch nicht imstande, es anderen zu ])redigen.')
dikt von Aniane fV. Ben. 41 S. 218), selbst ein .junger Mönch wie Candidus
von Fulda (V. Eigil. 1 M.G. Scr. XV S. 222) oder der spätere Hischof Lul
von Mainz (Honif. et Lul. ep. 92 S. 379: Propria manu scripsi haec: Observa
quae precipiuntur et salvus eris). Vgl. Monod, Etudes crit. sur les sources
de l'hist. Carol. 1898 S. 40 f.
1) V. Ale. 9 8. 190; vgl. Servat. Lup. ep. 1 S. 44: Cui litterae eo
usque deferre deVjent, ut aeternitati j)arent memoriam.
2) Die Namen der Sonntage vor Ostern (Ale. ep. 143 S. 225).
3) SonnenfinsterniH (M.G. ep. IV S. 570).
4) Vgl. die Antworten Leos III. auf die Fragen Karls nach dem ge-
weissagten Nazarenus Mi. 2, 23, und den falschen Zitaten Mc. 1, 2 u. 1 Co.
2. H (M.G. Kp. V S. 93 Nr. 4). Die Theologen der Kurie fanden nur recht
dürftige Antworten.
:>) So Biihr, Gesch. d. röm. Lit. S. 11; Ehert. G. d. L. d. MA. II S. 4.
6) Die Zeit des ersten Kapitulars, das Karl erliess (C'ap. 19. S 44),
.Meht mcht fest; doch verlegt man es allgemein in die ersten .Tahro seiner
Kegierung (7fi9 oder 770); so Al.el, JB. S. 68, Boretius S. 44. Mühlbaclier
Nr. 13fi. Die Echtheit ist von Simson in der zweiten Auflage von Abels
JB. bezweifelt (S. 667 ff.), doch giebt er selbst seinem Zweifel keine prak-
ti.sche Folge.
7) C. i:. f. S. 46.
— 123 —
In den meisten Vorschriften dieser Verordnung sind ältere Bestim-
mungen wiederholt; die angeführten Sätze dagegen haben kein Vor-
bild: sie enthalten eigene Gedanken des jungen Königs.
Aber im fränkischen Reiche fehlten ihm die Männer, deren
er zur Verwirklichung seiner Ideen bedurfte. Er musste sie in der
Fremde suchen; es gelang ihm rasch, einen Kreis von gelehrten
Ausländern um sich zu sammeln, die vorübergehend oder dauernd
sich am Hofe aufhielten. Durch sie ist die theologische Wissen-
schaft im fränkischen Reich heimisch geworden. Vornehmlich
waren es Angelsachsen: es ist der zweite Dienst, welchen die eng-
lische Kirche der deutschen seit der Landung des Bonifatius leistete:
nach dem Reformator sandte sie ihr die Gelehrten.
Der erste Angelsachse, der in Karls Dienste trat, war Beonrad.')
Schon im Jahr 777 ül)ertrug ihm der König die Leitung der Pip-
pinidischen Familienstiftung zu Echternach.-) Er muss sich in dieser
Stellung bewährt haben; denn im nächsten Jahrzehnt wurde er an
die Spitze des Bistums Sens gestellt.^) Seine Abtei behielt er trotz-
dem. Man kann bemerken, dass er die philologischen Neigungen
teilte, die in den Klöstern seiner Heimat gepflegt wurden: wer ihm
grammatische Schriften schenkte, wusste, dass er ihm damit eine
Fi'eude machte.*) Die Theologie hat er deshalb nicht vernach-
lässigt; mit Interesse verfolgte er neue Erscheinungen.'^) Auch zu
einer diplomatischen Sendung war er zu gebrauchen; Karl hat ihn
790. oder 791 mit der Ausrichtung ziemlich heikeler Aufträge in
Rom betraut.*^) Er starb 797.')
Weit folgenreicher wurde der Eintritt eines zweiten angel-
sächsischen Mannes in den fränkischen Dienst: Alkuius.*^) Im
1) Seine angelsächsische Herkunft beweist sein Name.
2) Catal. abb. Epternac. M.G. Scr. XIII S. 738 vgl. XXIIl S. 31
not. 60.
3) Er kommt in Alkuins Schriften mehrfach unter dem Namen Samuel
vor; carm. 4 v. 25 flf. S. 221 erscheint er als Abt, carm. 8 S. 228 u. carm,
16 S. 239 als Bischof von Sens. Über den Samuel der ep. 88 S. 133 vgl.
unten.
4) Alkuin schickte ihm grammatische Schriften von Priscian u. Phokas,
tali quia munere gaudet, carm. 4 v. 34 S. 221.
5) Er gehörte zu den ersten Lesern des Johanneskommentars Alkuins,
ep. 49 S. 93; auch hat ihm dieser die Biographie Willibrords gewidmet,
v. Willibr. S. 39.
6) Cod. Carol. 94 S. 63^ ff.
7) Catal. abb. Epternac. 1. c.
8) Über die Form des Namens s. Traube, Karl. Dicht. S. 47 Anm. 1.
Nach ihm ist Alchvine, Alchvinus die richtige Schreibung. Alcuini opp. ed.
— 124 —
März 781 traf Karl in Parma mit ihm zusammen:^) eine znCälliwe
Begeguuuj;, wi'lrlie die weittragendsten Folgen hatte. Denn in ihm
erkannte der König den Mann, der ihm nötig war. Alknin stand
damals im kräftigsten Mannesalter: er ist wahrscheinlich um 730
geboren. '■■') Wie bei so vielen kirchlichen ^Nfäimern dieser Zeit ist
sein Geschlecht vergessen;*') mau weiss nur, dass er ein Xorthum-
berer war*) und dass er einer wohlhabenden Familie entstammte.'')
D;ls Kloster in York war seine Heimat; dort erwuchs er vom
Frobenius (Regensburg 1777). Ich zitiere nach dem Nachdruck bei Migne
100 und 101. Wattenbach und Dümniler, Monumonta Alcuiniana (Berlin
1873), hier die Biographie Alkuins, das Leben Willibrords, das Gedicht
über die Heiligen der Yorker Kirche und die Briefe. Die letzteren auch
M.G. ?]pist. IV. Die Gedichte in den Poet. lat. I S. 160 ff. Briefe und Ge-
dichte sind nach diesen Ausgaben zitiert. Disputatio de rhetorica et de
virtut. in: Rhetor.'lat. min., ed. Halm fLeipzig 1863); Disp. Pipp. cum
Albino in Zeitschr. f. deutsches Altert. N. F. II. Die V. Ale. auch M.G.
Scr. XV S. 184 ff. — Lorentz, Alkuins Leben (1829); Bahr a. a. 0. S. 302;
Wattenbach a. a. 0. S. 1.59 ff.; Werner a. a. 0. S. 22 ff.; Ebert a. a. 0.
S. 12 ff.; Düramler in der AUg. deutschen Biographie, ders. N.A. XVIII
S. .53 ff. und SB. der Berliner Ak. XXVII S. 49.5 fl\ Möllers (H. Hahns)
Artikel in der P. RE.; Sickel. Wiener SB. Bd. 79 (1875) S. 401 ff; Monod
a. a. 0. S. 45 ff.
1) V. Ale. 9 S. 190. Über diese Biographie s. Wattenbach, GQ. I
S. 163. Ihr Verfasser schrieb zwischen 821 und 829 auf Grund der Er-
zählungen de.s bereits verstorbenen Sigulf (Vetulus; über ihn s. u.). Der
Wert seines Werks wird beeinträchtigt nicht nur durch die Tendenz, in
.\lkuin einen Mustermönch zu zeichnen, sondern auch durch willkürliche
Wiedergabe des Überlieferten: dafür ist c. H. (vgl. mit ep. 200 S. 332)
charaktoristisch (s. u. S. 128 Anm. 2). Sind die Angaben des Biograj)hen
richtig, da.«s Alkuin von Eanbald von York (llx — 796) nach Rom gesandt
wurde und das.s er in Parma mit Karl zusammentraf -- was wir jedoch
nicht kontrollieren können — , so fand das Zusammentreffen im März 781
statt; denn daniale verweilte Karl in der genannten Stadt (B.M. 226).
2) Sein Geburtsjahr ist nicht überliefert; das gewöhnlich genannte
.Jahr 735 beruht auf Annahme. Dünnnlpr iiat N.A. XVIII. S. 54 für wahr-
scheinlich erklärt, dass er älter war. Mit Recht; denn im .lahr 767,
als Iiiudger nach York kam (s. u.), war er bereits Lehrer an der Schule
(V. Liudg. I, 10 S. 407); im .Fahre 796 spricht er von sich als einem (ireise,
ep. 114 S. 169; i. J. 801 meint er, er sei seinem Alter nach dem Tod
unmittelbar nahe: Me tacito pede rurva senectus festinarc cogit ad praesen-
tiam judicis mei (ep. 225 .S. 369).
3) Seine Verwandtschaft mit Willibrord erwähnt er selbst V. Willibr. 1
S. 41.
4) Ep. 122 S. 180.
5) V. Ale. 9 S. 190.
— 125 —
Knaben zum Jüugliiig und Manne. Die Pietät der Erinnerung
führte die Gedanken des Greises nicht darüber hinweg zum Eltern-
haus. M Was ihm das Kloster bot. zeigt seine spätere Thätigkeit:
ein gewisses Mass universaler Bildung, bestimmt, in den Dienst der
Theologie, der Frömmigkeit zu treten. Nur das mönchische Vor-
urteil seines Biographen weiss von einem Zwiespalt zwischen der
klassischen Gelehrsamkeit, welche man in York pflegte, und den
1) Vgl. ep. 42 S. 85. Dass Alkuin Mönch, nicht Kanoniker war, be-
hauptete Mabillon, A. S. IV, 1 S. 156 ff. und bestreitet Puckert, Aniane und
Gellone S. 248 ff. vgl. schon Möller-Hahn: nicht Mönch im eigentlichen
Sinn. Was Puckert über die Lebensweise Alkuins in Tours sagt, ist nicht
beweisend ; denn hiebei lässt er die zweifellose Thatsache ausser Acht, dass
die zu Recht bestehende Benediktinerregel in den Benediktinerklöstern
sehr schlecht beobachtet wurde, ein Mangel, der seinen Darlegungen nicht
nur an diesem Punkte anhaftet. Die Entscheidung liegt, wie mich dünkt,
bei der Frage, ob das Haus, aus dem Alkuin hervorging, ein Kloster oder
ein Stift gewesen ist. Diese Frage aber beantwortet Alkuin selbst ep. 42
S. 86, indem er an die Brüder in York schreibt: Regularis vitae vos or-
dinet disciplina, oder ep. 43 S. 88: Concordes estote in omni regularis
vitae disciplina. Dass die regularis vita für Alkuin das Leben nach der
Benediktinerregel ist, ergiebt sich aus ep. 19 S. 54. Dort mahnt er Regu-
laris vitae observationem . . custodite. Dazu gehört aber: Saepius regula
s. Benedicti legatur in conventu fratrum, ib. Die Brüder in York waren
also Mönche wie die in Durham, oder wie die Brüder in Holy Island ep. 21
S. 58 f. Da aber Alkuin ep. 42 von den b. patres, praedecessores nostri
spricht, die den Weg zum Himmel ihm vorangegangen sind, da er ep. 9
S. 35 die Benediktiner in Corbie als seine Brüder bezeichnet, so spricht die
Wahrscheinlichkeit dafür, dass auch er als Mönch zu betrachten i.st. Das
ist die Voraussetzung für die Klage: Temptavi saepius ad portum stabili-
tatis venire. Sed rector rerum . . needum concessit posse quod olim fecit
velle (ep. 97 S. 141). Die stabilitas loci gehört bekanntlich zu den Bene-
diktinergelübden. Alkuin hat sie abgelegt: Fecit velle. Aber sein Loben
widersprach ihr: Nos ambos quaedam necessitatis catena constringit et
libero cursu voluntatis castra intrare non permittit. Alkuin schreibt das
i. J. 796. In dasselbe fällt die Übertragung der Abtei St. Martin. Sie wird
mit seinem Wunsche (saepius temptavi), endlich seinem Gelübde genügen
zu können, zusammenhängen. Dem entspricht, dass Karl ihn als religiosus
bezeichnet, Ale. ep. 247 S. 400; denn die religiosa conversatio ist das
Mönchsleben ep. 54 S. 98. Die Stelle vita Ale. prol. M.G. Scr. XV S. 185
wo Benedikt als Vorbild der Mönche, Alkuin als das der Kanoniker bezeich-
net wird, erklärt sich genügend aus der Thatsache, dass St. Martin, als der
Verfasser schrieb, Kanonikat war. Dass c. 5 S. 187 zur Beantwortung der
Frage nichts austrägt, ist klar. Bemerkenswert scheint mir dagegen die
Parallelisiei-ung mit Benedikt c. 7 S. 188. Auch Alkuin selbst hat wohl
an ihn erinnert ep. 260 S. 418.
— 126 —
religi(»sen Zielen, zu denen man sich bekannte.^) Alkuin selbst
AViir so glücklich, diesen KoiiHikt niemals zu empfinden. Obgleich
er als das Beste, das er den Brüdern in York verdankte, die
Unterweisung in den heiligen Wissenschaften betrachtete,'') wurde
er nie irre in der Freude an dem welthchen Wissen, das er bei
ihnen erworben hatte.
Die Lehrer. in York waren ^Männer aus der Schule Bedas:
treulich hielten sie die Richtung inne, welche der grosse Präceptor
Angliae den Studien gegeben hatte. So war es zwar ein Irrtum,
aber es hatte doch ein sachliches Recht, wenn man in Deutschland
Alkuin als Schüler Bedas betrachtete.'^) An der Spitze der Schule
stand Erzbischof p]kl)ert; bewundernd blickte Alkuin auf die fürst-
liche Art seines bischöflichen Regiments;^) aber persöidich scheint
er dem Königssohne nicht näher getreten zu sein: auch die Be-
wunderung kann' ferne halten. Dagegen war er auf das innigste
verbuiulen mit Aelbert, Ekberts Gehilfen und Nachfolger.'*) P> ist
sein geliebter ]Meister;") alles Lob, das man einem Manne erteilen
kann,') knüpfte er an seinen Namen. Das war nicht der verzeihliche
Irrtum des bewundernden Schülers in der Beuiieilung des Lehrei-s.
Denn Aelbert üben-agte wirklich das gewöhnliche Mass. Er war
ausgezeichnet durch Vielseitigkeit des Wissens: nel)en dem Alten
und Neuen Testament lehrte er Grammatik, Rhetorik und ^Ictrik,
dazu die Wissenschaften des Rechts und der Natur:^) noch konnte
man widmen, dass es dem einzelnen möglich sei, alle Zweige der
menschlichen Erkenntnis gleichmässig zu beherrschen. Dazu yvar
Aelbert eine rastlos vorwärts drängende Natur: die Summe von
Kenntnissen, welche er besass, genügte ihm nicht. ^Nfehrmals be-
suchte er den Kontinent in der Absicht, die litterarischeii Schätze
Yorks zu ergänzen und zu vermehren.") Bald wurde Alkuin sein
Begleiter auf diesen Forschungsreisen.'") Er war noch ein Jüng-
1) V. Ale. 2 S. 185. Hier winl erzählt, dass ein nächtlicher Spuk den
Knaben von seiner verkehrten Liebe zu Vir^il heilte.
2) Ep. 42 S. 85.
Zj Monach. Sangall. I, 2 S. 632.
4) Über ihn De Hanct. Kubor. eccl. v. 1247 ff.; V. Ale. 4 S. 186. Sein
Todesjahr 766 bei dem Contin IJed., «br Tag (19. November) V. Ale. 6.
S. 188.
5) Vgl. über ihn Huhn, H. und L. S. 300 tf.
6) Kp. 114 S. 167. Vgl. carm. 2 S. 206.
7) De sanct. Eubor. eccl. v. 1397 ff.
8j L. c. v. 1431 ff.
9) L. c. V. 1453 ff.
10) Vgl. Ep. 271 S. 429: Magistri mei vestigia secutus.
— 127 —
ling, als er im Gefblge seines Lehrers Rom zum ersten Male
sah;^) in Pavia lernte er damals jenen Petrus von Pisa kennen,
der später am Hofe Karls Grammatik lehrte.-) Die Reise nach
Italien führte durch das fränkische Reich; man wurde hier auf
den jungen Gelehrten aufmerksam. Es ist nicht zu bezweifeln,
dass er in Berührung mit dem Hofe kam;^) Karl hat ihn in Parma
nicht zum ersten Male gesehen. Bei diesem und jenem fränkischen
Bischof und Abt genoss er die herkömmhche Gasttreundschaft: ver-
ehrend blickte er zu den älteren Männern empor, während er mit
den Kleiikern am Hofe als gleicher mit gleichen verkehrte.*) Gerne
weilte er in Murbach; dort war es ihm wohl; er hätte ein Glied
der Kongregation sein mögen. '^)
Frühzeitig erhielt Alkuin die Diakonenweihe,''') die einzige
kirchliche AYürde. die ihm je zu Teil ward. Er strebte nicht weiter;
seine Lebensaufgabe fand er im wissenschaftlichen Unterricht. Als
1) Ep. 172 S. 285, vgl. 143 S. 22.5. Dass Alkuin als Lehrer einzelne
Schüler nach Rom sandte, bezeugt V. Liuclg. I, 12 S. 408.
2) Ep. 172 S. 285. Er war Zeuge eines Streitgesprächs zwischen Petrus
und einem Juden Namens Lullus.
3) V. Ale. 9. S. 190. Diese Nachricht wird bestätigt durch carm. 4
S. 220 ff. Ich lasse dahingestellt, ob das Gedicht in das Jahr 780 fällt, wie
Frobenius annahm ; jedenfalls ist es geschrieben, ehe Alkuin in Karls Dienste
trat. Eberts Annahme (L. d. MA. II S. 30), das Gedicht gehöre in das Jahr
790, lässt sich nicht festhalten: da Alberich und Fulrad, welche v. 6 u. 59
als lebend erwähnt werden, 784 starben (Ann. Mosell. z. d. J., M. G. Scr.
XVI, 497). Auch Lul von Mainz v. 53 und Basin von Speier v. 56 waren
i. J. 790 schon tot. Ist es richtig, dass Beonrad 777 Abt von Echternach
wurde, so ist damit das Datum gegeben, nach dem das Gedicht geschrieben
sein muss. Die Annahme Jaffes zu ep. 1. S. 144 (70 S. 113 ed. Dümmler),
Alkuin sei identisch mit dem V. Hadr. 26 genannten Albuinus deliciosus
ipsius regis, ist, obwohl von Duchesne in der Anmerkung z. d. a. St. gebilligt,
schwerlich richtig, s. Dümmler, N.A. XVIU S. 57 f. Da Alkuin sicher nach
dem Rücktritt Aelberts (778) in York lehrte, wie hätte er schon 773 ein
Vertrauter Karls sein sollen? Aus dem Namen allein lässt sich nichts
schliessen; denn der Name Albinus kommt in dieser Zeit öfters vor. Monods
Erinnerung, dass die Stelle erst geschrieben ist, als Alkuin hoch in Karls
Gunst stand, S. 45 Anm. 2 scheint mir die Schwierigkeit nicht zu beseitigen.
4) Carm. 4 S. 220 ff.
5) Ep. 271 S. 429. Ob der Besuch Murbachs mit der Romreise zu-
sammenfällt, wie Abel JB. S. 391 und Dümmler zu dem angef. Brief an-
nehmen, lasse ich dahingestellt: man kann es weder beweisen noch wider-
legen. Die Erwähnung Aelberts scheint mir nicht zwingend, vgl. die Grab-
schrift: Quem . . secutus eram, dum Romam . . vel Francorum . . regna petit
(Poet. lat. I S. 206).
6) V. Ale. 8 S. 189.
— 128 —
Af'lheii im Jahre 778 auf seine Amter vei'zichtete. übertrug er ihm
denn auch die Leitung der Yorker Sclude und die Verwaltung
der Bil)liotht'k.') Xacli einigen Jahren trat er. wie erwähnt, in die
Dienste Karls, ^fan nuiss in England die Regierungsmassregeln
des fränkischen Königs mit dem lebhaftesten Interesse veHblgt
hal)(>n: es ist Alkuin vorausgesagt worden, dass das Leben ihn
schhosslich in das Frankenreich führen werde."-) Anfangs dachte
er nicht, sich für immer zu binden;'^) i. J. 786 treft'en wir ihn denn
auch wieder in England;'*) nicht minder hat er die Jahre 790 — 793
in der Heimat zugebracht;'') aber das war doch nur eine Unter-
brechung seiner fränkischen Thätigkeit,"), nicht eine RückktOn- zu
dauernder "Wirksamkeit in England. Seit 793 ist er der neuen
Heimat treu geblieben. Es ist bezeichnend für ihn. dass er auf
der Eraukfui-ter Synode von 794 sich in aller Form in die Gebets-
gemeinschaft der deutschen Kirche aufnehmen liess, Karl selbst
hat seinen Wunsch der Synode vorgetragen.') Er stattete den
Gelehrten mit den Abteien Ferrif-res und St. Lupus in Troyes
aus;"*) im Jahre 796 übertrug er ihm ausserdem St. Martin in
Toui-s, eine der reichsten Abteien Fi-ankreichs.") Aber der äussere
1) De sanct. Eubor. eccl. v. 152.5 ff. ("vgl. ep. 114 S. 167). Aelbert starb
780 (Ann. Lindisf. z. d. J.) am 8. November (V. Ale. 8 S. 189). Da er zwei
Jahre vorher sein Amt niedergelegt hatte (v. 1.564 f.), so ergiebt sich die
angegebene Zahl. Unrichtig ist Werner.'? Angabe (Alcuin und sein Jahr-
hundert S. 10,1, Alkuin habe schon im Jahre 766 die Leitung der Schule
übernommen (s. Ebert, Lit. d. MA. S. 13).
2i Ep. 200 S. 332: Divina ut credo iubente dispensatione ad . . Carolum
vocatufl adveni; sicut mihi quidam sanctissimus vir prophetiaeque epiritu
preaditus Dei esse voluntatem in mea praedixerat patria. Dass der hier
Erwähnte nicht Aelbert war, zeigt das Folgende. Die Biograj)hie Alkuins
wirrt c. 8 S. 189 die Angaben ineinander.
3) V. Ale. 9 S. 190.
4) Von Dümmler, N.A. XVlil S. 60 ö'. auf Grund von Sdralek Wolfon-
biittler Fragmente S. 124 ff. (= Ale. ep. 8 S. 19 ff.) nachgewiesen.
•5) V. AI«'. 9. Über die Zerwürfnisse zwischen Karl und König Offa von
Mercia, mit denen Alkuins Rückkehr zusammenhängt, s. Simson JB. S. 7 ff.
Ep. 7 S. 31 f. schrieb Alkuin Anfanp 790 vom Kontinente aus; dagegen
8 — 15 S. 33 ff. von P'.ngland an Freunde im fränkischen Reich; ep. 16 S. 42
vom Sommer 793 ist wieder von hier aus ge.schrieben.
6) Dass Alkuin von Anfang an die Absicht hatte, zurückzukehren,
zeigt ep. 8. S. 33.
7) C. 56 S. 78: Eo qund e-sset vir in ecclcsiasticis doctrinis eruditus.
8) V. Ale. 9 S. 190.
9) L. c; vgl. ep. 101 S. 148 aus d. J. 796. Nach der angeführten
Stelle der Biographie erhielt Alkuin noch andere KUister. Jaffe (S. 18
— 129 —
Glanz hat Alkuin nicht gefesselt. Es lag ihm daran, keinen Iit-
tum über die Motive aufkommen zu lassen, welche ihn in das
fränkische Reich führten: nachdrücklich hat er versichert, dass ihn
nm- der Gedanke an das Wohl der Kirche bewogen habe.^) Er
war glücklich, denn es war ihm vergönnt, zu schauen, welche reich-
liche Fnicht seine und seiner Genossen Arbeit trug. Die Freude
über diese Erfolge wii-d ihn zum Franken gemacht haben;-) denn
leicht wui-zelt man da ein, wo man Empfänghchkeit für die eigenen
Lebensziele findet. Das kleine Städtlein Tom's =^) wurde ihm zur
Heimat: Karl spottete wohl des Fremides, den die russigen Dächer
Tom-s' schöner dünkten als die goldenen Zinnen Roms.*) Er aber
meinte den König darüber bedauern zu müssen, dass die Zwie-
tracht Roms ihn nötige, die liebHchen Stätten Deutschlands zu
verlassen.') Dem alten Vaterlande wurde er nach und nach fremd:
was er von den enghschen Verhältnissen hörte, stiess ihn ab: er
war sich klar darüber, dass er nicht zm'ückkehren könne; er hätte
nicht mehi- dortliin gepasst.*^) Einmal dachte er daran, in Fulda
den Rest seines Lebens zuzubringen.'^) Hat ihn der Gedanke an
Bonifatius dorthm gezogen? Denn in einem Brief an die Fulder
Mönche nemit er ihn „unseren" Vater, auf dessen Fürbitte er
grosses Vertrauen setze.*) Schhesshch galten die Lebenden ihm
doch mehr als die Toten; auf Karls Wunsch ging er statt nach
Fidda nach Tom'S.'-*) Im Alter erblindet, Hess er sich von der
Leitung seines Klosters entbinden; ^'0 er starb am 19. Mai 804.^^)
Anm. 1) rechnet dazu Flavigni unter Verweisung auf M.G. Scr. VIII, 352
und 502. Ferner übertrug ihm Karl die cella s. ludoci (S. Josse sur mer)
Serv. Lup. ep. 16 S. 80. Ich vermute, dass Alkuin auch Leiter des Klosters
Berg bei Roermund war (vgl. carm. 31 v. 9 S. 249).
1) Ep. 43 S. 89; vgl. adv. Elip. I, 16.
2) Auch 790 von England aus nennt er Karl „unseren König" (ep. 8 S. 33).
3) V. Wülibr. I, 32 S. 62: ,Muris parvula et dispectibilis."
4) Ep. 178 S. 295.
5) L. c. S. 296: „E dulcibus Germaniae sedibus."
6) Ep. 44 S. 90 von 795 wünscht er England vor seinem Tode noch
einmal zu sehen. Dagegen ep. 101 S. 147 aus d. J. 796: Melius visum est
mihi, . . in peregrinatione permanere ; nesciens, quid fecissem inter eos, inter
quos nuUus securus vel in aliquo salubri consilio proficere potest. Ep. 102
S. 149: Reverti timeo.
7) V. Ale. 11 S. 191; vgl. ep. 229 S. 373 f. aus dem Herbst 801.
8) Ep. 250 S. 405, 801—802.
9) V. Ale. 11 S. 191.
10) L. c. 19 S. 194; ep. 233 S. 378 aus d. J. 801.
11) V. Ale. 26 S. 196 (vgl. die von Wattenbach zu dieser Stelle ge-
sammelten annalistischen Angaben). Das Jahr ist von Mabillon (A. S. IV,
Hauck, Kirchengeschichte. II. 2. Aufl. 9
- 130 —
Alkuin war zum Gelelirteu geschliffen. Die Existenz, welche
ihm ertVeuHcli schien, schildert er anschauUch iu einem Brief an
einen iu Itahen weilenden Schüler: ..Deine xlbwesenheit ist ftu-
mich eine grosse Last. (J wie war das Leben süsse, als wir nn-
gestört an den Schreinen sassen, welche den Weisen ei-fi-euen. zwischen
den Keihen der Bücher, vor den eluwürdigeu Aussprüchen der
Väter: da fehlte nichts, was für frommes Leben und Studium
der Weisheit eribrderhch ist.''^) Es war ihm heimlich in der
Enge und Stille des Klosters. Unter seinen vielen Gedichten-)
ist eines der wenigen, die man gerne liest, das an seine Zelle:
sie hegt versteckt in einem Wald von Obstbäumen, ringsum
Gärten voll Blumen und Vogelsaug, dann die fruchtbare Aue, die
sich hinal) zum Fluss ausdehnt: drinnen aber ein regelmässiger
Wechsel ernsten Studiums uud erhebender Feier.'') Was dies ge-
lehrte Stilllebeu störte, war ihm widerwärtig: von welthchen Ge-
schäften wollte er nichts wissen.-*) Als er Abt von St. Martin
Avm-de, war er ein grosser Herr; er hatte gegen zwanzigtausend
Knechte. Dass ihm v'm Idi'chhcher Gegner daraus einen Vorwurf
machte/') regte ihn nicht auf: er fühlte sich nicht getroffen. ,.Er
weiss nicht,'' urteilte er, „in welchem Sinne man die Welt be-
sitzt: es ist etwas anderes, die AVeit besitzen, etwas anderes, von
ihr gefangen sein; man kann Reichtümer haben und doch nicht
haben, entbehren und doch haben." Wer möchte ihm nicht glauben,
wenn er behauptet, er habe nie einen Menschen füi' seinen pei-sön-
lichen Dienst gekauft? ") Seinen Keichtum betrachtete er eher als
eine Gefahr fdi' sein Seelenheil, denn als ein besonderes Glück.")
Er Hess sich dui'ch ihn nicht aus der gewohnteu Bahn drängen.
Überhaupt wusste er, was ihm lästig Avar, von sich zu schieben:
er vfiiiiied den Aufenthalt in dem von Parteien zerrissenen Rom;^)
1 S. 174) bezweifeh; Alkuin könne erst nach 809 ge.storben sein. Die Gründe
sind unzureichend.
1) Ep. 281 S. 439; vgl. ep. 215 S. 359.
2) Vgl. über dieselben Bahr, Gesch. d. röm. Litt. S. 78 ft'.; Ebort, Litt,
d. MA. II, 20«.
.3) Carm. 23 S. 243 f. Nachdem Mabilion mit einem Vielleicht das
Gedicht Fridugisus zugeschrieben hatte, erklärt Dümmler 1. c. Anm. 2
Alkuin für den Verfasser.
4) Ep. 2-54 S. 411; Quid scire valet de iudicio saeculari mea aocordia,
inter quae nunquam fieri volui; vgl. 253 S. 409.
5) Elipandus von Toledo (ep. 182 S. 302).
6) Ep. 200 S. 332.
7) Ep. 53 S. 97; nach Dümmler sicher vor 796.
8) Ep. 178 S. 295.
— 131 —
war von einer Reise 'nach ItaKen die Rede, so dachte er nur an
das Fieber;^) vollends den Anbhck des Kriegs scheute er: „Ich
bitte flehend," schreibt er an Karl, „dass mü' gestattet wird, das
Glück, Dich zu sehen, im Lande des Friedens und der Fi'eude zu
geniessen, nicht im Lande der Zwietracht und des Ki'ieges. Was
vermag meine Schwäche unter den Waffen? was ein Häslein unter
Wildschweinen? was ein in Frieden, nicht auf Kampfplätzen heran-
gewachsenes Lamm unter den Löwen? Nach der Vorschrift Gottes
soll der Furchtsame zu Hause bleiben, damit er nicht andere
fürchten mache; Virgil aber schreibt an Augustus: Du jagst die
Eber; ich hüte die Netze."')
So nahe er den pohtischen mid besonders den kirchenpohtischen
Ereignissen stand, so kann man doch nicht sagen, dass er irgend
den Drang hatte, thätig in sie einzugreifen. Es fehlte ihm die
politische Ader, Sprach er sich einmal über einen politischen Plan
aus, so erwog er nicht, was der Moment forderte, sondern er urteilte
nach allgemeinen religiösen Gesichtspunkten. Als Karl im Früh-
jahr 801 die beneventische Sache dm-ch einen Kriegszug zur Ent-
scheidung zu bringen dachte, machte er ihm Vorstellungen: er
mderriet den Krieg; denn wenn es Gottes Wille sei, werde der
Herzog sterben, ohne dass auch niu- einer von Karls Getreuen in
Gefahi^ komme; je tiefer sich der Mensch unter die Hand des all-
mächtigen Gottes demütige, um so schneller räche Gott das Un-
recht, das seinen Knechten geschehe.'^) Alkuin war nicht gewöhnt,
dem Kaiser unaufgefordert Ratschläge zu erteilen; er ftii'chtete, Karl
möge ihm darüber zürnen. '') Dazu hatte er ohne Zweifel keinen
Anlass. Aber wer möchte sich wundern, dass Karl seinen politischen
Rat selten begehrte und nie befolgte?'^) Diesem Maugel an Ver-
ständnis flu' die staatlichen Dinge entsprach es, dass er den un-
beschränkten Absolutismus des Herrschers vertrat. Karl legte ihm
einmal die Frage nach dem Verhältnis von Fürst und Volk vor.
1) Ep. 281 S. 439; vgl. 224 S. 367. Er litt freilich seit seinem Aufent-
halt in Eom am Fieber (146 S. 236; 175 S. 290 u. ö.).
2) Ep. 145 S. 234.
3) Ep. 211 S. 351 f.; vgl. 178 S. 294.
4) Ep. 211 S. 352: Deum invoco testem cordis mei, me haec plena
fide et perfecto prosperitatis vestrae in Omnibus desiderio scripsisse; ob-
secrans supplici devotione, haec eadem patienter vestram legere beatitudinem,
nee aliquid iracundiae in meam habere praesuraptionem talia vestrae inge-
rentis sapientiae. Vgl. ep. 179 S. 297.
5) Ausser den im Text erwähnten Fällen — Sache Leos TIT. S. 100
und Unternehmung gegen Benevent — kommt in Betracht ep. 174 S. 289
(Friede mit den Sachsen).
9*
— 132 —
Er antwortete : ,,Nach göttlichem Rechte niuss man das Volk führen,
nicht ihm folgen. Auf diejenigen, welche zu sagen pflegen: Vox
poi)uli vox Dei, darf mau nicht hören. Denn das unruhige Volk
ist stets unvernünftig."'') Man begreift, dass er die Teilnahme
kirchlicher Männer an den rein staathchen Geschäften durchaus
missbilligte. Glaubte er, dass sich ein Bischof selbst dazu dränge,
so tadelte er ihn;-) war er ül)erzeugt, dass er sie nur widerwillig
übernahm, so tröstete er ihn. In einem Brief an Erzljischof Arn
von Salzburg, der sich mitten im grossen Leben bewegte und ge-
legentlich darüber seufzte, stellt er die Christenverfolgungen und
die Notwendigkeit, staatliche Geschäfte zu übernehmen, neben
einander: das seien die Bedrängnisse, durch welche die Diener
(Tottes stets ermüdet würden.")
Es war natürhch, dass er sich der pohtischen Thätigkeit ganz
entschlug: er konzentrierte sich auf das gelehrte Studium und den
Untenicht. Sein Sinn hing an den Büchern. Die von Aelbert
in York gesammelte Biljliothek war ihm so heb, dass er es nicht
unterlassen konnte, seinem Gedichte über die Heiligen Yorks einen
Katalog dei-selben einzufügen.*) Da findet man die gewichtigsten
Bepräseutanten der Kirchenlehre aus dem Morgen- und Abend-
lande genannt;'^) neben ihnen die Mittelsmänner z^s-ischen Altertum
und Mittelalter, Cassiodor und Boethius, und che Begründer der
theologischen Gelehrsamkeit in England, Aldhelm und Beda. Es
fehlten nicht che heichiischeu und christhcheu Dichter, die ersteren
freiUch nur dm'ch einige Lateiner vertreten,") um so vollzähliger
die letzteren. ") Unbedeutend war der Besitz an prosaischen Werken
der antiken Litteratur; *^) um so gi'össer der an Schulbüchera.")
1) Ep. 132 S. 199.
2) Ep. 233 S. 378; vg\. 230 S. 374 f.; 194 S. 322.
3) Ep. 265 S. 423; vgl. 253 S. 409.
4) V. 1.540 ff. S. 203 f.
5) HieronymuB, Hilarius, Aiubrosius, Augustinus, Athanasius, Orosius,
(iregor, Leo, Hasilius, Fulgentius, Chrysostomus, Victorinus. Lactanz ist bei
den Dichtern genannt; es ist deshalb zu vermuten, dass man in York nur
das ihm zugeschriebene Gedicht ,De Phoenice' besass.
6) Virgil, Statins, Lucanus. Es fällt auf, dass Horaz nicht erwähnt
wird, nach welchem doch Alkuin .selbst im Kreise der Freunde genannt
wurde. Dass ihn Alkuin gleichwohl kannte, hat Dümmler Berl. SB. 1891
S. 505 f. gezeigt.
7) Sedulius, Juvencus, Avitus, Prudentius, Prosper, Paulinus, Arator,
Venantius Fortunatu.'«, Lactanz (s. o.).
8) V. 1548 ff.: Historici veteres, Pompeiua, Plinius, ipse
Acer Aristoteles, rhetor quoque Tullius ingen«.
9) Alkuin nennt nicht alle Bücher der Bibliothek; es fehlen in dem
— 133 —
Der Yorker Bibliothek entspricht im grossen und ganzen der
Umfang des Wissens Alkuins; von den Schriftstellern, die er dort
fand, war, ^xie es scheint, keiner ihm ganz unbekannt; er hat noch
viele andere zitiert, dabei manchmal fremde Zitate Anederholt,^)
anderes jedoch im Original gelesen.-) Aber die Grenzen seines
Wissens wurden nicht eigenthch erweitert: die Litteratur der vor-
konstantinischen Kirche bheb ihm fremd, ^) von antiken Werken
kannte er, abgesehen von Lehrbüchem, nur einige Dichter. Da-
gegen war er belesen m den Schi-iftstellern der orthodoxen Periode.
Man kann nicht erwarten, dass er sie in anderem Sinne las, als
es damals und noch lange allgemein geschah. Er studierte sie
nur, um von ihnen zu lernen. Dass er sich rieles gemerkt hatte,
darin bestand seine Gelehrsamkeit. Er war sich ihrer bewusst.
Während er im allgemeinen sehr bescheiden von sich dachte,*) liielt
er etwas auf die Anerkennung seiner Autorität als eines Gelehrten:
es kränkte ihn, wenn man ihm widersprach;^) schon der Gedanke,
dass eine von der seinen abweichende Anschauung vorgetragen
werde, vollends, dass, was er schrieb, Gegenstand einer vielleicht
nicht wohlwollenden Kritik werden könne, beriihrte ihn unangenehm.*^)
Das war nicht Unsicherheit der eigenen Meinung, sondern die leicht
verletzte EmpfindHclikeit des Stubenmenschen. Denn er war ge-
wohnt, die Dinge genau zu nehmen: wie^ ein moderner Philologe
legte er Wert auf die treue und richtige Überhefemng der Texte. ^)
Dazu passt, dass ihm ein Stück von der Pedanterie anhing, welche
Gelelu'ten eigen zu sein pflegt: wer möchte nicht über die Konse-
Yerzeichnis Werke über Arithmetik, Geometrie etc., die man bei dem Unter-
richt nicht entbehren konnte.
1) Das gilt besonders von griechischen Schriftstellern. Cyrill von
Alexandria wird mehrfach von ihm zitiert, s. ep. 28 S. 63 und die von
Dümmler notierten Parallelen aus adv. haer. Fei. und adv. Elip., und vgl.
vita Ale. 10 M.a, Scr. XV S. 190. In Joann. VII, 40 S. 971 B findet sich
eine angeblich aus Josephus entnommene Notiz, welche jedoch aus Hiero-
nymus stammt (in Math. 26, 57).
2) Z. B. Jordanes, den er sich von Angilbert leihen liess (ep. 221
S. 365) ; Ambrosius Autbert, den er exzerpierte (s. u.). Über seine Kenntnis
des Pseudo-Seneca s. Dümmler Berl. SB. 1891 S. 502.
3) Einzelne Zitate aus Origenes (ep. 203 S. 337) und Cyprian (ep. 307
S. 469 f.) widersprechen natürlich nicht.
4) Ep. 172 S. 284 f.; adv. Felic. VE, 1 S. 213.
5) Ep. 145 S. 231.
6) Ep. 149 S. 245: Obsecro, ut piissima bonitatis vestrae sapientia
meum magis emendare curet errorem, quam scripta parvitatis meae in
manus mittere reprehendentium; vgl. ep. 214 S. 358; carm. 42 v. 11 ff. S. 254.
7) Ep. 172 S. 284; carm. 94 S. 320.
— 134 —
(jueuz lächeln, mit welcher er Männer und Frauen seiner Umge-
bung statt mit ihren guten deutschen Namen mit allerlei vornehm
klingenden fremden nannte, und über die Ernsthaftigkeit, mit der
er versichert, darin zeige sich die Vertraulichkeit?')
Der Einfiuss, welcher von Alkuin ausging, wai' sehr gross.
Das beruhte in erster Ldnie darauf, dass er als Gelehrter seines
Gleichen im fränkischen Reiche nicht hatte.'-) Sodann aber war
er ein geborener Lehrer: alles, was er unteniahm, that er methodisch
und ordentlich; er vermied es, seine Schüler durch Überhäufung mit
gelehi-tem Stoft" zu verwirren, und suchte sie zunächst zu klarem Ver-
ständnis der Hauptpunkte anzuleiten.*'') Endlich konnte die sittliche
Energie seines Wesens nicht ohne Eindruck bleiben. Es hat frei-
lich wieder etwas Pedantisches, dass er Freunde, denen er briefhch
gute Lehren elteilte, aufforderte, sie recht häufig durchzulesen.'*)
Aber dass er immer neue Briefe lediglich zu dem Zwecke schrieb,
die Empfänger zum rechten Vei'halten zu ermahnen, lässt doch
ermessen, mit welchem Nachdruck er in seinem Kreise auf sittliche
Haltung und Charakterbildung drang.'') Es gereicht ilnn zur Elu'e,
dass er solche Mahnungen selbst seinen königlichen Zöglingen nicht
ersparte.") Auch in seinen Büchern brachte er gerne da und dort
eine moralisierende Sentenz an.^) Demgemäss galt ihm die for-
male Schulung des Geistes nur als Mittel zum Zweck: sie sollte
der AVeisheit dienen, dem höchsten, weil allein l)leibenden, unter
allen menschhcheu Gütern.''*) Die AVeisheit war ganz religiös ge-
1) Ep. 241 S. 386. Ebert (Lit. d. MA. II S. 6) erinnert daran, dass
Alkuin diese Spielerei von England her gewöhnt war. Am pedantischesten
war Alkuin, wenn er Witze machte; er unterliess dann nicht anzumerken,
dass er propter refectionem animi sich den Scherz erlaubt habe (ep. 97
S. 141).
2) Dass Alkuin etwa.« (Griechisch verstand, ergiebt sich aus seinen
Zitaten aus der griechischen Bibel (ep. 102 S. 261 f.); auch sonst erwähnt
er gelegentlich ein griechisches Wort, z. B. Dialog, de rhet. S. 94.5. Aber
daas seine Kenntnis sich auf eine Anzahl von Wcirtern beschränkte, ohne
dass er über die grammatischen Formen sicher war, beweisen die Irrtümer,
«lie ihm begegneten (vgl. z. B. De dial. 1 S. 952 und 16 S. 972).
3j Vgl. was .Tosephus Scottus in der Widmung seines Jesaiaskommen-
tare sagt, M.G. Epist. IV S. 483.
4) Z. B. ep. 114 S. 170.
.5) Lorentz (Alknins Leben S. 50) urteilt oberflächlich, wenn er in
den V^rieflichcn Ermahnungen Alkuins nur gut gemeinte, aber rhetorische
Floskeln sieht.
6) Ep. 119 S. 174; 217 S. .361 u. ö.
7) Z. B. adv. Felic. 1, 2 f. S. 129 f.
8) riramm. S. 849 ff.
— 135 —
fasst: sie besteht in tler Erkenntnis Gottes; der menschlichen Seele
Schönheit und Zier, sagt Alkiiin einmal, ist das Streben nach der-
jenigen Weisheit, in welcher Gott geehrt und geliebt wii'd.^) Man
begreift, dass von Gleichstellung der klassischen und der theo-
logischen Studien bei ihm genau genommen nicht die Rede war.
Er tadelte es, wenn er zu bemerken glaubte, dass die Yorhebe ftir
Virgil dem Stucüum der Bibel Eintrag thue.'-) Freute er sich an
manchem Goldkom der Wahrheit, das er in der Litteratur des
heidnischen Altertums fand,'^) so konnte er doch nicht vergessen,
dass ihr Inhalt nicht christhch ist. Und dachte er hieran, so ti-ug
er kein Bedenken, sie und ihre erhabensten Vertreter mit herben
Worten zu verwerfen.'*) Wer möchte ihn darob tadeln? Es w^ar
das Urteil des ganzen Jahi'hunderts. Die blosse Freude an der
Form, die über den Inhalt hinwegsieht, ist jugendkräftigen Zeit-
altem fi-emd: sie eignet dem kühl gewordenen Alter. Neben die
theologische Erkenntnis stellte Alkuin die Naturerkenntnis. Auch
das war ein Erbe aus der Schule Aelberts; denn den höchsten
Wert hatte dieser der Natm'wissenschaft beigelegt: es erschien ihm
wie eine Schmach ftir das lebende Geschlecht, wenn sie, die vordem
von den weisesten Männern gepflegt worden sei, nun zurückgehe.
Doch auch sie war nicht Selbstzweck; denn die Beschäftigung mit
der Natur hatte einen theologischen Hintergrund: man suchte die
Weisheit des Schöpfers in seinen Werken zu erkennen. Alkuin
war so tief von der Überzeugung, die Welt sei eine Offenbarimg
Gottes, dm'chdrungen, dass er den Gedanken aussprach, Abraham
habe Gott aus der Betrachtimg der Gestirne erkannt.'')
Wie als Lehrer, so wirkte Alkuin auch als Schriftsteller.
Beides huig auf das innigste zusammen. Eine ganze Reihe seiner
Schriften diente einfach dem Unterricht. Wenn er seinen Lehi'-
büchern die F'onn von Dialogen mit dem König oder einem Prinzen
1) Ep. 309 S. 475; vgl. 280 S. 437 f.; comm. in Eccl. I, 1 S. 609.
2) Ep. 13 S. 39 (an Kicbod von Trier).
3) Ep. 207 S. 345: Paulus aurum sapientiae, in stercore poetarum
inventum, in divitias ecclesiasticae transtulit prudentiae; sicut omnes sancti
doctores, eius exemplo eruditi, fecerunt, vgl. 203 S. 337.
4) Ep. 309 S. 475: Virgiliaca mendacia. Ebert (Lit. d. MA. II S. 345
Anni. 1) beurteilt, wie mich dünkt, derartige Äusserungen Alkuins nicht
ganz richtig, wenn er darin nur Scherze oder Anschluss an den herkömm-
lichen christlichen Jargon findet. Er unterschätzt die Macht des asketischen
Gedankens über einen Mann wie Alkuin.
5) Ep. 148 S. 239. Beachtenswert ist, dass Alkuin über Abneigung
gegen die Naturwissenschaft klagt: Rarus est, qui taüa scire curet. Et
quod peius est, reprehendunt haec scire studentes.
— 136 —
gab/) so wird man daran erinnert, dass er der Lehrer des könig-
lichen Hauses war. Diese Gespräche eröffnen zugleich einen Ein-
blick in die Art, wie er unterrichtete: er wollte nicht n\u' trockenes
AVissen mitteilen, sondern eben so sehr die Rasclihcit der Auf-
fossung, die Schlagfertigkeit des Witzes üben.-)
Mit ein paar Kleinigkeiten versuchte er sich auf dem histo-
rischeu Felde. Die Biographien der Heihgeu Vedast und Richar
sind jedoch nur Überarbeitungen älterer Vorlagen;^) ein eigenes
AVerk ist die Lebensbeschreibung Willibrords. Der Stotl" Avar ihm
lieb: er hat ihn in doppelter Form, prosaisch und metrisch, be-
arbeitet; aber man kann nicht sagen, dass er sich über das Niveau
der übrigen Heihgenbiographen erhob."*)
Doch vornehmlich war er theologischer Schriftsteller. Er ver-
fasste eine stattliche Reihe von Bibelkonnnentareu; aber er machte
nicht den Anspruch, als selbstständiger Ausleger der heihgen Schrift
zu gelten: seine Thätigkeit beschiiiukte sich auf che Auswahl und
Zusammenstellung von Exzeipten aus älteren Werken. Diese Weise,
ein Buch zu schreiben, war nicht neu. Schon Hieronymus hatte
sie geübt; nur nicht immer mit derselben Ehrhchkeit wie Alkuin.
Bei ihm hing sie wohl mit seiner Lehrthätigkeit zusammen: er las
und besi)rach mit seinen Schülern patristische Werke: den Ertrag
der gemeinsamen Arbeit gestaltete er zu einem neuen Buch.'*) Er
wollte ja lediglich von den alten Meistern lernen; jeder Gedanke
an Kritik ihrer Ansichten lag ihm ferne: man hat den Eindruck,
dass die Bewundenmg fiu' die Grösse der Vergangenheit ihn miss-
1) Vgl. Ebert, Lit. d. MA. II S. 15—21; Werner, Alcuin S. 21—30.
2) Hiefür ist besonders die diaputatio Pippini cum Albino lehrreich.
Alkuin ist wahrscheinlich auch hier nicht original; man kennt ähnliche
Fragebüchlein aus dieser Zeit, s. z. B. Wilmanns, Eine Fragebüchlein aus
dem 9. Jahrh. (Z. f. d. Altert. N. F. Bd. 3 S. 166 ff.).
3) Alkuin unternahm die Arbeit auf Wunsch der Äbte Kado von
St. Vedast in Arras (790—808, Chr. Ved., M.f4. Scr. XIII, 705 f.) und Angil-
bert von Centula (s. ep. 74 S. 116 nnd 306 S. 465). Die Abfassungszeit
der ersten Schrift lässt .sich nicht genau fixieren; in Bezug auf die zweite
ergiebt sich aus ep. 306 vgl mit Einh. ann. z. .T. 800, dass sie frühestens
im Sommer dieses .Tahres geschrieben .sein kann.
4) Verfasst auf Wunsch des Erzbi.schofs Beonrad von Sens (777 — 797),
der zugleich Abt von Echternach war, s. das Widmungsschreiben S. 39.
5) Vgl. ep. 149 S. 244, wo mit Rücksicht auf eine gegen Felix von
Urgel zu richtende Schrift ge.sagt ist: Detur ei (Albino) spatium, ut quiete
et diligenter liceat illi cum pueris suis considerare patrum sensu»: quid
unusquisque diceret de sententiis, quae po.suit praefatus subver.sor (Felix)
in sao libello. Et tempore praefinito a nobis ferantur vestrae auctoritati
singulorum responsa.
— 137 —
trauisch gegen die wissenschaftliche &aft der Gegenwart machte.^)
Wenn er bei der Beschreibung der Yorker Biljhothek die Werke
des Hieronymus zuerst nannte, so ist das nicht zufälhg; denn sie
vor allem benützte er als Fundgrube für die eigene Bibelauslegung:
seine Schriften über die Genesis,-) den Prediger,-^) die Briefe an
Titus und Pliilemon^) sind aus Hieronjmus geschöpft. Augustin
war sein voraehmster Gewährsmann fiü' die Erklärung des Jo-
hannesevangehums/^) des 119. Psalmes und der Stufenheder;'^) auf
1) Ep. 23 S. 61: Quid nos homunculi in fine seculi . . melius excogi-
tare poterimus, quam ut tota animi intentione apostolicam et evangelicam
omni ficlei firmitate et veritate sequamur doctrinam.
2) Interrogationes et responsiones in Genesim, gewidmet dem Pres-
byter Sigulf; das Widmungsschreiben ep. 80 S. 122. Quelle ist des Hierony-
mus Schrift Quaestiones in Genesin; doch ist es unrichtig, wenn Werner
(Alcuin S. 125) behauptet, Alkuin halte sich in allen Responsionen an
Hieronymus; das ist nicht einmal bei der Hälfte der Fall; ebenso ist es
unrichtig, dass die geistliche Deutung des Segens Jakobs aus Gregors d. Gr.
Moralia entnommen sei. Frobenius hat nur an zwei Stellen (Segen über
Isaschar und Dan) Abhängigkeit von Gregor nachgewiesen; Werner selbst
hat die Nachweise nicht vermehrt. Die grösserek Ausführlichkeit der letz-
teren Partie wird sich daraus erklären, dass Alkuin hier eine ältere Ab-
handlung dem neuen Werke einfügte (vgl. ep. 88 S. 133). Als Abfassungs-
zeit ergiebt sich aus den Worten: Qui saeculi occupationibus distrahimur
et diversis itenerum molestiis fatigamur (ep. 80 S. 122) die Periode seines
Lebens, in welcher er der Hofschule vorstand.
3) Drei Schülern, Onias, Fridugisus und Witto, gewidmet. Als Haupt-
quelle nennt Alkuin selbst in dem Widmungsbriefe Hieronymus. Wenn
Frobenius genau verglichen hat (s. d. Anm. S. 719), so war er seine einzige
Quelle.
4) Die geringfügigen Abweichungen von Hieronymus hat Frobenius
bemerklich gemacht. Der V. Ale. 21 S. 195 erwähnte Kommentar zum Epheser-
brief ist, wie es scheint, verloren.
5) Gewidmet Gisla, Äbtissin des Klosters Kala, der Schwester Karls,
und Rodtrud, der Tochter des Königs: ep. 195 f. S. 322 ff. und 213 f. S. 354 ff. ;
vgl. 209 S. 349. In der von Sickel (Wiener SB. 79 S. 509) zu ep. 49 mit-
geteilten Ergänzung heisst der Kommentar libellus excerptionis in Johannis
evangelium. Als Quellen werden im 213. Briefe S. 357 neben Augustin
Ambrosius, Gregor d. Gr. und Beda genannt. Welche Stellen den einzelnen
angehören, hat Frobenius gezeigt. Ambrosius ist nur an einer einzigen
Stelle benützt (II, 6 S. 793). Als Abfassungszeit zeigen die angeführten
Briefe die Jahre 795 — 801. tlber das Verhältnis dieses Kommentars zu
dem Beda zugeschriebenen s. Frobenius S. 735 f. Was Werner (Beda S. 185)
beibringt, ist geistiges Eigentum des Regensburger Abts.
6) Die enarrationes Augustins sind übrigens nur stellenweise benützt;
die Erklärung ist keineswegs ein gleichmässiges Exzerpt. Bei der Erklärung
— 138 —
Beda beruht die Ausleihung des hohen Liedes,^) auf den Honiihen
des Chiysostonius die des Hebriierbricfs.-) Im Koninientar zur
Offenbanuig folgte er dem AVerke eines wenig älteren Zeitgenossen,
des Ambrosius Autbert, Abtes des Vincentiusldosters bei Benevent. ■^)
Als sein theologisches Hauptwerk betrachtete Alkuin selbst
sein Buch über den Trinitätsglauben.^) Nicht nur einem so ver-
trauten Freunde wie Arn von Salzburg gegenüber urteilte er/') es
sei liir jeden, der den katholischen Glauben keuneu wolle, sehr
notwendig; sondern indem er es dem Kaiser widmete, sprach er
die Hoffnung aus, es werde durch seine Billigung zur allgi-meineu
x\nerkennung in der Kirche kommen.") Es sollte das ot^ziell ein-
geführte dogmatische Handbuch werden. liest niaii die Schrift,
so bemerkt man sofort, dass Alkuin auch in ihr nicht original ist;
er arbeitete mit fremdem Gedankengut, wenn er sich auch nicht
im gleichen Masse fremder Worte bediente wie in seinen Kommen-
taren. Deshalb wäre es müssig, seiner Darstellung des trinitarischen
und christologischen Dogmas im einzelnen nachzugehen.') Wir
würden nm* augustinische Anschauungen und Formeln wiederfinden.'')
Für uns kann es sich nur darum handeln, zu erkennen, welchen
Wert Alkuin diesen Lehren beilegte, und in welcher Beziehung sie
zu seinen rehgiösen Grundanschauungen standen. In ersterer Hin-
sicht ist die Antwftit: die Annahme dieser Formeln galt ihm als
der Busapsalmen scheint Alkuin eine bestimmte Vorlage nicht vor sich
gehabt zu haben.
1) S. Werner, Alcuin S. 139, und Beda der Rlirwilrdipe S. 179 f. Der
V. Ale. 21 S. 19.5 genannte Kommentar zu den Proverbien scheint nicht
auf die Gegenwart gekommen zu sein.
2) S. Bahr, G. d. röm. Litt. S. 320. — Zu den exegetischen Schriften
ist auch das Büchlein ^Interpretationes nominum Hebraicorum progenitorum
domini nostri .Jesu Christi" zu rechnen.
3) S. die praef. Migne 100 S. 1088. Ambrosius Autbort, ein geborener
Franke, starb wahrscheinlich 781; vgl. seine kurze Selbstbiographie am
Schlüsse seines Apokalypsekommentars, und Haussleiters Art. in der P. RE" 11
S. 308 f.
4) Ep. 2.57 S. 414. Da der Brief in das .hihr 802 gehört, so ist die
Schrift in diesem Jahr vollendet.
.5) Ep. 258 S. 416.
6) Ep. 257 S. 414 f.
7) Eine Übersicht des Inhaltes bei Werner, Alcuin S. 159 H".
8) Es wird kaum nötig sein, zu erinnern, dass Alkuin nicht den ganzen
Augu.stin reproduziert. Gerade der Mittelpunkt der religiösen Anschauung
Augustins, das Prädestinationsdograa, ist ihm fremd, obgleich er gelegent-
lich daran anklingende Äusserungen thut; vgl. z. B. ep. 232 S. 376 AT.; carm
9 V. 7 S. 229, V. 85 f. S. 231.
— 139 —
Bediugimg cler Seligkeit. Er beginnt die ganze Schiift mit der
Reflexion darüber, dass die Sehnsucht nach Glück dem Menschen-
geschlecht unvertilgbar eingepflanzt sei, das letzte Erbe des ver-
lorenen Paradieses: nicht Herrschaft, nicht Reichtum, nicht Ruhm
und Lust vermögen sie zu stillen, nur im Himmel findet sie Be-
friedigung. Den Eintritt in das Himmelreich aber erschhesst der
Glaube, denn ohne ihn ist's unmöglich, Gott zu gefallen: er ist
das Fundament alles Guten, der Anfang des menschhchen Heils;
niemand gelangt zur Gerechtigkeit, niemand zum Anschauen Gottes,
dem der Glaube fehlt. Und worin besteht nun der Glaube? Alliuin
antwortet: Darin, dass man weiss, dass Vater, Sohn und Heihger
Geist sei ein Gott, derselben Substanz, eines Wesens, untrennbarer
Einheit in der Gottheit; dass deshalb nicht drei Götter sind, son-
dern ein Gott, Vater, Sohn und Heihger Geist, wicAvohl der Vater
den Sohn gezeugt hat und deshalb der, welcher Vater ist, nicht
Sohn ist, und der Sohn vom Vater gezeugt ist und deshalb der,
welcher Sohn ist, nicht Vater ist, und der Heihge Geist weder
Vater noch Sohn ist, sondern niu- Geist des Vaters und des Sohnes,
auch er dem Vater und Sohne gleich und zur Einheit der Dreiheit
gehörig. Dieses Wissen von dem Wesen Gottes ist der kathohsche
Glaube; jeder katholische Christ kann, soll ihn lernen.^) Und
macht er nun selig? Wie gesagt, Alkuin behauptete es. Das war
die Konsequenz seines grundsätzlich traditionahstischen Standpunkts.
Aber er fühlte, dass Ursache und Wirkung sich hier nicht ent-
sprechen: darum suchte er wie unwillkürhch die Ursache gewich-
tiger zu machen: zur ewigen Sehgkeit, hören wir nun, kann nie-
mand gelangen, es sei denn dm-ch den Glauben unter Mitwirkung
der Liebe Gottes und des Nächsten.-) Die letzten Worte ent-
stammen dem Gedankenzusammenhang, den Alkuin darlegt, mit
nichten; es wird auch im weiteren nicht von dem gehandelt, was
sie aussprechen; um so gewisser sind sie ein Beweis dafür, dass
1) Vgl. I praef. und elf.
2) Man kann die gleiche Bemerkung auch am Prolog des 2. Buchs
machen. Auch hier ist Glaube = recte de Deo credere, d. h. die Einsicht,
quam proprie Trinitas sit unus et solus et verus Deus, et quam recte pater
et filius et Spiritus s. unius eiusdemque substantiae vel essentiae dicatur,
credatur, intelligatur Von diesem Glauben wird gesagt, dass er das Herz
reinige und deshalb selig mache; denn selig sind, die reines Herzens sind.
Man würde auch hier die von der Annahme jener Formeln abgeleitete Wir-
kung nicht verstehen, wenn nicht jenem dürftigen Begriff von Glauben sich
eine vollere Vorstellung unterschöbe: mentis humanae visio invalida est ad
aspiciendam divinae maiestatis lucem, nisi iustitia fidei et dilectionis, divina
donante gratia, illustretur splendore.
— 140 —
sein religiöses Bewusstseiii :m der Dialektik fler dogmatischen For-
meln sich nicht ])efriedigeu konnte: es suchte als Grundlage des
Heils eine andere Basis.
Alkuins Buch ist der Anfang der mittelalterlichen Theologie:
es ist tyjjisch lur dieselhe. ^Slan nahm als wertvollstes Erhe der
Vergangenheit die Dogmen der alten Kirche in die neue Zeit
herülier; jedoch die rehgiösen Voraussetzungen, aus welchen sie
einstmals erwachsen waren, wurden nicht mehr verstanden. Des-
halh lührte keine Brücke von dem Dogma zur Religiosität: was
man als die seligmachende Wahrheit hetrachtete, verehrte, hütete,
das gab keine rehgiösen und sittlichen Motive fiü' das Leben ab.
Die Theologie wurde zum dialektischen Spiel mit Formeln, welche
die Einsicht in das Wesen der Gottheit erschhessen sollten; der
Glaube aber ging, beherrscht, wohl auch irre geleitet von den reli-
giösen Bedürfnissen, seine eigenen Wege.
Man ist erstaunt, wie klar das bei Alkuin an den Tag konnnt.
Während man von irgendwelcher Eigentündichkeit seiner Theologie
nicht reden kann, so von einer bestimmten Färbung seiner rehgiösen
Anschauung. Sie spricht sich in vielen gelegenthchen Äusserungen
seines Briefwechsels, aber auch in einer Anzahl seiner Schriften
aus; Beziehungen zu der Summe von Lehrsätzen, welche er als
katholischen Glauben bezeichnete, hat sie kaum; dagegen lehnt sie
sich in ziendich freier Weise an die heilige Schrift an.
Auf den Wunsch des Grafen Wido verfasste er für denselben
die Schrift von den Tugenden und Lastern, ein Erbauungsbuch für
einen Laien.') Wir finden uns in den ersten Abschnitten im Zu-
sammenhang bekannter Gedanken: jeder INIensch muss nach der
wahren Weisheit strel)en; denn auf ihrem Besitz beruht das sehge
Leben. Sie wird durgeboten im katholischen Glauben; denn ohne
Glauben ist's unmöghch, Gott zu gefallen. Genau so hatte Alkuin
iVu- Theologen in seinem Buch über die Trinität geredet. Hier folgt
1) Die Ablaseungszeit läest sich darnach vermuten, dass Wido im
.Tahre 799 die Bretagne unterwarf (Ann. Lauriss., Einh. z. d. J.). Da Alkuin
in der Widmung seines Buchs von den kriegerischen Geschäften des Grafen
spricht (ep. 305 S. 404: Tuae occupationi, (juam te in bellicis rebus habere
novimu»), so wird das Buch in diesem Jahre verfasst sein. Weshalb JaflF^
801—804 annimmt, kann ich nicht absehen. Wido war ein Nachkomme
Liutwins von Trier und Vorfahr des Kaisers Berengar (h. Waitz, Forsch. III,
149 ff., und Wöstenfeld 1. c. S. 383 ff.). Dass Alkuin bei den acht Haupt-
lastern Cassian, beziehungsweise Aldhelm folge, bemerkt Ebert (Lit. d. MA.
II S. 22); doch gilt es nur im allgemeinen: er behandelt die gleichen Laster,
aber nicht in der gleichen Reihenfolge; direkt aus Cassian genommene
Sätze habe ich nicht bemerkt.
— 141 —
nun aber der wunderbarste Übergang: Von der Erhalienlieit des
Glaubens ist zu anderer Zeit zu handeln; denn in einem kurzen
Handbüchlein können die tiefen Gründe desselben nicht dargelegt
werden.^) Und so ist denn im weiteren vom Glauben auch nicht
mit einem Worte mehr die Eede: und doch sollte das Büchlein
ein Handleiter auf dem Weg zur ewigen Seligkeit sein, die man
ohne Glauben nicht erlangen kann. Es ist unmöghch, jenes Neben-
einander von Dogma und Rehgiosität drastischer auszusprechen, als
es hier von Alkuin selbst geschieht. Ohne in einem Gegensatz
zu stehen, berührten sie sich nirgends.
Wenn Alkuin im weiteren den Grafen Wido nur über die
Tugenden und Laster belehren wollte, so hat er diese Absicht nicht
genau festgehalten; sein Buch bietet mehr als Moral: die rehgiöse
Grundlage tritt überall zu Tage. Man bemerkt leicht, dass die
Frömmigkeit, die er lehrte, im wesenthchen in dem unbeschränkten
Vertrauen zu dem götthchen Erbarmen besteht: niemand, so ver-
sichert er, darf an der Güte des frommen Gottes verzweifeln, mag
er auch durch eine unermesshche Last von Sünden gech'ückt sein.-)
Schon hierin ist ausgesprochen, dass das Gottvertrauen bei ihm
eine ganz bestimmte Färbung hatte: es war vor aUem Vertrauen
auf die sündenvergebende Gnade. Denn der S.chwerpunkt des
geistUchen Lebens lag füi' ihn in der Befreiung von Sünden. Es
ist verständlich, dass er mit ernstem Nachdi'uck die subjektiven
Voraussetzungen derselben hervorhob. Er zeichnet gleichsam die
Stufen, welche die Seele zu überschreiten hat, um zu ihrem Ziel
zu gelangen: die Zerknirschung des Herzens entspringt aus der
Demut und fülni zum Bekenntnis der Sünden, das Bekenntnis ziu*
Busse: aus der wahren Busse kommt die Vergebung. Fi-agt man
nun aber, von wo der erste Anstoss zu dieser Bewegung ausgeht,
so ist man auf die götthche Seite gewiesen: das Versprechen der
Vergebung, das wir von Gott haben, lässt die Thränen der Busse
aus unserem Herzen quellen.^)
1) C. 2 S. 615.
2) C. 4 S. 616; vgl. ep. 15 S. 41 (an Gisla): Ne tardaveris de die in
diem reverti ad illum. Haec enim duo mala niaxime odit in hominibus,
neglegentiam revertendi et desperationem salvantis. Tantum haec absint
a cogitationibus procul nostris, et ille tunc animis prope erit nostris. Ideo
nomen habet salvator, quia semper salvat et salvare cupit. Ähnliche Ge-
danken in dem Trostbrief eines sonst unbekannten Priesters Paulus M.G.
Ep. IV S. 515 No. 14.
3) De virt. et vit. HS. 620 f. Ähnliche Gedanken vielfach in den
Briefen; vgl. 31 S. 72; 51 S. 94; 105 S. 152; 114 S. 169; 125 S. 184 u. ö.
Es entspricht dem, dass für Alkuin Christus der Erlöser ist nicht nur wegen
- 142 —
Wir stehen hier nicht vor einmal ausgesprochenen Reflexionen,
sondern in diesen Gedanken lebte Alkuin. Sein Biograph erzählt.
Benedikt von Aniane habe ihn einmal gefragt, wie das Gebet laute,
das er täglich für sich bete. Alkuin habe geantwortet: Herr, ver-
leihe mir, meine Sünden zu erkennen, sie aufrichtig zu l)ekennen
und rechte Busse zu thun, und gieb mir Vergebung meiner Sünden.
Benedikt sei nicht ganz befriedigt gewesen; wollen wir, so habe er
erwidert, chesem Gebet ein Wort 'beifügen: Und nach der Ver-
gebung mache mich sehg.^) Er verstand nicht, dass für Alkuin in
der Vergebung alles andere schon beschlossen lag.
Dieselbe rehgiöse Stimmung spricht sich in den Messen Alkuins
aus:-) Sünde und Sündenvergebung, Vei-suchung und Bewahrung,
rnvollkommenheit und Vollendung -- in diesen Gegensätzen be-
dessen, was er einstmals vollbracht hat, sondern zunächst wegen dessen,
was er jetzt an der Seele thut. So an zahlreichen Stellen der Briefe:
2 S. 19; 43 S. 87; 52 S. 96; 105 S. 151; 106 S. 153 u. ö.; nicht anders in
den Gedichten: 20 v. 36 ff. S. 241; 41 v. 5 S. 253; 53 v. 10 ff. S. 265;
85, 2 V. 31 ff. S. 303 u. ö. Dass von Alkuin die Bedeutung des Todes
Christi nicht geleugnet wird, ist selbstverständlich (vgl. z. B. carm. 6 S. 224
und besonders ep. 307 S. 466 ff.), allein in dem religiösen Gedankenkreis,
in dem er lebte, war der Tod Christi nicht eines der grundlegenden Ele-
mente, auch kann man nicht sagen, dass Alkuin eine durchsichtige Theorie
über seine Bedeutung gehabt hätte; das zeigt gerade der 307. Brief sehr
augenfällig.
1) V. Ale. 14 S. 192. Die volkstümliche Anschauung vom Verdienst
ist Alkuin dabei keineswegs fremd; vgl. z. ß. ep. 17 S. 45 ff.; 43 S. 88;
51 S. 95 u. ö.; ebenso in den Gedichten 9 v. 118 S. 232; 98 v. 19 f.
S. 322 u. ö.; auch in Predigten Adhort. ad. iuiit. virt. Ved. 3 (Migne 101
S. 680).
2) Alkuin sendet den Mönchen von Fulda, wie es scheint, kurz vor
Baugulfs Rücktritt (a. 802, s. Ann. Fuld. z. d. J.) ein Missale. dessen Inhalt
er angiebt (ep. 250 S. 405) und de.ssen Gebete von ihm verfasst waren;
das letztere wird sich aus den Worten S. 406 ergeben: Haec vobis dirigere
curavimus, deprecantes . . benigne suscipere . . Faciat quislibet de eis,
fiuodcunque placeat, et ne me reprehendat in caritatis officio. Die Inhalts-
angabe stimmt mit dem ihm zugeschriebenen liber sacramontorum überein,
nur das« in dem letzteren eine missa a. Bonifatii sich nicht Kndet. Der
letztere Umstand i-st, wie mich dünkt, kein (irund, an der Authentie des
Saki-amentars zu zweifeln: möglicherweise dachte Alkuin bei der betr.
Stelle seines Briefes einfach an die missa in veneratione unius martyris
(c. 10 S. 457), oder hatte er für Fulda eine eigene Bonifatiusmeese bei-
gefügt, die nicht auf uns gekommen ist. Frobenius spricht in seinem
nionitum praevium die Vermutung aus, Alkuins Sakramentar .sei später
vorändert und vermehrt worden; besonders erklärt er die 7 missae s.
.-Vugustini für zweifellos späteren Zusatz. Werner (Alkuin S. 198) wieder-
— 143 —
wegt sich der religiöse Gedanke. Vergebung, Bewahrung und
Vollendung aber werden betrachtet und erfleht als Gaben Gottes.
Wohl bringt man, um sie zu erlangen, das eucharistische Opfer dar,
wohl wendet man sich an die Füi'bitte Marias, der Heihgen und
der Engel: schUesshch ist es doch Gott allein, der alles frei giebt.^)
Unter den biblischen Büchern hielt Alkuin vor anderen die
Psalmen hoch. Hören wir, weshalb. Hier findest du, schreibt er
in der Vorrede zu seinem Büchlein über den Gebrauch der Psalmen,
die Fleisch werdung, das Leiden, die Auferstehung und Himmel-
fahrt des götthchen Logos; hier findest du so mniges Gebet, wie
du es selbst nimmermehr ausdenken kannst, das auh'ichtigste Be-
kenntnis deiner Sünden, das reinste Flehen um das göttliche Er-
barmen. Auch findest du hier die herzhchste Danksagung fih^ alles,
was dir begegnet. Wirst du deine Schwäche und dein Elend in
Psalmen bekennen, so rufst du schon dadurch das göttliche Er-
barmen auf dich herab. Alle Tugenden wirst du in den Psalmen
holt das. Ich gestehe, dass mir das ,abs dubio" Frobens und die ,,augen-
scheinliche Unechtheit" Werners gleich ungenügende Gründe zu sein
scheinen. An sich widerspricht der Inhalt dieser Gebete den Anschauungen
Alkuins nicht (man vgl. die Bitten missa Aug. S. 446 und carm. 85, 3 S. 303),
die Bezeichnung aber ist auffällig, mögen sie von Alkuin oder von einem
Späteren stammen. Die Entscheidung kann nur durch die handschriftliche
Überlieferung gegeben werden. Sie ist mir unbekannt. In einem Sakra-
mentar der Pariser Nationalbibliothek, das dem Ende des 10. oder dem
11. Jahrh. angehört, finden sich die Messen Alkuins (s. Delisle, Memoire
sur d'anc. sacram. 1886 Nr. 97 S. 247). Doch bemerkt Delisle nichts darüber,
ob auch die fraglichen Stücke in dem Kodex enthalten sind. Dagegen
notiert er, dass man in einem angeblich Regensburger Sakramentar des
9. Jahrh. missa s. Augustini per totam hebdomatam findet. Das ist min-
destens eine Parallele. Dies Sakramentar stammt jedoch nicht aus Regens-
burg, wie Delisle (Memoire S. 153), einer modernen Notiz folgend, annimmt,
sondern aus Mainz. Das beweist die Angabe des auf Fol. 18 befindlichen
Kalendariums: Kalendis decembris. Dedicatio eoclesiae s. Albani martyris.
Gemeint ist die Albanskirche in Mainz, welche wirklich am 1. Dezember 805
von Kiculf geweiht wurde (Poet. lat. I S. 431). Nach ep. 296 S. 455 sandte
Alkuin auch nach St. Vaast eine Sammlung von Messgebeten. Dieselbe
war der Inhaltsangabe nach nicht identisch mit der nach Fulda geschickten,
auch nicht von Alkuin verfasst, sondern aus dem Missale von St. Martin
entnommen. Die Angaben dieses Briefes lassen sich also nicht zur Kritik
des liber sacramentorum verwenden.
1) C. 7 ff. S. 455 ff.; vgl. de usu psalm. I, 6 S. 477 den charakte-
ristischen Übergang von der Anrufung der Heiligen zu dem Gebet um das
Erbarmen Christi, quia in te speravi. Für den Gedanken überhaupt carm.
85, 3 S. 303.
— 144 —
tiiideu, wenn Gott dich würdigt, dir ihre Geheimnisse zu enthüllen.')
Tnd nun wird daran erinnert, wie alles, was den Christen erregt,
in den Psalmen wiederklingt: das Bewusstsein der Sünde und die
Zuvei-sicht auf die Vergebung, die Freude über die götthchen AN'ohl-
thaten und die Lust an der götthchen Herrlichkeit, die Angst in
den Versuchungen und das Entbehren der götthchen Xähe, der
Überdniss an der gegenwärtigen AVeit und das Heimweh nach
dem himndischen Vaterland, das Gefühl des Glückes und der Enist
der Heiligung: für dies alles fand Alkuhi das passende Wort
in den Psalmen. Hier haben wir die Schwingimgen seines inneren
Lebens.
Er hatte das Buch vom Gebrauch der Psalmen für Mönche
geschneben; der jüngere Karl forderte ihn auf. ein Haudbüchlein
des Stundengebets für Laien zu verfassen.-) Indem er dem AVunsch
des Prinzen nachkam,'') griff er wieder zu dem Psalter: für jeden
Tag wählte er eine Anzahl Psalmen aus und begleitete sie mit
kurzen Gebeten. Jedes enthält nm- ein paar Worte; aber völhg
die gleiche Richtung der Frömmigkeit setzt Alkuin bei den Laien
voraus wie bei den Mönchen. Denn obwohl selbst Mönch, stellte
er den Stand der ^Mönche nicht w^senthch höher als den der Laien.
Den Grafen AVidn mahnte er, sich dadurch, dass er im welthchen
Leben stehe, nicht Ijeunruhigen zu lassen, als sei ihm the Hinnnels-
thür vei-schlossen ; denn wie die Seligkeit des Reiches Gottes allen
gleichennassen verkündigt wird, so stehe die Tliür des Hinnnel-
reichs jedem Geschlecht, jedem Alter, jeder Person gleichermassen
offen.'*) In dem Eintritt in den Mönchstand sah er nicht eine
verchensthche Handlung: der Mönch sucht ja im Kloster innerlich
frei zu werden.'') Zwar hielt er es für leichter, die eigenen Fehler
im Kloster als in der Welt zu überwinden; al^er die Erfahnuig war
ihm nicht fremd, dass man auch dort der Fehler nicht ganz lechg
1) Praef. S. 465 f. Es luuss dahingestellt bleiben, ob und welche
der nachfolgenden Gebete Alkuin angehören. Ihr Inhalt erregt an sich
kein Bedenken; Gewissheit könnte jedoch nur das handschriftliche Zeugnis
geben.
2) Vgl. ep. 304 S. 462 f. JJass der Brief, dem die Überschrift fehlt,
nicht an den Kaiser, sondern an seinen Sohn gerichtet ist, macht der Ton
des Schreibens wahrscheinlich. Dünimler erinnert dagegen an V. Ale. 15
S. 193, nach welcher Stelle Alkuin für den Kaiser einen libellus de ratione
orationis verfasste. Aber ist diese Angabe nicht blosse Folgerung aus der
Widmung der Schrift?
3) Officia per ferias S. 509 ff.
4) Ep. 305 S. 465.
5) De U8U psalm. I, 4 S. 474.
— 145 —
wird.^) Er wollte auch nicht, dass der Mönch fiii- alles ersterbe,
was jenseits der Klostermaiiern lag. Wie er ihn für die Kkche,
für Papst, Bischof und Abt beten lehiie, so auch für- den König,
die Füi-sten und Herren, wie flu- die Wohlthäter des Klosters, so
auch flu- Vater, Mutter und Gesch-^äster. -)
Wenn man den rehgiösen Gehalt, der in solchen Äusserungen
sich ausprägt, mit dem vergleicht, was wir von Männern wie Columba
oder auch Bonifatius wissen, so ist offenbar, dass die Zahl der Töne,
die bei Alkuin ankhngeu, eine grössere ist als bei jenen. Sein
inneres Leben war reicher, was ihm dm'ch die Seele zog, mannisr-
facher abgestuft. Das ist der Segen der Bildung. Er war fi-ucht-
bar für viele ; denn Alkuin war wie kern zweiter Mann der Leln^er
des jüngeren Geschlechtes theologischer und kirchUcher Männer im
fränkischen Reich.
Als er England verHess, begleitete ihn eine Anzahl von Schülern ;
andere folgten ihm später nach. So bildete sich ein Kreis jüngerer
Gelehrter, in welchem er als Meister verehi't wurde imd von welchem
aus sich der Samen des Wissens nach den verschiedensten Seiten
hin verbreitete.
Der älteste von ihnen war SiguK mit dem Beinamen Yetulus.
Sein Leben giebt einen Eindnick von dem geistigen Austausch, der
schon in der Älitte des achten Jahi-hunderts zwischen den ver-
schiedenen Ländern des Abendlandes stattfand. Als Knabe kam er
mit seinem Oheim Autbert nach Franki'eich; von hier sandte um
Autbert nach ItaHen: er sollte den römischen Gottesdienst kennen
lernen; aus Eom ging er nach Metz an die dortige Gesangschule;
endlich kehrte er nach York zurück.^) Hier wm'de er Seelsorge-
priester an der Metropohtankirche:'^) auf das engste schloss ersieh
an Alkuin an. Die Anhänghchkeit an den Lehrer war grösser als
die an das Vaterland; er folgte ihm über den Kanal. Alkuin hat
das dankbar anerkannt; er widmete ihm, als seinem mizertreim-
hchen und treuen Genossen wähi'end so vieler Jahi-e,'^) seine Schiifb
1) L. c. I, 3 S. 471; E, 9 S. 500 f.
2) L. c. I, 14 S. 487 f.; II, 3 S. 493 f.
3) V. Ale. 8 S. 189.
4) So verstehe ich die Worte custos Eboricae civitatis ecclesiae.
Puckert Aniane S. 258, 13 findet das eine schwer begreifliche Tautologie
und erklärt, Hüter der gottesdienstlichen Geräte ; allein custos ecclesiae ist
eine ganz gewöhnliche Bezeichnung für den Pfarrer (s. z. B. Capit. 114, 5
S. 232) : bei einer MetropoHtankirche muss es also den Priester bezeichnen,
dem die Seelsorge an der Gemeinde übertragen ist.
5) Ep. 80 S. 122: Quia individuus et fidelis mihi socius tanto tempore
fuisti; vgl. V. Ale. 11 fle. S. 191 f. Über die Datierung s. oben S. 187 Anm. 2.
Hauck, KlrchengescMchte. n. 2. Aufl. \Q
— 146 —
über die Genesis. Wir i^ewiniieu aus ilu- eine Vorstellung der
Geistesart Sigults: denn Alknin beantwortete in ihr Fi-agen, welche
jeuer gelegentlich aufgewoifen hatte. Zum geringsten Teil be-
treffen sie Schwierigkeiten, welche diu'ch den Text dargeboten
werden, sondern fast durchweg richten sie sich auf Dinge, welche
hinter dem Texte liegen: die Absicht ist. die göttUche Telcologie in
den Ursprungsgeschichten der Menschheit aufzufinden. Sigulf
wurde Alkuins Xaclifolger in Ferri^res^) als Abt dieses Klosters,
sclihesslich auch Mcinch.-') Wie treulich er das Andenken au sei-
nen Lehrei' pflegte, zeigt Alkuins Biographie; von einem ^lönch
seines Klosters geschrieben, l)erulit sie auf seinen Mitteilungen;^)
freilich giel)t sie weder ein völlig treues Bild seiner Persönlichkeit
noch eine eingehende Schilderung seines Lebens. Die Absicht, den
modernen Gelehrten wie einen alten Heihgen erscheinen zu lassen^
wirkte schädlich.
Neben Sigulf gehört Witto zu den ältesten Schülern Alkuins.^)
Er wurde i. J. 793 von Bischof Hygbald von Lindisfarne zu ihm
gesandt, damit er in seiner Umgebung seine Bildung vollende.
Schon nach einem Julu-e suchte er das Vaterland meder auf;^)
aber er blieb nicht in England; bald findet man ihn wieder auf
dem Kontinent, zuerst in der Nähe Alkuins:") dann hören wir von
einer Wallfahrt nach Rom und von einem ungefähr einjährigen
Aufenthalt in Salzburg, wo er als Lehrer wirkte.') Doch scheint es,
1) Servat. Lupus ep. 94 S. 195 ed Desdevises du Dezert.
2) Ders. ep. 114 S. 195.
3) Prol. S. IM f.
4) Wizzo, Candidas. Vgl. über ilin Richter im Progr. des k. Gymn.
zu Leipzig 1890.
5) Ale. ep. 24 f. S. 65 f. Üter das Datum .der Briefe s. die Anm. .Taftes
und Dilmmlers.
6) Die römische Reise untornahni Witto von Tours aus; Alknin er-
wartete auch, dass er dahin zurückkehren würde (carm. 44 S. 255 tt'.).
7) Wahrscheinlich reiste Witto mit Arn im Frühjahr 798 nach Rom.
(Sickel, Alcuinstudien S. 19). Er wird im Lauf des Sommers nach Tours
zurückgekehrt sein. Im Herbst reiste er von dort nach Salzburg, s. ep. 156
S. 253: Si Witto veniat ad vos. Der Brief i.st nach der Ernte, also August
oder September 798 geschrieben, vgl. ep. 153 S. 248 aus dem August 798;
Düminlers Annahme, dass dieser Brief an Arn gerichtet ist, scheint mir wahr-
scheinlicher als die Sickels, Witto sei der Empfänger; dann ist der frater
noster et amicus der letztere; nach ep. 157 S. 265 aus der zweiten Hälfte
de« September 798 war Alkuin noch ohne Nachricht über Wittos Ankunft
in Salzburg. Ep. 184 S. 309, 198 S. 320, 204 S. 328. 207 S. 345 von Ende
799, oder wenn ep. 184, wie mir wahrscheinlicher ist, erst im Anfang 800
geschrieben ist, von da bis 26. Juni 800 zeigen Witto wieder in Tours; er
— 147
dass Alkiiiu iliu nicEt für die Dauer entbehren wollte; denn er
kehrte nach St. Martin in Toiu-s zm^ück;') dort verweilte er, bis
ihn Karl gegen Ende des Jahres 801 an die Hofschule zog.-)
Wie es scheint, ist er bald danach gestorben.-^) Wenn die kleine
Abhandlung über das Ebenbild Gottes, welche unter seinem Namen
auf uns gekommen ist, ihm angehören sollte, so würde sie den
kehrte wohl dorthin zurück, als Arn, Spätjahr 799 sich nach Rom begab.
Sein Aufenthalt in Salzburg dauerte also ungefähr ein Jahr. Nach ep. 211
S. 351 ging er von Tours nach Rom mit einem Brief Alkuins an Karl; das
war Ende 800 oder Anfang 801; denn vor d. 4. April 801 war er schon
wieder in Tours, ep. 216 S. 360 u. 225 S. 368. Im Herbst 801 sandte
Alkuin ihn zu dem zurückkehrenden Kaiser ep. 229 S. 873 und 242 S. 387.
Seitdem erscheint er am Hof s. ep. 245 S. 393, 251 S. 406, 254 S. 411.
Der letztere Brief ist v. 24. Mai 802, die beiden ersteren vom Ende 801
oder Anfang 802. Nicht sicher zu datieren ist ep. 163 S. 263; Dümmler
bestimmt sie — 799, wohl mit Rücksicht darauf, dass Karl nicht als Kaiser
bezeichnet ist; allein das ist nicht entscheidend s. S. 106 Anm. 3; der In-
halt ist gänzlich neutral, einen Anhaltspunkt giebt nur die Erwähnung
Wittos; so aber wie der betr. Satz gedruckt ist, giebt er keinen rechten
Sinn. Es wird zu lesen sein revertens a vobis. Dann gehört der Brief in
die Zeit des Hofaufenthalts Wittos, 801 oder 802.
1) Sickel hat (Wiener SB. 79 S. 536) die Hauptstellen eines Briefes
eines ungenannten Slawenpredigers mitgeteilt, derselbe liegt nun M.G. Epist.
IV S. 484 ff. ganz vor. Er ist von Sickel Witto zugeschrieben, diese Ver-
mutung von Dümmler mit einem Fragezeichen aufgenommen worden, wie
auch ich ihr in der 1. Aufl. dieses Buches S. 141 Anm. 6 zustimmte und
daraus auf die Beteiligung Wittos an der Slawenmission schloss. Ich gestehe,
dass Sickels Gründe mir jetzt nicht mehr so beweiskräftig erscheinen, wie
früher, die Bedenken gegen seine Hypothese dagegen gewichtiger. Richtig
ist, dass der Verfasser des Briefes ein Alkuinschüler war. Aber dass Witto,
auch wenn er sich in Baiern aufhielt, sich als Noricus bezeichnete, ist
wenig wahrscheinlich; noch weniger passt auf ihn die Bezeichnung als Greis,
wenn es richtig ist. dass er vor Alkuin starb. - Blancidius als Hindeutung
auf den Namen Witto zu fassen geht deshalb nicht an, da dabei an sein
Aussehen gedacht ist, wir aber keineswegs wissen, ob Witto wirklich blond
war. Wie mir scheint, muss man darauf verzichten, den Schreiber des
Briefs zu nennen. Dann fällt auch die Annahme einer Missionsthätigkeit
Wittos, für die ohnehin in seinem Leben kein rechter Platz ist.
2) Vgl. oben Anm. 7.
3) Witto ist wahrscheinlich vor Alkuin gestorben, da sein Name früher
als der seines Lehrers unter den ep. et abb. defuncti in das Verbrüderungs-
buch von St. Peter in Salzburg eingetragen worden ist (Sp. 47, 10). Zu-
gleich ergiebt die Stelle, dass er in seiner letzten Zeit Abt war. Dass in
dem Albinus abbas Alkuin und nicht irgend ein unbekannter bairischer
Abt gemeint ist, scheint mir sehr wahrscheinlich.
10*
— 148 —
Beweis liefern, dass er ein Theologe nach Alkuins Vorhikl war.
Wie bei jenem, so l)ildeu auch hier aiigustinische Gedanken den
Inhalt der theologischen Wissenschaft.')
AValn-scheinlich ei-st nach dein Jahre 793 trat Fiidugisus-) in
den Schülerkreis Alkuins ein; wie es scheint, war er bereits zum
Diakon geweiht, als er England verUess, noch ein Jüngling, aber
wohl unterrichtet;^) bald wurde er Archidiakon,*) zugleich mit Witto
kam er im Jahre 801 an den Hof.^) Karl muss sehr günstig ül)er
ihn geurteilt haben; denn als Alkuin starb, übertrug er ihm die
Abtei St. Martin, die reichste Stiftung, die er zu vergeben hatte.")
Das Talent, eine grosse Koiporation zu leiten, und Ernst der Ge-
sinnung') wird er bei ihm verbunden gesehen haben. Nicht minder
schätzte ihn Ludwig der Fr.; denn als Helisachar i. J. 819 aus
der Kanzlei austrat, berief er Fridugis an seine Stelle.'^) Dazu ver-
heb er ihm im Jahr 820 die alte Stiftung Sithiu, d. i. die ver-
bundenen Klöster St. Omer und St. Bertin.") Als Kanzler hat
1) Migne 101, 1359 f.; neu herausgegeben von Richter S. 34 f. (Dicta
Candicli presbyteri de imagine Dei). Die Zugehörigkeit zu unserem Can-
didus ist allerdings alles eher als sicher. Ich glaube nur deshalb die Schrift
hier erwähnen zu dürfen, weil ich annehme, dass sie nicht denselben Ver-
fasser hat, wie der Brief über das Schauen Gottes (M.G. Papist. IV S. 557
Nr. 39) und die Auslegung der Leidensgeschichte (Migne 106 S. 57 ff.).
Das ergiebt die Verschiedenheit des Stils und der Gedankenverbindung.
Da ich für einigermassen wahrscheinlich halte, dass die zwei zuletzt ge-
nannten Schriften von Bruun-Candidu.s von Fulda herrühren (s. u. 5. Buch
3. Kap.), so ist die Möglichkeit vorhanden, dass die dicta dem Alkuinschüler
Witto-Candidus angehören.
2) Nach V. Ale. 11. S. 191 kamen Fredegisus et eius socii nach Sigulf
und Witto zu Alkuin. Im .lahr 796 kannte ihn Thoodulf als levita (carm.
25 v. 175 S. 487); Alkuin bezeichnete ihn zwei Jahre später noch als puer
(ep. 154 S. 249). Sein Beiname war Nathanael. Man vgl. über ihn Bahr,
Gesch. d. röm. Litt. S. 378; Ahnor, Fredegis v.T., 1878; Simson JB. Lud-
wigs, Bd. 2 S. 236 ff. ; Puckert, Aniane S. 33 u. 259.
3) Theod. I. c. v. 176: Gnarus arti.i, doctn.s bene.
4) Ale. ep. 210 S. 351. Der Brief gehört wahrscheinlich in das Jahr 800.
5) Ib. ep. 244 f. S. 392 f.
6) Als Abt V. St. Martin unterschrieb er Karls Testament, Einh. vita
Kar. 32. Urkunden für die Abtei, die er erhielt, B.M. 499. 609—612 u. ö.,
vgl. Form. imp. 29 S. 307 f.
7) Vgl. Karls Motive für Alkuins Ernennung, Ale. ep. 247 S. 400.
8) Sickel Acta I S. 89; Mühlbacher Reg. imp. S. LXXXVI; Bres.slau
Urk. Lehre 1. S. 287. Die erste Urkunde, die seinen Namen trägt, ist am
17. August 819 ausgestellt. Er blieb bis 832 in der Kanzlei.
9) Folcw. Gesta abb. s. Bert. 47 ff. M.G. Scr. XIII S. 614 ff. Ser. abb.
Scr. XIII S. 390.
— 149 —
Fridugis länger als ein Jahrzehnt gearbeitet. Man kann bemerken,
dass das verwilderte Urkundenlatein seitdem glätteren Formen
weicht;^) erst dui'ch ihn kam der Ertrag der Schule Alkuins der
Kanzlei zu gute. Die Sammlung neuer Urkundenformulare, die
von der Kanzlei in dieser Zeit hergestellt wiu-de,-) mag ebenfalls von
ihm angeregt sein. Man erkennt den entschlossenen Mann, der
sich nicht scheute das Überlieferte zu ändern. Die gleiche Energie
bewies Fridugis in der Verwaltung seiner Klöster: unter ihm ist
der unklare Zustand, in dem sich St. Mai-tin Avähi'end Alkuins
Leitimg befand,'^) geändert worden: das alte Kloster wurde zu
einem Chorherrenstift. "^) xluch hat man keinen Grund, die Nach-
richt zu bezweifeln, dass unter seiner Verwaltung die Zahl der
Mönche in St. Bertin beschränkt und St. Omer wie St. Martin
Kanonikern übergeben ^^Tn-de.'^) Das waren eingreifende Mass-
regeln, die ihm die Mönche von St. Bertin nie verziehen haben.
1) Vgl. Mühlbacher a. a. 0.
2) Die Formulae imperiales S. 283 ff., vgl. Sickel Urkundenlehre S. 116 ff.
3) Vgl. Ale. ep. 247 S. 400 f.
4) Die Urk. Gallia christ. XIV Instr. S. 15 Nr. 12 zeigt St. Martin als
Kanonikat.
5) Beides behauptet Folcwin a. a. 0. Puckert, Aniane S. 259 ff', be-
streitet seinen Bericht in einer sehr umständlichen Darlegung. Aber der
Grund, den er für entscheidend erklärt, dass Fr. nicht ohne Zuthun des
Kaisers hätte handeln können (S. 264), ist doch nur ein argumentum e
silentio; wie wenig das königliche Eigentum derartige Umbildungen aus-
schloss, zeigt das Beispiel von St. Martin sehr anschaulich. Ferner ist
sicher, dass die Beschränkung der Zahl der Mönche in St. Bertin unter
Ludwig d. Fr. geschah (Gart, de S. Bert. S. 123 Nr. 56); betrachtet F. Fri-
dugis als unbeteiligt an der Sache S. 267, so ist dieser Schluss doch allzu
vorschnell: denn es ist selbstverständlich, dass eine solche Festsetzung nicht
ohne Vorwissen des Abts geschah. Weiter bemerkt Puckert selbst, dass
zum ersten Mal unter Fridugis St. Omer und St. Bertin gesonderte Schen-
kungen erhielten (Gart, de S. Bert. Nr. 85 S. 158 Puckert S. 287). Es
ist nun freilich möglich, dass aus diesen Urk. in St. Bertin die Vorstellung
erwuchs, Fridugis habe die Herabsetzung der Zahl der Mönche und die
Lösung der engen Verbindung von St. Bertin und St. Omer herbeigeführt.
Aber notwendig scheint mir diese Annahme nicht: das nächstliegende, ist
vielmehr, dass diese urkundlichen Notizen Folcwins Bericht bestätigen.
Nimmt man endlich Hilduins Aussage über Hugo (ordinationem illius s.
loci competentem summa devotione disponere voluisse et cepisse, sed morte
praeventum non perfecisse, Gart. S. 123 Nr. 56) hinzu, so ist auch die Re-
formbedürftigkeit des Klosters nicht allzu lange nach Fridugis Tode erwiesen.
Seine Verwaltung wird also wirklich hier wie in Tours zu wünschen übrig
gelassen haben.
— 150 —
xA.ber es scheint, ilass doch nicht nur das verletzte Selbstgefiihl der
Mönche iinixünstig über ihn luieilte. sondern dass er wirkhch in
der Venvaltung des Besitzes seiner Stifter nicht immer gUickUch
war.*) Er starb im Jahr 834.-)
"Was seine wissenschaftHche Haltung anlangt, so bewegte er
sich wie sein Meister in den von Augiistin dargebotenen theolo-
gischen Vorstellungen. Das sieht man schon an seinem Verkehr
mit Alkuiii. Nachdem er Lehrer an der Hotschule geworden war,
richtete er eine Anzahl Fragen über die Trinitätslehre an jenen.
Die Fragen gehen ebenso wie Alkuins Antworten von der augus-
tiuischen Anschauung aus.^) Doch versuchte er sich auch in selbst-
ständigen Spekulationen. Das zeigt sein Schriftchen über das
Nichts und die Finsternis.'*) Die Abhandlung ist der Hofgesell-
schaft Karls gewidmet; sie charakterisiert die wissenschaftlichen In-
teressen derselben. Man kam einmal auf die Frage, ol) das Nichts
etwas sei oder nicht. Lebhaft sprach man darüber hin und her;
doch konnte man sich nicht einigen und liess zuletzt das Problem
als unlösbar fallen. Fridugisus überdachte es weiter, kam zu einer
bestimmten Ansicht und legte diese in seinem Büchlein den Freun-
den vor. Uns interessiert weniger das Resultat, zu dem er ge-
langte, das Nichts sei etwas, als die Art, wie er seinen Satz zu
beweisen unternahm. Es genügte ihm nicht, ihn auf die Autorität,
d. h. die heilige Schrift zu begi-ünden, sondern er suchte ausserdem
einen Vernunftbeweis. AVie in der späteren mittelalterlichen Theo-
logie, so stehen schon bei diesem Schüler Alkuins Vernunft und
Autorität als die zwei sich gegenseitig stützenden Quellen der Er-
kenntnis neben einander.'') Und felsenfest baute mau auf die Re-
sultate der dialektischen Kunst. Das tritt in der zweiten Hälfte
der Abhandlung in beinahe seltsamer Weise hervor. Auch zu ihr
gaben die Gespräche am Hof den Anlass: Ist die Finsternis oder
ist sie nicht ? Diese Frage beschäftigte die Geister. Von den einen
^vlu•de der Satz veribchten. die Finsternis sei nicht, könne niciit
sein; von den anderen wurde er bestritten. Fridugisus war der
1) B.M. 800.
2) Folcw. fiesta 53 S. ßlß.
3) Migno 101 S. •">? ff. Cbrigons ist die Form , in welcher uns die
Fragen vorliegen, von Alkuin goprägt. Frage 12 z. B. bezieht, sich auf die
vorhergehende Antwort.
4) M.G. Ep. IV S. 552 ft. Nr. 36. Von Fridugis noch als Diakonns
verfaest.
5) Vgl. S. 553: Huic responsioni obviandum est, primum ratione, in
quantum hominis ratio patitur, deinde auctoritate, non qualiV>et, sed divina
duntaxat, quae sola auctoritas est, solaque immobilem obtinet firmitatem.
— 151 —
letzteren ^Meinung: er wagte den Beweis zu führen nicht nur, dass
die Finsternis ist, sondern auch, dass sie etwas Körperhches ist.
Es war die von einem theologischen Gegner getadelte Lust an
Syllogismen,^) welche ihn zu dieser Behauptung führte; das Ver-
trauen auf che Kraft des logisch richtigen Schlusses hess ihn nicht
auf den Gedanken kommen, dass man sich über die Greifbarkeit
der Finsternis durch che Erfahrung überzeugen könne.
Mancher andere enghsche und deutsche Schüler Alkuins wird
noch genannt. Von den meisten wissen wir wenig mehr als den
Namen,-) anderen begegnet man in den wichtigsten kirchhchen
Stellungen: Sens und Autim, Mainz, Trier und Worms zählen
Alkuinschiüer unter ihi-en Bischöfen,'^) Ferrieres. Lorsch, Fulda
1) Ägob. Adv. Fredeg. 16 (M.G. Ep. V S. 218): Cum vestris syllogismis
affirmare nitimini. Reuter (Gesch. d. Aufkl. I S. 37) schildert Fridugisus als
grämlichen Kritiker. Wie mich dünkt, beweist das die Stelle aus Agobards
Schrift, die er als Beleg aufführt (c. 2 S. 210 f.l, nicht, da das Wort omnia
hier sich nicht auf alles überhaupt, sondern nur auf die ganze Abhandlung
Agobards bezieht.
2) Onias, mehrfach mit Fridugisus zusammen genannt; Alkuin wid-
mete beiden u. Witto seinen Kommentar zum Prediger Salomonis; vgl. ep.
210 S. 351; 251 S. 406; 276 f. S. 433 f. — Martin: ep. 25 S. 66; 210
S. 351; vgl. Poet. lat. I S. 402 carm. 7. — Oduin: ep. 8 S. 33; 134 S. 202.
— Osulf: V. Ale. 12 S. 191. Frobenius lässt an ihn ep. 294 f. S. 451 ge-
richtet sein. Die Vermutung wird von Werner (Ale. S. 11 f.) als That-
sache behandelt, ist jedoch höchstens halb richtig. Ep. 294 ist an einen
kirchlichen Würdenträger (S. 451 : Quae nee tuae conveniant dignitati)
Englands (ib.: Tuam laudem tota -pene decantat Brittania) gerichtet, der
in Frankreich persönlich unbekannt war (ib.: Latior est fama nominis tui
quam notitia faciei tuae). Das alles passt nicht zu Osulf. Ebensowenig zu
dem Empfänger von ep. 295; denn dieser ist adolescentulus (S. 452). Dass
ep. 295 an Osulf gerichtet war, ist möglich, lässt sich aber nicht beweisen.
Theodulf nennt Osulf im Jahre 796 zusammen mit Fridugisus, carm. 25 v.
175 S. 487; später begegnet er in der Umgebung des jüngeren Karl,
ep. 188 S. 315. — Dodo; an ihn Ale. ep. 65 S. 107; Dümmler nimmt mit
grosser Wahrscheinlichkeit an, dass Dodo den Beinamen Cuculus trug; dann
ist auch ep. 66 S. 109 (von Arn) an ihn gerichtet, und handelt über ihn in
carm. 57 S. 269 ; vgl. ep. 226 S. 370 u. 232 S. 378. Ebert (Lit. d. MA. H
. S. 68, vgl. S. 31) hält ihn für den Verfasser des Conflictus veris et hiemis
(Ale. carm. 58 S. 270). S. dagegen Dümmler, Z. f. d. Altert. N. F. XI
S. 67 ff. — Daphnis: ep. 133 S. 200; carm. 57 S. 269. — Eaganardus
und Waldramnus: V. Ale. 11 S. 191. Über beide wissen wir nichts. —
Putul: V. Liudg. I, 12 S. 407, ebenfalls unbekannt.
3) Nach V. Ale. 16 S. 193 war Aldrich, Schreiber, später Notar in
der Kanzlei Karls (Bresslau, ürk. Lehre I S. 286), Abt von Ferrieres, seit
829 EB. von Sens, gest. 836, Alkuins Schüler; vgl. ep. 260 S. 418, wo der
— 152 —
unter ihren Ahteu.^) iNIan möchte sich wundern, dass. von Fridu-
gisus abgesehen, unter ihnen allen nur zwei: Hraban"-) und
Diakon Adheh-ich als filius, d. i. als Schüler Alkuins bezeichnet wird. Er
hat das Verdienst, Servatus Lupus für die gelehrte Laufbahn bestimmt zu
haben, Serv. Lup. ep. 1 S. 44, 6 S. 62. Schüler Alkuins waren ferner
Moduin von Autun; denn er ist nach Dümmlers Nachweisen Poet. lat. I
S. 382 ft'. identisch mit dem Alkuinschüler Naso; seine Eklogen Poet. lat. I
S. 384; vgl. Ebert, Lit. d. MA. II S. 64 ff.; sodann Riculf (Damöta), seit
787 EB. von Mainz, s. ep. 4 S. 29 f.; 25 f. S. 66 ff.; 35 S. 77; 212 S. 352;
Alkuin kanrr, wie sich aus der Chronologie ergiebt, seine Bildung höchstens
vollendet haben; ebenso Hraban von Mainz (s. u.), Ricbod (Makarius), seit
784 Abt von Lorsch, seit 791 Bischof von Trier, s. ep. 13 S. 38 f.; 49 S. 93;
78 S. 119; 191 S. 318; endlich Samuel, Bischof von Worms und Abt von
Lorsch. Er war ein Genosse Hrabans, s. dessen carm. 25 — 31, nach 28 v. 19
S. 190 wie Hraban ein Schüler Alkuins, und starb in demselben Jahr wie
er. Auf ihn wird sich die Stelle Ale. ep. 88 S. 133 beziehen. Denn es
scheint mir unmöglich, mit Dümmler hier Beonrad, Abt von Echternach
und Bischof von Sens genannt zu finden. Zwar ist es gewiss, dass Beonrad
mit dem Namen Samuel bezeichnet wurde, s. Ale. carm. 4 v. 25 S. 221 und
carm. 8 S. 228. Aber er war schon seit 777 Abt von Echternach, also
798 — 796 sicher ein ziemlich bejahrter Mann; er ist 797 gestorben. Er
kann also nicht der Mitschüler des Empfängers von ep. 88 gewesen sein,
da der letztere in dieser Zeit als junger Mann angeredet wird. Ist der
Samuel condiscipulus nicht Beonrad, dann liegt es nahe an den Wormser
Bischof zu denken. Ist er gemeint, dann gewinnt Dümmlers frühere, jetzt
von ihm aufgegebene (S. 132 Anm. 1) Vermutung, der Empfänger sei Hraban,
einen ziemlich sicheren Halt.
1) Sigulfs Nachfolger in Ferneres war Adelbert, nach v. Ale. 11
S. 191 ein Schüler Alkuins, vgl. v. Aldrici Senon. 11 A. S. Mab. IV, 1
S. 541. Aus Alkuins Briefen ergiebt sich, dass er ein Deutscher war, in
Alkuins Kreis den Beinamen Magus führte, und mit Witto nach Salzburg
kam, wo er mehrere Jahre lang verweilte, ep. 156 S. 254; 193 S. 320; 194
S. 322; 258 S. 416; 260 S. 418; vgl. 264 S. 422. Der früheste dieser Briefe
gehört in den September 798, der letzte wahrscheinlich in den April 808. Sein
Nachfolger in Ferneres war Aldrich, s. oben S. 151 Anm. 3. Äbte in Lorsch
waren Ricbod und Samuel s. oben S. 151 Anm. 3, in Fulda Hraban s. u. und
Hatto, den Cat. abb. Fuld. M.G. Scr. XIII S. 272 als Alkuinschüler nennt.
2) über ihn Buch 5, Kap. 3. Seine Beziehungen zu Alkuin werden
bezeugt 1. durch den Cat. abb. Fuld. M.G. Scr. XIII S. 272; hienach hat
Abt Ratgar ihn zugleich mit Hatto nach Tours geschickt; Ratgar leitete
die Abtei 802—817. 2. Durch Ale. ep. 142 S. 223 und carm. 51, 2 S. 264.
3. Durch eine Notiz Hrabans in der Vorrede .leinea Kommentars zu den
Büchern der Könige, ep. 14 S. 403: Magister meus, b. m. Albinus. Die
Notiz des Katalogs hat Ebert in den Berichten der Sachs. Ges. d. W. 1878
S. 98 in Zweifel gezogen, da Hraban dann nur .sehr kurz in Tours hätte
verweilen können. Dümmler N.A. XVIII S. 67 hat zugestimmt; er nimmt
— 153 —
Amalai'-^) als Schriftsteller sich einen Namen machten, und dass
allein der erstere eine litteraiische Thätigkeit entfaltete, die sich
mit der ALkiiins vergleichen lässt; doch giebt schon die Menge
der Schüler Alkuins einen Beweis, wie verbreitet die theologische
Bildung in der späteren Zeit Karls war.
Neben den Angelsachsen fehlten am Hofe Karls die Ii'O-
schotten nicht, wenn auch der Zuzug dieser Fremden im Vergleich
an, der Katalog habe sich in der Person des Abts getäuscht, nicht Ratgar,
sondern Baugulf habe die beiden Fuldischen Mönche zu Alkuin gesandt.
Die Annahme scheint mir sehr schwierig; der Verfasser des Katalogs ist
anerkanntermassen gut unterrichtet; auch steht die Notiz über Hraban und
Hatto nicht für sich allein, neben ihr steht die andere, Ratgar habe Modest
und andere zu dem Schotten Clemens geschickt. Hier ist ein Irrtum aus-
geschlossen: denn Clemens war erst einige Zeit nach Alkuins Rücktritt an
der Hofschule thätig. Um so schwieriger ist die Annahme eines Irrtums
bezüglich Hrabans. Auch ist die Erwägung, dass, wenn Hraban erst unter
Ratgar nach Tours kam, sein dortiger Aufenthalt für die Bedeutung, die
Alkuin ihm beilegte, zu kurz gewesen sei, wie mich dünkt, nicht gerade
zwingend. Alkuin hat dem Jüngling den Namen Maurus gegeben; das be-
deutet doch nichts anderes, als dass er in ihm einen exemplarischen Nach-
folger Benedikts sah. Um dies Urteil zu gewinnen, bedurfte er sicher nicht
Jahre, dazu genügten Monate. Mehr wissen wir aber über die Bedeutung
von Hrabans Aufenthalt in Tours nicht; denn carm. 51, 2 ist ein ziemlich
inhaltsloses Abschiedsgedicht, man möchte sagen: ein Stammbuchvers, und
ep. 142 ist die Erinnerung an ein versprochenes, aber nicht geliefertes Buch.
Der Zettel ist offenbar geschrieben kurz nach Hrabans Rückkehr aus Tours ;
von Wichtigkeit ist er nur insofern, als er zeigt, dass Hraban in Fulda
sofort Lehrer wurde. Das macht nicht gerade wahrscheinlich, dass er ins Jahr
798 gehört. Denn wenn Hraban 776 oder nach Dümmler 784 geboren wurde,
so wäre er damals für einen Lehrer noch sehr jung gewesen; fällt der Brief
in Alkuins Todesjahr, so verschwindet diese Schwierigkeit. Unter Voraus-
setzung des früheren Aufenthalts Hrabans in Tours finden Ebert und Dümmler
in dem Corvinianus oder Corvulus des Theodulfischen Gedichts a. 796 (Poet,
lat. I S. 490 ff.) Hraban wieder. Ich muss meine schon früher ausge-
sprochenen Bedenken festhalten: gerade bei dem ironischen Ton des Ge-
dichtes scheint es mir wenig wahrscheinlich, dass hier der damals doch
noch recht junge, nach D. 12 jahrige, Schüler gemeint ist: er passt nicht in
den Kreis der sonst ironisierten. Ob der nicht genannte Schüler Alkuins,
an den ep. 88 S. 132 gerichtet ist, Hraban war, ist eine Frage, die sich mit
Sicherheit natürlich nicht beantworten lässt. Dümmler hat die von ihm
aufgestellte Vermutung jetzt aufgegeben (S. 132 Anm. 1); ich möchte sie,
wie oben S. 152 bemerkt, trotzdem für möglich halten.
1) Über ihn ebenfalls im nächsten Buch. Als Schüler Alkuins nennt
er sich selbst de ord. antiph. 58 Migne 105 S. 1303 und 67 S. 1307; über
sein Verhältnis zu Amalar von Trier s. u.
— 154 —
mit IriilitT abualiin.') Ein religiöser oder A\issenscliaftlicher Gegen-
satz zwischen den Kelten und den Germanen ist nicht wahrzu-
nehmen: im Gegenteil, sowohl die formale Bildung als die theolo-
gischen und religiösen Anschauungen sind identisch. ]\Ian arbeitete
und dichtete, man betete und fastete genau auf dieselbe AW'ise.
Von einem dieser Kelten, Josephus Scottus. welcher Alkuin beson-
dere nahe stand,') wissen wir, dass er eine Erklärung des Jesajas
verfasste; er ging zu Werke wie Alkuin und exzerjjierte sie aus
dem Kommentar des Hieronymus/') Er machte auch Veree; aber
er hatte dazu so wenig Anlage als die meisten der karolingischen
Dichter; die Buchstabenkünsteleien, welche er Karl widmete,'*) sind
mehr Beweise einer unermüdlichen Geduld als poetischen Talentes.
Ein anderer Schotte, Namens Duugal, lebte und lehrte in dem
Kloster St. Denis: '^) er w-ar ein armer Mönch, der ])ald da bald
dort bittend anklopfen mussto; aber manchfach unternchtet wie er
war, wahrte er sich ein auffällig unbefangenes Urteil über die
wissenschafthche Ki-aft von Vergangenheit und Gegenwart. Auch
er blickte zu dem Altertum auf, aber es schien ihm nicht unmög-
lich, sein Vorl»ild zu erreichen; er meinte: wenn es den Zeit-
genossen nicht an Energie der Forschung fehlte, könnten sie es
den Früheren gleichtluni.") Er selbst hat iudess nichts Eigenartiges
1) V^l. Ale. ep. 280 S. 437: Antiquo tempore doctissinii solebant
magistri de Hibemia Brittanniam, Galliara, Italiam venire.
2) Kp. 8 S. 33 redet ihn Alkuin als Sohn an; der Brief ist 790 aus
P^ngland geschrieben. Es scheint, dass Alkuin Joseph zu seinem Stellver-
treter während seiner Abwesenheit in England machte. Das wird sich aus
den Aufträgen des 8. Briefes folgern lassen (vgl. aucli ep. 14 S. 40;. Als
«einen Lehrer verehrte Joseph einen schottischen Priester Colcu (ep. 7 S. 32;
8 S. 34), der 794 starb (Jaffe S. 166 Anm. 3).
3) Die Widmung des Kommentars an Alkuin Poet. lat. I S. 1.51, auch
Ep. IV S. 483. Der Kommentar i.st handschriftlich erhalten (s. Dümmler
1. c. S. 149 f ).
4) Poet. lat. I S. 1-52 ff. Joseph starb vor Alkuin; (ep. 77 8. 119 ist
er tot; der Brief ist aber nicht datierbar.
5) Seine Briefe in den M.G. Ep. IV S. .568 ff.; auch bei Jaffe, Bibl.
IV S. 429 ff. TTcdichte in den Poet. lat. I S. 893 ff. und II S. 664; vgl.
Dümmler a. a. 0. S. 393 ff.; Traube in ilm Abh. der Münchener Akad. Phil.
Cl. XIX S. 332 ff.
6) Ep. I S. .577: Si quis etiam in hoc tempore, tanto sensus acumine
praeditus, tanta instantiae diuturnitate nisus, tanta explorationis et obser-
vationi« diligentia intentus, eadem ociositate et curiositiite sicut priori aetate
geniti sollicitus, tantum studium erga . . cuiuscunque diaoiplinae adsecta-
tionem adhibuerit, nonne idem facile credendus est ad eandem . . scien-
tiam . . posse pervenire? Voluntas enim dispar non natura.
— 155 —
geschaffen, und wenn tbm eine im zweiten Jahrzehnt Ludmgs d. Fr.
gegen Claudius von Turin gerichtete Streitschrift angehört/) so
war er auch nicht fähig, das Eigenartige richtig zu beurteilen. Ein
keltischer Bischof, der ebenfalls Dungal hiess, scheint nur vorüber-
gehend im fränkischen Eeich geweilt zu haben.'-) Tiefere Ein-
mrkungen sind von den Kelten in dieser Zeit nicht mehr aus-
gegangen. Sie wurden dm'ch die energische Thätigkeit der Ger-
manen zurückgedrängt. Dazu kam die Abneigung der Franken
gegen die Ali der Iren; die letzteren verhehlten sich selbst nicht,
dass sie im fränkischen Reich w^enig behebt waren. ^) Eine Fi^eund-
schaft, wie sie zwischen Joseph und Liudger bestand,'*) war eine
Ausnahme; die Meisten hatten unter der nationalen Antipathie zu
leiden; besonders scheinen Theodulf und Einhard wenig duldsam
gegen die keltischen Eigentümhchkeiten gewesen zu sein.'^)
Wenn Angelsachsen und Kelten den Einfiuss der nordischen
Kultur auf das Eeich Karls darstellten, so die Langobarden den
der itahenischen.'*)
Der erste Langobarde, welchen Karl in seine Dienste zog, war
Petrus von Pisa.'^) Er war theologisch gebildet; Alkuin hat noch
als junger Mann einer Disputation beigewohnt, in der Petras die
1) Dungali responsa contra perversas Claudii sententias, Migne 105
S. 465 ff. Die Identität Dungais von St. Denis mit dem Verfasser der
Responsa vertritt Traube S. 333, wogegen Dümmler, Berl. SB. XXIII S. 437
vielmehr den letzteren mit dem Lehrer Dungal in Pavia (Cap. 163, 6 a.
825 S. 327) identifiziert, die Frage aber offen lässt, ob nicht auch dieser
mit dem älteren Dungal eine Person war. Ich vermag zwischen den ver-
schiedenen Möglichkeiten nicht zu entscheiden.
2) Ale. ep. 280 S. 437. Über den Schotten Dicuil s. Wattenbach GQ.
I S. 1.54.
3) Vgl. Dungais Äusserung ep. 4 S. 580: Nos pauperes et peregrini
oneri forsitan et fastidio vobis videamur esse propter nostram multitudinem
et importunitatem et clamositatem. Vgl. v. Ale. 18 S. 193; Conc. Cabil.
(a. 813) can. 43 (Mansi XIV, 102).
4) V. Liudg. I, 17 S. 409.
5) Theod. carm. 25 v. 159—174 S. 487.
6) Den ziemlich sagenhaft aussehenden Zusatz zu den Ann. Lauriss.
787 über artis grammaticae et computatoriae magistros, welche Karl aus
Rom nach Franken brachte, lasse ich ausser Betracht.
7) Vgl. über ihn: Bahr, Gesch. d. röm. Litt. S. 12 und 87: Ebert, Gesch.
d. 1. Lit. d. MA. II S. 48 ff.; Dümmler, Poet. lat. I S. 29. Wann Peter in
Karls Dienste trat, ist unbekannt; nur wird sich aus Ale. carm. 4 v. 42
S. 222 folgern lassen, dass er eher als Paulus Diakonus an den Hof kam.
Einhard (V. Kar. 25) bezeichnet ihn als Greis. Im Jahre 799 war er ent-
weder tot oder in die Heimat zurückgekehrt (Ale. ep. 172 S. 285).
— 156 —
Sache des Christentums gegen einen Juden Namens Lullus führte.^)
Aber Kai-1 suchte in ilim nicht den Theologen, sondern den Gram-
matiker. ■) Als solcher wirkte er, vielleicht schon vor der Eroberung
Italiens, an der Hoi'sclmle. Alkuin bezeugt das hohe Ansehen,
dessen er sich als Mensch und als Gelehrter erfreute. Auch litte--
rainsch versuchte er sich auf dem grannnatischen Gcl)iet.'^) Ausser-
dem hat er ein paar Gedichte geschrieben.^) Obgleich er in ihnen
nicht im eigenen Namen si)richt, haben sie etwas Individuelleres als
die meisten Verse Alkuins. Besonders verleugnen sie den spötti-
schen ToiT nicht, der Alkuin auffiel, als er den Hof Karls zuerst
kennen lernte."^) Wenn Petrus einmal sich selbst als den Mann
bezeichnet, den man am Hof niemals zornig sehen könne,**) so
passt solcher Gleichmut wohl zu der ironischen Kühle seines
AVesens.
Gleichzeitig mit ihm') wai' PauUnus.'') ein Aquilejenser am
jOfänkischen Hofe thätig,") auch er als Grammatiker. Karl rechnete
es ihm hoch an, dass er ihm unverrückt Treue hielt, als die Lango-
barden sich gegen seine Hen-schaft erhoben. Zum Lohn Überhess
er ihm den Besitz eines mit Hrodgaud gefallenen Aufständischen.^*')
1) Ale. ep. 172 S. 28.5; s. o. S. 127 Anm. 2.
2) L. c. ; vgl. auch Einh., V. Kar. 2-5.
3) Vgl. die von H. Hagen Anecdota Helvetica Lpz. 1870 S. 159 tt".
herausgegebenen Exzerpte.
4) Poet. lat. I S. 48 Nr. 11; S. 50 Nr. 1-3; S. 52 Nr. 15.
5) Ale. carni. 4 v. 40 ff. S. 222:
Tu mihi protector, tutor, defensor adesto,
Invida ne valeat mo carpere lingua nocendo
Paulini, Petri, Albrici, Samueli.s, Jone.
6) Carm. 15 v. 30 S. 53.
7) S. die Anm. 5 angeführte Stelle. Über die Abfassungszeit des Ge-
dichtes s. S. 127 Anm. 3.
8) Man vergl. über ihn: Bahr, (iesch. d. röm. Litt. S. 336 Ü.; Ebert,
Gesch. d. 1. Lit. d. MA. II S. 89 ff.; Dümmler, Poet. lat. I S. 123 ff.; Gian-
noni, Paulin II., Wien 1896. — Seine Briefe sind M.G. Ep. IV S. 516 ff. ge-
sammelt.
9) Dass Paulins Heimat A<|uiloja war, ergiebt sich aus Ale. carm. 17
v. 14 S. 239: Laus Ausoniae, patriae decus. Der Widerspruch Giannonis
gegen dies Verständnis der Worte ist nicht überzeugend. Denn gerade
weil die Vaterstadt nicht genannt ist, konnte der Leser nur an Aquileja
denken. Die Vermutung. Cividale sei P.'s Heimat, scheint mir ganz in der
Luft zu stehen.
10) Urkunde vom 17. .Juni 776, ausgestellt in Ivrea (B.M. 198): Dona-
mas a nobis viro valde venerabili Paulino artis grammaticae magistro. Wo
sieb Paulin aufhielt, sagt die Urkunde nicht; die nächstliegende Annahme
— 157 —
Unter den Männern seines litterarischen Hofstaats schlössen sich
Paiüinus und Alkuin am engsten an einander an. Ihre Freund-
schaft erHtt keine Störung, als PauKn im Jahre 787 den Patriar-
chat von Aquileja erhielt.^) Nun wurde der Verkehr schriftHch
fortgesetzt. Alkuins Briefe an seinen Freund entbehren, wie das
bei ihm gewöhnhch ist, vielfach des sachhchen Inhalts; aber sie
offenbaren seine Gesinnung: sie atmen nichts als Verehrung gegen
den Bischof wie' gegen den Mann.-) Die Freundschaft beider be-
ruhte auf der Gleichheit der theologischen und kirchhchen Über-
zeugungen. Verfasste Alkuin ein Buch über den Trinitätsglauben,
so bemühte sich Paulin, die dogmatischen Formeln in Verse zu
bringen.^) Wie aber jener, wenn er für Laien schrieb, seine theo-
logischen Begriffe vergass, so auch dieser. Sein dem Herzog Erich
von Friaul gewidmetes Erbauungsbuch *) ist eine warme Ermahnung
zu einem Leben in den christHchen Tugenden. Die reHgiöse Stim-
mung, welche es erfüllt, ist die gleiche wie bei Alkuin: Vertrauen
auf das grenzenlose Erbarmen Gottes.'^) Nur tritt bei Pauhnus
mehr in den Vordergrund, dass der Reichtum der götthchen Gnade
sich in dem Erlösungswerk Christi beweist.*') Dadm'ch erhält die
Gesamtanschauuug etwas Geschlossneres.
Der Untergang des Langobardenreichs führte Fardulf und
scheint mir, am Hofe. Jedenfalls ist die Behauptung Werners (Alcuin S. 5),
die Giannoni wiederholt S. 12, Karl habe Paulin erst 776 kennen gelernt,
nicht zu beweisen. Ihr widersprechen die Worte der Urkunde: Merito a
nobis sublevantur muneribus, qui nostris fideliter obsequiis famulantur.
Denn sie setzen voraus, dass sich Paulin im Dienst des Königs bereits
bewährt hatte.
1) Vgl. Jaffes Anm. zu Ale. ep. 11 S. 162 (28 S. 70 ed. Dümmler);
Paulin starb i. J. 802 (Annal. Fuld. z. d. J. S. 15).
2) Ep. 28; 86; 95 f.; 99; 139.
3) Regula fidei (Poet. lat. I S. 126 ff.).
4) Liber exhortationis bei Migne 99 S. 197 ff. Erich war 795—799
Herzog in Friaul (s. Abel, JB. S. 254). Paulins schöne Elegie auf den Tod
Erichs Poet. lat. I S. 131 f.
5) C. 8 S. 204 ist die oben S. 141 Anm. 2 aus Ale. ep. 15 zitierte Stelle
wiederholt; vgl. den Schluss des Gebets um die christlichen Tugenden c. 66
S. 282: Colloca me in caulis tutissimis gregum tuorum, quia tu es pastor
bonus, qui requiris et reducis perditam ovem, tueris et salvas inventam,
Sanas et foves languidam. Et du es misericors Dominus, qui sperantes in
te non confundis, requirentes te non derelinquis; revertentes ad te non
respuis, sed exsultando et laudando suscipis, atque in aeterna beatitudine
una cum sanctis et electis tuis aeternaliter regnare concedis.
6) Vgl. c. 8 S. 203 f.; 21 S. 214; 46 S. 248 f.; 51 S. 254 f.; 57 f.
S. 265 f.
— 158 —
Paulus Diakonus zu Kall. Der erstere folfjte den) Iränkischen
König als Verbannter: er muss bei der Verteidigung seines Vater-
landes in vorderster Reihe gestanden sein.^) Aber in der Ver-
bjinnung lernte er den ]\Iann lieben, der die Selbstständigkeit seines
A'olki's zerstört hatte. Als im Jahre 792 die Verschwörung Pippius
des Höckerigen das Leben Karls bedrohte, rettete ihn Fardulf.
indem er den verbrecherischen Plan enthüllte. Karl belohnte ihn
durch die Übertragung der Abtei St. Denis.-') Dort l)aute er iür
den König einen Palast im Stil der Alten. •"') Es hegt ein schöner
Stolz diuiti, dass er in der Inschrift an diesem Bau sich rühmt, er
habe den Fürsten des eigenen Volks die Ehre der Treue gewahrt,
auch als für ihr Reich die letzte Stunde geschlagen hatte. Dass
er Vei'se zu machen verstand wie die übrigen Litterateji dieser Zeit,
zeigt diese und manche andere Inschrift füi- seine Bauwerke. Theodulf
legte auf sein Urteil Wert: er widmete ihm ein paar seiner Arbei-
ten.^) Doch scheint Fardulf htterarisch nicht weiter thätig gewesen
zu sein: ihn beheri-schte die vornehmere Lust, zu bauen. Als
Lehi'er rühmt ihn seine Grabschrift. ^')
Der hervorragendste Langobarde an Karls Hofe war Paulus
Diakonus.") Es lag ein wechselvolles Lel)en hinter ihm, als er
Karl aufsuchte. Entsprossen einer langobardischen Familie Friauls,')
1) Fard. carm. 1 v. .3 £F. (Poet. lat. 1 S. 353):
Quem quondam, propriae fuerat dum sceptra secutus
r4entis, in adversas fata tulere vias.
Attamen hie fidei dominis servavit honorem,
His regni quamvis ultima meta foret.
Tandem rectoris Caroli felicibus armis
Cessit, et in melius fors sibi cessit iter.
2) L. c. V. 9 ff.; Einh. ann. z. .T. 792. über die Verschwörung Simsou,
JB. S. 39 ff.
3) Carm. 1 v. 17: More veterum avorum.
4) Theod. carm. 33 S. .524 f.
5) Poet. lat. I S. 404 Nr. 13. Sein Todesjahr 806 ergiebt sich aus
Herim. Contr. Chron. z. d. J.
6) Zur Littenitur über Paulu.s erwähne ich au.sser Biihr, Ebort, Dümmler
(a. a. 0.), Bothmann in Pertz Archiv X S. 247 ff.; Dahn, De.s Paulus Diakonus
Leben und Schriften (1876); Weizsäcker, P. R.E. XI" S. 389 ff.; Mommsen,
N. Arch. V S. 53 ff.; Waitz a. a. 0. S. 417 ff.; Schmidt a. a. 0. XV S. 391 f.
Ich zitiere die Gedichte nach Poet. lat. I S. 123 ff., die Briete nach Ep. IV
S. .505 ff., die Langoliardengeschichte nach der Oktavausgabe von Waitz, die
theologischen ."Schriften nach Migne.
7) Cber seine Familie handelt Paul Hist. Lang. IV, 38 S. 164; vgl.
die etwas breit geratenen Ausführungen Dahns, Paulus Diakonus S. 1 ff.
— 159 —
deren Glieder gewöhnt' waren, die Waffen zu führen, erhielt er doch
eine gelehi-te Erziehung. Durch einen gewissen Flavianus wurde
er in die antike Bildung- eingeführt. Dieser gehörte einer Familie
an, in welcher der Lehrberuf gleichsam erbhch betrieben wurde;
sicherlich war er also ein Romane.^) Nicht nur die lateinische,
auch die griechische Litteratur lernte Paul durch ihn kennen und
heben.-) Mehr als bei den meisten Zeitgenossen hörte bei ihm
die klassisch-römische Bildung auf, Maske zu sein; sie war sein
Eigentum. Aber die Freude an der Vergangenheit des eigenen
Volks, die Lust an den Sagen und Geschichten, die unter seinen
germanischen Landsleuten von Mund zu Mund gingen, wurde ihm
dadm-ch nicht getrübt. So wenig er dem nationalen Leben ent-
fremdet wm'de, ebenso wenig dem thätigen: obgleich Htteraiisch
gebildet, glaubte er weder Mönch noch Kleriker werden zu müssen;-^)
1) Hist. Lang. VI, 7 S. 215.
2) Carm. 12 Str. 12; Poet. lat. I S. 50. Die gewöhnliche Annahme,
Paulus sei am Hof des Königs Ratchis erzogen worden (so z. B. Ebert,
Lit. d. MA. II S. 37), hat Dahn (S. 9 ff.) bestritten und meines Erachtens
wenigstens so viel bewiesen, dass die Annahme durch keine Stelle Pauls
selbst gestützt wird. Sie findet sich in der Grabschrift Pauls v. 14 f. (Poet,
lat. I S. 85); aber diese Quelle ist wenig zutrauenerweckend.
3) Ebert (S. 37) lässt ihn unter dem Einfiuss des Ratchis den Laien-
stand mit dem geistlichen vertauschen, vor 749; den Beweis findet er
V. 18 f. der Grabschrift. Dagegen kommt Dahn , durch psychologische Zer-
gliederung" Pauls zu dem Resultat , dass Paul erst 775 oder 776 Mönch
geworden sei (S. 23). Ich bin Jahreszahlen gegenüber, welche durch psy-
chologische Zergliederung gewonnen werden, nur skeptisch. Doch wird
Dahn im Recht sein. Nimmt man das Wort exul (carm. 2 v. 128 S. 40)
so, wie es lautet, so hat es im Leben Pauls einen Zeitpunkt gegeben, in
welchem er sich als verbannt betrachtete, und fiel dieser Zeitpunkt mit
seinem Aufenthalt in Monte Oassino zusammen. Wäre Paul ganz freiwillig,
nur dem inneren Trieb folgend, dorthin gegangen, so hätte er sich nicht
so bezeichnen können. Verbannt war er nur, wenn er die Heimat meiden
musste. Wodurch war dies veranlasst? Die Worte (carm. 10 v. 3 S. 47)
,ut mereor" beweisen, dass sein Verhalten gegen Karl die Ursache war.
AVäi'e nun Paul schon viele Jahr vor dem Sturz des Desiderius Kleriker
und Mönch gewesen, so Hesse sich schwer denken, wodurch er den Zorn
des Königs in ähnlichem Masse, wie später Arichis durch die Teilnahme
an dem Aufstand Hrodgauds, auf sich ziehen konnte. Es scheint deshalb
die Annahme natürlich, dass sich Paul am Kampf gegen Karl beteiligte.
Und darauf führt, wie mich dünkt, auch carm. 37 S. 70 f. Ganz durch-
sichtig ist das Gedichtchen ja nicht, da die Verse Pauls, welche es erwidert,
nicht erhalten sind. Doch sieht man, dass Paul, wie Alkuin in einem ähn-
lichen Fall (ep. 145 S. 234 f.), abgelehnt hat, den König im Lager zu be-
suchen. Spottet Karl:
— 160 —
als Laie kam er an den Hof von Benevent. ^) Dort traf er frisches
geistiges Leben: man interessierte sich für Geschichte wie für Poesie,
tiü' ethische wie für natui-wisseuschafthche Probleme. Den geistigen
Mitteli)unkt bikleten Herzog Arichis imcl seine Gemahhn Adel-
perga."-) Die Fürstin hat den jungen Mann zu seinem ersten Buch
angeregt. Er hatte ihr che Lektüre des Eutropius empfohlen; aber
Adelperga fand wenig Gefallen an diesem Kompendium; es war
ihr zu düi-ftig; sie vermisste besonders die Nachrichten über die
christliche Kirche. Ihr zu Dienst hat Paidus seine römische Ge-
scliichte 'geschrieben.^)
Dieses glückhche Leben wurde gestört dm'ch Karls Angriff
auf das Langobardenreich. Paulus scheint die Waffen zur Ver-
teidigung des Vaterlands getragen zu haben. "•) Um so schwerer
traf ihn der unglückhche Ausgang des Kriegs. Er musste fliehen:
in der Verbannung ward er Mönch. Der Entschluss sieht aus wie
ein Schritt der Verzweiflung. Al)er er führte zu einem guten
Ende. Paul fand Beruhigung, ja Glück im Umgang mit gleich-
gesinnten Genossen und in den gelehiien Stuchen.-') Alsbald je-
Quid modo miles agis, cultro qui colla secare
Hostibus a nostris, Paule, paratus eras?
Nunc titi dextra, senex, elanguit effeta belli,
Leva Caput supra aut acuta levare nequit,
80 ist der Spott doch nur verständlich, wenn Paulus wirklich einmal Krieger
war. Dann konnte er etwa sagen : In früheren Jahren hätte er das Schwert
für den König gezogen, jetzt, als Mönch, habe er als Waffe höchstens ein
Messer, überhaupt sei er, der Greis, zu schwach, Waft'en zu führen. Nahm
Paul im Jahr 774 an dem Kampf teil , so kann er frühestens nach der
Niederlage des Desiderius Münch geworden sein. Er floh wohl, wie so
mancher andere am Kampf Beteiligte, nach Benevent.
1) Die Zeit ist unbekannt. Aus carm. 1, das im Jahre 763 in Bonevent
verfasst ist, ergiebt sich nur, dass er in dem genannten Jahr bereits in
Benevent war.
2) Ep. ad Adelperg. S. 506: Cum ad imitationem excellontissimi com-
paris, qui nostra aetate solus paene principum sapientiae palmam tenet,
ipsa quoque . . prudentium arcana rimeris, ita ut philosophorum aurata
eloquia poetarumque gemmea dicta tibi in promptu sint, historiis etiam seu
commentis tani divinis inhaereas quam mundanis. Vgl. die Grabschrift des
Arichis V. 11 f. S. 67:
Quod logos et phisis, moderansque quod ethica pangit,
Omnia condiderat mentis in arce suae.
.3) Ep. ad Adelperg. 1. c.
4) S. S. 159 Anm. .3.
5) Von Deutschland aus schreibt Paul am 10. Januar 783 an Abt Theu-
demar von Monte Cas.sino S. 507: Videor mihi nunc suavibus niraium vest-
— 161 —
doch scheuchte ihn ne'ues UngUick, das seine Famihe traf, wieder
auf; er wurde genötigt, sich dem Mann zu nähern, in welchem er
den Urheber alles des Übels erblicken musste, das über ihn ge-
kommen war. Arichis, Pauls Bruder, gehörte wie er selbst der
langobardischen Nationalpartei an. Als sich Hrodgaud gegen die
Franken erhob, schloss er sich ihm an ; aber die Empörung endete
ebenso unglückhch wie ein paar Jahre vorher die Verteidigung des
Vaterlands. Aiichis wurde gefangen, nach Frankreich verbannt,
sein Vermögen eingezogen. Mit einer Füi'bitte für den verbannten
Bruder wandte sich Paul im Jahr 782 an Karl. Das Gedicht,
in welchem er sie vortrug, ist Aveitaus die anziehendste von allen
poetischen Produktionen der karolingischen Epoche. Paul vermied
jeden rhetorischen Prunk, aber seine einfache Schilderung des Un-
glücks der Familie hat etwas Ergreifendes: der Bruder seit sieben
Jahren als Verbannter in der Fremde, seine Gemahhn zur Bettlerin
geworden, heischt auf den Strassen der Heimat Brot; es zuckt ihr
die Lippe vor Schmerz über die Schmach, wenn sie um die Gaben
bittet; aber nur so vermag sie ihre Kinder vor dem Hungertod zu
bewahren; eine Schwester, seit der Jugend Nonne, ist schier er-
bhndet vor Weinen: die Famihe ist vernichtet. In den einfachsten
Worten bittet Paulus um INIitleid, Karl möge endhch diesem Jamme r
ein Ziel setzen, den Gefangenen in die Heimat zm-ückkehren lassen
und ihm seine Habe zmückgeben. ^) Paulus reiste selbst in das
fränkische Reich, um seine Bitte persönhch vor den König zu bringen.-)
ris interesse concentibus, nunc consedere satiandis in caenaculo plus lec-
tione quam cibo, nunc singulorum considerare in diversis officiis stud ia,
nunc gravium iam senio seu languidorum, quomodo quisque valeat, per-
discere causas, nunc adinstar mihi paradisi dilecta sanctorum terere limina.
1) Carm. 10 S. 47. Dass die Bittschrift im Jahre 782 abgefasst ist,
wird seit Bethmann (Pertz, Archiv 10 S. 294) allgemein angenommen, von
Dahn (S. 28 f.) jedoch nur als wahrscheinlich betrachtet, wie auch Beth -
mann selbst geurteilt hatte. Doch darf man die Annahme für ziemlich
sicher halten; der Beweis liegt, soviel ich sehe, in v. 3 — 5. Hier spricht
Paul von seinem eigenen Schicksal: Sum miser, ut mereor, und fährt dann
fort: Septimus annus adest, ex quo nova causa dolores multiplices gene rat.
Dadurch ist zwischen seiner eigenen Katastrophe und der seines Brud ers
unterschieden: jene fällt früher als diese. Dann kann die letztere aber nur
776 eingetreten sein. Und da Paul sagt: das 7. Jahr ist da, so schreibt er
im Beginn desselben. Die Bittschrift ist also im Frühjahr 782 verfasst.
2) Gewöhnliche Annahme, die von Dahn (S. 29 f.) überflüssigerweise
bezweifelt wird. Sie ergiebt sich schon daraus, dass sich Paul in der Über-
schrift des Briefes an Theudemar als pusillus filius supplex bezeichn et.
Carm. 11 Str. 4 S. 48 schliesst aus, dass Karl Paulus an seinen Hof
berief.
Hauck, Kirckengeschichte. 11. 2. Aufl. ' 11
— 162 —
"Wurde sie auch nicht sofort erfüllt/) so wurde er doch wohl auf-
^enoninieu. Ich verweile, schrieb er an Abt Theudeniar von Monte
Cassino, bei Katholiken und frommen (^bristen; alle cnipfangen
mich freiuidhch; die Liebe zu unserem Vater Benedikt lässt sie
günstitr gegen mich gesinnt sein.-)
Kai'l minschte den Gelehrten, dessen sprachliche Kenntnisse
er besonders schätzte, in seinem Reich zurückzuhalten.'') Dass
Paul einige Jahre bheb, betrachtöte er als ein Opfer, das ei- dem
König brachte: der Palast ersetzte ihm Monte Cassino nicht.^)
Das wtlr nicht mönchische Enge; denn von ihr war er völlig frei:
das thätige Leben galt ihm als ebenso berechtigt wie das beschau-
hche: das Beste sei die Vereinigung von Handeln und Meditation.'')
Allein die Liebe zur Heimat wird ihn diesseits der Alpen nicht
haben heimisch werden lassen.
Nicht zumeist als Schriftsteller, sondern hauptsächlich durch
seine Pei-sönhchkeit wirkte Paul, so lange er in der Umgelnmg
Karls verweilte. Ausser dem Büchlein über die Metzer Bischöfe"),
der ei-sten Bistumsgeschichte, die es giebt, und einigen Gedichten
schrieb er in dieser Zeit nur den Auszug aus dem Werk des Poni-
peius Festus De verborum significatu ') ; daneben arl)eitete er, dui'ch
Krankheit lange gehindert, an der Emendation der Briefe Gregors.**)
1) Ep. ad Theudem. S. 507 zeigt, dass Arichis im Januar 783 noch
nicht freigegeben war: Quam primum mihi . . Dominus . . noctem raaeroris
meisque captivis iuga miseriae dimiserit. Die endliche Gewährung der Bitte
Pauls scheint mir nicht zweifelhaft. Carm. 13 v. 9 S. 50: Quod te post
tenebras fecit cognoscere lumen, macht sie gewiss, zumal wenn man die
Verwertung des gleichen Bildes hier und in dem Binef an Theudemar be-
achtet (vgl. carm. 14 v. 15; 15 v. 28). Dahn (S. 39) übt seinen Scharfsinn
auch hier, indem er das Naheliegende und Einfache bezweifelt.
2) L. c. Der Brief ist datiert vom 10. Januar margine de vitreae
Mosellae Das Jahr 783 ergiebt sich aus dem über die Abfassung der Bitt-
schrift Bemerkten. Paul erwähnt Hist. Lang. 1, 5 einen Aufenthalt in Diedon-
hofen während der Weihnachtszeit.
3) Carm. 11 Str. 5 S. 48.
4) Ep. ad Theudem. Der König zweifelte zuerst, ob er Paul halten
könne (carm. 11 Str. 8, vgl. 6). Seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte er
in der Nähe des Königs (carm. 17 S. 54). Von fränki.schen Orten kannte
er Poitiers, er besuchte dort das Grab des Venantius Fortunatus (Hist.
Lang. II, 13), Metz (1. c. VI, 16), auch den Nordwesten (ep. ad Adal.).
5) Homil. 2 (Migne 95 S. 1570 f.).
6) Vgl. Hist. Lang. VI, IR.
7) Was diese Exzerpte anlangt, so schreibt sie Waitz mit viel Wahr-
scheinlichkeit unserem Paul zu (s. Hist. Lang. S. 10).
8) Vgl. Ep. 11 f. S. 508 f.; von Wattenbach S. 169 u. a. bezweifelt.
— 163 —
Aber der Eindruck seiner Persönlichkeit muss ein ausserordentlich
einnehmender gewesen sein: ohne jede Spur von Neid erkannte
Petrus von Pisa, der ältere Mann, die geistige Überlegenheit Pauls
an.^) Besonders Karl selbst war von ihm hingenommen: ihm
gegenüber hat er nie den König herausgekehrt, was er Alkuin
gegenüber doch ab und zu that. Im Vergleich mit dem schwer-
fälhgen, stets moralisierenden Alkuin hatte Paul etwas Beweg-
hcheres, Freieres: er vennied es, mit der ernsthaften Miene Alkuins
dem König Huldigungen darzulningen, al^er gewandt wusste er in
der Er^dderung auf einen ziemhch j^lumpen Scherz Karls ihm et-
was Freundhches zu sagen.-) Lehnte er mit feiner Selbstironie
übertriebenes Lob ab,^) so mussten auch seine Freunde sich ge-
fallen lassen, dass sein Spott sie nicht schonte.-*) Für die Schön-
heit der Natur hatte er das offenste Auge: wie freute er sich an
dem Reiz des Comei-sees,-^) an dem ewigen Frühhng, der an seinen
üppigen rfern herrscht, oder an der Pracht des Sonnenaufgangs. *0
Mit ein paar Strichen wusste er das anschaulichste Bild zu zeichnen:
die wenigen Worte, in denen er den verfallenen Stammsitz seiner
FamiHe schildert, sind eines Meisters wert: ein ödes Haus, das
Dach eingestürzt, zwischen den Steinen Brombeergesträuch und
Hagebutten emporspriessend, in der Glitte eine mächtige Esche,
die ihre Zweige über die Verwüstung ausbreitet.') Paulus war ein
Gelehi'ter,^) aber noch weniger als Alkuin ausschhesshch Theolog:
in seiner Langobardengeschichte überwuchert nicht wie bei Gregor
von Tours die Gescliichte der Kirche oder der Bischöfe die des
Volks ^ sogar in seinen Erzählungen über die Bischöfe von Metz
drängt sich der Gedanke an die HeiTscherfamihe in den Vorder-
gnmd. Als StiHst war er eigenartiger als die meisten seiner Zeit-
genossen: er beabsichtigte weder gleich Alkuin zu schreiben wie
ein Kirchenvater, noch gleich Einhard wie Sueton: sondern er
schrieb wie er selbst. Auch das gehört zu der Fiische und Wahr-
haftigkeit seines Wesens.
Wahrscheinhch im Jahi^ TSe'-*) kehrte Paul nach Itahen
1) Ergiebt sich trotz der ironischen Übertreibung aus carm. 15 S. 52 ff.
2) Carm. 13 v. 13—20 und 14 v. 9 f.; v. 25 ff.
. 3) Carm. 12 S. 49 f.; vgl. 14 v. 21 f. S. 52.
4) Carm. 15 v. 29 f.
5) Carm. 4 S. 42 f.
6) Carm. 17 S. 54 f.
7) Hist. Lang. IV, 37.
8) Über seine Litteraturkenntnis s. Bethmann 1. c. S. 276 ; vcl. auch
ep. 12 S. 509 seine Ablehnung von Hypothesen.
9) Bethmann 1. c. S. 266 f.
11*
— 164 —
zurück: er lobte wiodor in ^Nfontc Oassino.^) Dort vcrfassto er
seine LantfobardoiifTcscliichtc sein Homiliariinn ■') und seinen Kom-
mentar ziu- Benediktinerregel;'') auch einige seiner Predigten sind
auf uns gekommen."*)
Kin Ausländer war endlich auch Theodulf ; '') er selbst nennt
sich wiederholt einen Goten;") als seine Heimat darf man Spanien
betrachten.^ Dort hatte die arabische HeiTschaft vielfach ver-
wüstend gewirkt, doch das Fortleben der lateinisch -christlichen
Kultur nicht ganz unmöglich gemacht. Das sieht man an iMännern
wie Felix von Urgel. So ist es erklärlich, dass Theodulf über
eine ähnliche Summe litterarischer Kenntnisse'') und ein ähnliches
1) Zeitenweise auch in Rom; dort ist die V. Greg, verfasst (s. Waitz,
llist. Lang. S. 14; Ebert, Litt. d. MA. II S. 41 f.).
2) Vgl. über dasselbe Kap. IV.
3) Dass ihm der Bibl. Casin. IV S. 3 tt'. gedruckte Kommentar ange-
hört, ist nicht sicher. Um d. J. 790 konnte man noch nicht sagen, dass
das Allerheiligenfest per totum mundum gefeiert werde, c. 14 S. 91.
4) Von den Predigten sind von Dahn (S. 69) verworfen die zu Maria
Himmelfahrt und die über Matth. 20. Der C4rund, dass die Neigung zu
allerlei subtilen Erklärungen der etwas hausbackenen Verständigkeit des
Paulus fem liege, scheint mir ungenügend. Exegetische Spielereien sind
in dieser Zeit zu gewöhnlich, als dass sie bei irgend einem Schriftsteller
auffallen könnten. Die Predigt auf St. Benedikt erkennt Dahn an; die über
Maria und Martha, die interessanteste der vier (s. S. 162 Anm. ä), erklärt
er für farblos.
5) Cuissard in denMem. de la soc. arch. et hist. de rOrleanai8Bd.24, S. 1 if.
6) Carm. 25 v. 165 S. 487; 27 v. 62 S. 492; 28 v. 139 ff. S. 497.
7) Zu den von Ebert (Leipziger Berichte Bd. 30, 2 S. 95 ff.) vorge-
tragenen Gründen füge ich hinzu, da.ss Theodulf die Bücher des N. T. in
derjenigen Reihenfolge abschreiben Hess, welche in Spanien üblirh war:
Evang., Briefe Pauli, kathol. Briefe, Apost.-Gesch., Apokalypse; s. carm. il
V. 85—136 S. 534 ff. und vgl. Corssen, Ep. ad Gal. ad fid, opt. codd. Vulg.
reo. 1885 S. 5: Codices in Hispania eodem tempore (saec. IX — X) scriptos
hunc ordinem habuisse: Ev., Ep. Pauli, Ep. cath., Act. ap., Apok. est cur
putemus. Doch spricht S. Berger, Hist. de la Vulg. S. 147 für die septi-
manische Herkunft T's. Die Gründe für Spanien scheinen mir zu überwiegen.
8) "Was seine Kenntnis der lateinischen Dichter anlangt, so verweise
ich auf Düromlers wertvolle Anmerkungen und Cuissard S. 50 ff. über sein
patristisches Wissen giebt Aufschluss carm. 4."» S. 543 und die Schrift de
spirit. s. (Migno 105 S. 239 ff.). Auch Thoodulf kannte zunächst die latei-
nischen Väter seit dem 4. Jahrhundert. Nur war ihm auch Cyprian nicht
unbekannt (carm. 45 v. 6). Dümmler hat darauf aufmerk.sam gemacht, dass
er Gedanken aus Cyprians Schrift ad Demetr. kopierte (carm. 14 S. 468).
Unter dem Namen des Athanasius zitiert er die pseudoath. libr. XI de trinit.
Ausserdem zwei Stellen aus Cyrill und etliche aus des Hieronymus Über-
— 165 —
Mass wissenschaftlicher Schulung verfügte wie Alkuin. Er war
Kleriker,^) vielleicht Mönch.-) Es scheint, class er wie andere
Spanier seine Sympathien für die Franken nicht verhehlte und
deshalb genötigt wurde, sein Vaterland zu verlassen; er betrachtete
sich als Exulanten:-^) die Berufung an den Hof Karls versetzte
ihn in eine ihm durchaus zusagende Umgebung.*) Er war nicht
das unbedeutendste Glied der Gelehrtenakademie Karls; im Gegen-
teil hat man den Eindrack, als fühlte er sich den meisten Genossen
einigermassen überlegen. In der That war er es auch. So wenig
seine Gedichte verleugnen, dass er in der Prägung des poetischen
Ausdi'ucks der Nachahmer Alterer war, so haben sie doch mehr
Originalität, als es in dieser Zeit gewöhnHch ist. Im Wesen
Theodulfs lagen schärfere Kontraste als etwa in dem Alkuins oder
Einhards: das reflektiert sich in dem, was er schrieb. Der Ton
Setzung des Didymus. Carm. 45 v. 5 nennt er auch Johannes Chrysostomus ;
es wird sich um eine lateinische Übersetzung gehandelt haben. Von Kennt-
nis der griechischen Väter ist also nicht die Rede.
1) Carm. 1 und 2 verfasste Theodulf als Diakon (s. 2 v. 31 S. 453;
207 iF. S. 457). "Wir wissen weder, wann noch wo das Gedicht entstand,
dessen Bruchstücke uns in carm. 1 und 2 vorliegen. Nur steht es nach
2 V. 107 f. S. 454 ausser Zweifel, dass es nicht in Spanien unter arabischer
Herrschaft geschrieben sein kann.
2) Carm. 17 v. 75 ff. S. 474 legen diese Vermutung nahe; vgl. c. 21
V. 108 S. 480, beweisen lässt sie sich nicht.
3) Carm. 23 v. 28 S. 481. Das Nähere ist unbekannt; doch mag eine
Vermutung gestattet sein. Aus cap. 76 S. 169 wissen wir, dass vor dem Jahr
782 zahlreiche Spanier, sowohl Goten als Araber, Priester als Laien, die
Heimat verliessen und bei Karl in Südfrankreich Aufnahme fanden; vgl.
Ann. Lugd. z. J. 782 (M.G. Scr. I, 110). Es hat an sich nichts Unwahr-
scheinliches, dass Theodulf zu ihnen gehörte. Diese Annahme aber findet
eine Stütze an carm. 28 v. 137 ff. S. 497. Hier wird eine Begegnung mit
Goten erwähnt, welche Theodulf sofort als Landsmann erkennen. Mög-
licherweise war er mit ihnen ausgewandert. Er sieht Carcassonne wieder:
Eevisentes te, Carcasona; war diese Stadt der Ort seines Exils? Nimmt
man an, dass er 755 — 760 geboren wurde, so war er bei seiner Ankunft im
fränkischen Reich 20 — 25 Jahre alt.
4) Das Jahr steht nicht fest, ebensowenig dasjenige der Ernennung
Theodulfs zum Bischof. Woher Werner (Alcuin S. 81) weiss, dass Theo-
dulf 781 an den Hof kam und 788 Bischof wurde, ist mir unbekannt.
Nimmt man an, dass der Brief Hadrians (J.W. 2491) sich auf Theodulf von
Orleans bezieht, so ist die Annahme notwendig, dass er spätestens im Jahr
795 das Bistum erhielt. Aber Hampe hat N.A. XXII S. 748 gezeigt, dass
vielmehr Theodulf von Como gemeint ist. Sicher erwiesen ist Theodulf als
Bischof erst im Juli 798 durch Ale. ep. 149 S. 242; als in Beziehung zu
Karl zuerst durch das Epitaph für Fastrada, also 794.
— 166 —
ist ein ungemein wecliselnder, auch wenn man von den Gedichten
ahsieht welche er nach seiner Katastrophe unter Ludwig d. Fr,
verfasste. 'Mau erstaunt, wie trüb er die Gegenwart beurteilte:
dem scharten Beobachter entgingen die mancherlei Schattenseiten
in den kirchlichen und staatlichen Verhältnissen nicht; der Ein-
druck davon war so tief, dass er sich mit dem Gedanken trug,
das Weltende stehe unmittelbar bevor. ^) Auf der anderen Seite
zeigt sich Theodulf als der witzigste Spötter, er verhöhnte nicht
nm- die kleinen Poeten am Hof — Elster und Papagei, Tauchente
und i^t'au. Kukuk und Kriilic niachte]i dort Lärm: da flögen die
Schwäne davon, Amsel und Käuzlein schwiegen — , sondern seine
L'onie wagte sich auch an den König: er zeichnet ihn, wie er
mitten an der Tafel sitzt und mit seinem Sz('})ter das Ganze re-
giei-t. indem er in friedlicher Ordnung mächtige Portionen austeilt;
er i)ersiriieii:e den würdigen Alkuin, der immer von Knal)en und
Gechchten umschwirrt sei, der Gewicht darauf lege, dass die Würde
seines Alters anerkannt wird, und der stets für sich und seine
Schüler zugleich spreche. Die satirische Ejjistel ist einem Freund
Alkuins gewidmet, Theodidf scldiesst sie, indem er wie Alkuin in
seinen Ermahnungsschreiben den Em])ränger auffordert, seine Verse
ja zu merken und durch häufiges Lesen sich wohl einzuprägen.-)
In nicht wenigen Gedichten tntt das Theologische stark hervor:
Theodulf bringt Stellen der Bibel in Verse;"') er rellektiert ül)er
die Rätsel der göttUchen Weltregierung, die er schliesslich zwar
bewundern, aber nicht ganz verstehen kann;*) nicht minder über
den Zusammenhang des Leidens Chi-isti und unsere Erlösung.*^)
1) Vgl. carm. 2 v. 53 ff. S. 45.3; 14 S. 468 f.; 17 v. 7 tf. S. 472; 18 S. 475.
2) Carm. 27 S. 490 f. Man ist nicht einig, an wen das Gedicht ge-
richtet ist. Die Älteren nahmen offenbar irrig au, an Angilbert. Dagegen
betrachtet Ebert (Leipziger Berichte 30 S. 98 ff.) Hraban als den Empfänger,
er sieht in Corvinianus eine Übersetzung von Ilrabanu.s. Dümmlor (N.A.
XVIll S. 67 stimmt zu, und folgert daraus einen mohrjilhrigen Aufenthalt
Ihabans bei Alkuin. ich bin nach wie vor wegen der Angabe in dem Cat.
abb. Fuld. (M.(i. XIII S. 272) bedenklich. Sollte nicht Arn von Salzburg
der Empfänger sein? V.r hat einen Vogolnamen; man weiss, dass Alkuin
etwas schwerrällig mit demselben sincite. Der spöttischen Art Theodulfs
würde es ganz entsprechen, dass er aus dem Adler eine Krähe macht. Dazu
kommt, dass Am schwarzhaarig war (Ale. ep. 194 S. 321) und zu den ge-
oaucsten Freunden Alkuins gehörte.
3) Carm. 4 f.; 7 ff . ; 15 f.; vgl. 41 S. -532; 69 S. 5-58.
4) Carm. 13 v. 2: Quae mirari omnos. noscere nemo valet; carm. 18.
.5) Carm. 11 v. 15ff.: Der auferstandene Christus trägt die Wundenmale,
. . . . ut humana pro nobis sorte precando,
In se demonstret vulnera nostra patri,
— 167 —
über die göttliche Gnttde und das menschliche Verdienst.^) Aber
dies Sinnen und Grübehi, dies Leben in der Welt der Gedanken
machte ihn nicht blöde für die Schönheit der Xatm' und der Kunst.
"Wie emplänglich war sein Bhck fiii* landschaftUche Bilder: die
hohen Mauern Lyons prägten sich ihm ebenso ein wie die Lage
Yiennes. das von Fluss und Fels ^\ie eingeengt erscheint, und wie
der statthche Anbhck von Nimes.-) In ein paar Versen auf den
heiligen Nazarius drängt die lebhafte Vorstellung der Reise nach
Lorsch den Gedanken an den Märtp-er in den Hintergrund:
Theodulf kam von Worms; im Einbaum setzte er über den Rhein,
schwer fielen die Schneeflocken vom bewölkten Himmel; so nahte
er dem in einem waldigen Grund gelegenen Kloster, jener schim-
mernden Halle, welche ihn entzückte, wie wir sie jetzt noch be-
■^iindern.'") Alte imd neue Kunstwerke wusste er zu schätzen und
anschauhch zu beschreiben;^) manche Prachthandschi-ift wm-de in
seinem Auftrag hergestellt.'^) Er war einer der wenigen Männer
dieser Zeit, welche die Kunst als solche hebten, nicht nur auf ihren
Lihalt achteten. Und doch war er alles eher, als nur ein ästhetisch
gerichteter Geist, der über das Kleinliche lachte, an dem Schönen
sich erfreute und das Grosse be-s^-underte. Scharf und klar stand
er dem Leben gegenüber: er flammte entriistet auf, wo ihm die
Gemeinheit entgegentrat; mit wuchtigen Worten hat er das gebrand-
mai'kt, was andere thaten, ohne Bedenken darüber zu empfinden.*)
Alt, überkommene Rechtsanschauungen erkannte er nicht deshalb
schon für berechtigt, weil sie Geltung hatten: er hat das germanische
Quosque sit humana passus pro gente labores,
Adsiduo Clemens monstret et officio,
Ut reminiscatur, retinet quem oblivio nunquam,
Et misereatur semper id almus agens.
Admonet instanter, hominum ut meminisse per aevum,
Et misereri almo semper amore velit,
Quorum naturae sit consors unica proles.
Pro quibus et voluit vulnera tanta pati.
1) Carm. 3:
Tanta dei bonitas fragiles nos instruit, ornat
Ut sua de propriis nostra gerat merita.
Et sine qua bona nuUa fiunt, quaeque efficit eius
Gratia, sint nostris adnumeranda bonis.
2) Carm. 28 v. 123, 125 f., 131 S. 497.
3) Carm. 49 v. 7 ff.; v. 8: In vacuis syrtibus aula micat. Vgl. oben
•56 Anm. 3.
4) Carm. 28 v. 179 ff. S. 498; 221 ff. S. 499; carm. 46 f. S. 544 ff.
5) Vgl. Carm. 41 ff. S. 532 ff.
6) Carm. 28 v. 167 fl\ S. 498 ff.; v. 255 ff. S. 500 u. ö.
— 168 —
Strafreclit mit allem Xaclulruck als unvernünftig hart getadelt.')
Ebenso wenig Achtung hatte er vor den kirchlichen Gewohnheiten
als solchen: die Romwallfahrten hatten an ihm kennen Freund.-)
Unter den fremden Gelehrten war Theodulf neben Paulin der
einzige, welclieni Karl ein Bischofsamt übertrug: ein Beweis, wie
hoch er ihn stellte. Er täuschte sich dal)ei nicht; denn Theodulf
ging als Bischof ganz auf die Reformgedanken des Königs ein.
AVii' werden das später zu erwähnen haben.
Es ist eine Reihe bedeutender Männer, deren Bild wir an uns
vorübergehen Hessen. Karl gelang es, alle hervorragenden litte-
rarischen Persönlichkeiten der Zeit in seinem Reich und an seinem
Hof zu vei*sammeln. Unmöglich aber hätten sie so viel gewirkt,
als es der Fall war, wenn sie nicht auf empianglichen Boden ver-
pflanzt worden wären. In der That waren im fränkischen Reich
die Vorbedingungen für einen Aufschwung der Bildung in höherem
(xrad vorhanden, als man auf den ersten BHck vermuten möchte.
An gelehrtem Untenicht mangelte es nicht ganz. Dass die
Hofschule schon unter Karl ^Nlartell und Pippin bestand, bemerkten
Avir bereits.'') Aber auch in nicht wenigen Klöstern wurde gelehrt
und gelernt. Abt Theutsind hat St. Martin in Toui-s niclit so
vollständig zu Gnmde genchtet,^) dass der Unterricht aufgeh(>rt
hätte. Der jüngere Wido. dem Pijipin die Abtei St. Wandrille
verlieh, war in St. Martin gebildet. So wenig rülimliches die
Mönche von ihm zu sagen wussten, so haben sie doch anerkannt,
dass er in der T^ittcratur bewandert war.'') Ein Mönch in Worms,
Xamens Adam, widmete im Jahr 780 dem König Karl eine Ab-
schrift der Ars grammatica des Dioinedes. Da er sich selbst einen
Elsässer nennt, so wird er einem der vielen Klöster des Elsass
seine Bildung verdanken: er lernte dort nicht nur die Kunst des
Schreibens, sondern auch die andere, lateinische Verse zu machen.")
Stellte ihn Kail an die Spitze des Klosters Masmünster.') so ge-
1) Cann. 29 S. 517 ff. Vgl. carm. 34 S. 526 die Missbilligung einer
Teilung des Reichs.
2) Carm. 67 S. 557.
3) S. oben S. 121.
4) S. Bd. I S. .386 u. 398.
5) Gest. abb. Font. c. 15 S. 44 f. Wido war von TöS— 787 Abt. Unter
den Gaben, welche er dem Kloster überlies.s, fehlen Bücher wenigstens nicht
ganz. Kr war ein Laie. Sein Nachfolger richtete in St. Wandrille eine
Schule wieder ein (1. c. 16 S. 47).
6) Poet. lat. I S. 94.
7) Die Gründung dieses Klo.sters liegt ganz im Dunkeln. Der Name
Masunvillare zeigt, dass der Ort älter war als das Kloster.
— 1(39 —
schah das ohne Zwdfel mit Rücksicht auf seinen Bildungsgrad.
Ist die Nachricht beglaubigt, dass Angih-am von dem Mönch
Nargaud in Gorze untemchtet wiu-de,^) so kann auch in diesem
Kloster das Bildungswesen nicht ganz yernachlässigt gewesen sein.
Dass in St. Gallen das Bedürfnis nach Vermehrung des litte-
rarischen Besitzes empfimden wm'de. sieht man aus den Abschriften,
welche in diesem Kloster entstanden.-) Einer der eifrigsten Schreiber
St. Gallens, der Mönch und Presbyter Winidharius, begann seine
Arbeiten im letzten Jahrzehnt Pippins.^) Er war dann Zeuge
des Aufschwungs, den die Bildung unter Kari erfuhr, und hat des
Königs Teilnahme für das Buchwesen warm gepriesen.*) In Fulda
bestand von Anfang an eine Schule. Nm' wird sie rein theologisch
gewesen sein.'^) Ihr Lehrziel lässt sich aus dem entnehmen, was
wir über den Unterricht in Fritzlar wissen: liier wie dort waren
ja Anordnungen des Bonifatius massgebend. Er erstrebte die Vor-
bildung für den geistlichen Beruf; deshalb wurden Psalmen und
andere Lektionen gelernt, überhaupt der Inhalt der Heihgen Schrift
dm-ch oft wiederholtes Lesen derselben dem Gedächtnis eingeprägt.
Das höchste Ziel war, den Schülern das Verständnis der Bibel zu
erschhessen. indem man sie in die Geheimnisse der allegorischen
Auslegimg einweihte.*') Der Unterricht in den von Pirmin gestifteten
Klöstern war schwerlich viel anders beschaffen: doch war es immer-
1) Abel, JB. S. 38.
2) Das Verzeichnis der 30 libri scottice scripti, des ältesten Bücher-
besitzes von St. Gallen, findet sich in einem Katalog des 9. Jahrb. (Becker,
Catalogi 1885 S. 43). Es enthält vornehmlich biblische Bücher, sodann
einzelnes von Beda, Augustin, Sedulius, Juvencus, Boethius, endlich Bücher
für den Gottesdienst. Über Reste dieser Bücher s. (Scherer) Verzeichnis
der Handschriften der Stadtbibliothek von St. Gallen (1875) S. 27, 459 und
462 f.
3) Vgl. Wartmann ÜB. I Nr. 30 S. 34; 32 S. 35; 39 S. 41; 49 S. 50;
die Urkunden fallen zwischen 761 und 766; eine Reihe noch vorhandener
Handschriften Winidhars verzeichnet Scherer Verzeichnis S. 1 Nr. 2; 4 Nr.
11; 30 Nr. 70; 86 Nr. 238; 324 Nr. 907; eine unter Abt Johann H. 760—781
gefertigte Handschrift S. 19 Nr. 44. Doch begründete erst Abt Gozbert
(816—836) den Ruhm der St. Galler Bibliothek (Ratb. Gas. St. Galli 6
S. 66; s. Weidmann, Geschichte der Bibliothek von St. Gallen [1841] S. Iff.).
4) Poet. lat. I S. 89 f. Nr. 2.
5) Candid. V. Eigili 1 Scr. XV S. 223: Huic (Styrmi) . . Aegil . . a
parentibus praesentatur; quem . . scolae congregationi, ubi lex divina iugi
exercitatione discitur et docetur, cum summa industria causa literarum so-
ciare mandavit. Vgl. Walahfr. prol. zu V. Kar. S. 507.
6) V. Sturm. 2 S. 366.
— 170 —
hin vou AVert. dass sowohl iu Keicheiiau') wie in Miu'bach'-) stets
imten-ichtet worden ist. Unter den Frauenklöstern hatte die Schule
Liobas in Tauberbischofsheini den höchsten Ruhm/') "Wollte man
auch in den Klosterschulen nur Kleriker l)ilden, so konnte man
doch das sprachliche, grannnatische Studium nicht entbehren. Es
"vsTirde denn auch nicht völhg vernachlässigt. Selbst eine freilich
schwache litterarische Thätigkeit war vorhanden. In Mainz schrieb
der Priester Willibald, ein Kanoniker au der Viktorskirche vor der
Stadt, eine Biographie des Bonifatius.'*) So un])efriedigeud sie iu
vieler iSnsicht ist, so kann man doch nicht verkennen, dass ihm
der Gedanke vorschwcljte, eine vornehme Biographie zu verfassen.
Das ist ihm misslungen; die Kraft reichte nicht so weit, als der
Vorsatz zielte.'^) Aber wenigstens darin steht er weit über den
alteren Heihgenbiographen, auch über Alkuin. dass er nicht für
notwendig hielt, seinem Helden Wunder anzudichten, um ihn zum
Heiligen zu machen. In diesem Punkt l)erührt er sich mit seinem
jüngeren Zeitgenossen Eigil, gleich ihm einem Schriftsteller aus
der Schule des Bonifatius:**) in der Biographie Sturms wird eben-
falls kaum eine Wundergeschichte erzählt. Sie übertriftt jedoch
Willibalds Werk dadurch, dass sie nichts prätendiert: sie will sein,
was sie ist, ein schlichter Bericht üljer das Leben des ei-sten Abts
von Fulda. Gern sieht man ül)er die si)rachlichen Mängel, die
ihr ankleben, hinweg. Die Heideidieimer Nonne, welche das Leben
Willibalds und Wunnibalds beschrieb, erinnert darin an den Bio-
graphen des 13ouifatius, dass auch sie glaubte, geziert schreiben zu
müssen, um schön zu schreiben.")
Wenn num im mittleren uiul südlichen Deutschland die Nach-
wirkungen der Thätiirkeit des Bonifatius'') und Pirmin bemerkt, so
1) In Reichenau erhielten Haito, der spätere Abt und Bischof von
Ba.sel (vis. Wett. v. 40 tt'., Poet. lat. II S. 305), ferner Tatto, später Lehrer
daselbst, ihre Bildung (vis. Wett. v. 875—879 S. 331). Ebenso Bernakl,
Bischof von Strassburg (epit. Bernaldi v. 5, 1. c. S. 420).
2) Ale. ep. 271 S. 430.
3) V. Leob. c. 11. Scr. XV S. 126.
4) Passio s. Bonif. S. 481. Die Zeit, in der Willibald schrieb, lässt
sich nicht sicher bestimmen; es kann ebensowohl in den letzten Jahren
Pippins, wie in den ersten Jahren Karls gewesen sein. So oder so, gehört
er seinem Bildungsstand nach in die Zeit vor Karl.
5) Vgl. das Urteil Wattenbachs (GQ. I S. 135).
6) V. Eig. 1 S. 223.
7) Vgl. Bd. 1 S. 521.
8) Auch Karls Brief an einen Erzbischof, wahrscheinlich Lul, M.G.
Ep. IV. S. 532 Nr. 22 zeigt, dass die Wirkung der Thätigkeit des Boni-
— 171 —
trifft mau iin niederen Deutschland auf die Spuren WiUibrords;
in seinem Kloster Echternach fanden grammatische Studien eine
Heimat;^) sein Nachfolger in Utrecht, der Abt Gregor, war ebenso
angesehen als Lehrer wie hervorragend als Missionar. Dass er
Franken, Friesen und Sachsen um sich sammelte, ist nicht auf-
fälhg; doch zog sein Name auch Baiern und Schwaben nach dem
Niederland; selbst Angelsachsen, denen es doch im eigenen Land
nicht an Gelegenheit zur Bildung mangelte, suchten bei dem frän-
kischen Abt Unterweisung.-) Er muss ein seltenes Lehrtaleut be-
sessen haben. Freihch mit dem, was in England dargeboten wurde,
Hess sich der Unterricht in Utrecht nicht vergleichen: der junge
Liudger wurde, sobald er Alkuin kennen lernte, des Unterschieds
inne:'^) während Gregor seine Kleriker schidte, pflegte man in Eng-
land die liberale Bildung. Das war überhaupt der Unterschied
zwischen den deutschen und den enghschen Schulen. Der Gesichts-
kreis war dort weiter; der Zweck nicht rein praktisch. Was man
erstrebte, näherte sich dem, was wir mit den Worten Bildung und
AVissenschaft bezeichnen.
Doch darf man die Bedeutung der Thatsache nicht unter-
schätzen, dass es schon unter Pippin im fi'änkischen Reich nicht
an Orten fehlte, an denen man, wenn auch in mangelhafter Weise
und auf einem engen Gebiet, studierte; denn dadurch war der
Boden flu* die Wirksamkeit der fremden Gelehrten bereitet; sie
fanden überall Männer, Avelche ihre Bestrebungen verstanden, billig-
ten, mit Freuden auf sie eingingen. Wenn man das Gedicht
Alkuins an seme fränkischen Bekannten liest,*) so sieht man, wie
zahlreich sie waren. Er sandte es wie einen Boten diu-ch Deutsch-
land: überall hatte er Freunde zu grüssen; zu ihnen gehörten nicht
nm' die Schüler seiner enghschen Landsleute, Alberich und Haddo
in Utrecht und Lul in Mainz, sondern auch Bischöfe, über deren
Bildungsgang wir nichts wissen, Ricvulf von Köln''') und Basin von
Speier, ^') die Abte Fulrad von St. Denis und Beonrad von Echternach,'^
fatius in dieser Hinsicht lange fortdauerte: Omnes qui te discipulum b.
Bonifacii martyris norunt, prestolantur e vestris studiis ratissimum fructum.
1) Ale. carm. 4 v. 33 f. S. 221.
2) V. Greg. 11 S. 75.
3) V. Liudg. I, HS. 407.
4) Carm. 4 S. 220 ff.
5) Nachfolger des Kap. 1 S. 52 erwähnten Berehthelm.
6) S. Kap. I S. 47.
7) Willibrord starb am 7. November 739. Sein Nachfolger in Echter-
nach war Albert, Aldebert oder Adebert, der nach dem Cat. abb. Eptern.
(M.G. Scr. Xin S. 738) 38 Jahre lang an der Spitze des Klosters stand
— 1
7 0
am Hofe neben den lanj^oljardischen Geleinten auch Deutsche, wie
der Notar Karls, Eado.'j
So ist es begreitlich, dass mit den fremden Litteraten fränkische
Mämier gemeinsam arbeiteten, welche von jenen als völlig eben-
bürtig betrachtet wurden. Zu ihnen gehörte Adalhard,-) Karls
Vetter.'*) Als Alkuiii in das fränkische Reich kam, war er ein
gereifter'*) Mann, seine Bildung also bereits zu einem gewissen Ab-
schluss gekommen. Er Avar am' Hof herangewachsen;''') dann
aber wfy- er ^löiich geword(Mi. Um jedoch führte nicht die Nei-
gung zum l)eschaulichcn Leben in das Kloster; er verliess den Hof,
weil er in einer wichtigen politischen Angelegenheit nicht einer
Meinung mit Karl war: der Unnmt über den Bruch Karls mit
den Langobarden") trieb ihn aus der Heimat; nachdem er einige
Jahre in Corbie verweilt hatte, ging er nach Monte Cassino."^ Es
lag nicht in Karls Art, Männer, die er schätzte, deshall) fahren
zu lassen, weil sie in diesem oder jenem Punkt seinen Massregeln
widersprachen: er Hess sich seinem Vetter durch dessen Verlialten
nicht entfremden. Nachdem er ilm eine Zeitbmg hatte gewähren
lassen, berief er ihn zurück^) und stellte ihn an die Spitze der
(739—777); in Urkunden mehrfach genannt (B.M. 109, 118, 145). Sein Nach-
folger ist Beonrad (777—797; 1. c. S. 738), über ihn oben S. 123.
1) Über ihn Sickel, Act. Kar. I S. 78. Er wird 790 Abt von St. Ve-
dast in Arras. S. auch Dümmler N.A. XVIIT S. 59.
2) Paechasius Radbert verfasste eine umfiinpliche Biographie Adal-
hards (M.G. Scr. II S. 524 im Auszug; vollständig A. 8. Mab. IV, 1
S. 289 ff.); ihr Inhalt i.st dürftig (vgl. Ebert, Litt. d. MA. II S. 236 ff.;
Traube in den Münch. Abh. Phil. Kl. 19. Bd. S. 310 f.). Ein seltsames Ge-
misch von Missverständnissen ist, was Werner (Alcuin S. 78) über Adalhard
berichtet.
3) A.'s Vater, Bernhard, war ein Bruder Pippins (V. Adalh. Ol S. 530;
vgl. Oelsner JB. S. 425). Seine Muttor stammte, wie sich aus V. Wal. I,
12 S. 537 ergiebt, aus Sachsen. Paschasius nennt zwei Brüder nml zwei
Schwestern Adalhards, Wala. der ihm als Abt nachfolgte, und Bernar,
Gundrada und Theodrada (c. 32 f. S. 527).
4) Nach V. Adalh. 8 S. 525 war Ailalhard im Jahr 771 ungofiihr
20 Jahre alt.
5) V. Adalh. 7.
6) L. c. 7 und 8; vgl. oben S. 78.
7) L. c. 11 f. Paschasius motiviert den Eintritt in Monte Cassino nur
durch die Erinnerung an Gen. 12, 1. Nach don vorhergehenden Angnben
offenbar irrig; er selbst hatte kein rechtes Vertrauen zu seiner Nachricht
fvgl. recordatus fuisse dicitur).
-) L. c. 13.
— 173 —
Abtei Corbie.^) Das* war vor Alkuins Eintritt in den Dienst des
Königs.-) Kann man Adalhard demnach nicht zu den Schülern
Alkuins rechnen, so hegten beide doch ähnhche Gesinnungen und
schlössen sich deshalb gern aneinander an/') Auch mit Paulus
Diakonus stand Adalhard in freundschafthchem Verkehr.^) Dabei
ist die Verschiedenheit zwischen ihm und diesen Gelehrten gross
genug. Während sie ganz in den litterarischen Interessen auf-
gingen, brachte es sein Verhältnis zum König mit sich, dass er
nicht aufhörte, pohtisch thätig zu sein:^) er bewies dabei eine
glückhche Hand.*^) Aber auch persönhch war er aus anderem
Holz geschnitzt als jene. Sein Schüler Paschasius Eadbert rühmt
A\dederholt seine Beredsamkeit: sie war anders geartet als die der
frommen Rhetoren; er verstand, was sie nicht vermochten, gerad,
knapp und klar zu reden; so -werden auch seine Briefe beschaffen
gewesen sein'); seine Statuten füi- Corbie zeigen den Mann des
1) L. c. 14. Radbert spricht vonWahl. Ich lasse dahingestellt, ob mit Recht.
2) Das Jahr steht nicht fest. Abel nimmt nach Mabillon an etwa 780
(JB. S. 361). Wie mich dünkt, wird man etwas höher hinauf zu gehen
haben. Die Erhebung zum Abt geschah non longe postquam redierat
(c. 14), der Aufenthalt in Monte Cassino war ganz kurz (c. 12: pauUulum);
die vorhergehenden Ereignisse scheinen ebenfalls rasch aufeinander gefolgt
zu sein. Dass Adalhard auf Karls Befehl zum Gärtner bestellt wurde (c. 9j,
ist nur verständlich, wenn Karl ihm dadurch den Aufenthalt im Kloster
verleiden wollte : er wollte ihn offenbar wieder in seiner Umgebung haben.
Diese Absicht wird er nicht erst gefasst haben, nachdem eine längere Reihe
von Jahren verflossen war, sondern sobald er sich überzeugt hatte, dass
es Adalhard Ernst damit sei, ein Mönch zu sein und zu bleiben. Adalhard
aber musste die Absicht des Königs alsbald durchschauen; um sie zu ver-
eiteln, ging er nach Monte Cassino. Das diu (c. 9 und 11) kommt völlig
zu seinem Recht, wenn man an einen drei- bis vierjährigen Aufenthalt in
Corbie nach dem Novizenjahr denkt: dann würde Adalhard schon 775 oder
776 Abt geworden sein.
3) Lehrreich hiefür ist besonders Ale. ep. 9 S. 84 f., von Alkuin un-
mittelbar nach seiner Rückkehr nach England geschrieben. Alkuin konnte
es nicht unterlassen, auch ihm einen neuen Namen zu geben; er nannte
ihn Antonius (vgl. ep. 175 S. 290; V. Adalh. 21 S. 526).
4) Vgl. ep. ad Adalh. S. 508 f.
-5) V. Adalh. 16 S. 525; 29 S. 527: Einh. ann. z. J. 809; Transl. Viti 6
S. 578; Capit. 85 S. 183. — Die V. Adalh. 16 gegebene Nachricht,
Adalhard habe während der Minderjährigkeit Pippins Italien verwaltet,
wird von Simson (JB. S. 436) verworfen. Ein Irrtum des Paschasius ist nicht
ausgeschlossen, da er unzuverlässig ist und seine Nachricht allein steht;
durchschlagend sind jedoch die Gründe Simsons nicht.
6) Vgl. bes. V. Adalh. 16.
7) C. 63 S. 530; 77 S. 532.
— 174 —
praktisclien Lebens, der vor allem auf geordnete ^'er waltung be-
dacht war;') kein Wunder, dass er nicht so rede- und schreib-
sehg wie Alkuiii und andere gewesen ist: Alkuin beklagte sich
mehrfach über seine Scliweigsamkeit,-) Unter seinen Mönchen war
es ganz bekannt, dass er es nicht liol)te, wenn man auf Reisen
viel mit ihm sprach; er zog es vor, allein zu sein."'') Dass Briefe,
die an ihn gerichtet waren, von anderen gelesen wurden, mochte
er nicht leiden.'*) Unter den Tugenden des Mannes galt ihm die
Zuverlässigkeit als die höchste.'') Es hegt etwas Stolzes, Ver-
schlossenes in seinem Wesen, seine Schüler zitterten vor dem durch-
diingenden Blick seiner feurigen Augen.") Man begreift, dass Karl
viel auf Hin hielt, während des grossen Kaisers kleiner Sohn ihn
nicht ertragen konnte.
So wenig als Adalhard war Angilbert') nur Litterat. Von
vornehmer Geburt,^) am Hof erzogen,") tand er frühzeitig Ver-
1) Migne 105 S. 535 fF. ; die Schrift ist nur fragmentarisch erhalten.
Ein verlorenes Werk Adalhards fällt in das politische Gebiet: de ordine
palatii; es ist von Hincmar exzerpiert in seinem Buch Ad proceres regni
c. 13 — 36. Vgl. c. 12 M.G. Cap. II S. 522: Adalhardum scnem et sapientem
domni Caroli . . propinquum . . inter primos consiliarios primum in adoles-
centia mea vidi.
2) Ale. ep. 9 S. 35: Nee tibi sit durum scribere, quod mihi aviditas
est legere; 175 S. 290; 181 S. 299; 237 S. 381.
3) V. Adalh. 28 S. 526.
4) Ale. ep. 221 S. 365: Antonio . . has litteras alias deprecor, ut quam
citissime, clausa cartula sicut est, deprecor, ut dirigas. Quia si discincta
veniat in praesentium illius, vilescit apud eum.
5) V. Adalh. 18 S. 526, Bruchstück aus einem Brief an Kaiser Lothar:
Quid putas, o princeps, si fides saepe inter cruores et saevientium arma,
fttiam inter paganos tantum valuit, ut quisque se committeret alterius fidei
sacramentis, quantum valere debeat foedus christiani in veritate promissum?
Non te decipiat aliquis, obsecro, Imperator, quia fides cum contra aliquem
violatur, non homo sed Deus testis et veritas mea contemnitur. Vgl. V.
Adalh. 7 S. 525 und 17 S. 526.
6) V. Adalh. 74: Fateor . . nil flammantius aut horribilius aliquid me
vidisse, quam in tuis oculis.
7) Zwei junge Biographien Angilberts bei Mab. A. S. IV, 1 S. 103 ff.
vgl. M.G. Scr. XV S. 173 ff.
8) Nith. Hist. IV, 5: Hand ignotao familiae. Nithard nennt die Brü-
der Angilberts Madhelgaud und Richard. Ob der erstere mit dem Cap. 34
S. 100 genannten Madelgaud, oder mit dem Cap. 44 S. 123 genannten
Madalgaud, oder mit keinem von beiden identisch ist, lässt sich nicht er-
weisen. Da Nithard im Reich Karls d. K. lebte, so wird die Familie
neustrisch gewesen sein.
9) Ale. ep. 33 S. 246 (ed. Jaffe). Als seinen Lehrer bezeichnet Angil-
— 175 —
Wendung in der königlichen Kapelle.^) Im Jahr 790 erhielt er die
reiche Abtei St. Riqiiier.-) Doch scheint es, dass er nach wie vor
in der Nähe Karls lebte : man kennt sein Verhältnis zu des Königs
Tochter Bertha/^) In Aachen besass er zwischen weiten Gärten
ein Haus: dort wohnte er für gewöhnlich mit den zwei Knaben,
die ihm Bertha geboren hatte.^) Von Karl wurde er in pohtischen
Geschäften mehrfach benützt. In den Jahren 792, 79-4 und 796
war er im Dienst des Königs an der päpstlichen Kurie. ^) Die
Zuverlässigkeit, die Alkuin an ihm rühmte,^) wird ihn füi' solche
Sendungen empfohlen haben. Auch nahmen die öifentlichen Ver-
hältnisse ^sein ganzes Interesse in Anspruch; er vergass darüber
das eigene Ergehen. Wisse, schrieb er einmal an Arn, dass es
bert selbst Peter von Pisa (carm. 42 v. 1 f. S. 75; vgl. Ale. ep. 172 S. 28-5).
Dass er auch von Alkuin lernte, ergiebt ep. 12.5 S. 184. Aber da er, wie
es scheint, alsbald nach Alkuins Ankunft bei Karl sich nach Italien begab
(s. unten Anm. .5), so ist an eigentlichen Unterricht nicht zu denken.
1) Ale. ep. 33 S. 246 (ed. Jaffe). Karl bezeichnet Angilbert als seinen
Auricularius (92 f. S. 13.5 f.). Alkuin nennt ihn regiae voluntatis secretarius
(ep. 27 S. 69).
2) Das Jahr nach Ale. ep. 9 S. 35. Im Jahr 798 schenkt Karl mit
Eüeksicht auf die Verdienste Angilberts die Zelle Foreste, in welcher Richar
lebte und starb, an St. Riquier (B.M. 328). Über ein angebliches Privile-
gium Leos in. für das Kloster s. J.W. 2504.
3) Nith. Hist. lY, 5. Bertha war £:arls Ebenbild (s. Karoi. Mag. et
Leo pap. V. 220 ff. S. 371). In Angilberts Gedieht auf Karl und die Seinen
beziehen sich auf Bertha nur die drei Verse (carm. 2 v. 48 ff. S. 361):
Virginis egregriae Bertae nunc dicite laudes,
Pierides, mecum, placeant cui carmina nostra:
Carminibus cunetis musarum digna puella est.
4) L. c. V. 93 ff. Die Söhne sind der Geschichtschreiber Nithard und
dessen Bruder Hamid (Nith. Hist. IV, 5).
.5) Vgl. Ann. Lauriss. z. J. 792; Ale. ep. 25 S. 66; 27 S. 69 [eine
andere Datierung dieses Bfs. bei Hampe N. A. 21 S. 94]; 92 S. 135; 94 S. 139;
97 S. 141. Ale. ep. 11 S. 37 wird Angilbert Primicerius genannt; zwei
Handschriften der Briefe Alkuins machen ihn zum Primicerius des Königs
Pippin (s. Jaffes Anm. g). Jaffe, Ebert (Lit. d. MA. H S. 62) u. a. betrach-
ten die Angabe als begründet; dagegen verwirft sie Simson (JB. S. 435)
unter Zustimmung Dümmlers (z. ep. 11) als haltlos. Es ist auch hier zu-
zugeben, dass das für sich allein stehende Zeugnis keinen sichern Halt
gewährt. Aber die Handschrift von Troyes gehört dem 9. Jahrhundert an
(s. Jaffe S. 135); der Titel Primicerius wird von Angilbert, wie der Inhalt
des Briefes zeigt, in Italien geführt, in Deutsehland später nicht. Da
scheint mir doch die von Simson verworfene Nachricht sehr wahrscheinlich.
6) Ep. 27 S. 69: Quem omnibus amicis valde esse fidelem probavimus;
vgl. 75 S. 118: Gerulus fidelis; 125 S. 184.
— 176 —
uns gut geht, abgesehen davon, dass mein Unwohlsein sich mehr
und mehr steigert.') Am Hof wai- man voll Bewunderung seiner
poetischen Begabung, er galt als göttlicher Dichter,-) den höchsten
Poetennamen, den man kannte, den Homers, legte man ihm bei.*')
Erhalten ist nicht gerade viel und das Erhaltene erhebt sich keines-
wegs über den Durchschnitt:*) die Künstelei erdrückt die Kunst;'"')
die Gabe, scharf /u beobachten und lebhaft zu schildern, welche
Angilbert nicht fehlte,") konnte dabei nicht aufkommen. In seinem
Auftreten zeigte er sich vornehm und prächtig. Alkuin stellt, gut-
mütig spottend, seine eigene Rusticität der Nobihtät Angilberts
gegenül)er. ') Er hatte seine Freude an dem grossaitigen Neubau
seines Klosters,**) an der Vermehrung der Bibliothek desselben,")
an Schauspiel und ^Mummenschanz. Die letztere Neigung fesselte
ihn so sehr, dass es dem ernsthaften Alkuin einigermassen bedenk-
lich wurde.'")
Jünger als Adalluud und Angilbert war Einhard;'') doch kam
er an Ansehen und EiuHuss ihnen l)ald gleich. Er stammte aus
dem östlichen Franken; seine Heimat war der Maiugau '-) Dort
1) Ale. ep. 147 S. 236; vgl. ep. 152 S. 248.
2) Paul et Petr. carm. 44 v. 17 S. 77; vgl. Naso I v. 85 ft'. (N. Archiv
XI S. 85!.
3) Vgl. selbst in einem Brief Karls Homeriano puer, Ale. ep. 92
S. 136.
4) Poet. lat. 1 S. 355 ff. Dass die carmina Bernowini S. 414 ff.
VI— XXVI vielmehr Angilbert angehören, hat Traube Karol. Dicht. S. 51 ff.
schlagend bewiesen; vgl. dens. in d. Abh. der Münch. Ak. Phil. Kl. XIX
S. 322 ff'.
5) Vgl. Paul, et Petr. carm. 42 S. 75; Angilb. carm. 2 S. 360.
6) Nicht übel ist z. B. die Schilderung carm. 1 v. 13 ff. S. 358 f.
7) Ep. 97 S. 141.
8) Der Bericht Angilberts über den Neubau A. S. Mab. IV, 1 ^. 106 ff.;
auch bei Migne 99 S. 841, und M.G. Scr. XV S. 174 ff.
9) Dass die Bibliothek von St. Riquier verhältnismässig reich war, kann
man aus Ale. ep. 221 S. 365 schliessen; Alkuin vermutet, dass Angilbert
die ihm fehlende gotische Geschichte des .Tordanes besitzen werde.
10) Ep. 175 S. 290; 237 S. 381. — Angilbert starb am 15. Februar 814,
drei Worhen nach Karl d. Gr. Vgl. Nitb. Hist. IV, 5 S. 671.
11) l'ber Einluird s. ausser den mehrfach angeführten Werken von
Bahr und Ebert besonders Wattenbach, GQ. I S. 169; Manitius, N. Archiv
VII, 517 ff.; XII, 206; Mitt. des Instit. XVIII S. 610; Bernheim in d. hist.
Aufa. d. And. v. Waitz gewidmet 1886 S. 73 ff.; Ilampe, N. Arch. XXI,
601 ff. Ich zitierte die V. Kar. nach Jaffe, Bibl. IV S. 507 ff.; die Briefe
nach .M.G. Ep. V S. 105 ff.; die Tran.sl. Petr. et Marcell. nach Scr. XV S. 238.
12) Walahfr. Prolog, zur V. Kar. S. 507.
— 177 —
lebte sein Vater als ein angesehener Mann: man meint seinen
Namen unter den Wohlthätern Fuldas zu finden.^) Um so fi-eund-
lichere Berücksichtigung fand Eiuhard, als er. noch ein Knabe, dem
Kloster zur Erziehung übergeben wurde. Doch wusste er die Zu-
neigung, die ihm entgegengebracht wiu'de, bald selbst zu verdienen:
man erwartete in Fulda viel von dem mannigfach begabten Jüng-
ling. Darin lag wohl der Grund, dass ihn Abt Baugulf an die
Hofschule sandte. -) Seitdem bheb Einhard in der Umgebung
Karls;'') er wurde Ijald ein geschätztes Mitghed des Gelehrten-
kreises, den der König um sich sammelte,^) von allen seinen GHe-
deni der einzige Laie.'')
Er hatte etwas an sich, das zmn Spott reizte. Seine kleine
Gestalt, sein eiliges, geschäftiges Wesen bewirkten, dass man über
ihn lächelte.*') Gleichwohl erkannte man ihn an: man bewunderte
1) Die von Hraban verfasste (irabschrift Einhards scheint anzudeuten,
dass Vater und Sohn denselben Namen führten (Hrab. carm. 85 v. 4 S. 238:
Einhardus nomen cui genitor dederat). Eine Schenkungsurkunde Einhards
und seiner Gemahlin Engilfrit an Abt Baugulf von Fulda über Besitzungen
in Urithorpfe (ürdorf im Saalagau) bei Dronke, Cod. dipl. Fuld. Nr. 185.
Jaffe nimmt die Identität beider als sehr wahrscheinlich an (Bibl. IV S. 487).
Genau genommen ist sie doch nicht mehr als eine Möglichkeit. Der Name
Einhard scheint im östlichen Franken nicht selten gewesen zu sein. In den
fuldischen Urkunden kommen Männer dieses Namens in Swanafeld im Gau
Gozfeld und in Dienenheim im Wormsgau vor (Nr. 124, 360j; dazu noch
andere, deren Persönlichkeit sich nicht weiter fixieren lässt.
2) Walafr. 1. c. ; Hrab. 1. c. v. 7. Der Zeitpunkt steht nicht fest.
Sicher ist nui-, dass Einhard nach 791 Fulda verliess: in diesem Jahr er-
scheint er noch als Schreiber von Fulder Urkunden (Nr. 100, 102). Die
erste von ihm geschriebene Urkunde ist von 788 datiert (Nr. 87); die Ur-
kunden 183, 184, 185, welche er ebenfalls konzipierte, entbehren der Jahres-
angabe.
3) Hrab. 1. c. v. 7: Quem Carolus princeps propria nutrivit in aula.
Einhard nennt Karl seinen Nutritor (V. Kar. prol. S. 509).
4) Man nannte ihn in Erinnerung an Ex. 31, 2 Beselel (Ale. ep. 172
S. 285), auch Nardulus (Ale. carm. 30, 2 S. 248).
5) Einhard war bekanntlich verheiratet. Ein paar Briefe seiner Ge-
mahlin Imma stehen unter den seinen ep. 37 f. S. 128 f. In einer gemein-
sam ausgestellten Urk. v. 12. September 819 übergeben beide ihre Zelle
Michelstadt im Odenwald dem Kloster Lorsch M.G. Scr. XXI S. 360. Zwei
Briefe über ihren Tod bei Servatus Lupus, ep. 2 f. S. 40 ff. ed De.sdevises
da Dezert. Über die Sagen, die sich an ihn und Imma knüpften, s. Abel,
Gesch.Schr. d. d. Vorz., 9. Jahrb., Bd. 1 S. 56 ff.
6) Theod. carm. 25 v. 155 ff. S. 487:
Nardulus huc illuc discurrat perpete gressu,
Ut formica tuus pes redit itque frequens.
Hauck, Khcliengeschichte. II. 2. Aufl. 12
— 178 —
seinen beweglichen Geist, seine Geleln-sanikcit und Kunstfertigkeit;
man vertraute seinem rechtlichen, geraden Sinn.^) Er gehörte zu
den liiltri'ichen Menschen, deren Fürsi^rache jedermann hegehrt.
Bald suchte der Klerus einer Kirche, der seinen Kandidaten hei
der Bischotswahl zuriickgewesen sah,'^ um sein Fürwort nach; bald
trat er tlir einen Hörigen ein, der nicht zu seinem Recht kam; ein
anderes Mal für* einen bedrängten Priester oder einen beschäftigungs-
losen ^faler; aber auch Wilddiebe und Totschläger und dann
AN-iedei-^Verliebte, deren Verheiratung Schwierigkeiten machte, findet
man unter seinen Klienten.'') Der hervorstechende Zug seines
A\'esens Avar die Anlage tiir die Form. Wenn man den AVert der
litterarischen Werke nur nach der formellen Abrundung bemessen
wollte, so müsste man ohne Zweifel seiner Lebensbeschreibung
Karls unter allen Schriften, welche die karolingische Epoche hervor-
gel)racht hat, den höchsten Preis zuerkennen. Denn so zweifellos
CS ist, dass Einhard bei der Anlage wie bei der Ausführung seines
Werkes fremde Muster nachgeahmt hat, so ist es ihm doch ge-
lungen, seiner Arbeit eine so abgerundete Gestalt zu geben, \v\e,
sie kein zweites Werk dieser Epoche besitzt. Und was noch mehr
sagt: l)ei ihr allein hat man den Eindruck, dass der Schriftsteller
Herr seines Gegenstands ist: der Gedanke durchdringt den Stoff:
uicht die nackte Thatsache hat Wert, sondern die Verkettung der
Ereignisse als Ursache und AVirkung; der Schriftsteller steht nicht
mehr stumm dem Geschehenen gegenüber: er wagt es wieder, die
Einzelvorgänge zu kombinieren und dadurch zu beleuchten; er wagt
es. zu uileilen. (Tcwiss, auch dabei war Einhard ein Schüler der
Alten; aber ist nicht schon dies ein Lob, dass er der i'inzige war,
der dies bei ihnen gelenit hat? AVeit anspnichsloser ist der Bericht
von der Übertragung der Reli(iuien der ^lärtyrer Petrus und Alar-
cellinus aus Rom nach Seligenstadt: aber jeder Leser freut sich
Cuius parva domus habitatur ab hospite magno,
Res nia^na et parvi pectoris antra colit.
Et nunc ille Hbros, oi)ero8as nunc ferat et res
Spiculaque ad Scotti nunc i^aret apta necem.
1) Ale. ep. 172 S. 285: Veeter immo et noster familiaris adiutor; carm.
30, 2 (b. unten S. 179 Anm. 3). Hrab. 1. c. v. 6: Ingenio hie prudens, pro-
bu8 actu atque ore facundus. Phm. Nig. In hon. Hlud. U v. 32 S. 25:
Ingenioque sagax et bonitate vigens. Poet. Sax. V. Kar. IV v. 116 f.: ClaruB
veraxque relator ac summe prudens. Walahfr. 1. c. S. 508: Merito prudentiae
et probitatis. Servat. Lup. ep. 1 S. 42: Facilis et] modesta et quae sane
philosophiam deceat auimi vestri natura.
2) Frotharii TuU. ep. 14 S. 286.
3) Ep. 7. 30, 18, 47 f.. 37, 46.
— 179 —
der frischen, anschaulichen Darstenuog. Darf man in Einhard den
Verfasser der kleinen Abhandlung über die Verehrung des Kreuzes
sehen, ^) so besitzen wir auch ein theologisches Schinftchen von ihm.
Die massvolle, vorsichtige "Weise des Urteils in dieser Schrift würde
wohl füi' ihn passen. Von den barocken Ansichten seiner Zeit-
genossen über stilistische Schönheit war er unberührt: er konnte
Werke heiTorbnngen, welche sich von den üblichen Veiirrungen
des Geschmacks fast ganz frei hielten.-) Wie er schrieb, so war
er. Er hebte überall das Hübsche, Zierhche : seine Freunde scherzten
wohl über das kleine Thürlein am Hause des kleinen Einhard,'^)
des Männleins, Avie sie ihn nannten."*) Aber dass das Wohlgefallen
am Zierhchen bei ihm den Sinn für den Eh}i;hmus weiter Räume
nicht ausschloss, bewies er in seinen Bauten; ist der Plan zu dem
Münster in Aachen sein Werk,'^) so war imter allen Zeitgenossen
keiner einer grösseren Konzeption fällig.*^) Auch die von ihm ge-
1) Zuerst von Dümmler, N. Archiv XI S. 233 fF. veröiFentlicht ; nun auch
M.6. Epist. V S. 146 ff. Erwähnt von Servat. Lupus ep. 4 S. 56; es war
ihm gewidmet.
2) Das hat schon Servatus Lupus bemerkt, ep. 1 S. 45.
3) Ale. carm. 30, 2 S. 248:
Janua parva quidem et parvus habitator in aede est.
Non spernas nardum, lector, in corpore parvum;
Nam redolet nardus spicato gramine multum.
Mel apis egregium portat tibi corpore jiarvo.
Parva quidem res est oculorum, cerne, pupilla,
Sed regit imperio vivacis corporis actus.
Sic regit ipse domum totam sibi Nardulus istam
Nardule, die lector pergens, tu parvule, salve.
4) Walahfr. 1. c. S. 508: Homuncio; id. carm. 23 v. 226 S. 377:
Homullus.
5) Die Annahme ist bekanntlich nicht sicher, doch sehr wahrschein-
lich (vgl. Dehio und v. Bezold, Die kirchliche Baukunst des Abendlandes
S. 152 ff. und Hampe S. 613; dagegen J. v. Schlosser Wiener SB. 1890 Bd.
123 S. 30 f.). Dehio und v. Bezold heben hervor, dass die Bedeutung des
Werkes nicht sowohl im Künstlerischen als im Konstruktiven zu suchen sei,
urteilen jedoch schliesslich, das Münster sei ein wahrhaft weihevoller Raum.
Ich möchte die letztere Seite etwas stärker betonen. Das Bedeutende
scheint mir, dass man hier einer Konstruktion aus dem Grossen gegenüber-
steht, bei welcher die Wirkung nicht durch die Einzelheiten, sondern aus-
schliesslich durch die räumlichen Verhältnisse erzielt und erreicht wird.
Seiner Basilika in Seligenstadt freute sich Einhard als non indecori operis
(Transl. Marcell. I, 1 S. 239 f.).
6) An Trennung der Künste ist in dieser Zeit so wenig zu denken als
an Trennung der Wissenschaften. Wie Architekt, so scheint Einhard auch
Maler gewesen zu sein. Der Cat. abb. Fuld. (M.G. XIII, 272) bezeichnet
12*
— 180 —
baute Abtcikirclic in Soligoiistndt ist i'in in mancher Hinsitlit eigen-
artigcs und wohldisponiortes AWu'k. ') AVeun er die Vernachlässigung
der A[iu'tyrergräh('i' in Koni tadelnd bemerkte, so war es schwerlich
seine Frömmigkeit allein, die sich daran stiess, sondern ebeusoselu*
sein Sinn fiir Ordnung und .ScluJuheit.'-) Karl setzte volles Ver-
trauen in Einhard;''") niclit nur übertiiig er ihm die Oberleitung
seiner Bauwerke;'*) er hörte auch in Fragen, welche den Staat
betrafen, auf seinen Rat."^) So bietet Einhards Leben, so lange
Karl ^regierte, das Bild einer nach jeder Seite hin glücklichen
Existenz.
Ein Altei-sgenosse Einhards mag der Trierer Bischof Amalar
gewesen sein,") nicht eigenthch ein Litterat, nielu' ein Gelegenheits-
ihn als variarutn artiuiu doctorem peritissimum. Der Maler Bruun (Can-
didus) ist sein Schüler: V. Aeigili II, 17 v. 1.34—136 S. 112, verbunden mit
der angeführten Stelle des Fulder Abtkatiiloges.
1) Hampe hat gezeigt, dass ihr Bau erst nach 830 begonnen hat,
S. 613 ff. Seine Annahme, dass der Bau der Basilika und die Klostergrün-
dung zusammenfallen, scheint mir jedoch unrichtig. Denn ep. 10 S. 114
setzt den Bestand einer geistlichen Genossenschaft am Grab der Heiligen
voraus: Si per vos . . locus requictionis sanctorum martyrum tarn in aedi-
ficiis, quam in aliis necessariis rebus fuerit auctus. Auch die Worte: His,
quoa ad servitium vestrura enutrivi zeigen, dass eine geistliche Genossen-
schaft i. J. 830 vorhanden war. Ihre Gründung, nicht die Erbauung der
Basilika ist für die Entstehung des Klostors entscheidend.
2) Transl. Marcell. 1 S. 240: De neglectis martyrum sepulchris, quo-
rum Romae ingens copia est.
H) Walahfr. Prol. S. 508; vgl. Einhards Prolog S. 510.
4) Gest. abb. Fontan. 17 S. 50. Hier wird erwähnt, dass Ansigis, Abt
von St. Germer, unter ?]inhard exactor operum regalium in Aachen war;
vgl. auch Transl. Marcell. IV, 7 S. 258, wo von dem l'alastbiljliothekar
Gervard erzählt wird, da.ss ihm palatinorum operum ac structurarura a rege
cura commissa erat.
5) Erm. Nig. In hon. Illudov. II v. 31 ff.; vgl. Ann. Kinh. z. .1. 80(1.
6) Die Frage, ob der Bischof Amalar mit dem gleichnamigen litur-
gischen Schriftstoller identisch gewesen ist, wird verschiedoji l)eantwortet.
Man hat sie seit Sirmond so gut wie allgemein verneint; neuerdings jedoch
hat sich Dümmler M.G. Ep. V S. 241, einem Aufsatz Morins in dor Hevuo
Bf'nödiot. VIIl S. 433 und IX S. 337 folgond, für die Bojahung ausgesprochen,
ivnrrogen Mönchemeier, Amalar S. 259 ff. an dor Vernoinung festhält; ebenso
^.liire P. UK. P S. 430. Auch mir scheint die letztere notwendig. Denn
der Identität der beiden Amalare bereitet die Chronologie unüberwindliche
Schwierigkeiten. Den Episkopat Amalars von Trier lässt man um 809 be-
ginnen, so Mönchenifier und Suhre, wie Dümmler. Aber wio mich dünkt,
muss man etwas hinaufrücken. Denn Amalar hat die erste Kirche in Ham-
burg geweiht: es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass Karl nach Herstellung
— 181 —
schriftsteiler: eine Frage Karls über die Taufe gab ihm, wie meh-
reren seiner Amtsgenossen Anlass, sich über diesen Gegenstand zu
äussern.^) Karl hat ihm flu- seine iVrbeit freundlich gedankt; sie
erregte auch bei anderen Interesse.-) Im Jahr 813 schickte er ihn
als seinen Gesandten nach Konstantinopel. Die Müsse, die die
lange Seefohrt gewährte, füllte Amalar aus durch ein kleines
Schrift chen iihev che Messliturgie, wie es scheint Reflexionen über
ihren mystischen Sinn.'') Auch seine dichterische Anlage wm-de
durch die Abenteuer jener Reise geweckt: er hat sie in nicht gerade
bedeutenden Versen geschildert.^) Liturgische Fragen haben ihn
auch später beschäftigt, ohne dass er doch sich anders als brieflich
darüber äusserte.^)
Amalar ist keine litterarische Individuahtät; aber man irrt
schwerhch. wenn man ihn als einen Zeugen fiir den Durchschnitt
des schi'iftstellerischen Vei-mögens l)etrachtet, das sich bei dem
höheren Kleras am Ende der Regierung Karls fand. Die mauch-
fachen Antworten, die Karls Frage über die Taufe hervorrief, be-
weisen das Recht dieser Annahme.^) Sie zeigen zugleich, dass es
Karl gehmgen war, den Klenis "vrieder theologisch zu schulen.
der Ruhe in Nordalbingien 5—6 Jahre verstreichen Hess, ehe er eine Kirche
baute. War aber Amalar schon 805 oder 806 Bischof, dann kann er unmög-
lich als Knabe Schüler Alkuins in Tours gewesen sein, was der Schrift-
steller von sich selbst sagt. Dazu kommt, dass sich bei der Identifizierung
die Annahme notwendig macht, dass derselbe Mann zweimal über den
gleichen Gegenstand geschrieben hat: der Bischof verfasste ein opusculum
de officio missae auf seiner CTesandtschaftsreise 813 (ep. 5 S. 245), das Werk
des Schriftstellers ist 819—831 geschrieben, s. u. Bei des letzteren Gewohn-
heit, seinen eigenen Ruhm zu verkündigen, ist es schwer glaublich, dass er
von dem früheren Werk geschwiegen hätte, wenn es sein Werk wäre. Ich
halte deshalb trotz des seltsamen Parallelismus im Leben der beiden gleich-
namigen Kleriker für wahrscheinlicher, dass wir zwei Männern als dass wir
einem gegenüberstehen. Von den M.G. Ep. V S. 242 ff. gedruckten Briefen
gehören Nr. 1 — 7 dem Bischof, Nr. 8—11 dem Schriftsteller.
1) Ep. 1 — 3 S. 242; von der Abhandlung A.'s hat Dümmler nur Anfang
und Schluss abgedruckt, ep. 2. Man findet sie bei Migne 99 S. 893; vgl.
Haussleiter in d. N. kirchl. Zeitschr. IX S. 341 ff.
2) Peter von Nonantula, Amalars Reisegefährte, bittet um eine Ab-
schrift, die er auch erhält, ep. 4 f.
3) Erwähnt von Peter und Amalar in den angeführten Briefen, aber
wie es scheint, nicht erhalten. Über die Sendung M.G. Ep. IV S. 556 Nr.
37 und Ann. Lauriss. z. 813 S. 137; vgl. auch ep. 6 S. 247.
4) Poet. lat. I S. 426 f.
5) Ep. 6 S. 247 ff. an Hilduin von St. Denis.
6) Vgl. Wiegand, EB. Odilbert von Mailand über die Taufe, 1899.
— 182 —
Das Leben und Treiben der litterarischen Männer am Hof
Kai'ls ist oft genug geschildert worden. Es wai' zum Teil Schule
halten im eigentlichen Sinn des AVorts. Jedermann weiss, dass
Karl selbst niemals aufliörte zu lernen, dass seine Schwester, seine
Söhne und Töchter an dem Unterricht teilnahmen. Was iniiii
lehrte und lernte aber, wurde bald das gemeinsame geistige Interesse
(\or ßeteihgten. Man freute sich an einem mehr oder weniger
geistreichen Spiel des Scherzes und Witzes; bei Tisch las mau
vor: bald ein Gedicht, bald einen Abschnitt aus einem Geschichts-
werk oder einem Kirchenvater.^) AVie die Litteraten des 5. und
6. Jahrhunderts wechselte man prosaische und poetische Episteln:
Freunde spendeten sich gegenseitig reichliches Lob, Gegner vei*-
folgten einander mit launigem oder derbem Spott. Ahmte man
liiebei bewusst und unbewusst die alten Schriftsteller nach, so war
das Interesse für historische Darstellungen eine natürliche Folge
des mächtigen Aufschwungs, den der fränkische Staat genommen
hatte.-) Dazu kam in der Freude an Rätseln und Allegorien*"*)
ein volkstümhches Element, eines der wenigen, das in diesen Kreis
einzudringen vermochte. Um so bedeutender war der theologische
Bestandteil im Geistesleben des Hofes. Bald waren es exegetische
Karls Ausschreiben war an dio Erzbi.schöfe des Reichs gerichtet; erhalten
sind die an Odilbert von Mailand und Anialar adressierten Kxemplare, das
erstere Cap. 125 I S. 24ü, das letztere Ep. V S. 242 Nr. 1. Antworten sind
erhalten: von Magnus von Sens, Ep. IV S, 534 Nr. 25, Migne 102
S. 981 ti'., Maxentius von Aquiloja, ib. S. 537 Nr. 27, Migne 106, 51 fl'.,
Lt'idrad von Lyon ib. S. 539 Nr. 28 f., Migne 99 S. 853 tt'., einem ungenann-
ten Bischof, ib. S. 535 Nr. 26, Migne 98 S. 939, Odilbert Cap. 126 S. 247,
die Denkschrift zum ersten Mal von Wiegand bekannt gemacht, von Ainalar.
80 wie ein Schreiben Theodulfs an Magnus Ep. IV S. 533 Nr. 24, Migne
105 S. 223 ff. Wiegand sieht auch in den Collectanea dicta de antiquis
ritibus V>apti8mi eorumque significatu Pez Thes. II, 2 S. 12 ff. eine durch
Karls Autforderung veranlasste Antwort; und bringt Jesses von Aniiens
Schreiben an seinen Klerus U.(i. Ep. V S. 300 Nr. 1, Migne 105 S. 781
mit Karls Aufforderung in Zusammenhang. Das Letztere halte ich inin-
de.stens für zweifelhaft. Ferner hat Morin Rev. liened. 1H96 S. 289 tf. auf
zwei Antworten aufmerksam gemacht; die eine nun auch M.G. Ep. V S. 273 f.
Nr. 14. Von dem Abschreiber ist sie mit Unrecht Amalar zugeschrieben;
doch stammt sie sicher von einem deutschen Metropoliten; denn der
Schreiber erklärt die pompas diaboli deutsch siniu gelp anda sinen willon.
Endlich gehört hieher die Haluz. 11 S. 1402 Nr. 22 gedruckte anonyme
Responsio iHaec sunt causao).
1) Einh. V. Karol. 24; Theod. carm. 27 v. 51 tf. S. 492.
2) Vgl. Wattenbach, GQ. I S. 190 ff".
3) Theod. c. 25 v. 135 ff. S. 486.
— 183 —
Fragen, welche das Interesse erregten,^) bald antiquarische;^) auch
über dogmatische Probleme kam es mitunter zu lebhaftem Woii;-
kampf : ^) manche Frage liess man als unlösbar fallen,'*) bei anderen
suchte man zu einem bestimmten Resultat zu kommen,'') Darauf
drang Karl; er hebte das Unfertige nicht.
Fragt man nach dem Charakteristischen der neuen höfischen
Bildung, so besteht es nicht nur darin, dass in ihr die Kultur
einer vergangenen Periode wieder erweckt werden sollte und in
ge\s-issem Mass erweckt wurde. Wichtiger ist das gleichberechtigte
Nebeneinander des Allgemeinen und Theologischen, das man in
der Epoche Karls bemerkt. Dadurch hebt sie sich scharf von der
vorhergehenden Zeit ab. Die Reste oder Ansätze htterarischer
Thätigkeit vor Karl waren stets theologisch gefärbt. Jetzt war
dies nicht mein- der Fall. Die Poesie und Geschichtschreibung
kamen zu so ki-äftiger Entwickelung, dass sie etwas für sich bedeu-
teten. Das hängt mit den Fortschiütten der Form zusammen: ein
gi-össerer Abstand als der zwischen Gregor von Tom^s und Einhard
lässt sich kaum denken. Mehr noch ist es bewirkt diu'ch einen
Wandel der Anschauungen. Die älteren Schriftsteller waren sämt-
lich von der asketischen Lebensanschauung beherrscht. Im Kreis
Karls d. Gr. dagegen war sie nicht massgebend; auch die Mönche,
welche zum Hof des Kaisers gehörten, sprachen es unumwunden
aus, dass es für das Heil des Menschen gleichgiltig sei, ob man
im Kloster oder in der Welt lebt. Darin lag die Anerkennung
des Rechts einer welthchen Kultur. Es konnten Frieder, wie in
der ausgehenden Römerzeit, geisthche und welthche Wissenschaft
und Kunst neben einander stehen. Und doch ist der Unterschied
zwischen der letzteren Epoche und der Karls noch gi'össer. Denn
in ihr gab es keinen Gegensatz zwischen Weltlichem und Geist-
lichem. Auch wenn man welthche Gegenstände behandelte, waren
die Massstäbe, nach Avelchen jedermann urteilte, die kirchhchen:
es gab keine prinzipiellen Differenzen.
Es war ein Ge^\inn für die Nation, dass das geistige Leben,
das bisher auf die Klöster beschränkt war, hinaustrat in den Kreis
der Laien. '^) Aber um so schärfer tritt der Mangel dieser ganzen
Bildung hervor: sie war nicht national. Nur dann ist die Kultur
1) Vgl. Ale. ep. 149 S. 244: 308 S. 471.
2) Theod. carm. 96 S. 390 ff.
8) Ale. ep. 307 S. 466 ff.
4) Vgl. oben S. 150.
5) Ergiebt sieh aus Alkuins Brief 307.
6) Das hat besonders Ebert (Lit. d. MA. If S. 5 fl\) hervorgehoben,
leh vermisse nur, dass er kein Wort für die Beschränktheit dieser ,Welt-
— 184 —
in Wahiheit lebenskräftig und fruchtbar, wenn sie die Verklärung
des Volkstüniliclien ist. Die karolingische Kultur war das nicht;
daher der nniniienhafte Zug, der ihr anhängt. Die Träger der
neuen Bildung ha])eu diesen Mangel nicht bemerkt, noch weniger
streljten sie ül)er ihn hinaus. Für sie war die Erneuerung des
Alten die höchste Idee. Die unabwendbare Folge war, dass die
Kultur tienidsprachlich blieb und dass deshalb auch die Theologie
nicht national wurde. So war sie .abgeschnitten von der befruch-
tenden , Berührung mit dem Glauben der Gemeinde. Iirt man,
wenn man in diesem Mangel einen der hauptsächlichsten Gründe
dafür sieht, dass sie lange zu keiner fiüschen Entfaltung kommen
konnte, und dass sie, als diese endlich eintrat, als Scholastik nur
tür einen engen Kreis Wissender vorhanden war?
Niemand kann sagen, dass diese Entwickelung notwendig und
unvenneidhch war. Karl d. Gr. hat auch in diesem Punkt weiter
gebhckt als die Gelehrten, die ihn umgaben. Mau weiss, wie ent-
schieden national er empfand; wir pflegen ihn zu rühmen, dass
er freisinnig und unbefangen nel)eu dem Fremden, das er bewun-
derte, das Volkstümliche nicht geringschätzte: er hat die alten
Lieder des Volkes aufzeichnen und sammeln lassen.^) Aber wenn
es wahr ist, dass er den Gedanken hegte, dass die deutsche Si)rache
ebenso wie die lateinische der grannnatischcn Bearbeitung wert und
fähig sei, so gingen seine letzten Ziele weit über die Absicht
hinaus, das, was das Volk zu singen und sagen liebte, der Zukunft
zu bewahren. Denn war jener Gedanke mehr als eine Laune —
und Karl wai' fi'ei von Launen — , so kann er nur aus der Vor-
stellung entspningen sein, dass das Deutsche bestimmt sei, Schrift-
sprache des fränkischen Volkes zu Averden: nur die Schriftsprache,
nifht das gesprochene Wort sucht die grammatische Regel und
bedaif sie. Die Deutschen an seinem Hof waren für diese Ideen
nicht unempfänglich: Adalhard von Corbie und sein Bruder AVala
werden wie Karl selbst gerühmt als glänzende Redner in deutscher
Sprache:'-) man muss annehmen, dass sie das Deutsche <li'm Latei-
nischen als gleichwertig betrachteten. Das fränkische Volk aber
fiihlte sich in jeder Hinsicht den alten Nationen gewachsen.") Die
Voraussetzungen für die Entstehung einer nationalen Kultur waren
litteratur" hat. Denn die Welt, für welche sie vorhanden war, bestand aus
einem recht engen Krei.s.
1) Einh.V. Karol. 29. Hier i.staiich sein Versuch einer deutschen Gramma-
tik erwähnt, sowie die deut><cben Bezeichnungen für Winde und Monate.
2) V. Adalh. 77 S. 532; V. Wal. I, 1 S. 533.
3) S. Otfrids Kri.«t, Prolog, ad Liutb. S. 6 f. (ed. Piper) und I, 1
S. 22 ff. Auch Hibern. exul. carm. 2 v. 85 ff. S. 398.
— 185 —
somit gegeben. Aber- es kam doch imr zu Anfängen, und diese
fanden nicht dieselbe sorgsame Pflege und Fördermig wie die latei-
nischen Stuchen. Man ^ärd nicht leugnen können, dass den Ge-
lehi-ten Karls das Verständnis für das, was nötig war, abging.
Alkuin kannte volkstümhche Lieder; aber es fehlte ihm der Sinn
für ihren Wert: er sah in ilmen nur Reste des Heidentums und
in den Helden, die sie besangen, nur Opfer der ewigen Verdamm-
nis.^) Wenige seiner Schüler werden anders geurteilt haben. Wie
fern musste ihnen dann der Wunsch, das Bestreben hegen, die
Übermacht des Lateinischen zu erschüttern. Sie war überdies
geschützt dadm-ch, dass das Lateinische allein die im ganzen Abend-
land verstandene Sprache, dass es die von der Kirche privilegierte
Sprache wai\
Die Bildung, an der Karl sich ei-freute, sollte Besitz des
fränkischen Volkes, sie sollte dem jüngeren Geschlecht erhalten
werden. Li diesen Gedanken wm-zelte Karls Sorge für das
Schulwesen.
Die wichtigste Lehranstalt war die Hofschule. Es lag in der
Natm- der Sache, dass sie keinen festen Sitz hatte. Lehrer und
Schüler folgten, wenigstens im AVinter, dem König an seinen jedes-
mahgen Aufenthaltsort. Karl betrachtete sie recht eigenthch als
seine Schule: er unterliess nicht, die Zöghnge persönhch zu er-
mahnen.-) Die Unten-ichtsgegenstände ersieht man aus Alkiüns
Lehrbüchern: während das Theologische zurücktrat, wurde das all-
gemein Bildende stark lietont. Was man erstrebte und eiTcichte,
zeigt ein Mann wie Einhard. Tatto, welcher Lehrer in Eeichenau,'^)
1) An Bischof Higbad von Lindisfarne schreibt Alkuin im Jahr 797
(ep. 124 S. 183): Yerba Dei legantur in sacerdotali convivio. Ibi decet
lectorem audiri, non citharistam; sermones patrum. non carmina gentilium.
Quid Hinieldus (der Sagenheld Ingeld; s. Haupt, Zeitschr. f. d. Altert. XV
S. 314) cum Christo? Angusta est domus; utrosque tenere non poterit.
Non vult rex celestis cum paganis et perditis nominetenus regibus com-
munionem habere; quia rex ille aeternus regnat in caelis, ille paganus per-
ditus plangit in inferuo. Man kann sich denken, wie Alkuin über deutsche
Sagen geurteilt haben wird.
2) Ale. ep. 121 S. 177.
3) Vis. Wettini v. 875 S. 331. Es scheint, dass gleichzeitig mit Tatto
der spätere Bischof Otgar von Mainz an der Hofschule war (ep. Mag. 6
S. 324). Ihr Aufenthalt fällt wahrscheinlich in Karls Zeit. Ebenfalls unter
Karl waren Schüler der Hofschule der spätere Bischof von Strassburg, Bernald
(Erm. Nig., In Laud. Pipp. reg. v. 147 f. S. 84; epit. Bern. v. 6 S. 420), und
Ebo, später Erzbischof von Rheims (Karol. C. ep. ad Nie. I. Mansi XV,
797).
— 186 —
Gnniald, dci- Al)t in St. Gallen \^ wurde, verknüpfen die berühmten
Schulen dieser Klöster mit jener Zentralschule.-)
Tm T iiterschied von ihr war die von Alkuin lokonstruierte
Klostei'schule in Tours eine vorwiegend theologische Anstalt: zwar
lehrte man auch hier die freien Künste, aber das Ziel des Tutcr-
richts war theologisch.'^) Die jüngeren Schüler Alkuins werden
ihn sämtlich in Tours gehört hal)en.'*)
Doch begnügte sich Karl nicht mit der Herstellung einiger
Mittelpunkte für wissenschaftliche Studien in seinem Eeich; sein
Gedanke ging weiter. ■'^) Er wünschte das ganze Reich gleichsam
mit einem Netz von Lehranstalten zu überziehen. Seine Absicht
war dabei einerseits die Heranbildung eines tüchtigen, wissenschaft-
lich geschulten Klerus, andererseits die Verbreitung eines gewissen
Masses allgemeiner Bildung auch unter der Laienwelt.
Als naturgemässe Orte für Schulen erschienen ihm die Klöster
und Domstifter. Demnach verfugte er auf Grund einer l^eratung
mit seinen Grossen, dass an allen Kathedralkirchen und in allen
Klöstern regelmässig Unterricht erteilt werde. ^') Wir bemerkten.
1) Der Mönch von St. Gallen macht Grimald zum Schüler Alkuins
0, 9 S. 638|. Da Grimald im .Tahr 872 starb (Ann. Alam. S. 51), so ist
diese Nachricht höchst unwahrscheinlich; zu Grunde liegt ihr vermutlich
die Thatsache, dass Grimald die Hofschule besuchte, s. Ep. Krmenr. ad
Grim. M.G. Ep. V S. 536.
2) Unter Ludwig d. Fr. war ein Kelte, Namens Clemens, Leiter der
Hofschule (s. Simson, JB. Ludw. 11 S. 257). Alkuins unmittelbarer Nach-
folger scheint er jedoch nicht gewesen zu sein (so Mabillon, A. S. IV, 1
p. LXXXV); vgl. oben S. 14« über Witto und Fridugis.
3) Man lehrte die alte Litteratur, Grammatik und Astronomie (Ale. ep.
121 S. 176 f.; vgl. 161 S. 260); das theologische Ziel zeigt Ale. carm. 113
v. 19 f. S. 344; die Weise des theologischon Unterrichts wird anschaulich
aus den interrogationcs et respons. in Genes.
4) S. oben S. 151 Anm. 2 u. 3.
.5) Vgl. zum Folgenden Specht, Geschichte des Unterrichtswesens in
Deutschland (1885).
6) Gap. 29 S. 79: Notum sit . . , «juia nos una cum fidelibus nostris
consideravimus utile esse, ut episcopia et monasteria nobis Christo propitio
ad gubernandum commissa praeter regularis vitae ordinem atque sanctae
religionis convcrsationem etiam in litterarum meditationibus eis qui donante
Domino discerc possunt secundum uniusruiusque capacitatem docendi Stu-
dium debeant impendero. t'hor die Wahl der Lehrer: Tales ad hoc opus
viri eligantur, qui et voluntatem et possibilitatcm discendi et desiderium
habeant alios instruendi. Das Jahr dieser Verordnung steht nicht fest;
während die Meisten sie dem Jahr 787 zuweisen, V^cgnügt sich Boretius
festzustellen, dass sie zwischen 780 und 800 erlassen sein muss. Cap. 22,
— 187 —
dass man in einer Anzahl von Klöstern bereits an Lehrtliätigkeit
gewöhnt war; jedoch gewiss nicht in allen. Denn es gab kaum
eine INIönchsregel, welche den Religiösen die Pflicht, Schule zu
halten, auflegte:^) sie setzten sämthch die Aufgabe der Mönche
ausschhesslich in das Streben nach eigener Vollkommenheit. Da-
gegen entsprach es Karls Gesinnungen, wissenschafthche Arbeit
und religiöse Betrachtung mit einander zu verbinden. Indem er
auch der ersteren in den Klöstern eine Heimat bereitete, hob er
zugleich das Mönchtum. Es hatte offenbar an Bedeutimg verloren,
seitdem die kirchhche Ordnung in der fränkischen Kirche Avieder
hergestellt war; mehr und mehr nahm die WeltgeistHchkeit den
Mönchen die pastorale Thätigkeit ab, welche sie eine Zeitlang
geübt hatten. Dadurch, dass Karl die Klöster zu Lehi'an stalten
machte, wurden sie von neuem zm^ Arbeit für die Allgemeinheit
herangezogen. Was sie eingebüsst hatten, w^urde ihnen reichhch
ersetzt-, denn neben den bischöf heben Höfen wurden sie die Pflanz-
stätten des Klerus, vor jenen wmxlen sie bleibende Sitze wissen-
schafthcher Studien.
Karls Massregel sollte zunächst der Theologie und der Kirche
zu gute kommen. Von diesem Gedanken ist sein eben erwähntes
Ausschreiben dm'chaus beherrscht: er fürchtete, der Mangel an
Bildung möge zu irrigen Lehren führen.-) Aber darüber liinaus
musste ein gelehrter Klerus unmittelbar zm- Hebung des Biidungs-
72 S. 60 verfügt ebenfalls: Ut scolae legentium puerorum fiant. Psalmos,
notas, cantus, compotum, grammaticam per singula monasteria vel episcopia,
et libros catholicos bene emendate. Dieses Kapitulare ist vom 23. März
789. Die Fassung beider Vorschriften lässt nicht ersehen, welche die
frühere ist: möglicherweise sind sie gleichzeitig. So auch Monod S. 57.
Ein weiterer Beleg dafür, wie ernstlich Karl darauf drang, dass die Bischöfe
ihren Lehrberuf nicht ausser Acht Hessen, ist sein Brief an einen unge-
nannten Schüler des Bonifatius, wahrscheinlich Lul von Mainz (Ep. IV
S. 532 Nr. 22). Endlich vgl. Conc. Gab. (813) c. 3.
1) Unterrichtet wurden in der Regel nur die sog. Oblati; sie werden
auch in der Regul. Magistri c. 50 (Holstenius Brokie Cod. Reg. 2 S. 266)
gemeint sein: In his tribus horis (von 6—9 Uhr) infantuli . . in tabulis suis
ab uno litterato litteras meditentur. Cäsarius von Arles verbot den Nonnen
die Aufnahme von Mädchen zur Erziehung: Nobilium filiae sive ignobilium
ad nutriendum aut docendum penitus non accipiantur (Reg. ad virg. 5
a. a. 0. 356).
2) Cap. 29 S. 79: Factum est, ut timere inciperemus, ne forte sicut
minor erat in scribendo prudentia, ita quoque et multo minor esset quam
recte e.-^se debuisset in sanctarum scripturarum ad intelligendum sapientia.
Et bene novimus omnes, quia quamvis periculosi sint errores verborum,
multo periculosiores sunt errores sensuum.
— 188 —
Standes der Laien beitragen. Eino strenge Scheidung geistlicher
und welthcher ^^'issenschaft gal) es ja nicht: je nacli der vei-schie-
denen Lebensstelhmg, die man erstrebte, wurde der Nachdruck nur
nn'ln- auf diese oder jene Seite gelegt. M So suchte man denn auch
dahin zu wirken, dass der Unterricht möglichst allgemein wuriU'.-)
Der (icdanke eigentlichen Volksuntcrnchts war dem Zeitalter Karls
nicht fremd. Bekanntlich verordnete Theodult^ dass die Priester
seiner Diözese in Flecken und Dörfern Schule hielten; wenn irgend
ein Gläubiger seine Kinder ihnen zu wissenschafthchem Unterricht
übergebe, so sollten sie sich dessen nicht weigern, auch keine Be-
zahlung fordern."^) Was im Bistum Orleans geschah, kam auch
anderwärts vor. Wir wissen, dass bei einer bairischen Kirchen-
visitation der Bischof mahnte, dass alle Fannlien ihre Kinder zur
Schule schickten.') Mau kann es deshalb nur für einen Zufall
halten, dass allein Theodulfs Verordnung erhalten ist. In der
späteren Zeit Karls war es allgemein üblich, dass die Priester
Schüler in ihren Häusern hatten.'*)
1^ ikt. et Beat, ad Elip. ep. II, 35 (Migne 96 S. 998): Ex ipsis bap-
tizatis alii traduntur scholae et otferuntur a parentibus Christo, ut possint
futuri esse sacerdotes et serviant Christo. Alii tantum doctrinae traduntur,
ut legant et oognoscant Christum et accipiant cum benedictione intra ec-
clesiam uxores.
2) Conc. Mog. (813j c. 45 (Mansi XIV S. 74): Dignum est, ut filios
8U08 donent ad scholara sive ad monasteria sive foras presbyteris, ut fidem
catholicam recte discant et orationem dominicam. Vgl. Interrog. exam.
cap. 116. 12 S. 285: Ut unusquisque filium suura litteras ad discendum
mittat, et ibi cum omni sollifitudine permaneat, usqiio dum bene instructus
perveniat. Die Fragen sind, wie es scheint, Aufzoichnungon eines Hischofs
für eine Kirchenvisitation. Von Klosterschulen, von denen nach Specht
(S. 26) diese Bestimmung handeln soll, ist, wie man sieht, hier nichts
zu lesen.
3) Thcod. cap. 20 i.Mignc lü5 .S lUßj. Dabei handelte es sich nicht
um Vorbildung zum geistlichen Stand. Theologische Schulen waren bei
der Krouzkirche in Orh-ans uml in den Klöstern (c. 19). Für die Unent-
geltlichkeit des Unterrichts vgl. Ale. carm. 101 S. 343.
4) Cap. 116, 12 S. 235 (s. Anm. 2). Tber den bairischen IVsprung
des Kapitulars s. unten Kapitel IV. Dass das im Text Gesagte das Schul-
wesen des 9. Jahrhimderts nicht mit dem modernen Volksachulwesen in
Parallele stellen soll, brauche ich wohl nicht zu betonen. Bedeutend ist
nur die Absicht, den Unterricht auch tlenjenigen zn ermöglichen, die nicht
für die klerikale Larifbahn bestimmt waren.
5) Ciip. 120, 5 und 7 S. 238. Specht (S. 26) hält die Bestimmung für
eine Verordnung Karls; ob sie das ist, ist ganz ungewi-ss. Conc. Mog. (a. 813)
can. 45: Filios suoa donent ad scholam sivS; ad monasteria sive foras pre-
byteris. Ale. ep. 169 S. 278. Der Katechumenenunterricht ging selbstver-
— 189 —
»
Die Zahl der Scliüler in den Kloster- und den Kathedral-
scliulen war eine sehr bedeutende. Angilbert bestimmte, dass die
Schule von St. Eiquier stets hundert Schüler haben sollte. Ent-
sprechend den drei Kirchen des Klosters teilte er sie in drei Chöre,
welche abwechselnd beim Gottesdienst mitzuwirken hatten.^) Ge-
wöhnlicher war die Teilung der Schüler nach den Unterrichtsgegen-
ständen. Die Ratschläge, welche Alkuin dem Erzbischof Eanljald II.
von York gab, werden das enthalten, was sich im fränkischen
Reich bewährt hatte. Er riet, die Schüler in die Klassen der
Leseschüler, Singschüler und Schreibschüler zu sondern: jede Klasse
sollte ihre eigenen Lehrer haben.-) Die Leseschüler wurden ein-
geführt in die Sprache und Litteratur: man erstrebte als höchstes
Ziel das allegorische Verständnis der heihgen Schrift.'^) Die Pflege
des Gesanges war durch die Bedürfnisse des Gottesdienstes gefor-
dert und musste wegen der von Karl geförderten. Reform des
Kirchengesanges*) doppelt nötig erscheinen. Als ungemein wichtig
galt (he Schreibkunst;-') handelte es sich zunächst um eine schöne,
ständlich daneben her (cap. 38, 3 S. 110). Conc. Cabil. (a. 813) can. 3 S. 94
spricht dagegen von der Heranbildung der Kleriker.
1) M.C4. Scr. XV S. 178. Eigene Schulgebäude in den Klöstern ver-
stehen sich hienach von selbst. Die Einrichtung zeigt der Bauriss von St.
Gallen (s. Specht S. 151 flf.).
2) Ep. 114 S. 169; vgl. de sanct. Eborac. eccl. v. 1433 £f. über den
Unterricht Älberts in York.
3) Ale. ep. 161 S. 260: Velim te . . ordinäre puerorum lectiones, quis
grammaticam discat. quis epistolas et parvos libellos legat, quis sanctam
scribturam sobria mente haurire dignus sit. Ep. 280 S. 437: Exhortamini
iuvenes vestros, ut diligentissime catholicorum doctorum discant traditiones
. . Nee tarnen saecularium litterarum contempnenda est scientia, sed quasi
quoddam fundamentum tenerae infantium aetati tradenda e.st grammatica
aliaeque philosophicae subtilitatis disciplinae, quatenus quibusdam sapientiae
gradibus ad altissimam evangelicae perfectionis culmen ascendere valeant.
Gramm. Migne 101 S. 853 f. werden die 7 freien Künste als die Stufen be-
zeichnet, aufweichen der Schüler ad culmina sanctarum scripturarum empor-
steigt. Ob überall der Unterricht sich so weit erstreckte, ist fraglich; s.
cap. 22, 72 S. 60 (oben S. 186 Anmerk. 6.).
4) S. oben S. 110. Es mag daran erinnert werden, dass Alkuin eine
Schrift de musica verfasste.
5) Cap. 22, 72 S. 60: Si opus est, euangelium, psalterium et missale
scribere, perfectae aetatis homines scribant cum omni diligentia. Vgl. die
Verse Alkuins für das Schreibzimmer in Tours (carm. 94 S. 320. bes. v.
Ulf.):
Est opus egregium sacros iam scribere libros,
Nee mercede sua scriptor et ipse caret.
— 100 —
lesbare Schrift^) und die fehlerlose Wiedergabe der Texte, so war
von da der Übergang einerseits zur Koini)ilation eigener Schriften
aus den Werken Alterer, andererseits zur Malerei sehr leicht.
Analog war die Einrichtung in Lyon, nur dass Leidrad davon ab-
sah, eine eigene Schreibschule zu errichten.-) AVas die Weise des
Unterrichts anlangt, so war man nicht nur auf die gedächtnismässige
Aneignung von Wissen bedacht, sondern auf die Schulung des
I'rteils und des Auschucks: man legte auf das Disputieren grossen
Wert.')
Waren Ziel und ]\rethode im allgemeinen gleich, so brachte
die Verschiedenheit der Lehrkräfte doch hier diesen, dort jenen
Zweig des Unterrichts zu besonderer Blüte. Abt Gervold von St.
Wandrille war hervorragend musikalisch begabt: seine Schule
zeichnete sich denigemäss im Gesang aus;*) dagegen legte der
Piiester Harduin. der in der benachbarten Zelle des h. Saturninus
lehrte, den Nachdruck auf die Arithmetik und die Schreibkunst.'')
Die wichtigste Gesangsschule des Reiches befand sich in Metz.")
Manche andere Schule mag ziemhch exklusiv theologisch gewesen
sein.')
Es wurde daran erinnert, dass die Bildung, die auf diese Weise
dem Zeitalter überhefert wurde, fremdsprachlich war. In allen
Schulen wurden nur lateinische Werke gelesen und erklärt, nur in
ihnen fanden Lehrer und Schüler die Muster, denen sie nacheiferten.
Die Übung des Lateinischen schien so ausschhesslich wichtig, dass
man an einzelnen Orten thöricht genug war, zu fordern, dass die
Fodere quam vites melius est scribere libros,
nie 8U0 ventri serviet, iste animae.
Vel nova vel vetera poterit prof'erre maxister
Plurima, quisque lejpt dicta sacrata patrum.
1) Vgl. über die Schriftreform K. Menzel in Die Trier Ada-Hand-
schrift S. 3 ff.
2) Vgl. den Bericht Loidrads Ep. IV Nr. 30 S. 543. Kr spricht von
.scolae cantorum et lectorum und bemerkt dann: In libris quoque con.scri-
bendis in eadem ecclesia, in qnantum potui, laboravi. Benedikt von Aniane
stellte in seinem Kloster Singmeister, Lektoren, Grammatiker und Schrift-
kundige als Lehrer auf (V. Benod. 18 M.G. Scr. XV S. 206; 20 S. 208).
3) V. Eigil. Praef. S. 222; 20 S. 231.
4) Gest. abb. Font. 16 S. 47.
5) L. c. S. 48.
6) V. Ale. 8 S. 189; vgl. den Zusatz zu ann. Lauriss. mai. z. J. 787.
Wie Specht (a. a. 0. S. 2.'») aus den zwei Worten cap. 43, 2 S. 121: De
cantu, herauslesen kann, das.f die Kirchenvorstelier ihre Kantoren zur höheren
Ausbildung nach Metz senden mussten, ist mir unverständlich.
7) Vgl. die sog. Murbacher Statuten 2 (Migne 90 S. 740).
— 191 —
Schüler nicht deutsch, sondern lateinisch mit einander sprächen.^)
Aher die Natur der Sache führte darüber hinaus. Besonders Avar
Alkuiu Lehrer genug, um einzusehen, dass nur derjenige einen
Gegenstand Avirkhch behen-scht, der im Stande ist, ihn in die
eigene Sprache umzusetzen. Riet er deshalb seinen enghschen Lands-
leuten im Kloster zu Durham, die Benediktinerregel in angel-
sächsischer Sprache ausziüegen,-) so wird er seine Überzeugimg
auch diesseits des Kanals nicht verleugnet haben. Man kann in
der That mit aller Sicherheit behaupten, dass ihr gemäss verfahren
wurde. In allen Schulen des deutschen Sprachgebiets wurden die
Schüler angeleitet, den lateinischen Bildungsstoff in die heimische
Sprache umzusetzen. Der Beweis hegt in den altdeutschen Glossen.
Denn wie sie aus Klöstern aller deutschen Landschaften stammen,
erstrecken sie sich, wenn auch nicht gleichmässig, über den ganzen
Umfimg der in den Schulen gelesenen Schriften. Am zahh'eichsten
sind die Bibelglossen; von den übrigen fällt die Hauptmasse auf
die kirchhchen Schriftsteller der orthodoxen Periode, besonders
Gregor d. Gr. und Prudentius wurden erläutert; bei den klassischen
Schriftstellern überwiegen Dichter und Grammatiker, endhch fehl-
ten auch die Schriftsteller der jüngsten Vergangenheit und der
Gegenwart nicht: Beda, Aldhelm, Alkuin, Paulus, Diakonus, selbst
der sächsische Dichter, der Karls Leben besang.")
Der Zweck dieser deutschen Beschäftigung mit den fremden
Schriftwerken war nicht, die deutsche Sprache zu einem Auscfrucks-
mittel für die fremde Gedankenwelt zu bilden: mau wollte nm" das
verstehen, was man las.*) Aber es war der ungesuchte Lohn der
1) Sog. Murb. Stat. Migne 99 S. 744: Usum latinitatis potius quam
rusticitatis , qui inter eos scliolastici sunt, sequuntur. In tali etiani con-
fabulatione notitia scripturarum aliquotiens magis quam lectione penetratur,
et dictandi usus discitur et ad discendum sensus acuitur.
2) Ep. 19 S. 54: Saepius regula s. Benedict! legatur in conventu fra-
trum et propria esponatur lingua, ut inteliigi possit ab Omnibus.
3) Steinmejer und Sievers, Altdeutsche Glossen. 4 Bde. 1879 — 1898.
Für die Kirchengeschichte sind die beiden ersten Bände am wichtigsten,
der erste enthält die alphabetischen Bibelglossare und die Glossen zu den
einzelnen biblischen Büchern, der zweite die zu den nichtbiblischen Schrift-
stellern. Es ist lehrreich, dass Augustin sehr wenig glossiert wurde, am
meisten Gregor, von Hieronymus der Kommentar zum Matthäus, von Isidor
die Schrift de officiis.
4) Das zeigen ferner die St. Galler Übersetzung der Benediktinerregel
(Hattemer, Denkmale des MA. I S. 15 ff.) und die sog. Murbacher Hymnen,
die prosaische Übersetzung von 26 bezw. 27 lateinischen Hymnen in einer
aus Murbach stammenden, aber wahrscheinlich auf eine Reichenauer Vor-
lage zurückgehenden Handschrift des beginnenden 9. Jahrhunderts. Es sind
— 192 —
Arbeit, die man aut'w iuidte. dass man fähig wurde, theologische Ge-
danken in deutscher Sprache auszudrücken; man lernte Begriffe
wiederzugeben, für welche die jMuttei"sprache zunächst keine Worte
darbot. Damit hörte das Lateinische auf die einzige Schriftsprache
des fränkischen Reichs zii sein: das Deutsche trat neben sie.M
Der Übergang liegt in dem Beginn der Ubersetzungsthätigkeit.
Zu unmittelbar praktischen Zwecken hatte man natürlich das Ver-
schiedenartigste stets übei-setzt. Aber das Litteraturwerk blieb da-
l)ei lateinisch. Nun al)er begann man die Übertragung theologischer
Stücke aufzuschreiben und zu vervielfältigen: die Übersetzung
sollte bleiben wie das Original. Xoch besitzen wir einige Proben,
Bi-uchstücke der Übei-setzung von Isidors Schrift de fide catholica,-)
eines anonymen Traktats über die Berufiing der vielsprachigen
Völker zum christlichen Glau])en und einer Rede Augustins über
das Wandeln Petri auf dem Meer.^) Ursprünglich im rhcinlVän-
kischen Dialekt geschrieben, fanden sie alsbald auch in Baiern
"V'erbreituug.'') Man wagte sich sofort an das Schwierigste und
Notwendigste: die Übersetzung biblischer Bücher. Zeuge dessen
ist der altdeutsche Matthäus; seine Heimat ist ebenfalls das rhei-
nische Franken.'^) Es sind geringe Werke, Übersetzungen, und
doch haben sie historisch betrachtet grösseren Wert als manches
Original; denn sie bezeichnen den Anfang der deutschen Litteratur
und der deutschen Theologie.
Dass Karls Bemühungen um Hebung der theologischen Bil-
dung von Erfolg gekrönt waren, ist eiue Thatsache, die sich am
Kleinsten wie am Grössten l)emcrkbar macht. Es sind Kleinig-
keiten, dass die klösterlichen Schreil)er unter seiner Regienuig
zumeist Lieder für die Hören, eodann für die Passionszeit und die MärtjTGr-
tage, endlich das Te Deum (herausj^egeben von Sievers 1874). Möfjlichpi-
weise sind sie in den Carmina Theodiacae des Reichenauer Katalogs von 822
gemeint (Becker Catal. d. 8).
1) Vgl. den Aufsatz W. Scherers Über den Ursiirung d. deutschen
Litteratur, Preuss. Jahrb. 1864 I S. 44-5.
2) Herauspegeben v. K. Woinbold, Bibliothek der ältesten deutschen
Literaturdenkmäler, 6. Bd. 1874.
3) Beide bei Müllenhoff u. Scherer Denkmäler I S. 210 fi".
4j Die Bruchstücke .stammen aus dem Kloster Monsee, über die rhein-
fränkische Herkunft s. Müllenhoff S. XXni,.er denkt geradezu an die Hof-
Bchule.
5i Die Bruchstücke in Fragmonta theoti.sca herausgegeben von End-
licher und Hoffmann, 1834. Schorer urteilt: die Übersetzung klingt schön
und würdevoll, Gesch. d. deutschen Lit. S. 43. Die Bibliothek des Klosters
Weissenburg besass ein Evangelium theodiscum (Becker, Catal. S. 37).
— 193 —
lernten, deutlich und gefälüg zu schreiben,^) und dass das fränkische
Volk erst seitdem den Namen Jesu richtig ausspricht: man sagte
vorher Gisus.-) Dagegen ist es nichts Geringes, dass unter ihm
die Reinigung des verwilderten Bil)eltextes einsetzt'^) und dass alles,
was man schrieb, sich dm"ch Gewandtheit und Richtigkeit des Aus-
drucks scharf abhebt von den litterarischen Erzeugnissen des vor-
hergehenden Jahrhunderts. Xicht nm* das Letztere beweist, dass
der Bildungsdurchschnitt sich gehoben hatte, sondern auch das
Erstere. Denn wenn Karl die Besserung der Bibelhandschiiften
gebot,*) so handelte es sich dabei nicht um eine, an einem
Ort von einem Mann vorgenommene Revision des Textes der
Vulgata; man kann die Karohngische Bibelverbessenmg nicht
ebenso an den Xamen ALkuins knüpfen, wie die Neubearbeitung des
Homihars an den des Paulus Diakonus.') Sondern an den ver-
schiedensten Orten hat man in verschiedener AVeise gebessert oder
zu l)essern gesucht: was eiTeicht wurde, war die Frucht der neu
erblühten theologischen Bildung. **) Am deuthchsten zeigt sie sich
in dem raschen Steigen der litterarischen Produktion. Auch sie
ist nicht nur bedingt durch die zufälhge Existenz einzelner begabter
Persönlichkeiten: denn der Begabteste verstummt, wenn diejenigen
fehlen, (he geneigt sind zu hören oder zu lesen. Das Geschlecht
aber, das in den Jahrzehnten der Regierung Karls heranwuchs,
war bereit, sich belehren zu lassen. Der Beweis liegt darin, dass
der Bücherbesitz des fränkischen Reichs sich wähi-end der Regie-
imng Karls ungemein vennehrte. Ursprünghch war er sehr gering.
Die Handschriften, welche dm'ch die keltischen Missionare in ein-
zelne Klöster kamen, waren wenig zahfreich:') dazu fehlte es an
1) Menzel in Trierer Adahandschrift S. 5.
2) Amal. ep. 8 f. M.G. Ep. V. S. 259 f. : Antequam i^ergeret domnus
Karolus Romam novissime, audivi sacerdotes Galliae nostrae sonare Gisus
. . Ab illo tempore audio Jesus.
3) Ich verweise über die Geschichte des lat. Bibeltextes auf Berger,
Hist. de la Vulgate 1893.
4) Cap. 30 S. 80: lam pridem universos veteris ac novi instrumenti
libros, librariorum imperitia depravatos . . examussim correximus. Ein darauf
bezüglicher früherer Erlass ist nicht erhalten.
5) Dass Ale. ep. 195 S. 323 (a.. 800): Si me non oecupasset domni
regis praecepturD in emendatione veteris novique testamenti, sich auf eine
von Alkuin geleitete Revision des lat. Bibeltextes bezieht, ist von Corssen
(Die Trierer Adahandschrift S. 31 ff.) mit guten Gründen bestritten. Nach
Cap. 80 muss in der That Karls Anordnung weiter zurückliegen.
6) Corssen, a. a. 0. S. 61.
7) Vgl. S. 169 Anmerk. 2. Über irische Handschriften in Würzburg
Pertz, Archiv VE S. 106.
Hauck, Kirchengeschichte. II. 2. Aufl. 13
— 194 —
Männera, welche im Stande wai-en. sie zu vervielfältigen. Man
war darauf angewiesen. Abschriften aus dem Ausland, aus Eng-
land und Italien zu beziehen. So erhielt Pippin durch Papst Paul
Bücher aus Rom; so viele er finden konnte, sagt der Papst: es
waren wenig genug. ^) Ebenfalls aus Rom brachte Gregor von
Utrecht Bücher nach Deutschland.-) Als sein Schüler Liudger
Eugland verliess. nahm er von dort eine Menge Bücher mit sich.'')
Besondei-s Lul von Mainz sah in seiner Heimat die Bezugsquelle
für Litteratur: theologische wie naturmssenschaftliche Schriften erbat
und erhielt er von seinen enghschen Freunden.*) Xicht nur diese
Männer, welche in jungem Kulturland arbeiteten, litten unter dem
^langel an litterarischen Hilfsmitteln: auch ein so altes und reiches
Kloster vde St. Martin in Tours fand Alkuin im Vergleich mit
York arm an Büchern. Als er dort zu lehren anüng, musste er
durch Sendungen aus England seine Bibliothek vervollständigen;'^)
manches, z. B. die Briefe Gregors d. Gr., erlüelt er von Rom.")
Aber auch später noch fehlte ihm dies und jenes.') Man begi'eift
es, dass er sehr genau darauf sah, dass Bücher, welche er seiuen
Freunden lieh, ihm Avieder zurückgegeben wurden.^)
Doch dauerte es nicht lange, bis man überall Büchersamm-
lungen fand. Anregend wirkte auch in diesem Punkt das Beispiel
Karls.") Die von ihm gegründete Hofl)ibliothek war ohne Zweifel
die grösste Bibliothek Deutschlands.^^') Wir wissen nicht mehr,
woraus sie bestand; denn die kostbare Samndung wurde nach dem
Tod des Kaisei-s zei'streut. Aber so viel lässt sich aus ge-
legentlichen ErwiÜmungen sehen, dass sie in dem uuivei'sellen
Geist Karls angelegt war: Prachthandschriften '^) und theologische
1) Cod. Carol. 24 S. 529.
2) V. Greg. 8 S. 73.
3) V. Liudg. ], 12 S. 408.
4) Bonif. et Lul. ep. 116 S. 406 (Beda, V. Cudberti); 124 S. 413 (lib.
cosmografiorum); 125 S. 414 (Kommentare Bedas); 126 S. 414 (l^eda, De
templo Salom.; in cant. cant., epigramra.); 127 S. 415 (Beda, De templo).
5) Ale. ep. 121 S. 177.
6) Ep. 137 S. 215.
7) Ep. 221 S. 365 (.lordanis Getica); 191 S. 318 (Homilie Leos und
Traktat Bedas über Tobias); 309 S. 474. (Schriften von Augustin und
Hieronymusj.
8) Ep. 193 S. 320; 216 S. 360.
9j Einh. V. Kar. 33.
10) Was ihm fehlto. vermutete Alkuin in ihr fep. 309 S. 474). Bährs
Zweifel, ob es eine Hufbibiiothek gegeben habe (Gesch. d. röm. Lit. S. 20),
iat demnach unbegründet.
11) Evangeliar des Godescalcus in Paris (Poet. lat. I S. 88 Nr. 7 und
— 195 —
Werke ^) bildeten einen Haniitbestanclteil; dazu kamen die Gramma-
tiker;-) aber auch naturwissenschaftliche'^) und juristische^) Bücher
fehlten nicht. Mit der Hofbibliothek wetteiferten die Bücherschätze
der reichen Klöster, wohl auch der Kathedralkirchen.'') Will man sich
eine Vorstellung von dem Wachstum der Klosterbililiotheken machen,
so bietet St. Wandrille ein Beispiel. Unter Pippin legte Abt
Wando den Grund; es waren lauter kleine Stücke, welche er zu-
sammenbrachte, die Auswahl getroffen vom Standpunkt des Abts
aus: eine Anzahl Mönchsregeln, etliche Homihen und Heiligen bio-
graphien, kurze EvangeHenerklärungen ; einzelne Stücke aus Rufin
und Isidor, Augustin und Gennadius, auch ein paar Briefe: man
erstaunt, unter dieser Mönchshtteratur die Gotengeschichte des
Jordanes zu finden.''') Die nächsten Nachfolger Wandos, Austrulf
und Wido, Hessen sich die Vermehrung der Bibhothek wenig an-
gelegen sein;') dagegen nahm die Zahl der Bücher unter Gervold
bedeutend zu: er selbst schenkte einiges: ausser zwei Handsclii'iften
biblischer Bücher und einem Homiliar den Kommentar Augustins
zum Johannesevangeliima imd das Enchiridiimi. Hauptsächlich
aber machte sich der Priester Harduin verdient. Er schrieb die
Bücher selbst, welche er dem Kloster überKess : die grössere Hälfte
war fiii' gottesdiensthche Zwecke bestimmt; daneben sieht man,
dass er mit seinem Abt die Vorliebe für Augustin teilte : er schrieb
einen grossen Teil der Schrift de civitate Dei. Bereits macht sich
auch das Interesse für die allgemeine Bildung, wie sie Karl pflegte,
bemerklich: man findet mathematische Schriften. Endlich bemerken
wir die Biographien ethcher fränkischer Heihgen, Wandi-egisels,
Ansberts imd Wulfi-ams.^) Eine neue l^edeutende Vermehmng seiner
Bibliothek verdankte das Kloster dem Abt Ansegis in den ersten
S. 94 carm. 7); Bibelhandschrift der Vallicelliana (ib. S. 283 carm. 65, 1) ;
Evangelienkodex in Trier (Ale. ep. 261 S. 419; Pertz, Archiv VH S. 139).
1) Poet. lat. I S. 87 (Origenes zum Römerbrief); 89 (Pelagius zu den
paulinischen Briefen).
2) Poet. lat. I S. 88 Nr. 6 (Diomedes).
3) Ale. ep. 155 S. 250 (Plinius, Nat. hist.); Poet. lat. I S. 88 Nr. 9
(Q. Seren. Sammon. de curandis morbis}.
4) Wattenbaeh, GQ. 1 S. 156 Anmerk. 1.
5) In Rheims begann die Sammlung einer Bibliothek unter Bischof
Tilpin. Flod. h. Rem. eccl. 11, 17 S. 464.
6) Gest. abb. Font. 13 S. 38 f. Wando war Abt 742—747.
7) Austrulf 747—753; Wido 753—787. Unter den Geschenken des
letzteren sind angeführt antiphonarium Turonensis und libellus de miraculis
s. Andreae apostoli (1. c. 15 S. 44).
8) L. c. 16 S. 47 f. Gervold 787—806.
13*
— 196 —
.Jahren Ludwigs d. Fr. \nu gottesdienstlichon Hücliern hört man
nun. abgesehen von dfiii Honiihar des Pauhis Diakonus, nicht mehr;
»trt'('nl)ar war für dies Bedürfnis reichhch gesorgt. An dtr Si)itze
des Vei*zeiclmisses steht ein Prachtkodex der ganzen hcihgcn Schrift;
es folgen zwölf Handscln-iften von Werken Augnstins, vier des Ani-
hrosius. einzohies von Hieronynius, Gregor. Fulgontius, Beda u. a.,
schhesshch eine Sammlung von Konzilicnheschlüssen: man sieht,
die Auswahl ist wieder spezitisch theologisch. Mit derselben E'rei-
gebigkeit sorgte Ansegis für die Bibhothek des Klosters St. Germer
de Flay.')
In ähnlicher AVeise wie in St. AV^andrille wird der Besitz an
Büchern in den meisten fränkischen Klöstern gewachsen sein; das
■wird von den verschiedensten Orten erwähnt. Angilbert schenkte
dem Kloster St. Ri<iuier zweihundert Bände ;^) in St. Amand wird
der Mönch Lothar gerühmt, dass er die Bibliothek vermehrt haljc'')
Der Gründer des Klosters Charroux in Poituu, der Graf Ivotharius,
stattete sein Kloster schon bei der Gründung reichlich mit Büchern
aus;*) ebenso hielt es Benedikt von Aniane.'^) Auf deutschem
Boden hören wir von Arn von Salzburg, dass er mehr als hundert-
undfünfzig Bände liabe abschreil)en lassen.") Auch den Frauen-
klöstera fehlten Bildiotheken nicht, wie man denn auch in ihnen
die Kunst des Schreibens übte.') Eine Anschauung von der P)il)li()-
1) L. c. 17 S. 54 und 56 f. Prachthandschriften der Evangelien (Reihen-
folge: Matth., Joh., Luc), des Lekt. und Antiphonars S. 53; der Bibel S. 54.
Ansegis 817—827.
2) Angilb, de eccl. Cent. lib. .S M.G. «er. XV S. 177. Die Bibliothek
dieses Klosters war nicht ausschliesslich theologisch (Ale. op. 221 S. 365).
Eine Prachthandschrift der Evangelien wird auch hier genannt (Angilb. 1. c).
3) Lothar stirbt 828 (s. Ann. S. Amand. brev. z. d. J.). Seine Grab-
schrift bei Mab. A. S. IV, 1 S. 60:
Respicis oppositum marmor procul? Huius in urna
Lotharius pausat celeberrimus illc sacrista
Qui pius et jirudens, industrius et reverendus
Sanguine vernantem tumulo relevavit Amanduni,
Nostras structuras aagens et bibliothocain.
Lothar wird auch von Alkuin genannt (carm. 88, 4 v. 13 S. 306).
4) Theodulfi carm. 50 v. 10 S. 550.
5) V. Bened. 18 S. 207; 30 S. 213; 33 f. S. 214; vgl. V. Wilh. Gell. 21
A. S. Mab. IV, 1 S. 78.
6) M.f;. Scr. IX S. 770 Anm. 54. Vgl. Ale ep. 113 8. 166; 259 S. 417.
Arn sorsrte dafür, dass die Werke zeitgenössischer Schriftsteller nicht fehlten
(pp. 254 .S. 412).
7) Ale. ep. 196 S. .324; 216 S. 360. Heiligenbiographien als Frauen-
lektnre ep. 279 S. 435.
— 197 —
thek eines grossen deutschen Klosters giebt der älteste Katalog
von Reiclienau, von der eines kleinen der Katalog von Staffelsee,
Hier besass man nur neunzehn Bände, fast ausnahmslos solche, die
man täglich bedurfte: die l)iblisehen Schriften, jedoch nicht voll-
ständig, die für den Gottesdienst notwendigen Bücher, und die
Regel Benedikts. Die Theologie war nur vertreten durch eine
anonyme Psalm enauslegung und den Matthäuskommentar des Hie-
ronymus.^) Dagegen zählte man in Reichenau im Jahr 822 vier-
hundertundfüufzig Handschiiften : Werke der lateinischen Kirchen-
schiiftsteller von Cyprian bis Alkuin, einiges von griechischen Vätern,
eine Menge Heiligenbiograi^hien und Klosterregeln, den Codex
Theodosianus und die deutschen Volksrechte, Josephus und Gregor
von Tom's, viele Grammatiker, die christlichen Dichter, von heid-
nischen nur Virgil, einen Band deutscher Gedichte, einige Schriften
über Xaturwissenschaft und Technik.-) Keine Bibliothek giebt ein
so genaues Bild von dem Umfang, den das gelehrte Wissen unter
Karl erreichen konnte, als chese.
Es war ohne Zweifel berechtigt, dass es in den ersten Jahren
Ludwigs d. Fr. als selbstverständlich galt, dass jedes Kloster seine
Bibhothek besitze.'') Aber nicht genug daran: eine kleine Bücher-
sammlung erwartete man bei jeder Pfarrkirche zu finden. Sie sollte
nicht nur aus den liturgischen Büchern bestehen, sondern auch
solche Werke in sich schhessen, welche dem Priester Anweisung
zur Ausiichtung des pastoralen Amtes darboten.^) Am höchsten
schätzte man in cüeser Hinsicht das AVerk Gregors d. Gr. de pasto-
rali cura: man betrachtete es wie ein Handbüchlem für die Amts-
führung des Bischofs und Priesters."^) Wenn der Besitz der Kirche
1) Cap. 128, 5 S. 251 c. a. 810. In dem Abdruck bei Becker (Cat.
S. 4) fehlen liber expositio psalmorum sine auctore I, liber quattuor euan-
geliorum vetustus 1. Wie es scheint, liegt nur ein Versehen vor.
2j Brevis librorum, qui sunt in Coenobio Sindleozes-Auua, facta anno
VIII. Hludovici Imperatoris (bei Becker a. a. 0. S. 4 flf.).
3) Cap. 170, 19 S. 345 a. 817.
4) Cap. 117. 13 f. S. 235: Haec sunt quae iussa sunt discere omnes
ecclesiasticos . . Librum pastoralem (d. h. Gregors d. Gr. 1. pastoralis curae)
canonici atque librum officiorum; epistulam Gelasii pastoralem. Cap. 38, 10
S. 110 a. 802. In einem anonymen, der Karolingerzeit angehörigen Com-
monitorium fc. 47 Migne 96 S. 1380; vgl. c. 9; über das Schriftstück unten
S. 234, Anm. 7) wird gefordert, dass jeder Priester ein Martyrologium und
ein Pönitentiale besitze. Desgleichen verlangt Ghärbald von Lüttich, dass
die Priester dafür sorgen, dass die Kirchen Missale, Lektionar, Martyrolo-
gium, Pönitentiale, Psalterium und andere Bücher zu eigen haben (Cap. 123,
9 S. 243).
5) Ale. ep. 113 S. 166; 116 S. 171; Conc. Mog. (a. 813) praef.
— l'JS —
nicht ausreichte, hat mancher Kleriker aus seinen eigenen Mitteln
die nötigen Bücher erworben.') Es gab noch Orte, wo das not-
wendig war. wo nian kaum das nötigste, die heilige Schi'it't.
fand.-') Aber häutig können sie nicht gewesen sein; denn man ting
wieder an, die Bücher zu lieben. Man kamite kaum kostbarere
Geschenke als sie,'') und, vielleicht noch l^ezeichnender, man be-
dauerte denjenigen, dem kein grosser Büchervorrat zur Verfügung
stand.^)
Das sind Beweise für den Aufschwung der geistigen Bildung
unter dem fränkischen Klerus. Freilich muss man ihn bemessen
in Erinnerung an die Verwilderung der Geistlichkeit in der ersten
Hälfte des 8, Jahrhunderts. Ihr gegenüber hat man das Recht,
von einem grossen Fortschritt zu reden. An sich war das Resultat
von Karls Massregeln ein bescheidenes. Es gelang nicht, originale
1 Produktivität zu wecken: alle, auch die besten, reproduzierten nur:
jedermann arbeitete mit fremden Ideen. Nie sind die Männer
des Gedankens so weit hinter den Männern der That zurück-
gt.'blieben als in diesem Jahrhundert. Während Pippin mid
Karl den Neubau der abendländischen Welt unternahmen, fürch-
teten sich die Gelehrten vor jedem eigenen, voi- jedem neuen
(Mansi XIV S. 64); Rem. c. 10 S. 78; Tur. c. 3 S. 84. Vgl. Urkunde Karls
für St. Peter in Fritzlar (B.M. 242).
1) Der Priester Liobakl vermacht dem Kloster Fulda seinen Besitz,
darunter psalterium, lectionarium , evangelium, antiphonarium, gregorialia
onielie de plurimorum sanctorum dictis (Dronke, CD. 202 S. lO'Jj. Ein
anderer Priester, Hiltun , überlässt ebenfalls Bücher an Fulda (1. c. 363
S. 169). Vgl. die Geschenke von Priostorn im Reichenauer Katalog von
823—838 bei Becker, Cat. 8. 17 f.
2) Freculf von Lisieux (Hrab. op. 7 S. 392) klagt in einem nach dem
Jahr H22 an Hraban gerichteten Brief, dass er beim Antritt seines Amtes
in Lisieux nicht einmal eine Bibelhandschrift vorfand.
3) Vgl. das unter den Salzburger Formeln erhaltene Dankschreiben
eines Bischofs (wahrscheinlich Arn; an ein<>n Priester (M.G. Form. S. 444
Nr. 19 : Magnas gratias vobis referimus pro omnibus bonis, quibus ante-
cossori et patri nostro, ill. cpiscopo, deinde post illum nobis immerito sem-
]>or largiter et abundanter ministratis. Oinnes libros, quos ill. episcopo et
patrono nostro tradidisti.s, deinde nobis innumera dona librorum paterno
more impendistis, illos omnes ad sorvitium Dei de vestra gratia nunc pro-
prio iure possidemus. Pro quibus omnibus dignam mercedem, Deo vitam
nostrani gubernante, satagimus.
4) Hrab. ep. ad Haistulf. (ep. 5 S. 3«xj: Lector pauporculus, qui
librorum copiam non habet. F'raef. in Daniel. (Kunstmann. Hrabanus,
Anhang III S. 211): Nostrorura, qui nee multos libros habent, nee diver-
sorum auctorum Codices.
— 199 —
Gedanken : nur das Überlieferte hatte im Gebiet des geistigen Lebens
ein Recht.
Doch es wäre ungerecht, darüber zu vergessen, dass Karl viel
erreicht hat, indem er den Klerus erneuerte. Was gewonnen war,
sollte alsbald für das Volk fi-uchtbar gemacht werden. Wir werden
dadurch zur Erwägung der weiteren kirchhchen Massregelu des
grossen Königs geführt.
Viertes Kapitel.
Karls kirchliches Regiment.
Für manchen Mann ist das, was er unterlässt, nicht minder
charakteristisch als das, was er thut. Während Karl mit unermüd-
licher Energie daran arbeitete, die theologische Wissenschaft in die
fränkische Kirche zu verpflanzen und den Stand der allgemeinen
Bildung unter dem Klerus zu heben, liess er die kirchlichen
Verfassungsverhältnisse im grossen und ganzen in demselben Zu-
stand, in welchem sie unter der Regierung seines Vaters gewesen
waren.
Man wusste am fränkischen Hofe sehr gut, dass ursprünglich
die Bischöfe durch Klenis und Volk gewählt wui'dcn, und dass das
kirchliche Recht diese Weise, die Bistümer zu besetzen, forderte.
In Briefen nach England kam Alkuin gelegentlich auf die Frage
der AVahl oder der Ernennung der Bischöfe zu reden; er vcifocht
nachdriicklich die Ansicht, die fi*eie Wahl sei das einzig Richtige
und Zulässige. Die Eniemiung erklärte er für frevelhafte Ver-
gewaltigung der Kirche; er legte es den englischen Bisduifen auf
das Gewissen, in dieser Hinsicht keine Verletzung des R(;chts der
Kirche zu dulden.') ÄJiders wenn er an Karl schrieb; ihm gegen-
über trat er aus seiner gewohnten Zurückhaltung nicht heraus: in
1) Ep. 44 S. 90 (an Eanbald von York, 795): Rogo ut nullam violen-
tiam super ecclesiam Christi fieri uUatenus permittas, sed fratrea libera
electione in timore Dei summi optimuin Deo donante elegant. C^uia in
sancti» canonibus tembile anathcma legitur super omnes, qui violcntiam
aliquam inferunt super ecclesiam Christi. Vgl. ep. 48 S. 92 f. an die
Yorker.
— 201 —
keinem seiner Briefe "an den König berülirte er die Sache. Er
machte nicht den Versuch, für Anerkennung des Grundsatzes, den
er seinen enghscheu Freunden predigte, im ft-änkischen Reiche zu
wirken. Vielleicht sagte er sich, dass das vergeblich gewesen wäre.
Denn ohne Bedenken und ohne Einwand übte Karl sein Ernennungs-
recht. ^) Ihm galt es als AusHuss der ihm von Gott verliehenen
Gewalt, und niemand nahm Anstoss daran; sondern jedermaim
betrachtete es als naturgemäss, dass die Bischöfe „durch die All-
macht Gottes und die Anordnung des Königs*' mit der Führung
ihrer Gemeinden betraut würden.-) Wahl und Ernennung bil-
deten nicht schlechthin Gegensätze: Karl hat gelegentlich Walil-
privilegien erteilt; aber er that es unter ausdrücklicher Wahrung
der könighchen Eechte;'^) dem gemäss sahen, auch wenn gewählt
wm-de, die Wahlberechtigten selbst in ilirem Votum nur einen Vor-
schlag, der nicht aufhob, dass die Wiederbesetzung der Stelle von
dem König ausging."*) So regelmässig übertrug Karl das bischöf-
1) Über den angeblichen Verzicht Karls auf das Ernennungsrecht
8. Waitz, YG. III S. 421.
2) Schreiben Karls an Ghärbald von Lüttich (Cap. 124 S. 245): K. Ghaer-
baldo episcopo cum universis tibi omnipotente Deo et nostra ordinatione
commissis s. Karl an Amalar von Trier: In qua (eccl. Trevir.) te praesulem
esse voluimus (Ep. V S. 244 Nr. 3). Leidrad von Lyon nennt sich in einem
Brief an Karl divina dispensatione et vestra miseratione Lugdunensis
ecclesiae episcopus (Ep. IV S. 540 Nr. 29); er sagt ein anderes Mal: Me ad
regimen ecclesiae Lugdunensis destinare voluistis (1. c. S. .542 Nr. 30). Von
einer Reihe von Bischöfen wird die Ernennung erwähnt: Liudger von Münster
(V. Liudg. I, 20 S. 411), Frothar von Toul (Flodoard. h. eccl. Rem. II, 17
S. 466), Petrus von Verdun (s. unten S. 202 Anm. 4), Gervold von Evreux
(Gest. abb. Font. 16 S. 45).
3) Für Chur gewährte Karl die Wahl durch das Volk unter Vorbehalt
der königlichen Bestätigung (B.M. 155). Die Urkunde ist von Rettberg
(KG. D.'s II S. 139 f.) mit Unrecht bezweifelt (s. Sickel, Wiener SB. 47
S. 191 f.). Vgl. das Priv. für Aquileja, durch das dieser Kirche die kano-
nische Wahl salva principali potestate nostra gewährt wird (B.M. 310).
Immer wurde dieser Vorbehalt nicht gemacht, s. die Urk. für Reggio B.M.
230. Es mag auch anderwärts vorgekommen sein, dass ein Bischof gewählt
wurde (vgl. die Grabschrift Gilleberts von Noyon, Poet. lat. I S. 111 c. 7
V. 5f. : Quem pretulit Helnoniensis grex sibi pastorem, post clerus Novi-
omensis); aber sicher konnte er sein Amt nur kraft der königlichen Ge-
nehmigung antreten.
4) Vgl. Form. Marculf. aevi Karol. 12 S. 119; sie beruht auf Form.
Marc. I, 7 S. 47, ersetzt aber das instituere dignetis durch subrogari fatiatis.
Die Formeln für die königlichen Schreiben 18 und 14 beruhen ganz auf
den markulfischen und drücken die alte fränkische Rechtsanschauung aus:
Pontificalem vobis commisimus dignitatem.
— 202 —
liehe Amt. dass man im Beginn der Hegierung Ludwigs d. Fr.
die Ernennung eines Bischofs und eines Grafen auf die gleiche
Linie stellte.^)
im allgemeinen bewährte sich Karls scharfer Blick hei der
Auswahl der Bischöfe. Da er zumeist tüchtige Männer mit den
hohen kirchlichen Stellen betraute."-) so hört man unter seiner Regie-
rung weniger Klagen über den Episkopat als vorher und nachher.
Unregelmässigkeiten, an welchen es nicht fehlte, Avarendocli zu
ertragen. Am häutigsten war die Vereinigung mehrerer Amter in
einer Hand. Zwar hat es Karl stets vermieden, mehrere Bistümer
einem Bischof zu übertragen; um so unbedeidvlicher war er bei der
Verleihung von Abteien: es wird kaum einen Bischof gegeben haben,
der nicht zugleich Abt eines oder mehrerer Kleister war, sei es,
dass er. vorher Abt, bei der Erhebung zum Bischof im Besitz des
Klosters blieb, oder dass er es erst als Bischof erhielt."*) Auch
verdiente Abte mit mehreren Klöstern auszustatten, trug er kein
Bedenken; bekannt ist Alkuins Beispiel. Seltener war es, dass er
l)olitische Verdienste mit kirchlichen Würden belohnte oder dass er
Bistümer während längerer Zeit erledigt liess. Das erstere weiss
man nur von den zwei Langobarden Peter von Verdun und Far-
dulf von St. Denis.'') Das letztere widersprach Karls Uber-
1) Cap. 136, 3 S. 271: Volumus, ut lii cluo fratres — ri)t)>in und Lud-
wig d. D. — in cunctiR honoribus intra suani potestatcni distribuendis pro-
pria potestate potiantur, tantum ut in episcopatibus et abbatiis ecclesiasticus
ordo teneatur et in ceteris honoribus dandis honestas et utilitas servetur. Vgl.
mit der o. S. 201 Anm. 4 angeführten Formel der Ernennung eines Hischofs die
lür die Ernennung eines Graten lActionom comitatus tibi committimus, 158.120.
2) S. Beilage 1.
3) Angilram von Metz, Abt von Chiemsee (B.M. 289) und von Senones,
Diözese Toul, Gest. Sen. ecci. H, 1, M.G. Scr. XXV, 269; Hildebold von Köln,
Abt von Mondsee, l'li. d. L. o. Enns 1 S. 7 Nr. 11 u. ö.; liii'hbod von Trier, Abt
von Lorsch, Ser. abb. Lauresh.. M.G. Scr. XIII S. 817; Fleido von Speier,
Abt von Klingenmünster, Reichen. Verbr. Buch 20.S, 2; Bernhar von Worms,
Abt von Weissenburg, Einh. ep. 8 S. 110; Waldo von Basel, Abt von Rei-
chenau, Ann. Alara. z. .1. ^<06 8. 49; Heito von Basel, Abt von Reichenau.
1. c. , B.M. .581; Liudger von Münster, Abt von Lotusa, V. Liud. I. 21:
Agilfrid von Lüttich, Abt von St. Bavo, Ann. Gand. S. 1H7, vielleicht auch
von EIno, Ser. abb. Ein., M.G. Scr. XIII S. 386; Beonrad von Sens, Abt von
Echternach, s. S. 123 u. 171 Anm. 7; Gillebert von Noyon, Abt von Elno, Poet,
lat. I S. 111 c. 7 V. ö f.; Fortunat von Grado, Abt von Moyen Montier.
Chron. Med. mon. 3, M.G. Scr. IV S. 88; vgl. .I.W. 2-521 und Frothar. Tull.
ep. 21 S. 290; Theodulf von Orleans, Abt von St. Aignan und Lobbes, B.M.
Ö24; Gest. abb. Lob. 8, M.G. Scr. IV S. 59.
4) Peter von Verdun, zuerst erwähnt in der Urkunde Karls vom
— 203 —
*
Zeugungen;') wo es doch geschah, wird es durch besondere Ver-
hältnisse notwendig oder wünschenswert geworden sein. "-) Wird
einmal eine Klage über Stellenjagd der Kleriker laut,^) so wäre
dieser Missstand auch durch die Wahl nicht ausgeschlossen ge-
wesen .
Wie in Bezug auf die Ernennung der Bischöfe, so waren auch
Oktober 781 (B.M. 236). Über seine Yorgangenheit widersprechende An-
gaben bei Hugo von Flavigni (Chron. I, M.ß. Scr. VITI, 351j und Bertar
(Gest. ep. Vird. 14, M.G. Scr. IV S. 44j. Gemeinsam ist beiden die Behaup-
tung, Peter sei ein Italiener gewesen, und Karl habe ihm zum Lohn eines
an seinem König verübten Verrats das Bistum übertragen. Dass er ein
italienischer Parteigänger der Franken war, wird als historisch gelten dürfen.
Ob er mit dem Cod. Carol. 70 S. 600 genannten Bischof identisch ist, lässt
sich nicht entscheiden (s. o. S. 90 Anm. 4). Nimmt man es an, so fällt seine
Ernennung in das Frühjahr oder den Sommer 781. Nicht lange darnach
wurde er der Untreue gegen Karl geziehen und suspendiert. Auf der Frank-
furter Synode von 794 gelang es ihm, sich zu reinigen, obgleich er keinen
Eideshelfer gefunden hatte: er wurde in seine Ehren wieder eingesetzt.
Seinen Tod verlegt Abel (.JB. S. 405) um das Jahr 806. Über Fardulf s. oben
S. 158 Anm. 1.
1) Cap. 20, 2 S. 47 (März 779): De eplscopis, ubi praesens episcopi
ordinati non sunt, sine tarditate ordinentur.
2) Längere Erledigungen deutscher Bistümer sind unter Karl nach-
weisbar: 1. In Metz, wo nach Angilrams Tod das Bistum unbesetzt blieb
(Nom. pontif. Mett. sed., M.G. Scr. XIII S. 306). Da Angilram durch sein
Amt an den Hof gebunden war, so hat man wohl anzunehmen, dass die
Verwaltung des Bistums einem Chorbischof anvertraut war; als Angilram
starb, Hess Karl die Verhältnisse, wie sie waren. 2. In Toul. Hier klatft
eine Lücke zwischen Jakob, der 757 Chrodegangs Urkunde für Gorze unter-
zeichnet (Migne 89, 1121), und Borno, der 782 bei dem Urteil über Mett-
lach mitwirkt (B.M. 252; über die Datierung s. Abel, JB. S. 436). Bornos
Nachfolger Frothar wmrde von Wulfar von Rheims konsekriert (Flod. H. Rem.
eccl. 11, 18, M.G. Scr. XIII S. 466), nach Görz (Mittelrh. Reg. 418) im Jahr
813; doch ist das Jahr unsicher; während der Gesandtschaftsreise des
Amalarius fand die Weihe jedenfalls nicht statt, da A. nach Flodoard an-
wesend war. 3. In Verdun. Hier spricht Bertar (Gest. ep. Vird. 13, M.G.
Scr. IV S. 44| von einer zwölfjährigen Sedisvakanz nach Madalveus (gestorben
am 6. Oktober 776), während welcher ein Chorbischof Amalbert das Bistum
verwaltet habe. Die zwölf Jahre sind sicher unrichtig; denn in der Urkunde
Karls vom Oktober 781 (B.M. 236) wird Bischof Petrus bereits erwähnt.
4. In Bremen nach Willehads Tod (s. u.). Der Grund lag in der Unsicher-
heit der Verhältnisse.
3) Grabschrift Gilleberts von Noyon (Poet. lat. I S. 111 c. 7 v. 1 f.):
Qui pastoralis fastus ambitis honores,
Cernite quam cito gloria preterit huius honoris.
- 204 —
in Bozuf? ;uif das Gericht über sie die bisherigen Grundsätze^)
lieri-schend : in Kriniinaltallcn wurde die Ankhige vor einer Synode
vt'rhandelt. abor Kicliter \v;ii' der König.'-) Ebenso blieben die
ül)rig('n Kleriker den bürgerlichen (berichten unterwoHen, nur dass
diese niciit ohne Vorwissen des Bischofs einschreiten sollten.'') Das
letztere scheint nicht immer beobachtet \vord(Mi zu sein.'*) Neu
war. dass Karl das Recht, die Amtstührung der Kleriker 7,u über-
wachen und Amtsvergehen zu bestrafen, in einem Umfang in An-
spruch nahm, der bisher unbekannt war: er bedrohte ptiichtwidrige
1) Vgl. Bd. I S. 143.
2) Bezeichnend sind die Verhandlungen gegen Peter von Verdun (s. o.
S. 202 Anm. 4) vor der Frankfnrtor Synode, Cap. 28, 9 S. 75. Bei dem
Entscheid, der den Beweis der Unschuld von dem Angeklagten fordert,
heisst es: Definitum est a domno n'go sive a s. synodo, bei dem Schluss-
urteil: dementia regis episcopo gratiam suam contulit, et pristinis hono-
ribus cum ditavit.
3) i'hor die frühere Rechtslage s. Bd. I S. 144 und 161 Anm. 5. Unter
Karl sind die Verhältnisse nicht völlig durchsichtig. Denn einerseits wie-
derholt Cap. 19, 17 S. 46 den sechsten Kanon der Pariser S^'node v. 614
(Conc. S. 187), nach welchem der weltliche Richter handelt, jedoch nicht
sine scientia pontificis, und wird demgemäss verfügt, dass der verbreche-
rische Priester nach der durch den Bischof verfügten Absetzung dieselbe
Strafe erleide wie der Laie (vgl. Cap. 61, 10 S. 149; 62, 21 S. 150 vgl. 55, 1
S. 142). Andererseits wird die ältere kirchliche Vorschrift wiederholt, da88
der geistliche Verbrecher von dein Bischof nach dem kanonischen Rocht
bestraft werde, Cap. 22, 38 S. 56; 28, 39 S. 77; 35, 17 S. 103; 84, 9 S. 183
vgl. Conc. Carth. 111, 9 Bruns S. 124. Cod. eccl. Afric. 15 S. 142. Das
Nebeneinander der beiden Reihen von Sätzen schliesst, wie mich dünkt, die
Behauptung aus, dass unter Karl Bischöfe, Priester und Diakonen, was
Kriminalsachen betrifft, im geistlichen, nicht im weltlichen Gericht gerichtet
wurden (Ketterer S. 164). Die Worte apud ecclesiasticos non apud saecu-
lares sind im Sinn von non extra conscientiam pontificis vorstanden.
4) Dass Priester thatsächlich vor dem weltlichen Gericht gerichtet
wurden, zeigen die Vorgänge in Tours, von denen Alkuin ej». 245 ff. S. 393 ff.
berichtet. Der Königsbote hält Gericht: quos volebat flagellavit, quos vole-
bat in catenam misit, quos volebat iurare fecit, quos placuit ad vestram
vocavit praesentiam, ep. 249 S. 402. Hiebei siml wie die vorhergehoudon
Worte accusatores nostri zeigen, keineswegs nur die Tnmultuanten aus der
Stadt gemeint, sondern in erster liinio die Kanoniker von St. Martin. Sie
werden vor das Placitum des Königs geladen und zwar nach den tironischen
Noten der Dekan, einige Priester, andere aus der eigenen Mitt« (lewählte
und 6 .Matricularii. Der Bischof von Tours war bei der ganzen Unter-
suchung, wie der Absatz Fit mirum zeigt, nicht beteiligt. Erst nach Karls
Tod haben die kirchlichen Forderungen sich durchgesetzt, vgl. z. B. Cap.
258, 5 II S. 265.
— 205 —
Handlungen der Geistlfclien mit den strengsten Strafen, selbst mit
der Absetzung.^)
Gegen die kirchliche Regel bewies sich Karl also gleichgiltig;
aber er sorgte dafür, dass das geschah, Avas der Kirche frommte.
Ähnlich in anderen Fällen. Während man in Rom die Erneuerung
der Metropolitanverftissung als eine überaus mächtige Angelegen-
heit betrachtete,-) behandelte sie Karl wie eine Kleinigkeit. Er
förderte sie so lässig, dass es Ijeinahe bis zu seinem Tode
dauerte, ehe eine feste Orchiung hergestellt war. Zunächst bUeb
alles wie in den letzten Jahren Pippins: Wulchar von Sens war
der einzige Erzbischof des Reichs.'^) Ungefähr zehn Jahre nach
seinem Regierungsantritt ersuchte Karl den Papst, den Bischöfen
Tilpin von Rheims und Lul von Mainz das Palhum zu erteilen.^)
Hadi'ian hatte bezüglich Luis Bedenken;'') doch müssen sie zerstreut
1) Vgl. z. B. Cap. 33, 19 a. 802 S. 9-5.
2) Vgl. Bd. I S. 527, 551, 555 flf., oben S. 10. Auf das Zeugnis der
ep. Hadr. ad Bertar. Vienn. (J.W. 2412 M.G. Ep. III S. 96 Nr. 17) muss
man verzichten, nachdem von Gundlach die ganze Reihe der Vienner Briefe
als Fälschung erwiesen ist , N. A. XV S. 9 ff. und XX S. 263 ff. Weyl's
Verteidigung der Urkunde S. 133 ff', beseitigt die Bedenken nicht.
3) S. S. 54 Anm. 4.
4) Brief Hadrians an Tüpin (.J.W. 2411). Eie Echtheit ist von Hinschius
(KR. I S. 602 f.) bestritten ; ich habe kein Bedenken. Der wichtigste Ein-
wand, die Primatial-Idee sei dem 8. Jahrhundert fremd, trifft nicht zur
Sache, da in dem Schreiben zwar der Erzbischof Primas genannt wird, von
der Anschauung des 9. Jahrhunderts über den Primatenrang aber keine
Spur sich findet: die Rechte des Primas sind hier durchaus auf seine Diözese
beschränkt. Um so unwahrscheinlicher ist eine spätere Ei-findung; vgl.
Weyl S. 148 ff. Jaffe setzt den Brief um das Jahr 775 : richtiger scheint es,
ihn dem Jahr 779 zuzuweisen, da doch nicht anzunehmen ist, dass Lul mit
seinem Bekenntnis zögerte (s. Hahn, Bonif. und Lul S. 276). Dasselbe (ab-
gedruckt bei Will, Reg. Mog. 49 S. 40) ist aus dem 12. Jahr Karls datiert.
Weyl entnimmt der Urkunde, dass Rheims wahrscheinlich schon vor 771
dem Tilpin als Erzbistum verliehen worden sei (S. 150 f.) Aber mit Un-
recht. Ipsas res bezieht sich lediglich auf entfremdete Kirchengüter.
5) Im angeführten Brief schreibt Hadrian: Iniungimus fraternitati
tuae, ut quia de ordinatione episcopi nomine Lulli s. Maguntinae ecciesiae
ad nos quaedam pervenerunt, assumpti tecum Viomago (Weomad von Trier)
et Possessore episcopis et missis . . Caroli Francorum rcgis diligenter in-
quiras omnia de illius ordinatione et fidem ac doctrinam illius atque con-
versationem et mores ac vitam investiges, ut si aptus fuerit et dignus ad
episcopalem cathedram gubernandam, expositam et conscriptam et manu
sua propria subscriptam catholicam et orthodoxam fidem . . ad nos dirigat,
ut pallium illi secundum consuetudinem transmittamus et ordinationem
illius flrmam iudicemus et in eadem s. ecclesia Maguntina archiepiscopum
— 20G —
worden sein, denn ^Nlain/, wurde jNIetropolo.^) Nun ruhte die Sache
wieder einige .Jahre Umg. dann erhielt Erminhert von Bourges das
PalhuiiK*'^) zugleich aher wurde Karls Hol'kai)ellan. Angilram von
Metz, mit der erzhiscluitlichen Würde ausgezeichnet.'^) Als er starb,
trat Bischof Hildehold von Köln in seine Stellung am Hof ein;
auch er wurde nach einiger Zeit Erzhischof; *) ein ])aar Jahre nach
ihm erhielt Theodulf von (Jrhnins den gleichen Rang.'^)
Man sieht, Karl ül)ertrug eirtzelnen IVIännern, zu welciien er
Vertrauen hatte, die erzhischöfliche Stellung, aher er that es ohne
constitutum esse faciamus. Hinschius sieht auch in dieser Stelle einen Grund
cjegen die Echtheit des Briefs; diese Anweisungen seien unmöglich. Da
sie mit Rücksicht auf Luis Erhebung zum Erzbischof erteilt wurden, und
da Luis Eintritt in das bischöfliche Amt, mit römischem Masse gemessen,
in der That nicht ganz regelmässig war (s. Bd. I S. 568 und vgl. das
Urteil Ados von Vienne über einen analogen Fall in Lyon, chron. z. .J. 814
S. 320), so scheinen mir auch diese Bedenken unerheblich.
1) Lul wird urkundlich zum letzton Mal Bischof genannt am 8. März
780 (B.M. 220), zum ersten Mal Erzbischof am 4. Juli 782 (a. a. O. 242).
Ob sein Nachfolger Riculf sofort EB. wurde, lässt sich mit voller Sicherheit
nicht entscheiden. Es scheint mir aber nach Lage der Dingo sehr wahr-
scheinlich.
2) Cod. Carol. 91 S. 628. Der Brief gehört zwischen 784 und 791.
Hadrian erfüllte, indem er Erminbert das Pallium erteilte, einen Auftrag
des Königs. f]rminbert musste ihm aber zuerst die Versicherung geben,
dass er unter keinem Erzbischof stehe. Man sieht auch hieraus, dass das
Metropolitanverhältnis im fränkischen Reich ganz aufgelöst war.
3) Das .Tahr ist unbekannt. .Vngilram kann frühestens im Jahr 784
(Tod Fulrads) Hofkapellan geworden sein. Erzbischof wird er zuerst in einer
Urkunde des Jahres 788 (B.M. 289) genannt. Da Alkuin eines Aufenthalts
Angilrams in Italien gedenkt (ep. 90 S. 134), so wird Karl auch ihn nach
Rom gesandt haben, um dort das Pallium zu empfangen.
4) Hildebold heisst auf der Frankfurter Synode von 794 noch Hischof
fCap. 28, 55 S. 78); dagegen wird er 795 als Erzbischof bezeichnet (Ur-
kunde für St. Cassius und Florentius in Bonn, N. A. XHI S. 161 Nr. 32);
desgleichen 799 (V. Leon. III. 20 S. 6); ebenso im gleichen Jahr in einer
Urkunde für 8t. Cassius und Florentius in Bonn (N. A. XIII S. 159 Nr. 26)
und in der Urkunde bei Lacomblet (I Nr. 15 S. 9). deren Fassung jedoch
nicht gleichzeitig ist. In Urkunden von 801 und 804 für St. Cassius und
Florentius ist von ihm als s. Agripi)irenHis urbis episcopus et sacri pallatii
capellanus die Rede (N. A. Xill S. 155 Nr. 12, S. 161 Nr. 30).
5) Ale. ep. 225 S. 368. Der Brief ist nach dem 4. A]<n\ 801 ge-
schrieben. Vgl. Theod. carm. 72 v. 66 S. 565, wo Theodulf erwähnt, dass
er das Pallium aus der Hand Leos III. empfangen habe. Ein Irrtum
Alkuin«, den Weyl als möglich annimmt S. 156, ist demnach ausge-
Hchlo8.<<en.
— 207 —
Rücksicht darauf, ob ilire Bistümer je den Rang von Metropolen
gehabt hatten.
Die erzbischöfliche Würde war jedoch nicht nur als Ehren-
stellung gedacht, sondern als kirchliches Amt. Kaum hatte Karl
für jeden Hauptteil des Reichs wenigstens einen Erzl)ischof bestimmt,
so erhess er eine Verfügung, welche von den Bischöfen Gehorsam
gegen die Anordnungen der Metropoliten forderte.^) Als er ein
Jahrzehnt später, 789, sein grosses Ausschreiben an alle Stände
seines Reichs richtete, erneuerte er in demselben die älteren kirch-
hchen Bestimmungen über das Zusammenwirken der Bischöfe imd
Metropoliten.'^) Sie mochten als durchführbar erscheinen, obgleich
das Reich nicht in eine Reihe wohl abgerundeter erzbischöflicher
Sprengel eingeteilt war; fehlte es doch nirgends an Trägem des
erzbischöflichen Amtes. Als jedoch die Frankfurter Synode von
794 verordnete, dass Appellationen gegen das Urteil der Bischöfe
stets an die Metropoliten und erst in dritter Instanz an den König
gehen sollten,^) drängte sich die Notwendigkeit einer festen Ab-
grenzung der Erzbistümer auf. In der deutscheu Reichshälfte war
die Sache einfach: hier war Riculf von Mainz der einzige Erz-
bischof; *) im Westen scheinen Sens, Rheims und Bourges sich ver-
ständigt zu haben ; auch erscheint jetzt Ronen zimi ersten Mal als
Erzbistum.-^) Dagegen mussten die Grenzen der südfranzösischen
Sprengel erst festgestellt werden. Die Bestimmung geschah auf
Gmnd der altkirchHchen Zustände unter Mitwirkung Roms.**)
Vier Jahre später wurde eine eigene bairische Kirchenpro\inz
mit Salzburg als Metropole konstitmert. Jedoch waren es nicht
kirchhche Gedanken, welche zur Entstehung des Salzburger Erz-
bistums fülu-ten; sondern es hat alle Wahrscheinlichkeit, dass der
Anlass in den politischen Verhältnissen lag. Solange das bairische
Herzogtum bestand, bildete die bairische Kii'che einen eigenen
kirchhchen KöqDer, welcher selbstständig neben der deutschen Kirche
1) Cap. 20, 1 S. 47 (März 779). Da damals die Erhebung Luis und
Tilpinsim Werke war (s. o. S. 205 Anm. 4), so konnte man an drei Erzbischöfe
denken; ausser den Genannten an Beonrad von Sens. Über den Brief
Hadi-ians an Bertar von Vienne J.W. 2412, s. o. S. 205 Anm. 2.
2) Cap. 22, 8, 10, 13 S. 54 f.
3) Cap. 28, 6 S. 74.
4) Lul war am 16. Oktober 786 gestorben.
5) Cap. 28, 10 S. 75. Er ist auch in Angilberts Denkschrift über den
Bau von St. Riquier als solcher genannt, M.G. Scr. XV S. 173.
6) Cap. 28, 8 S. 75. Vienne sollte fünf, Arles neun Suffragane haben.
Über Moutier en Tarantaise, Embrun und Aix zu bestimmen, überliess man
dem Papst. Aix wurde nicht Metropole (s. Einh. V. Karol. 33).
— 208 —
stand: sie war eine Landeskirche. Die 01)erleitung lag in der
Hand des Herzogs; eines Erzbischofs bedurfte man nicht. Durcli
Tassilos Absetzung war sie als Landeskirche aufgelöst. Dass der
Wunsch entstand, die bisherige Verbindung der bairischen Bistümer
zu erhalten, ist begreiflich. Demgemäss richteten die Bischöfe die
Bitte an Karl, er möge Arn von Salzburg als Erzbischof an die
Spitze der bairischen Kirche stellen. Karl stimmte zu, und Leo IIT,
verli(?h dem Nachfolger Ruperts das Pallium.^)
In derselben Zeit wird die Erhebung Hildebolds -') zur Bildung
des Kölner Sprengeis geführt haben. Am längsten dauerte es, bis
Trier seine alten Metropolitanrechte anerkannt sah. Noch Richbod
nahm niu- die Stellung eines Bischofs ein; erst für Amalarius bil-
dete Karl einen erzbischöflichen Sprengel.'") Aber die Art, wie er
verfuhr, zeigt augenfällig, dass er der Sache nicht viel Gewicht
1) J.W. 2495 f. V. April 798; vgl. 2498 und 2.50.S. Man betrachtete
die Herstellung eines Erzbistums gewissermassen als zur '^)rdnung der Pro-
vinz gehörig. In Leos Schreiben 249.5 heisst es: Quoniam prouincia ipsa
mirifice a . . Carolo . . penitus ex omni parte sicut decuit ordinata est. id-
circo conuenit nos ipso, nerape ecclesiastico nioderainine in sacro ordine
fideliter atque spiritualiter secundum canonicam censuram ipsam ordinäre
Baiowariorum prouinciara. Zum Salzburger Sprengel gehörten Sehen, Frei-
sing, Regensburg, Passau, Nenburg.
2) S. S. 206 Anm. 4. Zu Köln gehörten Lüttich und Utrecht; dazu
kamen später die sächsiechen Bistümer Mindon, Münster, Bremen und
OsnaVjrück.
3) Über Weomad s. S. 54 Anm. 3. Richbod nennt sich im Jahr 800
nur Bischof (Görz, Mittelrh. Reg. 377) und wird von Alkuin Bischof ge-
nannt (ep. 149 S. 243 f.). Über die Lage unter Amalarius geben Aufschluss
die zwischen Karl und ihm gewechselten Briefe, M.G. ?'p. V S. 242 tf.
Nr. 1 — 3. In dem ersten behandelt Karl Amalarius als Metropolit: Nosse
volumus, qualiter tu et saffraganei tui doceatis. Amalarius erwidert: Sutfra-
ganeuB sei ein mehrdeutiges Wort, man könne dabei an Priester, Äbte etc.
denken. Si forte episcoporum nomen, qui aliquando vestrae civitati su-
biecti erant, addere debemus, oro, ut hoc non imputet dominus servo suo,
quia usque in presens tempus non sum ausus ea attingere, que nobis ini-
uncta non sunt. Darauf antwortet der Kaiser: De episcopis suftraganeis
ad ecclesiam Treforum . . sicut anterius nostram ordinacionem et disposi-
cionem atque iussionem expectasti, volumus, ut interim qiiod ad nostrum
veneris conloquium, ita expectes. Dif erste Stelle setzt eine Anordnung
voraus, dass die alten Metropolen in ihren Rang wiederhergestellt seien.
Die zweite zeigt, dass sie nicht durchgeführt und das« speziell die Abgren-
zung eines Sprengeis für Trier nicht erfolgt war. Aus der dritten ergiebt
sich, dass Karl diese Abgrenzung sich selbst vorbehielt. Aus dem Testa-
ment Karls wird man schliessen dürfen, dass sie vor 811 erfolgte. Zu Trier
kamen Metz, Toul und Verdnn.
— 209 —
beilegte. Überhaupt wurde die Abgrenzung der Erzdiözesen erst in
den letzten Jahren Karls zu Ende geführt.^) An der Südgrenze
Frankreichs und in der spanischen Mark unterblieb sie noch länger.-)
Es war naturgemäss, dass, nachdem einige Erzbistümer her-
gestellt waren, diese Einrichtung nach und nach auf das ganze
Reich ausgedehnt wurde. Der Einfluss B.oms, die Erinnerung an
altkirchliche Zustände, die in der Kirche vorhandene Neigung, zu
uniformieren, warkten dabei zusammen. Doch hatte Karls Gleich-
giltigkeit gegen diese Organisation guten Grund. Die neuge-
ordneten Kirchenprovinzen führten stets nur ein Scheinleben.
Das Amt der Erzbischöfe w^ar viel zu inhaltslos, ihre kirchliche
Macht viel zu beschränkt, als dass sie zu Führern ihrer Sprengel
hätten werden können. Nach wie vor gingen alle Anregungen in
kirchlichen Dingen vom Hof aus.
Dem entsprach die Gestalt, welche das Synodalwesen unter
Karl gewann. Synoden waren nicht selten; aber man kann nicht
entfernt sagen, dass Karl das synodale Leben der alten Kirche
erneuerte oder auch nur, dass er das, was Bouifatius begonnen
hatte, förderte. Denn noch entschiedener als unter Pippin w^aren
unter ihm die S}Tioden Versammlungen, welche der König entbot,
um sich ihres Eates bei der Ordnung der Idi'chhchen Verhältnisse
zu bedienen. Aus Organen der kirchhchen Selbstverwaltung waren
sie Organe der Regierung der Kirche durch den König geworden;
von Selbstständigkeit dieser Versammlungen neben dem Herrscher
war nicht die Rede. Was die Reichs- und Hoftage für den Staat
waren, das waren sie für die Kirche. Gemäss der engen Verbin-
1) S. 0. S. 208 Anm. 3. Einen weiteren chronologisclien Antaltspunkt
giebt Cap. 47, 3 S. 133: Ut nequaquam inter duos metropolitanos provincia
dividatur. Als diese Verfügung erlassen wurde, muss die Abgrenzung der
Sprengel im Werk gewesen sein. Boretius verlegt das Kapitular in das
Jahr 806 oder später. Als Metropolen der westlichen Reichshälfte sind in
Karls Testament genannt: Sens, Besan^on, Lyon, Ronen, Rheims, Arles,
Vienne, Moutiers en Tarantaise, Embrun, Bordeaux, Tours und Bourges.
2) Nebridius von NarboDue erscheint auf der arelatensischen Synode
von 813 als Erzbischof (Mansi XIV S. 57); Aix ist als Erzbistum im Jahr
828 nachweisbar (Schreiben Ludwigs, B.M. 827). Die Annahme von Weyl
S. 160, dass in den Jahren 752 — 754 u. 784 ff. das päpstliche Mitwirkungs-
recht bei Besetzung der erzbisch. Stühle anerkannt, 731 — 747 u. um 780
dagegen bestritten worden sei, scheint mir unbegründet. Von Konflikten
ist so wenig überliefert, wie von Anerkennung des Mitwirkungsrechtes. Die
Mitwirkung beschränkte sich auf die Pallienverleihung und die Einweisung
in die geistliche Thätigkeit. Voraussetzung dafür war die von dem König
einseitig vollzogene Organisation des Erzbistums. Das ergiebt sich aus
J.W. 2495 u. 2498 ganz" klar.
Hauck, Kirchengeschichte. II. 2. Aufl. 14
— 210 —
(luDg des Staatlichen und Kirchliclien im fi'änkischen Reich wnren
sie von den Reichsvei-sanindungen niclit streng gescliieden. Die
Bischüte nidinicn ;ni dm h-tztoren Anteil; indem sie zu gesonderten
T^eratungen zusammentraten, war die Synode konstituiert. Schon
darin liegt, dass die Synoden Karls nicht kirchliche Kruper icpräsen-
tierten; es war stets der Episko])at des Reichs, der aul' ilmen
handelte, so ungleichmässig auch die einzelnen Teile des Reichs
vertielen sein mochten.') Nur von einigen Synoden wissen wii'.
dass sie olme gleichzeitige 'J'agnng einer Reichsversamnilung statt-
fanden;-) dann scheint Karl nicht den gesamten R))iskopat, sondern
nur Xotabeln herul'en zu liahcn. liid nur einmal, im Jalii- 81.-},
Ij Hefele, CG. III S. 606 zählt eine Menge von Synoden unter Karl,
verführt durch das Wort synodus in den Ann. Lauriss., aber dasselbe be-
ileutet nichts anderes als generalis conventus, die Roicbsversammlung. Deni-
gemäss sind die Synoden von Worms 770, Valenciennes 771, Worms 772,
Düren 775, Worms 776 u. a. zu streichen. Wir wissen nicht, ob es auf
ihnen zu gesonderten Beratungen der Bischöfe kam. Diigegen ist das
wahrscheinlich bei der Versammlung von Paderborn 777 auf (iriind der
Urkunde B.M. 20iS; diese zeigt zugleich, dass der König den Synodalbe-
schluss bestätigte. Darf man Caji. 21 S. 52 dem Tag von Li]ipsiiring 780
.Ann. Lauriss. S. 56 zuweisen, was mir nicht unwahr.scheinlich ist, so ist
auch l»ei ihm eine eigene bisch(>fliche Beratung anzunehmen. Für die
Augustversammliing von Worms 786 ist ausdrücklirh ein synodus episco-
pnrum bezeugt Ann. bauresh. S. 32; aber von den Verhandlungen wissen
wir nichtii. Dass auf dem Aachener Reichstag von 789 (vgl. Cap. 22 — 23
S. 52 tf.) die Bischöfe gesondert berieten, ist nicht zu beweisen. Hefele irrt
offenkundig, wenn er in der A<lmonit.io generalis eine Vorlage für die Ver-
handlungen der Synode sieht. iJagegen verbanden sich Synoden mit den
Keichsversammlungen in Regensburg 7'.*2, s. u., Frankfurt 7it4, Ann. ?]inh.
S. 9.^, Aachen 707, Ann. s. Amandi S. 14. Dass die Synode im iMärz 802 (s. u.
Anm. 2), sich an eine Reichsversammlung anschloss, ist möglich, aber nicht
gewiss. Ich bezweifele nicht, dass noch öfter als in diesen nachweisbaren
Fällen synodale Beratungen in Verbindung mit Roichsversanindungen statt-
fanden; man wird die meisten kinlilirhcn Kapitularir'n als nach Beratung
mit dem Kjtiskojiat erlassen zu betrachten haben. Aber beweisen lässt es
flieh nicht.
2) .luni 800 zu Aachen in Sachen des Adoptianismus, s. u. Nov. 80l
ebenfalls in Aachen, Ann. .Tuvav. M.(t. Scr. III S. 122. Zu ihr gehört w.ahr-
Rfheinlich Cap. 36 S. 106: Capitula. fpiae electi sacordotes custodienda . .
censuerunt; ob auch die übrigen von Müllenhott" und Scherer II S. 329 an-
geführten Stücke, scheint mir zweifelhaft. März und Herbst 802, Aachen,
Ann. .Tuvav. a. a. O., vgl. Ann. s. Amandi z. 802 S. 11, Lauresh. S. 38 f.
Zu der Miirzpynode gehören Capit. 33 — 35 S. 91 ff., zu der Merbs{.'<ynodo
wahrscheinlich Cap. 37 u. 38 S. 107 fl". Die letzte Synode, an der Karl
teilnahm, ist die Aachener vom Nov. 809 s. u.
— 211 —
wich Karl von der Übung ali, dass der Episkopat des Reichs ge-
meinsam beriet. Damals tagten die deutschen Bischöfe in Mainz, ^)
die ])urgundischen in Chalon s. S.,-) die neustrischen in Eheims,
die aus Aquitanien und dem ehemals gotischen Südfrankreicli in
Toui-s und Arles.'^) Aber auch ihre Beschlüsse wareu mu- Gut-
achten für den König. Er hat sie dem Reichstag zu Aachen voi--
gelegt und eine Auswahl aus ihnen bekannt gegeben."*)
Zu den Verhältnissen, welche seit Bonifatius Fürsten wie
Biscliöfe beschäftigten, gehörte die Regelung des Kirchenguts. Wir
halben gesehen, dass man zuerst versuchte, dem Buchstaljen des
kirchlichen Rechts zu genügen, dass man sich jedoch bald genötigt
sah, auch auf die staatlichen Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen,
welche die volle Restitution der entfremdeten Besitzungen ver-
Avehrten.'') Dies Nebeneinander entgegengesetzter Gesichtspunkte
bemerkt mau auch in Karls Verhalten. Nichts lag ihm ferner als
der (Tedanke einer durchgreifenden Säkularisation; er erkannte be-
reitwilhg das Eigentumsrecht der Kii-che an den ihr überlassenen
Gütern an. Demgemäss verfügte er in zahlreichen Fällen die Rück-
gahe entfremdeter geistlicher Besitzungen/') Er verordnete all-
gemein, dass den Nutzuiesseru gegenüber das Besitzrecht der geist-
1) Mansi XIV S. 64: Hildebaldus sacri palatii arcbiepiscopus, Eicholfus
et Arno archiepiscopi seu Bernharius (von Worms) una cum reliquis coepis-
copis. Die Art, wie Hildebold sieb bezeicbnet, zeigt, dass man auch da-
mals nocb sieb von der Anschauung nicht losgemacht hatte, die erzbischöf-
licbe Würde sei eine persönliche Auszeichnung.
2j L. c. S. 93: Episcopi et abbates totius Galliae Lugdunensis.
3) In den Akten von Rheims und Tours findet sich keine Angabe über
den Bezirk der Synode. In Arles präsidierten Johannes von Arles und Ne-
bridiiis von Narbonne (I. c. S. 57).
4) Ann. Lauriss. z. 813 S. 138, vgl. Gap. 78 S. 173.
5) Vgl. Band I S. 507, 513 f., 516, 529.
6) In St. Denis war die Restitution unter Pippin erfolgt; Karl be-
stätigte die Urkunde seines Vaters (B.M. 186). Ebenso begann die Resti-
tution der Rheimser Güter unter Pippin und wurde unter Karl fortgesetzt
(Flod, H. Rem. ecc. II, 18 f. S. 464f.). Zwischen 772 und 774 verfügte Karl
die Rückgabe der Güter an Kloster Honau (B.M. 152); im Jahr 780 erhielt
St. Viktor in Marseille seinen Besitz wieder (Abel, JB. S. 370 f.); in einem
der nächsten Jahre wurden die Rechte von Trier auf Mettlach, das in Be-
sitz der Widonen, der Familie Bischof Milos, gekommen war, anerkannt
(B.M. 252). Im Jahr 752 wurde das Kirchengut in Narbonne, dessen sich
der Graf Milo bemächtigt hatte, restituiert (Abel, JB. S. 438 f); um das
Jahr 798 erfolgte die Rückgabe der Einkünfte der Kirche von Lyon (M.G.
Ep. IV S. 542 Nr. 30) ; nach 800 eine grosse, wenngleich nicht vollständige
Restitution an St. Wandrille (Gest. abb. Font. 16 S. 47). — Schädigungen
14*
— 212 —
lieben Stiftungen uikunillich festfjestellt wordo;') auch suchte er zu
verhüten, dass das verhehene Gut in das Eigentum des Belehnten
übergehe.-) Aber er war nicht blind für die Gefahren, Avelche in
der übermässigen Ausdehnung des kirchlichen Grundbesitzes lagen.
Er selbst hielt deshali) in der Freigebigkeit gegen die Kirche
Mass.'') Auch traf er Massregeln, um zu verhüten, dass die könig-
lichen Einkünfte bei dem Übergang von Gütern an die Kirche
Enit)usse erlitten,*) und suchte er die Schädigung der Privaten
dadurch abzuschneiden, dass er bei Schenkungen wie bei Verkäufen
an die tote Hand ütl'entliches Verfahren forderte."'') Das war ein
gewisser Schutz; aber ein sehr schwacher. Und nicht wirkungs-
voller waren seine moralischen Vorstellungen an die Bischöfe.
Er durchschaute das verwerfhche Spiel, welches die Männer
der Kirche vielfach trieben, um das Kirchengut zu vermehren. Sie
missbrauchten Glaube und Aberglaube der Menge, scheuten selbst
vor Gewaltthaten nicht zurück, um die kleinen Besitzer zum Ver-
zicht auf ihr freies Gut zu bewegen. Karl hat ihnen dies offen
zum Vorwurf gemacht. Wir besitzen aus seinen letzten Jahren
ein paar Aufzeichnungen, welche sich auf diese Dinge beziehen,
kiu'ze Notizen über die Punkte, welche er auf Versannnlungen der
Bischöfe zur Sprache bnngen wollte. Es sind die herbsten und
spitzigsten Äusserungen Karls, welche überhaupt auf uns gekonnnen
sind. Da liest man: "Wie wollen die Männer, welche die heiligen
durch die Grossen kamen auch unter Karl vor, z. B. in Murbach unter
Abt Amico (Forniul. Alsat. 4 S. 330).
1) Cap. 20, 13 S. 50 (Heristall, März 779): De precariis, ubi modos
sunt, renoventur, et ubi non sunt, scribantur.
2) Cap. .59, 3 S. 146 (a. 803 — 813): ^ui beneliciuni doinni iniporatoris
et aecclesiarum Dei habet, nihil exinde ducat in suani hereditateni, ut
ipsum beneficium destruatur. Vgl. 33, 15 (a. 802) S. 94.
3) S. V. Inatna-Stemegg, Deutsche Wirtschaftsgeachichte I S. 284.
4) Cap. 80, 11 (a. 811—813) S. 177: Ut de rebus, unde census ad
partem regis exiro .solebat, si ad alifiuam ecclesiam traditac .sunt, aut red-
dantur propnis heredibus, aut qui ea.s rctinuerit, illum censum persolvat.
5) Cap. 39, 6 S. 113 (a 803): Qui res suas pro aninia sua ad casam
Dei tradere vohierit, domi traditionein faciat coram testibus legitirais; et
quae actenus in hoste factae sunt traditiones, de quibus nulla est quesitio,
stabilis pennaneant. Mainzer Synode von 813 c. 7 (Mansi XIV S. 67):
Propter proviHiones pauperum, pro quibus curani habere debemus, placuit
nobis, ut nee episcopi nee abbaten . . nullusque oranino sub mala occasione
vel malo ingenio res pauperum vel minus potentum nee emere nee vi tollere
audeat. Sed si quis ex eis aliquid comparare voluerit, in publico placito
hoc faciat. Vgl. c. 5 f. der Synode von Chalon s. S. (von H13) 1. c. S. 94;
Cap. 33. 15 (a. 802) S. 94; Stat. Risbac. 11 S. 227.
— 213 —
Schriften nicht allein' selbst lernen, sondern auch andere lehren
sollen, fragen, wer diejenigen sind, denen der xA.postel ziuiift: Seid
meine Nachfolger, von denen er sagt: Kein Kriegsmann Gottes
vei-flicht sich in welthche Geschäfte, imd wie man dem Apostel
nachfolgen oder den Kriegsdienst Gottes leisten soll. Sodann sollen
sie uns die "Wahrheit darüber sagen, was es bei ihnen heisst, die
Welt verlassen, oder woran die. welche die Welt verlassen, von
denen, welche ihr folgen, unterschieden werden können, ob daran
allein, dass sie kein Schwert tragen und nicht öfi'enthch verheiratet
sind. Auch muss man sie fragen, ob der die Welt verlassen hat,
der nicht ablässt. Tag fifr Tag seinen Besitz zu vermehren, auf
jede Weise und diu-ch jeden Kunstgriö', indem er bald die Sehgkeit
des Himmelreichs verheisst. bald die ewige Pein der HöUe droht,
indem er im Xamen Gottes oder irgend eines Heiligen die Eeichen
wie die einfältigen Armen ihi-er Habe beraubt, den rechtmässigen
Erben ihr Erbteil entzieht, dadurch eine Menge Leute in Armut
stürzt und so zu Verbrechen und Übelthaten anti-eibt; sie werden
gewissermassen gez^vungen, zu stehlen und zu rauben, da ihnen ihr
väterhches Erbteil von einem anderen weggenommen ist. Weiter
muss man untersuchen, wie der die Welt verlassen hat, welcher
vor Begierde nach Dingen, die er einen anderen besitzen sieht,
brennt und. um sie zu erlangen, Leute bezahlt, dass sie falsch
schwören und falsch Zeugnis geben, der nicht einen gerechten und
gottesfiirchtigen Yogt oder Propst sucht, sondern einen harten,
habsüchtigen, gewissenlosen, der bei dem Erwerb nicht nach dem
Wie, sondern nach dem Wieviel fragt. ^) Auf einem zweiten Zettel
notierte sich der Kaiser, dass die Armen sich darüber beklagten,
dass man sie ihres Eigentums beraube: diese Vorwüi-fe richteten
sich gegen die Bischöfe und Abte wie gegen die Grafen. Sie be-
haupteten, dass geisthche und weltliche Grosse diejenigen, welche
sich weigerten, ihnen ihre Güter zu übergeben, so lange bedriickten,
bis sie ruiniert seien und nun das Ihre mit oder gegen ihren Willen
den Grossen übergäben oder verkauften.-) Das alles war ebenso
richtig als einleuchtend; aber es war erfolglos. In diesem Punkte
ei*^\-ies sich der Eigennutz des Klems als grösser denn seine Ge-
wissenhaftigkeit. Die Synode von Tours im Jahr 813 hatte sogar
den Mut, jedes Uiu-echt zu leugnen: es gebe niemand, der sich
auch nur beklagen wollte. Denn bei den Schenkungen an die
Kirche hätten die Geber noch einen Yermögensvorteil.'^)
1) Cap. 72, 3 ff. S. 162 f.; vgl. 71, 5 S. 161; 72, 7 S. 163.
2) Cap. 73, 2 f. S. 165; vgl. 44, 16 S. 125 und Conc. Mog. (a. 813) 6 S. 66.
3) C. 15 Manai XIV S. 91 f.: Neminem reperimus, qui de hac re ad-
— 214 —
Es ist bcjiireit'licli, dass der Besitz der Kirche wüluciid Karls
Re,c;ieriing uiiimterbruchen %vuelis. Der Gewinn dmvli Kodiiiig von
Neuland, dureh Kaut" und Tauseh tiel dabei kaum ins Gewicht,
sondern die Vermehrung des Besitzes erfolgte fast ausschliesslich
dureh Schenkung.^)
Die reichste Ernte sammelten die Klöster. HcrstMd erwarb
in ungelahr dreissig Jahren gegen 2000 grössere und kleinere Höfe
in T\)i) ( )rtschaften.-) Weisseidjur'g fielen in Karls Zeit 1 1 1 Schen-
kungeir') zu, St. Gallen 119,*) Lorsch weit iiljer lOOO;'") in Fulda
waren es schwerlich weniger.") Prüm besass i. .1. 893 an Herren-
land 2402 Morgen nebst Ackeni zu 1 180 Scheffel Aussaat, AVeinberge
zu 265 Fuder, Wiesen zu 1271 Fuhren und Widder zur Afast von
8296 Schweinen; dazu kamen 119 Villen mit 1530 Höfen.") Das
kleine Klösterlein Statfelsee hatte in eigener Verwaltung eine Acker-
fläche von 740 Morgen und Wiesland zu 610 Fuder Heu; es
besass ausserdem 23 Freigüter und 10 Höfe von Hörigen, welche
Frohnden und Naturalleistungen an das Klost<'r zu entrichten
hatten.^) Wie stark das Anwachsen des kiichlichen Besitzes
vprsuB DOS conqueri voluisset. Nam peno nullus est. qui res suas ad eccle-
siara donet nisi de rebus ecclesiasticis aut tantum quantum donavit mit
dupluni aut triplum uhu fructario accipiat.
1) V. Jnama-.Sternogg, Deutsche Wirtschaftsgeschichte 1 6. 'JU4.
2) Das Güterverzeichnis von Horsfeld (Brcviar. s. Lulli Ztschr d. Vor.
f. hess. Gesch. X S. 184, auch bei Wenck, ÜB. II S. 15 ü. Nr. 12) zählt als
von Karl geschenkt auf: 420 Hüben und 290 Mausen, als von Lul bis zur
Übergabe an Karl erworben: 414 Hüben 343 Mausen, als seit der Übergabe
geschenkt: 205 Hüben und 113 Mausen. Die Gesamtzahl wird auf 1050
Hüben uml 795 Mansen berechnet. Die Zahl der Mönche war 150 (vgl.
Hahn, Bonif. und Lul S. 284 f.).
3) S. den Index chronol. bei Zeuss, Tradit. Wizenb. S. 345 ff.
4) Wartniann, ÜB. I S. 52 ff.; neben den 119 Schenkungen nur 2 Kilufe.
5) Cod. Lauresh. I S. 285 tf.
6) Bekanntlich ist ein grosser Teil der fuldischen Urkunden verloren;
bei Dronke, (J. D. S. 20 tf. finden sich demgeinäss nur 248 Schenkungsur-
kunden aus der Regierung Karls. Man kommt zu der im Text ausge-
.sprochenen Vermutung, wenn man die fuldischen Traditionen hinzunimmt,
die der Mönch Kberhard im 12. Jahrhundert nach den ruldischcn Kopial-
büchern des 9. .Tahrhundert.s herstellte Kr verzeichnet ungofiihr 2000 Tra-
ditionen, Dronke, Tradit. et anti<i. Kuld. S. 5 ff.
7) Güterverzeichni.s bei Beyer ÜB. I S. 142 Nr. 135. Die Summen
nach V. Inama- Sternegg, Gnindherrschaften S. 41. — Über den Besitz von
St. Maximin vgl. .Jörres, West.l. Ztschr. Vlll S. 234 f.
8) C'ap. 128, 7 ff. S. 251. Hier auch das Inventar: De annona nihil
repperimus excepto quod dedimus provendariis ( - praebendarii, qui vic-
— 215 —
während Karls RegiCTimg war, ergiebt der Vergleich mit der zu-
nächst vorhergehenden Zeit, So hatte Weisseuburg in den sechzig
Jahren seines Bestandes unter den Merowdngern 74 Erwerlnmgen
zu verzeichnen, ihnen stehen die 111 Traditionen in den 46 Jahren
Karls gegenüber, St. Gallen hatte bis zum Jahr 768 nur in
6 — 8 Orten des heutigen Württemberg Grundbesitz zu eigen, da-
gegen sind im Jahr 800 in 76 Orten St. Gallische (jüter nach-
gewiesen.^) Es ist nicht zu viel gesagt, dass es in weiten Gegenden
wenig Orte gab, in denen nicht ein grösserer oder kleinerer Teil
des Grundes und Bodens kirchlichen Stiftungen gehörte. Im
Elsass sind bis zum Jahr 900 überhaupt bekannt 435 Ortschaften;
in 399 unter ihnen ist Grundbesitz oi-tsfremder Kirchen nachweis-
lich.-) Daran partizipieren 41 Klöster und Stifter.-') In den meisten
Orten war eine einzige Stiftung begütert, in anderen drei, vier und
tualia recipiunt) carradae XXX; qui sunt provendati usque ad luissani s.
Johannis, et sunt LXXII. De brace (Malz) modii XII. Caballum domitum I,
boves XXVI, vaccas XX, taurura I, animalia luinora (.Tungvieh) LXI, vi-
tulos V, vervices LXXXII, ao-nellos XIY, hircos XVII, capras LVIII, bedi-
culos XII, porcos XL, porcellos L, aucas (Hühner) LXIII, pullos L, vasa
apium XVII. De lardo baccones (Speckseite) XX, pariter cum minutiis
(Würste), unctos (Schmalz) XXVII, verrem occisum et suspensum I, forma-
ticos XL. De melle sicclus dimidius, de butiro sicli II, de sale modii V,
de sapone sicli III. Culcita (Matratzen) cum plumatiis V, caldaria aerea III,
fei-rea vero VI, gramacula (Kesselhaken) V, luminare ferreum I, tinas
(Zuber) ferro ligatas XVII, falces X, falciculas XVII, dolaturas (Beile) VII,
secures VII, coria hircina X, pelles vervicinas XXVI, sagenam ad pis-
candum I.
1) V. Inama-Sternegg, CTrundherrschaft S. 37.
2) Ich verweise auf den instruktiven Aufsatz v. Jans in d. Ztschr. f.
Gesch. des O.-Rheins Bd. 46 S. 193, wobei freilich zu bemerken ist, dass
seine Angaben deshalb nicht ganz genau sind, weil er auch gefälschte Ur-
kunden benutzt. Auch das ist nicht ausser Acht zu lassen, dass die erhal-
tenen Urkunden nur einen Teil der einst vorhandenen repräsentieren. Der
kirchliche Besitz war demnach noch bedeutend grösser, als es uns erscheint;
endlich muss man sich erinnern, dass Angaben über den Besitz der Orts-
kirchen fehlen. Auch er war ohne Zweifel nicht unbedeutend.
3) Strassburg begütert in 11 Orten, Speier 1, Chur 1, Rheims 2, Strass-
burg Domstift 2, St. Stefan 8, St. Thoraas -5, Andlau 8, Ebersheimmünster 51,
Erstein 1, Eschau 7, Haslach 4, Hohenburg lo, Honau 41, Lnberau 11, Mas-
münster 20, Maurmünster 14, Münster im Gregorienthai 24, Murbach 71,
Niedermünster 18, St. Avold 1, St. Pilt 8, St. Sigmund 3, VVeissenburg 13.5,
Ettenheimmünster 7, Fulda 26, Gengenbach 2, Hornbach 2, Etival 2, Lu-
xeuil 13. Moyenmoutier 4, St. Denis 15, St. Die 4, Senones 2, Klingen-
münster 1, Lorsch 1, Schuttern 1, Schwarzach 14, Granfelden 1, St. Gallen 5,
Zürich 1.
— 210 —
mehr;') in.UK-lmial liMudcltc es sicli nur um einen Hof, anderwärts
scheint schier der ganze Ort im Besitz der Kirche gewesen zu seiu.^)
Weit gi'össer als der Besitz der jungen deutsehen Klöster war
der Reichtum der alten Stiftungen des Westens. Der Grundbesitz
von St. Uermain des Pres wird auf 221.187 Hektar mit 10.282
Hörigen herechnet.'') Ist die Angabe richtig, dass St. Martin in
Toui"s 20,000 Hörige hatte,"*) so darf man auf einen noch bedeu-
tendt^en Grundbesitz schhesseu. St. AVandrille nannte im Jahr 788
über 4000 Höfe sein eigen.'') Unter den Kanonikaten hielt man
diejenigen für arm, welche 200 — 300 Hufen besassen; um für reich
zu gelten, war ein Besitz von mindestens 8000 Gütern nötig.")
Xicht in demselben Mass wie der Besitz der Klöster dehnte
sich der der übrigen kirchlichen Stiftungen aus; besonders der
Grundbesitz der Bistümer war wohl in der Regel kleiner als der
der mächtigen Abteien: wir wissen, dass Augsburg in Karls Zeit
etwas über 1500,') Salzburg etwas ü1)er 1600 Höfe^) besass. Lyon
1) Z. B. in Barr: Ebersheimuiünster, Niedormiinster, Fulda, Weissen-
liurf?, Honau. In Gemar: St. Pili, Leberau, St. Denis, St. Gallen. In
Kinzheim: Hohenburg, St. Pilt, Zürich, Chur, Andlau, Ebersmünster, Eschau,
Gengenbach etc.
2) Von den Weissenburger Traditionen beziehen sich z. B. 30 auf das
Dorf Laubach bei Wiirtb; 5 davon fallen vor Karl, 1 nach Karl, die übrigon
in seine Regierungszeit.
3) Guerard, Polypt. de l'abbe Irminon I S. 901 f.
4) S. o. S. 130.
5) Gest. abb. Font. 15 S. 45: Mansi integri 1326, medii 238, uian-
operarii 18, absi 158, Mühlen 30; dazu die verliehenen Güter, nian.si int.
2120, med. 40, manop. 235, abs. 156, Mühlen 24. Dass die Einkünfte der
Klöster sich nicht überall auf den Ertrag des Grundbesitzes beschränkton,
zeigt das Verzeichnis der Einkünfte von St. Riquier, welches Angilberts
Nachfolger Herich anlegte; von der Ortschaft Centula wurden sehr bedeu-
tende Leistungen erhoben; die Obhitio am Grab Kichars schätzte man auf
wöchentlich 200—300 Mark Silber, ausser den übrigen Geschenken (Mab.
A. S. IV, 1 S. 99 f.)
6) Conc. Aquisgr. a, 816 c. 122 (Mansi XIV, 232): In locis ubi niaiorea
facultates sunt ecclesiae, verbi gratia tria ant quatuor aut certe octo et eo
amplius millia mansi etc. In mediocribus locis, mille aut nu'Ilo quingentos
vel certe duo millia niansos habentibus etc. In minoribus locis ducentos
aut trecentos mansos habentibus.
7) C'ap. 128, 9 S. 252: Habet summa Augustensis episcopatus mansos
injjenuilea vestitos MVI, absos XXXV, .serviles vero vestitos CCCCXXI, absos
XXXXV. ^fiinsi ingenuiles vestiti sind die mit freien, mansi serviles vesti'ti
die mit unfroicn Hintersassen besetzten Höfe, mansi absi die nicht zum
Herrenhof gehörigen, aber von ihm aus bewirtschafteten Hufen.
8) Indic. Arnonis (ed. Keinz) 1869.
— 217 —
noch weniger/) Im 'Elsass ist in der Karolingerzeit für die vier
Bistümer Strassburg, Sjieier, Rheims und Chiir zusammen nur in
15 Orten Grundbesitz nachzuweisen.-) Hier lag vermutlich der
Grund, weshalb Karl so häufig den Bischöfen zugleich Abteien
Übertrag."^)
Am wenis;sten wissen wir über den Besitz der Ortskirchen,
der sich nun vöUig von dem der bischöfhchen Kirche schied. Sie
waren zum grossen Teil Eigenkirchen, d. h. sie standen im Besitz
der Grundherren. Es konnte deshalb vorkommen, dass Kirchen
oder Kapellen völlig besitzlos Avaren.^) Sie bildeten dann nur ein
Zubehör des Gutes. Aber gewöhnhch war das ohne Zweifel nicht,
sondern in der Eegel wird zur Kirche abgesehen vom Pfarrhaus'^)
1) Vgl. den Bericht Leidrads M.G. Ep. IV S. 544 Nr. 30. Nach ihm
standen zur Verfügung Leidrads 727 an Hintersassen vergebene und 33 selbst
bewirtschaftete Höfe, seiner 2 Chorbischöfe Amalbert und Agobard 30 und
17, bezw. 44 und 4; St. Stephan mit 52 Kanonikern hatte 83 und 50, St.
Paul mit 24 Kanonikern und 12 Armen 22 und 21, das Hospital St. Romans
22 und 10, das St. Genesiushospital 6 und 2, das Nonnenkloster St. Peter
188 und 47, das Martinskloster auf Ile Barbe 105 und 53, das Kloster St.
Ragnebert 40. Eine Vorstellung von den Einkünften von Rheims giebt die
Notiz Flodoards (H. Rem. eccl. II, 18 S. 466): Reditus villarum quarundam
ecclesiae in elemosina . . distributi, quibusdam adhuc descriptionibus tunc
(c. 814) factis leguntur; in quibus inveniuntur inter Termidum, Grandem-
pratum, Vindicum, FarvlUam, Gramadum, Pidum, Cadevellum et Cortem
Magnaldi in distributione elemosinae de annona modii 1985, de animalibus
inter maiora et minora capita 168. Item inter villas Fagum sive Boleticum
et alias quasdam annonae modii 1052, vini modii 64, salis modii V cum
diversis animalibus et aliis variis rebus expensa; ad opus quoque fratrum
Orbacensis coenobii quantum sufficeret eis. Unde datur intelligi in maiori-
bus quoque locis multo tunc plura fuisse dispensata.
2) Vgh. S. 215 Anm. 3.
3) S. S. 202 Anm. 3.
4) unter Ludwig d. Fr. beklagten sich die Bischöfe, es gebe zahlreiche
Kirchen mit keinem, oder nur geringem Grundbesitz (Cap. 178, 5 S. 367).
Nun wird man zwar die jjleraeque ecclesiae und das nihil aut parum quid
exterius nicht allzu wörtlich fassen dürfen. Aber wenn die Schwestern
Gerlind und Irmindrud i. J. 836 mit anderem Besitz unam capellam cum
duabus capsis et reliquo ornatu im Dorfe Sondheim vor d. Rhön an Fulda
geben (Dronke, C. D. S. 218 Nr. 492), so ist klar, dass das Kirchlein sonst
nichts be.sass. Stutz, Benefizialwesen S. 164 Anm. 54 verweist auf eine
italienische Kirche quae nullum adiutorium habet nisi decimam.
5) Cap. 128, 10 S. 252 f. ist die casa dominicata bei den Kirchen von
Hessheim und Unkenstein wohl als Pfarrhaus zu verstehen. Meichelbeck
Hist. Frising. I, 2 S. 106 Nr. 151 ist die ecolesia cum domo wohl auch
Kirche mit Pfarrhaus.
— 218 —
und (Il'111 S;illaii(l ') iimli v'uw ,ü;rössere ocler kleinere An/alil von
Hüten i^eliört liaben. Dass dii' von Karl geifriintleten 14 Slawen-
kirclu'ii nur je einen Hof besassen, ersdiien als unj^enüijfeiKle Aus-
stattuni;.-) Aller (in Dureliselniitt lässt sieh hier nielit ziehen; denn
neben Angaben über verhältnismässig sehr grossen Besitz") fehlt
es nicht an solchen, die eine dürftige Ausstattung zeigen.') DlVen-
bar waren die lokalen Verschiedenheiten sehr gross.
^('un darf man freilich den Reichtum der Kirchen nicht ein-
1) Das ist der mansus, super quem primitus ecclesia aeilificata est,
wie es in der Form, iiiij). 40 S. 318 lieisst. Ludwig verfügte 818 Cap. 138,10,
dass unicuiquo ecclesiae unus mansus integer absque alio servitio ad-
tribuatur, et presbyteri in eis constituti . . non do doinibus ne(iue de atriis
vei hortis iiixta ecclesiara positis nequo de praescripto manso ahquod sor-
vitium faciant. Vgl. auch Trad. Wizenb. S. 207 Nr. I'IT. Ipso vilari, iilii
ipsa ecclesia superstabilitum est. Dronke C. D. S. 218 Nr. 493, wo eine
Kirche cum loco suo in der Nordheimer Mark an Fulda geschenkt wird.
2) Form, imper. 40 S. 318.
3) Allgemeine Krwähnungen des Besitzes der Kirchen sind in don Ur-
kunden sehr häuHg, vgl. z. B. Tradit. Wizenb. S. 191 Nr. 200; S. 196
Nr. 205; S. 207 Nr. 217 u. ö.: Trad. Fuld. S. 125 Nr. 44, i; Wartmann,
UJ5. 1 S. 16 Nr. 13; S. 24 Nr. 20; S. 80 Nr. 85; S. 89 Nr. 94; S. 98 Nr. 1U4-.
l'B. V. Oberüsterreich I S. 455 Nr. 28; S. 460 Nr. 38; S. 464 Nr. 44 u. ö.
Hi'iibo .Ausstattung lässt sich nachweisen z. B. von der iui .lahr 772 <^e-
gründeten Kirclie in Willmaudingen, OA. Reutlingen; sie wurde von ihrem
Stifter dotiert mit 8 Casaten, 12 Hüben und 32 Hörigen (Wartmann, ÜB. I
S. 65 Nr. 66). Im Jahr 773 wurde die Dotation vermehrt um 11 Hüben
und 42 Hörige (1. c. S. 68 Nr. 70). Ferner von der Kirche in Dürrmonz,
OA. Maulbrunn; sie besass ausser dem Frohnhof cum solario lapidoo et casa
lignea, einem Hot mit (lebäuden und einer Mühle an der Knz, 7 Höfe in
Dürrmenz, Besitz in 4 anderen Orten und 52 Eigenleute (Cod. Lauresh. H
S. 446 Nr. 2337). Geringer ist der Besitz in Hessheim und Inkenstein; er
besteht au.sser dem Frohnhof in 4, bezw. 6 Hörigenhöfen und etwas Wein-
borg und Wiese (Cap. 128, 10 S. 252). Ebenso zu (iunthcim im Wormsgau.
Die dortige Kirche hatte auf ihrem (Irundbesitz im .lahr 71)1 14 Hörige
(Cod. Lauresh. 1114, H S. 116). Zu der Kirche in Mcckenheim bei Speier
gehörten im Jahr 831 atrium curtis et caaa cum diversis mansionibus, 9 Leib-
eigene, 95 Morgen Ackerland, 4Vv; Morgen Weinberg und Wiesen für
6 Fuder Heu (Beyer, Mittelrh. ÜB. I S. 67 Nr. 59).
4) Werden Form. Senon. 12 S. 217 als Ausstattung einer neu errich-
teten Kirche 2 Mansen und l'/» Aripennen Acker und Weinberg genannt,
80 i.st dies noch nicht das dürftigste. Die Kirche in Brizenhoim besass bei
ihrer Übergabe an Fulda nur die areola in qua aedificata est und einen
Weinborg. Doch wurde sie gleich bei der Übergabe reichlicher ausgestattet
(Dronke C. D. S. 34 Nr. 52 f.). Über Besitz der Kirchen in Westfrankroich
8. Stutz, Benetizialwesen S. 174; Imbart de la Tour, Rev. bist. 63 S. 25 f.
— 219 —
fac'li nach der Auscieliiiimg des Grundbesitzes bemessen. Gross-
wirtschaft triel)en selbst die Klöster nicht, sondern überall war der
Besitz anfgelöst in eine Eeihe von Kleinwirtschaften. Auch waren
die Leistunoen, zu welchen die Xutzniesser vernfliclitet Avaren. in
der Regel gering.^) Manchmal scheinen sie nur festgesetzt Avorden
zu sein, um das Besitzrecht der Kirche nicht in Vergessenheit
konnnen zu lassen.-) Fulda z. B. war trotz seines grossen Ijesitzes
kein reiches Kloster, es konnte geradezu Mangel eintreten.-^) Aber
das hob nicht auf, dass die Verschiebung des nationalen Besitz-
standes, welche in dem Anwachsen des Kircheugiits lag, für die
Gesundheit der sozialen Verhältnisse höchst bedenklich war. Die
Verminderung der Zahl der Gemeinfreien, die Vermehrung der
Zahl der Hörigen, welche in der letzten MeroAAängerzeit begonnen
hatte, setzte sich ungehindert fort. Denn wie die Kirche, so Avaren
auch die grossen Familien bestrebt, den Umfang ihres Besitzes, die
Zahl der von ihnen abhängigen Leute stetig zu vermehren."*) Das
freie, gleichberechtigte Volk verschwand mehr und mehr; es spaltete
1) Eine Vorstellung giebt das Inventar von Staflfelsee (Cap. 128, 8
S. 252). Von den mansi ingenmles hatten 6 jährlich zu leisten: je 14 Scheifel
Getreide, 4 Frischlinge, eine Partie Flachs, 2 Hühner, 10 Eier, 1 Sextar
Leinsamen, 1 Sextar Linsen, 5 Wochen Frohndienst, 3 Morgen zu pflügen,
1 Fuhr Heu zu mähen und einzufahren, endlich das Sehaarwerk. Andere
6 Höfe hatten 2 Morgen zu bestellen, 3 Fuhren Heu zu mähen und einzu-
führen, 2 Wochen zu fröhnen. 4 Höfe hatten 9 Morgen zu bestellen, 3 Fuhren
Heu zu mähen, 6 Wochen zu fröhnen, den Wein zu fahren, 1 Morgen zu
düngen und 10 Fuhren Holz zu geben. Von den 19 mansi serviles hatte
jeder jährlich 1 Frischling, 5 Hühner und 10 Eier zu geben, 4 Ferkel zu
mästen, ^k Morgen zu pflügen, 3 Tage in der Woche zu fröhnen, Fuhren
und Vorspann zu leisten. Die Frauen hatten zu spinnen und zu weben,
Malz zu dörren und Brot zu backen. Vgl. v. Inama-Sternegg, Grundherrschaft
S. 81; er zählt über 30 verschiedene Produkte, welche von den dienenden
Mausen zu liefern waren.
2) Vgl. Waitz, VG. IV S. 179 und v. Inama-Sternegg, Deutsche Wirth-
schaftsgeschichte I (1879) Beilage III S. 510 f.
3) Vgl. die Urkunde Ludwigs vom 4. Februar 836 (B.M. 923): Kaba-
nus . . nostrae notescere studuit maiestati monachos sibi commissos . . maxi-
mam vestimentorum pati penuriam neque prorsus consequi valere, unde
tante multitudini sufficientiam vestium procurare possit. Zur Beleuchtung
verwendete man in Fulda Schweinefett, da man kein Olivenöl hatte. Lud-
wig d. Fr. versprach den Mönchen, um dem Mangel abzuhelfen, einen
Olivengarten in Italien, hielt aber sein Versprechen nicht, Ep. Fuld. fragm.
2 M.G? Ep. V S. 517.
1) Vgl. V. Inama-Sternegg, Deutsche Wirthschaftsgeschichte I S. 287 f.
Ausbildung' der Grundherrschaften S. 54 tf.
— 220 —
sich in Stiiiidc wclclic mit sein- uiifj^lciclKMi Roclitoii cinniuler gcgcii-
übei'standen. A\'ir wei-dcii solion. wolclie tiefgroifeii(lcii Folgen das
iVn- die kirehliclio Entwickelnng Initte.
Es ist die dunkelste Seite der glanzvollen Eegierung Karls,
dass er der fortschreitenden Vernichtung des Volks nicht energischer
entgegentrat. An Einsicht in die üblen Folgen, welche das An-
■wachsen des Kirchenguts hatte, fehlte es ihm nicht. Alxu- durch-
gri'ifeiide Massregeln, welche dem Fortschreiten des Übels hätten
Einhalt thun kciimen, unterblieben. Sie waren unmöglich; denn sie
hätten die religiösen Anschauungen verletzt, welche Karl teilte. Er
war wie alle seine Zeitgenossen davon iil)erzcugt, dass di'v Ver-
zicht auf eigenen Besitz zu Gunsten eines kirchlichen Instituts ver-
dienstlich sei.^) Dadurch waren ihm die Hände gebunden.
Wenn man diese Sachlage erwägt, so erscheint es begreiflich,
dass Karl unverriickt daran festhielt, dass der König ein gewisses
Verfügungsrecht über das Kiirbengut habe. Diese Anschauung
hatte sich unter seinen Vorfdn-en gebildet; das öftentliche Urteil
nahm keinen Anstoss an ihr.'-) und sie bot die Möglichkeit, die
Masse des Kirchenguts dem allgemeinen Interesse dienstbar zu
niaclicii. Karl verfügte dciiii auch in ausgedehntem Masse über
kirchliche Güter.'') In Kheims nahm er den Gesamtbesitz des Bis-
tums in eigene Verwaltung;"*) in Metz, Toni und Venlun hängt
vielleicht die Erledigung der Bistümer mit ähnlichen Verhältnissen
zusanmien : '•) in Tiiei- wurde der grösstc Teil der Pjnkünfte dem
1) Vgl. z. J3. Cap. 39, 6 S. 113: Qui res suas pro aninia sua ad casam
Dci tradere voluerit; und die Eingangsformoln seiner Schenkungsurkunden,
z. B. Schenkung Holzkirchens an Fulda: Quicquid ad loca sanctorum veno-
rabilium congruenter ob amorem Dei concedimus vel confirmanuis, hoc nobia
ad mercedem vel stabilitatem regni nostri provenire confidiinus.
2) V. Wal. II. 4 S. 470. Conc. Aciuisgr. a. 836 c. 19 (Mansi XIV
S. 694): Monasteria . . non debere saecularibus dari, canonica prodit aucto-
ritas . . . Sed quia id exigit reipublicae necessitas etc. Hralian sagte ge-
radezu: Sunt . . possessiones i.stius raonasterii et ecclesiao ad eam pertinentes
l»roprieta8 doininicalis, quae domino iniperatori ex paterna successione
haereditario iure provenit, ?]p. Fuld. fragin. 10 S. 520.
3) Nicht hieliergehörig ist die Vergel)ung königlicher Kirchen als Lohon
oder zu lebenslänglichem Eigentum, die sehr häufig war, s. Stutz, Benc-
fizialwesen S. 164 ff.
4) Urkunde Ludwigs bei Flodoard. H. Rem. eccl. II, 19 S. 469: (Carolus)
eundem episcopatum contra salutem suam aliquamdiu tenuerat et in suos
u.<»us contra ecclesiasticas regulas et res ac facultates ecclesiae ipsius ex-
pcnderat
5) Vgl. S. 203 Anm. 2. Man beachte, dass in diesem Landstrich
— 221 —
Bischof entzogen unct dem Grafen überlassen.^) Als Karl Episkopat
und Grafschaft in Chur schied, führte die Auseinandersetzung zu
dem grössten Schadeu des Bistums.'^) Vor allem hörte Karl nicht
auf, Kirchen guter als Lehen zu vergeben ; bald ganze Klöster, bald
einzelne Besitzungen. Eine Menge Kirchen kam dadurch in Laien-
hände ;-^) aus den Eigenleuten der Klöster wurden Dienstleute
Fremder.-') Es machte wenig Unterschied, _ ob der König sell)st
solche Lehen erteilte, oder ob Bischöfe oder Abte auf seinen Befehl
die Verleihung vollzogen: in jedem Fall war sein Wille massgebend.'^)
Auf diese Weise sollte das Kirchengut, dessen Vermehrung
nicht zu hindern war, dem Staat nutzbar werden. Aber wie die
Dinge einmal lagen, hatte nicht das Volk den Gewinn von Karls
Massregeln, sondern derselbe fiel zum grössten Teil dem aufkom-
menden neuen Adel zu.'') Die Entstehung geistlicher Fürsten-
zwischen Maas und Rhein das karolingische Hausgut lag (Bonnell, Anfänge
S. 76 ff.).
1) Urkunde Ludwigs IV. vom 19. September 902 (Beyer, Mittelrh.
TJB. I, 150 S. 214): Treviricae civitatis monetam, theoloneum, censales, tri-
butum atque medemam agrorum cum fiscalibns horainibus, quae quondam
tempore Uuiomadi eiusdem urbis archiepiscopi de episcopatu abstracta et
in comitatum conuersa fuissent, etc.
2) S. die Eingabe Viktors an Ludwig d. Fr. M.Q. Ep. V S. 309 Nr. 7.
3) Vgl Stutz, Benefizialwesen S. 182.
4) Amico von Murbach an Karl, Form. Alsat. 5 S. 331: Alii homines
per alios comitatos dicunt se ipsos (die mancipia des Klosters) in vestro
beneficio habere.
5) Cap. 20, 13 (a. 779) S. 50: Sit discretio inter precarias de verbo
nostro factas et inter eas quae spontanea voluntate de ipsis rebus eccle-
siarum faciunt. 35, 56 (a. 802?) S. 104: Qui per beneficium domni impera-
toris ecclesiasticas res habent. 46, 18 (a. 806) S. 132: Cuncti fideles, qui
beneficia regalia tam de rebus ecclesiae quamque et de reliquis habere
videntur. Urkunde für Alkuin vom 3. Juni 800 (B.M. 346): Divina paren-
tibus nostris nobisque pietas potestatem contulit totius monasterii s. Mar-
tini, rerumque illius facultatem dandi cui voluissemus. Form. Sal. Merk. 61
S. 262. Form, imper. 6 S. 291 f. (Güter v. St. Johannis in Angers). Lud-
wigs d. Fr. cap. 138, 29 (a. 818 oder 819) S. 279: De bis rebus, quae nuper
necessitate compellente a nonnullis ecclesiis sunt ablatae. Bischof Gerfrid
von Münster fordert 826 einen Hof zurück, den der Graf Liutrig per vesti-
turam Karoli inne hatte (cap. 155, 2 S. 314). Agobard, De disp. eccl. rer. 4
S. 271: Quod de sacris rebus in laicales usus inlicite translatis dicimus, non
fecit iste dominus Imperator (Ludwig) sed praecessores eius. Über die Art
der Verleihung s. Waitz, VG. IV S. 189 f. Übrigens hat auch Ludwig d. Fr.
Benefizien aus Kirchengut erteilt (Form. imp. 21 S. 302): Ex largitione
nostra. Man sieht, wie fest die Sitte war.
6) Vgl. Waitz, VG. IV S. 182 f.
— 222 —
tiinier liat Karl aufiiolialten ; die Uiiibildung des Yolksstaat« in den
Jjehensstaat ging jedoch unaufhaltsam weiter. Und auch jenes
Ankämpfen gegen che l^ikhnig geisthcher Fürstenmacht hheh nni-
eine halhe ^fassregcl. Denn durch die regehnlissige Verleihung der
Immunität an die kirchlichen Stiftungen.') durch die Verwendung
der Ihschüfe zur Jiüsung staatlicher Aufgahen wurde den kiri-h-
lichen INIännern eine politische Stellung angewiesen, die sie an die
Spitz(^ des Volks erhob.
Hier tritt der iVIangel eines klaren sozialpolitischen Ziels an
den Tag. Nicht nur die jMenschen, auch die Zustände lassen sich
heherrschen; aber dieser Gedanke iehlte dem Mittelalter: deshalb
wai' Karl gross als Feldherr, glücklich als Politikei'. erfolgreich in
der Fcirderung der Bildung, aber machtlos gegenüber der Ver-
schiebung der sozialen Verhältnisse, die sich voi' seinen Augen
vollzog, die er missbilligte und gegen die er doch inu' mit höl/einen
Waffen kämpfte.
Wenn Karl über das Kirchengut ziendich willkiiilieh verlügto.
so sollten dadurch die kirchlichen Institute eines festen Einkommens
nicht beraubt werden. Im (icgenteil, es lag ganz im Geiste seiiun-
Verwaltung, dass ei' :iul Sicherung dei' kii'chlichen Pjinkünfte Be-
dacht nahm. Zu diesem Zweck erneuerte und bestätigte er ältere
kirchliche ^'orschriften. Es w;ir voidem Sitte gr-wesen, dass die
Kleriker über ihr VeriiM'igen zum P>esten der Kii'che testierten."-')
Das scheint ausser l'buiig g(Ocomnien zu sein. .Jetzt wurde kirch-
licherseits gefordert, dass von dem Besitz der Priester wenigstens
dei- Teil der Kirche zidalle. den sie nach ihrer Weihe ei-worben
hätten.'') Karl erkannte dies \'erlangen :ils berechtigt an.^) Ijängst
erhob die Kirche .\nspi-uch auf die Ix'istung des Zehnten als auf
ihr Beeilt.'') Allein das zähe Gedächtnis des Volks für öffentliche
Beeilte und Lasten hatte nicht vergessen, dass der Zehnte msprüng-
lich eine freiwillige (i.-ibe war: man wollte von einer V'erpllichtung
nichts wissen, Karl stellte .sich, wie schon sein Vater,") aui' Seite
1) Karl vnrleilit, bozw. bestätigt »li(> Immunitüt der bLschiinichon Kir-
chen v.w Trier (Ü.M. 142), Met/. (174>, Speier (245), Worms (517), Sal/.burg
(58R), Wiirzburj,' (742l. Über den regoliiiiLsHigcii liibalt der linmnniliU h.
Md. I S. 876 .\nm. 3; vgl. Waifz V(i. IV 8. 3UÜ I".
2) Vgl. 1!<1. 1 S. 18;-if.; Conc. Paris, von 014 can. 1», In. 12 S. 1.S8 f.
3) Stat. Bonif. 11 (Man.si XII S. 3M4). Über di.' Herkunft dieser Sta-
tuten 8. unten.
4) Cap. 28, 41 (a. 71)4) S. 77; Ml, 10 (a. yiU— 813) S. 178.
0) Vgl. Bd. I S. 137.
6) C'aji. 17 8. 42: Sic previdere faciatiH et ordinäre de verbo nostro,
ut unuflquisque homo, aut vellet aut noUet, suaiu deciniani donet.
— 223 —
der Kirche: er gebot die ausnahmslose Entrichtung dieser Abgabe.'')
Die Durchführung seiner Vorschriften Hess er durch die Königs-
boten ül)erwachen.-) In der Leistung des Zehnten ging er selbst
mit gutem Beispiel voran, indem er die Verwalter der Königshöfe
ausdrücklich 7,u gewissenhafter Erfüllung der Zehntpflicht anwies.^)
K^un ist freilich nicht zu bezweifeln, dass es Grundbesitzer gab. die
sich der Leistung der widerstrebend übernommenen Pflicht zu ent-
ziehen wussten. Weder Ermahnungen, noch geistliche und bürger-
liche Strafen konnten das verhindern.^) Aber ebenso sicher ist,
dass der grösste Teil der Bevölkerung die Zehnten w^irklich ent-
richtete, und dass dadurch das kirchliche Einkommen sehr bedeu-
tend erhöht wurde.'') Die grossen Zehntbesitzer, die Bistümer und
1) Cap. 20, 7 (a. 779) S. 48; 24, 11 (a. 789) S. 65; 26, 17 (a. 775—790)
S. 69; 28, 25 (a. 794) S. 76; 36, 6 (a. 801) S. 106; 78, 7 (a. 813) S. 174;
83, 3 (a. 813?) S. 181; 84, 7 (vor 800; Boretius weist dies Kapitulare mit
einem „vielleicht" dem Jahr 813 zu; da aber c. 10 ein missus domni regis
genannt wird, so wird es älter sein als 800) S. 182; 87, 3 f. (787—813)
S. 186. Vgl. die Beschlüsse der Synoden von 813 (Arles c. 9 S. 60; Mainz
c. 58 S. 73; Rheims c. 38 S. 81). Über die angebliche Zehntfreiheit der
Thüringer s. Bd. UI S. 731 Anm. 1.
2) Cap. 34, 17 S. 101.
3) Cap. 32, 6 (a. 800) S. 83.
4) Dass die Zehntleistung vielfach unterlassen wurde, zeigen Ermah-
nungen wie die in einer Predigt aus St. Gallen Baluz. IT S. 1376, Beicht-
formeln wie bei Alkuin, De us. ps. 11, 10 S. 499 f., die Beschwerden des
Konzils von Tours 813 (can. 46 S. 90), thörichte Massregeln wie die von
Hraban getadelten Ep. Fuld. fi-ag. 16 S. 521, besonders die strengen Straf-
bestinimungen (cap. 87, 3 f. [a. 787 — 813] S. 186): A quibus deciniae retente
sunt, de prima contentu fl. retentu) sit culpavilis qui eas retenuit solidos VI,
ipsa decima sub iuramento. De secundo componat bannum no.strum (d. h.
60 solidi), et eidem sacerdoti qui preest solidos VI sit culpavilis et tamdiu
extra eeclesia excommunicetur donec sacerdoti satisfaciat; de tertio autem.
ut sacrilegus habeatur, sit in exilium missus et res eius in fiscum nostrura
redigantur.
5) Ein Anhaltspunkt zur Schätzung des durchschnittlichen Ertrags der
Zehnten für die Kirche fehlt. Die einzige mir bekannte Notiz, die man
hieher ziehen kann, ist Ale. ep. 298 S. 457. Darnach forderte Raganbert
von Limoges von den Priestern seiner Diözese jährlich IV2 Scheffel Brot,
1 Eimer Wein, 4 Scheffel Hafer, 6 Käse, 100 Eier und eine angemessene
Menge von Fischen, Hülsenfrüchten und Gartengewächsen. Das ist doch
wohl als Durchschnitt des dem Bischof zukommenden Zehntviertels zu be-
trachten. Der Zehnte ist überall vom Ertrag des Grundbesitzes zu leisten.
Darüber hinaus geht die Forderung Theodulfs von Orleans, welcher den
Zehnten auch vom Ertrag des Handels beanspruchte (cap. 35 Migne 105
S. 202).
— 224 —
Klöster, wussten das zu schätzen : sie waren bedacht sich über ihre
Rechte khir auseinander zu setzen.') Aber nach Lage der Dinge
werden die (Irtskirchen den grössten Gewinn davon gehabt hal)en,
dass die Zelintleistung nun staathch überwacht wurde. EndUch
solhe auch das veilichene Kircliengut der Kiivhe einen gewissen
P^rtrag gewähren. Es mag in einzehien Fidlen schon vor Karl
üblich gewesen sein, dass vou Kirchenlehen der Neunte entrichtet
wurde; bei der allgemein herrschenden Naturalwirtschaft zog man
dies wohl einer Geldabgabe vor.-) Karl machte diese Einrichtung
allgemein, ermässigte jedoch zugleich die von Karlmann eingeführte
Geldzahlung.'^) Ausserdem wurden die Inbaljcr von Lehen aus
dem kirchlichen Eigentum verpflichtet, die Lehensgiiter in gutem
Stand zu halten'*) und die l^iaulast an den kirchlichen Gebäuden
zu übernehmen.'')
Karl d. Gr. ist der erste deutsche Fürst, welcher den AVert
1) Vgl. den zwischen Wolfger von Würzburg und Ratgar von Fulda
815 abgeschlossenen Vertrag, Kckhart, Franc. Orient. II S. 867 f. Nr. 2 (ich
habe gegen diese Fassung kein Bedenken, der Zweck der Fälschung Eber-
hards Dronke Nr. 323 S. 156 ist durchsichtig), und die Verständigung zwi-
schen Otgar von Mainz und Kl. Hersfeld i. J. 845, Annal. Ilild., Quedl.,
Weissenb. z. d. J. M.G. Scr. III S. 46, Lamb. z. d. J. S. 24 f. Das Recht
Zehnton von den eigenen Besitzungen zu erhoben, hat Fulda von Karl er-
halten, B.M. 1468.
2) Ich stimme der Annahme zu, dass von der Einführung des Neunten
durch Pippin nicht die Rede sein kann (s. Waitz, VG. IV S. 193; Abel,
JB. S. 325); jedoch möchte ich nicht geradezu sagen, dass der doppelte
Zehnt jetzt zuerst eingeführt wurde (Waitz a. a. 0.). .Tctlonfalla war das
die Anschauung des nur wenig jüngeren langobardischen Bearbeiters des
Kapitulars von Heristall nicht. Er fasst Karls Bestimmung in die Worte:
Si inde usque nunc ad partem aecclesiae decima et nona exivit, et nunc
inantea faciat. Daraufhin scheint mir <lio im Text gegebene Fassung
möglich.
3) Cap. 20, 13 (779) S. 50: De rebus ecclesiarum, unde nunc ceusus
exeunt, decima et nona cum ipso censu sit soluta; et unde antea non
exierunt, sirailiter nona et decima detur, atque de casatis quinquaginta soli-
dum unum, et de casatis triginta dimidium aolidum et de triginta trimisse
uno. Die .\bgabe betrug nach c. 2 des Cap. Lipt. S. 28 einen Solidus von
jeder Casata. Die Bestimmung über die Neunten wiederholt cap. 28, 25
(a. 794) S. 76; 34, 17 (a. 802) S. 101; 35, 56 (a. 802) S. 104; 59, 2
(a. 803—813) S. 146; 84, 12 (vor 800) S. 183; vgl. auch Form. imp. 21
S. 301. Von der Leistung des Neunten war entbunden, wer zur Frohnarbeit
verpflichtet war.
4) Cap. 35, 49 (a. 802) 8. 104; 49, 4 (a. 807) S. 136.
5) Cap. 21, 2 (a. 789; S. 65; 28, 26 (a. 794) S. 76; 35, 56 S. 104; Conc.
Arel. (a. 813) c. 25; Mog. (a. 813) c. 42.
— 225 —
einer geordneten Administration klar erkannte. In allen Zweigen
des Staatslebens suchte er sie einzuführen. Es entspricht dem, dass
er auch über die Verwaltung der kirchlichen Einkünfte genaue
Vorschnften erhess. Er veranlasste vor allem die Liventarisierung
des Kirchenguts. ^) Sodann bestimmte er. dass bei jeder Kirche
ein Verzeichnis der zehntpflichtigen Höfe angelegt werde;'-) auch
über die eingehenden Zehuten war Buch zu führen.'^) Den Zustand
des kirchhchen Besitzes hatten die Königsboten zu untersuchen,
die darüber dem König berichteten.'*) Ebenso wui'de die Verwen-
dung kontrolliert: die Verteilung der Zehnten für die verschiedenen
kirchhchen Zwecke ') musste hi Anwesenheit von Zeugen ge-
schehen.*^) Auch von dem übrigen Besitz sollte nichts verschleudert
werden. ')
Man sieht, Kai'l wollte eine geordnete Verwaltung, er unter-
liess jedoch eine neue Gesetzgebimg über das Kirchengut.
1) Cap. 80, 7 (a. 811— 813j S. 177; vgl. die Formeln 128 S. 250 ff.
2) Cap. 81, 10 (a. 810—813) S. 178. Die Frage, welcher Kirche der
einzelne Ort oder Hof zehntpflichtig sei, machte vielfach Schwierigkeiten,
da fortwährend neue Kirchen entstanden. Karl stellte den Grundsatz auf:
Ut ecclesiae antiquitus constitutae nee decima nee alia nulla possessione
priventur, ita ut novis tribuatur ecclesiis (cap. 78, 19 a. 813 S. 174; vgl.
42, 2 f. a. 803—804 S. 119; Hefeies Inhaltsangabe, CG. III S. 746, ist hier
irreführend; Conc. Arel. a. 813 c. 20 f.; Mog. a. 813 can. 41). Für die
königlichen Güter bestimmte Karl, dass der Zehnte stets an die auf den-
selben errichteten Kirchen geleistet werde, wenn nicht ältere Rechte in
Frage kamen (cap. 32, 6 a. 800 S. 83). Abweichend verordnete die Synode
von Chalon s. S. (a. 813) c. 19: Familiae ibi dent decimas suas, ubi infantes
eorum baptizantur et ubi per totum anni circulum missas audiunt. Vgl.
Form. Senon. 12 S. 217.
3) Cap. 36, 7 (a. 801) S. 106.
4) Cap. 49, 4 S. 136.
5) Cap. 36, 7 wird eine Dreiteilung der Zehnten: für Instandhaltung
der Kirche , für Arme und Fremde , für den Priester verfügt. Den
Einfluss des Bischofs auf die Verteilung wahrt cap. 81, 4 (a. 810 — 813)
S. 178. Die bairische Synode von Riesbach teilt den Zehnten nach römi-
scher Weise in vier Teile, indem hier auch der Bischof einen Teil erhält
(cap. 112, 13 S. 228). Dass das letztere üblich war, lehrt die ürk. Meichel-
beck I, 2 S. 121. Es scheint auch ausserhalb Baierns ziemlich allgemein
gewesen zu sein: man findet es bei Haito von Basel (cap. 177, 15 S. 364)
und Theodulf von Orleans (cap. II, Migne 105 S. 209). Über Raganbert
von Limoges s. oben S. 223 Anm. 5.
6) Cap. 36, 7 S. 106.
7) Cap. 46, 4 (a. 806) S. 131. Der Grand: Quia dictum est nobis, quod
negotiatores Judaei necnon et alii gloriantur, quod quicquid eis placeat,
possint ab eis emere.
Hauck, Kirchengeschichte. II. 2. Aufl. 15
— 226 —
Dagegen ergab sicii die Notwendigkeit gesetzlicher Bestim-
mungen bezüglich der vt»n Grundherren auf ihrem Grund und
Boden enichteten Kirchen.^) Sie fügten sich nicht unter die älteren
Mimischen Verordnungen; -mr eriimeru uns, dass Pai)st Zacharias
demgemäss zn vei'hindern gesucht hatte, dass Eig(>nkirchen jemals
die Kc'chte ötfenthcher Kirchen erhielten: sie sollten Privatkapellen
mit Uüvnllständigem Gottesdienst bleiben."') Aber die Durchführung
dieser Anordnung war unmöglich. Denn nicht nur widersprach sie
dem. was im fi-änkischen Reiche Rechtens war, sondern besonders
beruhte die immer noch sehr notwendige Vermehrung der Gottes-
häuser voiTiehmlich auf der Zunahme der Zahl der Eigenkirchen.
Sie zu hemmen konnte also Karl nicht in den Sinn kommen.
Allein die Rechts])ildung in Bezug auf die Eigenkirche war unvoll-
kommen: es war ein AN'iderspruch, dass sie als Taufkirche einer
Gemeinde diente, und dass der Grundherr doch das Recht hatte,
in jedem Augenblick sie als sein Eigentum abbrechen oder schliessen
zu lassen. Diesen Punkt hat Karl geregelt: er schränkte die Frei-
heit Kirchen zu erbauen nicht ein, er beseitigte auch nicht das
Eigentumsrecht der Grundherren: nach wie vor wurden die Kirchen
vererbt und konnten sie verkauft oder verschenkt werden. Nur
insofern wurde die freie Vertilgung des Eigentümers ül)er seineu
Besitz beschränkt, als es ihm nicht zustand, die einmal gegründete
Kirche wieder zu zerstören: sie musste für ihren Zweck erhalten
bleiben.'^) Ergänzend trat die weitere Bestimmung hinzu, dass
auch der Besitz der Kirche ihr stets ungemindert verbleiben müsse."*)
Bereits bestehende Reclite konnten durch den Neubau von Kirchen
nicht aufgehoben werden. Demgemäss sollten die Zehnten älterer
Kirchen diesen bleiben.'^)
Karls Anordnungen sind von AVert für seine Beurteilung als
Gesetzgeber: er unteiljess es, neue Rechtsnormen aufzustellen, wenn
1) Vgl. zum Folgenden Stutz, Benefizialwesen S. 223 ff.
2) S. oben S. 10.
3) Cap. 28, 54 (a. 794) S. 78: De ecclesiis quae ab ingeniii.s hominibu«
construuntur: licet eas tradere, vendere, tantumiiiodo ut eeclesia non de.stru-
atur, sed serviuntur cottidie honore.s. Vgl. Cup. 42, 8 fa. 803— 804) S. 119:
Quicumque voluerit in aua proprietate ecclesiam aedif'icare, . . licentiam
habeat. Über den Vorbehalt der Zustimmung des Biechofa s. u.
4) Cap. .33, 15 (a. 802) S. 94: De rebus ipee basilicae nemo ausus sit
in divisione aut in sorte mittere. Et quod semel offeritur, non revolvatur
et sanctificetur et vindicetur.
5) Cap. 42, 3 S. 119: Omnino praevidendum est, ut aliae eccleniae
antiquiores propter hanc occadionem nullat«nu.s suam iustitiam aut decimam
perdant. Cap. 78, 19 (a. 813> S. 17t.
— 227 —
sie nicht notwendig waren; wenn er aber Gesetze gab, so schloss
er sich dabei eng an die gegebenen Verhältnisse an. Nicht die
kirchliche Eegel, sondern die Sachlage im fi-änkischen Reich war
flu' seine Entscheidnngen massgebend.
Man kann die gleighe Bemerknng an dem Eherecht machen.
Pippin hatte in gewissem Masse das ft"änkische Recht den kano-
nischen Bestimmungen angenähert.^) Doch war der Unterschied
zwischen dem, was an der Kurie, und dem. was im fi'änkischen
Reich als verbotene Ehe betrachtet und behandelt -sMU'de, immer
noch gross genug. An Übereinstinunung in Bezug auf die Ehe-
scheidung und die Wiederverheiratung Geschiedener war vollends
nicht zu denken. Karl änderte in der Kapitulariengesetzgebung in
dieser Hinsicht nichts:^) er begnügte sich die bischöfliche Disziplinar-
gewalt in Bezug auf verbotene Ehen anzuerkennen; aber als ver-
boten galten nach wie vor nur die Ehen bis zum fünften Verwandt-
schaftsgrad."^) Er wiederholte die Bestimmung seines Vaters gegen
1) Vgl. oben S. 41 f.
2) Ketterers Behauptung, dass im Zeitalter Karls die rückhaltlose An-
erkennung der kirchlichen Ehegesetzgebung sich vollzogen habe (S. 146),
ist geradezu erstaunlich. Denn bekanntlich nimmt die Kapitulariengesetz-
gebung so gut wie keine Rücksicht auf das Ehewesen. Die einzigen hieher
gehörigen Verordnungen sind die im Text angeführten: 1. Anerkennung
der bischöflichen Disziplinargewalt gegen homines incestuosi, Cap. 20, 5
S. 48; 33, 38 S. 98 und 2. Wiederholung des 9. Kap. von Soissons (Cap.
12, 9 S. 30) 22, 43 S. 56 und 35, 22 S. 103.
3) Das unter Karl in dieser Hinsicht geltende Recht ergiebt sich mit
aller wünschenswerten Klarheit aus den Bestimmungen Haitos von Basel
Cap. 177, 21 S. 305. Hier sieht man 1. dass Ehen nur bis zum 5. Ver-
wandtschaftsgrad als verboten galten , vgl. dagegen das päpstliche Recht
S. 10 Anm. 4 und Bd. 1 S. 461 Anm. 1. 2. Dass im Fall Verwandte
4. Grades verheiratet waren, die Ehe zwar als unrecht galt, aber toleriert
wurde: non separentur. 3. Dass bei Verwandtschaft im 3. Grad zwar die
Scheidung vorgenommen wurde, aber die Verheiratung der Getrennten mit
anderen Personen zulässig war. 4. Dass nur bei Ehen in der Verwandt-
schaft 1. und 2. Grades die Getrennten niemals wieder heiraten durften.
Solche Verbindungen belegte Karl überdies mit Strafe, Cap. 56, 3 S. 143.
Mit den Kap. Haitos sind zu vgl. die sog. Cap. Remedii 5, ein im Anfang
des 9. Jahrh.'s zur Lex Rom. Raet. Cur. gemachter Zusatz, M.G. Leg. V
5. 443, die sehr lehrreiche Bemerkung Hrabans ep. 29 S. 446: Quod pro-
ximis temporibus Rom. pontificum scripta continent usque ad VI. vel VII.
generationem coniugii usum esse differendum magis ex consuetudine humana
quam ex lege divina hoc eos praecepisse credendum est , und die Bestim-
mungen der Bussbücher, Schmitz, Bussbücher II S. 126 ff. Erst die Mainzer
Synode von 813 c. 54 Mansi XIV S. 75 dehnt das Verbot auf den 4. Ver-
wandtschaftsgrad aus. aber diese Bestimmung wurde nicht in das Aachener
15*
— 228 —
die Wiederverheiratung Geschiedener; aber dabei kann nur an will-
kürlich Geschiedene gedacht worden sein. Denn solchen, deren
Ehe aus einem berechtigten Grund gelöst war, stand regelmässig
die Wiederverheiratun.i^ zuJ)
Dass Karl Rechtsoi-dnungen bestehen liess, obgleich sie den
kirchlichen Geboten nicht entsprachen, bedingte nicht einen prinzi-
piellen Gegensatz gegen das von der älteren Kirche ausgel)ildete
Recht. Seine Stellung war im wesentlichen keine andere als die
der t'ränkischen Könige seit Chlodowech. Alan beugte sich der
Autorität der kirchlichen Vergangenheit und erkannte deshalb ihre
Gesetze als giltig an, aber man liihi*te sie nm' so weit aus, als sie
den fränkischen Rechtsanschauungen nicht widersprachen.^) Es ist
keine Frage, dass man in Rom wünschte, Karl über diese Linie
hinauszudrängen. Als er sich im Jahr 774 in Rom aufhi(>lt. be-
schenkte ihn Papst Hadrian mit einer Abschrift der kirchlichen
Rechtssammlung des Dionysius."') Dem Geschenk war eine Wid-
mung in Versen beigegeben, vielleicht das barbarischeste Gedicht,
welches das 8. Jahrhundert hervorgebracht hat.^) Aber aus den
Kajtitular aufgenommen. Ilraban hat sie auf der Mainzer S^-node von 847
wiederholt (Cap. 248, 30 S. 183).
1) Dass es in Bezug auf die Anerkennung berechtigter Gründe nicht
gerade streng genommen wurde, beweist das Urteil Otgars von Mainz op.
Fuld, fr. 40 S. 533, nicht nur Karls eigenes Beispiel. Man vgl. Form. Sal.
Merk. 18 S. 248, wo als Scheidungsgrund nur disoordia (ob hoc ad invicem
feibi adversantur et minime po.'^sunt se habere) genannt ist. Noch unter
Ludwig d. Fr. war die Wiederverheiratung nur ausgeschlossen bei böslicher
Verlassung oder bei der Hinrichtung der Frau sine culpa (Cap. 193, 3
a. 829 11 S. 18). Auf dem Mi.ssionsgebiet ging man noch weiter, vgl. Lex
Fris. add. III: Si quis illicitas nuptias contraxerit, separabitur ab uxore sua
et liceat tam ei quam et uxori legitime nubere; Cap. de part. Sax. 20 S. 69,
hier wird die verbotene Khe lediglich mit f4eld gebüsst.
2) Vgl. Bd. I 8. 1.50; 407 f. u. ö. und Bd. 11 8. 10.
3) Eckhart (Comm. I S. 768) erwähnt eine Würzburger Handschrift des
codex canonum, welche die Bemerkung trägt: Iste codex est scriptus de
illo authentico, quem domnus Hadrianus apostolicus dedit gloriosissimo
Carolo regi Francorum et Langobardorum ao patricio Romanorum quando
fuit Romac. Die Beziehung dieser Notiz auf das .Jahr 774 i.st jetzt allge-
mein (s. Abel, JB. I S. 179 f.). Den Inhalt der Sammlung bildeten die 50
Bog. apostolischen Kanones, die Beschlüsse der Synoden von Nicea, Ancyra,
Neocäsarea, Gangra, Antiochien (.341;, Laodicea, Konstantinopel, Chalcedon,
Sardica, Karthago (419), päpstliche Dekretalen von Siricius — Gregor II.
(8. Maaasen, Geschichte der Cjuellen des kanon. Rechts I 11^701 S. 444 tf.;
Richter-Dove, KR., 8. Aufl., S. 76 f.).
4) Poet. lat. I S. 90.
— 229 —
vielen Worten, die zum Teil nicht zu verstehen sind, hebt sich ein
sehr bestimmt ausgesprochener Gedanke empor: Das kirchliche
Gesetz ist imüberwindlich; glücklich, wer es beobachtet: weiche nie
von ihm. indem du diese Vorschriften erfüllst.^) Das konnte nicht
missverstanden werden. Karl nahm das Geschenk an; aber er
that nichts, um die Zustände zu ändern, welche den kirchhchen
Ordnungen zuwider waren, geschweige denn, dass er je diese Deki-ete
als von nun an im fränkischen Reich giltiges Recht bekannt gemacht
hätte.-) Sie galten nach dem Jahr 774 genau so weit, als sie vor
demselben gegolten hatten: wie Pippin an kü'chliche Rechtssätze
1) V. 1 : Divina fulgens doctrina sceptra praecellit regni.
V. 5: Nusquam enim vinci potest disciplina caelestis.
Olim eam sumens paterni triumphans regni
Exemplum, quo devota fides victoria gaudet.
V. 45: A lege nunquam discedi haec observans statuta.
2) So Rettberg. Er spricht von Annahme des damals bestehenden
kanonischen Rechts zu voller C4eltung im fränkischen Reich und lässt die
Veröffentlichung durch das Kapitular vom 23. März 789 erfolgen (KG. D.'s I
S. 426); ebenso Abel (JB. S. 180). Allein die admonitio generalis setzt
voraus, dass die canonica instituta befolgt werden müssen. Seit namque,
hält Karl den Bischöfen vor, prudentia vestra, quam terribili anathematis
censura feriuntur qui praesumtione contra statuta universalium conciliorum
venire audeant (cap. 60 S. 57). Auf Grund dessen erinnert Karl an eine
Reihe kanonischer Vorschriften, welche er nach der Dionysio-Hadriana
zitiert. Aber das war nicht mehr, als was Chlothachar II. ebenfalls gethan
hatte, wenn er in seinem Edikt vom 18. Oktober 614 bestimmte, ut canonum
statuta in omnibus conserventur, et quod per tempore ex hoc praetermissum
est vel dehac perpetualiter conservetur (cap. 9, 1 S. 21). Volle Geltung
aber hatte das kanonische Recht nach 789 ebensowenig als nach 614, Das
beweisen, um nur zwei Punkte anzuführen, die Ernennungen der Bischöfe
und die Unterwerfung der Geistlichen unter das weltliche Gericht, die in
Strafsachen statthatte. Ebensowenig ist es richtig, dass auf der Aachener
Synode von 802 die Dionysio-Hadriana förmlich rezipiert wurde (Maassen
a. a. 0. S. 469). In Aachen geschah nichts anderes, als was vorher und
nachher auf anderen Synoden auch geschah: man verlas kanonische Vor-
schriften und bekannte sich dadurch zu der Verpflichtung, sie zu beobachten
(Ann. Lauresh. z. J. 802 S. 39 und Chron. Moiss. S. 306; vgl. Bonif. ep. 78
S. 351 über die Synode von 747 und Syn. Mog. [a. 813] praef. S. 64).
Jedoch unbedingte Geltung hatten die kanonischen Vorschriften auch nach
802 nicht, und hatten sie so lange nicht, als man nicht die Kirche dem
Staat überordnete. Nur dies ist richtig, dass seit 774 die Kanones aus
der Dionysio-Hadriana zitiert wurden. Aber sie hatten Geltung, nicht weil
sie in dieser Rechtssammlung standen, sondern weil sie Beschlüsse der all-
gemeinen Kirche repräsentierten. Jene Sammlung aber benützte man, weil
sie, um mit den Worten jener Würzburger Handschrift zu reden , die-
— 230 —
ennnert hatte, so tliat es auch Karl, und so wenig sich jener (hncli
sie gel)un(len liiflt. so wenig dieser: seine Voi'schriften waren bald
Wioderht »hingen älterer Synodalheschlüssc. bald Verfügungen, die
er kraft seiner Königsgewalt nach Beratung mit seinen Grossen
erliess: beide wurden als ganz gleichwertig neben einander gestellt.')
Die Anerkennung des kanonischen Kechts hob die Thatsache nicht
auf, da* der König der oberste Leiter der ü'änkischen Kirche war.
seiiu' Geltung hatte deshalb ihre Grenzen an der Macht des Königs
und dem Gesetz des Volks.
PVagt man nun. was Karl für die Kirche und durch die
Kirche erstrebte, so ist unverkennbar, dass er sie als ehrwürdige
und mächtige Institution verehrte und dass er in ihr die wertvollste
Stütze für die Ausbreitung der Kultur erkannte. Beides beweist
seinen klaren Blick. Grösser jedoch ist er darin, dass er der reli-
giösen Aufgabe der Kirche volles A'erständnis entgegenbrachte. In
allen seinen Massregeln tritt das hervor, mögen sie sich auf das
Amt der Bischöfe, auf die Thätigkeit der Priester oder auf die
Zustände der Gemeinden beziehen.
Was das erete aidangt, so erhielt der Episkopat durch ihn
jene leitende Stellung innei'halii der Diözesen, welche Bonifatius
und Pijipin für ihn erstrebt hatten. Die noch vorhandenen Reste
konkuirierenden Einflusses wui-den beseitigt: AVander- und Dorf-
bisdicife verschwanden.-') die Chorbischöfe fügten sich als unter-
geordnete Gehilfen unter die Herrschaft des Bischofs:"') die ge-
saniti- ( Jeistlichkeit wurde seiner Aufsicht unterworfen.^) Sein Ein-
authentische Fassung der Kanones darbot: war sie doch durch den Ver-
treter der kirchlichen Tradition, den Bischof von Rom, verbürgt.
1) Vgl. cap. 22, 1—59 und 60—82 S. 58 ff.
2) Cap. 19, 4 (a. 769) S. 45; 22, 19 (a. 789) S. 55, Erneupruncr do.s 57.
can. von Laodicea und des 6 can. von Sardica; 28, 22 (a. 794 1 8. 70; vgl.
Conc. Cal)il. (a. 813) can. 43 S. 102.
3) Cap. 22, 9 S. .54; 47. 4 (c. a. 806) S. 133; hier erscheinen die Chor-
bischöfe als vicarii episcoporuin. So sind wolil amh Ainalbnrt und Agobard
unter Leidrad von Lyon zu betrachten, Leidrad np. ad Carol. M.*;. Kp. iV
S. 544. Vgl. auch Cod. Carol. 3, 1 8. 481.
4) Cap. 20, 4 (a. 779) 8. 47; 22, 10, 28 f., 37 (a. 789) 8. 55 f.; 33, 21
(a. 802) S. 95; 84, 4—6 (vor 800) 8. 182; vgl Conc. Arel. (a. 813j can. 24
S. 62; Mog. (a. 813) can. 22, 31 S. 71 f. \>hsh die Durchführung Schwierig-
keiten hatte, ergiebt sich au.'« cap. 73, 1 (a. 811) 8. 164; jedoch waren die
Zustände unter Karl besser als früher; vgl. Conc. Tiir. fa. 813) c. 13 8. !^5 :
Ne aliquis presbytor ab alterius parochia in suam commigrans officium
celebrare pmesumat sine Uteri» eommendatitiis, sicut olim multis in locis
actum esse repertum est.
— 231 —
fluss erstreckte sich awf alle kirchlichen Institute seines Sprengeis:
auch die Eigenkirchen wurden von ihm visitiert: er hatte üher ihre
würdige Ausstattung und ühei' den Gottesdienst in ihnen zu wachen.^)
Kein Giiindherr konnte eine Kapelle ohne seine Zustimmung er-
richten.-) an keiner Kirche konnte ein Kleriker ohne seinen AVillen
angestellt oder entlassen werden."^) Die Klöster mussten sich
wieder "svie vordem in vielen Stücken der hischöflichen Aufsicht
unterordnen: sie ei-streckte sich nicht nur auf das kirchhche Ver-
halten der Rehgiosen im allgemeinen, sondern auch auf die Be-
obachtung der Regel, die Bestellung der Klosterbeamten, bei Nonnen-
klöstern selbst auf die Aufnahme neuer Mitglieder und die Grün-
dmig neuer Konvente."^) Aber dadurch die Bischöfe zu Fürsten
zu machen. Avar nicht nach dem Sinn des Königs: er verwarf es,
wenn sie sich in die Geschäfte der Grafen mischten.'^) und miss-
bilhgte es, wenn sie einen glänzenden Hof hielten oder sich mit
bewaifiaetem Gefolge umgaben.^) Sie sollten sich nicht als HeiTen,
sondern als Hii-ten der Kirche Christi fühlen.') Karl erinnerte sie
1) Cap. 42. 1 (a. 803—804) S. 119: 77, 1 (a. 801—813) S. 170; 83, 4
(a. 813?) S. 182: 84, 8 (a. 813?) S. 182. In diesen Bestimmungen sind die
Bischöfe ausdrücklich genannt ; 77, 1 auch die königlichen, sowie die Eigen-
kirchen erwähnt. Nicht genannt sind die Bischöfe 33, 15 fa. 802) S. 94
und 81, 5 f. (a. 810—813) S. 178. Doch sind sie in beiden Stellen gemeint.
Mit der bischöflichen Aufsicht konkurrierte die der Königsboten s. 40, 1
(a. 803) S. 115; 43. 8 (a. 805) S. 121. Die Niederreissung einer überflüssigen
Kirche konnte nach 40, 1 nur der Königsbote anordnen.
2) Cap. 42, 3 (a. 803—804) S. 119; 57, 6 (a. 801—814) S. 144. Vgl.
Stutz S. 225 f.
3) Cap. 19, 9 (a. 769) S. 45; 38, 12 (a. 802) S. 110; 78, 2 f. (a. 813)
S. 173; 81, 2 (a. 810—813) S. 178: 83. 7 (a. 813) S. 182; vgl. 33, 21 (a. 802)
S. 95; Conc. Arel. (a. 81-3) c. 4 S. 59 f.; Mog. c. 29 S. 72; Tur. c. 15 S. 85;
Cabil. c. 42 S. 102.
4) Cap. 23, 19 (a. 789) S. 63: der Bischof bestimmt, wo ein Nonnen-
kloster passend errichtet werden kann; 28, 17 S. 76: (a. 794j die Abtswahl
per consensu episcopi. ib. 47 S. 77: die Bischöfe haben zu untersuchen, ob
die Äbtissinnen nach der Kegel leben; 33, 15, 17, 18, 20 (a. 802) S. 94 f.:
Disziplinarbefugnis des Bischofs über die Mönche, Anstellung weltlicher
Güterverwalter mit Zustimmung des Bischofs, Aufsicht des Bischofs über
Annahme von Nonnen; 77, 1 (vor 802) S. 170: Visitation der Klöster durch
den Bischof; 84. 4 (vor 800) S. 182: kanonische Gewalt der Bischöfe über
die Klöster; Conc. Mog. (a. 813) c. 20 S. 70: Visitationsrocht.
5) Cap. 71, 5 (a. 811) S. 161.
6) Cap. 72, 8 und 11 (a. 811) S. 163 f.
7) Cap. 22 (a. 789) praef. S. 53: Placuit nobis vestram rogare soler-
tiam, 0 pastores ecclesiarum Christi et ductores gregis eius et clarissima
— 232 —
an den Vntei"schied zwischen der Herrschaft, welche Zwangsmittel
verwendet, und der Leitung, welche sich auf ethische Einwirkung
beschränkt.') Wie er selbst in jedem Augenblick König war und
als König handelte, so sollten sie in jedem Moment in der Aus-
richtimg ihres Amtes aufgehen. Deshalb forderte er, dass sie sich
regehnässig in ihren Diözesen aufhielten. Er legte solches Gewicht
hierauf, ^lass er ihnen die Erlaubnis verweigerte, länger als drei
Wochen auf ihrem Eigengut zu verweilen.-) Auch die äusseren
Geschäfte, welche mit der Güterverwaltung und dem Rechtswesen
zusammenhingen, sollten sie nicht von ihrer eigenthchen Aufgabe
abziehen. Mit Rücksicht darauf förderte der König die Aufstellung
von Kirchen Vögten. Die Einrichtung war nicht neu. Längst vor
Karl liessen Bischöfe und Abte Rechtsgeschäfte durch Bevollmäch-
tigte vollziehen.'') AVas üblich war, wurde von ihm geboten; zu-
gleich empfahl er Sorgfalt in der AusAvahl der Personen. Die
Yögte sollten in der betreffenden Grafschaft begütert sein; man
sollte sie als gesetzeskunchge. bilhgdeukende und friedfertige Männer
kennen. Jeder Missbrauch ihrer Macht sollte verhütet werden.'*)
Unter den Amtspflichten der Bischöfe hob Karl neben der
Sorge ftir die Bildung des Klerus besonders die regelmässige Vor-
mundi luminaria, ut vigili cura et sedula animonitione populum Dei ad
paecua vitae aeternae ducere studeatis et errantes oves bonorum exem-
plorum seu adhortationum huraeris intra ecclesiasticae firmitatis muros re-
portare satagimini etc. Vgl. 72, 2 (a. 811) S. 162 und Äuaserungen Alkuins
wie ep. 184 S. 310; 193 S. 321; 225 S. 368 f.
1) Cap. 33, 11 (a. 802) S. 93; (Episcopi) non potentiva dominationera
vel tyrannide sibi subiectos premant, sed simplici dilectionem cum man-
suetudinem et caritatem vel exemplis bonorum opernm commissa sibi grege
sollicite custodiant.
2) Cap. 22, 41 (a. 789) S. 56; 28, 41 (a. 794) S. 77.
3) Vgl. Foruiul. Marc. I, 36 S. 66.
4) Cap. 33, 13 (a. 802) S. 93 und 77, 14 (vor 802) S. 172. Da in dem
letzteren Erlas« geboten ist, ut episcopi et abbates advocatcs babeant, in
dem erfteren, ut episcopi . . advocatos . . legem scientes et iustitiam diii-
gentes . . habeant, so wird cap. 77 vor cap. 33 erla.ssen sein; zu vergleichen
ist Conc. Mog. c. 50 S. 74. Die Einrichtung scheint in Karls Zeit ziemlich
allgemein gewesen zu sein; das zeigen die karolingi.schen P'ormeln S. 211,
212, 213. 2.30, 282, ferner einzelne bestimmte Erwähnungen: P'ulda a. 793
und 796 (Dronke 107, 117 — 119), Reichenau (Form. Aug. 13 S. .3.54),
Prüm (Commem. de cella s. Goar., M.G. Scr. XV S. 373), Freising (Meichel-
beck I, 2 S. 93 Nr. 121), Sens (Form. Senon. 34 S. 200). l'ippin suchte die
Einrichtung in Italien einzuführen (cap. 95, 3 S. 201, von Rettberg, KG.
D.'s II S. 614, ahs von Karl erlassen betrachtet).
— 233 —
nähme der Kirchenvisitationen ^) und die Abhaltung von Diözesan-
synoden -) hervor.
Mehr als gegenwärtig pflegte im Mittelalter die Ausfiilirung
der Gesetze hinter ihrem Wortlaut zurückzubleiben. Das Pflicht-
gefühl der Vorschrift gegenüber ist ebenso Ertrag einer langen
sitthchen Kultur wie der bereitwillige Verzicht darauf, das eigene
Ich geltend zu machen. Beides wai' in der Karohngerzeit nur
schwach entwickelt; so wird denn auch der kirchliche Zustand
dem, was Karl wollte, nicht gleich gewesen sein. Jedoch giebt
es Anhaltspunkte dafür, dass seine Anordnungen nicht fruchtlos
waren.
Was tüchtige Bischöfe leisteten, zeigt anschaulich der Verwal-
tungsbericht Leidrads von Lyon.^) Der Bischof erwähnt im Ein-
gang seiner Denkschrift die Mahnungen, welche ihm der König
bei seiner Ernennung ans Herz legte. Karl wies ihn auf den Ver-
fall der kirchlichen Zustände in Lyon hin : möge man auf das
Innere oder auf das Äussere blicken, so habe man ein Bild der
Verkommenheit; weder sei der Gottesdienst, wie er sein sollte, noch
die kii'chlichen Gebäude, wie es sich geziemte. Die Aufgabe des
Erzbischofs sei es, gewissenhaft für seine Kirche Sorge zu tragen,
an ihrer Hebung zu arbeiten. Leidrad stellt nun dar, Avas er that
und was er erreichte. Als sein erstes Ziel habe er die Heran-
bildmig eines tüchtigen Klerus betrachtet, der seinen Pflichten
genügen könne. Das Ziel sei zum grossen Teil bereits erreicht.
Dadurch, dass Karl die Einkünfte seiner Kirche zmiickgegeben
habe, sei die Neuordnung des Gottesdienstes möglich geworden; er
habe ihn nach dem Vorbild der Palastkapelle eingerichtet. Auch
die Gründung von Schulen, die Ausstattung der Kirchen mit
gottesdiensthchen Geräten und reichen Priestergewändern sei bereits
vollzogen. EndHch berichtet Leidrad über die von ihm unter-
nommenen Bauten: Kirchen'*) und Klöster seien wiederhergestellt,
ein Haus für die Kanoniker neu eirichtet, der eine der bischöf-
hchen Höfe sei restauriert, der andere werde erweitert, um Raum
für die Aufnahme des Kaisers zu bieten.
1) Cap. 19, 7 (a. 769) S. 45; 22, 70 S. 59; 77, 1 (vor 802) S. 170;
78, 16 und 23 (a. 813) S. 174; vgl. Conc. Arel. la. 813) c. 17 S. 61.
2) Cap. 22, 13 S. 55: zweimal im Jahr Provinzialsynoden nach Conc.
Antioch. c. 20; Chalced. c. 19; 37, 7 (a. 802) S. 108; 47, 1 (a. 806?) S. 133;
84, 5 (vor 800) S. 182.
3) M.G. Ep. IV, S. 542 S. Nr. 30.
4) Es sind 6 Kirchen namhaft gemacht: St. Johannis, Stefan, Nicetius,
Maria, Eulalia, Paul, das Nonnenkloster St. Peter mit 30 Nonnen, und die
beiden Mönchsklöster St. Martin mit 90 und St. Kegnebert mit 56 Mönchen.
— 234 —
Leidiad übertraf viele seiner Aintsgenossen an Geist und
rascher Tliatkrat't: aher etwas von dein, was er vollendete, liahen
ohne Zweifel die meisten Bischöfe des Reichs unternommen. Der
Fortscln'itt war unverkennliar: Ordnunir und Tjchon iuiiorhallt der
fränkischen Kirche erstarkten wieder.
Das zeigte sich im Synodalwesen. Es ist sicher, dass die
bisclK'if liehen Synoden mit einer gewissen Regelmässigkeit abgehalten
wurden. Den Beweis kann man für Orleans^) wie für Limoges"),
für Lüttich ^) wie l'ür Basel ^). für Freising"') wie für Passau*)
führen: man wird es von allen Bistümern annehmen dürfen. Diese
Vei-samndungen iHenten vornehndich der Disziplin des Klerus: die
Bischöfe benützten sie. um den Priestern ihre Amtspflichten vorzu-
halten. Di(^ Tagesordnungen einiger Diözesansynoden. die auf uns
gekommen sind, gewähren eine Vorstellung von der Weise, in
welcher man dabei verfuhr.') Oder der Bischof forderte von seineu
1) TheoduCfi cap. I, 4 S. 193: Quando iiiore solito ad synodum con-
venitis, vestimenta et libros et vasa sancta, cum quibus vostrum ministeriuiu
et iniunctum officium peragitis, vobiscum deferte; neenon duo.s aut tres
clericos, cum quibus missarum solemnia celebratis, vobiscum adducite, ut
probetur, quam diligenter, quam studiose Dei servitium peragitis.
2) Ale. ep. 298 S. 457 an Raganbcrt von Limoges über Priester in
dessen Diözese, deren Pfarreien der .Abtei St. Martin gehörten: .\d tuam
■sinodum venire debcnt et rationem reddere de officiis spiritaliVms.
3j Unter Ghärbald von Lüttich (784-810) sind zwei Lütticher Synoden
nachweisbar (cap. 123 S. 242 ft". und Mansi XIII, 1090 ft'.). Hefele hat in
seiner Konziliengeschichto beide übersehen.
4) Die sogen. Kapitel Huitos von Basel (caj). 177 S. 362tf.) sind offen-
bar Tagesordnung einer Baseler Synode. Das zeigen die ersten Worte:
Prirao oranium discutienda est sacerdotum fides, qualiter credant et alios
credere doceant.
5) Meichelbeck, Urkunde 29 S. 45: Arbeo episcopus cum cuncto clero,
quia synodalis accesserat dies, quod erat Y feria ante Pascha, in qua
chrisma conticitur (a. 775). Nr. 170 S. 114: Actum est haec in i)ublico
synodo ad Frigisinga in praesentia domni Attoni ep. il. Mai 809). Nr. 139
S. 101 : Hoc factum est . . in praesentia domni Attoni ep. seu cuncto clero
in publico synodo congrogato (16. September H04). Nr. 192 S. 122, ebenso
(4. Augu.st). Man sieht, dass in der Freisinger Diözese Frühjahrs- und
Horbst.synoden stuttzuHnden pflegten.
6) M. B. 28, 1 S. 57 Nr. 70: In sidone coram omnibus sacerdotibus
et popnlo qui ibidem congregatus erat (Passau, 7. .luni 788 — 800).
7) Ausser den Kapiteln fthärbalds und Haitos kommen als Tagesord-
nungen, bezw. Beschlüsse von Difize.sansynoden in Betracht cap. 119 S. 236
und 120 S. 237 ff.: da das letztere Kapitulare nur von den Pflichten der
Priester handelt, so wird es nicht einer Provinzial-. sondern einer Diözesan-
synode angehören; sodann das Mansi XIV, 889 ff. und Migne 96, 1375 ff.
— 235 —
Geistlichen 'Bericht «her ihre Wirksamkeit; so that Theodulf;^)
aiicli Alkuin l)etrachtete es als selbstverständHch, dass die Pfarrer
auf der Synode Rechenschaft über ihre geisthchen Pflichten ab-
legten."-)
Dagegen bürgerte sich das Institut der Provinzialsynoden nicht
ein, wenngleich einzelne unter Karls Regierung stattfanden.^) Schon
gedruckte Commonitorium cuiusque episcopi = homilia Leonis pap. IV und
identisch mit dem von Wattenbach (N. A. VI S. 192 ff.) veröffentlichten
Pastoralschreiben und dem von Sdralek, Wolfenb. Fragm. S. 180 ff. heraus-
gegebenen Schriftstück. Ich halte es für unmöglich, dass das Commoni-
torium ursprünglich nach Rom gehört: dann würde der Vergleich des
Papstes mit Petrus, der Bischöfe mit den übrigen Aposteln nicht fehlen.
Da sich der Redende mit einem Apostel vergleicht, so war er ein Bischof,
und da er seine Zuhörer mit den 70 Jüngern vergleicht, so sprach er nicht
als Erzbischof zu Bischöfen, sondern als Diözesanbischof zu Priestern.
Stammt aber das Commonitorium nicht aus Rom, so macht die inhaltliche
Übereinstimmung seiner Forderungen mit den Kapitularien und Synodal-
statuten der Zeit Karls sehr wahrscheinlich, dass es in diese Zeit oder in
den Anfang der Regierung Ludwigs d. Fr. gehört. Die Annahme, dass
Rather von Lüttich der Verfasser des Commonitoriums sei, die Loofs PRE.
II S. 191, 12 fi". als zweifellos bezeichnet, scheint mir keineswegs sicher.
.Gewiss zitiert Rather Itin. 6 S. 588 f. eine Synodica. Aber die Stelle Moneo
igitur paternaliter etc. findet sich nicht in dem Commonitorium, demnach
ist die Synodica Rathers auch nicht mit dem letzteren identisch. Die Wahr-
scheinlichkeit, dass dieses in das 9. Jahrh. gehört, scheint mir viel grösser
als die, dass es aus dem 10. stammt.
1) S. 0. S. 234 Anm. 1. Vgl. c. 28 S. 200: Cum ad synodum in unum
conveneriraus, sciat nobis unusquisque (presbyterj dicere, quantura Domino
adiuvante laboraverit.
2) S. 0. S. 234 Anm. 2.
3) Die Mainzer Synode von 813 setzt voraus, dass ab und zu Provinzial-
synoden stattfanden (c. 22 S. 71). Die Tagesordnung einer Provinzialsynode
ist cap. 118 S. 236; sie ist auffällig dürftig. Beschlüsse einer Provinzial-
synode liegen vor in den sog. Synodalstatuten des Bonifatius (Mansi XII
S. 383 ff.). Dass sie mit Bonifatius nichts zu thun haben, beweist die Er-
wähnung des Kaisers c. 11; und dass dieser Kaiser Karl d. Gr. war, ergiebt
die Übereinstimmung der einzelnen Verfügungen mit Anordnungen Karls.
Einem fränkischen Erzbistum können diese Statuten 'nicht angehören, da sie
den Martinstag nicht als Fest kennen (c. 36); aus dem gleichen Grund
können sie nicht aus Baiern stammen (vgl. Stat. Risbac. 5 S. 227); an Italien
zu denken, verwehrt c. 27. Es liegt nahe, an ein Erzbistum zu denken,
dessen Bevölkerung zum Teil deutsch, zum Teil romanisch sprach. Ein
solches p]rzbistum war das burgundische Besan^on. Hier aber wurde, wie
die Kapitel Haitos zeigen (c. 8 S. 364), in der That das Martinsfest nicht
gefeiert. Die Statuten gehören also wahrscheinlich dem genannten Erz-
bistum an. Ebensowenig können die Mansi XII app. S. 107 ff. gedruckten
— 236 —
die langsame Durclifülirung der Metropolitanciiiteikiug niusste hin-
derud wirken. Besonders aber war dieser Einrichtung der Boden
dadurch entzogen, dass alle Fragen von allgemeinerer kii-chlicher
Bedeutung auf den Reichssynoden erledigt wurden, die sich, wie
wir sahen, an die Keichsversannnlungen anschlössen.^) Diese Be-
handlung der kirchlichen Angelegenheiten entsi)rach zu sehr den
alten Gewohnheiten der fränkischen Kirche, als dass rein kirchliche
Provinzialsynoden hätten Bedeutung gewinnen köimen. Wie die
Dinge lagen, waren sie überflüssig.
Bischöfliche Kirchenvisitationen fanden während Karls Regie-
rung sehr häufig statt;-) sie waren zugleich Predigtreisen der
Bischöfe.'') In gewissem ]V[ass fühlten sich die letzteren noch zur
Verkündigung des Evangeliums in ihrer ganzen Diözese verpflichtet.
Das lebhaft(! Bild einer Kirchenvisitation erhalten wir durch eine
Aufzeichnung, die von einem bairischen Bischof dieser Zeit zu
stammen scheint. Priester und Mönche, Kanoniker und Laien sind
in der Kirche versammelt: der Bischof wendet sich zuei-st an die
Priester, er fi'agt sie nach ihrem Glaul)en, forscht, ob sie das
Symbol und das Vaterunser, auch die Kirchengesetze und das
Pönitentiale recht verstehen, wie sie die gottesdienstlichen Hand-
lungen, Messe, Predigt, Taufe, vollziehen. Sodann Avird die Be-
obachtung der Regel von Seiten der Kanoniker und der Mönche
untei-sucht. Zuletzt fragt der Visitator die Laien, wie sie „ihr
Gesetz'' kennen und verstehen, und mahnt sie, ilafiir zu sorgen, dass
ihre Kinder nicht ohne rnterricht aufwüchsen."*) Karl erkannte
Kapitel von Bonifatius zusammengestellt sein, wie Ilefele (CG. III S. 560)
u. a. annehmen. Doch erweisen sie sich auch nicht als ein Synodalbeschluss,
sondern sie sind ein köni;,'lichf's Kapituhiro. Da c. 8 von den Königen die
Kede ist, so sind sie zwischen dem 24. September 768 und dem 4. De-
zember 771 erlassen. liairiache Provinzialsynoden fanden unter Erzbischof
Arn mehrfach statt. Darüber unten Kajiitel Vll. ■
1) Vgl. oben S. 209 f.
2) Die Häufigkeit der Visitationen orgiebt sich aus den Klagen über
die Beschwerung der Gemeinden durch dieselben; vgl. Ludwigs cap. 138,
19 (a. 818—819) S. 278.
3) Cap. 19, 7 S. 45: Populum contirmare et plebes docere et investi-
gare et prohibere paganas observationes. 77, 1 S. 170; 78, 16 8. 174: Cir-
cumeat parochiam suam docendo et ammonendo.
4) Cap. 116 S. 2.34. Dass diese Kragtm nirht, wie l'oretius annimmt,
l'jaminationsfragen sind, weiche vor der Ordination an einen Priester ge-
richtet wurden, ergiebt sich daraus, daas sich der Fragende auch an Kano-
niker, Mönche und Laien wendet. Der Satz .In ))alatio regis etc." ist
deshalb nicht die (berschrift. Die Handschrift, der die Fragen entnommen
— 237 —
den Wert Sieser Einrichtung: er erleichterte den Bischöfen die
Ausführung, indem er sie auf die Unterstützung der Grafen ver-
wies.*) Hier ist der Urspmng des Sendgerichts.
Für die Tüchtigkeit des Episkopats konnte Karl unmittelbar
Sorge tragen, da die Auswahl der Bischöfe in seiner Hand lag.
Dagegen hatte er keinen direkten Eintluss auf die Zusammen-
setzung des Priesterstandes. Die Ordination der Pnester fiel in
den Berufskreis der Bischöfe, ihre Bestellung zum Dienst an be-
stimmten Kirchen und Kapellen gehörte zu den Rechten der Be-
sitzer der letzteren, mochten sie Geistliche oder Laien sein.^)
Gleichwohl war das Bestreben des Königs von Beginn seiner
Regierung an darauf gerichtet, den gesamten geisthchen Stand zu
heben. ^) Li diesem Punkt Hess er nicht nach; man kann im
Gegenteil bemerken, dass er in seiner späteren Zeit häutiger darauf
zm-ückkam als in den früheren Jahren. Es ist, als habe er je
länger je mehr sich mit der Überzeugung durchdrungen, dass die
Erfüllung der Aufgaben der Kirche in erster Linie von der Tüchtig-
keit der Pfan-er abhängt.
Mit seinen Massregeln setzte er zunächst die Reformen fort,
welche Bonifatius und Pippin begonnen hatten. Er griff mit neuer
Energie die Reinigung cles geistlichen Standes von unwürdigen
Gliedern an; schon in seinem ersten Kapitulare vom Jahr 769
verfügte er, dass Priester, welche mehrere Frauen gehabt, Blut
vergossen, überhaupt den kirchlichen Vorschriften entgegengehandelt
hätten, der geisthchen Würde zu entkleiden seien. ^) AhnKche
Bestimmungen hat er öfter wiederholt.'^) Sie wurden auch aus-
geführt. Als ein schottischer Priester, der in der Diözese Köln
Verwendung gefunden hatte, sich eines Bnichs der Fastengebote
sind, stammt aus Regensburg; der Bischof, der sie niederschrieb, wird also
in Baiern zu suchen sein. Vgl. auch Cap. 22, 70 f. S. -59.
1) Cap. 19, 6 f. S. 4-5; der Satz „adiuvante grafione qui defensor eccle-
siae esf stammt aus Karlmanns cap. 10, 5 S. 25; 69, 4 (c. a. 810) S. 158.
Bestimmter ausgesprochen in dem auf Italien bezüglichen cap. 90, 6 (a. 781)
S. 190.
2) In Bezug auf die Anstellung von Priestern an den Kirchen der
Königshöfe verfügte Karl : Non alii clerici habeant ipsas ecclesias, nisi nostri
aut de familia aut de capella nostra (cap. 32, 6 S. -32).
3) Die Erhöhung des Wehrgelds der Kleriker (cap. 39, 1 [a. 803]
S. 113) wird damit in Verbindung stehen.
4) Cap. 19, 5 und 15 S. 45 f.
5) Cap. 22, 58 (a. 789) S. 57; 37, 5 und 13 (a. 802) S. 108; vgl. Conc.
Mog. (a. 813) can. 10 S. 67 f.
— 238 —
sclmklig machte, Hess ilm Karl in seine Heimat zurückbringen.
Sein Heimatl)iscliof sollte ihn richten.')
Die gleiche Ahsiclit verfolgte Karl, indem er die älteren Vor-
schriften erneuerte, durch welche der ]\risslirau(h des Ordinations-
rechtes der Bischöfe verhütet werden sollte,-') und indem er auf
Ausfüln-ung iler kirchlichen Ciebote drang, durch die das Lehen
der Kleiiker geregelt war."') Neben die alten Anordnungen gegen
die nie ganz ausgerottete I'nzucht der Kleriker und ihre Beteili-
gung an weltlichen Beschäftigungen, besonders an Krieg und Waid-
werk, traten da und dort neue, welche jedocli im Geist der alten
gedacht waren."*) »Sittliche Integrität und Konzentration auf den
geistlichen Beruf war das Ziel, das erreicht werden sollte. Es ist
begreiflich, dass Karl die Einfühi'ung des kanonischen Lebens be-
günstigte; er wünschte, dass der Klerus der grösseren Kirchen es
1) Ale. ep. 87 S. 131. Der Vorwurf w:ir nicht eigentlich erwiesen;
gleichwolil wollten die Bischöfe den Ausländer nicht länger in seinem Amt
dulden, ne sacerdotalis honor apud iniperituni vulgus vilesceret vel rumi-
gera loquela aliqui hortarentur violare sanctum ieiunium.
2) Keine Ordination um Geld: cap. 22, 21 f. (a. 789) S. 55; 81, 1
(810— 813V) S. 178; vgl. Haiton. cap. 12 S. 364; Theod. c. 16 (Migne 105
S. 196j; Conc. Cabil. (a. 813) c. 16 8. 97. Keine Ordination vor dem
30. Lebensjahr: cap. 22, 50 S. 57; 28, 49 (a. 794) S. 76; vgl. Conc. Tur.
(a. 813) 12 S. 85. Keine Ordination fremder Kleriker: cap. 20, 6 (a. 779)
S. 48; 22, 3 und .56 S. 54 und 57; 37, 2 f. (a. 802) S. 108. Keine ordinatio
absoluta: cap. 22, 25 S. 55; 28, 28 S. 70. Analog ist das Verbot der Auf-
nahme fremder Kleriker ohne vorhergehende Prüfung cap. 19, 4 (a. 769)
S. 45; vgl. Haito von Basel cap. 177, 13 S. 364.
3) C4egen Unzucht: cap. 19, 5 S. 45; 33, 24 (a. 802) S. 96; 35, 3
(a. 802) S. 102; 36, 15 (a. 802) .S. 107; 37. 9 und 13 S. 108; 38, 5 (a. 802)
S. 110. Vgl. 123, 1 S. 243 (Ghärbald von Liittich); 177, 9 S. 304 (Haito);
Conc. Mog. (n. 813) c. 49 S. 74; Rem. c. 22 S. 79. Gegen Teilnahme an
Krieg und .Jagd: cap. 19, 1-3 S. 44; 22, 70 S. 59; 23, 31 (a. 789) S. 64;
33, 19 S. 95; 35, 37 S. 103; 36, 18 S. 107. Vgl. 123, 3 S. 243; 177, 11
S. 304; Conc. Mog. can. 17 S. 70; Tur. c. 8 S. 84. Gegen weltliche Be-
schäftigungen: cap. 22, 23 S. 55; 23, 30 S. 64; 28, 24 S. 76; 37, 1 S. 108;
81, 13 (a. .slO— 813) S. 179. Vgl. 121 S. 240; 123, 10 f. S. 244: Conc. Mog.
c. 14 S. 69; Cabil. c. 12 S. 96.
4) Cap. 33, 10 (a. 802) S. 94: Vi neque episcopu.s neque abbaa in
monasterio vilioros meliori plus diligit et cum sihi propter consangiiini-
tatem suam vel aliqua adolationem melioribuH suis praeferre studeat et
talem nobi« ducere ordinandum , cum meliorem eo habet occultato et
oppressu. 22, 72 S. 60: iSacerdotes) non solum servilis conditionis infantea
aed etiam ingenuorum filios adgregent, siVjique socient; vgl. 72, 10 (a. 811)
S. 16.3.
— 239 —
allgemein annehme;^)' eine Analogie meinte er sogar bei dem Klerus
der Pfarrkirchen verwirklichen zu können.-)
In allen diesen Punkten führte er alte Reforniforderungen aus.
Neu war, dass er ein Minimum theologischen Wissens als unerläss-
hch von jedem Priester verlangte. Die Prüfung der Ordinanden,
welche gemäss dem neunten Kanon der Synode von Nicäa vor-
genommen werden sollte, erstreckte er auch auf die theologische
Bildung der Kleiiker.**) Wie sitthche Verfehlungen durch Aus-
schluss aus dem Priesterstand bestraft wurden, ebenso auch Un-
wissenheit.'') Karl machte es den Bischöfen zum Vorwurf, wenn
sie nicht auf alle Weise dafür sorgten, die fiü- das geisthche Amt
nötige Bildung unter ihrem Diözesanklerus zu verbreiten : mit guten
und strengen Worten sollten sie in die Nachlässigen dringen, Un-
bemittelte mit den nötigen Hilfsmitteln versehen, aus den Hörigen
begabte Jünghnge auswählen und sie ausbilden; überall finde man
solche, die dazu geeignet seien. ■^) Gefordert wurde Verständnis des
1) Cap. 22, 73 S. 60; 33, 22 S. 95 f.; 34, 2 S.. 100; 35, 27 S. 103: Ut
episcopi et reliqui sacerclotes . . secunclum canonicam institutionem vivant.
71, 11 (a. 811) S. 161; 78, 4 (a. 813) S. 173; 79, 3 (a. 813) S. 175. Vgl.
116, 9 S. 234; Conc. Mog. c. 9 S. 67; 20 S. 70 f.
2) Cap. 33, 23 S. 96: Presbyter! cleros quos secum habent sollicite
praevicleant, ut canonice vivant, non inanis lusibus vel conviviis saecularibus
vel canticis vel luxuriosis usum habeant, sed caste et salubre vivant; vgl.
c. 120, 7 S. 238.
3) Die Untersuchung, welche der 9. Kanon von Nicäa als üblich vor-
aussetzt, bezieht sich lediglich auf die sittliche Lebensführung der Ordinanden.
Karl führt die Bestimmung bereits cap. 22, 2 S. 54 erweitert an: Fides et
vita discutiatur. Und die nun übliche Examination (cap. 116 S, 234: In
palatio regis inventum habent, ut presbyteri non ordinentur priusquam
examinentui-) musste sich sachgemäss auf dieselben Stücke beziehen, nach
welchen bei den Visitationen geforscht wurde. Die Vorschrift der examinatio
mehrfach wiederholt: cap. 37, 10 S. 108; 40, 2 (a. 803) S. 115; Stat. Risb.
35 S. 229.
4) Cap. 19, 15 f. S. 46. Lehrreich ist die Umgestaltung, welche mit
der Formel für das Schreiben über die Bischofswahl vorgenommen wurde.
Bei Markulf I, 7 S. 47 wird der gewählte Bischof gerühmt wegen praespi-
cuetas sublimis, ingenuetas nationis, elegantia refulgens, diligentia castitatis,
caritatis locuplex. In der entsprechenden karolingischen Formel liest man
(form. 12 S. 119): Paret esse circumspecta moderatio, sublimis scientia,
nobilitas generis, elegantia morum, continentia laudabilis, amor civium,
sollicitudo pastoralis seu bonae voluntatis adsensus. Es war in das allge-
meine Bewusstsein übergegangen, dass ein Geistlicher theologisches Wissen
nötig habe.
5) M.G. Ep. IV S. 532 Nr. 22 an einen ungenannten Schüler des Boni-
fatius (vielleicht Lul), der in der Bildung seines Klerus lässig war.
— 240 —
apostolischen Symbols und dt's Vaterunsers, des Pönitentiale und
der gottesdienstlic'lien Formulare, die Fähigkeit, das Evaugehum zu
lesen und zu erläutern, ältere Homilien zu verstehen und wieder-
zugehen, endlich Kenntnis der kirchlichen Gesetze.^) Das war das
geringste Mass; spannte man die xVnsprüche höher, so kam etwa
noch hinzu Kenntnis des Kalenders, des sog. athanasiauischen Sym-
bols, der .Pastoralan Weisung Gregors d. Gr. und des Gelasius, sowie
die Kunst, Urkunden und Briefe zu schreiben;-) vereinzelt wurde
verlangt, dass der Priester den Psalter im Gedächtnis habe.'^) Das
war nicht viel. Erinnert man sich jedoch, welches Mass von
Unwissenheit Bonifatius bei den deutschen Klerikern gefunden
hatte, so ist klar, dass ein mächtiger Schritt vorwärts geschehen
war. Die Berufung der fremden Gelehrten in das fränkische Reich
trug reiche Frucht. Denn nicht einzelne glänzende Leistungen
bieten einen sicheren Beweis des Fortschritts, sondern die Erhöhung
des Durchschnittsmasses. Sie trat in Bezug auf die Bildung des
E^enis in Karls Zeit ein.
^ran versteht den Nachdi-uck, welchen Karl auf die theo-
logischen Studien der Priester legte, wenn man bedenkt, dass er
die Predigt als die weitaus wichtigste Thätigkeit der Geistlichen
betrachtete. Für seine Anschauungen ist bezeichnend, dass er in
dem Rundschreiben vom 28. März 789 die Vcri)riichtung zur Predigt
an der Spitze dessen nannte, was er für nützlich erklärte, ohne
dass er sich dafür auf einen kirchlichen Kanon berufen konnte.*)
Als er anordnete, dass unter den zum Würzburger Bistum gehörigen
]Main- und Rednitzwenden vierzehn Kirchen gel)aut würden, hatte
er ebenfalls vor allem die Notwendigkeit der Predigt für die Neu-
1) Vgl. die Visitations fragen aus cap. 116, 1 — 8 S. 234 oben S. 213.
Damit stimmen die gplegentlichen Anordnungen Karls überein: cap. 22, 70
S. 59: Ut episcopi . . discutiant per suas parochias presbyteros, eorum
fidem bapiisma et missarum celebrationes, ut et fidem rectam teneant et
haptisma catholicum observent et missarum preces bene intellegant, et ut
psalmi digne secundum divisiones versuum modulentur et dominicam ora-
tionera ipsi intellegant et omnibus praedicent intellegendam, ut quisque
sciat quid petat a Deo; .38, 1—4 (a. 802) S. 110.
2) Cap. 117, 1 fV. S. 235. Boretius erinnert, dass es ganz ungewiss
sei, von wem dieses VerzeichniB der Stücke, welche die Kleriker wissen
sollten, zusammengestellt ist. Doch lässt sich kaum bezweifeln, dass es in
die Zeit Karls gehört. Man vgl. femer cap. 119, 1—5 S. 236 f. ; Haito c. 177,
4—8 S. 363; Theodulf c. 1, 2 f. S. 193 und c. II .S. 209; Common, cuiusq.
ep. 47 S. 1379; Conc. Turon. (a. 813) c. 2 S. 84.
3) Cap. 119, 2 S. 236.
4) Cap. 22, 61 S. 58; 82 S. 61.
— 241 —
bekehrten im Auge.^)^ Er dachte sie überhaupt als regelmässigen
Bestandteil des Sonn- und Festtagsgottesdienstes, von keinem Priester
sollte sie unterlassen werden.-) Deshalb wurde bei der Kirchen-
visitation der Kleriker gefragt, wie er das Evangelium lese und
die Unwissenden darin unterrichte.^) Ein paarmal finden wir Äusse-
rungen über den Inhalt de;r Predigten. Dabei wird die Überein-
stimmung mit der heihgen Schrift im Gegensatz zu neuen und
eigenen Ei-fiudungen hervorgehoben;^) oder es wird der Inhalt des
Taufs}nnbols wiedergegeben, indem zugleich auf den rehgiösen "Wert
der Bekenntnisformeln hingedeutet wird.'^) Das Hauptgewicht fällt
jedoch auf die ethische Seite, auf die Warnung vor Sünden, die
Mahnung zu den ckristhchen Tugenden.^) Man merkt, dass ein
König spricht: die Predigt war ihm wertvoll als mächtiger Hebel
zur Sittigung des Volks. Daher denn auch die Mahnung, so zu
reden, dass das Volk es verstehe.') Der Ungedanke, dass man in
einer anderen Sprache als der des Landes predigen könne, war
dem 8. Jahrhundert gänzhch fremd. ^)
1) Urk. Ludwigs, Form. imp. 40 S. 317 f.: Quatenus ille populus noviter
ad chtistianitatem conversus habere potuisset, ubi et baptismum perciperet
et praedicationem audiret et ubi inter eos sicut inter ceteros christianos
divinum officium celebrari potuisset. Es ist einleuchtend, dass die Voraus-
setzung für einen solchen Befehl war, dass bei den Deutschen gepredigt
wurde.
2) Cap. 36, 4 (a. 801) S. 106; -38, 4 und 10 (a. 802) S. 110; 64, 6
(a. 810) S. 153; 65, 2 (a. 810) S. 154. Albert bestreitet, dass hier überall
von Predigen die Eede ist, und erklärt Cap. 36, 4: der Priester soll das
Evangelium Christi vorsagen, Gesch. d. Pred. I S. 121. Es wird nicht nötig
sein, über diesen Scherz ein Wort zu verlieren.
3) Cap. 116, 5 S. 234: Evangelium quomodo legere potestis vel alios
inperitos erudire potestis. Vgl. S. 236 Anm. 4.
4) Cap. 22, 82 S. 61: Ut (presbyteri) recte et honeste praedicent : et
non sinatis nova vel non canonica aliquos ex suo sensu et non secundum
scripturas sacras fingere et praedicare populo.
5) Cap. 22, 82 S. 61.
6) L. c. Wo die Bischöfe reden, wie z. B. Conc. Tur. (a. 813) c. 17
S. 85, tritt das Dogmatische stärker hervor.
7) Cap. 78, 14 (a. 813) S. 174: Juxta quod intellegere volgus possit.
Vgl. Conc. Mog. (a. 813) c. 25 S. 72. Linsenmayer (Clesch. d. Pred. S. 14)
versteht den Ausdruck von der Volkssprache; wie mich dünkt, mit L'nrecht;
vgl. Conc. Tur. c. 17 S. 85: De fide catholica, prout capere possint. Hier
ist durch den Zusammenhang der Gedanke an das Idiom ausgeschlossen,
da die Vorschrift, die Homilien zu übersetzen, nachfolgt.
8) Conc. Rem. fa. 813) c. 15: Secundum proprietatem linguae prae-
dicare studeant. Tur. c. 17 S. 85: Homilias quisque aperte transferre stu-
deat in rusticam Romanam linguam aut Theodiscam. Vgl. Cruel, Gesch.
Hauck, Kirchengeschichte. II. 2. Aufl. \Q
242
^lit der Durcliführung der Predigt stand olme Zweifel die auf
Karls Geheiss von Alkuin vorgenommene Emendation des sog. Comes,
des Periknpeuverzeichnisses, in Zusammenhang.-')
"Was Karl forderte, blieb nicht nur Vorschrift. An Schwierig-
keiten fehlte es natürlicli nicht. Die grösste lag dai'in, dass die
ungenügend gebildeten Kleriker nicht auf einmal beseitigt werden
konnten r ei'st nach und nach wuchs ein besser unterrichteter
Klerus heran. Dazu kam, dass- das bischöfHche Selbstgefühl
wohl daran Anstoss nahm, dass Priester und Diakonen die
gleiche Thätigkeit übten, wie die Bischöfe.-) Aber diese Schwierig-
keiten wurden überwunden. Gerade hier lässt sich bemerken,
dass das sachliche Recht, das Karls Anordnungen hatten, von
seinen Zeitgenossen anerkannt wurde: der Kleiiis fühlte sich
dui'chweg zur Predigt verpthchtet. Bischöfe wie TheoduHV')
a. d. Pred. S. 21.3 «F.; Linsenmayer, Gesch. d. Pred. S. 36 fi'. Herrn Professor
Dr. Baist in Freiburg i. B. verdanke ich den Hinweis auf das Fragment der
ahfranzösischen Jonaspredigt, Koschwitz, Les phis anciens Monuments de la
langue Fran^. 4. Aufl. Heilbronn 1886 S. 6Ö".; vgl. Koschwitz, Komment, zu
d. alt. französ. Sprachdenkm. Heilbronn 1886 S. 120 ü". Die Bruchstücke
sind wichtig als ein Beispiel der vulgär-sprachlichen Predigt. Sie gehören
zu einer sog. Horailie.
1) Ranke, Das kirchl. Perikopen-^^ystem Anh. S. IV f1'. Praof. 8. XXI:
HuDC codicera . . tua noverit perspicacitas ab eo codico sumjjtum, quem
constat ab Albino . . Karolo . . imp. praecipiente lima vectitudinis esse
politum atque emendatum. Qui codex licet a multis haberetur a plerisquo
tarnen mendose et non bene distincte legebatur; ob id studii fuit eiusdeui
Dci cultoris, ut a praefato viro ad jjurum corrigeretur et distinctionibus
artis gi'ammaticae pronuntiandi gratia distinguerotur. Wie aus dem Sohluss
der Vorrede sich ergiebt, kürzte Alkuin das herkömmliche Perikopen Ver-
zeichnis, indem er imitando ac sequendo libellum papae Gregorii sacramen-
torum die Lektionen für die dort nicht vorkommenden Officien wegliess.
2i Vgl. Ale. ep. 136 S. 209: Dicunt, ab episcopis intordictum e.sso
presbyteris et diaconibus praedicare in ecclesiis. Das Verbot war gotjen
das kirchliche Recht, vgl. Conc. Vas. a. .529 c. 2 S. 56: Ut non soluni in
civitatibus sed etiam in omnibus parrociis verbum faciendi daremus presbyteris
potestatem, ita ut, si prebyter nliqua infirmitate prohibentc per sc ipsuni
non potuerit praedicare, sanctonim i)atrum homiliae a diaconibus recitontur.
3) Cap. I, 28 8. 200: Qui scrijiluras seit, praedicet scripturas, qui vero
nescit, saltcm hoc quod notissimum est, plebibus dicat, ut declinent a nialo
etc. C. 46 S. 206: Discito tideni catholicam, praedieate diligentissirac et
eam populo praedieate unusquisque in ecclesia vestra. Der Inhalt der Pre-
digt vornehmlich moralisch, s. Cap. 11 8. 209: Commonondi .sunt, ut diebus
dominicis pro captu ingenii unustjuisque sacerdos ad pl<>bom sermonem
praedicationis faciat, primum admonens plebem, ut invicem se diligant etc.
Deinde, si Dominus dat intellectnm, hoc quod sacerdos veraciter intelligit
— 243 —
Ghärbald,^) Haito'-) und audere'^) richteten an ihre GeistHch-
keit treffende Worte über diese Seite des priesterHchen Amtes.
Sie trugen Bedenken, die Anforderungen zu hoch zu spannen;
waren sie sich doch bewusst, dass sie zum Teil mit ungenügend
vorgebildeten ]\[ännern zu arbeiten hatten; aber dann waren sie
einig, dass sie in allen Kirchen an jedem Sonntag gepredigt wissen
wollten. Dieselbe Bestimmung trafen die Synoden des Jahres 813:
keine Parochie ohne Predigt, jeder Bischof und Priester ein
Prediger, das sind die Grundsätze, welche man durchzuführen
unternahm.*) Sie wurden von jedemiann gebilligt: ein anonymes
Gedicht dieser Zeit betrachtet es als selbstverständhch, dass der
tüchtige Priester predigt, während die Untüchtigkeit der schlechten
Priester sich besonders darin zeigt, dass sie das Volk unbelehrt
lassen.'^) Niemand war tiefer von dem Wert der Predigt überzeugt
als Alkuin;*^) er woUte keine Beschränkung auf wenige Berechtigte.
de evangelio, de epistola s. Pauli, quantum potest, dicat illis etc. His et
aliis, quantum potest singulis diebus dominicis, plebem suam instruat.
1) Cap. 123, 12 S. 243: Ut unusquisque presbyter in suam ecclesiam
admonitionem aliquam et exbortationem ad populum faciat, ut unusquisque
se corrigat ab iniquitate et transeat ad bonitatem sicut scriptum est: Declina
a malo et fac bonum.
2) Cap. 177, 22 S. 365: Admonendi sunt (sacerdotes), ut sciant populis
denuntiare, quae sunt opera misericordiae cum fructibus suis, quae evan-
gelica et apostolica pagina complectitur etc.
3) Commonit. cuiusq. ep. 18 S. 1377: Unusquisque vestrum, quantum
sapit, plebi suae de evangelio, de epistola vel aliqua divina scriptura domi-
nico die vel festis diebus annuntiet. Paul. Aquil. Conc. Foroiul. (a. 796)
c. 13 (Mansi XIII, 852). Ein ungenannter Alkuinsschüler an seine Schüler
(s. 0. S. 147, 1) M.G. Ep. IV S. 487 Nr. 2: Quia sacerdotes estis, dicamus
breviter; sacerdos ergo si predicationis est ignarus, quam clamoris vocem
daturus est preco mutus?
4) Conc. Arel. c. 10 S. 60: Non solum in civitatibus, sed etiam in
Omnibus parochiis presbyteri ad populum verbum faciant. Mog. c. 25 S. 72:
Si forte episcopus non fuerit in domo sua . ., nunquam tamen desit diebus
dominicis aut festivitatibus, qui verbum Dei praedicet. Rem. c. 14 f. S. 78;
Tur. c. 4 und 17 S. 84 f. ; Cabil. c. 1 f. S. 93 f.
5) Cai-m. de bon. sacerd. Str. 9 (Poet. lat. I S. 80):
lubar solis ut refulgens noctis fugat tenebras,
Lumine sie verbi lustrat audientum pectora
Bonus praesul, et expellit vitiorum nebulas.
De mal. sacerd. Str. 4 S. 81:
Divinae legis abdita mysteria
Plebibus Christi non est qui aperiat
Nee est ieiunis mentibus qui praebeat pabula verbi.
6) Vgl. z. B. ep. 136 S. 208 f. 255 S. 413 u. ö.
^ " 16*
— 244 —
Als er einmal lir>rte. dass gewisse Bischöfe den Priestern und Dia-
konen das freie Predigen untereagt und ihnen inu* die Verlesung
älterer Honiilien gestattest hätten, wandte er sich au Karl: er hat
den König, die Durcliführung dieser Massregel zu lündeni: sie
schien ihm sinnlos, da auch das Verlesen einer Homilie eine Art
des Predigens sei, und zweckwidiig, da der Priester das Amt habe,
dem Volke die Liebe Christi eifrig vor Augen zu stellen.')
Man wird deslialb niclit bezweifeln köiuien, dass in den frän-
kischen Gemeinden regelmässig gepredigt wurde.-) Eifrige Prediger
Hessen es niclit an einer Predigt am Sonntag bewenden; sie pre-
digten mehrmals."^) Aber nur sehr wenige Beispiele geisthcher
1) Ep. 136 S. 209. Die Stelle ist interessant, da sie beweist, dass die
Verlesung von Homilien nie ausser Übung gekommen war. Quare in ecclesia
ubique ab omni ordine clericornm omeliae leguntur? Quid est omelia nisi
praedicatio? Mirum est, quod legere licet et interpretari non licet, ut ab
Omnibus intellegatur.
2) Cruel (Gesch. d. d. Pred. S. 55) urteilt, dass mit der Ausführung
der karolinischen Verordnungen nur hie und da vielleicht ein schwacher
Anfang gemacht worden sei. Albert sagt geradezu, dass es vor 814 zu
keiner Predigt in deutscher Sprache gekommen ist (II S. 1). Hiegegon
etwas zu sagen, ist nicht nötig. Denn man kann niemand verwehren die
Augen zu schliessen und dann zu sagen, es sei dunkel. Aber auch Cruels
Behauptung ist unrichtig. Denn 1. beweisen die angeführten bischöflichen
Anordnungen, dass Karl bei den unmittelbaren Leitern der Kirche Unter-
stützung fand; vgl. Cap. 116, 5 und 117, 11 S. 284 f., ebenfalls bischöfliche
Äusserungen, welche den Vollzug der Vorschriften beweisen. 2. lässt sich
beweisen, dass er durch die Königsboten die Ausführnng seiner Vorschriften
kontrollierte (cap. 64, 6 [a. 810] S. 153; 65, 2 [a. 810] S. 154); 3. fehlt es
nicht an Nachrichten über die Predigt: vgl. Karls Zeugnis selbst oben
S. 241, 1 ; sodann eine Erklärung aus den Verhandlungen einer Synode um 811 :
Nos populum nobis commissum iuxta nostram . . scientiam praedicamus et
ammonemus, sicut s. iam nobis patres per illorum reliquerunt exempla, Au-
gustinus . . caeterique usque modo verbi Dei praedicatores (Haluzius II
S. 1402 Nr. 22); ferner Alkuins eben angeführte Äusserung Ale. ep. 136
S. 209: In ecclesiis ubique ab omni ordine clericorum omeliae leguntur;
vgl. ep. 169 S. 278: Arn von Salzburg sollte seine Priester de praedicationis
instantia crmahnen: unusquisque subiectam sibi plebem bene in voluntate
Dei eruditam habeat; ep. 74 S. 117: Alkuin wünscht an Festtagen auch in
den Klo.sterkirchen eine Predigt für das Volk. K.irls Anordnungen blieben
demnach nicht unausgeführt. Dass es nicht an Ausnahmen fehlte, ist sellist-
verständlich; das Mittelalter ist überhaupt die Zeit der Ausnahmen.
3) Liudger predigte am Sonntag vor seinem Tode zweimal , früh in
Koesfeld und um 9 Uhr in Billerbek (V. Liurlg. II, 7 S. 414). Theod. carm.
71. 16 S. 561 über Ajulf von Kourges.
— 245 —
B^eden dieser Zeit sind auf uns gekommen.^) Sie sind sämt-
lich lateinisch; man hat also Musterpredigten in ihnen zu er-
kennen. Schon dämm geben sie nicht den vollen Eindruck von
der Ai-t, wie man i^redigte. Dieser Mangel wird noch dadurch
verstärkt, dass ^\dr nur den Gedankenaufbau vor uns haben: die
Ausfühmng in der fi-eien und deutschen Rede musste umschreiben
und erweitern. Immerhin kann man aus ihnen eine Vorstellung
geA\-innen, wie man auf das Volk einzuwirken suchte. Unzweifel-
haft waren die meisten Predigten einfache Textauslegungen, soge-
nannte Homilien; die lateinisch gelesene Schriftlektion wurde deutsch
wiedergegeben und erläutert.-) Doch ist unter den erhaltenen
Predigten eine einzige solche; sie behandelt die Geschichte vom
bannherzigen Samariter und erklärt ihe Erzählung Zug filr Zug
als Allegorie auf Fall und Erlösung der Menschheit. Sieht man
liier, dass die theologische Weisheit gelegenthch für das Verständnis
hinderlich sein konnte, so tritt daneben die grosse Anspruchslosig-
keit des Predigers hervor, seine Rede soll nichts sein als eine Er-
klärung der evangelischen Lektion; er hat kein anderes Bestreben
als möglichst klar und fasslich zu reden; damit seine Auslegung
leichter behalten werde, rekapituliert er sie am Schluss. Die übri-
gen Predigten sind textlose Reden. Bei ihnen ist die erste Bemer-
kung, die sich aufdrängt, dass die rehgiöse Belehrung die schwächste
Seite war: die Glaubens Verkündigung war zur Überlieferung der
1) Der Zeit Karls d. Gr. oder der ersten Zeit nach ihm werden ange-
hören die unter dem Namen des Bonifatius überlieferten Reden (vgl. Bd. I
S. 462 Anm. 4); eine von Scherer in Haupts Zeitschr. f. deutsch. Alterth.
XII S. 436 ff. herausgegebene Predigt; ein Auszug aus einer anderen ebenda
S. 444; die Homilie über den barmherzigen Samariter bei Caspari, Briefe,
Abhandlungen etc. S. 206 vgl. S. 429; die Predigt über die Zehnten und das
Fasten bei Baluzius II S. 1376 Nr. 6. Auch die in der V. Elig. enthaltene
Predigt kann man als eine Art Musterpredigt betrachten, über die von
Nürnberger (Aus der litterarischen Hinterlassenschaft des h. Bonifatius etc ,
Neisse 1888, S. 42 ff.) aus einem St. Galler Codex mitgeteilte Homilie s. Bd. I
S. 458, 3 und über die von Caspari (Eine Augustin fälschlich beigelegte
Homilia, 1886) herausgegebene Rede und die beiden Ansprachen Mansi XII
S. 376 ff. s. unten Kap. VI. Über Predigten in Münchener Handschriften
des 8. — 9. Jahrhunderts s. Linsenmayer, Gesch. d. Predigt S. 35.
2) Folgt aus den S. 240 ff. angeführten Stellen; vgl. die Äusserung
Hrabans de cleric. instit. III, 8 S. 385: Ut ex his, der h. Schrift, unaquaeque
gens et natio propriae linguae adminiculo intellectum sibi salubrem attra-
heret, interpretando ac colloquendo sensum eundem canonicum propriis
verbis; de eccles. disc. IH S. 1234: Qui sensum locutionis sacrae ex lectione
non possunt percipere, attentius audiant interpretantem, ut recipiant salteni
in aedificationem.
— 246 —
Gliiul)onstbrniel geworden.*) Was wir l>ei der Theologie bemerkten,
wiederholt sich in der Pi'edigt: die Verbindungsl'ädcii zwischen
Dogma und Predigt sind gelockert, fast zerrissen. Kinen um so
breiteren Kaum nimmt die Paränese ein: bald ist sie an die Gläu-
bigen insgemein, bald an die einzelnen Stände gerichtet, bald wird
sie gestaltet als Mahnung zu den Tugenden, bald als Warnung
vor deh Lastern. Immer aber soll sie unmittell)ar wirken: nicht
das asketische Ideal, sondern schlichte, durch die kirchlichen
Gnaden mittel untei-stützte Sittlichkeit hält sie vor.-') Freilich fehlt
auch das Beispiel dafür nicht, dass der Prediger sich begnügte,
seinen Hörern kirchliche Vorschiiften einzuprägen, die er mu- not-
dürftig mit der sittlichen Grundforderung des Christentums in Ver-
bindung setzte."')
Dass alle Priester eigene Predigten hielten, war ein Ziel, das
man nicht ins Auge fassen konnte; man wai- zufrieden, wenn sie
ältere Honiilien in die deutsche Sj)rache übersetzten.') Dass sie
dazu im Stande waren, dafür sorgte der Unterricht in der Kloster-
und Kathedralschule.'')
Das Bedürfnis der Prediger führte zur Abfassung von Homilien-
sammlungen. Jedermann weiss, dass Karl den Langobarden J^udus
mit der Bearbeitung eines Uomiliars betraute.") Es war nicht zur
Benützung im Gemeindegott(!sdienst bestimmt, sondern für das of-
ficium nocturnum der Kleriker.') Hiei" waren die Verlesungen längst
ül)lich; Karls Absic-ht war denn auch nicht, eine Neuerung einzu-
1) Vgl. besonders Bonif. serm. 1 und 5. Auch dio 1. der Scherer'schon
i'redigten. Weit lebendiger handelt Bonif. seruj. 2 von der Inkarnation.
2) Es ist hiebei ohne Relang, «lass die angeblichen Predigten des
Bonifatiu.s sich vielfach an ältero Kodon anschliessen (s. Halm. Forschungen
1881 S. 604 ff.).
3) Die Predigt über die Zehnten und das Fa.sten beginnt mit dem Satz
Totos homines debetis amare et benefacere, und leitet darau.s die Pflicht
dor Zehntleistung ab.
4) Cap. 3«, 10 S. lOö; Ur,, 6 S. 234; 117. 12 S. 23."). Conc. Rem.
c. 15 S. 78; Tur. c. 17 S. 85.
5) Vgl. oben S. 191 f.
6) Cap. 30 S. 80; Poet. lat. I, 34 S. 68 f.
7) Das sagt Karl a. a. 0. über das Homiliar handelten besonders
Ranke, Theolog. Stud. und Krit. (18.-).5) 11 S. 382 ff.; Cruel, He.sch. d. d.
Pied. S. 47 ff. und Linsenmayer, (icsch. d. Pred. S. 42 ft'. Dorh .sind ihre
Anschauungen antiquiort durch Wieganda Schrift, Das Homiliarium Karls
d. Gr. auf seine ursprüngliche Gestalt hin untersucht, Leipzig 1897. Denn
ihm ist es gelungen, die von den Druckausgaben weit abweichende Urgestalt
Dachzuwei.sen.
— 247 —
führen; er ^vollte lediglich an die Stelle verderbter Texte gute
setzen. Dass Pauls Werk seinen Beifall fand, ist bekannt: er hat
es ausdrücklich gebilligt, seine Einführung angeordnet, es auch ge-
legentlich an Klöster verschenkt.^) Ohne Zweifel ist es nicht nur
von den Mönchen, sondern auch in den Kollegiatkirchen benutzt
worden: es musste bald die bekannteste Predigtsammlung werden.
Lag es dann aber nicht in der Natur der Sache, dass die Priester diese
ihnen bekannten Homilien alsbald auch für die Gemeindepredigt
verwandten?-) Die von Paulus getroffene Auswahl legte diese
Benützung ül^erdies nahe. Eine zweite Predigtsammlung dieser
Zeit ist von Alkuin verfasst worden."^) Sie unterscheidet sich von
der des Paulus Diakonus dadurch, dass sie für die Verlesung im
Gemeindegottesdienst bestimmt war. In diesem Zwecke trifft ein
gleichzeitiges drittes Predigtbuch, das Würzburger Homiliarium, das
man nach Burkhard zu nennen pflegt, mit ihr überein.'^) Während
1) Chron. Bened. 7 Zusatz M.G. Scr. IX S. 216.
2) Cruel bestreitet a. a. 0. S. 47. dass das Homiliar des Paulus irgend
welchen Einfluss auf die Predigtweise des Pfarrklerus geübt habe. Ich ver-
stehe den Eifer nicht, mit welchem diese Behauptung verfochten wird, und
kann mir nicht vorstellen, dass die Homilien, welche die Kleriker am besten
kannten, von ihnen am wenigsten sollen benützt worden sein.
3) V. Ale. 21 S. 195. In der Rev. Bened. 1892 S. 491 hat Morin
über ein in dem Cod. lat. 14302 der Nationalbibliothek in Paris enthaltenes
Homilarium berichtet, das unterschriftlich Alkuin zugeschrieben wird. Der
Beweis für die Richtigkeit dieser Angabe ist, wie mich dünkt, nicht völlig
zwingend, aber die Wahrscheinlichkeit ist doch sehr gross. Morin hat nicht
beachtet, dass Pertz längst auf einen Prager Codex mit Alkuinischen Homi-
lien hingewiesen hat (Pertz, Archiv IX S. 469). Es wäre wünschenswert,
dass festgestellt würde, wie sich die Homilien der beiden Handschriften zu
einander verbalten, bezw. ob die junge Prager Handschrift nicht etwa das
Homiliar des Paulus wiedergiebt. Die Alkuinische Sammlung besass man
im 9. Jahrhundert in Fulda, Becker Catal. S. 31 Nr. 13, 17.
4) Die Annahme, dass diese Sammlung Burchard gehörte, stammt von
J. G. von Eckhart, Comraent. de reb. Franc. Orient. I S. 846. Auf dem
letzten Blatte der Handschrift findet sich ausserhalb des Textes zweimal
der Buchstabe B, einmal am Schluss, das andere Mal zwischen einem kurzen
Gebet. Eckhart sagt von dem ersteren: quibus aHquis, ut puto, indicavit,
codicem hunc s. Burchardi fuisse, und von dem letzteren: forte propria
ipsius manu eflformatum est. Das vorsichtige forte und ut puto des gelehrten
Geschichtschreibers Ostfrankens ging unter den Händen der Späteren ver-
loren, und das Homiliar Burchards war fertig. Die Würzburger Handschrift,
welche Eckhardt exzerpierte, gehört jedoch nach dem zuverlässigen Urteil
E. Steinmeyers dem Ende des 8. oder Anfang des 9. Jahrhunderts an, vgl.
auch Alth. Glossen IV S. 666 über die Handschrift; sie kann also nicht im
Besitze Burchards gewesen, noch von ihm geschrieben worden sein. Der
— 248 —
in dem AVerk Alkuins sicli seiue reiclie Belesenheit in den Schrif-
ten der Väter beweist, legte der "Würzburger Summier dem seinen
eine Auswahl von Prechgten des Cäsarius von Arles zu Grunde,
die er mit einigen fi'emden Stücken verband.') Man bemerkt leicht,
dass ihm überall die Bedürfnisse der Gemeinde vor Augen standen.
Er sprk^ht gegen Aberglauben und Tnsittlichkeit, schäift die Be-
obachtung der kirchhclien Gebote und der sittlichen Anforderungen
des Christentums ein , verkündigt die Erlösungsthaten und das
kommende Gericht.-) Da die Handschrift eine Anzahl deutscher
Glossen enthält, so darf man wohl annehmen, dass sie als direkte
Unterlage tiir deutsche Ansprachen benützt wurde. Schwerlich
waren diese Predigtwerke die einzigen, welche in der Zeit Karls
entstanden; und sicher waren sie nicht die einzigen, die man be-
nützte: man hat sich wohl auch an die Predigten eines der Alten,
wie Gregoi"s, gehalten. Das Homiliar gehörte zur Kirchenbibliothek
wie das Missale oder das Evangelienbuch.*')
Wie Karl auf das Predigen (h'aug, so erinnerte er auch an
che Pfhcht der Seelsorge. Schon in seinem ersten Erlasse vom
Jahre 769 mahnte er die Priester, grosse Sorge für die Kranken
und tiir die öffentlichen Sünder zu tragen. Es sollte nicht vor-
kommen, dass ein Christ ohne die letzte Ölung, ohne Al)solution
und Abendmahl stürbe*) Auch diese Mahnungen wurden von
Einwand Alberts, Gesch. d. Pred. S. 92, sie sei jedenfalls erst eine Abschrift
der ursprünglichen Sammlung, steht völlig in der Luft. Dann ist aber die
Herstellung dieser Sammlung mit viel grösserer Wahrscheinlichkeit der
Zeit Karls d. Gr. als der Karl Martells zuzuschreiben.
1) Über die Autorschaft der einzelnen Homilien s. die Nachweise bei
Nürnberger, Aus der litterrarischen Hinterlassenschaft des h. Bonifatius etc.,
Neisse 1888, S. 27 S., und bei Morin in der Rev. Bened. 1896 S. 97 ff. Der
letztere zeigt, dass von 45 Stücken 12 nicht von Cäsarius sind.
2) Vgl. die Predigten: Nr. .3 de calendis Januar, (von Cäsarius); 20 de
his qui filios per aliquas sacrilegas superstitioncs habere volunt (unbe-
kannter Herkunft); 23 ammonitio ut fana destruantur (ebenso); 24 de prae-
gnantibus et nutrientibus (Cäsarius); 25 de martyribus et de lunae defectu
et de sortibus vel pbjlacteriis (unbekannter Herkunft!; 1 .sittliche Bereitung
auf die Feier des Weihnacht«festes (Cäsariu.si; 4 Beobachtung der Fasten
I Cäsarius) etc. Die Urteile Alberte über diese Predigten S. 95 ff. sind .schief,
da er sich nicht die Mühe genommen hat, die Predigten nachzuschlagen,
BOndern sich mit Eckhart« Exzei-pten begnügte (s. S. 98).
3; Cap. 128, 5 (c. a. 810) S. 251; Common, cuiusq. ep. 9 S. 1376; vgl.
che Kirchenbibliothek in Tannkirchen bei Wolfratshausen, die zwei Hand-
^.chriften mit Homilien besass, Meichclbeck, H. Fr. I, 2 S. 351 Nr. 704.
4) Cap. 19, 10 S. 45; vgl. 36, 21 f. (a. 801 j S. 107.
— 249 —
den Bischöfen Aviederholt; ^) man wird annehmen dürfen, dass sie
im grossen und ganzen ausgeführt wurden.
Schwierig war die Seelsorge an den Sündern. Wir haben
früher beobachtet, dass die altkirchhche Busszucht im 6. Jahr-
hundert noch liestand.-) In den wirren Zeiten der späteren Mero-
winger war sie abgekommen.^) Nun sollte sie erneuert werden.
Man kam auf den Grundsatz zurück, dass öffenthche Sünden öffent-
lich gebüsst werden müssten."^) Allein die Anwendung, welche man
von ihm machte, führte nicht zu den Einrichtungen der alten
Kirche; denn als öffentlicher Sünder galt der bestrafte Verbrecher:
er wurde ausser ziu' Zahlung des Wehrgelds auch zur Leistung
der Kirchenbusse genötigt:'^) sie diente nur zur Verschärfung der
staathch verhängten Strafe. Den Charakter der Gemeindezucht
hatte sie gänzlich verioren. Es entsprach dem, dass sie nicht mehr
im Ausschluss aus der Gemeinde bestand. Zwar bestimmte man
den Sündern wieder gewisse Busszeiten, man glaubte dadurch den
kirchhchen Satzungen zu genügen; aber man veränderte das AVesen
der Busszeit, indem man Absolution und Rekonciliation am An-
fange derselben, nicht mehr am Ende vornahm.**) Früher war der
Büsser während ihrer Dauer nicht Ghed der Gemeinde gewesen;
nun war er es; er war nur zu gewissen Leistungen, l)esonders Fasten
1) Ghärbald: cap. 123, 11, 15, 19 f. S. 243 f.; Common, cuiusq. ep. 14
S. 1376.
2) Vgl. Bd. I S. 222 ff.
3) Conc. Cabil. (a. 813) can. 25 S. 98: Poenitentiam agere iuxta an-
tiquam canonum institutionem in plerisque locis ab usu recessit. Stat.
Bonif. 31 S. 386: Quia varia necessitate praepedimur canonum statuta
de reconciliandis poenitentibus pleniter observare propterea omnino non
dimittatur.
4) Conc. Arel. (a. 813) c. 26 S. 62: üt qui publice crimine convicti
sunt rei, publice iudicentur et publicam poenitentiam agant secundum ca-
nones; Conc. Cab. (a. 813) c. 25 S. 98; Cap. 78, 25 (a. 813) S. 175; Theo-
dulfi cap. II S. 211 flf.; vgl. Conc. Rem. 31 S. 80.
5) Cap. 33, 32 f. und 37 f. (a. 802) S. 97 f.
6) Stat. Bonif. 81 S. 386. Nach der oben Anm. 3 angeführten Stelle
heisst es: Curet unusquisque presbyter statim post acceptam confessionem
poenitentium singulos data oratione reconciliari. Ebenso Ghärbald, cap. 123,
10 S. 243: üt qui homicidium confessi fuerint, iubeat eos presbyter abstinere
XL diebus ab ecclesia et a communione, antequam ab episcopo reconcilietur
aut episcopus eos presbyteris reconciliari iusserit. Abweichend hievon hielt
Theodulf daran fest, dass der Büsser aus der kirchlichen Gemeinschaft
ausgeschlossen sei (cap. II S. 212). ühlhorns Angabe (Liebesthätigkeit II
S. 47) ist demnach unrichtig.
— 250 —
yeqifliclitot.') Das waron die Vorschriften. Sie stiessen bei der
Bevölkerung auf Widerstand. Es kam vor. dass die Vorbrecher
sich weigerten, die Busse zu üliernehnien.-) Offenbar empfand man
die doppelte Strafe für dasselbe Vergehen als unbillig. Sollte dann
der AVidei-stand durch die Exkommunikation gebrochen werden, so
geschah^ es wohl, dass auch dieses IVIittel vei"sagte.=') Mit einem
Worte: die Erneuerung der Kirchenzucht in der alten Weise erwies
sich als unmöglich.
l'm so eifnger war man, die Sitte einzuführen, das jedermann
freiwiUig beichte. Was einst Cohunba gewünscht hatte, war nun
allgemeine Forderung der Frommen. Besonders Alkuin wurde nicht
müde, die Beichte zu empfehlen; er sah in iin* gewissermasseu die
Gegenleistung für die Sündenvergebung. Glaube mir, so erklärte
er, jede Sünde wird lä.sslich. wenn du dich nicht scheust, sie zu
bekennen. Gott erwartet von uns das Opfer der Busse, damit er
uns das freundhche Geschenk der Vergebung erteilen könne.'') In
einem langen Briefe legte er den Schülern von St. Martin in Tours
die Notwendigkeit des häufig wiederholten Sündenbekenntnisses ans
Herz. i\Iau bemerkt an der Wärme und dem Eifer, mit welchem
er spricht, wie grossen Wert die Beichte in seinen Augen hatte. •'^)
Sein l^iiief muss Eindruck gemacht haben; von Salzburg aus wurde
1) Schmitz (Die Bussbücher etc. I S. 56 ff.) sucht nachzuweisen, dass die
kanonische Busse im 7. — 9. Jahrh. bezüglich der wesentlichen Requisite
keine Veränderungen erlitt. Dies Resultat erreicht er, indem er alle Ver-
iinderungen, welche eintraten, für unwesentlich erklärt: als wesentlich gilt
ihm nur die Auflage einer gewitisen Busszeit. Ist bei dieser Verdünnung
des Begriffs kanonische Busse Schmitz' Resultat des Aufhebens noch wert?
Er hat doch nur das Wort kanonische Busse gerettet. Dass die Zeitge-
nossen anders urteilten als der moderne Gelehrte, zeigen die S. 249 Anm. 3
angeführten Stellen.
2) Gonc. Mog. fa. 813) c. 53 S. 75: Ut episcopi incestuosos investi-
gare studeant omnino praecipimus. Et si poenitere noluerint de ecclesia
expellantur. Conc. Tur. c. 41 S. 89: Incestuosi, parricidae, homicidae multi
apud nos reperiuntur ; sed aliqui ex illis sacenlotum nolunt admonitionibus
aurem accomodare . . . Quos oportet per saecularis potentiae disciplinam
. . coerceri . . . Quorum aliquos iam excommunicavimus; sed illi hoc
parvipendentes in eisdem perdurarunt criminibus. Theod. cap. I, 26 S. 199:
Si quis perpetrato periurio aut quolibet criminali peccato, tiniens poeniten-
tiae longnm aerumnam, ad confessinnem venire noluorit, ab ecclesia re-
pellendus est. Vgl. die Erzählungen V. Liudg. III, lH S. 4l!=< un.l V. Leob.
22 f. (M.G. Scr. XV) S. 130.
3) Conc. Tur. c. 41 S. 89.
4) p:p. 131 S. 194 ff.
5) S. den angeführten Brief.
— 251 —
er später e»6uclit. auch an die Klosterschüler von St. Peter eine
Mahnung zur Beichte zu richten: er sandte eine Abschrift des
älteren Briefes.') Es war nicht seine Meinung, dass nur die Mönche
und ihre Schüler die Pflicht zu beichten hätten: jedermann, ob jung
oder alt. ob ^Nlann oder Frau, ob er im Kloster oder in der Welt
lebe, habe seine Sünden dem Priester zu bekennen,"') Dasselbe
verlangte Theodulf: das Sündenbekenntnis vor Gott schien ihm
ungenügend, wenn nicht die dem Priester abgelegte Beichte der
That- und Gedankensünden hinzukomme.'') Anderwärts wurde be-
stimmt, dass die Priester am Aschermittwoch ihre Pfarrkinder zur
Beichte einlüden.^)
Die Form der Beichthandlung war im ganzen einfach. Nach
Theodulf begann sie mit einem gemeinsamen Gebete des Priesters
und des Konfitenten; es folgte das Sündeubekenntnis des letzteren,
wenn nötig unterstützt durch Fragen des Priesters. Darauf hatte
der Beichtende das Glaubensbekenntnis zu sprechen, denen zu ver-
geben, die an ihm gesündigt hatten, und Besserung zu geloben.
Nun bestimmte der Priester die Busszeit, betete darauf die sieben
Busspsalmen und ethche Gebete; den Schluss bildete die Abso-
lution.')
Auch die Einführung der Beichte geschah nicht ohne Wider-
spruch. Im Süden des Reichs weigerten sich die Laien allgemein,
die Pflicht des Bekenntnisses vor dem Priester anzuerkennen; sie
waren der Überzeugung, dass das Bekenntnis vor Gott genüge. *"')
Das war altkirchhcher Boden, wohin der Einfluss Columlms und
1) I]p. 258 S. 416.
2) Ep. 280 S. 438; vgl. 169 S. 278; 250 S. 405.
3) Cap. I, 30 f. S. 200 f. Vgl. Conc. Cabü. (a. 813) c. 32 S. 99.
4) Common, cuiusq. op. 33 S. 1378. Vgl. den Anm. 5 erwähnten Ordo
privatae . . poenitentiae: Premonere debet omnis sacerdos eos qui sibi con-
fiteri solent. ut in capite ieiunii (Aschermittwoch) concurrere incipiant ad
renovandam confessionem.
5) Cap. II S. 219. Hiemit stimmt im grossen und ganzen der ordo
privatae seu annualis poenitentiae, den Schmitz, Die Bussbücher II
S. 57 aus einer ehemals Fuldischen Handschrift herausgegeben hat, und
der ordo feriae IUI in capite ieiunii überein, bei Schmitz (a. a. 0. I,
S. 87 ff.) aus einem aus Mainz stammenden cod. Valicell. saec. X. Die Vor-
schriften Theodulfs sind hier zur Formel geworden. Die Beschreibung der
Handlung bei Pseudo-Alkuin (de divin. offic. 13) weicht ab; sie entspricht
im ganzen den Anweisungen in Pönitentialien des 7. und 8. Jahrhunderts
(Wasserschieben, Bussordnungen S. 59; 360; 388 ff.); der ordo ad dandam
poenitentiam bei Schmitz I S. 98 ff. ist eine jüngere Erweiterung.
6) Ale. ep. 138 S. 216: Dicitur neminem ex laicis suam velle confes-
sionem sacerdotibus dare. Conc. Cabil. (a. 813) c. 33 S. 100: Quidam Deo
252
der keltischen Mciiiclie niclit gedrungen war. Leichter scheint sich
die Sitte zu beichten im Norden eingebürgert zu haben: von Oppo-
sition hcirt man liier nicht; auch beweisen die deutschen Beicht-
fonneln, dass die Tjaien in der That gebeichtet haben.')
Karl enthielt sich dessen, die Beichte zu gebieten. Auch die
Konzilien haben sie noch nicht als unerlässliche kirchliche PHicht
verlangt.-') Doch förderte er die Bestrebungen der kirchlichen
Männer dadurch, dass er die Priester zum Beichthören verptiich-
tete,'^) auch durch die Königsboten die AmtsfühiTing der Geistlichen
in dieser Hinsicht beaufsichtigen liess.'*)
Bei Bestimmung der Busszeit hielt man sich an die seit Co-
lumba in der fränkischen Kirche bekannten Bussbücher.''') Karl
forderte, dass jeder Priester ein Pönitentiale besitze.") Es war
eine Menge derselben, zum Teil von unbekannten Verfassern, im
Gebrauche. Man nahm bald wahr, dass ihre Ansätze vielfach nicht
übereinstimmten. Das machte gegen diese Litteratur argwöhnisch;
fiolunuiiDilü conhteri debero dicunt pcccata. Auch die hier bezeugte That-
sacho wird von Schmitz nicht beachtet.
1) Müllenhoft" und Scherer, Denkmäler Nr. 72—77 I S. 236 ft'. Die
P'ormeln sind zum Teil jünger, setzen aber einen älteren Text voraus (s.
Scherer II S. 376 ti'.; Kossinna in Quellen und Forschungen XLVI 1881 S. 95 f.
bestimmt die Entstehung der Fulder Beichte Nr. 73 auf die Zeit um 830,
der Würzburger Nr. 76 auf etwa 85.5. Zur altsächsischen vgl. Jostes, Z. f.
d. A. 40 S. 134 tt'.). Zahlreiche lateinische Beichtformeln werden Alkuin
zugeschrieben: de psalm. us. S. 470 f., 49.5 tf.; off. per fer. S. 524 f., 553.
Eine Beichtanweisung Othmars von St. Gallen bei Wasserschieben, Buss-
ordnungen etc. S. 437. t'ber den Inhalt der IJeichtforraeln unten Buch 5
Kap. 5. — Die Sitte des Beichtens wird auch bewiesen durch cap. 79, 1
(a. 813) S. 175: Ut hoc inquiratur, si de partibus Austriae verum est quod
dicunt an non, quod presbyteri de confessionibus accepto pretio manifestent
latrones.
2) Conc. C'abil. c. 32 S. 90: Instruendus est . . confessor, ut de octo
principalibus vitiis . . confessionem faciat. Vgl. c. 33, wo die Beichtpliicht
nur auf .Tac. 5 gegründet wird : Confiteamur alterutrum peccata nostra.
3) Cap. 36, 21 (a. 801) S. 107: Ut cuncti sacerdotes omnibus illis con-
fitentibus eorum crimina dignam poenitontiam cum summa vigilantia ipsis
indicent.
4) Cap. 38, 4 (a. 802) S. 110: ¥.» ist zu untersuchen die Amtsführung
der Priester in confessione peccatorum, qualiter eos agere doceant, qualiter
eis remedium peccatorum iraponere sciant vel procurent. Schutz des Beicht-
geheimnisses cap. 79, 1 (s. oben Anm. 1).
5) S. die angeführten Werke von Wassorschlebcn und Schmitz.
6) Cap. 81, 15 (a. 810—813) S. 179: Ut unusquisque presbyter capitula
habeat de maioribus vel de minoribus vitiis; vgl. c. 20; Theod. cap. II
S. 219.
— 253 —
die Synode ^on Chalon s. S. verwarf die Bussbücher überhaupt,')
die von Tours erklärte wenigstens eine Bestimmung darüber, welches
Bussbuch zu gebrauchen sei, für notwendig.-) Aber zu einer all-
gemein giltigen Eegehmg kam es nicht: man benützte nach wie
vor hier dieses und dort jenes Pönitentiale.
AVas die Gestalt des Gottesdienstes anlangt, so befand sich die-
selbe, als Karl ziu- Regierung kam, in unverkennbarem Schwanken.
Es scheint nicht, dass sich feststellen lässt, wann und wo zuerst
römische Formen in die gallische Liturgie eindrangen. Sicher ist
indes, dass schon vor Bonifatius das Bestreben vorhanden war, die
galhsche Liturgie den römischen Ordnungen anzupassen. =') Der
rege Verkehr, der seit Bonifatius und mehr noch seit Pippin zwischen
Rom und dem fränkischen Reich stattfand, musste in weiten Kreisen
die unterschiede der Liturgie zum Bewusstsein bringen ; es ist ver-
ständlich, dass man vor allem die Verschiedenheit des Gesanges
hier und dort wahrnahm. Wie erwähnt, hat Pippin in diesem
Punkte die Ausgleichung herbeizuführen begonnen, indem er die
Annahme des römischen Kirchengesangs gebot. '^) Bischöfe wie
Chrodegang von Metz und Remedius von Ronen haben seine Ab-
sichten ausgeführt.-^) Es war unvermeidhch, dass man sofort den
nächsten Schritt that: die Gleichheit des Gesangs forderte die Gleich-
heit der IVIessordnung. So besassen denn auch schon in den ersten
Jahren Karls einzelne deutsche Kirchen Sakramentare, welche die
römische Messe wiedergaben.")
Wie man sieht, hat Karl diese auf Einheit der Kultusformen
gerichtete Bewegung nicht geschaffen.') Aber er hat sie gebilligt
1) C. 38 S. 101: Quorum sunt certi errores, incerti auctores.
2) C. 22 S. 86: Necessarium videbatur nobis, cum omnes episcopi ad
sacrum palatium congregati fuerint, ab eis edoceri, cuius antiquorum liber
poenitentialis potissimum sit sequendus. Einen Erfolg hatte dieser Be-
schluss nicht.
3) Vgl. Duchesne, Origines du culte chretien S. 9-5 f.
4) Vgl. S. 34 Anm. 1. Yon einem Versprechen Pippins, den römischen
Ritus einzuführen, Rietschel, Lehrb. d. Liturgik S. 331, ist in den Quellen
nicht die Rede.
5) Vgl. S. 53 Anm. 1 und 34 Anm. 1.
6) Metz, Gest. ep. Mett. S. 268. Ein 1870 verbranntes Strassb. Pracht-
sakramentar bezeichnete sich als liber sacramentorum Romane ecclesie
(Delisle, Memoire sur d'auciens sacram. S. 90 in den Mem. de l'acad. des
Inscr. t. XXXII). Da in der missa pro regibus das Gebet für den König
lautete: Da servis tuis, regibus nostris, triumphum, so ist es in einer Zeit
geschrieben, in der das fränkische Reich mehrere Könige hatte, demnach
768—771. Vgl. auch Mönchemeier, Amalar von Metz S. 129 ff.
7) Man bemerkt sie gleichzeitig auch in England (Ale. ep. 226 S. 370).
— 254 —
und unterstützt.') Tn seiner klaren AVeise erkannte er sofort, dass
es unniöirlich sei. auf lialheni Wege stehen zu bleiben. Denigemäss
Hess er sich vun Hadrian I. eine Abschrift des gregorianischen
Sakranientars übergeben:'-) er wollte ein authentisches Dokument
über den römischen Gottesdienst besitzen, und dann -wiederholte er
nicht nnr die Verfügung seines Vaters über den nimischen Kirchen-
gesang,"') sondern er ordnete an, dass die ^Nlcsse nach dem Gebrauch
der römischen Kirche gesungen werde.^) Auch in anderen Punkten
förderte er den Anschluss an die römische Praxis.") Infolgedessen
wurde nach und nach die gallische Messe durch die römische ver-
drängt.") Allein es ist doch auch hier unverkenn])ar, dass Karl
mit der Freiheit schaltete, die man au ihm gewohnt ist. Denn
das Gregoriauum wurde keineswegs in der Form rezipiert, wie es
von Hadrian gesandt war; es wurde Ijedeutend erweitert.'') Mög-
lich, dass aucli hier Alkuin die Ausführung von Karls Gedanken
zufiel:^) aber auch wenn dies nicht der Fall war. so konnte die
1) Über seine Motive s. o. S. 110.
2) Cod. Carol. 89 S. 626. Es ist bezeichnend, dass Karl ein nicht
interpoliertes Exemplar verlangte.
3j Cap. 22, 80 (a. 789) S. 61; 30 (a. 786—800) S. 80; vgl. Adern, hist.
II, 8 (M.Ü. Scr. IV S. 1171'.).
4) Eine hierauf bezügliche Verordnung Kiirls i.st nicht erhalten. Dass
sie aber erlassen wurde, zeigen die Visitation.st"ragpn Cap. 116, 4 S. 2'M:
Missam vestram secundum ordincm Ronianum quomodo nostis vel intelli-
gitis, und 7: Otficium divinum secundum rituni Komanorum in statutis so-
lemnitatibus ad tecantandura quomodo scitis. Vgl. 117. 10 S. 235. Die
Zeit ist nicht festzustellen.
öj In Bezug auf den cursus diurnus et nocturnus cap. 38, 2 (a. 802)
S. 110; vgl. Chron. Moiss. z. J. 802 S. 306. In Bezug auf die Taufe cap. 23, 22
(a. 789) S. 64; vgl. Conc. Mog. (a. 813) c. 4 S. 6fi; besonders Beobachtung
der kanonischen Taufzeiten cap. 36, 10 f. (a. 801) S. 106; 83, 5 (a. 813)
S. 182; 119, 10 S. 237; Haito cap. 177, 7 S. 363; Theod. cai». II S. 200;
Common, cui. ep. 29 S. 1377; .Mc. ep. 68 S 312 (ed. .JattV-;. liier überall
ist von den zwei legitimen Taufzeiton die Rede: doch nennt Karl (ep. ad
Tihaerb. S. 241) auch Epiphanias.
6) Hilduin von St. Denis (c. a. 835), Areop. Prolog. 5 (M.G. Kp. V
S. 330): Mis.sales libri continentcs missao ordinem more Ciallico, (pii ab
initio recpptae fidei usu in liac occidentali plaga est habitus, usquo quo
tenorem, quo nunc utitur, Homanura 8u.sceperit. Vgl. das Verzeichnis der
Sukramentarien bei Delisle a. a. 0.
7).*^. Duchesne S. 114 f.; Bi.nhop in Dublin Heview 115. I5d. 1894
S. 247 tf. Gegen Duchesnes Beurteilung des (iregorianums der letztere
S. 252; er ist meines Erachtens durchaus im Recht.
8) Bi.shop S 258 tr., Mönchemeier, Amalar S. 137 f. Die Hypothese
ist bestechend; aber mehr als eine Möglichkeit ist sie nicht. Das Zeugnis
— 255 —
Änderung mcht ohne- sein Yorwissen geschehen. Die Folge Avar,
dass man niclit zu voller Übereinstimmung gelangte:^) weder der
Text der gelesenen und gesungenen Stücke noch die Auswahl der-
selben waren identisch.-) Die gottesdienstlichen Formen bewiesen
die ihnen eigene Zähigkeit.^) Auch sonst gab es Verschiedenheiten
genug:*) das wichtigste war, dass in der sog. offenen Schuld sich
ein deutsches Stück des Gottesdienstes behauptete.^) Nicht minder
hielt man füi' die Bekenntnisfragen und die Abrenuntiation in der
Taufe an der deutschen Sprache fest.^) Verschieden dachte man
des Micrologus de eccl. observ. Migne 151 S. 1020 ist so mit Irrtümern
durchsetzt, dass mit ihm nichts anzufangen ist. Auch der Missalis Gre-
gorianus et Gelasianus ab Albino ordinatus in der Bibliothek von St. Ri-
quier (Becker, Cat. S. 28) scheint mir nicht beweiskräftig.
1) Übrigens war die Übereinstimmung schon deshalb unmöglich, weil
in Rom selbst zwischen den verschiedenen Kirchen keine Übereinstimmung
bestand. Das bemerkte Amalar, de eccl. offic. I, 15 Migne 105 S. 1032;
IV, 40 S. 1235. Flori Lugd. ep. ad Drog. 7 M.G. Ep. V S. 270.
2) Allgemein bekannt ist die verschiedene Fassung des 3. Art. im
konstantinopolitanischen Symbol. Dass in Rom das Symbol in der Messe
überhaupt nicht gesungen wurde, ist Bd. III S. 523 Anm. 3 gezeigt. Ich
füge die Verweisung auf die Ratio de symb. v. 809—810 Mansi XIV S. 18 ff.
hinzu. Leo III. bemerkt: Nos id ipsum non cantamus. Eine Menge Ver-
schiedenheiten konstatiert Amalar: hinsichtlich der Kollekten de eccl. off.
praef. alt. S. 987 C; des Gebets des Vaterunsers ib. III, 6 S. 1114; der Lek-
tionen praef. prim. S. 985, vgl. Hrab. ep. 50 ad Lothar. S. 505; des Anti-
phonars de ord. antiph. prol. S. 1243 vgl. Helisach. ep. ad Nidibr. M.G.
Ep. V S. 308 Nr. 6. Vgl. auch Hrab. ep. 33 S. 466 über den Text der
Hymnen. Die Beispiele liessen sieh noch vermehren.
3) Der Widerspruch des Magisters Florus von Lyon gegen Amalars
ausschliessliche Betonung des Römischen, vgl. M.G. Ep. V S. 270, ist hier
bemerkenswert.
4) Ich verweise auf Stat. Risb. 43 Cap. 112 S. 230: üt si vobis vide-
tur usum Romanum habere velle, feria IUI ante cenam Domini orationes,
quae scripta sunt ad feriam VI parasceue, . . hora tertia . . dicantur in
ecclesia cum genuflexione nisi tantum pro ludaeis. Die Stelle lehrt, dass
man aus dem Text der Handschriften nicht sofort auf die wirkliche Übung
schliessen kann.
5) Vgl. darüber Buch V Kap. 5.
6) Stat. Bonif. 27 S. 386. Deutsche Tauffragen bei Müllenhoff und
Scherer 51—53 S. 155 f. In Betracht kommt besonders Nr. 52: Forsahhistü
unhoklün? ih fursahhu. Forsahhistü unholdün uuerc indi uuillon? ih fur-
sahhu. Forsahhistü allem them bluostrum indi den gelton indi den gotura
thie im heidene man zi bluostrum indi zi geldom enti zi gotum habent?
ih fursahhu. Gilaubistü in got fater almahtigan? ih gilaubu. Gilaubistü
in Christ gotes sun nerjenton? ih gilaubu. Gilaubistü in heilagan geist?
— 256 —
endlich :mch iilier die Frage, ob ein Priester mehrere Messen an
einem Tage singen dürfe oder nicht.')
Grossen Wert hat man diesen T unterschieden nicht beigelegt.-)
Nach und nach glichen sich die meisten aus. Aber, bezeichnend
für die Bedeutung Karls, es geschah nicht so. dass man im frän-
kischeji Reiche zu der ursprünglichen Gestalt des Gregorianums zu-
rückkehrte, sondern so, dass man in Rom die fränkischen Ergän-
zungen aufnahm: der Gottesdienst in der Aachener Palastkapelle,
nicht der im Lateran, ist für die spätere katholische Messe mass-
gebend.
Für alles, was die Würde des Gottesdienstes erforderte, hatte
Karl das offenste Auge. Wenn seine Persönlichkeit einen so
durchaus harmonischen Eindruck macht, so beruht das vor allem
darauf, dass in diesem gi'ossen Staatsmann und Feldherra das
ästhetische Gefühl ungemein lel)haft entwickelt war. Es war ihm
Bedürfnis, dass in seiner Umgebung das Kleinste wie das Grösste
eine ansprechende Form trug.'^) Als er den Thron bestieg, hatte
die abendländische W^elt Jahrhunderte künstlerischer Verarmung
hinter sich. Zwar war das Erbe aus der Römerzeit nicht ganz
verloren gegangen: die Bauformen des 4. Jahrhunderts herrschten
noch im 6. und 7. Auch fehlte es den Baumeistern dieser späteren
Zeit nicht an neuen Gedanken, die sich im Verlauf als sehr frucht-
bar erwiesen. Es genügt zum Beweise das Eine zu erwähnen, dass
die Kreuzform der Basihka eine Erfindung der älteren fränkischen
Architekten ist.^) Aber wie hätte unter den unablässigen Kämpfen,
welche dem Königtum der Karolinger vorhergingen, die ruhige
Freude an dem Schnnick des Daseins aufkommen sollen, ohne die
das Gedeihen der Kunst nicht möghch ist? Erst unter Karls
Regiment fing man wieder an, von den Verhältnissen in Staat,
Kirche und Gesellschaft befriedigt zu sein. Damit war die Voraus-
ih gilaubu. Gilaubistü einan got almahtigan in tiinisse inti in finisse? ih
gilaubu. Gilaubistü heilaga gotes chirichün? ih gilaubu. Gilaubistü thuruh
taufwnpa sunteöno forläznessi? ih gilaubu. Gilaubistü Hb after töde? ih
gilaubu. Vgl. auch o. S. 182 Anm.
1) Für das erster« berief man sich auf Papst Leo, für das letztere auf
Honifatius. Walahfrid Strabo de exord. et increm. 22 S. 49.5 f.
2) Walahfrid urteilt an der angeführten Stelle sehr verständig nach
dem Vorgang dos Apostel Paulus: Itaque unusquisque in suo sensu abun-
dot. dum fides concordet (S. 49G).
3) Hiefür ist besonders das cap. de villis charakteriatisch (32, 24, 34,
48 S. 8.5 ff.j.
4) Kirche in Rebais (V. Agil. 15, A. S. Mab. II S. 308), Jumieges
(V. Filib. 7 S. 786).
— 257 —
Setzung für "das Aufblühen der Künste gegeben. Anregend und
fordernd wirkte die enge Verbindung, der ununterbrochene Ver-
kehr mit Itahen. Karl ist der erste Deutsche, der die bezaubernde
Schönheit Roms nicht nur dumpf empfunden, sondern Mar erkannt
hat. Wenn er seinen Palast in Aachen Lateran nannte, so zeugt
der Name von seiner Freude an dem sonnigen Süden. ^) So sehr
er unter den Welschen ein Deutscher bheb, so war es ihm doch
wohl in dem goldenen Rom. Und wie in Rom, so in Ravenna.
Mit den Kunstwerken, die er von dort entnahm, schmückte er seine
Residenz ; -) S. Vitale, die schönste Kh'che Ravennas, wählte er
zum Vorbild für seine Palastkirche. ■^)
Das Kirchliche wäre nicht das vornehmste geistige Interesse
der Zeit gewesen, wenn nicht Karl in ausgedehntem Masse die
Kunst in den Dienst der Kirche gestellt hätte. Er sprach es als
seinen Grundsatz aus, dass der Ort, in welchem das gläubige Volk
sich versammele, in welchem die Geheinmisse des Heils gefeiert
wiü'den, mit mannigfachem Schmucke zu zieren und zu ehi'en sei."*)
Und bei ihm ersetzten nicht die Grundsätze die Thaten, sondern
sie regelten sie. Die Kunstgeschichte rühmt ihn als den Erbauer
des Aachener Münsters: schon die Zeitgenossen erwähnen das Werk
mit Worten der höchsten Bewunderung;') die nächsten Generationen
haben es hier und dort nachgeahmt und damit bezeugt, dass es
1) Chron. Moiss. z. J. 796 S. 303; vgl. oben S. 129.
2) Cod. Carol. 81 S. 614. Die Profanbauten bleiben hier natürlich
ausser Betracht. Über den Palastbau s. Reber in den Abb. der Münch.
Akad. XIX 1891 S. 715 ff.
3) Dehio-Bezold, Die kirchl. Baukunst des Abendlandes S. 153.
4) Libr. Carol. IV, 3 S. 1188.
5) Einh. V. Karol. 17: Basilica s. Dei genitricis opere mirabili con-
structa; Chron. Moiss. z. J. 796 S. 303. Vgl. die weiteren von J. v. Schlosser,
Schrittquellen S. 26 f. gesammelten Stellen. Worauf sich die Annahme bei
Dehio-Bezold (a. a. 0. S. 152) gründet, dass das Münster dereinst des
Kaisers Grab aufnehmen sollte, weiss ich nicht. Kraus, Gesch. d. ehr.
Kunst II, 1 S. 7 hätte sie nicht wiederholen sollen. Denn Einhard sagt
V. Karol. 31 ganz bestimmt: Quod ipse vivus de hoc (Ort seiner Beerdi-
gung) nihil praecepisset. Auch Dohmes Angabe (Gesch. d. d. Baukunst
S. 8), die Kirche sei zur grossen Hof- und Staatskirche des Reichs bestimmt
gewesen, lässt sich, so viel ich weiss, nicht belegen; ich zweifele, ob ein
solcher Gedanke im 8. Jahrhundert möglich war. Einhard äussert sich c. 17
über die Motive Karls mit den Worten: Propter amorem Dei et domini
nostri J. Chr. et ob honorem sanctae et aeternae virginis. Aus der Er-
bauung eines Baptisteriums in Aachen, auf welche Dohme Wert legt, folgt
nicht das Mindeste: es sollte ja bei jeder Parochialkirche ein Baptisteriuui
erbaut werden (cap. 112, 32 S. 229).
Hauck, Kirchengeschichte. II. 2. Aufl. 17
— 258 —
ihnen als unül)ertret'tliches Vorbild galt.-*^ Aber auch heute noch
kann man den weiten, schlichten Raum nicht betreten, ohne von
der Erhabenheit berührt zu werden, welche dieses Erstlingswerk
deutscher Baukunst auszeiclniet.
l'nd doch ist die Errichtung des Aachener Münsters das ge-
ringst? Yerdit-nst Karls: denn ein vereinzeltes Kunstwerk ist wert-
los, die Prahlerei eines Barbaren. Karl ist deshalb gross, weil er
dem deutschen Volk die Überzeugung einprägte, dass die gottes-
dienstliciien Räume überall würdig und schön ausgestattet sein
müssten. Unbenutzte und ülxn-flüssige Kirchen Hess er ai)brechen;-)
aber um so mehr drang er dai'auf, dass den übrigen nichts fehlte,
was zur Zier diente und tiir den Kultus notwendig war.^) Auch
nicht die geringste Dorfkirche sollte dadurch entstellt werden, dass
man sie zur Aufbewahrung von Vorräten u. dgl. miss])rauchte.^)
Er fand für diese Bestrebimgen einen emptanglichen Boden. A\'ohl
gab es noch manche ärmliche Holzkirche. '^I aber überall im Reiche
wiu'de gebaut, gemalt und gemeisselt.") Der König hatte schliess-
1) Vgl. Kraus II, 1 S. 6 f.
2) Cap. 40, 1 (a. 803) S. 115: Ubi in unum locum plures (ecclesiae)
sunt, quam necesse sit, ut destruantur, quae necessaria non sunt, et alia
conserventur. Ebenso in Bezug auf die Altäre (cap. 43, 8 [a. 805] S. 121).
3) Cap. 22, 71 (a. 789) S. 59; 42, 1 (a. 803—804) S. 119; 46, 3 (a. 806)
S. 131; 49, 4 (a. 807?) S. 136; 62, 1 (a. 809) S. 150; 63, 1 (a. 809) S. 152;
83, 4 la. 813) S. 182.
4) Cap. 81, 5 (a. 810—813) S. 178; Theo.!, cap. I, 8 S. 194. Die Ab-
haltung der Placita in den Kirchen und Kirchhöfen wurde ebenfalls unter-
sagt (cap. 78, 21 [a. 813] S. 174; 83, 8 [a. 813V] S. 182, hier als Grund:
t^uia solent ibidem omines ad mortem iudicare: Conc. Arel. [a. 813] c. 22
S. 62; Mog. c. 40 S. 73). In den Kirchen zu beerdigen wurde nur aus-
nahmsweise gestattet (cap. 78, 20 S. 174; 81. 14 S. 178; Conc. Arel. 21
S. 62; Mog. c. 52 S. 75; Theod. cap. I, 9 S. 194; II S. 210; V. Liudg. II,
8 S. 414).
5) In Michelstadt im .Jahre 815 eine Holzkirche, dagegen in Mühlheiiii
ein Steinbau (Urkunde Ludwigs, B.M. 549), eine Steinkirche in Diirrmenz,
OA. Maulbronn, im .Tahre 835 Cod. Lauresh. 2337 ( VVürtt. GQ. II S. 76);
vgl. Cap. 128, 32 S. 255. Noch in der zweiten Hälfte des 9. .Tahrhunderts
waren in P'rankreich nicht alle Dorlkirchen Steinbauten. Das ergiebt sich
daraus, dass Regino von einer Kirche einmal eigens bemerkt, sie sei massiv
gewesen (Chron. z. .T. 867 S. 578). Deutschland stand ohne Zweifel hinter
dem Weston zurück.
6) Kinh. V. Karol. 17: Praccipue aedos sacras, ubicunque in toto regno
800 vetustate conlapsas comperit, pontificibus et patribus, ad quorum curam
pertinebant, ut restaurarentur, imperavit, adhibens curam per legatos, ut
imperata perficerent.
— 259 —
lieh Anlass, * die Geistlichkeit daran zu erinnern, dass eine sittHch
tüchtige Gemeinde doch wertvoller sei als eine schöne Kirche.^)
Stolz konnte er die Griechen auf den Unterschied zwischen ihrer
Heimat und seinem Reiche hinweisen: dort eine Menge Kirchen,
die so heruntergekommen seien, dass sie nicht einmal ordentliche
Dächer besässen. denen es an Lichtern und AVeihrauch gebreche;
hier dagegen glänzten die Kirchen von Gold und Silber, edlem
Gestein und Perlen; es gebe nichts Kostbares, das man nicht zu
ihrem Schmucke verwende.-)
Die meisten Kirchen waren ohne Zweifel Basiliken;^) so hatte
man unter den Merowingern gebaut, so waren die Vorbilder ge-
staltet, die man in Rom und Ravenna bewunderte. Auch das
Studium Vitruvs f(3rderte naturgemäss die Bewahning der alten
Formen.^) xlber die Baumeister Karls waren doch nicht nur Nach-
ahmer. Schon vor Karl hatte die Umbildung der altkirchlichen
zur romanischen Basilika begonnen; in seiner Epoche wurde sie in
den Grundzügen vollendet: die Kreuzform ''') und die Erhöhung des
Chors'') kamen nun in Übung, auch Doppelchöre') und Pfeiler-
1) Cap. 72, 11 (a. 811) S. 164.
2) Libr. Carol. IV, 3 S. 1183; doch vgl. Ale. ep. 136 S. 210.
3) Vgl. Dohme, Gesch. d. d. Baukunst S. 11; Dehio-Bezold, Die kirchl.
Baukunst d. Abendl. S. 157; Krau.s, Gesch. der ehr. Kunst II, 1 S. Iff.;
V. Schlosser, Schriftquellen z. Gesch. der Karoling. Kunst S. 3 ff. Ich stimme
der Ansicht zu, dass die karolingische Baukunst den Übergang von der
altkirchlichen zur romanischen Kunst bezeichnet, also zu letzterer zu
rechnen ist; nur scheinen mir Dehio und v. Bezold die Thätigkeit Karls zu
sehr als epochemachend zu betrachten ; die Formen, welche nun herrschend
wurden, waren vorher schon vorhanden. Es ist bemerkenswert und ent-
spricht der Sachlage, dass schon V. I Leodeg. 20 S. 667 von neuen Formen
die Rede ist.
4) Vgl. Einh. ep. 57 S. 138. Hier ist von einer capsella die Rede,
quam domnus E. columnis eburneis ad instar antiquorum operum fabricavit.
5) Salvatorkirche in Fulda, Dom zu KölnC?), Hersfeld, Bauriss von
St. Gallen, s. Dehio-Bezold a. a. 0. S. 157 ff. Irrig ist nur, dass die Ver-
fasser die Erfindung der Kreuzform der Zeit Karls zuschreiben (S. 160); sie
ist, wie die S. 256 Anm. 4 angeführten Stellen beweisen, älter.
6) Beispiele des Ausbaues der Krypta zu einem Oratorium : Fulda, östl.
Krypta von St. Salvator (V. Leob. 23 S. 131), St. Gallen (V. Gall. II, 25
S. 27; 32 S. 28; Mirac. Othm. I, 10 S. 51), St. Denis (Urkunde Ludwigs
vom 20. Januar 833, Bouq. VI S. 588), Elno (Ale. carm. 58, 4 S. 306),
St. Avold (Transl. Chrys. 15 A. S. Mab. IV, 1 S. 579j. Beispiele auf Denk-
mälern bei Dehio u. v. Bezold S. 183 f.
7) St.Riquier. Fulda, St. Gallen, s. Dehio u. v. Bezold S. 167 ff.; Dohme
S. 12. Dass doppelchörige Kirchen schon vor Karl vorkommen, bemerken
17*
— 260 —
})aiitcn ^) begegnen da und dort; endlich suchte man durch symme-
trische Anordnung der Thürme diese in ein ästhetisch ansprechendes
Verhältnis zur Kirche zu setzen.-) Damit war die neue Bahn
eröft'net.
Den Schmuck der Kirchen bildeten fTomälde"') und Inschriften,^)
Wie m den Bauten der altkirchlichen Zeit so wurden auch jetzt
die Halbkuppel der Apsis, die breiten AN'andtlächen des Triuniph-
})ogens und der Langwände des Mittelschiffs mit Bildern bedeckt,
^lan malte sie, wie es scheint, gewöhnlich auf die trockene oder
nasse Wand;'') doch m()gen auch nmsivische Bilder nicht gefehlt
liaben. Denn noch war die Kunst der Mosaicisten nicht vergessen.")
Dfihio u. V. Bezold S. 169; vgl. Kraus II, 1 S. 14. Das doppelte Querschiff,
die Konsequenz des doppelten Chors, scheint nur in St. Kiquier vorgekommen
zu sein.
1) Michelstadt und Seligenstadt (Dohme S. 1.5).
2) S. die bekannte Anordnung zweier Türme auf dem Bauriss von
St. Gallen c. 830. Da.ss es auf fränkischem Gebiete schon in der vorkaro-
lingischen Zeit Kirchtürme gab, zeigt V. Anstrud. 14 (A. S. Mab. II S. 940).
Ich stelle ein paar Erwähnungen von Türmen und turmlosen Kirchen zu-
sammen: Aachen, Einh. Transl. Marcell. III, lö: Turricula, quae signa
basilicae continebat; a. 835 St. Wandrille: In s. Petri basilica pyra-
midum quadrangulam altitudinis triginta quinque podum de ligno tornatili
compositam in culmine turris eiusdom aecclesiae collocari iussit; quam
plumbo, stagno ac cupro deaurato cooperiri iussit, triaque ibi signa posuit;
nam antea nimis humile hoc opus erat (Gest. abb. Font. 17 S. 55), so viel
ich weiss, die erste Erwähnung eines spitzen Turmhelmes; a. 857: Turris
campanarum der Kathedrale zu Trier (Ann. Bertin. z. d. J. S. 48). Vgl.
Ale. cp. 226 S. 370 über York: Videtur condignum, ut domuncula cloccarum
stagno tegatur propter ornamentum et loci celebritatem. Kirchen ohne
Turm: a. 835 St. Peter in Corbie (V. Adalh. 87 f. S. 320 f.), oder ist an
einen Turm über der Vierung zu denken, in dem die Glocken hingen?
c. a. 853: St. Avold (Transl. Ghrys. 22 S. 581).
3) Cap. 49, 4 (a. «07?) S. 136 erscheinen Bilder als gewöhnlicher Be-
standteil des Kirchenschmuckes. Vgl. Ale. carm. 66, 2 v. 6 f. S. 286.
4) Vgl. die Inschriften Alkuins für St. Peter in Köln carm. 107, 2
S. 333; Salzburg c. 109 S. 335 ff.; Elno c. 88 S. 305 f.; St. Vaast c. 89
S. 309; für eine von Alkuin erbaute Marienkirche c. 90 S. 313 u. a.; In-
schriften für St. Alban in Mainz und Bleidenstadt Poet. lat. 1 S. 4'M, für
das Aachener Münster 1. c. S. 432. Steinraann, Die Tituli und die kirch-
liche Wandmalerei, Leipzig 1892, S. 98 f.
5) Vgl. den Brief Frothars von Toni an den Abt Aglemar: Peto ut
nobis raittas ad decorandos parietes colores divernos, «pii ad manum habentur,
videlicet auri pigmentum, folium Indicum, minium, lazur adque prasinum
et de vivo argento iuxta facultatem.
6) Libr. Card. III, 30 S. 1179: Si qui« ligneam doraum aedificans, si
— 261 —
Zu den Wandbildern traten die Tafelljilder hinzu; sie werden in
Wachsmalerei ausgeführt gewesen sein; denn auch diese Technik
wusste man noch zu gebrauchen.^) Kaum wird es ein Münster
gegeben haben, das nicht wenigstens ein jjaar Bildtafeln besass:
man weiss, dass sie dem kleinen Klösterlein in Solnhofen nicht
fehlten; aber auch die reichere Stiftimg Einhards in Seligenstadt
legte Wert auf ihi-en Besitz: der Maler Hilperich in Prüm malte
Bilder füi- sie.-)
Ausser den Wänden scheinen die flachen Holzdecken der
Kirchen bemalt gewesen zu sein.-^) EndHch hat es alle Wahr-
scheinlichkeit, dass die ersten bunten Glasfenster der karohngischen
Zeit angehören: die technische Voraussetzung war noch gegeben,
und der Eindruck war unvenneidlich, dass das farbenglänzende
Innere der Kirche gedämpftes licht forderte.^)
parietes cupit marmoreis exornare tabulis aut variare multicoloribus vitri
frustulis, dum cernit ligno earlem metalla per naturam minima posse cohaerere,
spretis bis metallis . . lignis domus conatur pei-ficere.
1) L. c. III, 15 S. 1145; Imagines hominum vel ceris pictae vel metallis
conflatae; vgl. I, 2 S. 1013.
2) Über Seligenstadt Servat. Lup. ep. 67 S. 135; über Solnhofen (Ta-
bulae pictatoriae ibidem pendentes) V. Sual. 8 M.6. Scr. XV S. 160. Die
Karoliniscben Bücher nennen Tafel- und Wandgemälde nebeneinander (III,
16 S. 1147). Die Werke, mit denen Angilbez't die Altäre in St. Riquier
schmücken Hess, vgl. Angilb, libell. de eccl. Cent. 3 S. 177 und carm. 1 — 7
waren natürlich keine Gemälde, sondern Antependien; ebenso war die Holz-
tafel, welche Ansegis für den Marienaltar in Luxeuil stiftete (Gesta abb.
Font. 17 S. 52), ein Antependium mit Metallfiguren und kein Bild.
3) Ich weiss keinen Beleg; aber die Notiz über die nobilissime picturis
geschmückte Decke im Dormitorium von St. Wandrille macht die Annahme
sehr wahrscheinlich (Gesta abb. Font. 17 S. 54).
4) V. II Liudg. II, 29 S. 423 von einem wunderbar geheilten Blinden:
Luce paulatim per fenestras (der Kirche zu Werden) irradiante imagine.s
in eis factas monstrare digito coepit. So die Lesart nach Mabillon. Pertz
(M.G. Scr. II, 423) liest in eo, eine Lesart, bei der jede Konstruktion un-
möglich ist, weshalb ich die Lesart Mabillons für richtig halte. Damit ist
das Vorkommen gemusterter Glasfenster in der Karolingerzeit bewiesen.
Die Lebensbeschreibung Liudgers gehört der Mitte des 9. Jahrhunderts an
(c. 864). In Reichenau lebte um 840 ein vitrearius Namens Matthäus; die
Mönche von Corveyi?) wünschten, dass er dorthin komme, quatenus ad basi-
licam s. Viti martyris summe fenestre exemplar ostentet infantulis nostris.
Dabei kann man verständigerweise doch auch nur an die Zeichnung eines
Musters für das betreifende Fenster denken (Form. Aug. coli. C Nr. 13
S. 370). Die Sache hat an sich nichts L'nwahrscheinliches. denn die Ver-
wendung von Glasmosaik zum Fensterverschluss lag in einer Zeit, in welcher
— 262 —
Erhalten ist von diosom Rciclituin malerischer AVerke nicht
das geringste. Die Vorstcllnnu wäre auf schwankende Vermutungen
augewiesen, wenn nicht die Miniaturen der Prachthandschriften eine
Anschauung von den Formen und ^JVpon gäl)en. welche hei den
Künstlern in Karls Zeit herrschten. JJenn nehen der grossen
Kunst^ welche das Innere der Kirchen mit üherlehensgrosscn
Figuren erfüllte, wurde mit gleichem Eifer die kleine Kunst ge-
pflegt, für die der TJmfang eines massigen Blattes den Raum dar-
hot. In der Schreil)stube der Hofschule, in den Klöstern zu Tours,
Metz und anderwärts wirkten diese Kleinmeister.') 'M<m hat be-
merkt, dass unter Karls Regierung der Kreis der dargestellten
Gegenstände noch sehr enge ist: die Kanonestafeln, die Bilder
Christi und der Evangelisten, das Ijamm Gottes und die vierund-
zwanzig Altesten, endlich der Lebensbruunen und einige Bilder aus
der Anfangsgeschichte der Menschheit, dazu reichliches Ornament,
das ist alles.-) Aber das Wenige genügt, um zu zeigen, dass die
Künstler Karls d. Gr. keine neuen Formen und Typen ausluldeten.
Überall liegen die Zusammenhänge, welche die Kunst des achten
und neunten Jalu-hundeits mit der früheren Zeit verbinden, often
zu Tage: wie die Schriftsteller von der altkirchlichen Litteratur, so
waren die Künstler von dem altkirchlichen Vorbild al)hängig. Nicht
die freie Eründung, sondern die Überlieferung beherrschte wie die
Gedanken so auch Auge und Hand: die Künstler arbeiteten stil-
raan Glaspasten zur Anfertigung musivischer Arbeiten überall herzustellen
verstand (vgl. Hraban de univ. XVII, 10 S. 474), vio] näher al« in oinor
Zeit, in welcher «lie musivische Malerei so gut wie verschwunden war, wie
im 10. oder gar im 11. .Tahrhundert. Glasfenster werden auch sonst ge-
legentlich erwähnt V. Filib. 7 (A. S. Mab. II, 786); Gesta abb. P'ont. 17
S. 54. Mir scheint, dass sie auch jetzt noch gewöhnlicher waren, als man
anzunehmen pflegt. Glas war in dieser Zeit nichts überaus »Seltenes, also
Kostbares; wie hätte man sonst Glaskelche auf die gleiche Stufe mit Holz-
kelchen gestellt und vorboten (Common, cuiusq. ep. 6 8. 187ß)V wie hätte
man einen zinnernen Kelch für kostbarer als einen gläsernen halten können
(V. Bened. 5, M.G. Scr. XV S. 204)V Vgl. H.l. 1 S. 215 Anm. 5.
1) Vgl. .lanitschok, Gesch. der deiitachon Malerei 8. 15 fl'.; rlers. in Die
Trierer Ada-Handschrift 8. R3 ff. Hier sind die sämtlichen einschlägigen
Handschriften besprochen. Kraus II. 1 8. 24 ft. ; Leitschuh, Gesch. der Karol.
Malerei 8. 70 ff.; v. Schlosser 8. 392 ff.; ders. in den Wiener SB. 1890 Bd. 123
S. 1 ff ; Lamprecbt, Initialornamentik 8. 26 ff.; Wattenbach NA. VIII 8. 458f.;
Braun. Beiträge zur Geschieht« der Trierer Buchmalerei, Westdeutsche Zeit-
schrift Krgänzungsheft 9, 1896.
2) .lanitschek, Ada-Handschrift 8. 65 f. Die Ableitung aus Karls
Stellung im Bilderstreit acheint mir indessen irrig; sie wird durch das, was
wir über die Kirchenbilder wissen, widerlegt.
— 263 —
gerecht, weil* sie nur Jernten. nicht selbst beobachteten. Aber so
sicher das ist. so wird doch auch die andere Bemerkung nicht
trägen, dass trotzdem im Zeitalter Karls die Umprägung der alten
Fomien zum Mittelalterlichen beginnt. Das Ornament ist anti-
kisierend; die Figuren schhessen sich in Gestalt. Gesichtst}-pus und
Gewandung an das Überkommen au. Aber dort treten neben das
Akauthusblatt, den Eierstab und den Mäander andere Formen,
sowohl li'änkischen, als angelsächsischen und keltischen Ursprungs.
Schwerlich sind die Zeichner, die so verschiedene Formen benützten,
sich dessen bewusst gewesen, dass sie durch den gleichzeitigen Ge-
brauch derselben die bisherige Regel durchbrachen, xlber dass es
ihnen gelang, sie nicht nur nebeneinander zu stellen, sondern zu
einem harmonischen Ganzen zu lugen, darin liegt das Neue. Mit
den Figuren ist es nicht anders: die Evangehsten der Adahand-
schrift ^ siiul ganz im antiken Schema gezeichnet; aber diese Ge-
stalten, die bald schwermütig siimend niederbhcken, bald gespannt
lauschend das Auge erheben, sind von tieferer Empfindung beseelt
als alles, was die altchristhche Kunst hervorgebracht hat. Darin
liegt die Umbildung.
Es wäre irrig, aus dem engen Bilderkreis der Handschriften
zu folgern, dass die Kirchenbilder sich innerhalb einer ähnhch be-
schi-änkten Grenze hielten. Die htterarische Überlieferang beweist,
dass das nicht der Fall war. Wie hätte es anders sein sollen?
Denn schon dm'ch die Vorbilder Roms und Ravennas war hier
eine freiere Bewegung gesichert. Bis ins einzelne entsprach dem
dortigen Vorbild che Anordnung des bildnerischen Schmuckes: hoch
am Triumphbogen sah man das Bildnis Christi und die Evan-
gelistensymbole,-) von den Wänden des Hauptschiffes leuchteten
historische Darstellungen und die Bilder von Bischöfen und Heihgen^^)
in der Kuppel der Apsis hinter dem Hauptaltar thronte Christus
1) Tafel 10, 15—17.
2) Vo-1. Ale. carm. 117 S. 346 f. Dass die Verse zu den 4 Gestalten
gehören, unterliegt keinem Zweifel; höchst eigenartig ist aber die Deutung
dieser auf Christus. Christus zwischen den 4 Gestalten auch Flor. Lugd.
carm. 20 S. 548.
3) Vgl. die aus Meaux stammenden Verse (Poet. lat. I S. 115 c. 11
V. 7 ff.):
Vertice siderio prefert pictura figuras
Et monstrat Christi effigiem domini.
Historias medius sacras pulcrasque fenestras
Ordo gerit, patrum pontificumque decus.
Infimus ast loculus, veluti de marmore comptus
Et decus et specimen contulit egregium.
— 264 —
als der Herrscher oder der "Weltenricliter.^) Die Vorwürfe zu den
Historienbildern entnahm man dem Alten und dem Neuen Testa-
ment, seltener den Lehrenden der Heilip;on.'-) Deutlich zeigt sich
das Fortlehen in den alten Anschauungskreisen darin, dass da und
dort die Darstellung des Gekreuzigten, an die man längst gewöhnt
war. ausgeschlossen blieb. In der Ansiuhrung waren die aus der
vorgermanischen Zeit überkommenen Typen beibehalten; neben den
freundlichen Zügen des jugendlichen Christus sah man auch dies-
seits der Alpen die ernsten, strengen des Weltenrichters, die man
aus St. Paul V. d. M. kennt. ^) Auch die aus der antiken Kunst
stammenden Personifikationen von Meer und Erde. Sonne und Mond
u. dgl. fehlten nicht."*)
Die Menge der erhaltenen Inschriften zeigt, wie gewühiilich es
war. sie den Bildern beizufügen. ]\[an konnte sich nicht mehr, wie
in der altchristhchen Zeit, darauf verlassen, dass der Beschauer
das Bild auch ohne Deutung vei-stehen würde. Denn währeud der
kunstannen Jahrhunderte seit dem Untergang dei- antiken Kultur
war die Kunst zum Fremdling geworden, dessen Sprache man nicht
mehr verstand. Deshalb trat die erklärende Inschrift neben das
Bild: sie erst machte jetzt das Bild zu einei- gemalten Predigt.
Doch wurden Inschriften in kunstvoller Ausführung an Wänden,
Thüren und Altären auch ohne Bilder angel)racht; dann deuteten
sie dem Leser den Zweck des Gotteshauses, oder sie mahnten zur
Andacht und erinnerten an den Trost des christhchen Glaubens.'^)
Die Skulptur verfügte über verschiedene Arten der Technik:
neben der Kunst des Marmorarbeiters und Stukkateurs findet man
1) Inschrift einer musivisch verzierten Apsis (Poet. lat. I S. 77c. 46 v. 5 f.):
In quo terribilis vultus dominantis et una
Sanctorum eftijries pulchro .sub cnigmate vernant.
In flor Kirche zu Gorze Christus als "Wcltonrichtor zwischen Seraphim und
Cherubim, vor ihm die fünf klugen Jungfrauen (Ale. carm. 103, 1 S. 330).
Eine Darstellung des Weltgerichts an der Westwand in St. Gallen (Poet.
lat. II S. 481 f. III. IV).
2) Bilder aus dorn Alt. Test. Ale. carm. 11.'» S. 346; aus dem Leben
.Jesu Poet. lat. I S. 413 f.; II S. 480 ff. Nr. VII. aus St. fallen. Bemerkens-
wert ist, dass eigentliche Loidcnsdarstellungen hier vermieden werden. Libr.
Carol. IV, 21 S. 1229; Darstellung des Gekreuzigten Ale. carm. 116 S. 346;
Heiligenbilder V. Sual. 8 S. 160.
3) Vgl. oben Anm. 1 , terribilis vultus-*.
4) Ale. carm. 70 S. 293; Theod. carm. 47 S. 547 f.; 46 S. 544 f.; vgl.
Libr. Carol. III, 23 S. 1162; IV, 21 S. 1230.
5) Ale. carm. 88 M.G. Poet. lat. I. S. 308: die Anweisung in pariete
scribendum ; die Inschrift des Aachener Münsters a. a. 0. S. 432 Nr. 3;
vgl. Steinmann S. 118 ff.
— 265 —
in den Karoliuischen -Büchern die im Norden altheimische Holz-
schnitzerei erwähnt.^) Griffen die Schnitzer bei kleinen Arbeiten,
dem altchristlichen Vorbilde folgend, gerne zu dem kostbarsten und
bildsamsten Material, dem Elfenbein, so waren dagegen die Stein-
bildhauer genötigt, sich mit den gewöhnlichen heimischen Steinarten
zu begnügen; es fehlte der Marmor. Auch an den Erzguss hat
man sich in Karls Zeit gewagt, besonders aber wurde die Gold-
schmiedekunst gepflegt.
Marmorarbeit fand sich wohl höchstens an den Altären, die
man auf das reichste zu schmücken liebte."-) Wie in der altchrist-
lichen Zeit überbaute man den Hauptaltar mit einem säulenge-
tragenen Ciborium;'^) die Stirnseite des Altartisches erhielt wohl
eine Bekleidung von edlem Metall. Diese kostbaren Antependien
können nicht allzu selten gewesen sein: man weiss von den Kirchen
in Köln und St. Vaast, in Lorsch und Fulda, in Milz und Staffel-
see, dass sie in dieser Weise geschmückt waren.'*)
1) Libr. Carol. I, 2 S. 1012: Ecce cernuntur plures stare imagines,
quorum quaedam sunt colorum fucis campaginatae, quaedam auro argentove
conflatae, quaedam in ligno caelatoris scalpello fignratae, quaedam in mar-
more incisae, quaedam in gypso vel testa formatae. Vgl. III, 15 S 1142.
In der Zeitschrift für christliche Kunst (1888) S. 313 veröffentlicht G. Schöner-
mark die Abbildung eines Holzkruzifixes aus Obernkirchen, das er der Zeit
Karls d. Gr. zuschreibt. Wie mir scheint, mit Unrecht. Der von ihm her-
vorgehobene Umstand, dass „hier keine Spur antiker Technik mehr nach-
wirkt", widerlegt seine Datierung.
2) Ein Marmoraltar in St. Stephan in Metz ist Gesta ep. Mett. S. 263
erwähnt. Der Altartisch war überall von Stein, s. Cap. 19, 14 S. 46. Die
Altäre waren vielerorts schon sehr zahlreich: die Kirche von St. Vaast hatte
14, St. Peter in Arras 9 (Ale. carm. 88 S. 309 ff.), St. Salvator in Centula 11,
St. Benedikt daselbst 3, St. Maria daselbst 13 (Bericht Angilberts M.G.
Scr. XV S. 174 f.), Klingenmünster 5 (Hrab. carm. 74 S. 227j, die kleine
Michaelskirche in Fulda 3 (ib. 42 S. 209), der Bauriss von St. Gallen hat 17.
Dagegen wird in St. Alban in Mainz nur ein Altar erwähnt (Poet. lat. I
S. 431 0. 2 v. 4), St. Peter in Köln hatte im Jahre 857 3 Altäre (Ann. Fuld.
z. d. J. S. 48). Karl war ein Gegner der Überzahl der Altäre; cap. 48, 8
(a. 805) S. 121: De altaribus, ut non superflua sint in ecclesiis-, vgl. Stat.
Bonif. 3 S. 383. Über den Schmuck der Altäre J. v. Schlosser, Wiener SB.
1890 Bd. 123 S. 69 ff.
3) Von den 27 Altären in den 3 Kirchen von St. Riquier hatten nur
3 Ciborien (Angilberts Bericht a. a. 0.). Ähnliche Baldachine auch über
den Gräbern s. V. Sturm. 20 Scr. II S. 375.
4) St. Peter in Köln (Ale. carm 107, 2 v. 1 f. S. 333), St. Vaast (ib. 88
V. 7 S. 309), Lorsch (Chron. Lauresh. z. 805 M.G. Scr. XXI S. 356), Fulda
(V. Sturm. 20 S. 375), Milz (Dronke, Cod. dipl. 157 S. 88), Staffelsee (cap.
128, 2 S. 250). Das bekannte Aachener Antependium halte ich nicht für
— 266 —
Einfacliei" als der Altar sclieint der Aniboii. das Lesepult, ge-
lullten worden zu sein. Denn Nachrichten über künstlerisch ver-
zierte Anihonen sind aus dieser Zeit nicht erhalten. Auch fehlte
der Ainl)()n wohl ganz.^)
Ebenso werden künstlerisch durchgebildete Taut'brunnen nir-
gends* envähnt: man wird sich in der Kegel mit einem einfachen
Kessel begnügt haben.-)
Die Steinbildhauerei fand vornehmlich bei der Herstellung von
Sarkophagen und Graljplatten Verwendung, Man wagte nicht mit
dem reichen Schmuck der altchristlichen Voi'bilder zu wetteifern,
sondern man begnügte sich in der Regel, die Platte mit einem
Kreuz zu belegen und mit einer Zierleiste einzufassen;'') an die
Stelle des ohne Worte redenden Bildes trat auch hiei- die Inschrift.'*)
A'erwendete n)an das alte Motiv, die Flächen durch Pylaster in
Felder zu teilen, so entbehrten die letzteren der schmückenden
Rehefs; sie Ijlieben glatt. ■^) Ersetzte somit die Handfertigkeit des
krirolingisch. Ähnliche Verzierunfren erhielten wohl auch Grabmäler, s. die
Nachrichten Aribos, V. Corb. 1.3 S. 259 u. 16 S. 262 über Bilder auf des
letzteren Grab.
1) AiitTallenderweise werden in den S. 267 Anm. ö <,'enannten Ver-
zeichnissen Ambonen nicht genannt. Auch die Benediktskirche in St. Ri-
<[uier hatte kein Lektorium, dagegen die Salvatorkirche 2. Gewöhnlich
fehlten sie jedoch nicht; in einem Kapitular Ludwigs von 818 — 819 wird
vorausgesetzt, dass in jeder Kirche ein Ambo vorhanden ist (cap. 138, 6
S. 277): man verlas vom Ambo kaiserliche Verordnuni^on. Auch gepredigt
wurde von da aus (Mirac. Othm. 1, 4 S. 49; Ann. IJortin /.. .1. 849 S. 36);
ein vergoldetes Lesepult aus etwas jüngerer Zeit erwähnt in St. Gallen: Gas.
8. Galli S. 88.
2) Haito von Basel giebt für den Taufkessel folgende Vorschrift: Ut
vas ad fontom baptismatis habeant. quod ad reliquos usus nullatenus assu-
matur, Cap. 177, 7 S. 363. Der Taufkessel war also beweglich.
3) Kraus, Inschriften S. 52 Nr. 106; S. 88 Nr. 194; S. 234 f. Nr. 502.
.504. 505. 506. Vgl. Giemen, Merow. u. Karol. Plastik, Bonner JB. 92. Bd.
8. 103.
4) Kraus S. 88 Nr. 194 die Grabschrift eines (»erhöh, monachus et
presbyter in Lorsch mit dem Gebet: Christe resuscita me in resurroctione
iustorum. S. 235 Nr. 505 Grab einer Witwe(?) Remich mit der Legende:
Diligamus nos invicem quia Caritas ex Deo est, et oninis qui diligit
ex Deo natus est et vivit in Deo. So ergänzt Kraus. An der von ihm nicht
erpiinzton Stolle stehen die Buchstaben KRATKMS. V ... VII ... . Es ist
auf den ersten Blick klar, dass das erste Wort verschrieben ist für fratrem
and dass also zu lesen ist fratrem suum sicut se ipsum.
5) Vgl. den bei Adamy, Die Fränkische Thorhalle S. 33 Nr. 43 abge-
bildeten Steinsarg aus Lorsch.
— 267 —
Steinmetzen die Kunst .des Bildhauers, so erlahmte doch die letztere
nicht vollständig. Ein Gedenkstein aus St. Alhan in Mainz zeigt
Christum als Welteurichter mit dem Kreuz in der Rechten, das
geöffnete Buch in der Linken haltend.')
Von kirchlichen Werken des Erzgusses erwähnt Einhard die
Thüren und Gitter, die Karl fiu- sein Münster in Aachen herstellen
Hess.-) Die erhaltenen Werke sind von allem was diese Zeit her-
vorgehracht hat, am freiesten von nordischen Motiven : man kann
nicht umhin, an direkte Nachahmung älterer Vorbilder zu denken.
Das technische Vermögen musste dadurch zunehmen, dass kaum
einer Kirche die Glocken fehlten;-^) Giesshütten muss es also in
grösserer Zahl gegeben haben.
Die Elfenbeinschnitzerei war schon unter den Merowingern im
fränkischen Reiche heimisch geworden. Da die geschnitzten Platten
besonders zu Bucheinbänden benützt wurden, so wirkte die Vorhebe
für Prachthandschriften auf diese Technik fördernd ein. Neben den
westfränkischen Orten waren unter und bald nach Karl Metz, die
niederrheinischen und oberdeutschen Klöster Sitze dieser Technik.^)
Die Blüte der Goldschmiedekunst war bedingt durch den Eifer,
mit dem die Kirchen allüberall einen Schatz wertvoller Kirchen-
geräte sammelten: goldene und silberne Kreuze und Reliquien-
behälter, Kelche und Patenen, Kronleuchter und Giessgefässe, Weih-
rauchbüchsen und Räucherpfannen werden in den Schatzverzeichnissen
wohlhabender Kirchen in Menge aufgezählt;'^) mindestens Kelch
1) Abbildung bei Adamy S. 41 Nr. 49 und 50. Auf der Rückseite ein
Kreuz mit der Inschrift Sancta crux nos salva. Bei Giemen seltsamer Weise
als Gestalt eines Geistlichen bezeichnet (a. a. 0. S. 105).
2) V. Carol. 26. Über die Werke, Falke, Deutsches Kunstgewerbe
S. 26 f.
3) Staffelsee hatte 2 Glocken, Milz 4, Münnerstadt 1 (s. die Anm. 5
angeführten Verzeichnisse), 2 Glocken in der Dorfkirche zu Dürrmenz im
Enzgau OA. Maulbronn, cod. Lauresh. II. S. 447 Nr. 2337.
4) Vgl. Giemen, Merowing. und Karol. Plastik (Bonner JB. 92. Bd.
S. 108 ff.)
5) Inventar von St. Michael in Staffelsee: 1 gold- und silberge-
schmückter Altar, 5 vergoldete, mit Edelsteinen, Glas und Krystall verzierte
Reliquienkapseln, 1 desgl. von Kupfer, an einzelnen Stellen vergoldet,
2 kleine Reliquienkreuze, 1 grösseres Kreuz von Gold und Silber mit Glas-
flüssen, über dem Altar ein silberner Kronleuchter im Gewicht von 2 Pfund,
2 silberne Kelche, an den Aussenseiten skulpiert, jeder mit Patena, im Ge-
wicht von 30 und 15 Solidi, 1 silbernes Offertorium und 2 silberne Büchsen
für Weihrauch, 1 silberne und 1 kupferne Räucherpfanne, 1 kupferne,
1 zinnerne und 2 gläserne Ampullen (für Chrisma und Salböl, s. cap. 81,
17 S. 179), 1 kupferner Krug mit Giessgefäss, 1 grosse gläserne Schüssel,
— 26ö —
und Patenc. Kreuz und R(di([uienkapsel fand man wohl in jeder
Dorfkirclie.') Erlialten ist von allem diesem Keiclitum nur sehr
weniu'. l^och geben die Kelche Tassilos'-') und Liudgers^) eine Vor-
stellung von der ühlichen Gestalt und der kostbareren odei- ein-
facheren Verzierung des Kelches und zeigt die sogenannte AN'illi-
3 Planeta, 2 Dalmatika, 7 Alba, 4 Ainiktus, 13 Fanones (Hrab. de instit.
cleric. I, 18: Mappula sacerdotis indumenlum est, «luod vulgo Phanonem
vocant, quod ol» hoc eorum tunc manibus tenetur, quando misae officium
agitur, ut parates ad ininisteriuui mensae domini populus conspiciat),
12 Altarpallia, 20 linnene Altartücher, 8 Manipoln, 4 Korporale, 2 Stolen
(cap. 128, 2—4 S. 250). Kirchenschatz von Kloster Milz: gold- und silber-
geschmückter Altar, 3 goldene Kreuze, 11 vergoldete Kapseln, 4 silberne
Kelche mit Patenen, 3 silberne Ampullen, 3 kupferne Kelche mit Patenen,
9 vergoldete Figuren, 1 goldene Corona, 14 Kasein, 2 Dalmatika, 6 Alba,
22 Altartücher, 16 Manipeln, 4 Stolon, 10 Fanones (Dronke, Cod. dipl. 157
S. 88). Kirchenschatz zu Münnerstadt in Unterfranken: 2 vergoldete, 1 mit
Perlen verzierte Kapsel, 9 Altargewänder, 1 silberner Kelch mit Patene,
6 Vela, 1 Kasel mit Alba, 3 petiu cum tribus eapitalibus (mir unverständlich,
Dronke vermutet statt petiu pixides), 2 vasa ad ministrandum (Messkolche),
2 Schreine (Dronke 1. c. 131 S. 76). Über den Schmuck der Kirche St. Vaast
durch Abt Rado s. Ale. carm. 88 v. 7 ff . S. 309:
Cancellos, aras voliiit vcstire raetallis,
Vedasti fabricans sarcofagumque patris.
l'allia suspendit parietibus atque lucernas
Addidit, ut fierot lumen in aedo sacrum.
Officiis domini focit quoque vasa sacrata
Argento, necnon aurea tota quidem.
Indult altaris speciosa vesto ministros,
Ut foret ogregium semper ubique decus.
Kirchengeräte der im Jahre 772 von Benedikt von Aniane ge.stifteion Sal-
vatorkirche V. ßened. 17 S. 205 f.; desgl. der Kirchen von St. Kiquier
(Bericht Angilberts a. a. 0.). Stiftungen der Äbte Wido und Gervold für
St. Wandrille Gest. abb. Font. 15 f. S. 44 und 17, des Abts Ansigis (unter
Ludwig d. Fr.) für das genannte Kloster und Luxeuil 1. c. 17 S. 52 tf. Vgl.
Stutz, Benefizialwpsen S. 143 Anm. 43.
1) Bischof (fhärbald rechnete zur notwendigen Au.s.stattung der Kirchen
ausser den Büchern jiatena et calix, jilaneta et alba, crux, capsa (Cap. 123,
9 S. 243). Sie sind auch bei der Schenkung der Kirche Hozheim in der Wetterau
an Lorsch als Besitz der Kirche genannt (Cod. Lauresh. II S. 623 Nr. 2966).
2) In Kronismünster mit der Inschrift: Tassilo dux fortis -j-Liutpirg virga
rcgalis: Abbildung bei Falke Tafel zu S. 22. Das Urteil Clemens, der den
Kelch der iri.^chen Kunst zuweist, scheint mir unliogründet (a. a. 0. S. 65).
3l In Werden mit der Inschrift: Hie calix sanguinis domini nostri
Jesu Christi — agitiir hec summus per pocla triumphus, Abbildung in den
Kunstdenkmälern der Rheinprovinz II S. 345 f. Fig. 44.
- 269 —
brordsarche iiT Emmerich die gefällige Bildung und die reiche Aus-
stattung der Reliquiare.-')
Endlich erwähnen die Schatzverzeichnisse einen überfluss an
kostbaren Altartüchern und Priestergewändern, auch Teppiche zur
Bekleidung der Wände fehlten nicht.")
Die Frömmigkeit des Volkes stiftete und spendete diese
Kunstwerke,^) und die Kultur des Volkes hatte den Segen davon:
an tausend Orten sah man Schönes, manches wiu'de im eigenen
Hause gearbeitet: die Freude an dem Schönen wurde Gemein-
gut.^)
Noch war die Kunst nicht ausschliesslich Eigentum der
Mönche;'^) aber die Klöster bewiesen sich doch bereits als frucht-
bare Pflegstätten für dieselbe. Fulda war früher wegen seiner
Kunstwerke, als wegen seiner litterarischen Betriebsamkeit berühmt.
Schon unter Abt Sturm besclu'änkte die Bauthätigkeit sich nicht
mehr auf das Notwendige. Ausserdem liess er für das Grab des
Bonifatius einen kostbaren Schrein aus Gold und Silber anfertigen,
der noch die Bewunderung der Späteren erregte.") Unter Abt
Baugulf baute Ratgar die Bonifatiuskirche und die Kirche auf dem
1) A. a. 0. II S. 46. Auf der einen Schmalseite Christus am Kreuz
zwischen den 4 Tliieren, auf der anderen die letzteren wiederholt. Inschrift:
He sunt reliquiae, quas sanctus Willibrordus Rome a papa Sergio accepit
et Embrike transportavit. Die Bezeichnung Willibrords als sanctus zeigt,
dass die Arche nach seinem Tode hergestellt wurde. Ein verwandtes Werk
ist der Reliquienschrein aus Herford im Berliner Kunstgewerbemuseum
(Giemen a. a. 0. S. 41).
2) S. 0. S. 267 Anm. 5.
3) Vgl. Cap. 81, 7 (a. 810—813) S. 179: üt presbyteri per parochias
suas feminis praedicent, ut linteamina altaribus praeparent, womit zu ver-
gleichen die Urkunde Meichelbeck 179 S. 117: Et feci ego ipse (Oazo von
Rothbach bei Dachau) et Engilsnot (dessen Tochter) manibus nostris altarem.
Ein Priester Tutilo schenkt gleichzeitig für den Altar Kelch, Patene und
Sakramentar.
4) Bilder aus der Biblischen Geschichte auf Geräten des täglichen
Gebrauchs (Libr. Car. IV, 21 S. 1230); vgl. c. 29: Tarn in ecclesia quam
extra ecclesiam.
5) Einhard war Laie; ebenso ein von ihm in einem Briefe des Jahres
830 erwähnter Maler (ep. 18 S. 119). Ob der Gest. abb. Font. 17 S. 55
genannte Madalulf, egregius pictor Gameracensis ecclesiae, Laie oder Kle-
riker war, lässt sich nicht sehen; jedenfalls ist das Letztere nicht gesagt.
6) V. Sturm. 20: Area, quam, ut tunc moris erat, pulcro opere con-
didit. Hat man hiebei, im Unterschied von der antikisierenden Richtung
der Späteren an eine Dekoration zu denken, bei welcher die volkstümlichen
Elemente überwogen?
— 270 —
Petersberge.') Neben Einliard war er wnlil der hervorragendste
Architekt der Zeit Karls. Als er selbst Abt geworden war. Hess
er seiner Banlust die Zügel schiessen: seine Pläne gingen so in das
Weite, dass die ]M()nchc sich gegen ihn enip()rten.-) Zwar nmsste
er weichen;"') a])er auch sein Nachfolger f]igil war ein kunsterfahrener
Manu, der an Eifer nnd Verständnis für die Kunst hinter llatgar
kaum zurückstand. ■')
Mit Fulda Avetteiferten St. Kiquier'^') und St. AVandrille,") Moyen-
Moutier') und St. Gallen. '=') Irgend welche Kunstübung wiid in
den meisten Klöstern zu linden gewesen sein.") Sie wurde offenbar
dui'ch die Forderung der Handarl)eit der Mönclie begünstigt.
Ui)erblickt mau die manclierlei Anordnungen Karls für die
Hierarchie und den Klerus, so ist es leicht, den Gedanken zu ent-
decken, welcher das \'ereinzelte verband. Karl dachte an das Volk:
er wollte, dass die Aufgabe, welche die Jvirclie für das Volk hat,
gelöst werde. Aus dieser Kücksicht entsi)rangen schliesslich auch
die Verfügungen, welche direkt für die Gemeinden bestinnnt waren.
1) Lib. mort. fratr. 3 (Dronke, Trad. Fuld. S. 762); nsich Ann. Fuld.
antiq. S. 138 wurde der Bau der Bonifatiuskirche im Jahre 791 begonnen
nnd die Kirche 819 geweiht; Dronke 1. c. 25 S. 60.
2) Lib. mort. fratr. B: Tortius abbas ratger sapiens architertns occi-
dentale templum (d. h. die unter Baugult" erbaute Bonifatiuskirche) iani
arrepta potestate mira arte et immensa magnitudine alteri copulans unam
fecit ecclesiam . . . Studuit et auro argentoi(ue, coronis et lucernis et
Omnibus bonis. Die an Karl gerichtete Beschwerdeschrift der Fulder Mönche
(suppl. libfll. M.G. Ep. IV S. 548 Nr. 3:^) fordert c. l'i. ut aedificia immensa
atque superfiua et cetera inutilia opera omittantur, (piibus fratres ultra
modum fatigantur. Die Ann. Lauriss. min. erwähnen z. J. 809 die Dedikation
der Marienkirche auf dem Bischofsberge, z. .T. 812 die der Johanni-skirche
im östlichen Teile des Klosters; der Bau des Klosters auf dem Bischofs-
berge durch Katgar ist Trad. Fuld. 23 S. 60 erwähnt.
3) R. wurde 817 von Ludw. d. Fr. abgesetzt (Ann. Fuld. S. 356; Lauriss.
min. S. 123). Vgl. unten Buch 5 Kap. 2.
4) Lib. mort. fratr. 3 S. 163. V. Eig. 14 f. S. 229 f.: 17 S. 230; 19 S. 231.
Vgl. Dohme, Gesch. d. d. Baukunst S. 16 f.
5) Bericht Angilberts S. 174 tf.
6) Gest. abb. Font. 17 S. 49 und 5tf.
7) Chron. med. Mon. 2 (M.G. Scr. IV, 87).
8) Die eigentliche Kunstblüte St. Gallens beginnt bekanntlich etwas
später. Doch zeigt V. Othm. 12 H. 46, dass man bereits im H. .lahrhundert
in St. Gallon zu bauen verstand; vgl. Kahn 8. 88.
9j Diingal l)C8tellte bei einem ungenannten Abte Kelch und Patene,
die im Kloster gnarbeitet werden sollten: ut inbeatis uni bono et perito de
vestris fabricare illud iDung. ep. 6 S. 581).
— 271 —
Wie der König von jedem Priester ein, wenn auch kleines Mass
theologischer Bildung verlangte, so forderte er von jedem Christen
Kenntnis der fundamentalen Glaubenswahrheiten: alle Erwachsenen
sollten wenigstens das Taufsymbol und das Vaterunser inne haben. ^)
Wir besitzen noch eine Ansprache, in welcher ein Priester seine
Gemeinde zum Lernen der Glaul^ensformel und des Gebets ermahnt.
Da heisst es: Höret, ihr hebsten Kinder, die Regel des Glaubens,
welche ihr im Herzen haben sollt, die ihr den Christennamen
empfangen habt. Sie ist das Zeichen eures Christentums, von dem
Herrn eingegeben und von seinen Jüngern aufgesetzt. Dieser Glaube
hat nur wenig Worte, aber grosse Geheimnisse sind darin enthalten.
Der Heihge Geist hat den Meistern der Christenheit, den heiligen
Boten, diese Worte in solcher Küi'ze diktiert, damit die Christen
verstehen und im Gedächtnis behalten können, was sie glauben und
liekennen sollen. Wie kann sich der einen Christen nennen, der
diese wenigen Worte des Glaubens, durch die er erlöst und selig
werden soll, und die Worte des heiligen Gebets, welches der Herr
selbst zu sprechen verordnet hat, nicht lernen noch behalten will.
Oder wie vermag der für einen anderen des Glaul)ens Bürge zu
sein, der den Glauben selbst nicht weiss? Deshalb bedenket, meine
Kindlein, dass jeghcher von euch seines Versprechens vor Gott so
lange schuldig ist, bis er seinen Paten, den er aus der Taufe ge-
hoben hat, seinen Glauben lehrt. Und wer das versäumt, muss an
dem Gerichtstage Rechenschaft geben. Dmm soll jeder, der ein
Christ sein will, den Glauben und das heihge Gebet mit allem Eifer
lernen und die lehren, welche er aus der Taufe empfängt, damit
er am Gerichtstage nicht genötigt werde, Rechenschaft zu geben.
Denn das ist Gottes Gebot, unser Heil und unseres Herrn Vorsclu-ift;
auch mögen Avir nicht anders Vergebung der Sünden gewinnen."^)
Neben dieser Ansprache zeigen Übersetzungen und Erläute-
rungen des Gebets und Glaubens, dass Karls Vorschriften befolgt
wurden.'^) Im Kloster Weissenburg hatte man den Gedanken, der
li Cap. 28, 33 (a. 794) S. 77: Ut fides catholica sanctae trinitatis et
oratio dominica atque symbolum fidei omnibus praedicetur et tradatux.
35, 30 (a. 802) S. 103: Ut omnis populus christianus fidem catholicam et
dominicam orationem memoriter teneat; vgl. 29: Dominicam orationem . .
praedicent intelligendam, ut quisque sciat, quid petat a Deo. 36, 5 (a. 801)
S. 106; 38, 8 f. (a. 802) S. 110; 60, 2 (a. 802—813) S. 147. Common, cuiusq.
ep. 31 S. 1378; Stat. Bonif. 25 f. S. 385; Theod. cap. I 22 S. 198; Conc.
Mog. (a. 813) c. 45 S. 74.
2) Müllenhoff und Scherer, Denkmäler Nr. 54 S. 157.
3) Aus Freising und St. Gallen (Müllenhoff und Scherer a. a. 0. Nr. 55
und 57 S. 158 und 164).
272
viele Jahrhuiulerte später klar erfasst wurde: Zusaminenstellung
der Hauptstücke christlicher Lehre: man verband mit der Aus-
legung; des Vaterunsers eine Tafel der Hauptsünden, das Tautlje-
kenntnis, an das sich eine Erläuterunpf des sog, Athanasianums
anschloss, das Gloria in excelsis und das Laudamus.^) In der
Schlichtheit und der Herzlichkeit des Tones treften diese Auslegun-
gen mit jener Rede zusammen; inancher Satz klingt noch fort in
Luthei-s kleinem Katechismus. So lernen unsere Kinder dieselben
l'ormehi. durch welche man vor einem Jahrtausend den Deutschen
die hohen Gedanken des Gebets des Herrn verständhch zu machen
suchte.
Die Arbeit war sch\\ierig. Karl sah sich genötigt, diejenigen
vom Rechte der Patenschaft auszuschliessen, denen Glaube und
Vaterunser fremd Avaren.-) Und doch gab es noch gegen Ende
seiner Regierung eine Menge Leute, welche seinen Anforderungen
nicht genügten.'^) Erleichtert wurde der Erfolg dadurch gewiss
nicht, dass einzelne Bischöfe die Kenntnis auch der lateinischen
Formeln forderten.^) Das war nicht nach Karls Sinn : denn er
rechnete den Wahn, dass man Gott nur in drei Sprachen anrufen
kcinne, zum heidnischen Aberglauben.'^) Aber es weist auf die
grösste Schwierigkeit fiii" sein Zeitalter, den Zwiespalt zwischen
der lateinischen Bildung und der deutschen Volksart.
Das Zweite, was Karl und die Theologen seiner Umgebung
erstrebten, war allgemeine Teilnahme am kirchlichen und gottes-
1) Möllenhoff und Scherer a. a. 0. Nr. 56 S. 1.59. Piper, Älteste Lit.
S. 84 vermutet die Zeit bald nach 789 als Abfassungszeit.
2) Cap. 38, 14 S. 110; Conc. Mog. c. 45 S. 74. Der Grund ergiebt
sich aus cap. 78, 18 (a. 813) S. 174; Common, cuiusq. ep. 45 S. 1378; Conc.
Arel. (a. 813) c. 19 S. 62; Amalar. de caerem. bapt. (Migne 99 S. 898 B).
Da.s3 cap. 130, 2 von Karl herrührt, wie Cruel (Gesch. d. d. Pred. S. 45),
Scherer (Denkmäler S. 503) u. a. annehmen, halte ich für durchaus unwahr-
scheinlich; 8. die Bemerkung von Boretius S. 257.
3) Karl an Ghilrbald von Lnttich: Plnros fuorunt, qui nulla exinde in
memoriam habebant (cap. 122 S. 241). Der Bi-schof hielt den Vorwurf des
Königs für berechtigt; er schrieb an seine Priester (S. 242): Ex parte credo,
quod vestra aliquorum negligentia sit.
4) Haito von Basel (cap. 177, 2 S. 363). Eine kaiserliche Verordnung
dieses Inhalts, von M-elcher z. B. Specht (Gesch. des F^rziehungswesens S. 29)
spricht, ist mir nicht bekannt. Ein karolingisches Sakramentar aus Angou-
lerae hat für die traditio syraV)oli vollends noch die griechische Formel
(Delisle, Memoire S. 92). Die Mainzer Synode von 813 verzichtet c. 45 aus-
drücklich auf Kenntnis der lateinischen Formeln.
b) Cap. 28, 52 (a. 794) S. 78.
— 273 —
dienstlichen Ceben. Wenn man sich erinnert, welches Gewicht auf
die Predigt gelegt wurde, so ist man übeiTascht, dass der Besuch
der Predigt nicht geboten wurde. ^) Das ist nur dann erklärhch,
wenn ein solches Gebot nicht nötig war: das Volk muss im allge-
meinen wilUg zum Hören der Predigt gewesen sein. Nm- die An-
ordnung scliien notwendig, dass die Gemeinde dem Gottesdienste
nicht schweigend anwohne: sie sollte das Gloria patri und das
Sanctus gemeinsam mit dem Priester singen;^) sie, nicht nur die
Kleiiker und Nonnen, sollte im Gottesdienste respondieren.^) Der
Gedanke war gut ; aber die Durchführung unmöglich ; sie scheiterte,
weil man nicht wagte, dem Satze gemäss zu verfahren, dass
es heidnischer Aberglaube sei, dass das Gebet lateinisch sein
müsse.
Ebensowenig war es notwendig, den Empfang der kirchhchen
Weihen und Segnungen zu gebieten. Jedermann begehrte sie von
selbst. Karl verhütete nur, dass diese Sitte gestört wurde, indem
er den Priestern untersagte, füi- ihre Amtshandlungen Bezahlung
zu heischen.*) In Bezug auf den Abendmahlsgenuss gab es keine
1) Geboten wurde nur der Besuch des Gottesdienstes in den Haupt-
kirchen (cap. 23, 25 [a. 789] S. 25; 47, 21 [a. 806] S. 133; Theodulfi cap. I,
45 f. S. 205 f.), das Verweilen bis zum Schluss der Feier (cap. 22, 71 S. 59)
und die Sorge dafür, dass auch die Knechte nicht fehlten (Common, cuiusq.
ep. 44 S. 1378). In der Predigt unterblieb natürlich die Aufforderung zum
regelmässigen Kirchenbesuch nicht; s. die S. 245 Anm. 1 erwähnte, etwas
ältere, St. Galler Homilie (Nürnberger S. 45): Omnes dies dominicus ad
ecclesiam convenite et ibi non causas aut rixas uel otiosas fabulas agite,
sed lectiones divinas cum silentio audite et pro peccatis vestris orate . . .
Qui ad ecclesiam tarde veniebat, frequentius currat. Als üblich erscheint
der Kirchenbesuch am Sonntag V. Emmer. 44 S. 252: Erat dominicus dies,
quo multitudo virorum ac mulierum non modica ad ecclesiam b. patroni
sub omni celeritate properabat.
2) Cap. 22, 70 S. 59.
3) Cap. 177, 3 S. 363 (Haito). Vgl. Theod. cap. I, 7 S. 194; Conc.
Mog. c. 43 S. 74. Dass der Wunsch undurchführbar war, gesteht Common.
cuiusq. ep. 13 S. 1376 zu: Quisque presbyter clQricum habeat, qui . . ei ad
missam respondeat.
4) Cap. 36, 12 (a. 801) S. 106; Ghaerb. cap. 123, 5 S. 243; Theod.
cap. II S. 209; Common, cuiusq. ep. 15 S. 1376. Dass es vorkam, dass man
den Priestern für ihre Amtshandlungen Geschenke gab, zeigt Reg. Chrodeg.
32: Si aliquis uno sacerdoti pro missa sua vel confessione aut infirmitate
seu pro quolibet caro suo aut vivente aut mortuo aliquid in eleemosyna
dare voluerit, hoc sacerdos a tribuente accipiat. Vgl. auch die St. Galler
Urk. V. 772 Wartmann I S. 66 Nr. 68: Quicquid . . pro missas et oracionis
meas adquisi. Hier liegt der Ausgangspunkt der Stolgebühren.
Hauck, Kirchengeschichte. II. 2. Aufl. 18
— 274 —
feste Sitte. Die täf^liche Kommunion war überall abgekommen,')
ancli war es nicbt niclii- iiblicb, dass die in der Messe Anwesenden
sämmtlicb kommunizierten."-) Umsonst versuchte man, diese erstor-
benen (Tewohnhciteii wii'dor zu beleben:'') man musste sich im all-
gemi'inen mit der Forderung mclintialiger Kommunion im Jahre
begnügen. ^^
Nach alter Regel versammelten sich die Kleriker und Afönche
siebenmal am Tage zu gemeinsamem Gebet. Teilnahme daran war
für die Laien unmöglich : doch ting man nun an. die Gemeinden
auf die Gebetsstunden aufmerksam zu machen, indem man die
Glocke läutete.'*) Das noch ühliclic Gebetläuten zu Morgen. Mit-
tag und Abend ist wohl der !Nachl)li(d) dieser Einrichtung. In der
Passionszeit schwiegen die Glocken.")
Die Soimtagsrnhe sollte am Samstag Abend beginnen:") noch
ist es weithin Sitte, dass der Soinitag am Samstag Xaclimittag ein-
geläutet wird. Während des Sonntags sollten die öflentlichen Ge-
1) Theodulf (cap. I. 44 S. 205) erwähnt als Ausnahme, dass manche
Religiösen fast jeden Tag kommunizierten. In Spanien, wo sich altkirchliche
Anschauungen und Gewohnheiten länger erhielten als im fränkischen Reiche,
forderte man am Ende des S. Jahrhunderts täglichen Abendmahlsgenuss;
üblich jedoch war er nicht mehr (Hether. et Beat. ep. ad Elip. 1, 77, Migne
96 S. 941).
2) Das ergiebt sich daraus, dass die Vorschrift notwendig war, dass
der Messe lesende Priester kommuniziere (cap. 22, 6 S. 54: Audituni est
aliquos presbyteros missam celebrarc et non commnnicare).
3) Cap. 47, 23 (a. 806) S. 133; 84: 1 (vor SOOj S, 182.
4) Conc. C'abil. (a. 813) c. 47 S. 103: In Coena Domini a quibusdam
perceptio eucharistiao negligitnr. (^uae quoniam in eadem die ab omnibus
fidelibuB exceptio his, quibus pro gravibus criminibus inhibituni est, perci-
jiienda sit, ecclesiasticus usus demonstrat. Conc. Tur. c. •'iO S. 91: Ut si non
frcquentius vel ter laici homines in anno communicent. Common. cuius(|.
ep. 34 S. 1378: Tribus vicibus in anno scilicet in natale Domini, Pascha,
Pentecostes omnes fideles communicent. Theod. cap. [. 41 S. 204: Singulis
diebus dominicis in quadragesima . . sacramenta corporis et sanguinis Christi
sumonda sunt, et in coena Domini et in parasceve in vigilia Paschao et in
die roaurrectionis domini })f>nitus ab omnibus communicandum et ii»ai dies
paschalis hebdoraadae omnes aequali religione colendi sunt.
5) Cap. 36, 8 (a. 801 1 S. 100: Ut omnes sacerdotes horis corapeten-
tibus diei et noctis suarum sonent aecclesiarum signa et sacra tunc Deo cele-
brent nffiria et populos erudiant. quomodo aut (juibus Dens adorandus est
horis. Theod. cap. I, 39 S. 2U4.
6) Vgl. Amal. ep. 6 M.G. Ep. V S. 249.
7) Cap. 22, 15 (a. 789) S. 15: A vespera u.sque ad vesperam; 28, 21
(a. 794) S. 76; 35, 46 (a. 802i S. 104; Common, cuiusq. ep. 38 S. 1378.
— 275 —
Schäfte, landwirtschaftliche und Bauarbeiten ruhen, Jagd und Schau-
spiel unterbleiben.^) Märkte durften nur da gehalten werden, wo
sie von altersher üblich waren.-)
Den Sonntagen stand eine massige Zahl allgemeiner Fest-
tage gleich: es waren Weihnachten, die Tage Stephans, Jo-
hannes Er., der unschuldigen Kindlein, die Weihnachtsoktave,
Epiphanias und Oktave, Maria Reinigung, die Osterwoche, die
Letania maior, d. h. die Eogationstage, Himmelfahrt, Pfingsten,
Johannes der Täufer, Peter und Paul, Martin und Andreas."^)
1) Cap. 22, 81 S. 61; 35, 46 S. 104; 59, 11 (a. 803—813) S. 146; 78,
15 (a. 813) S. 174; 79, 2 (a. 813) S. 175; 83, 2 (a. 813) S. 182; Conc. Arel.
c. 16 S. 61; Mog. c. 37 S. 73; Rhem. c. 35 S. 80; Tur. c. 39 f. S. 89; Stat.
Bonif. 23 (Mansi XII app.) S. 100; Theod. cap. I, 24 S. 198; vgl. die sog.
Cap. Rem. I M.G. Leg. V. S. 442.
2) Cap. 61, 8 (a. 809) S. 149.
3i Diese Festtage nennt cap. 81, 19 (a. 810—813) S. 179. Maria
Himmelfahrt bleibt fraglich: Interrogandum reliquimus. In dem Suppl.
lib. 3 (M.G. Ep. IV S. 549 Nr. 33) beschweren sich die Mönche von Fulda,
dass Abt Ratgar sie in festivitate s. Mariae et XII apostolorum, S. Stephani
et s. Laurentii et ceterorum, quorum memoriae apud ecclesias Germaniae
celebres fiunt, zu arbeiten zwinge. Die gesetzliche Anerkennung der Fest-
tage lief also thatsächlich auf eine Beschränkung derselben hinaus. Übrigens
war die Zahl der Festtage landschaftlich verschieden: Im Verzeichnis der
Mainzer Synode von 813 fehlen die Epiphaniasoktave und die Rogationstage,
dagegen ist die Feier von Maria Himmelfahrt geboten und sind St. Michael
und St. Remigius aufgenommen (c. 36 S. 73). Der Remigiustag wurde
auch in Metz gefeiert, Reg. Chrod. 30. In den sog. Statuten des Bonifatius
sind die Epiphaniasoktave und die Rogationstage ebenfalls nicht genannt;
auch vermisst man St. Martin; die Feier des Osterfestes ist auf vier Tage
beschränkt; dagegen kommt Maria Geburt hinzu. Das Fehlen des Pfingst-
festes beruht ohne Zweifel auf einem Versehen (c. 36 S. 386). In den
Kapiteln Haitos bleibt die Epiphaniasoktave weg; die Feier von St. Moritz,
St. Remigius und St. Martin ist freiwillig; dagegen werden allgemein ge-
feiert die Aposteltage, St. Michael und Maria Himmelfahrt (cap. 177, 8
S. 362). Die Aposteltage und St. Michael begegnen auch in den Riesbacher
Statuten (cap. 112 5 S. 237). In Ludwigs d. Fr. capitulare monasticum von
817 (c. 170, 46 S. 346) fehlen die Epiphaniasoktave und die letania maior,
dagegen finden sich St. Lorenz, St. Benedikt und die Aposteltage. Maria
Himmelfahrt erscheint als anerkanntes Fest; doch wissen wir, dass an diesem
Tage noch im Jahre 862 in Therouanne nicht gefeiert wurde, er war nur
kirchlicher Festtag (Ann. Bertin. z. d. J. S. 59). Am geringsten war die
Zahl der Festtage in Sachsen (Lex Sax. 23 [M.G. Leg. V S. 61]): Ostern,
Pfingsten, Weihnachten, St. Maria (= Maria Reinigung), Johannis, Peter,
Martin. Das Allerheiligenfest ist von Alkuin ep. 193 S. 321 erwähnt; er
legte Wert auf seine Feier; auch in einem Mainzer Kalender des 9. Jahr-
18*
— 276 —
Auch die Beobachtuug der kirchlichen Fastenvoi"schriften wurde
geboten.')
Besonderes Gewicht legte Karl darauf, dass die Kirche Ereig-
nisse, welche das ganze Volk berührten, nicht unberücksichtigt Hess.
Er selbst ordnete Bitttage und Dankfeste an'-) und er erwartete,
dass die Bischöfe auch ohne Aufforderung in solchen Fällen handeln
würden.^)
Hier konnte man auf die religiöse Empfänglichkeit, besonders
auf die religiöse Naturbetrachtung des Volks rechnen. Die Leben-
digkeit der letzteren be\vies sich nach einer anderen Seite in dem
unausrottbaren Aberglauben.*) EigentümUch ist Karls Stellung in
diesem Punkte: auch er stand unter dem Banne der allgemeinen
Uberzeugimg; es war ihm nicht zweifelhaft, dass durch Zauberei
thatsächlich Schaden angerichtet werden könne.'') Um so geneigter
war er. die mosaischen Verbote der Zauberei als veiiiflichtende
Gesetze zu betrachten.") Daneben aber findet man Gedanken,
welche sich von der volkstümlichen Anschauung losgerissen haben:
abergläubische Handlungen sind thöricht; sie werden unternommen,
um die Leute zu betrügen."^ So oder so, Karl hielt sich für ver-
pflichtet, den Aberglauben auszurotten: aber hier fühi-te er einen
erfolglosen Kampf
Richten wir endlich den Blick auf das, was Karl für die
Armenpflege that. so drängt sich vor allem die Bemerkung auf,
dass riele altkirchhche Anschauungen noch fortwirkten. Aber mit
hunderts findet man zum 1. November die Bemerkung: Memoria omnium
sanctorum (Delisle, Memoire S. 154; vgl. über die Herkunft dos Kalenders
oben S. 143 Anm.). ÖfiFentlich anerkannt war er, wie man sieht, noch
nicht.
1) Cap. 19, 11 (a. 769) S. 46; 84, 2 (vor 800) S. 182; vgl. Conc. Mog.
a. 813) c. 34 S. 73; Stat. Bonif. 30 S. 386; Common, cuiusq. ep. 32
S. 137H; Theod. cap. I, 37 ff. S. 203 f. St. Galler Predigt, Haluz. II
S. 1376 Nr. 6.
2) Cap. 21 (a. 780) S. 52; Brief Karls an Faatrada, MM. Ep. IV
S. 528 Nr. 20 (a. 791) mit der Nachricht von drei von dem Heere gefeierten
Bettagen; Form. Sal. Merk. 63 S. 262; cap. 124 (a. 807) S. 245; 127 (a. 810)
S. 249; vgl. 72, 1 (a. 811) S. 162.
3) Cap. 44, 4 (a. 805) S. 122.
4) Über den Aberglauben, insofern er die Zustände des Volks charak-
terisiert, s. u. Buch 5 Kapitel 5. Ich begnüge mich, hier auf die Stellung
Karls hinzuweisen.
5) Cap. 28, 25 (a. 794) S. 76; 32, 51 (a. 800?) S. 88; 35, 40 S. 104.
6) Cap. 22, 65 S. 58 wird auf Lev. 19, 26 und Deut. 18, 10 f. Bezug
genommen.
7) Cap. 19, 6 (a. 769) S. 45 ; 35, 41 und 45 (a. 802) S. 104.
— 277 —
ihuen verbatfden sich, andere, ursprünglich deutsche. Dass die
Bischöfe als Versorger der Annen galten, stammte aus der alten
Kirche; wenn al^er der König sich als der von Gott bestellte
SchutzheiT aller Schwachen und Hilfs])ediii-ftigen betrachtete, so
war das deutsch:^) die Bischöfe erschienen nur als seine Gehilfen,
wie das auch die welthchen Beamten waren.-) Wenn ein Teil
des kirchhchen Einkommens fiii' die Armen bestimmt wiurde,^) wenn
die Klöster zugleich Wohlthätigkeitsanstalten waren,"') so war auch
das ein Erbe aus der Vergangenheit. Neu war der Gedanke, dass
die Gesamtheit verpflichtet sei, füi' alle Volksgenossen einzustehen.
Hier hat Kai'l das, was der deutschen Rechtsanschauung und wohl
auch der Sitte entsprach, zur Rechtsvorschi-ift erhoben. Dem Rei-
senden dmite niemand Dach, Herd und Feuer versagen.'^) Wer
sich weigerte, einem gefähi'deten Schiff zu Hilfe zu kommen, ver-
fiel schwerer Strafe.**) Derselbe Gmndsatz wurde auf die Armen
überhaupt angewandt: unter Karl ist die erste allgemeine Armen-
steuer erhoben worden.') Zwar geschah es, so ^-iel wir wissen, nm-
1) Cap. 33, 5 (a. 802) S. 93: Ipse domnus Imperator post Domini et
sanctis eius eorum (der Kirche, der Witwen, Waisen, Fremden) et protector
et defensor esse constitutus est. Vgl. 44, 2 S. 122; 68, 1 (a. 801—813)
S. 157; 69, 3 (a. 810?) S. 158: Ut viduae etc. sub Dei defensione et nostra
mundeburdo pacem habeant et eorum iustitiam. 77, 2 (vor 802) S. 171.
2) Cap. 33, 14 S. 94.
3) S. oben S. 225 Anm. 5. Docb erinnert Uhlhom (Liebesthätigkeit
S. 43) mit Recht, dass die altkirchliche Anschauung des Kirchenguts als
Armengut verschwand.
4) In St. Gallen endchtete schon Abt Otmar ein Leprosenhaus und
eine Herberge für andere Arme (V. Otm. 2 S. 42); die cura suscipiendorum
pauperum war einem der Mönche als Amt übertragen (V. Gall. II, 43 S. 30).
Eine Fremdenherberge in Fulda erwähnt V. Leob. 23 S. 131; ein Kranken-
haus in Werden V. III Liudg. 5 S. 416; in St. Avold pauperum hospitale
(Transl. Chrys. 19 S. 580), desgl. in Kl. Monheim (Mir. Waldb. M.G. Scr. XV
S. 542). Über die matricularii in Metz s. oben S. 66. Das Hospiz auf dem
Septimer war Eigentum der Kirche von Chur (Urkunde Ludwigs, U.M. 864).
Um einige Stifternamen zu nennen, so erbaute Alkuin ein Xenodochium ad
duodecim pontes im Gau von Troyes an der Seine (A. S. Mab. IV, 1 S. 169 f.),
Theodulf ein solches in Orleans (carm. 59 S. 5.54 f.), Adalhard in Corbie
(V. Adalh. 59 S. 530, vgl. s. Statuten Migne 105 S. 538 ff.). Auch die
Almosenverteilung wurde nirgends reichlicher vorgenommen als in den
Klöstern: in St. Riquier wurden täglich 300 Arme und 140 Witwen versorgt
(A. S. Mab. IV, 1 S. 100), aber auch nach Solnhofen strömten die Armen
orationis causa ac eleemosynae (V. Sol. 8 S. 159'.
5) Cap. 33, 27 (a. 802) S. 96; 57, 1 (a. 801—814) S. 144.
6) Cap. 34, 13 b (a. 802) S. 100 f.
7) Cap. 21 (a. 780?) S. 52: die Bischöfe, Abte, Äbtissinnen und Grafen
— 278 —
«'iniiia]. um einem sondcrliclKiii Notstand abzuliolten; immerhin ist
die Thatsache wiclitig; nicht mindei-. d;uss Karl den Grundsatz auf-
stellte, jeder Grundherr müsse für die von ihm al)liängij,M'n Leute
sorgen.') Auch den Iidiahern königliciier Lehen machte er es zur
Ptlicht, dafür Sorge zu tragen, dass kein zum Gut gehöriger Leib-
eigener durch Not zu Grunde gehe.-) Dadurch sollte zugleich das
Umherziehen der Bettler abgestellt werden.'*) In dem Moment,
als die Resitzverhältnisse zum Nacliteile der grossen Masse der
Minderbemittelten sich änderten, sollte die Bildung eines Bettler-
proletariats verhindert \verd(,'n. Eben indem das Volk in Stände
auseinanderging, sollte das Verhältnis der Stände zu einander einen
ethischen Gehalt gewinnen. Das war, was die Zeit forderte. Da-
gegen verschwand die Organisation der kirchlichen ArmenpHege.
Die weiten, in selbstständige Parochien zerlegten Di<izesen Deutsch-
lands waren etwas ganz anderes als die Stadtbistümer des Südens.
Institutionen, die sich hier bewährt hatten, konnten auf jene nicht
übertragen werden. Die kirchhche Armenptlege wurde zur mehr
oder weniger regellosen Almosenverteilung. Kail hat sie geübt^)
und gefordert;'') aber sie galt ihm nicht als die Hauptsache: das
Almosen ist eine Gabe, welche verweigert werden kann; Karl
gewährte durch seine Vorschriften den Bedrängten das Recht auf
Hilfe.
In mancher Hinsicht erscheint Karl wie ein moderner Mensch.
sollten je nach ihrem Verniö(,'en 1 oder Va Pfund Silbor entrichten, armo
Bischöfe •") Solidi, wer 200 Haben zu Lehen hatte, '/» Pfund, wer 100 Hüben
5 Solidi, wer 30 oder 40 eine Unze. Ausserdem sollte jeder einige Arme
bis zur nächsten Ernte versorgen.
1) Cap 46, 9 (a. 806) S. 132: De mendici-s, qui per patrias discurrunt,
volumus. ut unuscjuisquo tideliuni nostrorum suuni pauperoni do boneficio
aut do propria familia nutriat et non permittat aliubi iro inendirando; et
ulji tales invonti fuerint, nisi manibiis laborent, nuUus eis quicquum tribuero
praesuinat. Damit ist zu vergleichen die Vorschrift für die Verwalter der
Königshöfe cap. 32, 2 S. 83: Ut familia nostra . . a nemino in paupcrtate
missa sit; cap. 44. 4 (a. 80.")) S. 123: In i)raesenti anno de famis inopia,
ut 8U08 quisque adiuvet; ähnlich cap. 54, 1 la. 805-. ^08j S. 141 ; 62, 24 (a. 809)
S. 151; 78, 11 (a. 813) S. 174; noch besonders für die Klöster cap. 54, 5:
Ut eorum pauperes et familias iuxta possibilitateni nutrire faciant.
2) Cap. 28, 4 (a. 794) S. 74; 46, 18 (a. 806) S. 132.
3) Vgl. Anm. 1.
4) Einh. V. Kar. 21.
5) Cap. .54, 1 S. 141; 62, 24 (a. 809); 63. 10 (a. X09) ü. 152; 64, 5
a. 809) S. 1.53; 78, 11 f. (813) S. 174. Vgl. auch die Ermahnung eines
Königsboten cap. 121 S. 239; es ist ungenau, wenn sie Uhlhorn (Liebe.s-
thätigkeit S. 62) als eine Art Predigt des Kaisers an das Volk bezeichnet.
— 279 —
Die Orflnun* der jetzigen Staatsverwaltimg beruht zum grossen
Teil auf der allgemein durchgeführten Kontrolle der Thätigkeit der
Beamten. Kai'l hatte den Gedanken, eine solche einzuführen.
Längst war es üblich, dass zu gewissen Zwecken königliche Send-
boten in diesen oder jenen Teil des Reiches geschickt wurden: sie
waren königliche Kommissäre mit einem einmaligen, bestimmt
umgi'enzten Auftrag.^) Unter Karl Martell und Pippin begegnen
die wandernden Königsboten als ausserordentliche Beamte, Vertreter
der Macht des Hausmeiers und des Königs fih- bestimmte Zwecke.")
Karl machte aus dieser Einrichtung eine regelmässige Institution.
Die Königsboten wurden zu Vertretern des Königs den Lokalge-
walten gegenüber mit dem allgemeinen Auftrag, Recht und Ge-
rechtigkeit zu wahren. So erscheinen sie seit Beginn der Regierung
Karls^). Im Jahre 802 ei-folgte eine Reorganisation. Waren bis
dahin zum Teil könighche Vasallen zu Königsboten ernannt worden,
so teilte Karl jetzt das Reich in eine Anzahl grosser Bezirke. Für
jeden derselben wurden alljährhch etliche der angesehensten Männer,
Geistliche und Laien, zu Königsboten ernannt. Die Aufgabe dieser
persönHchen Vertreter des Königs war, die Ausführung der Gesetze,
die Handhabung der Rechtspflege, die Amtsthätigkeit der Beamten
zu beaufsichtigen, die Ablegung des Treueides hinzunehmen, den
Hilfsbedürftigen, besonders den Witwen und Waisen, Schutz zu
gewähren. Die kirchlichen Angelegenheiten unterstanden ihrer Über-
wachung nicht minder wie die staatlichen: allgemeine Rechtssicher-
heit sollte auf diesem Wege endlich hergestellt werden.*) Wir
besitzen eine Reihe von Aufträgen füi' die Königsboten, auch x4.usse-
rungen dieser über ihre Aufgabe,^) so dass es keinem Zweifel
unterliegt, dass diese Visitationen des Reichs sich vielfach wieder-
holten,") und dass Karl sich Beiicht über sie erstatten Hess. Liest
1) Über die Missi s. Dobbert, Über das Wesen und den Geschäfts-
kreis der missi dominici, Heidelberg 1861 S. 6 und Krause in den Mitt. des
Instit. XI (1890) S. 193 ff.
2 t Krause, a. a. 0. S. 198 ff.
3) A. a. 0. S. 204 ff'.
4) Ann. Lauresh. z. J. 802 S. 38; cap. 33—35 S. 91.
5) Cap. 85 S. 183: Ut vobis ex parte domni imperatoris iuberemus . .,
ut de omni re, quantum ad ministerium vestrum pertinet, tarn ex bis, quae
ad Dei cultum, quamque ex bis, quae ad domni nostri servitium seu ad
christiani populi salvationem vel custodiam pertinet, totis viribus agere
studeatis. Praeceptum est enim nobis omnino et omnibus reliquis missis
a domino nostro, ut medio Apreli ei veraciter renunciemus, quid in regno
suo ex bis quae ipse in istis annis per missos suos fieri iussit, factum sit
vel quid dimissum sit.
6) Vgl. die Zusammenstellung Krause S. 258 ff.
— 280 —
Hl an die Ansprache, welche von einem der Königsboten auf uns
gekommen ist, so gewinnt mau einen Eindruck davon, wie nach-
driickhch an die religiösen und sittlichen Überzeugungen der Be-
völkerung appelliert wurdet) Und doch war die Einrichtung un-
genügend: sie fungierte nur, wenn der Wille eines tliatkrüftigen
Könige sie in Bewegung setzte: auch hier hing alles von der einen
Persönlichkeit ab, die an der Spitze stand.
Nie ist in der fränkischen inid deutschen Kirche so viel regiert
worden, als in dem hall)en Jahrhundert der Herrschaft Karls d. Gr.
Es bedui-fte dieser nachdrücklichen, rastlosen Thätigkeit, um die
Spuren des kirchlichen Ycrfolls zu tilgen, der in dem letzten Jahr-
hundert der Merowingerherrschaft eingerissen war. So weit das
fränkische Reich sich ausdehnte, wurde jetzt die von Bonifatius
geplante und begonnene Reform zur That. Dass der König das
zur Vollendung führte, was der Bischof angefangen hatte, entsj)rach
dem geistlichen Charakter, den das fränkische Königtum trug, der
Hen-schaft über die Kirche, welche es seit Chlodowech geübt hatte.
Man kaim deshalb nicht sagen, dass die Gedanken frir Karls
Thätigkeit durch die Beziehungen zu Rom oder durch die Gründung
des Kaisertums dargeboten worden wären. Die Vorstellung von
dem, was erstrebt und erreicht werden müsse, schwebte ihm schon
vor, als er den Thron bestieg : zum Teil war sie durch die Reform-
massregeln der letzten frinfruidzwanzig Jahre gegeben, zum Teil
war sie Karls Eigentum. Die epochemachenden Jahre für seiu
kirchliches Regiment sind 769, 789, 802 und 81 H. Im Jahre 7()9
erliess er sein eretes kirchliches Kapitular: es schloss sich ziemhch
eng an ältere fränkische Bestimmungen, besonders an die Verord-
nung Karlmanns vom Jahre 742 an.'-) Aber sein Inhalt geht doch
bereits darüber hinaus: die kirchlichen Ziele, welche KiU'l stets fest-
gehalten hat, sind bereits klar angedeutet."') Das Jahr 789 ist aus-
gezeichnet durch den grossen Erlass des Königs an alle geistlichen
und weltlichen Stände seines Reichs.'*) Was dort Miigedeutet war,
ist hier zu einem bis ins einzelne ausgearbeiteten Programm für
die weitere Thätigkeit geworden. Reichstag und Synode zu Aachen
im Jahre 802 sind denkwürdig, da auf diesen Versammlungen die
grosse Visitation des ganzen Reiches beschlossen und zugleich die
Verptiichtuug, die kirchhchen Zustände gemäss dem kirchlichen
1) Cap. 121 S. 239.
2) Vffl. rap. 19, 1, .3, 4, 6, 8 mit cap. 10, 2—5.
•3) Hebung des geistlichen Standes (c. 8); gelehrte Bildung desselben
(c. 15 f.); Sorge für die Religiosität unter dem Volke (c. 7, 10, 11); Aner-
kennung der bischöflichen Autorität in den Diözesen (c. 9).
4) Cap. 22 S. 52 ff.
— 281 —
Recht zu ge!?talten, feierlich ausgesprochen wurde.') Endlich im
Jahre 813 verfügte Karl, dass in Mainz, Rheims, Tours, Chalon
s. S. und Arles Synoden zur Untersuchung der kirchlichen Ver-
hältnisse gehalten werden sollten. Die Beratungen und Beschlüsse
derselben betrafen die verschiedensten Seiten des kirchlichen Lebens:^)
man gewinnt eine Vorstellung von dem, was Karl am Ende seines
Lebens wollte: es ist nichts anderes, als was er durch die Kapitu-
larien von 769 und 789 erstrebt hatte. Es handelte sich auch jetzt
um die Verwirkhchung der alten Gedanken.
Dass Karls Ziel nicht vollständig erreicht wurde, wer möchte
sich darüber wundern? Aber vergeblich war seine Arbeit nicht.
Wir haben das im einzelnen beobachtet; man dai-f vielleicht im
allgemeinen sagen, dass für die Entstehung kirchhcher Sitten im
deutschen Volke niemand so Adel gethan hat als er.
Auf der Blüte der fränkischen Kirche beruhte der Anspruch,
den Karl erhob, dass die Kirche seines Reichs als die Vertreterin
der abendländischen Christenheit anerkannt werde. Wie entschie-
den er dies that, zeigt sich nirgends so deutlich, als in seinem Ver-
halten den Lehrverschiedenheiten gegenüber, welche während seiner
Regierung auftauchten. Er zog die Entscheidung vor das Forum
der fränkischen Kirche und traf sie mit dem Papste oder gegen
den Papst.
Wir wenden uns zm- Betrachtung dieser Streitigkeiten.
1) Ann. Lauresh., Chron. Moiss. z. J. 802.
2) Mansi XIV, 64 ff.
Fünftes Kapitel.
Lehrverhandlungen.
Je entschiedener die fränkische Theolocfio den Charakter des
Schuhiiiissiiion tmg. um so weniger bot die fränkische Kirche einen
fruchtban-n Boden für die Entstehung eigenartiger Anschauungen
und Lehren. M.in lernte aus den gleichen Büchern, man studierte
m der gleichen Weise, man hatte das gleiche Ziel: die Schätze
der altkirchlichen Theologie wieder zu beleben und sich anzueignen.
Der Gedanke, von den Lehren der Alteren Mlizuweichen. hätte
ebenso sehr den wissenschaftlichen Grundsätzen der karolingischen
Theologen widers])rochen wie ihren kirchlichen Lberzeugungen.
Das Tlx'rliefcrtc galt ihnen als das Wnhic. die Theologie des 4.
und 5. .Jahrhunderts erblickten sie im Scbinnner des Klassischen;
diidurch war sie vor jedem Tadel gedeckt. Auch kannte man sie
gut geiHig, um vor unwillkürlichen Verstössen sicher zu sein.
Andei>; lagen die Dinge in dem benachbarten Spanien. Die
dortige Theologie trug nicht den Stempel der Jienaissance; sie war
vielmehr der letzte Ausläufer der altkirchlichen Wissenschaft. Manche
alte Idee lebte noch fort, besonders waren die ;tlt<'n J'robleme nicht
ganz vergessen; ai>er der Anschluss an die alten Formeln war bei
weitem nicht so enge und ängstlich wie l)ei der fränkischen Theo-
logie: man hatte sie nicht wie jene aus Büchern gelernt, man hatte
sie ererbt Das hinderte nicht, dass die Spanier sich ihrer Ortho-
doxie ebenso lei)haft bewusst waren, als Alkuin und seine Schüler.
Nur war dies Bewusstseiu andere begründet: bei den letzteren be-
nihte es darauf, dass sie die eigenen Ansichten direkt aus der
Litteratur des 4. und 5. Jahrhunderts entnommen hatten, Beleg-
— 283 —
stellen für iln-e Behaiyitungen Avaren ihnen stets zur Hand; bei
den Spaniern war es sozusagen Parteisache: sie waren lange genug
den Arianeru als Vertreter der Rechtgläubigkeit gegenüber ge-
standen, um dessen gewiss zu sein, dass ein Spanier stets orthodox
ist. Und hielten sie nicht jetzt das Banner der christhchen Wahr-
heit dem Muhammedanismus gegenüber aufrecht? Das stark ent-
wickelte Selbstgefühl der Spanier war die Frucht der stets gefähr-
deten Lage der spanischen Kirche. Es fehlte ihm das sichere
Fundament glücklicher Zustände. Am wenigsten waren die Ver-
hältnisse der Wissenschaft günstig.') Zwar hörten Unterricht und
Studien nicht ganz auf; aber die Christen waren die Unterdi'ückten ;
ihr Verkehr mit den übrigen Kirchen war gehemmt. Dadurch
musste der Gesichtskreis eng begrenzt, das Urteil einseitig werden.
Das wai- der rechte Boden für sektiererische Lehren.
Man kann die theologische Verwilderung der spanischen Kjrche
an dem ermessen, was Avir über Migetius") wissen.
Das Problem der Trinitätslehre, das Jahrhunderte lang die
Theologen der alten Kirche Ijeschäftigt hatte, hielt ihn in seinem
Banne. Die fränkischen Gelehrten fühlten keine Schwierigkeit: die
glatten Formeln, welche sie aus Augustin gelernt hatten, enthielten
ja die Lösung aller Rätsel. Dieser Spanier dagegen rang wie ein
christlicher Lehrer des 3. oder 4. Jahrhunderts mit der Schwierig-
keit, die Einheit Gottes und die Dreiheit göttlicher Personen zumal
festzuhalten. Er glaubte Licht in dem Dunkel zu finden, wenn
er Vater, Sohn und Geist mit den hervorragendsten Männern der
heihgen Geschichte — David, Jesus, Paulus — identifizierte. =')
Aber was ihn Lösung einer Glaubensfrage dünkte, war doch nur
ein Beweis für die Willkür der theologischen Reflexion eines schlecht
geschulten Klerikers. Die Art vollends, wie er seine Behauptung
beleste, zeigte, dass man in Sijamen verlernt hatte, die Bibel
methodisch zu gebrauchen.
1) S. Graf Baudissin, Eulogius und Alvar, 1872, S. 28 tf.
2) Ich verweise neben den Dogmengeschichten besonders auf Möller,
P. RE. I 2. Aufl. S. 151 ft".
3l Elipandi ep. 1, 3 (Migne 96 S. 860 f.). Die Frage, ob rauhammedanische
oder priscillianische Einflüsse bei Migetius anzunehmen sind, lasse ich da-
hingestellt. Die ersteren scheinen mir sehr unwahrscheinlich; jedenfalls
erinnert Möller (S. 152j mit Recht, dass an eine bewusste Analogie mit
muhammedanischen Vorstellungen nicht gedacht werden kann. Nachweisen
lässt sich auch der Einfluss des Priscülianismus nicht. Freilich bemerkt
man in den Traktaten Priscillians leicht, dass ihn dasselbe Problem be-
schäftigte wie Migetius; aber die unendlich oft wiederholte Betonung des
Christus Dens zeigt, dass er es anders löste als dieser.
— 284 —
Schwerlich würde ]\[igotius tiefen Eindruck gemacht lial)en,
wenn er nur seine Trinitiitslehre verkündet hätte. Ein zweiter Zug,
der ihn chai'akterisiert ist sein schroffer sitthcher liigorismus; er
verwarf den Verkehr mit den MuhainniedanfTu: die Speise der
I ngliiuhigcn hcHeckt die Seelen der Gläubigen, liörte man ihn
behaupten.') Er weigerte sich, mit offenbaren Sündern an einem
Tiscli zu essen;-) er war also übei-zeugt, dass die Duldung un-
würdiger Glieder in der christlichen Gemeinschaft unzulässig sei.
Besonders forderte er Heiligkeit von den Priestern. Warum, fragte
er, nennen sie sich Sünder, wenn sie in Wahrheit heilig sind? Oder,
wenn sie im Ernste sich als Sünder bekennen, wie massen sie sich
an, den kirchlichen Dienst zu vemchten, während doch Gott sagt:
Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.'^) Mit solchen Sätzen
wird er seinen Anhang an sich gefesselt haben. Er wusste ihn
fiir sein kirchliches Ideal zu begeistern, indem er behauptete, es
könne verwirklicht werden, ja es sei verwirklicht. Er sprach von
Rom, das er wohl nie betreten hatte: in leuchtenden Farben schil-
derte er die Hauptstadt der christlichen Welt: dort finde man die
Kirche, in der Christus Wohnung gemacht habe, deren Glieder
alle heihg seien, ohne Flecken und Runzel. Rom sei die auf den
Felsen Petri gebaute Kirche, in die nichts BeÜecktes, keiner, der
Greuel und Lügen wirkt, eingeht: ja Rom sei das neue Jeinisalem,
das Johannes vom Himmel herabkommen sah."*) Wie hätten solche
Worte ohne Wirkung auf das leicht zu begeisternde Volk bleil)en
sollen? Es bewunderte Migetius als einen Heiligen;"'^) was er sagte,
galt vielen als unanfechtbare Wahrheit.")
Und an ihn schloss sich nun ein tVemder an, durch den sein
Einfluss mächtig verstärkt werden musste. Wir berühren damit
eine Thatsache. welche vereinzelt dasteht, die aber ein unerwartetes
Licht auf die Vorgänge wirft. In derselben Zeit, in welcher Migetius
Aufsehen zu machen begann, weihte Erzbischof Wilchar von Seus
unter Zustimmung Hadrians I. einen Priester Namens Egila zum
Bischof und sandte ihn zur Predigt nach Spanien. Er sollte nicht
irgend eines der spanischen Bistümer verwalten, sondern in S])anien
arbeiten ähnlich wie die irischen Wanderbischöfe im fränkischen
1) Elip. ep. 1, 11 3. Se.'if.
2) L. c. S. 866.
3) L. c. 10 S. 864.
4) L. c. 12 f. .S. 866 f.
5) L. c. 2 S. 859: liumore percuirent« vulgi insipientis, nonnuUa de
te recta eRse credeVjamus.
6) L. c. :j S. 863: Plebs illa de massa perditionis effecta quae tuia
erroribus con.sentieD<< noscitur esae decepta.
— 285 —
Reich; sein i^uftrag war nur. „den Gewann der Seelen Gott zu
opfern".-') Da die spanische Kirche eine solche Unterstützung
weder begehrte noch bedurfte, so Aväre die Sendung Egilas unver-
ständhch, wenn man nicht wüsste, dass Karl ihr nicht ferne stand:
er hat den Verkehr zwischen Egila und dem Papste vermittelt.-)
Ohne Zweifel handelte Wilchar in seinem Auftrage; die Absicht
des Königs ist klar: wie die schottische und enghsche Kirche in
fi-eier Weise sich an die fränkische Kirche anschloss, so sollte das
auch hinsichtlich der spanischen geschehen. Egilas Sendung sollte
dem fränkischen Einfluss auf die Nachbai'kirche den Weg bahnen.
Möghch, dass auch politische Motive mit ins Spiel kamen.
Egila, der, von einem Priester Xamens Johannes begleitet,
nach Spanien zog, nahm dort manches wahr, was er missbilhgte:
man feierte Ostern nicht regelmässig mit Rom; man erklärte es für
unverständig, sich vom Genüsse des Bluts und des Erstickten zu
enthalten; weit verbreitet war che unbekümmerte Freiheit des Ver-
kehrs mit Juden und Arabern; an gemischten Ehen nahm niemand
Anstoss. Auch die sittliche Haltung des Klerus fanden die frän-
kischen GeistHchen wenig befriedigend; endlich traten ihnen Lehr-
verschiedenheiten entgegen, welche ihnen in der Heimat völlig fremd
waren: die einen lehrten schroft' prädestinatianisch, andere vertraten
ebenso entschieden den Gedanken der Willensfreiheit.'^)
Nicht gegen dies alles, aber gegen einzelnes war auch Migetius
aufgetreten. Der gemeinsame Gegensatz führte ihn und den Send-
ung des fränkischen Königs zusammen; die gleiche Begeisterung
füi' Rom musste die Verbindung festigen.^) Der spanische Schwärmer
1) Cod. Carol. 95 f. S. 636 ff. Nach beiden Briefen ist sicher, dass die
Sache nicht von Hadrian, sondern von Wilchar ausging. Dass Egila zum
Bischof von Elvira bestimmt war, scheint mir durch den päpstlichen Auf-
trag: Nullam quamlibet alienam sedem ambiret vel usurparet, S. 6-37, aus-
geschlossen. Auch ep. 96 S. 644 ist nur die praedicatio orthodoxae fidei
genannt.
2) L. c. 97 S. 648.
3) L. c. 96 S. 644 ff. Man nimmt ziemlich allgemein an, Migetius
habe die antirömische Berechnung der Osterfeier vertreten; so besonders
Hefele, CG. III S. 631 f. Das ist jedoch im höchsten Grade unwahrschein-
lich ; der Mann, der in Rom das Reich Gottes verwirklicht sah, hat sich
sicher in diesem Punkte nicht in Gegensatz zur römischen Übung gestellt.
Dass Elipandus an der in Spanien heimischen Berechnung festhielt, hat
nichts gegen sich.
4) Cod. Carol. 95 S. 637. Baudissin (a. a. 0. S. 26) lässt Egila zum
Zwecke der Predigt gegen Migetius nach Spanien gesandt werden. Ich
weiss keine Stelle, wodurch sich diese Annahme belegen liesse, auch wider-
spricht ihr, dass Egila in seinem Berichte nach Rom über Migetius schwieg:
— 286 —
und der fränkisclic Bischof wurden zu Bundesfreiiossen. Das vor-
eiuigte Wirken beider Männer erregte nun vollends die spanische
Kirche. Ini so mehr suchte der spanische Episkoj)at ihm mög-
hchst rascii ein Ende zu bereiten.
Gegen Migetins erklärte sich der Erzbischot' Elii)andus von
Toledo» in einem Lehrbriefe. Es war nicht ungeschickt, dass er
die dogmatische Differenz in den Vordergrund rückte; hier wurde
es ihm leicht, seinen Gegner zu schlagen, l^jcr seine Stellung zu
Korn erkläi'te er sich erst am Schlüsse des Briefs: er stellte Rom
die allgemeine über den ganzen Erdkreis verbreit<'te Kirche gegen-
über; ohne das Römische anzugreifen, wollte er doch nicht zugeben,
dass die römische Gemeinde wesentlich höher stehe als irgend eine
andere Kirche.^) War das nicht ein Rest der altkirchlicheu Selbst-
ständigkeit der Kirchenprovinzen ?
Eine Synode in Sevilla erklärte sich in demselben Sinne wie
pjlipandus gegen Migetius. Der Erzbischof konnte sich rühmen,
die Migetianische Häresie unterdrückt zu haben.-)
Des fränkischen Wanderbischofs aber entledigten sich die
Spanier, indem sie ihn als Anhänger des Ketzers Migetius bei
Hadrian denunzierten.'') Es war klar, dass sie fremde Einflüsse
in ihrer Kirche nicht zuzulassen entschlossen waren: so willig wie
die Briten oder die Mönche orientalischer Klöstei- fügten sie sich
nicht in (he Rolle fränkischer Schützlinge. Das hindeile schon die
Persönlichkeit ihres kirchlichen Fühlers.
Elipandus war ein Greis; "•) aber die .Taluc hatten das Feuer
er hätte dann doch vornehmlich von ihm reden miisaen. L bcrUefert ist
nur die Thatsache der Verbindung; .sie scheint mir durch die im Texte
pegehtene Kombination einfacher erklärt.
1 ) Ep. 1 S. 859 ff.
2) Kp. ad Fidel. (Migne % 8. 918).
'i) Cod. Carol. 95 S. 636 f. Beachtet man die vorsichtigen Wendungen:
ut eiu.s fama in auribus nostris sonuit; ut fcrtur; quod si ita est, so kann
man kaum zweifeln, dass Hmlrinn der Denunziation nicht glaubte; er geht
deshalb auch eiligst zu den wirklichen spanischen Häretikern Elipandus
und Ascarirus über. Zu beachten ist auch, dass Hadrian Egila nicht fallen
Hess; das ergiobt die von mir in der I. Aufl. vorgoschhigono, von (lundlacb
gebilligte Folge der Briefe. Hadrian setzt ep. 96 f. die Anklage gegen Egila
(ep. 95) und dessen Verteidigung voraus: die letztere hat ihn befriedigt:
Audientes orthodoxam vestrae dilectionis constantiam (S. 644); er hat nur
nötip, vor der Anstorkung durch die Irrlohrer zu warnen (S. 644 und 648)
und aufzufordern: Habeto pro nihilo eorum infrunitas insidias (S. 648;.
Jaffe hatte ep. 95 (= 99) den beiden anderen (= 78 und 79) nachfolgen
lassen.
4i Er ist einer der wenigen kirchlichen Männer, deren Geburtstag wir
— 287 —
seiner leidensdiaftlichen Natur nicht gedämpft; jede abweichende
Meinung erzürnte ihn; wer anders dachte als er, galt ihm als per-
sönlicher Feind. In seinen Adern floss germanisches Blut;^) aber
wie stolz war dieser Gote, ein Spanier zu sein; er sonnte sich in
dem Ruhme der berühmten Männer Spaniens;'"^) keine Würde
dünkte ihn erhabener als die seine: es ist allem Volk bekannt,
schrieb er einmal, dass der Stuhl von Toledo vom ersten Ursprung
des Glaubens an durch Heiligkeit der Lehre geglänzt hat, dass
niemals irgend etwas Schismatisches von hier ausgegangen ist.'^)
Er empfand es als eine persönliche Kränkung, wenn man behaup-
tete, dass aus seinem Erzbistum eine felsche Lehre entspringen
könne.^) Voll Zorn und Verachtung verdammte er die In-lelu-er
aller Zeiten, auch wenn er kaum mehr von ihnen wusste als den
Namen. ■'^) Denn gelehrt war er nicht. Der lateinischen Sprache
war er wenig mächtig; manchen älteren Väterspruch hat er übel
missverstanden; zwar schrieb er lateinisch; aber wie der vollkommene
Barbar. Briefe ins Ausland hess er, wie es scheint, von anderen,
die der Sprache besser kundig waren, durchsehen.^') Ein selbst-
ständiges dogmatisches Urteil hatte er nicht.') Aber das schadete
weder seinem Ansehen noch seinem Selbstbewusstsein; denn die
Bildung seiner Umgebung stand tief genug, dass man ihn für ge-
lehrt hielt, ^) da er über einen ziemlich grossen Vorrat von Zitaten
verfügte. Man mag bezweifeln, ob er sie selbst gesammelt hatte;
wahrscheinHch verdankte er sie den Mönchen in Corduba und
anderen Freunden.'*') Sie schickten ihm nicht nur echte, sondern
wissen: 25. Juli 718 (Ale. ep. 183 S. 308). Bischof wurde er um 780 (s.
Grössler, Die Ausrottung des Adoptian. S. 4j.
1) V. Beat. 1 (Migne 96 S. 891).
2) Ep. 4, 9 S. 873. Charakteristik Isidors: lubar ecclesiae, sidus
Hesperiae, doctor Hispaniae.
3) Ep. ad Fidel. S. 918.
4) L. c: Ignominia erit mihi, si in traditione Toletana hoc malum
fuerit auditum.
5) L. c. S. 919. Ep. episc. Hisp. 18 (Migne 101 S. 1330); hier über Mani,
qui Christum solum Deum et non hominera fuisse praedicat.
6) Es ist ein augenfälliger Unterschied zwischen seinen Briefen an
Felix und an Karl oder Alkuin. Dass er die letzteren Schreiben Felix mit-
teilte, sieht man aus Ale. ep. 183, 1 S. 307; Felix wird sich schwerlich
begnügt haben, eine Abschrift zu nehmen.
7) Einh. ann. sprechen z. J. 792 S. 91 von einer Anfrage Elipands bei
Felix, quid de humanitate salvatoris sentire deberet. Das Jahr ist offenbar
falsch, die Nachricht selbst schwerlich zu verwerfen.
8) Das bezeugt die Elipandus feindliche V. Beati 1 S. 890.
9) Ale. ep. 183, 1 S. 307 von einem frater Milita: Quatuor mihi qua-
— 288 —
auch gefälschte Väterstellen iu gi'osser Menge.') Das bemerkte er
ebenso wenig, wie dass er gelegenthch einmal eine catonische Sen-
tenz als Bibelspruch zitierte.") Auch er selbst hielt sich für gelehrt;
er fiililto sich angegriffen, wenn er meinte, jemand wolle ihn be-
lehren: von ihm sollte man lernen.")
Kaum waren Migetius und Egila überwunden, so wurde Eli-
pandus in einen neuen Lehrstreit verwickelt. Diesmal aber traf ei
als Gegner nicht einen vereinzelten fränkischen Bischof, sondern
die Gesamtkirche des Xachbarreichs.*)
In der spanischen Kirche war es üblich, von Christi mensch-
licher Xatur als von dem adoptierten Menschen zu sprechen.*]
Diese Formel war geheiligt durch den gottesdienstlichen Gebrauch
man sang in der Messe von dem Leiden des adoptierten Menscher
und von seiner Aufnahme auf den Thron der Gottheit, man betete
dass die Gläubigen, welche mit Christus adoptiert seien, auch mi'
ihm Erben würden.*)
torniones direxerat; 183, 2 S. 308 von den Mönchen in Corduba: Mihi multi
scripserunt, quae in tuo (Felix) adiutorio debueram dirigere; ib. von einen
Verstorbenen: Audivi quod aliquid nobis mandarat dirigere; es waren woh
Auszüge aus Hieronymus und Isidor; diese Werke hatte ihm Elipandu:
geliehen.
1) Weitaus die meisten Stellen, welche Elipandus zitiert, sind gefälscht
2) Ep. ad Fid. S. 918: Proximus ille Deo est qui seit ratione tacere
Nicht einmal der Vers machte ihn irre.
3) Ep. 1, 2 S. 860 tadelt er Migetius, quod non interrogantis sed priu
docentis arripueris officium; ep. ad Fid. S. 918 von Beatus und Het«riu9
Non me interrogant, eed docere quaerunt, quia servi sunt antichri.sti ; da
gegen wird Ascaricus gelobt, cum non docentis imperio sed interrogantii
voto scribere voluit.
4) über den Adoptianismus handeln eingehend Hefele (CG. III S. 642 flF.)
der auch die ältere Litteratur anführt; Garns (KG. von Spanien II, 2 S. 261 ff.
und Grössler (Die Ausrottung des Adoptianismus im Reiche Karls d. Gr.
Eisleben 1879). Neben de» Dogmengeschichten kommen ausserdem der Auf
satz Möllers P. RE. I 3. Aufl. S. 180 ff. und die betr. Abschnitte bei Simsoi
(.IB. II 8. 29 ff., 67 ff., 1.54 ff.) in Betracht. Auch Reuter streift den Strei
(Gesch. d. relig. Aufkl. 1 S. 10).
5) Vgl. Ale. ep. 166 S. 274.
6) Sieben Stellen aus der sog. mozarabischen Liturgie (Elip. ep. 4
11 S. 874 und Ale. adv. Elip. II, 7 S. 264. Hefeies Erläuterungen S. 65
sind wenig befriedigend. Wenn er zu der ersten Stelle: Qui per adoptiv
hominis paä.^ionem dum suo non indulsit corpori, nostro demum pepercit (si
nach der Verbesserung von Game 8. 272 Anm. 1 zu lesen), zu der sechsten
Qui adoptivi hominis non horruisti vestimentum sumere camis, und zu de
vierten: Per adoptivi hominis passionem bemerkt, adoptivus homo könm
— 289 —
Eine Lehi-e. welche der alteu Kirche des Abendlands entgegen-
gesetzt oder fremd gewesen wäre, sollte in diesen und ähnhchen
Sätzen nicht ausgesprochen werden. Im Gegenteil, sie waren ein
Erbe der älteren Anschauung; denn stets hatte die Frömmigkeit
des Abendlandes Wert darauf gelegt, dass die Vollkommenheit der
menschhchen Natur Christi anerkannt werde. Unbedenklich hatten
die Theologen von der Annahme eines Menschen durch den gött-
lichen Logos gesprochen. 1) Auch die Verwendung des Begrifife
Adoption war ihnen nicht ganz fremd.-) Aber diese Formeln wai'en
hier in der Bedeutung von assumta humaiia natura genommen werden, so
ist das richtig, trifft jedoch nicht zur Sache. Denn den Spaniern kam es
zunächst darauf an, das Recht der Formel zu beweisen. Bei der siebten
Stelle: Quos fecisti adoptionis participes iubeas haereditatis tuae esse con-
Bortes, der zweiten: Respice. domine, tuorum fidelium multitudinem, quam
per adoptionis gratiam filio tuo facere dignatus es cohaeredem, und der
dritten Stelle: Praecessit in adoptione donum, hat Hefele den Gedanken
der Spanier nicht gefunden. Sie wussten natürlich so gut wie Alkuin und
Hefele, dass sich adoptionis participes auf die Gläubigen bezieht; aber sie
pressten das "Wort , Teilhaber", so dass sie darin finden konnten, dass
Christus zuerst der Gegenstand der Adoption war. Daraus erklärt sich die
Verwertung der zweiten und dritten Stelle. Bei der sechsten Stelle: Sal-
vator per adoptionem carnis sedem repetiit deitatis sagt Hefele etwas Zweck-
loses, weil Selbstverständliches, wenn er bemerkt, dabei sei an die Aufnahme
Christi in den Himmel gedacht. Der Erzbischof von Toledo zweifelte daran
gewiss nicht : aber es war ihm wertvoll, dass diese Aufnahme als Adoption
bezeichnet wurde: er trat ja für das Recht ein, diese Formel auf Christus
anzuwenden. Dass nicht alle von Elipandus angeführten Stellen sich in
der mozarabischen Liturgie nachweisen lassen, wird gegen die Richtigkeit
der Zitate des Elipandus nicht bedenklich machen dürfen. Bei der sechsten
Stelle ist klar, dass er den ursprünglichen Text hat: per assumtionem ist
eine verfehlte, weil sinnlose Korrektur. Ebenso ist in Nr. 4 per assumti
hominis passionem eine offenbare Verbesserung: sie sollte das anstössige
Wort beseitigen, sie liess jedoch die Vorstellung, an der man irre geworden
war, bestehen. Thatsächlich stimmt die Formel, dass Christus einen Menschen
angenommen, dass der von ihm angenommene Mensch gelitten hat und
verklärt wurde, nicht mit der seit dem 5. Jahrhundert orthodoxen Vor-
stelluncr überein: sie stammt aus einer älteren, in der Wahl der Ausdrücke
unbefangeneren Zeit. Auf Grund dessen darf man annehmen, dass die von
Elipandus angeführten, in der Liturgie nicht vorfindlichen Stellen getilgt
wurden.
1) S. Hamack, DG. H S. 342 f. P. RE. I S. 180, 26 ff.
2) Hilar. de trinit. II, 27: Potestatis dignitas non amittitur,. dum carnis
humilitas adoptatur. Mar. Vict. adv. Arium. I (Bibl. patr. Lugd. IV S. 256 E):
Quadam adoptione filius et Christus, sed secundum camem. Vgl. Am-
brosiaster zu Phil. 2, 10 ff., Migne 17 S. 411: Sed forte ut adoptione Dens
Hauck, Kirchengeschichte. 11. 2. Aufl. 19
— 290 —
nach und uacli ausst-r Gebrauch gekoimiipii. Nur vereinzelt l)e-
gegnet man ihnen noch bei fränkischen Theologen der Karolinger-
zeit; ^) sie waren geeignet. Anstoss zu erregen."')
Elipandns musste seiner ganzen Art nach alles, was in der
spanischen Kirche üblich Avar, für nnantastl)ar lialteu. Schon in
dem Briefe gegen Migetius äusserte er sich in einer Weise, welche
zeigt, dass seine Ansicht von jenen Formeln beherrscht war."') T'nd
nun wurden sie angegrit^en. Die Ojiponenten waren zwei Asturier:
der Priester Beatus und der Mönch Heterius von Libana.'*)
AVahi-scheinlich wurden sie nicht allein durch theologische
Gründe zum AV'iderspruch bestimmt. Man weiss, dass zwischen
Astuiien mid Toledo eine gewisse Spannung bestand. Der Metro-
essotv Et hie color est; incipiet enim ex parte Deus verus esse Christus
et ex parte adoptivus aut duo dii.
1) Ale. adv. Felie. II, 12 S. 156: Ille homo in Deum assumptus. Eligii
honi. 2 MSL. 87 S. 599 findet sich die Stelle: Jesus, plenus et perfeetua
Deus, plenum et perfectum hominera ex matre sine patro suscipiens etc.
Ich benutze den Anlass, um auf die Untersuchung von E. Vacandard über
die Homilien des Eligius in der Rev. des fpiestions bist. 1898 Dez. S. 471 tt'.
hinzuweisen, die ich Bd. I S. 303,. 3 noch nicht benützen konnte. Vacandard
spricht die Homilien dem Eligius ab und weist sie dorn 9. Jahrh. zu.
2) Die herkömmlichen Ableitungen des Adoptianismus aus dem Nesto-
rianismus oder aus dorn fiegensatz gegen Migetius halte ich für mehr als
fraglich. Die erstere als Vermutung bei Neandor, DG. III S. 26 ff., als Mög-
lichkeit bei Möller RE. I S. 158, vgl. auch Harnack, DG. 111 S. 253, als Ge-
wis.shcit bei Werner, Alcuin S. 54; die letztere bei Hefele, CG. III S. 657
nach Älteren, Schwane, DG. S. 228, Bach, DG. I S. 104. Wie mich dünkt,
ist dabei zu viel Theologie in der spanischen Kirche dos 8. .Jahrhundorts
vorausgesetzt: der Adoptianismus erklärt sich aus dem Fortwirkon illterer
religiöser Anschauungen, dem Hängen an der kirchlichen Formel und der
mangelhaften theologischen Bildung. Deshalb ist er nicht eine Erfindung
des Felix von Urgol, wie V. Beat. 1 S. 891 annimmt; er ist überhaupt nicht
eine theologische Theorie über das Verhältnis der zwei Naturen in Christo,
sondern er war da in dem Moment, als die Berechtigung einer liturgischen
Formel angegriHon wurde. Denn nun steifte sich die eigensinnige Unwissen-
heit auf diese Formol, nun zog sie aus ihr die Konsequenzen, ohne zu be-
merken, d-i-SB dabei der stolze Ruhm der eigenen Orthodoxie in Stücke ging.
3) Ep. 1, 4 S. 862 und 7 S. 863.
4) ÜV)er Beatus s. Game, KG. von Spanien II, 2 S. 276 f. Er findet
die theologische Gelehrsamkeit des Beatus staunenswert; ich führe zu ihrer
Charakteristik nur an. dass Beatus den Arius für einen Tritheisten hielt
(ad Klip. ep. 11, 23 S. 992) und dass er das konstantinopolitanische SymVjol
als Bekonntnis der .Synode von Ephesus zitierte (1. c. 1, 38 S. 915). Heterius
war der jüngere; er wurde später Bischof von Osma. Dass der Streit von
den Asturiem begonnen wurde, zeigt des Elipandus ep. ad Fidel. S. 918 f.
— 291 —
polit wie der* Herzog setzten sich dem Einfliiss des toledanischen
Erzbischofs entgegen.^) Während dieser eben den fränkischen Send-
ung entfernt hatte, pflegte man in Asturien die Beziehungen zum
fränkischen Reich.'-) In Toledo war man voll Verachtung gegen
die Leute aus den astuiischen Bergen ;=^) in Astuiien aber stellte
man die Gemeinschaft mit der allgemeinen Kirche höher als die
spanischen Eigentümlichkeiten.*) Man glaubte nun wohl die Autorität
des Erzbischofs nicht gründlicher erschüttern zu können als dui'ch
den Vorwurf der LTlehre.
Je stolzer Elipandus auf seine Rechtgläubigkeit war, um so
schwerer fühlte er sich durch denselben verletzt. Er warf sich voll
Eifer in den Kampf; ohne Ahnung von den Bedenken, durch welche
seine Lehre betroffen wurde, erwartete er einen leichten und raschen
Sieg. In einem Brief an den asturischen Abt Eidehs erklärte er:
Wer nicht bekennt, dass Jesus Christus seiner Menschlieit nach
adoptiert ist, der ist ein Häretiker und werde ausgerottet: Fort mit
dem Übel aus eurem Lande ! Er verlangte, dass die Asturier selbst
seinen beiden Gegnern wehrten, und drohte, wenn dies nicht ge-
schehe, so werde er die Sache auf einer toledanischen Synode ent-
scheiden. Er rühmte sich, wie er die migetianische Häresie ver-
nichtet habe, so werde er auch die beatianische ausrotten. Denn
besonders durch Beatus fand er sich gekränkt: das sei nie erhört,
dass ein Mönch aus Libana einen Toledauer unterwiesen hal)e.^)
Wie in diesem Briefe, so äusserte er sich auch mündhch: man
wollte ihn haben sagen hören, der Herzog und Metropolit Asturiens
müssten aus dem Lande weichen, da sie die Lehre von der Adop-
tion nicht duldeten.'^)
Wenn Elipandus in Fidehs einen Gesinnmigsgenossen gesehen
hatte, so täuschte er sich. Fidelis teilte sein Schreiben den beiden
1) Het. et Beat. ep. I, 13 S. 901: Et episcopus metropolitanus et prin-
ceps terrae — pari certamine haereticorum schismata, unus verbi gladio
alter virga regiminis ulciscens — de terra vestra funditus auferantur. Der
Satz ist Elipandus in den Mund gelegt; die Worte pari — ulciscens müssen
jedoch als parenthetische Bemerkung der Verfasser verstanden werden.
2) Ann. Lauriss. z. J. 798; Einh. z. J. 797 und 798; V. Karol. c. 16;
Poet. Sax. III, 419.
3) V. Beat. 4 S. 892, nach einer abweichenden Rezension der ep. ad
Fidel.
4) Het. et Beat. ep. I, 47 S. 921; II, 8 S. 982.
5) Ep. ad Fidel, von Beatus und Heterius in ihre Schrift aufgenommen
I c. 43 f. S. 918 f.; ein Auszug, der eine etwas abweichende Rezension voraus-
setzt, V. Beat. 4 S. 892.
6) Het. et Beat. ep. I, 13 S. 901; s. o. Anni. 1.
19*
— 292 —
Angogriffeucii mit.') uiul diese antworteten sofort in einer gemein-
sam verfassten Al)luin(llnng.
Sie ist unendlich breit, aber sehr wenig belehrend. Die Ver-
fasser fühlten sich berechtigt, von allem zu reden, was sie wussten,
aber nicht verptiichtct. von dem zu handeln, was zur Sache geholte.
Sie vertraten mit Eini)hase Sätze, welche Elipandus nicht leugnete,
und warfen ihm voll Abscheu Irrlehren vor, von Avelchen er voll-
ständig frei war.-) Doch tntt in dem wirren Durcheinander ihrer
Streitschrift die Thatsache klar hervor, dass man über das Recht
jener Formel verschieden urteilte, "weil die religiöse Stimmung auf
beiden Seiten verschieden war. Füi' Eli})andus hatte der Satz von
der Adoption des Menschensohnes Wert, da er von der Anschau-
ung ausging, dass Christus wurde, was wir sind, damit wir würden,
was er ist: Er Mensch und wir Menschen; er Gott und wir (lötter;
er Sohn und wir Söhne; er Ohiistus und wir Ohristi; er Knecht
und wir Knechte; er Kind und wir Kinder. Dies Wort ist für
seine Ansicht charakteristisch.'^) Dagegen verwarfen Beatus und
Heterius die Zusammenstellung Christi und der Gläubigen: Kein
Mensch ist ihm, insofern er Mensch ist, ähnhch.'') Das war ihr
Satz. Sie sahen in den Behauptungen des Elipandus einen Angiift"
auf die Gottheit Christi:''') an ihr hatten sie das Unterpfand der
einstigen Verklärung der Kirche;") sie hielten um so mehr an ihr
fest, als der AVidcn'sprnch der Muhammedaner und .luden sich
gerade auf die Anbetung Christi richtete.')
So siegessicher Heterius und Beatus sprachen, so bauten sie
doch nicht auf den Eindruck ihrer Schrift allein. Sie suchten aus-
wärtige Bundesgenossen. Vor allem wandten sie sich an Papst
1) L. c. I, 1 S. 895. Hier erfährt man zugleich, dass der Brief des
Elipandus im Oktober 785 geschrieben ist „clam sub sigillo'. Am 26. No-
vember lasen ihn die beiden, und noch im gleichen .Tahre, d. h. vor dem
März 786, dem .Jahresanfang in Sjianien, wnrdon sie mit ihrer Streit-
schrift fertig.
2) Nestorianismus haben sie Elipandus nicht vorgeworfen, obgleich sie
Nestorius einmal erwähnen (II, 94 S. 1025).
3) L. c. 1, .59 S. 929; vgl. 112 S. 963: Christus adoptivns et nos
adoptivi.
4) L. c. 1, 57 S. 928; vgl. 112 S. 963; 118 S. 968.
5) L. c. I, 119 S. 969; II, 6 S. 981.
6) L. c. II, 40 S. 1001: Dominus ac redemptor noster cum sancta
ecclesia, quam rcdemit sorundum carnem, una substaiitia est. illius capitis
corpus ecclesia est et buius corporis caput est Christus. De <\nn suo capile
exnltat corpus i. e. sancta ecdpsia,
7) L. c. I, 83 S. 944; II, 42 S. 1003.
— 293 —
Hatkian. Ei'' naliin die Anklage gegen Elipandus an und ver-
dammte seine Lehre als Nestorianismus. ^) Damit war das Schlag-
wort ausgegeben, das von nun an gegen die Spanier verwandt
wurde. Sodann aber rief Beatus auch die fränkischen Bischöfe
zum Streite wider che neue Häresie auf.-) Den Anlass dazu bot
der Umstand, dass der bedeutendste Gesinnungsgenosse des Eli-
pandus, Bischof Fehx von ürgel, seinen Sitz auf fränkischem Ge-
biete hatte.
FeUx^) stand allgemein iii hohem Ansehen. Er war ein
Apologet des Chi-istentums gegen den Islam;*) an seiner Persön-
lichkeit haftete kein Makel. Franken und Spanier schätzen ihn
gleich hoch. Alkuin richtete, bald nachdem er sich im fränkischen
Eeiclie niedergelassen hatte, eine Zuschrift an ihn, um ihn um seine
Fürbitte zu ersuchen: er sei ihm zwar unbekannt von Person, aber
bekannt durch den Ruf seiner Frömmigkeit.^) Auch der stolze
Ehpandus freute sich an den Briefen „seines Herrn Felix", als
„wären sie ihm vom Himmel zugefallen- ■.") Das ist begreiflich;
denn Felix war an geistiger Bedeutung den besten unter seinen
gelelu-ten Zeitgenossen ebenbürtig. Er war dialektisch wohlgeschult;
1) Cod. Carol. 95 S. 637. Den Urheber des lugubre capitulum, das
Hadrian aus Spanien erhielt, nennt er nicht; das Nächstliegende ist, an
Heterius und Beatus zu denken, zumal da auch Hadrian den Verdacht hegt,
die Ansicht der Spanier sei gegen den Glauben an die wahre Gottheit
Christi gerichtet. Dass die Denunziation gegen Elipandus von anderer
Seite ausging als die gegen Migetius, ist nach der Art, wie er spricht, nicht
zu bezweifeln. Von S. 640 an bezieht sich Hadrian auf Mitteilungen Egilas;
vgl. ep. 96 S. 644 ff.
2) Elip. ep. 3, 2 S. 868. Wenn Heterius und Beatus ep. 1, 13 S. 901
ausrufen: Jam rumor est, jam fama est, et non solum per Asturiam, sed
per totam Hispaniam et usque ad Franciam divulgatum est, quod duae
quaestiones in Asturiensi ecclesia ortae sunt, so stimmt das damit überem.
3) Felix war wahrscheinlich ein Altersgenosse des Elipandus; Paulin
bezeichnet ihn als Greis (ctr. Felic. I, 15 S 366). Wenn die Biographie des
Beatus I S. 891 ihn als Lehrer des Elipandus bezeichnet, so ist diese Nach-
richt, wie man sieht, nicht ganz unmöglich, wahrscheinlich jedoch beruht
sie nur auf einem ungeschickten Schluss aus der S. 287 Anm. 7 erwähnten
Notiz der ann. Einh. Nach der letzteren war Felix ein Spanier. Mabillon
war sehr indigniert, dass die V. Beat, diesen Ketzer zu einem Gallier machte.
4) Er verfasste eine disputatio cum Saraceno; s. Ale. ep. 172 S. 284.
5) Ep. 5 S. 30; vgl. ep. 166 S. 269. Jaffe hatte ep. 5 in das Jahr 785
verlegt. Aber die von ihm auf Karl bezogene Stelle bezieht sich vielmehr
auf Christus; demgemäss datiert Dümmler c. 789. Über Felix vgl. Agob.
adv. Fei. 2 S. 3 ed. Baluz. ^
6) Ale. ep. 183, 2 S. 307.
— 294 —
Alktiiii spielte nicht ijcnule eine gläii/.cmlc Rolle, ^velln er versiu-lite,
ihn mit logisclioii Grihulcn ans dtMii Felde zu schlugen.') 8oinc
theologische Belesenheit war umfassender als die des Elii)andus.
Vor allem aber war der persönlich wenig mutige Gelehrte kühn
auf dem Gebiete der Gedanken. Er ei-schrak nicht vor Sätzen,
welche seinen (^egnern gefährlich, ja frivol erschienen, wenn sie nur
irgend eine A\'ahrheit scharf aussprachen. Den Gedanken, dass
alle Geschöpfe Gott unterworfen sind, spitzte er dahin zu. dass der
8atan kraft der Schöpfung ein Diener Gottes sei. Alkuin war
entrüstet über eine solche Blasphemie.") Vor unzutreflendi-n Formeln
liatte er keine Achtung: sein Grundsatz wai', man müsse das glauben
und sagen, was wirklich ist.'') Dabei lebte er noch unmittelbar in
dem Kreis der altkirchlichen Anschauungen und A\)rstellungen : in
gewissem Sinne ist er der letzte altkirchliche Theologe.
Wenn man seine Lehre verstehen wül, so darf man nicht von
den adoptianischen Formeln ausgehen : sie waren tur ihn nur Folge-
sätze. Der Mittelpunkt seiner Überzeugungen lag in dem Gedanken:
Christus ist der Erlöser, weil er der zweite Adam ist.^) Ihm ver-
danken die Gläubigen die Neugeburt, wie sie durch die erste Geburt
von Adam abstannnen. Als der neue Mensch aber nuisste der
Erlöser durch alles Menschliche hindurchgehen. ])emgemäss Ichi'tc
Felix, er sei von Ewigkeit her erwählt.'') als Knecht geboren,*') in
1) Vgl. actv. Folie. II, 12 S. 155.
2) Adv. Felic. VT, 4 S. 203; \al. VI. 7 S. 208.
3) L. c. III, 13 S. 109: Christus non vult do so credere vel praedicare,
quam id quod est.
4) L. c. II, 16 S. 157: Sicut in prima gonerationc, ox qua sooundum
carnem nascimur, nullus homo esse potest, (|ui aliundo origiiiem trahit nisi
de primo 11 lo Adam. <|ui ex terra virgine crcatus est; ita in hac secunda
generatione spiritali, in qua renascimur ox aqua et spiritu sancto, nemo
gratiam adoptionis con.'^oqui valet praetor illum. qui oam in Christo ex
carne virgini.s crcato et nato, qui est secundus Adam, accepit. Has geminas
generationes, )irimam videlicet, quae secundum camera est, secundani vero,
quae per adoptionom fit, idem redemptor noster secundum hominem com-
plexus in scnietipso continet. Dass dor verderbte Text in dieser Weise
wiederherzustellen i.'^t, unterliegt keinem /woif'ol. Die Stelle zeigt zugleich,
dass Bach irrt, wenn er (DG. 1 8. 110 lt.) («eine Dar.stollung dor adop-
tianischen Lehre in den Satz auslaufen läs.st: Dem Adojitianismus ist der
Mensch Christus ein gewöhnlicher Mensch wie jedes andere Individium
des Geschlechts und keineswegs ein zweiter Adam (S. 113).
5) L. c. II, 13 S. 156.
6) L. c. IV, 8 S. 182 unter Derul'ung auf .los. 4'.), 5: c. 10 S. 184;
c. 12 S. 186. Vgl. III, 1 S. 164; VI, 1-4 S. 199 ft".; Paul c. Fei. I, 9
S. 361.
— 205 —
der Taufe atk)ptiert. dadurch aus dem Tudc erweckt, ja vergottet;^)
aber die Yergottung habe nicht bewirkt, dass er aufhörte Mensch
zu sein; alles Menschliche sei ihm geblieben, deshalb habe er für
sich gebetet, habe er vor dem Tode gezagt, im Tode sich selbst
an Gott dahingegeben, ja bleibe er in Ewigkeit Gott unterworfen.-)
Es ist klar, dass die adoptianische Behauptung nur ein Glied in
dieser Kette ist. Sie hatte nicht entfernt den Zweck, die Gottheit
Christi zu leugnen: hier war Felix so unbezweifelt orthodox als
irgend ein anderer Zeitgenosse. Auch die Einheit der Person des
Erlösers AvoUte er so wenig auflösen als seine Gegner:'^) seine Sätze
waren religiös motiviert: Christus musste durch alles Menschliche
hindurchgehen, weil alles, was er that und was ihm widerfuhr, un-
mittell)ar auf die Christen übertragen wird: seine Erwählung, Adop-
tion, Vergottung ist die ihre.*)
Das Avaren altkirchliche Ideen, welche für Felix noch reli-
giösen Gehalt hatten, wäihrend sie seinen fränkischen Gegnern zu
Schulsätzen geworden waren.
Beatus hatte die fränkischen Bischöfe auf Felix' Irrlehre auf-
merksam gemacht, aber im fränkischen Reiche konnten die Bischöfe
kirchhche Fragen nicht erledigen ohne den König. Karl hielt die
Angelegenheit für wichtig genug, um sie in aller Form durch eine
Synode entscheiden zu lassen. Er versammelte im Jahr 792 die
bei der Reichsversanmiluug in Regensburg anwesenden Bischöfe zu
einem Konzil, vor welches Felix gestellt wurde.'') Dieser hatte
nicht den Mut eines Bekenners: er liess sich bewegen, einem von
1) Ale. adv. Felic. II, 16 S. 157 f.; IV, 2 S. 173; Ale. ep. 166 S. 269;
Paul. c. Fei. I, 44 S. 398. Der Satz von Bach (DG. I S. 105), dass die
Spanier die Menschennatur oft unter die Kategorie der Sündhaftigkeit
gesetzt hätten, ist wieder irrig. Eine solche Annahme haben Elipandus
und Felix ausdrücklich ausgeschlossen: der Erstere nennt ep. 3, 2 S. 868
Christus perfectum hominem praeter delicti eontagium ; der Letztere sagt
(Ale. adv. Felic. V, 10 S. 198) : Ipse qui essentialiter cum patre et spiritu
s. solus est bonus, est (? ut) Deus, ipse in hominem licet sit bonus non
tarnen naturaliter a semetipso fit bonus. Auch Alkuin hat diesen Vorwurf
Felix nicht gemacht, ep. 166 S. 270: Dicit, quod sit per omnia aequalis
nobis, nisi tantummodo quod sine peccato natus est.
2) Ale. adv. Felic. VII, 15 S. 228; Paul. c. Fei. IH, 4 S. 436; c. 15 S. 448.
3) Vgl. z. B. Ale. adv. Felic. V, 1 ff. S. 189 ff.; 111, 16 S. 171; Paul,
c. Fei. I, 9 S. 360.
4) Ale. adv. Felix. II, 11 S. 154; c. 14 S. 156; c. 16 S. 157; IV, 2
S. 173; V, 7 S. 194. Agob. adv. dogm. Felic. 37 S. 47: Quae capitis sunt
i. e. Christi, referuntur ad corpus i. e. eeelesiam, et ea quae corporis sunt,
adscribuntur capiti.
5) Ale. adv. Elip. I, 16 S. 351 f.; Ann. Lauriss., Einh. z. J. 792 S. 90 f.
— 296 —
der Synode aufg(>sti'llti'ii Bekeimtiiis, diis den AdoptianiMUius ver-
daninite. l)eizustinmn'ii, und fi;(^lobte, nnwandelbar lu'i deniselhen zn
beharren.') Naclideni die fränkische Kirche gesprochen hatte, sollte
der röniisclie Bischof ihrem Urteil beitreten: Karl sandte Felix in
der Begleitung Angilberts nach Rom: dort Aviederholte er vor
Hadrian deh in Kegensburg geleisteten Eid in der feierlichen AVeise,
die man in Kom liebte.")
So >var der Ado})tianismus verworfen. AVar das die Antwort
Karls auf die Abweisung seines SendUngs Egila?
Die Regensburger Entscheidung beruhigte den Sti'eit nicht.
Felix kehrte nach Urgel zurück:'') man traute ihm nicht; deiui er
bheb seines Amtes entsetzt/) und er rechtfertigte das Misstrauen;
denn nach kurzer Zeit tloh er auf sarazenisches Gebiet. Von hier
aus suchte er in einem Briefe seinen Schritt zu rechtfertigen.'')
Die Spanier bewiesen bald, dass sie nicht gesonnen waren,
sich dem fräid<ischen Urteil zu fügen.") Als P^rwiderung des Rcgens-
l)urger Bescldusses richtete der s])anisclie Episkopat an den frän-
kischen ein Schreiben. Es wahrte die Form des brüderlichen Ver-
kehrs: aber in der Sache gaben die Spanier nichts nach: sie be-
standen auf dem Rechte der in ihrer heimischen Kirche üblichen
Formel, da dieselbe von allen Kirchenlehrern von Hilarius bis
Isidor und Ildefons gebraucht werde. Sie zu verwerfen sei unver-
ständig, da man kein Bedenken trage, Christum einen Knecht zu
nennen, und sei gottlos, da man damit die wahre Menschheit Jesu
leugne. ')
1) Paul. c. Fei. I, 5; Leo 111. auf der römischen Synode von 798.
Mansi XIII, 1031.
2) Die Sendung Angilberts erwähnen auch Ann. Fuld. z. d. J. S. 12.
3) Einh. ann. z. J. 792: Quo facto (nach Leistung des Widerrufs) ad
civitatem suam revorsus est. Durch diese Notiz wird die Annahme <4rösslers
widerlegt, Felix sei von Koni zu den Sarazenen gcHohon (S. 11).
4) P^lip. ep. 3, 3 S. 868 f.: Poscimus, ut famulura tuuui Felicem in
proprio honore restaurea et pastorem gregi a lupis rapacibus diaperso
reformes.
5) Conc. Rom. a. 798 (Mansi XIII, 1031). Der Brief des Felix ist
erwähnt bei Ale. adv. Felic. II, HS. 154. Da der Brief durch Alkuius
Schrift adv. haer. Felic. beantwortet wurde, so kann er erst nach der Flucht
geschrieben sein.
6) Es scheint sicher, dass die adoptianischo Ansicht in Spanien die
vorherrschondc war, obgleich einzelne <iegnor der-sselben bekannt sind (Alvar.
ep. 4, 27 f. Migne 121 S. 443). Von iiropagandisti.schcr Thätigkeit der
Adoptianer erzählt Jonas de cult. imag. I (Migne 106 S. 307 ft".).
7) Migne 101 S. 1321 ff.; besonders in Betracht kommen c. 3 — 8 mit
den zum grossen Teil unechten Zitaten; c. 13, 1.'», 18.
— 297 —
Zugleich- wandten, sie sich an den König :^) sie appellierten
lür Felix von dem Urteil der Bischöfe an sein Gericht. Mit pathe-
tischen AVorteu erkannten sie dabei die Stellung Karls in der
christhchen AVeit an; aber voii jenem bereitwiUigen Gehorsam, den
man ihm überall entgegenbrachte, ist in ihrem Schreiben nichts zu
finden: sie trugen kein Bedenken, den König zu warnen, er möge
nicht wie einst Konstantin vom echten Glauben zur Häresie abfallen;
sie sprachen den Argwohn aus, dass dies schon geschehen sei; sie
forderten, dass sich Karl auch von einem Geringereu unterweisen
lasse, "vvie Petras von Paulus.
Das Schreiben ist äusserst ungeschickt; Elipandus, der es ohne
Zweifel verfasst hat,-) fand, weder Avenn er entgegenkommend,
noch wenn er imponierend sein AvoUte, die rechten Worte; aber
eines musste sein Schreiben klar beweisen: dass er und seine Ge-
sinnungsgenossen in dem fränkischen König nicht den Leiter der
Kirche erkannten.
Um so mehr Ursache hatte Karl, die Sache nicht auf sich
beruhen zu lassen. Er legte sie der Frankfurter Synode vom Jahre
794 vor. Sie sollte eine Repräsentation der Gesamtkirche sein;
deshalb versammelten sich nicht nur auf Geheiss des Königs"^) die
Bischöfe des fränkischen Eeichs, sondern er bewog auch Hadrian I.,
die Bischöfe Theophylakt und Stephan als seine Vertreter nach
Frankfin't zu senden;"') nicht minder war die enghsche Kirche durch
einige Abgesandte vertreteu.'') Der König selbst wohnte der Synode
nicht allein als Zeuge bei: er führte den Vorsitz,**) er traf Anord-
nungen über den Geschäftsgang, er erörterte, vor dem Throne
stehend, in ausführlicher Rede die Streitfrage ; ') sein Wort war ent-
scheidend für den Beschluss.*^) Wie kein zweites Mal erschien er
als der Regent der Gesamtkirche.
Selbstverständlich herrschte über die dogmatische Frage volle
Einigkeit. Sie wurde konstatiert durch die Denkschriften der frän-
1) Elip. ep. 3 S. 867 ff.
2) S. Grössler S. 46.
3) Cap. 28, 1 S. 73: Eegis iussione. Das übersetzt Schwane (DG.
S. 238): Auf die Einladung des Kaisers. Papst Leo III. war noch nicht so
bedenklich; er wiederholt auf der Synode von 798 die Worte des Kapitulars
(Mansi XIII, 1031). Paulinus vollends lässt die Bischöfe imperii eius decreto
und sacris obtemperando praeceptis zusammenkommen (S. 873).
4) Ann. Lauriss., Einh., Chr. Moiss. z. J. 794.
5) Carol. ep. ad Elip. (Mansi XIII, 901 C).
6) Synodica ep. Germ. (Mansi XIII, 884): Praeeipiente et praesidente.
7) Lib. sacrosyll. (Mansi XIII S. 873 und 874).
8) Caroli ep. ad. Elip. S. 903: Auditor et arbiter assedi.
— 208 —
kisclicii 1111(1 it;ilieiiis('li(Mi J^isdüife, diircli das päpstliclio, an dir
Spanier gerichtete Schreiben nnd duirli Ivarls eigene Erklilrnng,
in -welcher er den Spaniern die Verwerl'ung des Ad()])tianisinus er-
ütVnete. Er tliat es als Scluitzvogt der heiligen Kirche Gottes, der
dt'ii rechten Ulauhen überall zu bewahren und zu bekennen hat.')
In Wort und That hielt er an der Stellung innerhalb der Kirche
fest, -welche die Spanier nicht anerkannten.
Hiichst charakteristisch sind diese vier Aktenstücke. Am ent-
schiedensten stellten sich die Deutschen auf den traditionalistischcn
Standpunkt. Das für sie Anstössige war, dass die Spanier sich
nicht an den Aussprüchen der Väter genügen Hessen: Sind wir
klüger, den Weg der Wahrhoit zu finden, als die apostolischen
Ix^hrer? Sie verstanden nicht, wie man wagen könne, Jk'hau])tiin-
gen über die Geburt des Sohnes Gottes aufzustellen, sage doch
die Schrift: Forsche nicht nach dem, was dir zu hoch ist, und:
AVer vermag von seiner Geburt zu reden?-) Mit dieser Scheu vor
eigenen Behauptungen, dieser resignierten Skepsis gegen die theo-
logische Erkenntnis kontrastiert seltsam die Sicherheit, mit Avelcher
die von den Spaniern vorgebrachten Beweisstellen kritisiert wurden :
man kannte die iUtere Litteratur hinreichend, um die Fälschungen
und MissveiNtändnisse, Avelche hier mit unterhefen, sofort zu er-
kennen.'') Überraschend tritt am Schluss die Verschiedenheit der
religiösen Stimmung an den Tag: die Deutschen waren in der Lehre
von den zwei Naturen Christi gründlich unterwiesen; aber für ihre
i-eligiöse Anschauung war CHiristus eigentlich nichts anderes als
Gott: sie nannten ihn geradezu den Gott der Christen.'*) AVie
hätten sie eine Ansicht verstehen können, die in ihm zunächst den
Menschen bedurfte?
Das italienische, von dem Patriarchen Paulin von Aciuileja
vertässte Gutachten hielt sich nicht gleich vorsichtig von theolo-
gischen Erörterungen ferne. Im Gegenteil wagte J^aulin eine AV'ider-
legung des Adoptianismus aus der Heiligen Schritt.'') Gleich-
wohl blieb auch er ganz inncrli.ilb der Schranken der orthodoxen
Lehre.")
1) L. c. S. 899: Defensor s. Dei ecclesiae; ib.: Fiilem oithodoxain . .
nos pro virium noHtiarum portiono ubiquo in oninibus servare ot praedicaio
profitemur.
2) Mansi XIII S. 884; vgl. 895 f.
3) Auffällig ist das wegwerfende Urteil älter die mozarabische Liturgie
S. 886.
4) S. 898 f.
5) S. 87.5 ff.
6) Bemerkenswert ist am Schlüsse (S. 882) die Wahrung der Rechte
— 299 —
Im Untet-schiede ^^on diesen beiden Denkschriften ist das päpst-
liche Schreil)en ein urteil; aber der Richter spricht im Tone leiden-
schaftlicher Feindseligkeit. Schon die Form der Zuschrift war
kränkend,^) nicht minder die Weise, wie die ..blinden, verworfenen,
hartnäckigen und verwoiTenen" Adoptianer auf den Weg der Wahr-
heit zurückgeführt werden sollten.-) Schliesslich wird für den Fall,
dass sie sich nicht bekehren, „dass sie der böse Geist mit so starken
Fessehi des Missglaubens gebunden habe, dass sie nicht aufgelöst
werden können", der ewige Fluch über sie verhängt kraft der
Autorität des apostolischen Stuhls des sehgen Apostelfürsten Petrus,
auf Grund der ihm verliehenen Schlüsselgewalt.^)
Wie sachlich und ruhig ist dagegen das Schreiben des Königs:
er unterHess, verletzende Vorwüiie auszuspreclien, und suchte soweit
als möghch auch den Gegnern gerecht zu werden. Deshalb erkannte
er die Forderung einer neuen Untersuchung als berechtigt an.^)
Auch persönlich wollte er nicht als erbittert erscheinen; er ver-
säumte nicht, seinen Dank dafür zu äussern, dass man in Spanien
ftir ihn bete.''^) Jedoch die Streitfi-age galt ihm als entschieden:
die adoptianischen Formeln sind verwerflich; denn sie widersprechen
der überheferten Wahrheit. Auf Grund dessen forderte Karl von
den Spaniern, sie zu lassen und sich mit der Gesamtkirche wieder
zu vereinigen. Er erklärte schliesslich, dass er sonst genötigt sei,
sie als Häretiker zu betrachten, die Gemeinschaft abzubrechen und
den Gedanken aufzugeben, sie von dem Joche der Ungläubigen zu
befreien.*^)
Aber die Adoptianer beugten sich nicht. In den Briefen Al-
kuins aus den nächsten Jahren ist da und dort die Angelegenheit
berührt. Man sieht, wie schmerzlich sie ihm war, zugleich aber,
dass sie nicht von der Stelle rückte.')
Hadrians. Dass sie im Wortlaut mit dem Briefe Hadrians zusammentrifft,
ist ein Beweis dafür, dass das päpstliche Schreiben vor der Synode verfasst
ist (vgl. Grössler S. 47).
1 Er fü?t dem Grusse die Worte hinzu: Si tamen licet de omnibus
„fratribus et consacerdotibus" dici (S. 865).
2) S. 869 ff. Unbedachterweise wird auch die Bezeichnung Knecht
Gottes für Christus verworfen. Alkuin wusste sich hierüber viel vorsichtiger
zu äussern (adv. Felic. III, 9 S. 168).
3) S. 872 f.
4) S. 900.
5) S. 902 0.
6) S. 903 f.
7) Ep. 113 S. 164 (a. 796); 137 S. 211 (c. a. 798); 146 S. 236 (a. 798)
168 S. 276 (a. 799).
— 300 —
Alkiiin li.itto vorläiigst seiüc Meinung über die Streitfrage aus-
gesproclien. Kurz nacli seiner Rückkehr aus England hatte er ein
langes Schreiben an Felix gerichtet. Jede Zeile zeigt den gebil-
deten Mann, den liebenswürdigen Geist, den gelehrten Kenner der
altkirciiluhen Litteiatur: er schrieb nicht, um zu streiten, sondern
um freundschal'thch und gründlich zu belehren; mit peinlicher Sorg-
falt vermied er jedes verletzende Wort.') Nach der Fiankfurter
S}iiode verötientlichte er eine grössere Schrift gegen ihn, sein Buch
gegen die Häresie des Felix.-) So trat die neue gelehrte Theo-
1) Ep. 23 S. 60 ff. Für die Datierung ist adv. Elip. I, 16 S. 251 aus-
schlaggebend; die Stelle verwehrt, weit über das .Tahr 793 herabzugehon ;
es scheint mir deshalb unmöglich, den Brief mit Grössler über die Frank-
furter Synode herabzudrücken; so auch Dümmler.
2) Opp. II S. 87 ff. In Bezug auf die Abfassungszeit der beiden
Schriften Alkuins gegen Felix, des lib. adv. haeres. Felicis und der libr. VII.
adv. Felic. , mag bemerkt sein , dass ich in Bezug auf die erstere Schrift
trotz der Wiederholung des .Taffe'schen Ansatzes (799) durch Dümmler, z.
ep. 171 S. 282, 8, glaube an meinem abweichenden Ansatz festhalten zu
müssen. Der sichere Beweis liegt in ep. 160 S. 259, einem Schreiben, das
mir in der 1. Auflage dieses Buchs entgangen war. Dieser Brief ist mit
voller Sicherheit zu datieren: mit Recht weist ihn Dümmler dem Jahre 798
zu; der Vergleich mit ep. 148 S. 241 zeigt aber, dass man ihn noch be-
stimmter in den Sommer dieses Jahres zu verlegen hat; vgl. Nuper mihi
venit libellus a Feiice infelice directus S. 241, ii und Nuper ab codem venit
nobis libellus S. 259, 17. Nun sendet Alkuin schon mit diesem Brief an
Theodiilf seinen libellus fidei catholicae sanctarum scripturarum auctori-
tatibus [nisujm et catholicorum doctorum testimoniis [fultum]. Dass hier
der lil)er adv. haeres. Felic. gemeint ist, darf als sicher gelten, s. Dümmler
Note 1. Derselbe war also im Sommer 798 schon vorhanden. Er ist
spätestens im Winter 797—798 verfasst; denn ep. 145 S. 233 aus dem März
798 wird er Karl in noch nicht abgeschlossener Gestalt zur Prüfung vor-
gelegt, 8. Dümmler S. 233 Anm. 4. Ep. 207 S. 345 widerspricht nicht;
denn priore anno muss nicht heissen: im vergangenen Jahr = 799, sondern
kann heissen: im Jahre vorher, d. h. im Jahre vor der Abfassung. Dass es
hier so übersetzt werden muss, bewei.st ep. 160. Karl muss die Schrift ge-
billigt haben; denn sonst würde sich ihre Bekanntmachung ep. 160 nicht
erklären. Ist das rirhtig. so erschoint mir ausgeschlossen, dass ep. 171
S. 282 sich auf diese Schrift bezieht; sie kann .sich nur auf die 7 Bücher
gegen Felix beziehen. Alkuin hatte im Frühsommer 798 eine Schrift des
Felix erhalten, ep. 148 S. 241, und eofort die Notwendigkeit einer gründ-
lichen Widerlegung erkannt, ibid. Karl ging auf seine Gedanken ein, ep.
149 S. 243. Darülior war Alkuin sehr befriedigt, meinte aber für diese
Arbeit einige Zeit zu bedürfen, ib. S. 244; auch op. 160 S. 259 ist von
dieser beabsichtigten, später zu publizierenden neben der schon vorher
fertigen die Rede. Der Entwurf dieser Schrift scheint nun im Winter
— 301 —
logie in den Kampf gegen die letzten Ausläufer der alten, schöpfe-
rischen ein.
An Wissen zeigte sich Alkuin seinem Gegner überlegen: die
von ihm ausgewählten Stellen aus älteren Schriftstellern bewiesen,
was sie beweisen sollten, dass die adoptianischen Sätze mit dem
kirchlichen Dogma sich nicht vertrugen. Denn dies darzulegen,
war das Bestreben Alkuins: er verwarf die Behauptung der Adop-
tion als eine Neuerung, als eine Lehre, welche weder im Alten
noch im Neuen Testamente sich finde und welche der ganzen Kirche
fi'emd sei.^) Aber indem er in der schweren Waffenmstung seiner
Gelehrsamkeit auf den Blan trat, verzichtete er zugleich auf die
Aufgabe der Wissenschaft: Wie können, so schiieb er an Felix,
wir geringen Menschen am Ende der Welt, während die Liebe
^deler erkaltet. Besseres erdenken, als dass wir mit ganzer Seele
der apostolischen und evangelischeu Lehre folgen, ohne neue Be-
zeichnungen zu bilden oder etwas Ungewohntes vorzubringen, ohne
durch eine neue Weisheit eitlen Ruhm für unseren Namen zu
suchen.-) Auch für die rehgiöse Grundlage der adoptianischen
Lehre hatte er kein Auge. Der Gedankenzusammenhang, aus dem
heraus sie gedacht war, blieb ihm fremd. Für seine Frömmigkeit
genügte der Apell an die götthche Allmacht: Gott vermag im
Himmel aus seinem Wesen ewig einen Sohn zu haben, der ihm in
allen Stücken gleich ist, und nicht minder auf Erden aus der Jung-
frau einen eigenen Sohn, obwohl derselbe in der Knechtsgestalt
kleiner ist als er.^)
Fehx wich dem litterarischen Streit nicht aus. Den Brief,
798 — 799 fertig geworden zu sein, denn im Frühjahr 799 lag er Karl vor,
ep. 171 S. 282. Der Bezug auf die grosse Gegenschrift gegen Felix ergiebt
sich aus der Beziehung des Satzes Unde et S. 282. 6 auf den Satz De
libello vero S. 243, 2.S; vgl. auch ep. 202 S. 335, 18. Der „libellus" macht
keine Schwierigkeiten, da natürlich nicht das siebenbändige Werk auf ein-
mal, sondern der Entwurf zum 1. Buch zunächst vorgelegt sein wird; vgl.
ep. 202 S. 335, 23. Karl hat ihn empfangen, aber noch nicht approbiert.
Nach ep. 172 S. 284 erfolgte die Durchsicht alsbald: sie führte nicht zur
Billigung, sondern zur Zurückgabe unter Hinweis auf Mängel, die der Ver-
besserung bedürfen. Alkuin hat nun an der Schrift weiter gearbeitet.
Ep. 202 S. 335 ergiebt, dass sie vor dem Aachener Gespräch vollendet war;
doch fehlte noch die Billigung durch Karl. Um sie zu erlangen, legte Al-
kuin die 7 Bücher durch Candidus dem Kaiser vor (ep. 203 S. 336; 204
S. 338; 205 S. 340). Die Nachricht über die erlangte Bestätigung fehlt
auch hier. Sie findet sich dagegen adv. Elip. I, 16 S. 252.
1) Ep. 23 S. 62.
2) L. c. S. 61.
3) Adv. haer. Felic. 36 S. 101 f.; vgl. 48 S. 107.
— :^02 —
den Alkuiii iiacli der Rogensbiirger Synode an ihn gei-iclitet liatte.
beantwortete er jetzt mit einer Streitschrift:') er ^\■^^v nach wie vor
der ^Meinung, dass seine Ansicht innerhalb des Rahmens des kirch-
lichen Dogmas berechtigt sei.") Sein Bnch sandte er wie au Alkuin,
so auch au Karl:'') er hatte die Hoti'nnng nicht aufgegeben den
letzteren zu gewinnen, Alkuin erschrak, als er es zu Gesichte l)e-
kam. Wenn Felix dargelegt hatte, dass Christus als Mensch nur
dem Namen nach Gott sei, so war das in seinen Augen eine uner-
trägliche Blasphemie. Wehe der Welt der Ärgernis halber, ruft
er aus. Siehe, der von den Engeln im Himmel angebetet w-ird,
der wird von den ]\[enschen auf Erden nicht als wahrer Gott an-
erkannt. Dass diese Schrift nicht ohne gründliche Widerlegung
bleiben dürfe, stand ihm im ersten Augenblick fest; nur meinte er
allein der Aufgabe nicht gewachsen zu sein; die Entgegnung müsse
sorgfältig von mehreren Gelehrten erwogen werden. Er schlng dem
Könige vor, Papst Leo III., Paulin, Theodulf und Richijod von Trier
Abschriften zu überschicken. Für sich selbst bat er um Zeit: er
wünsche gemeinsam mit seinen Schülern die zur Widerlegung dien-
hchen iA.ussprüche aus den Vätern zusammenzutragen.'') Im Fridi-
jahr 799 konnte er dem König die vollendete Schrift ül)ersenden;
er bat um dessen Billigung.'')
Man kann nicht sagen, dass Alkuin den Streit durch diese
neue Schrift üi)er die Linie hinausführte, auf welcher er sich bisher
bewegt hatte.") Auch jetzt wai' seine Absicht, nachzuweisen, dass
die Lehre der Adoptianer einen Widerspruch gegen das von ihnen
anerkannte kirchliche Dogma in sich schliesse.") Er war billig
genug, Felix nicht für einen Nestorianer zu ei'klären; aber er urteilte,
die Behauptungen seines Gegners führten notwendig zum Nesto-
1) Ale. adv. Felic. I. 1 S. 127. Da Alkuin in Briefen aus dem Sommer
798 erwähnt, dass er das Buch vor kurzem erhalten habe (ep. 148 S. 241
und 160 .S. 2.'>9), so ist es schwerlich vor 797 vollendet. Feli.x citierte
in seiner Schrift eine Stelle ans Ale. op. 2:^ (S. CA); s. adv. Felic. II, 5
S. 150).
2) Ale adv. Felic. I, 1 S. 128: In cuius (libelli Felicis) principio de
confessione verae fidei quaedam ex sanctorum patrum catholicis sensibus ab
eodeni bene prolatA Icgebam; Paul. c. Fei. I, 9 S. 3G1 giebt sein (^laubens-
bekenntni.s wieder.
3) Ale. adv. Felic. I, 1 S. 127 f. und ep. 202 S. 33-5.
4) Ep. 148 S. 241; 149 S. 243 f. (Juli 798); 160 S. 2-59.
5) Kp. 202 S. 3.3.5; 171 f. S. 282 und 284.
6) Eine Inhaltiangabe der Schrift adv. Felicom giebt Werner, Ale.
S .-.Ttf.; vgl. Bach, DG. I S. 128 ff.
1) Adv. Felic. I, 2 S. 129; III, 2 S. 163; IV, 5 S. 177 u. ö.
— 303 —
rianismiis.^) "Bietet Aikuins Schrift insofern wenig Interesse, so
möchte man sie docli deshalb nicht missen, da sie die Verschieden-
heit der rehgiösen Ansichten deiithch zeigt. Für Fehx hing die
WirkHchkeit der ErUisung davon ab, dass der Erlöser in jedem
Moment als der Repräsenteut der Seinen handelte. Deshalb be-
durfte er des Gedankens des zweiten Adam. Für den Germanen
Alkuiu hatte dieser Gedanke nichts Packendes; er mag ihn wieder-
holt haben,'-) aber er hat ihn nicht benützt. Er bedurfte keiner
Vermittelung der Erlösung. Denn war nicht Christus der reiche
Gott vom Himmel, der den Seinen alles Heil schenken konnte?^)
Alkuin bemerkte nicht, dass er von da aus zu Sätzen kam, welche
sich vor dem Dogma der alten Kirche kaum besser rechtfertigen
hessen als che seiner Gegner.*) Er bemerkte noch weniger, dass
für seine Ansicht die Lehre, welche er so nachdrücklich vertrat,
ganz in der Luft schwebte.
Sodann liess sich Rom vernehmen. Die Zusendung von Felix'
Schrift gab Leo HI. Anlass, noch einmal die adoptianische Lehre
zu verdammen. Es geschah auf einer römischen Synode am
23. Oktober 798 in der Peterskirche. '^j Er genügte damit einer
Aufforderung des Königs.*')
1) I, 11 S. 136; IV, 11 S. 186. Schärfer adv. haer. Felic. 2 S. 88; de
fide trin. III, 9 S. 43.
2) Ich habe mir keine Stelle notiert, an der dies der Fall wäre, gebe'
aber natürlich zu, dass Alkuin den pauliuischen Gedanken wiederholt haben
kann. Die Stelle im Kommentar zur Apokalypse (II, 3 S. 1112) ist wahr-
scheinlich aus Ambrosius Autbert oder einer anderen Quelle Alkuins ent-
nommen.
8) Am bezeichnendsten ist der Schluss der Schrift gegen Elipandus
(IV, 15 S. 298); doch herrscht natürlich in der Schrift gegen Felix die
gleiche Grundanschauung ; vgl. I, 15 ff. S. 139 ff.; II, 1 ff. S. 146 ff.; c. 11
S. 154 f.; III, 14 S. 170; IV, 4 f. S. 176.
4) Z. B. III, 17 S. 172: Non Deus conversus in hominem, sed homo
glorificatus in Deum. Auch der von Loofs hervorgehobene Satz aus II, 12
S. 156: In assumptione carnis a Deo persona perit hominis, non natura,
scheint mir mit dem Masse der cjTillisch-chalcedonensischen Orthodoxie
gemessen nicht einwandfrei. Höchst seltsam ist dabei, dass Alkuin hier
sofort in die alten, dem Adoptianismus zu Grunde liegenden Formeln zurück-
fällt und sagt: Ille homo in Deum assumptus habet etc.
5) Mansi XIH, 1031. Das Datum hat Sägmüller, ThQS. 1894 S. 296 ff.
aus einem Fragment des Synodalprotokolls konstatiert. Karl hatte im
Sommer dieses Jahres die Schrift des Felix nach Rom gesandt (Ale. ep. 149
S. 243).
6) So Felix in seinem Briefe an die Urgellitaner (Ale. ep. 199 S. 329:
Praecipiente Carolo).
— 304 —
Endlich sollte die Synode zu A:uhen im Juni 800 den Streit
zur Lösunc; bringen.') Kail kannte Felix gut genug, um von münd-
liehen Verhandlungen mehr Frucht zu erwarten als von scluü'tlichen,
und er verstand die Kunst, seinen Gegner dadurch zu gewinnen,
dass er ihm einen Schritt entgegen tat. Als er Felix durch Leid-
rad nach Aachen fordern liess, erteilte er ihm die Zusage, dass es
iinn unverwehrt sein sollte, seiuQ Meinung vor den Bischöfen zu
verteidigen. Daraufhin schwur Kelix dem Boten des Königs, er
werde kommen.-) Er hielt seinen Eid und Karl sein Versprechen.
Mehrere Tage lang disputierte Felix mit Alkuin.") Dass dieser
der AVoi-tführer der fränkischen Kirche sein würde, stand von An-
fang an fest: voll guten Vertrauens zu seiner Sache, aber doch
nicht ohne einiges Bangen'') hatte er der Unterredung entgegen
gesehen. Er hatte gewünscht, dass wenigstens Paulin und Arn
ihm zur Seite stünden.'*) Sie fehlten jedoch beide:") er nmsste
allein das verfechten, was ihm als Wahrlu^t heilig war.
Dass Alkuin die Unterredung führte, wirkte unmittelbar auf
ihren Gang. Denn nach der ganzen Weise, wie er den Adop-
tianismus von Anfang an beui-teilt und bekämpft hatte, musste er
die Fiage in den ]\Iittelpunkt stellen, ob die adoptianischen Ft)nneln
den kirchlichen Autoritäten gegenüber zulässig seien. ])adurch
war Felix die Verteidigung seiner Ansicht ungemein erschwert.
Das Ende war (lenii auch, dass er, nachdem die Unterredung
mehrere Tage gedauert hatte, sich für überzeugt erklärte. Er
beugte sich den Autoritäten, die man ihm entgegenstellte: Cyiill
1) Alkuin giebt adv. Elip. I, \C< S. 252 als Jahr dieser Synode das
32. .Tahr Karls an; darnach fällt die Synode in den .Juni SOO. Ale. ep. 207
S. 344 vom 26. .Iiini berichtet von der ab<;ehaltenen Disputation. Das Jahr
799, das in der ersten Auflage angenommen wurde, beruhte auf irriger
Auslegung der Worte priore anno, ep. 207 S. 34.5 (s. o. S. 300, 2). Die Be-
ziehung von ep. 207 8. 344 auf die angebliche Ermordung Leos III. (Gian-
noni S. 89 f.) scheint mir schon deshalb unmöglich, weil l'aulinus auf eine
Papstwahl ebenso wenig ^^inHuss hatte, als er Macht besass, in Rom be-
gangene Verbrechen zu bestrafen.
2) Ale. ep. 193 S. 320 n. 199 S. 329. Die letztere Stelle crgiebt, dass
Felix nach Urgel zurückgekehrt war. Auf die pathetischen Worte, in
welchen Elipandus die Lage seines Freundes schildert (ep. 182 S. 301),
mochte ich kein riewicht legen.
3) Ale. ep. 207 S. 344; adv. Elip. 1, Ifi S. 2.V2; V. Ale. 10 S. 190.
4) Ep. 193 S. 320 bittet er: Ideo diligentius orate pro nobis.
5) Ep. 194 S. 322.
6) GröBsler bezieht Paulin. adv. Felic. I, 5 S. 355 mit Unrecht auf
die Aachener Versammlung und behauptet daraufhin die Anwesenheit
Paulins; das zeigt der Anfang des 6. Kapitels.
_ 305 —
von Alexandrien, Gregor und Leo nannte er selbst als die Männer,
deren Aussprüche ihn überführt hätten.^) Durch ein vor der Synode
abgelegtes Glaubensbekenntnis bezeugte er seine Übereinstimmung
mit dem Glauben der katholischen Kirche.-) Liest man hier eine
Stelle Cj-rills, in welcher der Nachdruck darauf gelegt wird, dass
Christus als Mensch leiden und sterben musste, um als Gott unser
Heil zu wirken, so darf man wohl vermuten, dass solche Ausspriiche
ihm die Unterwerfung sittlich möghch machten:'^) es konnte ihm
scheinen, als habe er nur auf etliche Formeln zu verzichten, ohne
dass er seiner Anschauung entsagen müsse. Auf Grund seines
Bekenntnisses wurde Fehx vom Banne gelöst.*)
Der ganze Verlauf war recht nach dem Sinne Alkuins; voll
Befriedigung berichtete er an Am, Felix habe lange den Aus-
sprüchen der Väter widersprochen und eigensinnig an seiner Meinung
festgehalten; endhcli habe er doch seinen IiTtum eingesehen.")
Zwischen beiden Gegnern bildete sich ein beinahe freundschaft-
hches Verhältnis.*')
Aber bekehrt war Felix nicht: man ändert die Überzeugung
eines Menschenlebens nicht in ein paar Tagen. Als er sich in der
Stille fand, tauchten die alten Gedanken wieder auf; sie hatten
dieselbe Gewalt über sein Gemüt wie ii'üher; nur wagte er nicht
mein-, sie ofiFeu zu vertreten. Aber den schweigenden Blättern ver-
traute er sie an: nach seinem Tode wurden diese beredten Zeugen
seines gebrocheneu Mutes und seines ungebrochenen Glaubens auf-
gefimden. ")
Doch füi- die Welt wai- er bekehrt, seitdem er sich in einem
der Klöster Lyons befand.*) Der Sieg über den Führer sollte
vollendet werden durch die Bekehrung seiner Gesinnungsgenossen.
Damit wurden die Bischöfe Leidi-ad von Lyon und Mfrid von Nar-
V
1) Ale. ep. 199 S. 329.
2) Jaffe und Dümmler haben das Bekenntnis des Felix nicht abge-
druckt; man findet es bei Mansi XIII S. 1035.
3) L. c. S. 1038. Nach V. Ale. 10 S. 190 wurde er durch eine —
nicht nachweisbare — Stelle Cyrills überwunden: Ea natura quae per dia-
bolum vitiata est, super angelos exaltata est propter triumphum Christi
atque ad dexteram Patris collocata. Dass sie sich leicht in die Felicianisehe
Theorie einfügen Hess, ist klar.
4) Ale. adv. Elip. 1, 16 S. 252.
5) Ep. 207 S. 344.
6) Ep. 208 S. 346.
7) Agob. adv. Felie. 1 S. 34 und 6 S. 38.
8) Ale. ep. 207 S. 345.
Hauck, Kircliengeschichte. 11. 2. Aufl. 20
— 306 —
bonue, sowie der Abt ßeuedikt von Aniaiic betraut.') Alkuiii war
eiüig, sie mit btterarischen Hilfsniittehi zu versebeu.-) So weit
die Autorität Karls reicbte, hatten seine Beauftragten Erfolge; aber
sie fehlteif ibnen jenseits der Grenzen.^)
Begreiflich, dass trotz der Unterwerfung des Felix die litte-
rarische Fehde nicht verstummte. Alkuin hatte im Sommer 799
in der entgegenkommendsten Weise an Elijiandus geschrieben.^)
Er hatte damit nur den Zorn des Greises wachgerufen; seine Ant-
wort, war eben so schroff als der Brief Alkuins gelassen.'') Dass
Elipandus sein Schreiben in die OÜ'entlichkeit kommen Hess, noch
ehe es Alkuin erhalten hatte.") nötigte diesen, den Streit, den er
beendet geglaubt hatte, mit Elii)andus fortzuführen. Auch er schrieb
nun gereizter und heftiger als im Anfang.') Vn\ dieselbe Zeit, in
der seine vier Bücher gegen Elipandus ei'schienen, veröft'entlichte
Paulin von A(|uileja, nachdem er schon im Jahre 796 auf einer
Provinzialsynode seines Sprengeis die Verwerfung des Adoptiauismus
wiederholt hatte,**) eine Streitschrift gegen Fehx.") Er war von
1) Ale. ep. 200 S. 331; 207 S. 345; vgl. 206 S. 342; V. Bened. 8
S. 204.
2) Ale. ep. 207 S. 345: Quos nostra parvitas, quantum potuit, scviptis
ecclesiasticis adiuvabat; maxime co libello, quem nuper edidiiuus contra
libellum illius Folicis, quam priore anno nobis direxit. Es fragt sieh, an
welche Schrift hier gedacht ist, ob an das Hüchlein adv. haeres. Fei. oder
an die 7 Bücher adv. Felic. Jaffe und Dümmler denken an das erstere auf
Grund der Annahme, es sei 799 entstanden. Ich habe die Stelle in der
ersten Auflage auf die letzteren bezogen. Die Annahme .Taffös ist, wie oben
bemerkt, unrichtig; aber in der Sache haben er und Dümmler recht. Die
7 Bücher waren zwar geschrieben, aber noch nicht publiziert, und sind hier
nicht gemeint. Das zeigt der Vergleich mit ep. 205 S. 340.
3) Ale. ep. 208 S. 346.
4) Ep. 166 S. 268 ff.
5) Die Antwort gehört in den Oktober 799; Ale. ep. 182 S. 300 ff.;
Migne 96 S. 870 f.
6) Ale. ep. 200 S. .331.
7) Adv. Klip. libr. IV (Migne 101 S. 243 ff.). Sie sind nach dem Tage
von Aachen geschriebon 1, 16 S. 252. Inhalt.sangabe bei Werner, Ale. S. 64.
8) Mansi XIII, 829 ff., besonders 842 und 844. Über das .lahr s. Hefele,
CG. III S. 718.
9) Migne 99 S. 343 ff. Die Zuschrift an Karl an. h M.G. Ep. IV S. 523.
Die Schrift ist nach der Regensburger Synode verfasst (I, 5 S. 355), und
zwar, wie die von Jaffe hervorgehobene Beziehung auf das Schaltjahr in
der Zu.schrift an Karl ergiebt, im .Tahr 800; Alkuin lernte sie noch im
Sommer 800 kennen (ep. 208 S. 346). Eine Inhaltsangabe giebt Bach,
DG. I S. 121; auch Giannoni S. 72 ff.
— 307 —
m
Karl dazu aufgefordert worden. Alkuiu begrüsste sein Werk mit
neidloser Bewunderung. Im Sommer 800 schreibt er an Arn von
Salzburg: Wenn Du den Patriarchen Paulinus siehst, so grüsse ihn
von mir viel tausendmal. Sein Buch voll katholischen Glaubens,
das er an den König sandte, habe ich durchgesehen, und es gefällt
mir überaus ob seiner Beredsamkeit, der Zierlichkeit der Sprache,
des Verständnisses im Glauben, und des Gewichts der Belege. Er
meinte, jetzt sei gegen die Felicianer nichts mehr zu thun.^)
Der Unterschied zwischen seinen eigenen Schriften und der
seines Freundes ist gross genug; so schmucklos, rein sachlich jene
gehalten sind,-) ebenso prunkend und rhetorisch ist diese. Doch
mehr noch fällt eine gewisse Verschiedenheit des Inhalts auf. So
sehr beide Autoren in der Verwerfung der adoptiaiiischen Lehre
und dem Bekenntnis zum kirchlichen Dogma übereinstimmten, der
Romane Paulinus stand Felix bedeutend näher als Alkuin:^) auf
ihn war jene volkstümliche deutsche Anschauung, an welcher Alkuin
sich genügen liess, ohne Einfluss.
Etwas später sammelte Benedikt von Aniane aus der Heiligen
Schrift Zeugnisse gegen die Adoptianer.*) Schliesshch trat auch
Leidrads Nachfolger Agobard mit einer Schrift gegen sie hervor.'^)
Neue Gesichtspunkte findet man in diesen Büchern nicht; der
Kampf wurde nach wie vor in derselben Weise gefülu-t. Zweifellos
erschien der Adoptianismus als der schwächere Teil; aber erst nach
vielen Jahrzehnten ist er aus Spanien ganz verschwunden.**)
Klarer als in den adoptianischen Irrungen tritt bei Karls Ein-
greifen in den Bilderstreit '^) an den Tag, dass der König bei seinen
Massregeln ein politisches Interesse hatte. Doch wäre die Annahme
1) Ep. 208 S. 346.
2) Alkuin bemerkte die Mängel seiner eigenen Schrift (s. adv. Felic. II,
1 S. 14.5; ep. 202 S. 335 f.), die der fremden jedoch nicht.
3) Das Menschliche geht ihm nicht ähnlich in dem Göttlichen unter
wie Alkuin (vgl. I, 17 S. 369; 51 S. 407 u. ö.). Der Grundgedanke des
Felix war ihm ebenfalls fremd (I, 43 S. 396).
4) Testimoniorum nubecula (Migne 103 S. 1381 ff.) und Disputatio adv.
Felician. impietatem (S. 1399 ff.).
5) Lib. adv. dogma Felic. (Agob. opp. ed. Baluzius I S. 1 ff.) Das
Buch ist Ludwig d. Fr. gewidmet.
6) Graf v. Baudissin, Eulogius und Alvar S. 65 ff.
7) Über den Bilderstreit vgl. besonders v. Ranke, WG. V, 2 S. 78 ff.;
Leist, Die literarische Bewegung des Bilderstreits (Magdeburg 1870); Schwarz-
lose, Der Bilderstreit (Gotha 1890) ; Kattenbusch, Konfessionskunde I (Frei-
burg 1892) S. 467; Bonwetsch, P. RE. IIP S. 221 ff.
20*
— 308 —
inng. dass es allein Avirksam war. Vielmehr handelte es sich den
Griechen ^vit■ den Spaniern gegenüber vornehndich um die Stellung,
welche Karl in den kirchlichen Angelegenheiten für sich und für
die fränkische Kirche i)rätendierte. Er wollte als der Leiter der
Kirche anerkannt sein. Im adoptianischen Streite trat er mit
diesem Anspruch einer unbedeutenden IVovinzialkirche gegenüber;
kühni-r war das Unternehmen, ihn auch im Gegensatze zu den
Orientalen zur Aüerkcnnung zu bringen. Denn in diesem Fall
war Koni der natürliche Bundesgenosse der Griechen. Die nie
ausgesprochene und doch unleugbare Antagonie zwischen den kirch-
lichen Ansprüchen Karls und den Rechten des Papstes wurde hier
wirksam.
Es war lange her, dass man in der orientalischen Kirche über
das Recht der Anfertigung und Verehrung von Bildern stritt.
Rohtische und religiöse IMeinungen und Absichten kamen in Frage;
staatliche und kirchliche Männer und Parteien wirkten zusannnen,
die Angelegenheit hotfnunglos zu verwirren. Dem AViilen des
Kaisers Konstantin V. gemäss verwarf eine Reichssyuode in Kon-
stantinopel 754 den Bilderdienst als Abgötterei.') Aber das war
keine Entscheidung, die den Streit beendete.
Von Anfang an hatten die römischen Bischöfe das (Gewicht
ihres Ansehens für die Bilder in die Wagschale geworfen.-) Der
Zwiespalt, in welchen sie dadurch mit dem Hofe in Konstantinopel
gerieten, trag nicht wenig dazu bei, der römischen Politik die Kich-
tung auf das Abendland zu geben. Denn hier fanden die Päpste
in dem Streite für die Bilder bereitwillige Sym})athie und oftene
Unterstützung. Schon Gregor II. hat dies gewusst und benutzt.'^)
Je enger die Verbindung zwischen Rom und dem fräid<ischen
Reiche wurde, um so unvermeidlicher war, dass das letztere zu den
orientalischen Verhältnissen Stellung nahm.') Die Päpste wollten
1) Mansi XIII S. 205 ff.
2) V. Greg. II. 17 S. 404. Brief Gregors an Leo den Isaurier J.W. 2180
und 2182, die Bedenken Schwarzloses gegen die Echtheit dieser Briefe
S. 11.3 ff. scheinen mir nicht durchschlagend; an den J'atriarchen Germanus
2181 ; an den Patrianhon Anastasius 21H3. Synode zu Kom untor Gregor III.,
im Jahro IM, V. (irog. III 3 S. 416. Verlorene Briefe von ihm erwähnt
1. c. 2 S. 415, von Zacharias erwähnt in dem Briefe lladrians an Konstantin
und Irene Mansi XII S. 1061.
3) Vgl. den Brief 2180 und Bd. I S. 466.
4) Stephan II. scheint der erste gewesen zu nein, der die p'ranken
auch in diese Sache hineinzog. Cod. Carol. ep. 11 S. 506: Ohnixe postu-
lamus . . ut . . ita disponere iubeas de parte Graecorum, ut fides sancta
catholica et apostolica per te Integra et inconcussa permaneat in etemum,
— 309 —
auch liier ihre sichere Stütze nicht entbehren. Man sieht es aus
dem Briefwechsel Pauls I. mit Pippin: bald rühmte er den König
als den erfolgreichen Verteidiger des rechten Glaubens;^) bald drang
er in ihn, dass er der Kirche seinen Schutz gegen die häretischen
Griechen gewähre, welche eifrig daran arbeiteten, den katholischen
Glauben zu zertreten und die von den Vätern überkommene Tra-
dition zu vernichten.-) Man sollte nun meinen, dass wenigstens in
dieser Sache dem Papste die Führung gebheben wäre. Aber
Pippin war nicht der Mann, sich einfach benützen zu lassen. Es
machte sich wie von selbst, dass er alsbald an dem ersten Platze
stand, während Paul sich in die zweite Linie gedrängt sah. Pippin
forderte Xachrichten und Aufschlüsse von ihm ; ^) Paul legte ihm
Aktenstücke, die nach Rom kamen, vor;*) galt es Unterhandlungen,
so wurden die päpstlichen Boten durch fränkische Gesandte be-
gleitet.-^)
Dies Hervortreten einer dritten Macht nahm man nirgends
besser w^ahr als in Konstantinopel. Wie die dortigen Politiker das
Verhältnis des Königs und Papstes beurteilten, zeigt sich darin,
dass Konstantin V. im Jahre 765 mit Umgehung des letzteren eine
Gesandtschaft an den ersteren schickte. Piijpin setzte seine Pflicht
als Bundesgenosse nicht aus den Augen: er lehnte ein einseitiges
Vorgehen ab und empfing die Boten des griechischen Kaisers in
Gegenwart der päpstlichen Legaten; das von ihnen überbrachte
Schreiben und seine Antwort teilte er dem Papste mit.^) Das war
jedoch nicht mehr als eine rücksichtsvolle Form. Denn thatsäclilich
handelte Pippin allein. Nicht um die Zustimmung des Papstes zu
erlangen, hat er sein Schreiben nach Rom gesandt, sondern damit
Stephan wdsse, was er geschrieben. Es war ganz in demselben
Geiste gedacht, wenn Pippin die Anw'esenheit der griechischen
Gesandten benützte, um durch eine fränkische Synode in seiner
Gegenwart eine dogmatische Entscheidung der zwischen Orient und
Occident strittigen Frage herbeizuführen. Seine Absicht eröffnete
er dem Papst, aber um dessen Zustimmung hat er dabei nicht
et s. Dei ecclesia sicut ab aliis et ab eorum pestifera malitia liberetur.
Der Brief gehört in das Frühjahr 757. Vgl. zu dem Briefwechsel Kehr,
Nachr. d. G. d. W. zu Göttingen 1896 S. 109 ff.
1) Cod. Carol. ep. 19 S. 519 (April 760).
2) L. c. 32 S. 539 (c. a. 760).
3) L. c. 28 S. 533 (a. 763—764).
4) L. c. 40 S. 553 (a. 761—767).
5) L. c. 28 S. 533; 29 S. 534 (a. 764); 37 S. 549 (a. 765).
6) L. c. 37 S. 549; 36 S. 544 f. (a. 766). Über die chronologische
Folge der beiden Briefe s. Kehr S. 126.
— 310 —
geboten.') Die Synode, an der auch die fränkischen Grossen Anteil
nahmen, trat 7A1 Gentilli im Beginn des Jalires 7(57 znsanniien:'^)
es war das erste Mal. dass die fränkisclie Kirche selhststänchg in
eine allgejnein kirchhche Angek'genheit eingriff. Der nächste Gegen-
stand, um den es sich liandelte, war oime Zweifel die Bilderver-
ehrung: das war die Frage des Moments. Zog man auch die
Trinitätslehre, also die Frage nach dem Ausgang des Heiligen
Geistes herbei, so war sie w^ohl durch die römischen Gesandten
angeregt. Sie warfen einen zweiten, wichtigeren Streitpunkt auf,
um eine Vei-ständigung zwischen den Griechen und den Franken
unmöglich zu macheu. Zu einer solchen kam es denn auch nicht.
Sie war an und für sich unmöglich. Denn die Beschlüsse von
754 konnten im fränkischen Keich ebensowenig Billigung finden
als in Rom; sie widersprachen allem, was hier und dort üblich war.
Paul I. hatte wenig dazu beigetragen, die Entscheidung Pippins
herbeizuführen; nachdem sie erfolgt war, unterliess er nidit. das
Geschehene dui'ch seine pathetischen Lobsprüche zu verherrlichen."')
In den nächsten Jahren blieben die Verhältnisse unverändert:
auf der Lateransynode des Jahres 769 stimmten wieder Koni und
die Vertreter der fränkischen Kirche in der Verteidigung der Bilder-
verehrung gegen die Griechen überein."*)
Dagegen brachte der Tod des Kaisers Leo IV. ^) einen Um-
schwung hervor. Seine Gemahlin Irene war, wie es scheint, stets
1) Ep. 37 S. 549: Pippin hat an den Papst geschrieben, eos (die Ge-
sandton) apud vos (Pippin) esse detentos, interim quod aggregatis vestris
sacerdotibus atque obtimatibue, conicere seu perpetrare valoati.s, quid de
bis, quae vobis directa sunt (Schreiben des Kaisers) respondendum sit.
2) Ann. Lauriss., Einh. z. J. 767. Über die Zeit s. Oelsner, JB. S. 403 f.,
und B.M. 101 f. Hofele (CG. III S. 432) giebt irrig Ostern als Zeit der
Synode an. Gentilli bei Paris; die Ann. Mett. z. d. a. .T. verlegen die Synode
nach Salmuntiacum, Samoussi bei f/ion. wo Pippin das Woilinaflitsfest 766
feierte (Ann. Lauriss. /.. d. J.).
3) Langen (Gesch. d. röni. K. S. 654) bezweifelt, dass die Synode die
Bilderverehrung sanktionierte -. doch schliessen, wie mich dünkt, die Lob-
sprüche Pauls einen solchen Zweifel aus; er schreibt Cod. Carol. ep. 42
S. 554, indem er Pippin mit Moses vergleicht: Per te rodcmptor noster . .
ecciesiae auae . . pacem tribuit et eins fidei orthodoxae perfectam contulit
defensionem. Et sicut Moyses . . culturam demonum exterminavit, ita et
tu . . hereticorum schisma et auctores impii dogniatis respuisti. Hier ist,
wie mif-h dünkt, der Beschluss von Gentilli vorausgesetzt. Ich Jiiöchte also
den Brief bestimmt dem Jahr 767 zuweisen.
4) Mansi XII, 720; XIII, 764. V. Steph. III, 23 S. 476.
5) 8. September 780. Er regierte seit dem Tode Konstantins V.,
14. Sept. 775.
— 311 —
den Bildern geneigt gewesen. Sie war eine Athenerin oder hatte
wenigstens ihre Aiisbikiung in Athen erhalten. Regte sich in ihr der
ästhetische Sinn der Griechen gegen die fanatische Bildeifeindschaft,
die seit zwei Menschenaltern im ^Orient eine gewaltthätige Herr-
schaft behauptet hatte? Auch abgesehen von ihrer persönhchen
Geshmung nötigte sie ihre politische Stellung, andere Wege zu
gehen als ihr Gemahl und ihr Schwiegervater. Sie war Regentin
fih' ihren Sohn Konstantin YI. Aber die Herrschaft einer Frau
stand nicht so fest wie die eines Kaisers: sie musste versuchen,
im Innern die mächtige Opposition der Bildei-ireunde zu beruhigen,
im Äussern gegen die Bekenner des Islam einen Stützpunkt im
christHchen Abendlande zu gewinnen: nur dann konnte sie hotfen,
dass die Macht, an der ihr Ehrgeiz hing, von Dauer sein werde. ^)
Was sie thun wollte, war zugleich das, was sie thun musste: nach
mehr als fünfzigjähriger Verfolgung wurde der Bilderdienst im
Morgenlande wieder anerkannt.
Der Beschluss eines allgemeinen Konzils sollte die Entschei-
dung der Kaiserin sanktionieren und die Lehre der Synode vom
Jahre 754 zurücknehmen.-) Wie hätte Irene unterlassen sollen,
den Papst zur Teilnahme aufzufordern ? Sie konnte auf das bereit-
■willigste Entgegenkommen rechnen; waren doch ihre Massregeln
die Ausfühiamg der seit Gregor II. so oft ^\•iederholten römischen
Forderungen. In ihres Sohnes und ihrem eigenen Xamen lud sie
im Jahr 785 Papst Hadrian ein, selbst oder durch einen Vertreter
einer neuen allgemeinen Synode beizuwohnen, in welcher die von
den Vätern überheferte Lehre bestätigt werden sollte. =^) Mit un-
verhohlener Freude nahm Hadrian diese Zuschrift in Empfang:*)
er erinnerte sich noch einmal daran, dass der Kaiser der Landes-
herr von Rom sei, und sprach von dem li'ommen Befehle des
Kaisers, der an ihn ergangen sei; ^) im Gehorsam gegen denselben
erklärte er sich bereit, einige Legaten zu dem Konzil abzuordnen.
Aber sein Gehorsam ging doch nicht zu weit: che Annäherung der
Griechen war ihm besonders deshalb von Wert, weil er hoffen
konnte, sie ftir seine Zwecke auszunützen, für die grossen wie für
die kleinen : der Primat des Petrus steht in seinem Schreiben chrekt
neben den in Unteritahen eingezogenen Landgütern. Die Weise,
1) Vgl. V. Ranke, WG. V, 2 S. 88.
2) Die Akten dei- zweiten nicänischen Synode bei Mansi XII und XIII;
eine eingehende Darstellung des Verlaufs bei Hefele, CG. III S. 441 if.; vgl.
auch Langen. Gesch. d. röm. K. S. 748 tf.
3) Mansi XII, 984 ff.
4) Seine Antwort von 26. Oktober 785 Mansi XII, 1056 ff.
5) Kv Tlü süasjjsi ÜjJLWV /.EAcÜ'Jct.
— 312 —
wie vr von K;irl nml dcsson Gehoi-sain gegen den römischen Stuhl
sprach.') sollte die Griechen davon üherzeugen, dass seine Lage
dank der l'nterstützung Karls eine ungemein günstige sei: sie
sollten dadurch gefügig werden.
Doch" in der Bilderfrage war das Einverständnis aufrichtig;
die zweite nicänische Synode fand unter Teilnahme der Gesandten
Hadrians statt:') sie bestimmte, es sei die Pthcht der Gläubigen,
die Bilder zu verehren, war aber zugleich bemüht, zwischen Ver-
ehrung und Anl)etung eine klare Grenzlinie zu ziehen.'^)
Irene hatte unterlassen, die fränkische Eürche zur Teilnahme
an jener Synode aufzufordern. Di<' politische Macht des Frankeu-
reichs verkannte sie nicht: sie daclite dui'ch die Vermählung ihres
Sohnes mit einer fränkischen Prinzessin ilu-e Stellung zu verstärken.'*)
Aber in der fränkischen Kirche sah sie nur einen Bestandteil des
römischen Patriai'chats. Ihr Urteil war nicht so klar als das Kon-
stantins V. Hadrian war das willkommen; wenn er über Karl
nach Konstantinopel berichtete, dass er, gehorsam den Ermahnungen,
die er ihm erteilt, die Völker des Abendlands unterworfen,'^) so
musste dadurch der Gedanke ausgeschlossen werden, dass Karl
kirchliche Rechte auch über den Papst in Anspruch nehme. In
seinen Bnefen an den König berührte er die Sache nicht mit
einem AVorte.") Man möchte sich darüber wundern. Denn das
1) L. c. S. 1075 f.
2) 24. September bis 13. Oktober 787 in Nicäa, die 8. Sitzung am
23. Oktober in Konstantinopel.
3) Bescbluss der 7. Sitzung vom 13. Oktober (Mansi XIll, ^lS):'ih-X'j<x^^ . .
tcool; -jxcüiai /.OL'. j-jD-^at, T0701; T£ xa\ Taviatv, o\/.'a; xoi oSoi; . . "()(i(.) yap luvs-
■/fÖ; Ol' c'/.ov'./.T^; avaTu-dJicf); öpo'vTai, to-joütov y.ai 0'. tau-a; !h«»[JL£vot StavirravTat
npo? TTjV T«ov -o».)-orjr«i>v jj.vi^[j.r,v ts x.ai £-i-ÖI)tjT'.v /.a- Taütai; äTTraijjLOV xa\ Tt|ir,ti/,rjV
npoT/.üw(itv anoViWiv, Ol» \xr^'j Tr,v zari -'ITiv t,;jhÖv äXr,!)'.VT;v Xatpsiav, r zp;'n£i
4) WerbunfT um die Iliiml Kutruds für Konstantin VI. im Jahre 781
(Abel, JB. S. 384 f.).
5) Mansi XII, 107.5.
6) Die römischen Gesandten reisten im Sommer 786 nach Konstanti-
nopel, am 17. August waren sie dort schon anwosond (Hofcle, CG. III
S. 4.')f)); sie reisten also vor Karls Romfuhrt, Winter 786—787. Müudlicho
Besprechungen des Papstes mit dem Könige sind demnach ausgeschlossen.
Nun weiss man aus Gest. abb. Font. 16 S. 46, dass nach Rotruds Verlobung
und vor Auflösung derselben fränkische Gesandte in Konstantinopel waren.
Die Zoitangaben der Gest. sind wid<Ms)irei'h<'nd: die .Annahme, dass sie
während der Synode in Konstantinopel anwesend gewesen seien, scheint
mir ausgeschlossen: Karl hätte in den Libr. Carol. diese Thatsache schwer
— 313 —
Unternehmen einer ökumenischen Synode war doch so bedeutend,
dass der Schutzvogt der römischen Kirche erwarten konnte, etwas
darüber zu hören. ^) Um so gewisser ist, dass Hadrians Schweigen
nicht zufällig, sondern absichtlich war: er wollte die Einmischung
Karls in die Verhältnisse zum Orient vermeiden.
Die Folge war, dass eine Synode, die sich den Namen einer
allgemeinen gab, ohne jede Beteihgung der mächtigsten und wich-
tigsten Kirche der christlichen Welt tagte. Schwerhch war das
von dem geringsten Einfluss auf die Beschlüsse, welche gefasst
wurden. Aber wie völlig widersprach es der Stellung, welche Karl
und die fränkische Kirche einnahmen! Konnte er sich darein fügen?
Er hatte noch einen zweiten Grund, sich gegen die griechische
Synode zu erklären. Das politische Verhältnis zu den Griechen
hatte sich seit der Verlobung seiner Tochter mit dem Kaiser wieder
getrübt. Die Zustände sind undurchsichtig. Doch ist so viel ge-
wiss, dass Karl irgendwie Grund zu haben glaubte, sich über die
Griechen zu beklagen: denn er brach mit ihnen. Als sich im
Winter 786 auf 787 griechische Gesandte in Itahen einfanden, um
die Verlobte ihres Kaisers abzuholen, löste er die Verlobung auf:
sie kehrten unverrichteter Sache zurück. Alsbald begann der offene
Streit zA\dschen den beiden Reichen.-)
umgehen können. Sollten sie Zeugen des vergeblichen Konzilsversuchs im
August 786 gewesen sein? Auch hier -würde man nicht verstehen, warum
dieses Ereignis, das sich doch leicht gegen die nicänische Synode verwerten
Hess, in Karls Streitschrift unerwähnt blieb. Ich nehme deshalb an, dass
sie vor dem 17. August 786 wieder abreisten; ihre Fahrt nach Konstanti-
nopel fällt dann in das Frühjahr 785; die Nachrichten, welche sie zurück-
brachten, werden für den Verlauf der Besprechung in Capua massgebend
gewesen sein. Doch wie dem auch sei, dass fränkische Gesandte in der
Zeit, als man das Konzil vorbereitete, in Konstantinopel waren, und dass
gleichwohl Karl in die Verhandlungen über das Konzil nicht hereingezogen
wurde, zeigte ihm, dass man seine Beteiligung an demselben nicht wollte.
1) Später stellte Hadrian die Sache so dar, als sei die Synode eigent-
lich sein Werk (M.G. Ep. V S. 56: Statira nostras apostolicas amplectentes
syllabas, concilium fieri iusserunt).
2) Einh. ann. z. J. 786 S. 75 und z. J. 788 S. 83. Die letztere Stelle
lehrt, dass der Bruch von Karl hervorgerufen wurde, indem er dem Kaiser
seine Tochter versagte. Darin stimme ich Abel (JB. S. 569) und Harnack
(Das karol. und byz. Reich in ihren Bezieh. S. 18 f.) zu. Wie Harnack
die Auflösung erklärt, erscheint mir dagegen wenig wahrscheinlich. Da
die Annäherung zweifellos von griechischer Seite ausgegangen war, so
konnte man doch nicht Bedingungen stellen, am wenigsten durch die Boten,
welche die Braut einholen sollten. Karl muss durch die Nachi'ichten seiner
Gesandten gegen die griechische Politik argwöhnisch geworden sein. Dass
— RU —
K;irls \Vid('rs])nK'li gegen die niciinische 8yiiO(U' ist (IciuiKieli
vei"st;iiullicli. ;iucli wenn man in ihm lediglich einen politischen
Schachzug erblickt. Doch werden Motive anderer Ali mitgewirkt
haben. Der Beschluss von Nicäa bot au sich kaum Anlass zu
einem Angriti": er entfernte sich nicht allzuweit von dem, was man
aucli im fränkischen Keiche bisher gebiUigt liatte: aber die Über-
treibungen der Bilderverehrung, die im Morgeidande heimisch waren,')
konnttm Karl nur unangenehm berühren. Alles Übertriebene und
Ungesunde hatte für diesen klaren Geist etwas Abstossendes. Es
nnisste ilm reizen, seinem A\'iderspnich gegen die Synode dadurch
grösseres Gewicht zu geben, dass er in der Bilderü'age eine von
der griechischen abweichende Meinung vertrat.
Alsbald nach Schluss der Synode erhielt Karl eine lateinische
Übersetzung der Synodalakten.-) Sollte es unmöghch sein, dass
sie ihm von einem Gliede der dui'ch Irene gestürzten Partei der
Bilderfeinde übermittelt wurde? Wenigstens war die Übersetzung
so schlecht,'') dass man kaum annehmen kann, dass sie im Auftrag
des Papstes oder des Hofs in Konstantino])el angefertigt wurde.
Besondei*s ay)er verrät die in ihr liegende A'erschärfung der nicänischen
Beschlüsse^) die Hand eines Gegnei*s, der die Synode ins Unrecht
dabei mit in Betracht kam, dass er bei der Berufung der allgemeinen
Synode ausser Acht gelassen worden war, ist nicht unwahrscheinlich.
1) Vgl. z. B. Libr. Card. III, 16 S. 1146 ff.; IV, 3 S. 11«7 f.; 10 S. 1222.
2) Hefc'le |CG. III S. 694) u. a. nehmen an, dass Hadrian die Cber-
setzung anfertigen Hess und an Karl sandte. So auch Hampe N.A. XXI
S. 86. Diese Angabe stützt sich auf das Zeugnis Hincmars (ctr. Hincm.
Laud. c. 20, Migne 126 S. 360); aber wie unzuverlässig dasselbe ist, braucht
man nicht zu beweisen; lässt doch Hincmar die niciinische Synode, welche
er jedoch nach Konstantinopel verlegt, ohne pa]istlicho .Autorität, die Frank-
furter dagegen auf Befehl des Papstes zur Widerlegung jener abhalten.
Die northurabrischen Annalen berichten zum Jahre 792 (M.G. Scr. XIII
S. 155): Karolus misit sinodalera librum ad Britanniam sibi a Constantino-
poli directum. Diese Angabo ist weit glaubwürdiger. Nur wird man sie
nicht 80 verstehen dürfen, dass Karl die Akten von der Kaiserin erhielt.
Das war bei dem feindlichen Verhältnis beider Höfe ausgeschlossen. Karl
selbst erklärt Libr. Carol. praef. S. 1005: Cuius scripturae textus eloquentia
sensuque carens ad noa usque pervenit Er wollte offenbar seinen Gewährs-
mann nicht nennen. Bei dieser Sachlage scheint mir die im Texte gegebene
Vermutung nahe zu liegen.
3i Mit Karls Lrteil, das freilich nicht gegen die Übersetzung, sondern
gegen das Original gerichtet war, stimmt das des Anastasius Biblioth.
überein iMansi XII, 981).
4) Dass die Verwischung des Unterschieds zwischen Verehrung und
Anbetung schon der Übersetzung zur Last fällt, dünkt mich deshalb wahr-
— 315 —
zu setzen versucht. Karl legte die Akten seinen Gelehrten vor; er
selbst besprach die Angelegenheit mit ihnen: das Eesultat war die
entschiedene Ablehnung der in Nicäa gefassten Beschlüsse.^)
scheinlich, weil auch die Engländer den Beschluss von Nicäa dahin ver-
standen (Ann. Nordhumbr. z. J. 792, M.G. Scr. XIII S. 155).
1) Convent. Paris, a. 825 (Mansi XIV, 422). Die zeitliche Folge der
weiteren Schritte des Königs ist nicht sicher. Ich habe in der ersten Auf-
lage die Abfassung der Libri Carolini der Übersendung der 85 Kapitel
vorangehen lassen. Dagegen vertritt Hampe in der angeführten Abhand-
lung die Ansicht, dass die 85 Kapitel die Grundlage für die Denkschrift
seien ; jene enthielten die während des Lesens von dem und jenem gemachten
Ausstellungen, ohne Ordnung, so wie man sie gesammelt habe, seien sie
dem Papste gesandt worden. Als Hadrian, statt das Anstössige zu bessern,
eine Widerlegung der Kapitel zurückgeschickt, habe Karl eine grossartige
Kundgebung geplant und nun die Ausarbeitung einer Denkschrift angeordnet.
Dass diese Folge an sich denkbar ist, wird niemand bestreiten. Eine
Schwierigkeit springt indes sofort in die Augen: Ausstellungen, die man
sich beim Lesen notiert, folgen der Ordnung der gelesenen Schrift: hier
ist das Gegenteil der Fall. Dazu kommt, und dieser Punkt scheint
mir entscheidend: Wenn durch die Zurückweisung der Kapitel die karo-
linischen Bücher veranlasst sind, so muss man erwarten, dass in ihnen auf
das päpstliche Schriftstück Rücksicht genommen wird. Diese Erwartung
ist um so notwendiger, als der Bezug auf Hadrians Brief an Konstantin und
Irene nicht fehlt; aber sie wird in der königlichen Denkschrift nicht be-
friedigt. Auch Hampe findet nur, dass Libr. Carol. T, 6 durch den Anfang
von Hadrians Brief beeinfiusst sein könne, und urteilt, die Thatsache erkläre
sich hinlänglich aus der Vermeidung jeder offenen Polemik gegen den Papst
in dem ganzen Vorgehen Karls. Ich halte es ebenfalls für unwahrscheinlich,
dass Karl einen litterarischen Streit mit dem Papste wollte; aber eben
deshalb glaube ich nicht, dass er die päpstliche Zuschrift mit einer offenen,
wenn auch nicht adressierten Entgegnung erwidert hat. Dagegen scheint
mir die Annahme viel naheliegender, dass Karl, nachdem er sich von den
Irrtümern der griechischen Synode überzeugt und diese Überzeugung kund
gethan hatte, von dem Papste die Rektifikation der Irrtümer verlangte, und
dass er bei diesem Verlangen beharrte, obgleich Hadrian es zurückwies.
Ich halte deshalb nach wie vor für wahrscheinlich, dass die Libri Carol.
vor den Kapiteln verfasst sind. Hampe wendet ein, dann hätte man die
ganze in den Libri Carol. mühsam hergestellte Ordnung über den Haufen
geworfen, um etwas schlechthin Ungeordnetes an die Stelle zu setzen
(S. 97). Ich glaube nicht, dass wir darüber verschiedener Meinung sind,
dass man an die Ordnung einer Kapitelsammlung des 8. Jahrh.'s nur sehr
geringe Anforderungen stellen darf. Solchen aber scheint mir genügt. An
die Spitze gestellt sind die dogmatischen Irrtümer der Synode c. 1 — 6; es
folgt ein Einwand gegen das formelle Recht derselben c. 7 ; dann die Haupt-
sache, die Ablehnung ihrer Erklärungen über die Bilderverehrung c. 8—10,
die Zurückweisung ihrer Beweise für dieselben, c. 11—39, wie ihrer Polemik
— 316 —
Alle Wi'lt sollte erf:iliren, dass der tVänkisclie König die letzte
allgemeine Synode nicht anerkannte. Deshalb heanttragte ei" seine
Theologen, in seinem Namen eine Streitschrift gegen die Synode
zu verfassen. Man kennt sie unter dem Namen der Karolinisclu'n
Bücher.^) Schwerlich wird je das Dunkel gelichtet werden, das
den Verfasser dieses Werkes verl)irgt. In seiner stolzen, herben
Art erinnert es wenig an den vorsichtigen, selbst gegen die Gegner
billigen Alkuin,-) um so mehr an die jungen Hoftheologen, deren
schneidendes Urteil auch Alkuin scheute.'') Als ihr gemeinsames
"Werk ist es wohl zu betrachten. Sie lieferten einen Beweis der
dialektischen Gewandtheit und theologischen Gelehrsamkeit, über
welche die fränkische Kirche verfügte. Jedoch die Kichtpunkte
wird der König selbst angegeben haben. Denn nicht nur durch
die Aufschiift legitimierten sich die Karolinischen Bücher als sein
AVerk,*) sondern auch durch die überall neben der theologischen
Polemik sich hervordrängende politische Betrachtung der Angelegen-
gegen die Bildorgegner c. 40—43; einzelne Irrtümer in der Schriftanwen-
dung c. 44—49 ; die Berechtigung des Widerspruchs gegen die Synode
c. 50 — 60; Aussprüche derselben, die als läppisch und lächerlich getadelt
werden c. 1 — 18; andere Einwände c. 19 — 24. Schluss: die Stellung der
fränkischen Kirche c. 25. Die Unordnung dünkt mich also nicht so ver-
zweifelt wie Hampe annimmt; die Folge der Kapitel entspricht aber ersicht-
lich dem Zweck, eine Erklärung des Papstes gegen die Synode hervor-
zurufen.
1) Ich zitiere nach dem Abdruck bei Migne 98 S. 999 ü'., bezw. nach
den Exzerpten bei Jaffe, Bibl. VI, 220 flF. Man vgl. Hefele, CG. III, 694 ti.;
Leist, Die litterarische Bewegung des Bilderstreits (Magdeburg 1871); Bon-
wetsch, P. RIO. IIP S. 221 tf. — hier Angaben über die ältoro Litteratur — ;
Reuter, Gesch. d. rel. Auf kl. I S. 11 ff. Die Frage der Echtheit darf, wie
allgemein angenommen wird, als entschieden gelten. Die Abfassung begann
zwischen dem September 789 und dem September 791 (s. Hampe S. 99).
2) Ältere Ansicht, von Mühlbacher (DG. unter den Karolingern S. 194)
als wahrscheinlich festgehalten.
3) S. 0. S. 133 Anm. 6. Dass Angilbert an tler Abfassung beteiligt
war, i.st deshalb nicht unwahrscheinlich, weil Karl seine 85 Kapitel durch
ihn nach Rom sandte (Ale. cp. 33 S. 246 ed. Jaffe). Dass er den römischen
Verhältnissen ähnlich kritisch gegenüberntand wie Karl, zeigt des letzteren
Brief V. 796 (Ale. ep. 92 S. 136), er sollte Leo vorhalten: Quidquid mcnte
teneas nos saepius querelis agitasse inter nos.
4) Jaff«' S. 220: In nomine domini et salvatoris nostri .Jesu Christi
incipit opus inluHtris.siuii et oxcellentissimi seu spectabilis viri Caroli, nutu
Dei regi.s Francorum, Gallia.s Germaniam Italiaraque sive haruni finitimas
provinciaa, doraino opitulante, regcntis contra synodum quae in partibus
Graetiae pro adorandis imaginibus stolide sive arroganter gesta est.
— 317 —
heit. Man bemerkt sie schon in der Überschrift: Karl erklärt,
was in Nicäa geschehen war, für eine Auniassung. Nachdem er
sich eben als durch den Willen Gottes König der Franken und
Herrscher über GaUien, Germanien, Itahen und die benachbarten
Provinzen bezeichnet hatte, war der Vorwurf der Anmassung für
jeden Leser verständlich: sie bestand darin, dass die Griechen in
Nicäa ohne ihn gehandelt hatten. Das hielt ihnen der König noch
eigens vor: die Heihge Schrift und die kirchliche Sitte fordere,
dass die Kirchen der ganzen Welt um ihr Urteil befragt wüi'den,
ehe ein Beschluss gefasst werde: das sei aus Unbedachtsamkeit
oder aus Dreistigkeit unterblieben.^) Man sieht, Karl Avollte in
der Kirche weder ignoriert noch übersehen werden. Das Vorgehen
der Griechen nahm er als Angriff auf seine Stellung auf; denn
ihm sei die Kirche in den Sturmfluten dieser Welt zu leiten an-
vertraut.-) Dann war es sein Recht, gehört zu Averden, seine Pflicht,
sich Gehör zu verschaffen. Um die Orientalen vollends ins Un-
recht zu setzen, legte er in den Beschluss von Nicäa eine Tendenz,
die ihm vollständig fremd war: das Auathema über die Bilderfeinde
sei gegen die fränkische, die abendländische Kirche gerichtet."^)
Wie Feinde brächen die Orientalen über sie herein: es sei seines
Amtes, diesen Angriff" abzuschlagen.'*) Fifr gefährlich hielt er diese
Feinde nicht; er spottet über ilire dürftigen Gründe; er höhnt: Mit
diesen Waffen versuchten sie uns zu schlagen, die wir zufrieden
sind, Gott allein zu verehren und anzubeten; mit diesen Pfeilen
unternahmen sie uns zu durchbohren; mit diesen Lanzen wagten
sie, uns zu bekriegen; mit diesen Schwertern wähnten sie, unsere
Freiheit übermüden zu können.^) Aber schon gegen den Angriff'
bäumt sich das stolze Selbstbewusstsein der fränkischen Kirche auf.
Ihre Eechtgläubigkeit sei über jeden Zweifel erhaben. Zum Be-
1) III, 11 (Migne S. 1131 f.); vgl. praef. libr. I S. 1000, wo schis-
matici vel arrogantes als die Störer des kirchlichen Friedens zusammen-
gestellt sind.
2) Praef. S. 1001 f. Hefele (CG. HI S. 699) erklärt die Worte: nobis,
quibus . . ad regendum commissa est = ihr weltlicher Arm, Steuermann,
Beschützer. Karl hat jedenfalls Steuermann nicht = Beschützer gefasst:
er wollte der Regent der Kirche sein und war es.
3) Vielfach, s. z. B. II, 12 S. 1077: De nobis, qui imaginum adoratio-
nem spernimus. III, 11 S. 1132: Unius partis ecclesia . . totius mundi
ecclesias conatur anathematizare. III, 18 S. 1152.
4) Praef. S. 1005: Scribere compulsi sumus, ut . . inertem vel potius
inermem orientali de parte venientem hostem occidua in parte per nos,
favente Deo, allata sanctorum patrum sententia feriat.
5) IV, 25 S. 1241.
— 318 —
weise muss ihre VerbiiuUmg mit Rom dienen: alle Kirchen ülier-
rage die römische, in Petrus habe Gott selbst ihr den Primat
übertragen. Während mm viele andere Kirchen sich von ikrer
Gemeinschaft trennten. lial)e die fränkische Kirche nie von ihr
gelassen: von den ersten Zeiten des Glaubens an sei sie mit ihr
in (h'r Einigkeit lieihger Fnimmigkeit gestanden; wenn sich im
Laufe der Zeit ge>visse Verschiedepheiten in den kirchhclien Ge-
bräuchen bildeten, so habe dadurch die Ghiubenseinheit keinen Ein-
trag erhtten; auch arbeite ja die Gegenwart daran, sie auszugleiclien.')
Die Karohnischen Bücher geben dem Pewusstsein der jungen
germanischen Welt Aus(h'uck, dass sie der alternden griechischen
ebenbürtig sei. Mit offener Absichthchkeit räumte Karl den Orien-
talen in keiner Hinsicht den ersten Platz ein. Man bemerkt es,
wo immer die politische Stellung der Reiche berührt wird. Denn
wer möchte es für zufällig halten, dass Karl den Kaiser als Kcinig
anredete?-) Es war tendentiös. Er vermied, einen Titel zu ge-
brauchen, in welchem die Zeitgenossen eine höhere Würde an-
erkannt finden konnten, als er sie selbst besass. Der fränkische
HeiTscher des Abendlandes wollte ganz auf gleichem Fusse mit
dem griechischen Herrscher des Morgenlandes stehen. Dass sich
der letztere als römischer Kaiser bezeichnete, lässt Karl im Lichte
eines Unrechts erscheinen; sei doch das römische Kaisertum, das
von Daniel im Gesicht gesehene vierte Tier, die Verkörperung der
Feindschaft gegen das Christentum, die Stätte des exzessivsten
Bilderdienstes.'*) Wie rein stehe dem gegenüber das fränkische
A'olk da, das seine Ehre darein setze, Gott allein zu dienen.^) Zu
gleicher Verui-teilung musstcn die geschmacklosen Phrasen des
Inzantinischen Hofstils dienen; grosse Worte, die ihre Bedeutung
völlig eingebüsst hatten, verwarf Karl voll bitterer Indignation als
Gotteslästei-ungen ; das staatliche Leben der Franken sei davon
ganz unberührt. ••) Das Gefühl der Ebenbürtigkeit steigerte sich
1) I, 6 ; .Taffe S. 222 ff.
2) Praef. S. 1002 (Mi^nei: Tnflammiivit ventosae arrogant iao inflatii
ambitio et vanae laudis insolentissimus appotitu.s qiiosdam orientaliiini
partium non solura reges sed etiam eacerdotes. Ib.: Quod rex eorum Con-
atantinus eos ab idolis liberassot; gemeint ist Konstantin V. III, 19 S. ll.)2
(Migne) von Konstantin und Irene: Principoa eorum. III, 22 8. 1159: Dum
a regibus et a saiordotibus . . recto vivondi atudiiini ])raotoriiiittitur. Doch
IV, 20 S. 1227: Imperatores eorum.
?>) II, 19 S. 1082 f.: III, 1') S. 1142: Doctor gentium non vos impe-
ratorum imitatores sed suos imo Christi fieri hortatur; vgl. S. 1143 f.
4) IV, 2.5 S. 1241.
5) l. 1 ff. S. 1005 ft\
— 319 —
vollends zu dem der Überlegenheit, wenn von der kirchlichen
Wissenschaft die Rede war: hier standen nicht mehr nur die
Franken gegen die Griechen, sondern der Occident gegen den
Orient. Wie die römische Kirche den Theologen Karls als die
erste unter den alten Kirchen galt, so meinten sie, au den be-
rühmten lateinischen Kirchenlehrern hinreichende Meister zu haben:
wozu bedürfe man der Orientalen? Die Werke eines so berühmten
Heihgen der griechischen Elirche wie Gregor von Nyssa nicht zu
kennen, machte den Verfassern geringe Sorge: möge das Urteil
über seine Schriften dahingestellt bleiben; es sei übei-flüssig, sie zu
kennen.^) Man kann sich denken, wie geringschätzig die zeit-
genössischen Orientalen l)ehandelt wurden. Neben dem Tadel der
Anmassung wird kein zweiter Vorwuri' ihnen so oft und so nach-
driickhch entgegengeschleudert als der der Thorheit und Absurdität.-)
Im Unterschied von den Vätern von Nicäa gaben sich die frän-
kischen Theologen als die echten Vertreter der gründhchsten Ge-
lehrsamkeit und des schärfsten Urteils. Wie oft hätten jene Aus-
sprüche der Schrift und der Kirchenlelu^er nicht verstanden ; ^) aber
sie begnügten sich nicht mit zweifelhaften Übersetzungen alttesta-
menthcher Stellen: sie kannten den rechten hebräischen Texf*)
1) II, 17 S. 1082: Dum Gregorii Nysseni episcopi et vita nobis et
praedicatio sit ignota, testimonia quae de eius opusculis proferuntur ad
res dubias confirmandas, minus cernuntur esse idonea; unde eius doctrina
nee a nobis est insigni laude praeferenda nee admodum reprehendenda, sed
illius dogmate eum caeterorum dogmatibus, quos ignoramus, postposito re-
stat, ut post proplietieas et evangelicas sive apostolieas scripturas illustrium
etiam Latin orum doctorum, quorum nobis et vita et praedicatio innotuit,
sive Graecorum, qui et catholici fuerunt et a catholicis aeque in nostram
linguam translati sunt, tantum dogmatibus content! simus.
2) Diesen Punkt hebt Reuter a. a. 0. S. 11 f. besonders hervor.
3) I, 7 S. 1022 flf. mit Bezug auf Gen. 1, 26 f.: A quorum (der Väter)
sensu et doctrina quantum distent qui hoc testimonium imaginibus . . acco-
modant, non nostro est disserendum eloquio sed lectoris reservandum iudicio,
ut quantae in hac parte sint vecordiae non noster eum stilus, sed suus
permoneat sensus. I, 9 S. 1027: Hoc peculiariter atque familiariter exemplo
utuntur, quod Abraham filios Heth et Moyses lethro sacerdotem Madiam
adorasse leguntur. Quorum quidem adoratio tantum distat a pictae imaginis
adoratione quantum pietus ipse homo a veri hominis ratione. I, 10 S. 1029 :
Non mediocris socordiae est hoc etiam ad imaginum adorationem adstruen-
dam exemplum proferre quod Jacob lapidem erexit in titulum. In ähnlicher
Weise geht es fort bis II, 12; von 11, 1:3 an beginnt die Polemik über
patristische Stellen.
4) I, 13 S. 1034: Magnum se ob adorandas imagines in hac re (Gen. 47,
31) gratulantur habere exemplum; cum videlieet in latinis codieibus non
— 820 —
Jenen imponiere jedes Väterzitat; al)er sie wahrten sich auch den
bewährtesten Lehrern gegenüber das Recht des Urteils, gegebenen
Falls die Priicht einer abweichenden Meinung;^) selbst Wundern
ffegenüber bestünden sie auf dem Recht des Zweiiels.^) Falsche
Urkunden und erdichtete Geschichten vermöchten sie nicht 7.11
täuschen. Mit welchem sicheren Vertrauen in die Überlieferung
hatte el)en Hadrian den Griechen die fabelhafte Geschichte Papst
Silvesters erzählt, um die Rereditigung der Bilderven'hrung zu
beweisen.'') Die fränkischen Theologen sind dagegcMi mit d(Mn Ur-
teile bei der Hand, die Akten Silvesters seien wertlos.^) Seit lange
gehörte zu den Prunkstücken in der Wattenrüstung der Bilder-
freunde der J3rief\vechsel (Christi mit Al)gar von Edessa.'') Sie
dagegen erklärten diesen Briefwechsel für apokryph, da die Evan-
gehen. diese wahrhaftigen Zeugen von dem Leben des Herrn, nichts
von ihm wüssten.") Unter den Aktenstücken, welche die nicänische
Synode zum Beweis ihrer Ansicht hatte verlesen lassen, befand
sich ein Biief des Styhten Simon an Kaiser Justin IL") Aber
legatur: Adoravit summitatpin virgae Joseph, sed in quibusdam: Adoravit
super Caput virgae et in Hebraea veritate, cui potissimum tides adhibenda
est, nullani ponitus vel tenaciter mentionem virgae faciat, sed dicat tantum :
Adoravit Israel Deum conversus ad lectuli caput. I, 9 S. 1028; I, 15 S. 1039.
1) IV, 16 S. 1146 wird gegen einen Satz des Basiliua polemisiert, den
der Diakon Epiphanius in der G. Sitzung zu Nicäa wiederholt hatte (Mansi
XIH, 826;: 'II tf,; ei/.ovo? Tiaf zri: tÖ -ptoTOTunov o-x^^iaiv:-.. Die fränkischen
Theologen erklären: Quod quidcm quomodo fieri valeat et utrum fiori va-
leat, nulla ratione percipitur, nee divinorum eloquiorum testiuioniis appro-
batur. Das Urteil über Gregor von Nyssa s. 0. S. 319 Anni. 1.
2) III, 25 S. 1167: Hör etiam illis ad suum errorem adstruenduni
familiäre est, qviod jier quasdam imagines nonnulla miracula facta fuisse
perhibent. Quod tarnen nee Vetoris nnc Novi Tcstamenti itagina demonstrat,
quae quidem et si uspiam visa vel audita fuisse probarentur, dubitandura
erat. IV, 12 S. 1200.
8) Hadr. ep. (J.W. 244«).
4) 11, 13 S. 1078.
5) K].. Greg, ad bcon. (Mansi XII S. 064), Conr. Nir. ad. V (XIII
S. 191).
6) IV, 10 S. 1202 f.: Sunt fluenta veritatia, quae fallere fallique ne-
Hciunt, in quonim va-stissimis amnibus, cum plura dominicorum gestorum
insignia habeantur, eundem dominum Abgari ruiusdam regis epistolam
8U8ceY>i.s9e cique reciprocara destina.'^se minime habetur. Quae dnae opistolae,
cum a sancti evangelü lectione sint pcnitus extraneae et a b. Gelasio . .
inter apncrypba« scripturaa prorsus deputatae, non sunt in tostimonium
quodammodo producendae.
7) Conc. Nie. act. V (Mansi XIH S. 159).
— 321 —
dieses Heiliojtum machte auf die Theoiocren Karls keinen Eindruck:
man argwöhnte, es sei nicht das Werk eines heiligen Mannes,
sondern das irgend eines schlauen Betrügers.^) Ja man hatte
keine Scheu vor den bestbezeugten Ereignissen. Hatte nicht der
grosse Eusebius ausdrücklich zum Besten der Nachwelt von der
wunderkräftigen Blume vor dem l^ildnis des Erlösers zu Paneas
Bericht gegeben.-) Die fränkischen Theologen bezweifelten, kühl
ironisch, ob die heilende Pflanze je gewachsen sei.^) Sie wussten
zu gut, wie Heiligenbiographien entstehen, um ihnen unbesehens
zu glauben: daher erklärten sie, dieser ganzen Litteraturgattung
gegenüber gelte der apostolische Ausspruch: Prüfet alles.^)
In dieser kiitischen Stimmung traten sie den Verhandlungen
und den Beschlüssen von Nicäa gegenüber. Sie waren geneigt,
jedes Woi-t zu bestreiten, das dort gefallen war. Es ist oft genug
gesagt worden, wie häufig sie dabei über das Ziel hinausschössen,
wie manches Missverständnis und wie manche Missdeutung der
Äusserungen der Griechen mit unterlief, wie manche Sophismen und
Flüchtigkeiten sich die Verfasser zu Schulden kommen liessen."'')
Aber damit ist dock das Urteil über die Karolinischen Bücher nicht
gesprochen; ebensowenig damit, dass man daran erinnert, dass die
Synode selbst zwischen Verehrung und Anbetung unterschieden
hatte, und die Franken also gegen einen eingebildeten Feind kämpften,
indem sie das Recht der Anbetung der Bilder bestritten.*^)
Denn das Urteil , das Karl über die Bilderverehrung fällen
Hess, war von demjenigen, das die Griechen unter Zustimmung des
Papstes gefällt hatten, thatsächlich doch verschieden. Die nicänische
Synode behauptete den religiösen Wert der Bilderverehrung, Diese
Behauptung bestritt der fränkische König. Die iVn sieht, welche
1) IV, 5 S. 1191: Timendura est, ne epistola . . non verba sint viri
sancti, sed cuiusdam machinamenti versuti.
2) Eus. h. eccl. "VII, 18; von dem Diakon Epiphanias in der 6. Sitzung
erwähnt, ohne Nennung des Eusebius.
3) IV, 15 S. 1216: In quo facto si tarnen factum esse credatur, nulla
imaginum adoratio commendatur.
4) IV, 11 S. 1203: Cum pene in omnibus huiuscemodi scripturis haec
regula (omnia probate) prorsus sit observanda, in libris quoque, qui gesta
quorundam patrum retinent, penitus est eustodienda.
5) Besonders Hefele hat viel Fleiss darauf verwandt, die Irrtümer der
Karolinischen Bücher darzulegen. Die Sache leidet nur an der Schwierig-
keit, dass wir die Übersetzung, welche ihren Verfassern vorlag, nicht kennen,
also nicht wissen, wo sie irre führte, und wo jene irrten.
6) Dieser Gesichtsj)unkt von Mühlbacher (DG. unter d. Karol. S. 195)
stark betont.
Hauck, Kirchengeschichte. II 2. Aufl. 21
— 322 -
er durcli seine Theologen vertrat, war, class es religiös ganz gleich-
giltig sei, Bilder zu haben oder nicht zuhaben;^) mit der Religion
habe iln\e Verehrung nichts zu tliun, es sei weder Pflicht, sie zu
verehren, noch sie zu vernichten;") man bringe sie in dmi Kirchen
an zum Gedächtnis der Ereignisse, welche sie darstellen, und zum
Schmucke; eine andere Bedeutung hätten sie nicht, Karl liebte
die Kunst; er hatte kaum nötig, daß Missverständiiis auszuschliessen,
dass er ihr abgeneigt sei.'') Aber er wusste zu unterscheiden
zwischen ästhetischer Erhebung und religiöser Erbauung. Deshalb
wies er immer wieder von dem fanatisch geluhrten Streit hinweg
auf das Einzige hin, das in der Beligiou Wert hat: die Projjlieten
und Apostel hätten nicht gepredigt: Verehrt die Bilder, sondeiii:
Fürchtet Gott."*) Der Herr sage nicht: AVas ihr den Bildern, son-
dern: Was ihr einem dieser (xeringsten getlian hal)t, das habt ihr
mir gethan; nicht: Wer die Bilder, sondern: Wer euch aufnimmt,
der nimmt mich auf. Der Apostel gel)iete nicht: liasst uns die
Bilder lieben, sondern: Lasst uns unter einander lieben. ''*) Nicht
mittelst sichtl)arei' Dinge sei Gott zu suchen, sondei'n mit dem
Herzen; nicht mit den Augen des Leibes, sondern mit denen des
(jleistes müss(> man ihn erschauen. Unseliges Gedächtnis, rufen die
Veifasser aus, das, um Christi zu gedenken, eines gemalten Hildes
l)edarf, wiüireiul doch Christus nie aus dem Herzen der Frommen
weichen daif das Chiistum nicht anders in sich gegenwärtig habcMi
kann, als wenn es ihn ;nii dci' Wand oder sonst irgendwo gemalt
sielit") .Jene, heisst es ein anderes Mal, riilimen sich der l^ilder,
1) II, 21 S. 1085 f.: Solus Deus colondus, solus adoramlus, solus glori-
ficandus est . .; cuius etiain sanctis, qui triumphato diabolo cum oo regnant,
sive quia viriliter certaverunt, ut ad nos incolumis status ecclesiae perve-
niret, .sivo qvua eandeni ecclesiam assiduis suHragÜH ot intorcossionibiis
adiuvare noscuiitur, veneratio cxliibenda ost. Imagiiics voro omni sui cultuia
et adorationo seclusa, utrum in Ijasilicis proptor mcmoriani rerum gostaruni
et ornaraentiim sint an etiam non sint, nnlhnn fidei catholicao aHerre po-
torunt praeiudicitini. quijipo «uiii ad poragonda nostrae salutiH mysteria
iiiilliim jionituH officium liabpro noscaniiir.
'Jj I'raef. S. 1000: Nos . . imaginos in oinanioniis ecclosianuu ot memoria
rorum gcstarum habontea et solum Deum adorantns ot oius sanctis op))Or-
tunam venemtionem exhibentoB, noo cum illis trangimu«, nee cum istis
adoramuB, sed illiuH ineptissimae synodi scrijituram . . abnuontos, institutoris
noatri Rormonis vidpüfot dominici nitiTuur finri iiKi|ii('<|iia<|iio s»!quiico3.
.3) 111,22 8. 1160: Nullus sani rapitis noquo imaginibus dotraliit noqiio
arti pictoriae.
4) I, 9 S. 1027; II, 21 S. lOxr,; IV. 18 S. 1222.
5) III, 16 S. 1147.
6) IV, 2 S. 1187.
— 323 —
\vii' aber rühmen uns des Kreuzes unseres Herrn Jesu Christi, durch
welches uns die Welt gekreuzigt ist, und wir der Welt.^) Die
Anfertigung und Verehrung der Bilder wird unter den Gesichts-
punkt des äusseren, in Gottes Augen wertlosen Dienstes gestellt:
sittlich wertvoll sei in Wahrheit nur Gesinnung und Wille.-)
Solche Stellen zeigen, dass bei dem Einspruch gegen die zweite
nicänische Synode neben den pohtischen Motiven auch religiöse
wirksam waren. Man nahm Anstoss an dem Aberglauben, der
sich in den Verhandlungen der nicänischen Synode breit machte,^)
den man aber ebenso in dem Vorgehen der Synode von 754 fand.^)
Vor ihm die abendländische Kirche zu behüten, fühlte sich der
König verpflichtet; er fürchtete von ihm eine Schädigung der
Frömmigkeit. ■"*)
Die Karohnischen Bücher waren bestimmt, auf die öffentliche
Meinung einzuwirken. An nicht wenigen Stellen appellieren die
Verfasser an das Urteil des Lesers.*"') Es ist charakteristisch, dass
Karl sich bei seinem Vorgehen gegen die nicänische Synode auf
die Bevölkerung zu stützen suchte. Nicht minder, dass er nicht
im Namen der fränkischen Kirche allein zu handeln gedachte,
sondern im Namen der abendländischen Christenheit. In Kon-
stantinopel hatte man natürlich noch weniger daran gedacht, die
englische Kirche zur Teilnahme an der Synode einzuladen. Hier
1) I, 9 S. 1029.
2) III, 22 S. 1161: Omnipotens Deus non opera sed devotionem operum,
nee actus sed voluntates actuura, nee res sed causas rerum, nee quisquis
faciat, sed qua mente id faciat, plerumque aut probat aut improbat.
3) II, 13 S. 1078: Saepe . . fateri cogimur, quod . . (imaginum) in-
solentissima vel potius superstitiosissima execranda sit adoratio; ebenso II,
9 S. 107.5.
4) Praef. S. 1002: Gesta est ante hos annos in Bithyniae partibus
quaedam synodus tarn ineautae tamque indiseretae procacitatis, ut imagines
in ornamentis eeclesiae et memoria rerum gestarum ab antiquis positas
incauta abolerent abdicatione. Gemeint ist die Synode von Konstantinopel.
S. 1003: Gesta praeterea est ferme ante triennium et altera synodus illis
in partibus ab eorum, qui priorem gesserant, successoribus vel a- plerisque,
qui in priore fuisse narrantur: quae tarnen quamquam a priore distet voto,
non tamen distat errore, et si dispar est negotio, est tarnen compar flagitio,
et cum sit posterior tempore, non tamen est posterior crimine.
5) II, 21 S. 1085: Cavendum illis est et modis omnibus pertimescendum,
ne dum imaginum cultum et adorationem ehristianae religioni ingerere
nituntur, singularem unius Dei cultum et adorationem frustrari videantur.
6) I, 7 S. 1022; Quod ab illis est negligenter usurpatum et a viris
venerabilibus et spiritu sancto repletis spiritualiter prolatum, lectoris in-
dustria sit diligenter acceptum. Ib. S. 1023 u. ö.
21*
— 324 —
setzte der König ein. Er sandte im Jahre 792 die Synodalakten
nach Britannien. Voll Schmerz fanden die angelsächsischen Theo-
logen liier Lehren vorgetragen, welche sie nicht zu hilligen ver-
mochten: auch sie lasen in dem Beschlüsse von Nicäa das Gehot
der Bilderanhetung. Sofort war Alkuin. der in jenen Jahren in
der Heimat weilte, bereit, aus der Heiligen Schritt zu erhärten,
dass eine solche Lehre der Wahrheit entgegen sei. Die Könige
und Bischöfe der Angelsachsen unterzeichneten seine Denkschrift.
So, als Erklärung der englischen Kirche, wurde sie dem Franken-
könig wieder übergehen.')
Auch Papst Hadiian sollte zustimmen. Es giebt kaum eine
zweite Thatsache, welche gleich drastisch beweist, dass Karl Hadiian
ganz als abhängiges Werkzeug betrachtete, als dieser Vei"such, den
Papst zu einer Erklärung gegen die nicänische Synode zu veran-
lassen. Denn Karl konnte es nicht unl)ckannt sein, dass Hadrian
ihrer Berufung zugestimmt, dass sie in Gegenwart römischer Legaten
stattgefunden hatte, und dass ihre Beschlüsse von diesen gebilligt
w(jrden waren. Er rächte sich gi'ausam für das eigenmächtige Vor-
gehen Hadrians, indem er von ihm die offene ISIissbilligung des-
selben fordert«". f]in demütigenderes Verlangen ist nie an einen
Papst gestellt worden.
Karl liess aus den Karolinischen Büchern fünfundachtzig Kapitel
ausziehen, in welchen die Punkte verzeichnet waren, welche er als
Tn-tümer der nicänischen Synode betracht^'te.-) Durch Angilbert
von St. Riquier sandte er sie im Jahre 792 nach Koni: Hadrian
sollte kraft seiner päpstlichen Autorität diese Iirtümer verwerfen.^)
1) Ann. NordhumL. z. J. 792 (M.G. Scr. XIII S. 155).
2) Die Kapitel sind in dor Gogenschrift Hadrians (M.G. Ep. V S. 6 ff.)
erhalten. Man vgl. über sie Hefele, CG. III S. 712 tf. und Hanipe, NA.
21. Bd. 8. bS ff.
3) Hadr. ep. S. 7: Inter qiiibns (Angilbertu.s) edidit nobis cai>itularn
adversum synoduni, quae pro sacris iniaginibus erectione in Nicaea acta
est. Syn. Paris, a. 825 (Mansi XIV S. 422 j: Cum (Caiobis^ fjuardani capi-
tnla, quae roprehonsioni patebant, praonotasset eaquo per Angiibcrtuin ab-
baten! Hadriano papae diroxissnt, ut illius indicio et auctoritate corrigerentur,
ipse nirsus . . per singula ca]iitula . . rospondere quae voluit, non tarnen
quae decuit conatus est. Da Angilbert 792 in Rom war, so unterliegt die
Annahme, er habe damals die Kapitel nach Rom ülterbracht, keinnr Schwierig-
keit. Karl übersandte dann gleichzeitig die Akten nach England und die
Kapitel nach Rom. Dasj dies Zusammentreffen jene Annahme empfiehlt,
liegt auf der Hand. Hampe wendet ein, damals habe Angilbert Felix von
Urgel nach Rom geleitet, und es sei seltsam, dass Hadrian dieser Ange-
legenheit nicht gedenkt (S. 100 f.). Allein sie war mit der Sendung des
— 325 —
Vergleicht man diesen EntAvoiif zu einer päpstlichen Erkläiiing
mit der Denkschrift, welche im Namen des Königs ausgegangen
war, so fallen trotz der vollen Übereinstimmung des Inhalts ■') ge-
wisse Verschiedenheiten auf. Die Hauptsache ist, dass die frän-
kischen Theologen der Stellung des Papstes insoferne Rechnung
trugen, als sie den Kapiteln einen ausschliesshcher theologischen
Charakter gaben wie den Karohuischen Büchern. An die Spitze
der ganzen Reihe traten die Bedenken gegen die dogmatische Recht-
gläubigkeit der Orientalien: Tarasius irrt, da er nicht den Ausgang
des Heihgen Geistes aus Vater und Sohn bekennt;-) auch die
Lehre der Orientalen über das Verhältnis des Sohnes zum Vater
ist nicht unbedenklich;'^) die von einzelnen Bischöfen verlesenen
Bekenntnisse sind mangelhaft.*) Es stimmt dazu, dass die Polemik
gegen Konstantin und L'ene wenn nicht ganz beseitigt, doch be-
schränkt wurde. ■^) Auch das ist ein Unterschied, dass man einiges
wegliess, was dem Papste die Zustimmung allzusehr erschwert
Felix erledigt, eine schriftliclie Äusserung des Papstes über sie bedurfte es
nicht mehr.
1) Die in zwei Reihen von 60 und 25 Sätzen angeordneten Kapitel
stimmen fast durchweg mit den Überschriften der einzelnen Abschnitte der
Earolinischen Bücher überein. Ohne Vorlage in den letzteren sind II, 19
,S. 49; 22 S. 53 und 25 S. 54. Die Echtheit des letzteren hat Hampe S. 89
dargethan. Andererseits werden folgende Kapitel der Karolinischen Bücher
in dem nach Rom gesandten Kapitulare nicht reproduziert: I, 2, 3, 6, 19 — 21,
23, 24, 29, 30; II, 11, 13, 15-17, 24; m, 1, 2, 8, 9, 12, 15; IV, 7, 12, 14—29.
Man hat den Grund hiefür wohl in der Absicht zu finden, die Zahl der
Kapitel nicht zu sehr anschwellen zu lassen. Die Ordnung im Kapitulare
weicht durchweg von der in der Denkschrift ab, s. darüber oben S. 315, 1.
2) I, 1 S. 7. Der "Wortlaut ist zugleich verschärft durch die Umsetzung
des jUtrum recte" in ,quod non recte" und durch die — freilich unglück-
liche — Berufung auf das nicänische Symbol. Auffäüig ist, dass Hadrian
diesen Fehler übersah, obgleich in Rom die konstantinopolitanische Formel
ohne die Worte et filio in Übung war. Vgl. I, 3 S. 13 = L. C. III, 5
S. 1123.
3) I, 2 S. 11 = L. C. III, 4 S. 1121.
4) I, 4 S. 14 = L. C. III, 6 S. 1124; I, 5 S. 15 = L. C. III, 7 S. 1127;
I, 6 S. 16 = L. C. III, 10 S. 1131.
5) Der Vorwurf, die Phrase „per eum qui conregnat nobis Dens" sei
blasphemisch (Libr. Carol. I, 1 S. 1005), wird II, 21 S. 53 zwar nicht aus-
drücklich wiederholt, aber die Wendung gilt doch als anstössig; ebenso
verhält es sich mit dem gleichen Vorwurf mit Bezug auf die Worte ,Ro-
gamus tuam paternitatem et maxime Deus rogat" aus L. C. I, 4 S. 1016
cap. II, 8 S. 45. Dagegen bleiben Libr. Carol. I, 2 und 3 S. 1011 und
1014 weg.
— 326 —
hiittc. Hadriaii liatto seinen Bedenken gef^en die Reehtnl;is^sigkeit
der ( )rdination des Tarasius keine weitere Folge gegel)en und mit
ilmi als Patriarchen verkehrt;^) dagegen war in den Kai'oliniselien
J3ücliern in der sclirutlsteu AVeise die Ungesetzlichkeit seiner Weihe
behau])tet worden.-) Man überging diesen Punkt. Ebenso unter-
drückte man die Bedenken gegen die von dem Papste benützten
Silvesterakten. ^) Das war eine gewisse Rücksicht. Aber sie ging
doch nicht sehr weit. Wenn schon in den Karolinischen Büchern
an manchen Stellen nicht Sätze der Synode, sondern Sätze aus
dem Schreiben Hadrians bestritten waren, so wiederholte sich das
in den Kapiteln. Karl mutete dem Papste zu, dass er AVorte, die
er selbst geschrieben hatte, als nichtig und absurd,"*) Zitate, die er
gebraucht hatte, als irrig tadelte.'')
Hadrian hat es an Fügsamkeit gegen den Willen Karls nie-
mals fehlen lassen. Aber diese Forderung ging ihm zu weit. Er
antwortete in der friedfertigsten Weise; kein ungehaltenes Wort
über das exorbitante Verlangen Karls entfuhr ihm.") Aber er
wahrte seine Stellung. Es war wohl überlegt, dass er sein Ant-
wortschreiben mit einer Erinnerung an den Primat des Petrus und
seiner Nachfolger begann.^ Das war der schwache Punkt in ilcr
Stellung Karls, dass er den päjistlichen Primat anerkannte, widn'end
die liechte, die er in der Kirche übte, die ganze Stellung, die er
in ihr einnahm, den Primat verletzten. Im weiteren aber wagte'
Hadiiin die Verteidiginig aller von Karl angegritleneii Sätze. Er
vei*walirte sich dagegen, dass er rede, um irgend einen Menschen
zu rechtfertigen: er vertrete die alte Tradition der römischen Kirche
1) Hrief Hadrians an Tarasius (J.W. 2449).
2) 111,2 S. lllö: (Tarasius) por roni penitus intonlict;im et nuIlatonuR
proficientom — Beförderung der Hildcrvorehrung — nititur omendaro rem
ponitus intordictam et prorsus officientem — seine Ordination.
3) S. o. S. 320 Anm. 3.
4) I, 24 S. 27: Indoctc et inordinate di<unt, die Stelle ist aus Hadrians
Krief an Konstantin und Irene (Mansi XII, 10(i4). I, 26 S. 27: Quod vana
sit spcs eorum etc. Der Papst sjuicht in seinem Hriefe S. 1005 die j,'ntado]lo
Hntl'nung aus. I, 47 S. 36: Quam absurde agunt, das tritl't wieder Hadriiin
S. 1064.
5) I, 37 S. 33 ein Zit«t aufl Cyrill als unbrauchbar verworfen; s. «Inn
Brief des Papstes S. 106^.
6) Hadrian hebt seinrn sanften Ton sollist horvor: 1, 47 S. 36: lam
superius mitissime exaravimus. Doch ist der Text zweifelhaft; nach Hampo
lautet die Lesart nitissime. Er lässt die Frage, ob raitissime oder nitidissime
zu verbessern sei, offen.
7) S. 6.
— 327 —
aß
und die Lehre seiner Vorgänger.^) Aber wie die fränkisclien Theo-
logen alles angriffen, so vertrat er alles, was von der nicänischen
Synode ausgegangen war: weder schreckte ihn die thatsächliche
Verschiedenheit der niorgenländischen und abendländischen Lehre
über den Ausgang des Heiligen Geistes davon ab. die Äusserungen
der Orientalen über diesen Punkt für rechtgläubig zu erklären,-)
noch konnte er sich entschhessen, die sinnlosesten Phrasen byzan-
tinischer Kiiecherei zu tadeln.*^) Der Einfluss, den die Kaiserin
L-ene auf die Synode geübt hatte, schien ihm so wenig gegen das
kirchhche Dekorum zu Verstössen,"*) als die Beziehung von Schrift-
stellen wie Psalm 12, 4 auf die gestürzten Bilderfeinde, ''^) oder
Psalm 125, 3 auf den Sieg der Bilderverehrer*^) gegen jeden Ver-
stand in der Schi'iftanwendimg. Von den kritischen Neigungen der
fränkischen Theologen war er ganz unberührt. Hatten sie die
Authentie des Briefwechsels Jesu mit Abgar angefochten, da die
Evangehen nichts davon A\üssten, so hielt er sie fest, da sein Vor-
gänger, Papst Stephan, den Brief Jesu ausdrückhch zitiert habe.'^)
Hatten jene behauptet, dass die Bilderverehrung weder diu-ch das
Beispiel noch durch die Lehre der Apostel gestützt werden könne,
so erwiderte er triumphierend, der heihge Dionysius. der Areopagit,
der Bischof von Athen gewesen, bezeuge sie in seinem Briefe an
den Evangelisten Johannes.**) Urteilten jene, keine der sechs all-
gemeinen Synoden habe die Bilders^erehnmg geboten, so entgegnete
er, es habe sie auch keine verboten, vielmehr sei schon auf dem
1) L. c.
2) I, 1 S. 7: Hoc dogma Tarasius non per se explanavit sed per doc-
trinam sanctorum patrum confessus est.
3) I, 16 S. 22 werden die , göttlichen Ohren" Justinians verteidigt.
4) I, 53 S. 39: auch Helena habe mit ihrem Sohne Konstantin und
Papst Silvester eine Synode abgehalten. Gemeint ist die angebliche erste
Synode gegen die Juden (Mansi 11, 85 f.). Dass in der Schlusssitzung die
Kaiserin Irene den Vorsitz führte, war durch diese Analogie freilich nicht
gerechtfertigt. Diese im Protokoll rühmend erwähnte Thatsache (S. 413:
a-jTTJ; -po/.xiJ-i^ä'jrjc) verschweigt übrigens nicht nur Hadrian. Auch aus
Hefeies Erzählung (CG. III S. 474) kann sie derjenige, welcher sie nicht
kennt, unmöglich herauslesen.
5) I, 40 S. 34: Disperdat dominus universa labia dolosa et linguam
magniloquam.
6) I, 43 S. 35: Quoniam non derelinquet dominus virgam peccatorum
super sortem iustorum, ut non extendant iusti ad iniquitatem manus suas.
7) I, 18 S. 23; vgl. Stephans Erklärung auf der Lateransynode von 769
(Mansi XH S. 722).
8) I, 36 S. 32.
— 328 —
ersten h. Konzil ineln-facli dargetliau worden, dass Papst Silvester
und der allercluistliebste Kaiser Konstantin die Bilder verehrten.')
Doch wichtiger als dieser Streit über Einzelheiten ist, dass die
päl)stliche Autwort deutlich erkennen lässt, wie klar Hadrian sich
ül)er die Tragweite der Verhandlungen war. Er verbarg sich nicht,
dass der Widerspruch der Fraidcen die römischen Päpste traf. Den
gegen seinen Brief an Konstantin und Irene gerichteten Einwand,
es sei absurd, sich für die Bilderverehrung auf die Heiligtümer des
Alten Testaments, Bundeslade und Cherubim, zu berufen, beant-
wortete er mit der Bemerkung, dass seine Vorgänger auf ihren
Synoden dies gethan hätten.') Je bestimmter Karl seine L'berein-
stimmung mit der Lehre der römischen Kirche liehauptete, um so
mehr Gewicht hatte diese Antwort. Den Anspnich der fränkischen
Kirche, gehört zu werden, wenn es sich um eine Entscheidung der
allgemeinen Kirche handelte, erkannte er nicht an: er wies den
Vorsvuif zurück, dass die Griechen durch die Synode zu Nicäa
sicli einen Übergriff hätten zu Schulden kommen lassen;"') in der
entschiedensten Weise behauptete er die Kechtsgiltigkeit der nicä-
nischen Beschlüsse: wer von ihnen abweiche, der sei auch von den
sechs ersten Synoden abgefallen.^).
Niemals ist Hadrian Karl so entschieden entgegengetreten als
in diocni Moment. Auch wenn man mit seinem Standpunkt in
der Bildeifrage nicht symi)athisiert, könnte man geneigt sein, seinem
Mut die Anerkennung nicht zu vei-sagen, die der Schwache findet,
wenn er das Kecht seiner Überzeugung gegen den Stäi-keren ver-
teidigt. Aber der Schluss seines Briefes macht jede Anerkennung
unmöglich. Er erwähnt die von den Griechen eingezogenen Patri-
monien der römischen Kirche: zwar habe er sie von Konstantin
zuiückgefordert, al)er dieser habe nicht mit einem Worte darauf er-
widert; das zeige, dass er, zwar in einem Piuikte von dem Irrtum
bekehrt, im übrigen an ihm festhalte. Gefalle es nun dem König,
so werde er Konstantin kund thuii. dass. wenn er sich weigere, die
Patrimonien zu restituieren, er ob solchen hartnäckigen Irrtums
h.iliter als Häretiker von der Kirche ausgeschlossen sei. Denn, so
schhesst Hadrian, wir wünschen sehnücher, das Heil der Seelen
1) II, 19 S. 49.
2) I, 47 S. 36.
3) I, 52 S. .30: Uli non anathpmatiz.iverunt catliolicam ecclesiara, sed
magi.s ad eam revorsi anathomatizaverunt pseudosillogum illud una cum
complicilius eiua haereticis, qui eacras imagines in sancta ecclesia a priscis
temporiV)U3 constitutafl inverecunde et incaute non soluni deposuerunt, sed
insuper inccnderunt.
i) I, 60 S. 42.
— 329 —
und die Beständigkeit des rechten Glaubens zu bewahi-en, als diese
Welt zu besitzen.^)
Man möchte wünschen, dass Hadrian diese Zeilen nicht ge-
schrieben hätte; sie stellen ihn morahsch tiefer als alles, was sonst
von ihm und über ihn erhalten ist.-)
ßom und die fränkische Kirche nahmen im Momente einen
ausgesprochen entgegengesetzten Standj^unkt ein. Doch von Anfang
an war es wenig wahrscheinlich, dass es zu einem emsthchen Streit
zwischen beiden kommen würde. Die Kräfte waren zu ungleich;
Hadrian war. schon als er sich zur Verteidigung der nicänischen
Synode aufralfte, zm- Nachgiebigkeit verurteilt. Durch seinen Vor-
schlag, Konstantin VI. als Räuber des Kirchenguts zu bannen,
hatte er seine BereitwiUigkeit, nachzugeben, bereits angekündigt.
Auf diesen Vorschlag ging Karl indes nicht ein; wie es scheint,
wih'digte er ihn nicht einmal einer Antwort. Er wollte klare Bahn:
die griechische Synode sollte durch eine fränkische verworfen werden,
und diese sollte als Synode der abendländischen Welt in Gegen-
wart päpsthcher Legaten tagen. Die Demütigung, welche Hadrian
meinte vermeiden zu können, war Karl entschlossen, ihm nicht zu
ersparen.
Wir -«issen nicht, wie Hadrian diese Forderung au&ahm. Die
wortkarge Überlieferung dieser Zeit berichtet nur die nackte That-
sache, dass er die Bischöfe Theophylakt und Stephan als Stellver-
treter zu der Spiode von Frankfiu-t 794 abordnete."^) Von den
Verhandlungen in Frankfurt ist keine Kunde auf uns gekommen.
Alkuin, der sonst nicht gerade verschwiegen war, wohnte^) der Ver-
1) S. 57.
2) Hampe S. 93 beurteilt Hadrians Äusserung weit milder; er findet
nur gesagt, Hadrian wolle nicht um die Welt von dem orthodoxen Glauben
abweichen. Dabei ist aber auf den unmittelbaren Anschluss des Satzes
Plus enim an das Vorhergehende verzichtet; dieser fordert das im Text ge-
gebene Verständnis.
3) Ann. Einh. Lauriss. Fuld. Chron. Moiss. z. J. 794.
4) Cap. 28, 56 S. 78. Hefele (CG. III S. 712) findet, dass die päpst-
lichen Legaten bei Aufstellung des zweiten Kanons der Synode „in nicht
geringe Verlegenheit" gebracht werden mussten. Das ist sehr sachte ge-
redet. Ich finde, dass Karl nicht einmal Tassilo so grausam bestrafte als
Hadrian: er hat ihn durch die Frankfurter Synode moralisch vernichtet.
Was er den Franken noch galt, sieht man aus dem Urteil der Pariser
Synode von 825 (Mansi XIV S. 422): Hadrianus favendo illis, qui eins
instinctu tarn superstitiosa quamque incongrua testimonia memorato operi
inseruerant, per singula capitula in illorum excusationem respondere quae
voluit, non tarnen quae decuit, conatus est. Talia quippe quaedam sunt,
quae in illorum obiectionem opposuit, quae remota pontificali auctoritate
— 330 —
sMinuiliuig bei: mIut in kciucin seiner Jiriet'e eiwiilint er sie. War
ihiu der Zwiespalt zwischen seinem König und dem Papste leid,
oder missbilligte er das Verhalten des letzteren? Doch das knappe
Protokoll verkündigt die völlige Unterwerfung Hadrians unter den
AVillen des Königs: Nachdem unter Gottes Schutz kraft aposto-
lischer Autorität und nach dem Befehl unseres fronnuen Herrn, des
Königs Karl, im 26. Jahre seiner Regienmg alle Bischöfe und
Priester des Reichs der Franken, auch Italiens, Atpiitaniens und
der Provence in AnAvesenheit unseres gnädigen Herrn selbst sich
zu einer Synode versannnelt hatten, wurde die Frage nach der
neuen Synode vorgelegt, welche die Griechen über die Anbetung
der Bilder zu Konstantinopel gehalten haben, und in welcher sie
bestimmten, dass, wer den Bildern nicht ebenso wie der heiligen
Dreieinigkeit Dienst und Anbetung zollt, mit dem Anathema be-
legt sei. Unsere heiligen Väter aber verweigerten duix'haus den
Bildern Anbetung und Dienst, verwarfen die Synode und verdamm-
ten alle, die ihr beistinmiten.^)
Karl setzte seinen Willen durch: Hadrian inusste, wie alle,
die ihm zu widersprechen w^agten, erfidiren, dass er keine llber-
zeugung duldete, die von der seinen abwich: das ist der dämo-
nische Zug in Karls Wesen; aber darauf l)erulit die Kraft des
HeiTschers.'^
Die öftentliche Stimme hatte Karl auf seiner Seite: die Fran-
ken freuten sich der ..allgemeinen" Synode, welche ihr König in
ihrem Laiule versannnelt hatte,'') und sprachen voll Abscheu von
der Pseudosyuode der Griechen, welche diese die siebente uiul allge-
ct voritati ot auctoritati refragantur. Sed licet in ipsis obioctionibus ali-
i|uando absona, aliqiiando inconvenientia, ali(|uando etiam roprehensioni
ilii,'na tostimonia dofonsionis pratia proferre nisus sit, etc. Man bemerke
die Bjiitzige Beziehung auf die Versicherung des Papstes S. 7. Was
Langen (r4e.'?ch. d. röm. K. S. 758 f.) sagt, scheint mir aller Wahrschein-
lichkeit zu entbehren. Dass die Voranstelhing dor päpstlichen Autorität
im Frankfurter Kapitular tendentiös ist, liegt auf der Hand. Sie muss die
Verdammung der nicänischen Synode decken. Karl hatte also don Tapst
zur Unterwerfung gezwungen.
1) Cap. 28, 1 f. S. 73 f.
2) Hampe nimmt nach Hino. adv. Hinc. Laud. 20 an, dass die Karol.
FJürher nach der Frankfurter Synode durch die päpstlichen Legaten an Hadrian
geschickt worden seien. Auch hier scheint mir Hinkmars Zeugnis nicht
gerade viel Gewicht zu haben. Die Annahme aber wird dadurch schwierig,
dass dann Hadrian auf die Zusendung geschwiegen hätte. Er konnte aber
viel leichter einen ohne ihn gefassten Beschluss ignorieren , als auf eine
solche direkte Anffordcning zu reden, schweigen.
3) Chron. Moiss. z. .T. 794 S. 300: Congregavit universalem synodum.
— 331 —
meine zu nennen sich anmasstenJ) Die Verwerfung der nicänischen
Synode stand noch lange nach Karls Tod im fränkischen Reiche
als zweifellos berechtigt fest.^)
Karl hatte in den Verhandlungen ül)er die nicänische Synode
gelegentlich die Frage über den Ausgang des Heiligen Geistes be-
rührt."^) Er Amsste sehr wohl, dass sie ihm eine scharfe Waffe
gegen die Griechen darbot. Nachdem er die Anerkennung der
siebenten allgemeinen S}Tiode von Seiten der abendländischen Kirche
verhindert hatte, dachte er, me es scheint, den Streit gegen die
Griechen fortzusetzen, indem er diesen Lehrpunkt in den Vorder-
grund rückte. Dass Hadrian keine Neigung gezeigt hatte, hier
einen L-rtuni der Griechen anzuerkennen, hinderte ihn nicht im
mindesten. Der Theologen seines Reichs war er auch in dieser
Frage sicher. Einer der hervorragendsten, Paulinus von Aquileja,
scheint beauftragt gewesen zu sein, den ersten Scluitt zu thun. Er
hielt im Jahre 796 eine Provinzialsynode in Cividale. "Wenn er
diesellje mit einer eingehenden Rede über die Lehre vom Ausgang
des Heiligen Geistes eröffnete und wenn er sodann als sein Glau-
bensbekenntnis die im dritten Artikel erweiterte konstantinopoli-
tanische Formel vortrug,'*) so liegt hier gewiss kein Spiel des Zu-
falls vor: er war zu dieser Rede aufgefordert, er hatte ihre Abhal-
1) Ann. Lauriss. Einh. Fuld. z. J. 794.
2) Syn. Paris, a. 825 (Mansi XIV S. 421): Ex buius epistolae textu
(dem Briefe Hadrians) imperator et clerus simulque et populus auctoritatem
sumentes synodum fecerunt, in qua . . non mediocriter erraverunt, qui eas
non solum coli et adorari et sanctas nuncupari sanxerunt, verum etiam
sanctimoniam ab eis se adipisci professi sunt. Die im Texte gegebene Dar-
stellung weicht von der herkömmlichen ab; die letztere lässt die Karoli-
nischen Kapitel nach der Frankfurter Synode nach Rom gesandt werden.
Hadrian behält dann das letzte Wort. Die ganze Unwahrscheinlichkeit
dieser Fassung tritt an den Tag, wenn Langen (Gesch. d. röm. K. S. 764)
bemerkt: Karl scheint geschwiegen zu haben, weil er sich mit dem Papste
nicht verfeinden wollte. In der That hatte Karl nicht den mindesten Grund,
die Feindschaft Hadrians zu fürchten, Hadrian dagegen sehr viel Ursache,
vor dem König zu zittern. Karl hat sich niemals Hadrians Ansichten ge-
fügt, Hadrian dagegen immer dem Willen Karls. So wird das Verhältnis
auch in diesem Falle gewesen sein. Die von Langen behauptete , sonder-
bare Lage" des Papstes, dass er von Karl dogmatisch getrennt war,
muss nach der herkömmlichen Darstellung angenommen werden. Sie wäre
so sonderbar gewesen , dass man sie einfach für unmöglich erklären darf;
sie wurde vermieden, indem Hadrian that, was er immer that: er gab nach.
3) Libr. Carol. HI, 3 S. 1117; Cap. Carol. I, 1 S. 7.
4) Mansi XIII S. 842.
— 332 —
tuii^' vei-sprochcn.') Die poleinisclie Beziehung aiit" die Erkläningon
Hiidriaiis ist augeiitallig: dieser hatte nicht nur die griechische
Formel als rechtgläuhig gehilhgt, er hatte auch erklärt, sie sei in
der römischen Kirclie üblich,'^) er hatte jede iVbvveichung von den
Symbolen venvoifen.'^) Paulinus wusste nun sehr gut, dass das
nicänische Symbol im dritten Artikel nur die "Worte enthielt „und
an den Heiligen Geist";*) er wusste natürlich auch, dass in Rom
die koiistantinopolitanische Formel als nicänische üblich war; und
er argumentierte deshalb e concessis, wenn er behauptete: eine Er-
weiterung, eine schärfere Fassung des Symbols sei keine ^'erände-
rung desselben, und wenn er deshalb die Einfügung des fibocjue in
den dritten Artikel für berechtigt erklärte/')
Er vertrat damit die abendländische Lehre, zugleich aber auch
das Reclit der in der fiänkischen Kirche üblichen Formel gegen-
über der in Rom festgehaltenen lUteren.
Weitere Schritte unterblieben zunächst. Der Grund liegt da-
nn, dass die Beziehungen zu Konstantinopel sich wieder freund-
licher gestalteten. Konstantin VI. knüpfte die abgerissene Verbin-
dung mit dem abendländischen Herrscher wieder an, indem er im
Herbste 797 durch einen eigenen Gesandten Karl einen Brief über-
bringen Hess. Karl zeigte durch den grossartigen Empfang, den
er dem Gesandten bereitete, und durch seine rasche Wiederent-
lassung, dass er sehr bereit war, auch seinerseits entgegen zu
kommen.'') Das gute Verhältnis zwischen den beiden Mächten
wurde in den nächsten Jahren nicht gestört: zumal s(Mt der Kaiser-
krönung bildete dessen Erhaltung eines der Ziele der Politik Karls. '^
Dagegen kam es in den letzten Jahren Karls zu neuen Ver-
1) L. c. S. 835: De mysterio namque sanctae et mirabilis Trinitatis
planioiR me repromisisse protitoor sermone dicturum.
2) Kp. ad Carol. Kesp. 1 S. 10. Sed et sancta catholica et apostolica
eccleeia ab ipso s. Gregorio papa ordo missarum, .soloranitatum, orationum
suscipiens, plura» nobis edidit orationes, ubi Spiritum sanctum per dominum
nostrum Jesum Christum inf'undi atque illustrari et confimiari noa suppli-
citer pctere docuit. Dass damit gepen den Satz der fränkischen Theologen
nichts bewiesen war, ist klar.
3) L. c, Resp. 2 S. 11: Si quis alium tcrminum fidei sive symbolum
aut doctrinam habet praeter quod traditum est a sanctis, magnis et uni-
versalibus sex synodis . . talem impium anathcmatizamus. Aus den Akten
der Lateransynode von TGit wiederholt.
4) Syn. Korojul. (Mansi XIII S. 8.%).
5) L. c. S. 835 f.
6) Ann. Laurisa. Einh. z. J. 797; vgl. Harnack , Das karol. und byz.
Reich S. 37.
7) Vgl. Simson, JB. S. 281 f.
— 333 —
handlungen über den Ausgang des Heiligen Geists. Sie spitzten
sich jetzt dahin zu, ob die in der Laterankirche oder die im Aachener
Münster gebräuchhche Formel massgebend sein solle.
Karl fühlte sich als Beschützer der Christen im heiligen Land.^)
Er stand in Verkehr mit dem Patriarchen von Jerusalem; dieser
sandte ihm Reliquien vom heiligen Grab;-) der König erwiderte
die Gabe, indem er Weihgeschenke für die heiligen Orte und Gaben
für die Armen nach Palästina scliickte."^). Überhaupt fehlte es
nicht an Verkehr zwischen dem fränkischen Reich und Palästina.
Auch Alkuin w^echselte wohl einmal einen Brief mit dem Bischof
von Jerusalem: er bat ihn um seine Fürbitte, versicherte ihn des
gleichen Dienstes, den er ihm leiste.'*) Dass fränkische Bischöfe
Jerusalem besuchten, luu dort den Reliquienschatz ihrer Kirchen
zu bereichern, Avar nicht ganz selten.''^) Besonders aber führte die
Sehnsucht nach den heihgen Orten fränkische Mönche dauernd ins
Morgenland: sie hatten ein Kloster auf dem Ölberge.") Dort leb-
ten sie in der heimischen Weise, hielten besonders den Gottesdienst
so, wie sie es in der Heimat gewohnt w^aren: das konstantinopoli-
tauische Symbol gebrauchten sie mit dem Filioque.')
AVie hätte das unbemerkt bleiben können. Die Eifersucht der
einheimischen Mönche gegen die fremden, die nationale Antipathie
der Griechen gegen die Abendländer wirkten zusammen, den Streit
zu erregen. Der AVortführer der Giiechen war der Mönch Johannes
aus dem Sabaskloster bei Jerusalem: er erklärte die h'änkischen
Mönche, ja die Franken insgesamt für Häretiker. Als die Brüder
aus dem Olbergkloster am Weihnachtsfeste 808 die Kirche ad
praesepe in Bethlehem besuchten, erregte er das Volk gegen sie:
1) Vgl. V. Karol. 16.
2) Ann. Lauriss. Einh. z. J. 799 und SOO; Chron. Moiss. z. J. 801 S. 305;
vgl. Ale. ep. 214 S. 358; Ann. Einh. z. .1. 807.
3) Ann. Lauriss. z. J. 800, Einh. z. J. 799; V. Karol. 16 und 27.
4) Ale. ep. 210 S. 350.
5) Madelveus von Verdun um 750 (Gest. ep. Vird. 12, M.G. Scr. IV
S. 44), Fortunatus von Grado (Ann. Einh. z. J. 803).
6) Brief der Congreg. mont. Oliv, an Leo lU. M.G. Ep. V. S. 64 ff.
Nr. 7. Die congregatio montis Oliveti bezeiehnet ihre Glieder als nos qui
sumus hie in sancta civitate Jerusalem. Die Griechen sagen: Franci, qui
sunt in monte Oliveti.
7) L. c. S. 65 erklären die fränkischen Mönche: Dieimus in nostra
lingua, quae vos non dieitis in Graeca: et in , Gloria patri" non dicitis
jsieut erat in principio"; et in , Gloria in excelsis" non dicitis ^tu solus
altissimus"; et , Pater noster" alio modo dicitis; et in symbolo nos dieimus
plus quam vos ,qui ex patre filioque procedit".
— 334 —
man wollte sie aus der Kirche vertreiben; sie aber erklärten, sie
^viirden lieber sterl)eu als weichen, und widersetzten sieh. Mau
wagte doch nicht. Gewalt anzuwenden.
Die Mönche beschwerten sich nun über Johannes bei dem
Klerus von Jerusalem. Es kam am Sountaji darnach zu einer Art
Synode, auf der sie verh<irt wurden : die Verschiedenheit des Gottes-
dienstes und des Symbols war unleugbar. Doch begnügte sich die
Synode mit der Erklärung der fränkischen Mönche, dass sie den
gleichen Glauben hätten wie die Kirchen zu Jerusalem und Rom,
und erkannte sie für rechtgläubig.')
Durch diese Verhandlungen waren nun aljer die ]\rönche selbst
ül)er die Berechtigung ihres Symbols zweifelhaft geworden.'^) Sie
suchten Belehrung bei der höchst(>n kirchlichen Autorität des Abend-
landes. In einem offenen, treuherzigen Schreiben legten sie IjCO 111.
die ganze Sache vor. Dieser übci'gab ihnen alsbald ein Glaubens-
synd)ol,'') überschickte al)er zu gleicher Zeit ihren Brief samt seiner
Formel an Kail^)
Man l)emerkt wieder, wie dieser seine Stellung in der Kirche
ansah, da er die päpstliche Antwoil nicht als Erledigung der An-
1) L. c. S. 65.
2) A. a. 0.: J)ura essem ego Leo servus vester atl sancta vestigia
vestra et ad iiia vestigia doiiini Karoli pii.ssinii imj>oratoris tilii((iie vestri,
anilivimus in capclla eius dici in synibolo tidoi: Qui ex i»alio filiixjuo
piocodit. Kt in liomilia 8. Gregorii, quam noUis iiliu« vester doninu.s Karolus
imperator dedit, in parabola octavanim paHchae, ubi dixit: Sed eiuH missio
ijisa processio est, (pii de patve procedit et tilio. Kt in regula s. Henedicti,
(juani nobis dedit filins vester doninus Karolus . . dicit: Credo spiritum
sanrtuni Deum verum, ex patre procednntom et lilio. Kt in dialogo, (|uom
nobis vostra sanctitas daro dignata est, similiter dicit. Kt in lido s. Athanasii
oodem modo dicit. S. 66: Kt in Graeco non dicunt sicut nos; sed dicunt:
<.2ui ex patre procedit, et vidont istum sermonem graveni, (jucm nos dicimus
in Latino.
'A) Man nimmt allgemein an. dasa die Mansi Xlil S. 97H gedruckte
Formel damals nach .Terusalem übersandt wurde. Die gleiche liezeichnuug
.Symbolum orthodoxae fidei dort und im l'.riefe Leos IH. an Karl {MM.
Ep. V. S. 66 Nr. 8) macht das auch wahrscheinlich. Ist die Annahme
richtig, 80 ergiebt sich, dass Leo die Frage der Mönche nur halb beant-
wortete: sie wollten nicht nur über die Lehre unterwiesen sein — das
leistete ihnen die päpstliche Zu.schrift — , sondern auch üijer das Recht
des Filioque im Symbol; ep. 7 S. 66: Ut digneris inquirere tarn in Graeco
quam in Latino de sanctis patribus, qui symbolum composuerunt, istum
sermonem, ubi dicitur: Ex patre filioque procedit. So ungeschickt der Satz
ist, sein Sinn ist doch nicht zweifelhai't. Hier unterldieb die Antwort.
4) Kp. a Ö. 66 t.
— 335 —
gelegenheit gelten Hess. Er forderte etliche der fränkischen Theo-
logen auf, sich über die Lehre zu äussern. Theodulf von Orleans
stellte eine lange Reihe von Belegen für die abendländische Lehre
zusammen. Er war um so fester von ihr überzeugt, als er auch
Athanasius als Zeugen meinte anführen zu können.^) Eine ähn-
liche Autoritätensammlung verfasste ein ungenannter fränkischer
Bischof.-) Smaragdus von St. Mihiel endhch versuchte aus der
Heiligen Schiift den Beweis für die Berechtigung seines Glaubens
zu führen : er freute sich, dass die lange nicht beachtete Streitfrage
nun plötzlich wieder aufgetaucht sei. Sie nötige, die Schätze der
göttlichen Wahrheit eifrig zu durchforschen.^)
Nach diesen Vor])ereitungen brachte der Kaiser die Sache vor
eine fränkische Synode, die im November 809 in Aachen tagte.^)
Man kann kaum zweifeln, dass sie ebensowohl die Lehre als
1) Migne 105 S. 239 ff. Die metrische Vorrede auch Poet. lat. I
S. 527 f. Die angeblich athanasianischen Stellen sind sämtlich der pseudo-
athanasianischen Schrift de trinitate entnommen.
2) Libell. de process. Spir. s., von Frobenius unter die Werke Alkuins
aufgenommen, wiederholt bei Migne 101 S. 64 ff. Die Widmung, in der der
Verfasser sich nicht nennt, auch M.G. Ep. IV S. 490 f. Nr. 3. Die Schrift
ist in der Handschrift von Laon, der Frobenius sie entnahm, überschriftlich
als Werk Alkuins bezeichnet. Da die Handschrift ein Geschenk des Bischofs
Dido von Laon war, der dem Ende des 9. Jahrhunderts angehörte (die Ann.
Vedast. erwähnen ihn zu 895 M.G. Scr. I S. 529), so glaubte Frobenius ihr
Zeugnis über den Autor festhalten zu müssen, obgleich er sich die Bedenken
dagegen nicht verhehlte. Dagegen hat Dümmler mit Bezug auf die Be-
denken des Regensburger Abtes die Schrift Alkuin abgesprochen M.G. Ep.
IV S. 482. Wie mich dünkt, ist er darin im Rechte, dass das Zeugnis Didos
das grosse Gewicht nicht besitzt, das Frobenius ihm beilegte; man wird
vielmehr, besonders auf Grund der Stilverschiedenheit, die Annahme der
Autorschaft Alkuins aufgeben müssen. Dann ist auch der chronologische
Ansatz gegeben: die Schrift kann nicht gleichzeitig mit den Karolinischen
Büchern geschrieben sein (Hefele, CG. III S. 749); denn Karl ist dem Autor
Kaiser. Es ist auch nicht nötig, sie in der Pause zwischen 796 und 808
verfasst sein zu lassen, wie ich in der ersten Auflage dieses Buches an-
nahm; sondern sie wird gleichzeitig mit den Schriften Theodulfs und
Smaragds sein.
3) Das kurze Gutachten des Smaragdus unter den Briefen Karls
Migne 98 S. 923 ff. ; die Überschrift bezeichnet es als ep. Karoli ad Leonem
a Smaragdo edita. Der Inhalt ergiebt, dass das Schriftstück nicht als Brief
des Kaisers an den Papst konzipiert ist. Es ist eine Abhandlung. Immer-
hin mag sie mit den Akten der Aachener Synode nach Rom übersandt
worden sein.
4j Ann. Lauriss. Einii. z. J. 809.
— 336 —
die in der kaiserliclien Kapelle übliche Formel billigte.') Kai-1
sandte darauf den Bischof Beruhard von Worms und den Abt
Adalhard von Corbie nach Rom, um die Zustimmung Leos zu
diesem Beschlüsse zu erholen.-)
Sie stiessen auf unerwarteten Widerstand. Leo hatte in der
Sakristei der Peterskirche eine lange Verhandlung mit den Ge-
sandten. =^) Der Lehre, die sie ihm vorlegten, als solcher stinnnte
er lebhaft bei.') Aber als sich nun die Frage erhob, ol) das Filio(iue
in das Symbol aufzunehmen sei, ergal) sieh eine ]\[einungsversehieden-
heit. Die fränkischen Bischöle urteilten, da die Lehre richtig sei
und da sie durch die Aufnahme der Formel in den gottesdienstlichen
Gebrauch verkündigt werde, so sei die Änderung des Symbols zulässig,
ja nützlich.-') Dagegen liess sich eigentlich nichts einwenden.'') Aber
Leo luhlte sich dadurch ge])unden, dass in Rom die ältere Formel
noch üblich war.'\) Es kam ihm vor, als achteten sich die Franken
den alten Vätern der Kirche gleich :"*) er selbst wagte kein lirteil,
das nur entfernt eine Missbilliguni,^ des B(^steheiid(>n in sich schloss.")
1) Über den Beschluss sagen die Reichsannalen nichts ; dass aber nicht
nur die Lehre, sondern auch die Erweiterung dos Symbols gebilligt wurde,
ergeben die Verhandlungen in Rom; vgl. Hefele, Cd. III S. 7.51.
2) Ann. Einh. z. J. 801) nennen nur Bernhard und Adalhard; in der
Überschrift des Protokolls (a. Anm. 3) ist auch .Tcsse von Aniiens genannt.
Man kann zweifeln, ob mit Recht; da auch Leo in seinem Briefe an
Riculf von Mainz (M.G. Ep. V S. 67 Nr. 9) nur .jene beiden nennt.
3) Ein Protokoll desselben Mansi XIV 8. 18 tf.
4) L. c. Ita sentio, ita teneo, cum his auctoribus et sacrae scripturae
auctoritatibus.
.5) S. 19 f.: Qnia praefatum symbolum a quibusdam ita cantari re-
perimus et quod id ecclesiasticae congruero fidei, sicut sentimus, atfiue per
hoc nunc iara plurimos doctos et sine fine usque in tineni saeculi de tanto
mysterio, si ita tencatur, instruendos esse cognovinius, qui nequaquam in-
struerontur, nisi cantarctur, melius nobis visum fuit cantando tantos instru-
ere quam tacendo indoctos relinquere.
6) Der Papst hatte nur den nicht gerade geistreichen Einwand zur
Hand, ob man denn alle f^laubenswahrheiten, die im Symbole nicht aus-
gesprochen seien, in dasselbe aufnehmen solle (S. 20).
7) S. 21: Quod vero asseritis ideo vos ita cantare, quoniam alios in
istis partibus vobis priores audistis cantasse, quid ad nos? Nos enim ul
ipsum non cantaraus, sed legimus et legendo docere, non tarnen legende
aut docendo addere quidpiam eidom symboln inferondo praesumimus.
8) S. 19.
9) Ib.: Sicut non audeo <licere non bene fecisse, si fecissent — wenn
die Väter das filioque ins Symbol aufgenommen hätten — , . . ita non audeo
dicere istud eos nobis minus intellexisse . . Nam ut ego me illis, non dico,
praeferam, sed etiam illud absit mihi, ut coaequare praesumam.
— 337 —
Deshalb, meinte er, müsse das Symbol bleiben, wie es war: es
dürfe ihm nichts zugesetzt werden. Er konnte sich nicht darein
finden, dass die Franken diese Sache mit solcher Energie aufge-
griffen hatten.^) Eine Verständigung gelang nicht. Der Papst
riet dringend, das FiHoque aus dem Symbol zu entfernen. Mit
diesem Bescheide kehrten die Gesandten zurück.^)
Man weiss, dass Leo seinen Protest gegen die Veränderung
des Symbols möglichst öffentHch und feierhch wiederholte. In der
Peterskirche liess er zwei grosse silberne Tafeln aufstellen, in welche
das Symbol von Konstantinopel ohne die strittigen AVorte einge-
graben war.^)
Aber was nützte das? Aus dem Gebrauch der fränkischen
Kirche verschwanden sie nicht. Und es dauerte nicht lange, bis
sie auch in Eom üblich waren.
1) Es streift ans Komische, dass der Papst den fränkischen Gesandten
sagt : Hoc est, quod miramur, qui sine profectuoso labore potestis quiescere,
laboratis, ne quiescatis. Sie erwidern: Non ideo laboramus, ne quiescamus,
sed ne propter inertiam pii laboris praemium amittamus (S. 20).
2) Leo drückte sich vorsichtig aus: Die Gesandten fragen: Ergo illud
a vestra paternitate decernitur, ut primo illud, de quo quaestio agitur, de
saepe fato symbolo tollatur et tunc denium a quolibet licite ac libere sive
cantando sive tradendo discatur et doceatur. Er erwidert: Ita procul dubio
a nostra parte decernitur, ita quoque ut a vestra assentiatur, a nobis omni-
modis suadetur.
3) V. Leon. IIL S4 S. 26. Vgl. Duchesnes Anm. 110 S. 46.
Hauck, Kirchengeschichte. II. 2. Aufl. 22
Sechstes Ka pi t c].
Ausbreitung der Kirche.
Al> Karl d. (ir. (k-n Tliroii bestieg, war das Heidentum inner-
hall) der Grenzen des fränkischen Reichs noch nicht völlig überwun-
den, geschweige, dass der christliche Glaube unter den unal)häng-
igen Stämnifn im Osten und Norden Fuss gefasst hätte. Seine
Regierungszeit ist eine Missionsepoche. In demselben Masse, in
welchem die fränkischen Grenzen sich ausdehnten, breitete sieh die
christliche Kirche aus: sie hat in diesen Jalirzelinten weite ( iebieto
dauernd eingenommen.
Aber wie ganz anders vollzogen sich jetzt die (•hri>tlichen Er-
oi)erungen als in der Zeit der keltischen Missionare und des Boni-
fatius. Zuerst hatte der christhche Glaube in Deutschland sich
ausgebreitet, wie wenn der A\'ind die Samenkörner dahin und dort-
hin trägt: hunderte gehen zu Grunde, andere keimen am ungeeig-
neten ( )rt. wiihrend daneben besserer Roden ungenützt bleibt: aber
sdiliesslich bedeckt doch ein grüner AnHug das ganze Gelände.
Dann hatte ein kirehlicher Mann, gestützt und gefördert von den
Herrschern, das Werk in die Hand genommen und seinen Über-
zeugungen gemäss geleitet. Reides war jetzt vorbei: die Missions-
arbeit lag nicht mehr in den Händen eines (hir( h seine moralische
Autorität mächtigen Rischofs oder namenloser PVemdlinge, die, von
phantastischer Frömmigkeit in die Feme geführt, sich aufojiferten,
um als die Heimatlosen ihrem Heirn nachzufolgen, und mit viel
Eif<-r und wenig Überlegung geringe Erfolge erzielten. Nun war
Methode und Plan in allem, was geschah : dei- Wald wurde gleich-
sam gerodet, das Feld geklärt und dann «h-i- Same ausgestreut.
— 339 —
Überall niacLte sich bemerklich, dass ein kräftiges, geordnetes Staats-
wesen dem Fortschreiten der Kirche die Bahn brach, dass ein
mächtiger Wille alles bestimmte: der Widerstand wurde mit Ge-
walt überwunden, die Erfolge wurden erzwungen. Denn nicht mehr
die Kirche missionierte, vom Staate geschützt, wie in den Tagen
Karl Martells und Pippins, sondern der König gebot, den christ-
lichen Glauben anzunehmen, und die langsame Arbeit der Kirche
vermochte kaum dem vorwärts drängenden Herrscher zu folgen.
Das ist der Eindruck, den Karls Thätigkeit macht. Wir ver-
folgen sie im einzelnen.
Im Osten stiessen die Deutschen an che zersplitterte nnd doch
auch geschlossene Welt der Slawen.^) Elbe und Saale boten im
nördlichen Deutschland eine natürliche Grenze; sie hinderte aber
nicht, dass zahlreiche Slawen sich jenseits derselben niederliessen.-)
Im mittleren Deutschland fehlte das trennende Wasser oder das
scheidende Gebirge. Hier drängten sich slawische Horden weit nach
Westen zwischen die Deutschen: im Fiddischen,^^) in Thüringen,^)
an zahlreichen Orten rntcr- und Mittelii-ankens''^) begegnet man
ihren Spuren. Sie stahlen sich ein wie Diebe; man weiss nicht,
wie und wann sie kamen; man kann nur vermuten, dass die Er-
schütterung der ü-änkischen Macht durch die Niederlage Dagoberts'"')
ihr Vordringen mö^hch machte. Überall Avaren sie in der ^Sfinder-
1) Zeuss, Die Deutschen und ihre NachLarstämme S. 592 fF.
2) Wie weit sie vordrangen, sieht man daraus, dass im Kreise Helm-
stedt 12^0 der Ortschaften slawische Namen haben, s. P. J. Meier, Bau-
und Kunstdenkmäler von Braunschweig I S. XVII.
3) Eigil. V. Sturm. 7 (M.G. Scr. II, 369).
4) Zeuss a. a. 0. S. 646. Nach dem Brev. Lulli, Zeitschr. d. Ver. f.
hess. Gesch. X S. 184, waren von den Hersfelder Gütern in Thüringen mit
Slawen besetzt 30 Hufen in Bischhausen (Biscofeshusun, es giebt 3 Orte
dieses Namens in Thüringen bei Waldkappel, Witzenhausen und Heiligen-
stadt, s. Dobenecker I S. 22 1, 7 Hufen in Mühlhausen, Remda und Rudol-
stadt, 12 Hufen in Buttstädt, Tüngeda und Schwabhausen (? bei Jena),
14 Hufen zu Rothenstein, 30 Hufen zu Wennungen an d. Unstrut, 3 Hufen
zu Balgstädt, 4 Hufen zu Zeissdorf, 3 Hufen zu Lissdorf, 2 Hufen zu Ruders-
dorf, 4 Hufen zu Ramuchesdorf (eingegangen), 3 Hufen zu Emsen. In den
Fulder Traditionen werden ebenfalls vielfach Slawen genannt, z. B. c. 43
in den meisten Nummern S. Hoff.
5j Hier zahlreiche Ortsnamen: Burgwindheim, Geisseiwind, Neidhards-
winden, Walburgswinden, Buschwindbach, Egiofswinden, Meinhardswinden,
Dautenwinden, Bernhardswinden, Brodswinden, Wolfhardswinden, Ratzen-
winden, Schweikarts winden, Reinswinden, Abtswinden, Bisch wind (= Bischofs-
winden).
6) Fredeg. chron. IV, 68 S. 154 f.
22*
— 340 —
zahl. Sie konnten denn auch ihre Freiheit niclit lu'haupten. Dass
eine Menge shiwiseher Ortsnamen mit deutschen rersoneinuimen zu-
sammengesetzt ist,') legt die Annahme nahe, dass die AVenden sich
den Gnmdherren als unfreie Knechte unterwarfen. Für das Bi'-
wusstsein der Deutschen tiosseu ja ül)erhauj)t die Yoi-stellungen
Slawe und unfreier Kneclit in einander.
Anders war es im heutigen Oherfranken: es war Slawenland.
An der Aisch, im Gau Yolkfeld und in dem Bergland östlich der
Regnitz und am oberen Main, dem Radenzgau. wohnten die Wen-
den in geschlossenen ^Massen.-) Von Hallstadt bei Bamberg und
Forchheim aus trieb der deutsche Kaui'mann seinen Handel ins
Slawenland.") Dagegen behaupteten die Deutschen das Pegnitz-
thal: Yelden und Schuaittach gehörten zum bairischen Xordgau.*)
Die Slawen in Thüringen, Hessen und den ostfränkischen
Gauen wohnten in christlichem Land; al)er sie blieben länger Hei-
den als die übrigen Bewohner. Bonifatius kannte sie als Ungläu-
bige.""*) Es ist nicht überliefert, dass er den Versuch gemacht
1) S. S. 339 Anm. 5.
2) Dies ergiebt sich aus der S. 5 Anm. 1 ciwähntcn Urkunde Arnulfs.
Hier ist de partibus orientalium franchorum vel de sclavis die Rode. Als
ostfränkische Gaue werden aufgeführt: Waldsazzi, Taubergau, Wingurtoiba,
.Tagstgau, Mulachgau, Neckargau, Kochergau. Rangau, Gollachgau, Iffgau,
Hassgau, Grabfeld, Tullifeld, Saalegau, Werngau, (lozfold, Hadanachgau,
d. h. Unter- und Mittelfranken mit einem Teil der angrenzenden Gebiete.
Als terra Sclavornm bleiben übrig Volkfeld und Radenzgau, d. h. der grö.sste
Teil von Oberfranken. Doch hielt sich das Deutsche auch hier vereinzelt,
wenigstens in den Thälern. Zenss zeigt, dass sich deutsche Namen schon
in alter Zeit im Mainthale oberhalb Bamberg finden (S. 648); erst bei
Statfelstein fängt das rein slawische Gebiet an (S. 6.Ö0). Die Deutschen
waren Christen: schon Karlmann und Pippin haben den Zehnten von Hall-
stadt an Würzburg geschenkt; s. S. 5 Anm. 2.
3) Cap. 44, 7 (a. 80.5) S. 123.
4) Vgl. über Velden M.B. 28. 2.52 S. 899; über Scbnaittach 1. c. 271
S. 429.
5) Ep. 87 S. 372, Antwort des Papstes Zacharias auf einen verlorenen
Brief des Bonifatius: De Sclavis, christianorum terram inhabitantibus, si
oporteat censum accipere, interrogasti frater. Hie quidem consilium non
indigot, dum rei causa est manifosta. Si enim sine tributo sederint, ipsam
quandoque propriam sibi vindicabunt terram; si vero tributum dederint,
nomnt: dominatorem ipsam habere terram. Rettberg {KG. D.'s II S. 555)
entnimmt ans dieser Stelle, dass Bonifatius erfolgreich unter den Slawen
arbeitete. "Wie mich dünkt, mit Unrecht: die Worte Sciavi christianorum
terram inhabitantes haben nur einen Sinn, wenn die Slawen Nicht-Christen
waren; ebenso ist nur dann die Frage verständlich; denn dass die Christen
— 341 —
hätte, sie dem Christentum zuzuführen. So viel er in seinen Briefen
von seinen Missionsplänen spricht, den Gedanken äussert er nie,
den Slawen zu predigen. Er war von der gut germanischen Alj-
neigung gegen das slawische Wesen nicht frei: kaum kommt er
auf die Wenden zu reden, ohne dass er seiner Verachtung gegen
„dies ahscheuhchste und schlechteste Geschlecht der Menschen-'
einen Ausdruck gegeben hätte. ^) Seine Bedenken, Abgaben von
ihnen zu nehmen.-) hatten wohl in seiner Abneigung gegen sie
ihren Grund. Überhess er die nach Westen zersprengten Slawen
sich selbst, so ist vollends imwahrscheinhch, dass er dem rein sla-
wischen Lande seine Aufmerksamkeit zuwendete.^)
Dass die unter den Deutschen zerstreuten Slawen sich nach
und nach der Kirche anschlössen, lag in der Xatur der Sache: es
wird an dem einen Orte früher, an dem andern später geschehen
sein,*) ohne dass Zwang nötig gewesen wäre. Mit der eigenen
Sprache verloren die Fremden ihre Religion oder mit der Religion
ihre Sprache. Einen festeren Halt hatten beide in dem rein oder
überwiegend slawischen Lande. ■^) Radenzgau und Volkfeld gehörten
seit der Konstituierung des Bistums Würzburg zu dessen Sprengel.
Doch muss man bezweifeln, ob die ersten Bischöfe den fremdsprach-
Hchen Gliedern ihrer Diözese viel Sorgfalt zuwandten. Erst unter
Bischof Berenwelf**) erscheinen die Slawen an Main und Regnitz
als Christen.^ Aber sie waren nicht dm'ch die geduldige Arbeit
kirchliche Abgaben — an solche denkt auch Rettberg — zu entrichten
hatten, daran hat Bonifatius nie gezweifelt.
1) Ep. 73 S. 342; vgl. Bonif. carm. v. 324 (Poet. lat. I S. 13): Rustica
gens hominum Sclaforum.
2) S. die S. 340 Anm. 5 angeführte Stelle.
3) Doch hängt vielleicht die Ordination Willibalds von Eichstätt mit
Missionsplänen im Slawenland zusammen; s. Bd. I S. 519 f.
4) Christliche Slawen im Würzburgischen i. J. 838 erwähnt Rudolf
(Mir. sanct. 12, M.G. Scr. XV S. 338). Bemerkenswert ist, worauf P. J. Meier
a. a. 0. S. XX f. hinweist, dass in fast allen slawischen Ortschaften Braun-
schweigs eine Pfarrkirche fehlt, und dass die Kapellen, die sie bisweilen
haben, vielfach sehr später Gründung sind. Man sieht, dass selbst in
Sachsen die Bekehrung der Deutschen und der Slawen nicht zusammenfiel.
5) Man vergleiche zum folgenden meinen Aufsatz „Zur Missionsge-
schichte Oberfrankens " in den Blättern f. bayer. KG. (1888) S. 114 ff.
6) C. a. 785—800.
7) Urkunde Ludwigs d. Fr. (Form, imper. 40 S. 317 f.): Notum fieri
volumus omnium vestrum fidelitati , qualiter vir v^nerabilis Wolfgerius,
Wirciburgensis ecclesie episcopus . . indicavit nobis, quod pie recordationis
domnus et genitor noster Karins serenissimus imperator antecessoribus suis,
illis et illis episcopis praecepisset, ut in terra Sclavorum, qui sedent inter
— 342 —
der Missionare liekelirt. Sie grüiKl<'t Kirclic um Kirche und j^e-
winut so allniälilich das Volk. Hier al)er ward das Volk mit einem
]\[ale christlieli: die rasch Bekehrten hatten nirgends Kirchen oder
Kapellen, um den Ptlichteii ihres neuen Glauhens zu genügen.
Man kann nicht umhin, an einen Befehl des Königs zu denken,
der die Annahme des Christentums gehot und dadurch mehr den
Namen als die Keligion des Landes änderte. Solche einschneidende
Anordnungen entsprachen seinem Sinne: nicht minder ai)er, dass
er sofort Hand aidegte. um das Land kirchlich zu organisieren: die
Slawen sollten wie alle Ul)rigen Christen Orte hahen. avo sie die
Taufe empfangen und die Predigt hören könnten, wo der christ-
liche Gottesdienst gefeiert werde. x4uf Karls Geheiss erbauten die
Bischöfe Bereuweif, Liuderich und Egilward vierzehn Kirchen im
I^ande der Slawen. Die Überlieferung meldet ihre Xamen nicht;
doch wird man mit ziemlicher Sicherheit einige im Aischthal,') die
grössere Zahl am oberen Main und in den Thälern der fränkischen
Schweiz'-) suchen dürfen.
Nur langsam schlug das schnell angenommene Christentum
Wurzel. Noch Jahrhunderte später hört man Klagen, dass diese
Gegenden zum grossen Teile von Slawen bewohnt seien, welche
heidnischem Aberglauben ergeben, von christlicher Frömmigkeit nichts
wissen wollten.^) Aber vergeblich waren Karls Anordnungen nicht:
durch sie ist der ei-ste Schritt geschehen, um dieses Gebiet für den
christlichen Glauben und die deutsche Nationalität zu gewimien.
Moinum el Radanziam fluvioe, qui vocantiir Moinwinidi et l^adanzwinidi,
una cum comitibus, qui super eosdem Sclavos constituti ovant, piocurasseni,
ut inibi sicut in ceteris christianorum locis Rcclesie lonstruercntur, quatonus
ille populus noviter ad chiistianitatem conversus habere i)0tuis6et, ubi ot
baptismum perciperet et praedicationem audiret et ubi inter eos sicut inter
coteros christianos divinum officium celebrari potuisset; et ita a memoratis
episcopis et comitibus, qui tunc tempoiis eidem populo praepositi fuorant,
adserit esse completum et ecclesias quatuordecim ibi fuisse constructas, sed
easdem ecclesias minime eo tempore fuisse dotatos, sed sicut primum con-
Btructae fuerunt, sie usque in praesentem diem sine dote remansisse. Die
hier nicht genannten Würzburger Bischöfe waren Bercnwelf, Liuderich
(800—802) und f^gilward (802— ><10i. Dies ergiebt die Bestätirrungsurkunde
Ludwig? d. D. vom b. .Tuli 846 iMon. Boir. 2>(. 2 S. 40 f.).
1) Lonnerstadt, Wachenroth und Mühlhausen ; 8. den S. 341 Anjj. 5
angeführten Aufsatz S. 116.
2) Ich denke an-Orte wie Schesslitz, Staffelstein. Pretzfeld, Altcnkund-
stadt, Graiz a. d. Rodach u. a. Aber ein sicherer Beweis lässt sich nirgends
führen; s. a. a. O. S. 11« f.
3) Bamberger Synode von 1058 (Mansi XIX S. 883); vgl. Bd. III S. 417.
— 343 —
Wie die Slawen iiii Radeiizgau zwar dem fränkischen Reiche
angehörten, aber Heiden bhebeu, so auch ein Teil der Friesen. -')
Der südwestliche Teil des Landes bis zum Fli war das alte li'än-
liische Missionsgebiet; er wurde unter Pippiu als chnstlich be-
trachtet, und war es wohl auch. Aber Avenn man zu dem christ-
lichen Friesland auch die mittleren Landschaften vom Fli bis zur
Lauwers") rechnet, so entsprach das der Wirklichkeit sehr wenig. '^j
Dort überwog in der Glitte des achten Jahrhunderts noch weit das
Heidentum. Das östliche Friesland vollends war rein heidnisch.
Die Friesen aber standen anders zu der Religion ihrer Väter als
die Wenden. Als Karl diesen gebot, den christlichen Xamen an-
zunehmen, fügten sie sich ohne Widerstand; dagegen setzten sich
jene der Annahme des Christentums nachdrücklich entgegen. Sie
hingen an ihrer Religion und glaubten an die Macht der Götter.
Nirgends fehlte es an Tempeln, deren Schätze ein Geschlecht um
das andere durch seine Weihegaben vermehrte. An heiligen Quellen'*)
und an der von der wechselnden Flut bespülten Düne'^) empfand
mau besonders die Nähe der unbesiegbaren Himmlischen; aber auch
in Wald, Acker und Moor gab es manchen Platz, der den Göttern
sonderlich heilig war. AVer ihre Heihgtümer verletzte, den belegte
das Volksrecht mit schwerer, grausamer Strafe.*') W^ie leicht der
1) Über den Anfang der Bekehrung der Friesen s. Bd. I S. 415 ff. ;
vgl. V. Richthofen, Untersuchungen zur friesischenRG.il, 1 S. .369 ff.; Moll,
Kerkgeschiedenis van Ncderland I S. LSOff. ; Patetta, Memor. della r. Acad.
di Torino S. II Bd. 43 (1893) S. 5 ff.
2) Der Fli, dessen Namen in der Insel Fliland noch erhalten ist, ver-
band vor dem Einbruch des Meers i. J. 1287 den See Almere mit dem Meer.
Die Lauwers mündet südlich der niederländischen Insel Schiermonnikoog
in das Meer.
8) V. Gregor. .5 S. 71: In ripam occidentalem fluminis qui dicitur
Lagbeki, ubi confinium erat christianorum Fresonum et paganorum cunctis
diebus Pippini regis. Dagegen Willib. v. Bonif. 8 S. 463 von Friesland
östlich des Zuiderzee: Gentem paganam Fresonum visitavit. Vgl. v. Willeh.
2 M.G. Scr. II S. 880.
4) Über die heilige Quelle auf Helgoland s. V. Willibr. 10 S. 48. Es
ist sehr wahrscheinlich, dass der heilige Quell bei Heilo im Kenemerlande,
an den die Legende ein Wunder Willibrords knüpfte (V. Wülibr. 16 S. 51),
auch längst vor ihm heilig war.
5) Ergiebt sich aus Lex Frison. Add. XI S. 696 f. (s. die folgende
Anmerkung).
6) Lex Frison. tit. V, 1 (M.G. Leg. III S. 668): Qui fanum eftVegit,
sine compositione occidi potest. Add. sap. XI S. 696 f. : Hoc trans Laubachi
— die Lauwers, d. h. im heidnischen Friesland; s. Anm. 3 — de honore
templorum : Qui fanum effVegerit et ibi aliquid de sacris tulerit, ducitur ad
— 344 —
heidnische Fauiitismus zu entflammen war, zeigte der Tod des
Bnnifatius.^)
Pippin wusste das wohl; obgleich das Land die fränkische
Herrschati anerkannte,-) that er keinen Schritt, um die Ermordung
des Erzlüschots zu rächen. Er fürchtete wohl, eine allgemeine Er-
iiebung des friesischen Volkes hervorzurufen. Jedoch wurde die
Friesenmission durch den Fall des grossen Führers nicht vernichtet.
AVaren die heidnischen Friesen fanatisch, so waren die christlichen
nnitig: sie wagten, alsbald nach der Katastrophe des Bonifa tius am
Orte seines Todes eine Gedächtniskirche zu errichten. =') Ein Ge-
winn war. dass das Christentum im Süden des Landes schon zu
fest stand, als dass es erschüttert werden konnte: von da aus
arbeitete man an der Bekehrung der noch heidnischen Gaue. Das
Martinskloster in Utrecht war ebensosehr Missionanstalf*) als Schule ;•')
auch die seelsorgerliche Pflege der Bekehrten wiu-de von dort aus
unternommen.
Die Leitung lag in den Händen des Abts Gregor, eines
Schülers des Bonifatius. Ihn beauftragten Pippin und Papst Stephan
ausdrücklich mit der Predigt unter den Friesen.")
Gregor war ein fränkischer Mann. Als Spriissling einer vor-
nehmen fränkischen Familie') wurde er in der Hofschule erzogen;
mare, et in sabulo, quod accessus maris operire solet, fimluntur aures eius
et castratur et immolatur das, quorum templa violavit.
1) Über das friesische Heidentum s. v. Richthofen a. a. 0. S. 403 flf.
2) Willibr. V. Bonif. 9 S. 470.
3) V. Bonif. 1. c. Als Willehad nach Dockum kam, stand sie schon;
das ergiebt der Name Dockynchiriia (V. Willeh. 2 S. 380). Alkuin hat
später für diese, wie es scheint, von Liudger erneuerte Kirche eine Inschrift
in lateinischen Hexametern verfasst; man erfuhrt aus ilir, dass sie Paulus
und Bonifatius geweiht war (carm. Xß S. 304).
4) In dor Fiknnde Karls vom 1. März TfiO, welche die rrkundc I'ii)pins
U.M. t> und verlorene Urkunden Pipi)ins, Karl Martells und Karlmanns
bestätigt, heisst es von den Mönchen und Kanonikern: Qui ibidem gentile.i
ad christianitatem convertunt, et domini misericordia ipsos conversos. quos
habent, doceant, iuxta quod christiiini eorum christianitatem consorvant
(B.M. 129).
5) S. o. S. 171.
6) V. Greg. 10 (M.G. Scr. XV S. 7.3): Suscepit auctoritatem seminandi
verbum Dei in Fresonia.
7) Nur dies sagt Liudger (V. Greg. 1 f. S. 60 f.). Noch für HucbaM
von St. Amand ist Gregor nur ex nobili Francorum .sanguine procrcatus
(V. Lebuin. .S. .381). Zu einem Merowinger wurde er erst durch das ge-
fälschte Testament der Adala, Tochter Dagoberts (M.G. Dipl. I S. 177 f.),
die man mit Addula identifizierte; vgl. Bd. I S. 289 Anm. 3.
— 345 —
dann kam er vierzehn- oder fünfzehnjährig^) iji das Kloster Pfalzl
bei Trier, das seine Grossmutter Addida als Äbtissin leitete. Bei
einem Besuche des Klosters wurde Bonifatius auf den geweckten
Knaben aufmerksam: es gefiel ihm, dass derselbe frisch und ge-
wandt die Bibel vorzulesen im Stande war; freilich, das Gelesene
deutsch wiederzugeben, wie Bonifatius es wünschte, vermochte er
nicht. Dass der fremde Missiojiar ihn deutsch unterwies, gewann
das Herz des Knaben; der widerstrebenden Grossmutter drängte
er die Erlaubnis al), ihn begleiten zu dürfen. In der Umgebung
des Bonifatius, als Zeuge seiner Thätigkeit in Thüringen und
Hessen ist er zum Manne erwachsen."^) Auch Rom sah er in der
Begleitung seines Meisters.^) Für seine gelehrten wie für seine
Missionsinteressen suchte er Gewinn von dieser Reise zu ziehen:
er erwai'b in Rom einen nicht unbedeutenden Bücherschatz. Dazu
folgten ihm zwei englische Knaben, ]\Iarkhelm und Markuwin nach
Deutschland: er dachte ohne Zweifel, sie zu Mitarbeitern zu er-
ziehen. AVann er die wichtige Stellung an der Si^itze des Mar-
tinsklosters m Utrecht erhielt, wissen -wir nicht; sicher ist nur, dass
es vor dem Tode des Bonifatius geschah.^) Jener Auftrag Pippins
und des Papstes war um so wichtiger, da die friesische Kirche seit
Willibrords Tod eines Bischofs entbehrte.'^) Es machte sich wie
1) V. Greg. 2 S. 67. Gregor ist demnach 707 oder 708 geboren. Denn
der Aufenthalt des Bonifatius in Pfalzl fällt in das Jahr 722; doch sind
Liudgers chronologische Angaben sämtlich von zweifelhaftem Werte, wie
überhaupt seine Genauigkeit alles eher als Lob verdient. Die dreizehn Jahre
der Thätigkeit des Bonifatius c. 2 sind ein offenbarer Irrtum; auch die
Chronologie Gregors ist nicht eben sicher. Nach Liudger müsste sein Tod
780 oder 781 fallen (s. Rettberg II S. 583). Aber nach der Urkunde Karls
(B.M. 206) ist Alberich bereits im Jahre 777 Leiter der Utrechter Kirche.
Die nächste Annahme ist, dass Gregor damals schon tot war; dann ist er
entweder nicht so alt geworden, wie Liudger angicbt (c. 14 S. 78: nahezu
73 Jahre}, oder er ist vor 707 geboren und ist also sein Alter i. J. 722
falsch angegeben. Moll (S. 158) lässt ihn denn auch 702 geboren und 775
gestorben sein. Dies Datum wiederholt Dehio S. 14. Es findet sich in dem
Fragment eines Utrechter Katalogs M.G. Scr. XV S. 79 Anm. 4. Doch bleibt
möglich, dass er einige Jahre vor seinem Tode die Leitung L'trechts nieder-
legte: der electus rector der Urkunde würde das nicht ausschliessen. Auch
liesse diese Vermutung sich dadurch stützen, dass Gregor die letzten drei
Jahre vor seinem Tode gelähmt war (V. Greg. 15 S. 78). Aber Liudger
deutet nichts davon an. Doch vgl. u. S. 353 Anm. 1.
2) V. Greg. 2 ff. S. 67 f.
3) L. c. 8 S. 73. Gemeint ist die Romreise des Jahres 737—38.
4) Vgl. Bd. I S. 572 Anm. 7.
5) Die Urkunde Pippins vom 23. Mai 753 (B.M. 68) macht es wahr-
— 346 —
von seihst, class. iuicIkIciu Bischof Eohaii mit Honitatius gefallen
-Nvai', Gregor die Leitung der verwaisten Kirche') /.nli<l.
Wir hesit/.en eine Lehensheschreilmng Gregors, vcrfasst von
seinem Sehüler Liudgcr von Münster. Die dankhare Begeisterung
hat ihm die Feder geführt; auch gelang es ihm. diesen und jenen
anschaulichen Zug festzuhalten: aher sein Werk ist einseitig. Es
schildert in (jiregor fast nur den asketisch gerichteten Mönch: den
Besitz von Gold und Silher hetrachtete er wie eine Art Befleckung,
was er erhielt, verteilte er sofort unter die Armen; er verschmähte
es, in Kleidung und Speise sich irgend von den anderen Mönchen
zu unterscheiden.-) Das Gefidd für das Kränkende einer Be-
schimpfung meinte er in sich ertöten zu müssen: es dünkte ihn
ein Verstoss gegen das Gehot der Liehe, wenn der oft'enhare Ver-
In-echer hestraft wurde.'') Auf alles Irdische konnte er verzichten:
gehörte ihm doch die Welt der Zukunft; sein Liehlingsspruch war
das Wort des Apostels: Was kein Auge gesehen und kein Ohr
gehöi-t hat und in keines Menschen Herzen gekommen ist, hat Gott
bereitet denen, die ihn liei)en.'') Zu solcher Gesiimung seine
Schüler zu ei-ziehen. war seine stete Sorge: er Hess keinen Tag
vergehen, ohne ihnen geistlichen ]^it zu erteilen.'')
Diese Schilderung ist kein Roman. So Avar Gregor gesinnt:
es sind die Üherzeugungen, die im Schülerkreise des Pxinifatius
heimisch waren. Das Zeugnis des Bi()graj)hen wird duich den
Ihief eines Freundes hestätigt. Als (Jregor die Würde des Abts
erhielt, richtete Lul ein Schreiben an den älteren (icnossen.") Es
ist erfüllt von der beiden gemeinsamen Leben.sanschauung: Was
ist das vergängliche Glück dieser \\elt und ihr liinfälliges Gedeihen
scheinlich, dass .schon damal-s Gregor in mancher Hinsicht den fehlenden
lU.schof ersetzte. Darauf weist, die Verbindung des Marlinsklosters und des
Kjäskopiit-s hin: Ad ipsa ca.sa Dei conccs.sit vel ad illo ei)iscnpatu. Ich
nuM-hto (loshallj in diesen Worten ni( ht mit Oel.sner (.115. S. .')!) eine ab-
sichtliche oder unalj.sichtlicho l'ngenaiiigknit der Ab.schrift sehen, über
die Verhältnisso in Friesland nach Willibrords Tod s. IM. 1 S. .^T'i f.
1) V. Lebuin. S. 361: Oregorium — gradu ecclesiastico pre.sbyterum
8cd tunc pro tempore opiscopalis officii in eidcm castro vel etiara parochia
vicarium.
2) V. Greg. 12 S. 76.
3) L. c. S. 77.
4) L. c.
5) L. c. 11 S. 7.". f.
6) Bonif. et Lull. ep. 92 S. 377 ff. Über die Datierung s. lid. 1 S. 572
Ann). 7.
— 347 -
als Eauch und Dimst?^) Das ist der Grundton. Lul erinnert
den Freund daran, welche Grundsätze sie in ihren Gesprächen
billigten: es gehörte zu den Idealen dieser jungen Mönche, auch
ein bischöfliches Amt als -weltliche Grösse alizuweisen."-) Lul hat
sich bald darein gefügt, dass Bonifatius ihn zu seinem Nachfolger
in Mainz bestimmte: das Leben berichtigte die sclnväi-merischen
Gedanken der Jugend. Dagegen blieb Gregor sich treu: auch
nachdem er an der Spitze einer Diözese stand, vermied er, die
Würde eines Bischofs sich erteilen zu lassen :'') er wollte nichts
Höheres sein als ein Mönch. Man versteht den leisen Zweifel
Luis, ob Gregor seinem Amte ganz gewachsen sein werde: er er-
schien zu sanft. Wohl weiss ich, schreibt der spätere Bischof,
dass du dieses Amt nur übernommen hast, um Seeleu zu gewinnen
und Gott reichlichen Dienst zu leisten, gleichwohl liedenke: Der
raiüie Schwertgriff härtet die weiche Hand.^)
Gregor ist kein streitbarer Kämpfer geworden: aber auch er
hat gearbeitet. Das Martinskloster l)lühte unter seiner Leitung;
mit welcher Energie er seine Schule förderte, wurde früher er-
wähnt:'^) aus den verschiedenen deutschen Stämmen zog er Schüler
herbei; auch xA.ngelsachsen fehlten nicht.'^) überhaupt hielt er, der
Schüler des Bonifatius und der Nachfolger AVillibrords, an der Ver-
bindung mit England fest. Seinen Genossen Alubert, den er dazu
bestimmte, in der Utrechter Diözese die bischöflichen Amtshand-
lungen zu venichten. liess er im Jahre 767 in York zum Bischof
weihen.') Zwei seiner Schüler. Sigibod und Liudger, sandte er
mit ihm nach England; jener wurde zum Priester, dieser zum
Diakon ordiniert. Doch dachte Gregor bei dieser Sendung nicht
nur an eine Vermehrung der geisthchen Kräfte seiner Diözese. Er
hatte vor allem die Vollendung der Bildung- seiner Schüler im
Auge, Denn er täuschte sich darüber nicht, dass die Schule in
Utrecht den englischen Klosterschulen nicht gleichstehe. Es war
1) L. c. S. 379.
2) L. c.
3) Rettbergs Motivierung der Thatsache, dass Gregor bis an sein Ende
Abt blieb (KG. D.s II S. 533), ist hinfällig, da die Zugehörigkeit Gregors
zum Merowingerhause Legende ist (s. oben) und da Rettberg das Verhältnis
Kölns zu Utrecht irrig bestimmt (s. Bd. I S. 542). Abel (JB. S. 115) folgt
Rettberg. Auch Moll (KG. I S. 158j hält an dem Merowingerspross fest.
4) L. c. S. 379.
5) S. S. 162.
6) V. Greg. 11 S. 75.
7) V. Liudg. J, 10 S. 407: Ann. vet. Nordhumbr. z. d. J. M.G. Scr. XIII
S. 154; vgl. Diekamp in d. Forsch. XXII S. 425 ff.
— 348 —
die Zeit, wiilircnd wolclicr Alkuin in ^'ork Irlirtc. Bei ilini ver-
weilten die filenannteii ein .I.ilir hiiiu. ') Ijiudifer kdirte später für
lungere Zeit zu ihm zurück.-') 8ie waren schwerlich die einziijen
Friesen, die der Kuf seiner Gelehrsamkeit über das Meer tührte:
noch leistete England dem Kontinent die Dienste einer Hochschule.
Von Gregors Thätigkeit als Glaul)ensi)rcdiger gieht Tiiudger
keine Anschauung: er hegnügt sich. Ttrcclit und die damals als
Haiidclsplatz bedeutende Stadt Wijk l)ei J)uurstedc, im weiteren
Sinne auch das mittlere Friesland bis zur Lauwers als Orte seines
W'ii-kens zu nennen."') Auch von seinen iMitarbeitern sind uns
nur wenige Xamen bekannt. Alubert wurde eben erwähnt; er war
ein Angelsachse.*) Von jenseits des Kanals kam auch Liafwin."')
1) V. Lindg. 1. c.
2) L. c. 11 S. 407.
3) V. Greg. 5 S. 71: 15. (iregorius Traiectuni antiquam civitatem et
vicum famosum Dorstad cum illa irradiavit parte Fresoniae, quae tunc tem-
poris christianitatis nomine censebatur, id est usque in ripam occidentaleni
fluminis qui dicitur Laybeki, ubi confinium erat christianorum Fresonum
et paganorum cunctis diobns I'ippini rog'is. Pjne Kirche obei-halb Diiiir-
stedes, genannt ^Upkirika", wird in der Urkunde Karls von 777 (H.M. 20fi)
an Alberich vergabt.
4) V. Grog. 10 S. 75; V. Liudg. 1, 10 S. 407.
5) Nachrichten über Liafwin bietet die V. liiudgeri. Benutzt sind
dieselben von Hucbald von St. Amand in seiner V. Lebuini, jedooli mit
anderen Angaben verbunden, welche sich mit den Notizen Altfrids nicht
vereinigen Iwssen. Ein Widerspruch ist, dass nach V. Liudg. 13 S. 408
(iregor Markhelm beauftragt, Liafwin an die Yssel zu begleiten, ut eum
praeponorct pojiulo; dass dagegen die V. Leb. S. 361 Marcellin zu einem
Gefährten Lialwins macht. Demnach arbeiten hier beide gemeinsam an der
Ys.sel, während nach der V. Liudg. Liafwin allein arbeitet. Ein weiterer
Widerspruch ist, dass nach der V. Liudg. Liafwin von Averhild ceterisquo
tidoliljiis froundlifh aufgonnnimen wird, während nach der V. Leb. Abachild
die einzige Chri.stin ist, sonst gicbt es nur erbitterte Heiden. Kin dritter
Widerspruch ist, dass nacli der V. Liudg. Liafwin auch in Deventer nicht
auf Widerstand slösst, wogegen iliii dii' \'. Lei), auch hier von arger Feind-
seligkeit umgeben sein läast. Deragemäss wird nach V. Liudg. die Kirche
in Deventer durch oinen rborfall der Sachson zerstört, während nach V.
Leb. die llevölkerung sich selbst gegen den Prediger erhebt. Ein vierter
Widerspruch ist, dass die V. Liudg. Liafwin zu Gregor fliehen lässt, während
die V. Leb. ihren Helden nun mitten in das Sachsenland zu der, der V.
Willeh. 3 S. 380 nachgebildeten Szene in Marklo führt. Wo hier übonill
die glauV)würdigen Nachrichten vorliegen, ist schon danach zweifellos, dass
Altfrid hun'Iert Jahre vor Hucbald schrieb. Des letzteren Werk ist als
historische Quelle schlechthin wertlos; es führt nicht nur dadurch irre, dasd
es legendarische Nachrichten bietet, sondern vor allem dadurch, dass es
— 349 —
Er war schon Priester, als er sich Gregor auschloss: in einem drei-
mal wiederholten Gesicht glaubte er den göttlichen Auftrag zur
Predigt au der Yssel empfangen zu haben. Gregor widerstrebte
nicht: durch den Mönch Markhelm, einen Genossen Willibrords,*)
liess er den Ankönnnling an die Yssel geleiten.-) Dieser Grenz-
bezirk, in dem Franken und Sachsen sich berührten, war nicht
eigentlich Missionsgebiet; denn Liafwin traf bereits Christen; nament-
hch eine angesehene Frau. Namens x^verhild, nahm sich seiner
freundlich an: bald konnte er am Westufer des Flusses, in AVulpen,
dem späteren Wilp. ein Oratorium erbauen. Offenbar handelte es
sich mehr um die Herstellung einer kirchlichen Organisation als
um die erste Predigt des clu-istlichen Glaubens. Deshalb koimte
er sich auch rasch weiter wagen: in Deventer, am Ostufer der
Yssel, errichtete er eine zweite Kirche. Auch hier fand er uner-
Avartete Empfänglichkeit für seine Predigt. Aber die neue Stiftung
war durch ihre Lage gefährdet: Liafwin nnisste bald erfahren, wie
bedrohliche Nachbarn die Sachsen für christliche Kirchen seien :
Deventer wurde von ihnen übertällen und verl)rannt. die Christen
veijagt. Doch die Sachsen hielten den Ort niclit. Liafwin, der
zu Gregor geflohen war, kehrte nach einiger Zeit zurück; er stellte
die abgebrannte Kirche wieder her und wirkte an ihr ungestört bis
zu seinem Tod. Dann überfielen die Sachsen den Ort von neuem.
Die Zerstörung war diesmal so vollständig, dass man die Gruft,
in welcher Liafwin begraben Avar, nicht mehr zu entdecken ver-
mochte.^)
Unter den Schülern Gregors ist der bekannteste Liudger;"*)
Liafwin zum Heidenprecliger macht, was er nacli der V. Liudg. nicht oder
nur in sehr geringem Umfange war. Die Verwendung der V. Leb. bei
Rettberg (KG. D.'s 11 S. 536), Moll (KG. I S. 165 ff.), Zöckler (P. RE. YIIl
S. 518 f.) ist demnach unstatthaft.
1) Möglicherweise ist dieser Markhelm identisch mit dem angelsäch-
sischen Jünglinge dieses Namens, den Gregor von Rom nach Deutschland
mitnahm (s. o. S. 345). Man müsste dann annehmen, dass Gregor ihn
nach Utrecht zu Wilhbrord sandte. So Rettberg, KG. D.'s II S. 536. Aber
das „sicher" Rettbergs steht hier doch nur an Stelle eines „vermutlich".
Zöckler (P. RE. YIU S. 518) lässt Markhelm „angeblich" unter Willibrord
gebildet sein. Nach V. Liudg. ist das gerade das Sicherste, was wir von
ihm wissen.
2) Wulpen und Deventer liegen nicht mehr in Friesland, gehören je-
doch zur Diözese Utrecht.
3) V. Liudg. 14 S. 408.
4) Altfrids Biographie Liudgers ist glaubhaft und zuverlässig. Die
beiden jüngeren Biographen kommen neben ihr kaum in Betracht. Über
das Verhältnis der Biographien s. Diekamp, GQ. des Bistums Münster IV
— 350 —
die ( ii'schiclite si'iiKT Fiiniilie hängt enge mit der Bekeliriing Fries-
lands zusiiiimien.^) Zu sell)stständiger Wirksamkeit kam er jedoch
erst nach Cirogors Rücktritt oder Tod.
Endlich hat in Dockum jalirehmg ein angelsächsischer Missionar
gewirkt, jedocli , wie es scheint, unahliängig von Utrecht und nur
gestützt auf (he lieimisdie Kirche. Es war Willehad.-) Seine
S. XV ff. Über Liudgor handeln Rettberg, KG. D.'s II S. 424 ff., 538 ff.;
Moll. KG. I S. 171 ff.: Rifhthofon, Friesische RG. II, 1 S. 376 ff.; Uhlhorn,
P. RE. VIII S. 702 ff. Die Chronologie des Lebens Liudgers ist unsicher,
fhlhorn giebt folgende Zahlen: c. 744 Geburt, 767 erste Reise nach York,
769—772 zweiter Aufenthalt in England, 777 Priesterweihe, 777—784 in
Dockum, 784—786 in Italien, zwischen 802 und 805 Bischof, 26. März 809
Todestag. Von diesen Zahlen stehen nur 767 als .lahr der ersten englischen
Keise (s. o. S. 347), und das Todesjahr 809 fest. Unsicher dagegen ist die
Zeit der Geburt: wir wissen nur, dass Liudger eigene Erinnerung an Boni-
fatius hatte: quem oculis raois ipso vidi (V. Greg. 10 S. 75); aber er konnte
ihn ebensogut vierzehn- oder sechsjährig als zehnjährig gesehen haben.
Hier ist also der Spielraum sehr gross. Das .lahr 767 für die Diakonen-
weihe führt übrigens über 744 hinauf: er muss spätestens 742 geboren sein.
Wie gross die Pause zwischen dem ersten und zweiten englischen Aufent-
halte war, wissen wir wieder nicht; der Ansatz von einem Jahre lässt sich
nicht beweisen. Unsicher ist ferner das Jahr 777 als .lahr der Priesterweihe:
wir wissen nur, dass dieselbe nicht vor dem Juni 777 stattfand (Urkunde
Karls, B.M. 206). Wie lange nachher, dafür foldt jeder Anhaltspunkt. Un-
sicher endlich ist der Aufenthalt in Dockum 777—784. Nur das Jahr 784
als Ende dieses Aufenthalts scheint mir einigermassen wahrscheinlich. Die
Vertreibung Linilgers hängt mit einer Erhobung der Sachsen zusaninion.
Dabei kann nicht an die des Jahres 782 gedacht werden (s. v. Richthofen,
K. RG. S. 380), denn während dieses Aufstands starb Alberich (V. Liudg.
18*S. 410). Als sein Todesjahr steht aber nüch Ann. Uauresh. z. J. 784 dos
zuletzt genannte Jahr fest. Nun giebt allerdings Altfrid a. a. 0. an, dass
Liudger fast sieben Jahre in Dockum gewirkt liabo. Allein es ist doch im
hnrhsten .Masse unwahrscheinlich, dass er jahrelang daselbst neben Wille-
had thiltig war. Der letztere aljor wurde erst 7^0 aus der Friesenmission
abgerufen (V. Willeh. 5 S. 381). Es steckt deshall) wahrscheinlich in «Umi
fast sieben Jahren ein Irrtinn. Das schlechte Zahlengedächtnis Liudger«,
von dem die Biograjihio (Jregors Prolien genug giolit. wird auch die Er-
zählungen aus .seinem eigenen Leben verwirrt haben, an die sich Altlrid
zunächst hielt.
1) S. Bd. I S. 423.
2) Quelle über Willehad ist dessen Biographie, welche man allgemein
als Werk Anskars betrachtete. Dagegen hat Dehio (Gesch. des Er/.bisfh.
Hamburg-Bronion I S 51 f.) sehr wahrscheinlich gemacht, da.ss dies unrichtig
ist. Kr betrachtet nur die miracula als von .Xnskar verfivsst, sieht dagegen
in der Vita eine, unbekannt von wem, nach dem .Jahre 838 verfasste Schrift-
— 351 —
Heimat war Xorthumberland.^) Vielleicht war er ein Schüler
Ekberts; denn er war mit Alkuin befreundet, scheint aber älter als
dieser gewesen zu sein. Denn Alkuin spricht später von ihm in
einer Weise, die zeigt, dass er zu ihm aufblickte; er hat eine Zeit-
lang als sein Genosse mit ihm gearbeitet."^) Die Nachrichten von
den Fortschritten des Christentums in Friesland, welche, vermittelt
durch die Beziehungen Gregors zu Alkuin, nach England drangen,
erweckten in Willehad den Wunsch, in diese aussichtsvolle Arbeit
einzutreten. König Alchred gal) seine Zustimmung.'^) Daraufhin
ordnete ihn eine Versammlung englischer Bischöfe und Priester
zur Predigt unter den Friesen ab. Er begab sich nach Dockum.
Dort war die Lage gefährlicher als an der Yssel: Heiden und
Christen wohnten nebeneinander. Voll Freude empfingen ihn die
letzteren: rasch konnte er die Frucht seiner Predigt und seines
Unteirichts wahrnehmen. Es gelang ihm, eine Anzahl vom Glauben
Abgefallener wieder zu gewinnen. Auch unter den Heiden fand
das Christentum neue Anhänger.^)
Der glückliche Erfolg gab Mut zu weiterem Vordringen:
AVillehad zuerst übei-schritt mit der christlichen Predigt die Lauwers.
welche kurze Nachrichten, die alsbald nach dem Tode Willehads aufge-
zeichnet wurden, mit der mündlichen Tradition verbindet. Über Willehad
vgl. Rettberg, KG. D.'s II S. 450 fF., .>S7; Moll, KG. I S. 168 f.; Dehio a. a.
0. S. 12 ff-.; Klippel, P. KE. XVII 2. Aufl. S. 143 ff.
1) V. Willeh. I S. 380. Die Beziehungen Willehads zu Utrecht, welche
Dehio a. a. 0. S. 14 u. ö. annimmt, sind, .so viel ich sehe, ohne Anhalt in
den Quellen.
2) Ale. ep. 6 S. 31 aus dem Jahre 789: Saluta millies dilectissimum
meum Uilhaed episcopura. Multura nie poenitet, quod recessi ab eo. Utinam
videam eum et sit cur.sus vitae meae consummatus in peregrinatione. Nimmt
man an, dass er 772 England verliess (s. Anm. 4), so war er vor 742
geboren; denn er war bereits Priester, als er den Entschluss fasste, sich
der Mission zu widmen (V. Willeh. I S. 380). Alkuin ist vor 78.5 geboren;
8. 0. S. 124. Anm. 2. Man wird also mit dem Ansatz für W.'s Geburt über
730 emporrücken müssen.
3) Von 765 bis Ostern 774; s. Winkelmann, Geschichte der Angel-
sachsen S. 116. •
4) V. Willeh. 2 S. 380. Die Zeit der Landung Willehads steht nicht
fest. Die Biographie sagt nui-. dass er lange Zeit in Dockum wirkte. Da
er nun im Jahre 780 durch Karl nach Sachsen berufen wurde, und da seiner
Abberufung die wahrscheinlich kurze Wirksamkeit östlich der Lauwers
vorherging, so wird Willehad eher zu Ende als zu Anfang der Regierung
Alchreds die Heimat verlassen haben. Ebenso Dehio a. a. 0. S. 14: Anfang
der siebziger Jahre. Patetta (S. 10) nimmt 779 an; das ist aber, wie man
sieht, unmöglich.
— 352 —
Er predii^te im Gau Hiigiiierki'. Mit dein Stolz eines W-rtretei^s
der vernünftigen Religion gogen die T'nvernunft des Heidentums
trat er den Fliesen entgegen und forderte sie auf. die Götzen ab-
zutimn. Aber liier war die Autorität der nationalen Religion iiocli
uncrsehüttert : der jiili auflodernde heidnische Fanatismus bedrohte
ihn mit dem Tode : wie einst Willibrord verdankte er nur dem Um-
stände seine Rettung, dass das Los ihm günstig fiel. Doch das
Land musste er räumen: er wandte sieh nach dem südlich an-
grenz(;nden sächsischen Gau Tliriaiite. ')
Fasst man diese Züge zusammen, so scheint das X'rteil be-
rechtigt, dass es an der straffen Konzentration der Kräfte und an
dem mutigen Vorwärtsdringen felilte, so lange Gregor lebte: das
schon vorher besetzte Gel)iet wurde nicht überschritten, oder wenn
es geschah, so glich das Vorgehen mehr einem Freibeuterzug als
einem regelrechten Angriff; auch mangelte die einheitliche Ijcitung:
es gal) Arbeiter, die nicht mit l'ti'echt, wohl aber mit ^'ork in
Verbindung standen. Mit einem Worte: es machte sich bemerk-
lich. dass dem Bistume der Rischof fehlte; der Mönch konnte ihn
nicht ei-setzen.
Karl hat, so lange Gregor lel)te, in die Verhältnisse nicht ein-
gegriffen. Uass aber die ]Jinge nicht nach seinem Sinne waren,
zeigt sein Vorgehen nach Gregors Tod.
Zum Nachfolger Gregoi"s war längst sein Neffe Alberich be-
stimmt.^) Schon während des jahrelangen Siechtums Gregors lag
die Leitung der kirchlichen Angelegenheiten in seiner Hand. Er
war aus anderem Holze wie sein Oheim, sc,hr(»ffer, energischer, auch
in den Dingen dieser AVeit gewaiidtt r als jener. '') Alsbald liess
er durch Liudger die zerstörte Kirche in Deventer wieder er-
richten. An derseli)en entstand ein Stitt von Kanonikern. Die
Kirche ist nicht wieder zerstört worden.'*) Nach dem Tode Gregors
1) V. Willeh. 3 f. S. 380 f. Tlniante entspricht deni j(>t/i<ron Drentbe.
2) V. Greg. !•') S. 79. Die Angalion über Alberich niml dürftig; er
war, wie es scheint, nicht Mönrh genug, um einen Biogniphon zu finden.
3) L. c. : Qui tunc temporis in Italia erat, regali .servitio occupatus.
Alkuin nennt etwas spöttisch (carm. 4 v. 6 S. 221) Alberich .vaccipotens
pniesul". Man darf daraus schliessen, dass Alberich üi)or den Besitz anders
urteilte als (Tregor.
4) V. Liudg. I, 14 S. 408. Kin Zeugnis der Wirksamkeit Liudgera
an der Yssel sind die späteren Schenkungen in Withmund (Wichniund) bei
Zütphen (Lacomblet, UH. Nr. 4 S. 3 vom 4. Oktober 794; Nr. 9 S. 6 vom
29. Juni 797; Nr. 16 S. 10 vom Iß. September 800; hier: ad construcndam
ecclesiam. Es handelt sich nur um einen Neubau; vgl. Nr. 9: ad reliquias
8. salwatoris, ceterorumque sanctorum que a liudgero abbatc in uuithmundi
o - o
OOO
tnig er kein Bedenken, die bisehöfliche Würde zu übernehmen,
oljgleich er auf das Martinskloster nicht verzichtete. Auch darin
zeigt sich die Verschiedenheit beider, dass Alberich sich in Köln
die Bischofswürde erteilen liess: die Verbindung mit England
löste sich: die friesische Kirche ghederte sich der fränkischen
Landeskirche an.^)
Noch hatte Alberich mit dem Mangel an geeigneten Mit-
arbeitern zu kämpfen ; -) gleichwohl wagte er den Versuch, die Beste
des Heidentums im fränkischen Fiiesland gewaltsam auszurotten.
Er sandte seine Mönche mit dem Befehl durch das Land, die
Götterbilder zu zerschlagen, die heidnischen Heihgtünier zu zer-
stören und was in ihnen wertvoll war, zu rauben. Er glaubte, es
sei möghch, eine neue Religion zu pflanzen, indem er die alte mit
(j-ewalt vernichtete. Aber das war die Vorstellung der Zeit: die
Religionen, ja die Götter kämpften miteinander: AVehe dem Unter-
liegenden! Ein solcher Auftrag konnte nur ausgeführt werden,
wenn die Macht des Königs den Bischof schützte. Es ist denn
auch kein Zweifel, dass die Mönche ebenso im Auftrag des Königs
wie des Bischofs handelten: einen Teil der Schätze der heidnischen
Tempel überliess Karl an Alberich für die Zwecke der Kfrche.'^)
constituta sunt. Weiterhin ist von servis Dei qui eas legitime custodire
reperientur die Rede).
1) V. Liudg. I, 15 S. 408. Die Weihe fand nicht vor dem Sommer
777 statt (Urkunde Karls, B.M. 206). Berücksichtigt man nun, dass Liudger
wahrscheinlich 780 nach Dockum kam (s. o. S. 349 Anm. 4) und dass nach
V. Liudg. I, 15 seine Priesterweihe mit der tlbertragung jener Stelle in
Zusammenhang steht, so wird es wahrscheinlich, dass seine Ordination und
dann auch die Weihe Alberichs in das Jahr 780 fallen. Dadurch wird die
oben S. 345 Anm. 1 ausgesprochene Vermutung, dass 780 als Todesjahr
Gregors richtig ist, dass aber Alberich schon seit seiner Erkrankung die
Leitung der Utrechter Angelegenheiten führte, eine gewisse Stütze erhalten.
Dass V. Liudg. I, 14 ihn erst nach dem Tode Gregors die Zügel ergreifen
lässt, wird kaum Schwierigkeiten machen. Die Angabe ist ein leicht er-
klärlicher Irrtum Altfrids. Beachtenswert ist, dass auch er weiss, dass die
Übernahme der Leitung und die Bischofsweihe nicht zusammenfallen. Als
Prior des Martinsklosters nennt V. Liudg. I, 16 S. 409 den Mönch Haddo,
den auch Alkuin kannte; carm. 4 v. 8 S. 221:
Nam tibi Hadda prior nocte non amplius una
In Traiect mel compultimque buturque ministrat:
Utpote non oleum nee vinum Fresia fundit.
2) Der Beweis liegt in der seltsamen Einrichtung des Unterrichts in
St. Martin : Alberich, der Priester Adalgar, Liudger und Thiatbrat (s. Bd. I
S. 401) unterrichteten abwechselnd je ein Vierteljahr; V. Liudg. I, 15 S. 409.
3) V. Liudg. I, 14 S. 408.
Hauck, KirchengeschicMe. II. 2. Aufl. 23
— 354 —
Dass Karl übprall in die kirchlichen Verhältnisse emgriff, zeigt
die Abberufung Willehads aus Dockuni im Jahre 780.^) Karl
glaubte den tüclitigon, l)ewährteu Mann anderwärts besser gebrauchen
zu können. Doch war Dockuni ein zu wichtiger Posten, als dass
es unbesetzt bleiben konnte. In die Stellung Willehads trat Liudger
ein.-) Wie sein Vorgänger wirkte er zugleich als Missionar und
Organisator; er hatte den grossen Vorteil vor jenem voraus, dass
er nicht ein Fremder, sondern ein Friese war: ein bewundernder
Freund hat ihn die berühmte Säule seines Volkes genannt:'') wäe
anders nnisste sein Wort wirken als das der Franken und Angel-
sachsen. Willehad war ei' an kühnem Wagenmt vielleicht nicht
gleich: aijer er wird gerühmt als gelehrt, klug und tiefer Gedanken."*)
Westlich der Lauwers gründete er eine Anzahl Kirchen: vor allein
aber hat er die ersten klösterlichen Niederlassungen in diesem Teile
Fiieslands gestiftet. Er selbst hatte die Mönchsgelübde nicht ab-
gelegt: aber auch in ihm lebte die asketische Lebensanschauung
des ßonifatius foii.^') Mit welcher Liebe er das Gedächtnis des
angelsächsischen Märtyrers pflegte, dafür ist ein sprechender Beweis
seine Biographie Gregors: der nächste Held seines Buches wird
durch seinen grossen Lehrer gewissermassen verdunkelt. Wie hätte
er unterlassen können, den Ort des Martyriums auszuzeichnen: er
scheint die Gedächtniskirchc erneuert zu haben. Alkuin. der erste
Dichter des Jahrhunderts, schrieb ihm die preisende Inschrift.")
Jahrelang war Liudger an der Lauwers thätig;') der Bestand
des Christentums seiden gesichert: da wurde alles, was seit deni
Tode des Bonifatius eiTeicht war, wieder in Gefahr der Vernichtung
gebracht. Die Erhel)ung der Sachsen gegen die fränkische Herr-
schaft im Jahre 784 riss auch die Friesen mit fort: der ganze
1) V. Willeh. .5 S. 381.
2) V. Ihulfy. 1. 15 S. 408 f.
3j Joseph. Scott, ciirin. 1 v. 4 S. 1.50.
4) L. c. V. 6.
5) V. Liudg. 1, 17 S. 409. Kirchen östlich dor Lauwers in Liiulgers
Zeit: zu Wiscwirt bei Holwyrde ein Oratorium (V. Liudg. II, 1 S. 412), zu
Werdina (Wirdum) eine von Liudger auf orerhtem Besitze am Meer erbaute
Kirche fll, 3 S. 412). in Loor an der Leda ill. 5 S. 413). Die Gründung
der letzteren fällt wahrachoinlich in die Zeit nach der Rückkehr Liudgers
aus Italien. Von seinen Genossen nennt V. Liudg. I, 18 seinen Bruder
Hildigrim, den späteren Bischof von Chälons, und Gerbert mit dem Bei-
namen Castus; 8. über ihn Diokamp, Geschichtsquellen IV S. 25 Anm. 3.
6) Die Verse V. Liudg. I. 17; auch Poet. lat. 1 S. .304.
7) Über die fere septeni annos der V. Liudg T, 18 S. 410 s. o. S. 349
Anm. 4.
— 355 —
Landstrich zwischen Lauwers und Fli fiel vom Christentum ab:
man opferte wieder den alten Göttern. Die Kirchen wurden ver-
brannt, die Priester veijagt, auch Liudger sah sich zur Flucht ge-
nötigt. Er ging nach Italien: in Rom und Monte Cassino brachte
er zweiundeinhalbes Jahr zu: obgleich er kein Mönch war, freute
ev sich, im Kloster Benedikts nach Benedikts Regel leben zu
können.^)
Doch bewies gerade dieser Sturm, dass der christhche Glaube
im mittleren Friesland schon so tiefe Wurzeln geschlagen hatte,
dass er nicht mehr ausgerottet werden konnte. Zu den von Liudger
flu- die christliche Wahrheit gewonnenen Friesen gehörte ein sanges-
kundiger Mann, Namens Bernlef. Jedermann liebte ihn, denn nie-
mand verstand es wie er, von den Grossthaten der Vorfahren und
den Kämpfen der Könige zu singen und zu sagen. Der nordische
Sänger, dessen Phantasie die kühnen Seefahrten seines Volkes und
dessen trotziger Schlachtenmut erfüllten, wurde ergriffen von der
erhabenen Poesie der Psalmen: Liudger konnte ihn nicht genug
von diesen Liedern lehren. Als mm die Priester aus dem Lande
weichen mussten, Übertrag Liudger ihm die Aufgabe, die Christen
im Glauben zu stärken; er hat sie treuhch gelöst: hin und her im
Lande suchte er die Gläubigen in ihren Häusern auf, ihm wehrte
imd schadete niemand. Manches Kind ist dmcli ihn getauft worden,
bis endlich che Priester zurückkehren konnten. Der alte Sänger
ist wie eine Verkörperung der besten Seiten seines Volks: des un-
verzagten Mutes und der hingebenden Treue. Von einer Treue,
die sich stark fühlt, über das Grab hinauszureichen, zeugte auch sein
Tod. Als es mit ihm zum Sterben kam, klagte seine Frau im Ge-
danken an ihr einsames Leben; er aber tröstete sie: Wenn ich von
Gott etw'as erbitten kann, dann w^irst du nach meinem Tode nicht
lange auf dieser Erde bleiben: vierzehn Tage danach ist sie ge-
storben.-)
Der Aufstand der Sachsen wurde in harten Kämpfen, welche
die Jahre 784 und 785 erfüllten, niedergeworfen.") Die Folge war,
dass auch die Friesen sich wieder unter die ü'änkische Herrschaft
fügten. Alberich w^ar im ersten Jahr der Erhebung gestorben.*)
Das Bistum Utrecht wm'de, vne es scheint, sofort wieder besetzt;'^)
1) V. Liudg. I, 18 f. S. 410.
2) V. Liudg. II, 1 f. S. 412.
3) S. Abel, JB. I S. 469 ff., 493 ff.
4) Ann. Lauresli. z. J. 784. Rettberg, KG. D.'s II S. 534 irrig: 782.
5) Ein Utrecbter Bischofskatalog aus der Mitte des 14. Jahrhunderts
{M.Ct. Scr. XIII S. 295) giebt zwischen Alberich und dem 815 nachweisbaren
Hrikfred (Urkunde Ludwigs vom 18. März 815, B.M. 558) die zwei Namen
23*
— B56 —
aber der neue Bischof tritt wenig liervctr. Vielnu'iir leitete Kall
die kirehlichen Verhältnisse. Als Liiidger im Jahre 786 aus Italien
weder nach Deutseliland kam, gab er ihm den Auftrag, nach Fiies-
land zurückzukehren, seinen AVohnsitz aber östHch der Lauwers zu
nehmen: die überwiegend heidnischen Gaue an der Mündung der
Ems') sollten für das Cbiistentum gewonnen werden. Auf die
Macht des Königs gestützt, zerstörte Liudger die heidnischen Heihg-
tümer: die Niederlage der Götter sollte dadurch gleichsam besiegelt
werden. Dagegen erhoben sich da und dort christliche Kirchen.
Nun hört man zuei-st den Namen der Stadt Leer.-) Auch auf den
friesischen Inseln wurde das Kreuz aufgerichtet.^) Man hatte in
Utrecht Willibrords kühne Fahit nach Helgoland nicht vergessen.
Es reizte Liudger, die damahge Niederlage auszuwetzen : mit Karls
Zustinnnung schiffte er nach der Insel: ihm, der im Schutze des
mächtigen Heirschers kam, wagte man keinen Widerstand entgegen-
zusetzen. Die Opferstätten Fosetes"*) Avurden verwüstet und christ-
liche Kapellen errichtet. In jenem Quell, den Willibrords nuitige
That den Cluisten geheiligt hatte, wurden die Bewohner des Felsen-
eilands getauft. Landerich, der Sohn eines der Häuptlinge, erhielt
die Würde eines Presb}i;ers: er ist der neuen Religion, die seine
Heimat wie im Sturm überrannt hatte, treu gebheben.''') Allein
Thiaterd und Erniacker. Der Erstero ist vielleicht in dem Besitzer des
Wiener Livius wiederzufinden nach der Notiz Iste codex est Theatberti
episcopi de Dorostat, s. Wattenbach, GQ. I S. 245 Anm. 1, der aber über
den Besitzer anders vermutet; er identifiziert ihn mit dem Thiatbraht der
V. Liudg. I, 1-5. Unmöglich ist es nicht, dass dieser wieder mit dem späteren
Bischof identisch ist. Eine längere Erledigung des Bistums ist also nicht
wahrscheinlich. Dass die Verbindung zwischen dem Martinskloster und dem
Bistum fortbestand, ergiebt sich aus der angeführten Urkunde: ^Veteris
Traiecti ecclesiae episcopus, quae est constructa in honore s. Martini" und
„Ipsi servi Dei, qui ibidem consistunt. cum eorum episcopo*. Eigentlich
war nicht St. Martin, sondern St. Salvator die Kathodralo. FAne 3. Kirche
in Utrecht, 8t. Trinitatis, ist in einem Zusätze zu Willib. V. Bonif. erwähnt
M.G. Scr. II S. 353 Anm. 39.
1) Genannt sind die Gaue Hugmerchi, Hunusga, Fivilga, Emisga, Fedi.
ritga (V. Liudg. I, 19 S, 410); sie lagen östlich von der Lauwers. Vgl.
V. Ledebur, Die fünf Münsterschen Gaue und die sieben Seelande Fries-
lands, 1836.
2) V. Liudg. II, 5 S. 413.
3) Die untergegangene Insel Bant gehörte zu dem Liudger eigens an-
gewiesenen Bezirke (V. Liudg. I, 19 S. 410).
4) Über Fosete s. v. Richthofen, Fries. RG. II, 1 S. 434 f.; Grimm,.
Deutsche Mythologie S. 210.
5) V. Liudg. I, 10 S. 41Ü.
— 357 —
alte Heiligtümer werden nicht leicht vergessen. Den nordischen
Seefahrern galt Helgoland nach wie vor als die heilige Insel. Es
mag unter den schwachen Nachfolgern Karls gewesen sein, dass
die chiistlichen Einwohner diu^ch sie aus der Lisel verjagt wiu'den.
Im 11. Jahrhundert wm'de sie gewissermassen neu entdeckt.^)
■ Auf dem Festland hatte Liudger mit offenem Widerstand
eines Teils der Bevölkerung zu kämpfen. Unter Führung Unnos
und Eilrats erhohen sich die Heiden, sei es, dass die immer von
neuem aufflammenden Empörungen der Sachsen wdeder üher die
fiiesische Grenze hinübergriflfen, sei es, dass Liudgers gewaltsames
Vorgehen den Aufstand wachrief. Die Empörten rächten die ver-
brannten Heiligtümer au den christHchen Kirchen. Liudger musste
noch einmal das Land verlassen.-) Aber das war nur ein Hemm-
nis, kein Hindernis. Ehe das Jahi'hundert abgelaufen war, war
die L'nterwerfimg Frieslands unter die Kirche vollendet. Voll
Freude berichtete Alkuin über das erreichte Ziel: die Stämme der
Friesen hätten sich zum Glauben an Christus l^ekehrt. Er schreibt
das Verdienst Karl d. Gr. zu, und ohne es zu wollen, tadelt er
das Verfahren des von ihm Gerühmten: er habe die einen durch
Belohnungen, die anderen durch Drohungen gewonnen.^) Es sind
die Mittel, die deijenige nicht entbehren kann, der rasche Erfolge
erstrebt.
Von dem Zustand Frieslands in der letzten Zeit des 8. Jahr-
hunderts giebt das iriesische Gesetz •*) eine Vorstellung. Das Land
1) Adam. Brem. Gest. Hamab. eccl. pontif. IV, 3 S. 156 (der Oktav-
ausgabe): Eilbertum (Bischof von Fünen) tradutit, conversum a pyratis,
Farriam insulam, quae in ostro fluniinis Albiae longo secessu latet in oceano,
primum repperisse, constructoque ibi monasterio fecisse habitabilem. Haec
insula contra Hadeloam (Land Hadeln) sita est. Cuius latitudo vix octo
miliaria panditur, latitudo quatuor; homines Stramine fragmentisque navium
pro igne utuntur. Sermo est, piratas, si quando praedam inde vel minimam
tulerijit, aut niox perisse naufragio aut occisos ab aliquo, nullum domum
redisse indempnem. Quapropter solent heremitis ibi viventibus decimas
praedarum offerre cum magna devotione. Est enira haec insula feracissima
frugum, ditissima volucrum et pecudum nutris, collem habet unicum, arborem
nullam, scopulis includitur asperrimis, nuUo aditu praeter unum, ubi et
aqua dulcis, locus venerabüis omnibus nautis, praecipue vero pyratis. Unde
accepit nomen ut Heiligland dicatur.
2) V. Liudg. I, 19 S. 411.
3) Ep. 7 S. 32. Der Brief gehört in das Jahr 790. Doch ist noch
in der Urkunde Ludwigs von 815 (B.M. 558) davon die Rede, dass die
Martinskirche gentiles, qui ad christianitatem convertuntur alere et docere
possit.
4) M.G. Leg. III S. 656 ff. Man vergleiche über dasselbe ausser v. Rieht-
— 358 —
war (.•liristlicli: es fehlte nicht :in Kirchen.') welche wie andenviirts
von einem unnnaneiteu Hot" umgehen waren. -'l Aher es gah doch
auch Landstriche, von denen aus man nur schwer eine Kirche
eiTeichen konnte und in denen man nicht leicht einem Priester
begegnete.'') Die christlichen Institutionen waren anerkannt: man
feierte den »Sonntag: wer ihn durch schwere Arbeit brach, luitte
Busse zu zahlen: östlich der Lauwers 12, westlich 4 Solidi:^) das
neubekehi-te Land tilgte sich nur widerstrebend in die christliche
Ordiumg. Auch die kirchhchen Ehehindernisse sollten beobachtet
werden: aber es fehlte doch viel, dass das Volksrecht und das
kh'chliche Eherecht sich deckten, ^fan löste verbotene Ehen : aber
man verwehrte den Getrennten nicht, wieder zu heiraten. Und
man wusste, dass nicht alle die über sie verhängte Trennung an-
erkennen würden: wer sich nicht fügte, zahlte sein Wehrgeld. •^)
hofens Einleitung, Bnanner, D. RG. I S. 340 f., Patetta in den Memorie
della r. Aoadomia di Torino S. II Bd. 43 (1893) S. 1 ff. Derselbe .ijiol.t eine
Übersicht über den jetzigen Stand der Frage nach dem Ursprung. Dass
das Gesetz, so wie es vorliegt, chi'istlich ist, darüber besteht kein Zweifel.
Sein Ursprung unter Karl d. Gr. scheint mir sicher. Patetta nimmt die
Jahre 785 — 790 an. Der christlichen Rezension ist eine heidnische voran-
gegangen. Dies ergiebt sich, entgegen der Annahme v. Richthofons, der
a. a. 0. S. 651 alle Teile des Gesetzes erst unter fränkischer Herrschaft,
den ältesten zwischen 734 und 785 aufgezeichnet sein lässt, aus tit. V, 1
S. 663: Sine compositione occidi potest, qui fanum etfregit. v. Richthofen
versteht freilich unter fanum eine christliche Kirche (Fries. RCi. II, 1 S. 502);
aber ist das möglich? Beweisen nicht auch die folgenden Worte ^ot in-
fans ab utero sublatus et onecatus a matre'', dass hier eine ältere heidnische
Aufzeichnung unverändert stehen geblieben ist? Den letzten Satz: Et si
hoc quaelibet femina fecerit, leudem suam regi componat, betrachte ich als
Zusatz der christlichen Revisoren. So auch Patetta S. 33 f. DasseUie gilt
aber, wegen tit. XVII, 2 S. <>70. auch von dem zweiton, nach v. Rirhthofen
im Jahre 785 publizierten Teil des (icsetzes. Hier wird der Herzogshof
erwähnt; v. Richthofen denkt an einen fränkischen in Friesland wohnenden
Herzog; aber was er S. 649 zur Hegründiing dieser .Annahme beibringt,
scheint mir nicht ausreichend. P^s ist einfacher, auch hier den Ro.st einer
älteren Rezension anzuerkennen. Oti'en heidnisch ist Addit. XI; mit Recht
deshalb von Schröder, RU. S. 236 als eine durch AbschriMbervorsehen in
den Text gekommene Randbemerkung betrachtet.
1) Tit. XIV. 1 S. 667; XVII. 2 S. 670.
2) Tit. XVII S. 670: In ecclesia aut in atrio ecclesiae. Der altdeutsche
Matthäus hat für atrium friithoua (26, 3).
3) Tit. XIV. 1 S. 667 : Si iuxta ecdesiam fieri non potuerit. Si pres-
bvter deest.
4) Tit. XVI M. 1 f. S. 671.
5) Addit. II, 77 f. S. 692. Das Wehrgeld des Freien betrug Ursprung-
— 359 —
Die kirchlichen Gebäude genossen eleu gleichen Schutz wie der
Herzogshof: der Friede in ihnen war besonders heihg; wer ihn
störte, des Strafe wurde verneuufecht.^) Der ]\Iörder hatte Frieden
wie in seinem Hause, so auch in der Kirche; wie auf dem Wege
zm- Volksversammlung, so auch auf dem Wege zum Gotteshause. ^)
Auch darin erscheint Friesland als christlich, dass der Ver-
kauf von Sklaven an heidnische Stämme verpönt war.^)
Im germanischen Rechtsleben stösst man überall auf ein nicht
unbedeutendes religiöses Element. Es erhielt bei den Friesen nun
eine christliche Färbung, welche jedoch das ursprünghch Heidnische
deutlich durchschimmern lässt. Der Eid war Zauberformel: man
schwur auf Reliquien oder in der Kirche am Altar.*) Man wähnte,
dass Gott im Zufall des Loses entscheide. Am schroffsten tritt das
zu Tage in der Art, wie der Mörder eines im Tumult Erschlagenen
erkundet wmxle. Wer das Wehrgeld fiir ihn heischte, hatte das
Recht, sieben Beteiligte des Todschlags zu beziehten; jeder der-
selben musste mit zwölf Eideshelfern schwören, dass er unschuldig
sei. Dann wm-den die Beklagten in die Kirche geführt, damit hier
über Schuld oder Unschuld gelost werde. Man legte zwei Ruten,
deren eine mit einem Kreuze bezeichnet war, mit reiner Wolle
umwickelt auf den Altar. Ein Priester oder, wenn keiner gegen-
wärtig war, ein unschuldiger Knabe nahm eines der Lose auf,
während die Anwesenden Gott anriefen, er möge kund thun, ob
die Sieben, Avelche geschworen, einen rechten Eid geleistet hätten.
Wurde das Los mit dem Kreuz aufgehoben, so waren sie un-
schuldig. Wenn das andere, so musste weiter nach dem Mörder
geforscht werden. Jeder der Beklagten hatte eine Rute mit seiner
lieh 53^/3 Solidi, das des Edeln l^/amal so viel (= 80 Solidi), das des Liten
die Hälfte (262/3 Solidi). Im westlichen und östlichen Friesland erhielt der
Edle das doppelte Wehrgeld des Freien. Später wurden alle Summen ver-
doppelt (v. Richthofen S. 650 und Fr. KG. II, 1 S. 499).
1) Tit. XVn, 2 S. 670.
2) Addit. tit. I, 1 S. 682.
3) Tit. XVII, 5 S. 671. Es fällt auf, dass das friesische Eecht für den
Kleriker kein eigenes Wehrgeld kennt; v. Richthofen erklärt (Fries. RG. II,
1 S. 506), Bestimmungen darüber könnten nicht gefehlt haben. Das scheint
mir doch nicht über jeden Zweifel erhaben. Denn sollte sich das Fehlen
der fraglichen Bestimmungen nicht sehr einfach daraus erklären, dass das
friesische Gesetz christliche Revision einer heidnischen Vorlage ist? Da
analoge Bestimmungen dort fehlten, wurde ihre Aufnahme hier übersehen.
4) Tit. III, 6^ S. 661; X, 1 S. 665; XII, 1 S. 666; XIV, 1 S. 667.
Handelte es sich um Kleinigkeiten, so wurde der Eid in vestimento vel
pecunia abgelegt; IE, 5 S. 661; XII, 2 S. 666.
— :^()0 —
Hausmarke zu bozeiclmen; wieder wurden die Lose mit reiner
\\'olle umwunden und auf den Altar niedergelegt. Nun nahm der
Priester ein Tjos um das andere: das letzte bezeichnete den
Mörder.^) Man erkundete den Willen des christlichen Gottes
nicht anders, als einstmals Radbot den Willen seiner Götter'-) er-
foi*scht hatte.
An historischer Bedeutung ist unter den deutschen Stänunen
nur einer dem der Franken ebenhüi-tig: der sächsische.'^)
In mancher Hinsicht war er vor den Franken begünstigt.
Während die Völkerschaften, welche im Fraidcenl)unde zusammen-
traten, sehr vei-schiedener Art gewesen sind, bildete sich der Bund
der Sachsen aus Stänunen, die von Hause aus nahe verwandt
waren: deshall) wurde hier der Völkerbund zu einem geschlossenen
Volke von durchaus einheithcheni Gepräge. In unwandelbarer
Treue hing das Sachsenvolk an der von den Vorfahren ererbten
Scholle. In dem allgemeinen \'orwärtsdrängen der deutschen
Stämme blieben allein die sächsischen Gaue immer in dem gleichen
Besitz. AVas für vei'schiedene Stänimc haben im Laufe weniger
Jahrhunderte am ^fain gewohnt: Burgunder und Alan)anueu,
IMiüringer und Franken: das Land zwischen Elbe und Ems da-
gegen wechselte nie seinen Herrn. Wohl hört man seit der Mitte
des 4. Jahrhunderts auch von Zügen dci' Sachsen nach Westen.
Neben den Franken gelten sie als gefürchtete Feinde dei- römischen
Kidtur.*) Im Nordwesten Galliens koimte es eine Zeit lang zweifel-
haft scheinen, ob Franken oder Sachsen die Erben der römischen
Heri-schaft sein würden.'') England haben sie wirklich besetzt.
Allein dabei wurden die alten Sitze nicht verlassen: nur der Uber-
schuss des Volkes zog in die Fremde; die Hauptmasse hielt zidie
an der alten Heimat fest.
Durch die Lage ihres T^andes w;n'en die Sachsen vor dei- un-
mittelbai'cu Berührung mit der fremdailigi'u Kultur der liömerwelt
1) Tit. XIV, 1 S. 667 f.
2) Vpl. Bd. I S. 403. Und übpr das Losnn überhaupt Homeyer, Über
da« gennanisrh«? Losen fMonatsbor. d. HpH. Akail. 1!^.")3 S. 747).
3) Vgl. über dn.s Ethnographische Zeuas, Die Deutschen und ihre Nach-
barstämtne S. 380 ff.
4) Ammian. Marrell. XXVIII, 5 S. 419: XXX. 7 S. 480 (ed. ?:y8sen-
hardt); Oros. hi.^t. VII. '25 S. 4S8 (ed. ZangemeiHter); VII, 32 S. 513f.; Sid.
Apoll, (ed. Luetjohanni. ep. VIII. 6 S. 132: 9 S. 1.36: carm. 7 v. 369 8. 212;
390 S. 213: Knnod. V. Ant-n S ?.f<r. (ed. llarf.-l>: S.ilvian. de. gub. Dei IV,
67 S. 89 (ed. Pauly).
5) Greg. Tor. Hi^t. Franc. 11, 18 f. S. 83; (ed. Arndt); V, 26 S. 221.
— 361 —
behütet. Das fräntische Gebiet bildete gleichsam einen Schiitz-
wall. Während die Franken an tausend Punkten von den zer-
setzenden Einflüssen des fremden Wesens getroffen wurden, konnte
die deutsche Art im Sachsenvolk sich ungestört und ungehemmt
entfalten. Das war Gewinn und Verlust. Kulturelemente in
Menge überkamen die Franken aus der Gemeinschaft mit den
Eomanen: ihr verdankten sie es, dass die fränkische Kultur die
Überleitung von der römischen zur mittelalterlichen bildet. Aber
sie bezahlten den GcAvinn an Gesittung mit einer unendlich grossen
Einbusse an Sittlichkeit. Dass die Sachsen noch Barbaren, ein
Volk laiegstüchtiger Bauern waren, während die christHche Bildung
Europas ihren Mittelpunkt am fränkischen Königshofe hatte, das
lohnte sich darin, dass die sitthchen Gnmdlagen des Volkslebens
bei ihnen unerschüttert blieben.
Diese Verschiedenheit zeigt sich nirgends so deuthch als in
der Stellung zur Behgion. Das fi-änkische Volk wechselte seinen
Glauben so leichthin, dass man sieht: der alte Glaube war längst
entwurzelt, und dass man sich nicht wundern kann, wenn der neue
sich als kraftlos bewies. Die Sachsen dagegen setzten ihre Existenz
daran, sich der neuen Keligion zu erwelu'eu, die ihnen mit Gewalt
aufgedrängt wurde. Allerdings unterhegt es keinem Zweifel, dass
ihre Abneigung gegen das Christentum dadurch verschärft wurde,
dass die Verehrung des fremden Gottes die Unterwei-fung unter die
fremde Herrschaft besiegeln sollte. Der alte Glaube war ihnen
auch deshalb wertvoll, weil er ein Beweis der alten Freiheit war.
Man mag auch vermuten, dass ihr stark entwickelter Stammes-
stolz ^) ihnen die fremde Rehgion verächtHch scheinen liess, und
dass ihr schwer beweghches Wesen-) sich gegen den neuen Glauben
ebenso ablehnend verhielt, wie gegen alles neue. Allein ihr zäher
Widerstand ist doch nur dann begreif hch, wenn man annimmt,
dass die nationale Religion bei ihnen weit mehr Kraft und Leben
1) Rudolfi Transl. Alex. 1 M.G. Scr. 11 S. 675: Generis ac nobilitatis
suae providissimam curam habentes, nee facile uUis aliarum gentium vel
sibi inferiorum connubiis infecti, propriam et sinceram et tantum sui simi-
lem gentem facere conati sunt. Die auf nee facile folgenden Worte stammen
aus Tacit. Germ. 4; die vorausgestellte Begründung gehört Rudolf und
spriclit also eine ihm eigene Bemerkung aus. Adam von Bremen hat den
ganzen Abschnitt in seine Gesta Hamab. eccl. pontif. I, 4 if . S. 5 if . auf-
genommen.
2) Alkuin spricht ep. 110 S. 157 von der duritia infelicis populi Saxo-
num. Beda lässt die beiden Ewalde ermordet werden auf Grund der Be-
fürchtung, ne paulatim omnis provincia veterem cogeretur nova mutare
culturam (hist. eccl. gent. Angl. V, 10 S. 242 [ed. Holder]).
— -MVl —
l)esass als bei den Franken. P'.s stimmt damit überein, dass die
Energie ihrer Religiosität fränkischen Beobachteni. wie Eigil und
Rudolf von Fulda, auttiel.') Wenn die Angaben des letzteren"-)
ein der AValnheit entsprechendes Bild gewähren, so war das reli-
giöse Interesse des Volkes vor allem darauf gerichtet, nichts wider
den Willen der Götter zu unternehmen. Auf ninnchcrlci Weise
suchte man ihren verborgenen Rat zu erkunden: l)al(l warf man das
Los, und gaben die in die Stäbe geritzten Runen Aufschluss
darüber, was den Göttern genehm sei; bald deutete der Flug der
Vögel und das Wiehern der Pferde oder de'- aufsteigende Rauch
das an. was sich im Geheimen vorbereitete, oder es zeigte der Aus-
gang des Zweikampfs, wie das Los der Schlacht fallen würde. Nie
handelte ein Sachse dem Zeichen entgegen, das von dem göttlichen
Willen Kunde gab.'") oder begann er irgend etwas an einem Un-
lilückstag."*) Es liegt etwas Grossartiges darin, dass man unweiger-
lich auf jedes TTnternehmen verzichtete, dem die Götter den Segen
versagten. Aber diese Selbstbezwingung ist herb und hait; sie
glaubte nicht an die ^Nlacht der Bitte, sond<in lügte sich wortlos
der unbezwinglichen Gewalt der Unsichtbaren, der Furchtbaren.
Dasselbe Getühl, bis zum Grausigen gesteigert, führte dazu, dass
man wähnte, die (uitter durch Menschenopfei' zu ehi-eii:') den
1) Ei^. V. Sturm. 22 S. 376: Paganis ritibu.s niniis dcfliti: Kud. Transl
Alex. 8 .S. 67."): CuHui deiuonura dediti veraeque religioni contraiii; Fredeg.
contin. c. 19 S 177: Paganissinii.
2) Tranxl. Alex. 2 S. 675. Rudolfs Nachrichten werden bestätigt und
ergänzt durch den Indiculus superstitionum et paganiarum (cap. 108 S. 223).
Deshalb kann der Umstand, dass sie aus Tacit. Geira. '.) rt'. entnommen sind,
keinen Zweifel an ihrer Richtigkeit erregen; er dient nur zum Beweise der
Unveränderlichkeit der religiösen Anschauungen. Der aufsteigende Rauch
ist von Rudolf nicht genannt, dagegen im Indiculus c. 17 S. 223. Dort
werden noch etlich ' andere Mittel, die Zukunft zu erforschen, genannt:
c. 13 auguria de bovum stercora vel sternutationes und c. 17 de obser-
vatione paganorum in incoatione rei alicuius. Hefele (C(j. III S. 508) findet
in dem ersteren den ttlauben, es bedeute Unglück, wenn beim Ausdreschen
der Frucht durch Ochsen Kot derselben auf die Tenne falle. Ich be-
zweifele, ob diese Krkliirung richtig ist; doch nx'igen darüber die Kenner
des deutschen Altertums entscheiden. Den Uebrauch des Loses in den
wichtigsten Anpelegenheiten erwähnt auch Bed. bist. eccl. gent. Angl. V,
10 S. 242.
3) Rud. 1. c. : Si prohibuorunt, nulla de eadem re ipsa die consultatio,
ni perniissum est, eventum adhuc fides exigebatur. .\uch dieser Satz aus
Tacit. r^erm. 10.
4) Rud. 1. c. nach Tacit. (Term. 11.
ö) Rud. 1. c. Vgl. cap. 26, 9 S. 69.
— 363 —
Übermenschliclien gebühi't die Gabe, vor der Menschen sich ent-
setzen. AVenn es wahr ist, dass die Sachsen keine Götterbilder
kannten,-') so wird man daiin nicht den Gedanken des geistigen
Wesens der Gottheit ausgedrückt tinden dürfen: es ist das Gefühl
der unnahbaren Furchtbarkeit der Götter, das die Hand fesselte^
die ein Abbikl derselben herstellen sollte.
Dieser Art der Rehgiosität entspricht, was wir über die sitt-
lichen Zustände des Stammes wissen. Wieder ist es ein fränki-
sches Zeugnis, welches die sitthche Tüchtigkeit der Sachsen rühmt.-)
Aber sie bethätigte sich nur auf eijiem eng umgrenzten Felde.
Was das Volksrecht vorschrieb, das wurde gehalten; was die Volks-
sitte heiligte, das wirrde beobachtet.-) Aber sitthch durchgebildete
Charaktere mangelten, wie sie bei den Barbaren überhaupt fehlen:
die Kultur, welche Individualitäten bildet, ist die Voraussetzung für
den sittlichen Charakter. Wo die Stütze von Gesetz und Sitte
dem Sachsen fehlte, da war er auch in sittlicher Hinsicht Barbar.
Rudolf, der von vielem Tüchtigen und Guten bei den Sachsen zu
reden weiss, urteilt doch auch, dass sie göttliche und menschliche
Rechte migescheut brächen.'^) Das ist schwerhch ein gedanken-
loser Widerspruch. Eine Menge h'änkischer Orte vom Thüringer-
wald bis zum Xiederrhein hatte die wilde Zerstörungswut der
Sachsen zu erfahren.^) Und zeigte sich nicht in den Kriegen mit
den Franken, dass die sächsische Treulosigkeit der beriichtigteu
1) Rud. 1. c. nach Tacit. Germ. 9. Zweifel daran, ob hier Rudolfs
Nachricht der Wirklichkeit entspricht, begründet nicht die Irminsul (s.
unten), sondern die Thatsache, dass die den Sachsen verwandten Friesen
zweifellos Götterbilder hatten. Eigil spricht V. Sturm. 22 S. 376 von idola
et simulacra der Sachsen; vgl. auch cap. 108, 28 S. 223.
2) Rud. 1. c. 1 S. 675: Erant inquieti nimis et finitimorum sedibus
infesti, domi vero pacati et civium utilitatibus placida benigaitate consu-
lentes; c. 2: Legibus etiam ad vindictam malefactorum optimis utebantur.
Et niulta utilia atque secundum legem naturae honesta in morum probitate
habere studuerunt. Charakteristisch für die sächsische Art ist, was Nithard
bist. IV, 2 S. 669 über den Aufstand des Jahres 842 erzählt: Lothar ver-
spricht den Gemeinfreien und Liten, ut legem quam antecessores sui tem-
pore, quo idolorum cultores erant, habuerant, eamdem illis deinceps haben-
dam concederet. Quo supra modum cupidi . . dominis e regne pene pulsis,
more antiquo qua quisque volebat lege vivebat.
3) Rud. 1. c. 3 S. 675.
4) Das Nebeneinander von guten und schlimmen Zügen fiel schon
Salvian auf, de gub. Dei VII, 64 S. 176: Saxones crudelitate efferi sed
castitate rairandi. Man sieht zugleich die Macht der Sitte: sie wahrte die
Keuschheit und gestattete die Grausamkeit.
— 364 —
friiukisclieu Eidlniichigkeit luiuclestons gewachsen war?') Trotz
des Tags bei Verden erscheint Karl d. dir. seinen trotzigen sächsi-
schen Gegnern anch sittlich ül)erlegeu.
Die Beriihnnig der Sachsen mit den Franken nnd dem
Christentum reichte weit zurück. Als im G. Jahrhinulert die frän-
kische Macht sich unter Chlodowechs Siihuen weithin ausbreitete,
erkannten auch die Sachsen die Oberherrschaft der Fraidcen an.
Theudebert I. spricht in seinem Briefe an Justinian davon, dass
Sachsen und Jütländer sich freiwillig seinem Szepter unterwoifen
hätten.-) Jedoch schon Chlothachar I. musste um die Anerkennung
seiner Heirschaft kämpfen: er Avar dabei nicht immer im Vorteil.
Hören wir einei-seits, dass er an der AVeser mit den Sachsen
schlug/') so andererseits, dass die Sachsen bis au^ den Ehein vor-
drangen.^) Doch behaui)tete er im ganzen das Übergewicht: die
Sachsen räumten ihre Al)hängigkeit ein. indem sie einen jährlichen
Tribut von 500 Kühen entrichteten. Wenn Dagobert auf diese
Leistung verzichtete,'^) so wurde sie doch nach ihm wieder gefordert.")
Dies unklare Verhältnis der beiden A'ölker führte zu fort-
währenden Reibungen. Die Sachsen machten bald da, bald dort
einen Beutezug auf fiänkisches Gebiet; die Franken rächten sich
durch Verwüstungszüge in das sächsische Land.')
WiUn-end der letzten Merowingerzeit war an durcligrcifende
]Massregeln nicht zn denken. Auch mitor. Karl Martell. Karlmann
nnd Pi])piu kam man über jenes ziellose Bingen an der Grenze
nicht hinaus. Erst unter Karl d. Gr. beginnt das planmässige Vor-
dringen der fränkischen Macht nach Norden.
Die Kämpfe zwischen Franken und Sachsen hatten schon seit
Karlmann und Pippiu**) eine religiöse Seite: nach fränkischen
1) Ale. ep. 207 S. 344: Aestiuiatur. ut cito finiatiu- causa cum Saxo-
nibus, si tarnen in mendaciis veritas inveniri i.otont.
2) M.G. Kp. III S. 133 Nr. 20.
3) Gre{?. Tur. Hist. Krane. IV, 10; 14. Marc. Com. z. .1. 553.
4) Greff. Tur. 1. c IV. Kl S. 155.
5j Fredeg. chron. IV. 74 S. 158; chron. Moiss. zum 10. Jahre Dagoberts
S. 286 f.
6) Fredep. eontin. 31 S. ISl.
7) Einhard liebt V. Karol. 7 bervor, da.s8 eine natürliche Grenze
nianKelte; wiederholt von dem Poet. Sax. I v. 25 fl". S. 545.
5) Ob in der Erzählung V. Faron. 71 fiF. (A. S. Mab. II S. 589) irgen.l
ein historischer Kern steckt, lasee ich .lahingestellt Bei den Kämpfen
untor Karl Martell i.'-t, so viel ich sehe, von der Fordorung der Taufe noch
nicht die Rede; vgl. z. J. 718 Ann. S. Amand. Tilian. Pet. Mosell.; z. .1.
720 Ann. S. Amand. Tilian. Laubac; z. J. 724 Fred. cont. 11 S. 175; z. .1.
— 865 —
m
Siegen wurden die Übermiudenen zum Empfang der Taufe ge-
zwungen.^) Dauernde Frucht konnte daraus nicht erwachsen; es
war wertvoller, dass die Sachsen die Predigt der fränkischen Bischöfe
gestatteten und die Freilieit des Übertritts zum Chiistentum ge-
währten.-) Aber auch von diesem Zugeständnis konnte man bei
den unablässigen Feindsehgkeiten an der Grenze nur massigen
Erfolg erwarten. Die Sachsen mussten in jedem fränkischen
Missionai' einen feindhchen Spion, in jeder chnstHchen Nieder-
lassimg einen Stützpunkt flir die angi-eifenden fränkischen Heere
erbhcker. Mag nun auch die christHche Predigt nicht ganz ver-
gebhch gewesen sein, so shid doch die schwachen Spuren des
Christentums, die man in den südösthchen sächsischen Gauen zu
finden glaubt, sehr unsicher. Weder im Fnesenfeld und Hassegau ^)
738 Fred. cont. 19 S. 177; Ann. Pet. Lauresh. Mosell. Dagegen unter Karl-
mann 744; Pred. cont. 27 S. 180; Ann. Mett. z. J. 74-5.
1) Fred. cont. 31 S. 181; Ann. Lauriss. z. J. 747; Mett. z. J. 748. Nach
Hahn (JB. S. 92 ff.) gehört der Zug in das Jahr 747.
2) Ann. Mett. z. J. 753: Saxones, dum aliter facere non possent, sacra-
menta et obsides Pippino regi dederunt hoc modo, ut quicunque de sacer-
dotibus in Saxoniam ire voluisset, ad praedicandum nomen Domini et ad
baptizandum eos licentiam habuisset. Ist diese Angabe glaubwürdig, so ist
sie insofern wichtig, als man aus ihr schliessen darf, dass Missionsversuche
von Seiten der fränkischen Bischöfe vorhergingen und sie von den Sachsen
verhindert wurden. Nun ist freilich die Autorität der Metzer Annalen
gering; aber ihre Angabe scheint durch eine Stelle aus dem Briefwechsel
Luis bestätigt zu werden (s. u. S. 869 Anm. 4). Ich glaube deshalb,
dass sie benützt werden kann. Bei dem Sachsenkrieg des Jahres 758 ist
von Taufen nicht die Rede (Ann. Einh. Lauriss. Fuld.). Doch sind mög-
licherweise ähnliche Zusagen wie im Jahre 753 erfolgt. Das kann in den
Worten: poUiciti sunt contra Pippinum omnes voluntates eins faciendum,
liegen. Dass es jedenfalls darin liegt (Abel, JB. S. 114), möchte ich nicht
behaupten.
3) Rettberg II S. 401 hat sich sehr vorsichtig geäussert; um so be-
stimmter spricht Grössler, Die Einführung des Christentums im Friesenfeld
und Hassengau, Halle 1883, seine Meinung dahin aus, Wigbert habe per-
sönlich im Friesenfeld den Grund des Christentums gelegt und seine Schüler
seien noch weiter nordwärts vorgedrungen (S. 36 f.). Das Fundament, auf
welches diese Annahmen begründet werden, ist jedoch sehr unsicher.
Grössler beruft sich 1. auf die Urkunde Karls vom 21. Oktober 777 über
die Schenkung der Kirchen in Allstedt, Riestedt und Osterhausen an Hers-
feld (B.M. 207). Aber diese Urkunde ist eine Fälschung. Wenn nun auch
die Schenkung von Allstedt und Osterhausen durch das Diplom Ottos I. vom
26. August 960 (Dipl. I Nr. 215 S. 297) gesichert ist, so steht die Zeit doch
ganz dahin. Er verweist 2. auf die Wigbertskirchen in den genannten drei
Orten, in Creisfeld und Strenz im Friesenfeld, München-Nienburg in Nord-
— 366 —
iioc'li im Xordtliünnggau') lässt sicli die Existenz cliiistliclier Kirclu'U
vor Karl tl. (-Ir. beweison oder auch nur walu-scheiulich machen.
thüringen und Quedlinburg im Harzgau. Er geht dabei von der Voraus-
setzung aus, dass der Verbreitungskreis von Kirchen, die einem ehemaligen
Missionar geweiht sind, das Gebiet andeute, innerhalb dessen er nach münd-
licher Überlieferung thätig gewesen sei (S. 14). Aber dieser Satz ist un-
haltbar. Abgesehen von den Fällen, wo der Besitz von Reliquien die Wahl
des Kirchenheiligen erklärt, kann man aus den Kilianskirchen nicht auf
den Wirkungskreis Kilians schliessen, sondern nur auf Beziehungen zu
Wiirzburg, aus den Bonifatiuskirchen nicht auf die Thätigkeit dos Bonifaz,
sondern nur auf Verbindungen mit Mainz oder Fulda. Es ist geradezu
auftYillig, dass Grössler durch seine eigene Bemerkung, das Verbreitungs-
gebiet der Bonifatiuskirchen decke sich mit der Ausdehnung des Mainzer
Sprengeis, nicht an seinem Satze irre gew^orden ist. Die Wigbertkirchen
im Friesenfeld weisen demnach auf Beziehungen entweder zu Fritzlar oder
zu Hersfeld. Im ersteren Fall kann man an eine Thätigkeit vor Karl
denken, im letzteren Fall jedoch nicht. Denn erst unter Karl sind die
Wigbertsreliquien nach Hersfeld gekommen (V. Wigb. 24 M.G. Scr. XV
S. 42). Erwägt man nun , dass Karl die Zehnten im Friesenfeld an Hers-
feld schenkte, während von Fritzlarer Zelmten nicht die Rede ist, so er-
giebt sich, dai<s man an Missionsthätigkeit der Hersfelder zu denken hat, und
dass die Wigbertskirchen nicht älter sind als die Zeit Karls d. Gr. Un-
brauchbar ist auch eine Urkunde Lothars von 1134 (Schmidt, ÜB. I
Nr. 172 S. 143), welche die Nachricht bringt, mehr als dreissig Jahre vor
der Konstituierung der sächsischen Bistümer hätten die Kirchen zu Allstedt,
Riestedt und Osterhausen cum omni decimatione de i'riesenevelt et Hassega
zu Mainz gehört, sie seien dann aber auf Bitten Luis an Hei'sfeld verliehen
worden. Dass diese Nachricht wertlos ist, folgt daraus, dass sie auf zwei
Privilegien Karls Bezug nimmt, während wir aus der Urkunde Ottos L vom
26. .\ugust 060 (Di]il. 1 Nr. 215 S. 2i>7) wissen, dass die Schenkung von Karl
überhaupt nicht beurkundet worden ist. Dieselbe Angabo in der Fälschung
J.W. 2571. Noch unmöglicher als die Wigbertmission scheint mir die An-
nahme, dass die Radegundskircho in Helfta im Hassegau (Thietm. ehr. 11,
37 S. 42) auf die Pflanzung des Christentums in Thüringen durch die Königin
Radegunde hinwoise. Hier fohlon alle ^littolglioder.
1) Ein unsicherer Beleg für Christen in Nordthüringen ist v. Emmer. 39 f.
.\nal. BoU. VIII S. 249, die Erzählung von einem Sklaven, der von Franken
nach Thüringen in confinio parahtanorum gentis. quae ignorat Deum, verkauft
worden sei. Indem man die parahtani im Bardengau sucht, denkt man bei
don Thüringern an die Nordthüringer, die man zur Not als Nachbarn des
Bardengaus betrachten kann. Bei der offenbar sehr unklaren Vorstellung
Aribos von der norddeutschen Geographie scheint mir die Sache recht
fraglich. Sicher ist nur, dass nach seiner Anschauung die Sachsen Heiden
waren (vgl. c. 40 S. 250: Genti te saxonum tradam, quae tot idolorum cul-
tibus dcdita esti, die Thüringer dagegen Christon; eben deshalb aber wird
man bei den letzteren an Thüringen im engeren Sinn zu denken haben.
— 367 —
Wenn die Franken durch poKtische Gründe veranlasst waren,
dem Christentum einen Weg in das niedersächsische Land zu
öffiien. so wurden angelsächsische Missionare durch die Erinnerung
an die Stammverwandtschaft beider Völker dorthin geführt. Jahr-
zehntelang hat Bonifatius den Gedanken der Sachsenmission treu-
lich gehegt, obwohl es ihm nie beschieden war, denselben zu ver-
wirklichen. Bei der Gründung x\möneburgs war die Rücksicht auf
die Xähe der sächsischen Grenze mitbestimmend.^) Als er im
Herbste 722 sich nach Rom begab, begleitete ihn sein Liebhngs-
wunsch dorthin; er hess sich von Gregor II. die Vollmacht zur
Sachsenmission erteilen: ein an den sächsischen Stamm gerichtetes
Schreiben des Papstes sollte das Werk erleichtern.-) Mit beredten
AVorten forderte er ein Jahrzehnt später die Christenheit seiner
Heimat auf, sich zm* Fürbitte für die Bekehrung der stammver-
wandten Sachsen zu vereinigen. =^) Er freute sich jeder Förderung,
die ihn diesem Ziele näher zu führen schien.*) Aber erreicht hat
er es nicht.
Was ihm versagt war, versuchten vor ihm und nach ihm
andere: mancher hat dabei die Märtyrerki'one errungen: aber Er-
folg hatte keiner. Trotz ihres Mutes und iln-er Aufopferung ver-
mochten diese Männer nicht, über die Abneigung der Sachsen
gegen die Religion der Franken Herr zu Averden.
Zuerst trat ihnen Suidberct nahe, den wir als einen der Ge-
nossen Wilhbrords kennen.'^) Als er Fiiesland verhess, suchte und
fand er einen Ort für seine Thätigkeit bei den Borukterern.") Der
kleine Stamm wohnte unabhängig von Fi-anken nnd Sachsen an
der Lippe und Ruhr. Vielleicht waren schon Anfänge der Missions-
arbeit vorhanden, an die Suidberct anknüpfen konnte.') Beda
spricht von grossen Erfolgen, welche seine Predigt hatte. Aber
dass die Borukterer dem Christentmne sich zuwandten, wurde ihnen
verderbhch. Sie erlagen einem Angriff der Sachsen. Diese wollten
offenbar keine christhche Pflanzung in ihrer Nähe dulden: die Be-
kehrten wiu'den zersprengt, der Rest des Stammes vereinigte sich
mit den Sachsen; als selbstständiger Stamm gingen die Borukterer
1) Vgl. Bd. I S. 446 f.
2) Ep. 21 S. 269; vgl. Bd. I S. 451.
3) Ep. 46 S. 295.
4) Eine Antwort auf den 46. Brief ist der 47. S. 295 von Bischof Torht-
helm von Leicester. Der Überbringer des Briefs brachte zugleich eine Gabe
für die Sachsenmission an Bonifatius.
5) Vgl. Bd. IS. 421.
6) Über sie Zeuss, Die Deutschen und ihre Nachbarstämme S. 350 ff.
7) Vgl. Bd. I S. 316 f.
— 3(38 —
unter. ^) AV^ir liöivu nicht, dass Suidherct den YerMicli niachtcv
den Sachsen zu predigen. Fehlte ihm der Mut oder wurde es
ilun verweint? Er zog sich nach dein fränkischen Gebiet zurück.
Auf einer flachen Rheininsel giündete er mit Unterstützung Pipi)ins
das Kloster Kaiserswertli. Dort ist er im Alärz 713 gestorben,")
nachdem er den Rest seiner Tage nicht dem Missiouswerk, sondern
der Arbeit an dem eigenen Ich in dem Ringen nach asketischer
VoUkonmienheit gewidmet hatte. •^)
Zeitgenossen AMllibrords waren auch die beiden Ewalde, die
man durch die Beinamen des Weissen und des Schwarzen unter-
schied.*) Von Geburt Angelsachsen, hatten lieide jahrelang unter
den Mönchen Irlands als Fremdhnge gelebt. Der asketische Ge-
danke, der ihnen die freiwillige Verbannung aus der geliebten
Heimat als verdiensthches Werk erscheinen hess, führte sie weiter
aus der Gemeinschaft der Christen in das heidnische Land: konnten
sie nicht vielleicht durch ihre Predigt etliche Seelen tur Christus
gewinnen? Mehrere Genossen begleiteten sie, blieben aber auf
Mnkischem Gebiete zurück, bis die beiden Führer die Erlaubnis
zur Predigt erlangt hätten. Sie wussten also, welche Schwierig-
keiten ihrem Unternehmen im AVege standen. Aber sie ahnten
doch nicht, wie eiregt der heidnische Fanatismus gegen alles Christ-
liche sei. Dass sie Psalmen imd Gebete sangen und das Abend-
mahl feierten, genügte, die Bevölkerung gegen sie zu empören.
Noch che sie mit der Missionspredigt begonnen hatten, wurden sie
ermordet Der weisse Ewald war glücklich zu preisen, dass ein
1) Beda bist. eccl. gent. Angl. V, 11 S. 244. Die wenigen Sätze Bedas
über Suidberct sind die einzige Quelle über die^ien Missionar. Über die
V. Swidberti s. Kettberg, KG. D.'s II 8.3% f.; Bouterwek, Swidbert, der
.Apo.stel des bergischen Landes (Elberfeld 1859) S. 15 ff. und Diekamp,.
Bist. JB. II S. 272 ff.
2) S. Bd. I S. 421 Anm. 1.
3) Beda 1. c \V. Kraft (P. RE.^ XV S. .^)9) bezeichnet Kaiserswerth
als Pflanzstätte zur Mission unter den angrenzenden Völkerstänimen. Davon
sagt Beda nichts: Aliquamdiu continentissimam gessit vitam, diese Worte
enthalten alles, was wir über die spätere Zeit Suidbercts wissen. Dass
niederrheinische Kirchen Suidberct als ihren Patron verehren, führt natürlich
nicht darauf, das» sie von ihm gegründet .sind, sondern darauf, dass man
ihn frühzeitig als Heiligen verehrte. Kaiserswerth erhielt als monasterium,
quod est constructura in honore sancti petri principis apostolorum necnon
et sancti suidberti confessoris christi in loco qui dicitur uuerid, von
Ludwig III. 13. Juni 877 die Immunität (B.M. 1514).
4i Auch über sie ist Beda (1. c. V, 10 8. 241 f.) die einzige, freilich
schon getrübte Quelle; Alkuin de sanct. Jlub. eccl. v. 1043 ff. 8. 192 schreibt
Beda aus; das einzige ihm Eigentümliche ist die Namensform Herwald.
— 369 —
rascher Schwerthieb ihm den Tod gfib; ungUicMicher war das
Schicksal seines Genossen: die heidnische Grausamkeit marterte ihn
zu Tode.^)
Ihr Schicksal schreckte andere nicht ab: immer neue Diener
des Wortes, sagt Alkuiu, kamen aus Northumberlaud zu den
Sachsen.-) Doch nennt er nur noch einen Namen, den des Priesters
Vira.^) Willehads kühner Zug nach dem sächsischen Gau Thri-
ante ist schon erwähnt. Er schien anfangs erfolgreich; allein dass
eine Anzahl Heiden sich taufen hess und dass nun Willehads Ge-
fährten im Vollgefühl des errungenen Sieges heidnische Heiligtümer
zu zerstören wagten, rief sofort einen Ausbruch der heidnischen
Feindseligkeit hervor. Es zeigte sich, dass die Christen eine schwache
IVIinorität bildeten: nur wie dm'ch ein Wunder entgingen Willehad
und die Seinen einem ähnhchen Tod, ANäe er die beiden Ewalde
getroffen hatte.'') Auch aus dem Briefwechsel Luis erfahren wir,
wie lebhaft das Interesse für die Missionieritng der Sachsen in
England war; es gebe, berichtet ein Presbyter Wigberht von dort
an Lul, viele Männer, die der Sachsenmission zu dienen wünschten.
Man sieht zugleich, dass man sich nicht darüber täuschte, dass der
Zugang zu diesem Stamm zunächst verschlossen war.'^)
1) Der 3. Oktober als Todestag der beiden Märtyrer ist durch die Ein-
tragung in einem angelsächsischen Kalender des ausgehenden 7. Jahrhun-
derts gesichert, s. Arndt, NA. II S. 293. Dagegen steht das Jahr ihres
Todes nicht fest. Nach Beda war es das Vorbild Willibrords und seiner
Genossen, das die Ewalde zu ihrem" Missionszug bewog. Derselbe fällt
demnach frühestens in das letzte Jahrzehnt des 7. Jahi-hunderts und, da
Pippin die Leichname der Märtyrer nach Köln bringen Hess, spätestens in
das Jahr 714.
2) De sanct. Eubor. eccl. v. 1071 S. 193:
At alii atque alii praefata ex gente ministri
Sermonis fuerant illis in partibus orbis.
3) L. c. V. 1073. Diese Erwähnung ist das einzig Sichere, was wir
über Vira wissen. In der abgeänderten Form Wiro hat sich sein Name
im Gedächtnis der Kirche von Roermond an der Maas erhalten. Die ano-
nyme V. Wiron. (A. S. Boll. Mai II S. 315 ff.) ist wertlos. Sie sieht in Wiro
den Stifter des Klosters Bergh bei Roermond (St. Peter, später St. Odilien),
c. 7 S. 317, weiss jedoch von Missionsthätigkeit nichts. Das Kloster Bergh
kannte Alkuin (s. carm. 31 v. 9 f. S. 249); wie sich aus der Urkunde
Lothars II. von 858 (B.M. Nr. 1248) ergiebt, war es königlich.
4) V. Willeh. 4 S. 381. Dass ich die Thätigkeit Liafwins in Sachsen
für fabelhaft halte, s. o. S. 348 Anm. 5.
5) Bonif. etc. ep. 137 S. 422: Si in regione gentis nostrae, id est
Saxanorum, aliqua ianua divinae misericordiae aperta sit, remandare nobis
id ipsum curate. Quam multi cum Dei adiutorio in eorum auxiliuoi festi-
Hauck, Kirchengeschichte. U. 2. Aufl. 24
— 370 —
Karl (1. Gr. hat ihn mit dem Scliwert geöffnet.')
Man kann hezweitelu. oh Kail von Anfang an die Absicht
gehabt hat. das siiclisische Gebiet dem Frankenreiche einzuverleiben
und deshalb die Sachsen zur Annahme des christlichen Glaubens
zu nötigen.-) Sein erster Zug im Jahre 772 war nur gegen einen
nare cupiunt. Jaffe und Dümmler datieren den Brief nicht, indem sie ledig-
lich die Zahlen des Episkopats Luis angeben. AVie mich dünkt, muss der
Brief vor dem Frieden des Jahres 776 geschrieben sein; denn seitdem
konnte man nicht mehr fragen, ob die Thüre für die Predigt geöffnet sei.
Ist dies richtig, so ist wahrscheinlich, dass der Brief bald nach dem Frieden
des Jahres 753 (s. o. S. 365 Anm. 2) geschrieben ist, also in der ersten Zeit
Luis. Die Frage erklärt sich dann aus einem Bezug auf jenen Frieden.
Dadurch erhält die Nachricht der Metzer Annalen eine Stütze.
1) Die Litteratur über die Sachsenkriege ist sehr reich. Ich verweise
besonders auf Abel und Simson, JB. zu den betrefl'enden Jahren; v. Ranke,
Weltgeschichte V, 2 S. 115 tf.; (riesebrecht, Gesch. d. d. Kaiserzeit I
S. 110 flF. (3. Aufl.); Mühlbacher, D.G. S. 114 ff.; Nitzsch, Gesch. d. d. V. I
S. 199 ft'.; Waitz, VG. III S. 125 ff.; Kentzler in den Forsch. XI S. 79 ff".,
XII 8. 317 ff ; Dehio, Gesch. d. Erzb. Hamburg-Bremen I S. 9 ff.; Ritter, Karl
d. Gr. und die Sachsen I 1894, II 1895; Reinecke, Die Einführung des
Christenthums im Harzgau, Osterw. 1888; Uhlhorn in d. Zoitschr. des bist.
Ver. f. N.-Sachsen 1894 S. 367 ff".; Hüffer, Korveier Studien, Münster 1898;
und meinen Aufsatz in P. RE. XIIP S. 196 ff., wo weitere Litteraturangaben.
2) Diese Frage ist für die Beurteilung der Sachsenkriege und der
Sachsenmission Karls massgebend. Ich glaube sie verneinen zu müssen,
obgleich gewichtige Forscher wie Abel (JB. 8. 119 f.) sie bejahen. Auch
V. Ranke (WG. V, 2 S. 116) und Rettberg (KG. D.'s II S. 874) sprechen
in diesem Sinne. Gestützt ist diese Ansicht besonders durch Ann. Einh.
z. J. 772; vgl. V. Karol. 7; Poet. Sax. I v. 22 ff. S. 514 f.; V. Sturm. 22
S. 376; Transl. Libor. 2 S. 150 u. a. (^. Sie ist jedoch schon deshalb be-
denklich, weil die (^uellenaussagen als Rückschluss aus dem schliesslichen
Erfolg auf einen von Anfang an gesteckten Zweck erscheinen: da das Ende
der Kriege die Unterwerfung und Bekehrung des Stammes war, so soll
dieser Ausgang von Anfang an beabsichtigt gewesen sein. Die Darstellung
der Ann. Einh. wird nodi dadurch verdächtigt, dass ein gleicher Plan
Karls zum Jahr 775 berichtet wird. Pvigil aber fasst alles, was bis zum
.lahr 776 geschah, in ein paar Sätzen zusammen; man kann sie nicht auf
einzelne Jahre verteilen. Geht man von der Regel aus, da.ss die ganze
Quellenklasse, aus welcher wir schöpfen, zuverlässiger ist, wenn sie That-
aachen, als wenn sie Motive berichtet, so hat man aus dem, was als that-
sächlicher Erfolg der Kriege von 772 und 775 erzählt wird, auf die Ab-
sichten, die beim Beginn vorhanden waren, zu schliessen ; nicht jedoch aus
den im Jahre 804 erreichten Erfolgen auf die im Jahre 772 gefassten Ab-
sichten. Da nun weder beim Frieden von 772, noch bei dem von 775 vom
l' bertritt vieler oder weniger Sachsen zum Christentum die Rede ist, so
wird Karl bei diesen Zügen die Bekehrung nicht haben erreichen wollen.
— 371 —
der säclisiscben Stämme, die Eiigern, gericlitet, und er war, was
die Sacbsenkriege seines Vaters gewesen waren, ein Verwüstungs-
zug. Die unruhigen Nachbarn sollten für die Verletzung der frän-
kischen Grenzen bestraft und dadurch abgeschreckt werden, das
fi-änkische Gebiet fernerhin zu belästigen. Wenn die Zerstörung
nicht nur die sächsische Grenzfeste, die Eresburg,^) sondern auch
ein Stammesheiligtum, die Irminsul, traf, wenn Karl die Schätze
des Heiligtums als Beute behandelte und au seüie Getreuen ver-
teilte, so war das die Rache für die verbrannten und geplünderten
christlichen Kirchen. Je fester die Sachsen an ihren Heiligtümern
hingen, um so tiefer mussten sie davon betroffen werden, dass jene
rohe Holzsäule, in der ihr Glaube das Hehrste, das Sinnbild der
das Weltall stützenden Kraft, verehrte, gestürzt, dass der das Heilig-
tum einschliessende Hain vernichtet ward. Aber der Eindruck
war doch nicht gross genug, um sie zur Unterwerfung zu bewegen.
Erst als Karl die Höhenzüge, welche ihn von der Weser schieden,
überstiegen hatte, als er bis ins Herz des sächsischen Landes vor-
gedi'ungen war, verstanden sie sich dazu, als Bürgschaft für die
Sicherheit des Friedens Geiseln zu stellen.-) Nur darum handelte
es sich : wir hören nichts von der Annahme des Christentums oder
dem Versprechen der Taufe. ^)
Ein Sommer war nun ruhig. Doch im Jahre 774 benützten
die Sachsen die Abwesenheit des Königs aus dem Norden, um
Noch weniger vermag ich mir die Anschauung von Nitzsch (Gesch. d. d.
Volks I S. 197) anzueignen. Vielleicht scheint Karl bei dieser Ansicht an
Grösse zu verlieren: er hat sich nicht vier Jahre nach seinem Regierungs-
antritt ein erhabenes Ziel gesteckt, sondern dasselbe ist ihm erst im Ver-
laufe erwachsen. Jedoch besteht, wie mich dünkt, die wahre Grösse des
Staatsmannes darin, dass er die nächstliegende Aufgabe löst und dass, wenn
ihre Lösung eine neue Aufgabe zeigt, er sie sofort als nächstes Ziel ins Auge
fasst. Das hat Karl in den Kämpfen vor 776 und nach 776 gethan.
1) Obermarsberg o. d. Diemel, Kreis Brilon.
2) Ann. Lauriss., Einh., Fragm. Basil. z. J. 772. In der letzteren Stelle
(M.G. Scr. XIII S. 28) die Bemerkung: Aurum et argentum, quod super-
stitiosum ibi adunatum fuerat, suis fidelibus distribuit. Über die Irminsul
Transl. Alex. 3 S. 676 und Poet. Sax. I v. 64 f. S. 546. Ich verstehe nicht,
dass Abel (JB. S. 126) einen Widerspruch zwischen beiden Beschreibungen
findet: denn ein truncus ligni und eine factura similis columnae ist doch
nicht verschieden. Was die Bedeutung der Säule anlangt, so halte ich mich
einfach an die Angaben Rudolfs von Fulda; man vgl. übrigens Grimm,
Mythologie S. 95 ff.
3) Die Angabe Erhards (Reg. Westf. Nr. 140 S. 64), dass die Sachsen
das Versprechen der ungehinderten Einführung des Christentums gaben,
ist, so viel ich sehe, aus den Quellen nicht zu belegen.
24*
— 372 —
die Niederlage von 772 wett zu iiiadicn. Nun erhoben sich die
drei St:iinnie;M sie drangen sengend und brennend in Hessen ein:
die Bevölkerung war zum Widerstand nieiit gerüstet: sie flüchtete
in die festen Orte, um den Sturm vorübergehen zu lassen. Be-
sondei-s hielt sich das durch seine Lage fast uneinnehmbare Bura-
hurg; die Eingeschlossenen konnten bald wagen, von der Verteidi-
gung zum Angriff überzugehen. Auch anderwärts scheint das
Vordringen der Sachsen rasch zum Stillstand gekommen zu sein.
Fritzlar fiel zwar in ihre Hände; aber dass die von Bonifatius ge-
gründete Kirclie der Vernichtmig entging, holj den Mut der Christen:
sie sahen darin ein Wuiuler, ein iruterpfand des göttlichen Schutzes.
Bald brachte die Bückkehr Karls Hilfe:'-) noch im Herbste sandte
er vier Streifschaaren gegen die Sachsen, welche das Übergewicht
der fränkischen Waffen sofort herstellten.-'') Im Frühjahr 775 brach
der König selbst in Sachsen ein: die sächsische Feste Sigiburg*)
fiel beim ersten Angriff: durch das Land der Westfalen und Engern
drang er bis in das ostfälische Gebiet vor: es gelang ihm. die drei
sächsischen Stämme gesondert zu unterwerfen.'*) Der Sieg war
1) Dass der Aufstand möglicherweise schon im .Tahre 773 ausbrach,
zeigt Abel, JB. S. 197.
2) Höffer S. 114 läset Karl den Plan zur Unterwerfung und Bekehrung
der Sachsen Ostern 774 auf Anregung des Papstes in Kom fassen. Er stützt
sich dabei auf eine Quelle von sehr zweifelhaftem Wert, das Bruchstück
eines Briefwechsels Egiberts von Osnabrück mit WilliViert von K<"iln (Osna-
brücker ÜB. I S. 30 f. Nr. 45). Selbst wenn es echt wäre, würde es nichts
beweisen: denn auch dann läge ein .Jahrhundert zwischen dem Brief und
dem Faktum. P^s ist bezeichnend für Hüffers optimistische Weise, Quellen
zu beurteilen, dass er erklärt, an der Echtheit und vorzüglichen Verwend-
barkeit des Bruchstücks könne ,.gar kein Zweifel sein*. Die Nachricht von
der Mitwirkung dos Papstes kehrt in den gofälschtcn Königsdiplomon für
sächsische Bistümer regelmässig wieder: für Bremen B.M. 286, für Verden
287, für Osnabrück 841 und 1349, während die echte Überlieferung sie nicht
kennt: man wird sie überall als Kennzeichen des späteren Ur.«prungs be-
trachten dürfen. Entstanden sein kann sie nicht vor der Demütigung des
Kaisertums unter das Papsttum, also nicht vor der späteren /oit Ludwigs
d. Fr. Hadrian in seinem (Tlückwunsch zu den Sachsensiegen des Jahres
774 erwähnt die Sachsenmission nicht mit einer Silbe, Cod. Card. 50 S. 569 f.
3) Ann. Lauriss., Einh., Kuld. z. J. 774; V. Wigb. 16 ff. fM.G. Scr. XV
S. 42); Cod. Carol. 50 S. 569 f.
4) Syburg an der Ruhr, südlich von Dortmunil.
6) Ann. Petav., S. Amand., Lauriss. min., Lauriss., Einh., Fuld, Chron.
Moigs., Mett. (M.O. Scr. XIII S 29) z. J. 775. Über die kriegerischen Er-
eignisse s. Abel, JB. 223 fr.; Mühlbachor, J)(i. S. 119 f.; Ritter S. 13 ff. Die
Kombinationen des letzteren scheinen mir nicht alle sicher.
— 373 —
vollständig: die Sachsen stellten Geiseln und leisteten dem Könige
den Treueid. Daraufhin wurde ihnen der Friede gewährt.^) Von
Bedingungen, welche sich auf die Rehgion beziehen, hören wir
wieder nichts; gleichwohl hat dieser Sieg dem Vordringen der
Kirche gedient. Denn indem die Sachsen dem Könige Treue
schworen, erkannten sie die fränkische Oberherrschaft über ihr Land
von neuem an. Erst dadurch war der Boden für Missionspläne
Karls geebnet.
Das grosse Zugeständnis, durch das die Sachsen den Frieden
erkauften, stand in keinem Verhältnis zu den Verlusten, welche
sie in dem kurzen Feldzug erlitten hatten. Um so begreiflicher
ist, dass es ihnen unerträghch war. So erhoben sie sich denn
bereits im Sommer 776 gegen die fränkische Herrschaft. Der Zeit-
punkt war geschickt gewählt; denn Karl schien durch Unruhen
in Italien ferne gehalten. Aber wenn auch der Aufstand sich
sicher nicht nur auf die Westfalen beschränkte,") so war er doch
nicht allgemein: einzelne Grosse haben die Karl gelobte Treue
nicht gebrochen.^) Mit halber Kraft unternommen, hatte die Em-
1) Die ganz vereinzelte Notiz der Ann. Sangall. Baluz. z. J. 775:
Karolus plurimos ex ipsis ad baptismi gratiam perduxit, kann gegenüber
dem Schweigen aller anderen Quellen nicht beweisen, dass Karl die An-
nahme des Christentums als Friedensbedingung forderte. Nach den übrigen
Quellen verlangte der König nur das sacramentum fidelitatis gegen seine
Herrschaft. Das entspricht um so gewisser der Wirklichkeit, als ja die
Ann. Einh. von einem Plan Karls, die Sachsen zur Annahme des Christen-
tums zu nötigen, reden. Wäre dieser angebliche Plan damals schon aus-
geführt worden, so hätten sie es gewiss nicht verschwiegen. Vgl. auch das
tandem der Ann. Lauriss. min. z. J. 778 oder 776. Möglicherweise bezieht
sich die Notiz der St. Gallischen Annalen nur darauf, dass Karl die säch-
sischen Geiseln in verschiedene Klöster verteilte (cap. 115 S. 223). Wahr-
scheinlicher ist mir jedoch, dass die Annalen an die Taufe der Sachsen
im Jahre 776 denken, welche alle übrigen Annalen erwähnen, während sie
davon schweigen.
2) Diese Annahme Ritters I S. 22 ff. scheitert schon daran, dass weder
die Eresburg noch Paderborn auf westfälischem Boden liegt. Dagegen ist
es wahrscheinlich, dass die Sachsen nördlich der Elbe sich weder am Auf-
stande noch an der Unterwerfung beteiligten. Denn ihr Land wurde durch
die kirchlichen Massregeln der Paderborner Synode nicht betroffen. Amalar
von Trier, der erst nach 804 Bischof wurde, hat dort die erste Kirche ge-
weiht, V. Ansk. 12 S. 33. Die Worte maximam partem Saxoniae der Ann.
Laure-sh. haben also guten Grund. Die Notiz der Ann. Brem. M.G. Scr.
XVII S. 854, die d. J. 810 giebt, ist natürlich belanglos.
3) Das wissen wir von dem Ostfalen Hassio (Hessi), der sich 775 unter-
worfen hatte, V. Liutbirg. I Scr. IV S. 158; über seine Unterwerfung Ann.
Lauriss., Einh. z. 775 S. 40 f.
— H74 —
pürung lU'iin aiuli nur halben Erfulg. Z^val■ gelang es den Sachsen
die Eiesl)urg. die Karl im Jahre vorher wieder aufgebaut hatte,
■wie es seheint, durch Veirat einzunehmen, dagegen hielt sich die
Sigil»urg, und als vollends Km'l unerwai-tet rasch persönlich in den
Kampf eingreifen konnte, war das Schicksal der Aufständischen
entschieden: sie wagten keinen ernstlichen AViderstand, sondern
erklärten ihre Unterwerfung; sie verpfändeten dem König für die
Zuverlässigkeit ihres Wortes ihr Landeigentum.') Und hier wurde
nun zum ei-sten Äfale die Frage der Religion in den Friedensver-
handlungen berührt. Sie ist nicht von Karl angeregt worden,
sondern the Sachsen erboten sich freiwillig zur Taufe, ohne Zweifel,
um eine Gewähr für die Aufrichtigkeit ihrer Unterwerfung unter
die fränkische Herrschaft zu gel)en.-)
Man sieht, wenn der Erfolg der Siege des Jahres 775 über
das im Fiieden von 772 EiTeichte hinausging, so führte der Friede
des Jahres 77») wieder um einen Schritt weiter. • Seit dem Jahre
1) Ann. Lauriss., Einh. etc. z. J. 776.
2) Ann. S. Amand. z. J. 776: Subiufjati Saxones dederiintquo hospites
(= obsides), ut fiorent christiani. Petav. : Timore iterculsi voncrunt niaioros
natu ad domnum regem Karoluiu postulantes paceni et bapti/.ata niulta
turba populi. Lauresh.: Et indo revertene conquisivit niaxiuiam partcni
Saxoniae; et converei sunt Saxones ad fidem Christi et baptizata est eorum
multitudo innumera. Ann. Fuld. ant. (ed. Kurze S. 137) und Ann. (Jol.:
Convcrsio Saxonum. Die Notiz der Ann. Lauriss. min.: Saxones non valentes
reeistero taudcni christiani otlerti Francoruni dicioni subdnntur bozieht sich,
wie mir scheint, auch auf 776 und nicht auf 778. Dass die Annahme des
Christentums von den Sachsen ausging, ist in diesen C^ucUen noch niclit
ausgesprochen; dagegen ergiobt es sich aus Ann. Lauriss. mai.: Saxones
))erterriti omnes ad locum, ubi Lippia consurgit, venicutes ex omni parte
et reddiderunt patriam ))er wadium onincs manibus eorum (d. h. sie er-
klärten, das Recht am Grundeigentum vorwirkt zu haben, wenn sie von
der gelobten Treue Hessen; Waitz, V(i. 111 S. 128) et spoponderunt se esse
christianos et sub dicioni domni Caroli regia et Francorum subdiderunt.
Noch bestimmter Ann. Kinli.: Ad foiiteni liippiae veniens immensam illius
perfidi populi niultitudincm vohit dovotam ac suppiicem et quam erroris
sui poeniteret, voniam poscentem invenit. Cui cum et misericorditer igno-
viseet, et eos qui se christianos fieri velle adfirmabant, baptizari feci.sset,
datis et acceptis pro fide servanda fraudulentis eorundem promissionibus . .
ipse in (jalliam rever.sus in villa Horistallio hiemavit. Ann. Maxim. (M.G.
Scr. XIII S. 21): Eodom anno raulta turba de Saxonibus baptizata est. Ann
Mosell. (M.G. Scr. XVI S. 436): Conversi sunt Saxones ad fidem Christi et
baptizata est eorum innumera multitudo. Man sieht, dass es die Anschau-
ung sämtlicher Annalen ist, das« es sich um den auf einmal vollzogenen
Übertritt des ganzen Stammes zum Christentum handelte.
— 375 —
776 war Sachsen in den Augen des Königs ein Teil des frän-
kischen Reichs und christhches Land.
Wenn Karl die Reichsversammlung des Fi'ühjahres 777 auf
sächsischem Boden in Paderborn hielt, ^) so ist die Absicht nicht
zu verkennen; es sollte die Zugehörigkeit Sachsens zum fränkischen
Reiche dem allgemeinen Bewusstsein eingeprägt werden. Wie
gewöhuhch erschienen auch die fränkischen Bischöfe auf dem Reichs-
tage. Karl vereinigte sie zu einer S}Tiode.-) Auf derselben wurde
über die kii'chliche Ordnung Sachsens beraten und beschlossen."^)
Dies rasche Vorgehen war ganz in Karls Art: was er wie im
Sturm gewonnen hatte, sollte sofort befestigt werden. Die christ-
hche Predigt sollte die Arbeit des Schwertes vollenden. Ein etwas
jüngerer Berichterstatter, Eigil von Fulda, erzählt von der Vertei-
lung des Landes in bischöfliche Diözesen; aber wie hätte man an
eine regefrechte kirchhche Organisation denken können? es handelte
sich um ein Land, das zwar den chiistlichen Namen angenommen
1) Ich glaube auch hier, dass die Motivierung der Thatsache in den
Ann. Einh. : Propter fraudulentas Saxonum promissiones, quibus fidem habere
non poterat, historisch wertlos ist. Auch hier lesen wir nur einen Schluss
ex eventu. Weil die Versprechungen der Sachsen sich als unzuverlässig
erwiesen, so soll Karl von Anfang an argwöhnisch gegen sie gewesen sein.
Ich halte deshalb die Verwertung der Stelle bei Abel (JB. S. 267) für un-
zulässig. Die Versammlung selbst ist in den meisten Annalen erwähnt.
2) Urkunde Karls für das Kloster Salona (B.M. 208): Senodalis consi-
lius anno nono ad Patris Brunna. Hefele (CG. III S. 622) erzählt, dass die
Sjmode beschloss, von allen getauften Sachsen einen Eid zu verlangen, dass
sie dem Christentume treu bleiben wollten bei Strafe der Güterkonfiskation,
und dass alle Sachsen mit Ausnahme Widukinds diesen Synodalbeschluss
angenommen hätten. Wie ungenau dies Referat ist, zeigen die S. 374
Anm. 2 angeführten Stellen.
3) Die Annalen erwähnen von der Verteilung des Landes an frän-
kische Kirchen und Klöster nichts; erst zum Jahr 780 erzählen die Ann.
Lauresh. : Divisit ipsam patriam inter episcopos et presbyteros seu et ab-
bates, ut in ea baptizarent et praedicarent. Gleichwohl steht fest, dass
eine solche Massregel schon vor 780 getroffen wurde. Abt Sturm von Fulda,
der 779 starb, hat in Sachsen gewirkt. Dann kann sie aber nur in Pader-
born vorgenommen worden sein. Was beschlossen wurde, ersieht man aus
Eig. V. Sturm. 22 S. 376: Post non longam tempus (Carolus) totam pro-
vinciam illam in parochias episcopales divisit et servis domini ad docendum
et baptizandum potestatem dedit. Die Ansicht Abels (JB. S. 337 f.), dass
die Verteilung Folge des Todes Sturms gewesen sei, widerspricht, wie man
sieht, diesen Worten. Abel selbst hat übrigens S. 268 das Richtige. Vgl.
Transl. Libor. 2 (M.G. Scr. IV S. 150). Die Verteilung des Jahres 780 war
demnach nur die Erneuerung, wohl auch vollständige Durchführung einer
früher getroffenen Einrichtung.
— •M{\ —
hatte, (liMii al)or (Ihn ('liiisteiituin noch so gut wie iVenul war. Die
ungowtilinliclu'u Veiliiiltuissc orlieiscliten uugewühuliche Mittel.
l)f>liall) winde zwar eine Teilung der weiten, für die Arbeit der
Kirche erschlossenen Landstriche vorgenommen; aber man dachte
dabei nicht an die Abgrenzung genau bestinnnter SprengeV) son-
dern nin- an die Erleichterung der Missionsarbeit durch die J^ilduiig
von iSIissionsgebieten. Dadurch wurde verhütet, dass an einem
Oi-te die Unternehmungen sich kreuzten, während andere unberück-
sichtigt Idieben. An die Spitze der ]\Iissioiisl)ezirke wurden nicht
eigene Kischöte gestellt, sondern Karl übergab sie kirchlichen In-
stituten des fränkischen lieichs zur geistlichen Versorgung. Es
lag in der Natur der Sache, dass zunächst die Grenzbistümer heran-
gezogen wurden. Demgenüiss erhielt Köln das einstmals l)oruk-
terische Land zugeteilt, Gegenden, in denen vielleicht schon im
siebenten Jahrhundert von Köln aus die Mission versucht worden
war;-) Mainz die südlichen säclisischen Gaue an der hessischen
und thüringischen Grenze,'') Ttrecht wahrscheinlich die Landstriche
nördhch der Lippe."*) Von entfernter hegenden Bistümern wurde
1) So HüiFer S. 125 f.: Die Paderborner Teilung von 777 hat die be-
liiinnten acht Bistumssprengel der späteren Zeit geschuHen. Aber dazu
fehlten doch, zwei .Jahre nach dem Beginn der Sachsenmission, alle Voraus-
setzungen.
2) Es blieb stets bei dem Kölner .Sprengel. Rettberg (KCi. D.".s II S. 419)
leitet das von älteren Rechten, d. h. älterer Missionsthiltigkeit Kölns her,
Ich halte nun, wie früher bemerkt (Bd. I S. 316 f.), für möglich, dass Kunibert
rechts des Rheins missioniert hat; aber von dauernden Erfolgen und daraus
erwachsenen Rechten kann doch keine Rede sein: das beweist das Schicksal
Suidborcts (s. o. S. 3G7 i'.). Die Zuteilung des sächsischen Teils der Kölner
Diözese an dies Bistum ist deshalb nur verständlich, wenn bei jener Tei-
lung des Landes Köln diesen Landstrich angewiesen erhielt; bei der Kon-
stituierung von sächsischen Bistümern verblieb er dann in dem anfangs nur
als provisorisch gedachten Verbände.
3) Mit dem sächsischen Teil des Mainzer Sprengcls verhält es sich
ebenso wie mit dem des K()lner: die einfachste Hypothese ist die einer
Zuteilung im .lahre 777 oder 780. Ich halte es auch hier nicht für un-
möglich, dass an eine über die Sachsenkriege Karls zurückliegende Missions-
thätigkeit zu denken ist (s. o. S. 365). Diese Gaue gehörten den Kngern;
es ist möglich, das» Mainz auch im benachbarten Ostfalen arbeitete; denn
dass Ostfalen im 9. .lahrh. in St. Alban in Mainz ihre Ausbildung fanden,
hat .Tostes Z. f. d. A. 40 S. 131 wahrscheinlich gemacht.
4) Es ist unwahrscheinlich, da.ss der zwischen dem Kölner Missione-
gebiet und dem Utrochter Bistum gelegene Landstrich übergangen wurde.
Für die Thätigkeit Utrechter Missionare spricht die spätere Berufung des
ütrechter Priesters Liudgcr zum Bischof von Münster.
dem grossen ostfriuikisclien Bistum Würzbiirg die Gegend um
Paderborn,') dem ebenfalls sehr bedeutenden Bistum Lüttich
das im Osten der oberen Ems gelegene Gebiet um Osnabrück
zugewiesen.^) Möghcherweise nahmen das alte Erzbistum Rheims
und das kleine Bistum Chalous s. M. schon damals an der
Missionsarbeit am nördlichen und östlichen Harz Anteil.^) Neben
den Bistümern wurden einige Klöster zur Arbeit unter den
Sachsen verpflichtet: wir wissen das von Fulda ^) und Amor-
1) Transl. Libor. 5 (M.G. Scr. IV S. 150). Bischof in Würzburg war
Megingoz; s. über ihn oben S. 46.
2) Die Sache ist nicht sicher, da sie nur durch eine im 10. oder 11.
Jahrhundert angefertigte falsche Urkunde Ludwigs d. D. (B.M. 1349) bezeugt
wird, nach der Bischof Agilfrid 769 — 787 die erste Kirche in Osnabrück
geweiht hat. Philippi, Mitth. des bist. Ver. zu Osnabrück XXII S. 30, be-
zweifelt die Annahme.
3) Was Chälons anlangt, so erklärt sich dann am leichtesten, dass Hildi-
grim, der Bruder Liudgers, Bischof daselbst wurde, und als Bischof die
Mission im späteren Halberstädtischen leitete. In Bezug auf Rheims giebt
es eine nur sehr unsichere Spur darin, dass sich das Stift an der Domkirche
von Hildesheim als Tochter von Rheims betrachtete. Das, wie es scheint,
unter Bischof Adelog angelegte Konfraternitätsbuch (Leibnitz Script. I
S. 767 f.), enthält die Nomina ecclesiarum, quae nobis fratres et sorores in
Christo nostras orationes in cotidianis sacrificiis a nobis expectant et suas
debent nobis vivis et defunctis, sicut a maioribus nostris accepimus, und führt
zuerst an Remensis ecclesia, quae mater fuit Hildeneshemensi ecclesie in
canonica institutione. Es folgen: Paris, St. Gereon in Köln, Bamberg,
Münster, Paderborn, Halberstadt und eine Anzahl Klöster darunter Monte
Cassino und Tours. Die Kirchenheiligen widersprechen nicht: der Dom zu
Rheims wie der zu Hildesheim waren Marienkirchen. Der von Jostes, Z. f.
d. A. 40 S. 148 ff. publizierte Kalender aus Hildesheim von ca. 9-50 giebt
ebenfalls eine schwache Stütze; denn er enthält eine auffallend grosse Zahl
von Heiligen aus der Rheimser Erzdiözese: Remigius, Vedastus, Trudo,
Bavo, Audomar, Eligius, Medardus, Aldegundis, von Pariser Heiligen Ger-
manus, Clodoald und Genovefa. Da Rheims Güter in Thüringen besass
(Flod. H. Rh. eccl. Ill, 10 M.G. Scr. XIH S. 484), so lag der Gedanke an
sächsische Missionsthätigkeit nicht ganz fern. Thüringischer Besitz von
Chälons s. M. ist ebenfalls nachweisbar, Dobenecker I S. 58 Nr. 265.
4) V. Sturm. 22 S. 376: Tunc pars maxiraa beato Sturmi populi et
terrae illius ad procurandum committitur. Rettberg nimmt (KG. D.'s II
S. 404) die Gegend von Paderborn an, Dehio (Gesch. d. Erzb. Hamburg-
Bremen I S. 11) denkt an das Land an der oberen Weser um Eresburg
(nach V. Sturm. 24 S. 377), Meinardus (ÜB. von Hameln S. VII) an die
Gegend von Hameln. Die letzteren beiden Annahmen schliessen einander
nicht aus und sind wahrscheinlich. Dagegen aus der Urkunde Dronke, Cod.
Dipl. Nr. 82 f. S. 50 auf eine Wirksamkeit Fuldas in Paderborn zu schliessen
— 378 —
bach;^) Wi Hei-sfeld-') imil Cüi-bie*^) ist es mindestens wahrscliein-
licli. Es mögen noch aus manchem anderen Kloster JMönche in
Sachsen gearbeitet haben, aber von ihrer Tliätigkeit ist keine Kunde
zu uns gehmgt.^) Der ganze nördUche Teil Sachsens von der Ems
bis zur Elbe und das jenseits der Elbe gelegene Land scheint
bei cheser ersten Aufteilung des Missionsgebiets unbesetzt gebheben
zu sein. Der am weitesten vorgeschobene Punkt war ^\'rden.■')
Karl hoffte wohl, dass auf diese AVeise die Arbeit an vielen
Orten zu gleicher Zeit nachdrücklich aufgenonnuen werden würde.
Er vermied zugleich, den Stolz der Sachsen durch Einsetzung
fränkischer Bischöfe in ihrem Lande zu kränken,") und er umging
die Schwierigkeit, dass das kirchliche Recht die Errichtung von
(Abel, JB. S. 349), scheint mir bedenklich. Schenkungen an den heiligen
l'.onifatius kommen in allen Gegenden Deutschlands vor und beweisen
also nichts.
1) Auch hier ist die Quelle jung; doch scheint die Annahme un vor-
werf bch. Sie stützt sich darauf, dass in dem Chron. episc. Verdens. 2 f.
(Leibnitz, Script, rer. Brunsvic. II, 211) die ersten Bischöfe von Verden,
Spatto-Pacificus-Patto und Tanco, zugleich als Äbte von Amorbach bezeich-
net sind. Der erstere, ein Kelte, starb nach den Ann. necrol. Fuld. (M.(i.
Scr. XIII, 168) am 2. Juni 788. Uhlhorn S. 377 verlegt Amorbach in den
Schwarzwald; es liegt bekanntlich im Odenwald.
2) Da Karl am 8. März 780 dem Kloster Horsfeld den Zehnten im
Hessengau giebt (B.M. 220), so ist die Verpflichtung Hersfelds zur Missions-
thätigkeit in diesem Gau sehr wahrscheinlich. Auch die Zehnten im
Friesenfold gehörten Hersfeld s. Dipl. 11 S. 218 Nr. 191 und vgl. l S. 21)8
Nr. 215. Ein Verzeichnis der zohntpflichtigen Orte veröH'onllichto Grössler,
Ztschr. des Harzvereins 1874 S. 85, wieder abgedruckt bei Dobeneckor,
Kegestu Thuringiae I S. 64 f.; und neu herausgegeben von Schröder in den
Mitth. des Instit. XVII S. 12. Er bestimmt die Abfassung um 8-50. Des-
gleichen war Quedlinburg hcrsfeldisch, Mir. Wigb. 19 M.G. IV S. 227. Das
ganze Gebiet gehörte später zu dem Bistum Ilalberstadt.
3) t'orbie be.sass Güter in Sachsen (Wilmans, Kais. Urkunden Nr. 7 ö. 20).
4) Wenn Wiho, der angebliche erste Bischof von Osnabrück, wirklich
eine historische Person sein sollte (Philippi, Osn. ÜB. I S. 1 und 4; ders.
zur Osn. V(i., Mitth. a. a. 0. S. 30), so muss man ihn zu diesen unbekann-
ten Sachspnmissionaren zählen. Aber vgl. die Bemerkung von Jostcs, 11.
JB. XV S. 111, wonach Wiho kein Name sein kann. Das Wort bedeutet
Heiliger, Geweihter. Hütfer, Korv. Studien S. 188 f. lässt ihn 780 dem
0.snabrüoker Sprengel vorgestellt, 7«5 konsekriert werden, vgl. dagegen
Philippi in d. (4ött. H.A. 1899 S. 494 f.
5) Man bemerkt auch, dass nicht jeder Missionsbezirk sich im Verlauf
zu einem eigenen Biätum auswuchs.
6) Dieses Motiv nennt V. Willeh. 8 S. 371.
— 379 —
Bistümern nur in Städten zuliess,^) während dem sächsichen Lande
Städte fast völlig fehlten.
Das sächsische Volk schien bereitwiUig auf die Pläne Karls
einzugehen: grosse Scharen drängten sich in Paderborn ziu- Taufe.
In der feierhchsten Weise versicherten sie ihre Treue gegen den
König und ihre Anhänghchkeit an den christhchen Glauben.-) Die
fränkischen Prediger begannen voll froher Hoffnung ihre Arbeit.
Eigil schildert die Thätigkeit des Abts Sturm von Fulda: wie er
auf alle Weise strebte, dem Herrn ein nicht geringes Volk zu ge-
winnen; unermüdlich hal^e er gemahnt, dass das Volk den Götzen
entsage und den Glauljen an Christus annehme, die Göttertempel
zerstöre, die heiligen Haine umschlage und an ihrer Statt Kirchen
erljaue;^) ja er habe alsbald mit der Errichtung christlicher Kirchen
begonnen.^) Was von Sturm erzählt wird, wurde gewiss von vielen
anderen ebenso treu geübt, deren Namen nicht auf uns ge-
kommen sind.
Karl selbst bewies in jeder Weise, dass es ihm ernst sei mit
der kirchlichen Pflege der Neubekehrten: noch während seiner An-
wesenheit in Paderborn wurde der Grundstein zu einer Kirche zu
Ehren des Heilands gelegt.'^) In den von den Fi-anken besetzten
Burgen liess er ebenfalls Kirchen bauen. *^) Auch die Hauptsache:
geeignete Priester für die Sachsenpredigt zu gewinnen, hess er
nicht aus dem Auge.')
Doch stand aUes bisher EiTeichte auf einem sehr schwanken
Fundament. Der sächsische Stamm war nicht einig in dem Ent-
schlüsse, auf den Kampf mit den Franken zu verzichten. Hervor-
ragende Grosse, wie der ostfälische Herzog Hessi'') und der Graf
Emmigg im Gau Leri, gehörten der Friedenspartei an; ihr Anschluss
an den chi'istlichen Glauben war aufrichtig imd ernsthaft. Von
1) Hierauf weist Transl. Libor. 2 S. 150 hin; c. 5 S. 151 wird hervor-
srehoben, dass die Sache doch auch ihre Schattenseiten hatte.
2) Ann. Petav., Lauriss., Einh., Fuld., Mosell. z. J. 776.
3) V. Sturm. 22 S. 376.
4) L. c. 23 S. 376: Cum per regiones quasque singulas ecclesias con-
struxisset.
5) Ann. Petav., Sangall. Baluz. z. J. 777.
6) Ann. Lauriss. z. .J. 776 erwähnen die Kirche in Eresburg, cf.
Stumpf 2140.
7) Vgl. Transl. Viti 4 S. 577: Quaesivit sacerdotes bonae spei quos in
Saxoniam dirigeret, qui ipsos secundum ecclesiasticam fidem docerent, domos
episcoporum atque ecclesias constituerent. Die Aussage ist allgemein: man
wird sie bereits auf diese Zeit beziehen dürfen.
8) Ann. Lauriss., Einh. z. J. 775; vgl. oben S. 373 Anm. 3.
— 38Ö —
Ht'ssi ^viss^'n wir. dass die iluistlichu lU'lii^non in seiner Familie
lierrschend war;') er selbst trat später als Älöneli in das Kloster
Fulda; dort ist er im Jahre 804 gestorben.-) Der Graf Emmigg
aber ist einer der wenigen Märtyrer des christlichen Glanbens in
Deutschland.^) Andererseits jedoch fehlte es nicht an Männern,
welche den Widerstand gegen die fränkische Herrschaft liir nuig-
lich hielten. Sie gaben die sächsische Freiheit noch nicht ver-
l()i-(ni. .Vugenblicklich befanden sie sich in der Minorität: ihr
Führer W'idukind. einer der ersten ]\Iänner des westfiUischen Adels,
hatte das Land verlassen und in Dänemark Aufiudnne gefunden.
Er erkannte, dass die Fortsetzung des AViderstandes im Lande selbst
im Momente aussichtslos sei. Aber nur im Momente. Denn bei
dem starren Fnabhängigkeitssinu des sächsischen Stammes war zu
erwarten, dass die Unterwerfung unter den fremden Herrscher nicht
von langer Dauer sein würde. Karls rasches und nachdrückliches
Handeln, das den Sachsen die Eniptindung der grossen Verände-
rung in ihren Verhältnissen aufdrängen niusste, war recht geeignet,
einen l'mschlag der Stimnnnig hervorzurufen.
Er trat alsbald ein. Als Karl im .Tahre 7 TS duich die Kämpfe
in Spanien ferne gehalten war, kehrte Widukind zurück; von ihm
geführt, erhoben sich die Sachsen von neuem.'*) INfan hat bemerkt,
dass sie d' ii Krieg leidenschaftlicher begannen als je vorher: sie
suchten nicht mehr Beute, sondern Eache.'') In der Heimat duldeten
sie keinen AViderspruch : wer es nicht mit den Aufständischen hielt,
wer den christlichen Glauben nicht verleugni^te, musste eilends ent-
Hiehen: mancher sächsische Manu, dei' durch den Kail geschwo-
renen Eid sich gebunden fühlte, hat damals als Flüchtling die
Heimat verlassen.") Dasselbe Schicksal hatten die christlichen
1) V. Liuthirg. 1 (M.r;. Scr. IV, V>S).
2) Necrolog. Fuld. (M.G. Scr. XIII S. 169).
3) V. Willoh. 6 S. 382. Als treue Sachsen werden aussenleni geniuint
Amalung (Urkunde Karls vom I.Dezember 811, H.M. 4.53) und Hiddi (Ur-
kunde vom 9. August 813, a. a. 0. 464). v. Inania-Sternegg betrachtet
beide mit Unrecht als zu den weggeführten Sachsen gehörig (Ausbildung
der Grundherrschaft S. 47 f.).
4) Ann. Laurisa., Einh. z. J. 778.
5) Ann. Kinh. 1. c: Ut appareret, eos non praedandi, sed ultionem
oxeroendi gratia Francorura terrainos introisse.
6) S. die oben Anm. 3 genannten Namen. Kine Anschauung der Zu-
stände erhält man durch das, was in der Urkunde von Amalung erzählt
wird: Dum ceteri Saxones i)aronto8 illius contra nos infidcliter egissent,
AmalunguH mallons fidem suam seruare quam cum ceterin infidelilnis per-
seuerare relinquens locum natiuitatis suae ucnicns ad nos et dum in nostro
— 381 —
Priester. Sturm gelang es, nach Fulda zu entkommen; auch dort
entging er nur mit knapper Not dem Tode. Als die schlimmste
Gefahr schon vorüber war, bedrohte eine sächsische Schar das
Kloster; die Mönche flüchteten mit den Reliquien des Bonifatius
nach der Rhön; erst jenseits des Waldes, in Hammelburg, meinten
sie sicher zu sein. Doch wurde Fulda nicht zerstört.-^) Der Sieg
der Franken bei Laisa-) hat das Kloster gerettet. Der Vorgang ist
nur eine Episode. Denn der Angriff der Sachsen kehrte seine
Spitze nicht gegen Süden, sondern gegen Westen; sie drangen bis
an den Rhein vor, indem sie die ganze Gegend von Deutz bis zur
Mündung der Lahn verheerten;"'') selbst der breite Strom gewährte
keine Sicherheit: St. Martin in Köln ist wie so manche andere
Kirche in jenen Tagen in Flammen aufgegangen.^)
Es bedurfte zweier Jahre, bis die Verhältnisse so weit ge-
ordnet waren,''') dass die kirchliche Arbeit wieder beginnen konnte.
Karl hatte sie auch während des Kampfes nicht aus den Augen
verloren. Abt Sturm von Fulda begleitete ihn auf dem Feldzuge
des Jahres 779. Wir hören, dass er ihn amvies, noch einige Zeit
in Eresburg zu verweilen: ohne Zweifel im Interesse der kirchlichen
Zustände. Doch der treffhche Mann stand am Ziele seiner Lauf-
bahn. Krank kam er von der Eresburg nach Fulda zurück; hier
ist er am 17. Dezember 779 gestorben.**)
Nachdem der Friede wiederhergestellt schien, nahm Karl eine
neue Verteilung des Landes an die kirchlichen Institute des frän-
kischen Reiches vor.'^) Nun scheinen auch die nördhchen Gaue
bis zur Elbe einbezogen worden zu sein. Damals war es, dass er
Willehad aus Friesland abrief: er übertrug ihm die kirchhche Lei-
eeset obsequio uenit ad uillam cuius est uocabulum Uuluisangar (Wolfsanger
an der Fulda bei Kassel), quam tum tcmporis Franci et Saxones inhabitare
uidebantur cupiens ibi cum eis manere sed minime potuit, tunc pergens ad
locum qui dicitur Ualdisbeecchi (am Wallebach bei Wolfsanger) inter Uise-
raha et Fuldaha proprisit sibi partem quendam de silua quae uocatur
Bocchonia. Dasselbe Schicksal hatte Hiddi, der sich zuletzt in Hawca-
brunno (Habichtsborn bei Escherode) niederliess.
1) V. Sturm. 23 S. 376.
2) Lihesi, ob der Eder, westlich von Fritzlar.
3) Ann. Lauriss., Einh. z. J. 778.
4) Chron. S. Martini S. 214: Huic suffectus est Herbodus, qui rexit sub
annum 778, quo monasteriura a Saxonibus est destructum.
5) Über die kriegerischen Ereignisse s. Abel, JB. S. 313 ff., 333 ff. Die
Darstellung von Ritter scheint mir keinen Fortschritt zu bezeichnen.
6j V. Sturm. 24 f. S. 377.
7) Ann. Lauresh., ehr. Mois. z. J. 780; s. oben S. 375 Anm. 3.
— 382 —
tnni: (los rianes AVigniorlin. an dvv Nordsee zwisohon Woser und
Elho: er sollU' kral't küniglichei- Autorität Kirchen ,ü:riinden und
dem Volke das Evan<jeliuni verkündigen. Willehads Tüchtigkeit
bewährte sich hier niclit minder wie bei der Arbeit in Friesland:
es gelang ihm schon im zwi'iten Jahre, die Sachsen und Friesen
auf dem rechten Ufer der Weser zur einhelhgen Annahme des
Christentums zu bewegen; er begann mit der Errichtung von
Kirchen und der Anstellung von Priestern bei densellien.^) Wie
es scheint, setzten die Sachsen für den Augenblick den Priestern
nirgends Widei-stand entgegen: selbst von Bekehrungen bei den
Sachsen im Norden der Elbe hört man jetzt zuerst.-) Auch die
auf sächsischem Gebiete wohnenden AVenden trafen Anstalt, sich
dem christlichen Bekenntnis anzuschhessen.'') Karl war des Friedens
so sicher, dass er im Sommer 782 auf einer Reichsversammlung
am Ursprung der Lippe nach fränkischer Weise Grafen tiir das
Sachsenland bestellte und sie aus den grossen Familien des Landes
.selbst nahm.^) Da warf die Empörung des Jahres 782 alles aus
dem Geleise.
Widukind. der wieder an der Spitze stand, gelang es, eine
gleichzeitige Erhebung der Sachsen und Wenden zu Stande zu
bringen.'') Es lag in den Verhältnissen, dass auch diesmal der In-
grinnn der Aufständischen sich gegen die Kirchen und die Pi-iester
richtet^:'. Die Erinnerung der nächsten Zeit sah in AN'idukind
einen Christenverfolger,") während den späteren Generationen der
Nationalheld zu einem Heiligen ward. Das erstere war nicht ganz
unrichtig. Das zeigt das Schicksal AVillehads und seiner Clenossen.
Als die Empörung ausbrach, tloh W'iUehad nach dem Meere zu;
1) V. Willeh. 5 S. 381. Wigmodia zwischen Weser und Elbe; s. über
den Umfiiiip Dehio, a. a. 0. Krit. Ausf. VI S. r,0 f.
2) Ann. Lanriss. z. .1. 780 S. 56. Uemerkenswert ist aber, dass die Taufe
der Nordleudi zu Orhaim (Ohrum an der Ocker, südlich von Wolfenbnttel)
stattfand. Denn darin liegt, dass es sich nicht um Frucht der Missions-
thiitifjkeit handelte, sondern um ein dem König gemachtes Zugeständnis.
3) Ann. Mosoll.. Lauresh., Petav., Chron. Mois«. z. .T. 780. Die Nach-
richt ist an sich so wahrscheinlich, dass ich sie trotz dieser spärlichen He-
zeugung für begründet halte. Man kann bei ihr jedoch nur an die Wenden
im östlichen Sachsen denken. Dass Mühlbacher (Reg. Imp. 222b) auch die
Main- und Regnitzwenden herbeizieht, ist irrig, da jeder Zusammenhang
zwischen ihnf-n und den Sachsen fehlt.
4; Ann. Mosell., Lauresh., Chron. Moiss. z. .T. 782.
5) Ann. Lauriss., Kinh. z. J. 782. Die Erhebung der Wenden wird hier
nicht auf Widukind zurückgeführt. Es ist aber einleuchtend, dass ein zu-
fälliges Zusammentreffen nicht vorliegt.
6) V. Mathild. 1 (M.G. Scr. IV S. 2H4j.
— 383 —
es glückte ihm. ein Schiff zu erreichen, das ihn um die friesische
Küste herum in das fränkische Land führte. Yon seinen Schülern
und Mitarbeitern aber wurden nicht wenige getötet; auch der Graf
Emmigg wurde damals enthauptet; andere retteten sich durch die
Flucht; überall wurden die Getauften zum Abfall vom Chiisteu-
tum genötigt.-^)
Dass Widukind als Verfolger auftrat, beweist, dass er einen
bedeutenden Teil des Volkes gegen sich hatte. Man verfolgt nur
diejenigen, welche gefährlich sind. Dem Führer der Sachsen hing
nicht mehr die Gesamtheit an. Er stand an der Spitze einer
Partei; um sich zu behaupten, musste er alles daran setzen, die
inneren Gegner niederzuhalten; deshalb die Hinrichtmigen ; sie aber
verschärften naturgemäss den Gegensatz. Als nun durch Karls
Vorchingen die Lage der Aufständischen bedenkhch wurde, schien
der schwächeren, bisher gewaltsam unterdrückten Partei die Mög-
hchkeit eröffnet, die Obmacht wieder an sich zu reissen. Die ohne
vorhergehenden Kampf erfolgte Auslieferung von mehr als vier-
tausend Aufständischen durch die sächsischen Grossen-) ist nur
1) V. Willeh. 6 S. 381 f. Über die Getöteten: Folcarduin presbyterum
cum Emmiggo comite in pago denominate Leri, Beniamin autem in Utrbiustri
(am Jahdebusen), Atrebanum vero clericum in Tbiatmaresgabo (Ditmarschen),
Gerwaldum quoque cum sociis suis in Brema odio nominis christiani gladio
peremerunt. Et ipsis quidem ita ad regna caelestia effusione proprii san-
guinis feliciter evocatis, peisecutionis procella diutius postmodum rebellan-
tibus desaevit Saxonibus. Von Entflohenen spricht c. 7 S. 382. Dass die
zurückbleibenden Christen zur Verleugnung gezwungen wurden, ergiebt sich
aus dem Briefe Hadrians (Cod. Carol. 77 S. 609) : Extra voluntatem coacti.
2) Wie mich dünkt, irrt die herkömmliche Fassung des Vorgangs, wie
man sie bei Rettberg (KG. D.'s II S. 388) , Abel (JB. S. 4-34) u. a. findet,
darin, dass sie die Thatsache der Auslieferung der Viertausend durch die
Sachsen entweder ganz ignoriert oder nicht genügend berücksichtigt. Das
erstere bei Rettberg, der nur von Gefangenen spricht, das letztere bei Abel,
bei dem die Folge der Ereignisse geradezu unverständlich ist: die Franken
werden am Süntel geschlagen, Karl eilt mit wenigen in der Eile zusammen-
gerafften Truppen nach Sachsen. Über diese kleine Schar erschrecken die
Sachsen so sehr, dass Widukind zu den Dänen flieht, die übrigen keinen
Widerstand wagen, sich sämtlich vor Karl stellen und auf sein Verlangen
die Anstifter des Aufstands, die doch unter ihnen selbst gewesen sein
müssen, ausliefern. Hier fehlt ein Mittelglied, um die Flucht Widukinds
begreiflich zu machen : man kann es nur in einem plötzlichen Umschlag
der Stimmung finden, wodurch die Friedenspartei wieder obenauf kam,
welche sich nun durch die Auslieferung der Gegner sichern wollte. Dass
die Grossen, welche Karl zu sich berief (Ann. Einh.), die Sachsen, welche
bei seinem Erscheinen an der Aller sich um ihn sammelten (Ann. Lauriss.),
— 384 —
vei-stiindlieh, wenn mau in ihr den Versuch der fränkischen Partei
unter deu Sachsen sieht, das StärkeverhlUtuis dauernd zu vcr-
schiehen. * Man ^vollte die Partei des Widei-stands mit einem
Sddage vernichten.') Karl ging auf diesen Gedanken ein: zu
Verden an der Aller Hess er die ihm l' herlieferten alle an einem
Tage niedermachen."-)
Keine That Karls wiixl so all.iremein getadelt als diese. Wer
möchte sie veileidigeu? Sie ist grausig. Dass die Sachsen nun
viermal das Vertrauen des Königs getäuscht, Zusagen und Eid-
schwüre gebrochen hatten, erweckte in ihm eine Gewalt des Ha-sses,
durch welche die Gegner zermalmt wurden. Das Dämonische in
der Natur Karls ist hier furclithar deutlich: wer sich ihm in den
Weg warf, der unternahm einen Kampf auf Tod und Leben: die
Sachsen waren unterlegen, so sollten sie sterben, wie sie die Ge-
treuen des Königs getötet hatten. Dass dal)ei das Blut von
Tausenden floss, das mochte die Schwachen rühren: Karl war für
diese Em])tindung unnahl)ar.
Die Hinrichtung der Sachsen verfehlte ihren Zweck; durch
das Entsetzen über die Unthat wurde der fränkischen Partei der
Boden im Ltinde entzogen. Der Widerstand gegen Karl erhielt
jetzt erst den rechten Nachdruck. So waren denn die nächsten
Jahre erfüllt von blutigen Kämpfen.-') Das Ende war. dass die
Führer der Sachsen erkannten, dass Karl übermächtig sei. Widu-
kind und Abbio entschlossen sich im Jahre 785 zur Unterwerfung;
auf fränkischem Boden, zu Attigni, besiegelten sie dieselbe durch
den Empfang der Taufe.*)
dieselben Männer gewesen sein sollten, welche eben am Süntel sein Heer
geschlagen hatten, ist ebenso undenkbar, wie dass Widukind, wenn er seiner
Landsloute sicher war, vor einer Handvoll Franken aus doni Liinde floh.
Diese Kmpüning wird an demselben Umstände geschoitert sein, der für
die meisten P'.mpörungen verhängnisvoll ist: die Uneinigkeit im aufstän-
dischen Lande.
1) Ann. Lauriss. z. .T. 782 S. 62: Reddiderunt oranes malefactores
illos . . ad occidendum . ., quod ita et factum est; s. ann. Amandi, Mosel).,
Lauresh.. Chron. Moiss.
2) Der Aufsatz, von Ijippons (Zeit.schr. f. (te.sch.-Wissensch. I S. 75 ff.)
hat mich nicht überzeugt, dass man die Blutthat aus der Geschichte Karls
streichen darf; vgl. R. Schröder, Bist. Ztscbr. 78, 1896 S. 18 ff.
3) Vgl. die Darstellung der kriegerischen Ereignisse bei Abel, JB.
S. 452 ff.; Mühlbacher, D.G. S. LSI ff.
4) Ann. Mosell., Lauresh., Max., Lauriss., Kinh., Mett., Fuld. z. J. 785.
Der Brief Karls an Otfa, auf welchen sich Kettborg (KG. D.'h II S. 408) be-
zieht, ist eine Fälschung (s. B.M. 261). Der Tag der Taufe steht nicht fest ;
— 385 —
Wieder schien das lange vergeblich erstrebte Ziel erreicht.
Karl meldete durch den Abt Andreas von Luxeuil nach Rom, dass
das gesamte sächsische Volk sich seiner Herrschaft unterworfen
habe und in die Gemeinschaft der kathohschen Kirche eingetreten
sei. Er war so fest überzeugt, dass die Kämpfe nun beendigt
seien, dass er dm'ch den Papst ein allgemeines Dankfest der ge-
samten abendländischen Chiistenheit anordnen liess. Es wurde am
23., 26. und 28. Juni 786 gefeiert.^)
Sofort begann auch die Arbeit,-) um die Verhältnisse wieder
zu ordnen. Die Lage war besonders dadurch schwierig, dass das
sächsische Volk wiederholt den christHchen Glauben angenommen
hatte und dann wieder von ihm abgefallen war. Verfuhr man mit
den Abtrünnigen nach dem kirchlichen Rechte, so war eine Ge-
meindebildung so gut wie unmöghch. Diese Erwägung wird Karl
veranlasst haben, den Rat des Papstes zu erholen. Hadriau wahiie
in einer etwas gewundenen Erklärung das kirchliche Prinzip, machte
dann darauf aufmerksam, dass man die, welche freiwilHg, und die,
welche gezwungen abgefallen seien, unterscheiden müsse, imd ver-
langte schliesshch Ablegung eines orthodoxen Glaubensbekenntnisses
und das eidhche Versprechen der Treue gegen die chiistliche
"Wahrheit.^)
man denkt gewöhnlich an das Weihnachtsfest, das Karl in diesem Jahre in
Attigni feierte.
1) Cod. Carol. 76 S. 607 f.
2) Es ist wahrscheinlich, dass Karl neue Alänner für die Sachsen-
mission zu gewinnen bedacht war. Eine Spur davon in der Nachricht der
V. II Liudg. I, 17 S. 62 (Diekamp): Ea quoque tempestate devicto sive con-
verso Widukindo abbas quidam religiosus Bernradh nomine occidentalibus
Saxonibus a rege missus fuerat doctor.
3) Cod. Carol. 77 S. 609: Hoc predecessorum nostrorum . . dudum
decretum est: quod, qui resipiscentes et ruinas suas cogitantes redire
maluerint, sub longa penitentiae satisfactione admittendi sunt (cf. Dion.
Exig. coli. can. Decr. Innoc. pap. c. 15); et iterum: penitentiae satisfactione
purgentur, quae non tarn temporis longitudine quam cordis conpunctione
pensanda sunt (cf. Dion. Exig. 1. c. Leon, I c. 46). Et ideo . . oportet,
sacerdotes partibus illis pastorali circumdari sollertiam atque episcopalem
induere vigilantiam ; et in eorum arbitrio indici poenitentiam, considerantes
piaculum tarn voluntatis quamque extra voluntatem coacti ad suum rever-
tentes vomitum. et tunc canonica promere sententia, quatenus si veraciter
reversi in fide orthodoxa maluerint perseverari — promissuros ae omnem
adimpleri episcopalem praedicationem etc. — in gremio suscipiantur ortho-
doxae fidei ecclesiae. Dieses unklare Gerede ist die Antwort auf die Frage :
Quälern penitentiam Saxonibus, qui christiani fuerunt et ad paganissimum
reversi sunt, sacerdotes indicare debeant.
Hauck, Kirchengeschichte. II. 2. Aufl. 25
— 386 —
Der päpstliche Bescheid war zweckmässig: denn er machte es
möghch, mit der Vergangenheit rasch abzuschhessen und alle Sorge
auf die Anordnungen, welche liir die Zukunft nötig waren, zu kon-
zentrieren. Karl erliess denn auch im nächsten oder einem der
nächsten Jahre sein erstes auf die Zustände der Sachsen bezüg-
liches Gesetz.^) Es zeigt in allen seinen Bestimmungen die Un-
sicherheit der Verhältnisse: das Heidentum galt als überwunden,
aber hatte noch einen festen Halt' im Glauben der Bewohner; das
1 ) Cap. 26 S. 68 ff. : Capitulatio de partibus Saxoniae. Das Gesetz wird
von Waitz (VG. III S. 129 ff".), Abel (JB. S. 417) („vielleicht"), Mühlbacher
(Rep. Imp. Nr. 243), Dehio (Gesch. d. Erzb. Hamburg -Bremen S. 24),
Brunner I S. 346, Uhlhorn S. 372 u. a. dem Jahre 782 zugeschrieben, wäh-
rend V. Richthofen (M.G. Leg. V S. 21) dasselbe bereits im Jahre 777 er-
lassen sein lässt, Pertz (M.G. Leg. I S. 48\ Rettberg (KG. D.'s II S. 390) u. a.
es in das Jahr 785 verlegen: Boretius beschränkt sich auf die allgemeine
Angabe 775—790, Ritter endlich nimmt die Zeit nach 797 oder 799 an,
II S. 28ff. Das hängt mit seinem Urteil, dass die Capitulatio wenn nicht
milde, so doch nicht blutig sei (S. 49), zusammen. Bedenken gegen das
Jahr 782 oder ein früheres Jahr erregt c. 17, wonach die Entrichtung des
Zehnten gefordert wird. Nun weiss man, dass Alkuin die Abneigung der
Sachsen gegen das Christentum auf den Zwang der Zehntleistung zurück-
führte. Seine erste Klage über diesen Punkt stammt indes aus dem Jahre
796 (ep. 107 S. 154). Ist es glaublich, dass er.st nach vierzehn oder neun-
zehn Jahren sich die üblen Folgen der Zehntforderung bemerklich machten?
Man ist, wie mich dünkt, genötigt, anzunehmen, dass das Gesetz nicht all-
zulange vor dem Wiederausbruch der Kämpfe im Jahre 793 erlassen wurde.
Auf ein späteres Jahr als 782 führt auch c. 5: Si quis episcopum intorficerit
etc. Allerdings kann man dabei auch an fremde Bischöfe denken-, aber
das Nächstliegende ist doch, dass eine solche Vorschrift erlassen wurde,
nachdem es einen Bischof im Lande gab. Der erste sächsische Bischof
Willehad ist im Jahre 787 geweiht. Spricht diese Thatsarhe auch gegen
das Jahr 785, so ebenso c. 1: Ecde.siao quao modo construnntur. So konnte
man im Jahre 782 reden (s. S. 382), nicht aber 785, da die Pazifikation ja
erst infolge der Taufe Widukinds vollendet wurde. Andererseits verwehrt
diese Wendung, sich allzuweit von 785, dem Jahr des Friedensschlusses, zu
entfernen. Ich bin deshalb geneigt, die Krlassung des Gesetzes der Reichs-
versammlnng zu Worms im Jahre 7S7 Ann. Lauriss. Einh. zuzuschreiben.
Die Zeit bis zum nächsten Aufstand ist lange genug, dass die Last der
Zehnten empfundon werden konnte, und nicht so lange, dass man sich an
sie gewöhnt hätte. Doch ist die Annahme des Jahres 788 ebenfalls mög-
lich, rhlhnrns Grand, die Capit. müsste 782 erlassen sein, da sonst der
Aufstaml dieses Jahres unverständlich sei, ist nicht einleuchtend. Denn die
Verbindung der Wenden mit den Sachsen beweist, dass es sich um einen
länger vorbereiteten Schlag handelte. Man vergleiche über das Gesetz das
umsichtige und gerechte Urteil Mühlbachers, DG. S. 127 f.
— 387 —
Land galt als christlich, aber es war es nicht; man war an der
Arbeit, christliche Kirchen zu bauen, ^) aber das Volk, für das sie
bestimmt waren, stand dem christlichen Glauben fremd, zum Teile
feindselig gegenüber: man hasste die Priester-) und setzte etwas
darein, den Frieden der Kirche zu brechen ^) und gegen kirchliche
Sitten zu Verstössen;^) heidnische Opfer wurden insgeheim noch
dargebracht;'^) heidnische Sitten, wie das Verbrennen der Toten,
standen noch ungebrochen in Übung. '^)
Dem gegenüber erliess Karl ein absolutes Verbot des Heiden-
tums, heidnischer Gebräuche und heidnischen Aberglaubens. Auf
dem allen stand die Todesstrafe: wer sich der Taufe entzog, wer
Opfer darbrachte, wer die Leichen verbrannte, statt sie zu beerdigen,
wer eine angebliche Hexe tötete,'') der sollte sterben. Es war ent-
sprechend, dass die Beobachtung der rehgiösen Forderungen der
christlichen Kirche erzwungen werden sollte: alle Kinder sollten
im ersten Lebensjahre getauft werden;**) jedermann sollte au Sonn-
imd Festtagen die Kirche Ijesuchen;*') die Eide sollten in den
Kirchen abgelegt, ^^) die Toten auf den Kirchhöfen bestattet werden ;^^)
selbst die Beobachtung der kirchUchen Eheverbote wurde gefordert.^-)
1) C. 1 S. 68.
2) C. 5: Si quis episcopum aut presbyterum sive diaconum interficerit.
3) C. 3: Si quis ecclesiam per violentiam intraverit et in ea per vim
vel furtu aliquid abstulerit, vel ipsam ecclesiam igne cremaverit.
4) C. 4: Si quis s. quadragesimale ieiunium pro despectu christianitatis
contempserit. C. 8: Si quis deinceps in genta Saxonorum inter eos latens
non baptizatus se abscondere voluerit et ad baptismum venire contempserit
paganusque permanere voluerit.
5) C. 9: Si quis hominem diabulo sacrificaverit et in hostiam more
paganorum daemonibus obtulerit. C. 21: Si quis ad fontes aut arbores vel
lucos Votum fecerit aut aliquit more gentilium obtulerit et ad honorem
daemonum comederet.
6) C. 7: Si quis corpus defuncti hominis secundum ritum paganorum
flamma consumi fecerit et ossa eius ad cinerem redierit.
7) C. 6: Si quis a diabulo deceptus crediderit secundum morem paga-
noi-um virum aliquem aut feminam strigam esse et homines comedere et
propter hoc ipsam incenderit vel carnem eius ad comedendum dederit, vel
ipsam comederit.
8j C. 19. Unterlassung der Taufe wurde je nach dem Stande mit 120,
60 und 80 Solidi gebüsst.
9) C. 18. Um den Gottesdienst nicht zu stören, wurden Placita an
Sonn- und Festtagen untersagt.
10) C. 32.
11) C. 22: Ad cimiteria ecclesiae et non ad tumulus paganorum.
12) C. 20: Si quis prohibitum vel inlicitum coniugium sibi sortitus fuerit,
si nobilis solidos sexaginta, si ingenuus triginta, si litus quindecim.
25*
— 388 —
Wer eine christliche Einrichtung verhcilinte, eine kirchhche Pei-son
oder kirchhclies Besitztum verletzte, wurde mit dem Tode bestraft.^)
War damit die christliche Kirche samt allen ihren Einrich-
tungen uMil Dienern unter den mächtigen Schutz des Königs ge-
stellt so war der nächste Gedanke, die einzelnen kirchlichen Insti-
tute sicher zu fundieren. Die Ausführung war schwierig. Karl
konnte nicht nach dem Vorbilde Karlmanns bei der Ausstattung
des Würzburger Bistums vorfahren. In Sachsen fehlten die zahl-
reichen und grossen Köuigshöfe Ostfrankens, auch gab es hier nicht
wie dort Abgaben an den König, von denen ein Teil der Kirche
hätte überlassen werden können. Die Banngelder allein standen
zur Verfügung. Wurde nun auch der Zehnte ihres Ertrags an
die Kirchen gegeben,-) so genügte das doch nicht entfernt. Karl
war genötigt, von den Gemeindegenossen die Ausstattung der
Kirchen zu verlangen. Er bestimmte, dass jede Kirche einen Hof
und an Grundbesitz so viel als zwei Bauerngüter erhalten müsse,
dazu auf je 125 Seelen einen Knecht und eine Magd.^) Ausser-
dem wurde die Zehntptiicht eingeführt; jedermann, Adehge wie
Freie und Liten, sollte vom Ertrag des Giimdbesitzes wie von allem
Erwerb den Zehnten an die Kirche geben."*) Es leuchtet ein, wie
bedenklich diese Bestimmungen waren; denn es lag in ihnen ein
tiefer Eingriff in den Privatbesitz; ein Teil desselben wurde kon-
fisziert zum Besten der Kirche. Aber derartige Anordnungen Hessen
sich nicht umgehen, wenn der T'bertritt der Sachsen zum Christen-
tum Thatsache werden sollte. Als man mit der Aufrichtung der
kirchlichen Organisation begann, rächte sich die Unwahrheit, die
in dem Übertritt lag. Karl musste die neuen Christen zwingen,
für Erhaltung des Kirchenwesens zu sorgen, das sie angebhch selbst
begehrten, in Wnklichkeit aber verabscheuten. Hier lag, wie sich
bald erwies, der Ausgangs))nnkt für grosse Schwierigkeiten.
Noch in einer zweiten Bichtung tiiat Karl in dieser Zeit einen
Schritt vorwäi-ts: am 13. Juli 7s7 Hess er in Worms Willehad
1) Andere Bestimmungen dienten zur Empfehlung der christlichen Ein-
richtungen: Verleihung des Asylrechts an die Kirchen; der in die Kirche
CTeflohene sollte zur Ehre Gottes und der Heiligen und aus Verehrung gegen
die Kirfhe weder getötet noch verstümmelt werden (c. 2). Der wegen
ÜbertretuDg der Vorschriften Karls des Todes Schuldige war begnadigt,
wenn er freiwillig dem Priester beichtete und sich der Busse unterzog (c. 14).
2) G. 16: Undecunque census aliquid ad fiscura pervenerit, sive in
frido sive in qualecunque banno et in omni redibutione ad regem pertinente,
decima pars ecclesiis et sacerdotibus reddatur.
3) C. 15.
4) C. 17.
— 389 —
zum ersten sächsischen Bischof weihen.^) Dieser hatte nach seiner
Fkicht aus Sachsen Rom aufgesucht und sich von da nach Echter-
nach begeben, wo sich eine Anzahl der aus Sachsen vertriebenen
Priester zusammenfand. Der Missionar lebte nun wie ein Mönch:
der Mann der That beschäftigte sich in der stillen Schreibstube
des Klosters mit der Anfertigung von Manuskri^iten ; er kopierte
ausser anderen Schriften die paulinischen Briefe.^) Kaum aber war
der sächsische Aufstand gedämpft, so duldete es ihn nicht mehr
bei dieser geschäftigen Unthätigkeit. Er wartete nicht, bis Karl
ihn berief, sondern er eilte nach der Eresburg, um dem König seine
Dienste anzubieten.^) Mit dessen Zustimmung kehrte er im Jahre
785 in seinen fi-üheren Bezirk, den Gau AVigmodia, zurück. Er
begann sofort mit der Arbeit: bald erhoben sich die zerstörten
Kii'chen wieder aus dem Schutte. Karl erleichterte es Willehad,
Priester für sie zu finden, indem er ihm die fränkische Zelle Justiua
übertrug.*) Sie sollte ihm dieselben Dienste leisten, welche Echter-
1) V. Willeh. 8 S. 383. Die Korrektur des ehr. Moiss. in id. durch
ni id. (Tangl, Mitth. des Inst. f. Ost. GF. XVIII S. 13) ist einleuchtend.
Hüffer, Korveier Studien S. 93 ff. hat die Rettung der unechten Stiftungs-
urkunde des Bistums Bremen von 788 (Adam Gesta I, 13 S. 10 flf., vgl. über
sie Tangl , Mitth. des Inst. XVIII S. 53 S.) unternommen. Er glaubt zu
helfen, indem er die Urkunde bei Adam aus 3 echten Stücken zusammen-
gesetzt sein lässt: 1. einem Circumskriptionspräzept Karls von 803 (S. 94 ff.),
2. und 3. dem Stiftungsbrief Karls von 787, der wieder eine Urkunde von
780, den ersten Gründungsakt betreffend, in sich aufgenommen hat. Da-
durch werden einige Einwände gegen die Urkunde von 788 beseitigt, alle
keineswegs. Um nur einen hervorzuheben: nach dem von H. rekonstru-
ierten Diplom von 803 sagt Karl, er habe Bremen 10 Gaue unterworfen, die
er nach Abschaffung ihrer alten Namen zu zwei Provinzen gestaltet und sie
Wigmodia und Lorgon genannt habe. Ich sehe davon ab, dass das hier
geschilderte Verfahren Karls mit den sächsischen Gauen ganz beispiellos
wäre, und erinnere nui-, dass, wie bekannt, ein Teil der Bremer Diözese
unter Anskar an Verden abgetreten wurde (v. Ansk. 22 S. 48). Da später
die Diözesangrenze und die Gaugrenzen zusammenfielen, so muss also zu
Bremen vor 848 entweder noch ein dritter sächsischer Gau oder ein Teil
eines solchen gehört haben, der in diesem Jahr an Verden kam. So oder
so, die angebliche Urkunde von 803 erweist sich als von einem Manne ge-
schaffen, der die seit 848 bestehenden Verhältnisse unbesehens auf Karls
Zeit übertrug. Ich glaube demnach, dass die Stücke, in die Hüffer die
falsche Urkunde auflöst, ebensowenig als echt anerkannt werden können,
als ihre Summa.
2) V. Willeh. 7 S. 382.
3) L. c. 8 S. 382.
4) Der Ort ist nicht sicher zu identifizieren. Mühlbacher (Reg. Imp.
2607) und Abel (JB. S. 498) denken nach Spruner-Menke (Hist. Hand-Atlas
— 390 —
nacli Willihnird geleistet hatte: ihre Miinche waren seine (Tehilfen.
So enerfi^isch war er an dem Werke, dass schon nach einem .lalu-e
die kirchUchen Verhältnisse als geordnet betrachtet werden konnten.
Nun also wurde Willehad Bischof. Als Sjirengel wurden ihm
die sächsischen und friesischen Gaue au der Wesermündung zu-
gewiesen.') Er selbst wählte Bremen als seinen Sitz. Dort baute
er eine Kathedralkirche, deren Schönheit Anskar bewundernd her-
vorhel)t. Sie wurde am 1. November 789-') eingeweiht. Wenige
Tage darauf erkrankte Willehad zu Blexen an der Weser; dort
ist er am 8. November kurz nach Sonnenaufgang gestorben ; *') seinen
Leichnam brachte man nach Bremen, wo er im Dome l)eigesetzt
wurde. ^)
In derselben Zeit sind aller Wahrscheinlichkeit nach die be-
nachbarten sächsischen Bistümer Verden und Minden organisiert
worden. Bei dem ersteren geschah das in dei- Weise, dass Abt
Patto von Amorbach, der bisherige Leiter der Mission, die bischöf-
hche Weihe erhielt. ''"') Dieser Schritt musste sich aus ])rak-
S. 16 Nr. 35) an Justine im Depart. Ardenncs , wogef^en Pertz (Anm. zu
V. Willeh. 8) u. a. nach Valesius an Mont-.Iutin im Depart. Haute Saöne
denken. Dass dae letztere Kloster in Burgund liegt, während die Biographie
von einer Zelle in Francien redet, spricht gegen die Annahme, ist aber
kein durchschlagender Grund.
1) V. Willeh. 8 S. 383: Wigmodia, Laras, Riustri, Astergä, Nordendi,
Wanga. Die beiden ersten sind sächsisch, die vier anderen friesisch. Der
friesische Teil der Bremer Diözese hatte nach Schol. 3 zu Adam, Hamab.
eccl. hist. 1, 18 später ungefähr 50 Kirchen. Dehio's, unter dem EinHuss
Ebrardscher Ansichten geschriebenen, Äusserungen über Willehads Weihe
(Gesch. des f>rzb. Hamb.-Brem. I S. 19 f.j unterschätzen, wie mich dünkt,
die Bedeutung des Faktums. Richtig ist, dass an eine definitive Konsti-
tuierung einoa Bisturas Bremen im .Jahre 787 nicht gedacht werden kann
Karl Hess die Dinge sich langsam entwickein, aber nicht weil Willehad
iroscbottiflche Neigungen hatte und deshalb in das römische Schema nicht
passte, sondern weil die Verhältnisse schwierig waren.
2) V. Willeh. 9 S. 3H3: Sonntag den 1. November. Das Jahr ergiebt
sich aus dem Zusammentreffen de» Wochen- und MonatMags. Die Kirche
war dem .Apostel Petrus geweiht. Nach Adam, Gest. Ha.m. eccl. pont. I, 20
S. 1*^ war sie eine Holzkirche.
3) L. c. 10 S. 3H4.
4) Bischof Willerirh übertrug den I^eichnam aus dem Dom in die von
ihm erbaute Kirche.
5) Diese Annahme liegt nahe, da Patto als Bischof bezeichnet wird. Ist
BIO richtig, dann muss seine Weihe in die Friednnseporbe seit 785 fallen;
denn er starb boreits 7«8 fs. o. S. 378 Anm. 1). Möglich bleibt freilich
auch, dass Patto Klosterbischof war.
— 391 —
tischen Gründen empfehlen; denn nur als Bischof war Patto ganz
ungehindert in seiner Thätigkeit.^) Auch in Minden trat, wie man
vernniten möchte, der hisherige Leiter der Mission als Bischof an
die Spitze. Denn auch Bischof Ercambert scheint aus Ostfranken
nach Sachsen gekommen zu sein: er besass Güter im Gollachgau. -)
Beinahe ein Jahrzehnt ruhiger Arbeit war der christlichen
Kirche von der Taufe Widukinds an vergönnt. Wer möchte nicht
wünschen, dass eine anschauliche Vorstellung davon, wie diese Ai'-
beit getrieben wurde, möglich wäre. Allein hier versagen die
Quellen. Wenn es auch sicher ist, dass Dutzende von Kirchen in
dieser Zeit gebaut, dass eine Menge Pfarrbezirke konstituiert
wurden : ^) es ist kein Name überliefert. Mögen hunderte von
fränkischen und angelsächsischen Priestern im Lande thätig ge-
wesen sein: sie sind vergessen; allein die Frucht ihrer Arbeit ist
geblieben.
Nur einige zufällig erhaltene Denkmäler geben dürftige Kunde
über die neben den mächtigen Thaten des Königs übersehene Arbeit
1) Über die legendarischen Nachrichten über die Entstehung des Bis-
tums Verden s. Rettberg, KG. D.'s II S. 4.56 ff., über die falsche Crkunde
Karls Tangl, Mitth. des Inst. XVIII S. 53 ff. Hüffer unternimmt auch hier
die Rettung der Fälschung durch Zerlegung derselben S. 154 ff. Ist dieser
Weg bei der Bremer Urkunde unzulässig (s. o.), so natürlich auch bei der
Verdener. Da dem Bischof Suidberct gleichzeitige Zeugnisse völlig fehlen,
so wird man darauf verzichten müssen, in ihm eine historische Person zu
sehen.
2) Die Kritik der jungen sächsischen Chroniken über die Gründung
Mindens hat Rettberg erledigt (a. a. 0. S. 446). Was die Person des ersten
Bischofs anlangt, so nennen ihn die Chroniken und der Bischofskatalog
(M.G. Scr. XIII S. 289) Hercumbert, Ercambert. Es unterliegt kaum einem
Zweifel, dass er identisch ist mit dem Bischof Erkambertus, Erkanbertus,
Erkenbertus der Fulder Traditionen (Dronke, Trad. Fuld. 4, 9 S. 16; 41, 31
S. 97), denn dieser wird an der letzten Stelle als episcopus de Saxonia be-
zeichnet. Seine Zeit lässt sich durch eine Fulder Urkunde feststellen. Er
unterschreibt am 7. Juni 796 als Zeuge eine Schenkung an Fulda (Dronke,
Cod. dipl. 132 S. 76). Da er nach Trad. 4, 9 S. 16 Eigentum im Gollach-
gau in der Villa Lara am Flüsschen Steinach (Lohrhof, O.Amts Mergent-
heim) hatte, so darf man in ihm wohl einen Ostfranken sehen. Dass er
auch aus sächsischem Besitz grosse Schenkungen an Fulda machte, weist
darauf hin, dass er in Beziehungen zu diesem Kloster stand. Vielleicht war
er einer der Leiter der fuldischen Mission in Niedersachsen. Trad. 4, 9
wird als Schwester Ercamberts Burcsuint genannt; Trad. 41, 12 ist neben
ihm Schenkerin Lutburc sanctimonialis femina.
3) Der Beweis für das letztere Hegt in der üblen Wirkung der Zehnten,
da dieselben ja stets einer bestimmten Kirche gehörten.
— 392 —
der Priester und Mönche. Sie bringen mehr zum Bewusstsein. wie
wenig wir wissen, als dass sie das Dunkel hchteten, vor dem wir
stehen.
Vor allem sind die deutschen TauftVagon zu erwähnen, deren
man sich in Sachsen bediente, mit den Antworten, welche der
Täufling zu geben hatte :^) Entsagst du dem Teufel? Ich entsage
dem Teufel. Und allem Teufelsdienste? -) Und ich entsage allem
Teufelsdienste. Und allen Teufelswerken? I^nd ich entsage allen
Teufelswerken und Worten. Thunaer und Wodan und Saxnote und
allen I'nholden, die ihre Genossen sind. Glaubst du au Gott, den
allmächtigen Vater? Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater.
Glaubst du an Christ, Gottes Sohn? Ich glaul)e an Christ, Gottes
Sohn. Glaubst du an den Heiligen Geist? Ich glaube an den
Heiligen Geist.
Wie fest musste die Existenz der Volksgötter in der all-
gemeinen Überzeugung stehen, wenn man von denen, die zur Taufe
kamen, forderte, dass sie sie namentlich verleugneten. Es ist, als
wollte man den Ausweg abschneiden, dass die Verehrung des
Christen gottes neben deijenigen der Volksgötter angenommen würde.
So geben diese Fragen einen Eindruck von der Macht des Widei'-
stands, den die Anhänglichkeit an die väterlichen Götter der An-
nahme des neuen Glaubens entgegensetzte.'^)
1) Vielfach gedruckt, z. B. Cap. 107 S. 222 und Müllenhoff und Scherer,
Denkmäler I S. 198. Hefele (CG. III S. .504) hält dafür, dass diese Fragen durch
sichtliche Anklänge an das Angelsächsische Bonifatius als ihren Verfasser
verraten. Der Scbluss ist voreilig; denn die sprachliche Form weist auf
einen in Niedersachsen wirkenden Engländer, also nicht auf Bonifatius.
Eher kimnto man an Willehad denken, wenn derartige Vermutungen nicht
Bi.hleclitliin wcrtlo.s wären. Übrigens hat Scherer a. a. 0. 496 gezeigt, dass
das Taufgelöbnis nach 765 fällt; die Handschrift, welche es enthält, lässt
er in Fulda vor Erlass der Cap. de part. Sax. geschrieben sein mit Kück-
sicht auf die Sachsenmission. Das ist nicht unwahrscheinlich. Erklärt er
die Stelle in der 8. Frage: and uuordum — sint für eine Intoriiolation, so
scheint mir die Wahl dieses Ausdrucks nicht glücklich, da er den Schein
erweckt, als sei der den gewöhnlichen Tauffragen beigefügte Zusatz nur
geschrieben, nicht gebraucht, während es sich offenbar um eine aus prak-
tischen Erwägungen hervorgegangene Beifügiuig handelt.
2) Diobolgeldae. Hefele fa. a. 0.) bleibt bei dem Worte und über-
setzt: Teufelsgilde. Das ist jedoch für den modernen Sprachgebrauch irre-
führend. Gild steht nach Grimm (Deutsche Mythologie I S. 34) im Sinne
von Kultus und Opfordienst.
3) Eine Parallele bilden dif Abronuntiation und die Bekenntnisfragen in
dem Brief de.s Pseudoamalar. M.G. E.p. V S. 274. vgl. oben S. \X\, Anm. 6:
Vi renuntiot maligno Hj)iritui ot omnibus damnosis eius et pompis. Pompas
— 393 —
Schwieriger noch war der Kampf gegen den Aberglauben.
Ists Zufall, dass zwei Dokumente, welche die Grösse dieses Kampfes
ahnen lassen, erhalten sind, oder war er wirklich die Hauptaufgabe
der christhchen Kirche in dieser Zeit? Jedenfalls lehren das Ver-
zeichnis der superetitiösen Handlungen^) und die Predigt gegen die
Sakrilegien,-) in wie manchfacher Weise das ganze Leben in das
Netz des Aberglaubens verstrickt war.
Doch es war mehr als Aberglaube. Was man nach den
Tauffragen vermuten kann, wird hier als Thatsache geschildert.
Neben der christlichen Religion bestand der alte Götterdienst noch
fort: Wodan und Thonar erhielten wirkHch noch ihre Opfer; man
kannte die Orte, die ihnen geweiht und feierte die Tage, die ihnen
heilig waren. ^) Karl hatte den Bann gebrochen, der die heiligen
autem nos dicimus siniu gelp anda sinen -willon. Die Fragen sind ausführ-
licher: Credis in Deum patrem omnipotentem, creatorem celi et terre? Et
in Jesum Christum filium eius natum et passum? Et in Spiritum sanctum,
sanctum ecclesiam catholicam, sanctorum communionem, remissionem pecca-
torum, carnis resurrectionem et vitam eternam?
1) Indiculus superstitionum et paganiarum, erhalten in derselben Hand-
schrift wie die Tauffragen, gedruckt Cap. 108 S. 222 und anderwärts. Hefele
hält (CG. III S. 513) nach Seiters (Bonifac. S. 379 f.) daran fest, dass der
Indiculus von Bonifatius und der Synode von Liftinä aufgesetzt sei, um die
einzelnen Fälle der im 4. Cap. der Synode im allgemeinen verbotenen heid-
nischen CTebräuche anzugeben. Allein für die Verbindung des Indiculus
mit der Synode von Lestinnes fehlt jede Spur von Beweis. Ist Scherers
Ansicht über die palatinische Handschrift, welche den Indiculus und die
Tauffragen, sowie die unten zu erwähnenden beiden Anreden enthält, richtig,
so gehören die sämtlichen Stücke in die Zeit Karls: sie dienten der Sachsen-
mission. Boretius bemerkt zum Indiculus: Ab homine privato in Saxonia
saeculo octavo conceptus esse videtur. Zur Erklärung vgl. Saupe im Programm
des Realgymnasiums zu Leipzig 1891.
2) Caspari, Eine Augustin fälschlich beigelegte Homilia de sacrilegiis,
Christiania 1886. Caspari kommt S. 69 f. in Bezug auf Zeit und Ort der
Abfassung der von ihm eingehend untersuchten Homilie zu dem Resultat,
dass ihre Abfassung eher in das 8. als in das 7. Jahrhundert fällt, dass
sie in den nördlichen Gegenden des fränkischen Reichs entstanden ist
und irgend einen fränkischen Kleriker zum Verfasser hat. Dies Ergebnis
ist so wohl begründet, dass die Verwertung der Homilie an diesem
Orte keinem Bedenken unterliegt. Die Homilie erscheint wie eine Parallele
zu dem verlorenen Schriftstück, dessen Überschriften im Indiculus er-
halten sind.
3) Indic. 8: De sacris Mercurii vel lovis. 20: De feriis, quae faciunt
lovi vel Mercurio. Ein der Frigga geweihtes Fest ist c. 24 erwähnt, wenn
Massmann's Emendation richtig ist: De pagano cursu quem yrias (Massui.
Frias) nominant scissis pannis vel calciamentis. Aber vgl. Saupe S. 28 f.
— 394 —
Haine einscliloss: aber er konnte ihnen ihre Heiligkeit nicht
rauben; auch Quell und Fels, wo früher das Volk sich zum Opfer
gesjinunelt hatte, waren unvergessen.^) Insgeheim schlich noch
mancher INIann mit seinen Opfergaben dahin. AV^ie entsetzt mft
jener Prediger aus: Wer immer, ihr Brüder, den Xamen Christi
bekennt und den katholischen Glauben angenommen hat und doch
die alten Altih-e und Haine, Bäume und Felsen oder andere Orte
aufsucht, um dort ein Tier oder sonst etwas zu opfern oder Mahl-
zeit zu halten, der wisse, dass er Glaube und Taufe verloren hat.
AV^er an einem Quell oder da, wo der Bach hervorsprudelt, sein
Gebet verrichtet, der wisse, dass er Glaube und Taufe verloren
hat'-) Die Flur schien nicht vor dem jähen Schaden duich das
l'ngewitter gewahrt, der Segen der Arbeit schien nicht gesichert,
wenn au den gewohnten Stätten die Heiligtümer der Götter fehlten,"')
wenn an den hergebrachten Tagen die alten Un)giinge mit den
heiligen Bildern unterblieben.'*) Die Tempel waren zerstört; aber
wie leicht war ein Heiligtum bereitet: eine Hütte aus Zweiggetlecht
war so viel wert wie eine christliche Kirche. Die Götterbilder
waren vernichtet; aber wie leicht waren sie ersetzt: eine Puppe aus
Leinwandstücken genügte.'')
Dergleichen war Götzendienst; anderes war Aberglaube. Wer
aber vermöchte die Gi'enzUnie zu ziehen, wo der eine aufhörte und
der andere begann ? Wenn man im Februar in der Freude über
die höhersteigende Sonne ein ausgelassenes Fest feierte, oder im
gleichen ^fnnnt den Winter zum Thore hinaustrieb,") wenn man
HoiD. tj. 3: Si quis neptunalia in mare obseruat. Caspari erinnert bez. der
Neptiinalia an KrnQold. Nigell., In hon. Hlud. IV v. 9 f., wo von den Dänen
gesagt ist:
Proque deo Neptunus erat, Christi retinebat
luppiter orsa locum cui sacra cuncta dabant.
Hier ist Neptun -^ Wodan, Jupiter --= Thonar.
1) Indic. 6: De Kacris silvarum quae nimidas (Waldheiligtümor) vocant
7: De hiis quae faciunt super petras. 11 : De fontibus sacriticiorum.
2) Hom. §. 2 f.
3) Indic. 4: De casulis i. e. fanis. An diesen Feldkapellon bat man
wohl die Weihgeschenke aufgehängt zu denken, von denen c. 29 spricht:
Dp ligneia pedibus vfl manibuH pagano ritii.
4) L. c. 28: De .simulacro quod per caiupos pr»rtant.
5) L. c. 27: De simuhicris de pannis facti».
6) L. c. .3: De spurcalibus in Februario. Hom. S- 1': *^ui in mense
Februario hibernuni crodit expellere uel qui in ipso uien.se dies spurcos
OBt^mlit . . gentilis est. Über die Hj>urf-a]ia, Wort und Sache, s. Caspari
S. .36 f. Da.s Auritreiben des Winters im Februar macht ihm unnötige Be-
denken; im Fränkischen wurde, und wird vielleicht da und dort noch jetzt
— 395 —
den Toten zu Ehren Schmäusse veranstaltete.^) oder bei Monds-
finsternissen das Schwinden des Schattens mit dem hergebrachten
Lännen begrüsste.') so konnten solche Sitten^) sich auch da halten,
wo man dem offenen Heidentum entsagt hatte. In anderer Hin-
sicht war die Versuchung gi-össer, das Heidnische als solches neben
dem Christentum zu pflegen. Wir haben bemerkt, dass die heid-
nische Frömmigkeit sich darin bewies, dass man sich in jedem Falle
dem Willen der Götter fügte; that man nichts ohne auf ihren
Wink zu achten, so war man sicher, sie nicht als Feinde zu
treffen. Hier hess der neue Glaube seine Bekenner im Stich: er
verhiess keinen Schutz vor einem unglücklichen Gang und ge-
wähi-te kein IVIittel, den Erfolg zu erzwingen. Hier ist deshalb der
Punkt, an dem der vielgestaltigste Aberglaube sich ansetzte: man
hütete sich wie vordem, irgend etwas an einem Unglückstage zu
beginnen*) und achtete in alter Weise auf die Zeichen, die das
der Winter zu Mittfasten ausgetrieben. Die Homilie spricht auch von aber-
gläubischen Gebräuchen am 1. Januar; da der Indiculus sie nicht erwähnt,
so liegt die Annahme nahe, dass sie in Sachsen fremd waren: jener Pre-
diger spricht von allem Aberglauben , von dem er gehört und gelesen hat.
1) Indic. 1 f . : De sacrilegio ad sepulchro mortuorum. De sacrilegio
super defunctos id est dadsisas. Saupe leitet dadsisas ab von dad Tod und
sisu, das er im Sinne von carmen magicum fasst, also auf die Toten bezüg-
liche Zauberlieder (S. 7).
2) L. c. 21 : De lunae defectione, quod dicunt ,Vince luna". Analog
bei Gewittern: e. 22: De tempestatibus et cornibus et cocleis. Eine an-
schauliche Erläuterung giebt hom. §. 16: Quicumque in defeccionem lunae,
quando scuriscere solet, per clamorem populi uasa lignea et erea amentea
battent, abb strias depositam ipsa luna reuocare in caelum eredentes, uel
qui grandinem per laminas plumbeas scriptas et per cornus incantatos
auertere potant, isti non cbristiani etc.
3) Verwandt ist die Sitte, welche Indic. 26 genannt ist: De simulacro
de consparsa farina. Man gab zu Ehren der Götter an gewissen Tagen
dem Backwerk besondere Formen.
4) Indic. 17: De observatione paganorum in foco vel in incoatione rei
alicuius. Auch hier erläutert die Homilie, §. 10: Qui signa caeli et Stellas
ad auratum inspieet et qui boues, quando primum arare incipit et cum
arietes et hircos in grege dimittit, qui ista omnia obseruare se dicit, sciat
etc. §. 12: Qui dies aspicet, quos pagani errantes soles, lunes, martes,
mercures, ioues, ueneres, saturni nominauerunt, et credet sibi per hos dies
uiam agendam uel negotium faciendum uel in quacumque utelitate alia
per ipsos aut iouamen aut grauamen fieri posse, uel ipsum diem, quem
ioues dicunt, propter iouem colet et opera in eo non facit, iste non christia-
nus etc. §. 13: Quicumque signaculum crucis oblitus fuerit, uana adtentit
et nouam lunam contralunium uocat et in aliqua utilitate operis sui, siue
ad agendam viam, siue ad agrum arandum uel letamen uehendum aut
— 396 —
Verhoriieiic voraus aiidciitcn sollten; ') die Abneiguiifr gegen die
aut'uezwuntiene Kelitfion vennehrte sie noch: einem Priester oder
Möncli zu begegnen galt als unheilverkündend.-) Wer die Zeichen
nicht zu deuten vermochte, fand leicht einen weisen Mann, der ihm
kund that. was die Zukunft füi" ihn im Schosse barg/')
Wieder in anderer Hinsicht musste die christliche Predigt den
Glauben des Volkes zu bestätigen scheinen. Man fürchtete die
unholden Mächte, die unversehens ihre Boslieit an dorn Menschen
üben, und die der Mensch doch durch kräftige Sprüche liezwingen
kann.'*) Und die neuen Prediger sprachen ja von dem Feinde
Gottes, dem Teufel, und der Schar der Dämonen, welche die
Kirche durch ihre Exorzismen I)ann('. von der geheimnisvollen Kraft
des Segens und des Fluches. Da war es nui- natürhch. dass die
alten Zaubersprüche und Zaubei-mittel fortgebraucht wurden,'^) dass
man sich selbst und Haus und Hof auf die alte Weise schützte.")
AVenn man manche Stätte, man wusste nicht warum, mied, so wars
eine Unstätte:') es lastete ein Fhich auf ilir. und wenn man zahl-
lose t'bel durch Besprechung heilte,'') so war das nur dasselbe,
was die Kiiche in ihren J]xorzismen versuchte.
uineam potandani adque colendaiu aut in silua ligna incidenda aut domum
continandam aut quocumque aliud agendum et per lunam sibi fieri impe-
dimentum credit, iste etc.
1) Indic. 18: Do auguriis vel avium vel e([uorum vel bovuiu storcora
vel sternutationos: c. IG: Do cerebro animaliuui. Hom. §. 6tf.; vgl. oben
S. 362 Anm. 2.
2) Hom. $.11: '^li clericum uel monachum de mane aut quacumque
hora uidens aut ouians, abominosum sibi esse credit, iste non .soluiii paga-
nus Bed domoniacu.s est, qui christi militem abominatur.
'4) Indic. 14: De divinis vel sortilegis. Hom. $. 5: Q»" diuinos uel
diuinas i. e. pitonissas, per quos demones responsa dant, consulit. i|ni ad
609 ad interroganduni uadet et eis, que dixorint, credet, uel ad scultandum
uadet, ut ali<juit de demoneis audeat, non christianum etc.
4) Vgl. auch Indic. 80: Do oo quod credunt, <[uia femiuo lunam come-
dent, quod possint corda hominum tollere iuxta paganos.
•5) Indic. 12: De incantationibus; c. 10: De filacteriis et ligaturis.
Hom. 14 f.; 18—22.
6) Indic. 28: D« sulds circa villas. Im den Hof gezogene Furchen
sollten die Hexen abhalten. Hom. $. H> Amulette.
7) Indic. 18: De incertis loris que colunt pro aanctis. Kbenso in Be-
zug auf Menschen hom. §. 4: <2iii fiitiim maluin aut bimum in hominibus
esse credunt, transgressores et pagani sunt. .Saupe erklärt Indic. 18 von
Orten, deren Heiligkeit unsicher, weil der kirchlichen Sanktion ent-
behrend, »ei.
8j Hora. §. 1.'): Carmina uel incantationes, quas diximus, haec sunt:
— 397 —
Nicht aller Aberglaube war kirchenfeindlich; im Gegenteil,
das Volk bemächtigte sich sofort der neuen Heiligtümer und zog
sie in den Dienst der alten Überzeugungen. Auch die Kirchen
waren geweihte Gebäude, mussten Zauberhandlungen in ihnen voll-
bracht nicht besondere Kraft halben? ^) Wenn man die Laien zwang,
Symbol und Vaterunser in der fi-emden Sprache zu lernen, so
wäre es zu verwundern, wenn sie diese Formeln nicht für Zauber-
sprüche gehalten hätten. Man gebrauchte sie in der That in
diesem Sinne.-) Wie viel wurde von der Macht Marias und der
Heiligen geredet: es war eine naive Folgerung aus dem kirch-
lichen Heiligendienst, wenn man wähnte, der Schutz der Heihgen
sei durch Opfer zu erkaufen."^) Und was waren die Heiligen
anders als tote Menschen? Es war wieder nur eine naive Folge-
rung aus der kirchlichen Übung, w-enn man die Ahnen der eigenen
Familie in den Kreis der himmlischen Schutzmächte versetzte.*)
Auf diese Weise bildete sich der Volksaberglaube, gleichsam
eine mittlere Schicht zwischen dem Heidentum und der christlichen
Rehgion. Wenn die Kirche, ohne es zu wissen und zu wollen,
durch dies und jenes seine Entstehung förderte, so konnte sie ihn
ad fascinum (gegen Behexung), ad spalmum (Krampf), furunculum, ad dra-
cunculum (Krebs), ad aluus (Diarrhoe), ad apium (Bienenstich), ad uermes,
i. e. lumbricos, que in intrania hominis fiunt, ad febres, ad friguras (kaltes
Fieber), ad capitis dolorem, ad oculum puUinum, ad inpediginem (?), ad
ignem sacrum (Rose), ad morsimi scorpionis, ad puUicinos (?). Ad restrin-
gendas nares, qui sanguine fluunt, de ipso sanguine in fronte ponunt. Die
Erklärungen nach Caspari.
1) Indic. 5: De sacrilegiis per aecclesias. Hom. §. 20: Quicumque
propter fugitiuos petatia aliqua scribit, uel per molina uel per basilicas ipsa
petatia ponere presumit, non christianus etc.
2) Hom. §. 14: Quicumque super sanctum simbulum et orationem do-
minicam carmina aut incantationes paganorum dicit, etc.
3) Indic. 19: De petendo quod boni vocant sanctae Mariae. Der Satz
ist nicht mehr zu verstehen, da in petendo vermutlich ein Schreibfehler
steckt. Dass er von einem Aberglauben handelte, der sich an Maria
knüpfte, ist klar. Die Erklärung der Älteren, s. Hefele, CG. III S. 509
scheint mir ebenso gewagt, wie die neueren von Falk, Mitth. d. Inst. f. öst.
G. X S. 135 und von Saupe S. 25. c. 9: De sacrificio quod fit alicui sanc-
torum. Saupe erinnert an die Erzählung Transl. Chrjs. et Dar. 28 M.G.
Scr. XV S. 376, wonach die Bauern von Vettweis bei Zülpich dem h. Chry-
santus ein Fass Bier darbringen. Ein eigentliche.» Opfer vermag ich je-
doch hier nicht zu sehen. Parallelen aus der Homilie sind §. 7f. , die be-
kannten sortes sanctorum; §. 15: Qui angelorum uel salamonis aut carac-
teres suspendit.
4) Indic. 25: De eo quod sibi sanctos fingunt quoslibet mortuos.
— 398 —
doch niiiimcniu'lir billiiieii. \'i)n di'V Art und Weise, wie sie ihn
hckämpfte, giebt die Predigt über die Sakrilegien eine Vorstellung.
Aber man hat nicht den Eindruck, dass diese Art, gegen den Aber-
glauben /.u jiredigen, sehr wirkungsvoll gewesen sein kann. Der
Vei-fiisser häufte alles ZAisammen, was ihm von abergläubischen
Handlungen bekannt war. mochte es sich unter seinen Zuhörern
finden oder nicht; aber im übrigen hatte er nur zwei Gedanken:
er wiederholte unermüdlich die Eiklärung. dass die solches thun,
Heiden und Frevler am Heiligen seien, dass sie Glaube und Taute
verloren haben, und er schloss seine Rede mit der Mahnung: Be-
zeichnet euch mit dem Kreuze im Xamen des Vaters, des Sohnes
und des Heiligen Geistes; lernet das Syml)ol und das Gebet des
Herrn; daim geht ihr sicher (hiliin, indem euch der hilft, der lebt
und herrscht in Ewigkeit.')
Wenn man solche Worte liest, so ist man vei-sucht zu ur-
teilen, dass hier eine W^eise des Aberglaul)ens durch eine andere
ei-setzt wird. Das wäre doch ungerecht. Denn auch diese Predigt
ist sicher nicht so gehalten worden, wie wir sie lesen. Und gerade
die i)raktischeu Gedanken, welche in den Schlussworten augedeutet
sind, werden in der Kede des weiteren ausgeführt worden sein.
Aber so viel ist doch unleugbar, dass das Christentum, nach diesem
Vorbild verkündigt, dem Hörer nur als Forderung gegenübertrat:
dass der christliche Glaube giebt, tröstet, beseligt, das konnte kein
Hörer aus solchen Predigten entnehmen.
Nicht alle Priester, die in Sachsen wirkten, werden so un-
geschickt geredet haben. Wir ix-sitzen eine Anrede an das Volk,
die bestimmt war, in der Messe vor der Abendmahlsfeier gehaltA'U
zu werden.-) Sie handelt von den kirchlich verbotenen Ehen, also
1) Ifom. §. 27.
2) Die beidon im folprendon charakterisierten Ansprachen sind in der
S. 392 Anm. 1 erwähnten Handschrift enthalten und bei Maus. XII S. 376 tt".
unter den Anhiinf,'on zum Konzile von Lestinnos <,'edruckt. Das war für ihre
Beurteilung verhängnisvoll; denn nun konnte man sich von dem Vorurteile,
dass man bischöfliche Allokutionen vor sich habe, nicht loamachon. Diese
Anschauung vertritt noch Hefele (GG. II l S. 512). Untersucht man die
beiden Ansprachen, so ist zunächst klar, dass sie einen und denselben Ver-
fasser haben; da^ beweist die Uleichheit der Sprache und des rednerischen
Tones. Zweitens ist einleuchtend, dass diese Reden nicht an Franken gerichtet
sein können. Der Vorwurf, de nostra negligentia, quare tardim salutis
vestrne remedia praedicamus, von einem Franken gegen fränkische Priester
gnäus.^ert, wäre sinnlos Daraus ergiebt sich 3. dass diese Heden mit der
Synode von I^estinncH nichts zu thun haben. Sie sind an Hörer gerichtet,
welche die Sakramente empfangen haben S. 378 E, unter denen nicht
— 399 —
einem Thema, das weit schwieriger zu erörtern war als der Aber-
glaube. Aber der Redner löste seine Aufgabe viel geschickter: es
hat etwas äusserst Eindrucksvolles, wenn er mit der Anführung
von Ezech. 3. V. 17 — 21 beginnend, hervorhebt, dass er verpflichtet
sei zu reden: Ihr sehet, geliebte Kinder, welche Gefahr uns droht,
wenn wir nicht reden. Ferne, ferne sei es, dass unser Schweigen
euer Verderben werde. Wenn wir euch lieben, so müssen wir euch
kund thun, was euch schadet, damit das nicht kommt, was euch
tötet. Auch im weiteren weiss er die rehgiösen Motive für die
Beobachtung der kirchlichen Forderungen geschickt zu verwerten:
Sehet, ihr Gehebten, was flu- eine Botschaft wir euch bringen, Sie
kommt nicht von einem Manne, der durch Gaben gewonnen werden
kann, sondern von demjenigen, dem ihr verhaftet seid, da er sein
Blut für euch vergossen hat. Niemand, der durch unerlaubte Ver-
l)indungen befleckt ist, trete heran zu dem Leibe eines solchen
Herrn; er wiü-de nicht geheilt, sondern verwundet, Ihr Teuren,
wir sind Menschen voll Schmutz und doch wollen wh- nicht, dass
ein Unreiner uns berühre. Können wii* glauben, dass der ein-
geborene Sohn Gottes seinen Leib durch unsere Sünden beflecken
lässt? Brüder, unser König, der uns dieses Amtes würdig geachtet
hat, folgt uns nach: bereiten wir ihm ein reines Haus, wenn wir
Avünschen, dass er in unseren Leibern wohne.
Noch eine zweite Rede desselben Verfassers ist erhalten. Sie
warnt davor, den Sabbat in jüdischer Weise zu feiern:^) die rechte
Sabbatsfeier sei, sich enthalten von allem Unrecht. Auch sie zeigt
den warmen, herzlichen Ton, der die erste auszeichnet. Interessant
ist diese Ansprache besonders deshalb, weil sie einen BUck in die
wenige widerwillig gegen das Christentum sind S. 377 CD, an welche die
Predigt verhältnismässig spät gekommen ist S. 377 D. Das alles passt nicht
auf die Franken, sondern nur auf die Sachsen. Nimmt man die wahr-
scheinliche Bestimmung der Handschrift, in welcher die Reden überliefert
sind, hinzu, so wird man 4. mit einer an Clewissheit streifenden Wahr-
scheinlichkeit behaupten dürfen, dass diese Reden an sächsische Hörer ge-
richtet sind. Sie sind endlich 5. keine bischöfliche AUokutionen , sondern
Predigten. Das ergiebt sich aus S. 387 B: Fratres, ecce rex noster, qui nos
dignos hac legatione credidit, post nos continuo sequitur, paremus ei mun-
das domus nostras, si eum in ipsis corporibus nostris volumus habitare.
Denn damit leitet der Redner von der Predigt zur Abendmahlshandlung
über. Auch S. 375 D beweist der Übergang aus dem rhetorischen Plural
in den Singular, dass nicht ein Konzil, sondern dass irgend ein Pfarrer
spricht.
1) Dass in der Zeit Karls der Samstag da und dort gefeiert wurde,
sieht man aus der Synode von Friaul 791, can. 13 (Mansi XlII, 852A).
— 400 —
KeHexionen tluin lässt. wok-lie dureli das Zusanimenstossen der
zwei Religionen hervorgerufen wurden. Wenn, so hielt man den
Priestern entgegen, das Christentum zum Heile notwendig ist,
warum habt ihr es uns so spät verkündigt? Man spitzte den Ge-
danken zu, indem man ihn allgemein tasste: AVarum ist Christus
so spät gekommen? Avarum hat er zugelassen, dass so viele Tausende
von Menschen vor seiner Fleischwerdung verloren gingen?
Diese Sätze sind ein vereiniielter Lichtstrahl, der uns ahnen
lässt, was in den Tiefen des Volksgemütes vorging, indem man
unter der Wirkung blutigen Zwanges auf eine Predigt achtete, die
von Heil und Gnade redete. Sie zeigen, dass religiöser Sinn mit
den Problemen des Glaubens rang, und sie nuichen es verständ-
lich, dass aus dem Ankämpfen gegen das Christentum schliesslich
die freudige Hingabe an den Erlöser erwuchs, die wir aus dem
Heliand kennen.
Noch aber Avar es nicht so weit, lu der L'mgebung Karls
verfolgte man die Fortschritte des Christentums mit gespannter
Aufmerksamkeit.^) Alkuin war voll Freude darüber, dass die Kirche
Friede habe, gedeihe und wachse, da die Sachsen und Friesen den
Glauben Christi angenonmien hätten.-) Seine Gedanken richteten
sich schon weiter: er träumte von der Bekehrung der Dänen,
Wilzeii und Wenden.'')
Aber diese Hofl'nungen wurden durch die Erh(>l)ung der
Sachsen im Jahre 792 jidi vernichtet.^) Der sächsische Adel,
der in den früheren Eiu])örungen an der Spitze gestaiulen, hielt
sich diesn)al zurück, Widukind brach die Treue nicht, die er ge-
lobt hatte. •'^) Auch ergritV der Autstand nicht das ganze Land: er
beschränkte sich auf den Norden. Aber hier erhob sich di(> breite
1) Ale. ep. 6 S. 31 an einen nicht genannten Abt, der in der Um-
gebung Willebads wirkte aus dem Jabre 789: Mandate mihi per litteras,
quomodo habeatis vel quid faciatie, et quomodo consentiant vobis Saxones
in praedicatione.
2 ¥.]>. 7 S. 32 au8 dem .labre 790.
3) Ep. 6 S. 31.
4) Für den äusseren Verlauf verweise ich auf Simson, JB. S. .Sßff. ;
Mühlbacber, DM. S. 137 ff.; Witzschol, Der Ausgang der Sachsenkriego.
Halle 1891.
5) Sichere Nachrichten über den Ausgang Widukinds fehlen. V.
Mathild. 2 (M.G. Scr. IV S. 285) spricht von Kirchenbauten, die er unter-
nommen u. dgl. Aber dabei wirkt schon die Sage mit. Sein Sohn Wie-
hert war ein Christ, man weiss von einer Reihe von Schenkungen und Stif-
tungen, die ihm zugeschrieben werden; dessen Enkel war Bischof Wiebert
von Verden (gest. 908).
— 401 —
Masse des Volks. ^) In mehr als zehnjährigem blutigen Eingen
suchte sie sich der fränkischen Übermacht zu erwehren.
Dass die Volksmassen sich ohne ihre bisherigen Führer er-
hoben, genügt zum Beweise, dass in diesem Aufstande kein poli-
tischer Gedanke mehr lag. Die zum besten der Kirche vorgenom-
menen Eingriffe in das Privatvermögen haben ihn entzündet: des-
halb war die Empörung gegen den König auch jetzt ein Bruch
mit der Kirche. Wieder wurden, so Aveit der Aufstand reichte,
die kaum gebauten Gotteshäuser vernichtet und die Priester ver-
jagt. Bischof Ercambert von Minden floh nach Fulda. ■^) Sachsen,
welche dem christlichen Glauben treu blieben, Avaren schier vogel-
frei: man plünderte ihr Besitztum; nicht wenige wurden getötet:
so starben im Jahre 798 jenseits der Elbe fünf edle Sachsen,
Richolf. Rorich, Gotescale, Had und Garich, auf einen Tag als
Märtyrer ihres Glaubens.^) Das war die Wut des Volkes, das in
den Christen Verräter an der Heimat erblickte. Es scheint eine
sprichwörtliche Bede gewesen zu sein : die Zehnten haben den
Glauben der Sachsen zerstört.*) Alkuin war aufs tiefste davon
durchdrungen, dass dies richtig sei. Wüixle, so schreibt er ein-
mal, mit der gleichen Beharrlichkeit das sanfte Joch Clmsti und
seine leichte Last dem stai'ren Sachsenvolke verkündigt, mit welcher
die Leistung der Zehnten und strenge Bussen für die leichtesten
Vergehen gefordert werden, so würden sie vielleicht die Taufe nicht
verabscheuen.') Er war offen genug, solche Urteile nicht nur in
Briefen an Freunde, sondern auch dem König gegenüber aus-
zusprechen. •*) Man begreift, dass er die Verhältnisse nun ebenso
trüb ansah wie vorher hoffnungsvoll: er meinte wohl, dass von
wirklichem Glauben bisher bei den Sachsen überhaupt nicht die
1) Dass im allgemeinen Abfall einzelne treu blieben, ergiebt sich aus
der Eingabe von Sachsen an Ludwig d. Fr., M.G. Ep. V S. 300 Nr. 2 und
aus der Urkunde Ludwigs d. Fr., B.M. 675. Auch auf Cap. 27, 8 S. 72 v.
J. 797 kann vei'wiesen werden. Die Bestimmung über die Brandleffunor,
die hier gegeben wird, zeigt ebenfalls den Gegensatz der Parteien inner-
halb desselben Gaus. Nur ist hier vorausgesetzt, dass die Königlichen die
Majorität haben.
2) Er unterschreibt 7. Juni 796 eine in Fulda ausgestellte Urkunde
(Dronke, C. D. S. 76 Nr. 132).
3) Vgl. M.G. Ep. V S. 300 Nr. 2; das Jahr ergiebt sich aus Ann.
Einh. z. J. 798.
4) Ale. ep. 107 S. 154: Decimae, ut dicitur, Saxonum subverte-
runt fidem.
5) Ep. 111 S. 161 aus d. J. 796.
6) Ep. HO S. 157 f.
Hauck, Kirchengeschichte. II. 2. Aufl. 26
— 402 —
Rede gewesen seiJ) und er glaubte sich mit der trostlosen Ansicht
beruhigen zu müssen, die Stunde der Erwählung sei für sie noch
nicht gekommen.-) Doch konnte er nicht aufhören, auch jetzt noch
das ..arme Sachsenvolk'' zu bemitleiden. Er drang in den König.
Friede /u schliessen. nachgiebige Massregeln zu treffen.''')
Aber solche Vorstellungen waren vergeblich: sie prallten an
der harten Energie des Königs al): es war ihm bitterer Ernst da-
mit, (he Sachsen entweder zu unterwerfen oder zu vernichten.
j\Iit gewohntem Nachdruck wurde der Kj-ieg geführt: den
fränkischen Siegen aber folgte wie früher che Taufe, so jetzt die
^'erplianzuug der Überwundenen in fränkische Gegenden. In den
Jahren 795. 707. 798, 799 und 804 wurden Tausende von Sachsen
aus der Heimat hinweggeführt:'') mit "Weib und Kind nuissten sie
das Land lassen: sie sollten für die Heimat wie tot sein.") Dies-
1) Ep. 113 S. 164 an Arn von Salzburg, 796: Gens Saxonum nunquani
habuit in corde fidei fundamentum.
2) Ep. 110 S. 157; 184 S. 309 (an Arn 799 oder 800).
3) Ep. 174 S. 289 aus dem Jahre 799.
4) Ann. Lauriss. min. z. J. 794: Karlu.s in Saxoniam pergens Saxones
obtinuit et tertiura de eis hominem in Franciam educens conlocavit; vgl.
Ann. Fuld. , Mosell. z. d. .T. Simson (JB. S. 96) macht wahrscheinlich, dass
sich diese Nachrichten auf das Jahr 795 beziehen, bei welchem die Ann.
Alamm. und Sang. maj. die Wogführung von 7070 Geiseln erwähnen, die
Ann. Maxim, und Xant. von dem dritten Teil der Bevölkerung. Laure.sh.
und Guelferb. von einer sehr grossen Zahl von Geiseln sprechen. Z. J. 797
liest man in den Ann. Lauresh.: Tulit inde aut obsides aut de ipsis quan-
tum ipse voluit; vgl. Ann. Lauriss. min.: Karolus in Saxoniam Francos con-
locat, Saxones inde educens cum uxoribus et liberis, i e. tertium hominem.
Z. J. 798 berichten die Ann. S. Amandi: Hospites (= obsides) capitaneos
1600 inde adduxit et per Franciam divisit; vgl. Ann. Lauresh.: Et tulit
inde illos capitanios quos voluit et de opsidibus quantum ei voluntas fuit.
Z. J. 799 erzählen die Ann. Lauresh.: Inde tullit multitudinem Saxanorum
cum mulieribus et infantibus et collocavit eos per diversas terrae in finibus
suis. Z. J. 804 endlich bemerken die Ann. Lauriss.: Omnes qui trans Albiam
et in Wihmuodi habitabant Saxones cum mulieribus et infantibus transtulit
in Franciam; die Ann. Laur. min.: Karlus Saxones absque hello a propriis
finibus expulsos in Franciam conlocat. Vgl. M.G. Ep. V S. 301 Nr. 2:
Saxones, facta transmigratione de Saxonia, per partes educti sunt. Die
Notiz bezieht sich auf den Mcrstemgau, und wahrscheinlich auf 804. Wenn
Einhard V. Kar. 7 von 10,000 Weggeführten spricht, bleibt er also weit
hinter der Wirklichkeit zurück.
5) Cap. 27, 10 (a. 799) S. 72 ist eine Parallele, die den Gedanken
Karls anssprirht: De malefantoribus. qui vitae periculum sccundum ewa
Saxonum incurrere debent, placuit omnibus, ut qualiscunque ex ipsis ad
regiam potestatem confugium fecerit, aut in illius sit potestate utrum inter-
— 403 —
seits imd jenseits des Rheins wiu-den sie angesiedelt.^) Nur laug-
sam haben sie sich mit der eingesesseneu Bevölkerung vermischt.
In dem Französisch der ^yallonen in den südbelgischeu Ardenneu
will mau noch in der Gegenwart die Spuren ihrer Abstammung
aus Niedersachsen bemerken. ^j Ein sicherer Anhalt ist, dass in
einer aus dem 11. Jahrhundert stammenden Würzburger Fälschung
von Northalbingern die Eede ist, die auf dem Besitze der Würz-
burger Kirche wohnten,^) mid heute noch erinnern in Franken und
Schwaben zahkeiche Ortsnamen an die Gewaltsamkeit, mit der
Karl der Gr. den Trotz der Sachsen beugte.'*)
Hand in Hand mit der gewaltsamen Rei^ression jeder Er-
hebung ging die freigebigste Belohnung der Treugebliebenen. Die
Zeitgenossen haben ihr nicht geringere Wirkung zugeschrieben als
der Gewalt.'^) Dazu kamen Massregelu der Gesetzgebung und Ver-
waltung, welche bestimmt waren, geordnete Zustände zurück-
zuführen.
Auf der Reichsversammkmg zu Aachen im Oktober 797 waren
sächsische Grosse aus den drei Stämmen amvesend. Mit ihrer und
der fränkischen Grossen Zustimmung erliess Karl eine Reihe von
Verordnungen für Sachsen, von welchen sich ethche auf die kirch-
hchen Verhältnisse Ijeziehen.*^) Es handelt sich wieder um den
Schutz der kirchhchen Personen und Sachen. Aber während nach
dem früheren Rechte auf der Störung des kirchhchen Fiiedens die
ficiendum illis reddatur, aut una cum consensu eorum habeat licentiam
ipsum malefactorem cum uxore et familia et omnia sua foris patriam facere
et infra sua regna aut in maren, ubi sua fuerit voluntas coUocare, et
habeant ipsum quasi mortuum.
1) Einh. ann. z. J. 804.
2) Seelmann, Wiederauffindung der von Karl d. Gr. deportierten
Sachsen Köln 1895. Die Schrift ist mir nur aus der Notiz in den Mitth.
des Instituts XVIII S. 205 bekannt; ich kann also das Recht der Annahme
nicht beurteilen.
3) Gefälschte Urkunde Ottos IL vom 15. September 996, M.G. Dipl. II
S. 867 Nr. 432: vgl. Trad. Fuld. 43, 50 S. 122: hier werden in Rohr bei
Meiningen neben den Slawen Sachsen genannt.
4) In Franken: Sachsendorf, Sachsenfahrt, Sachsen, Wüstensachsen,
Sachsenmühle bei Gössweinstein u. a. Die schwäbischen Orte Sachsenheim,
Sachsenhausen, Sachsenhart, Sachsenhof, Sachsen weiler, Sechselberg und
Reutsachsen hat Bo.ssert Wirt. KG. S. 58 nachgewiesen. Umgekehrt be-
gegnen bekanntlich auch fränkische Ortsnamen im Sächsischen.
5) Ale. ep. 7 S. 32 aus dem Jahre 790 mit Bezug auf Sachsen und
Friesen. Ähnlich Eigü V. Sturm. 22 S. 376. Ebenso die späteren: transl.
Libor. 2 (M.G. Scr. IV S. 149), V. Liutbirg. 1 (ib. S. 158).
6) Cap. 27 S. 71 f.
26*
— 404 —
Todesstiale stand, wurde diosell)e jetzt nur mit der Zahlung des
Kiinigsljannes gebüsst:') widirend Iriiher der Mörder des Priest(>rs
sein lieben verwirkt hatte, wurden die Priester jetzt nur mehr durch
das doppelte Wehrgeld geschützt.-) Eine Ermässigung der Strafen,
welche beweist, dass Karl den Sieg für errungen betrachtete. Sie
zeigt sich auch soust;'^) überhaui)t kann man in dem ganzen Er-
lass die Rückkehr von den Ausnahmezuständen zur Herrschaft des
Gesetzes erl)licken.
Die gleiche Tendenz lieri-scht in dem unter Karls Kegierung
vielleicht im Jahre 802 aufgezeichneten sächsischen Gesetz.^) Es
1) L. c. 1: rt de illis capitulis ])ro quibus Franci, si regis bannum
transgressi sunt, solidos sexaginta conponunt. sirailiter Saxones solvent, si
alicubi contra ipsos bannos fecerint. Hec sunt capitula: piimum ut eccle-
siae, viduae, orfani et minus potentes iustam et quietam pacem habeant
etc. Vgl. dagegen Ca]>. 26, 3 S. 68.
2) L. c. 6 S. 72; vgl. Cap. 26, 5 S. 68.
3) Bezüglich des Mordes der Königsboten c. 7 S. 72; vgl. mit Cap. 26,
10 f. S. 69.
4) M.G. Leg. V S. 47 ff., herausgegeben von v. Richthulen. liegen
V. Richthofens Datierung s. Brunner. D. RG. I S. 347; Schröder, D. RG.
S. 237. Beide entscheiden sich für 802. Hüffer, Korv. Studien S. 80 spricht
für 803. Der Ansatz steht in Zusammenhang mit der Erneuerung der An-
nahme vom Frieden zu Salz (S. 72 ff.). Ich gestehe, dass ich hier wie ge-
wöhnlich Hüffers hohem Fluge nicht zu folgen im Stande bin. Während
er überall sichere Urkunden sieht, vermag ich nur reizende, aber luftige
Phantasiegebilde zu erblicken. Da der Pocta Saxo sich auf Kinhard beruft,
mus8 man von ihm ausgehen. Kr aber spricht nicht von einem Friodens-
schluss, sondern nur von dem Ende des Kriegs. Beides ist ein Unterschied.
Sagt er, dass der Krieg ea conditione a rege proposita et ab illis suscepta
ut abiecto daemonum cultu . . christianae fidei atque religionis sacramenta
susciperent, zu Ende gegangen sei, so kann nur der Leser dies als eine bei
Friedensunterhandlungen vorgelegte Bedingung verstehen, der vergessen
hat, dass Einhard, wo er vom Verlauf des Kriegs .spricht, sagt: die Sachsen,
häufig geschlagen, iinperata farturos i<olliciti sunt . . ut etiani cultiim dae-
monum dimittere et christianae religioni .se subdere velle promitterent. Seine
Meinung ist also nur: der Krieg ging zu Ende, indem die Sachsen .sich dem
fügten, was Karl von Anfang an wollte. Dies entspricht den Thatsachen.
An einen Abschluss zwischen Karl und den Sachsen i. J. 803 kann man
um so weniger denken, als seit 792 nicht mehr das Sachsenvolk, sondern
nur noch ein Teil desselben kämpfte, und als ein Teil den Kampf auch
i. .T. 804 fortsetzte. (Einh. ann. S. 118). Hüffer macht sich die Beseitigung
dieser Schwierigkeit leicht. Er sagt: die Nortalbingier gehörten überhaupt
nicht zu den drei Hauptstämmen (S. 87). Aber gerade sie führten in den
ptzten .Tahren den Kampf, vgl. oben S. 400, und wie steht es mit Wig-
modia? Wie mich dünkt, muss man es dabei la.ssen, dass die Sachsenkriege
— 405 —
»
schützt den Frieden der Kirche, wahrt ihren Besitz und ihre Rechts-
ansprüche, aber es verhütet auch, dass das Asvh-echt der Kkche
zum Schutz des Verbrechers missbraucht wird.') Andererseits
schUesst es Reste heidnischer Sitten aus oder schränkt sie ein,-)
ohne doch den Kampf gegen das Heidentum als solches noch
zu iiihreu.
Xoch tiefer Avurden die Zustände dadurch berührt, dass Karl
die kirchhche Organisation des Landes wieder aufüahm.
Nun endhch wurde auch das Land nördlich der Elbe dem
sächsischen Missionsgebiet angefügt. Die Arbeit daselbst erhielt
das Bistmn Trier. Bischof Amalar hat die erste Kii^che in dieser
Landschaft geweiht, sie stand in Hamburg. =^) Wichtiger noch war,
dass die südlich der Elbe bereits begründeten Bistümer neugeordnet
und weitere Missionssprengel zu bischöflichen Diözesen umgebildet
wurden.
Bremen war nach Willehads Tode längere Zeit unbesetzt ge-
bheben. Es mag zuerst an einer geeigneten Persönlichkeit gefehlt
haben; dann brach der Aufstand aus und er wütete ja besonders
in den Willehad zugewiesenen Gauen. Nun nach der völhgen Be-
rulügung des Landes im Jahi-e 804 oder 805 wurde dem Priester
WiUerich, einem der Schüler Willehads, die Bischofsweihe erteilt.*)
Unter seiner Leitung nahm die kirchliche Ordnung der bremischen
Diözese den glücklichsten Fortgang.-^) Xach Minden scheint Bischof
zu Ende gingen, wie ein Aufstand endet, der erlischt, nicht wie ein Krieg
zwischen benachbarten Staaten, den ein Friede schliesst.
1) Hiefür kommen in Betracht c. 21: Mord in der Kirche, Kirchen-
raub und wissentlicher Meineid werden mit dem Tode bestraft: c. 22: Fahr-
lässiger Meineid mit dem Verlust der Hand; c. 23: Mord eines Kirchgängers
zieht die Todesstrafe nach sich; Mordversuch ist mit dem Königsbann zu
büssen; c. 24: Auf Verschwörung steht die Todesstrafe; c. 28: Verbrechern
gegenüber, die zum Tode verurteilt sind, hört das Asylrecht der Kirche
auf; c. 62: Vermögenstraditionen an die Kirche sind zulässig, auch wenn
Erben vorhanden sind.
2) C. 19, 57, 59 Beschränkung der Fehde.
3) V. Ansk. 12 S. 83. S. o. S. 373 Anm. 2.
4) Einzige Quelle ist Adam von Bremen (Gest. Ham. eccl. pont. I, 15
S. 14). Über die bei ihm herrschende Verwirrung der Chronologie Wille-
richs s. Dehio, Gesch. des Erzb. Hamb.-Brem. I, Anh. S. 53 f. Ohne Zweifel
zuverlässig ist die Notiz des lib. donat. Brem. eccl., auf welche er sich be-
ruft; nach ihr dauerte die Amtszeit Willerichs vom 37. Jahre Karls bis
zum 25. Jahre Ludwigs, d. h. von 804 oder 805 bis 838. Das letztere Jahr
als Todesjahr auch Ann. Corbei. z. d. J. (Jaffe, Bibl. I S. 32).
5) Über die Thätigkeit Willerichs Adam 1. c. c. 20 S. 18. Erwähnt
wird seine Bauthätiofkeit. die Mehrung des Klerus, das Wachstum des
— -11 IC) —
Ercambert zurückgekehrt zu seiu; für Verden erhielt >vohl Pattos
Naclifolger in Aniorhach. Tanko, die bischöfliche Ordination. \)
Inzwischen aber hatte Karl ein neues sächsisches Bistum zu
Münster gegründet. Unter den in Niedcrdeutschland thätigen
^Männern war seit Willehads Tod Liudger ohne Zweifel der be-
deutendste. Sein eigentliches Arbeitsgebiet war das nordöstliche
Friesland; wir wissen jedoch, dass er auch im w'estlichen Sachsen
thätig war.-) lim bestinnnte Karl zm- Leitung des neuen Sprengeis.
dem die Friesengaue einverleibt wurden, in welchen Liudger bisher
gearbeitet hatte. Eine Zeitlang zögerte Liudger, sich die Bischofs-
weihe erteilen zu lassen; wir wissen nicht, ob aus ähnlichen Be-
denken wie Gregor von Utrecht;"') dann gab er dem Drängen
seiner Freunde nach.'*) Wie Karl an AVillehad die Zelle Justina
übertragen hatte, so wurde Liudger mit dem fränkischen Kloster
Lotusa belehnt.'') Er wirkte in seinem Sprengel wie Willehad im
Bremischen: er predigte, gründete Kirchen und bestellte Priester.")
Besitzes teils durch Schenkungen der Diözesanen, teils durch eine grosse
Stiftung Karls von 100 Höfen.
1) Als Nachfolger Pattos in Verden wird Tagko genannt (M.G. Scr.
XIII, 343), nach dem Chron. Verd. bei Leibnitz (Scr. r. B. II, 212) war er
zugleich Abt von Amorbach. Er mag identisch sein mit jenem Tanncho
oder üanncho, dessen Tod die Ann. necrol. Fuld. z. .1. 808 (M.G. Scr. XIII,
170) anmerken.
2) Liudger war im März 793 in Sachsen (Lacomblet, ÜB. 1, 2 S. 2),
ebenso zwischen dem 9. Oktober 798 und 8. Oktober 799; s. Diekamp, a. a.
0. S. 282.
3) Das nimmt Altfrid V. Limlg. I, 20 S. 411 an. Meine Bedenken
gründen sich darauf, dass Liudger kein Mönch war, sich den asketischen
Anschauungen gegenüber also freier hielt als Gregor.
4) V. Liudg. 1, 20 f. S. 411. Das Jahr der Bischofsweihe ist nicht
überliefert. In einer Urkunde vom 13. .lanuar 802 heisst Liudger noch
Abt JiHcomblet^ ÜB. I, 23 S. 13), wogegen er in einer Urkunde vom
23. April 805 zum ersten Male Bischof genannt wird (a. a. 0. 27 S. 15).
Diekamp, Bist. JB. I S. 281 ff. spricht für 804. Ebenso fehlt eine Angabe
über den Ort der Bischofsweihe. Man nimmt Köln an. Aber der Schluss
aus dor Unterordnung Münsters unter das Erzstift Köln ist natürlich nicht
beweiskräftig.
5) V, Liudg. 1, 21 S. 411. Diekamp a. a. 0. S. 29 Anni: 7. Nach
werdenscher Tradition weder Looz, nordwestlich von Lüttich, noch Leuze
zwischen Ath und Tournai, sondern Zele bei Termonde.
6) V. Liudg. I. 20 S. 411. Von Münsterischen Kirchen sind für diese
Zeit nachweislich: die Marienkirche in Münster {V Liudg. II, 8 S. 414i,
die Kirchen zu Billerbeck und Koesfeld (1. c. II, 7 S. 414), Nottuln (Erhard,
Reg. Westf. 340 S. 97) und Herzfeld (Hirutfeld, V. Idae Wilmans, KU. I,
469 ff.).
— 407 —
*
Ein Unterschied ist, dass Liudger AVert darauf legte, klösterliche
Niederlassungen zu begründen. Schon ehe er die bischöfhche
Würde erhielt, hatte er in AVerden an der Ruhr ein Kloster zu
Ehren des Heilands, der Maria und des Petrus gestiftet.^) Es lag
nicht auf sächsischem, sondern auf fräukischem Boden, in der Diö-
zese Köln dicht an der sächsischen Grenze; doch erstreckte sich
sein Einfluss weithin. Das zeigen die mancherlei Schenkungen,
die ihm aus Sachsen und Fiiesland zufielen.-) In Münster gründete
Liudger ein ansehnliches Stift für Kanoniker.'') Es war zugleich
eine BilduDgsanstalt füi- den Klerus der Dicizese. Die Lehrgabe
Liudgers Avar ja bereits in Utrecht erkannt worden; auch als Bischof
begann er regelmässig den Tag mit der Unterweisung seiner
Schüler.*) Eine dritte Stiftung, zu welcher er die Anregung ge-
geben haben wird, ist das Nonnenkloster Nottuln. An der Spitze
stand seine Schwester Heribm-g.'^)
Liudger starb am 26. März 809 in Billerbeck. Er wiu'de zu-
erst in der Marienkirche zu Münster beigesetzt; später lirachte man
seinen Leichnam nach dem Kloster AVerden. Da er Beerdigungen
in der Kü'che raissbiüigte, so begmben ihn die Mönche in der
A^'halle der von ihm gebauten Basihka.**) AVas an Eiuzelzügen
über ihn berichtet wird, zeigt den nüchternen, einfachen Mann, dem
Pranken und Scheinen wider die Natur ging. Altfrid hebt als
charakteristisch hervor, dass er nach des Apostels Mahnung be-
strebt gewesen sei, in allen Stücken massvoll sich zu verhalten.^)
Er vermied jede Übertreibung des Fastens; gerne sah er Reiche
und Arme an seinem Tisch: er wusste im Gespräch mit ihnen den
1) Liudger bereitete diese Stiftung Jahre lang vor; die erste Schen-
kung, die ihm für dieselbe zu Teil wurde, ist vom 22. März 793 (Lacom-
blet, ÜB. I, 2 S. 2). Erst am 18. Januar und 14. Februar 799 kam durch
Schenkung und Tausch der Ort, an dem das Kloster ei-baut wurde, in Liud-
gers Besitz (a. a. 0. 11 f. S. 7 f.). Sofort scheint der Kirchenbau begonnen
worden zu sein-, im Mai 801 war man noch an der Arbeit. So verstehe
ich die Angaben der beiden Urkunden vom 1. und 5. Mai 801 (a. a. 0. 19
und 21 S. 12 f.; etwas abweichend Diekamp a. a. 0. S. 10). Die späteren
Biographen Liudgers wissen Einzelheiten, deren Glaubwürdigkeit mehr als
fraglich ist.
2) Lacomblet hat 19 Schenkungsurkunden an Liudger.
3) V. Liudg. I, 20 S. 411: Honestum monasterium.
4) L. c. II, 6 S. 413.
5) Erhard, Regest. Westfal. 340 S. 97 f.
6) V. Liudg. II, 7 f. S. 414. Aus II, 8 vgL mit III, 8 S. 416 ergiebt
sich, dass die Vorhalle im Osten, die Kirche also nicht orientiert war.
7) V. Liudg. II, 6 S. 413: Omnia mensurate facere concupivit.
— 408 —
rechteil Ton zu tretfeii. Die Kutte pflegte er nicht zu tnigen; er
hatte die Mönchsgehihde nicht al)gelegt und er strehte nicht nacli
dem Namen asketischer Heihgkeit. ohgh'ich aucli er der Selbst-
kasteiung AVert beilegte: er trag stets ein Cihciuin auf der blossen
Haut. Wie ernst er es mit seiner Pflicht zu predigen nahm, sieht
man daraus, dass er am Tag vor seinem Tode, obwohl bereits
ki-ank. zweimal predigte.^) In Sachsen galten seine Gebeine bald
als die wuiiderkrältigsten Reliciui'en. Seine Stelle als Bischof e)--
liielt sein Neffe Gei-fi-id : -) die Leitung des Klostei-s Werden ging
au seinen Bruder Hildigrim über.''^) Es bliel) im Besitz der Familie,
bis Hildigrim 11. es dem König übergab.^)
Ein Teil des Engerlandes stand seit Jalu-en in Verbindung
mit Würz])urg. Die Entfernung dieses Bischofssitzes erwies sich
jedoch für die Arbeit hinderlich. Deshalb hob Karl die Abhängig-
keit des Landstrichs von dem ostfränkischtm Bistum auf: einige
Jahre nach der vollständigen Beruhigung Sachsens wurde auf seinen
Befehl der \\'ürzl)urger Priester Hathumar zum Bischof für eine
selbstständige sächsische Diözese geweiht.*^) Als bischöfliche Kirche
erhielt er die im Jahre 799 von Papst Leo 111. in Paderl)orn ge-
weihte Kirche.") Die Wahl dieses Mannes zeigt wieder die Al)-
sicht, den Sachsen versöhnlich entgegen zu kommen. Denn Hathu-
mai' war sächsischen Stammes: wahrscheinlich als Geisel war er
nach Franken gekommen und in einem der AVürzburger Stifter zum
Pnester gebildet wenden, "j Wir wissen wenig von seinem- Thätig-
keit; doch zeigen die Angaben über seinen Nachtniger, dass er
seine Aufgabe darin sah, die Kluft, welche das sächsische Volk
von der Kirche trennte, zu überbrücken. Sein Nachfolger wurde
1) L. c, vgl. oben S. 244 Anm. 3.
2) L. c. 11, 7 f. S. 414: Gerfridus presbyter nepo.s ac successor eius.
8) Hililiji^nm erscheint in den Werdener Urkunden als Be.sitzer de.'<
Klo.sters seit 811 (Laconiblet, ÜB. 29 S. 16). Schon hier wird er Hischof
genannt. Altfrid kennt ihn als Bischof von Chälons s. M. (V. Liudg. 11, K
S. 414). Über seine Beziehungen y.u Halberstadt s. unten. Einmal wird
Gerfrid neben ihm als Rektor des Klosters Werden genannt, S. 19 Nr. '.il.
4) B.M. l.'')12 vgl. Krben in den Milth. des Inst. f. österr. G. XII S.
46 f. Hier auch über die Unechtheit von B.M. 380.
b) Transl. Libor. b (M.G. Scr. IV S. 151). Erhard (Heg. Westf. 212
S. 76) verlegt die Stiftung des Paderborner Bistums schon in das Jahr 79-5.
Das scheint mir unwahrscheinlich. Denn die Erzählung der transl. Libor.
würde dann ungeschickt hin- und herspringen; auch können neunzehn Jahre
doch unmöglich als pauci anni bezeichnet werden.
6; L. c.
7) Ann. Lauresh., Chr. Moiss. z. J. 799; Transl. Libor. 4 S. 150.
— 409 —
Badiirad. ein Grlied des Paderborner Klerus, wieder ein geborener
Sachse. Hathumar hatte also einheimische Priester um sich ver-
sammelt: doch war auch Badurad in Würzburg gebildet.^)
Wurden hier dauernde Einrichtungen geschaffen, so währten
dagegen in Ostfalen und dem nördlichen Westfalen die i^roviso-
lischen fort. Bezüglich der Bistümer Hildesheim und Osnabrück
ist es sicher, bei Halberstadt mindestens sehr wahrscheinhch, dass
iln-e Organisation erst unter Ludwig d. Fr. vorgenommen wurde.
Bei Osnabrück möchte man vermuten, dass die frühzeitige Grün-
dung der beiden Klöster Meppen'-) und Visbeck^) in der späteren
Osnabrücker Diözese die Errichtung eines Bistums für das Land
im Osten der Ems zum Teil erschwerte, zum Teil nicht als sofort
notwendig erscheinen Hess. Das letztere, weil hier Mittelpunkte
für die Missionstliätigkeit und Orte, an denen neue Missions-
priester herangebildet werden konnten, im Lande selber vorhanden
waren: das erstere, weil die Gründung eines Bistums nicht ohne
Auseinandersetzung mit den Klöstern vorgenommen werden konnte.*)
Ij Transl. Libor. 6 S. 151. Das Todesjahr Hathumars steht nicht fest.
Offenbar irrig ist die Angabe der V. Meinw. 1 (M.G. Scr. XI S. 107), dass
Hathumar schon 804 gestorben sei. Nach dem unverwerflichen Zeugnis
der transl. Vit. 8 S. 579 lebte er noch im Jahre 815.
2) Meppen wird als königliche Zelle in der Urkunde Ludwigs d. Fr.
vom 7. Dezember 834 (B.M. 906) erwähnt, durch welche Ludwig das Kloster
mit allem, was zu ihm gehörte, an die Abtei Corve^^ vergab. Werden hier-
bei die Basiliken der Kirche ausdrücklich genannt, so führt das auf die
Annahme, dass Meppen als Missionsstation, also schon unter Karl gegrün-
det worden ist. Der Ort Meppen ist V. II Liudg. I, 27 S. 419 genannt.
3) Die älteste Urkunde für Visbeck ist die Ludwigs d. Fr. vom 4. Sep-
tember 819 (B.M. 681). Ludwig erteilt auf Bitten des Abts Castus der
Kirche die Immunität. Dabei wird der Missionsauftrag eigens erwähnt:
quin ei liceat per hanc nostram auctoritatem verbum praedicationis . . exer-
cere. Abt Castus ist aller Wahrscheinlichkeit nach identisch mit dem oben
S. 354 Anm. 5 erwähnten Priester Cerbert, der den Beinamen Castus führte.
Visbeck kam 855 an Corvey (Urk. Ludwigs d. D., B.M. 1371). Der Ort
liegt im südlichen Oldenburg: Puckert hält die Zelle für ein Stift (Anian ^
S. 19), aber die Bezeichnungen abbas und abbatia widersprechen.
4i Die Schwierigkeiten zeigt der lange Zehntstreit zwischen Osnabrück
und Corvey über die Meppener Zehnten. Ich verweise hiefür auf AVil-
mans, KU. I S. 319 ff., und Philippi, ÜB. I S. VIII ff. Die Voraussetzungen
für den Streit waren diese: Meppen, das eine Anzahl Kirchen besass, be-
fand sich ohne Zweifel von Anfang an im Besitz von deren Zehnten. Als
nun Ludwig das Bistum Osnabrück gründete, scheint er einen Teil der-
selben diesem verliehen zu haben. Das ergiebt sich aus der Querim. Egilm.
S. 55. Denn Egilmar berief sich im Synodalgericht auf ein Conscriptum,
quod coram eis legi feci et quod penes nos habemus (S. 55). Es kann nur
— 410 —
Etwas anders lagen die Dinge in dem späteren llnllu istädter
Sprengel. Tu dessen südlichem Teil, dem Friesent'eld und Hasse-
gau, wurde walirscheinlieli von dem Kloster Hersfeld aus missio-
niert;') als Missionssitz für das Land im Osten und Nordosten des
Harzes wurde sodann, wie es scheint, ein Stift m Osterwiek ge-
gründet: man nannte es Seligenstadt.-) Es war nichts Unge-
w«)hnliches, dass Karl die Leitung desselben, und damit die der
^Mission einem fränkischen Bischof, Liudgers Bruder Hildigrim
von Chrdons s. M., ühertrug.^) Das mag in den ersten Jahren des
neunten Jahrhunderts gewesen sein. Hildigrim wird das Stift von
Osterwiek nach Halberstadt verlegt haben. Da er sich mindestens
ebensoviel in Deutschland als in seinem kleinen französischen Bis-
eine Lrkuiulo gewesen sein, die seinen Anspruch iiuf die Zehnten bewies.
Dann kam Meppen an Corvey: in Ludwigs Urkunde sind die Zehnten nicht
ausdrücklich genannt; aber sie bildeten Pertinenzen der Kirchen; einen
Anspruch auf sie konnte Corvey also wohl erheben. Der Moment mit ihm
hervorzutreten kam, als Ludwig d. D. das Bistum dem Grafen Cobbo über-
gab. Wenn dieser nun Osnabrücker Zehnton an Corvey gab, so werden
es eben die gewesen sein, die aus dem ursprünglichen Besitz von Meppen
für die Ausstattung von Osnabrück verwendet worden waren. Man sieht,
der Streit ging schliesslich auf die ursprüngliche Auseinandersetzung von
Bistum und Kloster zurück.
1) S. o. S. 30.') Anm. ?>.
2) Ann. Quedlinb. z. J. 781: S. Stephano protomartyri in loco qu
dicitur Seliganstedi monasteriura construxit, quod postea in locum transla-
tum est qui dicitur Halverstede, ubi nunc est sedcs episcopalis. Die Gleich-
setzung von Osterwiek und Seligenstadt bei dem sächsischen Annalisten z.
J. 781 M.G. Scr. VI S. 560, der freilich eine schon ganz cnt.stellte Vm,-
stellung der Vorgänge hat.
3) So die Qnedl. Ann. a. a. 0. Über Hildigrim ist folgendes sicher:
1. or war bedeutend jünger als sein Bruder Liudger ; denn während dieser
seit 780 als Priester und Missionsi>rediger thätig war (s. o. S. 3.">8 Anm. 1).
erscheint er i. J. 782 noch als dessen Schüler (V. Ijiudg. I, 18 S. 410; II. 8
S. 414), noch im Juni 797 war er Diakon (Lacomblet, ÜB. I S. 7 Nr. 9).
2. Beim Tode Liudgers i. .1. 809 war er bereits Bischof von Chälons, v.
Liudg. II, 8 S. 414. 3. Er erbte damals das von seinem Bruder gegründete
und besessene Kloster Werden (Lacomblet S. 16 flF. Nr. 29 ff.; vgl. Walahfr.
carm. 43 S. 393, denn das Kloster, quod Rura vocatur, ist natürlich nichts
anderes als Werden). 4. Bischof von Halberstadt war er nicht. Hiefür ist,
wie Rettberg mit Recht betont hat. das Schweigen Altfrids entscheidend.
Wie mich dünkt, darf man auch nicht übersehen, dass seine Ernennung
zum Bischof von Halberstadt kirchenreclitlich unmöglich gewesen wäre.
Hüffer S. 91 findet sich viel zu leicht hiemit ab; er lässt ihn auf sein
franzö-sisches Bistum verzichten. Aber ein solcher Verzicht war nicht ohne
weiteres zulässig.
— 411 —
tum aufhielt.^) so trat das Bedürfnis nach einer Änderung der
Verhältnisse nicht hervor: es wird viehuehr als wünschenswert er-
schienen sein, sie zu erhalten, zumal seitdem Hildigrim als Besitzer
des reichen Klosters Werden auch dessen Kräfte im Missionsdienst
verwenden konnte.-) Weshalb auch in Hildesheim die Organisation
1) Die Werdener Urkunden bei Lacomblet zeigen ihn in den Jahren
811, 812, 816, 817, 819, 820 in Werden. Auch das ist bemerkenswert, dass
Chälons in Thüringen Grundbesitz hatte; er wurde 878 durch Tausch main-
zisch, B.M. 1516.
2) Die oben dargelegte Anschauung über die Verhältnisse Halber-
stadts unter Karl d. Gr. unterscheidet sich einerseits von der durch Rett-
berg begründeten, andererseits von der durch die neueren sächsischen
Forscher Reinecke a. a. 0. und P. J. Meier (Zeitschr. des Harzvereins XXXI
S. 227 flf.) vertretenen. Rettberg gebührt auch hier das Verdienst, die Un-
haltbarkeit der legendarischen Überlieferung dargethan zu haben (KG. D.'s
II S. 470 S.). Die sächsische Tradition über Hildigrim I. lehnte er ganz
ab, sie wolle nur die Anfänge der Halberstadter Kirche an ruhmvolle Per-
sonen aus der Umgebung Karls d. Gr. anknüpfen. Dem gegenüber haben
die genannten Forscher nicht nur die Überlieferung über Hildigrim ver-
teidigt, sondern die sächsische Tradition überhaupt: sie irre eigentlich nur
in Bezug auf das Jahr (vgl. Meier S. 232). Meine Ansicht stützt sich einer-
seits auf die S. 410 Anm. 3 zusammengestellten sicheren Daten über Hildigrim,
andererseits auf die Urkunde Ludwigs d. Fr. für Halberstadt vom 3. Sep-
tember 814, B.M. 516. Rettberg hat sie einstmals verworfen; dagegen er-
klärt sie Mühlbacher N.A. XVHl S. 282 jff. nur für interpoliert. Er ver-
weist zur Begründung auf ihre Übereinstimmung mit der am gleichen Tag
ausgestellten Urkunde für Worms, B.M. 517. Dieser Grund ist stichhaltig.
Sein Gewicht wird dadurch verstärkt, dass auch den Urkunden für Visbeck,
B.M. 681, und für Prüm. B.M. 552, dasselbe Formular zu Grunde liegt. In-
dem ich auch die beiden letzteren Urkunden zur Vergleichung herbeiziehe,
komme ich zu einer etwas anderen Bestimmung der interpolierten Stellen,
als Mühlbacher. Er ist im Recht, indem er die Grenzbestimmung und die
Stelle über die Zehnten als interpoliert ausscheidet; aber er ist im Un-
recht, indem er auch den Satz Praedictam verwirft; denn dieser ist durch
die Visbecker Urkunde geschützt. Für unrichtig halte ich ferner die Strei-
chung von Catholanensis ; denn die Kanzlei setzt regelmässig den Namen
vor das Wort ecclesia, wenn sie nicht einen Relativsatz bildet. Es muss
demnach vielmehr Halberstadensis gestrichen werden, da aber Hildigrim
das Privilegium für Halberstadt erbat, so muss sein Verhältnis zu dieser
Kirche irgendwie ausgedrückt gewesen sein. Der Satz kann gelautet
haben: H. Catholanensis ecclesiae episcopus venerabilis, qui est rector (vgl.
für diese Wendung B.xM. 334 und Wirt. ÜB. I S. 44 Nr. 42 S. 53 Nr. 50)
ecclesiae Halberstadensis, quae est etc. oder qui nostra concessione in
regimine habere dinoscitur (vgl. für diese Wendung B.M. 906) ecclesiam
Halberst. , quae est etc. Der Vergleich mit der Visbecker Urkunde macht
wahrscheinlich, dass im folgenden die Worte ipsam sedem und im vor-
— 412 —
sich verzögerte, lässt sich nicht eiunial vermuten.') Dass gleich*
zeitig mit den Bistiimeru, zum Teil noch vor ihnen eine Reihe
von Klöstern und Stiftern entstund, ergiebt sich aus dem eben
Gesagten. Ausser den genaimten gehört wahrscheinhch Hameln,-)
schwerlich aber Helmstedt^^) zu den ältesten klösterlichen Nieder-
lassungen in Sachsen. Man ist an die Bedeutung gemahnt,
welche sie liir d.i^ christhche Neuland hatten, wenn man in Ludwigs
letzten Satz das Wort parocliiam interpoliert sind: es war zu lesen ipsuni
sanctum locuni und abbatiam. War dies die ursprüngliche Gestalt der
Urkunde, so ist klar, dass sie das Privilegium für eine Missions/.elle analog
der in Visbeck gewesen ist. Von dem Bestand eines Bistums in Halber-
stadt sagt sie kein Wort. Man beachte, dass ihr die Worte der Wormser
Urkunde Simul cum suo episcopo pergant fehlen. Erst durch die Inter-
polation ist sie zu einer Urkunde für das Bistum Hallierstadt geworden.
Dann liefert sie aber den B<'\vnis. dass das Bistum erst unter Ludwig d. Fr.
konstituiert wurde.
1) So bestimmt Hüfter S. 218 verkündigt: Und so steht es fest: Am
15. Mai 803 ist zu Salz die sächsische Kirche durch acht Kai.serurkunden
neu umschrieben worden, so wenig ist diese Sicherheit berechtigt. Weder
die Notiz Thietmars (Chr. VIII, -75 S. 238) noch die gefälschten Urkunden
geben zu ihr ein Recht. Für die Geschichtsforschung aber ist nichts ver-
derblicher, als wenn Vermutungen für Thatsachen ausgegeben werden.
2) S. Wilmans, KU. I S. 461 tt'.; Mcinardus, ÜB. des Stiftes und der
Stadt Hameln (1887) S. LXIX ft". Hameln gehörte zum Bistum Minden, war
aber bis in das 13. Jalirhundert fuldi.sch.
3) Die erste urkundliche Erwähnung Helmstedts fällt erst in d. J. 952
(M.G. Dipl. I S. 229 Nr. 149). Das Kloster erscheint in der Urkunde nicht
als neugegründet; denn die Mönche besitzen schon eine Anzahl Höfe im
Bistum Halberstadt. Die Nachricht, es sei eine Gründung ]<iudgcrs, bringt
zuerst 'l'hietmar ehr. IV, 68 S. 101. Das Zeugnis ist zu jung, als dass es
ins Gewicht fallen könnte; von Bedeutung ist nur, dass der Name Liudgers-
kloster schon üblich erscheint. Dies, zusammen mit der später nachweis-
lichen Verbindung der beiden Klöster Werden und Helmstedt, legt die Ver-
mutung nahe, dass Helmstedt eine von Werden aus gestiftete l'ropstci war.
Zieht man noch die Bedeutung Werdens für die Sachsenmission herbei, so
kann man als Zeit der Stiftung die Kegierung Karls vermuten. Doch steht
dem letzteren ein. wie mich dünkt, recht gewichtiges Bedenken gegenüber :
war Helmstedt Missionszelle, dann muss man das Kloster im Besitz der
Zehnten erwarten, ebenso wie Visbeck und Meppen. Allein das war nicht
der Fall. Das Kloster hat die Zehnten in .seinen eigenen Höfen erst durch
Otto I. erhalten; ebenso die Zehnten in dem Orte Helmstedt. Dadurch
scheint mir die Annahme von Missionsthätigkeit Helm-stedts ausgeschlossen.
Wenn also das Kloster noch der Karolingerzeit angehören sollte, so doch
erst der zweiten Hälfte der.'^elbon. Auch der verhältnismässig geringe Be-
sitz (8. den Lib. bonor. von 1160, N. Mitth. des sächs.thür. Gesch. -V. I,
Heft 4 S. 21) spricht dafür.
— 413 —
Immiinitäts-Ürkiinclen für Halberstadt und für Visbeck liest, dass
die Aufgabe der Mönche die Predigt des chiistlichen Glaubens
sei.^) Diese ältesten Klöster waren nicht Stätten gelehrter Thätig-
keit. sondern jMissions- und Seelsorgeposten für ihre Umgebung.
Von den Bistümern und Klöstern aus begann man sofort den
Bau von Kirchen hin und her im Laude.-) Dass sie anfangs sehr
dünn gesät waren, ist zu vermuten. Aber mochte das Netz noch
so weitmaschig sein; es bedeckte doch schon unter Karl das
ganze Land.
Als Karls Regierung zu Ende ging, war die Vereinigung des
sächsischen Stammes mit dem fränkischen Eeich'^) und der Bestand
der christlichen Kirche in Sachsen eine Thatsache, die keiner
Schwankung und Erschütterung mehr unterlag. Niemand wird alle
Massregeln Kai'ls billigen; doch müssen auch diejenigen, welche
Tadel verdienen, gemessen werden mit dem Masse ihrer Zeit. Der
Erfolg aber war glücklich für Deutschland wie für die Kirche.
Sie hat auf dem mit Blut gedüngten Boden die tiefsten Wurzeln
geschlagen.
1) B.M. 681: Quin ei liceat per hanc nostram auctoritatem uerbum
praedicationis domino auxiliante exercere et ministerium suum pleniter
peragere.
2) Das zeigt für Visbeck die angeführte Urkunde Ludwigs, B.M. 681.
Nach ihr besass Visbeck Kirchen im Leergau, Hasegau und Fenkigau, also
in einem weiten Bezirk. Wilmans hat darauf hingewiesen, dass zu diesen
Kirchen nach Wibald ep. 455 S. 587 gehörten Freren (Wrederen), Kreis
Lingen, Aschendorf, Kr. Meppen, und Löningen, oldenb. Amt Kloppenburg.
Die münsterische Kirche Saxlinga sucht er im Lengener Land, Kreis Leer.
Über die Meppener Kirchen s. o. S. 409 Anm. 2. VgL überhaupt Philippi,
Mitth. des bist. V. zu Osnabrück XXII S. 24 fif. Ob im Hildesheimischen
Elze die älteste Kirche ist, muss bei dem sagenhaften Charakter der Er-
zählung Ann. Palid. z. 817 M.G. Scr. XVI S. 58 und Ann. Saxo z. 815
Scr. VI S. 571 bezweifelt werden. Über die ältesten Kirchen im Halber-
städtischen s. Meier S. 233 ff. ; über die im Münsterischen handelt Tibus,
Gründungsgesch. S. 377 fif. Aber er trägt offenbar viel zu oft spätere Ver-
hältnisse in die Frühzeit zurück.
3) Einh. V. Karol. 7; vgl. Poet. Saxo z. 803 v. 21 ff. S. 261. Widuk.
Res gest. Sax. I, 15: lam fratres et quasi una gens.
S i (' 1) r II t p s K a pi t o 1.
Baiern und der Südosten.
Beinahe ebenso lange wie der sächsische hat der bairische
Stamm seine Sonderstellung gewahrt. Zwar waren die Baiern
schon vor dem 8. Jahrhundint Christen; aber die bairische Kirche
war kein Teil der fi'änkischen Landeskirche; erst Karl d. Gr. hat
sie mit ihr verschmolzfii. Jedoch auch hier hatten Bonifatius und
Pippin ihm die AV'ege geebnet. Der erstere. indem er Baiorn in
den Kreis seiner Reformen zog,') der letztere, indem er die Selbst-
ständigkeit des bairischen Herzogtums brach.'-) Dass die Be-
strebungen des Bonifatius in Baieni leicht und rasch zur Durch-
führung kamen, dankte er dem Umstand, dass Herzog Odilo rück-
haltlos auf sie einging: der konsequente Vertreter der bairischen
Selbstständigkeit dem fränkischen Reich gegenüiter. hat dadurch
doch in einem wichtigen Punkte die Gleichheit der Verhältnisse
lierbeigeführt, die die Voraussetzung für das ZusMinnienwarhsen
Baienis mit <lem übrigen Deutschland waren.
Als am is. Januar 74S"') Odilo starb, erschien die HeiTschaft
der Agiloltinger ernstlich bedroht. Denn Grifo. unterstützt von
Suitgar, dem Grafen des Nordgaus, und Tiantfrid. dem Herzog der
Alamannen, jagte Odilos Sohn, Tassilo. aus dem Lande. Allein,
Pippin gab nach errungenem Sieg dem jungen Herzog sein Erbe
ungeschmälert zuiück.'') Nach seinem "\Mllen sollte Baiern den
1) S. Bd. I S. 488 ff.
2) S. Bd. I S. 516 ff. Hahn. .TB. S. 4.3 ff. Riezler, G. B.'s S. 81 ff.
3) Vgl. Graf Hundt in d. Abh. der M.A. H. KI. XII S. 167 f.
4) Ann. Lauriss. z. .T. 748: Tassüonem in ducatu Baiorariorum
conlocavit per suum beneficium. Dabei kann man doch nur an Lehens-
— 415 —
Agiloltingern bleiben. Tassilo verdankte ihm seine ganze Stellung.
Yielleiclit erklärt sich gerade daraus seine lebhafte persönliche
Antipathie gegen Pippin; denn nichts ist kleinen Geistern wider-
wärtiger, als die Pflicht der Dankbarkeit. Tassilo hasste seinen
Oheim; in seiner Xähe verweilen zu müssen, war ihm eine Pein.^)
Er fühlte sich offenbar auf allen Seiten dm'ch ihn eingeschränkt
und gehindert.-) Er aber besass Ehrgeiz; er wollte ein grosser
Eüi'st sein und hatte keine Ahnung davon, wie wenig ein Herzog
von Baiern in Wirklichkeit bedeutete: deshalb vermochte er seine
Ansprüche nicht ins Gleichgewicht mit seiner Macht zu setzen.
Es wäre ihm wie eine Selbsterniedrigung erschienen, sich aufrichtig
in seine Abhängigkeit von dem fränkischen Reiche zu fügen: aber
durch Treubruch und Verrat fand er sich nicht erniedrigt. Pippin
hat ihn in seiner unbesorgten Weise gewähren lassen. Unter Karl
vermochte ein von dem König geachteter Mönch zmiächst ein leid-
hches Verhältnis herzustellen:'^) aber es ist begreiflich, dass Karl
keine Achtung vor einem solchen ^Nfann kannte und deshalb auch
keine Schonung gegen ihn übte.
So talentlos Tassilo als Politiker war, ebenso wenig Lob ver-
diente er in Bezug auf die innere Verwaltung seines Landes. Die
Beschlüsse der Aschheimer SjTiode beweisen nicht nur die allge-
meine Rechtsimsicherheit,'*) sondern auch das offenbarste Misstrauen
der Bischöfe dagegen, dass Tassilo den Willen und die Kraft habe,
in diesem Punkte etwas zu ändern: man forderte, dass die herzog-
lichen Sendboten stets von Priestern begleitet seien, welche Un-
gerechtigkeiten verhindern sollten,'^) ja man hielt die geisthche
Assistenz sogar für notwendig, wenn der Herzog selbst Recht
sprach.*^)
abhängigkeit denken; s. Hahn, JB. S. 213 ff. ; Eiezler, G. B.'s I S. 84; wo-
gegen Huber [Cr. Oesterreicbs I S. 72) diese Auffassung bezweifelt. Aber
wird sie nicht durch die Huldigung in Compiegne (757, Ann. Lauriss. z. d.
J.) bestätigt? Es lag nichts in der Mitte, was Pippin hätte veranlassen
können, die Stellung Tassilos zu seinen Ungunsten zu verändern. Tassilos
Regierung begann zwischen August und November 748, s. M.G. Leg. HI
S. 243 n. 38.
1) Vgl. Ann. Einh. z. J. 768: Ad regis conspectum ulterius se ven-
turum abiuravit. Ähnlich Ann. Lauriss.
2) Pippin hatte nicht nur unmittelbare Besitzungen in Baiern (Brev.
not. Salisb. 13, 10 S. 38), sondern auch ausgesprochene Anhänger; 1. c. 14,
4 S. 39 wird ein Graf Grimbert als valde familiaris Pipi)ini bezeichnet.
3) V. Sturm. 22 S. 376.
4) C. 10—12; 14; 15 (M.G. Leg. HI S. 458 f.).
5) C. 14 S. 459.
6) C. 15 S. 459, mit der Begründung, ut sit sententia vestra Dei sale
— 41 () —
Schon dass man solche Fordeniugen zu stellen wagte, heweist.
dass Tassilo nicht gewöhnt war, den Bischöfen zu \\ idcrspivchen.
So rühmten sie ihn denn auch, dass er trotz seiner .Jugend seinen
Vorfahren an kirchlicher Gesinnung überlegen sei.') In der That
zeigt sein ganzes Verhalten, dass alle kirchhchen Motive, welche
die Zeit kannte, auf ihn einwirkten und dass er willcidcis ihrem
Tmi)ulse nachgah. Die Förderung kirchlicher Stiftungen hetrachtete
er nicht nur als Familientradition.-) ihm war es ernst damit, dass
nuin ..um der ewigen Liebe und des furchtbaren Grauens halber,
um dem Pfule des Teufels zu entgehen und den Hininielsaal zu
verdienen". Gott etwas von dem opfern müsse, was er den Men-
schen gespendet hat.'') Demgemäss hat Tassilo freigebiger und
verschwenderischer als irgend einer seiner \'orgänger Klöster und
Kirchen ausgestattet.^) Besonders die Klöster erfivuten sich seiner
Gunst: er hat sie wohl auch auf Kosten anderer kircblichei- Stif-
tungen bereichert."') Während Karl d. Gr. die Zwecke, welche bei
Übertragung von Reli(iuien verfolgt wurden, sehr klar erkannte,
ijinden diese angeblich religiösen Akte an ihm einen Gönner: er
hat die Relitiuien des rätischen Bischofs Valentin nach Passau
gebracht und Aribo unterstützt, die Heli(|uien Corbiuians für Frei-
sing zu gewinnen.") Die Päpste hatten an ihm einen ergebenen
Verehrer: im Jahre 77"i liess er sein S(">hnlein ''J'heodo nach Rom
bringen, damit es dort von dem Papste selbst getauft werde.')
^lan weiss nicht, war das mehr eine That der Eitelkeit oder der
Devotion.
coiidita, ut no iutlices terreni propter pieinias causas toniuantur ot inno-
Cfintes obprimantur aut nocentes iustificentur. Man sieht, diiss Tassilo als
Null behandelt wird.
1) Einleitung S. 457: Si in aetate tenerulus in sensu sanctae scrip-
turae precessoribus tuis maturior appareris.
2) Urkunde für Kremsmünster (M. H. XXVIIJ, 1 S. 190 t.j: Bone
memorii antecessores mei in quantum potuerunt res suas Deo deuouerunt,
ecclesias dei construxerunt easque suis opibus ditauerunt, monasteria quoque
8tuduerunt construere et non modicas ad easdem pecunias tradere.
3) L. c. S. 197.
4) S. in Bezug auf Salzbur«,' Indii'. Arn. 't S 17. vgl. mit 3 inid 4,
tlen Schenkungen Hutbert« und Odilo.-<.
5) Daa letztere ei-giebt sich daraus, dass nach Ta-ssilos Absetzung die
Klöster Pfarreien zurückgeben mussten. Chiemsee unter Alit Liutfrid (Meichel-
beck, Hist. Frising. I, 2 S. 91 Nr. 120 und Münch. Abh. XII. 1 S. 219 Nr. 13),
Tegernsee unter Abt Meginhart (1. c. S. 92 Nr. 121), Isen unter Abt Cun-
dhari (1. c. I S. 94).
6) V. Corbin. 3-5 f. S. 270. Über Valentin .". Bd. l S. 348.
7) Ann. Admunt. z. 772 M.G. Scr. IX S. .572.
— 417 —
Doch hatten die kirchhcheu Verhältnisse in mancher Hinsicht
Gewinn von Tassilos Massregeln.
Besonders wnrde die Regelmässigkeit in der Besetzung der
Bistümer kaum gest<)rt.
In Salzbm'g lag mehr als drei Jahrzehnte lang die Leitung
in den Händen Yirgils.^) Xachdem er seit dem Jahre 747 als Abt
von St. Peter die Diözese regiert hatte, entschloss er sich, dem
Wunsche des Volks und des Klerus nachgebend, sich die bischöf-
liche Weihe erteilen zu lassen. Seit dem 15. Juni 767 war der
Stuhl Ruperts wieder mit einem Bischof besetzt.-) Virgil war.
wie wir uns erinnern, ein Kelte; aber er tlihlte sich als Nachfolger
des fränkischen Missionars. Ilmi zu Ehren hat er in Salzburg
eine neue geräumige Kirche erbaut; im Jahre 774 wurden Ruperts
Gebeine dorthin übertragen.'^) So erhielt Salzburg seinen Heihgen.
Aber es lag Virgil doch nicht nur daran, dm-ch diesen Bau das
Gedächtnis an den Gründer der Salzburger Kjrche zu erhalten:
er hat die Airfzeichnungen über Ruperts Thätigkeit veranlasst,^)
welche wir noch besitzen: nicht nur ein gi'osser Heiligenname,
sondern die Erinnerung an einen tüchtigen Mann sollte der Salz-
burger Kirche gewahrt bleiben. Die Anlage des Verbrüderungs-
1) Vgl. Bd. I S. 525, 552 ff.
2) Convers. Bagoar. 2 (M.G. Scr. XI S. 6|. Strakosch-Grossmann, Gesch.
d. Deutschen in Ö. I S. 399 behauptet, das Jahr 747 sei das Jahr der
Bischofsweihe Y.'s und die Angabe der Conversio sei ein alter Schreibfehler.
Mit Unrecht. Denn Bonif. ep. 80 S. 360 beweist, dass V. i. J. 748 noch
nicht konsekriert war; er heisst noch Presbyter. Die Notizen der Brev.
notit. Vin, 5 und XIII reden denn auch nur von der Leitung des Bistums
durch ihn seit dem letzten Jahr Odilos. Seine Grabschrift, Poet. lat. II
S. 639, s. u. S. 418 Anm. 5, spricht von beinahe vierzigjähriger Amtsfühi-ung.
Mit Recht, da er 784 gestorben ist, s. u. S. 419 Anm. 4. Wenn die kel-
tischen Annalen ihn im 30. Jahre seiner Bischofswürde sterben lassen. N.A.
XVn S. 211, so kann dies gegenüber der Angabe in der Salzburger Denk-
schrift nicht in Betracht kommen.
3) Ann. luvav. mai. S. 87; min. S. 88. Nach den Zusätzen zur con-
vers. Bagoar. c. 5 S. 8 begann Virgil den Bau im Jahre 767 und fand die
Weihe im Jahre 773 statt. Dabei werden zwei Kapellane Ruperts, Kuniald
und Gisilar genannt. Alkuins Inschrift für die Kirche Poet. lat. I S. 340
Nr. 109, 24.
4) Büdinger (Oesterr. Gesch. I S. 101) hat diese Ansicht ausgesprochen,
wogegen Wattenbach (GQ. I S. 116 5. A.) sich ablehnend verhält. Der Bd. I
S. 358 Anm. 2 gelieferte Nachweis, dass die Gesta s. Hrodberti älter sind
als die breves notitiae Salisb., verleiht jedoch der Annahme Büdingers die
höchste Wahrscheinlichkeit.
H au ck, Kirchengeschichte. 11. 2. Aufl. ^'
— 418 —
])uchs von 8t. Poter lässt nacli piner anderen Seite einen Blick in
die Gedankenwelt tlnin. in welcher \'irgil lebte. Es ist 784, in
seinem letzten Lebensjahr hergestellt, und entiiält ein Verzeichnis
aller derjenigen, welche Wert darauf legten, in geistiger Gemein-
schaft mit dem Petei-skloster zu stehen; die fünf bairischen Bis-
tümer, sechzehn bairische und die zwei fränkischen Klöster St.
Denis und Ellwangen gehörten dieser Vereinigung an. Indem
man auch die Xamen der Patriarchen und Projjheten. Apostel.
Märtyrer und anderer Heiligen autuahm, erhielt nuui eine Art Ab-
l>ild der grossen, das Jenseits und Diesseits zusammenschliessenden
Gemeinde der Heiligen,') deren Glied das Kloster sein wollte.
Das alles zeigt den idealen Zug im Wesen Virgils. Im i)raktischen
Tjeben bewies er sich als ein energischer Mann, der von dem. was
er als sein Recht erkannte, nicht um eine Hand breit zurückwich.
Er beugte sich weder der Autoiität des Bonifa tius. noch der Ge-
walt seines Fürsten: wie er jenem widerstand, als er seine Ent-
scheidung für inig hielt,-) so opponierte er diesem, als er das
Salzbnrger Stift durch ihn geschädigt glaubte."*) Auch war er nicht
Mönch genug, um in der Gründung eines Klosters unter jeder Be-
dingung etwas Gutes zu sehen: als der Graf Günther die Zelle
Otting stiftete, konnte er A'irgils Zustimmung nur unter der Be-
dingung erlangen, dass er das Kloster an die Salzburger Kirche
überliess: auch Virgil handelte nach dem Grundsatze, dass die
bischöflichen Kechte über die Klöster unangetastet l)leiben müssten.'')
Er selbst hat kein Kloster gegründet, dagegen baute er in seiner
Diözese eine Menge Kirchen.'') Seine Thätigkeit beschränkte sich
nicht auf die Verwaltung seines Bistums: er hat die Missionsthätig-
1 ; Vergleiche Karajan in der Einleitung zu seiner Ausgabe des Ver-
brüderungsbuchs S. VIII, Herzberg-Fränkel, N.A. XII S. 62 ff., Mitth. des
Inst. XIV S. 129 ff. und Ebner, Gebetsverbrüderungen S. 39, 101 ff.
2) S. Bd. I S. 5.53.
3) Streit über die Maxiinilianszelie im Pongau, Indio. Arn. 8, 6 f. S. 26;
Hrev. notit. 8 S. 33.
4) Brev. notit. 13 S. 37. Die Weihe der Kirche fand im .Jahre 767
zu Ehren des Stephanns statt: der Salzburger Bischof sollte das Recht haben
regendi ipsam familiam. abbatemque ibi ordinino et monachos de ipsa sede
ibidem ponere sive canonicoa. Otting liegt bei Waging.
.5) Grabschrift Virgils (Poet. lat. II S. 639) v. 4 ff.:
Quique regebat ovans praesentis culmina sedis
Fermo qnaterdenos caris cum fratribus annos,
A quiVms ille et amatus erat, pie fjuog et amavit.
Interim et erexit pulchro molimine multa
Templa, loco quaedam nunc quae ceiiiuntur in isto.
— 419 —
keit unter den slawischen Stämmen im Gebirge begonnen.^) In
seiner Diözese und über deren Grenzen hinaus stand er in hoher
Achtung; man sprach von ihm als von einem frommen und be-
rühmten Mann.-) Pohtisch ist er nicht hervorgetreten. Aber die
Annahme, dass er ein Gegner der fränkischen Pohtik gewesen sei,
ist ebenso unwahrscheinlich wie die andere, dass er dem kirchlichen
Einfluss Roms entgegen gearbeitet habe.'')
Als er im Jahre 784 starb. ^) scheint die Leitung für kurze
Zeit waeder an den Abt von St. Peter gekommen zu sein.'*) Doch
schon im Jahre darnach erhielt Salzburg wieder einen eigenen
Bischof: am 11. Juni 785 wurde Arn zum Nachfolger Virgils ge-
weiht.^')
Man sieht in Arn ein Landeskind. Im Jahre 758 gmndete
ein ge^^^sser Haholt, der im Isengau begütert war, ^uf den Rat
des Bischofs Joseph von Freising eine Kirche auf seinem Erbgut
zu Bittlbach. Es war eine Yotivkirche. Haholt war tödlich ver-
w'undet und hoffte durch dies gute Werk Heilung zu erkaufen.
Indem er die Stiftung an JPi'eising übergab, weihte er seinen Sohn
Arn dem geisthchen Stande. In dem Knaben, der aus einem so
tragischen Gninde zum Kleriker bestimmt wm'de, tindet man den
späteren Erzbischof. Aber diese Annahme lässt sich nicht aufrecht
1) Convers. Bagoar. 5 S. 7. Wir hören dabei von einem Bischöfe
Namens Modestus, den er nach Kärnten sandte.
2) Arn bezeichnet sich in einem nach Italien gerichteten Zettel als
successor religiosissimi et famosissimi Virgilii (M.G. Ep. IV S. 498 Nr. .3).
3) Beide Annahmen sind gewöhnlich; vgl. z. B. Abel, JB. I S. 218.
Der ersten widerspricht die Thatsache, dass er durch Pippin nach Baiern
"kam, s. Bd. I S. 553, und dass er das Andenken des fränkischen Bischofs
in Salzburg erneuerte, der andern seine an Zacharias gerichtete Beschwerde,
Bonif. ep. 68 S. 886. Übrigens schliessen sich beide Vermutungen aus.
Denn Tassilo war ebenso devot gegen die Kurie (vgl. die Taufe seines Sohnes
durch den Papst, Ann. Adm. z. 772 M.G. Scr. IX S. 572), wie feindselig
gegen Karl. War also Virgil eine Stütze Tassilos, dann war er sicher kein
Gegner Roms.
4) Ann. luvav. mai., Salisb. z. J. 784. Ann. Emmer. notieren den Tod
des Bischofs z. J. 785; die keltischen Annalen zu 789, s. N.A. XVII S. 211.
Die Angabe hat kein Gewicht. Denn da die Annalen der vier Meister 784
haben, so ist auf den ersten Blick klar, woher der Fehler kommt. Es i.st
eine deutsche Nachricht am unrechten Ort eingetragen.
5) Daraus wird sich erklären, dass Abt Beretrich in die Salzburger
Bischofslisten kam (M.G. Scr. XIII, 353j, ohne doch je Bischof von Salzburg
gewesen zu sein.
6) Ann. luvav. min.
27*
— 420 —
erhalten.*) Die Frcisiimer Diözese wird gleichwohl Anis Heimat
gewesen sein; mim kann es daraus schliessen, dass er am Krei-
singer Dom zum Kleriker erzogen Avurde.') Vielleicht gehörte sein
Geschlecht zu den zahlreichen wälschen Familien, die sich in
Baiem fanden. Denn sein Aussehen war nicht das eines Deut-
schen: seine Freunde nannten ihn wohl den schwarzen Arn.'') Im
.Jahre 7 (35 wai- er Diakon ,"') 77(i Priester. i Daini verliess er
F>aiern: seit 778 kommt s(Mn Name in den Freisingc-r Urkunden
nicht mehr vor. A\'ir hahen früher der Stiftung des Hischofs
Amandus in Ein», gedacht:") dort wurde er Mönch. Was mag
ihn bewogen haben. Baiem mit den Niederlanden zu vertauschen
und aus einem Weltgeistlichen ein Mönch zu werden? Man kann
kaum annehmen, dass er für den (Tcdanken der asketischen \'oll-
kommenheit begeistert war: denn dies Ideal hat sein späteres Leben
nicht beheri-scht. Wahrscheinhcher ist. dass er die theologische und
literarische l^)ildung. die dnii die Heimat nicht darbot, in der b'remde
suchte. Freihch ein Gelehrter oder Schriftsteller ist er auch nicht
geworden: die praktische Begabung überwog bei ihm weit die theo-
retische Neigung. Aber er war keine einseitige Natur. Alkuin
rühmt seinen offenen Sinn für Fragen der Wissenschaft: er habe
nicbt nur eine gi'osse Bibliothek besessen, sondern seine Bücher
auch gelesen;') man konnte ilmi mit einem neuen AVerk eine
Freude machen.'') Den Meinungen anderer gegenüber bewahrte er
1) Urkunde Haholta bei Meichelbeck (Hist. Fris. 1, 1 S. b><.). Diese
Venvertung der Urkunde bei Rettberg (KG. D.s II S. 238), ihm folgt Graf
Hundt (Münch. Abb. XII S. 187), dagegen hat v. Zeissberg (Wiener SB. 43
S. 305 f.) dargethan, das-s Rettbergs Hypothe.se unhaltbar ist. Nach der
Urkunde bei Meichelbeck (I, 2 S. 264 Nr. 502j lebte Haholts Sohn noch im
Jahre 826. Poatilinbach = Bittlbach bei Dorfen.
2) Da Am im .Jahre 776 Priester war, ist er spätestens im .Jahre 746
geboren.
3j Ale. ep. 1Ü4 .s. :j21; 239 S. 384.
4) Meirhelbeck, 1. c. I, 2 S. 32 Nr. 13. Weitere von Arn als Diakon
unterschriebene Urkunden sind Nr. 14 S. 33; 19-21 S. 36 f.: 27—29
S. 43 f.; 35—36 S. 49 f.; 42 S. 53; 48 S. 56; die letzte im 28. Jahre Tassi-
l08 = 775.
5) Meichelbeck. 1. c. Nr. 52 .S. ."^s aus dem 29. .fahre Ta.ssilo.'", 54 S. 59
aus dem 30. Jahre des Herzogs. Auffällig ist, dass in Nr. 57 S. 00 aus
dem Jahre 778 Arn wieder zu den Diakonen gerechnet ist: Rettberg nimmt
einen Schreibfehler an. Die angeführte Urkunde ist zugleich dio letzte,
in der Arn« Name vorkommt.
6) Bd. T 8. 314.
7) Ep. 113 S. 166.
8) Ale. carm. 76. 3 S. 298.
— 421 —
sicli die Freiheit des Uiieils: nicht alles, was eine Autorität wie
Augustin aussprach, nahm er gläubig hin. Er verhehlte es nicht,
wenn ihm ein Satz nicht einleuchtete: dann liess er sich wohl von
Alkuiu belehren.^) l'ber dogmatische Fragen, wie den Unterschied
der Begrifte substantia, essentia und subsistentia,-) und über gottes-
dienstliche Einrichtungen, wie den Gebrauch der Busspsalmen,")
hat er noch als Erzbischof Unterweisung verlangt.
Sein organisatorisches Talent muss sich in Elno rasch bemerk-
Hch gemacht haben; er war kaum einige Jahre Mönch, so Avurde
er an die Spitze des Klosters gestellt.*)
Für sein weiteres Leben war der Aufenthalt in dem fi-änkischen
Kloster besonders deshalb von Wichtigkeit, weil er dort in Be-
ziehungen zu dem Gelehrtenhofe Karls trat. Seit 781 befand sich
Alkuin in der Umgebung des Königs. Mit keinem anderen Deut-
schen ist er so eng beti-eundet worden als mit Am. Die Briefe,
welche er an ihn richtete, sind Denkmäler der gegenseitigen Achtung
und des rückhaltslosen Vertrauens, wovon die so verschieden ge-
arteten Männer gegen einander erfüllt waren.
Nicht minder musste sich Arn zu xlngilbert hingezogen fühlen :
beide waren in mancher Hinsicht verwandte Naturen. Auch von
den Briefen Angilberts an Arn sind ein paar auf uns gekommen.-^)
Man bemerkt, dass es ihm mehr Mühe machte als Alkuin, sich
in den herkömmlichen gewichtigen Phrasen zu bewegen: er hand-
habte sie ungeschickter und eilte überall zu kurzen sachlichen
Mitteilungen fort, die für seineu Fremid AVert hatten. Es sind
Briefe eines in den praktischen Verhältnissen lebenden Mannes.
AVie den Gelehrten, so trat Am auch dem König nahe. Karl
hat Vertrauen in ihn gesetzt. Arns Ernennung für- Salzburcr ginor
direkt oder indii-ekt von ihm aus.'^)
1) Ale. ep. 268 S. 427: Hoc vcro, quod vos legisse dicitis dictum in
opusculis s. Augustini, quod Deus nee necessitate nee voluntate filium
genuisset, sed natura, bene arbitraraur dictum.
2) L. c. S. 426.
3) L. c. 243 S. 389.
4) Aan. Elnon. mai. z. J. 782 (M.G. Ser. V S. 11). Der Tag (26. Mai)
ist in einer Notiz des Cod. Vindob. 387 angegeben (s. v. Zeissberg, Wiener
SB. XLIII S. 809 Anm. 1). Gislebert starb am 23. Mai (Ann. S. Amandi
z. J. 782). Mau eilte mit Arns Erwählung offenbar so sehr, um seine
"Weihe am Pfingstfest vornehmen zu können. Es fiel im Jahre 782 auf den
26. Mai.
5) Ep. Carol. 13—15 S. 365 ff. = Ale. ep. 147, 151, 152 S. 236 ff.
6) Indic. Arnon. S. 15: übi preest uenerabilis uir per diuinam miseri-
cordiam et mercedem domni nostri Caroli excellentissimi regis Arn epi-
_ 422
Als Bischof btnvährte er sich in jeder Hinsicht. Die wissen-
schafthche Anregung, welche Karl der fränkischen Kirche geboten
hatte, wurde durch ihn nach Baiern übertragen. Gelehrt und ge-
lernt hat man dort allerdings schon früher; schon Rupert hatte
sein Kloster zugleich als Unterrichtsanstalt eingerichtet.') Der Kuf
der Gelehi-samkeit Yirgils lässt darauf schliessen, dass auch er als
Lelu-er Erfolge erzielte.-) Doch erst unter Arn wurde die Wisseu-
schatt in Salzburg heimisch. Er ist der Gründer der Salzburger
Bibhothek; den Grundstock wird er aus Elno mitgel)racht haben ;^)
die meisten Abschriften aber wurden in Salzburg seli)st angefertigt:
man hat ihn noch im 12. Jahrhundert deshalb gerühmt, dass er
mehr als löO Bände habe schreiben lassen.^) Er dachte dabei
nicht nur an Vervielfältigung älterer Werke: auch dann zeigt sich
die Fi-eiheit seines Urteils, dass er die Schnften der Zeitgenossen
zu schätzen wusste: ihm verdanken wir die Erhaltung eines grossen
Teils der Bnete Alkuins.'') Es harmoniert hiemit, dass er im An-
schluss an ältere Aufzeichnungen, die er wahrscheinlich Alkuiii
verdankte, in Salzburg Annalen abfassen liess:") die Ereignisse
der Gegenwart sollten unvergessen bleiben wie die der Vergangen-
lieit. Wenn er Alkuin bestimmte, seinen Schüler Wito als Lehrer
nach Salzburg zu senden, so sieht man. welchen Wert er darauf
legte, dass in seiner Schule im Geist Alkuins gelehrt werde. Und
doch unterschied er sich in einem Punkte von seinem gelehrten
Freund: er wusste das Nationale besser zu schätzen als dieser.
In Salzbuig lehrte man auch die Theologie in deutscher Sprache.
Alkuin musste Wito seinen Schüler Aedill)ert zur Seite stellen, der
des Deutschen mächtig war: er sollte ihm als Dolmetscher dienen.')
pcopus. V. Zeissberg (S. 311) denkt anTa.ssilo; über es ist ilocb so unwabr-
scheinlicb als möglich, dass er freiwillig den Abt eines fränkischen Klosters
gewühlt haben sollte.
1) Indic. Arn. ><, 4 S. 25: (Tonazaniis et Ureus) nepotes eorum com-
mendauerunt ad discendnm et ad ton<lenduni ad Salzburch monasterium.
Vgl. brev. not. 8. 11 S. 30: Ad discendas litteras et ofHcium Dei. Die
Namen der Jünglinge Wemhar und Dukissinius. Der letztere ist vielleicht
der im Verbriidcrungsbuch unter den Ciestorbenen genannte Priester und
Mönch dieses Namens (50, 2 S. 11).
2) Grabschrift v. 1: Doctn.'* sacordos, Poet. lat. 11 S. 639.
3) Foltz (GeHch. der Salzb. Bibliotheken S 7) vermutet das von dem
Evangeliarium . welches der Angelsachse Cutberht schrioli. jetzt Cod.
Vindob. 1224.
4) Salzb. Nekrolog. Archiv f. Kunde österr. GQ. XXV 111 .S. lö.
5) Sickel, Wiener SB. 79 S. 48ß.
6) Ann. juvav. mai. S. Wattenbach, GQ. I S. 149.
7) Ale. ep. 156 S. 253 f.
— 42:5 —
Die Schule war besonders deshalb notwendig, weil die Zahl
der Kirchen sich rasch vermelu-te. Man darf wohl annehmen, dass
(he Yei-teilung des Landes in Pt'arrsprengel unter Arn zu einem
gewissen Abschluss kam. Wie gross ihre Zahl war, ^nssen wir
nicht; aber im Verhältnis zur Bevölkerungszitt'er war sie schwerhch
geringer als gegenwärtig, gab es doch in den vier Gauen Salzburg-
gau, Chiemgau, Isengau und Innthal siebenundsechzig dii'ekt vom
Bistum abhängige Kirchen.^) Eine Vermehi'ung war deshalb kaum
mehr ein Bedüi-ftiis.
Auch die Besitzverhältnisse des Bistums liess Arn nicht ausser
Acht. Alsbald nach der Absetzung Tassilos liess er ein Yerzeich-
nis derjenigen Güter zusammenstellen, w-elche aus dem herzoglichen
Eigentum an die Salzburger Kirche gekommen w^aren.-) Es wird
Karl vorgelegt worden sein, der nicht lange darnach den gesamten
1) Indic. Arn. 6, 26 fi'. S. 21 flF. Im Salzburggau: Seekirchen (Ad See),
Eigendorf an der Fischach (lubindorf), Anthering, Beuern (ad Buriom),
St. Georgen bei Laufen, Eching (ad Achingas), Figaun (ad Fuginas), Gredig
(Crethica), Anif (ad Anna), Lifering, Wals (Uualahuouis), Marzoll (ad Mar-
ciolas), Reichenhall (ad Saunas quod dicitur Hai), Tengling, Kirchheim bei
Titmaning, Palling (ad Baldilingas), Schilding (Schildarius), Brünning, Tyr-
aching (Deorlekinga), Oberbuch (Pohkirch). Im Chiemgau: Kirchweidach
(Uuidaha), Tacherting, Erlstatt (Erlastedi). Im Innthal (pagus Inter valles):
Ratfeld, Brixlegg (Prissiech), Kundl (ad Quantalas). Brixen bei Kitzbüchel,
Pirchnawanch (? Kirchdorf, Kirchbüchl), Kufstein (Caofstein), Ebbs zwei
Kirchen (ad Episas), ad Oriano monte (?), Nussdorf, Ressholzen (Hrossulza),
Beuern (ad Burones), Rohrdorf, Lauterbach (Lutrinpach), Höhenmoos (Huin-
mos), Riedering (ad Hrodheringas), Sims (Sinsa). Im Isengau: Flossing,
Zeilarn (Zidlar), Obertürken (Turtin), Ober- und Untertiefstätt (Diupstadum),
4 Kirchen an der Rott, Buchbach (Pohpah), Lohkirchen, Weilkirchen (Wila),
Holzen (zwei Ortschaften dieses Namens jede mit einer Kirche), Oberberg-
kirchen (Perk), Pohkirc (?j, Stephanskirchen, Isen, St. Johann, Buchbach,
Loinbruck (Liubin), Ober-, Unter-, Frauen-Oniau (Aharnouua), Pozchurdorf (?j,
Reichersham (Richerihusir), Oberdietfurt (ad Rota, ubi Boninaha in ipsa
Rota ingreditur). Arn nennt hier nur die Kirchen, welche dem Bistume
gehörten. Die Zahl der Kirchen in Privatbesitz war schwerlich geringer,
vermutlich grösser; doch lassen sich aus naheliegenden Gründen nur wenige
Kirchen namhaft machen: Thalgau, ind. 7, 4 S. 24; Torleheim ('.•') br, not.
5, 3 S 32; Adnet, 9, 4 S. 36; Lauterbach (Louftinbach) bei Laufen, 13, 12,
S. 38; Mögling (Megilingen), 18, 8 S. 47: Haselach, 23, 3 S. 48. — Die Er-
klärungen der Namen nach Keinz.
2) Indic. Arn 8, 8 S. 26 : Notitiam istam ego Arn una cum consensu et
licentia domni Karoli piissimi regis eodem anno, quo ipse Baioariam regi-
onem ad opus suum recepit, a uiris ualde senibus et ueracibus diligentissime
exquisiui, a monachis et laicis, et conscribere ad memoriam feci-
— 424 —
"Besitzstand des Bistums bestätigte.^) Etwas jünger ist ein zweites,
allgemeineres Güterverzeichnis, das durch mancherlei histoiische
Notizen aus der Ui-sprungszeit Salzburgs besonderen Wert für uns
erhält.-) Beweisen diese Urkunden, dass seit den Tagen Rujiei-ts
der Besitz der von ihm gegründeten Kirche rasch eine ansehnliche
Höhe erreicht hatte, so bleibt doch Arn von dem Tadel tr(M. dass
er die Gunst der Herrscher dazu missbrauchte, den Keichtum seiner
Kirche zum Schaden des Landes' zu vermehren. Er scheint mehr
darauf bedacht gewesen zu sein, den Besitz durch Umtausch ent-
legener Parzellen gegen günstiger gelegene abzurunden.'') Endlich
gewährt sein Güterverzeichnis eine Vorstellung von der durchschnitt-
lichen Ausstattung der Pfarrkirchen in Baiern. Unter den sieben-
undsechszig Kirchen, die er nennt, waren nur drei, denen eigener
(ilrundbesitz fehlte, dagegen besassen dreizehn einen Hof, elf zwei,
vierzehn drei, zwei vier und fünf, drei sechs Höfe:') das durch-
schnittliche Mass des Besitzes war demnach vermutlich etwas grösser
als im übrigen Reiche.
Nicht unerwähnt darf bleiben, dass Arn in der PHege der
Kunst dem N'orbilde Karls nacheiferte. Seine Bauten in St. Amaud
wie in Salzburg dienten nicht in erster Linie dem Bedih-fniss: sie
waren hervorgerufen durch die Freude am Schönen. '''') Dort ge-
staltete er die enge Krypta zu einem geräumigen Oratorium, wie
es scheint, zu einer dreischiffigen Kapelle.") Es ist eines der ersten
Beispiele derartiger Umbauten.') Für den Leichnam des Amandus
liess er einen neuen Sarkojjliag herstellen;**) auch der Haupteingang
1) Urkunde Karls vom Dezember 790 (B.M. 301). Über das .lulir s.
Mnhlbacber S. 116.
2) Keinz S. 27: Hie continentur breves notitiae de constructione eccle-
siae sive sedia opiscopatus in loco, qui dicitur luvavo.
3) Vpl. V. Zeissber? a. a. 0. S. 378.
4) Indif.. i;, 26—28 s. o. S. 423 Anm. 1. Bei den übri^on Kirchen ist
der Besitz nur allgemein angedeutet: cum territorio.
5) Wir wissen von den Bauten Arns nur durch die zumeist von Alkuin
verfa.ssten Inschriften.
6) Die Kirche war von Arns Vor<:iinfrer, Bischof (iislebert, gebaut
Ale. carm. 88, 1 S. 305). Cber den Kryptenbau m, 4 S. 306 v. 4 ff.:
Tu.Mserat in melius renovari haec oninia praesul,
Latior ut fieret cripta et subliraior ista,
Supponens tectis firmatos tor quater arcus,
Mysticus ut totani firniiiret caloulus aulam.
7i Kin zweites lernt man au.n der Urkunde Ludwigs d. Fr. für Hilduin
von St. Denis vom 20. Januar 838 Bouq. VI, .588 kennen.
8) Air. oarra. 88, 14 S. 308.
— 425 —
der Kirche wurde erneuert:^) beides Belege dafür, dass er die
Werke der Bildhauerkunst zu schätzen wusste. Dass er die Malerei
nicht vernachlässigte, zeigen Alkuins Verse für die Peterskirche in
Salzburg: denn liei den Bildern der Apostel, für welche zwölf
Disticha bestimmt waren,-) liegt es näher, an Wandgemälde als an
plastische Werke zu denken.
Erinnert man sich endlich, dass Arn mannigfach politisch
thätig wai", sowohl im Dienste Tassilos^) als in Aufträgen Karls,
dass ihn der letztere mehrfach als Königsbote benützte,'') dass er
seit dem Jahre 798 als Erzbischof an der Spitze der bairisclieu
Kirche stand') und dass er die Mission in den Alpenländern
energisch und erfolgreich betrieb,*^) so hat man das Bild einer so
reichen Thätigkeit. wie sie kaum ein zweiter der deutschen Bischöfe
unter Karl übte.
Unter den übrigen bairischen Bischöfen dieser Zeit war Aribo
von Freising, Erimberts zweiter Nachfolger,') der hervorragendste,
1) L. c. 7 S. 306. Arn ist hier nicht als der Erbauer genannt; doch
hat man wohl hier, wie bei den Altären (c. 6 und 8—13), an ihn zu denken.
2) In den Salzburger Inschriften (Ale. carm. 109 S. 335 ff.) kommt
Arns Name nur einmal vor. Er ist der Erneuerer des Cömeteriums (15
S. 338), dabei wird ähnlich wie bei der Krypta in St. Amand hervor-
gehoben, dass er an dem unschönen Zustand des Bauwerks, den er traf,
Anstoss nahm. Seine Freundschaft mit Alkuin berechtigt jedoch , an-
zunehmen, dass auch die übrigen Inschriften für Werke Arns bestimmt
waren. Sie sollten zumeist an Altären angebracht werden. Bei den zwölf
Distichen (c. o S. 335) liegt eine ähnliche Annahme fern; wahrscheinlicher
ist die im Text gegebene. Dass Arn auch zur Verschönerung der Kirche
Ruperts thätig war, ergiebt sich aus carm. Salisb. 14 (Poet. lat. II S. 647j.
3) Ann. Lauriss., Einh. z. J. 787.
4) S. die undatierten Urkunden Meichelb. I, 2 S. 96 Nr. 129 und M. B.
XXVIII, 1 S. 23 Nr. 25, die Urkunde vom 15. Februar 802 M. B. 1. c. S. 66
Nr. 83, die Urkunde vom 4. August 802, Font. rer. Austr. II, 31 S. 8 ff.
Nr. 7 und 8, u. a.; vgl. v. Zeissberg a. a. 0. S. 336 fl\
5) S. 0. S. 207 f.
6j Darüber unten.
7) Auf Erimbert (s. Bd. I S. 491) folgte Bischof Joseph (s. vers. de
ord. compr. pont., M.G. Scr. XIII S. 352). Ihm schreibt der Altaicher
Bischofskatalog die Gründung des Klosters Isen zu (1. c. S. 358). Urkunden
aus der Amtszeit Josephs bei Meichelbeck, Hist. Fris. I, 1 S. 48 ff. und 1,
2 S. 26 ff. Nr. 4 — 12, aus dem letzten Jahre Odilos bis 16. Jahr Tassilos,
d. h. 748 — 763. Als Todestag geben die Bischofsverzeichnisse und das von
Dümmler mitgeteilte Freisinger Totenbuch (Forsch. XV, 162}, den 17. Januar
an. Da J. am 29. Juni 763 die Kirche zu Scharnitz einweihte (Meichel-
beck I, 2 S. 31 f. Nr. 12), so starb er also 764. Im Salzburger Verbrüde-
— 42(5 —
der erste Tiroler, der sich in der Gescliiclite einen Namen geniucht
liat.') JNIan weiss, wie eitrig er Avar. den Keliquienbesitz seiner Diözese
/u vermehren.-) Bekannter noch ist er als Biograph der l)airischen
Heiligen Eniinerain nnd Kurbinian.'^) Bewies er in diesen Schriften,
dass er als patiiotischer Baier empfand/) so hinderte ihn das nicht,
im Zwiespalt zwischen König nnd Herzog sich auf des ersteren
Seite zu stellen. Tassilo beklagte sich, der Bischof habe für Karl
und die Franken mehr Treue als für ihn.'') Es ist wahrscheinlich,
dass er ihm deshalb die Leitung des Bistums abnahm.") Allein
rungsbuch sind 70, 5, 11, 17 S. 16 und 35, 25 S. 7 die vier Freisinger
Bischöfe Erimbert, Joseph, Arpeo und Atto genannt.
1) V. Gorb. 34 S. 269 liest man die Erzählung von der Lebensgefahr
eines Knaben in der Passer, die man auf ihn bezieht; daraus ergiebt sich
seine Herkunft aus Südtirol. Man findet seinen Namen als den eines
Zeusen unter der Urkunde Meichelbeck I, 1 S. 48 aus dem Jahre 748 ohne
weiteren Titel. In Urkunden aus dem 6. und 8. Jahre Tassilos, also 753 und
755, heisst er Archipresbvter (1. c. S. 52 f.), er muss also vor 723 geboren
sein. Später wurde ihm die Leitung des Klosters Scharnitz übertragen: s.
die Urkunde bei Meichelbeck I, 2 S. 31 aus dem 16. Jahre Tassilos (763).
2) Von Rom kamen die Reliquien des heiligen Tertulinus nach Schie-
dorf; Urkunde bei Meichelbeck 1, 1 S. 75: Ubi s. Tertulinus requiescit in
corpore, quem a sede Apostolica Reginpertus monachus (der Gründer de.s
Klosters Scharnitz, das auf Aribos Rat nach Schlcdorf verlogt wurde) con-
ccdente Adriano papa ad partibus Boioariae me adiuvanto perduxit. All-
gemein bekannt ist die Übertragung der Reliquien Korbinians von Mais
nach Freiaing (V. Corb. 35 ff. S. 270f.). Die Zeit bestimmt sich nach der
Urkunde bei Meichelbeck 1, 2 S. 41 f. Nr. 24: sie ist aus dem 22. Jahre
Ta.98ilos, also 769, 24. Februar. An diesem Tage war die Übertragung Ite-
reits vollzogen: sepulchrura s. Corbiniani . . in loco Frigisingas. ubi ipse
pretiosus in corpore humatus esse cernitur.
3) S. Bd. I S. 363 f. und 366. Die V. Corb. ist auf Anlass Virgils ge-
schrieben und ihm gewidmet.
4) S. die Schilderungen V. Euimor. 6; vgl. Bd. 1 S. 360.
5) Dass Aribo zur fränkischen Partei gehörte, ergiebt sich aus einer
Urkunde Attos (Münchener Abb. .\ll. 1 S. 219 Nr. 13). Hier heisst es:
Quod Tassilo dux atque Liutpirga uxor cius non solura istas ecclesias sod
et multas alias de eodem epiHcopatu iniuste abstulerunt propter invidiam,
quam habebant super Arbonem ep. dicentcs eum fidelioreni esse domno
Karolo regi et Francis quam vlli.s.
6) Aribo starb 4. Mai 784 (Ann. S. Emmer. z. d. J. und Kreisinger
Totenbuch, Forschungen XV S. 163). Dagegen ergiebt die Urkunde bei
Meichelbeck I, 1 S. 85 aus dem Jahre 782, dass Atto in diesem Jahre als
Abt das Bistum verwaltete. Dadurch wird die Annahme, das.s Aribo auf
die Leitung des Bistums verzichten musste, nahe gelegt; s, (.Traf Hundt,
Münchencr .\bh. Xll, 1 S. 186.
— 427 —
auch sein Nachfolger Atto^) hielt sich zur fränkischen Partei.
Auch er hatte deshalb die Abneigung des Herzogs zu empfinden."-)
Dieselbe politische Haltung können wir bei den Passauer ■^) und
Regensburger Bischöfen vermuten. Sidonius von Passau ist als
Genosse Virgils von Salzburg bekannt;*) die Annahme liegt nahe,
dass er wie dieser durch Pippin nach Baiern gekommen ist. Bei
der Einweihung der Klosterkirche von Lorsch erscheint Walderich
von Passau in der Umgebung Karls. •^) Es ist das erste Mal, dass
1) Der Name Attos begegnet ohne Angabe einer Würde in einer Ur-
kunde aus dem 8. Jahr Odilos, also 744 (Meichelbeck I, 1 S. 44 f.). Sie
gehört noch in die Zeit Erimberts. Als Priester schreibt er die Urkunde
Josephs von 750 (Meichelbeck I, 1 S. 49). Nachdem Aribo das Bistum er-
halten hatte, übertrug er Atto die Leitung des Klosters Schiedorf (s. die
Urkunde Aribos bei Meichelbeck I, 1 S. 75). Seine Weihe verlegen die
Ann. Emmer. mai. in das Jahr 784. In zwei Schreiben Leos IIL aus den
Jahren 798 und 800 ist er genannt (J.W. 2495 und 2503). Er starb am
27. September 811 (Forsch. XV S. 164).
2) Vgl. Meichelbeck, der I, 1 S. 96 daran erinnert, das unter Tassilo
das Bistum zu Gunsten der Klöster geschädigt wurde.
3) Was die Passauer Bischöfe dieser Zeit anlangt, so nennen die Verse
de ord. compr. pontif. als Nachfolger des Bd. I S. 363, 367, 488, 490 ge-
nannten Vivilo: Beatus, Sidonius, Anthelm, Wisurich, Waldrich (M.6. Scr.
XIII S. 352). In den Katalogen fehlen Beatus und Sidonius (1. c. S. 362).
L'rkundlich sind Beatus und Anthelm nicht nachzuweisen; beide jedoch im
Salzburger Verbrüderungsbuch, wie auch Sidonius und Wisurich 70, 6, 10,
11, 15 S. 16. Dagegen findet sich Sidonius in einer Urkunde aus dem
7. Jahre Tassilos, also 754, als Bischof genannt (M. B. 28, 1 S. 14 Nr. 15).
Wisurich untei-sch reibt als Zeuge eine wahrscheinlich unrichtig um das
80. Jahr Tassilos datierte Pa^sauer Urkunde (M. B. 28, 1 S. 20 Nr. 22) und
eine Freisinger Urkunde aus dem 23. Jahre Tassilos (770; Meichelbeck I,
1 S. 69); er war Teilnehmer an der Synode von Dingolfing (1. c. S. 70). Er
starb vor dem 14. August 774, da an der Einweihung der Kirche zu Lorsch
bereits Walderich teilnahm (Cod. Lauresh. I S. 18).
4) Bonif. ep. 68 S. 386 u. 80 S. 360.
5) Über die Einweihung Ann. Lauriss. min. z. J. 774 Berl. SB. 1882
I S. 413 und Chron. Lauresh. Scr. XXI S. 848 mit dem verschriebenen
Jahr 777. Walderich gründete als Priester 762 das Kloster Scheftlarn
(M. B. VIII S. 368); von den Passauer L'rkunden fällt eine verhältnismässig
grosse Anzahl in seine Zeit (M. B. XXVIII, 1 Nr. 1 S. 8; 9 S. 9; 10 S. 10:
14 S. 18; 18 S. 17 u. ö.). Kurz vor 804 nahm er an einer Zusammenkunft
in St. Emmeram Anteil (Meichelbeck I, 2 S. 92 f. Nr. 121). Das letzte
sichere Datum seines Lebens ist, wenn die Veränderung der Datierung der
Urkunde M. B. XXVIII, 1 Nr. 86 S. 68 richtig ist, der 27. Oktober 803.
Sein Nachfolger Urolf kommt in der wieder mangelhaft datierten Urkunde
82 S. 29 f. vor; nach der Indiktion gehört sie zum 7. April 806.
— 42S —
or envähnt wird; man wird aimelinicn müssen, dass er gemäss
dem bairisclien Gesetz ^ daintüs von dem König das Bistum ci--
lialtcn hat. Vou Sigiricli von Regensburg-) wissen wir. dass er
am Hofe des Königs konsekriert worden ist,^) während sein Vor-
gäuger Gaubald einstmals Oihlo in den Kampf gegen die Franken
begleitet hatte. •*) Sein Nachfolger Sindpert '') bemühte sich um die
Erhaltung des Friedens zwischen Tassilo und dem König; durch
ihn hat der Herzog die Geiseln dem König überge])en, die seinen
Eidbruch dann doch nicht verhinderten.") Karl hat es dem Bischof
nicht verübelt; er bat ihm später das Amt eines Königsboten ü})er-
tragen.'^ Wie Arn, so war Sindpert ein kunstverständiger Mann;
man hat noch lange den Neubau von St. Emmeram gerühmt, den
er unternahm.^) Sindperts Nachfolger Adalwin") und der Sebeuer
Bischof Alim*") hatten ebenfalls Beziehungen zum Mnkischen Reiche;
sie gehörten dem Freundeskreis Alkuins an.
1) Tit. I. 10 S. 273: Episcopus quem constituit rex.
2) De ord. comprov. pontif. I. c. S. 352 sind als Regensbuiger Hiscliöfe
nach Gaubald (Bd. 1 S. 490) genannt Sigivich, Sindpert, Adalwin, Baduricb.
KrchaniVed. Die Kataloge lassen Sigirich aus (S. 359). Das Salzburger
Verbrüderungsbuch hat Sigirich 70, 12 S. 16. Sindpert 35, 22 S. 7 und
Baidurich 14, 14 S. 3. Sigirichs Name kommt im Cod. trad. Niederalt.
M. H. XI S. 17 vor; ebenso im Salzburger Verbrüderungsbuch 70, 12 S. 16.
Kr starb den 29. Septembor 791 (Ann. Lauresh., Chron. Moiss. z. d. .1.
Ann. Maxim., M <;. S<r. XIII S. 22; Necr. Weltenb., Böhmer, Fontes IV
S. 571).
3) De ord. compr. pont. v. 4: Krat sacratus ad aulam.
4) J. J. 743, Ann. Mett. z. d. .1. S. 328.
5) Kr ist 756 geweiht, Ann. s. Emmer. min. z. d. .T.
6) Ann. Lauris.'?., Einh. z. 781 S. 58 f.
7) S. die Urk. M. B. XXVill, 1 Nr. 59 S. 4».
8) Arnold, do s. Emmpr. II, 24 M.C4. Scr. IV S. 565.
9) Er wurde 792 ordiniprt und starb den 4. Oktober 817 (Necr. Welt.
Ann. Emmor. min.). Über ihn Ale. ep. 264 S. 421: Vir valdn fidelis et in
sancta devotus relegiono.
10) Die Verse de ordin. compr. pontif. nennen als Sebener Bischöfe
Ingenuin. Mastulo, Johannes, Alim. Ingenuin ist durch Paul. Hist. liUng. III,
26 S. 132 und III, 31 S. 137, sowie durch die Unterschrift der Eingabe an
Kaiser Mauritius von 591 (Mnn.'^i X S. 466) als Bischof am Ende des
'). Jahrhunderts sichcrgfstellt. Daraus orgiobt sich, da.ss die Reihe lücken-
haft ist. Von feinen Nachfolgern wissen wir kaum etwas: Mastulo ist durch
• treg. M. ep. V, 47 S. 776 als ein Kleriker von Seben nachgewiesen: Kett-
bergs Zweifel, ob er in die Bischofsreihe gehöre, scheint mir deshalb un-
begründot; über Alim s. Ale. ep. 193 S. 321 und 208 8. 34H aus d. J. «00;
Poet. iat. aev. Carol. II S. 639. Er unterschreibt als Zeuge eine Urkunde
Tassilos von 769 (Meichelbeck 1, 2 S. 38 Nr. 22) und ist c. 770 Teilnehmer
__ 429 —
Man sieht, class der fränkische Einfluss auf die kirclihche»
Angelegenheiten Baierns schon sehr weit ging, während das Land
politisch noch einen Rest seiner Selbstständigkeit behauptete.
Die Zahl der Kirchen war in den bairischeu Bistümern nicht
geringer als in dem Erzbistum. In keiner anderen Gegend Deutsch-
lands lässt sich für diese Zeit ein so klares Bild von der Vertei-
lung der kirchhchen Institute gewinnen, als in dem Bistum Frei-
sing. Es gehörte zu den kleinen Bistümern. Sein Umfang Avar
nicht halb so gioss als der von Salzburg oder Würzburg. ^) Während
der Begierung Tassilos werden nun in diesem beschränkten Gebiete
nicht weniger als fünfundsechzig Kirchen erwähnt. Etwa die Hälfte
wurde unter Tassilo neu gebaut.-) Zeigen diese Zahlen den
der Synode von Dingolfing (1. c. I, 1 S. 70); vgl. endlich den Brief Leos IIL
von 798 (J.W. 2495). Im Verbrüderungsbuch von St. Peter ist er 35, 21
S. 7 als aljni eps et congreg. ipsius eingetragen. Alims Nachfolger Hein-
rich ist in der Freisinger ITrkunde (Meichelbeck Nr. 256, I, 2 S. 144) als
Teilnehmer einer Regensburger Synode und M.G. Leg. III S. 480 als Mit-
glied der Salzburger Synode von 807 genannt.
1) Zu Freising gehörten nur der Sundergau und Westergau, jedoch
mit Ausschluss eines Striches im Westen, der zu Neuburg gehörte, im Ganzen
ungefähr die Hälfte des gegenwärtigen Regierungsbezirks Oberbaiern.
2) Ich gebe ein Verzeichnis der erwähnten Kirchen; die Nummern
beziehen sich auf die Regesten des Grafen Hundt (Münch. Abh. XII, 1
S. 194—214), die jetzigen Namen zumeist nach K. Roth, Örtlichkeiten de.s
Bistums Freising (München 1856): 753 Tulpach (Toalpah), St. Johann und
Peter Nr. 10; 7.58 Bittlbach (Poatilinbach) Nr. 15; 759 Abens (Abunsnaj
Nr. 16; Buch (Poch) St. Peter Nr. 19; Pfeifenbach (Peipinbach) Nr. 21; 765-
Schwindach (Swindaha) Nr. 26; Bullach (Pohloh) Nr. 26; 767 Kronacker
(Chrakinachra) St. Valentin Nr. 29; 769 Germansberg (Germana) St. Maria
Nr. 86; 772 Altenhau.sen (Altunhusir) St. Valentin Nr. 51; Helfendorf (Hel-
phindorf) St. Emmeram Nr. 54; Wurm (? Wirma) St. Salvator Nr. 57; 775-
Schwindach St. Benedikt Nr. 76; 777 Dörndorf (Dornakindorf) St. Corbinian
Nr. 92; 778 Oratorium in Scheftlarn (Scaftilare; Meichelbeck I, 1 S. 78);.
Bullach Nr. 98; Biburg iPipurc) Nr. 98; Assling (Azzalinga) Nr. 99: Reut
(z'Riutte) Nr. 99; Haselbach (Hasalpah) Nr. 100; 799 Reichertshausen
(Richarteshusin) St. Corbinian Nr. 103: Arzbach (Aruzzapah) St. Maria
Nr. 104; Ingenmos (Inzinmos) Nr. 104; Rott (? Rota) Nr. 106; 782 Langen-
preising (Prising) Nr. 111; Adelshausen (Adalheimeshusir) Nr. 112; 784
Singenbach (Munnipah) St. Peter Nr. 115. Dazu kommen etliche von den
Bischöfen Joseph und Arpeo geweihte Kirchen, bei denen das Jahr der Er-
bauung nicht feststeht: St. Peter an der Wurm durch Bischof Joseph
(Meichelbeck Nr. 73 S. 69); durch Aribo: Germerswang (Kermareswanc; 1.
c. 76 S. 70); Berganger (Perahhanga; 1. c. 79 S. 72); Irminhartivilla (?; 1.
c. 82 S. 73). — Diejenigen Kirchen in Tassilos Zeit, deren Ursprung nicht
nachweislich ist, sind: Deining (Dihininga) Hundt Nr. 21; Ehapalding (?).
— 430 —
raschen Fortscliritt in der Hei-stellung der Ptarrsystenie. sc» ist
noch interessanter, dass die Freisinger Urkunden einen Einblick
darein eröftnen. von wem die zahlreichen Neugründungen unter-
nommen wurden. Denn hier ergiebt sich eine überraschend grosse
Beteiligung des Laienstandes. Von den dreissig Neubauten sind
zwanzig Stiftungen von Laien, während nur sechs von Priestern,
die übrigen von Geistlichen und Laien gemeinsam errichtet wurden.
Es geschah wohl, dass die Xachbarn zusammentraten, um eine
Kirche zu bauen und auszustatten.') Dabei waren nicht nur Freie
thätig, sondern ebenso auch abhängige Leute.-) Wie lebhalt und
allgemein muss die T 'berzeugung gewesen sein . dass man die
Nr. 21; St. Maria zu Rott Nr. 31; St. Michael zu Holzhausen (Holzhusir)
Nr. 37; St. Michael zu Pettenbach (Pettinpah Nr. 46; St. Christoph zu
Sindelhausen (Sindilinhusirj Nr. 56; St. Martin zu Pfetrach (Phetaraha)
Nr. 67; Rörmos (Roraga) Nr. 72; St. Corbinian zu Schleisheim (Sliwesheira)
Nr. 78; Waniluhuson (?) Nr. 90; St. Maria zu Reichertshofen (Rihcozhofa)
Nr. 102; Geisselbach (Kisalpah) Nr. 110; St. Benedikt zu Mainbach (Magan-
pahl Nr. 110; St. Stephan zu Aiterbach (Aittarpah) Nr. 110; St. Valentin
zu Hohenpercha (Perchach) Nr. 116; Altheim Nr. 129. Dazu aus den
mangelhaft datierten Urkunden (Hundt S. 214 iF.): St. Michael zu Perchach
Nr. 4; St. Michael und Andreas zu Buch ('? Poah) Nr. 5: St. Maria zu
Haining (Hagananga) Nr. 7; St. Stephan zu Auf hausen (Ufhusin) Nr. 8; aus
den noch nicht gedruckten Urkunden: (Hundt S. 216 ft'.): St. Peter und
Tertulin zu Fischen (Fiska) Nr. 6; St. Pankraz zu Steinhard Nr. 7; Tagl-
aching (Tagaleihinga) Nr. 9; endlich aus Meichelbeck : St. Martin zu Bieber-
bach (Piparbach); Milbertshofen (Muniperteshofen) Nr. 90 S. 127; Ilmina
(das spätere Ummünster); Haimhausen (Hemrainhusin; Fürholzen (Furihulci):
<Tiesenbach (Kissinpah) Nr. 2S S. 44; Rudelzhausen (V Hrodolvoshusir); Stein-
dorf Nr. 57 S. 60; Malching (Mahaleihi) Nr. 75 S. 70; Münsing (Munigi-
singun) Nr. 85 S. 74: Otting Nr. 86 S. 74; Tegernbach Nr. 86 S. 74. Selbst-
verständlich werden auch von diesen Kirchen manche erst unter Tassilo
ent.ntanden sein; bei Fischen z. B. ist das sehr wahrschoinlicb. Kbenso
wenig braucht erinnert zu werden, dass die genannten Kirchen nur einen
Teil der wirklich vorhandenen repräsentieren. Immerhin ermöglichen die
angegebenen Zahlen eine Vorstellung von der geistlichen Versorgung eines
Landstrichs, der gegenwärtig, da die Stadt München ausser Betracht bleiben
mu88, von ungeflihr 350,000 Mensi'hen bewohnt wird.
1) Vgl. z. B. Meichelbeck I, 2 S. 61 Nr. 59 von der am 18. September
778 gewüihten Kirche zu Assling: Lantperht presbyter tradidit ad episco-
patum 8. Mariae seu vicini eius fideles simul cum illo firmaverunt, ut ab
■eo die prior titulu» in pracnotata villa ad praedictum domum s. Mariae in
loco Frigisinga moenii.s constnutam fimiiter subiugatum fuisset cum omniVius
ad baec pertinentibus, firmantibus ipsis vicinis, qui haue ipsum condiderunt
<lomum Dei.
2) Stutz, Benefizial-Wesen I S. 198.
— 431 —
Eeligion nicht entbehren könne. Die Kirchen bheben. wie ander-
wärts, soweit sie nicht geisthchen Stiftern übergeben wiuxlen. im
Besitze der Griindhen-en oder der ^Markgenossenschaften.*)
Bei der Gleichartigkeit des bairischen Landes darf man fiir
die übrigen Bistümer analoge Zustände wie in Freising annehmen.
Dann folgt, dass unter Tassilo weit über hundert neue Kirchen
gebaut wurden. Wir stehen vor einer fast beispiellos raschen Ver-
mehrung der kirchlichen Institute.') Erst jetzt erhielt Baiem den
Charakter eines christlichen Landes.
Ahnliches gilt in Bezug auf die Klöster und Stifter.^) Manche
einst von den keltischen Missionaren enichtete Zelle mag verödet
imd verfallen sein : *) doch diese Einbussen wurden weit überwogen
durch Xeugnindungen, Schon unter Odilo wurde Baiera ein kloster-
reiches Land.^) Unter Tassilo vermehi-te sich die Zahl der Zellen
und Abteien noch weiter. Im Salzburgischen erreichten es die
Bischöfe, dass die neuen Stiftungen regelmässig in Abhängigkeit
von St. Peter traten: so wurden die von dem Piiester Boso gegrün-
deten Zellen zu Gars am Inn und Pisendorf' im Pinzgau an die
Peterskirche *^) übergeben, ebenso die von den Pnestern Baldun und
Hrodbert erbaute Zelle zu Au im Isengau') und das Klösterlein
des Grafen Günther zu Otting im Chiemgau.**) Schon fi-üher.
1) Stutz I S. 202 Anm. 32; über fiskalisclie Kirchen in Baiem ders.
S. 197.
2) Bemerkenswert ist, dass die Neubauten seit der Absetzung Tassilos
rasch abnehmen: unter Atto von Freising werden 87 Kirchen erwähnt,
darunter nur 6 Neubauten.
3) Eine strenge Scheidung zwischen Klöstern und Stiftern scheint mir
für diese Zeit undurchführbar. Einerseits sind die Nachrichten zu dürftig
und der Sprachgebrauch zu verschwommen: monasterium kann sowohl
Kloster als Stift bedeuten, als fratres bezeichnen sich sowohl die Kanoniker
als die Mönche. Andererseits war die Grenze thatsächlich fliessend. Alkuin
spi'icht neben canonici und monachi von dem tertius gradus, qui inter hos
duos variatur, superiori gradu canonicis et inferiori monachis stantes, und
er urteilt: Nee tales spernendi sunt quia tales maxime in domo Dei in-
veniuntur, ep. 258 S. 416.
4) Auf ein eingegangenes Klösterlein weist die Ortsbezeichnung ad cella
in einem Walde bei Freising (Meichelbeck I, 2 S. 99 Nr. 135).
5) Vgl. Bd. I S. 492 f.
6) Indic. Arn. 5, 7 S. 18. Gars wurde von Tassilo an St. Peter tra-
diert, ist also wohl auf herzoglichem Besitz erbaut. Dagegen gehörte
Pisendorf Boso und seinem Bruder Johannes; die Gründung der Zelle scheint
hier von St. Peter ausgegangen zu sein (1. c. 6, 2 S. 18).
7) L. c. 6, 22 S. 20. Die Zelle war auf Lehensgut errichtet.
8) L. c. 6. 24 S. 21; Brev. not. 13 S. 87 f. Gunthar erbaute die Zelle
— 432 —
man weiss nicht wann, hatten sich Mönche auf einer dtr stillen.
weltfernen Inseln im Chienisee niederffelassen ; aber auch ihr. dem
Krlüser jjeweihtes Kloster auf dem Herrenwörth stand unter dem
Bistum: von dort erhielt es seine Voi-steher. Tassilo scheint es
Salzhuri;- entzogen zu haben: denn es wurde herzogliches, daini
köniirlidu's Kloster.^) Das ist eine der Spuren, die auf den Zwie-
>palt zwisciien Herzog und Ejjiskopat hinweisen. Der T'rsprunir
des Xonnenklostei"S auf dem Fraueuwörth führt die Klosteitraditiun
auf Tassilo zurück. Aber es giebt keine glaubwürdige Nachiicht
darüber.-)
Die älteren Klöster im Paussauer Sprengel, St. Florian.'')
auf P^igengut zu Ehren des Stephanus. Tassilo stattete sie reichlich aus.
Als Abt unter Arn glaube ich Roodlant nachweisen zu können; vgl, M. h.
XXVIII, 1 S. 23 Nr. 25 und Verbrüderungsbuch von St. Peter 30, 1 S. :».
Vielleicht ist er identisch mit dem Roadhart der Synode von Dingolfing
(M.G. Leg. III S. 462), den man ohne weiteren Anhalt nach l>on n,]or
Wessobrunn weist.
1) Vher den Ursprung des Klosters auf dem Herrenwörth fehlt jede
Überlieferung; es ist aber älter als die oben genannten Zellen. Der erste
bekannte Leiter, der Priester Lupus, wurde von Salzburg au.s dahin gesetzt
(Convers. Bagoar. 4 S. 1 ). Die ursprüngliche Abhängigkeit von Salzburg ist
also sicher. Auch der Kolte Dobda grecus (s. Bd. I S. .553 und die Urkunde
Karls von ~x8, B.M. 289) muss Virgil untergeordnet gewesen .sein ; sonst
hätte dieser ihn schwerlich zur Vollziehung der bischöflichen Amtshand-
lungen benützt. Noch Tassilo aber muss das Kloster in seine eigene 'Gewalt
gobracht haben, sonst hätte Karl d. Gr. es nicht an Angilram von Metz
verschenken können is. d. angef. Urkunde). Im .Jahre 804 war Liutfrid Abt
(Meichelbeck I, 2 S. 91 Nr. 120\ Das Kloster blieb bei Metz, bis es 891
durch Arnulf an Salzburg zurückkam (M. B. XXVllI, 1 S. 103 Nr. 74),
Arnulf gab dafür Lu.xeuil an Metz. Die von Kettberg (KG. D.» II S. 244)
angeführte Urkunde Ludwigs d. D. ist denjnacli unecht (s. B.M. 1986).
2) Die älteste Nachricht über Frauenwürth, welche ich kenne, i.-'t
Regin. Chron. z. J. 894. Die falsche Urkunde Heinrichs IV. M. B. II S. 445
.Nr. 1 lääst das Kloster von Tassilo gegründet sein. IJber die Äbtissin Irm-
gard, Ludwigs d. D. Tochter, vgl. Riezler, G.B.'s I S. 216 Anm. 3.
3) Die ?jxi«tenz von St. Florian am Beginne des 8. .lahrhnni'erts
beweist die Urkunde M. B. XXVII I, 2 S. 35. Wird hier von dem Bischof
Otkar gesagt, dass er una cum fidelibus suis in loco nuncupanto ad Puoche,
ubi ]>reciosu.«t raartyr Florianus corpore requiescit, verweile, .so ist anzu-
nehmen, dass es eine Genossenschaft von Klerikern oder von Mönchen am
Grabe Florians gab. .\uf die jungen Nachrichten, welche Ta>Hilo zum
Gründer machen, lege ich kein Gewicht: sie haben nicht mehr Wert, als
wenn man im El.sass jedes alte Kloster von dem guten König Dagobert
gestiftet sein lä««t. Durch Karl d. Gr. kam St. Florian an Passau CUrkunde
— 438 —
Altaich^) und Kirchbach-), \-Agen an der Donau oder in der Nähe
des Stroms: nun kam eine Eeihe neuer Stiftimgen hinzu, von
denen che bedeutendsten in den Bergen lagen: in der letzten Zeit
Odiles das Michaelskloster am Mondsee ■^), miter Tassilo St. Sal-
vator in Ki-emsmünster. von Altaich aus besetzt^), vielleicht auch
St. Maria in Osterhofen '') und das wohl von Mondsee aus ge-
stiftete ]Michaelskloster am Mattsee*') sowie die später entfremdeten
Zellen Rott und Eindpach.') Der Ursprung des dem Erlöser ge-
weihten Nonnenklosters zu Niedernburg*). unterhalb Passau. ist unbe-
Ludwigs d. Fr. vom 28. Juni 823, B.M. 753). Am Ende des 9. Jahrhunderts
war es Kollegiatstift, ÜB. d. L. o. Enns 1 S. 471 Nr. 56.
1) S. Bd. I S. 337, 489, 493.
2) A. a. 0. S. 493, 2.
8) Die jungen Nachrichten über die Stiftung durch Odilo oder Tassilo
sind wertlos. Einen Anhaltspunkt für den Ursprung bietet die Thatsaehe,
dass Odilo und Tassilo Schenkungen an das Kloster machen (ÜB. d. Land,
ob. Enns I Nr. 39 S. 24, vgl. die Fälschung Nr. 172 S. 93; 76 S. 45). Der
erste nachweisliche Abt ist Oportunus, der in den Mondseeer Traditionen
vielfach genannt wird. Er nahm Teil an der Synode von Dingolfing (M.Gr.
Leg. III S. 461). Nach den Ann. Emm. mai. starb er im Jahre 785. Sein
Nachfolger war Hunerich. Auch er scheint der fränkischen Partei angehört
zu haben (Ann. Lauriss., Einh. z. J. 787). Über die nächsten Abte vgl.
Hauthaler in den Mitth. des Instit. VH S. 233 flf. Das Kloster kam in den
Besitz Karls und blieb königlich, bis es unter Ludwig d. D. durch Tausch
gegen Obermünster in Regensburg an St. Emmeram kam. Die Thatsaehe
steht fest, obgleich die L'rkunde Ludwigs vom 14. Februar 833 unecht ist;
s. Mühlbacher, Reg. Imp. 1310. Über die Mondseeer Traditionen s. Hau-
thaler a. a. 0. S. 223.
4) Von Tassilo im Jahre 777 gestiftet (M. B. XXVIÜ, 2 S. 196 Nr. 2).
Karl bestätigt am 3. Januar 791 die Schenkungen des Herzogs. Erster Abt
war der Mönch Fater von Nieder- Altaich ; man findet ihn ira Salzburger
Verbrüderungsbuch 36, 28 S. 7.
5) Vgl. die Wessobrunner Notiz M.G. Scr. XV S. 1025, nach der Odilo
in Osterhofen begraben wurde.
6) Die Stiftung durch Tassilo ist urkundlich nicht zu belegen. Die
ersten Äbte Johann und Albuin im Reichen auer Verbrädeningsbuch 111, 1
S. 112, 8. Die erste Erwähnung in der Urkunde Karlmanns B.M. 1479 vom
24. Februar 877, durch welche das Kloster seine Selbstständigkeit verlor;
es kam an Otting.
7) Beide in der Urkunde des Bischofs Reginhar (M. B. XX^llI, 2
S. 18 f. Nr. 20) als unter Karl im Besitze der Passauer Kirche befindlich
erwähnt. Rott ist das jetzige Rottthalmünster in Niederbaiern, Rindpach
vermag ich nicht nachzuweisen.
8) Über Niedernburg fehlen alle Angaben. Dass die Abtei königlich
Hauck, Kirchengeschichte, ü. 2. Aufl. 28
— 4:54 —
kaiint; doch ist es nicht unmöiihch, dass es zu den Giiindungen
Tassilos gehört. Jünger ist ohne Zweifel das Stift St. Polten.^)
Nicht nündcr zahheich sind die neuen Klöster in der Frei-
singer Diözese. In Freising selbst baute der Priester Hugii)Prht
eine Kirche zu Ehren des Apostels Andreas, mit der wohl
von Anfang an ein Haus für Kanoniker verbunden war.-) Ein
Laie. Reginpercht, gi-ündete im Jahre 763 in der Ode am Fusse
des Karwendel unfeni des Ursprungs der Isai- auf Eigengut dem
Apostel Petrus zu Ehren das Kloster Scharnitz.'^) Er selbst, später
auch sein Bruder Irminfrid. wurde dort Mönch; von Anfang an
galt die Benediktinerregel. Die Leitung erhielt Aribo, damals noch
Erzpriester. Auf seinen Rat wurde das Kloster sjjäter mit der
ältereil Stiftung in Schiedorf am Kochelsee vereinigt.*) AVeiter
abwärts an der Isar entstand um dieselbe Zeit durch den Priester
Walderich die Dionysiuskirche zu Scheftlarn : sie diente einem klöster-
lichen Vereine, der von AValderich geleitet wurde.'') An den schönen
Seen der Vorberge wurden ehe Klöster St. (^uirin zu Tegernsee")
■war (Dipl. II S. 153 Nr. 136: Quandam nostri iuris abbatiam), spricht tür
die Gründung durch einen der bairischen Herzoge. Auch dass sie in ho-
nore domini Salvatoris nostri geweiht war (M. B. 28, 1 S. 418 Nr. 264) ist
zu beachten; auch die beiden sicher tassilonischen Stiftungen Kremsmünster
und Haindlingberg hatten Salvatorkirchen. Durch Otto II. kam sie an das
Bibtum.
Ij Ergiebt sich aus seiner Lage.
2) Rettberg (KG. D.'s II S. 262), Riezler (Gesch. B.s 1 S. 111) u. a.
schliessen aus der Bezeichnung monasterium Hukiperhti Meichelbeck I, 2
S. 77 Nr. 95) auf eine Stiftung durch Herzog Hukbert. Viol näher liegt,
die Urkunde S. 149 Nr. 272 herbeizuziehen, nach welcher der Priester
Hugiberht ecclesias et familias per domos an die Domkirche schenkt.
3) Font. rer. Austriac. II, 31 S. 1 Nr 1. Die Weihe durch den Bischof
Joseph von Freising erfolgte am 29. Juni 763. Eine kurze Geschichte von
Scharnitz giebt Goascr in den Studien aus dem Bened. ord. \^dl S. 36 ff.
4) L. c. S. 4 Nr. 3 um 772. Über Schlodorf s. Bd. I S. 493 Anm. 2.
5) M. B. VIII S. 363 Nr. 1. Die Stiftung fällt in das Jahr 762. Der
Nachfolger Walderichs war Abt Icho (Graf Hundt, Münch. Abh. XIII S. 74).
Um das Jahr 782 ist Abt Petto nachweislich, der später den Titel Bischof
führt (Graf Hundt a. a. 0. S. 56 f.).
6) In der Urkunde von «04 (Meichelbeck I, 2 S. 92 Nr. 121j ist Abt
Adalbert von Tegem.see genannt. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass er
identisch ist mit dem Abt Adalperht, welcher c. 770 an der Synode von
Dingolfing Anteil nahm (M.G. Leg. III S. 461 f.) und im Salzburger Ver-
brüderungsbuch 36. 21 S. 7 iinter den lebendon Äbten aufgezählt wird.
Dadurch ist der Bestand Tegernsees im Beginn der Regierung Karls d. Gr.
gesichert. Auf Grund dessen haben die Angaben in der Urkunde Ottos II.
von 979 (M.G. Dipl. II S. 219 Nr. 192) über die Gründung des Klosters durch
— 430 —
und St. Sixt am Schliersee') angelegt. Beide darf man als
Familienstiftungen betrachten, und in beiden galt die Benedik-
tiuerregel. Im Isengau, dem Hügellande zwischen Isar und lim,
lag die Kirche St. Zeno, ursprünghch Kollegiatkirche, scheint sie
unter Tassilo zum Mönchskloster umgebildet worden zu sein.^)
Im Flachlande begegnen die Abteien Ummünster/^) St. Castulus
zu Mosburg^) und St. Michael zu Tegernbach : ■^) alle drei wahr-
scheinlich unter Tassilo gegründet.
die beiden Brüder Adalbert und Otgar in der Zeit Pippins Anspruch auf
Glaubwürdigkeit.
1) Die Urkunde Meichelbeck I, 1 S. 79 erzählt die Stiftung durch fünf
Brüder: Adalunc, Hiltipald, Kerpalt, Antoni, Otakir; sie bauen das Kloster
in vasta solitudine heremi auf Eigengut, erhalten von Arpeo einen Kleriker
Namens Perhtcoz als Meister, den sie nach zwei Jahren zum Abte wählen;
zugleich nehmen sie die Benediktinerregel an, 21. Januar 779.
2) Die Kirche in Isen reicht sicher in Odilos Zeit: er erscheint als
ihr Wohlthäter (Meichelbeck I, 1 S. 51); als eella et Oratorium s. Zenonis
ist Isen genannt in der Urkunde Haholts von 758 (1. c. S. 59), als mona-
sterium Isana in der Urkunde von 825, I, 2 S. 258. Die Ano-abe, dass
Bischof Joseph von Freising, gest. 764, der Gründer sei (s. S. 425 Anm. 7),
ist also nicht unmöglich. Graf Hundt (Münch. Abh. XIII S. 69) wie vor
ihm Meichelbeck betrachtet Abt Cundheri als Leiter des Klosters; er ist im
Salzb. "Verbrüderungsbuch 36, 23 S. 7 genannt. Später lebten in Isen wieder
Kanoniker, s. Meichelbeck I, 2 S. 520 Nr. 1246.
3) Die Angaben über die Gründung dieses Klosters unter Bischof
Erimbert (Meichelbeck 1, 1 S. 41) sind wertlos; ebenso ist es nicht wahr-
scheinlich, dass der Abt ütto der Dingolfinger Synode als Leiter von ILm-
münster zu betrachten ist (s. u.). Die Existenz des Klosters im 8. Jahrhundert
ist also nicht gesichert. So viel ich sehe, ist überhaupt der Name der
einzige Beleg für den ehemaligen Bestand eines Klosters; dass Ilmmünster
im Tegernseer Besitz stand und von Herzog Arnulf entfremdet wurde, be-
hauptete man in Tegernsee, s. M. B. VI S. 163.
4) Die Existenz des Klosters St. Castulus zu Moosburg unter Tassilo
ist gesichert, da der in Dingolfing anwesende Abt Raginperht für Moosburg
nachweislich ist; s. Verbrüderungsbuch von St. Peter 36, 24 S. 7: Ragin-
perht ab. et cong. ips., verb. 110, 1 S. 24: Nom. monachorum de Mosabjrga.
Raginbertus abb. Die Abtei war königlich, also ist auch hier die Stiftung
durch Tassilo -wahrscheinlich. Durch Arnulf kam sie 895 an das Bistum.
Damals war sie bereits Kollegiatstift, B.M. 1859 : Clerici ibidem ad s. altare
ser\dentes.
5) Der Ursprung von Tegernbach liegt im Dunkeln. Zum ersten Male
kommt das cenobium in loco qui dicitur Tegarinwac in der Freisinger Ur-
kunde von 816 (Meichelbeck I, 2 S. 176 Nr. 331) vor. Der Ort ist älter;
er wird unter Aribo erwähnt (1. c. S. 57 Nr. 50). Der Ursprung des Klosters
unter Tassilo ist wahrscheinlicher als unter Karl.
28*
— 48(i —
Im Regeiisburger Sprengel gab es vor Tassilo nur ein. viel-
leicht zwei Klöster, St. Enimeram in Regensburg und Weltenburg.^)
Im beginnenden neunten Jahrhundert war die Diözese mit KKisteni
i'rfüllt. In Regensburg selbst hatte man nun zwei Nonnenklöster,
das Ober- unil das Xiederinünster;-) in ^Metten"') und Pfatt'münster,'*)
an der Donau unterhalb Regensburg, in Haindlinglx'rg im Donau-
gau.'') in Engell)rechtsmünster an der Ihn,") in Münchsmünster un-
weit der ^Mündung der Ihn in die Donau') und in Schöuau im
Kinziggau^) bestanden Mänuerkougregationen. Der Ursprung wenn
1) Vgl. Bd. I S. 493 Anm. 2.
2) Die erste Erwähnung von Obermünster findet sich in der S. 433
Anm. 3 angeführten gefälschten Urkunde Ludwigs d. D. von 833. Rettberg
(KG. D.'.'^ II S. 278) macht darauf aufmerksam, dass der Name das Vor-
handensein auch des Niedermünsters beweist.
3) Metten erhielt von Karl d. Gr. Königsschutz (Urkunde Ludwigs d. D.
von 837, B.M. 1321). Wird in der legendarischen Gründungsgeschichte des
Klosters der Name Utto genannt (Rettberg, KG. D.'s II S. 278 f.), so wird
hierin ein Rest richtiger Überlieferung stecken. Das Salzburger Verbrüde-
rungsbuch hat 36, 19 S. 6 utto ab. et cong. ips. Man hat an Metten zu
denken. Dadurch erledigt sich auch die Frage, wer der Abt Utto der
Dingoltinger Synode war, den man nach llmmünster weist.
4) Der Ursprung liegt im Dunkel, da auf die Weltenburger Inschrift
bei Arnpekh, Chr. Bai II, 35 Pez Thes. III, 3 S. 99, nichts zu geben ist.
Doch ist die Gründung durch Tassilo unter allen Möglichkeiten die wahr-
Bcheinlichste .
5) Über die Entstehung des Klosters Berg im Donaugau giebt die Ur-
kunde Ludwigs von 815 (B.M. 578) Aufschluss. Es wurde von dem ersten
Abte Wolcanard auf Eigengut erbaut, und später (postmodum i von ihm an
Karl d. Gr. übergeben, der dem Stifte die Immunität verlieh. Damit stimmt
überein, dass im Salzburger Verbrüderungsbuch 36, 25 S. 7 uuolchanhart
ab. zu den lebenden Äbten gezählt wird. Kr nahm am Totenbund von
Dingolfing Anteil. Durch Ludwig d. D. kam das Kloster an die Marien-
kapollo in Regensburg (B.M. 1467). Ob es identisch mit dem jetzigen
Haindling ist, ist nicht sicher, .fanner, Gesch. d. B. v. Regensburg I S. 158
denkt vielmehr an Paring.
6) über die (Gründung giebt Auskunft eine Regensburger Urkunde
(<.raf Hundt in d. Münch. Abh. XIII S. 80 Nr. 32V Nach derselben ist das
Kloster durch die Eltern des Abts Sigifrid gegründet. Sigifrid steht 821
an der Spitze. Das Kloster verschwindet vollständig. Die Identifizierung
des hier genannten Klosters mit Engelbrechtsmünster nach Janner I S. 167 f.
7) Wenn das Mitgliederverzeichnis der Riesbacher Synode von 799
zuverlässig ist, so ist durch dasselbe der Bestand von Münchsmünster kurz
nach Tassilo gesichert (M.G. Leg. III S. 476j. Ein Abt Anno auch im Salz-
barger Verbrüderungsbuch 36, 29 S. 7.
8) Tradit. S. Emmer. bei Pez Thes. I, 3 S. 242 Nr. 60 unter Bischof
— 437 —
nicht aller, so doch der meisten dieser Klöster, wird in Tassilos
Zeit fallen, und Avenigstens eines. Obermünster. ^) wird von ihm
gegi-ündet sein.
Im baiiischen Teil der Augsburger Diözese gehört vielleicht
Thierhaupten-) in Tassilos Zeit.
Im Bistume Sehen endlich gilindete der Herzog mit Beirat
der bairischen Grossen im Jahre 769 das für die Slawenmission
wichtige Kloster Innichen.'^)
Wie die Xeugnindungen von Kü-chen und Klöstern, so zeigen
endhcli auch die S}modeu, dass es der baiiischen Kirche an Leben
und Thätigkeit nicht gebrach. Ebenso deuthch aber liefern sie den
Beweis, dass man in Baiern ganz unter dem Impuls dessen handelte,
was im fränkischen Reiche geschah.
Xicht allzulange nachdem Bonifatius die bairischen Diözesen
organisiert hatte, vielleicht also noch unter Odilo, wm-de die erste
dieser Synoden abgehalten.'') ]Man kann bemerken, dass Klerus
Baturich 81? — 847 erwähnt. 890 scheint es schon eingegangen zu sein. Denn
damals kam die Gemarkung von Schönau an St. Emmeram B.M. 1795. Da es
sich um eine Restitution handelt, so wird schon das Kloster Schönau im
Besitz St. Emmerams gewesen sein. Darin lag wahrscheinlich der Grund
des Untergangs.
1) Da es königlich war.
2) S. die Notiz im Necr. von Thierhaupten M. B. XV S. 141, wonach
die Gründung durch B. Gebhard I von Regensburg nicht eine Neuffründunff.
sondern nur Erneuerung eines um 800 gegründeten Klosters gewesen sei.
Sicher ist, wie man sieht, die Angabe keineswegs.
3) Tassilos Stiftungsurkunde Font. rer. Austr. II, XXXI, 3; vgl. die
Urkunde Ludwigs d. Fr. von 816 (B.M. 587).
4) M.G. Leg. III S. 455 ff. sind fünfzehn Kapitel gedruckt, welche als
Beschlüsse einer kurz vorher stattgefundenen Synode bei Gelegenheit eines
Festes bekannt gemacht wurden. Weder Zeit noch Ort ist überliefert; dass
sie als bairische zu betrachten ist, ergiebt sich daraus, dass die Kapitel in
Handschriften von St. Emmeram und Salzburg erhalten sind (Merkel S. 237);
auch c. 6 S. 258 weist auf Baiern. Über die Zeit der Synode gehen die
Meinungen auseinander; Merkel (S. 238 f.) verlegt sie in das 3. Jahrzehnt
des 8. Jahrhunderts, nach der Absendung der Legaten Gregors IL nach
Baiern (s. Bd. I S. 364), wogegen Hefele (GG. III S. 786) in den Kapiteln
eine Publikation der Riesbacher Beschlüsse sieht. Die letztere Ansicht ist
nun offenbar unrichtig: wie c. 1 = Risb. 1 sein soll, ist nicht einzusehen;
jenes Kapitel handelt von der Teilnahme der Laien an den Synoden, dieses
von der christlichen und priesterlichen Eintracht; ebensowenig ist c. 11
= Risb. 7; dort wird vorgeschrieben, dass man am Mittwoch und Freitag
der Ordinationszeiten faste, hier dass die Ordinationen legitimis temporibus
stattfinden; oder c. 15 = Risb. 14 oder c. 9 = Risb. 5. Ist demnach ein
Teil der Kapitel ohne Vorbild in den Riesbacher Beschlüssen, so finden
— 4.-18 —
und Laien sich noch ziemhch ticnid gegenüberstanden. Die Bischcife
mussten suchen, das Mistrauen der Bevölkerung zu überwinden;
deshalb forderten sie dazu auf. dass auch Laien sich bei den
Synodallxn-atuugen einlanden: sie sollten sich überzeugen, wie ge-
•Nvissenhaft man auf ihr Heil bedacht sei.')
Die Beschlüsse erstrebten Hebung des religiösen und sittlichen
Lebens: häutiger Kirchenbesuch,-) regelmässiges Beichten,"') Fasten^)
und Kommunizieren'') sollten dem eisteren Zwecke dienen. Dabei
tiilu-te mau die kii'chlichen Gewohnheiten auf tränkischeni Gebiet
sich unter den letzteren solche, die in einem für die Laien gefertigten Aus-
zug nicht fehlen konnten: c. 12, 15, 31. Dass Hefeies Annahme unrichtig
ist, ergiebt sich auch aus dem Vergleiche solcher Bestimmungen, welche
wirklich Parallelen sind, so c. 10 und Hisb. 4: das allgemeine Almosen-
geben an vier Tagen des Jahres. Hier weist die Fassung des Riesbacher
Beschlusses darauf hin, dass sich Missbräuche an die P'inrichtung angehängt
hatten. Sie kann also damals nicht zuerst eingeführt worden sein. Des-
halb wird die Synode der 15 Kapitel der Riesbacher vorhergehen. Doch
wlaube ich nicht, dass man sie so weit zurückrücken darf wie Merkel. Sein
Hauptgrund: dass die Verbindung des öttentlichen Unglücks mit dem Laster
der Unzucht auf Plektrud, Grimoald und Karl Martcll weise, ist wenig ein-
leuchtend. Denn c. 2 ist ja nicht von Unzucht der Fürsten, sondern der
Bevölkerung die Rede; der Gedanke ist nur der so häufig ausgesprochene,
dass öffentliches Unglück Strafe der unter dem Volke herrschenden Laster
sei. Thatsächlich bleibt nichts anderes, als dass die Synode stattfand,
nachdem Baiem eben von einem allgemeinen Unglück betroffen war. Gegen
Merkels Ansatz entscheidet, dass die Voraussetzung für eine bairische
Synode die Ordnung des bairischen Episkopats ist. Sie ist erst durch Boni-
fatiuB erfolgt. Man muss also die Synode mindestens bis ins 5. .Jahrzehnt
des 8. Jahrhunderts herabrücken. Dann ist möglich, dass bei dem allge-
meinen Unglück an Grifos Einfall zu denken ist; ebenso aber auch an die
Niederlage Odilos 743. In diesem Falle könnte man annehmen, dass der
päi.stliche Legat Sergius (s. Bd. I S. 517 Anm. 1) die Abhaltung der Synode
angeregt hatte. Dass sie in Regensburg stattfand, wie Merkel und Hefele
annehmen, ist um nichts wahrscheinlicher, als dass sie in Salzburg gehalten
wurde: nicht nur Emmeram, sondern auch Rupert hat einen Festtag im
Herbst (24. September).
1) Cap. 1.
2) Cap. 3.
3) C. 2: Ut poenitontiam veram doceantur facere de omnibus p<'C<ati8
suis et non erubescant confiteri Deo peccata sua in ecclesia .sancta coram
sacerdotibus.
4) Cap. 9—11; daneben tritt Almosengeben c. 7 uml 10; Gastfreund-
schaft c. 15.
.5) C. 6; mindestens am 3. lii« 4. Sonntag, während von vielen das
Abendmahl nur einmal im Jahr empfangen wird; c. 4 Oblationen, c. 5
FriedenskuH.s.
— 489 —
als Vorbild an.^) In sittlicher Hinsicht erscheinen Unzucht^). Un-
mässigkeit'^) und Meineid*) als die schlimmsten Laster, welche be-
kämpft werden mnssten.
Eine zweite Synode scheint in der ersten Zeit Tassilos zu
Aschheim stattgefunden zu haben. Hier eiTeichten es die Bischöfe,
dass eine Bestimmung über verbotene Ehen in das bairische Ge-
setz aufgenommen wurde. ^)
Eine dritte Synode trat kurz nach der Synode von Verneuil
wieder in Aschheim zusammen.^) Ihre Beschlüsse ') sind bezeich-
nend dafür, wie rasch die Bischöfe sich in ihrer Stelhmg befestigten.*)
Jenes Gefühl von Unsicherheit, unter dem sie auf der ersten Synode
1) C. 6 : Cum etiam et Greci et Romani seu et Franci omni dominico
communicent.
2) Cap. 2. Keine heimliclien Ehen, antequam presbitero suo annuntiet
et parentibus suis et vicinis, c. 12. Von Segnung der Ehe ist dabei nicht
die Rede.
3) C. 13.
4) C. 7. Gegen falsches Mass und Gewicht c. 14.
5) Syn. Asehh. 13 S. 458: De incestis coniugiis maxime convenit, ut
per omnia vestro consequamini decreto, quo in presente villa publica nun-
cupante Ascheim constituere recordaraini. Ich beziehe die Notiz auf lex
Bai. tit. VII, 1 — 3. Dass das Dekret von einer Synode angeregt wurde,
scheint mir selbstverständlich. Genützt bat es nichts, vgl. den Brief Leos III.
J.W. 2503. Über Aschheim s. BÜ. I S. 359.
6) M.G. Leg. III vS. 457. Die Meinungen über die Zeit dieser Synode
variieren zwischen 748, 754, 756, 763, 773. Der erste und der letzte An-
satz fallen weg, da nach c. 2 Tassilo schon einige Zeit regiert haben muss,
sonst könnte nicht von Kirchen, die in seinen Zeiten gegründet w^orden
seien, die Rede sein, und da er andererseits nach der Vorrede noch aetate
tenerulus war. Das konnte im Jahre 773 nicht mehr von ihm gresagt
werden. Entscheidend für den Ansatz ist die Berührung der Vorrede mit
der der Synode von Verneuil (Cap. 14 S. 33). Da man nur an Abhängig-
keit der bairischen von der fränkischen Synode denken kann, so muss das
Aschheimer Konzil nach dem 11. Juli 755 stattgefunden haben. Die eben
erwähnte Aussage über das Alter Tassilos macht es wünschenswert, mög-
lichst nahe bei diesem Datum zu bleiben; vgl. Oelsner JB. S. 506 f.
7) Dass dieselben als Anträge an den Herzog formuliert sind, entsprach
den fränkischen Rechtsanschauungen.
8) Es scheint mir wenig treffend, wenn Oelsner JB. S. 297 die Be-
schlüsse als Regierungsgrundsätze bezeichnet, welche dem Herzog in Aus-
übung seines Amts zur Anleitung dienen sollten. Dazu sind sie nicht um-
fassend und allgemein genug. Noch weniger kann ich finden, dass die
Synode ihrem Zwecke nach mit Tassilos beginnender Selbstständigkeit zu-
sammenhängt (S. 302). Die c. 1 angeordnete Fürbitte reicht zum Beweise
nicht aus. Übrigens charakterisiert es die ganze Jämmerlichkeit Tassilos^
— 44(1 —
liaudelten. war überwunden: sie unternahmen es nun. ihre Autorität
und die Ansprüche der Kirche nach allen Seiten hin zur Geltung
zu bringen. Die Tendenz ist dieselbe, die wir im fränkischen Reiche
bemerkten, während sie jedoch dort durch die Eücksicht auf den
Staat gemässigt wurde, war das hier nicht der Fall: Priester^) und
Mönche-) sollten der Aufsicht der Bischöfe unterstehen: diese nahmen
die ungehinderte \>rwaltung des Kirchenvermögens in Anspruch,'"')
erklärten die Leistung des Zehnten für eine Ptlicht, die erzwungen
werden müsse,*) bestanden auf der Unterdrückung der verbotenen
Ehen,"') ja meinten ehie Art Oberaufsicht über die Rechtsprechung
fordern zu können.") Es giebt kaum ein zweites Schriftstück dieser
Zeit, in welchem das hierarchische Selbstgetiihl auch dem Fürsten
gegenüber sich so schart' ausspricht, als in diesem Antrag: der
Eiii-l<Mpat erscheint wie der Vormund des Herzogs.')
dass der Mann, der seine Unterthanen so mit sich reden Hess, die Ab-
hängigkeit von Pippin und Karl nicht ertragen konnte.
1) C. 6: De deocenis ut presbyteri sibi mininio iniungere debeant, nisi
secundum constitutionem episcoporuru, qualiter sacerdotalem aut pastoralem
queant exercere curam. Oelsner (JB. S. 299) und ihm folgend Itiozler (G.
B.'s S. 159), wie es scheint auch Hefele (CG. III S. 601), erklären: Die Diö-
zesanen dürfen sich ihre Priester nicht eigenmächtig bestellen. Ich gebe
zu, dass es möglich ist, presbyteri als Akkusativ zu fassen. Doch scheint
mir dies Verständnis nicht wahrscheinlich, da das Bair. Gesetz Tit. I 1* als
berechtigt anerkennt, dass Gemeinden sich selbst einen Priester bestellen.
Nun ist bekannt, dass nicht selten Priester für sich Kirchen bauten oder
durch Angehörige bauen Hessen (s. o. S. 4.S0). Darin lag dieselbe Gefahr
für die kirchliche Ordnung, wie wenn ein Grundherr ohne Zustimmung des
Bischofs einem Kleriker eine Kirche übergab. Mit Rücksicht darauf scheint
mir zu erklären: Über die Diözesen wird verordnet, dass Presbyter keines-
wegs solche sich selbst übertragen dürfen, es sei denn nach Verordnung
des Bischofs. Bei der Erklärung von Stutz I S. 207: Priester sollen die Ge-
meinden nicht übernehmen ausser gemäss der Verfügung der Bischöfe,
scheint mir das Charakteristische der Wendung verwischt: es besteht darin,
dass es die Priester selbst sind, die das munus sibi iniungunt.
2) C. 8 und 9. In beiden Bestimmungen ist der Nachdruck auf das
bischöfliche Aufsichtsrecht gelegt: Cum Providentia episcoporum, (luorum
cura haec adesse dinoscuntnr, und: Cum consensu episcoporum cui haec
credita sunt.
3) C. 3. Auf den Schutz des kirchlichen Besitzes beziehen sich
c. 2 und 4.
4) C. 5. Man be.->itimmte zugleich c. 7, dass kein Priester Oblationen
oder Zehnten, welche seiner Kirche nicht gehörten, sich aneigne.
5) C. 13. S. 439 Anm. .">.
6) C. 10—12; 14; 15.
7) Vorrode: Sufficit christianis, cum normam priscoruni patrum vitam
— 441 —
Die nächste Synode fand in Dingolfing statt. ^) Sie ging auf
dem eingeschlagenen Wege weiter, indem sie von neuem staatHchen
Schutz für die kirchhchen Besitzrechte-) und für kirchhche Ge-
wohnheiten, wie die Sountagsfeier und die Gelübde der Nonnen,")
verlangte. Wichtiger ist sie deshalb, weil auf ihr zuerst der Zwie-
spalt, welcher zwischen dem Herzog und seinen ünterthanen be-
stand, für uns erkennbar an den Tag tritt. Tassilo konnte sich
auf die Treue des Adels nicht mehr verlassen.'^) Gewiss nicht
ohne seine Willen verhandelte die Synode darüber; aber ihre Be-
schlüsse waren nun höchst eigentümlich: sie verwarfen natürlich
die Untreue und waren doch zugleich ein Schutz der Verdächtigen
gegen den Herzog. Das ist verständhch, da, wie -wir bemerkten,
der Episkopat fast durchweg fränkisch gesinnt war. Er schirmte
seine Gesinnungsgenossen. Und gerade in Dingohing schloss sich
nun der Episkopat enge zusammen: nach dem Vorbilde der fi-än-
deducere et eorum auctoritate passim gradibus polaiu scandere: tarnen
propter diversitate temporum diversa necessitate componendi compellitur:
proptera sanctumque est congregatio sacerdotum indictis temporibus Doo
opitulante. ut diversa iure considerentur. Nam qui hos precessores pastores
et patres nostros docuit, ipse et nos docebit . . . Proptera time Deum et
custodi vias eius; nam
Qui illum non habet placatum
Nunquam evadit iratum.
1) M.G. Leg. III S. 459 ff. Die Zeit steht auch bei dieser Synode nicht
fest. Riezler verlegt sie in das Jahr 769 oder 770 (Gesch. B 's I S. 160j,
Brunner (D. RG. I S. .319) in das Jahr 772. Gewichtige Gründe für diese Jahre
giebt es, so viel ich sehe, nicht. Denn 769 als Amtsantritt Alims
von Sehen ist nicht sicher, man weiss nur, dass er in diesem Jahre Bischof
war (s. 0. S. 428 Anm. 10). Das einzige sichere Datum ist der Tod Wisu-
richs von Passau vor 774.
2) C. 2: 5; 6.
3) C. 1 : SonntagsentheiligUDg soll nach dem Gesetz bestraft werden
(s. Lex Bai. Append. 1 S. 335 f.) C. 4: Verbot Nonnen zu heiraten.
4) C. 8: De eo quod parentes principis quodcunque praestatum fuisset
nobilibus intra Baiuvarios, hoc constituit ut permaneret et e?set sub pote-
state uniuscuiusque relinquendum posteris, quamdin stabiles foedere ser-
vassent apud principem ad serviendum sibi, et haec firma permaneret: ita
constituit. C. 9: De eo ut nullus hereditate sua privetur, nisi per tres
causas quas in pacto scribentur (cf. Lex Bai. t. II, 1 S. 281), et propter homi-
cidium: hoc est ut quisquis hominem principis sibi dilectum occiderit ob
iniuriam principis ad calumniam: hominem componat secundum legem, tunc
privetur hereditate sua. C. 12: Die Frau des Schuldigen darf ihres Erbes
nicht beraubt werden. Vielleicht darf man auch c. 7 herbeiziehen, indem
sich aus demselben zu ergeben scheint, dass Tassilo sich auf ein bewaff-
netes Gefolge stützte.
— 442 —
kischen Bischöfe traten die bainschen in einen Gebets verein. Von
den Bischöfen fehlte nicht einer.») von den zahheichen Abten je-
doch nahiiieii nur dieizehn Anteil.") Bei den Mönchen genoss
Tassilo mehr Sympathien als bei den Bischöfen: das macht sich
hier benierklich.
Die letzte Synode nnter Tassilo, die zu Xenchinc;.-') gi("l)t
wieder von dem Ge;rensatz zwischen Ei)iskopat nnd Mönchtuni
Zeugnis. Die Bischöfe schritten ' dagegen ein, dass che Mönche
die geistliche Pflege der Gemeinden sich anmassten, und die Abte
sahen sich genötigt, ihnen Zugeständnisse zu machen: sie sagten
zu, dass sie ihre Kirchen durch eigene Priester bedienen lassen
würden. Dadurch war die Unterordnung des Diözesanklerus unter
den Bischof gewahrf) Die übrigen Beschlüsse beziehen sich auf
Angelegenheiten des bürgerlichen Rechts: für uns kommt nur in
Betracht, dass man aus den rechtlichen Formeln solche ausschied,
in welchen heidnische Anschauungen sich aussprachen.-'^) dass man
1) Manno von Neuburg, Alim, Virgil, Wisurich, Sintpert, Aribo. Die
Bestimmungen über die Messen nacli dem Totenbund von Altigni, s. S. 67
Vgl. den Brief Adalperts von Tegernsee an Virgil, M.G. Ep. IV S. 497 Nr. 2.
2) Oportunus von Mondsee; Wolfperht (? von Niederaltaich), Adalperht
von Tegernsee, Atto von Scbarnitz, Utto von Metten, Lantfrid von Bene-
diktbeuren (s. Bd. 1 S. 493, 2), Alpuni (unbekannt; er kommt auch im Salz-
burger Verbrüderungsbuch vor, 36, 20 S. 7), Roadhart (unbekannt, doch vgl.
S. 431 Anm. 8), Ernust (unbekannt), Reginperht von Moosburg, Wolchan-
hart von Haindiingberg, Perahtcoz von Schliersee, Sigidio (unb(>kannt).
3) M.G. Leg. 111 S. 462 ft. .\uch bei dieser Synode steht die Zeit nicht
fest, da die Zeitangaben: 24. .Tahr Tassilos, 772. 14. Indiktion nicht über-
einstimmen. Das 24. .Jahr Tassilos beginnt im .Tanuar 771; die 14. Indik-
tion führt auf 776— 777. Man wird das Regierungsjahr als die wahrschein-
lich zutretlonde Angabe festzuhalten haben. Brunner, D. R(4. I S. 319
nimmt 774—77.5 an. Dass die Ortsangabe Dingolting in drei Hand-
.scliriften auf Irrtum beruht, darüber ist man einig. Über die sogen, l'iisto-
ralanweisung s. u.
4) Das Protokoll lässt eingehende Verhandlungen vermuten, wenn os
berichtet: (.^bbatea) nuliis comproban- quiverant testimoniis, ut monachis
parochie commendari deberentur vel publica baptismatis obsequia . . .
Tnde ab univorsis abbatibus facta professio, ut minime titulis popularibus
80 ingerere depellerentur et haec omnia, cui commissae sunt plebes, sub
potestate episcoprum permaneant.
5) C. 6: De eo quod Bawarii stapsaken dicuni . in quibus verbis ex
vetnsta con.suetudino paganorum idnlatria reperimus. ut deinceps non aliter
nisi ut dicat qui quaerit debitum: Haec mihi iniuste abstulisti quae reddere
debea et cum tot solidis componere; reu« vero contra dicat: Nee hoc ab-
atuli nee componere debeo; iterata voce requisito debito dicat: Extendamua
— 443 —
in gewissen Fällen Ehescheidungen als zulässig anerkanntet) und
dass man jeden Bruch der Klostergelübde zu verhindern suchte.')
Von weiteren bairischen Synoden hört man erst nach der Ab-
setzung Tassilos. Das ist schwerlich ein Zufall. Man wird auch
hierin ein Zeichen davon zu erblicken haben, dass das Verhältnis
zwischen dem Herzog und dem Episkopat nicht das beste war. Er
traute den Bischöfen nicht.
Tassilo regierte sein Land, wie ein selbstständiger Herr, ohne
dass er jedoch die Abhängigkeit Baierns vom fränkischen Reich
in Abrede stellte.^) Auch nachdem er Pippin im aquitanischen
Feldzug des Jahres 703 verlassen hatte, wagte er nicht, völhg mit
dem Reich zu brechen.*) In Baiern aber wusste man nicht anders,
als dass sich die Herrschaft des Königs auch über diesen Stamm
erstrecke; Urkunden aus den Jahren 754, 759. 767 nennen die
Regierungsjahre Pippins neben den seinen.'^) Unter Karl scheint
sofort die Zugehörigkeit des bairischen Herzogtums zum Reich
dexteras nostras ad iustuin iudicium Dei: et tunc manus desteras utrique
ad caelum extendant.
1) C. 10: Eine Freie, welche einen Kirchensklaven geheiratet hat und
den Sklavendienst verweigert, hat drei Jahre lang das Recht der Schei-
dung. C. 17: Der Verwandte einer von ihrem Manne wegen Eheloi-uchs
Verstossenen , der den Mann deshalb angreift, wird mit Strafe der Güter-
konfiskation bedroht.
2) C. 18.
3) Riezler (Gesch. B.'s I S. 153) lässt das ausser Betracht, wenn er
von , völliger Selbstständigkeit" spricht, deren sich Baiern „erfreute". Mit
dem regnum und regnare Tassilos lässt sich nichts beweisen; denn diese
Wendungen finden sich auch im 2. Titel des bairischen Gesetzes, der die
Oberherrschaft des Königs so unumwunden anerkennt (II, 9 S. 287). Noch
weniger beweist der Titel vir illuster. Auch Huber, Gesch. Oesterreichs I
S. 72 scheint mir die Unabhängigkeit Baierns zu überschätzen.
4) Paul I. wurde von ihm bestürmt (iam sepius nos petisse dinosei-
tur), er sollte gute Worte bei Pippin für den Frieden einlegen (Cod.
Carol. 36 S. 545). Ein solches Verlangen konnte er vernünftiger Weise
doch nur stellen, wenn er seinen Schritt irgendwie entschuldigte und ihm
dadurch die Farbe des Treubruchs nahm, die er sebr deutlich trug.
5) Meichelbeck I, 1 S. 52 ff., 3 Urkunden aus den Jahren 754 und
756. In den beiden letzten liest man regnante Pippino und anno regni
Tassilonis nebeneinander. Ebenso in der Urkunde aus dem Jahre 759 I,
2 Nr. 6 S. 28. Endlich in der Urkunde I, 2 Nr. 13 S. 32 ist nur das Jahr
Pippins, nicht aber das Tassilos angegeben. Ihre Datierung ist nicht
sicher. Das Regierungsjahr Pippins führt auf den 7. Mai 767. Dazu
stimmt jedoch die Indiktion nicht. Die Unsicherheit ist für unsere Frage
belanglos, da die Urkunde in Aribos Amtszeit gehört, also jedenfalls später
als 763 liegt.
— 444 —
stärker betont worden /u sein. Tassilo hat sie niclit geleugnet:
nachdem er solion im Anfang der Regierung Karls durch Sturm
von Fulda dein Könige Zusagen gemacht,^ hess er im .lahre 778
das hairische Aufgebot Karl nach Spanien folgen.-) Drei Jahre
später leistete er in Worms vor Karl den Eid der Treue und des
Gehoi-sams.^') Gehalten hat er ihn so wenig als den Schwur von
Compicgne i. J. T.")7. Schon 7S4 kam es bei Bozen zu einem
blutigen Zusammenstoss zwischen den Baiern und einem fränki-
schen Grafen;'*) bald waren die Verhidtnisse so gespannt, dass
Tassilo die Intervention des Papstes anrief, um Karl von gewalt-
samen Schritten zurückzuhalten. Er sandte Bischof Arn und Abt
Hunrich zu diesem Zwecke nach Kom. Aber die Verhandlungen,
welche dort zwischen Karl. Hadnan mid den bairischen Gesandten
statthatten, mussten resultatlos enden, da Tassilo in der ihm eigenen
Unentschlossenheit seine Boten nicht bevollmächtigt hatte, irgend
welche Inndende Zusagen zu machen. Nicht nur Karl war er-
züiTit, auch Hadrian sali in dem Verhaken des Herzogs Mangel
an Aufrichtigkeit und Zuverlässigkeit: er forderte ihn unter Drohung
mit dem Bannfluch der Kirche zum Gehorsam gegen den König
auf. Das gleiche Verlangen stellte Karl selbst, nachdem er nach
Deutschland zurückgekehrt war. Tassilo war vor die Entscheidung
zwischen offenem Kam])f und aufrichtiger Unterwerfung gestellt;
er wählte den ersteren.'') Allein er kannte seine Lage nicht: die
bairischen (Crossen waren längst mit seiner Regierung unzufrieden;")
i]f'V b;iiri<elif' E]tiskopnt war fränkisch gesinnt.') auf die ^^asse der
1) V. Sturm. 22 S. 376. Dass die Herstellung der Froundschaft nur
auf r4nind von Zusagen Tasailos möglich war. versteht sich hei Karls Cha-
i'akter von selbst.
2) Ann. Lauriss. z. d. .T. Riezier sucht Gesch. B.'s I 8. 163 das Ge-
wicht dieser Nachricht zu beseitigen: man freut sich des Scharfsinn.s, aber
man wird nicht überzeugt.
'^) Ann. Lauriss. min. 15 und 16: niai., ?]iiih. Lauresh. z. .1. 781.
4) Ann. S. Emmer. mai. /, .1. 78.'). über das .Jahr s. Abel, JB.
S. 477 Anm. 1. •
ö) Ann. Lauri.ss. min. 19; mai., Einh. z. .1. 787.
6) S. o. S. 441.
7) Von Aribo ist das .sicher (s. 8. 426): in Bezug auf Arn mindestens
äusserst wahrscheinlich: es ist schwer anzunehmen, dass Tassilo den Abt
eines fränkischen Klosters nach Salzburg berufen hätte, wenn er nicht durch
Karl dazu veranlasst worden wäre. Arn betrachtete sich als Bischof durch
die Gnade Karls: per mercedem domni nostri Caroli (Tndic. .\rn. 8. 1.5, s.
S. 421 Anm. 6). Bei dem engen Zusammenhalt des I)airi9chen ?-piskopat8
liegt die Annahme sehr nahe, dass die übrigen Bischöfe nicht anders ge-
sinnt waren als diese beiden (a. S. 427 ff.)
— 445 —
Bevr)lkeriiiig wirkte vielleicht die päpstliche Drohung;') dazu kam,
dass die li'änkischeu Könige vorlängst in dem bairischen Herzog-
timi nicht unbedeutenden Gnindbesitz und demgemäss auch Lehens-
leute hatten;-) schon unter Karl Martell hatten Baiern sich in den
Schutz der Frankenfürsten gestellt, unter Pippin und Karl war
das ebenfalls geschehen/') So trat denn ein, was Tassilo nicht
fürchtete, und Karl schwerhch hoffte. Die Baiern folgten zwar dem
Aufrufe des Herzogs und erschienen bewaffnet um ihn: aber als
er sie zum Kampfe gegen Karl führen wollte, verweigerten sie den
Gehorsam: sie erklärten ihrem eidbrüchigen Herzog, dass sie die
Plhcht gegen den König der gegen den Herzog voranstellen müssten.
Da euttiel Tassilo der Mut; jetzt, wo es galt, für die eigenen An-
sprüche oder Eechte zu sterben, gab er nach: am 3. Oktober 787
leistete er, wahrscheinlich auf dem Lechfelde, von neuem den
Vasalleneid. Dadm'ch erkaufte er sein Herzogtum: das ganze
bairische Volk aber schwm- dem König den Eid der Treue. ^)
Tassilos Unterwerfung war nicht rühmlich, denn sie war eine That
der Feigheit. Aber hätte er nm* wenigstens jetzt seinen Eid ge-
halten. Allein nun kam er auf den verzweifelten Gedanken, die
verlorene Selbstständigkeit mit Hilfe der Avaren wieder zu erringen.
Unter allen Feinden der deutschen Nation waren diese jeder Mensch-
hchkeit baren Barbaren den Deutschen die verhasstesten. Dass
Tassilo mit ihnen Unterhandlungen pflog, konnte natürhch nicht
verborgen bleiben. Das bamsche Volk aber wai" vollständig im
Rechte, wenn es, über den Veri'at des Herzogs emj^ört. vor dem
König Klage wider ihn erhob. Das Ende war, dass Tassilo auf
dem Tage zu Ingelheün zum Tode verurteilt wurde. Das geschah
nach baii'ischem Eecht, das demjenigen das Leben versagte, der
1) Dies heben Abel S. 599 u. a. hervor. Überliefert ist es nicht; denn
die Histor. fundat. Pez Thes. III, 3 S. 495 ist keine Quelle, deren Zeugnis
Gewicht hat. Das hat Ketterer S. 100 nicht bedacht.
2) Lex Bai. tit. II, 14 S. 288: Sive regis vassus, sive ducis. Wie be-
deutend der Grundbesitz war, ergiebt sich daraus, dass vor 755 allein in
Österreich an ungefähr 150 Oi-ten königliche Kammergüter nachgewiesen
werden können, s. v. Inama-Stemegg, Ausbildung der grossen Grundherr-
schaften 1878 S. 26.
3i Cap., quae ad leg. Baior. Karol. add. iussit 11, 8 S. 479: Quod non
amplius de illis iustutiis missi nostri ad praesens modo faciant, nisi de tem-
poribus Tassilonis seu Liutpirgae, excepto illis, qui ad fidem avi et geni-
toris nostri vel ad nos venerint.
4) Ann. Lauresh., Lauriss. min., mai., Einh. z. J. 787; vgl. Hibern.
exul. carm. 2 v. 65 ff. S. 398 f. Die strategischen Massregeln Karls waren
überdies so getroffen, dass Tassilos Lage hoffnungslos war.
— 44li —
den Ft'iud iii> Land rief. Ebentalls nach bairischem Hechte hat
Karl den Veruiteilten zur Einschliessung in ein Kloster begnadigt.^)
Die Katastrophe Tassilos ist keine Tragödie. Nie ist eine
Empörung so thöricht und knabenhaft geplant und ins Werk ge-
setzt worden als die seine: er verstand nicht, den rechten Augen-
blick zu ergreifen, in dem sein Abfall Aussicht auf Erfolg gehabt
hätte: er vei-stand ebenso wenig im ungünstigen Augeid)lick den
Erfolg zu erzwingen, indem er alles aufs Si)iel setzte. Wo er hätte
handeln sollen, zögerte er, und als seine Sache bereits verloren
war, handelte er. Auf dem Kelche, den er dem Stift Krems-
müuster zum Geschenke machte,-) bezeichnete er sich als den
tapfern Herzog: aber im Augenblick der Gefohr hat ihn jedesmal
der i\Iut verlassen. Im Kreise seiner Anhänger hat er prahlerische
Worte geredet: Hätte er zehn Söhne, so wollte er sie lieber ver-
lieren, als seine Zusagen halten; er möchte lieber tot sein, denn
als Unterthan leben ;"^) aber als es zur Entscheidung kam. blieb
sein Schwert in der Scheide; er machte nicht einmal den Versuch,
für seine Sache zu fechten. Er verdiente es. dass ihn Karl als
Geschorenen leben liess.
Fn Baiern hat man seinen Sturz nicht bedauert. Weini man
ein Vierteljahr, nachdem das l)airische Herzogtum ein Ende ge-
funden luitte. eine T^rkunde datierte als geschrieben unter der HeiT-
schaft des erhabenen Hemi und ruhmreichen Königs Karl."*) und
wenn man eine andere datierte in dem Jahre, da unser Herr, der
1) Lli. ct. z. J. 788. Kiezlcr.-; für Ta.ssilo viel günsti^ero Darstelhing
scheint mir den Quellen gegenüber unhaltbar. Ks ist unrichtig, dass man
„in durchaus willkürlichem Verfahren auf ein 25 Jahre übersehenes Ver-
brechen zurückgritf" (Ge.sch. U.'s I S. 170). Nach dein unverwerflichen
Berichte der sog. Lorscher Annalen bezog sich die Klage der Bai(u-n auf
die Untreue Ta.ssilos nach dem YAd von 787. Da.ss ein Bündnis zwischen
ihm und den Avaren abgeschlossen war, beweist der Avareneinfall im .Tahre
788. Auch Huber (Gesch. Oesterreichs I S. 76) irrt, indem er die Vermutung
ausspricht, dass die feindselige Haltung Tassilos vielleicht nicht zu beweisen
gewesen sei. In den Lorscher Annalen liest man ausdrücklich: T. confessus
est postea (nach dem Tag auf dem Lechfeld) ad Avaros transmisisse. Wenn
man bei dem Urteil das ganze Schuldregister Tassilos aufzählte, so lag
darin kein Unrecht gegen den Herzog. Das schlimmste Urteil über ihn
ist seine Begnadigung; denn sie beweist, dass ihn Karl auf äusserste gering
schätzte.
2) .T. V. Falke, Gp.sch. des deutschen Kunstgewerbe.s h>. 22: TAS81L0
DVX FORTIS f LIVT1'IK(; VIKGA KK(4AL1S.
'i) Ann. Lauriss. mai. z. ,1. 788.
4) Meichelbeck I, 2 S. 79 f. Nr. 99.
— 447 —
König Karl. Baiern envarb/) so liegt darin nicht die Trauer um
einen Verlust, sondern die Freude, dass ein schlechter Zustand
einem besseren gewichen war.-)
Für die kirchlichen Verhältnisse bewirkte das Ende des bai-
rischen Herzogtums kaum irgend eine Veränderung. Xm* eines
wurde anders: die auffällige Förderung der Klöster nahm ein Ende.
So zahlreich die Neugründungen unter Tassilo sind, unter Karl ist
kein einziges bairisches Kloster entstanden ; ja die Klöster mussten
sich entschliessen, auf Rechte zu verzichten, die ihnen Tassilo ein-
geräumt hatte. ^) Karl erwartete bei den Mönchen wenig Freund-
schaft; deshalb verlieh er bairische Klöster an fränkische Prälaten:
so kam Chiemsee an Angilram von Metz^) und Moudsee an Hilde-
bald von Köln.'^)
Im übrigen eut\nckelten sich die Verhältnisse ruhig weiter.
Karl hütete sich, störend einzugreifen, er löste nicht einmal den
bisherigen Zusammenhang der bairischen Bistümer auf. AVährend
der bairische Stamm seine poHtische Selbstständigkeit einbüsste,
bheb die bairische Kirche ein eigener Kirchenkörper: die bisherige
Laudeskirche wurde zum Erzbistum Salzburg.'^) Aber ein Unter-
schied war doch; denn das neue Erzbistum war nun ein Teil der
fränkischen Eeichskirche.
Es entspricht diesem Zustande, dass seit Tassilos Entsetzung
das Bestreben sich in verstärktem Masse geltend machte, den Ein-
richtungen, welche soeben in der fränkischen Kirche durchgeführt
wurden, auch in Baiern Anerkennung zu verschaffen. Hiefür war
Erzbischof Arn die rechte Persönlichkeit. Ein geborener Baier,
verdankte er seine theologische Bildung dem Aufenthalt im Westen,
war er mit Alkuin enge befi-eundet und gehörte er als Abt eines
grossen fränkischen Klosters dem Verband der Reichskirche un-
mittelbar an. Wie entschieden er das fränkische Vorbild als Regel
betrachtete, zeigt nichts so deuthch als das Schreiben, durch welches
er, wahrscheinhch im Herbst 798. seine erste SjTiode nach Ries-
bach berief. ' ) Er erinnerte direkt an den Vorgang der fränkischen
1) L. c. Nr. 100 S. 80.
2) Um so lebhafter ist die Trauer der Partikularisten des 19. Jahr-
hunderts, s. Eberl im Jahresbericht der Studienanstalt Straubing 1891.
3) Vgl. oben S. 416 Änm. 5.
4) Urkunde Karls vom 25. Oktober 788 (ß.M. 289).
5) S. die Mondseeer Schenkungen 11, 14 u. a.
6) S. 0. S. 207 f.
7) M.G. Leg. III S. 477. Ich glaube nicht, dass das Schreiben zu
der Riesbacher Synode, deren Beschlüsse auf uns gekommen sind (1. c.
S. 468 = Cap. 112 S. 226), gehört. In diesem Fall müsste das Datum
— 448 —
Bischült'. welche kurz vorher eine Synode gehalten hatten; ihre Be-
schUisse sollten gewissermassen als Vorlage für die bairische Synode
dienen: deshall) sollten die Bischöfe sich Ahschiiften dersell)en ver-
schaffen und sie nach Riesbach mitbringen.')
Arn wünschte seine Synode zu einer Repräsentation des ganzen
Erzbistums zu machen. Er lud deshalb nicht nur die Bischöfe und
Chorbischöfe ein. scmdern ordnete an, dass auch die Erzpriester und
andere hervorragende Kleriker und Mönche erschienen. Wir be-
sitzen die Beschlüsse, welche mau fasste, nicht, wohl aber das
Schreiben, durch welches Arn sie dem Klerus seines Sprengeis
puijliziei-te.-) Man hört den Gesinnungsgenossen Alkuins reden,
13. Kai. Septembres in 13. Kai. Februar, geändert werden, da die Riesbaclier
Synode am 20. Januar 799 stattfand. Das ist gewaltsam. Dazu kommt,
dass man Anlass hat, eine zweite Riesbacher Synode unter Arn anzunehmen.
Die von Regino erwähnten Kanones (S. 477) fehlen in denjenigen der Synode
von 799. Dass Arn schon im Sommer 798 in Riesbach eine Synode ab-
gehalten hat, ist möglich; er kehrte im Laufe desselben von Rom zurück,
wie sich aus dem Briefe ergiebt. den Alkuin am 13. September 798 erhielt,
und der ihn wegen seiner Dürftigkeit so wenig befriedigte (Ale. ep. 157
S. 255).
1) Von einer fränkischen Synode im Jahre 798 ist nichts bekannt.
2) Ich komme damit auf die sogen. Pastoralanweisung von Nouching
und begründe in Kürze mein Urteil über dieses .\ktenstück. Dasselbe ist
erhalten in einem Benediktbeurer Kodex in München, der dem 12. Jahr-
hundert angehört (Merkel Nr. 8 S. 242). Hier folgt es unter «ler Lber-
schrift: Qualis debeat esse pastor ecclesiae, auf die Beschlüsse von Neuching;
gedruckt in Westenrieders Beiträgen I S. 22 ff. Beinahe wörtlich findet
sich der Anfang in einem Diessener Kodex in München, hier Oelasius I.
zugeschrieben, gedruckt bei Thiel (ep. Rom. pontif. I S. 508). Thiel lässt
die Frage offen, ob das Bruchstück Gelasius angehört; Merkel (S. 246) be-
jahte .sie Wie mich dünkt, ist sie zu verneinen, (regen Gelasius ent-
scheidet, was über die Verteilung des kirchlichen Kinkommen.s gesagt ist.
Nach S. 27 sollen 4 Teile gemacht worden: 1. für den Bischof, 2. für Pres-
byter und Diakoneu, 3. für den Klerus, 4. für Fremde. Dagegen bestimmt
Gelasius ep. 14 c. 27 S. 361: Teilung für den Bischof, die Kleriker, die Armen
und die Kirchenfabrik. Ist Gelasius nicht der Urheber, so weisen die Hand-
schriften auf einen bairischen Verfasser, beziehungsweise auf eine bairische
Synode is. S. 30). Vor dem Frühjahr, 798 aber kann das Schriftstück nicht
entstanden sein, denn es setzt den Bestand eines Erzbistums voraus (S. 28).
Die von Hefele (CG. III S. 619) noch festgehaltene Annahme des ersten
Herau.sgebers des Stückes, Baiern werde als Bestandteil der Mainzer Metro-
pole betrachtet, widerspricht allem, was wir über die kirchlichen Zustände
Baierns unter Tassilo wissen. Das Schriftstück kann aber auch nicht nach
dem Jahre 799 erlassen sein ; denn auf der Freisinger Synode dieses Jahres
wurde die Verteüung der kirchlichen Einkünfte nach der Bestimmung de»
— 449 —
wenn er vor allem von den sittlichen Verpflichtungen spricht,
welche die Geisthchen in Bezug auf ihr eigenes Leben hätten;
rechter Wandel und rechte Lehre müssteu Hand in Hand gehen. ^)
Was dann im einzehien angeordnet wii'd, ist Übertragung fränki-
scher Einrichtungen auf Baiern. Das gilt in Bezug auf die
Organisation des Kathedralklerus: jeder Bischof sollte an seiner
bischöflichen Kirche eine angemessene Zahl von Priestern
und Diakonen bestellen und sie täglich zm- Lektion um sich
Gelasius geregelt (c. 13 S. 228). Nun hat Regino einen Riesbacher Kanon
aufgezeichnet (S. 477), der sich unter den Kanones der Synode von 799
nicht findet (s. o. S. 448) Er findet sich dagegen, zwar nicht wörtlich aber
inhaltlich ganz genau, in der Pastoralanweisung S. 26. Dies giebt ein
Recht, sie einer Riesbacher Synode im Herbst 798 zuzuschreiben. Auf
dieser Synode wird auch der 2. Kanon Reginos über die Festtage ange-
nommen worden sein. Denn dass ein solcher Beschluss unter Arn vor dorn
Jahre 800 gefasst wurde, beweist Ale. ep. 193 S. 321, die Erwähnung der
Einführung des Allerheiligenfestes in Baiern. Dass er in der Pastoral-
anweisung nicht erwähnt ist, macht keine Schwierigkeit: sie ist ja nur
fragmentarisch auf uns gekommen. Wir besitzen in ihr nicht die Beschlüsse
der Riesbacher vSynode vom August 798 in der Form, wie sie gefasst wurden,
sondern die Zusammenfassung derselben zum Zwecke der Eröffnung an den
gesamten Klerus des Erzbistums. Also einen Erlass Ams. Dass das Ein-
ladungsschreiben und dieser Erlass zusammengehören, darauf weist auch
die seltsame Art hin, in welcher in beiden Aktenstücken Karl bezeichnet
ist, im Briefe : in regno domni senioris nostri, in dem Erlass S. 27: summus
princeps, cui Dens populum tradidit ad regendum : beide Male ist der Titel
König vermieden. An Arn als Verfasser zu denken ist noch besonders
dadurch nahe gelegt, dass die Gedanken, welche in der Einleitung S. 22 f.
ausgesprochen werden, genau zusammentreffen mit den Ermahnungen, welche
Leo III. in seinem Schreiben vom 20. April 798, J.W. 2498, an Arn richtet
(ÜB. des Herzogt. Steiermark I S. 1 f.). Diesem Urteil über die Pastoral-
anweisung entspricht durchaus ihr Inhalt: denn derselbe zeigt überall, dass
die Anordnungen Karls in Baiern eingeführt werden sollten : der Absatz S. 23
Et quamuis ist ein Seitenstück zur Einführung des kanonischen Lebens des
Kathedralklerus; S. 23 Presbyteros qui sunt fordert ein gewisses Mass theo-
logischer Bildung der Priester; S. 24 Sacramentar. Revision der liturg.
Bücher, gegen Paganien: S. 26 Qui sunt, gegen das Waffentragen der
Kleriker; Ib. Episcopus autem, Einrichtung von Schulen an den bischöf-
lichen Kirchen; S. 28 Et unusquisque, Teilnahme an den Reichssynoden;
in jedem Bistum jährlich zwei Diözesansynoden. Ib. Et hoc omnino, keine
fremden B^eriker. Ib. Et cum summa, gegen Wanderbischöfe. S. 29 Et
hoc secundum, gegen eigenmächtige Absolution Exkommunizierter. In
allen diesen Stücken liegt die Nachahmung der Vorschriften Karls offen vor.
1) S. 22: Qualiter uivat, et bene vivens, qualiter doceat, et recte docens,
infirmitatem suam cottidie quanta consideratione cognoscat.
Hauck, Kirchengeschichte. II. 2. Aufl. 29
— 4ÖU —
saniiuelu.') Nicht minder in Bezug auf die Bildung und Anitsfühmng
des Geistlichen: in ei-sterer Hinsicht forderte Am die En-ichtuug
von Schulen an den hischöf liehen Kirchen; wie in den fränkischen
Schulen sollttni die Kleriker im Gesang und im Vollzug liturgischer
Handlungen geübt und in der Theologie unterwiesen wenden. In
ei-sterer Hinsicht bestimmte er. dass überall die gottesdienstlichen
Formen der römischen Kirche beobachtet würden. Der Amts-
führung der Geistlichen musste es dienen, dass er eine der Be-
Tölkerung entsprechende Verteilung der Priester innerhalb der Diö-
zesen und klare Abgrenzung der Pfarrl)ezirke forderte.-) Auch
was über die Unterordnung des Klerus unter den Bischot^ die Ver-
waltung des Kirchenguts, die Leistung der Zebuten. das Beicht-
und Busswesen, den Kampf gegen Unzucht und Aberglauben
n. dgl. gesagt wird, bildet Parallelen zu Verordnungen Karls und
Beschlüssen fränkischer Synoden. Baiern sollte den Vorsprung,
den die Kirche des Reichs Dank der Thätigkeit Karls gewonnen
hatte, möglichst rasch einholen.
Im Januar 799 folgte eine neue Zusammenkunft der bairi-
schen Bischöfe in Riesbach und kui'z darauf zwei weitere in Frei-
sing und Salzburg.")
1) S. 23: Et quamvis cum labore clerum sibi comraissuni diliffat, aniet,
doceat . . . presbyteros secnndum eorum pradus. diaconos in eodesia sua
secundum possibilitatem uel loci ipsius paupertatem secuiidum dispositionell!
uel traditionom apostoloruni aut lll aut V aut IUI, si possibilitas loci mon-
atraverit. Ipsi sint docti etc. Hefele (CG. III S. 617) giebt diese Bestimrauug
mit den Worten wieder, dass er die Priester belehren und an jedem Orte
nach Massgabe des Kirchonvennügens 3 — 5 Dinkonen anstellen solle. Da.s
ist jedoch offenbar unrichtig. Abgesehen von der Kleinigkeit, dass bei den
Worten sec. dispos. apost. an 7 Diakonen zu denken sein wird, handelt es
sich nicht um jede Kirche des Bistums, sondern um dio Kathedrale (in
ecclesia sua). Arn wünschte, dass an jeder l)isrhöf liehen Kirche eine Anzahl
Priester und 3—7 Diakonen aufgestellt würden. Die ÜPstimmung ist ver-
ständlich, wenn man sich daran erinnert, dass gerade in Baiorn das Bistum
und das Hauptkloster der Diözese vielfach vereinigt waren. Die Ries-
bacher Synode von 799 unterscheidet bereits zwischen Kanonikern und
Manchen (Cap. 112, 2 S. 22«).
2) S. 23: Presbyteros, qui .sunt apud illum parochia. secundum popu-
lum constituat unicuique per oingula loca iungat . . et describat ppiscopus
suis presbyteris. quantum uel qualia loca ad regendum eis consignaverit.
3) Cap. 112 S. 226 ft'. In jungen Notizen über diese Synoden (M.G.
Leg. III S. 474 ff.) ist als Tag des Riesbacher Konzils der 20. .lanuar 796
angogftben, daneben das 82 Regieningsjahr Karls. Beide Angaben sind
anmüglich; im .lahre 796 war Am noch nicht Krzl)ischof. und am 20. .Januar
800 war er in Rom. Da die Synoden vor der Kaiserkrönung stattgefunden
— 4Ö1 —
Wenn man die lange Reihe der Beschlüsse dieser drei Tage
überblickt, so zeigen dieselben die gleiche Tendenz wie der eben
besprochene Erlass Arns: allgemeingiltige kirchhche Bestimmungen
sollten in Baieni durchgeführt werden:^) in Bezug auf den Gottes-
dienst galt dabei das römische Vorbild als das massgebende;-)
wenn die Verfassung berührt Avurde, gab das fi^änkische Kirchen-
recht den Ausschlag.^)
Ganz den Bestrebungen Karls d, Gr. entsprechend sind die
Bestimnmugen , welche gewissenhafte Amtsführung von Seiten des
gesamten Klerus fordern,*) oder unrechtmässige Ausdehnung des
Kirchenguts verwehren.'') Wird der gesamte Klerus samt Mönchen
und Nonnen in eine grosse Gebetsgemeinschaft zusammengefasst,
so ist der Hinblick auf den Gebetsverein von Dingolfing unver-
kennbar: der Zwiespalt, der sich damals hinderlich be\\iesen hatte,
war nun beseitigt.")
haben müssen, so bleibt nur der 20. Januar 799. Die beiden andern Zu-
sammenkünfte müssen vor dem Mai stattgefunden haben, da Arn um diese
Zeit Baiern vei'liess.
1) C. 3: Rechtsätreitigkeiten der Kleriker nicht vor dem vreltliclien
Gerichte ; c. 5 : Fasten der Kleriker am Mittwoch und Freitag ; c. 6 ; Zwei-
mal jährlich Synoden; c. 7: Beobachtung der legitimen Ordinationszeiten;
c. 8: Friedonskuss; c. 10: Gegen das Zinsennehmen der Kleriker; c. 13:
Verteilung des kirchlichen Einkommens; c. 17: Verbot der mulieres extra-
neae; c. 31: Gegen die Ordination Unfreier.
2) Auf gottesdienstliche Verhältnisse beziehen sich: c. 32: In allen
Pfarreien sind eigene Taufkirchen zu errichten; c. 33: Am Montag, Diens-
tag (■? Mittwoch) und Freitag der Quadrages sind Litaneien abzuhalten;
c. 34: Das Volk ruft dabei Kyrieeleison, ut non tarn rustice ut nunc usque
sed melius discant; c. 41: Vier Marientage; c. 42: Ut feria quarta ante
initium quadragesimae , quam Romani caput ieiunii nuncupant, solemniter
celebretur cum laetania et missa post horam nonam; c. 43: Annahme der
römischen Ordnungen über die Feier von Mittwoch und Freitag der Kar-
woche, si vobis videtur.
3) C. 26: Der Instanzenzug Bischof, Metropolit, König; c. 30: Ut nullus
episcopus neque abbas sibi atrahere audeat res tributalium domni regis i.
c. basilicas eorum benedicere vel quicquid a tali conditione pertinere videtur
antequam domnus rex hoc pleniter definiatur.
4) C. 35: Prüfung der Ordinanden; c. 36: Die Presbyter haben regel-
mässige Messe zu lesen; c. 37: Gewissenhafte Verwaltung des Kirchenguts;
c. 38: Amtsführung der Archipresbyter; c. 39 der Diakonen.
•5) C. 11: Ut nullus episcopus vel abbas atrahere audeat res nobilium
causa ambitionis.
6) Salzburg c. 45 S. 230. Das Bedeutende scheint mir hier nicht die
Weise, wie die Mitteilung der Todesanzeige vorgenommen werden sollte,
sondern der ßeschluss, dass der gesamte bairische Klerus zu einer Gebets-
29*
— 452 —
Die auf das Milnchtuiu bczügliclicu Beschlüsse dienen der Ab-
sicht, zwischen Mönchen und Weltgeisthchen schärfer zu scheiden,
und die ei'steren. die trotz des Beschhisses von Neuching vielfach
PfaiTstellen vei-sahen/) von der Thätigkeit in der Kirche zurückzu-
weisen zu dem asketischen Leben.-)
Endlicli in Bezug auf die Laien tritt der naclidrückhclie
Kampf gegen den Aberghiuben und andere herrschende Sünden"')
in den Vordergnind; nur in sehr massvoller AVeise werden gewisse
asketische Leistungen den Laien empfohlen.^)
Aus der späteren Zeit Karls d. Gr. haben wir nur von den
Beschlüssen zweier bairischer Synoden Kunde. Die erstere im
.Jahre 805 beschloss eine Erneuerung und Erweitei'ung des Gebets-
Yereins;'0 die letztere im Jahre 807 führte zu einer Verständigung
zwischen Bischöfen und Al)ten über den Anteil der Klöster
an den Zehnten: wieder sahen die Abte sich genötigt, nach-
zugeben.")
Verbrüderung vereinigt wurde. In Dingolfing hatte sich nur die fränkische
Partei verbunden.
1) C. 25: L't qui monachico voto est constitutus, nullo modo parrochiaiu
teneat.
2) Cl 18: Laien ist das Betreten der Klöster untersagt, nisi forte si
maiores personae fuerint, quod omnino vitare non possumus; c. 10: Keob-
achtung des Noviziats nach der Regel Benedikts; c. 20: Die Kutte ist aus-
schliesslich Tracht der Mönche; c. 21: Die Nonnenklöster sind für Kleriker
und Laien verschlossen; die Priester dürfen sie nur zum Zweck des Gottes-
dienstes und der Seelsorge betreten; c. 22: Die Glocke zu läuten und die
Lichter anzuzünden ist den Nonnen erlaubt; c. 24: Teilnahme an Gast-
mählern ist den Mönchen untersagt; c. 27: Die Äbtissinnen dürfen nur mit
Erlaubnis des Bischofs aus dem Kloster gehen; c. 28: Miinnorkleider anzu-
zielien ist den Nonnen untersagt; c. 29: Mönche und Nonnen sollen sicli,
von Ausnahmefällen abgesehen, des Fleischgenusses enthalten; c. 40: Kloster-
beamte sollen nichts als Eigentum sich aneignen; c. 4.'i: Eintracht in den
Klöstern.
3) C. 15: Untersuchungen in liezug auf Hexerei; c. 16: (iegen da-
Schwören; c. 23: Verbotene Ehen.
4) C. 4: Allgemeines Almosengeben an 4 bestimmten Tagen im .Talup.
Et hoc invitus neque coactus nemo faciat; c. 5: Beobachtung des Fastens
durch Laien.
5) M.G. Leg. III S. 47'.>. Die Münchener Handschrift, welche da.*
Bruchstück des Synodalprotokolls enthält, stammt aus Freising. Darauf
beruht wohl Hefeies Vermutung (CG. III S. 748), die Synode habe in
Freising stattgefunden.
6) L. c. Die Synodp fand zu Salzburg statt, 16. .lanuar 807. Teil-
nehmer: Arn, Atto von Freising, Adalwin von Regensburg, Hato von Passau,
Einrieb von Sehen. Über den Beschluss s. Stutz I S. 215 f.
— 453 —
Doch waren diese beiden Synoden nicht die einzigen, welche
zwischen der Kaiserki'önung und dem Tode Karls stattfanden. Es
lassen sich noch drei andere nachweisen, so dass man annehmen
darf, dass Arn ziemlich regelmässig Beratungen mit dem Klerus
seiner Diözese pflog.') Zwar sind Protokolle nicht erhalten; aljer
es fehlt nicht jede Spur von der Thätigkeit dieser Synoden; denn
die Zusätze Karls zum baiiischen Gesetze werden auf Anträge der
Bischöfe zurückzufiiliren sein. So weit sie kirchliche Angelegen-
heiten berülu'en, entsprechen sie der Tendenz, die bischöfliche
Herrschaft über die Diözese zur allgemeinen Anerkennung zu
bringen.^)
Der Ertrag der Thätigkeit Arns war die Verschmelzung der
bairischen mit der fränkischen Kirche.'^) Ein äusseres Zeugnis fiii*
ihre Vollendung hat man daran, dass Karl nun das Neuburger
Bistum^) wieder aufhob. Im Jahre 798 bestand es noch;'^) Karl
1) Eine Synode in Regensburg ist in der Urkunde vom 16. Juni 804
(Meichelbeck I, 2 S. 92 Nr. 121) erwähnt; Teilnehmer: Arn, Atto, Waltrich
von Passau, Altheus (?); eine zweite Regensburger Synode vor 810 in der
nicht datierten Urkunde Meichelbeck I, 2 S. 144 Nr. 256; Teilnehmer waren:
Arn, Atto, Adalwin, Hato, Einrieb und Agnus (? von Eichstätt; Graf Hundt
[Münch. Abb. XIII, 2 S. 60] hält ihn für einen Chorbischof). Eine Synode
in Freising vor 810 in einer undatierten Freisinger Urkunde (Roth, Ver-
zeichnis der Freisinger Urkunden S. 19 Nr. 164); Teilnehmer: Arn, Adalwin,
Atto, Hato, Einrieb. Eine Passauer Diözesansynode unter Bischof Waldrich
(M. B. XXVIII, 2 S. 57 Nr. 70). Freisinger Diözesansynoden: 26. März 772
(Meichelbeck I, 2 S. 45 Nr. 29), 16. September 804 (1. c. S. 100 Nr. 139),
L Mai 809 (1. c. S. 114 Nr. 170), vor 4. Aug. 810 (1. c. S. 122 Nr. 192).
2) Cap. 68, 7 S. 158 = Leg. III S. 477 ff. I, 9: Ut clericum nemo reci-
pere audeat sine consensu episcopi sui. Cap. 69, 2 = 11, 2: üt omnes epis-
copi potestative secundum regulam canonicam doceant et regant eorum
ministeria, tarn in monasteriis virorum quamque et puellarum vel in
forensis presbiteris seu reliquo populo Dei: c. 5: Ut . . adulteri vel in-
cestuosi sub magna districtione et correctione sint correpti secundum eoa
Baiuvariorum vel lege.
3) Herzberg - Fränkel (NA. XII S. 101) weist darauf hin, dass der
Charakter der Aufzeichnungen im Verbrüderungsbuch von St. Peter sich
seit Tassilos Sturz ändert: früher ist der Gesichtskreis bairisch, nun euro-
päisch. So spiegelt sich im Kleinen das Grosse.
4) S. Bd. I S. 523 f.
5) Brief Leos III. (J.W. 2495). Hier ist Sindpert als Neuburger Bischof
genannt. Über den ersten Bischof von Neuburg, Wicterp, s. Bd. I S. 524.
Als sein Nachfolger erscheint Manno, der oben S. 442 A. 1 als Glied der Synode
von Dingolfing genannt wurde. Er unterschreibt am 23. Januar 759 eine
Freisinger Urkunde als Zeuge (Meichelbeck I, 2 S. 27 Nr. 6). Herzberg-
Fränkel (NA. XII S. 103) lässt ihn vor 745 Bischof werden und vor 774
— 404 —
hatte OS Wahlschein 1 ich mich Tassilos Absetzung dem Abte Sint-
pert von Murbach übertragen,') ihm wird er bei der nächsten Er-
ledigung des Augsburger Bistums auch dieses verheben haben. ^)
Dadurch wurde der ehemahge Umfang der Augsburger Diözese
wieder hergestellt.
Erst seitdem die bairische Kirche der Keichskirche (an-
gegliedert WJU", konnten die Missiousaufgaben. welche sie hatte, er-
lüUt werden.
Wie am Maine, so drängten auch in den Al^ien die Slawen
den Germanen folgend nach AVesten.'') Erst durch sie wurde das
römische Christentum in den Alpenthälern vernichtet. Bis gegen
Ende des 6. Jahrhundeiis bestand es fort, gestützt ebenso durch
sterben. Wer sein Nachfolger war. ist luigewiss; schwerlich jener Hiltiger,
welcher in der S. 453 Anm. 1 erwähnten Freisinger Urkunde vom 16. Juni
804 als vocatus episcopus vorkommt (so Rettberg KG. D.'s II S. 160, gegen
ihn mit guten Gründen Graf Hundt, Münch. Abh. XIII, 1 S 58). Eher kann
man an Udalhart denken (Zusatz zur V. Bonif. S. 457 und Salzburger Ver-
brüderungsbuch c. 35, 23, s. Herzberg-Fränkel S. 104).
1) In Murbacher Urkunden von 789 — 792 ist Sintpert konsequent als
episcopus atque abbas, episcopus et abbas de monasterio Morbach. episcopus
de monasterio Morbach bezeichnet (Schöpflin, Alsat. dipl. Nr. 63 — 66 S. .54 tf.).
Das ist zwar nicht entfernt ein Beweis, dass er Bischof einer Diözese war.
Immerhin ist die Vermutung ansprechend, dass die Übertragung Neuburgs
an ihn alsbald nach Tassilos Sturz erfolgte. Möglicherweise hatte Tassilo
seinen Vorgänger in Neuburg ähnlich wie Arpeo von Freising wegen
fränkischer Sympathien entfernt, so dass Karl das Bistum erledigt fand.
Wäre die Nachricht der V. Simperti 1, Poz. Thes. II, 3 S. 358. dass Sintpert
ein Neti'e Karls gewesen sei, nur halbwegs glaubwürdig, so würde der j»o-
litische Hintergedanke seiner Versetzung nach Baiem vollends klar sein.
Aber eine Schrift des 13. Jahrhunderts ist kein Zeugnis für einen Mann
des 8. Es ist zu bedauern, dass Hampe M.G. Kp. V S. 58 Anm. 5 den
sororis Caroli regis filius in die M.("t. eingeführt hat. Denn durch den Ort,
an dem er vorkommt, wird er ein Ansehen erhalten, das ihm nicht geliührt.
In Leos III. Schreiben vom 11. April 800 ist Sintpert Bischof von Stattelsee
genannt. (J.W. 2.503); vielleicht hatte er seinen Sitz in diesem Kloster ge-
nommen. Kurz darnach muss die Vereinigung des Neuburger und Augs-
burger Bistums erfolgt sein; denn in dem Indic. obsid. Saxon. (Cap. 115
S. 233) erscheint Sintpert neben den Bischöfen Haito von Basel und Agino
von Konstanz und dem Abte Waldo von Keichenau, also als schwäbischer
Prälat.
2) Die .Augsburger Bischofslisten haben ihn als Nachfolger Tozzos
(.M.G. Scr. XIII S. 834). Später galt er als Heiliger (I. c. S. 279).
3) Vgl. Zenas, Die Deutschen und ihre Nachbarstämme S. 616 tt^'.
Krones, D. deutsche Be.siedelung der östl. .\lpenländer, lf^89; Strakosch-
Grassmann. Gesch. d. Deutschen in Österreich-Ungarn I, 1895 S. 312 ff.
— 45Ö —
die Beziehungen zu Italien wie durch die zum fränkischen Reich.
Die Oberhoheit des letzteren war unter Theudebert I. iin ganzen
Alpengebiet anerkannt.^) Auch die kirchliche Organisation war
nicht aufgelöst. Es unterhegt keinem Zweifel, dass im Jahre 591
das Bistum Tiburnia noch bestand: es gehörte zur Diözese Aquileja.-)
Aguntum, am Ursprünge der Drau, erscheint um dieselbe Zeit
als fränkische, und wie man wohl annehmen darf, christliche
Stadt. =')
Doch bereits standen die Feinde vor der Thür. Das 6. Jahr-
hundert hef nicht ab, ehe nicht der erste Kampf zwischen den
Baiern und den Slawen ausgefochten war.*) Ununterbrochen wiu'de
seitdem im Gebirge gekämpft: es wechselten Sieg und Niederlage.'^)
Aber aufgehalten wurde das Vordringen der slaAvischen Horden
nicht. Im Anfang des 7. Jahrhunderts lagen Cilli und Windisch
Matrei bereits im Slawenlande.^) Um dieselbe Zeit fiel Tiburnia.')
Die Bevölkerung wurde zum grössten Teil ausgerottet. Der Best
ging unter den Slawen unter; er kann nur sehr gering gewesen
sein; denn die Zahl der von den Slawen übernommenen Namen
von Bergen, Flüssen und Orten ist nui' imljedeutend.*) Vielleicht
dai'f man den Eindruck, den die Vernichtung der christlichen
Kirche im östlichen Alpengebiet auf die fränkische Christenheit
machte, daraus entnehmen, dass Columba von Luxeuil in diesen
Jahren sich mit dem Plane trug, den Wenden zu predigen.'') Bald
standen die Slawen in der Nähe des Brenner: Aguntum wurde
dmch sie vernichtet. ^'^) Nicht minder begegnet man ihnen im Pon-
1) Ep. Theudeb. ad lust. imper. MG. Ep. III S. 133 Nr. 20.
2) S. Bd. I S. 348.
3) Paul. Hist. Lang. II, 4 S. 87: Vitalis von Altino flieht ad Fran-
corum regnum, hoc est ad Agonthiensem civitatem.
4) L. c. IV, 7 S. 146. Nach Riezler Gesch. B.'s I S. 75 um 592.
5) Paul. Hist. Lang. IV, 10 S. 150; 39 S. 167.
6) L. c. IV, 38 S. 166: Hi (die Söhne des Herzogs Gisulf von Friaul)
suo tempore Sclavorum regionem quae Zellia appellatur usque ad locum
qui Medaria dicitur possiderunt. Gisulf fiel im Kampfe gegen die Avaren.
Die Münzen von Cilli reichen bis auf Justin I (s. Strakosch-Grassmann
S. 315.J
7) Die Münzen reichen bis Justinian, a. a. 0. S. 315.
8) Vgl. Krones S. 32 f.
9) V. Columb. 56 (A. S. Mab. II S. 24) : Ut Veneticorum (? Winidorum)
qui et Sclavi dicuntur terrainos adiret. Im Jahrzehnt danach hat Amandus
fruchtlos den Slawen gepredigt; s. Bd. I S. 313.
10) Letzte Erwähnung um 610, Paul. Diac. Hist. Lang. IV, 39 S. 167.
Urkunde Tassilos aus dem Jahre 769 (Fontes rer. Austriac. II, 31 S. 3):
— 4:)() —
gau: manches Jahr hatti'u die Mcinche in der MaxinüHanszelle ge-
hanst: nun wurden sie von den Slawen veijagt.^) Weiter nördhch
findet man sie im Trauniiau:"-) sie okkupierten das Land, ohne sich
um (he Rechte der Besitzer zu kümmern.*^) Noch im 9. Jahr-
hundert heisst das Land an der Enns Slawenhmd.'*) Wo sie sich
festsetzten, da erstarlieii aHe Reste von Kultur. Sie eroberten die
Römerorte nicht wie die Franken, um sie fernerhin zu besitzen,
sondern sie nahmen sie ein, um sie zu vernichten. Das Thal, in
iltiii einstmals Aguntum gelegen war, luinute man im 8. Jahr-
hundert das Gelaufeid: seit alten Zeiten, heisst es in einer Ur-
kunde aus dem Jahre 769, sei es öde und unbewohnbar. Viele
Jahre, liest man von der Maximilianszelle, habe sie wüste
gelegen.
Erst in den letzten Jahren Odilos gestaltete sich die Lage
für Baiern günstiger.'') Seit dem raschen Verfall des von dem
Franken Samo gegründeten und regierten Slawenreichs waren die
einzelnen slawischen Stännne den Avareu nicht mehr gewachsen.
In Folge dessen suchten die Slawen Anlehnung an die Deutschen,
Locum nuncupantem India, quod vulgus campogelau uocantur . . . Ipsa
loca ab antiquo tempore inanem atque inliabitabilem esse cognouiuuis.
1) Brev. notit. 3, 15 S. 30: Contigit ut a vicinis Sclavis illi fraties
qui ad Pongov de Salisburgensi sede ibidem destinati erant, inde expelle-
bantur et ita multis temporibus erat devastata eadera cella propter im-
minentes Sclavos et crudeles paganos.
2) Stift ungsbrief Tasailos für Kremsmünster von 777 (M. B. XXVUI.
2 S. 196). Tassilo schenkt (S. 198) decaniam sclauorum cum opere fiscali
seu tributo iusto, quod nobis antea persoluere consueuerant. Aus den
folgenden Worteri sieht man , dass diese Slawen eine eigene (remeindever-
fassung hatten.
3) L. c. Tradimiis autem et terram quam illi sclaui cultam fecerant
sine consensu nostro infra qui vocatur forst ad Todicha et ad sirnieha.
4} Urkunde von 834 (M. B. XI S. 106): Villam nostri iuris propo
fluvium Knisa . . quae est sita in parte eclauanorum. Über die Grenzen
der Baiern und Slawen. Strakosch-Grassmann 1 S. 319 tf.
5) Quelle für das Folgende ist die convers. Bagoar. 4 f. (M.G. Scr. XI
S. 7 ff.). Unter den Darstellungen verweise ich auf Rettberg (KG. D.'s II
S. 556 ff. j, Riezler (G. B.'s I S. 154 ff.), Alois Huber (Gesch. der Einführung
und Verbreitung des Christentums in Südostdeutsrhland III S. 161 ff.),
KronpH und Strakosch-Grassmann (s. o. S. 454 Anm. 3). .Tahresdaton lassen
sich nicht angeben: der einzige Anhaltspunkt ist, daHS Cheitmar permissione
Pippini regis dem Lande zum Fürsten gegeben wurde, während bei der Ki--
hebung Cacats nur von den Franken die Rede ist. Das letztere Ereignis
wird also vor. das erstere nach 751 fallen.
— 4.") 7 —
und um ihres Schutzes sicher zu seiu, erkannten sie die Oberhoheit
des fränkischen Königs au,^)
Dadm-ch war dem Christentum der Zugang geütfnet. Durch
das Zusammenwirken Pipphis, Virgils von Salzburg und der ein-
geborenen HerrscherfamiHe wm-den die ersten Erfolge rasch imd
ohne Schwierigkeit erreicht. Der Slawenherzog Boruth verschloss
sich der Einsicht nicht, dass das Verhältnis der Slawen zu den
Deutschen nur dann gesichert sei, wenn sein Volk dem Heidentum
entsagte. Er selbst blieb zwar Heide; aber er that die ersten
Schritte, um die Einführung des Christentums anzubahnen. Mit
seiner Zustinnnung wurden sein Sohn Cacatius und sein iSTeffe
Cheitmar, welche er als Geiseln den Deutschen übergeben hatte,
im Kloster Chiemsee im christhchen Glauben erzogen. War erst
das HeiTscherhaus christHch, so war der Übertiitt des Volks niu:
eine Frage der Zeit. Dahin ging Pippins Ansicht. Er gebot
deshald, als Boruth starb, die Entlassung des Cacatius. Ohne
AViderspruch erkannten die Slawen den Zurückgekehi'ten als Füi'sten
an. Xun starb er zwar wenige Jahre nach seiner Erhebung.
Allein ihm folgte sein Vetter Cheitmar, also wieder ein Christ. So
wünschte es Pippin; die Slawen aber begehrten einen Herzog, der
sich auf den fränkischen Schutz verlassen konnte. Deshalb war
ihnen Cheitmar genehmer als irgend ein anderer Prätendent. Er
aber war ein überzeugter Anhänger des chiisthchen Glaubens. Als
er Chiemsee verliess, nahm er den Priester Majoranus, den Neffen
des Abtes Lupus, mit sich: er wollte als ein christhcher Herrscher
in sein Land einziehen. Lupus hatte ihn einstmals aus der Taufe
gehoben, um so bereitwilhger musste er sein, die Slawenmission zu
unterstützen. Wichtiger noch waren die Beziehimgen zu Virgil:
so lange Cheitmar lebte, verging kein Jahr, ohne dass er die
Bischofsstadt an der Salzach besuchte: dort verrichtete er gerne
seine Andacht.-) Er l^etrachtete sein Land als zum Salzburger
Sprengel gehöiig. Das war auch Virgils Gedanke. Er bestellte
zum Zwecke der Slawenpredigt einen eigenen Eegionarbischof
Xamens Modestus. Dersellie begab sich, begleitet von vier Priestern
und ethchen niederen Klerikern,-^) zu den Slawen: er hatte den
1) Damals wird die Wiederherstellung der Maximilianzelle erfolgt
sein (Brev. Not. 8 S. 33 fif.).
2) Der Satz ist unklar: Annis singulis ibidem suum servitium persol-
vebat. Riezler (S. 155) versteht ihn von der Zahlung eines jährlichen
Tributs. Die Worte Maiorianus admonuit eum ad ipsum monasterium
suum Caput declinare in servitium Dei entscheiden, wie mich dünkt, gegen
dies Verständnis.
3) C. 5: Watto, Reginbert, Cozhar, Latinus und der Diakon Ekihard.
_ 4.'..s —
Auftrag, zu predigen, Kirchen zu weihen und Priester zu (»rdi-
nieren. Virgil meinte also, dass es möghch sei: mit der Bekeh-
rung des Volkes und der kirchlichen Organisation gleichzeitig vor-
zugclien: man sieht, Avie sicher ihn die Lage des Christentums
dünkte. Er sell)st ist nie in seinem Missionssprengel gewesen: aber
er ermüdete nicht in der Fürsorge liir densell)en. Als Modestus
starb. ^) wurde seine Stelle durch den Piiester Latinus ersetzt, und
als dieser das Land verliess. traten die Priester Madalhoh und
Wannann in die Ijücke. Ihre Arbeit war nicht vergeblich. AVir
wissen von ethchen Kirchen, die in dieser Zeit in Kärnten ge-
giüudet wurden.-)
Salzburg war nicht der einzige Punkt, von welchem aus <lie
Arbeit der Kirche betrielien wurde. Besonders durch die Grün-
dung des Klosters lunichen suchte Tassilo der Mission eine sichere
Stütze zu verschaffen. Er hat die Stiftungsurkunde im Jahre 769
in Bozen ausgestellt. =^) Das Kloster lag hart an der Grenze des
deutschen Gebiets, da wo der Weg aus dem Pustertlial ins Drau-
thal hinabführt. Seine Lage war so exponiert, dass Tassilo nicht
wagte, es selbstständig zu machen; er übergab es dem Al)te Atto
von Scharnitz. Er sprach dabei die Verptiichtung zur Mission
ausdrücklich aus: Atto sollte das ungläubige Geschlecht der Slawen
auf die Bahn der Wahrheit leiten.^)
1) Der anf^ebliche Sarkophag des Modestus in der Kirche /.n Maria-
Saal ist ein Werk des LS. Jahrhunderts: s. Kunsttopographie des Herzog-
tums Kärnten (Wien 1888) S. 20<), Abbildung Nr. 223 S. 207.
2) Eine Marienkirche in civitate Carantana; der noch im 10. .lahr-
hundcrt bekannte Ort ist jetzt verschwunden; er lag in der Nähe des
heutigen als Wallfahrtsort bekannten Maria-Saal auf dem Zollfelde (Zeuss
a. a. 0. S. 617 Anm. 2); die zweite Kirche in der civitas Liburnia. auf dem
LurntVlde, wie man annimmt, bei Spital in der Nähe von Villach; die dritte
ad Undrinias, eine nicht genau zu fixierende Örtlichkeit, nach v. Ankers-
hofen im Arch. f. Kunde österr. GQ. I, 3 S. 14 der Murboden zwischen
St. Lorenzen und Judenburg. Der Bericht über die Bekehrung spricht
übrigens von „sehr vielen" Kirchen. Aus <len von Arn 811 vorgelegten
Schreiben der P'äpste Zacharias, Stephan und Paul scheint sich ergeben zu
haben, dass Salzburg auch im (4ebiete südlich der Drau missionierte
(Zahn. TB. von Steiermark I Nr. 4 S. 6). Nicht hinreichend begründete
Vermutungen über die Ausdehnung der Missionsarbeit bei Ilubor a. a. 0.
S. 168 ff.
3i Font. rer. Austr. II, 31 S. 3 Nr. 2. Seine Tradition an Innichen
macht er hilari vultu.
4) Propter incredulam generationem Sclauorum ad traroitem ueritatia
deducendam. Auf Arbeit der Mönche von Innichen in Kärnten lässt die
— 459 —
Innichen lag im Sprengel von Seben.^) Auch die Passauer
Kirche wird sich von Anfang an an der Slawenmission beteiligt
haben, Aveungleich das hiefür wichtigste Kloster, Kremsmünster, erst
acht Jahre nach Innichen gestiftet wurde.-) Es lag im Traungau.
ziemhch in der Mitte zwischen Traun und Enns.
Die Fortschiitte waren unverkennbar; doch fehlte es auch
nicht an Schwierigkeiten. Schon Cheitmar hatte mit Gegnern zu
kämpfen, welche wahrscheinhch ebenso sehr der Abhängigkeit von
Deutschland wie der xA.nnahme des Christentums widerstrebten.
Sie waren mächtig genug, die deutschen Piiester zeitenweise aus
dem Lande zu verdrängen. Doch gelang es Cheitmar. in diesen
Schwankungen die HeiTschaft zu behaupten. Sein Tod führte zu
einem Umschlag; denn nun gewann die heidnische Partei ent-
schieden die Oberhand: das Chiistentum w^urde unterdrückt: mehrere
Jahre laug war kein Salzburger Priester im Lande. Diese Eri'olge
der Natioualpartei waren fiü' Baiern zu gefährlich, als dass Tassilo
hätte ruhig bleiben können. Es kam zum Krieg; die Baiern
führten ihn wie einen Rehgionskrieg: sie erinnerten sich an Kon-
stantin, der unter dem Zeichen des Kreuzes siegte.^) Und sie
hatten Erfolg: in demselben Jahre, in welchem Karl die Irmiusul
zerstörte, hat Tassilo die Karantanen genötigt, die deutsche Ober-
herrschaft von neuem anzuerkennen.*) Sie wm-de nun schärfer be-
tont als Mher: wie es scheint, wm'de das Herzogtum einem
Deutschen übertragen.'^) Xun kam neues Leben in das ]\Iissions-
werk. Herzog AValtung knüpfte die Verbindung mit Yirgil wieder
an; ähnhch wie von Fulda und Amorbach aus in Sachsen.
wurde vom Peterskloster aus in Kärnten missioniert: in regel-
Urkunde Matheris vom 10. Juli 822 (Font. rer. Austr. 11, 31 S. 12 Nr. 10)
schliessen.
1) Das Kloster gehörte jedoch von seiner Stiftung her der Freisinger
Kirche. Unter Arn wurde es .,casu" derselben entfremdet und Arn zu
Lehen gegeben; durch Ludwig kam es 816 auf Arns Antrag wieder aa den
Freisinger Dom zurück (Urkunde Ludwigs Font. rer. Austr. II, 31 S. 11
Nr. 9). Es ist ebenso schwer, an jenen Zufall zu glauben, wie daran, dass
Am seinen Antrag freiwillig stellte.
2) S. S. 433 Anm. 3.
3) Auf diese Kämpfe wird man den Bd. I S. 549 Anm. 3 erwähnten
Brief eines Clemens Peregrinus zu beziehen haben. Er ist auch M.Ct.
Epist. IV S. 496 f. gedruckt.
4) Ann. S. Emmer. mai. z. J. 772: Carolus in Saxonia conquesivit
Eresburc et Irminsul et Tassilo Carentanus.
5) Der Name Waltunc klingt deutsch. Freilich kann auch ein ger-
manisiertes wendisches Wort in ihm verborgren sein.
— 4(i0 —
massigem Wechsel wurden Priester von dort /ur Heideni)redigt
ausgesamlt.^)
Dass Biiieni unmittelhar imter die Herrschaft des fiiinkischeu
Königs kam. Inachte das Vordringen der deutschen Kirche nach
Südosten nicht zum Stillstand; im Gegenteil knüpfte sich gerade
an den Fall Tassilos eine hedeutende Erweiterung des bairischen
Missionsgebiets.
Die Avaren lösten das dem Herzog gegebene Wort, indem
sie im Jahre 788 von zwei Seiten her in das fränkische Reich
einfielen. Sie konnten ihren Verbündeten nicht mehr retten und
sich selbst bereiteten sie dadurch den Untergang. Die beiden
Scharen wurden geschlagen. Mannhaft erwehrten sich die Baiern in
zwei siegreichen Schlachten der von ihrem Herzog ins Land gerufenen
Nationalfeinde. Ebenso siegten die fränkischen (ilrafen in Friaul."-)
Nun folgten Unterhandlungen über die fränkisch -avarische
Grenze; sie zerschlugen sich resultatlos. Im Jahre 791 brach der
Kiieg von neuem aus.^) Er dauerte, manichfach unterbrochen
durch fnedliche Zusagen der Avaren, die doch niemals gehalten
Avnrden, bis in die ersten Jahre des 9. Jahrhunderts. Das Ende
wai- die Auflösung des eine Zeit lang so mächtigen und geiürch-
teten, damals schon innerlich verfaulten Reichs: nur ein Kultur-
volk kann Siege ertragen; die Barbaren gehen an ihnen zu Grunde.
Schon die ersten Erfolge führten zu einer Spaltung der Avaren.
Lu Jahre 795 erklärte einer der Häuptlinge sich zur Annahme
des Chi-istentums und dadurch zum Anschluss an die Franken
bereif) Gegen Ende desselben Jahres'^) bewirkte ein Angriff des
1) Concav. Basroar. 5 S. 8 sind 6 Aussendungen unter Viigil erwähnt.
Da dieselben Namen mehrmals wiederkehren, muss man annehmen, dass die
Missionspostpn für gewisse Zeiten besetzt wurden; bei der Neubesetzung
war dann die Wahl derselben Männer möglich: 1. Heimo, Reginbald.
Mainran. 2. Heimo, Dupliter, Maioran; der letztere ist nun Priester, wiili-
rend er bei der ersten Aussendung Diakon war. '^. Gozhar, Maioran.
Erchanbert. 4. Reginbald, Reginhar. ö. Maioran, Augustin. 6. Reginbald,
Gundbar. Das anfangs drei, später zwei Priester ausgesandt wurden, weist
auf Verminderung der Arbeit, also auf die Konsolidation ib-r kirchlichen
Zustände in Kärnten.
2) Ann. Lanriss., Einh. z. J. 788; Ale. ep. 6f. S. 31 f. Über die Avaren-
kriegp vgl. man Abel (.TB. S. 639 ff.), Simson (.JB. passim), Dümmler (Arch.
f. Kunde österr. G.Q. X S. 5ff.), Riezler (Gesch. B.'s 1 S. 175 ff.), Huber
(Gesch. Oesterreichs I S. 77 ff.).
3) Ann. Lauresh. z. d. J. M.G. Scr. l S. :}4; vgl. den Brief Karls an
Fastrada MG. Ep. IV S. 528 Nr. 20.
4) Ann. Lauriss., Einh. z. J. 795.
5) Über die Zeit s. Simson, JB. S. 99.
— 4H1 —
Herzogs Erich von Friaul den Ausbruch einer Empörung gegen
die bisherigen Führer: sie Avurden ermordet und ein neuer Chakan
gewählt. Die Widerstandskraft des Volkes wurde din-ch diese Um-
wälzung nicht gestärkt. Erichs Leute drangen jjlündemd in die
avarische Königsburg ein.^) Im nächsten Jahre vollendete Pippin.
Karls Sohn, den Sieg, indem er die Burg zerstörte.^) Das ge-
demütigte Volk versprach friedliche Unterwerfung und Annahme
des christhchen Glaubens.^) Beendet waren dadurch die Kämpfe,
wie gesagt, nicht; mancher edele Mann ist noch gefallen,*) aber
das Resultat wurde doch nicht wieder erschüttert: ein weites Ge-
biet war für die Missionsthätigkeit der christlichen Kirche und für
die Ausbreitung des deutschen Volkstums erobert.')
Es reichte von der Enns und dem Abfall der steiermärkischen
Alpen ostwärts bis an die Donau. Die Bevölkerung war äusserst
dünn, dem grösseren Teile nach nicht avarisch, sondern slawisch.®)
Der eine und andere Römerort fristete noch ein ärmhches Dasein. ')
Im allgemeinen war das Land zum Waldland geworden.
Die Missionsarbeit wurde von den drei Nachbarbistümem
Passau, Salzburg und Aquileia aus betrieben. Das letztere Bis-
tum bleibt für uns ausser Betracht, über die Passauer Thätigkeit
1) Ann. Lauriss., Einh. z. J. 796.
2) Ann. Lauriss., Einh. z. J. 796; conv. Bag. 6 S. 9; de Pipp. reg. vict.
ATar. (Poet. lat. I S. 116 fif.).
3) Ale. ep. 99 S. 143.
4) Karls Schwager, Graf Gerold, und der Herzog Erich von Friaul.
Dem letzteren gebührt das Hauptverdienst an den fränkischen Siegen.
5) Über die politische Verwaltung des Landes s. besonders Dümmler
a. a. 0. S. 15 flf., Huber a. a. 0. 82 ff., Strakosch-Grassmann I S. 419 f.
6) Vgl. Kämmel, Die Anfänge deutschen Lebens in Niederösterreicli
(Dresd. 1877) S. 12ff. Kämmel fasat S. 18 das Resultat seiner Untersuchungen
in folgende Sätze zusammen: Die Verteilung der slawischen Bevölkerung
über das Gebiet südöstlich der Donau war eine ziemlich ungleiche. Sie
war sehr schwach im unmittelbaren Gebiete der Enns , ziemlich stark da-
gegen an der unteren Ips und Erlaf, schob sich aber an beiden Flüssen
tief ins Gebirge hinein vor. Am bedeutendsten erscheint sie im ganzen
Gebiete der Bielach und an der unteren Traisen, also im Grunzwitigau und
im Traimsafeld, schwach wiederum am östlichen Hange des Wiener Waldes.
Auffallend gering ist die Zahl ihrer Niederlassungen in unmittelbarer Nähe
der Donau; es scheint, dass die Slawen die Nähe der gi-ossen, so oft von
verwüstenden Horden betretenen Strasse eher mieden als suchten.
7) Kämmel a. a. 0. S. 10 f. und Convers. Bagoar. 6 S. 9 : Romani ibi
(Südseite der Donau) civitates et munitiones ad defensionem sui fecerunt,.
aliaque aedificia multa, sicut adhuc (d. h. 871) apparet.
— 4()2 —
fehlen direkte Überlieferungen. Wir können nur vermuten, dass
in dem Landstriche von der Enns bis au die Kaal) das Christen-
tum vornelnnlich durch Kleriker aus Passau^) und durch Mönche
aus den Passauer Klöstern verbreitet worden ist.-) Wie in Sachsen
so mögen auch hier bestimmte Bezirke den einzelnen Klöstern zu-
gewiesen worden sein: Karl d. Gr. erleichterte die Gründung chiist-
licher Niederlassungen, indem er die Okkupation von Fiskaliand
ausdrücklich genehmigte.'') Niedeniltaich.^) Mondsce'') und Krems-
niünster") waren später im jMissiousgebiet begütert: sie haben
also dort gewirkt. Dasselbe gilt von den Regeusburger Klöstern
ll Die Raab als Grenze von Passau und Salzburg (de conv. Bagoar. 6
S. 9, 8. unten S. 465 Anm. 2). Die Zugehörigkeit des Landes u. d. Enns zu
Passau wird unter Piligrim durch die Synoden zu Lorch und Mautern
(c. 983 — 991) konstatiert: (Piligrim i orientales diocesaneos suos prestito
iusiurationis sacramento, quod suae sanctae aecclesiae iuris in decimatione
contingeret interiacentis prouinciae inter anesum fluuium et comagenum
raontem, synodice percontans, concordi responsione in unam hanc coniuere
sentenciam, penitus uidelicet ac continuatim oranem decimationem infra
praescriptos limites . . ante proximam barbaricam suae desolationes deua-
stationem (907 Ungarneinf'all) in dicione et potestate praedictae sanctae
patauiensis aecclesiae . . et fuisse et adhuc iure esse debere. iM. B. XXVIII,
2 S. 88). 8. endlich die gefälschte, aber inhaltlich unbedenkliche Urkunde
Ludwigs d. Fr. vom 28. Juni 823 (EM. 753). Ludwig bestätigt in der-
selben den von Karl geschenkten Passauer Besitz: Traismauer, die VVachau,
Bielach, Naarn, Ried, Aschbach. Wolft'eswang, Erlaf. die Zelle St. Florian
mit Linz.
2) Einen unerschöpflichen Reichtum wahrscheinlicher und unmög-
licher Vermutungen bietet Aloys Huber (Gesch. der Einführung etc. IV
S. 198 ff.) dar.
3) Urkunde Ludwigs d. D. vom 16. Juni 863 (B.M. 1409): Carolus
licentiam tribuit suis fidelibus, in augiuentatione rerum ecclosiarum Dei in
Pannonia carpere et poeidere hereditatera, quod per licentiam ipsiua in multis
locia et ad istud etiam monasterium (Niederaltaich) factum esse dinoscitur.
Es handelt sich um Besitz nördlich und südlich der Donau.
4) S, die eben angeführte Urkunde. Ferner die Urkunde Karls vom
26. November SU über einen vierzig Mausen umfassenden Komplex am
Einfluss der Bielach in die Donau (B.M. 4.")2), und die Bostiitigungsurkunile
Ludwigs d. D. vom 6. Oktober 830 (B.M. 1302) für den von Karl in der
Wachau geschenkten Besitz.
5) Besitzungen des Klosters an der Erlaf werden am 9. Api-ü 879 ver-
tauscht (B.M. 1497).
6i L'rkunde Ludwigs d. Fr. vom 22. März «28 (B.M. 824). Hier ist
ausdrücklich erwähnt, dass die Mönche am Sumerberch im Gau Grunzwiti
eine Kirche, Häu-sfer und andere Gebäude errichtet haben.
— 463 —
St. Emmeram-) und Metten/-) von der Freisinger Kirche^) und
dem Freisinger Kloster Mosburg.'*) auch von dem fränkischen
Kloster Herrieden.''') Die Oberleitung lag wohl schon unter Karl
in den Händen eigener Regionarbischöfe.") Das durch Yirgil mid
Ai-n in Kärnten gegebene Beispiel wird massgebend gewesen sein.
Hand in Hand mit dem Vordringen der Kirche ging die
Gennanisieruug des Landes. Sie geschah nicht in der Weise, dass
den Slawen ihre Nationalität entrissen worden wäre: neben den
slawischen Orten entstanden deutsche. Während die Slawen die
Tliäler der kleinen Flüsse suchten, liessen die Deutschen sich an
der Donau nieder: sie fühlten sich als Herren des Landes.
Xoch bedeutender als die Thätigkeit der Passauer war die
der Salzburger Kirche. Schon Yirgil hatte an die Bekehrung der
Avaren und der ihnen unterworfenen Slawen gedacht. Ganz fi'ucht-
los war es schwerhch, dass er christhche Priester nach Unter-
pannonien sandte.') Arn trat auch hier in die Fussstapfen seines
Vorgängers. Doch wirkhch geebnet wurde auch ihm die Bahn
erst durch die Besiegung der Avaren. Nun begegnet man Salz-
1) Vgl. die Schenkung Ludwigs d. D. vom 6. Oktober 832 an St. Emuieram
in Regensburg; sie betrifft die verfallene Herilungsburg, d. i. Gross- Pöchlarn
(B.M. 1308). Eine grosse Schenkung im Norden der Donau bestätigt Ludwig
am 18. Januar 853 (B.M. 1363; Ried I, 106, 32 f.).
2) Ludwig d. D. schenkt Grundbesitz in Drasdorf im Gau Traismafeld
an das Kloster, 4. Februar 868 ^B.M. 1424).
3) Freisinger Besitz in der Wachau ist in Ludwigs d. D. Urkunde für
Altaich (B.M. 1302) erwähnt.
4j Mosburg besass Güter in Buchenau bei Linz, welche Abt Reginbert
an Freising vertauschte (c. a. 811; Meichelbeck L 2 S. 1-53 Nr. 28.5; vgl. die
bei Meichelbeck fehlende Urkunde von 827, Roth, Örtlichkeiten S. 55 Nr. 234).
Auch stromabwärts, bei Holenburg, wird ein predium s. Castuli erwähnt
(Arch. f. österr. GQ. XXVII S. 259 Nr. 2).
5) Urkunde Ludwigs d. D. vom 5. Januar 831, von v. Öfele MSB. 1892
S. 125 ediert. Die Güter lagen bei Melk.
6) In Urkunden aus den Jahren 833, 834 und 836 wird ein Passauer
Chorbischof Anno genannt (M. B. XXVIII, 2 Nr. 27 S. 25; XXVIII, 2 S. 29
Nr. 19; XXXI, 1 S. 70 Nr. 31); auch das Salzb. u. Reichen. Verbr.-Buch
kennt ihn (c. 14 Z. 19 u. c. 35 Z. 21 ed Piper). Ein zweiter Chorbischof,
Alberich, wird 859 erwähnt (M. B. XXXI, 1 S. 98). Ein dritter, Madalwin,
setzt testamentarisch die Passauer Kirche zu seinem Erben ein (903,
M. B. XXVIII, 2 S. 200 ff. Nr. 3). Seine Besitzungen liegen zum Teil jen-
seits des Wiener Waldes.
7) Convers. Bagoar. 7 S. 9. Ale. ep. 68 S. 317 (ed. Jaffe) ist von der
Thätigkeit christlicher Priester im Avarenland vor der Eroberung des-
selben die Rede.
— 4(U —
huij^ei- AvlH'iteni auch im ]-*assaiK'r Missionsgehiet.-") südwärts lag
das Hauptwerk in ihreu Händen. Sie scheinen dabei von Freising
aus uutei-stützt worden zu sein.^)
Von Pippin wurde die Arbeit der Kirche auf alle Weise ge-
fordert: es ist, als habe der junge König mit seinem Vater w-ett-
eifern wollen. Tu sein Feldlager an der Donau berief er eine
1)ischöfliche Konnnissiou, um Beratung zu pflegen, wie bei Ein-
tVdiiung des Christentums zu vertahren sei. Die Schwierigkeiten,
die Karl in Sachsen gefunden hatte, nachdem das Volk sich zur
Annahme des neuen Glaubens bereit erklärt hatte, mögen diese
^lassregel veranlasst haben. Die Konnnission tagte unter Anwesen-
heit des Patriarchen Paulinus von Aquileia; eine Art Promemoria
Pauhns giebt uns Aufschluss über die Beratungen und Besclüüsse.'')
Die Versammelten verbargen sich die Schwierigkeiten, vor denen
man stand, nicht im geringsten: ein fast tierisches, jedentalls jeder
religiösen und geistigen Bildung entbehrendes Volk^) begehrte unter
dem Eindruck einer Niederlage die Aufnahme in die Kirche. Man
lehnte mit Rücksicht darauf die rasche Vornahme von Massentaufen
ab. Zuei-st müsse das Volk einigermassen im christlichen Glauben
unteirichtet werden: die Täuflinge müssten wenigstens wissen, was
die Taufe bedeute. Wie lange diese Unterweisung zu daueni habe,
bliel) dem Urteile der Priester überlassen: man stellte nur Grenz-
zahlen fest: nicht unter sieben und nicht über vierzig Tage.
Weiterer T'ntemcht über die sittlichen Pflichten der Christen sollte
der Taufe folgen. Auch in Bezug auf die Weise des Taufunfcr-
richts war man nicht ohne T^edcnken: die Bischöfe fui'chteten offen-
bar, dass die deutschen und italienischen Priester im Hochgefühle
des Sieges von den Unterworfenen schrofT und gebieterisch die
Taufe fordern würden. Dem gegenüber erinnerten sie daran, dass
1 ) Salzburg hat Besitzungen an verschiedenen Orten des Passauer
Spn^ngels: an der Ips; hier hat Erzbischof Adalram eine Kirche gehaut
(B.M. 1236j; unterhalb Melk, wo Arnsdorf an den ersten Krzbischof von
Salzburg zu erinnern scheint (s. Kämmel S. 30); in Holenburg (Arch. f.
österr. GQ. XXVII S. 2.59 Nr. 2); in Traismauer; hier war die Kirche
St. Martin geweiht (Convers. Bagoar. 10 S. 11).
2) Freisinger Besitz in Kärnten ist vielfach erwähnt s. Cod. dipl.
Austr.-Fris. S. 18 Nr. 17, S. 22 Nr. 24. S. 23 Nr. 2.S u. tt., ebenso in Ungarn
S. 19 Nr. 18. Freisinger Zehnten in Kärnten und Steiermark in der Ur-
kunde des Bischofs Ellenhart v. c. lOBO. C. D. Austr. Fris. S. 81 Nr. 79,
desgl. im Bistum Aquilleja. a. a. 0. S. 89 Nr. 89.
3) Ale. ep. 68 S. 311 ff. (ed. .Taff*^).
4) L. c. S. 314: Gens bnita et inrationabilis vel «erte idiotae et sine
litterie tardior atque laboriosa ad cognoscenda sacra mysteria.
— 465 —
die Taufe freiwillig begehrt -werden solle, dass deshalb im Unter-
richte die religiösen Motive besonders betont werden müssten. An
der Beobachtung der kanonischen Taufzeiten, Ostern und Pfingsten,
konnte in der ersten Zeit nicht festgehalten werden: man begnügte
sich, zu verordnen, dass Taufen stets am Samstag Abend vor-
genommen werden sollten: doch behielt man dadurch den Über-
gang hl das regelmässige Geleise im Auge, dass die Taufen der
Kinder nur an Ostern und Pfingsten gestattet wurden. Schwierig-
keiten ei'wuchsen endlich auch daraus, dass das Chiistentum dem
Avarenlaude nichts ganz Fremdes war. Mancherlei Kleriker hatten,
oft wohl ganz auf eigene Hand, Prosel}i;en für die Kirche gemacht.
Es gab Leute, die getauft waren, aber ohne dass sie das Glaubens-
bekenntnis abgelegt hatten und ohne dass die Taufformel gebraucht
worden war: konnte man sie nicht als Christen anerkennen, so
verfuhr man doch im ganzen weitherzig.-^)
So die Bischöfe: man hat den Eindruck, als sei ihr Bestreben
gewesen, dem allzu raschen Yorwärtsdrängen Pippins einen Zügel
anzulegen.
Bei derselben Zusammenkunft wird die Teilung des Missions-
gebietes verabredet worden sein, welche Pippin nach seiner Rück-
kehr von der Königsburg vornahm. Salzbm'g erhielt das von Drau,
Donau und Eaab eingeschlossene Gebiet, das sich demnach an
seinen kärntner Missionssprengel anschloss.-) Was südwärts lag,
fiel an Aquileia, was nordwärts, an Passau. Die von Pippin provi-
sorisch getroffene Massregel Ijildete die Gnmdlage füi" die bleibende
Abgi'euzung der Diözesen.
Am Hofe Karls verfolgte man die Fortschiitte im Südosten
mit warmer Teilnahme. Dem König selbst lag der rasche Erfolg
der Mission nicht minder am Herzen als seinem Sohne. Dm'ch
1) L. c. S. 317.
2) Convers. Bagoar. 6 S. 9: Partem Pannoniae circa lacum Pelissa
inferioris, ultra fluvium qui dicitur Hrapa et sie usque ad Dravum fluvium
et eo usque ubi Dravus fluit in Danubium. Karl hat diese Bestimmung 803
bestätigt (1. c). Am 14. Juni 811 entschied er zu Aachen dem entsprechend
den Streit z-wischen Salzburg und Aquileia über die Diözesangrenzen in
Kärnten (B.M. 448). Ursus von Aquileia hatte Anspruch auf die ganze
Provinz erhoben, da in der Kömerzeit ihre Kirchen zu Aquileia gehört
hätten. Arn berief sich auf Erlasse der Päpste Zacharias, Stephan und
Paul, welche die Zugehörigkeit derselben zu Salzburg be-wiesen. Karl be-
stimmte die Drau als Grenze. Von Lud-wig 819 bestätigt (1. c. 686). Die
Urkunde Lud-wigs d. D. vom 18. November 830 über die Regulierung
der Grenze zwischen Passau und Salzburg ist gefälscht, scheint aber die
thatsächliche Grenze der beiden Diözesen richtig anzugeben (1. c. 1303).
Hauck, KirchengescMchte. II. 2. Aufl. 30
— i(i(; —
i'iiieii Brief Alkuiiis au Am erfahren wir. class er, luu die Teil-
nahme des Salzburger Klerus zu erleichtern, den dritten Teil der
das Kloster oder das Bistum treftenden Lasten Arn erliess.^)
Vor alltMu war Alkuin eifrig, zur Mission anzufeuern. Am
liebsten hätte er sich sofort aufgtMuacht.. um selbst im Avarenlande
zu i)redigen. Er kam sich wie ein armer Kranker vor, weil er tur
die :Mission nichts hatte als sein Gebet.') Seine Freunde Paulin
und Arn pries er glücklich, dass sie zu dieser Arbeit bt-rufen seien.
Welcher Knecht Gottes, schrieb er an den ersteren, darf sich einem
so frommen und löblichen A\'erk entziehen, durch das die Knecht-
schaft des Teufels gebrochen, der Dienst unseres Gottes Christus
ausgebreitet werden soll. Wie vieler Augen, bester Vater, sind aut
dich gerichtet, was deine ehrwürdige Heiligkeit thun will. Die
Nähe des Landes, deine heiTOiTagende Weisheit, die Stellung, welche
du einnimmst, unterstützen dich: alles trifft zusammen, was zu einem
solchen Werke nötig ist.'^)
So war er voll guter Hoffnung; besonderes Gewicht legte er
darauf, dass das Versprechen, den Glauben anzuneiimen, von den
Avaren freiwillig gegeben sei. Aber er wurde den Gedanken an
die Sachsen und die Erfahrungen, welche mau bei ihnen gemacht
hatte, nicht los. Deshalb lag ihm unendlich viel daran, dass die
Fehler, welche den Segen der Predigt in Sachsen gehindert hatten,
nicht wiederholt würden. Er wanite den König unumwunden davor,
mit der Einluhning der Zelniten übereilt vorzugehen:') auch die
1) Ep. 107 S. 153: Tertiam piirtem de laboiibus tuis per singula loi-a
Heu epiflcopatus seu nionasterii concessit tibi rex in aelimoainani tuam
tradere, sie dies tuus te prosequerotur in via. Et hoc indiculis confirmari
praecepit. Jaffe versteht, dass die Gemeinden Salzburgs den dritten Teil
der Kosten zu tragen hätten; v. Zeissberg (Wiener SB. XLIII S. 328 und
(Jiannnni. Paulinus S. 47), dasa Karl ihr den dritten statt des vierten Teils
der Zehnten überliesse. Beide Erklärungen scheinen mir nicht befriedigend :
sollten die labores Arns nicht öffentliche Lasten sein, von welchen Karl
dem Erzbiachof den dritten Toil orliess.
2) L. c. S. 1.Ö4. Der Ausdruck ist noch etwas stärker: Nos matriculares,
wir Armenhäusler.
3) Ep. 99 S. 143 aus dem Jahre 790. Er hatte vorher schon zwei
Briefe an Paulin gerichtet (S. 144j. In gleicher Weise hatte er schon vor
dem Mai 796 an Arn geschrieben (s. ep. 107 S. 153).
4) Es scheint, dass man mit der Einführung der Zehnten in der That
langsam vorging. In Kärnten wurde sie erst im Anfange des 11. .lahr-
hunderts vorgenommen: (GebeharduH) primus decimas constrinxit reddere
iu8ta.s Sclavorum gentem sub se rectore manentera vel diocese sua habi-
tantem (Notit. Gebeh. 6 f., M.G. Scr. XI S. 25).
t ^
— 46
Apostel hätten bei ihrer Predigt derartiges nicht verlangt. Ebenso
dürfe man nicht zn rasch mit der Taufe sein: nnr bei kleinen
Kindeni sei eine Taufe ohne Unterricht zulässig, nicht aber bei
Erwachseneu. Die erste Sorge des Königs müsse sein, dass er
fi'omme und sitthch tüchtige Prediger in das Land sende, Männer,
wohlgelehrt im christlichen Glauben, gewöhnt an die Erfüllung der
evangehschen Vorschriften, und bestrebt, bei der Predigt des gött-
hchen Wortes das Vorbild der Apostel zu befolgen.^)
Solche Gedanken hielt er nicht dem König allein, sondern
auch einflussreichen Männern seiner Umgebung vor.-)
Im gleichen Sinne schrieb er an Arn: Sei ein Prediger der
Frömmigkeit, nicht ein Einforderer von Zehnten: eine jimge Seele
muss mit der Milch apostolischer Frömmigkeit genährt werden, bis
sie wächst, erstarkt und zum Empfange stärkerer Speise fähig wird.'^)
Als wollte er den Freund vor Enttäuschungen warnen, erinnert er
ihn, zur Taufe könne man die Leute zwingen, aber nicht ziun
Glauben: unermüdlich müsse man predigen, aber der Erfolg hege
in Gottes Hand: denn das AVort des Predigers pralle ab, wenn
nicht die göttliche Gnade das Herz des Hörers erweicht. Deshalb
gehöre zur Predigt die Fürbitte.^) In Bezug auf die Wahl der
]\Iissionsprediger mahnte er zu grosser Vorsicht : ihr Wort und ihr
Wandel müsse dem Namen des Herrn Jesu Ehre machen.'^) Dass
viele xlrbeit vergeblich sein T\iirde, sah er voraus: aber er forderte
zm- ]\Iilde gegen die Schwächen und Mängel der Neubekehrten
auf: wer fehle, den müsse man nicht durch herben Tadel züchtigen,
sondern durch Ennahnungen und frommen Zuspruch bessern. Man
müsse auf Geschlecht, Alter und L'mstände achten, imd mit der
Verhängung kü'chhcher Bussen nicht schnell zufahren.^)
Selten ist es uns vergönnt, in die Gedanken der Missions-
arbeiter einen Blick zu thun. Hier einsetzen uns Alkuins Briefe
einigermassen den Mangel anderer Quellen. Die Leiter der Mission
waren seine Freunde, die Prediger zum Teile mittelbar oder
mimittelbar seine Schüler. Etwas von dem, was er ausspricht,
wird in ihnen gelebt haben. ^
1) Ep. 110 S. 157 (nach dem 10. August 796).
2) Ep. 111 S. 159 ff. an den Arcarius Megenfrid f gleichzeitig mit dem
110. Brief.).
3) Ep. 107 S. 154 (nach dem 25. Mai 796).
4) Ep. 113 S. 164 (Herbst 796).
5) Ep. 107 S. 154.
6) Ep. 113 S. 165 f.
7) Vgl. oben S. 147 Anm. 1.
30*
— 4H8 —
Zeugen von dvv Tliätigkeit der deutschen Missionare unter
den Wenden Kärntens und Pannoniens sind die ältesten Denk-
mäler der slovenischen Sprache: zwei Beiclittbrmeln und eine er-
l»auUche Ans])rache.O Die erste jener Formeln schhesst nach einem
an Gott und alle Heihgen gerichteten Sündenbekeimtuis mit fol-
gendem Gebete: ..^<^tt? du bist vom Himmel gekommen, ja hast
dich in Leiden dahingegeben für alles Volk, damit du uns dorn
Argen entrissest. Kette mich von allen Ubelthätern. Barmherziger
Herr, dir übergebe ich meinen Leib und meine Seele, mein Wort
und Werk, meinen Willen und Glauben, mein Leben. Lass mich
am Tage des Gerichtes deine grosse Barmherzigkeit vernehmen mit
jenen, die du rufen wirst: Kommt, ihr Erwählten meines Vaters,
empfangt die ewige Freude und das ewi^e Leben," Die Predigt
ist in ihrer ausgesprochen moralisierenden Haltung ein Seitenstück
zu den wenigen aus Deutschland erhaltenen geistlichen Reden.
Eigentümlich, aber eindrucksvoll ist die an die neubekehrten Slawen
gerichtete Aufforderung mit den Heiligen der alten Kirche in der
Bethätigung des Glaubens zu wetteifern: „Ihr könnt, Kindlein,
selbst ehisehen, dass che früheren Menschen dem Aussehen nach
ebenso beschatten waren, wie Avir. Aber sie hassten die Werke des
Teufels und hebten the Werke Gottes, .letzt knien wir in ihren
Kirchen, i-ufen sie an, trinken ihnen zu Ehren, bringen zum Heil
unseres Leibes und unserer Seele ihnen Opfer dar. Auch wir
können ihnen gleich werden, wenn wir die gleichen AVerke thun.
wie sie. Sie speisten den Hungernden, tränkten den Dürstenden,
kleideten den Nackten. Durch solche Werke sind sie Gott nahe
gekommen; so müssen auch wir den höchsten Vater anflehen, bis
er uns Wohnung giebt in seinem Reiche."
Alsbald konnte mit der kirchhchen Organisation des Ijandes
begonnen werden. Xachdem Arn 79S von Rom zurückgekehrt
1) Gedruckt bei Kopitar, Glagolita Clozianus ,Wien 1836) S. XXXV ff.
Kopitar schreibt diese in einer Freisinger, nun Münchoner Handschrift er-
haltenen Fragmente dem Bischof Abraham von Freising (957 — 994), einem
geborenen Wenden, zu iS. XXXIV). Sie sind jedoch weit älter. Miklosich
(Wiener Denkschr. XXIV S. 7 ff.) hat gezeigt, dass das zweite Fragment,
dio Predigt, in einer von Kiemen.«, einem Srlniler des Method, vorfassten
Homilie benützt ist. Da der deutsche Ursprung der Freisinger Fragmente
ausser Zweifel steht (Miklosich 1. c. S. 8), so folgt, dass diese Denkmäler
von der Thätigkeit der deutschen Missionare Zeugnis geben. Miklosich
hält für wahrscheinlich, dass sie in Kärnten aus dem Deutschen ins Slove-
nische tibersetzt und von da nach Pannonien gebracht wurden. Neuerdings
hat sich W. Vondriik für die Kntstehung in Pannonien ausgesprochen,
Archiv für slavische Philologie 1894 S. 118.
— 469 —
war, sandte ihn Karl in das Avarenland. Damals hat er eine
Anzahl Kirchen geweiht und für die entstehenden Gemeinden
Priester eingesetzt. Er selbst regte den Gedanken an, einen eigenen
Regionarbischof für das Avarenland zu ernennen. Karl stimmte
zu. imd Arn weihte nun einen seiner Kleriker Xamens Theoderich
zum Bischof.^) Die Zahl der Kirchen wird sich seitdem rasch
vermehrt haben. Die nach und nach einwandernden Baiem^) und
die deutscheu Beamten gewährten dem Christentum eine sichere
Stütze. Die Anekdote, wie Graf Ingo durch die Bevorzugung
christhcher Sklaven vor heidnischen HeiTen den letzteren deutlich
machte, dass das rehgiöse Bekenntnis mehr Wert habe als die
vornehme Geburt, zeigt, dass Karls Beamte bereitwilhg die kirch-
lichen Interessen förderten.'') Im ganzen Südosten war che Kirche
in erfolgreichem Vordringen begriffen.
Karl d. Gr. starb am 28. Januar 811.
Jedermann kennt das anziehende Bild, welches Einhard von
dem gi-eisen Hen-scher entwarf:'*) eine hohe,'^) ebenmässige*^) Ge-
1) Convers. Bagoar. 8 S. 9 f. Er wird als Regionarbischof für Kärnten
und das Land bis zur Donau bezeichnet. Als seine Nachfolger werden ge-
nannt Otto und Osbald (c. 9 S. 10 f.); der Name des letzteren findet sich
an der Spitze von käi-ntner Priestern im Verbrüderungsbuch von Reichenau
ed. Piper S. 283 C. 434;. Neben ihnen erfährt man aus dem Verbrüderungs-
buch von St. Peter eine zweite jüngere Reihe kärntner Chorbischöfe (c. 119,
15 ff.): Salomon, Engilfrid, Alarich, Dietrich, Kotapert: sie gehört in das
10. Jahrhundert (s. Dümmler, OFr. R. II S. 175); v. Zeissberg (a. a. 0. S. 825
identifiziert die beiden Dietriche.
2) Die Einwanderung in Niederösterreich bis zum "Wiener Wald begann
unter Karl (Strakosch-Grassmann S. 435); in Kärnten ist der erste deutsche
Grundbesitz im Beginn der Regierung Ludwigs d. Fr. nachweisbar (S. 448).
B) Conv. Bag. c. 7 S. 9.
4) V. Kar. 22.
.5) Vgl. Giemen, die Portraitdarstellungen Karls d. Gr.. Aachen 1889
S. 16 f. Hienach ergab die Vermessung der Gebeine des Kaisers eine Grösse
von 1,92 Mtr. Giemen handelt S. 45 ff. über die Reiterstatuette im Museum
Carnavalet zu Paris. Er urteilt, es spreche nichts dagegen und sehr viel
dafür, dass sie Karl vorzustellen habe.
6) Vgl. V. Ale. 8 S. 190: Fide, fortitudine ac amore sapientiae et
corporis ineffabili pulchritudine praeclarissimus. Paul. carm. 25 v. 59 (Poet.
lat. I S. 61): Rex Carolus sensu formaque animoque decorus. Hibern. ex.
c. 3 V. 8 S. 399.
— -470 —
stalt, das Ix'cleutonde Gesiclit unnvallt von schcinem. weissem Haar,
uud helebt durcli grosse, glän/cnde Augen, der Eindruek der ganzen
Erscheinung elnfurclitgebietend.') So lebt er im (ledächtnis der
Nachwelt fort. A\\»riii seine Grösse bestand, hat niemand kürzer
und trettender ausgesprochen als sein Enkel. Das. sagt Nithard,-)
ist mir das Bewundernswürdigste, dass er den trotzigen, eisernen
Mut der Franken uud Barbaren, so l)äudigte, dass niemand in
seinem Reich etwas anderes zu unternehmen wagte, als was dem
allgemeinen Besten entsprach. In der That, darin liegt Karls
Gr(')sse, dass sein Thun und Lassen dui'ch den Gedanken an das
"Wohl der Gesamtheit beherrscht wurde. Diese königliche Gesin-
nung war gepaart mit unvergleichlichem Talent. Karl gehört zu
den wenigen Menschen, welchen man eine universelle Anlage zu-
schreiben kann. AVährend die meisten hervorragenden Männer
deshalb gross sind, weil sie einseitig sind, war er gross, weil ilmi
jede Einseitigkeit fern lag. Der Kreis seiner Interessen deckte
sich mit dem Umfang der geistigen Interessen seines Jahrhunderts,
Dadurch war er befähigt, die Aufgabe des Heirschers in viel um-
fassenderem Sinne zu lösen als seine Vorgänger und Xachfolger.
Wenn der moderne Staat die Pflege der mannigfachen Seiten des
Kulturlebens als sein Ziel betrachtet, so schwebte Karl ein ähn-
liclier Gedanke vor. Er konnte ihn verwirklichen; denn andere
behen'schen, sie in die Bahnen leiten, in (h^nen sie wirken konnten,
war fih- ihn gleichsam naturgemäss: er hat sich niemals in (h-r
Wahl seiner Diener und Mitarbeiter vergriffen. Wie er selbst
unermüdlicli in der Arbeit war, so wusste er jeden, der in seine
Xälie kam. zu gleicher Thätigkeit zu nöitigen. Theodulf schildert
das i)ewundernd; er sei gewohnt, alle zu nützlicher Arbeit zu ent-
flannnen: die Bischtife zum Studium der Heiligen Schrift und zu
rechter Lehre, den Kleius zu treuer PHichterfüllung, die Gelehrten
zur Uutei*suchung der himndischen und irdischen Dinge, die Mönche
zu fiommeu) Leben; die Grossen sammele ei- in seinem Rat, von
den Richtern fordere er Gereclitigkeit, von den Kriegern Waflfen-
iibung.'') Trotzdem war nichts Hastiges und Uberstürzt<>s in seinem
Thun. Sein Wesen machte auf seine Lmgebung den Eindruck
der voUkommenen Hai'moiiie. Wie Einhard ilie ungetrübte Heiter-
1) Charakteristisch ist dio Reihenfolgp von Worten, in welchen Nithard
den Eindrurk Karls auf seine ZeitjjenoHsen ausspricht: Omnibus orboni
inhabitantibiiH terribilis, amabilia, pariterque et admirabilis videretur
(bist. I, 1 .
2) L. f.
3) Ep. Carol. 3^ S. 414.
— 471 —
keit Karls rühmt/) so Alkuiu das nie gestörte Gleichgewicht seines
Geistes.-) Es war die heitere Sicherheit dessen, der keine Schwierig-
keiten kennt, dem sich Menschen und Verhältnisse gleich wilMg
zu fügen scheinen.-^)
Dass Karl Grosses erreichte, hat nicht nur die Nachwelt,
welche gerechter zu sein ptiegt als die Mitwelt, erkannt. Schon
die Zeitgenossen haben es ausgesprochen. Sie dachten dabei nicht
nur an die glänzenden Ereignisse in Karls Leben, sondern mehr
noch an die Zustände, welche er zu schaffen wusste. Man pflege,
sagt einer der Irländer an Karls Hof, das Altertum zu rühmen
und das Vergangene zu preisen, da man die Beschwerde der Gegen-
wart empfinde. Im fi-änkischen Reiche jedoch sei die Ordnung um-
gekehrt: hier stelle man die Gegenwai-t weit über die alten Zeiten.*)
Am bereitwilligsten erkannte man an, wie viel er fiü- die Kirche
gethan hatte. Die Frage, ob die Stellung, welche er in ihr ein-
nahm, sich im Einklang mit ihrem Eecht und ihrer Vergangen-
heit befinde, ist, so lange er lebte, nicht erhoben worden. Aber
musste sie nicht einmal erholjen werden? In Karls Eeiche gab es
keinen Raum für die Freiheit und die Selbstständigkeit der Kirche.
War es möglich, dass dieser Zustand für die Dauer als berechtigt
oder als erträglich betrachtet wurde? Auch Rom gehörte zum
fränkischen Reich. Die römischen Bischöfe aber hatten unter Karls
Regierung- ungemeine Verluste an Macht und Einfiuss erlitten.
1) V. Kar. 22: Facie laeta et hilari.
2) Ep. 149 S. 242: Etsi vestrae mentis nobilissima stabilitias in una
eadexuque soliditatis arce perpetualiter permaneat et in medio aequitatis
libramine inconcussa fortitudine vigeat, etc. Es war wohl der gleiche Ein-
druck, den Paulus Diakonus hatte, wenn er ihn ,,animo decorus" nannte
(c. 25 V. 59 S. 61).
3) Vgl. Kar. mag. et Leo Pap. v. 18 ff. S. 366, Karl wird mit der
Sonne verglichen:
Illum — die Sonne — aliquando tegunt nimboso nubila tractu,
Hüne — - Karl — ullae nunquam possunt variare procellae;
nie caret proprio bissenis lumine horis,
Iste suam aeterno conservat sidere lucem;
Pace nitet laeta, pariter pietate redundans
Nescit habere pio lapsurum lumine casum.
Vultu hilari, ore nitet, semper quoque fronte serena
Fulget.
4) Hibern. exul. carm. 5 (Poet. lat. I S. 400). Am ergreifendsten ist
das, was die Welt an Karl verlor, ausgesj)rochen in dem Klagegedicht
eines Mönchs in Bobbio (1. c. I S. 435).
— 472 —
Uumüglich konnton sie diosolben verschmerzen; denn die römischen
Ansprüc-he auf Herrschaft in der Kirche hingen zu enge mit der
gesamten rehgiüsen Weltanschauung zusammen, als deren vor-
nehmste Träger sich die römische Bischöfe fühlten. Der Wider-
spi-uch des Papsttums gegen das Kaisertum Karls war notwendig.
Karl d. Gr. hatte eine Stellung geschaffen, unvergleichhch au
Macht. Die Frage war, ob die Erben seiner Krone sie würden
behaupten können.
Fünftes Buch.
Auflösung der Reichskirche.
Erstes Kapitel.
Die Erhebung des Papsttums über die
weltliche Macht.
Selten ist ein Mann unersetzlich. Karl d. Gr. war es. Überall
in der abendländischen Welt bemerkte man, dass er nicht mehr
war. So lange er lebte, hatte sein mächtiger Wille die ausein-
anderstrebenden Verhältnisse zusammengezwungen; nun da er tot
war, gewannen die zentrifugalen Kräfte das Übergewicht.
Nirgends trat es so bestimmt hervor, me viel an diesem einen
Manne gelegen war, als in den kirchlichen Verhältnissen. Die
Wirkung seines Todes war, man könnte fasst sagen, momentan.
Wir erinnern uns, wie entschieden Karl als Oberherr in Rom
handelte und wie entfernt Leo III. von dem Versuche war, durch
Wort oder That dagegen anzukämpfen. ^) In einem Schreiben aus
dem Jahre 808 erklärte er, nichts als der Tod könne seiner Liebe
gegen den Kaiser ein Ende machen ; so treu wie keiner seiner
Vorgänger habe er ihm gedient: alles sei er bereit, seinem Urteil an-
heimzustellen. -)
Ludwig gegenüber änderte er sofort sein Verfahren. Schon
dies ist auftällig, dass er das römische Volk dem neuen Herrscher
nicht huldigen Hess. ^) Alsbald folgte ein offener Eingriff in die
Eegierungsrechte des Kaisers. Leo achtete die Zeit für günstig.
1) S. oben S. 96 ff. Zur Litteratur: Die S. 71 genannten Werke.
2) Leon. ep. 1 M.G. Ep. V S. 87 v. März 808.
3j S. Simson, JB. L.'s I S. 60.
sich seiner Gegner in Rom mit einem Schlage zu entledigen : ohne
Vorwissen Ludwigs liess er eine grosse Anzahl derselben — man
sprach von dreihundert — verhaften und hinrichten. ^) Nie hätte
er unter Karl eine solche That gewagt. Er muss Ludwig sehr
gut gekannt haben, dass er sie für unbedenkhch hielt. Und er
täuschte sich nicht in dem neuen Kaiser.
Ludwig stand im sechsundd;'eisigsten Lebensjahre, als er den
Thron bestieg. -) Der Pippinischen Familiensitte folgend hatte
Karl ihn frühzeitig in die örtbntlichen Geschäfte eingeführt. Seit
seinem dritten Jahre trug er die Krone Aquitaniens,'') dreizehnjähng
wm-de er wehrhaft gemacht; er hatte sofort seinen Vater auf dem
avarischen Feldzug zu begleiten. Aber Karl erkannte bald, dass
der Kjiabe nicht reif für den Ernst des Krieges war: ehe der
Kampf zur Entscheidung kam, schickte er ihn aus dem Lager zurück
zur Königin. ■*) Durch diese Enttäuschung liess er sich nicht beirren :
bald hierhin, bald dorthin führte in den nächsten Jahren Ludwig seine
Tnippen nach den Anordnungen des Königs. '') Aber die Er-
fahrung von 791 muss sich wiederholt haben, auch nachdem Ludwig
zum Manne geworden war. Denn schhesslich nahm ihm Karl
den Oberbefehl ül:)er sein Heer ab: seit 810 lag die Leitung in
den Händen von Königsboten, welche Karl eigens abordnete : '"')
Ludwig vergnügte sich an der Jagd, während das Heer im
Felde stand. ')
Setzte der alte Kaiser so geringes Zutrauen auf seinen Solni,
so hatten die Mönche um so grössere Freude an ihm. Es fehlte
ihm nicht an Sinn für die geistige l^ildung, deivn Träger sie
waren. "") Er verstand lateinisch und griechisch; die erstere Sj)rache
war ihm geläutig wie seine ^Muttersprache. ") Er schätzte die
Kenntnisse auch an anderen. Den verweltlichten aquitanischen
1) Ann. Einh., Fuld., Sithiens. z. .J. 815; V. Hlud. 95 S. 619; die
wahrscheinlich übertriebene Zahl 300 im chron. S. Bened. 24 (M.G. Scr. III
S. 711).
2) Ludwig i-i^t im Sommer 778 geboren (V. Hlud. 3 S. 608).
3) Ann. Lauriss., Einh., Fuld., ehr. Moies. z. J. 781; V. Hhid. 4.
4) V. Hlud. 6 S. 610.
5; .1. .1. 702 f.: V. Hlud. 6 S. 610. 7%: Ann. Lauresh. 797: Ann. Einh.
799: V. Hlud. 0 .S. 611. 800: 1. c. 10. 804: I. c. 11.
6) V. Hlud. 15 S. 614; 17 S. 615.
7) L. 0. 17 S. 615.
8) 8. Simson, .JB. I S. 88 f.
9) Theg. V. Hlud. 19 S. 594: Lingua graeca et latina valde eruditus,
sed graeram melius intellegere poterat, quam loqui ; latinani vero sicut
naturalem apqiialiter loqui poterat.
— -177 —
Klerus wusste er wieder au das Studinm zu gewöhnen. ^) Aber es
war doch ein Unterschied : Ludwig war engherziger, beschränkter
als sein Vater. Er war nicht im Stande, vde jener das Deutsche
zu würdigen, obwohl es heidnisch war.'-^) Auch das werden seine
klösterlichen Freunde gebilligt haben ; mehr noch befi'iedigte sie
sein sittliches Verhalten. Lud^vig war ohne Zweifel ein aufrichtig
fi-ommer Mann. Er war bibelkundig ;'^) er hebte den Gottesdienst
und konnte sich nicht genugthun an Psalmengesang und Litanei-
gebet, ■*) Am liebsten wäre er ^^^e sein Oheim Karlmann selbst
Mönch geworden ; das hinderte jedoch das Verbot seines Vaters.^)
Das leichtfertige Treiben am Hofe in Aachen gereichte ihm zu
grossem Anstoss. *') Aber seine Lobredner verwechselten doch na-
türliche Schwächen in seinem Charakter mit Tugenden: der phleg-
matische- Gleichmut, in welchem er die Dinge über sich ergehen
Hess, erschien ihnen als Geduld, ') seine schlaffe Gutmütigkeit als
Frömmigkeit ; ^) dass er als der unbedeutende von jedermann über-
sehen wurde, galt ihnen als Beweis seiner Demut. '"*) Seitdem er
Herrscher war, traten die üblen Seiten seines Wesens immer schärfer
1) V. Hlud. 19 S. 616: Totius Aquitaniae qui videbatur clerus, ante-
quam ei (Ludwig) crederetur, utpote sub tyrannis agens, rnagis equitationi,
bellicae exercitationi, missilium librationi, quam operam dare noverat divino
cultui. Regis autem studio undecunque adductis magistris, tarn legendi
quam cantandi studium, necnon divinarum et mundanarum intelligentia
litterarum citius quam credi poterat coaluit.
2) Theg. V. Hlud. 19 S. 594: Carmina gentilia nee legere, nee audire
nee docere voluit.
3) L. c. 19 S. 594. Er verstand sogar etwas von der allegorisehen Exegese.
4) L. c. 20 S. 595. V. Hlud. 19 S. 616; 42 S. 646; Agob. ep. 15, 6
S. 225; Cap. 137 S. 274.
5) V. Hlud. 19 S. 616.
6) V. Hlud. 23 S. 619. Cap. 146 S. 297 ff. von c. 820 zeigt jedoch, dass
es keineswegs sofort besser wurde.
7) Wenn Agobard (ep. 15, 3 S. 224) von der Geduld des Kaisers spricht,
in der er die übrigen Menschen übertreffe, so ist das nicht eigentlich als
Lob gemeint. Aber die Äusserung des j)olitischen Gegners zeigt, wie man
den Kaiser beurteilte.
8) Ann. Bertin. z. J. 832 S. 5: Audiens domnus Imperator subitaniam
eins (Ludwigs d. D.) reversionem perrexit ad locum de quo ille redierat
ibique plurima devastata invenit. Quae omnia adversa, sicut ei mos est,
patienter tulit ... Ad Augustburg filium suum qui taliter seductus fuerat
ad se venire feeit ac solita pietate quae contra se facta fuerant omnia illi
indulsit.
9) V. Ale. 15 M.G. Scr. XV S. 193: Humilitate clarissimus, ob quam
a multis despicabilis notabatur; vgl Ale. ep. 188 S. 316.
— -ATS —
liervor: er wurde niemals selbststäiulig, soiulcni war stets von irgend
jemaud beheiTsclit; er war imziiverlässig; für Kränkungen bewies er
das ziiheste Gedächtnis, aber wenig Dankbarkeit für wirkliche Ver-
dienste. Am verderl)lichsten war seine Neigung zu zaudern, schwie-
rigen Entscheidungen aus dem Wege zu gehen, halbe Massregeln
zu ergreifen und sich mit halben Zugeständnissen zufrieden zu
geben. Kein AVunder, dass schliesslich niemand ihn aclitete noch
ihm vertraute, niemand ihn liebte noch fürchtete. Man könnte ihn
bedauern, diesen Mann der kleinen Fehler, ohne Leidenschaften,
ohne Laster und ohne ^i'ugenden, dessen schlimmste Eigenschaft
dann bestand, dass er für den Platz, den er einnehmen nmsste, zu
klein war. Aber die Schuld, die auf ihm lastet, ist sehr gross:
seine Schwäche hat den Verfall des Karolingerreichs herbeigefüiu't.
Jene That Leos verstiess zu sehr gegen alles, was mau bisher
gewöhnt war, als dass man sie am fränkischen Hofe ruhig hätte
ertragen können. Ludwig handelte im Geist seines Vaters, indem
er alsbald, nachdem er Kunde von dem erhalten hatte, was in Koni
vorgegangen war, seinen Neffen Bernhard nach Italien sandte, um
die Angelegenheit zu untersuchen. Der Bericht, den dieser durch
den Grafen Gerold dem Kaiser erstatten hess, lautete ungünstig für
den Papst. Denn Leo hielt es für notwendig, dem Grafen eine
eigene Gesandtschaft nachzuschicken, welclie sein Verhalten recht-
fertigen sollte. Das war geimg füi* findwig: in der unseligen In-
kouscriuenz, die alles, was er that, knickte, liess er sich durch die
Boten des Papstes zufrieden stellen. ')
Der Vorgang ist wichtig ; denn er zeigt, dass man an der Kurie
die lästige Abhängigkeit vom fi'änkischeu Reich zu lockern ent-
schlossen war: man leugnete und bestntt sie uiciit, aber man handelte
selbstständiger als unter Karl. Das war nicht die pei-söidiche Politik
Ix?os JH. : es war das Ziel, welches der päpstliclie Hof seit Karls
Tod erstrebte. Als Tjco am iL'. Juni 8 IC starl) -') folgte ihm in
Ste])han JV. ") ein ]\[ann. dessen \'erhalten von der glcicben Absicht
bestimmt wurde. Mit der Anerkennung der fränkischen Herrschaft
verband sich das Bestreben, ihren Umfang zu beschränken. Steplian
liess, unmittelbar nachdem er sein Amt angetreten hatte, die römische
1) Ann. Einh. z. J. 815. Wonn V. Hlud. 25 S. 619 die Entrüstiinff
Ludwigs durch die Worte erklärt wird „velud a primo orbis sacerdoto tarn
severe animadversa", so ist dies offenbar nur eine Reflexion des Verfassers,
also historisch wertlos.
2) V. Leon. III. WS S. U vgl. Duchesne S. LXVJ.
3) Er wurde am Todestage Leos erwählt und nach zehn Tagen kon-
Bekriert (V. Leon. lil. 113 S. 34; Steph. IV. c. 1 S. 49). Stephan war
Diakon; er entstammte einer vornehmen römischen Familie.
— 479 —
Bevölkerung den Eid der Treue gegen den Kaiser erneuern;^) aber
er selbst Hess sich konsekrieren, ohne dass er die Bestätigung seiner
Wahl vom Kaiser erbat. Gegen anerkanntes Recht verstiess er
dadurch nicht ; denn noch nie war die Wahl eines Papstes von
einem iränkischen Könige bestätigt worden. -) Aber er war der
erste Papst, der seit der Erneuenmg des Kaisertums konsekriert
wurde, und er wusste, dass man im fi'änkischeu Reiche das
Bestätigungsrecht als Attribut des Kaisertums lietrachtete. Offen
widersprochen hat er nicht: denn er schickte eine Gesandt-
schaft an den Kaiser, um sein Vorgehen zu entschuldigen : ^) aber
er hatte einen Präzedenzfall geschaffen, der widersprach. Wieder
Hess sich Ludwig durch glatte Worte beruhigen: aber die Männer,
welche aus der 8chule seines Vaters stammten, waren unzufiieden :
der Verfasser der Reichsaunalen giebt deuthch genug zu verstehen,
dass er die Entschuldigungen des Papstes für ungenügend hielt.
Dass Ludwig sich in das Geschehene fügte, war ein Erfolg
Stephans. Doch er eiTeichte noch mehr, als er wenige Monate
nach seiner Erhebung im ft-änkischeu Reich ei-schien.*^) Er kam
nicht, wie Stephan IL oder Leo III. als Schutzflehender; seine
Forderung war nur: Erneuerung des von seinen Vorgängern mit
Pil^pin mid Karl geschlossenen Bündnisses. '") Ein solches Ver-
1) Theg. V. Hlud. 16 S. 594.
2) Vgl. Sickel, D. Ztchr. f. GW. XII S. 17 f.
3) Ann. Einh. z. J. 816: Qui (legati) quasi pro sua consecratione im-
peratori suggererent. V. Hlud. 26 S. 620: Quae (legatio) super ordinatione
eius imperatori satisfaceret. In der Beurteilung des Verhaltens Stephans
stimme ich weder Simson (JB. I S. 66) noch Hinschius (KR. I S. 231) völlig
zu. Dass die Gesandtschaft nicht nur beauftragt war, die Konsekration anzu-
zeigen (so Hinschius), ergiebt sich aus dem Wortlaut der Berichte. Simson
legt, wie mich dünkt, der Gesandtschaft zu viel Wert bei: es ist doch ein
Unterschied zwischen der gewissenhaften Beobachtung des kaiserlichen
Bestätigungsrechts und der nachträglichen Anerkennung desselben. Dopff'el
(Kaiserth. und Papstwechsel [1889] S. 45) findet, wie mich dünkt, zu wenig
in dem Satze Einhards. Suggerere ist mehr als „Mitteilungen machen" ^
vgl. Du Gange s. v. Suggestio.
4) Ermoldus Nigellus lässt (II v. 197 ff.) den Papst einer Aufforderung
Ludwigs folgend ins Frankenreich reisen; dagegen ging nach Thegan
(c. 16 S. 594) der Wunsch nach der Zusammenkunft vom Papste aus. Das
Letztere ist wahrscheinlicher. Schilderung des Empfangs des Papstes bei
Simson (JB. I S. 68 ff.), Mühlbacher (D. 6. S. 327).
5) Von den Forderungen des Papstes spricht V. Hlud. 26 S. 621 :
Cunctis, quae poposcerat, impetratis. Aus Ann. Einh. z. 816 S. 144 i
Amicitia vicissira firmissimo robore constituta, aliisque utilitatibus sanctae
Dei ecclesiae pro temporis opportunitate dispositis, ergiebt sich, dass es
— 4S0 —
langen mussto ganz uiivertani^lieli erscheinen, l'nil doch war es
ein Sieg der päpstlichen Politik, dass Ludwig hereitwillig auf das-
selbe einging. Denn indem er auf die Verträge von 7ö4 und 774
zurückgrifl'. räumte er ein. dass die Päpste ein Recht hatten, dem
Zustand zu widerstreben, der sich inzwischen gebildet hatte.
Wenn Stephan nach Al)schluss der Verhandlungen Ludwig
und seine Genuihlin krönte, so mochte der Kaiser an dieser Feier-
lichkeit seine Freude haben. M Thatsächlich hatte er ein Stück
der Kaiscrmacht geopfert, indem er mit dem Papste als Träger
einer unabhängigen Gewalt verhandelte. Viel besser als der Kaiser
i'rkannte der Papst, was der Moment von ihm forderte. Wenn er
Ludwig den Fr. ersuchte, den Verbannten des Jahres 800 die
Rückkehr zu gestatten. '^) so hat er diese Bitte aller Wahrschein-
lichkeit nach mit religiösen Gründen motiviert; in der That hatte
sie einen pohtischen Zweck. Denn führte der Papst die Römer
in die Heimat zurück, welche der König aus ihr hinweggeschleppt
hatte, dann war doch für jedermann vei-ständlich bewiesen, wo das
römische Volk seinen Vertheidiger und Schirmherrn zu suchen hatte. •'^)
sich dabei zunächst um das Freundschaftsbündnis zwischen dem Kaiser
und dem Papst handelte. Nimmt man die Nachricht der Keichsannalen über
PaschaÜB z. J. 817 hinzu: Pactum quod cum praecessoribus suis factum erat,
etiam secum tieri et firmari rogavit ^vgl. V. Hlud. 27 S. 621: Super confirma-
tione pacti et amicitiae more praedecessorum suorum), so darf man be-
stimmter sagen, dass Ludwig den Vertrag von Kierzy erneuerte, wie das Karl
774 gethan hatte: er ist das pactum, auf dem das Verhältnis des Papstes zu
den fränkischen Herrschern beruhte. Vgl. endlich das Schreiben Paschalis 1.
{.J.W. 2.")50) und Ermold. Nigell. II v. 387 ff. Hier ist von einer durch
Helisachar geschriebenen Urkunde die Rede. Lamprecht (D. röm. Frage
S. 11 vgl. S. 134) nimmt die Bestätigung der Pakten an, welche Karl 781
vgl. aber oben S. 91 Anra. 2) und 796 (vgl. oben S. 97 Anm. 1) mit den
Päpsten schloss, wobei Stephan die Einschmuggelung falscher Zusätze ge-
lungen sei. Auch er sieht übrigens in dem Vertrag von 816 die Einleitung
einer dem Papstum günstigon Wendung.
1) Theg. V. Hlud. 17 S. 594; V. Hlud. 26 8. 621; Krmold. Nigell. 11
V. 421 ft". Simson erinnert (.JB. I S. 73) mit Recht, dass man die Bedeutung
der Krönung nicht überschätzen darf; wie mich dünkt, geschieht das von
Mühlbacher S. 328.
2) V. Stei.h. IV. 2 S. 49. Simson (.IB. I S. 74) tindot hierin einen
Beweis der durchaus verschiedenen Riclitung, in welcher sich die Tendenzen
«Stephans im Vergleich mit denen Leos bewogten. In dem Verhalten gegen
Ludwig ist jedoch die Übereinstimmung offenbar. Deshalb glaube ich die
pjntlassung der Verbannten in der im Texte geschehenen Weise verstehen
zu müsspn.
3) Das angebliche Wahldekret Stephans (Mansi XIV 8. 147) kann
Stephan IV. nicht angehören (vgl. Doptfel a. a. 0. S. 471f.).
— 481 —
m
Stephan hat seine fränkische Reise nicht lange überlebt; er
starb am 24. oder 25. Januar 817. ^) So kurz seine Herrschaft war,
und so wenig wir über seine Persönlichkeit wissen, so kann man
doch nicht zweifeln, dass er seine beiden Vorgänger überragte. Seit
seinem Pontifikate gab es wieder, was man unter Hadrian und Leo
vermisst: eine päjjstliche Pohtik, die ein bestimmtes Ziel im Auge
hatte, das sie ruhig und konsequent verfolgte.
Das beweisen die Vorgänge nach seinem Tode. Kaum dass
er bestattet war, man möchte sagen an seiner Bahre, wurde der
neue Papst, Paschahs I., gewählt und am folgenden Tage kon-
sekiiert. -) Was man mit dieser fast unanständigen Eile beabsichtigte,
ist klar: die Kunde von dem Tode Stephans sollte sich zugleich
mit der von der AViederbesetzung des päpstlichen Stuhls verbreiten.
Jede Möghchkeit, dass eine dritte Macht in die Vorgänge in Rom
eingriff, wurde auf diese Weise abgeschnitten. Nachdem Paschalis
von der Hen'schaft Besitz ergriffen hatte, sandte er ein Ent-
schuldigungsschreiben ^) und die Bitte um Erneuerung des Bündnisses
an Kaiser Lud^\ag.*) Wenn er hier das Verfahren Stephans IV.
1) Ann. Einh., Fuld. z. J. 817; vgl. Duchesne LXVI.
2) V. Steph. IV. 5 S. 50.
3) Dopffels Erklärung der Worte Einhards (S. 58 ff.) kann ich hier
noch weniger für zutreffend halten als oben.
4) Ann. Einh. z. J. 817 S. 146; V. Hlud. 27 S. 621. Über die Urkunde
(B.M. 622), welche Ludwig bei dieser Gelegenheit ausgestellt haben soll,
gehen bekanntlich die Meinungen sehr auseinander. Man hält sie für echt
(Gfrörer, Gregor VII. Bd. 5 S. 82 f., 102 f., Duchesne S. 300), für interpoliert
(Ficker, Forsch. z.KG. IIS. 299 ff., 322 ff., zustimmend Mühlbacher a. a. 0., und
D.G. S. 329, Sickel, D. Priv. Ottos I. S. 99 f., Lamprecht S. 26 ff., Lindner S. 60 ff.,
Grauert,Hist. JB. XX S. 292 f.), für unecht (Baxmann, D. Pol. d. P. E S. 331 u. a.).
So gewichtig der Nachweis Sickels (a. a. 0. S. 50flf.) ist, dass die erhaltene
Abschrift der Ui'kunde in formaler Hinsicht sich als besser erweist, denn
bisher angenommen worden ist, so scheinen mir doch die Schwierigkeiten
des Inhalts so gross, dass sehr weitgehende Interpolationen angenommen
werden müssen. Besonders bedenklich ist der Absatz, der sich auf das vom
Kaiser zu beobachtende Verfahren bezieht: NuUamque in eis nobis partem —
est valde disiuncta (bei Sickel S. 176 Mitte). In dem Ottonianum v. 962
kehrt er nicht wieder. Kann er in den Vorurkunden von 754 und 774 ent-
halten gewesen sein? Gewiss nicht. Hier sind die Erfahrungen voraus-
gesetzt, die die Kurie seit 754 und 774 machte. Sie würde sie nicht ge-
macht haben, wenn sie von Anfang an vertragsmässig ausgeschlossen gewesen
wären. Ist nun anzunehmen, dasa Ludwig i. J. 817 das Versprechen leistete,
er werde nie verfahren wie sein Vater? Ich glaube, dass auch diese Frage
verneint werden muss, denn im Jahre 824 hat er die potestas iudicandi, auf
die er hier verzichtet haben soll, ausdrücklich in Anspruch genommen
Hauck, Kirchengeschichte. U. 2. Aufl. 31
— 482 —
kopierte, so l)ewies er in kurzem, dass er auch von I^eo IIT. ge-
lernt hatte. AVie dieser unaut'c:e1ordert Karl die Krone aut's Haupt
gesetzt hatte, so krönte er am (Jstert'est 823 Lothar. Ludwigs Sohn,
zum Kaiser, eine unerbeteue und schwerUch erwünschte Gunstbe-
zeigung. ') Noch in demselben Jahre wurden zwei päpstliche Be-
amte, der Primicerius Theodor und der Nomenciator Leo im Lateran
geblendet und enthauptet. Nach dem was zwischen Ludwig und
Leo III. vorgegangen war, musste der Kaiser darin eine Kränkung
seiner Rechte erblicken: dieser Eindruck wurde dadurch noch ver-
schih'ft. dass die ötientliche Meinung dahin ging, die (letöteten seien
um ihrer Treue gegen die Franken willen gemordet worden. Wirklich
regte sich Ludwigs träges Blut: er sandte eine Untersuchungskom-
mission 7iach Rom.') Allein gerade dabei tritt nun an den Tag,
(Cap. 161, 4 S. 323). Der ganze Abschnitt ist gefälscht. El)enso unglaublich ist
der die Papstwahl betrott'cnde Abschnitt, der ebenfalls im Ottonianum nicht
wiederholt ist. Denn hätte Ludwig das hier (S. 177j ausgesprochene Zugeständ-
nis gemacht, so würde der Römereid des Jahres 824 (s. unten)eine Zurücknahme
desselben in sich schliessen. Ganz unveranlasst ist das Versprechen, dass die
Franken und Langobarden sich nicht in die Papstwahl mischen und aus diesem
Anlass römische Orte und Territorien nicht beschädigen sollten (S. 176 u.).
Vor 817 ist dergleichen nie geschehen; man hatte keinen Grund es zu ver-
bieten. Es ist zum ersten Mal nach der Erhebung Sergius II. i. J. 844 vorge-
kommen (V. Serg. II. 8 S. 87).Nicht vor diesem Jahre kann also diese Stelle
interpoliert worden sein. Auch der nächste Satz, in doni Ludwig von einem
Freundschaftsbund redet, der zwischen Karl .Martell und den Päp.sten bestanden
habe, und der schon unter ihm regelmässig nach den Papstwahlen erneuert
worden sei, ist unmöglich in der kaiserlichen Kanzlei konzipiert. Aus diesen
Gründen halte ich den wesentlichen Inhalt der Urkunde, so weit sie sich auf
das Rechtsverhältnis von Papst und Kaiser bezieht, für getatscht. Relativ besser
beglaubigt ist die erste Hälfte, die von dem nlniischen Territorialbesitz han-
delt. Aber von dem Verdacht der lnteri)olationen ist auch sie nicht frei.
1) Dass die Krönung unerwartet war, beweist der Berichtder Ann.Einh. zu
823 S. 160. Lüsst die V. Wal. II. 17 S. 564 den Papst ex consensu et voluntato
Ludwigs handeln, so winl man daraus entnehmen können, dass seine That An-
Ktoss erregte. Don Kaisertitcl führte Lotiiar schon seit><17 (B.M. 627a). Ob in
der Krönung Lothars ein politischer Gedanke des Papstes lag, lasse ich dahin
gestellt. Wie mich dünkt, überschätzt man diese Feierlichkeiten, wenn man
annimmt, .sie hätten ursprünglich den Wert gehabt, den man ihnen etliche
Jahre später zuschrieb. DieP.ehauptung vonZöptfel (P. RE. XI S. 257), Paschalis
habe damit kund gethan, dass allein der Nachfolger Petri der eigentliche
Spender der Kaiserwürde sei, ist aus den Quellen nicht zu belegen. Der-
gleichen glaubte damals noch niemand. Wie die Zeitgenossen die Krönung be-
urteilten, zeigen Stellen wie Agob. ep. 15, 4 S. 224 und V. Wal. 11. 17 S. 564.
2) Die Vorgänge werden in den Ann. Einh. z. J. 823, von Thegan
(c. 30 S. 597) und in der anonymen Biographie Ludwigs (c. 37 S. 628) er-
— 483 —
wie viel Boden der Kaiser seit 815 verloren hatte. Pascbalis ver-
lünderte die Untersuchung: er stellte sich also auf den Staudpunkt,
dass nur er in Rom zu lichten habe. Xur das Eine bewies er
dui'cb einen Eid, dass er selbst den Tod Theodors und Leos nicht
geboten noch geplant habe. Das war genug, um Ludwig wieder zu
befriedigen. Im fi-änkischen Reiche freihch war man nicht befriedigt.^)
Während auf diese Weise die HeiTschaft des Kaisers über
Rom, die unter Karl eine Thatsache gewesen war, zur Illusion
zu werden begann, wurden die Herrscherrechte des Papstes über
die fränkische Kirche schärfer betont, als das je vorher ge-
schehen war.
Wann war es vorgekommen, dass ein Papst in die Besetzung
fränkischer Bistümer eingegriffen hätte? Nun geschah es. Der
Abt Barnard von Arabournai hatte Bedenken gegen die Annahme
des Erzbistums Vieinie. Paschalis bedrohte ihn mit kirchlichen
Zensuren, wenn er an seiner Weigerung festhalte. Barnard fügte
sich denn auch: er erbat von dem Papste das Pallium und cheser
erteilte es ihm unter den herkömmlichen Mahnungen zu rechter
Amtsführung. ^)
wähnt. Die Berichte sind erklärlicherweise wenig durchsichtig: es ist nicht
klar, ob ein gerichtliches Verfahren oder ein Mord vorliegt. Das Letztere
ist jedoch angesichts der Todesart wenig wahrscheinlich; auch hätte der
Papst Bedenken tragen müssen, offenkundige Mörder zu verteidigen, end-
lich widerspricht seine Erklärung: mortuos iure caesos. Ich nehme deshalb
ein gerichtliches Verfahren au. Die Hauptsache wird dux-ch diese Unklar-
heit übrigens nicht berührt: sie Hegt darin, dass der Papst die kaiserlichen
Gesandten an einer Untersuchung verhinderte.
1) So kühl der Bericht der Reichsannalen ist, so lässt doch die Be-
mei-kung, dass die fränkischen Gesandten infolge des Verhaltens des
Papstes der Sache nicht auf den Grund kommen konnten, das Urteil des
Verfassers erkennen. Noch deutlicher ergiebt sich die Stimmung diesseits
der Alpen daraus, dass V. Hlud. den Kaiser verteidigt: Natura miseri-
cordissimus, occisorum vindictam ultra persequi non valens quanquam
multum volens, ab inquisitione huiuscemodi cessandum existima-vit. Die
mangelhafte Logik dieses Satzes zeigt, wie schwer es dem Verfasser war,
Entschuldigungsgründe zu finden. Weyl, der annimmt S. 60 f., Paschalis
habe der Untersuchung stattgegeben, und nur durch seinen Reinigungseid
die Beendigung schnell herbeigeführt, hat mich nicht überzeugt; denn die
"VVoi'te Legati . . rei gestae certitudinem adsequi non potuerunt, quia Pasch,
et se . . iureiurando purificavit, et mortuos . . iure caesos pronuntiavit,
lassen wie mich dünkt keinen Zweifel daran, dass er es zu der angeordneten
Untersuchung überhaupt nicht kommen Hess. Thegan giebt die päpstliche
Ansicht. Bemerkenswert ist jedoch, dass nach ihm das römische Volk
Partei gegen den Papst ergriff.
2) J.W. 2549.
31*
_ 4.'^1 —
Überliaiipt trat Paschalis schroff und herrisch aui'. Ein Scliroil)en,
Avelches Hraban als Abt von Fulda über das Privilegium seines
Klosters ai\ ihn richtete, erregte seinen Ingrimm so sehr, dass er
die Ui)erl)ringer ins GeHingnis warf und Hraban mit der Exkom-
munikation bedrohte. ^)
Noch in anderer Hinsicht zeigte er sich als Leiter der fränki-
schen Kirche. So lange Karl d. (ilr. lebte, lag die Sorge für die
Ausbreitung des christlichen Glaubens allein in seinen Händen:
jetzt (.-rteilte der Papst dem Bischof Ebo von Rheims die ^'oll-
macht zur nordischen Mission. ■)
PaschaHs starb nach siebenjähriger Regierung im Frühjahr
824. •') Er hatte den Franken gegenübei' die päpstlichen Interessen
kräftig vertreten. Aber das römische Volk war mit seiner Heir-
schaft unzufrieden; der Mord Theodors und Leos war nicht die
einzige Ünthat, über die man klagte. Der Pa])st hatte überhaupt
ein schroffes und gcwalttiiätiges Parteiregiment geführt. Jetzt bei der
Neuwahl erhob sich lebhafter Widerspruch gegen die Optimaten-
pai-tei, der er angehört hatte ;^) man hoft"te sie stürzen zu können;
aber sie behielt die Oberhand und ihr Erwählter, Eugen, bisher
Archipresbyter an der Kirche der heiligen Sabina, bestieg den
römischen Stuhl.'') Damit war entschieden, dass die päpstliche Politik
dem Kaiser gegenüber unverändert ihre bisherige Richtung oh\-
1) Dümmler in den Forschungen (V S. 385 Nr. XXII), jetzt auch M.G.
Ep. V S. 528 Nr. 26. Was Hraban über das Privilo^iuin Fuldas schrieb,
lässt sich aus den von Dümmler zusammengestellten Rosten des verlorenen
Schreibens nicht entnehmen. Sollte er die Exemtion Fuldas getadelt
haben ?
2) J.W. 25.i3. Vgl unten Kap. 4.
3) Ann. Einh. z. d. J. geben das .Jahr. Tag und Monat sind nicht
überliefert. Da Ludwig die Thronbesteigung Eugens vor dem 24. .luni er-
fuhr (1. c), so muss der Tod Paschalis in das Frühjahr fallen.
4) Da Paschalis bei dem Volke äusserst vorhasst war (Tliog. V.
Hlud. 30 S. 597), so handelte es sich bei der Wahl seines Nachfolgers
auch um die Frage, ob die päpstliche Politik die bisherige Richtung fest-
halten sollte. Ich halte deshalb die Annahme, F]ugon sei der Erwählte der
auf die fränkische Soit^ sich neigenden Partei gewesen (Simson, .TB. I
S. 214), für unhaltbar. Das Volk ergreift ja für die von Paschalis Hinge-
richteten Partei (Theg. 1. c); den Klagen des Volkes hilft Lothar ab (Einh.
ann. z. .T. 824 S. 213). Dagegen benützte Eugen dieselben Vertrauens-
männer wie sein Vorgänger (s. Ann. Einh. z. .1. 824 S. 212). Ähnlich urteilt
Dopffel S. 74 f.
5; So der fränkische Bericht. Ann. Einh., womit Theg. V. Hliid. c. 30
S. 597 zu verbinden ist. Die V. Eugen. 2 S. 69 lässt a Romanis cunctis pro
meritorum pia relatione erwählt sein.
— 485 —
halten würde. Am fränkischen Hofe täuschte man sich darüber
nicht. Man fasste eben deshalb den Entschluss, dem Zurückdrängen
der kaiserlichen Gewalt in Rom ein Ende zu machen. Grund und
Anlass für das Eingreifen des Kaisers boten die Unruhen bei der
Neuwahl. Ludwig kam nicht selbst; aber er sandte im Herbste 824
seinen Sohn Lothar von neuem nach Rom. Wir hören von ein-
schneidenden Massregehi des jungen Fürsten : er stiess unwürdige
Gheder aus dem römischen Beamtenstand, half den Klagen über
willkührliche Konhskationen ab, nötigte die Kurie, eingezogene Güter
den früheren Besitzern zm-ückzugeben : ^) mit einem Wort, er trat
als Herr in der Stadt auf. Eugen konnte im Moment keinen Wider-
stand leisten. Lothar aber gedachte die kaiserlichen Rechte auch
für die Zukunft zu wahren. Das ist der Gedanke, welcher in seiner
römischen Verordnung liegt, nicht minder in dem Eide, den er den
Römern abnahm, und in dem Vertrag, den Papst Eugen beschwor.
Jener Erlass ist wichtig, da er die Konsequenzen aus der Herrschaft
des Kaisers ülier Rom zieht: die Zahl und die Namen der römischen
Richter sollten fernerhin dem Kaiser mitgeteilt werden, kaiserliche
Sendboten sollten ihm regelmässig Bericht über die Amtsfühi'iuig
der Beamten erstatten, das kaiserliche Gericht sollte als die höchste
Instanz anerkannt werden. -) Bei dem Eide liegt das bedeutungs-
volle darin, dass die Römer nicht nur Treue gegen den Kaiser
und Beobachtung der kanonischen Vorschriften bei der Papstwahl
gelobten, sondern sich ausdrückhch verpflichteten, die Konseki'ation
des Gewählten erst vorzunehmen, nachdem er in Gegenwart kaiser-
licher Gesandter den Eid geleistet habe. ^) Bei dem Vertrag endhch
kommt in Betracht, dass jetzt zum ersten Male die Verpflichtungen,
welche das h'änkische Bündnis den Päpsten auflegte, urkundHch
festgestellt wurden.^) Man sieht: überall wiu'de die fränkische
Ansicht über das Verhältnis des Kaisers zum Papste, deren An-
erkennung man bisher vorausgesetzt und erwartet hatte, als giltiges
1) Ann. Einh.; Fuld. z. .J. 824; V. Hlud. 38 S. 628.
2) Cap. 161 S. 322 ff.
3) L. c. S. 324. Über die Bedeutung Sickel D. Ztschr. f. GW. XII
S. 20. Die Echtheit des Eides beweist eingebend Dopffel (S. 81 S.).
4) Die Thatsache ist in dem Privilegium Ottos I. von 962 erwähnt
(Sickel S. 181 § 15).: Salua in omnibus potestate nostra et filii nostri
posterorumque nostrorum, secundum quod in pacto et constitutione ae pro-
missionis firmitate Eugenii pontificis successorumque illius continetur.
Dass man ein Schriftstück über die kaiserlichen Rechte bedurfte, beweist
allein schon, dass die kaiserliche Macht auf die Neige ging. Dopffel
(S. 105 if.) überschätzt in auffälliger Weise die Bedeutung einer gesetzlichen
Feststellung im Vergleich mit dem Werte der realen Macht.
— 486 —
Recht ausgesprochen. So sollte der verlorene Boden mit einem
Schlage wiedergewonnen werden.
Man köimte geneigt sein, hierin Siege des Kaisertums /.u
erblicken. Das wäre ohne Zweifel irrig. Es wurden nur Rechts-
fornien geschaffen, welche zum Teil eine Zeitlang beül)achtet
^nn•den. Aber verbriefte Rechte und widerwillig geleistete Eide
können den Mangel .in thatsüchlicher Macht nie ersetzen. Durch
Lothars Anordnungen wurde weder die Auflösung der kaiser-
lichen ]\[acht gehemmt, noch der Aufschwung der päpstlichen
Autorität gehindert. Sie hatten keinen Einfluss auf die seit Karls
Tod im Fluss begriffene Bewegung.
Es ist charakteristisch tih- Ludwig d. Fr., dass er nie l^egrift',
dass neben einander auftauchende Fragen mit Rücksicht auf einander
gelöst werden müssen. Deshalb erscheint seine Politik so zusammen-
hanglos, oft widerspruchsvoll. In demselben Moment, in welchen»
er durch Lothar seine Hen-schaft über Rom und den Papst sichern
wollte, erhöhte er selbst die päpstliche Autorität, indem er freiwillig
auf die belierrschende Stellung verzichtete, welche Karl in den all-
gemein kirchlichen Angelegenheiten eingenommen hatte.
Das zeigt sein Auftreten im Bildeistreit.
Im Orient dauerte der Gegensatz der Bilderverehrer und Bilder-
feinde in unverminderter Schärfe fort. Der Annäherungsversuch
im Beginn der Regierung Michaels IL führte nur zu einer Ver-
tiefung des Zwiespalts. M Wieder lehnten sich die Vertheidiger der
Bilder an Rom an; andererseits war unvergessen, dass Karl d. Gr.
die Beschlüsse von Nicäa misbilligt hatte.'-) Kaisf-r Michael II. hofftr
deshalb l)ei Ludwig d. Fr. Fnterstützung zu finden. Vielleicht
wusstc er davon, dass Karl Hadrian I. seinen Willen aufgezwungen
halte. Um sich mit Ludwig zu verständigen, sandte er eine glänzende
Gesandtsch.'ift in das fränkische Reich. **) Erahnte nichts von
der Veränderung der abendländischen Veriiältnisse, die seit Karls
d. Gr. Tod eingetreten war. Vielmehr setzte er voraus, dass Ludwig
der Herr Roms sei und d;iss sein Wort in der Kirc-he (entscheide.*)
1) S. Hefelo, CG. IV S. 38 f.
2) Man bemerkt leicht, dass Michael in seinem Schreibon ein den
fränkischen Ansichten entsprechendes Urteil über die Bilder vorträgt
(Mansi XIV 8. 420): Imagines de humilioribus locis etferri fecerunt et eas
qnae in sublimioribus locis positae erant, ut ipsa pictura pro scriptnra
haberetur, in suis locis consistere pormi'^enint.
3) P:inh. ann. z. .1. 824.
4) Mansi XIV S. 422: De cetero ordinet vestra spiritualis dilectio,
ut (legati) cum omni honore et illacsione ad eum fpapam) veniant . .
iubentes eis, ut si amodo manifcHti fuerint qiiidam seductores psoudo-
— 487 —
Ludwig war nicht der Mann, den ihm hier angewiesenen
AVeg zu gehen. Zwar hess er die griechischen Gesandten durch
den Bischof Freculf von Lisieux und einen gewissen Adegar
ehrenvoll nach Rom geleiten;^) aber zugleich erbat er sich von
Eugen II. die Erlaubnis, ein Gutachten über die Bilderverehrung
von den fränkischen Theologen bearbeiten zu lassen. -) Wie hätte
Eugen eine solche Bitte ablehnen sollen ? Lag doch in ihr bereits
der Verzicht auf die Leitung der Kirche, welche Karl beansprucht
hatte. ^)
Mit päpstlicher Genehmigung traten die fi'änkischen Bischöfe
am 1. November 825 zu einer Besprechung in Paris zusammen.'')
Unter den Theologen war die Tradition aus den Zeiten Karls
noch lebendiger als bei dem Kaiser. So entschieden als möghch
stellten sie sich auf den Standpunkt, welchen die fränkische Kirche
imter Karl eingenommen hatte. Sie Hessen den Brief Hadiians an
Konstantin und Irene verlesen und waren einstimmig in dem Tadel
desselben: der Papst habe unverständig gehandelt, indem er aber-
gläubischer Weise die Verehrung der Bilder geboten habe. Während
es zw^ar erlaubt sei, Bilder zu haben, aber Frevel, sie zu adorieren,
habe er auf einer Synode in der feierhchsten Weise geurteilt, dass
man sie aufrichten, verehren und als heihg bezeichnen solle. Das
Schreiben des Papstes sei die Ursache der irrigen Beschlüsse von
Nicäa. Als diese von Karl getadelt worden seien, habe Hadrian
sie in Schutz genommen und auf Karls Zuschrift, was er wollte,
christiani ecclesiae calumniatores, illuc (Rom) eos expellere, ut non tantum
in republica ad invicem concordemus, sed etiam et de magna re quae ad
salutem animae pertinet i. e. ecclesiastica et Deo amabilia consentiamus.
1) Ann. Einb. z. J. 824. Nach den Akten der Pariser Synode von
825 liegt die Annahme sehr nahe, dass Freculf und Adegar die Begleiter
der Griechen nach Rom waren (Mansi XIV S. 422). Ich sehe keinen
Anlass, mit Simson (JB. I S. 247 f.) u. a. eine spätere Sendung der beiden
anzunehmen.
2) Von Ludwig erwähnt in seinem Commonitorium für Jeremias von
Rens und Jonas von Orleans (Mansi XV b S. 435) und in seinem Briefe an
Eugen (1. c. S. 437).
3) Analog ist, dass Ludwig zu gleicher Zeit den Bischof Fortunat von
Grado nach Rom sandte, damit der Papst ihn richte (Ann. Einh. z. J. 824),
während Leo III. denselben Fortunat bei Karl denunziert hatte, damit dieser
ihn zurechtweise, J.W. 2521.
4) Die Denkschrift der Synode bei Mansi XIV, 421 ff.; die Entwürfe
zu den Briefen des Kaisers an den Papst und des Papstes nach Konstan-
tinopel 1. c. S. 461 ff. Die beiden Schreiben des Kaisers an die Bischöfe
Jeremias und Jonas und an den Papst 1. c. XV b S. 435 ff. Vgl. Hefele,
CG. IV S. 41 ff.; Simson, JB. L S. 248 ft\
— 4SS —
nicht aller was vy sollte, erwidert. In seiner Antwort sei manches
falsch, manches nnpassend. manches tadelnswert; indem er jedoch
am Schlnss erklärt habe, er wollte bei der Ansicht Gregors d. Gr.
verhaiTen. habe er bewiesen, dass er nicht bewnsst. sondern aus
Unwissenheit geint habe.
Nicht minder scharf lauteten die Äusserungen über Papst
Eugen. Bischof Freculf habe der Synode einen genauen und wohl-
überlegten Bericht über seine Sendung nach Eom erstattet. Die
Versammelten hätten daraus ersehen, wie teils aus Unkenntnis der
"Wahrheit, teils kraft der schlechtesten Gewohnheit die Pest des
Aberglaubens in Rom eingewurzelt sei. Um so rühmenswerter sei
es. dass Ludwig nicht gestatten wolle, dass diejenigen vom rechten
Wege abwichen, welche ausgestattet mit der erhabensten Autontät
vielmehr die Iirenden zurechtweisen sollten. Die Zustinunung
Eugens zum Zusammentritt der Pariser Synode eröffne ihm den
Weg, die Wahrheit zur Anerkeniunig zu bringen: ihr müsse sich
mit oder gegen seinen Willen schliesslich auch der Papst unter-
werfen. ^)
Es lag den fränkischen Bischöfen ebensosehr daran, dass die
Streitfrage sachlich ihren Überzeugungen gemäss entschieden wüi'de,
als daran, dass von dem Eintiuss. welchen die fränkische Kirche
auf die allgemeinen Angelegenheiten bisher besessen hatte, nichts
verloren ginge. Sie lühlten sich als die Vertreter der abendländi-
schen Christenheit, und sie hielten dafür, dass wie unter Karl der
fränkischen Kirche das entscheidende Wort zukomme. Deshalb
legten sie dem Kaiser nicht nur den Entwmf für das Schreiben
vor, das er nach Rom richten sollte, sondern auch denjenigen für
die Antwort, welche der Papst dem orientalischen Kaiser zu er-
teilen habe.
In dem ersteren fehlte es nicht an wortreicher Anerkeniunig
dpr päpstlichen Würde. Allein das Wesentliche war der Vorschlag,
welchen die Bischöfe den Kaiser machen liessen. durch eine ge-
meinsame kaiserliche und päpstliche Gesandtschaft den Fneden im
( )rient wieder iiei-zustellen. ■) Noch charakteristischer ist der Entwurf
für das Schreiben des Paj)stes. Denn es ist unverkennbar, da.ss ab-
sichtlich die päpstliche Macht auf die >rahnung. Lehre, Aufforde-
rung eingeschränkt wird. ") Auch die apostolische Autorität giebt
ihrem Träger nur die Vollmacht zu hhren.^) Ebenso absichtlich
1) Mansi XIV S. 421—423.
2) L. c. S. 403.
3) L. c: Quantum ex mo humilitor Buppliro, quantum voro ex tanta
auctoritate suMiiniter moneo.
4) L. c: Oro . . ut ea quae pro salute vestra ex auctoritate b. Petri
— 489 —
ist die Bedeutung der fi'änkischen Kirche betont: der ganze Kreis
der Priester, nicht minder der gesamte Senat des fränkischen
Volkes und Reiches fordere, dass der Papst den Frieden in der
griechischen Kirche wiederherstelle; man drohe ihm mit dem
götthchen Gericht, wenn er das unterlasse. ^) Sollte so der Papst
selbst der Thatsache Zeugnis geben, dass die abendländische Kirche
in der fi-änkischen gleichsam aufgegangen sei, so wollte man ihn
über das Sachliche des Streites überhaupt nicht zu Worte kommen
lassen: er sollte den Griechen einfach die Erklärung der fränkischen
Kirche wiederholen, dass Bilder haben oder nicht haben keine
Sache des Glaubens sei, die Entscheidung müsse dem Einzelnen
überlassen bleiben; wer Bilder habe, sei zu ermahnen, dass ersieh
vor missbräuchhcher Verehrung derselben hüte, wer sie nicht habe,
dass er ihre Verachtung unterlasse. -)
Die Aktenstücke der Pariser Konferenz und die Verfügungen
Lothars in Rom sind Parallelen. Wie auf dem staathchen, so
sollte auf dem kirchhchen Gebiete der bisherige Zustand festge-
halten werden. Aber wenn die Bischöfe wähnten, Ludwig werde
sich zu einem durchgreifenden Entschluss aufschwingen, so täuschten
sie sich. Zwar legte er ihr Gutachten durch die Bischöfe Jeremias
von Sans und Jonas von Orleans dem Papste vor; aber sein
Schreiben an Eugen lautete ganz anders als der Ent^\airf der
Synode; es war voller entschuldigender Worte: das Pariser Gut-
achten solle den Papst keineswegs belehren, sondern nm' unter-
stützen, wenn er finde, dass es dazu dienlich sei. Gefalle es ihm,
dass fränkische Gesandte die Seinen nach Konstantinopel begleiteten,
so möge er geiiilien, das dem Kaiser wissen zu lassen. Zwar
glaube Ludwig nicht, dass seine Gesandten ihm notwendig seien;
aber er wolle sich in allen Stücken ihm dienstwillig erweisen. ^)
. . admonere et exhortari et insinuare necessarium duximus patienter audiatis.
Besonders charakteristisch ist die Erklärung, weshalb der Papst Gehorsam
verlangt (S. 464): Ideo ad obediendum nobis hortamur, quia omnia, quao
vobis de hac causa dicturi sumus, tribus his capitulis principaliter et ordinäre
et confirmare parati sumus, i. e. ratione, auctoritate et consilio, videlicet
rationem texendo et eandem, rationem, in quantum rationabilis, discreta
honesta et utilis fuerit auctoritate firmando, eandem vero auctoritatem
secundum catholicae fidei veritatem et rectitudinem salubriter intelligendo.
Ad ultimum vero, quid in bis ad salutem universalis ecclesiae tenendum
sit, consilium Deo placitum dando et idem consilium confirmando. Das
alles war doch vielmehr für den Papst als für die Griechen geredet.
1) L. c. S. 465.
2) L. c. S. 466.
3) L. c. XVb S. 437 f.
— 400 —
So das Schreiben an den Papst: der Kaiser konnte sich nicht
tügsanier äussern als er that. Die Instruktion, welche er gleich-
zeitig den Bischöfen Jerenüas und Jonas erteilte, wirft nun aber
ein unerwartetes Licht auf die Verhältnisse. Ludwig wusste ganz
klar, dass der Papst die fränkischen Ansichten über die Bilder-
verehnnig nicht teilte, und er wünschte ihn für dieselben zu ge-
winnen. Durch seine Nachgiebigkeit und Unterwürfigkeit hoffte er
diese Absicht zu erreichen. •■) Von der Festigkeit Eugens hatte er
den grössten Eindruck; doshalb machte er seinen Gesandten zur
Pflicht, nie offen zu widersi)reclien; es war kläglich: der Sohn des
grossen Karl war feig; er iiirchtete sich vor dem Papst.
Ob es zu einer gemeinsamen Sendung nach Konstantinopcl
gekommen ist, wissen wir nicht.') Sicher ist nur. dass man sich
in Rom den fränkischen Anschauungen nicht anschloss.'^) Die Zügel
der Kirche, welche den schlaffen Händen Ludwigs entsanken, ergriff
der römische Bischof
In Paris hatte der fränkische E])iskopat noch geschlossen und
einstimmig gehandelt. Es dauerte nicht lange, so löste sich seine
Einigkeit auf Der Grund lag nicht darin, dass die kirchlichen
Ansichten von Anfang an auseinander gegangen wären: die kirch-
liche Parteiung war nur Folge der politischen; die letztere aber
war durch Ludwig selbst hervorgerufen. Sein unsicheres Verhalten,
bald bedingt durch ungegründete Symi)athien niid Antipathien,
bald gelenkt durch unzuverlässige Ratgeber, war um- zu geeignet.
Spaltungen hervorzurufen. Er hatte seine Regierung damit be-
gonnen, dass er die Männer beseitigte, auf deren Hat i\arl zu
hören gewohnt war. Besuudei-s war die ganze Kauzlei neu gebildet
1) L. c. S. 435: niud tarnen summopere praevidete, ut ea Uli de hi.s
(Piiriser Gutachten) ostendatis quae rationi de imaginibus habendae per
oinnia conveniant et quod ipse vol sui reiccre minimc valeant. Sed et vos
ipsi tarn patienter ac modeste cum eo de hac causa disputationem habeatis,
ut suinmopere caveatis, no niniia ei re.sistendo euui in aliquani inrevocabiloiii
pcrtinaciam incidere compellatis; spd paullatim, verbis eins quasi obse-
quondo lua^iH quam aperte resistondo, ad mensuram quae in habendis
imaginibus retinenda est eum deducere valeatis.
2) Da in den nächston Jabren (4esandtschaften zwischen Konstan-
tinopel und Aachen hin und her gingen, so ist es möglich (V. Hlud. 11 f.
S. 631).
3) Dem radikalen Standpunkt gegenüber, den Claudius von Turin in
der Bilderfrage einnahm, s. Dümmler, Berl. SB. XXIll S. 43.5 f., vertraten
der Kelte Dungal (vgl. oben S. 154 f.) und Jonas von Orleans (de cultu ima-
ginum Migne 106 S. 305 ff.) im wesentlichen den früheren Standpunkt der
karojingischen Theologen : Zulässigkeit der Bilder ad oruditionem. Es ist
aber_doch bemerken -^wert, dass die Front des Angriü's geändert ist.
— 491 —
worden;^) aber auch andere verdiente Männer waren entfernt. Es
ist vergeblich nach sachlichen (Tründen zu fragen, offenbar wirkten
nur persönliche: persönhcher Abneigung des Kaisers wird der stolze,
aller seiner Handlungen gewisse AdaDiard von Corbie zum Opfer
gefallen sein. Als Ludwig den Thron bestieg, täuschte er sich
keinen Augenblick über das, was er von dem neuen Herrscher zu
gewärtigen hatte. Er verschmähte es, ihn aufzusuchen und er-
wartete in Corbie, was über ihn verhängt werden wüi'de. Ludwig
hat ihn ungehört seiner Würden entsetzt und in das weltentlegene
Kloster auf der Insel Herium im atlantischen Ocean verwiesen. ^)
Alle Geschwister des Abts hatten unter dem Hass des Kaisers
zu leiden ; es nützte dem Grafen Wala nicht, dass er dem Kaiser
sofort huldigte, er musste sich gleichwohl entschliessen, ins Kloster
einzutreten: er ging nach Corbie.^) Dort lebte als Mönch der zweite
Bruder Adalhards, Bernar; er hatte nie im öffentlichen Leben eine
Rolle gespielt; trotzdem wurde er jetzt nach Lerin verbannt.*) Viel-
leicht, dass auch Theodulf von Orleans nur durch den feindsehgen
Argwohn Ludwigs der Teilnahme an der Empörung Bernhards für
schuldig gehalten wurde. ^) Wenigstens hat der Erzbischof ver-
schmäht, sich schuldig zu bekennen, auch als das Bekenntnis
genügt hätte, seine Befreiung zu erwirken.*')
1) Mühlbacher, Deutsche Gesch. unter d. Kar. S. 324.
2) V. Adalh. 30 S. 527. Die grossen Worte Radberts lassen sehr
viel im Dunkeln. Doch werden die Sätze: Noluit ante faciem apparere,
und: Factum est, ut sine accusatore, sine congressu, necnon sine audientia
atque sine iudicio iustitia plecteretur in eo, ein Recht zu der im Texte
vorgetragenen Fassung geben. Die Transl. Viti 6 S. 578 giebt nur die That-
sache der Absetzung und Exilierung. Über das Kloster Noirmoutier s.
Bd. I S. 279, 7.
3) V. Adalh. 32 f. S. 527; 35 S. 528; Transl. Vit. 7 S. 578. Über Wala
vgl. Rodenberg, D. V. Wal. (1877) S. 74 ff.
4) V. Adalh. 34 f. S. 527 f. Hier auch über das Schicksal der beiden
Schwestern.
5) Ann. Einh.. ehr. Moiss. z. J. 817; V. Hlud. 29 S. 623 und Theg.V. Hlud.
22 S. 596 nennen Theodulf als Mitschuldigen; ihrem Berichte ist jedoch nur
die Thatsache zu entnehmen, dass Theodulf als schuldig verurteilt wurde. Dass
er es war, ist damit nicht bewiesen. Seine Teilnahme an der Verschwörung ist
nun aber sehr unwahrscheinlich angesichts seiner Entfernung vom Orte des
Verbrechens und angesichts seiner Überzeugung von der Notwendigkeit der
Monarchie (vgl. carm. 34 S. 526). Dadurch erhalten die Versicherungen
Theodulfs, er sei unschuldig, mehr Gewicht, als sie an sich haben.
6) Carm. 72, 1 v. 59 ff. S. 564:
Nostra eguit iusto rationis pondere causa,
Saevitia excepta nulluni habet ista modum.
— 192 —
Wenn Ludwig in dieser Weise Männer, welche unter seinem
Vater t-inllussreicli gewesen waren, entfernte, so hatte er dabei
nicht die Absicht, die Pohtik seines Vaters zu verh\ssen. In seinem
Verhalten gegen lieo, Paschalis und Eugen ist nichts so klai- als
der Vorsatz, zu handeln wie Karl. Auch andere Regierungsmass-
regeln erscheinen wie inspiriert von den Gesinnungsgenossen der
verbannten Räte Karls. Der Gedanke, die Einheit des Reiches
tur immer festzustellen, der zu der ICrbfolgeordnung des Jahres 817
führte,^) war sicher nicht Tjudwigs Eigentum. Es bedürfte kaum
«ler ^'ersichel•ung, dass lieiciisteilungcn vermieden werden sollten,
damit die Kirche darunter keinen Schaden leide,-) um zu beweisen,
dass die Idee der Errichtung einer ]V[onarchie in den kirchhchen
Kreisen ihren Ursprung hatte, welche die Herrschaft Karls in der
Kirche als das Fundament ihres Gedeihens erkannten."^)
Dass Adalhard nach siebenjiUu'iger Verbannung'*) zurückberufen,
dass seine Brüder wieder zu Gnaden angenonnnen wurden,'') dass
die von Tiudwig ins Kloster verwiesenen Söhne Karls in derselben
Zeit in eintlussreiche Stellen kamen,") ist deshalb verständlich.
Non ibi testis inest, iudex nee idoneus uUus,
Non aliquod crimen ij^se ego fasaus eram.
^foduin von Autun, an den die Verse gerichtet waren, erwidert (carni. 73
V. 89 f. S. 572):
Commissum scelus omne tibi dimittere nuivult,
Si peccasse tarnen te memorare velis.
Theodulf starb im Herbst 821 (s. Cuissard S. 99j; das Bistum Orleans besass
seit 818 Jonas.
1) Cap. 1.% S. 270. Vjrl. Simsom, JB. 1 S. 100 ft".: v. Hanke, WO. VI,
1 S. 21 £f.; Mühlbacher, D.G. S. 3^2 0'.
2 Cap. 136 S. 270: Nequaquam nobis . . visum fuit, ut amore tiliorum
aut gratia unitas imperii . . divisione humana scinderetur, ne forte hac
occasione scandalum in saneta ccclesia oriretur.
3) Y. Ranke (W<t. VI, 1 S. 27) macht die Bemerkung, man müs.se
or.staunen, das.s bei der Cbertraf,Ming <1ps Im]ifiriums des Papstes keine
Erwähnung geschieht. Wie mich dünkt, ist dies doch nur ein Beweis, wie
entschieden man sich anfang.s im Fuhrwasser Karls hielt. Agobards Dar-
stellung (ep. 15, 4 S. 224 f.) zeigt, dass auch mich seiner Meinung der
F'apst nur anzuerkennen hatte, was der Kaiser that: durch Ludwigs Er-
wiihlung ist Lothar Kaiser ; der E'apst hat nur das Geschehene auch seiner-
seits zu billigen.
4) Ann. Einh. z. J. 821; V. Hlud. 34 S. 626; V. Adalh. 45 t. S. 529.
5) Vgl. Einh. ann. z. 821 S. 156, z. 822 S. 158.
6) Drogo erhielt 823 das Bistum Metz, Ann. Einh. z. d. J. S. 161,
Hugo die Abteien St. Quentin uml Laubach, Ann. Lob. z. 825 M.G. Scr. I
S. 194.
— 493 —
Das alles bedeutete keinen Wechsel in der Politik. Aber kam
Adalhard als derselbe zurück, als der er gegangen war? Theodulf
hat in der Verbannung gelernt, das päpstliche Gericht über das
kaiserliche zu stellen.^) Energisch wie er war. hat er für sich Partei
zu machen gesucht.-) Schwerlich ohne Erfolg. Bereits gab es im
fi'änkischen Reiche Männer, welche die Giltigkeit eines Synodal-
beschlusses von der päpstlichen Bestätigung abhängig machten.'^)
Das Avaren früher unbekannte Ansichten über die päpstliche Gewalt.
Sollte auch in xA.dalhard eine Neigung zu ihnen vorhanden gewesen
sein? Jedenfalls ersparte er dem Träger der Kaiserkrone die
Demütigung nicht, die in der Leistung der Kirchenbusse lag.*)
Wenn er in seinen letzten Lebensjahren urteilte, dass nun die Re-
gierung Ludwigs in die Richtung Pippins und Karls zurückgelenkt
habe,'^) so war das eine Täuschung. Denn hierarcliische Bestre-
bungen waren jetzt viel aussichtsvoUer als einstmals. Sie fehlten
denn auch nicht. Ein Gesinnungsgenosse Adalhards, der Erzbischof
Agobard von Lyon, wagte bereits auf dem Reichstage in Attigni
im Herbst 822 die volle Restitution des Kirchenguts zu fordern.*^)
Adalhard erkannte die grosse Schwierigkeit der Frage: er trug
1) Carm. 72, 1 v. 63 ff. S. 565 :
Esto: forem fassus, cuius censura valeret
Dedere iudicii congrua frena mihi?
Solius illud ojjus Romani praesulis extat,
Cuius ego accepi pallia sancta manu.
2) L. c. V. 37 ff. S. 564:
Unus ego quamvis sim, non est unius haec res.
Quod factum est mihimet, esse potest alii.
Est commune malum, communis cura petenda est:
Quod nostrum est hodie, eras erit alterius.
3) Agob. ep. 5, 20 S. 174: Quia sunt qui Gallicanos canones aut
aliarum regionum putant non recipiendos, eo quod legati Romani seu im-
peratoris in eorum constitutione non interfuerint etc.
4j Zu Attigni im August 822, Ann. Einh. z. J. 822: Consilio cum epi-
scopis et obtimatibus suis habito; Fuld.: Sacerdotum usus consilio; v. Hlud. 35
S. 626.
5) Agob. ep. 5, 3 S. 166: (Adalai-dus) dicebat, se nunquam sublimius
vel gloriosius causam profectus publici moveri et cogitari vidisse a tempore
regia Pippini usque ad diem illum. Wie mich dünkt, sucht Simson (JB. I
S. 181) zu viel in der Phrase, wenn er es bezeichnend findet, dass die
Regierung Karls ausgelassen ist. Der Gedanke ist doch nur, dass Ludwig
in der seit Pippin begonnenen rühmlichen Weise die öffentlichen Angelegen-
heiten zu leiten fortfahre und dabei seine Vorgänger noch übertreffe.
6) Agob. ep. 5, 4 S. 167 f.
— 494 —
Bedenken sie in Anreginig zu bringen;') auch war er schwerlich
mit Agobards Verhingeu einverstanden.-) Doch genügte der Vor-
schlag, um die höchste Entrüstung der CTrossen hervorzurufen, in
deren Händen sich die Kirchengüter befanden.'') Man sieht: noch
gab es nicht Parteien mit bestimmten Zielen, aber die Partei-
bildung lag bereits in der Luft.
Die Geburt Karl d. K.,') die Absicht der Kaiserin Judith, eine
Änderung der Konstitution üljer die Erbfolge zu Gunsten ihres
Sohnes her])eizurühren.'') l)rachten die Dinge in Fluss. Der Sturz
der Grafen Matfrid und Hugo im Jahre 828 ") und die Erhöhung
des Grafen Bernhard von Septimanien im nächsten Jahre ') zeigten,
dass mit der bisherigen Politik gebrochen war:**) die Männer, welche
Ludwig bisher geleitet hatten, sahen sicli um jeden EinHuss ge-
bracht; nicht alle fügten sich darein. Die Erliel)ung des Jahres
830 war der Versuch, mit Hihe der in ihren Rechten gekränkten
1) Die Worte Agobards 1. c S. 16>^: Cum haec a lue dieerentur,
responderunt pie . . Adalavdus et Helisacar abbates. Utrum vero audita
retulerint domno imperatori, nescio, lassen kaum einen Zweifel daran, dass
Agobards Anregung von Adalhard und Helisachar dem Kaiser nicht mit-
getoilt wurde. Wäre es geschehen, so hätte er es sicher erfahren. Die fromme
Antwort der beiden Äbte war wohl eine höfliche Ablehnung.
2) Das wird man ans der Stellung Walas zur Kirchengutsfrage
schliessen dürfen. Kr beharrte bei den Anschauungen der Zeit Karls: F>
erklärt: Si respublica sine suffragio rerum ecclesiarum sub-sistere non valet,
quaerendus est modus et ordo cum summa revoiontia et religione christia-
nitiitis, si quid vos vestrique ab ecclesiis ob defcnsionom magis quam ad
rapinam accipere debeatis . . . Porro isti sancti pontifices, si (juid ad usus
militiae exhibendum est, sie exhibeant: et sie fiat rationabiliter in quibus-
libet rebus (v. Wal. IT, 3 S. 549).
3> Agob. ep. 5, 1 S. 166. Der Brief ist eine Verteidigung gegen
ihre Vorwürfe.
4) 13. Juni 823.
5) Vgl. Simson .TB. I S. 325 tf.: v. Ranke, W(t. VI, 1 S. 34 ff. ; Dümm-
1er, OFr. R. I S. 50 ff. ; Mühlbacher D.G. S. 344 ff.
6) Ann. Einh. z. J. 827 und 828; v. illud. 41 u. 42 S. 630 f. Mirac.
Bened. 20 M.G. Scr. XV S. 487. Cap. v. b2i» M.(J. Cap. 188, 3 S. 10. Hugo
war der Schwiegervater Lothars.
7) Ann. F^inh.; Fuld. z. J. 829. Über seine P«rsönlichkeit vgl. Simson
•TB. I S. 332 f.; Mühlbacher D.G. S. 371.
8) V. Wal. 11, 9 S. 553: Arbitrabatur diabolicis omnia praeoccupare
maleficiis . ., eo rpiod sacratissimum Augustum sie haberet suis delusum
praestigiis, ut omnes rppellerot, quos aut ipse, aut raagnus pater eius Im-
perator nutrierat, a secreto, a colloquio, a familiaritate et consilio, a fidei
fide, ab honoribus et ab omni consortio prioris vitae.
— 495 —
Söhne des Kaisers, die verlorene Stellung wieder zu erobern.^)
Geistliehe und welthche Grosse beteiligten sich an ihm; unter den
ersteren werden der Erzkapellan Hilduin, Abt von St. Denis, der
Kanzler Helisachar und der Bischof Jesse von Amiens genannt.')
Adalhard war im Beginn des Jahres 826 gestorben;^) sein Bruder
Wala. der Erbe seines Ansehens imd seines Einflusses, befand sich
im Einverständnis mit den Empörten.'*) Der treue Einhard dagegen
suchte sich der Parteinahme zu enthalten. Er befand sich in der
Umgebung Ludwigs; es geschah wohl auf dessen Andiängen, dass
er Lothar vor der Teilnahme an der Erhebung gegen den Kaiser
warnte und an seine Kindespfliclit erinnerte: von den Verschworenen
dächte jeder niu- an den eigenen Vorteil; sie täuschten ihn mit dem
Vorgeben, dass sie sein bestes suchten.'^) Bei diesen Vorstellungen
war er schwerHch nur der Prediger fremder Gedanken: ihn er-
schreckte die Empörung; er sah darin die Erfüllung einer di'ohenden
Olfenbarimg.'^) Und er bebte davor zurück, persönlich mit dem
Kaiser zu brechen, ihm wollte er die Treue halten.') Aber die
"Wendung, welche die kaiserhche Politik im Jahre 828 genommen
hatte, billigte er keineswegs. Dem Aachener Konvent, der im
Winter nach dem Sturze Matfrids stattfand, wohnte er in der nieder-
geschlagensten Stimmung bei.^) Im Beginn des Jahres 830 bat er
den Kaiser um Entlassung aus seiner bisherigen Stellung am
Hofe.'') Er wünschte sich weit weg aus dem Streit.^'') Sein zag-
haftes, jeder Entschlossenheit ermangelndes Verhalten lässt ermessen,
1) Simson, JB. I S. 341 flf.; v. Ranke, WG. VI, 1 S. 46 ff.; Dümmler,
OFr. R. I S. .54 ff.
2) Theg. V. Hlud. 36 S. 597 nennt die Grossen Karls im allgemeinen;
namentlich Hilduin, Jesse, Hug, Matfrid, Helisachar und einen gewissen
Gottfrid; vgl. V. Hlud. 4.5 S. 683.
3) S. Mabillons Anmerkung zu v. Adalh. 82 (A. S. IV, 1 S. 318).
4) V. Hlud. 45 S. 633; v. Wal. II, 7 ff. S. 551 ff. Man vgl. über diese
Biographie die sorgfältigen Untersuchungen von Rodenberg, Die v. Walae
1877, über die fraglichen Kap. S. 38 ff.
5) Einb. ep. 11 S. 114 f.
6) L. c. 14 S. 117; vgl. Transl. Marc. HI, 6 Scr. XV S. 250.
7) Ep. 14 S. 117: Sive absens sive presens fidelis ei permanebo.
8) Transl. Marcell. III, 12 S. 252: Parum iucunde. Auch ep. 31 S. 125:
Mutatio rerum, quae nuper in hoc regno facta est, in tantum nos contur-
bavit, ut penitus ignoremus, quid agere debeamus, nisi ut secundum verba
Josaphat oculos nostros ad Dominum dirigamus, habe ich in der 1. Aufl.
auf den Sturz Matfrids bezogen. Doch wird Hampe im Recbt sein, der
diesen Brief erst d. J. 833 zuschreibt.
9) Ep. 10 S. 114; vgl. 15 S. 118.
10) Einh. ep. 15 S. 118: Ego in nuUo alio loco regni vestri maiorem
— 496 —
Avic sclnviT es ilim wurde, den rechteu AVep; zu finden.') Auch
von Ebo von Klieiins, vielleiclit so^ar von Aj^ohnrd von Lyon ist
zu vennuten, dass sie sich damals noch zurückhielten.-)
Die Empörten traten mit der Erklärung vor die ()tfentlichkeit.
ihre einzige Absicht sei die Wiederherstellung geordneter Zustände
und die Aufrechterhaltung der Reichseinheit.'^) Die Söhne des
Kaisers, Tiothar, Ludwig, Pippin, schlössen sich der Erhebung an:
am meisten gewann sie Macht durch die allgemeine Unzufriedenheit
des \'olks mit der Regierung Ludwigs.^) Einen Moment lang be-
heiTschten die Aufständischen das Reich;'') Tiothar wurde Herr,
Tiudwig l)heb nur dem Namen nach Kaiser.") -Jedoch durch Lothai"s
haltloses Schwanken in Nimwegen ging ihnen der Sieg ebenso rasch
verloren, wie sie ilm leicht errungen hatten.'') Ludwig gelaugte
wieder in den Besitz der iVIacht. Nachdem schon in Nimwegen
Bischof Jesse seines Amts entsetzt worden war,**) veruiieilte er am
2. Febniar 831 zu Aachen seine Gegner als iMajestätsverbrecher.")
profectutn vobis (Kaiser Ludwig) facere possum, quam ibi (Seligenstadt),
si me ad hoc adiuvare volueritis; vgl. 13 S. 116; 14 S. 117.
1) Einh. ep. 13 — 18 S. 116 ff. Der Tadel Simsons, dass Einhard in
greisenhafter Schwäche zwischen den Parteien hin- und horschwankto, ist nicht
ganz verdient: Einhard hielt sich zurück, da er auf beiden Seiten Unrecht sah.
Über seine spätere Teilnahme an Reichsgeschäften s. Hampe, NA. XXI S. 611 f,
2) Über den ersteren s. den Brief Karls d. K. an Nicolaus I. (Mansi
XV S. 797); bei dem zweiten lässt es sich daraus schliesscn, dass nichts gegen
ihn unternommen wurde, während er doch Ludwigs Vorhalten in der epis-
tola 15 (S. 228 ff.) offen missbilligte. Auch dass er mit den übrigen burgtni-
dischen Bischöfen in Nimwegen fehlte (s. Simson JB. I S. 360), spricht dafür,
dass er sich im J. 830 neutral hielt.
3) Nith. Hist. I, 3 S. 652: Veluti ad restaurandum rei publicao sta-
tum; V. Wal. II, 7 ff. S. 551 ff. Agob. ep. 15, 4 8. 224 f. Die Anklagen
gegen die Kaiserin scheinen erst später in den Vordergrund getreten zu
sein. DasK die Absicht auf die Absetzung Ludwigs ging, scheint mir nicht
80 sicher, als Simson annimmt (S. 350). Das erzählen doch nur Gegner.
Dümmler (OFr. R. I S. 57) beschränkt die Absicht auf einen Teil der Ver-
schworenen.
4) Ann. Bort. z. J. 830; Nith. Hist. I, 3; V. Hlud. 44 S. 632.
5) Reichsversammlung in Compiegne, Frühjahr 830, vgl. Simson, JB. I
S. 351 ff. Dümmler, OFr. R. I S. 57 f.
6) Agob. apol. I, 2; M.G. Scr. XV S. 275; vit. Hlud. 45 S. 633.
7) Oktober 830. Simson, JB. I S. 359 ff. Dümmler, OFr. R. 1 S. 59 f.
8) Theg. V. Hlud. 37 S. 598.
.9) Ann. Bertin. z. J. 831; Nith. Hist. I, 3; Ann. Fuld. z. 831; V. Hlud.
46 S. 634; vgl. Simson, JB. II S. 1 ff. Dümmler, OFr. R. I S. 61. Wala
wurde zuerst an den Genfersee, dann nach Noirmoutior verwiesen (V. Wal.
II, 10 S. 556; 11 S. 558; 12 S. 559), Hilduin nach Korvey (Transl. Viti,
— 497 —
Dadm-ch, dass Lothar seiner bisherigen Stellung im Reich verlustig
erklärt wui'de,^) war die Erbfolgeordnung von 817, diese Gewähr
der Reichseinheit, vernichtet.
Kirchliche Motive waren, so weit wir sehen können, in dieser
Bewegung nicht Avirksani. Jedoch wissen wir, dass die kirchlichen
Kreise mit der Regierung Ludwigs so wenig zufiieden waren als
die politischen. Auf die seltsamste Weise hat man die Wünsche
vmd Fordenmgen, welche der Kaiser befriedigen sollte, vor ihn
gebracht. In der Kirche zu Seligenstadt wollte ein Blinder eine
Erscheinung des Erzengels Gabriel gehabt haben, Avelcher ihm im
Auftrage Gottes zwölf für den Kaiser bestimmte Gebote offenbarte.
Einhard hat sie Ludwig wirklich vorgelegt; der Kaiser las sie;
aber von dem, was sie forderten, wurde kaum etwas erfüllt.') Die
lautesten Klagen erhob Wala. Für den Tag zu Aachen im AVinter
828 hatte er eine kleine Denkschrift ausgearbeitet, die er in der
Versammlung vorlas. So entschieden er die Vernachlässigung der
welthchen Regentenpflichten tadelte, welche sich Ludwig zu Schulden
kommen hess, ebenso entschieden forderte er, dass die kirchlichen
Rechte des Kaisers besser verwaltet würden als bisher; gewissen-
hafte Sorgfalt müsse bei der Bestellung der Bischöfe wie bei der
Behandlung der heiklen Kirchengutsfrage herrschen.^) Wala sprach
ohne Zweifel nur das aus, was viele andere dachten. Der fromme
Lud^^^g war gerade in den Augen der kirchlich gesinnten Männer
schuld an vielem Unheil.
Während man aber über die Schwäche des Herrschers klagte,
benützte man sie zugleich, um Ansprüche zu erheben, welche unter
•der starken Regierung Karls unmöglich gewesen wären. Man mag
das als Herrschsucht tadeln. Aber es war gemssermassen not-
wendig. Es giebt im öffentlichen Leben keinen leeren Raum. Die
Stellung, welche der berechtigte Inhaber ungenützt lässt, nimmt
sofort ein imberechtigter ein. Im Juni 829 fand eine Synode der
Kirchenprovinzen von Sens, Tours, Rheims und Ronen in Paris
statt. Die Bischöfe wiederholten bereitwillig die Sätze, an welche
man sich unter Karl d. Gr. gewöhnt hatte, dass Christus seine
heihge Kirche den Kaisern Ludwig und Lothar zu regieren und
Jaffe Bibl. I S. 13). Wohin Helisachar verwiesen wurde (Nith, I, 4), ist
nicht überliefert.
1) V. Wal. II, 10 S. 555 f.; II, 11 S. 558; Nith. Bist. I, 3 S. 652;
Cap. 194 S. 20 ff.
2) Einh. Transl. Marc. III, 13 S. 252 f. Die Vorlage geschah auf dem
Aachener Konvent im Winter 828—829.
8) V. Wal. II, 2 f. S. 547 ff.
Hauck, Kirchengeschichte. II. 2. Aufl. 82
— 49S —
bewahren übergeben habe.^) Aber wenn sie im Weiteren von der
gegenseitigen Stellung des Priesteilums und des Königtums
sprachen, so erscheint das Erstere betraut mit einem wichtigeren
Amte, deshalb als wesentlich höherstehend.-) Der Satz: In der
Kirche ist niemand mächtiger als der Bischof, in der Welt niemand
erhabener als der Kaiser, war nicht neu; aber er hatte nach
Karl d. Gr. einen anderen Sinn als vorher.'^) Nun begründete er
die Forderung, dass der König bei der Leitung der Kirche sich
an das Urteil der Bischöfe binde. ^) AVenn man erwägt, dass so-
eben die bisherige Regierung gestürzt war und neue ]Männer die
Zügel in den Händen hatten, so gewinnt die Aufforderung, der
König möge sorgen, dass die Grossen des Reichs die Gewalt und
Wüi'de des Priestcrtums erkannten,^*) einen viel gewichtigeren Inhalt,
als sie auf den ersten Blick zu haben scheint. Gleichzeitig mit
der Pariser Synode tagten die südhchen Bischöfe in Lyon und
Toulouse, die deutschen in Mainz.") Ihre Beschlüsse müssen ähn-
hchen Inhalts gewesen sein, wie die der Pariser Synode: denn im
August 829 übergab der Episkopat des Reichs dem Kaiser als
gemeinsame Vorstellung eine Zusannnenfassung der Pariser Be-
schlüsse.'^ Auch der Papst mengte sich bereits in die deutschen
1) Mansi XIV, 534, praef.
2) I, 3 S. 537: Principaliter totius sanctae dei ecclesiae coqiuö in duas
eximias personas, in sacerdotalem scilicet et regalem, sicut a sanctis patri-
bu8 traditum accepimus, divisum esse novimuH. De qua ro Oelasius . . ita
scribit: Duo sunt quippe . . quibus principaliter mundus hie regitur, auc-
toritas eacrata pontificum et regalis potestas; in quibus tanto gravius pon-
du8 est sacerdotum, quanto etiam pro ipsis regibus hominum in divino
reddituri sunt examine rationem. Der zitierte Brief des Gelahius ist J.W. 632.
3) A. a. 0. S. 538. Der Satz ist ein Zitat aus Fulgentius de verit.
pracd. II, 38.
4) I, praef. S. 5.34; 11, 1 S. 575 tf.
5) III, 8 S, 597. Man vergaas nicht, die Stelle aus Rufin. h. e. X, 2
dem Kai.ser vorzuhalten, nach welcher Konstantin zu den Bischöfen sagt:
Dens constituit vo.s sacerdotes et potestatcm vobis dedit de nobis quoquo
iudicandi, et ideo nos a vobis recte iudicaniur ; voa autem non potestis ab
hominibns iudicari.
Ci) Ludwig erliess die Anordnung zum Zusammentritt der 4 Synoden
im Dezember ^28, Cap. II S. 2 f. Nr. 184; in Mainz sollten sich die Bischöfe
aas don 4 Erzbistümern Mainz, Köln, Trier und Besant^on versammeln.
Salzburg fehlt, da Baiern unter der Regierung Ludwigs d. D. stand. Reste
der Mainzer Akten bei Dünimler Ep. Fuld. Nr. 29 S. 529; sie beziehen sich
nar auf GotUchalk. Vgl. Werminghoff, N.A. XXIV S. 487 f.
7) Cap. II S. 26 ff. Nr. 196, Episcoponim ad Hludowicum imp. ro-
latio.
— 499 —
Verhältnisse. Denn die Vorlage geschah zu Wonns in Anwesenheit
römischer Gesandter.^)
Wenn der Klerus als solcher im Aufstande des Jahres 830
nicht Partei ergriffen hatte, so ist doch klar, dass alles bereit war,
fiii- die Bildung einer klerikalen Pai*tei. Sie begann in der Zeit
nach dem Sturze Ludwigs. Die Männer, welche die Verhältnisse
nur vom kirchlichen Gesichtspunkt aus betrachteten, waren mit
der Restam-ation der gestürzten Grossen so wenig zufrieden als mit
dem Regimente Bernhards. Sie glaubten den Interessen der Kirche
am besten zu dienen, wenn sie die Wiedererhebung Ludwigs be-
trieben unter der Voraussetzung, dass der Kaiser dann ihnen die
FühreiTolle überlasse.-) Ludwig ging auf die Anerbietungen ein, die
ihm gemacht wurden. AVie wir sahen, gelang es ihm, dank der
ScliAväche seines Sohnes, unerwartet leicht, die Gewalt wieder zu
erringen. Man erkennt die Hand seiner neuen geistlichen Rat-
geber daran, dass er sofort Anlehnung an den Papst suchte.
Eugen war im August 827 gestorben.'^) Sein Nachfolger
Valentin hatte kaum einen Monat lang das päpstHche Amt ver-
waltet. Papst war seit dem Spätjahr 827 Gregor IV. ^) Wenn
dieser dem Kaiser gebot, Judith wieder zu sich zu nehmen, so
entsprach dieser Befehl so sehr den Wünschen des Kaisers, dass
man annehmen muss, er habe ihn provoziert. Was er nicht pro-
vozierte, war ohne Zweifel die Form, in welche der Papst seine
Erlaubnis kleidete. Damals zuerst wurde das Wort „gebieten" von
einem Papst einem Kaiser gegenüber gebraucht.'^)
Ludwig vermochte die Stellung, welcher er von neuem erlangt
hatte, nicht zu Ijehaupten. Bald befand sich Hof und Reich wieder
1) Mansi XIV S. 625.
2) Nith. Hist. I, 3: Res publica, quoniam quisque cupiditate illectus
sua quaerebat, cotidie deterius ibat. Quamobrem tam monachi, quos supra
memoravimus — die Mönche, welche Ludwig zum Eintritt ins Kloster be-
wegen sollten — quam et ceteri, qui quod factum fuerat dolebant, illum
percuntari coeperunt, si res publica eidem restitueretur, an eam pro viribus
erigere ac fovere vellet maximeque cultum divinum, quo omnis ordo tuetur
ac regitur. Man möchte vermuten, dass die Schenkungen an Kempten
(B.M. 854 „auf Verwendung Guntbalds" u. 860), Strassburg (861), Fulda
(862) Belohnungen für Dienste bei der Wiedererhebung des Kaisers sind.
3) Ann. Einh. z. d. J. S. 173.
4) A. a. 0.; vgl. Duchesne S. LXVI.
5) Theg. V. Hlud. 37 S. 598: lubente Grregorio Romano pontifice cum
aliorum episcoporum iusto iudicio; vgl. Ann. Mett. S. 336. Es ist bezeich-
nend, dass Agobard (apol. 11, 3 S. 277) von dem päpstlichen Befehle
schweigt.
32*
— öOO —
in offenem Zwiespalt: der Graf Beniliard betrachtete den ersten
Platz im Rate des Kaisers als sein altes Recht; aber der Mönch
Guntbald. anfjenblicklich der Führer der Kirchlichen, war ent-
schlossen, ihm denselben nicht zn überlassen; hatte er nicht das
neuere Recht anf ihn? ^) Schlimmer war, dass die Söhne im Jalii*
832 zum zweiten Male die Waffen gegen ihren Vater ergriffen.
Bei der ersten Empörung hatte man von der Wahrung der Reichs-
eiuheit gesprochen; darum iiandelte es sich jetzt k.iiiiii mehr; das
Bestreben eines jeden der Kämpi'enden war nur, für sich einen
möglichst grossen Anteil am Reiche zu erringen.'-) (Tleicbwohl
fand der Kaiser jetzt die kircliliche Partei, die ihn eben crlKiben
hatte, unter seinen Gegnern. Diese Thatsache ist nur verständlich,
wenn man an ihm irre geworden war. Man sah wohl in dem stets
Unzuverlässigen nur ein Hindernis füi- die Besserung der Zustände.
So brachen die ausgesprochen kirchlich gesinnten Männer mit
dem Träger des Kaiseiiums, das bisher die Kirche gefühlt hatte.
Sie handelten dabei im Einverständnis mit dem Papste. Gregor IV.
befand sich in der Begleitung Lothars."') Der erklärte Zweck
seines Kommens war, das Reich zu retten, indem er als Mittelsmann
zwischen die hadernden Parteien trat.'*) Ihm schlössen sich auch
solche Männer an, welche ursprünglich von den Ideen Karls d. Gr.
ausgegangen waren: Wala, Agobard, Ebo und ihre Gesinnungs-
genossen. Während der Kaiser und seine Söhne die Erbfolge-
ordnung VOM 817 aufgaben, hielten sie an dem Gedanken der Einheit
des Reiches fest. Sie schien jetzt nur noch vertreten durch den
Beherrscher der einen Kirche, den Papst. Deshalb wurden die
Anhänger der Reichseiuheit zu Gegnern des Kaisers, der doch das
Reich repräsentierte.
Als Gregor die Alpen überschritten hatte, eilte AVala. der nach
längerer Verbannung schliesslich wieder nach Corbie zurückgebraciit
worden war. dem Papste entgegen in das Elsass.'"*) Dort fand sich
auch Helisachar ein. Auch Agobard ergriff nun Partei. So wenig
1) Nith. Hiat. T, 3: r4iintV)alflu8 inonachus . . (|nia ninltum in reHtitii-
tionp eins laboravcrat, secundus in imperio esse voleVtat, quofl quoniaiu
Bemardua . . olim fiierat, summa indnstria iterum esse certabat.
2) Nith. I. c.
3) Ann. Bertin. z. .T. 833. V. Wal. II, 14 S. 560. Nith. Ilist. I, 4.
4) Agob. ep. Ifi, 4 f. S. 227 f. Der Brief stammt narh c. 5 au.s der
Osterzeit 833. V. Hlud. 48 S. 635 f., V. Wal. II, 17 S. 564.
5) V. Wal. II, 14 S. 560. Radbert stellt die Sache so dar, als habe
Wala, genötigt durch den Papst, die Fürsten und die Mönche von Corbie,
das Kloster verlassen. Das gehört mit zum apologetischen Zweck seiner
Biographie.
— 501 —
als VVala war er von Haus aus schlechthin päpstlich gesinnt; jetzt
aber trug er eine Theorie über die päpsthche Macht vor, welche
im fi'änkischen Reich unerhört war: Der päpstliche Primat muss
zum Heile der Kirche unverrückt bestehen. Tritt der Papst für
den Frieden in der Kirche ein, so handelt er als Vertreter Christi,
und auch der Kaiser hat dann die Pflicht, den päpstlichen Er-
lassen zu gehorchen. ^J Wie Agobard sprach, so handelte er.
Ludwig hatte ihm geboten, mit den übrigen Bischöfen sich bei ihm
einzufinden ; -') statt dessen begab er sich, einer Aufforderung des
Papstes folgend, zu diesem. Sein Bruch mit dem Kaiser war voll-
ständig: es nagte ihm an der Seele, dass der stolze Name der
Franken durch Ludwigs schwächliche Regierung erniedrigt sei. '^)
Nicht alle Bischöfe dachten wie er; es fehlte nicht an solchen,
die an der Sache des Kaisers festhielten und im Augenblick der
Gefahr sich um ihn schaarten."*) Vor allem stand sein Bruder
Drogo, Bischof von Metz, unverrückt auf seiner Seite. Neben ihm
Bernhard von Strassburg,'') Moduin von Autmi, Wilirich von Bremen,
Aldrich von Le Maus,^) Verendarius von Chur "') und andere, unter
den Abten wie es scheint Markward von Prüm.*^)
Schroff und scharf hielten sie dem Papste die alte fränkische
Rechtsanschauung über die Stellung der Geistlichen im Staat ent-
gegen.'*) Schon indem sie ihn in ihrem Brief als Bruder an-
redeten, gaben sie zu erkennen, dass sie ihm das Recht zu befehlen,
nicht einräumten. Erklärten sie weiter, dass sie mit Freuden sich
bei ihm eingefunden hätten, wenn sie nicht durch einen Befehl des
Kaisers verhindert wären, so war damit ausgesprochen, dass sie das
Recht des Kaisers, in kirchlichen Angelegenheiten Befehle zu er-
1) Ep. 16, 2 f. S. 226 f.; die im Texte verwandte Stelle (c. .3 S. 227)
ist ein Zitat aus dem Briefe des Papstes Anastasius II. an den Kaiser
Anastasius (J.W. 744).
2) L. c. 2 S. 226.
3) Apolog. I, 1—6 S. 275 f. Vgl. Ebert L. d. MA. S. 218.
4j Ep. Greg. (Agob. ep. 17 S. 228).
5) V. Hlud. 48 S. 635.
6) Ann. Bertin. z. J. 833; V. Wal. II, 16 S. 562. Dass Alderich der
Bischof von Le Mans war, ist durch den Brief Ludwigs (B.M. 908) wahr-
scheinlich gemacht.
7) Vgl. die Urkunde Ludwigs für die Kirche von Chur v. 8. Jan. 836
(B.M. 921).
8) Vgl. Ep. Fuld. fragm. 13 S. 520.
9) Der Brief der fränkischen Bischöfe ist nicht auf uns gekommen.
Sein Inhalt lässt sich aus der Antwort Gregors, welche ihm Punkt für Punkt
folgt, entnehmen (Agob. ep. 17 S. 228).
— r.02 —
lassen, anerkannten: sie wollten nichts davon \vis>en, dass ein päpst-
licher Befehl dem kaiserhchen vorgehe. Das Verhalten des Papstes
niisbilligten sie auf das entschiedenste: sie sahen darin Feindseligkeit
gegen den Kaiser; der Papst sei gekommen, um eine vermessene
und unvernünftige Exkommunikation zu verhängen; durch das Un-
recht und die Schnuich, die er der kaiserlichen Gewalt zufügen
wolle, schwäche und entehre er seine eigene Autoiität. Er solle
doch an den Treueid gedenken, den er dem Kaiser geleistet liabe,
und sich dem Kaiser unterwerfen. AVerde er dies tliun. dann würden
sie ihn ehrenvoll empfangen. "Wenn nicht, so versagten sie ihm die
hrüderhche Gemeinschaft und Hessen keine seiner Amtshandlungen
zu: ihr Brief schloss mit der Drohung der Absetzung.^)
Gregor hatte solche Heftigkeit des Widei-spruchs niclit vor-
ausgesehen: er war überrascht und entmutigt") Erst der Zuspi-uch
der nach und nach bei ihm eintreffenden fränkisclien l^rälaten
richtete ihn vneder auf. Es fehlte unter iluKMi nicht an gelehrten
Männern; rasch brachte man eine Sammlung autoritativer Aus-
sprüche über den Umfang der päpstlichen Macht zusammen: zum
Dienst des Glaubens Christi und des Friedens der Kirche, zur
IVedigt des EvangeUums und der Vertretung der Wahrheit habe
er das Recht, sich zu allen Völkern zu begeben; in ihm sei alle
Autorität, die lebendige INfacht des Apostels gegenwärtig; sein
Gericht ei-strecke sich über alle, während er von niemand gerichtet
werden könne."')
Man möchte die Hand Agobards hier erkennen;^) auch der
1) Simson (JB. II S. 41) Hndot diese Drohunj^ uur durch v. lUud. 4S
und V. Wal. II, 16 bezeugt. Gregor schreibt jedoch (S. 281): Quod ininari
voH cognosciraus periculum gradus.
2) V. Wal. II, 16 S. .562.
3) L. c. Simson (.TB. II S. 42 t'.j bezweifelt die Wahrlieii der ganzen
Krzähluns^ Radberts. Seine Oriinde scheinen mir nicht zureichend. Der
Hchneidige Ton der Antwort Gregors spricht nicht dagegen, dass er vorher
Momente der Entmutigung hatte, auch später sah er die Verhältnisse nicht
günstig an; das beweist das Zeugnis Nithards (bist. I, 4|. Und dass in der
Antwort Gregors weder ein Kanon noch eine Dekretale zitiert ist, kann
nicht auffallen, da Gregor lediglich zwei Aussprüche älterer Hiscböfo anführt,
um sie den fränkischen Bischöfen als Beis])iol für ihr Verhalten entgegen-
zustellen. Für diesen Zweck eigneten sich weder Kanones noch Dekretalen.
Über die Frage, ob etwa in dieser Sammlung ein Keim der falschen Dekre-
talen zu erkennen sei, lässt sich nicht urteilen, da wir nicht wissen, welche
Stellen sie enthielt; vgl. übri^^'cns Rodon>>erg, D. V. Wa). S. 52.
4) Agobards eben vollendeter Brief Nr. 16 enthielt drei hieher gehöri^ro
Aussprüche der Päpste Pelagius, Leo und Anastasius.
— 50B —
gelehrte Mönch von Corbie, Paschasius Eaclbert, der sich im Ge-
folge Walas befand. Avird an der Scliiift mitgearbeitet haben. ^)
Die Schrift der fränkischen Theologen gab Gregor seinen
jVIut wieder. Die Antwort, welche er den kaiserhchen Bischöfen
erteilte, lässt nichts mehr von Zaghaftigkeit und Zweifel erkennen;
sie wetteifert mit deren Brief an aggressiver Schroffheit.
Schon die Bezeichnung Bruder lehnte der Papst ab : die dem
Vater gebührende Ehrerbietung habe man ihm zu erzeigen. Sodann
forderte er für die päpstlichen Befehle Gehorsam, auch wenn ihnen
ein kaiserhches Gebot entgegenstehe. Dabei sprach er den Satz
aus, der seitdem während des ganzen Mittelalters nicht mehr ver-
hallt ist: die Leitung der Seelen ist \sichtiger als die der zeitlichen
Dinge, deshalb steht das Papsttum höher als das Kaisertum.^
Dass die Bischöfe dem Kaiser gehorchten, bezeichnete er als
thörichte Schmeichelei; dass sie sein eigenes Verfahren tadelten,
dagegen als Schändung der päpsthchen Wiü-de, Welche Ehrfui'cht
dem obersten Piiestertum und seinem Träger gebühre, zeige das
Wort des Evangelisten Johannes, dass Kaiphas auch bei der Ver-
urteilung Jesu nicht von sich selbst geredet habe. Das Recht, in
die Angelegenheiten des fränkischen Reichs und des Kaiserhauses
einzugreifen, hielt Gregor nachdrtickhch aufi-echt; die Thatsache
dagegen, dass er dem Kaiser den Treueid geschworen, gab er
nicht zu.^)
In diesen beiden Schreiben tritt zum ersten Male der grosse
Gegensatz, der sich seit dem Tode Karls d. Gr. allmähUch gebildet
hatte, klar und bestimmt an den Tag. Auf der einen Seite die
Überzeugung, dass die Kirche dem Reich eingegliedert und dass
deshalb der Papst ein Unterthan des Kaisers sei; auf der anderen
Seite der Anspruch, dass das Papsttum als unabhängig von jeder
1) Paschasius spricht (v. Wal. II, 16 S. 562) in der ersten Person:
Unde et ei dedimus nonnulla sanctorum patrum auctoritate firmata.
2) Ep. Gregor. 1. c. S. 228: Neque ignorare debueratis, maius esse re-
gimen animarum, quod est pontificale, quam imperiale, quod est temporale.
3) Da die Konsekration Gregors in Anwesenheit eines kaiserlichen
Gesandten stattfand (Ann. Einh. z. J. 827), so lässt sich an der Thatsache
nicht zweifeln. Gregor leugnet sie auch nicht geradezu; aber er thut doch,
als habe er nicht geschworen (S. 230): Bene subiungitis memorem me esse
debere iurisiurandi causa fidei facti imperatori. Quod si feci, in hoc volo
vitare periurium, si annunciavero ei omnia que contra unitatem et pacem
ecclesiae et regni committit. Quod si non fecero, periurus ero sicut et vos,
si tarnen iuravi. Vos tamen, quia proculdubio iurastis etc. Es hat ganz
dieselbe Tendenz, wenn der Biograph Gregors seine Konsekration der Wahl
unmittelbar folgen lässt. (c. 5 S. 74).
— 504 —
weltlichen Gewalt und krat't seines geistlichen Auftrags als über
das Kaisertum erhoben anerkannt werde. Damals, in der Oster-
zeit des Jahi'es 833 wurde der Knoten geschür/t, an dessen Lösung
die mittelalterliche Geschichte vergeblich arbeitete. Nicht das ist
das Bedeutende, dass ein Papst solche Ansprüche erhob: wir haben
})eobachtot. dass man in Rom die Stellung des Kaisers in der
Kirche niemals unumwunden anerkannte;^) sondern darin liegt das
entscheidende ^lomeut, dass fränkische Theologen dem zagenden
Papste seine Worte in den Mund legten. Die päi)stlichen Ansprüche
wären machtlos gewesen, wenn der fränkische Episkopat an den
Anschauungen festgehalten hätte, welche von Clodowech bis auf
Karl d. Gr. unter ihm herrschten. Die Spaltung des fränkischen
Klerus, die Entstehung einer Faktiou, welche die päpstlichen Rechte
dem Kaisertum gegenüber vertrat, war das ausschlaggebende Er-
eignis. Ludwigs Fehler haben es gefördert: aber wer möchte be-
haupten, dass es ohne sie nicht eingetreten wäre? Die Gedanken,
welche Agobard und seine Gesinnungsgenossen aussprachen, waren
vorhanden: früher oder später, so oder so mussten sie auf die
fränkische Kirche wirken. Verschwunden ist dann auch die i)äpstliche
Partei nicht wieder: alsbald erwies sie ihre Existenz in den be-
rülimten Fälschungen des neunten Jahrhunderts.
Noch war die Stellung, welche Gregor für den Papst forderte,
nur ein Anspruch, weit davon entfernt, verwirklicht zu sein. Ludwig
hielt sich nicht für den Schwächeren. Durch lUschof Bernhard von
Strassburg trat er in Unterhandlungen mit seinen Söhnen ;''^ an
den Papst aber richtete ei* die Aufforderung, das Heer der Em-
pörer zu verlassen und sich ihm auzuschliessen.'^) Aber Beridiards
Sendung war erfolglos, sie scheiterte an den Forderungen der Aul-
ständigen, und Gregor liess sich von der Partei, auf deren Seitt^
er getreten war, nicht trennen. Der Kaiser v<'rh(?hlte seinen Gnmm
darüber nicht. Als er am 24. Juni 838 auf dem Hothfelde bei
K<»lmar mit dem Papst«^ zusammen traf, verweigerte er ihm die lier-
könnnliclien Ehrenbezeigungen: er hielt an der Spitze seiner Be-
waffneten und schritt ihm nicht entgegen.*) Gregor sollte empfinden,
1) S. o. S. 118 f.
2) V. Hlufl. 4^! S. 685. Über den Inhalt tlor rntorhandlunf^nn sprich*
Radbert v. Wal. 11,17 S. 563; Simson urteilt, dass der Abschnitt nur seiner
Phaniaflie angehttre (JH. II S. 39), wopregon Rodenberg den Bericht in Schutz
nimmt (S. 53 f.). Von abgelehnten Fordeningen der Söhne spricht Thegan
fr-. 42 S. .59«).
3) Kp. Greg. H. 231 : Subiungitis. qiiia niei sprundum voluntat^eui vo-
jiero. non habeo ecdesias veetras consentaneas. V. Hliid. 45 S. 634.
4) V. Hlud. 48 S. 635.
— 505 —
dass er seinem Füi'sten gegenübertrat. Der Papst verstand wohl,
was der Kaiser wollte ; seine Antwort war, dass er sich auf die
höhere Verpflichtung seines geistlichen Amtes berief: ihm liege es
ob. für den Frieden Sorge zu tragen.-) Das war der Pmikt, auf
den es ankam: Konnte der Papst durch sein geisthches Amt von
der Pflicht der Unterordnung unter den Kaiser entbunden werden?
Gregor bejahte die Frage, Ludwig verneinte sie. Aber in der
Stumpfheit seines Geistes erkannte er die Schärfe des Gegensatzes
nicht: das Auftreten des Papstes machte sofort Eindruck auf ihn;
es reute ihn der unfreundhche Empfang, den er ihm bereitet hatte,
ja er meinte, durch seine Vermittekmg die Unterwerfung der Söhne
erreichen zu können.-) Deshalb neue Unterhandlimgen. Aber sie
gewährten nur seinen Söhnen die Frist, sein eigenes Heer zum
Abfall zu verleiten. In der Nacht, nachdem Gregor Ludwigs Lager
verlassen hatte, vollendete sich der Verrat: schier das ganze Heer
verliess den Kaiser; wie ein Giessbach, erzählt der Biograph Lud-
wigs, strömten die Schaaren in das Lager der Söhne. ■^) Ludwig
war genötigt, sich den Empörern zu ergeben. Es ist nicht über-
hefert, dass man die geisthche Autorität des Papstes misbrauchte,
um die Vasallen des Kaisers zum Eidbruch zu bewegen. Aber
ist es glaubhch, dass die Thatsache ohne Einfluss bheb, dass Gregor
mit den Söhnen verbündet war, und dass er die Sache des Kaisers
als die ungerechte verwarf?^) Auch ist nicht genügend bezeugt,
dass Gregor die Absetzung Ludwigs aussprach, oder die Franken
zu ihi" bevollmächtigte.'^) Sie kommt auf Rechnung der Aufstän-
1) L. c. Die Weise, wie Gregor sich auf sein Amt als Friedensstifter
berief, ergiebt sich aus ep. Greg. S. 230.
2) V. Hlud. 48 S. 635; die entgegenstehende Angabe V. Wal. II, 18
S. 565 ist offenbar tendentiös.
3) L. c. S. 636.
4) Der Biograph Ludwigs spricht von Geschenken, Versprechungen
und Drohungen; ebenso Ann. Bertin z. J. 833, Nith. Hist. I, 4 und Karl
d. K. ep. ad Nicol., Mansi XV, 797. Thegan lässt den Gedanken des Ab-
falls spontan im Heere Ludwigs entstehen (c. 42 S. 590). Paschasius Rad-
bert hat den Mut, zu behaupten, dass soviel er erfahren konnte, der Abfall
sine ullius persuasione aut exhortatione erfolgte (v. Wal. II, 18 S. 565).
5) Sogar Radbert wagt das nicht direkt zu behaupten. Er erzählt
a. a. 0. nur: Tunc ab eodem sancto viro (Gregor) et ab omnibus qui con-
venerant, adiudicatum est, quia Imperium tarn praeclarum et gloriosum de
manu patris ceciderat, ut Honorius (Lothar j qui heres erat . . eum acci-
peret. Die Stelle zeigt, dass man noch i. J. 833 weit davon entfernt war,
dem Papste das Recht zur Übertragung des Kaisertums zuzuschreiben. Wenn
in verschiedenen Stellen von einem Gerichte Gottes die Rede ist, so zeigt
— 506 —
digeii. Al)or es ist gewiss, dass die kirchliche Partei dem \'olke
mit der Behaiij)tiinii iniponiei-te. kraft der Autorität des Papstes
seien Ludwig Krone und Szepter ahgenommen worden.^) Die
Kirche, das Papsttum sollte als die ül)er dem Kaisertum stehende
Macht ei*scheinen. Denn nachdem die siegreichen Söhne die Re-
giening der Teile des l^eichs in die Hand genommen hatten,-)
wurde die Einheit des Reichs nur noch durch die Einheit der
Kirche aufrecht erhalten, oder soll man sagen: sie war dui-ch sie
ersetzt? •') Die hierarchische Partei vollendete denn auch die Entthro-
nung Tiudwigs durch die Kircheuhusse, welche die Bischöfe ihm
auflegten.^) Sie ist in der Marienkirche zu Soissons, dem iUtesten
Sitze des fi-änkischen Königtums, im Oktober 833 vollzogen worden.
Damals hat Ebo von Rheims eine traurige Berühmtheit erlangt.
Unter den deutschen Bischöfen scheint (irefwin von Osnabrück
sich vor andern bemerklich gemacht zu haben. ^') Durch offene
Briefe verkündigte der Episkopat, was au dem Kaiser und von ihm
geschehen war.")
Trotz dem allen war der Sieg der Söhne iur die Sache des
Papstes kein reiner Gewinn. Die Scham, welche das deutsche
gerade Paschasius, dass man dabei nicht an das durch die kirchliche Au-
torität gefällte (Bericht dachte, sondern an das in den Thataachen liegende.
Auch Lothar beruft sich 834 nur für die Einschliessung des Kaisers auf die
Autorität der Bischöfe (v. Hlud. 51 S. 637).
1) So in der relatio de poenitentia Hludov. (M.(->. Cap. 197 S. 53),
wenn die Worte iuxta divinum consilium et ecclesiasticum auctoritatem zu
dem Satze, quia potestate privatus erat terrena, gehören. Die gleiche Ab-
sicht liegt in der S. 50."> Anm. b angeführten Stelle des Paschasius Radbert;
ebenso endlich bei Agobard (apolog. II, 5 S. 278) in der ?>innerung an
die Entthronung der Athalia durch den Priester .lojada.
2) Über die Teilung vgl. Mühlbacher, D.(J. S. 300.
3) Dass die Geistlichen an dem Kinheitsgedanken festhielten, ergiobt
sich aus der Kelatio de poenit. 2 S. 54: Quod auctor scand;ili et pertur-
bator pacis ac violator sacramentorum existendo, pactum, quod propter pacem
et unanimitatem imperii ecclesiaequo tranquillitatem communi consilio et
consensu cunctorum fidelium suorum fuerat inter filios suos factum et per
sacramentum confirmatum, nuper illicita potestate corruperit.
4) Rel. de poenit. 1. c; Theg. c. 44; v. Hlinl. c. 40; Ann. Hort.
z. .1. 833.
6) Querim. Egilm. (Osn. ÜB. I S. 54 Nr. 60); Cui con.süio — dem Vor-
gehen der Söhne — una conspiratione consonsum et adiutorium . . Gefwinus
prebuit ita, ut mucronem ab eo violenter ipse diacingeret. Ich sehe keinen
Grund, die Angabe zu bezweifeln.
6) Agobardi cartula de poenitentia ab imperatore acta, Cap. 198 S. 56 f.
V. Okt. 833.
— 507 —
Volk über den Treubruch auf dem Lügenfeldc empfand,^) erwarb
dem Kaiser Sympathien, die er nicht verdiente, und schadete imi
so mehr seineu Gegnern. Man hatte die Empfindung, dass ein
Papst im Heere der Söhne, welche gegen den Vater kämpften,
nicht an seinem Platze war. Es klingt wie ein Seufzer, wenn der
wortkarge Chronist von Fulda seiner Nachricht, dass der Kaiser
von den Seinen verlassen und VeiTaten und der Gewalt seiner
Söhne überHefert ward, die Worte liinzufügt: da war bei den Söhnen
Gregor, der römische Papst,-) und noch Jahrzehnte später meinte
man das Verhalten Gregors entschuldigen zu müssen.'') Der Papst
fühlte das selbst: es reute ihn. dass er sich nach Deutschland be-
geben hatt€.^) Vollends die Auflösung des Bundes der Söhne mid
die Wiedererhebung LudAngs ') schienen den Verhältnissen eine für
das Papsttum und die kirchlichen x4.nsprüche höchst ungünstige
Wendung zu geben.
Doch trat das nicht eigentlich ein. Kaiser im Sinne Karls
d. Gr. wurde Ludwig nicht wieder. Dazu hätte er ein anderer
Mann sein müssen ; nur den Tüchtigen stählt das Unglück : er wiu'de
nur haltloser. Die trüben Erfalmmgen, die er gemacht hatte, scheinen
die Klarheit des Urteils und die Kraft des Handelns bei ihni vollends
geknickt zu haben.
Ein deutscher Mönch, der Abt Hraban von Fulda verfasste
in dieser Zeit eine Zuschrift an den Kaiser, in welcher er, ohne
dessen Gegner bei Nameii zu nennen, doch unzweideutig ihr Ver-
fahren vermieilte. Schliesslich forderte er den Kaiser auf, falsche
Urteile zu verachten, und Gott, seinem König und Richter, in allen
Stücken zu vertrauen; er habe ihm auf Erden das Reich gegeben
und werde ihm das Himmelreich verleihen. Auf ungerechte AVeise
sei er geki-änkt worden, von den einen aus Feindseligkeit, von den
andern aus Furcht, von den dritten aus Schwachheit.*') Gott aber
werde ihn vor allen seineu Feinden schützen. Das war geredet
1) Beweis ist der Name Lügenteid; vgl. Ann. Alam. z. J. 833: Fran-
corum dedecus, und Nith. Hist. I, 4.
2) Ann. Fuld. z. 833 S. 26: Erat ibi cum filiis Gregorius papa Romanus.
3) Schreiben der Synode von Troyes (a. 867) an Nikolaus I. (Mansi
XV S. 792): Sine consilio atque consensu papae Gregorii, quem Hlotarius
8ub obtentu pacificandi eos cum patre Roma promoverat.
4) Nith. Hist. I, 4. V. Hlud. 48 S. 636.
5) Vgl. Simson, JB. U S. 77 flf.; v. Ranke, WG. VI, 1 S. 80 ff.: Dümmler,
OFr. R. I S. 90 ff. : Mühlbacher, D.G. S. 396 f.
6) Ep. 15 S. 403 ff. Unter dem Titel De reverentia filiorum erga
patres et subditorum erga reges, zuerst von Baluzius bei P. de Marca, de
concord. sacerdot. et imp. I S. 290 ff. herausgegeben. Die angeführten
— Ö08 —
wie ein Mann. Aber als Ludwig die Maclit wieder in Händen
hatte, feldte ihm das Vertrauen zu seiner Sache; er scheute sich,
sofort als Kaiser aufzutreten, wie seine Anhänger forderten. ^ Die
Exkonununikation hatte so tiefen Eindruck auf seine Seele gemacht,
dass er erst dann glaubte wieder Kaiser zu sein, wenn die Bischöfe
seine Wiederaufnahme in die Kirche ausgesprochen hätten, wenn
ihm die Wallen, deren er sich vor dem Altar in Soissous ent-
kleidet hatte, durch priesterliche Hand wieder angelegt wären. '^
Es geschah zu St. Denis am 1. März 834 und zu Metz am 28. Fe-
bruar 885. Hiess das nicht das Recht der Bischöfe anerkennen?^)
Einhard, der Karl d. (4r. nicht vergessen konnte, war angeekelt
von dem. was er erleben musste. Ich bitte dich, schreibt er an
•'inen Freund, schreibe mir n.ichts über die Lage der Dinge am
Hof; denn ich habe keine Freude daran, etwas von dem. was ge-
schieht, zu hören. ^)
Es war natihlich, dass Ludwig die Führer der ihm feind-
seUgen Partei zur Rechenschaft zog. Aber er verzichtete auf sein
Recht, indem er den Bischöfen zugestand, dass über Ebo von
Jiheims nicht vor dem weltlichen Gerichte geurteilt werde, •'^) und
t'S entspracii seiner Stellung nicht, dass er selbst als Kläger gegen
Ebo vor die Synode von Diedenhofen trat.") Dass er aui" seine
Beseitigung drang, erschien wie ein Akt persönlichen Hasses; deini
Ebo war nicht schuldiger als die Bischöfe alle.'j AVenn er schliesslich
die päpstliche Erlaubnis zur Absetzung des Empörers forderte, so
gab er als Sieger den Standpunkt auf, den er im .lahre S83 als
Angegriffener behauptet liatte.'*) I'nd nicht genug daran: da Gregor
.stellen aus ileni 12. Kap. h^. 414. Vtrj. Hudnlli Mir. FuUl. .M.G. Sei-. XV
.«J. 341.
1) V. Hlud. .')1 S. 638; der Verf. spricht, von praepropera seutentia.
2) Hlud. ep. ad Hilduin. M.G. Ep. V S. 326 f.; v. Hlud. r.l u. 54 S. 638
u. 640; Ann. Bort. z. .1. 834 u. 83r. S. 8 u. 10; Nith. 1, 4; ep. syn. Tricas.
ad Nicol. Mansi XV S. 792; Karl d. K. stellt (ep. ad Nie. 1. c. S. 797) den
Vorgang in St. Denis am 1. März 834 so dar, dass die Bischöfe Verzeihung
von dem Kaiser erbeten hätten.
3) Ludwig an Hilduin über den Vorgang in St. Denis: Cingulura mili-
tare iudicio atque auctoritate episcopali resumpsimus, S. 327.
4) Ep. '6ö S. 127.
b) Ep. Carol. C. ad Nicol. S. 798. Dabei war .Judiths Einfiusa wirk-
sam. Das Lob V. Rankes, WG. VI, 1 S. 92, es sei Ludwigs Verdienst, dass
er sich die .lurisdiktion über die Geistlichkeit nicht habe entreissen lassen,
verdient demnach T^udwig nicht ganz.
6) Ep. syn. Trica-^. ad Nicol. S. 793.
7) Vgl. Dümmler, OFr. H. I S. 109 t.
8) Ep. Carol. C. ad Nicol. S. 799. Simson tJB. II S. 13r,) verwirft
— 509 —
die Zustinimuug verweigerte, so wagte Ludwig nicht durchzugreifen;
das Erzliistum Eheims bheb unbesetzt. Bedenken, ob che Ab-
setzung des gefangenen Ebo berechtigt und giltig sei, wurden da-
diu'ch geradezu provoziert.
Umgekehrt hess der Episkopat, so wenig rühndich er sich in
den Wirren dieser Zeit benommen hatte, nicht ab, an der Erhebung
der Hierarchie über jede andere Gewalt zu ai-beiten. Im Jahre 834
brachte Bischof Jonas von Orleans in einem eigenen Schriftchen
Ludwigs Sohn Pippin die auf der Pariser Synode von 829 aus-
gesprochenen Gruudscätze in Ennnerung.^) Zwei Jahre später er-
klärten che in Aachen versammelten Bischöfe, die Zustände des
Eeichs könnten nur dadm-ch zu einem guten Ende gelangen, dass
die kirchhche Autorität erhöht werde.-) Sie beklagten sich darüber,
dass ihi-e Reformvorschläge von 829 so wenig Berücksichtigung ge-
fimden hätten.^) Das weitverbreitete Misstrauen der Laien gegen
den Klerus galt ihnen als ein gänzlich unverdientes Unrecht und
als ein bedenkhches Hindernis gegen die Besserung der Zustände."^)
Wenn sie zugleich den Beschluss fassten. dass die Bischöfe und
Priester, welche fernerhin ihren Treueid brechen würden, durch
Synodalbeschluss abgesetzt werden sollten,-') so lag darin doch nicht
nur die Anerkennung der Herrschaft Ludwigs, sondern zugleich
die Absicht, das Gericht über den Klerus dem Kaiser zu ent-
ziehen und ausschliesshch dem geisthchen Forum zuzuweisen. Lud\\'ig
leistete diesen Bestrebungen keinen Widerstand; je älter er wiu-de.
um so melu' lag es ihm am Herzen, den x\nsprüchen der Kirche
diese Nachricht, ebenso von Noorden (Hincmar S. 22); die Thatsache je-
doch, dass das Bistum unbesetzt blieb, bestätigt die Aussage Karls d. K.
Das Verfahren gegen Agobard ist ähnlich, indem auch Lyon nicht wieder-
besetzt wurde.
1) De institutione regia. (Migne 106 S. 279 ff., die Widmung auch
M.G. Ep. V S. 349.) Über die Abfassungszeit der Schrift und ihr Verhältnis
zu den Beschlüssen der Pariser Synode s. Simsen, JB. I S. 381 ff.
2) Praef. Mansi XIV S. 672 ff. Die von der Synode v. 829 (s. o.
S. 498 Anm. 2), und von Jonas (de inst. reg. 1 S. 285) zitierte Äusserung
des Papstes Gelasius wird auch hier (S. 673) angeführt. Vgl. den Schluss
des 2. Teils S. 695.
3) Mansi XIV S. 695 : Meminimus in praeteritis conventibus nonnuUa
capitula ab episcopis vestra admonitione fuisse tractata . . . sed nescimus
quibus impedientibus obstaculis quasi oblivioni tradita. Über die Vorschläge
V. 829 s. 0. S. 498.
4) P. m c. 6 S. 688.
5) P. n c. 12 S. 679. Dieselbe Tendenz liegt in P. III c. 7 S. 689.
Die Absicht ist nicht nur, dass Anklagen gegen Bischöfe untersucht werden,
sondern dass dies vor einer Synode und nicht am Hofe geschehe.
— 510 —
in ulk'U Stücken gereclit zu werden.') Mau l)egieit't. dass es zu
eiuer Versöhnung zwischeii ihm und Wahl kam.-)
Als Ludwig starb,"') hörte die Einheit des Reiches Karls d.
(tf. auf. Zwar trug Lothar den Namen Kaiser; aber er heiTSchte
nur über einen Teil des Imperiums, über Italien und einen Land-
stiich in der ^Nlitte zwischen den Kelchen seiner Brüder. Kaiser-
liche Politik zu treiben, war wohl sein Vorsatz;*) es war die Hoff-
nung der tüchtigsten ]\ränner, dass er es thun würde, aber er war
nicht dazu im Stande.'^) Es fehlte ihm an Talent") und an An-
sehen; seine bedeutendsten Anhänger waren tot;') vor allem: die
Kaiseridee wurde zwar von einem Teile der litterarisch Gebildeten
bewahrt,**) aber sie hatte keinen Boden unter dem Volk.") Dieser
Nachteil für die Reichseinheit wurde dadurch nicht aufgewogen,
dass ein grosser Teil des Episkopats zunächst an ihr festhielt und
demnach zu Lothar stand. Das wissen wir von den beiden Metro-
I)oliten Otgar von INIainz und Hetti von Trier, von Karls d. Gr.
Sohn Drogo von Metz, von den Rischöfen Fmthar von Toul. Ba-
1) Ann. Bert. z. J. 836. V. Hlud. 55 S. ß41; 63 S. 647.
2) V. Hlud. 55 S. 641: Wala ist bald darnach gestorben s. u.
3) 20. Juni 840. Vgl. Simson, .TB. II S. 228 ff.; Dümmler. OFr. R. 1
S. 136 f.; Mühlbacher, D.G. S. 423 ff.
4) Nach Nithard (Ilist. TT, 10) liisst Lothar vor der Schlacht bei Fon-
tenai seinen Brüdern .sagen, (luoniaiii scirent illi iniperatoris nomen magna
auctoritate fuisse imposituui ut considerent, quatcnus eiusdem noniinis mag-
nificum posset explere officium.
5) Über die Kämpfe, die zum Vertrage von Verdun führten, vgl. v.
Ranke, WG. VI, 1 S. 95 ff. Dümmler, OFr. R. 1 S. 139 ff. Mühlbachor.
D.G. S. 425 f. Die kirchlichen Angelegenheiten berührt nur das Resultat.
6) Nithard, allerding.s ein Gegner, urteilt, es habe Lothar .scientia
gubernandi rem publioam gemangelt (bist. IV, I); seine Regierung bestätigt
das Urteil.
7) Wala starb i. .1. 836, wahrscheinlich am 31. August, Ann. Bert. z.
d. .1.; v. Hlud. '^b S. 641; Anhang zu Thegan S. 603; der angegebene
Tag im Polypt. Irmin. II S. 337; an einer zweiten Stelle (S. 339) ist der
12. Sept. als der Todestag genannt. Im .lahre 837 starben Matfrid, Hugo,
die Bischöfe Jesse von Amiens und Elias von Troyes u. a. So nach v. Hlud.
bQ S. 642 u. Ann. Fuld. z. d. .1., während nach dem Zusatz zu Thegnn
der Tod der .'<ümtlichen genannton Parteigenossen Lothars in das Jahr
836 fällt.
8) Florus von Lyon (carni. 28 v. 41 ff. Poet. lat. II S. 561); Walahfrid
Strabo (carm. 76 v. 57 f. I. c. S. 414).
9) Ann. Fuld. z. J. 840 von L\idwig d. D.: Multorum ad so orienta-
lium P'rancoriim animis prudenti conailio conversis. Nith. hi.st. II, 4 über
die Westfranken und Karl.
— 511 —
durad von Paderborn, Hartgar von Lüttich, Samuel von Worms,
Rathold von Strassburg,^) auch von den Äbten von Fulda, St. GaUen,
Reichen au, Pfäfers, ]\Iurbach und Werden.^) Aber noch Avaren
die Bischöfe nicht Fürsten genug, um die Entscheidung herbeifühi-en
zu können. Die Teilung des Reichs im Jahre 843 entsprach des-
halb den Forderungen der pohtischen Lage.^) Um so mehr, da
man bei ihr ebenso wenig an eine dauernde Zerschlagung des ii'än-
kischen Reiches dachte, vne einstmals bei den Teilungen der Mero-
wincrer. Aber es ist doch unverkennbar, dass die Situation weit
liedenklicher war, als im Jahre 511 oder 561. Damals hatte das
gemeinsame fränkische Nationalgefühl die Teilreiche zusammen-
gehalten. Wo fand sich ein solches jetzt in Itahen? Was im
sechsten Jahrhundert das unwillkürliche Bewusstsein der Büi'ger
des Merowingerreiches leistete, das sollten jetzt die EidscliAvüi'e und
Versprechmigen der Herrscher ersetzen. Das war ein schwaches
Band.
Ein weit stärkeres war die kirchhche Einheit.^) Gerade des-
halb leistete die Teilung des Reichs der Emanzipation des Papst-
tums von der Herrschaft des Kaisers die grössten Dienste. Was
der Kaiser in der Meinung der Menschen verlor, gewann der
Papst.'') Seine Autorität war unangreifbar, schon darum, weil sie
von keiner Landesgrenze eingeengt wurde.
Wären die Fürsten einig gewesen, so würde die Erhebung
1) Die Genannten sind bei der Restitution Ebos von Rheims beteiligt
B.M. 1038; über Otgar vgl. ferner Nith. Hist. II, 7 u. III, 4.
2) Die Haltung Hrabans von Fulda zeigt z. B. ep. 28 S. 442 u. B.M.
1052 f. Dümmler bemerkt unter Verweisung auf Dronke, CD. S. 236 Nr. 531,
dass das Kloster den Standpunkt des Abtes nicht teilte (S. 40). Die
Schenkung ist jedoch nicht in Fulda, sondern in Kissingen beurkundet, der
Schluss also nicht zwingend. Bernwich v. St. Gallen nennt Ratp. Gas. 7
S. 67 als Anhänger Lotbars; Walahfrid spricht sich selbst über die Lage
aus Carm. 76 S. 413. Die Stellung von Werden ergiebt sich aus der Da-
tierung der dortigen Urkunde; Lacomblet, ÜB. I S. 25 Nr. 55, die von
Pfäfers und Murbach aus den Urkunden B.M. 1034 f. In Weissenburg war
Otgar von Mainz Abt, vgl. die Urkunden v. 840 Trad. Wizenb. S. 206
Nr. 215, in Lorsch Samuel von Worms.
3j S. Dümmler, OFr. R. I S. 202 ff. Mühlbacher, D.G. S. 453 f. betont
mehr die Nachteile der Teilung.
4) Vgl. die Äusserung Hrabans schon unter Ludwig d. Fr.: Differentia
non debet esse in diversitate nationum, quia una est ecclesia catholica, ep.
Fuld. fragm. 11 S. 520.
5) Aus einem jüngeren Schriftstück, dem Briefe Ludwigs II. an Basi-
lius V. J. 871 (Baron, ann. eccl. z. J. 871 Nr. 54) sieht man, wie die that-
sächliche Mehrheit der Reiche dazu drängte, in dem einen Imperium die
— 512 —
des Papsttums crsclnviTt worden sein. Ihr Zwiespalt gab den
Päpsten CTelegenheit. die Vennittlerrolle fortzuspielen, die nur all-
zusehr an eine Schiedsrichterrolle erinnerte.
Was im .Fahre S33 Anspruch war: die Lösung des Papstes
aus jeder l^ntcrordnung unter den Kaiser, die Überordnung der
geistlichen Gewalt über die weltliche, begann Thatsache zu werden.
Die von einem Gedanken beseelte i)äpstliche Politik erwies sich
der stets von Fall zu Fall handelnden der Fürsten weit überlegen.
Wir verfolgen ihre weiteren Fortschritte.
Nach Gregoi-s Tod im Jahre 844') erfolgte eine zwiespältige
AVahl: der Papst des Volkes, der Diakon Johannes, erlag beim
ersten Zusammentreflen dem Erwiüilten des Adels, Sergius TT.
Sofort wurde der letztere konsekriert.') INTan glaubte wohl, diese
Verletzung der kaiserlichen Hechte durch die unsichere Tjage in
der Stadt entschuldigen zu können. Aber man liess das Recht des
Kaisers ausser Acht, nicht weil man genötigt, sondern weil man
gewillt war: es entsprach den päpstlichen Tendenzen.
Im Eatc TiOthai-s war damals Drogo von Metz der eintluss-
reichste Bischof. Der Sohn Karls d. Gr. hatte die Anschauungen,
die unter jenem geheiTscht hatten, nicht vergessen: wir fanden ihn
unter den Bischöfen, welche sie Gregor IV. im Jahre 838 so ener-
gisch entgegeidiielten. Auf seinen Rat mrd es zurückzuführen sein,
dass Tjothar das Vorgehen der Römer nicht geduldig ertrug: er
sandte seinen Sohn Tjudwig nach Rom, um die kaiserlichen Rechte
für die Zukunft zu sichern. Ein zahlreiches Gefolge, an der Spitze
Drogo, begleitete ihn. Sergius IT. brach der Gefahr des Augen-
blicks die Spitze ab, indem er den Sohn des Kaisers mit denselljen
Einen empfing, wie einst Leo ILI. Karl d. Gr. Aber die Worte,
welche er zu dem Jüngling vor dem Thore der Peterskirche sprach,
zeigen den mächtigen Umschwung, der eingetreten war: Wemi du
reinen Sinnes und aufiichtigen Willens zum Heile der Stadt, der
Welt und dieser Kirche hiehergekommen bist, dann tiitt mit meiner
Erlaubnis durch diese Thüre; hegst du anderes im Herzen, dann
l)leibt durch mich und meinen Befehl diese Pforte für dich ge-
schlossen.'') So redete der Pajjst zum Vertreter des Kaisers. Sein
Gel)ot, nicht mehr das des Herrschers, öffnete und schloss in Ron)
die Thüren.
Kirche zu sehen: die Konsequenz war die Erhebung des Papstes über die
Frirsten.
\) Ann. Bert. z. .1. H44. Tag und Monat sind unbekannt.
2) V. Serg. 4 f. S. 86.
3) Ann. Bert. z. J. 844; v. Serg. 9 f. S. 88.
— öl 3 —
Ludwig leistete die geforderte Zusage; aber damit, dass ihm
nun der Zugang gewährt wurde, hielten Drogo und die übrigen
Begleiter des jungen Königs die Angelegenheit nicht für erledigt.
Mehrere Tage lang verhandelte man in der Peterskirche. Wieder
stiessen die Gegensätze hart aufeinander; es scheint jedoch, dass
man nicht zu einer bestimmten Entscheidung gelangte. Die Boten
des Kaisers mussten sich mit allgemeinen Zusicherungen begnügen. M
Der Papst unterwarf sich nicht; dem kaiserlichen Heere blieb der
Eintritt in die Stadt verwehrt.^)
Dann krönte Sergius Ludwig zum König der Langobarden.
Noch unter Ludwig d. Fr. sah man in der Krönung einen Bene-
diktionsakt; ^) weder er noch Lothar I. zählten ihre Regierungsjahre
vom Tage der Krönung an.'*) Jetzt zum ersten Male verstand man
die Handlung anders. Er salbte ihn mit dem heiligen Ol, erzählt
der Biograph des Papstes, krönte ihn mit der königlichen Krone
und machte ihn zum König der Langobarden.'') Aus der priester-
1) Ich folge in Bezug auf die Zeitfolge der Vorgänge Prudentius, der
die Ausführung des kaiserlichen Auftrags der Krönung Ludwigs vorangehen
lässt. In Bezug auf das Ergebnis der Verhandlungen widersprechen sich
die Angaben unserer beiden Gewährsmänner direkt. Prudentius lässt die
Krönung erfolgen peracto negotio; der kurialistische Biograph dagegen
versichert (14 S. 90), dass die Gesandten ab eo — dem Papste — superati
pudere et operti confusione discesserunt. Ein so direkter Widerspruch er-
klärt sich am einfachsten, wenn die Verhandlung kein Resultat hatte.
Liess sich Sergius nicht über allgemeine Versicherungen seiner Treue hinaus-
drängen, so konnte jeder Berichterstatter so reden, wie er that. Langen
(G. d. r. K. S. 824) folgt dem Berichte des Papstbuchs. Die Annahme von
Dopffel (S. 118), dass die Absetzung des Sergius zur Sprache gekommen
sei, hat in den Quellen keinen Anhalt. Dümmler (OFr. R. I S. 2-51) legt,
wie mich dünkt, das Gewicht zu ausschliesslich auf die Prüfung der Wahl
des Sergius; nach den Ann. Bert, handelte es sich um Zusagen für die Zu-
kunft: ne deinceps decedente apostolico quisquam illic praeter sui iussionem
missorumque suorum praesentiam ordinetur antistes. Man wollte demnach
eine Übereinkunft wie die des Jahres 824.
2) V. Serg. 12 S. 89.
3) S. 0. S. 482 Anm. 1.
4) Vgl. Brunner, D. RG. II S. 89, der daran erinnert, dass Paschalis I.
ebenso rechnete.
5) V. Serg. 13 S. 89: Pontifex . . Ludovicum . . oleo sancto perungens,
regali ac pretiosissima coronavit Corona, regemque Longobardorum perfecit;
cui regalem tribuens gladium, illique subcingere iussit. Zu vergleichen ist
die Art, wie Leo IV. sich über die Kaiserkrönung ausspricht: Quem (Lothar)
imperatorem princeps sacerdotum . . Pascalis papa oleo benedictionis unc-
tum consecraverat more predecessorum apostolicorum, . . anathemate (Hync-
Hauck, Kirchengesehichte. 11. 2. Aufl. 33
— 514 —
liehen Segnung des Henschers wurde die Übertragung des Amts.^)
Als nun aber die Regleiter des Kr)nigs forderten, dass die röniischen
Grossen ilim dvw 'rreucid leisteten, Hess Sergius das nicht zu: sie
niussten sich mit einer Erneuerung des dem Kaiser geleisteten Eids
begnügen.-) Sergius wollte nicht, dass das fi-änkische Herrscher-
haus Rom gegenüber dieselbe Stellung einnahm wie gegenüber dem
übrigen Italien: seine Kechte in Rom sollten als auf der Kaiser-
ki-ünunc; beruhend ei-scheinen.^)
Wie iu dieser Sache, so widerstand der Papst in einer an-
dern. Im Gefolge des fränkischen Heeres hatten sich die Er/-
bischöfe Ebo von Rheims und Bartholomäus von Narbonne nach
Rom begeben. Lothar hatte Ebo alsbald nach dem Tode Ludwigs
durch ein kaiserliches Edikt in sein Bistum restituiert. Ebo hatte
daraufhin sein Amt wieder angetreten und erzbischöfliche Amts-
handlungen vollzogen. Doch nötigten ihn nach einem Jahre die
Erfolge Karls Rheims wieder zu verlassen.*) Ahnlich war das
Schicksal des Bartholomäus. Jetzt forderten sie die Aufhebung
der über sie verhängten Exkommunikation, die Anerkennung ihrer
Würde und die Erteilung des PaUiums.'*) Mit Rücksicht auf das
Verhalten Gregors IV. konnten die alten Bundesgenossen liothars
die Gewährung ihrer AVünsche hoffen. Aber Sergius schlug sie
nindweg ab: er gestattete ihnen nur die Kommunion unter den
Laien.") Diese Entscheidung ist wohl begreiflich. Der Papst
vennjrd. -^irli von Anfang au mit Karl d. K. zu verfeinden; er
maruB iniuriavit) nostrum et . . imperatoris ministerium parvipendens et.
tran-sgressus divinae paritor et humanas constitutiones (Leon. op. 36 S. 605,
vgl. 37 S. 606).
1) Ein Vierteljahrhundert .später trug bereits ein Kaiser diese An-
schauung über das fränkische König- und Kaisertum vor (Bf. Ludwigs IT.
an BasiliuB v. 871, Baron, ann. ecd. z. .T. 871 Nr. 59, B.M. 1218).
2) Das Verlangen der Eidesleistung scheint mir sacligemäss mit der
Krönung verbunden werden zu müssen. Prudontius erwähnt den Vorgang
nicht. Die V. Serg. lässt die Eidesleistung nach dem Streit in der Peters-
kirche geschehen (14 f. S. 90: ^Discesserunt", „His perfectis")-
3) Ich kann nach dem allen nicht von einer Herstellung des fränkischen
Einflusses in Italien reden (Dümniler, OFr. K. I 8. 251). Das war wohl die
Absicht, aber sie scheiterte an der Gewandtheit des Papstes, der klüger
un<l erfolgreicher operierte als die Franken.
4) Ep. conc. Trio, ad Nico). Mansi XV S. 798; ep. Carol. C. ad Nicol.
1. c. S. 799.
5) V. Serg. 16 S. 90. Dass ihre Bitte durch Lothars Gesandte unter-
stützt wurde, zeigt Lothars Urief an Leo IV. (Mansi XIV, S. 885).
6) V. Serg. 16 S. 90; ep. conc. Tric. ad. Nicol. S. 794; Hincm. ep. ad
Nie. S. 775 f.; vgl. ep. Nie. ad syn. Suees. S. 744.
— 515 —
wollte nicht, dass man ihn einfach als Bundesgenossen Lothars be-
trachtete. Aber auch abgesehen davon, war es ihm vielleicht nicht un-
erwünscht, dem Verlangen der beiden Erzbischöfe und dem Wunsche
des Kaisers ein Nein entgegenstellen zu können. Denn wie be-
stimmt war das Verfügungsrecht Roms über die fi'änkische Kirche
bewiesen, wenn zuerst das Wort eines Papstes die von einem
Kaiser gewünschte Wiederbesetzung der wichtigsten Bistümer ver-
hinderte, mid wenn das Wort eines Papstes sodann die Wieder-
anerkennung der früheren, von dem Kaiser wieder eingesetzten
Inhaber ausschloss.
Um so bereitwilliger kam er einem anderen Wunsche Lothars
nach. Der Kaiser regte die Wiedererrichtung des päpstlichen
Vikariats flu' das fränkische Reich an; Drogo von Metz sollte zu
dieser Würde erhoben werden.^) Die kirchlichen Zustände gaben
keinen Anlass zu diesem Antrag; man kann deshalb nicht zweifeln,
dass seine Gründe auf dem pohtischen Gebiete lagen.-) Lothar
hoffte durch seinen Oheim Einfluss auf die Reiche seiner Brüder
zu gewinnen: der päpstliche Vikar sollte dem Kaisernamen erst
einen realen Inhalt geben. Unmöglich aber konnte der Papst
übersehen, dass die Aufstellung eines Vikars der päpstlichen Macht
weit dienhcher werden konnte als der kaiserlichen. Nicht umsonst
hatte einstmals Zacharias so dringend gewünscht, dass der Vikariat
auch nach dem Tode des Bonifatius fortdaure.'^) Sergius gewährte denn
auch nach reiflicher Überlegung^) den Wunsch des Kaisers. In
dem Schreiben, durch welches er dem fränkischen Episkopate die
Erhebung Drogos eröffnete, verhehlte er nicht, dass er die Wieder-
herstellung eines so hervorragenden kirchlichen Amtes mit Fi-euden
begrüsste.'^) Jede Zeile zeigt zugleich, wie bewusst er daran ar-
beitete, die neue Institution zur Förderung der päpstlichen Autorität
zu benützen. Er geht davon aus, dass dem Papste die Leitung
der Gesamtkirche übertragen sei. Daraus leitet er das Recht
ab, nach Weise seiner Vorgänger päpstliche Vikare aufzustellen.
1) Die Annalen von St. Bertin notieren die Thatsache der Ernennung
Drogos z. J. 844. Genauere Auskunft giebt das päpstliche Schreiben J.W.
2586. Dasselbe ist jedoch nur Fragment. Es fehlt der Eingang, der eine
Angabe darüber enthalten haben wird, von wem die Errichtung eines
Vikariats beantragt wurde. Nach dem Schreiben Leos IV. (Nr. 2607) ging
der Antrag von Lothar aus.
2) Vgl. Dümmler, OFr. R. I S. 252 f.
3) S. Bd. I S. 536 ff.
4) Mansi XIV, 806: Cauta deliberatione constituimus.
5) L. c. : Optaveram . . pro recuperanda tarn excellentis ordinis gloria
modis Omnibus desudare.
83*
— 51 ß —
Kv cniPiint denigemäss Drogo zu seinoni Stellvertreter in allen
liändeni diesseits der Alpen, fordert für ihn bereitwilligen Gehorsam
aller Bischöfe und gieht ihm die ^'ollmacht, allgemeine Synoden
zu halten, die Beschlüsse der Provinzialsynoden zu prüfen, Appel-
lationen anzunehmen, das Leben und die Amtsführung der Bischöfe
und Ai)te zu überwachen. JVIan sieht. Sergius erteilte seinem Tje-
gaten Rechte, welche in diesem Umfang die Päpste in der friinld-
scheu Kirche nie geübt hatten. Dabei behielt er ausdrücklich das
lischt des römischen Stuhles vor:^) nur vertreten, nicht ersetzt
sollte der Papst durch Drogo werden : Rom blieb die höchste Appel-
lationsinstanz; in beinah drohender AV^eise verhiess er den Bi-
schöfen seinen Schutz gegen etwaige Ki-<änkungen von Seiten der
Könige.-)
Die Errichtung des Vikariats leistete Lothar die Dienste nicht,
welche er von ihr erwartete : ^) aber sie trug dazu bei. dass man
sich diesseits der Alpen daran gewöhnte. Befehle von Rom ent-
gegen zu nehmen.*)
Sergius starb am 27. Januar 847.''^) Wie unter ihm, so
bUebeu die Verhältnisse unter seinen beiden Xachfolgern Leo IV.
und Benedikt ITI.«) Der Tod Lothars am 29. September 855
brachte ebenfalls keinen Wandel hervor: nur wurde di(> kaiserliche
Macht noch einmal geschwächt, da er sein Reich unter seine drei
Söhne teilte.')
1) L. c. S. 807: Salva in omnibus huiuR universalis Romanao .soJis
primatu, nostrique praesulatus honore.
2) L. c. S. 808: Si violentiam sibi a . . regibiis quilibet episcoporuni.
quominus canonum statuta custodiat, queritur inogatam, nos hoc suffngium,
annuento Deo, litteris ad eos missis crodimiis amputandum. Nequaquani
enim auditu tolerabilp est, ut gormanorum fratruiti in fide trinitatia terna
societas a sui dilertione et communi iuris aoquitatn dissiliat. Quod si eoruni
quilibet post discordiae principem abiri maluerit . . hunc morito Deo auxi-
liante canonicis auctoritatibus, prout melius possumua, castigare studemua.
Wenn v. Ranke (WG. VI, 1 S. 126) in der Ernennung Drogos ein um-
fassendes Ziigoständnis sieht, durrh welches die Aktion des Papsttums jenseits
der Alpen wesentlifh geschmälert wurde, so kann ich diesem Urteil nicht zu-
stimmen: die angeführte Stelle zeigt zum mindesten, dass man in Rom der
Sache eine andere Wendung gab.
3) Karl d. K. war von Anfang an nicht geneigt, es anzuerkennen, vgl.
conc. Vern. fa. 844) can. 11 (M. G. Cap. II S. 385).
4) S. rüe Schreiben .I.W. 2589 u. 2-591.
5) Ann. Bert. z. .1. 847 S. 35.
6) Leo IV. 847—855, Benedikt III. 855—858.
7) Ludwig II. erhielt Italien mit der Kaiserwürde; er war 8.50 von
— 517 —
Dass der Kaiser ein gewisses Herrscherrecht über die Stadt
Rom hatte, wurde nicht geleugnet:^) bei manchen Staatsakten
nannte man den kaiserhchen Namen;-) es galt als selbstverständlich,
dass die Römer ihm schwm'en,'^) sogar dass der Papst ihm ver-
antworthch sei, wm'de eingeräumt.*) Aber thatsächlich war der
Papst der einzige HeiT, besonders der einzige Verteidiger Roms.^)
Wähi'end das kaiserHche Gericht in der Stadt aufgehört hatte,
hielt er im Lateran, umgeben von den römischen Grossen, regel-
mässige Gerichtssitzungen. '^) Leo IV. war der erste Papst, der ein
bewaffnetes Gefolge um sich schaaite ; ^) das war nicht nur Spielerei.
Leo IV. gesalbt worden. Lothar IL bekam den nördlichen, Karl den süd-
lichen Teil des fränkischen Besitzes.
1) Dass Kaiser Ludwig IL in Italien residierte, bewirkte nicht, dass
er häufiger in Kom erschien als seine Vorfahren. In den 25 Jahren von seiner
Kaiserkrönung bis zu seinem Tode war er nur viermal daselbst. Wie es
mit seiner Herrschergewalt stand, lernt man aus dem gerade hier unver-
verwerflichen Zeugnis des libellus de imp. pot. (M. G. Scr. III S. 721): Qui
— seine Anhänger — suggerebant illi repei'te antiquam imperatorum do-
minationem; et nisi ob reverentiam b. apostolorum dimitteret, pro certo
faceret.
2) V. Leon. IV. 69 S. 123: bei der Befestigung der Leostadt; 80 S. 126:
bei der Ansiedelung der Corsen in Porto; 90 S. 129: bei der römischen
Synode von 853.
3) Das liegt in der gewundenen Phrase der V. Leon. 8 S. 107; vgl.
das 1. Fragment der britt. Sammlung, wenn hier nach Ewalds wahrscheinlich
i-ichtiger Vermutung zu lesen ist: id quod nulli, ut bene nosti, licet nisi
imperatori aut pontifici perpetrare, ep. Leon. 1. S. 585.
4) J.W. 2646.
5j Wie vorsichtig Leo verhütete, dass die kaiserliche Unterstützung
gegen die Sarazenen nicht zur Aufrichtung der kaiserlichen Macht in der
Stadt benützt wurde, zeigt der v. Leon. 49 S. 117 f berichtete Vorgang.
Man begreift das angesichts des Interesses Lothars für Wiederherstellung
Roms (s. das zuerst von Maassen, Wiener SB. 46 S. 68 ft'., bekannt gemachte
Kapitular, 203, 7 S. 66). Die Anschauung seines Biographen zeigt die
Stelle c. 81 S. 127: Plus defensionem diligens patriae et plebis securitatem
commissae quam lucra temporalia et caduca. Welche Wünsche in der Um-
gebung des Papstes laut wurden, ersieht man aus 110 S. 134; freilich ist
auch dieser Bericht tendentiös. Dass Gratian weder so unschuldig noch so
ungefährlich war, als der Biograph behauptet, ergiebt das Fragment der
coli. Brit. 1 ep. Leon. 1 S. 585.
6) Leon. ep. 23 S. 599.
7) Ib. 17 S. 596 an den Iudex Sardiniae: Sardos, sive pueros sive
adultos ac iuvenes, cum armis suis mandare dignemini, qui nobis in coti-
diano obsequio iussa explere possint.
— Ö18 —
Noch honte erinnert der Nunie der Ijeosttidt an das, was er für
die Sicherlieit und den Schutz Roms geleistet hat.^)
Es blieb unbestritten, dass dem Kaiser die Untersuchung der
Rechtmässigkeit der Papstwahl zustehe.-) Aber thatsächlich hatte
er keinen Einfluss auf sie. Leo IV. wurde in bewusstem Unge-
hoi-sam gegen den Kaiser konsekriert. ohne dass die Erlau])nis
Lothars eingeholt worden wäre.=') An Benedikt IIL aber hielten
die Römer fest, trotz des Widerspruchs der kaiserhchen Ge-
sandten.'*)
Die Einwirkung des Kaisers auf innerkirchliche Angelegen-
heiten war nicht abgeschnitten;'^) aber man bemerkt sie nur in ver-
einzelten Fällen; sie tritt ausnahmsweise ein. Dagegen war der
Papst Heri-scher über die Kirche diesseits, wie jenseits der Alpen.
i) V. Leon. 69 f S. 123; freilich unterstützte ihn der Kaiser durch
Geldgaben.
2) L. c. 6 S. 107. Schrieb der Papst an Lothar und Ludwig: Jnter
no8 et vos pacti serie statutum est et confirmatum, quod electio etconfirmatio
futuri Romani pontificis non nisi iuste et canonice fieri debeat (J.W. 2652),
80 zeigt das, dass Verhandlungen über die Konsekration stattfanden; auf-
fällig ist, dass das Bestätigungsrecht des Kaisers nicht ausdrücklich erwähnt
ist. Sollte hier die Phrase wiederholt sein, zu der sich Sergius II. i. J. 844
verstand (s. o. S. 513)? V. Bened. III. 6 S. 141.
3) V. Leon. 6. S. 107: vgl. Müller Pr. RE.^, Vlll S. 569; Dopffel
(S. 120) lässt sich, wie mich dünkt, zu sehr von der apologetischen Dar-
stellung der Biographie beeinflussen. Die Hauptsache ist nicht, dass die
Römer — in Worten — das kaiserhche Recht anerkannton, sondern dass sie
es in der That verletzten.
4) Die Darstellung, welche das Papstbuch 6ff. S. 141 ff. von den Vor-
gängen und besonders von dem Verhalten der kaiserlichen (Gesandten giebt,
ist völlig undurchsichtig, um so durchsichtiger ist die Absicht, Benedikts
Wahl über jeden Zweifel zu erheben. Ich lasse deshalb alles einzelne
dahingestellt und halte mich an die von dem Biographen l)erichteton, aber
künstlich beleuchteten That.'iachen, dass Bonedikts Wahl widersprochen war,
und dass sein (iegner Anastasius sich auf die kaiserlichen (icsandten stützte.
Zieht man die Thatsache in Betracht, dass Anastasius schon unter Leo IV.
als Kandidat des päpstlichen Amtes galt, und dass dieser von den Kaisern
vergeblich seine Auslieferung gefordert hatte (Mansi XIV, 1026), so liegt
die Annalime nahe, da.^s Anastasius kaiserlichorseits begünstigt wurde in der
J>wartung, er werde mit der bisherigen römischen Politik brechen. Doch
wäre eine solche Annahme nicht sicher genug. Auf Anastasius wird sich
auch das 30. Fragment der coli. Brit. beziehen (S. 602).
5) Leo bittet um ?>Iaubnis zur Konsekration des Diakon Colonus zum
Bischof von Rieti oder Asfoli, je nach «ler Bestimmung Lothars und Ludwigs,
ep. 19 S. 507, er ersucht um die Genehmigung zur Reise des Krzbischofs
Rolland von Arles nach Rom (ep. 2 S.- 586).
— öl 9 —
Lothar erkannte ihn nniimwundeu in dieser Stellung au. Die gött-
liche Vorsehung, schrieb er an Leo lY., habe zu dem Zwecke den
Primat eingesetzt, dass man in allen kirchlichen Angelegenheiten
zu ihm als der Norm der Rehgion und als dem Quell der Ge-
rechtigkeit seine Zuflucht nehme. ^) Man hat das gerade Gegenbild
der Briefe Hadrians an Karl, wenn nun der Kaiser dem Papste
versichert, er stelle seinen "Wunsch in des Papstes Urteil und Be-
lieben.-) wenn er ihm pflichtmässigen Gehorsam und dankbare
Gegenleistung für die Gewähi-ung verheisst. ^) Noch massloser
äusserten sich die fränkischen Bischöfe über die Pflicht des Ge-
horsams gegen den Papst: Wer ihn verachtet, der eiTeicht den Höhe-
punkt der Sünden, ki^änkt die ganze Christenheit, versündigt sich an
den Aposteln, deren Füi'st Petrus ist, schhesst sich aus von der
Gemeinschaft der Kirche, sein Ort ist die Hölle.*)
Begreiflich, dass der Papst als HeiTscher handelte. Er ge-
währte oder versagte nach seinem Gutdünken die Wünsche, welche
die Fürsten an ihn brachten.') Dass es ihm zustehe, in allen An-
gelegenheiten die letzte Entscheidung zu geben, dai'an wurde un-
verrückt festgehalten.*^) Die Giltigkeit päpstlicher und kaiserlicher
1) Mansi XIV S. 884, wahrscheinlich 851, s. B.M. 1115.
2) L. c. S. 885. Langen, G. d. r. K. S. 831 , verändert, wie mich
dünkt, den Sinn des kaiserlichen Schreibens, wenn er übersetzt: Nun
müsse der Papst durch Übersendung des Palliums dem die Würde zu-
erkennen etc. Der Ton des Originals ist weit weniger befehlend: Cuius
petitionem recto et absolute iudicio implendam existimavimus, praesertim
cum gesta synodalia . . novimus, quae etiam et antecessori vestro mitti
debuerunt, destinanda vobis ipsius cura decrevimus, quoniam sanctitatem
vestram eius honori consentire decet, cui plenitudinem episcoporum favere
cognoscitis. Ilaque iudicio sententiaeque vestrae petitionem iam dicti
archiepiscopi . . committentes etc.
3) L. c.
4) Schreiben der fränkischen Bischöfe an den bretonischen Herzog
Nomenoius (Mansi XIV S. 923—925).
5) Leo IV. gewährte auf Bitten Lothars Hinkmar das Pallium, lehnte
aber seine Ernennung zum Päpstlichen Vikar ab (ep. 12 S. 590f.) Dem
Bischof Alteus von Autun das Pallium zu erteilen, weigerte er sich (ep. 85
S. 604): man vgl. das Verfahren Gregors I. in einem ähnlichen Pall (J.W. 1491).
Er lehnte die Fürsprache Lothars für drei Verurteilte ab (1. c. 2638). Die
Gründe im einzelnen sind nicht immer durchsichtig; man mag sich an das
Urteil des Servatua Lupus erinnern: Apostolici (eben Leos) notitia indigebo,
ea vero sine munerum intercessione iniri commode non potest (ep. 82
S. 154).
6) Ep. 3 ff. S. 586 f.; 10 f. S. 589; 22 S. 598; 37 f. S. 605 f.; Mansi
XIV S. 887; Flod. H. Rem. eccl. III, 11 S. 486; Mansi XV, S. 111.
— 520 —
Dekrete stellte man auf gleiche Linie.^) Besonders aber: die Päpste
trugen eine Auttassung ihres Amts V(n', durch welche die Unter-
ordnung des Papsttums unter eine weltliche Macht ausgeschlossen
war. Die päpstliche AVürde, erklärte Leo IV. dem König Ludwig,
habe er zu dem Zweck übernommen, um für alles, was in der
Welt geschieht, Sorge zu tragen und die Zwiespältigen zur Eintracht
zurückzurufen. Entschlage -er sich dieser Pfücht und unterlasse
er, das Schlechte, das er irgendwo wahrneinne, ki'aft apostohscher
Autorität zu bessern, so würde Gott Kechenschaft von ihm fordern.-)
Benedikt III. aber urteilte ganz in Übereinstimmung damit, kein
Mensch könne zweifeln, dass er verpHichtet sei, für das Heil, den
Frieden und die Hube aller Gläubigen Sorge zu tragen, damit das
Schlechte gebessert, das Rechte gestärkt, das Verderbte erneuert
und das Gute bewahrt werde. Am gewichtigsten sei diese PHicht
dem fränkischen Reiche gegenüber, da es mit Italien zu einem
Kaisertum vereinigt sei. und die Erhabenheit der römischen Kirche
verbunden mit der weltlichen Gewalt das Regiment beider Länder
nach gleichem Rechte führe: die Herrscher schützten ihre Befehle
dui'ch Verordnungen der römischen Kirche und die kirchlichen
l{('(hte würden durch die Vorschriften der Herrscher unterstützt.'')
Hier wari'U i)äpstliche und kaiserhche Macht kaum mehr neben
einander gestellt: die erstere erhob sich schon mäclitig über die
letztere.'*) Als Benedikt so schrieb, waren fünfundfünf/ig .lahi'e
seit der Krönung Karls d. Gr. verflossen. Ein hall)es .Jahrhundert
hatte genügt, um von der Stellung, die er in der Kirche einnahm,
nur noch vereinzelte Reste übrig zu lassen. Die Form war ge-
geblieben, das Wesen war geändert.
Innerhalb des fränkischen Reiches wirkten natürlich die älteren
Zustände und Anschauungen viel stärker fort. Hier konnte man
nach wie vor Äusserungen hören, welche die kirchliclien Rechte
des Königs in altei- AVeise bestimmten. AVie Ludwig d. Fr. im
Jahre 82;') erklärte, dass er verpflichtet sei, fiir die Kirche Gottes
Sorge zu tragen,'*) so wiederholten im Jalu'e 844 die unter Drogos
1) .I.W. 2643, an den Kaiser Lothar.
2) ?:p. 10 8. .589; vgl. 39 S. 606: Si fortassis apud vos (Karl d. K.)
inutiles iudicamur, ecclesia tanion, cui praesumus, non inutilis sod caput
principiumrjue omniiim merito simul ab omnibus vocatur.
3) Urkunde für Corbie, J.W. 2663. Ks entspricht dieser Anschauung,
dass päpstliche Bitten und Befehle gleichwertig sind (ep. 4 S. 587).
4) Es ist bemerkenswert, dass Leo IV. einen englischen Prinzen mit
der Ehre des Konsulats beschenkte, eo quod in nostris se tradidit manibua
(ep. 31 S. 602).
o) Cap. 1.50, 2 I S. .303.
— 521 —
Vorsitz zu Juditz bei Diedenliofen versammelten Bischöfe die alten
Wendungen, dass den Königen die Kirche zur Leitung übergeben
mid dass sie durch den Dienst der Fürsten aus ihrem Verfall
wieder hergestellt sei.^) Aber es ist doch bezeichnend, dass das
Wort von der Verbindung königHcher und priesterlicher Macht im
Herrscher, das man früher unbedenklich gebrauchte, jetzt abgelehnt
wurde: Christus allein kann mit Recht als König und Priester be-
zeichnet werden.-)
In vieler Hinsicht erscheint die Einwirkung der Fürsten auf
die kirchhchen Angelegenheiten kaum gemindert: Ihr Recht, die
Bischöfe zu ernennen oder im Falle der Wahl diese zu prüfen und
zu bestätigen, übten sie, ohne dass es ernstlich angefochten worden
wäre.^) Das Gericht über die Bischöfe wm'de zwar regelmässig auf
Grand eines Sjoiodalurteils gelallt. Aber das hinderte nicht, dass
der König Eichter war.*) Wenn die Synoden auch nicht mehr
wie unter Karl lediglich Versammlungen waren, die der König
berief, um ihr Gutachten zu hören, so wurde doch das Recht des
Königs Synoden zu berufen, an ihren Beratungen Anteil zu nehmen
und ihr Beschlüsse bekannt zu geben, nicht beseitigt: im Oktober
844 beriefen die drei Herrscher Lothar I., Ludwig d. D. und
Karl d. K. gemeinsam die eben erwähnte Synode von Juditz bei
Diedenhofen; sie ernannten Drogo zum Vorsitzenden, die Beschlüsse
1) Cap. 227 II S. 113.
2) L. c. S. 114: Nostis, ab illo, qui solus merito et rex et sacerdos
fieri potuit, ita ecclesiam dispositam esse, ut pontificali auctoritate et regali
potestate gubernetur. Vgl. Serv. Lup. ep. 39 S. 103: Rex regum, idemque
Sacerdos sacerdotum, qui solus potuit ecclesiam regere, quam rederait, . .
potestatem suam ad eandem gubernandam ecclesiam in sacerdotes divisit
et reges.
3) Die Pariser Synode von 829, die bischöfliche Vorstellung von 829,
auch die Synode von Juditz i. J. 844 erkennen die königlichen Rechte direkt
an, Mansi XIV S. 601; Cap. 196, 57 II S. 48 und Cap. 227, 2 II S. 114:
episcopos a Deo datos et a vobis regulariter designatos et gratia s. Spiritus
consecratos accipiant. Über die thatsächlichen Verhältnisse s. u. Kap. 2.
4) Ann. Einh. z. 818 S. 148 von den an der Empörung Bernhards mit-
schuldigen Bischöfen, Anshelm von Mailand, Wolfold von Cremona und
Theodulf von Orleans: Episcopos synodali decreto depositos mouasteriis
mancipari (imperator iussitj; vgl. Theg. V. Hlud. 22 Scr. II S. 596; chron.
Moiss. z. 817 S. 312 f. zeigt übrigens, dass bei dem Synodalurteil nicht an
eine ordnungsmässige Synode gedacht werden darf. Theg. V. Hlud. 37
S. 598 Absetzung Jesses von Amiens 830. V. Hlud. 54 S. 640, Flod. Bist.
Rem. eccl. II, 20 Scr. XIII S. 471 f. Absetzung Agobai'ds und seiner Genossen
835. Über Ebo vgl. o. S. 508.
— 522 —
wurden ihnen vorgelegt und von ilinen gebilligt.^) Die Main/er
Synode von S47 fand auf Anordnung Ludwigs d. D. statt; der
Vorsitzende, Hraban, sandte ihre Beschlüsse ebenfalls dem Könige
zu.-) Auch bei den Mainzer Synoden von 848 und 852 wird des
Befehls des Königs gedacht.'^) Nicht anders handelte Karl d. K.
in Frankreich.^) So ernstlich wurde das Bestätigungsrecht noch
geftisst, dass Karl d. K. von S3 Beschlüssen der Synoden von Meaux
S45 und Paris S4() nur neunzehn bestätigte.'') Endlich felilten
jetzt so wenig als unter Karl und Ludwig Verfügungen der Herrscher
über das Kirchengut,*') die zwar als Eingriff in das eigene Recht
empfunden wurden, deren Ausführung aber mau nicht zu verweigern,
deren relative Berechtigung man nicht zu leugnen wagte.')
Aber es gab eine Partei in der fränkischen Kirche, welche
dies alles als Unrecht betrachtete. Sie war der Überzeugung, dass
der Einfluss der staatlichen Gewalt auf die kirchlichen Dinge be-
seitigt und die Unal)hängigkeit der Kirche wieder hergestellt werden
müsse, dass deshalb die unbeschränkte Hen-schaft des Papstes über
die Kirche notwendig sei. Zeuge von ihrer Existenz und von den
Anschauungen, welche sie vertrat, sind drei erdichtete Rechtsquellen:
die sog. Kapitel Angilrams, die Kapitulariensammlung des Bene-
dikt us Levita und die pseudo-isidorischen Dekretalen.^)
1) Cap. 227 II S. 113.
2) Cap. 248 II S. 173.
3) Mansi XIV S. 91-5 und Cap. 249 II S. 184.
4) 843 Synode zu Coulaines bei Le Mans in seiner Gegenwart, Cap.
254 II S. 253; ebenso 844 in Toulouse 1. c. 255 S. 256; in demselben Jahre
7.U Vemeuil auf Hofehl des Königs, 1. c. 291 S. 382 und zu Beauvais, 1. c. 292
S. 387, 845 zu Meaux und 846 zu Paris 1. c. 293 S. 388.
5) L. c. 2.-i7 S. 260.
6) Vgl. z. 13. Ann. Bort. z. J. 836, 858, 876, 877.
7) Vgl. Syn. ludic. ."> S. 115: Consideravimus . . secundum indulgen-
tiam non secundum imporium, ut, si (monastoria) propter iiiiminontom roi
publirao necessitatem laicis Interim cominittuntur, für den Fortbestand der
Kongregation Sorge getragen werde.
8) Über die verwickelte Frage nach dem Ursprünge des in Betracht
kommenden pseudepigraphischen Schriftenkreises begnüge ich mich zu
bemorkon, 1. dass ich der Annahme zustimme, nach welcher die drei Fäl-
schungen von einem Verfasser, oder wie e.s wahrsclminlicher ist, von den-
selben Verfassern herstammen. 2. Dass ich deshalb der Ansicht bin, dass
die Frage der Priorität des einen oder des andern Buchs nicht reinlich
gelöst werden kann. Mögen die falschen Dekretalen, wie schon nach ihrem
umfasHondoren Zweck wahrscheinlich ist, jünger sein als die Kapitel, so bleibt
doch die Möglichkeit, dass nachträglich noch Finsrhübe in die letzteren
aus den ersteren stattfanden. Dass dies bei den Kapiteln und Kapitularien
f^9Q
— 52,-
Es ist nicht wahrscheinlich, dass man je zu einer einmütig
gebilligten Ansicht über die Urheber dieser Werke gelangt; es fehlt
an unzweideutigen Spuren, die sie verrieten. Aber mögen auch
die Namen der Fälscher immer verborgen bleiben, der Kreis, dem
sie angehörten, ist nicht verborgen. Es ist jene streng kirchliche
Partei, deren Entstehung unter Ludwig d. Fr. wir bemerkten. Man
kann ihre Entwickelung nicht im einzelnen verfolgen. Aber dass
sie vorhanden war, machte sich in der späteren Zeit stets bemerk-
lich. Nicht wenige Kleriker hingen ihr an: ein Mann, der die
Verhältnisse genau kannte, hat geurteilt, dass sie in der zweiten
Hälfte des neunten Jahrhunderts im fränkischen Reiche zahlreichere
Gesinnungsgenossen hatte als selbst in Rom.') Auf die Frage, was
sie für nötig hielt, damit ihr Ziel, Unabhängigkeit der Kirche von
der staatlichen Gewalt, erreicht werde, geben die Fälschungen, die
sie produzierte, eine völhg klare Antwort.
Der Zweck der Kapitel Angilrams^) ist, Anklagen gegen
wirklich der Fall war, ist höchst wahrscheinlich. Die Fälschungen sind ja
offenbar lange vorbereitet und wohl überlegt ausgeführt; die gleichzeitig
an das Licht tretenden Werke sollten sich gegenseitig stützen. Der von
Maassen (Wiener SB. 109 S. 801 ff.) geführte Nachweis, dass die Hispana
der Handschrift von Autun durch Pseudo-Isidor bearbeitet ist, und den
falschen Dekretalen die Wege bereiten sollte, beweist, wie umsichtig
man die Fälschung vorbereitete. 3. Dass ich es nicht für wahrscheinlich
halte, dass die Fälschungen durch die Absicht veranlasst wurden, in
irgend einem bestimmten Fall einer bestimmten Persönlichkeit zu Hilfe
zu kommen. Die westfränkischen Verfasser, welche die Autorität von
Rom, Mainz, Metz und Spanien, die Namen Hadrians, Angilrams, Riculfs,
Otgars und Isidors auf das Feld führten, wollten nicht einen augenblick-
lich bedrängten Genossen unterstützen , sondern die Anerkennung kirch-
licher Ansprüche erleichtern, welche bereits erhoben waren. 4. Dass ich
den Ursprung im westlichen Reiche für sicher halte; denn dort waren die
Gegensätze am gespanntesten, dass ich aber glaube, dass jede Näher-
bestimmung unbeweisbar ist. 5. Dass ich den zeitlichen Ansatz, entstanden
um 850, für unanfechtbar halte, dass ich aber glaube, dass Bearbeitung
und Publikation über eine Reihe von Jahren sich ausdehnten. Der Tod
Otgars 847 und die Rheimser Diözesanstatuten vom 1. November 852
(vgl. c. 11 Migne 125 S. 775 und Steph. pap. ep. 1, 3 S. 183) büden die
Grenzjahre für die Publikation, die Bearbeitung kann aber höher hinauf
reichen.
1) Anast. ep. 3 ad Adon. (Migne 129 S. 742): Scio quia licet apud
nos paucos, apud vos tamen reliquit sibi dominus plurimos qui non cur-
vaverunt genua ante Baal. Der Brief ist unmittelbar nach dem Tode Niko-
laus I. geschrieben.
2) Ich zitiere nach Hinschius, Decretales Pseudo - Isidorianae 1863
S. 757 ff. Zur Litteratur verweise ich auf die S. 531 Anm. 2 angeführten
— 524 —
Bischöfe möglichst zu ei-schweren und tlas Urteil ül)er sie aus-
schliesslich dem geistheheu Gericht zuzuweisen. Das entsprach den
Tendenzen des fränkischen Episkopats. ^ Schon Ebo hatte in seiner
Veiteidigungsschrift sich dagegen erhoben, dass das Gericht über
die Prälaten im wesentlichen noch in der Hand des Königs lag.
Er erklärte das über, ihn gefiUlte Urteil für ungereclit, weil es im
Hofgericht, nicht vor einer Synode erlassen sei : -) er forderte also
ein rein geistliches Gericht. Denselben Antrag richtete der Epis-
kopat auf der Aachener Synode des Jahres S3(i an den Kaiser.
Es ist unverkennbar, dass die Vorgänge des Jahres 885 dazu den
Anlass gaben. Die Bischöfe sahen darin eine Gefahr für ihren
Stand; sie verlangten Untersuchung vor der Synode und Uiteil über
den Schuldigen nach dem kanonischen Recht. ■^) Stellt man ihrem
Antrag den Inhalt der Kapitel gegenüber, so erscheint der letztere
wie eine Kttiiektur des zu massvollen Synodalbeschlusses. ]\fau
muss, so erklärten die Bischöfe, den Ei)iskopat ehren um dessen
Werke über Pseudo-lsidor; Richter-Dove, KR. 8. Aufl. S. 87 flf., Hinsohius,
1. c. p. CLXIII und P. RE. F S. 523 f., Friedberg, KR. 4. Aufl. S. 109.
1) Vgl. oben S. 508 über die Verurteilung Ebos.
2) Ebon. apologet. Migne 116 S. 13: Ductus mundano inipetu, cora-
pulüUü ad tribunal palatinum non ad synodalem sanctorum conventum, quo
violenter non licet trahi, sed magis liberum canonice convocari episcopum ;
vgl. auch den gefälschten Brief (iregora IV. M.G. Ep. V S. 82, wo derselbe
Gedanke ausgesprochen ist : A mundana potentia vobis adductus est discu-
tiendus vel deponendus.
3j C. III, 7 Mansi XIV ü. 089: Didicimus sane nonnullos episcoporum
a quibusdam pt^rsonia clam temeraria dntractione accusatos at(iue detractos.
sine approbatione tarnen, in causis reprehunsibilibus, quae pontiticatus
ordini non congruere visae sunt, si approbatae fuerint. Idcirco obnixe
precamur, ut si aliquis deinceps aecusator aunisus fuerit aliqueni excessum
in episcopali ordine rite reprehendere et ad aures imperiales perducere, ut
non facile per cuiuscunque pcrsonam officium tanti ministerii aliquo vile-
scere videatur. Ai'cubator itaijue uti, sicut hactenus, delitescendo se «ub-
trahere locuni non habeat, sed neque accusatus; huius rci veritaa synodali
conventoi pateat, ibidemque omni occasione remota utrorum oxaminatio
secundum veritatem examinetur, ut quod quiscjue meretur, accusatus vide-
licet, sive aecusator, pro merito canonicae disciplinae subiaceat . . Licet
enim sacerdotes moderno tem}»oro i)ropter imminentes perturbationes in
niultia sint negligentes, non sunt tarnen vituperandi nee despiciendi, sed
jiropter illum, cuius ministerium gerunt, audiendi et congruo honore vene-
randi. Post apoatolos enim ad i[»sos haec domini sententia dirigitur: Qui
V08 audit, nie audit, et qui vos spernit, me spernit. (juapropter attenden-
dum est, quod sacerdotum Christi spretio ad iniuriam Christi pertinet, cuius
vicem et ministerium gerunt.
— 525 —
willen, dessen Amt er trägt. Wer einen Bischof anklagt, so ruft
dagegen der Fälscher, der klagt die Ordnung Gottes an.') Jene
wollten Aerhindern. dass mau sie insgeheim bei dem Kaiser ver-
klage; der Fälscher wollte bewirken, dass man sie überhaupt nicht
verklage: deshalb zieht er einen älteren Synodalbeschluss herbei,
nach welchem jeder Klage eine private Besprechung mit dem
Bischöfe vorausgehen sollte."-) Die Synode setzte voraus, dass jeder-
mann als Kläger gegen einen Bischof auftreten könne: der Ano-
nymus aber erinnert sich einer Bestimmung der Synode von Chal-
cedon, welche nur unbescholtene Kläger zuliess.'') Die Synode ver-
langte, dass der Kaiser die Klagen den S\Tioden zuweise; in den
Kapiteln ist die Berufung der Synode durch die kirchlichen Oberen
gefordert.*) Dort ist einfach verlangt, dass Kläger und Beklagter
1) C. 1 S. 757.
2) L. c: Placuit ut si quiscunque persona contra episcopum vel auc-
tores ecclesiae se proprium crediderit habere negotium, prius ad eum re-
currat caritatis studio, ut familiari colloquio commonitus ea sanare debeat,
quae in querimoniam deducuntur. Quam rem si deferre voluerit, sententiam
suscipiat excommunicationis, et reliqua. Das Kapitel stimmt, von sachlich
unwesentlichen Änderungen einzelner Worte abgesehen, bis deferre voluerit
mit dem 17. Kanon der 5. Synode von Orleans überein. Dann heisst es
dort weiter: tunc demum ad metropolitani audientiam veniatur, wofür der
Fälscher die Drohung mit der Exkommunikation einsetzt.
3) C. 3 S. 758: Placuit, ut semper primo in accusatione clericorum
fides et vita blasphemantium perscrutetur. Nam fides omnes actus hominis
debet praecedere, quia duhius in fide infidelis est. Nee eis omnino esse
credendum, qui veritatis fidem ignorant aut non rectae conversationis vitam
ducunt, quoniam tales facile et indifferenter lacerant et criminantur recte
et pie viventes: ideo suspitio eorum discutienda est primo et corrigenda.
Der erste Satz entspricht sachlich dem 21. Kanon von Chalcedon; die Form
ist jedoch verschärft. Die Herkunft des zweiten ist nicht nachgewiesen ;
der dritte stammt aus dem 64. Kanon der 4. Synode von Toledo, lautet
aber dort: Infix-mari ergo oportet eorum testimonium, qui in fide falsi do-
centur, nee eis esse credendum, qui veritatis a se fidem abiciunt; gemeint
sind Juden, die das Christentum annahmen, dann aber wieder abfielen.
4) C. 4 S. 758: Haec sunt, quae . . conservari firmissime volumus in
saecula. Si quis episcopus ab Ulis accusatoribus, qui recipiendi sunt, fuerit
aceusatus, postquam ipse ab eis caritative conventus fuerit, ut ipsam causam
emendari debeat et eam corrigere noluerit, non olim sed tunc ad summos
primates causa eius canonice deferatur, qui in congruo loco infra ipsam
provinciam tempore in canonibus praefixo Nicenis concilium canonice con-
vocare debebunt, ita ut ab omnibus eiusdem provineiae episcopis in ea
audiatur. Die Anordnung nach dem 7. Kanon der 3. karth. Synode : Quis-
quis episcoporum accusatur ad primatem provineiae ipsius causam deferat
accusator.
— 52(3 —
gehört würden: hi(M- ist der Beklagte (liinli verschiedene Kautelen
geschützt.') A'on dem Appellationsrecht des Beklagten war in
Aachen nicht die Rede; der Compilator glaubt ausdrücklich daran
erinnern zu müssen.^)
Das Verhidtnis der Kapitel zu der Forderung der Bischöfe
ist klai-. Die letztere ging dem Verfasser, oder der ganzen Rich-
tung, in deren Gesinnung er schriol). nirlit weit genug: man erhob
schärfer geüisste Ansprüch(! und man war überzeugt, dass ihr
Recht mit den Zuständen der kirchlichen Vergangenheit begründet
werden könnte. Ich möchte nicht behaujjten, dass der Aachener
Bescliluss die Sammlung der Kapitel hervorgerufen hat, nicht ein-
mal dass der Fälscher direkt an ibn dachte; man erkennt an der
Vei*schiedenheit nur das allgemeine Verhältnis: was die Häupter
des fränkischen Episkopats Avollten, genügte den Extremen nicht:
sie waren, dank der Thätigkeit Karls d. Gr. hinreichend gelehrt,
um beweisen zu können, dass man mehr fordern könne, und dank
dem verwildernden Einfluss der Büi'gerkriege waren sie gewissenlos
genug, um durch Fälschungen nachzuhelfen, wenn die echten Be-
weise fehlten oder nicht ausreichten.
Die Stellung Roms in der Kirche wird in den Kapiteln nur
1) L. c: In qua et ipse canonice convocatus, si eum aut infirmitas
aut alia gravis necessitas non detinuerit, adesse debebit, quia ultra pro-
vinciae terrainos accusandi ante licentia non est, quam audientia rogetur.
Nam si suis fuerit rebus exspoliatus, aut . . a sede propria eiectus aut in
detentione aliqua a suis ovibus fuerit sequestratus, tune canonice antcquam
in pristino restituatur honore et sua omnia quae ab ineidiis inimicorum
suorum ei ablata fuerant redintegrentur, [noc] convocari nee iudicari poterit,
nisi ipse pro sua necessitate, niinimc tamon iudicandus, adveniro sponte
elegorit; nee omnino a quoquam respondere rogetur, antequam integerrime
omnia quae . . amiserat, potostati eins ab honorabili concilio redintegrentur
et praesul prius statui reddatur et ipse dispositis ordinatisque libere ac
secure suis tunc canonice convocatus ad tempns synodo in legitima ac
canonica veniat ad causam, et si ita iuste viiletur, accusantiuni j^ropositioni-
1)U8 respondeat, quia contentio semper vitjinda est etc. Die Quollen weist
Ilinschius im einzelnen nach. Charakteristisch ist die Verwertung der Sätze
der 3. römischen Synode unter Symmachus (Bruns II S. 291) im letzten
Satze. Dort heisst es: Sperans, ut . . omnia quae per suggestiones inimi-
corum suorum amiserat, potestati eius logaliter ab honorabili concilio re-
din tegrarentur seu reddentur, et tanti loci praesul regulariter prius statui
pristino redderetur, et tunc non ante veniret ad causam, et si ita recte
videretur, accusantiu propositionibus responderet. Die c. 4 zusammen-
gefasstcn Ansprüche werden c. 6, 9, 10, 12. 13, 17—19. 21, 24—26, 35, 50
wiederholt.
2) L. c. 5 und 7 S. 760; 20 S. 762; 29, 31, 33 S. 764.
o2i
einige Male berührt. Doch sieht man, dass der Sammler in Rom
eine Stütze für den Episkopat erblickte: daher seine Betonung des
römi sehen Prim ats. ^)
"Wendet man sich zu der angeblichen Mainzer Kapitularien-
sammlung,^) so bemerkt man sofort, dass der Plan dieses Werkes
ein weiterer ist. Besonders tritt die Rücksicht auf das Papsttum
stärker hervor: schon in der Vorrede ist von einer Bestätigung der
fränkischen Kapitularien durch den Papst die Rede.^) Im Verlaufe
wird besonders das oberste Appellationsrecht des Papstes behauptet.^)
1) L. c. 8 S. 760; 20 S. 762: 36 S. 764; 39 S. 765.
2) Ich zitiere nach M.G. Leg. II, 2 S. 39 ff. Man vgl. Hinschius, Decret.
Pseudo isid. p. CLXXXIII; Richter-Dove, KR. S. 85 ff. ; Friedberg, KR. S. 109;
Maassen, NA. XVIIl S 294 ff. Der Benedictus Levita ist ohne Zweifel
ebenso Pseudonym wie der Isidorus Mercator. Hinschius und Richter nehmen
das Selbstzeugnis des angeblichen Verfassers als glaubhaft an ; ebenso
V. Ranke, WG. VI, 1 S. 157. Aber es ist an sich unwahrscheinlich, dass
ein Fälscher sein Werk unter seinem eigenen Namen ausgehen lässt. Für
die Annahme täuschender Angaben spricht sodann die Analogie der Über-
schrift der Kapitel Angilrams. Sie ist um so gewichtiger, wenn beide
Werke aus einer Schmiede hervorgegangen sind. Dass die Kapitularien
nicht in Mainz, sondern in Westfrankreich abgeschlossen wurden, wird zu-
gegeben (Dove S. 87). Aber ist dann die Annahme nicht viel einfacher,
dass sie auch in Westfrankreich begonnen wurden? Die Namen Riculfs
und Otgars wurden zu dem gleichen Zweck verwandt, wie die Hadrians und
Angilrams vor den gefälschten Kapiteln: sie sollten Zutrauen erwecken.
Vgl. Dümmler, OFr. R. I S. 231 ; Maassen S. 294.
3) S. 40: Ut agnoscant omnes haec praedictorum principum (Karl-
manns und Pippins) capitula maxime apostolica auctoritate fore firmata.
4) II, 64: Ut iudicato in aliqua causa episcopo liceat iterare iudicium
et si necesse fuerit, libere episcopum adire Romanum. Die Bestimmung
ist tendentiöse Umarbeitung des 3. Kanons von Sardica: Si aliquis epi-
scoporum iudicatus fuerit in aliqua causa, et putat se bonam causam ha-
bere, ut iterum concilium renovetur; si vobis placet, s. Petri apostoli me-
moriam honoremus, ut scribatur ab his, qui causam examinarunt, lulio
Romano episcopo, et si iudicaverit, renovandum esse iudicium, renovetur et
det iudices. II, 401 wörtlich = Sardic. c. 4; III, 103 ist der 4. sardicenische
Kanon noch einmal wiederholt. III, 173: Placuit, ut quandocunque epi-
scopus accusatur, si comprovinciales aut vicinos suspectos habuerit, sanctae
et universalis Romanae ecclesiae appellet pontificem, ut ab eo quicquid
iustum et Deo placitum fuerit terminetur, ist Umarbeitung des 7. Kanons
von Sardica. III, 315 unecht: Placuit, ut si episcopus accusatus appella-
verit Romanum pontificem, id statuendum, quod ipse censuerit; wiederholt
add. IV, 27 als Synodalbeschluss unter Theodosius. 28—29 sind Ver-
arbeitungen des 3. und 4. sardic, Kanons; c. 29 ist eingeschoben: Quam-
— rvjs —
Gleifhwohl sind es auch hier iiiclit rein kurialistische Absichten,
denen der Verfasser dient.') Was er über das Papsttum sagt, ist
Hilishnie für seine sonstige Konstruktion. Er sekundiert dem vor-
gebbchen Angilrani in der Verwerfung des weltUchen Gerichts über
Geistliclie.-) fordert die kanonische AVahl der Bischöfe, und be-
liauptet (he absohite Unverh'tzlichkeit des Kirclienguts. Auch in
dieser zweiten Fälschung werden also nicht neue Ansprüche erhüben;
es werden alte schärfer gefasst. Schon auf der Aachener Versamm-
lung von 828 hatte Wala darüber geklagt, dass der Episkopat
nicht rite nach den kanonischen Bestimmungen erteilt werde, dass
besonders die Wahl unterbleibe. Jedoch verwarf er nicht jede
Mitwirkung des Kaisers.*^) Die Pariser Synode des nächsten
Jahres, der fränkische E])iskopat in seiner Vorstellung von 829,
die Aachener Synode von 836 und die Synode zu Juditz im Ok-
tober 844 kamen auf die Frage zurück; sie äusserten sich abei- in
der massvollsten AVeise, indem sie den Nachdruck auf die A\'ahl
quam comprovincialibus episcopis accueati causam pontificis scrutari liceat^
non tarnen definire inconsulto Remano pontifice permissum est. Abgesehen
von dem Appellationsrecbte Roms findet man hervorgehoben: die Verbind-
lichkeit römischer Dekretalen: II, 121 (unecht); II, 341 und III, 244 (aus
Conc. Rom. Hil. c. 1); vgl. 111,281 (unecht); die Abhängigkeit der Synoden
von Rom, II, 381 (unechtj; III, 349 (unecht); vgl. 478 (unecht); die päpst-
liche Lehrgewalt überhaupt: 1, 35 (unecht).
1) In der grossen Überzahl der Bestimmungen will die Kapitularien-
sammlung einfach an den durch Karl geschaffenen Zuständen festhalten.
Vgl. die Verordnungen über die Seelsorge I, 57, 169, II, 176, III, 132 w.
a.. die Predigt I, 95, 229 u. a., den Unterricht I, 181, II, 174; die Beicht-
zucht I, 56, 116 ff.; die Feier der Fest- und Sonntage II, 188 flF.; 205; die
Zehnten I, 45, 51, SS, 101, 154; sogar die Krhaltung des Standes der Ge-
meinfreien I, 181, 256, II, 282, III, 342.
2) 1. 36 (unecht): 187 (=-- Conc. Carth. II c. 6); II, 307 (- Conc.
Carth. II r. 10); 357—365 (vgl. Conc. Carth. II c. 6; III, 7; IV. 30;
Isid. sent. III, 39); 381 (vgl. S. 525 Anm. 3 ff.). 403 (Bist. trip. II, 2;
VIII, 12). III, 84—91 (vgl. Conc. Chalced. 21; Carth. II, 6; III, 7;
Tolet. VI, 11; Const. (a. 381) c. 6; Rom. III Syra.); 107—112 (zumeist
Wierlerholungen); 153 (vgl. Angil. 4 oben S. 525 Anm. 4 f.); 156 (vgl.
Conc. Carth. c. 7 ; 191 (vgl. Tolet. VI c. 11); 314 (vgl. Conc. Antioch.
c. 15); 320 f. (vgl. Conc. Hispal. II c. 6; Chalced. 9); 350 (vgl. Conc. Aurel.
V c. 17; Vas. I c. 8); 441 (unecht».
3) V. Wal. II, 4 S. 550: (Wala) detestatus est, quod episcopatus se-
rundum canonicam auctoritatero non rite darottir neque electio servaretur;
verb. c. 2 8.548: Habeat Christus res ecclesiarum, quasi alteram rerapubli-
eam . . suis commissam ministris fiflelibus; et hoc sit regis officium, ut
talibuK committatur, qui et fideliter dispensent et sapienter provideant.
— 529 —
m
tüchtiger Männer legten.^) Immerhin hört man bereits das Ver-
langen der Freiheit der Bischöfe.-) In der angebhchen Kapitularien-
sammUmg dagegen ist die Wahl durch den Metropoliten und die
Komprovinzialen gefordert, ohne dass das Recht des Kaisers irgend
gewahrt wird.^) Was das Kirchengut anlangt, so hatte Agobard
seinen Anspruch zurückgezogen;*) später hatte Wala ihn wieder
aufgenommen; aber er lebte noch zu sehr in dem Gedankenkreise
Karls, als dass er die relative Notwendigkeit hätte übersehen können,
dass der Staat einen Teil des überreichen Besitzes der Kirche für
seine Zwecke verwertete.^) Noch zaghafter war die Weise, ^\de die
Pariser Synode von 829 an die heikele Fi-age rührte.^) Bestimmter
erinnerte erst die Aachener Synode von 836 an die Unverletzlich-
keit des Kirchenguts.') In der angebhchen Mainzer Sammlung ist
dieser Grundsatz konsequent festgehalten. Nun erscheint das Kirchen-
gut als Eigentum Christi und Gottes, jede Verletzung desselben ist
also ein Sakrilegium,^) das mit geisthcher und weltlicher Strafe
1) Syn. Paris. III, 22 S. 601: Ut deinceps in bonis pastoribus rectori-
busque in ecclesiis Dei constituendis magnum studium atque sollertissimam
adhibeatis curam; ebenso Cap. 196, .57 S. 48 und Syn. Aq. III, 9 S. 690;
Syn. Par. III, 26 S. 603 = Cap. 196, 61 S. 50, Syn. Aq. III, 15 S. 693
tadelt die Handhabung der fürstlichen Kirchengewalt: Principalis potestas,
diversis occasionibus intervenientibus, secus quam auctoritas divina se habeat,
in causas ecclesiasticas prosilierit. Syn. ad ludit. 2 (M.G. Cap. 227, 2 11
S. 114): Ut sedes, quae . . sine episcopis viduatae manent . . submota fun-
ditus peste symoniacae haereseos, sine dilatione iuxta auctoritatem canoni-
cam aut episcopos a Deo datos et a vobis regulariter designatos et gratia
8. Spiritus consecratos accipiant etc.
2) Syn. Paris. III, 27 S. 604 = Cap. 196, 62 S. 51; Syn. Aq. III, 16
S. 693: De episcopali libertate, quam Deo annuente vestroque adminiculo
suffragante adipisci . . cupimus, suo in tempore vobis dicenda reservavimus.
3) III, 78 f. nach Conc. Laod. c. 12 f. Add. III, 2 = Anseg. I, 78.
4) Vgl. oben S. 493 f.
5) Verhandlungen zu Aachen 828 (v. Wal. II, 3 S. 549); vgl. oben
S. 497.
6) III, 15 S. 600: Ut . . quasdam sedes episcopales, quae rebus pro-
priis viduatae immo annuUatae esse videntur, dum tempus habetis et oppor-
tunitas se praebuerit, de earum sublevatione et consolatione cogitetis,
memores semper, quomodo progenitores vestri huiuscemodi piissimis studiis
intenti fuerint. Wiederholt in der Rel. ep. Cap. 196, 27 S. 38.
7) ni c. 8 S. 689 f.; vgl. das Sendschreiben der Synode an Pippin.
8) II, 89 (unecht); 407 (unecht); II, 370 S. 92 (hier ist Conc. Gangr.
0. 7 zitiert wie in dem Sendschreiben der Bischöfe an Pippin III, 26 S. 732;
im übrigen ist das Kapitulare gefälscht); 426 f. (unecht); 428 (= Turon.
n, 25, der Schluss unecht).
Hauck, KircheugeschicMe. II. 2. Aufl. 34
— 530 —
zu sühnen ist.') Audi die Voileihung als Prekarie ist nur unter
gewissen Kautelen zulässig.-)
AVenn die Bischüte im Jahre 829 die Wiederherstellung der
hisehöriiehen Freiheit als das von ihnen erstrebte Ziel bezeichneten,'^)
so heri-seht dieser .Gedanke in dem \\'erke des P'älschei's durch-
aus: die Kirche ist frei und der Staat ist glücklich, wenn der
Episkopat unabhängig, geehrt und einfiussreich dasteht.'') Der
Kaiser spricht in diesen Erlassen von seinem Gehorsam gegen
(he biscluiriichen Mahnungen, von den Bischöfen alier erwartet
er luu- Rücksicht auf die ihm von Gott verliehene Ehren-
stellung. ^)
In der angeblich römischen, wie in der angeblich ISIainzer
1) Exkommunikation: II, 134 (= Arvern. I, 14); 135, 136, III. 419
(= Aurel. V, 14 und 13); III, 265, 400 und 267 (= Arv. I, 5 und 14);
275 (= Aurel. 111, 22 f.). Verlust aller Khrenstellen: II, 428 (unechter
Schluss), überhaupt soll der Betrettende als Tempelschiinder, Mörder und
Dieb bestraft werden: III, 142 (unecht). Offenbar ist für den Fälscher die
Erneuerung der Strafen die Hauptsache. Indem er sie fordert, überschreitet
er die Linie, welche die Aachener Synode inne gehalten hatte.
2) III, 142 (unecht).
3) S. 529 Anm. 2.
4) I, 315 Wiederholung der Relation der Bischöfe (Petit. 1 f. S. 35
= Conc. Paris. III, 8 f. S. 597) mit gefälschter Einleitung; vgl. I. 319
(= Kel. ep. Rescr. consult. 3 S. 29); I, 322, hier ist der erste Satz aus der
bisch. Rel. de pers. sacerd. 16 S. 35 genommen und daran eine Aullorderung
zum Gehorsam gegen die Bischöfe gefügt: Nam episcopos et sacerdote-s,
quibus omnis terra caput inclinat, per quos et nostrum poUct imperium,
admodum honorari et venerari omnes monemus. Gleichen Inhaltes: I, 40
funecht); III, 390, unechtes Kapilular von Diedenhofen und 111, 462 (un-
echt); II, 99 unechte Straf bestimmung: Si quis episcopo aliquam iniuriam
aut iniustam dehonorationem fecerit, de vita componat et omnia, quao habere
Visus fuerit, ecclesiae, cui praeesse dinoscitur, integerrime socientur, et nobis
in triplo bannus noster, i. e. sexaginta solidi, persolvantur; II. 129. Im
einzelnen wird das Rocht der Bischöfe auf das Gericht über den Kl.'rus
(II, 111 - Cod Theod. XVI, 2) und auf das Schied.sgericht überhaupt (II,
366 angebliche Reception von Cod. Theod. XVl, 11) und ihre Befreiung von
der Heeresfolgc (II, 370 angebliche Petition der Franken dieses Inhalts, III,
142, unecht, vgl. den Antrag der Synode von Verneuil i. J. 844 Cap. 291,
8 S. 385) behauptet.
5) I, 375: Volumus vos scirc voluntatem noatrara , cpiod nos parati
flumus vos adiuvare ubicunquo necesse est, ut ministerium vestrum adim-
plere valeatis. Simulque vos admonemus, ut propter humilitatem nostram
et obedientiam, quam monitis vestris propter Dei timorom exhibemus, ho-
norem nobis a Deo concessum conservetis. Das Kapitel ist unecht; es er-
innert an Karol. II convnnt in villa Colonia. Cap. 254, 2 S. 255.
— 531 —
Rechtssammlimg wm'cle die Fälschung mit einer gewissen Vorsicht
betrieben: Echtes, Unechtes und Venmechtetes ist in kleinen Stücken
durcheinander gemischt; da die einzelnen Sätze fast durchweg ohne
Angabe des Ursprungs gegeben sind, so war die Erkenntnis des
Unechten sehr schwierig.') Unter der Arbeit scheint den Fälschern
der Mut gewachsen zu sein; denn in den pseudoisidorischen De-
kretalen-) bieten sie eine Serie falscher Briefe dar, welche kühn
die Namen ihrer angeblichen Verfasser an der Stu-ne tragen. Nur
dadurch, dass echte Synodalakten hinzugefügt sind und eine Mischung
echter und unechter Stücke den Schluss bildet, ist man an die
frühere Weise erinnert, falsche Ware durch echte zu decken. Um
so klarer tritt der Zweck der ganzen Erdichtung hervor. Er ist
kein anderer als der der beiden vorhergehenden Fälschungen. Was
dort aus Synodalbeschlüssen und kaiserhchen Verfügungen nach-
gewiesen werden sollte, das sollte hier durch päpsthche Entschei-
duDgen belegt werden: die Freiheit des Episkopats. Ihm gebührt
eine geradezu unantastbare Stellung der weltlichen Gewalt gegen-
über; deshalb ist der Bischof von jedem anderen Gericht als dem
geistlichen eximiert:^) schon der Versuch eines welthchen Fürsten,
1) Die Planlosigkeit Benedikts ist, wie mich dünkt, wohl überlegt:
sie sollte das Auffinden des Unechten erschweren. Dass der angebliche
Verfasser in der Vorrede hierauf aufmerksam macht und sogar erinnert,
dass der Text seiner Kapitel von den bisher bekannten Texten abweicht,
dient nur der Miene von Zuverlässigkeit, welche er sich zu geben versteht,
ebenso wenn er die Zuverlässigkeit Ansegis' bezweifelt, die eigene aber
hervorhebt: jener wollte vielleicht nicht alle Kapitel aufnehmen; er aber
habe alles gebracht, was er fand und so wie er es fand.
2) Wasserschieben, Beitr. z. Gesch. der falschen Dekr. 1844; "Weiz-
säcker, Hinkmar und Ps.-Isidor (Zeitschr. f. bist. Theol. 18.58 S. 327 ff.);
Ders. die ps.-isid. Frage (Hist. Ztschr. III S. 42 ff.); Wasserschieben,
P.RE. ■-, XII S. 367 ff.; Maassen, Wiener SB. 72, 108 und 109; Hinschius,
Decr. Ps.-Isid. p. LXXVII sqq.; Richter-Dove, KR. S. 90 ff.; Friedberg, KR.
S. 108 f.; Langen, Hist. Ztschr. N. F. 12, 1882 S. 473: v. Simson, d. Ent-
stehung der ps.-isid. Fälsch, in Le Maus 1886. Ders. Hist. Ztschr. N. F. 32,
1892 S. 193; Havet, Quest. Merov. VII S. 331 ff.
3) Praef. c. 4 — 7 S. 18 f. Anacl. 1, 1.5: Leges ecclesie apostolica fir-
mamus auctoriate etperegrina iuditia submovemus. Alex. 1,4: Relatum est
ad huius sanctae et apostolicae sedis apicem, cui summarum dispositiones
causarum et omnium negotia ecclesiarum ab ipso domino tradita sunt quasi
ad Caput . ., quod quidam emuli Christi eiusque sanctae ecclesiae insidiatores,
sacerdotes dei ad iudices puplicos accusare praesumant, cum magis apo-
stolus christianorum causas ad ecclesias deferri et ibidem terminari prae-
cipiat. Taliter praevaricantes praevaricaverunt in dominum suum et non
obediunt praeceptis eins etc. Vig. 1, 4. Pius 1,4: Episcopi a Deo sunt
34*
— 582 —
auf das TTrteil über einen Bischof einzuwirken, niaclit dasselbe
nichtig.^) Aber auch die Kompetenz des geistlichen Gerichts ist
mit Schranken umgeben: Avährend das fränkische Reich Metropo-
litansynoden kaum kannte, Synode und Reichstag fast regelmässig
verbunden waren, fordert Pseudo-Isidor Freiheit der Synoden, ja
ihre Berufung durch den Papst.-) Denn der Papst gilt ihm als
der geborene Verteidiger der Bischöfe.'') Die sicherste Schutzwehr
ihrer Freiheit besteht darin, dass sie in jeder Lage an sein Urteil
appellieren,'*) durch ihn an Stelle d(>s ordentlichen Gerichtes ein
Ausnahmegericht erlangen '') und nur durch seine Entscheidung
ihre Stelleu verheren können.") Die Konsequenz der Gedanken
trieb nun aber weiter: die Stütze, welche der Papst den Bischöfen
bot, war nur dann stark genug, wenn seine eigene Stellung unan-
greifbar war. Jener schon in Karls Zeiten behauptete Satz, dass
der Papst als der oberste Richter iiberhauj)t nicht gerichtet werden
könne,') wurde nicht wiederholt; aber er ist die Voraussetzung für
iudicandi, qui eos sibi oculos elegit. Vict. 1, 6. Gai. 3. Prüfung der An-
kläger: Anacl. 3,35; Sixt, I. 1, 13; Telesph. 1, 4. Keine Anklage durch
Laien: Euarist. 2, 9; Plus 1, 4; Calixt. 1, 3; Fabian. 2, 19, oder durch
niedere Kleriker Fab. 2, 21.
1) Calixt. 1, 6.
2) Praef. 8: Synodorum congregan darum auctoritas apostolice sedi
privata comniissa est potestate, ncc ullam synodum ratam esse legimus,
quae eius non fuerit auctoritate congregata vel fulta. Marceil. 1, 2; 2, 10.
Jul. 1, 6.
3) Sixt. I. 2, 5: Ab hac sancta sedo a sanctia apostolis tueri, dofendi
et liberari episcopi iussi sunt. Zephir. 1, 6; Marcell. 1, 2. .ful. 2, 15.
4) Anacl. 1, 17: Si difficiliores orte fuorint questionos aut episco-
porum vel raaiorum iudicia aut maiores cause fuerint, ad scdem apoetolicara
si appellatum fuorit, referantur, quoniam hoc apostoli statuerunt iusaione
salvatoris, ut maiorea et difficiles questiones semper ad sedem differantur
apofitolicam. 3, '34; Sixt. 1. 2, 5; Vict. 1, 5; Fab. 3, 27. Marcell. 1, 2.
Melch. 1, 4.
5) Anacl. 1, 15: Unaquacque provintia . . suoh debet . . habere iu-
dices et non externos, nisi apostolicae sedis huius decreverit auctoritas.
Cornel. 2, 5.
6) Klcuth. 1,2; Zephir. 1, 6: luditia episcoporum . . a sede apostolica
. . sunt terminanda. Jul. 1, 6; Dudiini a sanctia apostolis . . decretum
fuerat . . non oportere praetor sententiam Romani pontificis . . opiscopum
darapnari. 2, 12, 16'
7) Jener Anspruch ist, soviel ich sehe, bei Ps.-laidor nirgends direkt
ausgesprochen. Dagegen wird (Sixt. II. 2, 8) der Grundsatz: Maior non
potest a minore iudicari, auf den Papst angewandt. Auch der oft wieder-
holte Satz: Episcopi a Deo sunt iudicandi (Pius 1. 1, 4), schliesst jedes Ge-
— 533 —
alles, was über die Stellung des Papstes gesagt wird. Der Papst
ist nicht mehr ünterthan des Königs, er ist nicht nur das Haupt
der Kirche, sondern das Haupt der ganzen Welt.^)
Wenn man lediglich auf diese Absicht der Fälschung blickt,
so könnte man geneigt sein, in ihr einfach einen Beweis des
schrankenlosen Übermuts der Hierarchie zu erbhcken. Aber das
wäre schwerlich zutreffend. Die Menge von Vorschriften, die sich
auf das innere Leben der Kirche beziehen, sind sicher nicht nur zu
dem Zwecke beigefügt, um den Betrug zu verhüllen. Sie zeigen viel-
mehr, dass die Fälscher durchdrungen waren von Schmerz über
den Verfall der kirchlichen Zustände, der seit dem Tode Karls be-
gonnen hatte. Die Befreiung des Episkopats sollte schliesslich doch
nicht persönlichen Interessen, sondern der Hebung der Kirche
dienen; nicht die Herrschsucht, sondern die Not hat einen oder
etliche der gelehrten Theologen des neunten Jahrhunderts zu Be-
trügern gemacht. Entschuldbar sind sie deshalb nicht; aber es ist
doch begreiflich, wie der Gedanke entstehen konnte durch Fiktionen
Bestrebungen zu unterstützen, von deren Berechtigung und Not-
wendigkeit man fest überzeugt war.
Dass die Entstehung einer streng kirchlichen Partei diesseits
der Alpen mit der Wiederaufnahme einer folgerichtigen päpst-
hchen Politik in Rom zusammentraf, darauf beruhte die Stärke
dieser Strömung. Schritt für Schritt hatten die römischen An-
sprüche Boden gewonnen ; es bedurfte nur noch, dass ein Mann
auftrat, der sie der Welt gewissermassen im Zusammenhang und mit
einem Schwünge vortrug, der hinriss: sie war bereit, an sie zu glauben.
Der Mann, der dies that, war Nikolaus I.
Ein geborener Römer, war er von Leo IV. in den römischen
Klerus aufgenommen worden. Unter Benedikt IH. hatte er den
grössten Einfluss an der Km-ie erlangt: es geschah nichts ohne
semen Rat ; der Papst baute auf ihn mehr, als auf seine eigenen
Verwandten.-) Wenige Tage nach Benedikts Tode wurde er in
Gegenwart des Kaisers Ludwig gewählt. Man wollte wissen, dass
rieht über den Papst thatsächlich aus; vgl. Sixt. II. 2, 7: Nullus potest
humano condemnari examine quem Deus suo iuditio reservavit. Melch. 2, 11.
1) Felic. n. 2, 13: Ad eum (Papst Julius), quasi ad totius orbis capud,
ut semper huic sanctae sedi licitum fuit, confugistis. Die Anwendung dieses
Satzes liegt in Stellen, wie Sixt. IL 2, 7: Fratres, quos timore terreno
iniuste dampnastis, scitote a nobis iuste esse restitutos. Quibus . . omnia,
que eis ablata sunt, integerrime reddi praecipimus, si non vultis et vos et
principes vestri a collegio nostro et membris aecclesiae separari.
2) V. Nicol. c. 4 S. 151.
— Ö84 —
er seine Erlu-huu!.' uivhv dw Gunst des Fürsten als der Zuneifjung
des Klerus verdankte.') AVenn aueh, so dachte er doch nicht
daran, ein vom Kaiser al)hängiger Papst zu sein. Er war einer
der wenigen Männer, von denen man sagen kann, dass sie sich mit
einer Idee identifizieren. Vom ersten Tage seiner Herrscliaft an
uai' . r klar darüber, was er wollte. Die Anschauungen, für welche
er känipl'te, haben sich während der Jahre seiner Thätigkeit nicht
erst geV)ildet, sie sind wie aus einem Guss:"^) Erfolge haben seine
Ansprüche nicht gesteigert. Schwierigkeiten haben sie nicht herab-
gestimmt ; mit bewunderungswürdiger Konsecpienz hat er an ihnen
festgehalten, mit rücksichtsloser Energie sie vertreten, oft mehr ge-
hindert durch die Unzuverlässigkeit seiner Diener als durch den
AV'iderstand seiner Gegner. Aber nie kam ihm ein Zweifel an
ihrem Recht und an ihrem schliesshchen Sieg. Keine Gelegen-
heit liess er vorübergehen, um sie zu verkündigen, und nie hat er
sie verleugnet oder verhüllt; es war kein hohles Wort, wenn er
einmal versicherte, lieber wollte er sterben als die Vernichtung
eines römischen Rechtes zulassen. =') Rücksichten kannte er nicht,
und die Menschen galten ihm wenig; um so bereitwilliger hat
sich jedermann vor ihm gebeugt. Aber auch, wer seine Ab-
sichten nicht billigt und wer nicht leugnet, dass auch ihn der Partei-
standi)unkt blendete, muss anerkennen, dass er in allem, was er
that, nie klein gewesen ist. AVas einer der grössten seiner Nachfolger
von sich sagte: .,Dilexi iustitiam, odi iniquitatem", das könnte man
vielleicht mit mehr Recht von Nikolaus I. wiederholen.
AVir versuchen, uns seine Anschauungen zu vergegenwärtigen.')
Als den Eckstein im Bau der christlichen Welt betrachtete
er das Papsttum. Es ist unvergänglich und unerschütterlich: auf
seinem Bestände beruht die gesamte religiöse, politische und soziale
Ordmmg der AVeit. •'^) Alle seine Rechte sind göttlich, daher un-
verlierbar. Sie waicn. ruft er dem gnechischen Kaiser zu, früher
als eure Herrschaft; sie bheben bisher unerschüttert und sie werden
auch bleiben, wenn ihr nicht mehr seid. AVo immer der christliche
1) Ann. Bert. z. J. 858; das Papstbuch (c. 5 S. 152) Bpricht von ein-
stimmiger Wahl. Ich möchte darauf nicht so viel Gewicht legen, wie von
Dümraler, OFr. R. II S. 53 geschieht.
2) Es ißt eine feine Rpmi'rkunp v. Hankos (WH. IV, 1 S. 172), dass
es Nikolaus in seinen Briefen weniger auf das Materielle der Streitigkeiten,
als auf die Kundgebungen selbst ankomme.
3) Ep. 30 Mansi XV S. 298; 32 S. 305.
4) J. Roy in den Ktudes d'histoire du MA dediöes a G. Monod
Fans 1896.
5) Ep. 30 ? '^OS.
— . 585 —
Name verküudigt wird, werden sie imverstümmelt bestehen. Man
kann gegen sie stossen, aber dadurch werden sie nicht bewegt ;
man kann an ihnen zerren, aber dadurch Averden sie nicht aus-
gerissen.^) Denn sie benihen nicht auf der Menschen Gunst: keine
Synode hat sie den Päpsten verheben, -) vollends Thorheit ist es,
zu wähnen, dass ein weltHcher Fürst sie vermehren oder vermindern
könnte.'^)
Die Rechte, welche das Papsttum besitzt, sind nicht sowohl
eine Ehre als eine Pflicht. Sie legen die Sorge für alle Kirchen
Gottes auf die Schultern des Papstes."*) Damit er dieser Pflicht
genügen könne, hat ihn Gott zum unumschränkten Herrscher in
der Gesamtkirche gemacht. Nikolaus dachte die Stellung des
Papstes anders, als die Karls d. Gr. in seinem Reiche war. Der
König war durch die Rechte des Volkes gebunden; der Papst da-
gegen war das lebendige Gesetz. Die heiligen Regeln, verkündigte
Nikolaus, sclireiben vor, dass das zu beobachten ist, was durch un-
seren Beschluss, mag er lauten -wie immer, bestimmt wird.''') Römischen
Verfügungen gegenüber sollte die Berufung auf abweichende Ge-
wohnheiten kein Recht haben. Sie können nur aus menschlicher
"Willküi" oder Nachlässigkeit hervorgegangen sein,^) dagegen was
der Papst sagt, ist Gottes "Wort, was er handelt, ist Gottes That. ^)
Deshalb gebührt die letzte Entscheidung in allen Fragen, welche
überhaupt auftauchen können, dem päpstlichen Stuhl; Lehren, die
Rom verwii-ft, sind schon deshalb Häresien, da sie der Zustimmung
des Papstes entbehren.'^) Die Revision eines römischen Urteils ist
1) Ep. 8 S. 204, an Kaiser Michael; vgl. 42 S. 699.
2) Ep. 8 S. 205: A synodis non donata sed iam solummodo celebrata
et venerata.
3) Ep. 36 S. 309 an die Königin Hermintrud: Quod scripsistis, quia
si exaudiamus filium nostrum, non detrimentum sed augmentum ecclesiae
nostrae privilegiis generetur: nos certissime credimus, quia privilegia s. Ro-
manae ecclesiae nulluni possunt sustinere detrimentum.
4) Ep. 8 S. 205; 1 S. 159 f.; 6 S. 174; 10 S. 241 u. ö.
5) Ep. 28 S. 294 an Hinkmar: Secundum indultam nobis a sanctis
regulis potestatem, quae praecipiunt, id observandum, quod nostro quali-
cumque consüio visum extiterit; 32 S. 303.
6) Ep. 6 S. 175. App. II ep. 2 S. 4-50.
7) Ep. 29 S. 296; 30 S. 298; 39 S. 687; 42 S. 699. Nikolaus spricht
sogar von einer geistlichen Allgegenwart des apostolischen Stuhles (ep. 66
S. 352 vgl. 18 S. 278).
8) Ep. 7 S. 185; 2 S. 162. Nikolaus hatte, wie bekannt, den Gedanken
einer regelmässigen päpstlichen Büchercensur: Relatum est, schreibt er an
Karl d. K., apostolatui nostro, quod opus . . Dionysü . . de divinis nomi-
nibus . . quidam vir loannes, genere Scottus, nuper in latinum transtulerit.
— 536 —
unmöglich, da es keine höhere Autorität als die päpsthche giebt:
wie könnte es jemand zustehen, über den höchsten Richter zu ur-
teilen?^) Auf den Synoden ist stets das angenommen worden, was
der Papst gebilligt hatte; sie sind nur Werkzeuge, welche der Aus-
lulu-uiig päpstlicher Beschlüsse dienen.-) Nikolaus verteilt gleichsam
die Kolleu: the Bischöfe berichten über die Bedürfnisse der Kirchen;
der Papst, von Gott insi)iriert, bestimmt, was zu bestimmen ist;
jene erkennen seinen Beschluss an : auf diese AVeisc werden die
päpstlichen Dekrete am besten bekannt gemacht."') Denn die Bi-
schöfe haben kein selbstständiges Hecht neben dem Papste, sie sind
von ihm eingesetzt; als seine Beauftragten erhalten sie Anweisungen
von ihm, und haben sie ihm Bericht zu erstatten.*) Ihre Tüch-
tigkeit bemisst sich nach ihrer Devotion dem römischen Stuhle
gegenüber."')
Ging der Papst von dieser Ansicht über seine Stellung in
der Kirche aus, so musste die logische Kouseipienz der Gedanken
ihn nötigen, die Stellung zu bekäm})fen, welche die fränkischen
Fürsten in der Kirche eiunahmem. Es war ungefähr dreihundert
Jahre her, dass ein hötischer Dichter einen Frankenkönig mit
Melchisedek verghchen hatte, dem König und Priester.") In den
Zeiten Karls hatten gerade die kirchlichen ]\Iänner den höchsten
Ruhmestitel des fränkischen Königtums darin gesehen, dass geist-
liche und welthche Macht in ihm vereinigt seien.') Wenn Nikolaus
den gleichen Gedanken berührte, so that er es nur, um ihn in der
schroffsten AVeise zu verwerfen: zu einem typischen Zweck sei in
der Zeit des Alten Bundes Königtum und Priestertum in der Hand
^lelchisedeks verbunden gewesen. Das habe der Teufel bei seinen
Gliedern nachgeahmt; denn die heidnischen Kaiser hätten zugleich
die A\'ürde eines Pontifex nuiximus geführt. Im Neuen Bunde da-
Quod iuxta morem nobis mitti et nostro debuit iudicio approbari . . Itaque
. . vestra industria . . nobis praefatum opus sine ulla cunctatione mittet,
quatenus dura a nostri apostolatus iudicio fuerit approbatum, ab Om-
nibus incunctanter nostra auctoritate accopiius habeatur.
1) Ep. 8 S. 210; vgl. 8. 201 die sophistische Deutung des 17. Kanons
von Chalcedon; eine andere Verwertung desselben ep. 40 S. 688.
2) Ep. 6 S. 176; 8 S. 203; App. 1 ep. 5 S. 374 u. ö.
3) Ep. 18 S. 278; 27 S. 291; 42 S. 696. Es war nur konsequent, dass
Nikolaus die Vorlage der Synodalakten verlangte (ep. 23 8. 283).
4) Ep. 49 S. 317; 54 S. 326; App. I ep. 5 S. 375. Charakteristisch
ist besonders die Äusserung: Per Petrura apostolatus et episcopatus in
Christo cepit exordium (ep. 40 S. 688).
5) ilp. 28 S. 294; 32 S. 304 u. ö.
6) S. Bd. I S, 149.
7) S. oben S. 114—119 u. 521.
— 537 —
gegen habe diese Verbindung vollständig aufgehört. Weder masse
sich der Kaiser priesterliche Rechte an, noch trage der Papst den
kaiserlichen Namen. Xach Chiisti Ordnung bedürften die christlichen
Kaiser der Priester für das ewige Leben und richteten die Priester
sich nach den kaiserlichen Gesetzen, jedoch nur in Bezug auf che
irdischen Dinge. ■*)
Nikolaus forderte Scheidung der beiden Gewalten, damit
das Papsttum in der Kirche allein herrsche. Demnach verwarf
er jeden Eingriff der Fürsten in die kirchhche Sphäre. Den
Gedanken, dass ein weltliches Gericht über Priester und Bischöfe
richten könne, wies er mit Abscheu zurück: kein kirchliches
Recht könne bestehen, wenn dergleichen geschähe;-) nicht
einmal ein EinÜuss der staatlichen Gewalt auf das bischöfliche
Urteil sei zulässig. •'^) So auch in anderer Hinsicht. Nichts war in
der Kirche seit einem halben Jahrtausend so fest hergebracht als
die Teilnahme der Fürsten an synodalen Beratungen. Nikolaus
verwarf sie. Saget doch, schrieb er an den griechischen Kaiser,
wo habt ihr gelesen, dass die Kaiser, eure Vorfahren, je bei den
SjTioden anwesend gewesen wären.'*) Wie viele Landessynoden
hatten die fränkischen Könige seit der ersten Spiode von Orle'ans
berufen! Nikolaus erklärte, dass es keinem Menschen zustehe,
ohne päpsthchen Auftrag eine solche zu versammeln.'*)
Indem Nikolaus die absolute Unabhängigkeit des Papstes in
der Leitung der Kirche forderte, stiess er an das an, was im frän-
kischen Reiche herkömmlich und rechtens war. Das machte ihn
nicht iiTe: kühn und folgerichtig stellte er den Gmndsatz auf, dass
staatliche Gesetze ungiltig seien, wenn sie den kirchhchen Rechten
widersprechen.*^) Die Behauptung der kh-chhchen Freiheit des
1) Ep. 8 S. 214.
2) Ep. 9 S. 224; 10 S. 243; 7 S. 185; 8 S. 214.
3) Ep. 9 S. 227.
4) Ep. 8 S. 200; er nimmt allerdings einen Fall aus, wohl in Er-
innerung an die nicänische Synode: Nisi forsitan in quibus de fide trac-
tatum est, quae universalis est, quae omnium communis est, quae non solum
ad clericos, verum etiam ad laicos et ad omnes omnino pertinet christianos.
Dass er nicht im Ernst an ein Recht der Laien, bei Bestimmung des Dog-
mas mitzuwirken dachte, ergiebt sich aus den zahlreichen Äusserungen über
die päpstliche Lehrgewalt (ep. 6 S. 174; 8 S. 157; 42 S. 698 u. ö.).
5) Serm. Nicol. S. 686.
6) Ep. 32 S. 302. Analog ist die Behauptung, dass, wer immer an
ein geistliches Gericht appelliert hat, von dem weltlichen Richter nicht
weiter verfolgt werden kann (ep. 50 8. 319); vgl. den J.W. 2834 erwähnten
Vorgang.
— 588 —
i'apstes bchlug solbit um in die Behauiitung tk'i' Überonlming der
«^'oistlicheii Gewalt üher die weltliche. Der uiiahliängige Papst
konnte kein Untertlian des Kaisers sein, er musste suchen, der
HeiT des Kaisers zu werden.
Nikolaus hat sieh darüber nicht getäuscht. Als Kaiser Michael
ihm einmal gebot, gewisse Leute nach Konstantinopel zu senden,
lehnte er die Fordening ab, noch entschiedener erhob er sich
gegen ihre Form. Er zitiei'te ein ])aar .Brietstellen älterer Kaiser
und steHte sie dem Öchreil)en ^Michaels gegenüber: Honorius, Valen-
tinian. Justinian, Konstantin und L'ene hätten alle fromm und
demütig geschrieben: Wir fordern auf, wir laden ein, wii- bitten.
Ihr aber, so ruft er dem Kaiser zu, als wäret ihr niclit Erbe ihrer
Demut und Ehrfurcht, sondern nur Erbe ihres Kaiserreichs, schreibt:
Wir vei-fügen, wir befehlen, wir gebieten.^) Das Wort, das Niko-
laus nicht duldete, wenn ein Kaiser zu ihm spracli. gebrauchte er
mit Vorliebe, wenn er zu den Fürsten redete: Wir wollen und
gel)ieten bestimmt, wir vei-wehren und untersagen gänzlich, wir
mahnen und befehlen, wir tragen euch auf: das sind die AVcn-
dungen, welche er in den Briefen an die fränkischen Könige ge-
brauchte.'-) Vermied er das AVort gebieten dem griechischen
Kaiser gegenüber, so war das nur eine Höflichkeit; denn befohlen
hat er auch ihm, nicht nur thatsächhch, sondern ausdrücklich:
Wir wollen, vriv schreiben vor, wir eröÜnen, solche AVorte musst<>
auch der Nachfolger Konstantins d. Gr. sich von l\om sagen
lassen.-') Es war mehr als eine Frage hohler Etikette, wenn
Nikolaus nicht duldete, dass die Fürsten in ihren Schreiben nach
Hom ihren Namen dem des Papstes voransetzten, während er sell)st
regelmässig seinen Namen an die Spitze seiner Erlasse stellte.')
Die äussere Form sollte die St<'llung andeuten, Avelche er den
Fih-sten zuwies. Er Hess es niclit an T^elehrungen über das Ver-
halten fehlen, das ei- von den Fürsten forderte. F)en griechischen
Kaiser ermahnte er, seinen A\u-fahren nachzueifern, welche die
heilige römische Kirche in Uebevoller Devotion verehrten;'') König
1) Ep. 8 S. 290 f.
2) Kp. 17 S. 278; 18 S. 279; 27 S. 292 f.; 34 S. 307; 55 S. 328; 69
S. 354; App. I, 16^S. 387. Hobt er einmal hervor, dass or nicht pohiete,
sondern bitte (ep. 30 S. 297), so liopt darin, dass er aurh in diesem Fall
das Recht habe zu befehlen. Karl d. K. erklärte unbedenklich: Sacris
iuaaionibus vestris obedire desideramus (Mansi XV S. 707).
3),Ep.'2 S. 167; 8 S. 211 u. 212.
4) App. op. 3 S. 473. Nikolaus stellte seinen Namen auch dem des
Kaiaers voran.
.5) Ep. ."> S. 173; 8 S. 188.
— 539 —
Karl dem Kahlen aber erklärte er, taiisende von Edelsteinen und
Kleinodien gälten ihm nicht so viel als Gehorsam.^) In einem
Briefe nach Konstantinopel zeiclniet er einmal das Ideal eines
Kaisers, so wie er es sich dachte: er ist erfüUt von Liebe zu der
römischen Kirche und von Eifer für sie; er ehrt sie durch allerlei
Privilegien, bereichert sie durch seine Geschenke, stattet sie aus
dm'ch Benefizien; in seinen Briefen ehrt er sie, er stimmt ihren
Wünschen zu ujid führt ihre Anordnungen aus; er bittet um ihr
Geljet, und gebietet, dass man ihrem Glauben folge: diu-ch seine
Gesetze fördert er den Anschluss der Gemeinden au sie, aber er
denkt nicht daran zu befehlen, dass Synoden versammelt und Sen-
tenzen erlassen werden, vielmehr bittet er darum und mahnt dazu:
er stimmt dem zu, was sie beschhesseu und verwu-ft, w^as sie ver-
dammen.-)
Die Füi'sten erscheinen fast wie die Diener des Papstes: ihr
Beruf ist, die römische Kirche zu erhöhen,'^) auch in rein poli-
tischen Dingen haben sie die päpstlichen Befehle zu erfüllen, oder
che Strafe des Papstes zu gewärtigen;'^) sie stehen unter dem
Schutze des Papstes,'^) aber sie sind ihm gegenüber rechtlos. Lud-
wig d. D. und Karl d. K. erlaubten sich einmal einen römischen
Auftrag als nicht notwendig zu bezeichnen; wie fuhr Nikolaus da-
gegen auf! er schalt sie vde Schulknaben: er sage das, was gött-
Heh geoffenbart sei; wenn sie nur wollten, könnten sie wohl wissen,
wie die Dinge sich verhielten.*^) Als Karl sich über den Ton,
den Nikolaus in seinen Briefen anschlug, beschwerte, erhielt er zur
Ij Ep. 40 S. 690; vgl. 17 S. 278; 30 S. 297.
2) Ep. 8 S. 213. An das Komische streifte die Zeichnung, welche
Nikolaus von Karl d. K. entwirft: Cum vos tantae humilitatis tantaeque
devotionis incurvatione sub potenti manu Dei ad reverentiam praecipuorum
ipsius apostolorum flecti conspicinius, impletum videmus, quod s. Job de
domino loquitur dicens: Sub quo curvantur qui portant orbem. Nisi enim
vos . . tamquam cuiusdam ingentis fabricae bases, vestro sudore mundum
quodammodo portassetis, nequaquam Graeco sermone [iaatÄEwv vocabula
sortiremini. Rursusque nisi tanta coram summo Deo vos humiliatione in-
curvassetis, nequaquam nobis . . obedientiae coUa tanta facilitate sub-
mitteretis.
3) Ep. 25 S. 288.
4) Ep. 26 S. 290: Karl und Ludwig d. D. sollen den Frieden mit
Kaiser Ludwig nicht brechen : Alioquin . . noverit sibi et üeum omnipo-
tentem . . refragaturum et apostolatum nostrum iuxta competens sibi mini-
sterium procul dubio reluctaturum.
5) Ep. 25 f. S. 287.
6) Ep. 27 S. 291.
— 540 —
Autwort: auch wcuu der i);ii).stliclic Tadel keincu (iiuud liätte,
iinisse er ihu über sich ergehen hissen wie Hiob die götthcheu
Züchtigungen; er habe dann einen verborgenen heilsamen Zweck. ^)
Nikolaus zog die letzte Konsequenz seiner Ansichten, indem
er die fürstliche • Würde als vom Pa])st übertragen, ihren Besitz
als von der Anerkennung der Kirche abhängig erklärte. Im Jahr
850 hatte Leo TV. auf Befehl Lothars Ludwig zum Kaiser ge-
salbt.-) A^''enn Nikolaus von dem Vorgänge sjirach, so erklärte er,
durch den Dienst des Papstes habe er unter Segnung und 01-
salbuug das Keich erlangt; der A'ikar des Aposteltürstcn habe
ihn mit dem Schwert ausgerüstet, das er gegen die Ungläubigen
zu führen habe.**) Er sah in der pä{)stlichen Handlung die Über-
tragung des Reichs, nicht mehr die Benediktion des Kaisers. So
beurteilte er auch die Erhebung Pippins zum König und die Krö-
nung Karls zum Kaiser. Dank den päpstlichen Privilegien, schrieb
er an Karl d. K., hätten seine Vortahren jede Vermehrung ihrer
Würde, ihre ganze Herrlichkeit erhalten.'') Nicht einmal das Erb-
recht erschien als genügende Basis für die Sicherheit des Besitzes:
das Königreich, das als Erbe seines Vaters an Kaiser Ludwig
gekommen war, sei ihm durch die Autorität des apostolischen
Stuhles bestätigt, ^^) erklärte Nikolaus. Es war nur die andere Seite
der Sache, dass er das Jlecht auf die Krone von der AVeise der
Regierung abhängig machte. Als Bischof Adventius von Metz sein
Verhalten auf der Metzer Synode damit entschuldigte, dass er
Unterthan seines Königs sei, erwiderte der Papst: ein Fürst, welcher
schlecht regiere, sei ein Tyrann und nicht ein König. Die Wr-
treter der Kirche seien verptiichtet, sich gegen einen solchen zu
erheben und ihm zu widerstehen, nicht aber sich ihm zu unter-
werfen. Sonst begünstigten sie seine Verbrechen.")
Nikolaus hat sich cinnial den Fürsten der ganzen Erde ge-
nannt.") Er hat sofort den auffidligen Ausdruck gemildert, indem
1) Ep. 30 S. 299
2) Ann. Bort. z. d. J. S. 38; vgl. auch ol.on S. 513.
3) Ep. 26 S. 290.
4) Ep. 30 S 298.
5) Ep. 26 S. 290.
6) App. cp. 4 S. 373; vgl. 10 S. 379. Man sieht, dass Srlralek-s An-
sicht (Hinkmars kanonist. (Gutachten S. 177 IT.), die Kirche führe nach
Nikolaus nur das geistliche Schwert, nicht zutrett'end ist.
7) Ep. 8 S. 205: Pro quibus patribus (Petrus und Paulus) nos divi-
nitus , incremento gratiae ininistrato , nati sumus filii et constituti . .
principe« super omncni terram, id est, super universain ecdesiam. Dass
terra mit P^rde, nicht mit Land zu übersetzen ist, beweist das Folgende.
— 541 —
er ihn erklärte als Herr der ganzen Kirche. Aber seinen An-
schauungen entspricht jenes schroffere AVort: er fühlte sich nicht
mehr als Unterthan, sondern als Herrscher der Fürsten. Seine
Gedanken gingen weiter als die Pseudo-Isidors; die fränkischen
Fälscher dachten die Unabhängigkeit der Kirche verwirklicht, wenn
ihre Leiter vor willkinlicher Bedrängnis gesichert waren; Nikolaus
fand volle Unabhängigkeit nur in der Herrschaft: er, noch mehr
als Pseudo-Isidor, wies die Wege Gregors YH.
Wer einen grossen Anspruch klar fixiert, hat einen mächtigen
Schritt auf dem Wege zu seiner Verwirklichung gethan, Niko-
laus gelang mehr: er erkämpfte die Anerkennung semer An-
sprüche.
Für uns bleibt ausser Betracht, dass er dem oströmischen
Reiche gegenüber die römischen Eechte mit herausfordernder Kühn-
heit vertrat, dass er den Erzbischof Johann von Ravenna trotz des
Schutzes, den ihm Kaiser Ludwig gewährte, zur Unterwerfung
unter Eom nötigte, und dass er den ehrgeizigen, hochstrebenden
Hinkmar von Rheims zu demütigen wusste. Nur daran mag
erinnert werden, dass, wenn Nikolaus sich Rothads von Soissons
annahm, er es nicht nur that, um einen unschuldig Bedrängten zu
schützen. Für ihn stand durchaus der Gedanke im Vordergrund,
dass er verpflichtet sei, die ausser Acht gelassenen päpsthchen
Rechte zu wahren. Als er Rothad von den zu seinen Gunsten
unternommenen Schritten Kunde gab, versicherte er ihm, er könne
seine Angelegenheit nicht ungej^rüft lassen; sonst würde dem kirch-
hchen Strafrecht Eintrag geschehen; er forderte ihn nicht nur auf
nach Rom zu kommen, sondern er ckang auch in ihn, dass er seine
Appellation so sehr, als es möghch sei, in die Öffentlichkeit
bringe.^) In der Rede, welche er am Weihnachtsfeste 864 in
Sa. Maria maggiore hielt, mahnte er die Anwesenden, mit ihm zu
trauern über die gottlose Ki'änkung, ja Vernichtung der Privilegien
des apostolischen Stuhles: von glühendem Eifer entflammt, sollten
sie fiii' ihi'e Wiederherstellung Sorge tragen.-) Die Frage nach
dem Gericht über die Bischöfe sollte prinzipiell durchgekämpft und
Der Ausdruck wird ohne die beschränkende Erklärung wiederholt ep. 42
S. 693.
1) Ep. 33 S. 306 f. V. 28. April 863. Bemerkenswert ist besonders
der Schluss: Verum quantum audes, quibus potes et quomodo potes, apo-
stolicam sedem appellare et hanc adire velle, manifestare necesses, si tarnen
te iniuste laesum nosti et bonam te causam habere per Dei gratiam arbi-
traris, quoniam nos . . nullatenus te in finem oblivioni tradi vita comite
patiemur.
2) Mansi XV S. 685; vgl. ep. 39 S. 687; 41 S. 692; 42 S. 694.
— 542 —
dadurch fiir iiiiiiier ontschicdon worden. Di'sIkiU) initerliess Niko-
laus iiiclit, dou höcliston Anspruch zu erhöhen, obi^leich er für den
Fall, so wie er lag, gar nicht in Frage kam: auch wenn keine
Appellation erfolgt wäre, hätte das ITrteil über Rothad dem Papste
vorgelegt werden müssen.') Er kämpfte nicht um sein Ap])el-
lationsrecht, sondern um die Herrschaft in der Kirche. Wie hätten
ihn die Voi-stellungen Hinkmars irre machen sollen, der auf die
ül)len Folgen hinwies, welche von der Erniedrigung der INfetro-
politen zu erwarten seien.-) eTe weniger Selbstständigkeit es in der
Kirche gab, um so unumschränkter war ja die päpstliche Herrschaft.
Es ist bekannt, dass Nikolaus sich in seinem Streite mit
Hinkmar einige Male auf pseudo-isidorische Sätze berief.''') Wer
möchte entscheiden, ob er es in gutem Glauben that, oder ob
er den Betrug erkannte?^) Klar ist jedoch, dass er durch die
Berufung auf ältere Zeugnisse nicht nur seine Stellung zu ver-
stärken ])eabsichtigte: es lag ihm auch hier daran, den Satz
durchzuführen, dass alle römischen Entscheidungen schl(M^]itliin
giltig seien.'*)
1) Ep. 28 S. '294: 32 S. 303.
2) Hincm. ep. 2 Migne 126 S. 40.
3) Serm. Nie. S. 686: Berufung allgemeiner Synoden nur im päpst-
lichen Auftrag; ep. 41 S. 691; 42 S. 694: Die Kechtsspreclinng über einen
Bischof gehört nach Rom; vgl. Hinschius, Ps.-Isid. S. CClVtf. Schrörs,
liincmar S. 266 ff. vertritt die Ansicht, Nikolaus habe i. .1. 863 nicht die
pseudo-isidorische Sammlung, sondern nur einzelne Dekretalen gekannt.
Aber wenn Nikolaus i. .T. 86.5 mit Bezug auf einen pseudo-isidorischen Satz
den Einwand der fränkischen Bischöfe erwähnt, derselbe finde sich nicht im
Codex oanonnm (ep. 42 S. 69.")) und wenn er diesem Einwand damit zuvor-
kommt, dass er sagt, die Dekrete der Päpste, die ihn ausgesprochen, fänden
sich im römischen Archiv (1. c. S. 694 (F.), so ist schwer zu glauben, dass er
die Sammlung unechter Papstbriefe nicht gekannt oder eben erst kennen
gelernt hat.
4) Weizsäcker (P. RE.- X S. ryC^r,), auch Dümmler fOFr U. II S. 97),
nehmen an, dass sich Nikolaus über den Ursprung der Fälschungen nicht
gntäuRcht habe. Das lässt sich, wie mich dünkt, nicht beweisen, wenn auch
die M(')glichkeit nicht aiisgcschlossen ist. Die von Weizsäcker, Histor.
Ztschr. III S. 84, Dümmler, OFr. H. II S. 98 u. a. gebilligte ältere Ansicht,
dafls Rothad von Soissons die Sammlung nach Rom brachte, halte ich nicht
für wahrschoinlich: wie hätte sonst Nikolaus im Jahre 86.5 ohne offenbare
Lüge sagen können, dass die römische Kirche die Sammlung penes se in
suie archivis et vetustis rite monumcntis recondita veneratur (ep. 42
S. 694)? Ich möchte vermuten, dass sie unter Leo oder Benedikt nach
Rom kam, und Rothad höchstens auf sie aufmerksam machte.
5) Y,\<. VI S. fiO.'i: Si vetus nov\imf|UP testamontum recipienda sunt,
— 548 —
Hinkmar unterlag, wie er selbst urteilt, nicht dem Eecht,
sondern der Gewalt des Papstes.^) Dieser Ausgang war unver-
meidlich: er kämpfte mit gebrochenem Schwert; denn er erkannte
prinzipiell die pä])stlichen Ansprüche auf Herrschaft an.-) Auch
hätte er nur dann Aussicht auf den Sieg gehabt, wenn er sich
auf seinen König hätte stützen können. Dass er sich von
ihm im Stiche gelassen sah, bildet das entscheidende Moment.
Karl aber konnte dem Papste nicht entgegentreten: es lag ihm
zu viel an dessen Bundesgenossenschaft auf dem politischen
Gebiete.-^)
Wichtiger als dieser eine Sieg war die Konsequenz, mit
welcher Nikolaus in vielen einzelneu Fällen für die kirchlichen
Ansprüche eintrat. Er betrachtete den Schutz des Kirchenguts
als seine Pflicht und gab nicht zu, dass die Fürsten irgend ein
Verfügungsrecht über dasselbe besässen: wer auf Grund einer
könighchen Verleihung kirchlichen Besitz okkupiere, sei mit Ex-
kommunikation und Anathema zu bestrafen.^) Demgemäss ver-
langte er im Jahre 868 die Restitution der Besitzungen der Metzer
Kirche.'^) Einige Jahre später richtete er an die Inhaber von
Kirchenlehen in Aquitanien die Aufforderang, sie zurückzugeben;
er hielt ihnen vor: das Kirchengut sei Gottes Eigentum; an ihm
versündige sich, wer es der Kirche entziehe; dass die Fürsten Lehen
aus kirchlichem Besitz erteilten, sei ungerecht: Gott werde es
rächen.*') Besonders war er unermüdlich, die Beobachtung der
kanonischen Bischofswahl zu fordern. Als König Lothar im Jahre
862 einen seiner Günsthnge, Hilduin, zum Bischof von Cambrai
ernannte, versagte ihm Nikolaus die Anerkennung: er verlangte
non quod codici canonam ex toto habeantur annexa, sed quod de bis
recipiendis s. papae Innocentü prolata videtur esse sententia, restat nimirum,
quod decretales epistolae Romanorum pontificum sunt recipiendae, etiamsi
non sunt canonum codici compaginatae; qoniam inter ipsos canones unuui
b. Leonis capitulum constat esse permixtum, quo ita omnia decretalia con-
stituta sedis apostolicae custodiri mandantur, ut si quis in illa commiserit,
noverit sibi veniam negari.
1) Ann. Bert. z. J. 865 S. 76: Rothad a Nicoiao papa.non regulariter
sed potentialiter restitutus.
2) Dafür ist besonders sein zweiter Brief Migne 126 S. 25 ff. charak-
teristisch.
3) S. Dümmler, OFr. R. II S. 52.
4) An Ado von Vienne c. 3 (J.W. 2697).
6) Urk. des Adventius v. Metz für das Kloster Gorze (Calmet, bist.
de Lorraine I, S. 307 Preuves).
6) App. I ep. 15 S. 386.
— 544 —
die AValil eines rechtmässigen Bischofs durch Klerus und Volk.')
Zwei Jahre später sah sich Ijudwig d. D. genötigt, die Enthehung
des kranken Bischofs Erchanfrid von Regensburg von seinem Amte in
Antrag zu bringen. Nikolaus stimmte zwar zu, forderte aber, dass sein
Nachfolger von Klerus und Volk im Einverständnis mit dem ISfetro-
politeu gewählt werde.') Im Jahre 8()() bat Karl d. K. um Er-
teilung des Palhums an den neugcwählten Erzbischof Egilo von
Sens. Nikolaus gewährte es, unterliess jedoch nicht, die Unregel-
mässigkeit zu tadeln, dass Egilo dem Klerus von Sens nicht an-
gehört hatte."')
In allen diesen Fällen richtete das Verlangen der kanonischen
Wahl seine Spitze gegen den Eintiuss der Fürsten. Wie ent-
schieden Nikolaus darauf ausging, ihn zu beseitigen, sieht man
am deutlichsten bei der Besetzung der Bistümer Trier und Köln:
während die hadernden Könige sich gegenseitig zuvorzukommen
und die wichtigen Stellen mit Paiteigängern zu besetzen suchten,
stellte Nikolaus die Forderung auf, dass die Person des Kandi-
daten ihm mitgeteilt werde ;^) er wollte die von den Fürsten Er-
nannten ausschliessen. In einem Schreiben an den Erzbischof
von Besangon proklamierte er den Grundsatz, dass die Träger
der weltlichen Macht m die Bischofswahlen überhaupt nicht ein-
zugreifen hätten.^)
fm Vergleich mit dem konsequenten Verfahren des Papstes
macht das ^'erhaltcn der Fürsten den Eindruck der Haltlosigkeit.
In einzelnen Fällen suchten sie ihren Willen durchzusetzen;") in
andern gestanden sie die päpstlichen Ansprüche zu.'^ Besonders
war Karl d. K. eifrig, zu versichern, dass er kein anderes Be-
streben kenne, als den heiligen Befehlen des Papstes zu gehorchen.*)
1) Ep. 63 — 65 S. 350 ff.; 27 S. 293.
2) App. III ep. 1, 5 f. S. 456.
3) App. I ep. 20 f. S. 391.
4) Kp. 55 S. 328; J.W. 2878.
5) App. III ep. 4, 4 S. 462. In dem Satze: Si electio eius non a sae-
cularibus quibusque sed a clero ecclesiae cum consensu primorum civitatis
ipsius fuerit composita, können die saeciilares nur die J'ürsten sein.
6) S. oben S. 539 und unten S. 554 ff".
7) Vgl. den Bericht Kiirlfi d. K. über die Wahl Wuli'ads zum Erz-
bischof von liourgea (Mansi XV 8. 707).
8) L. c: Si . . cel.situdinem sanctitatis vestrae aliquando has in par-
tes recipere vel illic videre mereremur, tunc vere cognosceretis, quam de-
voti et fideles erga vo.s ecclesiamque vobis a Deo commissam existimus.
Omnino enini sicut spiritalem patrem divina di^positio vos universali ec-
clesiae suae proposuit. ita specialiter in caritate Christi sanctam paterni-
— 545 —
Wer kann es dem Papste verargen, dass er sich als Herrscher
über die Könige fühlte, nachdem diese sich als seine Schützlinge
gebärdeten.
Das Schhmmste war, dass einer der fränkischen Fürsten mid
der allzngetügige Episkopat seines Reichs dem Papst Anlass gaben.
das Königtum tiefer zu demütigen, als es selbst in dem traurigen
Streite der Söhne mit dem Vater geschehen war.
Wir beriihreu damit die Scheidungssache Lothai'S II. Ihre
Anfänge reichen in die Zeit Benedikts zurück. Lothar lebte in
seinen Jünghngsjahren mit einer Konkubine Namens Waldrada. Das
Verhältnis war so öfFenthch, dass er später die Behauptung auf-
stellen konnte, es sei eigenthch eine Ehe gewesen.^) Gleichwohl
löste er es in seinem ersten Regierungsjahre auf: er verheiratete
sich mit Thietberga, der Tochter eines Grafen Boso und der Schwester
des mächtigen Abtes Hucbert von St. Maurice, dem alten Agaunum.
Es war nichts vorausgegangen, was ihn von Waldrada entfremdet
hätte; seine Verheiratung sollte nur den Wünschen des Adels ge-
nugthuen. -) Auch politische Gründe mögen in Betracht ge-
kommen sein.^) Begreifhch, dass Waldrada die Treulosigkeit des
Königs ihm weniger verübelte als seinen Ratgebern. Ihr ganzer
Hass richtete sich gegen Thietberga: ihr meinte sie geopfert zu
sein; denn hätte nicht auch sie, freigeboren wie jene, die Krone
tragen können? Des Königs Ehe war nicht glücklich; Tliietberga
gebar ihm keinen Erben, dagegen hatte er Kinder von Waldrada.*)
Ist's zu verwundern, dass die alte Leidenschaft für sie bald wieder
auflebte? Er gab ihi- nach: der Gedanke an die Pihcht hatte über
ihn niemals Macht: er war wie berückt von AVakfrada."^) In dem
tatem vestram diligimus, atque sacris iussionibus vestris obedire desi-
deramus. Ähnlich das gemeinsame Schreiben Lothars und Ludwigs, B.M. 1262.
1) Commonit. Nicol. (Mansi XV S. 367): Lotharius profitetur Waldra-
dam se a patre accepisse. Dieselbe Behauptung vertritt Adventius von
Metz in seinem libell. de Waldrada (Baron, ann. z. J. 862 Nr. 29j.
2) Ann. Laubac. z. J. 855. Der Wunsch des Adels ist in den sieben
Kapiteln der Aachener Synode v. 9. Jan. 860 erwähnt (M.G. Cap. II S. 463
Nr. 305 B. 1).
3) S. Mühlbacher, D.G. S. 504.
4) NicoL ep. 48 S. 313; 51 S. 323 (J.W. 2870 und 2873). Hug, der
Sohn Lothars und der Waldrada ist in Lothars Urk. für St. Peter in Lyon
(B.M. 1265) und in dem Reichenauer Verbrüderungsbuch neben Lothar und
Waldrada genannt (S. 164 c. 35, 21); ausserdem werden zwei Töchter Lothars,
Bertha und Gisla, erwähnt (s. d. Epitaph. Bertae bei Dümmler, Liutpr. opp.
S. 167 und Ann. Vedast. z. J. 882).
5) Ann. Bert. z. J. 862 S. 60: Caeco amore inlectus.
Hauck, Kirchengeschichte. II. 2. Aufl. 35
— 040 —
Ehrgeiz. Königiu zu sein, dning sie in ihn, sich seiner (.-ieniahUn
zu entledigen. AVirkHeh verstiess er auf Grund der gröbsten Ver-
leumdungen im Jahre 857 die Unschuldige.^) Aber die Grossen
des Keichs traten für sie ein; sie forderten tin gerichtliches Ver-
fahren. Der Köftig wagte nicht zu widersprechen. Als ein Gottes-
gericht zu Gunsten Thietbergas ausgefallen war, erkannte er sie
AN-ieder als seine Gemahhu an; gedrängt durch seine Umgebung ge-
stattete er ihre Rückkehr an den Hof.-') Die Unglückliche hatte
keinen Gewinn davon. Denn Ldthar verzichtete nicht auf seinen
verbrecherischen Plan: er fasste jetzt den verworfenen Gedanken,
Thietberga zum Bekenntnis der ihr schuldgegebenen Greuel zu
zwingen.^) Das Erste war, dass die Beweiskratl jenes Gottes-
urteils bestritten wurde ; "*) dann Avurde die Königin gefangen ge-
setzt. ■'^) Eine Zeit lang widerstand sie; sie richtete insgeheim eine
Appellation nach Eom.") SchliessHch aber ward ihre Kraft ge-
lirocheu: in einer vor Erzbischof Günther von Köln abgelegten
Beichte erklärte sie sich für unwürdig der Ehe mit dem König.')
Nun glaubte dieser mit Hilfe des Episkopats zum Ziele kommen
zu können: am 9. Januar 860 versammelte sich auf seinen Befehl
eine Synode zu Aachen; als Teilnehmer waren nur die Erzbischöfe
Günther von Köln und Thietgaud von Trier, die Bischöfe Adventius
von Metz und Franko von I^üttich sowie zwei Abte anwesend,
kt^in einziger Mann von })ersönbcher Bedeutung; besonders den
beiden Metropoliten fehlte die Achtung ihrer Zeitgenossen. Den
t-rsten Platz nahm Günther ein; aber Begino chaiakterisiert ihn
als einen Manu von leichtem Sinn und unüberlegt in seinem Han-
deln; von anderen wird ihm Lust an weltlichem Prunk und die
gewissenloseste Verschleuderung des kirchlichen Besitzes zum Vor-
wurf" gemacht.'*) Der Erzbischof von Trier war ungel)ildet in jeder
Hinsicht: mehr noch gebrach es ihm an Schade des Verstands
und Selbstständigkeit des Wolleiis:") er that was Günthci- ihn hiess.
1) L. c. z. J. 857; vgl. llinc. de div. S. 629, 636.
2) Ann. Bert. z. J. 858 „cogentibus suis". Hinc. de divort. S. 629, 672.
3) Commonit. Nicol. S. 368 (J.W. 2726).
4) Hincm. de divort. S. 659.
5) .\nn. Bert. z. J. «58.
6) Commonit. Nicol. S. 368.
7) Hincm. de divort. S. 636.
8) Regin. chron. z. J. 864 S. 81 ; Ann. Xantens, z. J. 865 M.G. Scr. II
S. 231. Sedulius Scottus, einer dor gewis.senlo8e8ten litterarischcn Lob-
hudler hat freilich auch ihn gerühmt, Carm 68ff. M.G. Poet. lat. III
.^. 221 tt.
9; Kegin. 1. c. von Günther: Sciens (Thietgaudum) esse virum sim-
- 547 -
xA.dventius war gewandt, aber ohne Grundsätze: er verstand es mit
unvergleichlicher Geschichklickeit, stets mit dem Winde zu segeln.
Franko endlich war mehr Kiiegsmann als Bischof.^) Die so zu-
sammengesetzte S}'node erklärte auf Grund des Bekenntnisses der
Königin die Ehe Lothars für nichtig. In dem kurzen Bericht-)
über die Verhandlungen wusste man die Sache so darzustellen, als
habe der König unter dem Druck der öffentlichen Meinmig ge-
handelt/') die Königin selbst aber im Bewusstsein ihrer Schuld
die Lösung der Ehe gefordert, um ins Kloster gehen zu können.'')
In einer etwas längeren Mitteilung an den Episkopat '"') wird der
letztere Punkt des Aveiteren ausgeführt. Wenige Wochen später
folgte, gleichfalls zu Aachen, eine zweite Synode.'^) An ihr nahmen
nicht nur lothringische, sondern auch west- und südfränkischo
Bischöfe Anteil.'') Man nötigte die unselige Frau, ihr Bekenntnis
zu wiederholen: um dem Volke keinen Z^veifel an ihrer Schuld zu
lassen, verhängte man die öffentliche Kirchenbusse über sie. Dann
wurde sie in ein Kloster gebracht.**) Sie sollte gleichsam veraichtet
sein. Erkauft war das ungerechte Urteil dadurch, dass Lothar das
geistliche Gericht der Bischöfe anerkannte.
Wähi'end der lothringische Episkopat in so schmachvoller
Weise den Sünden des Königs diente,^) erhob von dem Reiche
Karls d. K. aus Erzbischof Hinkmar von Rlieims seine Stimme für
plicem nee adeo in divinis scripturis erudituni canonicisque sanctionibus
exercitatum. Ähnlich charakterisiert ihn Lothar selbst Mansi XV S. 385:
Simplicissimus atque innocentissimus vir.
1) Vgl. über ihn Gesta abb. Lob. 15—17 M.G. Scr. IV S. 61 ff.
2) Die von Hinkmar in seine Schi-ift de divort. aufgenommenen sieben
Kapitel (S. 636 f.); auch M.G. Cap. II S. 463 f. Nr. 305 B.
3) C. 1: Dictum est eidem principi a quibusdam, C. 2: Per oni
quorundam volitabat. Apertius scelus est illi maftifestatum.
4) C. 3 und 4.
5) Die acht Kapitel a. a. 0. A.
6) Auch über diese Synode wurde ein offizieller Bericht veröffentlicht,
den Hinkmar de divort. S. 637 f. exzerpiert, M.G. Cap. II S. 466 ff. Nr. 306.
7) Neben Günther, Thietgaud und Franko waren anwesend Wenilo
von Rouen, Hatto von Verdun, Hildegar von Meaux und Hilduin von
Avignon. Dass der lothringische Episkopat in der Sache nicht einig war,
zeigt der 25. Brief Hinkmars (S. 161 j; Hinkmar selbst entschuldigte sich
mit Krankheit (S. 645).
8) Ann. Bert. z. J. 860; Hinc. de div. S. 639.
9) v. Ranke, WG. VI, 1 S. 152 nimmt an, dass die Entscheidung
des Episkopats durch den Gedanken an den Fortbestand Lothringens mo-
tiviert sei. Ich glaube, dass Günther hiebei zu ernsthaft genommen ist.
35*
— 548 —
die iiiisslianclelte Königin.') Mancherlei Gründe kamen /usaninieu,
die ihn dazu bewogen: eine Autrordeniug, sich ül)er die Angele-
genheit /u äussern,-) der ISfissbrauch. den die Ijothringer mit
seinem Namen tneben/^) vielleicht auch der Wnnsch seines Königs.^)
Man kann deshalb zweifehl, ob er nur um des Rechtes willen
liandelte. Aber zweifellos ist, dass er dem Rechte zu Dienst han-
delte: in einer uintanghchen Schrift enthüllte er das frivole Spiel,
das man mit göttlichen und menschlichen Gesetzen in Aachen ge-
trieben hatte."*)
Die Wirkung der Schrift Hinkmars war sofort wahrzunehmen.
Die gefangene Fiü-stin fasste wieder Mut; sie entfloh aus der Haft
und suchte im Westreich einen Schutz, den mehr die Selbst-
sucht als der Rechtssinn Karis d. K. ihr gewährte.") In I^othringen
aber wurde man bedenklich: der König und die Bischöfe fürchteten
die Einmischung Roms und suchten sie durch Schreiben voll gleis-
nerischer Freundlichkeit hintanzuhalten.') Zugleich beeilte sich
Lothar, den letzten Schritt zu thun. Hinkmar hatte den Satz auf-
gestellt, die Entscheidung über seine Ehe gel)ühre einer fränkischen
Generalsynode.'') Um zuvorzukonnueu , versanmielte er im Früh-
jahre 862 eine lothringische Landessynode. Sie trat am 29. April
zu Aachen zusammen und gestattete dem Könige, der persönlich
seine Sache führte, die Wiederverheiratung.") Dass Hiidcmar nicht
vergeblich geschrieben hatte, bewies auch diese Synode; ihr Be-
schluss wurde nicht einstimmig, sondern mit sechs gegen zwei Stinnnen
gefasst.^") Die Bischöfe des Sprengeis von Besanron hielten sich
fern. Gleichwohl schien liothar sein Ziel erreicht zu haben; Weih-
1) Dass Hinkniars Schrift dn divoit. vor der Synodo von 862 ver-
öffontlicht ist, scheint mir keinem Zweifel zu unterliegen. Hier ist das
testimonium e silentio zulässig.
2) De divort. S. 627.
3) L. c. S. 645.
4) Vgl. Dümmler, OKr. H. II S. 1.5; iMühlbacher, D.G. S. 510.
5) Über die Schrift handelt eingehend Sdraleck, Hinkmars v. Hheinis
kanonistisches Gutachten, 1H81.
6) Ann. Bert. z. J. 860 S. 54.
7) Brief Lothars an Nikolaus (Migne 121 S. 374; über die Datierung
s. die Bemerkungen Mühlbachors Nr. 125«) und Lothars und Ludwigs an
denselben (Baron, ann. z. .T. 860 Nr. 27); Schreiben der Bischöfe nach Rom
(Mansi XV, S, 548).
8) De divort. S. 646 f.
9) Mansi XV S. 611 f.
10) L. c. S. 617 ff. Die Namen der beiden Bischöfe sind nicht über-
liefert. Dümmler (OFr. R. II S. 31) denkt an Arnulf von Toul und Hunger
— 549 —
••
nachten 862 fand seine Vermählung mit Waldrada statt: die Kon-
kubine war nun Königin.')
Nikolaus hatte Lothar gewarnt;^) wenn er nun füi- Thietberga
eintrat, so that er es als Schützer einer unschuldig Verurteilten.
Man glaubt ihm eher als dem ränkevollen Hinkmar, dass die
schmähliche Kränkung von Recht und Sittlichkeit durch Lothar
ihn empörte. Aber andererseits unterliegt es kaum einem Zweifel,
dass es ihm erwünscht war, eine Sache gegen einen König zu
haben. ^) Er durchschaute die prinzipielle Bedeutung der An-
gelegenheit für die päpstliche Macht; deshalb duldete er nicht,
dass Thietberga sich dem Kampf entzog.*) Wie hätte auch die
Erhabenheit des Papsttums über jede weltliche Macht eindring-
hcher bewiesen werden können, als wenn der Papst einen König
richtete ?
Noch ein anderer Punkt kam in Betracht. In Bezug auf
Ehesachen widersprachen sich das fränkische und das päpstliche
Recht. Nach dem ersteren hatte Lothar, im Falle seine Ehe ge-
von Utrecht, so auch Mühlbacher S. 513. Anwesend waren ausser ihnen
Günther, Thietgaud, Adventius, Hatto, Franko und Rathold von Strassburg.
Vgl. das von Hampe N.A. XXIII S. 603 ff. veröffentlichte ßrieffragment.
1) Ich beziehe die Stelle im 32. Briefe des Papstes (S. 305, J.W. 2723)
auf die Segnung der Ehe Lothars. Damach hat Lothar zunächst seiner
Zusage gemäss (ep. 58 S. 335, J.W. 2886) zugewartet, ohne Zweifel in der
Hoffnung, Nikolaus werde seiner Wiederverheiratung zustimmen. Erst die
Absendung der päpstlichen Boten, Ende November 862 (ep. 17 S. 278,
J.W. 2698 V. 23. Nov.) wird ihn bestimmt haben, eine vollendete Thatsache
zu schaffen. Allei'dings erzählt Hinkmar Ann. Bert. z. 862 S. 60 die coro-
natio u. copulatioWaldradas vor der Zusammenkunft inSavonniere, 3. Nov. 862.
Aber, was Karl daselbst gegen Lothar vorbringt, macht wie mich dünkt
sehr unwahrscheinlich, dass die Vermählung schon vollzogen war: er wendet
nur ein, dass Lothar weder dem Kate der französischen Bischöfe noch dem
Befehl des Papstes nachgekommen sei; dass er das Gegenteil davon that,
sagt er nicht (Cap. 243, 6 S. 161). Als „geliebte Gemahlin" erscheint
Waldrada in der Urk. v. 18. Mai 863 für St. Peter in Lyon, B.M. 1265.
2) Ep. 58 S. 335.
3) Dass Nikolaus nicht nur aus Rechtsgefühl handelte, ergiebt sich aus
der Verschiedenheit seines Verfahrens gegen Lothar und gegen den Grafen
Balduin von Flandern, der 862 Karls d. K. liederliche Tochter Judith ent-
führte (Ann. Bert. z. J. 862 S. 56.) Er fand am Papst einen Fürsprecher,
da er seinen Schutz gegen den König und den fränkischen Episkopat an-
gerufen hatte. Wenn Nikolaus seine That missbilligte, so sollte das nur
seinen Wunsch bei dem König empfehlen, dass der letztere der Ehe zu-
stimme (ep. 20 f. S. 279 ff.; 30 S. 297, J.W. 2703 f., 2722).
4) Ep. 48 S. 312 f. (J.W. 2870).
oo
0
schieden winde, die Befugnis wieder zu heiraten;') nach dem
letzteren war die ]\r<")i,dichkeit der Wiederverheiratung Geschie-
dener ausgeschlossen. Nach dem ersteren gehörte die Scheidungs-
klage vor den weltlichen Richter.-) nach dem letzteren war die
Koni])etenz des welthchen (Berichts dadurch eingeschränkt, dass
der Papst in höchster Instanz entschied. So allgemein anerkannt
waren jene Rechtssätze im fränkischen Reiche, dass auch Hinkmar
sie nicht bezweifelte.'^) Für Nikolaus war die Gelegenheit geboten,
die Anerkennung seines Grundsatzes zu erkämpfen, dass die kirch-
liche Vorschrift dem staatlichen Gesetz vorangehe.
Endlich widersprach die Stellung, welche die Synoden im fi-änki-
schen Reiche einnahmen, den Überzeugungen des Papstes: nucii
hier galt es Durchliihrung seiner Grundsätze.
Nikolaus zögerte verhältnismässig lange, bis er den ersten
Schritt gegen den König that: er wollte wohl nach allen Seiten
hin klar sehen, ehe er handelte. Dann schloss er sich an einen
Yoi-schlag Hinkmars an, indem er ihn jedoch zugleich umgestaltete.
Hinkmar hatte, wie vorhin bemerkt, geäussert, die Wichtigkeit der
Sache sei so gi-oss, dass sie einer fränkischen Generalsynode unter-
breitet werden müsse.'*) Daliei hatte er Karl d. K. zu Gefallen
geredet. Dieser erklärte dann auch alsiiald. er sei bereit, sich mit
seinen Bischöfen und Getreuen liei einer Zusammenkunft einzu-
tinden.'') ]\Ian sieht, er dachte an eine gemischte Versamndnng.
Nikolaus bestimmte ebenfalls, dass eine fränkische Synode übei- die
Angelegenheit entscheide; aber er dachte dabei ledigheb an eine
Synode von Priestern, und er sandte eigene Tjegaten id). unter
deren Vorsitz sie tagen sollte.") Als Gegenstand dei- Beratung
naimte er in seinem Schreiben die rnt^rsuchnng über Thietberga
und AValdnida: er nannte weder jene Königin, noch diese Konkubine;
am wenigsten bezeichnete er Lothar :ds den I>eklagten: mit ängst-
licher Vorsicht wahrte er den Standi)unkt des für keine I'artei einge-
nommenen Richters. Ki-st die Nachricht, dass Ijothar seine Ver-
mählung mit Waldrada vollzogen hal)e. bestimmte ibii zu einer
1) Vgl. oben S. 227.
2) Demgeniäs.'i wurde xuer.st gegen Tliietbeigii vorfahron -. vgl. Hinnn
de divort, S. 655.
3) In errtteror Hin.sicht suchte Hinkmar zu beweisen, dass nach kirch-
lichem Recht die Khe Lothars mit W. znliissig sei, wenn seine Elio mit T.
als nichtig aufgelöst würde (de divort S. 7.^2 tf.). In letzterer Hinsicht w;ir
er ohne bedenken gegen oin welllicb'^K (J^richt (1. c S. <;40)
4) De divort. 8. 646 f.
5) Erklärung vom 3. Nov. 862 (M. ü. Cap. 243, 9 8. 162).
6) Ep. 17 f. S. 278 (23. Nov. 862).
— 551 —
entschiedeneren Erklärung. In der im April 863 geschriebenen
Instiiiktiou für seine Gesandten ist es das Verhalten des Königs,
das untersucht werden soll: es ei^cheint unter jeder Bedingung
als tadelnswert.^) Das wiederholte er in einem Schreiben an die
Bischöfe Deutschlands und Frankreichs möglichst bestimmt: sie
sollten sich, entflammt von Eifer für die christliche Frömmigkeit,
nach Metz begeben, um Lothar zu hören und gegen ihn ein
kanonisches Urteil zu fällen: er drohte bereits mit dem Bann.^)
Jedermann kennt den Verlauf der Metzer Sjmode. Sie fand
Mitte Juni 863 statt. Die lothringischen Bischöfe, die allein er-
schienen, waren durch die früheren Beschlüsse gebunden und be-
harrten bei der Aachener Entscheidung. Die päpstlichen Legaten
aber bewiesen sich der Üben-edung und Bestechung Lothars zu-
gänghch. Man beschloss, Günther und Thietgaud nach Rom zu
senden, um über die Sache zu berichten : man hoffte den Papst
hintergehen zu können.'^)
Gutes Muts begaben sich die beiden an den päpstlichen Hof.
Sie waren vermessen genug, die Unterschrift des Papstes für das
Schriftstück zu fordern, das sie im Xamen der Synode überbrachten;^)
Nikolaus liess sie drei Wochen auf Antwort warten ; ^) empört über
ihr Verhalten, bereitete er einen vernichtenden Schlag gegen sie
vor. Er nahm den Bericht entgegen, ohne in Verhandlungen über
ihn einzutreten,^) berief sodann Ende Oktober 863 eine S)Tiode nach
dem Lateran und verkündigte hier sein Urteil: das Verbrechen, das
Lothar durch Vemiählung mit zwei Frauen begangen habe, sei offen-
kundig; die beiden Bischöfe seien mitschiddig, sie Avürden deshalb
ihres Amts entsetzt, aus dem Priesterstand ausgeschlossen und ex-
kommuniziert, die übrigen Teilnehmer der Metzer Synode könnten
Verzeihung erlangen, vorausgesetzt, dass sie ihr Unrecht bekannten. ^)
1) Commonit. Nicol. S. 367 f. J.W. 2726.
2) Ep. 22 S. 281 (J.W. 2725). Der Brief ist gleichzeitig mit der In-
struktion für die Gesandten.
3) Ann. Bert. z. J. 863 S. 62 ff.
4) Brief des Papstes in den Ann. Bert. z. J. 863.
5) Protestation Günthers und Thietgauds c. 2 (Ann. Bert. z. J.
864 S. 69).
6) L. c. : Nihil certitudinis nihilque doctrinae nobis expressisti, sed
tantum quodam die in publico dixisti, nos excusabiles apparere et innocen-
tes iuxta nostri adsertionem libelli.
7) Brief des Papstes 1. c. und Beschlüsse der Synode c. 1 — 3; zu vei*-
gleichen ist c. 3 des Protests Günthers und Thietgauds. Dass Nikolaus auch
hier den einzelnen Fall in seiner allgemeinen Bedeutung fasste, zeigt c. 5:
Si quis dogmata, mandata, interdieta, sanctiones vel decreta pro catholica
— 552 —
Dies Urteil wurde sotbii; den fränkisclieu und italienischen Bischöfen
mitgeteilt.')
Noch gaben die beiden Bischöfe ihre Sache nicht verloren; sie
hofften, gestützt auf Kaiser Ludwig den Papst zur Zurücknahme
seiner Sentenz zwingen zu können: aber Nikolaus war in seiner
ruhigen sell)stbewussten Festigkeit dem rasch aufhrausondon nnd
rasch ermattenden Fürsten weit ü])erlegen.
Unleugbar hatten die Bischfife Grund zur Beschwerde; die
Weise, wie sie verurteilt wurden: ohne Anklage, ohne Unter-
suchung, ohne die Möglichkeit der Verteidigung, ohne Spioich ihrer
Kompronnzialen, ■') widersjirach durchaus einem geordneten Ver-
fahren. Aber ihre Schuld war so offenkundig, dass alle Welt dem
formlosen Verfahren des Papstes Recht gab, weil es in der Sache
gerecht war. Auch dann trafen sie sehr nahe an die Wahrheit,
dass sie Nikolaus vorhielten, er werfe sich zuui Kaiser der ganzen
Welt auf*) Aber Nikolaus war dadurch stark, dass jedermann es
liilligen musste, wenn die Verbrechen der Fürsten nnd der Bischöfe
in ihm einen Richter fanden. Es ist die fränkische Anschauung
über die Stellung des Papstes in der Kirche, die in dem Proteste
Günthers und Thietgauds noch einmal zur Aussage konnnt: dass
er verhallte, ohne Eindruck zu machen, beweist, dass sie die
HeiTscliaft über die Gemüter verloren hatte. Die Zeit der Reichs-
kirche war vorl)ei.
fide, pro ecclesiastica disciplina. pro correctione fidelium, pro mundatione
sceleratorum vel interdictione imminentium vel futurorum malorum a Hedis
apostolicae praesule salubriter proniulgata contompserit. anathema sit. Auch
auf der Gegenseite war man sich der principiellen Bedeutung der Sache
bewusst. Man sieht das daraus, dass Günther in dem l'rotokoU der Metzer
Synode den Vorbehalt tUgte, den einer der Bischöfe gemacht hatte, dass
er zustimme unter Voraussetzung der Billigung Roms (Brief Nie. 's 2748
bei Floss, die Pajjstwahl etc., Urk. S. .50). Für die Verurteilung der beiden
kam übrigens ihr Verhalten gegen Ingeltrud, die ehebrecherische Gemahlin
des Grafen Boso, eines Bruders der Königin Thietberga (vgl. Syn. Houi.
c. 4 S. 65), ebenfalls in Betracht. Auch hier legte Nikolaus das Gewicht
nicht auf das sachliche, .sondern auf das formelle Unrecht: sie hätten trotz
der römischen Exkommunikation mit ihr kirchliche Gemeinschaft gehabt :
lontra ipsos Nicaenos canones, (juam nos abiecimus, ijjsi receperint; das be-
zeichnet er als immane flagitiura (ep. 13 S. 382, J.W. 2764).
1) .T.W. 2748—2751.
2) Ann. Bert. z. .T. 864.
3) C. 3 des Protests Günthers und Thiotgauds.
4) Schreiben der Bischöfe (1. c. S. 68): Domnus Nicolaus, qui dicitur
papa et qui se apostolum inter apostolos adnumerat, totiufque mundi im-
peratorem se facit.
— 553 —
Nikolaus weigerte sich den Protest anzunehmen. Da hiess
Günther ihn auf das Grab des Apostels niederlegen; in der Peters-
kirche kam es zwischen seinen Leuten und denen des Papstes zu
einem Handgemenge; schliesslich behielten die ersteren die Ober-
hand: sie führten ihren Auftrag aus, dann brachen sie sich mit ge-
zücktem Schwerte Bahn durch die herbeigeströmte Menge. •^)
Trotzigen Mutes kehrte Günther nach Köln zurück: als Erz-
bischof zog er in die Stadt ein; das päpstliche Urteil verachtend,
waltete er am Gründonnerstag 864 seines Amts als Bischof. Aber
es wai' ein schhmmes Omen für seine Sache, dass Thietgaud Ahn-
hches nicht wagte; er enthielt sich dem päpstlichen Spruche gemäss
der bischöflichen Amtshandlungen.-) Auch die übrigen Teilnehmer
der Metzer Synode wagten nicht Widerstand zu leisten. Sie er-
baten und erhielten Vergebung."^) Das Verfahren des Papstes
machte in Lothringen den Eindruck, den es hervorbringen sollte.
An Lothar schrieb Nikolaus alsbald nach der römischen
Synode, In drohenden "Worten hielt er ihm sein Unrecht vor; er
forderte zugleich kanonische AViederbesetzung der Erzstühle von
Köln und Trier.*) Der König Avähute, durch halbe Nachgiebigkeit
dem Papste genugthun zu können ; er erkannte die Absetzung der
beiden Bischöle an ^) und schickte ein Schreiben, erfüllt von Ver-
sicherungen seines Gehorsams, nach Rom ; ^) aber weder hess er von
^^aldrada, noch nahm er Thietberga als seine rechtmässige Ge-
mahlin zu sich.
In diesem Moment fasste Nikolaus den kühnen Gedanken, die
fränkischen Bischöfe zu einer Synode nach Bom zu berufen.') Mit
einem Male wäre er dadurch am Ziel seiner AVünsche gestanden.
1) Ann. Bert. z. J. 864 S. 70 f.
2) L. c; vgl. den Brief Lothars Mansi XV, 385.
3) Ann. Bert. 1. c. Das Schreiben des Bischofs Adventius von Metz
an Nikolaus bei Mansi XV S. 368 flF. Vgl. die Schreiben Karls d. K. und
des Papstes 1. c. S. 371 ff., sowie ep. 45 S. 311 f. an Franko von Lüttich
(J.W. 2767 f. V. 17. Sept. 864), und das Bruchstück eines Schreibens Ratholds
von Strassburg bei Baron, ann. z. J. 864 Nr. 8.
4j Zwei Fragmente seines Schreibens J.W. 2752.
5) Ann. Bert. z. J. 864 S. 71. Lothar folgte dabei dem Rate der
Bischöfe. Die Ann. Xant. z. J. 865 (M. G. Scr. II S. 231) lassen die Ab-
setzung Günthers durch eine lothringische Synode bestätigt werden.
6) Mansi XV, 384 £F. (B.M. 1269).
7) Ergiebt sich aus dem Briefe des Papstes an Rudolf von Bourges
(ep. 13 S. 384), vgl. Ann. Bert. z. J. 864 S. 73. Als Termin war der No-
vember 864 ins Auge gefasst.
— Ö54 —
Denn liättc er an der Siiitze diT l^iscliüle fies Reichs das Urteil
über einen friinkisclien König ges])roclien : wer hätte dann noch
zweifehl können, dass er der oberste Herr in der abendländischen
AVeit sei? Er lebte in diesen Vorstelhingen: el)en damals hörte man
jene bedenklichen Ansserungen von iliin. die der Kirche das Urteil
über die Rechtmässigkeit der Herrschaft der Könige zuschrieben.')
Aber der Gedanke war zu durchsichtig, als dass er bei den Königen
hätte Anklang finden kiinnen: weder Karl noch Ludwig waren ge-
neigt auf ihn einzugehen. Die römische Synode fand am 1. No-
vember <S64 ohne Teilnahme des fränkischen Episkopats statt.
Obgleich Günther und Thietgaud persönlich erschienen, iiielt
Nikolaus sein früheres Urteil ungemildert aufrecht. Hinsichtlich
Lothai-s dagegen unterliess es die Synode, irgend einen Beschluss
zu fassen.-) Der Plan, seine Sache in Anwesenheit der fränkischen
Bischöfe zu entscheiden, wurde nicht aufgegel)en. Nikolaus lud sie
zu einer neuen Versammlung für den 19. Mai 8()5 nach Rom ein."')
Wenn er in dieser Zeit den Bischof Arsenius von Orte als päpst-
lichen Legaten ülier die Alpen sandte,^) so wird seine Reise mit dem
Konzilsplane in Zusammenhang stehen : wahrscheinlich sollte er die
Abneigung der Fürsten dagegen zu überwinden suchen. Doch ge-
lang ihm das nicht : den fränkischen Bischöfen Avurde die Erlaulmis
Ij Vgl. oben S. 540 Antn. 6. Karl d. K. hat übrigens diese Anschauung
anerkannt, Libell. proclam. adv. Wenil. a. 859 Cap. 300, 3 II S. 451: (Wenilo)
me socundum traditionem ecclesiasticam regem consocravit et in regni re-
gimine chrisniate sacro perunxit et diademaie atqno regni sceptro in rogni
solio sublimavit. A qua consecratione vel regni sublimitate subplantari vel
proici a nullo debueram, .salteni sine audientia et iudicio episcoporum, . .
quorum paternis correptionibus et castigatoriis iudiciis me subdere fui pa-
ratus et in praesenti sum subditus.
2) Ann. Hort. 1. c. Nicol. ep. 7 S. 184 i.st die.se Synode in anderem
Zusammenhang erwähnt.
3) Schreiben des Adventiua von Metz (Ijaron. z. J. 864 Nr. 6). Nach
Hefele CG. IV S. 280) ist XIV K;il. .Inn. in Kai. Nov. zu ändern. Ich sehe
keinen zwingenden Grund.
4) ArseniuH wurde im Winter !-;r)4— 8ß5 über die Aljien ge.sandt. Narli
dem Briefe an die HiHchnfe Karls (ep. 2R S. 290, .T.W. 2774) war er ursprünglich
nicht beauftragt, die Sache Lothar.'» in Frankreich zu entscheiden: er sollte
die schwierigen Angelegenheiten der päpstlichen Entscheidung vorbehalten.
Damach ist es sehr wahrsrheinlifth, dass sein mündlicher Auftrag (ep 25
S. 288, .T.W. 2773) in der Förderung des Synodalplanes bestand. Die An-
gabe der V. Nicol. 63 S. 163 widerspricht, wie mich dünkt, nicht. Dass
er ausserdem zum Frieden zu mahnen hatte, zeigen die beiden Briefe und
erzählen Hinkmar und Anasta-sius.
ooo
zur Keise nach Rom verweigert. Nikolaus vermerkte es übel,^) aber
es war ihm unmöglich, durclizudringen.
Unter dem Eindruck des päpstlichen Planes scheinen Ludwig
d. D. und Karl d. K. sich verständigt zu haben. Ludwig hatte
bisher seinem Xeffen eine Stütze geboten; jetzt wandte er sich von
ihm ab.^) Die Absicht wird gewesen sein, Lothar zum Nachgeben
zu nötigen, um dadurch weiteres Eingreifen des Papstes zu ver-
hindern. Sah sich Nikolaus durch das Übereinkommen der beiden
Fürsten auf der einen Seite gehemmt, so förderte es auf der an-
deren Seite seine Pläne. Er war entschlossen, Lothars Widerstand
zu brechen.
In einem Brief an Ludwig d. D. und Karl d. K. drohte er
ziemlich unverhüllt mit der Absetzung Lothars.^) Diesem selbst
überbrachte Arsenius ein Schreiben, das ihn bei Strafe der Ex-
kommunikation zur Unterwerfung aufforderte.*) Lothar sah, dass
für ihn alles auf dem Spiele stand ; er entschloss sich deshalb nach-
zugeben und gelobte die Wiederanerkeimung seiner Ehe mit Thiet-
berga. Am 3. August 865 fand in Doucy bei Sedan in der
feierlichsten Weise die AViedervereinigung der getrennten Ehegatten
statt. Lothar schwm*. er werde von nun an seine Pflichten treulich
erfüllen.'')
Was die römische Generalsynode erreichen sollte, hatte der
päpstliche Legat erreicht. Nikolaus konnte mit seinem Boten zu-
frieden sein.
Wenn Lothar alsbald bewies, dass seine Leidenschaft für
Waldrada stärker sei, als seine Treue gegen den Eid, den er ge-
1) Ep. 27 S. 290 f. (J.W. 2788, April 865), und an Ado von Vienne
app. JI ep. 3 S. 450 (J.W. 2790 v. 9. Juli 86.5).
2) Vertrag von Thousny zwischen Ludwig d. D. und Karl d. K.. 19. Eebr.
865 c. 6 f. (M. G. Cap. 244 S. 167); Sendung Altfrids von Hildesheim und
und Erchanra-us' von Chälons s. M. (Ann. Bert. z. J. 865).
3) Das liegt in der Begründung: Ne sanguis effunderetur et ne bella
excitarentur (S. 293).
4) J.W. 2778; der Text bei Floss, Papstwahl, Urk. 4 S. 30 ff. Auch
in diesem Schreiben ist nur angenommen, dass Arsenius monendi causa zu
Lothar gesandt werde. Hinkmar (Ann. Bert. z. J. 865 S. 76) verbirgt seine
Unzufriedenheit mit dem Verfahren des Papstes nicht: er spottet über die
Drohung, nachdem mehrfach die Erklärung vorausgegangen sei, der König
sei schon exkommuniziert.
5) Ann. Bert. z. J. 865. Hinkmar ist auch hier unzufrieden : er findet
es rechtswidrig, dass von dem Könige keine Busse wegen seines offenbaren
Ehebruchs verlangt wurde.
— 55() —
schworen hatte,') so wurde der Sieg des Papstes dailureh nicht
ei'schüttert. Denn Nikohuis wich nicht zurück. Sofort bannte er
Waldrada;-) er hinderte Thietberga an jeder Nachgiebigkeit gegen
iln-en verbrecherischen Gemahl;^) den König aber drängte er durch
liudwig und Karl, sowie durch die Biscliöfe zur ErfüUung seiner
Zusagen."*) Dem Schwanken der beiden Füi-sten gegenüber'') be-
harrte er unwandeli)ar auf dem Staudpunkte. Lothar habe sicli zu
unterwerfen.'*) Jedermann war überzeugt, er werde ihn exkommuni-
zieren, wenn er sich seinen Geboten nicht füge.')
So standen die Dinge als Nikolaus starb. '^) Man könnte sich
wundern, dass er die Exkommunikation nicht wirklich über Lothar
verhängte, da er doch das Spiel, das dieser mit seinen Zusagen
trieb, klar durchschaute. Rücksicht auf die königliche Würde, Be-
denken gegen die Exkommunikation eines Füi"sten, kann man bei
dem Manne schwerlich voraussetzen, der den Widerstand gegen
die Könige zu den Ruhmestiteln der Bischöfe rechnete.") Es waren
ohne Zweifel politische Gründe, die ihn zögern Hessen, ehe er den
letzten Schlag ilihrte. Er nmsste voraussehen, dass der Exkom-
nmnikation sofort der Kampf um den Besitz des Gebannten folgen
würde, und er konnte nicht wünschen, dass Lothars Reich in die
Gewalt seiner Oheime oder seines Bruders übergehe;'") deshalb
suchte er die Erfüllung der oft wiederholten Drohung möglichst
lange zu vermeiden. Gewinn an Ansehen brachte die Drohung
nicht minder als der \'ollzug.
Die Lösung des Papsttums aus der L nteiordiiung unt<'r die
WL-itliclie Gewalt, die seit dem Tode Karls d. Gr. l)egonuen hatt<?,
vollendete sich durch Nikolaus I. Darin besteht die Bedeutung
seines P(mtifikats. Der Eindruck, den die Zeitgenossen von seiner
1) Ann. Fuld. z. J. 867 S. 66; auch Günther kehrte wieder nach Köln
zurück; 8. u.
2) 2. Februar 866 (app. I ep. 11 S. 381; Rej?in. chron. z. d. J. S. 87).
3) Ep. 48 S. 312 tt'. (J.W. 2870, v. 24. Januar 867).
4) Kp. 49 f. S. 316; 53 S. 324 (J.W. 2871 f. v. 25. Januar 867; 2874
V. 7. März. 867).
5) Ep. 50 S. 318 f. (J.W. 2872 v. 25. Januar 867).
6) Brief an Lothar (pp. 51 S. 321 ff.. J.W. 2X73).
7) Brief de.s BisrhofH Adv<;ntiiiH an Hatto von Verdun (Baron, ann.
eccl. z. J. 867 Nr. 118).
8) 13. November 867. V. Nicol. 612 S. 167.
9) J.W. 2766: Si unaninies fueriti.**, quin est, ipii vobis resiatatV Patres
nostri etiam regibus restiterunt.
10) Auch die Rücksiclit auf Kaiser Ludwig mag mitgewirkt haben
(Brief an Lothar bei Flos.x, 1. c. S. 32).
oo<
Eegierung hatten, war, dass er über die Könige und Fürsten er-
haben sei. Nicht nur seine Gegner, sondern auch seine Bewun-
derer sprachen von seinem kaiserhchen Regiment. Das war nicht
eine Missdeutung, sondern es war das richtige Verständnis seiner
Absichten.^) In der That ist das Papsttum nach seinen Ideen das
Gegenbild des Kaisertums Karls d. Gr.: Geisthches und Weltliches
sind zwei selbstständige Gebiete. Wie sie nach Karls Überzeu-
gungen ihre einigende Spitze in dem Herrscher finden, der zugleich
einen kirchlichen Beruf hat, so nach den Überzeugungen Nikolaus' L
in dem Papste, welcher der Herrscher der ganzen Welt ist. Der
Glaube an die unbeschränkte Macht des Papstes in der Kirche
und an die Herrschaft der geistlichen Gewalt über die Aveltliche ist
in der fiiinkischen Kirche seit den Tagen des Bonifatius langsam
geAvachsen: durch Nikolaus kam er zur Reife; als Erbe seines
Pontifikats ist er an die Nachwelt übergegangen. Prinzipiell ist
durch ihn die Reichskirche zur Papstkirche geworden.
Für unseren Zweck ist es nicht nötig, die Geschichte des
Papsttums unter den Nachfolgern Nikolaus' I. eingehend zu ver-
folgen. Denn neue Gesichtspunkte traten im Verlauf der nächsten
Jahrzehnte nicht hervor. Man bemerkt nur jenes Schwanken, das
gewöhnlich eintritt, wenn ein grosses Ziel im ersten Anlauf erreicht
zu sein scheint. Die W^oge, die sich mächtig erhoben, fliesst wieder
zuriick. Nikolaus' Nachfolger haben weder die Grundsätze, die er
aufstellte, ohne AVanken festgehalten, noch die Gewalt, die er er-
rang, ohne Einbusse behauptet. Das Verfahren Hadrians II.-)
gegen Lothar war weit entfernt von der gleichmässigen Festigkeit,
die man an Nikolaus bewundert."^) Statt von der erwarteten Bau-
nung des Königs hörte man bald von päpstlichen Handlungen, die
eher an einen Friedensschluss mit dem gewissenlosen König denken
liessen.*) Es ist schier unglaublich, dass Hadrian im Jahre 868
Waldrada vom Banne löste.') Denn was bedeutet neben dieser
1) S. o. S. 552 Anm. 4. Regin. cbvon. z. J. 868: Regibus ac tyrannis
imperavit, eisque ac si dominus orbis terrarum auctoritate praefuit; vgl.
die eigene Äusserung des Papstes oben S. 540 Anm. 7.
2) 14. Dez. 867 bis Dez. 872, s. Duchesne II S. LXVII.
3) Über die Benützung Pseudo-Isidors durch Hadrian, s. Dümmler, Berl.
SB. 1899 S. 755 f.
4) Am Tage seiner Konsekration hob Hadrian II. die Exkommunikation
Thietgauds auf (v. Hadr. 616 S. 175). Lothar kam er sofort entgegen, in-
dem er seine Angelegenheit nicht als erledigt behandelte (ep. 13 Mansi XV
S. 833, J.W. 2892).
5) J.W. 2897. Der Papst fügte sich dabei dem Fürwort des Kaisers.
Die Zeit ergiebt sich daraus, dass er den deutschen Bischöfen die Abso-
— 55.S —
That die Versi^lle^un^^ dass die AiKH-dimn.^cii hcines grossen Vor-
gängers in Geltung Idielten?^) Lothar selbst gewährte er im
nächsten Jahi- eine Zusammenkunft, mit eigener Hand reichte er
ihm das heil. Abendmahl: gab es da noch einen Rückweg?"^) Günther
von Krdu wurde zur Laienkommunion zugelassen und ihm die Aus-
sicht auf Wiederherstellung in sein Amt eröftiiet/') Wahrschein-
lich hat nur Lothars Tod*) den greisen Papst vor weiteren Zu-
geständnissen behütet, die der Sache, die er vertrat, schädlich
gewesen wären. Auch in andeivn Fiagcn vermochte ei- nicht durch-
zudringeu.'')
Nicht minder war Johann N'ill.") zu mancherlei Zugeständ-
nissen genötigt, die mit den päpstlichen Ansi)rüchen nicht in l'ber-
einstimmung standen: ausdrücklich und thatsächlich räumte er den
Fürsten das Recht über die Bistümer zu verfügen ein.") Das zeigte
lution des verbrecherischen Weibes am 12. Februar 868 mitteilte J.W. 2898;
gleiche Mitteilungen ergingen nach Frankreich und Lothringen, Ann. Bert,
z. 868 S. 91.
1) J.W. 2905, vom 8. Milrz 808 an Hinkmar.
2) Ann. Bert. z. J. 869 S. 99; vgl. H.'s Rede zu Monte Cassino (Wiener
SB. 72 S. 532 ü'., herausgegeben von Maassen. Dazu Dümmler, Berliner SB.
1899 S. 754 ff. Dass das fragliche Schriftstück eine Rede des PaiJstes ist,
ist nach D.'s Darlegungen kaum inohr zu bezweifeln). Die Kommunion in
Monte Cassino war nicht nur ein Frevel Lothars, sondern auch ein Inrecht
de.s Papstes, da er wissen musste, dass Lothars Versicherung eine Lüge war.
Düramlers Lob der Klugheit und Festigkeit (OFr. \l. II S. 240) scheint mir
Hadrian in dieser Sache nicht zu verdienen.
3) Ann. Bert. z. 869 S. 99. Dümmler a. a. 0. S. 760 Anm. 3 verweist
ferner auf zwei Briefstellen: Hadrian an Ludwig und Günther an Hadrian
bei Floss, Leon. VIII. privil. S. 69 u. 91.
4) 8. August 869 zu Piacenza Reg. chron. z. d. J. S. 98. Die letzte
Notiz, die wir über die in diese Tragödie verwickelten Personen haben,
wirkt fast versöhnend; Thietberga trug Sorge, dass das Grab des Mannes,
der sie Verstössen hatte, in Stand gehalten wurde, indem sie der Kirche,
in der er begraben lag, zwei Güter schenkte (U.M. 1578). Waldradas
Name steht im Totenbuch von Remiremont z. 9. April (Kbner N.A. XIX
S. 66).
5) Über seine vergebliche Intervention zu Gunsten Kaiser i^udwigs II.
.-.. Dümmler, OFr. R. 11 S. 30:'. H'., über seinen erfolglosen Streit mit Hinkmar
s. Dümmler S. 323 ff.; Schrörs, Hinkmar S. 343 ff.
6) 14. Dezember 872—16. Dezember 882, s. Duchesne II S. LXVII.
7) Coli. Brit. ep. 2 S. 298 f.; ep. 61 .Mignc 126 S. 715; ep. 214 1. c.
S. 830; 228 1. c. S. 840; 289 ff. S. 901 ff.; 310 S. 920; Hug. Flav. chron. I
M.G. S'cr. VIH S. 354. Die Suspension Bertulfs von Trier, den Karl d. K.
eingesetzt hatte (Regin. chron. z. J. 869), vermochte er nicht aufrecht zu
— 559 —
sich besonders iu dem Streite um Köln. Nach der Absetzung
Günthers und Thietgauds bheben beide Bistümer Jahre hing er-
ledigt.^) In Trier fand erst nach Lothars Tod die Neuwahl eines
Bischofs statt: Karl d. K. wusste dafür zu sorgen, dass sie seinen
pohtischen Interessen entsprach. Er verständigte sich mit den
Grossen über die Erhebung Bertulfs, eines Neffen des Metzer
Bischofs Adventius, der in den Händeln der letzten Jahre eine
wenig rülnnhche Rolle gespielt hatte."-) In Köln hatte zwar schon
Lothar das Erzbistum dem Weifen Hugo übertragen, einem unwür-
digen Menschen, den nur seine Verwandtschaft mit der Kaiserin
Judith empfahl.'^) Aber dieser machte sich bald xmmöglich; nun
kehrte Günther zurück: sein Bruder Hildiüu, ein paar Jahre vorher
zmn Bischof von Cambrai ernannt, aber von dort verdi-ängt, vollzog
für ihn die bischöflichen Amtshandlungen.*) Nach Günthers Tode
suchte Karl ihm das Erzbistum zu verschaffen;") allein Ludwig
d. D. kam ihm zuvor, indem er durch Liutbert von Mainz den
Kölner Kleriker Willibert wählen und konsekrieren hess. Das Avar
Anfang 870.") Hiegegen hatte schon Hacbian als gegen eine
Kränkung Borns Einspruch erhoben, Wilhbert nach Rom vorge-
laden und ihm das Pallium verweigert.') Johann wiederholte die
Vorladung unter Drohung mit der Exkommunilvation, und versagte
ihm das PalHum von neuem, da sein Glaubensbekenntnis unbe-
friedigend sei.^) Aber das waren nur tapfere Worte; denn nach
einigen Monaten sah er sich genötigt, Willibert die erzbischöfliche
Binde zu übersenden, ohne dass dieser einen weiteren Schritt daiiim
gethan hatte. ■^) Sprach es Johann offen aus, dass die Kirche iu
diesen gefährlichen Zeitläufen mit Mässigung und Zurückhaltung
erhalten (Coli. Brit. ep. 25 S. 305), ebensowenig die Ablehnung Frothars
als Erzbischofs von Bourges (ep. 37 Migne 126 S. 689).
1) Vgl. oben S. 544.
2) Regln, chron. z. 869 S. 98.
3) Ann. Bert. z. J. 864 S. 71. Hier ist er charakterisiert als tonsura
clericus et ordinatione tantummodo, moribus autem et vita a fideli laico
discrepans. Vgl. Ann. Xant. z. 866 S. 232.
4) Ann. Bert. z. 866 S. 81 ; die Ernennung für Cambrai war an dem
Widerspruch Nikolaus' I. und Hinkmars gescheitert, s. o. S. 543 und Gesta
pont. Cam. I, 50; doch vgl. über Hilduin Dümmler, OFr. R. II S. 290 f.
5) Regin. chron. z. 869 S. 98.
6) A. a. 0. S. 99; Ann. Fuld. z. 870 S. 70; Ann. Col. brev. S. 97.
7) B.M. 2930 V. 27. Juni 870; 2932 v. 15. Juli 870.
8) B.M. 2986, Anfang September 873.
9) B.M. 2988, Anfang 874.
— 560 —
vei'fahivn inüsse,^) so war das ohne Zweifel sehr begründet: aber
durcligreifende Ideen hissen sich nicht zum Siege führen, indem
man darauf verzichtet, sie geltend zu machen.
Seit Johanns VIJI. Tode Avurden die Beziehungen Roms zu
den Kirchen diesseits der Alpen weit loser als sie in dem Jahr-
hundert vorher gewesen waren. Das in den Streit der italienischen
Parteien verflochtene Papsttum verlor seine allgemeinen Ziele aus
den Augen. Die unvermeidliche Folge war. dass die unter Niko-
laus hochgestiegene Macht Roms rasch und tiefer sank, als je
vorher.
Dazu kam das Beharrungsvermögen des Bestehenden. Den
Anschauungen Nikolaus' I. gegenüber war die Ff)rtdauer wirklicher
oder scheinbarer Herrschaftsrechte des Kaisers in Rom in-ationell.
Aber sie waren durch die Macht geschützt, die jedem. Jahrzehnte
lange bestehenden Zustand eignet. Noch mehr gilt das von der
Stellung des Königs zur deutschen Kirche. Sie war an sich viel
stärker als die Herrschaft des Kaisers in Rom. Umsoweniger war
an eine rasche Umgestaltung zu denken. Aber während der Zu-
stand bheb, waren die Überzeugungen andere geworden. Wider-
spruch gegen Rom galt als Empörung gegen Gott;'-) nichts schien
so fest zu stehen als die Unfehlbarkeit des Papstes;;^) offen sprachen
es die Bischöfe aus, dass sie ihm zu gehorchen verj)flichtet seien,
auch wenn er ihnen kaum erträgliche Lasten auflege. '') Dass der
römische Bischof das Kaisertum ül)ertrage, l)egann herrschende An-
schauung zu werden.'*) So dachten die Nachfolger der Männer,
1) Moderatio sedis apostolicae et universalis ecclesiao dispositio in hoc
periculoso tempore pene cuncta dispensatorie moderanda compellit (op. 61
S. 716j.
2) Ann. Xant. z. .J. 865 S. 231 über den Protest Günthers und Thiet-
gaudn: Loquente per eos apostata spiritu qui dixit: Ponam solium meuni
ad aquilonem et ero similis altissimo.
3) Regino von Prüm erklärt (lünther und Thietgaud tür Thoren, qui
illam Petri sedem aliquo pravo dogmate fallere posse arbitrati sunt, quao
nee fefellit noc ab aliqua haeresi unquain falli potuit (Chron. z. J. 86"»
S. 572).
4) Conc. Tribur. (a. 895) c. 30, Mansi XVIll S. 147: In memoriam
b. Petri apost. honoremus s. Homanam et apostolicam sedem, ut quae
nobis sacerdotalis mater est dignitatis, esse debeat magi.stra ecclesia-sticae
rationis. Quare servanda est cum mansuetudine humilitaa, ut licet vix
fprendum ab illa s. sede imponatur iugum, conferamus et pia devotiono
toleremn.'i.
5) Regin. chron. z. '^96 von Arnulf: A Formoso . . coronatus, Impera-
tor creatur. Die italienischen Grossen über das Kaisertum Karls d. K.
— 561 —
die mit Karl nach Rom gezogen waren, um Leo III. zu richten
und die noch Ludwig d. Fr. erklärt hatten, mit oder gegen seinen
Willen müsse der Papst der Wahrheit sich fügen. Konnte eine
solche Umstimmung ohne Folgen bleiben? Denn schliessHch sind
es doch die Überzeugungen, durch welche die Zustände bedingt
und gestaltet werden.
(Cap. 220 Februar 876 II, 99) : Divina pietas vos . . per . . Jotannem sum-
mum pontificem . . ad imperiale culmen s. Spiritus iudicio provexit.
Hauck, Kirchengeschichte, n. 2. Aufl. 36
Zweites Kapitel.
Das Mönchtum.
Die gesetzgeberische Thätigkoit in der fräiikisclien Kirche
begann mit dem Tode Karls d. Gr. zu erlalinieu.
Zwar verkündigte Ludwig d. Fr., nachdem er den Thron be-
stiegen hatte, er werde nicht nur die Anordnungen und Einrich-
tungen seiner Vorfahren und besonders seines Vaters unverletzt
bewahren, sondeni auch den von ihnen l)eschrittenen Weg fort-
setzen.M Auch hat er in der ersten Hälfte s(>iner Regierung
nicht wenige Vorschriften über kirchliche Angelegenheiten er-
lassen. Er liebte es die Notwendigkeit von Kcfornicn zu be-
tonen.^) Seit 8H0 war freilich jede Regierungsthätigkeit durch den
Streit des Kaisers mit seinen S<>hnen gelähmt. Aber seit der
Wiederhei-stellung des Friedens nahm Tiudwig die kirchlichen
Reformgedanken von neuem ;iut; n;icli seinem Befeiil fand am
(). Febniar S8t) eine grosse Synode in Aachen statt, um ihn iilici-
die Regierung der Kirche zu beraten.'^) An einer gewissen Thätig-
keit fehlte es also nicht, wohl al)cr an jeder Frucht dereelben.
Man kam nie über Überlegungen. \\'ort.\ Reschlüsse hinaus. So
viel von der lieform gesprochen wurde, so wenig wurde sie voll-
zogen. Und das, was Ludwig anordnete, war nicht neu. Wenn
man seine Kapitularien oder die Beschlüsse von Aachen durchliest,
80 begegnet man wenig originellen Gedanken. Was über die Amta-
1) Cap. 137 (rt. S18) I S. 274; vgl. 150, 1 (a. 823-825) I S. 303.
2) Cap. II S. 2 Nr. 184; S. 4 Nr. 185; S. 27 Nr. 196 aus den Jahron
828 u. 829.
3) Manai XIV S. 672 S.
— 563 —
pflichten der Bischöfe und Priester,^) über die Rechte des Episko-
pats'-) und die Einkünfte der Kirchen,'^) über die Disziphn unter
Klerikern und Laien ^) oder über die Aufgaben der Königsboten ^)
gesagt ist, das alles hatte sein Vorbild an der Gesetzgebung Karls.
Neu war, dass Ludwig schon in den ersten Jahren seiner Regie-
rung das Recht der Gemeinden, ihre Bischöfe zu wählen, ausdrück-
lich anerkannte.*') Aber so leicht es begreiflich ist, dass der Epis-
kopat an das alte kirchhche Recht erinnerte, so schwer ist es
verständlich, dass der Kaiser die Beobachtung desselben ohne Ein-
schränkung zusagte. Denn um seiner Herrschaft willen konnte er
auf den Einfluss nicht verzichten, den die Fürsten stets auf die
Besetzung der kirchHchen Amter ausgeübt hatten. Die Verfügung
Ludwigs änderte denn auch an dem bisherigen Zustande nichts,
Sie gehört zu den Reformabsichten, die Absichten bheben. Selbst
die Bischöfe wussten es nicht anders, als dass es der König ist,
der die Leiter der Kirche bestellt.'') In der That war auch da,
wo gewählt wurde, das Verfahren staathch geleitet. Die Handlung
1) Cap. 138, 28 (a. 818. 819) l S. 279; 150; 4 f.; 187 (a. 829) II S. 8;
Conc. Aquisgr. c. I und II S. 674 ff.; II b. c. 4-10 S. 680 ff.; 16 S. 653;
vgl. oben S. 231 ff. Das einzige Neue ist die Anordnung Conc. Aquisgr. c.
2, 10 S. 678, wonach die litania maior am 25. April zu begehen sei, nach
römischer Sitte. Es ist die Prozession am Markustage.
2) Cap. 138, 9 (a. 818. 819); 191, 1 (a. 829) II S. 12; vgl. oben
S. 230 f.
3) Über Neunten und Zehnten: Cap. 138, 12 S. 277; 140, 5 (a. 818,
819) S. 287; 141, 6 (a. 819) S. 289; 150, 23 (a. 823—825) S. 307; 191, 5 ff .
(a. 829) II S. 13; vgl. die Anordnungen Karls oben S. 222 ff. Neu ist die
Bestimmung, dass jede Kirche mindestens einen von Lasten freien Mansus
besitzen soll (138, 10; 191, 4 S. 12). Dagegen haben die zum Schutze der
kleinen Besitzer getroffenen Anordnungen (138, 7; 141, 1 [a. 819] S. 289)
wieder Parallelen an Verfügungen Karls (s. o. S. 212 ff.).
4) Cap. 138, 17; vgl. oben S. 237, 150, 9 S. 304, vgl. oben S. 249 f.
5) Cap. 141, 23 ff'. S. 291; 151 (a. 825) S. 308; 152 (a. 826) S. 309 f.
Conc. Aquisgr. IIb c. 15 S. 683, vgl. oben S. 279 f.
6) Cap. 138, 2 S. 276: Sacrorum canonum non ignari, ut in Dei no-
mine sancta ecclesia suo liberius potiretur honore, adsensum ordini eccle-
siastico praebuimus, ut scilicet episcopi per electionem cleri et populi se
cundum statuta canonum de propria dioecesi remota personarum et munerura
acceptione ob vitae meritum et sapientiae donum eligantur, ut exemplo et
verbo sibi subiectis usquequaque prodesse valeant. Von dem im fränkischen
Reiche längst anerkannten Bestätigungsrecht des Herrschers ist nicht die
Rede. Es ist selbstverständlich, dass es durch die Erneuerung des Wahl-
rechts nicht aufgehoben werden sollte.
7) Cap. 196, 57 (a. 829) S. 48; vgl. S. 521 Anm. 3.
36*
— ÖH4 —
begann ]uit einer Ansprache des Königshoten, in wrloher er an die
für einen Bischof notwendigen Eigenschaften erinnerte, sodann die
einzelnen Stände zn gewissenhaftem Gebrauch des Wahlrechts er-
mahnte und dreitägiges Fasten, Alinosenverteilung und Gebete
anordnete. Das Ergebnis der Wahl wurde in einem Wahldekret
beurkundet,^) Nun musstt* die königliche Bestätigung erholt werden;
<'s kam auch unter Ludwig vor, dass sie wiederholt versagt wurde.')
Erst nachdem der König der Wahl zugestimmt hatte, konnte die
Bitte an den Metntpohten um Konsekration erfolgen."') Auch unter
A'oraussetzimg der Wahl l)lieb also die Bestätigung oder Ableh-
nung durch den König die Hauptsache."*) Es war nicht unrichtig,
wenn man sagte, dass der Gewählte durch seinen Befehl Bischof
wurde.'') In nicht seltenen Fällen aber unterblieb die Beteiligung
der Gemeinden ganz und der König ernannte die Bischöfe.")
1) Vgl. Form. eccl. 1 ff. S. 549.
2) Ergiebt sich aus den lehrreichen Briefen des Klerus von Sens nach
dem Tode des Erzbischofs Jeremias 828, Froth. ep. 13—15 M.G. Ep. V
S. 285 ff. Ludwig hatte das Wahlrecht ausdrücklich gewährt, aber nach
dem Gutachten der missi lehnte er den Gewählten ab.
3) Form. eccl. 3 f. S. 553.
4) Beispiele sind die Erhebung Drogos von Metz, Rimberts von Ham-
burg, Hraban>; von Mainz und Annes von Freising. Über den ersteren er-
zählen die Reichsannalen: (Ludovicus) Drogonem . . Mettensi ecclesiae, clero
eiusdem urbis consentiente atque eligente, rectorem constituit (z. .1. 823);
über den zweiten liest man : Ipso die deposicionis domni Ansgarii Rimber-
tum omnes concorditer olegorunt. Cum cuius concordiao pacto ad . . regem
Hluilewicum adduxorunt cum . . . Susceptusque ab eo honorifice cum pon-
tificalis baculi iuxta morem commendatione episcopatus est sortitus domi-
nium (v. Rimb. 11 S. 89 f.); über den dritten: Archiepiscopatum cum magno
favoro principum Franrornm et consentanea cleri et populi electione . .
ailoptiis est (ep. Fuld. frag. 31 S. 581\ über den letzteren: Contigit . . ple-
bem elogisse sibi Annonem episcopum, quod domnus rex Ludovicu.s as.sen-
ait (Meichelbeck, H. Fris. I, 2 S. 350 Nr. 702). Auch die Wahl Williberts
von Köln mag erwähnt werden; sie zeigt sehr deutlich, dass der Wahlakt
zur blossen Formalität werden konnte (Ann. Fuld. z. J. 870, Regin. chron.
z. .T. 869). Vgl. endlich die Synode von .Tuditz (844) c. 2 (M.G. Cap. 227, 2
II S. 114).
5) Serv. Lup. ep. 114 S. 100 von Aldrich von Sens: Caosaris iussu et
bonorum annisu; vgl. Gesta Aldrir. 1 M.G. Scr. XV S. 309.
6) I. J. 828 urteilt Wala: Quod episcopatus secundum canonicam, auc-
toritatem non rite darentiir neque electio servaretur (V.Wal. II, 4 S. 550.
Das Urteil wiegt um so schwerer, da nach Walas Ansicht die Einwirkung
des Herrschers auf die Besetzung der Bistümer durch die Wahl keineswegs
ausgeschlossen wurde (1. c. 2 S. 548). Man sieht, dass Ludwig, ohne sich
— 5G5 —
Trotz der generellen Anerkennung des Wahlrechts erschien dasselbe
nicht mehr als ein Recht, das den Kirchen an und für sich eignete,
sondern als ein Privilegium, das ihnen vom Könige verliehen wurde. ^)
So war es unter Ludwig und das änderte sich auch unter seinen
Nachfolgern nicht. ^
Nur in einem Punkte war Ludwig im Vergleich mit Karl
der thätigere: in seiner Sorge für das Mönchtum.
Nach Karls ganzer Geistesart kann man Verständnis für das
asketische Lebensideal bei ihm nicht vermuten. Er wurde deshalb
nicht zum Gegner der Mönche und nicht zum Feinde der Klöster.
Manchen Mönch wusste er zu schätzen, manches Kloster wiu"de
'!
durch ihn mit Gütern und Privilegien begabt. Aber er hat dabei
Mass gehalten: in Deutschland können sich nur zwölf Klöster dessen
rühmen, dass Karl sie bereicherte;^) kein einziges ist von ihm ge-
an seine Zusage zu erinnern, einfach ernannte. Auf diese Weise scheint
Otgar das Erzbistum Mainz erhalten zu haben; super qua (sede), schreiben
die Mainzer an Ludwig, eum . . sapientia vestra consedere fecit, M.G. Ep.
V S. 325 Nr. 18.
1) Das erste Beispiel ist das Privilegium für Aquileja (B.M. 310), s. o.
S. 201, 3; Karl d. Gr. gewährte es dem Bistum unter Wahrung seiner Rechte.
Durch Ludwig d. Fr. erhielten das gleiche Recht die Bistümer Worms
(B.M. 518), Modena (B.M. 725), Aquileja (B.M. 999j; durch Lothar I. Chur
(B.M. 1062) und Aquileja (B.M. 999); durch Karl d. D. Chalon s. S. (B.M.
1656) und Paderborn (B.M. 1669); durch Ludwig d. K. Halberstadt (B.M.
1948) und Freising (B.M. 1977); durch Karl d. E. Trier (Beyer, ÜB. I, 220).
Dazu kamen Verleihungen für den einzelnen Fall (s. Form. Sangall. 1
S. 395). Für den Westen vgl. den interessanten Brief des Servatus Lupus,
bezw. des Wenilo von Sens 39 S. 103 f.
2) Unter Ludwig d. D. scheinen Ernennungen ebenfalls nicht ganz
selten gewesen zu sein. Hrabans Nachfolger Karl wurde Bischof ex volun-
tate regis (Ann. Fuld. z. J. 856); den aus Rheims vertriebenen Ebo ernannte
der König zum Bischof von Hildesheim (Ep. conc. Tricass. Mansi XV S. 794),
Gauzbert zum Bischof von Osnabrück (Querimon. Egilm., Osnabrücker ÜB.
I S. 54: Rege concedente). Über Lotbars 11. Ernennungen s. o. S. 543 und
559. Auch unter Arnulf war die Stimme des Königs ausschlaggebend: durch
ihn wurde Sunderold Erzbischof von Mainz (Regln, chron. z. J. 889), auch
dessen Nachfolger Hatto verdankte ihm seine Würde (Urkunde bei Dämge,
Reg. Bad. S. 82), ebenso Adalgar von Hamburg (Adam. Gst. Ham. eccl.
pont. I, 47 f. S. 33), vielleicht auch Rudolf von Würzburg (Regln, chron.
z. J. 892; vgl. Dümmler, OFr. R. III S. 475).
3) Am reichsten wurde Hersfeld bedacht (s. o. S. 214 Anm. 2); dann
folgen Fulda (B.M. 191, 201, 218, 219, 239, 240, 247, 438) und Lorsch (1. c.
149, 165, 205, 252 a), ferner die arnulfin gischen Familienstiftungen Prüm
(1. c. 298, 326, 408, 417j und Echternach (1. c. 332—334), ausserdem Fritzlar
(1. |c. 242), Utrecht (1. c. 206), die Stiftungen Fulrads zu Herbrechtingen
— o66 —
prüudet. Weit f:jrösser ist tlie Zahl (U^rjenificn. die er dem kirch-
licheu Rechte zuwider an Männer, die ihm nahe stunden, vergahte.')
Sie hatten zum Teil schwer durunter zu leiden.-) Zog er Mönche
an seinen Hof, so mochten sie sich der Gunst, die darin lag, er-
freuen; aber er entfremdete sie doch eigentlich dem Lebensziele,
dem zu dienen sie verpflichtet waren. Auch schätzte er sie, nicht
weil sie Mönche, sondern w^eil sie Gelehrte waren: als solche sollten
sie wirken, mochten sie dann nebenbei auch Mönche sein. Wenn
er die Klöster als geeignete Orte für gelehrte Schulen be-
trachtete, so war das jücht viel anders: auch hiebei wurde ihnen
eine Bestimnuing aufgedrängt, die ihnen ursprünglich fremd war.
Einstmals hatten die ersten Mönche Galliens es für fromm gehalten,
schlecht zu schreiben,^) jetzt mussten ihre Nachfolger sich durch
den Kaiser belehren lassen, dass auch der richtige Ausdruck Gott
angenehm ist.*)
AVährend Karl die bestehenden Klöster seinen Regierungs-
zwecken dienstbar zu machen suchte, legte er keinen Wert auf
Vermehrung ihrer Zahl. Sie nahm denn auch nur massig zu.
Sieht man auf das Einzelne, so scheint in der Erzdiözese Trier
nur eine von St. Denis abhängige Zelle während der Regierungs-
zeit Karls gestillet worden zu sein, Salona, das spätere St. Privat
in der Diözese Metz, eine Stiftung P'ulrads.'^) Auch das Kölner
Erzstift kennt nur eine Klosterstiftuug, die von Werden an der
Ruhr.") Zahlreicher sind neue Niederlassungen der Mönche im
(I. c. 166) und zu Fulradsweiler (1. c. 167), endlich die b;iirischen Klöster
St. Emmerara und Altaich (1. c. 312, 425). Hiebei bandelt os sich nicht
immer um Schenkungen im eigentlichen Sinn: Karl gicbt weiter, was ihm
übergelien wird, da,s Klösterlein Holzkirchen an Fulda (101 1, oiler er giobfc
zurück, was dem Kloster von Rechtswegen gehörte, den Weiler Kasdorf an
Fulda (240), oder er überläest den kirchlichen Stiftungen Güter, welche sie
thateächlich, aber mit Unrecht inne hatten (326 vgl. 408j.
1) S. 0. S. 202 Anm. 3.
2) Vgl. die lieweglicben, aber wahrscheinlich übertriebenen Klagen
eines unbekannten Klosters: Ex qua die nos illi bcneticiasti et nos de vestro
mundeburdo discessimus, ex illa die non habuiraus nee vestimenta, nee cal-
ciamenta, nee uncto nee sapono nee cibo, sicut antea fuit consuetudo (Form.
Sal. Merk. 61 S. 262).
3) Vgl. Bd. I S. .55.
4) Cap. 29 S. 70: . . ut qui Deo placere appotunt recte vivendo, ei
etiam placere non negligant recte loquendo.
5) Test. Fulradi, Wirt. ÜB. I Nr. 18 S. 18. Urkunde Karls von 777
B.M. 208. Karl bestätigt die Exemtion von der Gewalt der Metzer Kirche
und verleiht Immunität.
6) Vgl. oben S. 407. Das KoUegiatstift St. Cassius und Florentius zu
— 567 —
Erzbistum Mainz, Dabei steht jedoch der rheinische Teil der Diö-
zese hinter dem schwäbischen, ostfränkischen und hessischen zurück.
Jenem geliört St. Alban von Mainz an. Bei der alten Kirche des
Mainzer Ortsheiligen bestand wahrscheinhch längst ein Stift. Als
Karl seine Gemahlin Fastrada in der Kirche begraben Hess, mag
die Umwandlung in ein Kloster vorgenommen worden sein.-^) Im
unteren Taunus gründete sodann Bischof Lul das Kloster Bleiden-
stadt,-) auf dem linken Rheinufer Lioba, die Äbtissin von Tauber-
bischofsheim, ein Nonnenkloster in Schornsheim.^) Nennt man
noch Khngenmünster*) in der Diözese Speier, St. Cyriac zu Neu-
hausen ■'^) in der Diözese Worms und das von Lorsch abhängige
Bonn bestand unter Karl. Die älteste erhaltene Urkunde stammt aus d. J.
787 (N.A. XIII S. 15.5 Nr. 12). Auch Godesberg wird zuerst in dieser Zeit
erwähnt (Abt Fridowin de Guodanesmons in Urkunde Nr. 18 für St. Cassius
und Florentius aus den Jahren 800—814 1. c. S. 157). Aber es bleibt frag-
lich, ob beide Stifter nicht älter sind. Im Bistume Lüttich wird das Kloster
Berg bei Roermond zum ersten Male vielleicht von Alkuin genannt (carm.
31, V. 9 f. S. 249); es kam 858 durch Lothar IL an Utrecht, B.M. 1248, und
wurde wohl infolge dessen Kollegiatstift.
1) Erste Erwähnung der Kirche i. J. 758 (Dronke, C. D. S. 12 Nr. 18,
Grab der Fastrada Ann. Lauriss. Einh. z. 794, Neubau des Münsters Ann.
Lamb. z. 796, Weihe am 1. Dezember 805, Ann. Wirzib. Scr. II S. 240;
Kloster cont. Regln, z. 960 S. 170: Ex coenobitis s. Albani.
2) Dass Bleidenstadt (St. Ferrutius) unter Karl bestand, unterliegt
keinem Zweifel, s. die Urkunden Nass. ÜB. I Nr. 46 und 48 S. 14; die
Angabe Megenharts von Fulda (de s. Ferrucio M.G. Scr. XV S. 150), dass
Lul die Reliquien des Mainzer Märtyrers Ferrutius von Kastei nach Bleiden-
stadt übertragen und das Kloster gegründet habe, ist deshalb glaubwürdig,
ebenso die Notiz, dass Riculf am 6. Juni 812 die Kirche weihte (Böhmer-
Will, Reg. Mog. S. 48 Nr. 19; vgl. Hrab. carm. 70 S. 225 und M.G. Poet,
lat. I S. 431).
3) Scoranesheim (V. Liob. 19 S. 130).
4) Durch Hraban erfahren wir, dass Karl Reliquien der Märtyrer
Theodulus und Alexander dahin bringen Hess (carm. 76 v. 7 S. 228). Die
Stiftung des Klosters fällt also wahrscheinlich in seine Zeit, schwerlich
früher. Im Reichenauer Verbrüderungsbuch steht Fleido, Bischof von Speier
und Abt von Klingenmünster, an der Spitze (Sp. 205, 2). L^nter Ludwig
d. Fr. oder seinem Sohn brannte es ab. Dabei gingen die Urkunden zu
Grunde (Urkunde Ludwigs d. D., B.M. 1351). Hraban stellte das Kloster
wieder her. Verse Hrabans für die 5 Altäre der Kirche Poet. lat. II S. 227.
5) Die Cyriakikirche in Neuhausen bestand unter Bischof Bernhar,
also zu Anfang des 9. Jahrhunderts (Pertz, Archiv XI, 476), das Kloster
ist unter Bischof Gunzo 867 nachweislich (vgl. die Urkunde Ludwigs d. D.,
B.M. 1422 und Wirt. ÜB. I Nr. 147 S. 173). Die Insassen werden von
Ludwig als fratres, also als Mönche bezeichnet.
— 56R —
^vonuenkloster Neuenhot^^) so sind die sämtlichen mittelrheinischen
Klöster anf;ei\ihi-t, deren Ursprung mit einiger AVahi'scheiulichkeit
der Zeit Karls zugeschrieben werden kann.
Grösser ist ihre Zahl in Schwaben. Im Bistum Augsburg
gi-ündete der Bischof Hariolf von Langres wahrscheinlich in der
letzten Zeit Pippins an der schwäbisch -fränkischen Grenze das
Kloster Ellwangen;-) etwas jünger ist das benachbarte Feucht-
wangen :^) auch die kleinen Zellen zu Stettwang'*) und Hii'sch-
zell ^} im Augustgau. Herbrechtingen ") und Aldrichszell ') im Alb-
gau imd vielleicht das Kloster Ottenbeuren "*) werden unter Kai'ls
Regierung entstanden sein. In der Kostnitzer Diözese werden im
beginnenden neunten Jahrhundeit mehrere von St. Gallen abhängige
ZeUen genannt, kleine Niederlassungen, die bald wieder verechwanden
oder in Pfarrkirchen umgewandelt wurden: Ratpotszell.") Mannzell,^")
1) lai J. 786 von der Äbtissin Abba an Lorsch übergeben (Cod. Lauresh.
I, S. 27 Nr. 12).
2) Elehenwang intra Virgundiam waldum. Urk. Ludwigs d. Fr. v.
8. April 814 (B.M. 502). Einen sagenhaften Bericht über die Gründung
giebt Ermenrich in seiner v. Hariolfi (M. G. Scr. X S. 11 ff.). Richtig
mag sein, dass die Gründung noch in Pipijins letzte Zeit lallt; man gab
später das Jahr 764 an (Chron. Elw. M. G. Scr. X S. 35). Vgl. Wirt. KG.
S. 45 f.
3) Zuerst erwähnt im Reichenauer Verbrüderungsbuch S. 154 und 192.
Es sind hier nur zwei Äbte Gozbert 128, 1 und Wigrat 130, 13 genannt.
Der Ursprung unter Karl ist also ziemlich sicher.
4) Urk. Ludwigs d. Fr. v. 25. Febr. 831 (B.M. 854). Ludwig schenkt
die seinem Vater übergebene Zelle dem Kloster Kempten.
5) Urk. Ludwigs v. 8. April 839 (B.M. 959). Der Kaiser vertauscht
die seinem Vater übergebene Aldrichszelle gegen die im Besitze des Klosters
Kempten befindliche Hirschzelle.
6) St. Veranus zu Harbrittinga. Urk. Karls v. 7. Sept. 774 (B.M. 166).
Die Zelle gehört zu den Stiftungen Fulrads, welche möglicher Weise
noch unter Pippin entstanden sind (Testam. Fulrads, Wirt. ÜB. I
Nr. 18 S. 18).
7) S. Anm. 5 oben.
8) Die Urkunde der angeblichen Stifter Silach und Erminswintli
fM. G. Scr. XXHI S. 611 f.) i.st ebenso unecht, wie diis Privilogiuni Karls
(B.M. 132). Die erste sichore Kunde giebt das ReichRnauer Verbrüderungs-
buch,da«Sp. 418S. 276AbtMilo und dieBrüderdeUttinbvrranennt. Baumann,
-■Mlgäu I, S. 114 ff. scheint mir den auch von ihm für wertlos erkannton
Quellen viel zu viel ..unzweifelhaft Feststehendes" zu entnehmen.
9) I. J. 827 als bestehend erwähnt, Wirt. ÜB. I S. 106 Nr. 91. Die
Ijjige ist nicht zu bestimmen, die Zelle wird nicht wieder erwähnt.
10) Maduncella, Manuncella, vielleicht ■■=-■ cella quae nuncupatur Maionis,
— 569 —
Perach toltszell ^) und Hiipoldszell.^) Vermutungen über den Ur-
sprung dieser Eintagsgründungen lassen sich nicht aufstellen: er
kann in Karls Zeit fallen; es ist aber eben so gut mögKch, dass
sie älter sind. Dasselbe gilt von den beiden Klösterlein, die Ful-
rad von St. Denis stiftete, St. Vitalis zu Esslingen am Neckar und
Adalungszell im Hegau. ^) Das bald wieder verschwundene Nonnen-
kloster zu Lauterbach im Schwarzwald wird unter Pippin ent-
standen sein.^) dagegen gehören in Karls Zeit die Klöster Schienen
in einem Hochthal zwischen Untersee und Rhein ^) und March-
thal an der oberen Donau. ^) Im Elsass kann man vier Klöster
mit einiger Wahrscheinlichkeit der Regierungszeit Karls zuschreiben :
das Nonnenkloster St. Stephan in Strassburg, ') Eschau, oberhalb
um 812 als bestehend erwähnt, Wirt. ÜB. I S. 75 Nr. 68, vgl. S. 82 Nr. 73
vom 12. März 816. Im J. 897 scheint sie schon Pfarrkirche zu sein, ib.
S. 200 Nr. 172. Mannzeil im Norden des Bodensees, OA. Tettnang.
1) 805 erwähnt, Wirt. ÜB. I S. 64 Nr. 60, kommt 824 an St. Gallen,
ib. S. 105 Nr. 90; jetzt Zell an der Donau, oberhalb Marchthal.
2) 855 durch den Priester Hupold an St. Gallen übergeben, Wirt. ÜB. I
S. 144 Nr. 123; er kann, muss aber nicht der Grüader sein. Der jetzige
Name ist nicht sicher, entweder Zell bei Isny oder Frauenzeil südlich von
Leutkirch. Ich füge eine Bemerkung über die v. Meinr. 4 Scr. XV S. 445
erwähnte, aber nicht genannte Reichenauer Zelle am Züricher See bei. Man
suchte sie bisher in OberboUingen. Allein Ringholz hat im Anz. f. Schweizer
Gesch. 1897 S. 473 ff. den Beweis geführt, dass vielmehr an Benken, vgl.
Bd. I S. 345, zu denken ist. OberboUingen ist aus der Reihe der Klöster
der Karolingerzeit zu streichen.
3) Testament Fulrads (Wirt ÜB. I Nr. 18 S. 18); St. Vitalis wurde
von einem gewissen Hafti, Adalungszell (St. Jorgius) von Dalongus (wohl
zu lesen Adaiongus) an Fulrad tradiert, von ihm also auf fremdem Besitz
gegründet. Sie blieben bei St. Denis, vgl. Nr. 124 und 141 S. 145 und 166.
Bessert vermutet, dass St. Vitalis in die Merowingerzeit zurückreicht und
in Verbindung mit Missionsthätigkeit aus Clermont steht (Wirt. KG. S. 53).
4) Leodrabach, i. J. 769 u. 786 als bestehend erwähnt (Wirt. ÜB. I
S. 10 Nr. 10 und S. 30 Nr. 30).
5) Skina. Um d. J. 800 von dem Grafen Scrot über Reliquien des
Märtyrers Genesius, die er in Italien erwarb, erbaut (Mirac. Genes. M. G.
Scr. XV S. 169 ff.). Das Kloster trat i. J. 846 in einen Totenbund mit
St. Gallen (Hist. de fratr. conscr. 12 S. Gall. Mitth. XI S. 24), später auch
mit Remiremont s. dessen Lib. vitae NA. XIX S. 67; hier sind 31 Mönche
unter Abt Lantbert genannt. Das Kloster wurde später ein Kanonikat (s.
die von Waitz M. G. Scr. XV. S. 169 Anm. 2 mitgeteilten Verse).
6) St. Peter. Vor d. J. 776 durch den Grafen Halaholf gegründet
(Wirt. ÜB. I S. 16 Nr. 17).
7 ■ St. Stephan wird als Kloster in der Reichsteilung von 870 genannt
(M. G. Leg. 1. S. 517); es ist aber älter; eine fuldische Urkunde von 801
— 570 —
Strassburg an der 111. eine Stiftung des Bischofs Eemigius,*)
gleichfalls fiii- Nonnen bestimmt, das von Fulrad gegründete Stift
des h. Cocovatus an der Leber, das nach ihm Fulradsweiler ge-
nannt wurde,-) und das unter Karl zuerst erwähnte Kloster INIas-
inünster im Sundgau. ''^)
Im Hessischen und Osfränkischen bemerkt man den grossen
Einfluss des Klosters Fulda: von keinem zweiten deutschen Kloster
■wai'en so vielfach andere Stiftungen abhängig. Schon Bonifatius
hatte auf dem nördlich von dem Klosüir gelegenen Hügel, der
si)äter nach ihm Bischofsberg geiumnt wurde, eine kleine Kirche
gebaut. Abt Ratgar erneuerte das Äfünster und enichtete bei
demselben ein Stift von Kanonikern. Es blieb von dem Kloster
abhängig.^) Im Würzburger Bistum entstanden unter Karl acht
zu Fulda gehörige Stiftungen: im Grabfeld Rasdorf. •'^) Wangheim,")
Hünfeld ") und Milz,**) im TuUifeld Fischbach.") im Saalegau die
erwähnt Grundbesitz von St. Stephan (Dronke, Cod. dipl. 171 S. 97). Über
die gefälschten Diplome Lothars I v. 845, Ludwigs d. D. v. 856 und des
Bischofs Wernher für das Kloster vgl. Wiegand, Ztschr. f. Gesch. des
Oberrh. N.F. IX S. 389 ff.
1) Notit. de fund. mon. Ascov. M. G. Scr. XV S. 995.
2) Jetzt Leberau, Urk. Karls v. 14. Sept. 774, B.M. 167 und Testament
Fulrads. Das in diesen Urkunden genannte Audoldivilare, St. Hippolyt,
wird schon unter Pippin gegründet sein (vgl. Transl. Viti 2 M.G. Scr. II S. 577).
3) Poet. lat. I. S. 94 c. 6 v. 10 f. Der Ursprung liegt ganz im Dunkeln.
Die angeblich äUeste Urkunde B.M. 751 ist eine Fälschung.
4) Dronke, Tradit. Fuld. S. 59, 23 ; die Zelle hatte nach einem jüngeren
Verzeichnis 23 Mönche und 16 Schüler (1- c. S. 183, 11).
5) Ratestorph, d. ö. von Hünfeld in Karls Urk. v. Dez. 781 (B.M. 240)
noch als Villa bezeichnet; das Kloster ist vor 814 gegründet (Dronke, Cod.
dipl. 432 S. 193), später von Hraban als fuldische Zelle erwähnt (ep. 33
S. 465). Nach dem oben Annierk. 4 genannten Verzeichnis (Dronke, Tradit.
Fuld. S. 183, 12) hatte das Kloster 32 Mönche und 20 Schüler.
fi) Vgl. oben S. 49, 3. Dronke, Cod. dipl. 88 S. 54: Ecclesia et mona-
ßteriolum constructum in Uuanglieinu'ro marca. Wangheim ist wohl das
jetzige Wenkheini bei Münnerstadt in Unter-Franken. Die Gründungszeit
ist unbekannt; das Klostor scheint bald wieder eingegangen zu sein.
7) Das Hünfeld, campus, qui dicitur Unofeld, mit seinen Wäldern
wurde von Karl i. J. 781 an Fulda geschenkt (H.M. 239,; die Zelle wird
zuerst 815 erwähnt (Wirt. UP. I S. 408 Nachtrag Bj; nach dem angeführten
Verzeichnis hatte sie 33 Mönche und 13 Schüler (Dronke, Tradit. Fuld.
S. 183 Nr. 13).
8) Die Stifterin Kmhilt übergiebt das Kloster am 3. Febr. 800 an
Fulda; CS hatte 22 Nonnen (Dronke, Cod. dii-l. 157 S. 88; vgl. Trad. Fuld.
S. 81. Nr. 38).
9) Eine Fuldiache Urkunde von 813 ist in raonasterio quod dicitur
— 571 —
Mattenzelle') und Baugolfsmünster,-) im Gau Waldsazzi Holz"
kirchen.^) Die meisten von ihnen waren wie die St. GaUer Zellen
im Konstanzer Sprengel nicht von langem Bestand. Auch das
von Lorsch abhängige Nonnenkloster Baumerlenbach, das unter
Karl gegründet wurde, scheint eingegangen zu sein, ohne dass
es je zur Blüte kam.*) Dagegen hatten Dauer die von einem
Kleriker Gumbert, der den Bischofstitel führte, gestiftete Abtei
in Ansbach,') das Nonnenkloster Schwai-zach im Volkfeld *')
und die Abtei Neustadt am Main.") Von den Eichstädter Klöstern
Fisgibah ausgestellt (Dronke Cod. dipl. S. 140 Nr. 279). Man wird an das
Fischbach im Tullifeld, das jetzige Fischbach an der Felda, Meiningen, zu
denken haben. Dort war Gumbert, der Stifter der Ansbacher Abtei, be-
gütert (v. Eckhart Fr. or. II S. 885 Nr. 9j; möglicherweise ist er der
Stifter gewesen. Das Kloster scheint bald eingegangen zu sein. Doch
wii-d nach einer Notiz von Herrn Pfarrer Stöbe noch 1764 ein Flurplatz
Nonnenzeil erwähnt.
1) Bestand i. J. 788 (Dronke, Cod. dipl. Nr. 87 S. 53; vgl. oben S. 50).
2) Die Gründungszeit ist nicht bekannt; doch ist die Zeit Karls sicher;
die erste Erwähnung der Zelle findet sich bei Rudolf (Mirac. sanct. in eccl.
Fuld. transl. 7 M. G. Scr. XV, 335j: Cella quae ob hoc, quod ab eo quon-
dam est habitata, Baugulfi vocatur. Nach einer Vermutung Schannats
Dioec. Fuld. S. 94 ist Baugolfsmünster das spätere Wolfsmünster a. Saale
unterhalb Hammelburg.
3) Vor 775 von Troandus auf seinem Eigengut erbaut. Der Stifter
übergiebt das Kloster Karl, der es an Fulda überträgt (Urk. Karls v. 3. Nov.
775, B.M. 191). Man hört später von 52 Mönchen und 18 Schülern (Dronke,
Tradit. Fuld. S. 184 Nr. 14). Vgl. Amrhein im Arch. des Hist. Vereins f.
Unter-Franken 88. Bd. 1896 S. 37 ff.
4) Das von der Nonne Hiltisnot soeben (modo) gegründete Frauen-
kloster St. Salvator in Arilinbach kommt 787 an Lorsch (Cod. Lauresh. 13. I
S. 30 f.).
5) Guntbert, der das Mai-ienkloster auf eigenem Grund und Boden ge-
baut, übergiebt es i. J. 786 dem König, welcher ihm Immunität und das
Recht der Abtswahl verleiht (Urk. Karls, B.M. 262; über Echtheit s. Sickel,
Act. Karol 259). Guntbert war begütert im Badanachgau, Rangau und
Tullifeld (Urk. Ludwigs 1. c. 940); noch unter Karl kam das Kloster durch
Tausch an V^^ürzburg (a. a. 0.).
6) Die Stiftungszeit ist nicht festzustellen; dass das Kloster unter Karl
bestand, ist zu vermuten, da es durch Theodrada, Karls Tochter, an Würz-
burg kam (Urk. Ludwigs d. D., B.M. 1336 vgl. 1381).
7) Vgl. die interpolierte Urkunde Ludwigs d. Fr., B.M. 573 v. 823.
Die Angabe, dass die Abtei von Karl gegründet sei, wird zu den interpo-
lierten Bestandteilen gehören; dagegen ist unanfechtbar, dass sie eine Ur-
kunde Karls besass, also zu seiner Zeit bestand.
— 572 —
gehören wuhrsoheiiilicli Spalt.') Henieclen und Guuzenhausen in
diese Zeit.-)
In der Salzbnrger Erzdiözese schnitt «he Absetzung Tassilos
die Thätigkeit zur Neugründung von Klöstern wie mit einem
Schlage ab:'') eine Thatsache, ebenso gewiclitig für die Beur-
teilung Karls wie Tassilos.^)
Lässt man die von älteren Klöstern abhängigen Zellen ausser
Ansatz, so ergiebt sich, dass während der sechsundvierzig Re-
gierungsjahre Karls in dem deutschen Teile des fränkischen Reichs
noch nicht zwanzig Klöster neugegründet wurden. So rege das
kirchliche Interesse w^ar. so richtete es sich doch nicht auf die
Ptlege asketischer Frömmigkeit. In diesem Zannnenhange ist es ver-
ständlich, dass Karl dem AVerbeeifer der Mönche entgegen *) die Auf-
nahme in das Kloster eher erschwerte als erleichterte,") dass er auch die
allzugrosse Ausdehnung der Kongregationen untersagte.") Er hat
einmal die Regel aufgestellt, ein Kloster dürfe nur so viele ^lönche
zählen, als der Al)t geistlich l)eraten könne.*") Er fürchtete, dass
die Klöster sonst ihre religiösen Absichten nicht erreichen würden.
Aber dies Hedenken war doch nicht sein einziges Motiv: er ver-
hehlte nicht, dass er überhaupt kein Wohlgefallen daran hatte, wenn
mau es als ei-strebenswertes Zi<'l betrachtete, recht viele Christen
zu München zu machen.")
Zur Foitfühiiing der von Bonifatius und Pippin begonnenen
Reformen gehört es, dass Karl die allgcMueine Annahme der Bene-
diktinen-egel förderte. '") Er ging dabei mit seiner gewohnten
Ij Das Monasteiiuni 8. Salvatoris, quod est constructum iuxta tluenta
Radantia, das in dfir Urkunde Ried, C. D. S. 10 Nr. 15 genannt ist, kann
nur Spalt sein.
2) Vgl. über diese Klöster iJd. 1 .S. b'l'i Anui. 4.
3) Vgl. oben S. 447.
4) Über die illtesten Klöster in Sachsen vgl. oben 407 fi".
5) Vgl. den Brief eines Aufiiahmewilligen Form. Aug. Coli. C. 1 S. 364.
6) Cap. 2.3, 11 (a. 78'J) S. 63; 44, Vi (a. 805) S. 123.
7) Cap. 43, 12 (a. 805) S. 122; 78, 6 (a. «13) S. 174; Conc. Mogunt.
(a. 813) c. 19 S. 70; Arel. c. 8 S. 60.
8) Cap. 43, 12: Do congregationibua superflui.s, ut nullat«nu8 fiant. sed
tantos congreget, quantis consiliuni dare potest.
9) Cap. 72, 11 (a. 811) ß. 164: Quam i)aucitatom conferat ecclesiae
Christi, quod i.s qui pastor vel raagistcr cuiuHcunque venerabili« loci esse
debet, magis studet in sua conversatione habere multos, quam bonos, et
non tantum probis quam multitudine hominum delectatur.
10) Cap. 2.3, 1 — 14 (a. 789) S. 63; 25, 3 (a. 792) S. 67; 37, 23 f.
(a. 802) S. 108; Ann. Lauresh., chron. Moiss. z. J. 802. Die Verordnungen
gegen das Einaiedlerwesen, Cap. 23, 1 und 2 (a. 789) S. 63, entsprechen
— 573 —
Gründlichkeit und Umsicht zu Wege: wie er sich eine Abschrift
der Gottesdienstordnung von Rom hatte senden lassen, so ver-
schaffte er sich ein Exemplar der Benediktinerregel von Monte
Cassino: •') er wollte den authentischen Text besitzen.'-) Auch die
ungelehrten Mönche sollten die Regel inne haben: sie wurde zu
diesem Zweck ins Deutsche übersetzt.'^) Ebenso liess er sich die
alte Verpflichtungsformel der Mönche von Monte Cassino mitteilen
und erholte dort Auskunft über eine Menge Einzelfi-agen.^) Die
Benediktiner haben Karl um dieser Anordnungen willen als Re-
formator des Mönchtums gerühmt.') Aber er hatte doch nur halbe
Teilnahme fm- diese Angelegenheit. In einem Hauptpunkte wurde
die Regel Benedikts nicht entfernt beobachtet: an Sicherheit der
ü'eien Wahl des Abtes war nicht zu denken. Karl war ausser-
ordenthch sparsam in der Verleihung von Wahlprivilegien, von
solchen für deutsche Klöster haben sich nui" vier erhalten, fiü-
Lorsch, Fulda, Hersfeld und St. Gumbert in Ansbach.*') Davon
dass überall die Einführung der Regel Benedikts notwendig sei, war
den Anschauungen der Benediktinerregel, zeigen aber doch, dass Karl von
der Bewunderung für die Heroen der Askese unberührt war.
1) M. G. Ep. IV S. 509 Nr. 13 (Abt Theodemar): luxta preceptionem
vestram en vobis regulam eiusdem b. patris de ipso codice, quem ille
suis sanctis manibus exaravit transscriptam , direximus. Vgl. N. A. XXII
S. 663.
2) "Welche Bedeutung das für die Textgeschichte der Benediktiner-
regel gewann, zeigt Traube in seiner Textgeschichte der Regula s. Benedicti,
Abh. der Münchener Akad. XXI S. .599 if. Sein Ergebnis ist, „dass Karl
d. Gr. es ist, der den fasst verschollenen reinen Text in seinem Reich
eingebürgert hat und so der Urheber eines neuen Zeitalters in der Text-
geschichte der Regula geworden ist." S. 673.
3) Herausgegeben von Hattemer, Denkmale des M.A. I, 26 ff., vgl.
Steinmeyer, Zeitschr. f. d. Alterth. XVI S. 131 ff. und XVII S. 431 ff.
4) In dem angeführten Briefe giebt Theodemar Auskunft. Die Ver-
pflichtung lautete: I. n. D. promitto me ego ill. in sacro monasterio b.
martyris s. confessoris ill. secundum instituta b. Benedicti coram Deo et
s. angelis eius presente etiam abbate nostro ill. omnibus diebus meis in
hoc s. monasterio amodo et deinceps perseveraturum et in omni oboedi-
entia quodcunque mihi praeceptum fuerit oboediturum. Ego ill. talis
hanc promissionem a me factam manu propria coram testibus scripsi et
roboravi. Vgl. M. G. Form. S. 570, wo diese Formel als Exemplar promis-
sionis, sicut solebant antiqui monachi regulam promittere, vorkommt.
' 5) M. G. Ep. IV S. 510 Nr. 13.
6) B.M. 148, 169, 172, 262; vgl. indess 581 und 807, wonach Karl
auch Reichenau und Münster im Gregorienthai die Abtswahl gewährte;
ausserdem für Aniane 309, St. Vincenzo 275 und Monte Cassino 276.
— 574 —
er keineswor^s üheiycugt. Wenn er sich tür eine Besprechung mit
den Bisch()fen (he Frage notierte, ob es ausser den Benedik-
tinern noch andere Mönche geben könne, und ob es in Galhen
]\rönche gegeben habe, ehe man die Benediktinerregel kannte,*)
so ])eantwortete er beide Fragen mit Ja. Eine weitere Fi-age
zeigt, dass er sie aufwarf, weil er nicht an die Alleingiltigkeit der
Regel Benedikts glaubte; indem er fragte: Xach welcher Regel
haben die gallischen Mönche vor Benedikt gelebt, da man doch
weiss, dass Martin von Tours ein ]\rönch war und Mönche leitete?-)
gab er in der Frage deutlich genug seine Meinung kund.
Diese kühle Stimmung des Kaisers macht es begreiflich, dass
das von den Mönchen ei-strebtc Ziel, allgemeine Annahme der
Benediktinerregel, während seiner Regierung nicht erreicht wurde.
In nicht wenigen Klöstern galten immer noch die älteren Statuten.^)
Fn anderen lebten die Mönche, ohne die Regel ab/uschaffen, kaum
mehr durch ihre Bestimnuingen gebunden.') oder iioben sie geradezu
auf und verwandelten die Klöster, von dem Körnige nicht gehindert,
in Kanonikate:'') das kam einer sehr bedeutenden Ermässigung der
asketischen Anforderung gleich.
1) Cap. 71, 12 (a. 811) S. 161 f.
2) Cap. 72, 12 (a. 811) S. 164.
3) Z. li. in St. Wandrille (Gest. alb. Font. 17 S. 50 f.), und wie es
scheint, in den Kleistern der Bretagne überliaupt (Houq. VI, 513).
4) V. Bened. 36 M.G. Scr. XV S. 215: Multa nionasteria erant, quac
quondani regulariter fuerant instituta, sed paulatiiii tepescente rigore regu-
erlaris pene deperierat ordo. So in St. Martin in Tours, selbst unter Alkuins
Leitung; vgl. die wenig rücksichtsvolle Schilderung der Zustände in Karls
Brief fep. Ale. 247 S. 400j : Aliquando monachos, aliquando canonicos, ali-
quando neutruni vos esse dicebatis. Wie häufig solclie Zustände waren,
sagt .Vlkuin selbst ep. 2.58 S. 416, wo er von dem tertius gradus, qui inter
hos duos — Mönche und Kanonikern — variatur, bemerkt: Tales maxinie
in domo Dei inveniuntur. Noch unter Karl und Fridufris ist St. Martin
Kanonikat geworden s. d. Urk. v. 81.S Gallia rhrist. XIV Instr. S. 15 Nr. 12:
in ipsorum clericorum stipcndia, qui aecunduni canonicam institutionem in
8. ordine sunt constituti.
5) V. Bened. 29 S. 211: Erant quadam monasteria instituta canonica
servantes, regulao autem praecepta ignorantes. Cons. Turon. (a. 813) c. 25
S. 87. Beispiele sind ausser St. Martin: St. Denis fUrk. liudwigs v. 26. Aug.
832 (B.M. 876), Lobbes (Gest. abb. Lobb. 9 S. .59: Post eum | Anso gest. 800]
eandum abbatiam usurpavit Hildricus canonicus), St. Hilarius in l'oitiers (Urk.
Ludwigs V. Mai 808, B.M. 500), Montierender (ürk. Ludwigs v. 12. Febr. 877,
B.M. 813), St. Eparchius in Angouleme (Adem. bist. 2 M.G. Scr. IV S. 89),
wahrscheinlich auch St. Amand (Urk. Ludwigs v. 29. Juni 822, B.M. 732)
und St. Martial in Limoges (Ann. Lcmov. z. J. 848 S. 251).
— 575 —
Überhaupt wirkte die geringe Teilnahme, welche Karl für das
Mönchtum als solches hatte, schädHch. Die Mönche fühlten sich
unbeaufsichtigt; Karl selbst hat seine Unzufriedenheit mit ihrem
Leben und Treiben mehrfach ausgesprochen.^) Die Urteile anderer
stimmen mit dem seinen überein: man hört Klagen über unwürdige
Abte,-) deren Amtsführung nur zu Zwietracht im Kloster führe;
man findet erwähnt, dass Abte, Pröpste nnd Dekane die Stunden,
während welcher die Brüder Psalmen sängen und erbauliche Ver-
lesungen anhörten, beim Becher verbrächten, mit Scherz und Ernst
sich unterhaltend.^) Am schlimmsten stand es mit den Klöstern,
welche in Laienhände gekommen waren : ^) manche lösten sich auf,
andere verarmten so sehr, dass es den Mönchen am notwendig-
sten fehlte.^)
Hier liess Karl der Thätigkeit seines Sohnes das Feld frei.
Ludwig stand den rehgiösen Gedanken des Mönchtums anders
gegenüber als Karl: er konnte empfinden, was die Mönche an dem
asketischen Lebensideal hatten. Die Klosterreform erschien ihm
deshalb als ernste Pflicht. Schon als aquitanischer König hat er
mit ihr begonnen. Den rechten Mann für die Ausführung seiner
Gedanken fand er in Benedikt von Aniane.*^)
Benedikt oder, wie sein Geburtsname lautete, Witiza war der
Sohn eines Gothen, der als Graf in Septimanien manchen Kampf
wider die Feinde des fränkischen Reiches bestanden hatte. Der
Sohn wurde am Hof erzogen; noch unter Pippin trat er in den
Dienst des Königs ein,')
Asketische Anwandlungen waren dem jungen Manne nicht
1) Cap. 33, 17 (a. 802) S. 94 f. Hier wird ihnen Habsucht und Streit-
sucht, Unmässigkeit und die schändlichsten Ausschweifungen zum Vorwurf
gemacht; vgl. 72, 11 (a. 811) S. 164 und des Königs Urteil über St. Martin,
oben S. 574 Anm. 4.
2) V. Eigil. 9 (M.G. Scr. XV S. 226 f).
3) Smaragd, comm. 42 (Migne 102 S. 879).
4) Cap. 169 (a. 816) S. 341 : Nonnulli clerici monasteria puellarum
et nonnulli laici monasteria virorum etiam et puellarum habent.
5) Cap. 22, 31 (a. 789) S. 56; 84, 11 (a. 813?) S. 183; 175, 3
(a. 825?) S. 358; Form. Salic. Merk. 61 f. S. 261 f.; V. Bened. 39
S. 217; Urk. Ludwigs für St. Maur des Fosses und die zur Kirche von
Sens gehörigen Zellen St. Peter, St. Johann und St. Remigius (B.M. 597
und 731).
6) Die von dem Mönch Ardo verfasste Biographie Benedikts ist eine
zuverlässige Quelle. Man vgl. über Benedikt ausser Simson in den Jahrb.
Ludwigs, Nicolai, d. heil. Benedikt, 1865; Puckert, Aniane und Gel-
lone, 1899.
7) V. Bened. 1 S. 201. Das Geburtsjahr Benedikts ist nicht festzu-
— Ö7« —
fremd. Es war ihm leicht gemacht, äussere Ehren zu erriugen;
al)er sie lockten ihn nicht; er sah in ihnen nur vergängUches
AVesen, juit Mühe erlangt und rasch verloren. Dagegen reizte
es ihn, sieb im Getriebe des Hofes insgeheim asketischen Übungen
zu widmen: er versagte sieb Schlaf und Speise. Der Gedanke,
ein Lel)en der Selbstverleugnung zu fiihien. wurde allgemach zu
einem festen Vorsatz. Lange hielt er ihn verborgen; er war noch
nicht sicher, wie er ihn verwirklichen sollte: sollte er als AVall-
bruder die Heimat lassen, oder sich einem Fremden zu Dienst
begeben und ohne Lohn dessen Herde weiden, sollte er in einer
Stadt als Handwerker arbeiten und seinen Erwerb den Armen aus-
spenden, oder war es das Höchste, auf alles Eigene zu verzichten
und im Kloster nur noch den Gehorsam gegen die Regel zu kennen?
Aus diesen Erwägungen heraus riss ihn ein Erlebnis im
italienischen Feldzug des Jahres 773. Beim Übergang über einen
Fluss geriet sein Bruder in die Strömung, er verlor den Grund und
wurde vom Wirbel in die Tiefe gezogen. Um ihn zu retten, stürzte
sich Benedikt mit dem Pferde ins Wasser; glücklich erfasste er die
Hand des Versinkenden; aber nur mit äusserster Mühe gelang es
ihm. das Ufer wieder zu erreichen.
Tn dieser Gefahr legte er das Gelübde ab, der Welt zu ent-
sagen. Alsbald nach seiner Rückkehr wollte er es erfüllen. Er
wusste wohl, dass sein Vater es nimmermehr billigen werde; des-
halb wagte er nicht, sich ihm zu offenbaren. Einem blinden Mönch.
Namens Widmar. vortraute er seine Absicht an. Der lehrte ihn
seinen Vater hintergehen, um Gott zu gefallen. Er gab vor. an
des Königs Hof nacb Aachen zurückkehren zu wollen: mit zahl-
reichem Gefolge verliess er seines Vaters Haus ; al)er als er an die
Pforte des Sequanus-Klosters bei Dijon gekommen war, entliess er
die Seinen : sie sollten in die Heimat zurückkehren, denn er habe
sein Ziel erreicht; in diesem Kloster wolle er forthin seinem Gott.
Christo, dienen.
So wurde er Mönch. Aber wie ganz anders war nun sein
Tjoben als etwa das Alkuins. Er suchte und fand im Kloster
nichts als Entsagung; nicht nur, dass er in Fasten und Wachen
mehr leistete als jeder andere: er suchte das Hässliche, der Schmutz
war ihm W(mne, für verrückt zu gelten gewährte ihm Befriedi-
digung.') Die Angst und die Welnnut der Busse verliessen ihn
stellen; Nicolai nimmt da« .Tahr 74.5 an (S. 12), andere 7.50; die Gründe
sind unzuroichend. Sicher ist nur, dass Benedikt nach 7.5'2 in din Hof-
scbule eintrat.
1) V. Bened. 2 S. 201 f.
— 077 —
nie; er brauchte nur an seine Sünden zu denken, so strömten
seine Augen von Thränen.^) Keine Forderung schien im Ver-
gleich mit dem, was er fühlte, hoch genug : wie gering und leer
waren die Vorschriften Benedikts von Xursia, nur gut für An-
fänger und Schwächhnge. Eher genügten ihm die strengen
Regeln der orientahschen Mönche. Es war ein Zustand nervöser
ÜbeiTeizung, der nicht für die Dauer bleiben konnte; nach und
nach -vdch er einer ruhigeren Stimmung. Nun kam auch Bene-
dikts Urteil meder ins Gleichgemcht: er stellte jetzt die Benedik-
tiuerregel deshalb hoch, weil sie das fordere, was viele erreichen
könnten.
Fünf Jahre und acht Monate brachte er in dem burgun-
dischen Kloster zu.-) Sein asketischer Eifer fand Lob und Aner-
kennung: die Mönche tmgen sich mit der Absicht, ihn zum Abte
zu Avählen. Aber er verbarg sich nicht, dass die strenge Durch-
führung der Benefhktinerregel, die er für notwendig hielt, in St.
Seine unmögHch sei : deshalb entschloss er sich, das Kloster zu
verlassen ; er wollte dem entgehen, dass er als Abt Zugeständnisse
machen musste, die seiner Überzeugung zuwider liefen.^) Er kehrte
in seine südhche Heimat zuiiick. Auf seinem väterhchen Grund
und Boden baute er am Bach Aniane bei einer kleinen Kirche
des h. Saturninus eine bescheidene Zelle. Mt Widmar und etlichen
anderen Genossen lebte er dort mehrere Jahre lang in grosser
Amiut. Von der Freude an Lektüre und litterarischer Arbeit,
welche Karl in den Klöstern heimisch zu machen strebte, war in
diesem Klösterlein nichts zu linden: hier herrschte die alte Hoch-
stellung der Handarbeit.
Es dauerte lange, bis die Zahl der Brüder sich mehrte. Die
Strenge, mit welcher die Regel beobachtet wurde, schreckte die
meisten zurück. Aber auch als Schüler in Menge sich um Bene-
dikt sammelten, bheben seine Grundsätze die gleichen. Die Satur-
ninuszelle wurde zu enge; er errichtete nicht allzuweit entfernt bei
einer Marienkirche ein neues, grösseres Kloster. Auch bei diesem
Bau wm"de alles vermieden, was an Pracht und Reichtum erinnerte:
1) L. c. : Conpunctionis gratia . . tanta ei largita est, ut quoties vel-
let, fleret. Cotidie lacrimis, cotidie gemitu ob geennae metum alebatur.
2) Diese Angabe c. 3 S. 202, wogegen der Brief der Mönche von
Jnden c. 42 S. 218 nur von 2* o Jahren spricht. Da Ardo den Brief selbst
mitteilt, und ohne Zweifel den Widerspruch bemerkte, so darf man seine
Angabe als zuverlässig betrachten.
3) Der erwähnte Brief schweigt von der Wahl Benedikts zum Abt
und motiviert seinen Austritt aus St. Seine nur mit den Worten: Quia ibi
regulärem usum minime reperit.
Hauck, Kirchengeschichte. II. 2. Aufl. 37
— 57S —
statt der verzierten AVände, bemalten Decken und roten Ziegel-
däclier. die den Stolz der Bauheiren bildeten, sah man Stroh-
dächer lind nackte AVände von gestanii)ftem Lehm. Sogar hei den
Kirchengeräten machte sich diese Scheu vt)r dem Schönen be-
merklich: Benedikt liihrte zuei-st nur hölzerne Abendmahlsgetasse;
es war schon ein Zugeständnis, dass er sie später durch glä-
seiTie und zinnerne ersetzte. Silber duldete er i\h\ ebensowenig
seidene Priestergewänder. Auch das neue Kloster sollte ein Haus
religiöser Betrachtung, strenger Selbstkasteiung und harter Arbeit
sein. AVenn Benedikt Schenkungen von Gnnidbesitz annahm, so
wies er solche von Hörigen zurück: die Alönche bedurften keiner
Arbeiter, denn sie selbst sollten arbeiten.^)
Die energische Durchiuhrung bestinnnter Gnmdsätze hat stets
Erfolg. Derselbe Mami, der Anfangs schier daran verzweifelte,
dass es ihm gelingen würde, Mönche fih" sein Klösterlein zu finden.
Mnu'de nach und nach der angesehenste Abt im südlichen Frank-
reich. Seine Einrichtungen wurden das Muster, an welches sich
andere Klöster hielten: zahlreiche Stiftungen stellten sich unter
seine Leitung. Besonders wurde man am Hofe auf ihn auf-
merksam.
Benedikt hatte ein Gefühl dafür, dass seine AVeise eiae andere
war, als die Alkuins und seiner Schüler.-) Aber sollte er deshalb
die Gemeinschaft mit ihnen vermeiden? Sein höchstes Ziel, die
Durchfiihi-ung der Benediktinerregel, wurde von dem Kfinig und den
Theologen seiner Umgebung gebilhgt. Deshalb konnte Benedikt ihre
rntei'stützung nur erwünscht sein. .\ber wemi er sich dem Hofc^
näherte, so musste er sich entschli(>sseii. den (JedankcMi, die Karl
bezüglich des Mönchtums hegte. Zugeständnisse zu machen. Dass
er es that. i'^t nicht zu bezweifeln. Als zum dritten Male'"') ein
1) Nicolai spricht biebei (S. 20) von d'^r ,, herrlichen Idee der Auf-
hebung der Sklaverei". Aber daran hat Benedikt gewiss nicht gedacht.
2) Ale. pp. 57 S. 100 f.: Rusticitas de qua to excusaro soles.
3) V. Bened. 17 S. 205 ist dieser dritte Bau in das Jahr 7^2 verlegt.
Da der erste Bau früliestens im .Sommer 77',» erfolgt sein kann, und da
Benedikt .nonnullos annos" in der ersten Niederlassung bei der Saturninus-
kapelle zubrachte (c. 3 S. 203), so erscheinen die Zweifel Nicolais an dieser
Zeitbestimmung begründet (S. 91); vielleicht ist es richtig, dass sie sich auf
den zweiten Bau bezieht. Die (borjfabe an Karl und die Verleihung der
Immunität erfolgte höchst wahrscheinlich i. .1. 7!>2 Mühlbarher zu Hegest.
309, vgl. über da.«« Diplom Puckert S. 10 ff.). Kurz vorher wird der dritte
Bau stattgefunden haben. Die Annäherung Benedikts an den Hof wird
dann in die Zeit des ersten Aufenthalt« Alkuins im fränkischen Reiche
fallen.
— 579 —
m
Neubau des Klosters notwendig wurde, schuf Benedikt in der Sal-
vatorbasilika ein glänzendes, mit aller Pracht ausgestattetes Bauwerk;
ein verschwenderischer Eeichtum kostbarer Geräte erfüllte die weiten
Hallen der Kirche. Auch das Kloster wurde erneuert, besonders
bewunderte man die Menge der Marmorsäiden, welche die Decken
der Kreuzgänge trugen. Dem reichen Bau entsprach die gesamte
Einrichtung des Klosters: nun wurde eine Bibliothek gesammelt,
Kantoren, Lektoren und Grammatiker bei-ufen, überhaupt alles auf
den glänzendsten Fuss gesetzt. Die Zahl der Mönche überstieg
schliesslich dreihundert. Benedikt sah sich genötigt, für sie einige
von dem Mutterkloster abhängige Zellen zu gründen. Die ganze
Stiftung übergab er dem König, der ihr Immunität und freie Abts-
wahl verlieh.
Benedikt dachte durch diese Annäherung an die Wünsche
Karls nicht auf seine ursprünglichen Ideale zu verzichten: er selbst
bheb der alte ; regelmässig nahm er Teil an der körperhchen Arbeit :
man sah ihn beim Pflügen und Ernten beschäftigt; durch die Strenge
seines Lebens überbot er nach wie vor die Anordnungen der Regel ;^)
auch jenes Bussgefühl seiner jüngeren Jahre schwand nicht: auf
seinem Sterbebette tröstete es ihn, dass er während der achtund-
vierzig Jahre, die er im Kloster verlebte, nie einen Bissen Brot
gegessen habe, ehe er seine Thränen vor Gott ausgeschüttet.-) Wie
er selbst, so bheben auch seine Ziele im wesenthchen unverändert:
die Durchftiln-ung der Benediktinerregel sollte zugleich eine Ver-
schärfung derselben sein. Der Bericht eines deutschen Abtes über
die Gewohnheiten der Mönche von Aniane zeigt dies augenfälhg."^)
Man wü-d manchmal an die Einrichtungen Columbas erinnert:
1) C. 21 S. 208 f.; 41 S. 218.
2) C. 42 S. 219. Vgl. auch die Subskription der Tegernseer Hand-
schrift der Bened.-Regel, in der nach Traubes ansprechender Vermutung
Benedikt spricht (Abh. der Münch. Akad. XXI S. 668 ff.).
3) Mansi XIV S. 349 ff., die sog. Murbacher Statuten. Wenn der Ver-
fasser S. 3.52 von illa schola monachorum spricht, iuxta quorum exempla
nos informandi sumus, so kann man nicht zweifeln, dass hier an Aniane
gedacht ist. Mit seinen Schilderungen vergleiche man die Nachrichten der
V. Ben. 37 f S. 216. Auch hier ist sehr bestimmt hervorgehoben, dass die
Anerkennung der Regel Veränderungen nicht ausschloss. Der Bericht wird
Simpert von Murbach zugeschrieben. Ich bezweifelte in der 1. Aufl. dieses
Buches, ob mit Recht, und bezeichnete als wahrscheinlicher die Abfassung-
unter Ludwig d. Fr. Seitdem hat Seebass bestimmt die Annahme, sie
seien von Simpert, verworfen, und als Abfassungszeit ebenfalls die Zeit
Ludwigs d. Fr. behauptet. Als Verf. vermutet er Haito von Basel, Ztsehr.
f. KG. XII S. 322 ff.
— 580 —
kein überflüssiges AVort sollte der Mönch reden,') keinen Moment
der Rast, in dem er sich gehen lassen konnte, sollte er kennen:
tVir ihn sollte dii' Erholung nur in dem Wechsel zwischen der
Lektion und der. Handarbeit bestehen;-) die schrankenlose Demut
sollte sich wie Gott dem Herrn gegenüber, so auch im Bezeigen
gegen die Ordensobern beweisen: mau verehrte den Namen Gottes,
indem man sich bei seiner Erwäjmung zu Boden warf, man ver-
ehrte den Vorgesetztem, ind(Mn man das Knie vor ihm beugte.*'')
Mau meinte die Gebote Christi wörtlich erfüllen zu sollen, indem
man den Mönchen die Ablegung jedes Eides untersagte, und man
■wähnte das letzte Band, das die Mönche mit der AVeit draussen
verband, abschneiden zu können, indem man ihnen den Gel)rauch
der Muttersprache verwehrte.^)
Indem Benedikt die Verschärfung der Zucht in den Klöstern
nicht in offenen Gegensatz zu den Kulturzielen stellte, welche Karl
verfolgte, ermöglichte er die weite Ausdehnung seines Einflusses.
Man erkennt ihn daran, dass Alkuin sein Kloster Cormari mit
zwanzig Mönchen aus Aniane besetzte,^) dass Theodulf das alt-
b< 'rühmte Kloster St. Mesmin,**) Ijeidrad die Abtei St. Martin auf
lle Barbe ') durch Mönche J^enedikts reformieren liess. Im Bur-
gundischen war im Jahi'e 818 die Benediktinerregel in beinahe
allen Klöstern anerkannt.^) Am gnissten war der EinHuss Bene-
dikts in A(iuitanien. Ludwig übertrug ihm schon vor Karls Tode
die Oberaufsicht über sämtliche Kl<ister der Provinz. Benedikt war
1) Mansi 1. c. : Duas silentii regulas custodiunt, un;im nocturnani.
alteram diurnam ... In nocturnali silentio penitus loquencli licontia inter-
dicta est, in diurnali vero cum alter alterum appellaverit, sive iunior a
seniore aliquid requisierit, silenter absque uUo stropitu vocis et humilis sit
confabulatio, paucis valde et rationahilibu.s verbis.
2) L. c: Nulla eis aut simul standi aut consedendi aut coambulandi
«initur mora excepto discendi aut cooperandi gratia, sed semper aut in
lectione aut in opere niannum omnes horas diurnas consumant. Intervallum,
quod inter opus Dei et horara lectionis contigerit, aut orando aut legondo
tranaigunt.
3) L. c. S. 353. Jibenso bei dor Hegrüssung oinea Fremden: Genu-
flectunt et dexteram terratenus dimittunt.
4) L. c.
5) Ale. ep. 184 S. .309; v. Bened. 24 S. 2lU.
6) V. Bened. 24 S. 209: Thood. rarm. 30 S. 520 f.; v. Maxim. Miciac.
A. S. Mab. I S. 590.
7) Bericht Leidradn M.G. Ep. IV S. 643 Nr. 30; V. Bened. 24 S. 209.
Benedikt sandte 20 Schüler, nach Leidrads Bericht hatte das Kloster 90
Mönche; vgl. auch die Urkunde Ludwigs B.M. 575 f.
8) Conc. Cabil. c. 22 S. 98.
— 581 —
eifrig zu visitieren und zu reformieren/) Unter den Mönchen fand
er nicht wenige Gesinnungsgenossen; sie traten mit ihm in eine
Gebetsverbrüderung.-) Doch stiess er bei seiner Thätigkeit auch
auf Schwieiigkeiten. Wie es scheint, waren es nicht persönhche
Gegner, durch die er sich bekämpft sah. Die könighchen Beamten
wurden über die Vermehrung des Besitzes der toten Hand bedenk-
lich. Es ist bezeichnend, dass sie ihre Klagen vor Karl, nicht vor
Ludwig brachten. Benedikt wurde an den Hof berufen: er ging
nicht ohne Sorgen; dass Karl ihn nach Aniane zurückkehren liess,
ist jedoch kein Beweis dafür, dass er ihm recht gab.'^)
Der Tod Karls war für die Bestrebungen Benedikts günstig.
Es gehört zu den ersten Massregeln des neuen Kaisers, dass er
den südfranzösischen Abt nach der Mitte des Reichs versetzte.
Zuerst übertrug er ihm Maurmünster im Elsass, und da er ihm
auch dort noch zu weit vom Hof entfernt schien, gründete er für
ihn am Fluss luden kaum zwei Stunden von seinem Palaste in
Aachen das Kloster KorneHmünster. Es sollte nicht durch die
grosse Zahl der Mönche hervorragen: stiftungsgemäss hatte es
nur dreissig Brüder; aber es sollte eine Musteranstalt für das ganze
Reich sein.*) Auch sonst kargte er nicht an Gnadenerweisungen.
Zu den ersten Urkunden, welche er als Kaiser ausstellte, gehören
drei Diplome für Aniane. Er beschenkte die Stiftung seines Freundes
und bestätigte ihr die von Karl verliehenen Privilegien.^) Nach
und nach kamen zwölf Abteien unter die unmittelbare Leitung
Benedikts.") Überdies wurden alle Klöster des Reiches unter seine
Aufsicht gestellt; sie hatten an ihm einen sehr einflussreichen, im
Fordern und Fürsprechen nie ermüdenden Vertreter.')
Und nun sollte es Ernst werden mit der ausschliesslichen
HeiTschaft der Benediktinerregel in den fränkischen Klöstern. Die
Verschiedenheiten, welche bisher noch geduldet waren, sollten ver-
1) V. Bened. 29 S. 411.
2) S. Puckert S. 229 f.
3) V. Bened. 29. Der Vorgang ist von Ardo parteiisch gefärbt; ich
halte mich an die von ihm berichteten Thatsachen, ohne sein Urteil zu
wiederholen.
4) V. Bened. 35 S. 215. Doch sind im Lib. vit. von Remiremont unter
Abt Odelin c. 860 45 Brüder eingetragen, Ebner N.A. XIX S. 62.
5) B.M. 503—505, vom 23. und 24. April 814; vgl. die Kritik von
Puckert S. 161 ff.
6) V. Bened. 42 S. 219.
7) L. c. 35 S. 215. Heisst's c. 36: Profecit eum imperator cunctis in
regno suis coenobiis, so ist darunter wohl nur das Recht der Visitation
verstanden.
— 582 —
j,clnviudeD. Der (iiuiulsat/ wdv. Wie alle MiiMclie ein iiinl das-
selbe Gelübde ablegen, so soll auch in allen Klöstern dieselbe
Lebenseini-icbtung lien-scben.^) Zu diesem Zwecke fand im August
81(i in Aachen eine Beratung der Prälaten statt;-) sie beschlossen,
die genaue Beobachtung der Voi-schrifteu der Benediktinerregel so-
wohl für die Gottesdienste wie flu' das Leben in den Klöstern den
Mönchen zur Pflicht zu machen.") Aber daran Avar es nicht genug;
im Sonnner des nächsten Jahres v'ei-sanunelte Ludwig bei (iclegen-
heit des Reichstiigs die Äbte aus allen Teilen des Reichs von neuem
zu Aachen.^) Sie berieten mehrere Tage lang in der Sakristei des
Münsters. Das Ergebnis war ein umfassender Beschluss, in welchen
die 27 Kapitel des vorhergehenden Jahres aufgenommen, zugleich
aber mannigiach ergänzt wurden. Es ist die Haupturkundc der
Klosten-eform Ludwigs d. Fr., beschlossen am 10. .luli SIT.')
Da Benedikt der Führer der Versanuneltcn war, so konnte
von Anfang au darüber kein Zweifel bestehen, dass die Allgeincin-
giltigkeit der Benediktinenvgel i)rf)klainiert werden würde. Doch
begnügte man sich auch hier nicht mit ihrer Anerkennung und der
Fordeiimg, dass jeder Mönch sie Wort für AVort auswendig wisse,")
man sah sich veranlasst, Bestinnnungen zu trefte]i, welche sie in
1) L. c. 36 S. 215.
2) Zur Chronologie vj,'l. K. Zeunior in den Gott. G.\. 1882 S. 1410 ff.
3) Die .\nn. Lauriss. min. berichten z. J. 816: Factum est conciliuni
magnum . . et praecoptuni est, ut monachi omnes cursum .s. Benedicti can-
tarent ordine regulari et duo Codices scripti sunt, unus de vita clericorum
et alter de vita nonnarum. Die Nachricht über die Klosterreform steht
vereinzelt, hat aher durch die Vermutung von Secbass in der S. hl[) Anm. 3
angeführten .Abhandlung, dass die in den sog. M>n-bacher Statuten wieder-
holten 27 Kapital dem Aachener Tag von 816 angehören, eine Stütze ge-
wonnen. Die Annahme von Seebass hat sehr viel Wahrscheinlichkeit; denn
1. findet sich der von den Laur. min. angeführte Beschluss wirklich in den
27 Kai)iteln, 2. können diese nicht, wie ich in der 1. Aufl. annahm, ein
Bericht ül»er den Aachener Konvent von 817 .sein, da «17 72 Kapitel an-
genommen wurden, der Verfasser des Berichtes aber ausdrücklich bemerkt,
dass auf dem Tage, von dem er berichtet, nicht mehr als 27 beschlossen
wurden, S. 352, 3. sagt der Verfasser des Berichtes ausdrücklich, dass do
sacerdotibuH vel scholasticis suscipiendis oin Synodallx^schluss nicht gefasst
wurde (20 S. 352), während der Konvent von Sl7 darüber beschloss
(c. 42).
4) V. Bened. 36 S. 215; chron. Moiss. S. 311 irrig z .T. 815.
5) Das sog. Cap. monast. Cap. 170 S. 344 ff. Die Abscheidung von
c. 77—83 durch Nicolai und Borntius scheint mir liorochtigt ; dass auch
c. 71 interpoliert .sei (Nicolai S. 147), scheint mir weniger sicher.
6) Diese beiden Bestimmungen bezieht Hefele (CCt. IV S. 24) offenbar
— 583 —
mancher Hinsicht ergänzten. Das war zum Teil durch die nor-
dischen Verhältnisse veranlasst. Es war ein Zugeständnis an das
Klima Frankreichs und Deutschlands, dass man den Mönchen
reichhchere Kleidung und Speise bewilligte, als in der Regel vor-
gesehen war, oder dass man gebot, auch das Klostergefängnis zu
heizen.^) Darin Hegt nicht das Charakteristische dieser Neuord-
nung.') Man erkennt es eher, wenn man darauf achtet, dass von
theologischen Studien in ihr nicht mit einem Worte die Rede ist,
wogegen die in vielen Klöstern abgekommene Übung der wortlosen
Handarbeit erneuert mrd,^) oder dass den Mönchen verboten wird,
im Kloster Schule zu halten, es sei denn für die Oblati.*) Hier
liegt der Gegensatz gegen das, was Karl d. Gr. aus den Klöstern
gemacht hatte, offen • zu Tage. Während er sie zur Teilnahme an
der Kulturarbeit geführt hatte, sollten sie jetzt wieder Stätten des
asketischen Lebens werden. Diese Absicht tritt in zalilreichen
anderen Bestimmungen hervor: Da und dort wird die Regel ver-
schärft,"'') die Freiheit, Ausnahmen zu gestatten, ist eingeschränkt,'')
schmutzig zu sein erscheint als für einen Mönch geziemend,')
der Verkehr mit den Laien wie ein unrecht,*) die Forderung
irrig auf die Aachener Beschlüsse selbst, Boretius mit Recht auf die Bene-
diktinerregel.
1) C. 11 f., 22, 40.
2) Sirason, JB. L.'s I S. 86 scheint mir diese Erleichtei'ungen zu über-
schätzen.
3) C. 4, 17 f. Dass die Handarbeit in vielen Klöstern ausser Übung
gekommen war, bezeugt Smaragd v. St. Mihiel (comm. Migne 102 S. 710
und 894). Die Anordnungen c. 17, 19 und 38 mussten für die Studien
hinderlich sein. Es liegt doch nahe anzunehmen, dass sie das sein sollten.
Abneigung gegen die Gelehrten liegt auch in c. 42.
4) C. 45: Ut scola in monasterio non habeatur, nisi eorum qui oblati
sunt. Verlegte man nun die Laienschulen ausserhalb der Klausur, so ist
zweifelhaft, ob das Erfüllung und nicht vielmehr Umgehung dieser Be-
stimmung war.
5) C. 7 ist im Vergleich mit Reg. Ben. 36 eine Verschärfung; die
letztere nimmt an, dass den Gesunden von Zeit zu Zeit gestattet werde zu
baden; die erstere Bestimmung giebt dem Prior das Recht, es überhaupt
zu verweigern. Ebenso sind c. 8, 37, 47 Verschärfungen der Regel. Be-
sonders wird die dem Abte gewährte Freiheit eingeschränkt c. 25 — 27.
6) C. 9 mit Bezug auf die Bischöfe, 29.
7) C. 6, 7.
8) C. 42 nur Novizen dürfen im Kloster Wohnung erhalten, 52 kein
Laie darf ins Refektorium eingelassen werden, 59 kein Mönch darf den Abt,
wenn er Kanoniker ist, auf Reisen begleiten.
— 584 —
der Demut ist gesteigert bis au die Greuze der Selbsteruiedri-
gung.')
Fasst luau alles zusaiuuieu, so ist klar, dass die Aachener
Beschlüsse eine Reaktion gegen die Bestrebungen Karls bedeuten.
Dem gegenüber, was er aus dem Mönchtuni gemacht hatte, regten
sich die ursjirünglichen Ideen dieses Instituts. Dank der Gunst
Ludwigs erlangten sie das l' berge wicht. AVie er die Beschlüsse
der Aachener Synode bestätigte,-) so kam er auch zwei weiteren
Wünschen der Mönche entgegen: er gewährte den Khistern das
Recht der Abtswahl, '^) und wenn es notwendig schien, Erleichte-
rung der staatlichen Pflichten.^) Endhch sollte auch die Umwaud-
hmg von Klöstern in Stifter verhütet werden; zu diesem Zweck
Hess Ludwig ein Verzeichnis derjenigen Klöster aufstellen, welche
das Recht besässen, von Regularäbten regiert zu werden."') Diese
Yei'Tügungen bedeuteten eine Gewähr für den Bestand und die
Freiheit der Klöster.
Das stärkere Hervortreten der mönchischen Gedanken zeigte
sich endlich auch darin, dass man gleichzeitig") mit der Reform
1) C. 13 Niederwerfen vor dem Prior.
2) V. Bened. 36 S. 215.
3) Cap. 138, 5 (a. 818—819) S. 276: Monachorum causam, qualiter Deo
opitulante ex parte disposuerimus et quomodo ex se ipsis sibi olip^ondi al)-
bates licentiam dederimus . . , in alia scedula diligenter adnotari fecimua.
Dieser andere Erlass ist nicht erhalten. Dass Ludwig königliche Klöster
vergab, hat er nicht verhütet: über St. Bertin und St. Omer s. o. S. 148,
Corvey gab er an Warin : quem in eodem monasterio abbatem praefecimus
833, Wilmans S. 43 Nr. 14.
4j V. Ben. 39 S. 217. Aus späterer Zeit (834) wissen wir, dass Kempten
Erlass der staatlichen Leistungen erhielt, B.M. 900. Ähnliches war aber
auch schon unter Karl vorgekommen, vgl. B.M. 193 für Prüm. Über c. 171
S. 350, ein Verzeichnis von fränkischen Klöstern mit Angabe der Leistungen,
zu denen sie verpflichtet waren, s. Puckert in den Berichten der Sachs.
(ie.8. d. W. 1^90 S. 46 ff. Er zeigt, dass diese Nanienliste im Uanzen und
in ihren einzelnen Abteilungen Erdichtung eines Späteren ist.
5) V. Bened. 39 S. 217: Monasteria in regno huo cuncta prenotata,
in quibus ex his reguläres abbates esse queant, decernit ac per scripturaui,
ut inconcu.ssa omni maneant tempore, tirmare praecepit suoque anulo
t-ignavit.
6) Die praefatio giebt als Jahr dieser Beschlüsse 816 ind. X, ann. imp.
III. an (Mansi XIV S. 147). Ebenso Ann. Laur. min. unter Beifügung des
Monats August. Die beiden Angaben stimmen nicht genau überein; denn
nach der Datierung der praefatio müsste die Synode nach dorn 1. September
816, weil in der 10. ludiktion, stattgefunden haben. Boretius vermutete
einen Irrtum in der ludiktion (S. 265). Das ist nicht unmöglich. Man
— 585 —
der Klöster es unternahm, die Einrichtimg des kanonischen Lebens
durchzuführen und neu zu regeln.
Der Kaiser selbst hielt in der Versammlung der Bischöfe im
August 816 eine Rede, um darzulegen, dass das Leben der Kleriker
einer Reform bedürfe. Sein Gedanke war, es solle aus den Schriften
der Väter eine Sammlung derjenigen Stellen veranstaltet werden,
welche Anweisung für das Leben der Geistlichen gewährten. Er
hoffte, dass die Autorität einer solchen Sammlung sich höchst
fruchtbar beweisen werde. Der offizielle Bericht über diese Vor-
gänge lässt durchblicken, dass nicht alle Bischöfe von der Not-
wendigkeit des kaiserlichen Vorschlags überzeugt waren. Sie ver-
wahrten sich dagegen, dass sie mit ihrem Klerus nicht fromm und
gottselig zusammenlebten. Ein Widerspruch war jedoch unmöglich.
So beschloss man denn, dem Wunsche des Kaisers zu genügen.
Dieser hatte, wenn einer jungen Nachricht Glauben zu schenken
ist, dm'ch einen Schüler Alkuins, den Diakon Amalarius, einen Ent-
wurf für die von ihm vorgeschlagene Schrift bearbeiten lassen.^)
Derselbe wurde von der Synode gebilHgt. Er sollte künftighin die
Norm fiir alle Kanoniker des fränkischen Reichs bilden."^) Eine
ähnliche Anweisung wurde für die Nonnen bearbeitet.^)
Überblickt man nun die neue kanonische Regel, so bieten die
Auszüge, welche den grössten Teil der Schrift füllen, fast nur all-
gemeine Aussagen über die Führung des geistlichen Amts. Nur
die letzten dreissig Kapitel enthalten organisatorische Bestimmungen,
aber auch sie untermischt mit Reflexionen über das, was sich für
die Priester geziemt. Das Bild des gemeinsamen Lebens, das dem
Verfasser vorschwebte, ist dasselbe, wie wir es aus den Statuten
Clu'odegangs kennen."*) Er nennt sie jedoch nicht als seine Vor-
lage und hat sie auch als solche nicht direkt benützt. Das ist
erklärlich, da seine Absicht eine weitere war. Chrodegang hatte
fiir den Klerus seiner Kathedrale geschrieben; jetzt sollte eine Regel
füi' alle Kanonikate aufgestellt werden, nicht nur für die an den
bischöflichen Kirchen, sondern auch für solche, die aus ehemaligen
Klfistern entstanden waren, oder die sich aus dem Klerus irgend
kann aber auch annehmen, dass die eine Angabe den Anfang, die andere
den Schluss der Verhandlungen im Auge hat.
1) Die Beteiligung Amalars ist nur durch Ademar von Chabannes
Hist. III, 2 M.6. Scr. IV S. 119 bezeugt, einen jungen und nicht immer
glaubwürdigen Schriftsteller.
2) Mansi XIV S. 147 ff.
3) Mansi 1. c. S. 247 ff.
4) Vgl. mit dem oben S. 62 ff. Gesagten c. 117 S. 230, 123 S. 283 f.,
126 ff. S. 235 ff.
— öHf) —
einer reichen Kirche gebildet hatten. Deshalb mussteu die Vor-
schnften in mancher Hinsicht allgemeiner und umfassender') werden.
Zugleich wurden sie strenger; denn die von Ludwig begünstigte
Hochstelluug des mönchischen Lebens zeigt ihre Spuren auch in dieser
Verordnung. Die Beuediktinerregel hat von neuem auf die Regelung
des Lei)ens der Geistlichen eingewirkt: aus ihr ist das ethische
Ideal entnommen, das der Kleriker in seinem Verhalten verwirk-
lichen Süll.-') Demgemäss wird das Stift dem Kloster ähnlicher als
bisher: es >nrd wie dieses möglichst vollständig gegen die Aussen-
welt abgeschlossen.^) Und so bestinnnt der Unterschied zwischen
Mönchen und Kanonikern hervorgehoben ist,*) so wiid er doch
auf der anderen Seite auch verwischt, indem die Bewohner eines
Stifts ebenso als gleichstehend behandelt werden, wie die Insassen
eines Klosters, ■■*) während Chrodegang die Hücksicht auf den ver-
schiedenen kirchlichen Hang sorgsam gewahrt hatte. Und da. wo
erinnert wird, dass die Kanoniker keine Mönche seien, wird zugleich
hervorgehoben, dass die letzteren die VoUkonnnenen sind:") die
ganze Einiichtung des kanonischen Lebens ei-scheint wie ein Zu-
geständnis an die menschliche Schwäche.')
Die Kegel für die Nonnen ist nach Form und Inhalt eine
Nachbildung deijenigen ftir die Kanoniker. Wie diese so l)eginnt
auch sie mit Exzerpten aus älteren kirchlichen Schnftstellern, an
welche sich die eigenen Anweisungen für die .lungfrauenklöster an-
schliessen. Sie zeigoi dieselbe verschwommene Art wie die liegel
iVir die Kanoniker. Sittliche Vorschriften und Anordnungen für die
Verwaltung,'') allgemeine Gedanken und Vorschriften über die
1) Vorschriften über die Verpflichtung der Bischöfe zur Emchtung
von Kanonikaten (c. 117), über die Aufnahme in den Klerus (c. 118 f.),
über die Verteilung der Speisen (c. 122), über die Einrichtung von Pflege-
häusern (c. 141).
2) Vgl. die Nachweise Pückerts 8. 274 f.
3) 117, 124 vgl. Puckert a. a. 0.
4) C. 114 f.
5) C. 121: Est rationabile iustunifjue coram Deo et hominibus, ut in
unaquaque canonica congregatione a minimo usque ad maximum cibura et
potum omnes aequaliter accipiant. Vgl. dagegen reg. (hrod. 23 S. 324.
6) C. 114.
7) Die Interpolation der Kegel Chrodegangs (Mansi XIV S. 333 fi.) ist
jünger als die Aachener Regel. Der Beweis liegt in c. 77 S. 341, wo eine
Stelle aus c. 48 der Pariser Synode von 829 (Mansi 1. c. S. 567) zitiert
wird. Damit erledigt sich die von Oelrner f.IB. Pippins S. 217) berührte
Frage gegen Rettberg (K(i. D.'s I S. 4%).
8j AmtJipflichten der Äbtissinnen (c. 7), über Aufnahme neuer Mit-
— 587 —
speziellsten Angelegenheiten gehen neben einander her. Es war
nicht die Absicht, diese Regel zur Norm für alle Klöster zu er-
heben; sie sollte nur für diejenigen Jungfrauen gelten, welche
Keuschheit gelobt hatten und in eine Gesellschaft vereinigt kano-
nisch lebten.^) Diese Beschränkung erklärt sich daraus, dass auch
bei den Xonnen eine Scheidung in solche, die nach den älteren
Eegeln, und solche, die nur kanonisch lebten, sich vollzogen hatte.
Die letzteren entbehrten einer gemeinsamen Lebensordnung, welche
ihnen nun gegeben wurde.
Diese Beschlüsse fanden sofort die Bestätigung des Kaisers;
er hess genaue Abschriften der beiden umfängHchen Regeln her-
stellen, um sie den sämthchen Erzbischöfen des Reiches zu über-
senden. Binnen eines Jahres sollte die Einftihrung in allen Stiftern
vollzogen sein.-) Auf dem Aachener Tag nach AVeihnachten 818
Avurde die Allgemeingiltigkeit der beiden Regeln ausdrückhch er-
klärt.") Grundsätzlicher Widerspruch wurde nirgends laut. Aber
es war doch nicht daran zu denken, dass die Neuordnung der
Kanonikate so rasch zu Ende gefiihrt wurde, als Ludwig ange-
nommen hatte. In der Erzdiözese Trier war sie im Jahre 819
noch nicht zum Abschluss gelangt;'') eine Vorstellung der Bischöfe
glieder (c. 8, vgl. reg. can. c. 118), Verwaltung des Vermögens der Nonnen
(c. 9), Leben im Kloster (c. 10, vgl. reg. can. c. 123), Abschluss des Klosters
gegen die Aussenwelt (c 11, vgl. reg. can. c. 117), .gleiche Verteilung von
Speise und Trank (c. 12 f., vgl. reg. can. c. 121 f.), gottesdienstliches Leben
c. 15—17, vgl. reg. can. 1-31 und 136), Disziplin (c. 18, vgl. reg. can. 134),
Verkehr mit Männern (c. 19 f.), Mägde (c. 21), Erziehung von Mädchen
(c. 22, vgl. reg. can. c. 135), gesonderte Zellen für die Nonnen, eigene
Räume für Alte und Kranke (c. 23, vgl. reg. can. c. 142), Aufstellung von
Oberinnen, SchafFnerinnen und Pförtnerinnen (c. 24 — 26, vgl. reg. can.
c. 138, 140, 143). Priester für das Kloster (c. 27), Hospiz vor dem Kloster
und Witwenhaus in demselben (c. 28, vgl. reg. can. c. 141).
1) Cap. 169 S. 341: Formula, quam (concilium) . . castimoniae dicatis
in una societate canonice degentibus observandam studuit. Den gedachten
Gegensatz zu canonice wird auch hier secundum i-egulam bilden.
2) Das eben angeführte Kapitular enthält die gleichlautenden Schreiben
des Kaisers an die Erzbischöfe Arn von Salzburg und Sichar von Bordeaux,
welche auf der Aachener Synode nicht anwesend waren, und das nur wenig
abweichende an Magnus von Sens, der an ihr teilnahm. Mit denselben
wurden den p]rzbischöfen die Abschriften zugesandt.
3) Cap. 138, 3 S. 276; vgl. Ann. Lauriss. Einh. z. 819 S. 150.
4} Erzbischof Hetti an Bischof Frothar von Toul (M.G. Ep. V S. 278
Nr. B): Per triennium haec monitio facta est. Hampes Datierung des Briefs
818 scheint mir unmöglich. Die Briefe an die Bischöfe (Cap. 169 S. 338)
— 588 —
aus der gk'iclK'ii Zt-it beweist, dass dies auch anderwärts der Fall
war; sie mahnten an die endliche Durchführung der vorlängst ge-
fassten Beschlüsse.') Aber durchgeführt waren sie auch zehn Jahre
später noch nicht. Die Synoden von 829 erhoben die lebhaftesten
ivlagcn iil)er die Zustände in manchen Donistiftern und anderen
Kanonikaten.-)
Noch grösseren Schwierigkeiten l)egegnete die Klosterreform.
Tni ersten Eifer meinte Ludwig wie im Sturm vorschreiten zu
können. Er ernannte einige Inspektoren, um die Reform zu ül)er-
wachen.^') Gelegentlich si)ielte er selbst den Visitator.'*) Besonders
aber war Benedikt thätig, unermüdlich visitierte und uniformierte
er Männer- nnd Fi-auenklöster. •') Man traf, wenn es niitig schien,
die einschneidendsten Massregeln, um den Ubelständen ai)zuhelfen.")
Ein neuer Aufschwung der asketischen Begeisterung sollte er-
zwungen werden: che ]\Iönche sollten sich ganz in die Anschauungen
und Empfindungen hineinleben, welche die Asketoi der früheren
Zeit beherrscht hatten. Diesem Gedanken diente die Sanunlung
der Möuchsregeln, welche Benedikt veranstaltete; er hatte dabei
nichts im Auge, was nur entfernt an wissenschaftliclu! Zwecke er-
innert: er dachte au ein Werk, dessen oft wiederholte Lektüre den
asketischen Geist stärken sollte.') Auch das Homiliar des Paulus
Diakonus schien ihm für seine Miinche nicht mehr zu genügen: es
sind frühestens im H#rbst HIß ausgei^an^en ; vor «lern Sommer «19 kann
also dieser Brief niclit gesohrieben sein. Das in ihm erwiihnte Plaoitum
ist deshalb nicht das Aachener nach Weihnachten 818, sondern wahrschein-
lich das von Kiersi im Herbst 820 (Ann. Einh. S. 154, Xant. S. 224).
1) Cap. 178, 9 I S. 367 um 820: De institutione vitae canonicorum . . ..
ubi necdiun consumroata est, Providentia et stndiis ]>erficiatur.
2) Synode v. Paris I. 21 und III. 18 MansiXIV S. n:,-^ und fiOO; Cap.
196, 16 und 30 II S. 34 und 38.
3) V. Bened. 36 S. 215; v. Hlud. 28 S. 622. Der Auftrag an Hraban. die
Nonnenklöster in einem nicht genannten Bistume zu visitieren (Ep. Fuld. 6
S. 518) gehört ebenfalls in die Reihe dieser Maasregeln, winl aber in eine
etwa.s spätere Zeit fallen, nachdem llraban .\bt war.
4) Vgl. die Urkunde für die Bischöfe der Brotagno (B.M. 658).
5) V. Hlud. 28 S. 622. Nicolai nennt S. 193 dealnilb Benedikt den
ersten Ordensgenoral. Das ist doch zu viel gesagt, da er kein dauerndes
Amt bekleidete.
6) Ep. Fuld. 6 S. 518: Ut sibi liceat, monasteriola . . mutare et nonnas
. . in alia loca transferre secunduni imperatoris edictum.
7) Codex regularum und concordia regularum, Migne 103 S. 423 ft.
Über beide Bücher v. P.onod 38 S. 217. Vgl. Seebass in d. Zt.schr. f. KG.
XV S. 244 ff.
— 589 —
sollte verdrängt werden durch eine von ihm selbst verfasste Ho-
miliensammlung. ' )
Aber Hindernisse zeigten sich sofort. Alsbald nach der Aachener
Versamnüung von 816 hat einer der Bischöfe, die an ihr teilge-
nommen hatten, einem Kloster, dessen Abt er war, die Beschlüsse
mitgeteilt. Nirgends begegnet man prinzipiellem Widerspruch, man
kann nicht einmal sagen, dass jener Bischof Schwierigkeiten machte :
aber ebenso wenig hat er alles Beschlossene rund und glatt ange-
nommen. Sein Standpunkt war: verpflichtend ist nur die Regel;
was darüber hinausgeht, kann man halten, aber man muss es nicht.-')
Demgemäss nahm er eine Beihe von Bestimmungen nur mit Vor-
behalt an,'^) in einem anderen Fall erklärte er iimd heraus, er werde
sich durch eine neue Verordnung nicht binden lassen, sondern von
seiner rechtmässigen Gewalt Gebrauch machen.^) So ein Gesinnungs-
genosse. Bei anderen fand Benedikt statt des bereitwilligen Ent-
gegen kommens, auf das er rechnete, nur üblen Willen. Ein Bei-
spiel bietet das Kloster St. Denis. Man konnte erwarten, dass er
in diesem wichtigen Kloster seinen Ideen Anerkennung verschaffen
würde, aber das gelang ihm nicht. Die Mönche hatten die Begel
Benedikts aufgegeben und wussten den Abt zu überzeugen, dass
das Kloster ein Kanonikat sei; er bestimmte daraufhin, dass die-
jenigen, welche die Mönchsregel zu beobachten gesonnen seien, sich
in eine der Zellen des Klosters zurückziehen sollten, während die
reiche Abtei selbst den Stiftsherren verbheb. ^) Ahnhche Er-
fahrungen wird er auch an anderen Orten gemacht haben. Gleich-
wohl waren seine Erfolge unverkennbar. Im Jahre 817 mussten
1) V. Bened. 1. c: Alium ex sanctorum homeliis, quae in exortatione
monachorum sunt prolatae, coniuncxit librum eumque omni tempore in ves-
pertinis collectis legere iussit. Offenbar vermisste er in der Sammlung Pauls
die Rücksicht auf das specifiscli Mönchische.
2) Stafc. Murb. S. 349: Quaedam ibi secundum auctoritatem regulae,
quaedam vero usu et consuetudine prolata sunt. Quae consuetudo, si
aliquo vitio corrupta non fuerit, pro lege regulari inculpate retineri
poterit.
3) Seine Anordnungen' über das Memorieren der Regel heben die Pflicht
dazu auf, vgl. auch c. 5, 10, 12, 20.
4) C. 4: In hoc negotio uti regulari potestate volo, cui non praeiudi-
cat alicuius novae constitutionis censura. Ähnlich c. 22.
5) Vgl. Ludwigs Urkunde vom 26. August 832 (ß.M. 876). Benedikt
und sein Begleiter Abt Arnulf von Hermoutier werden von dem Kaiser
etwas unehrerbietig als boni et devoti sed simplicissimi patres bezeichnet.
Die Reform wurde erst 832 durch Aldrich von Sens und Ebo von Rheims
beendet.
— 590 —
die Klöster der Bretagne sich entschliesseu. auf ilire keltisclieu Ge-
woliuheitcn zu verzichten und nach der Regel Benedikts zu leben.')
WahiNcheinliih um dieselbe Zeit nahm Remiremont sie an.^) In St.
Wandrille wurde. durch Abt Ansegis die Benediktinerregel erneuert
oder eingetiihrt. ■'^) Als Abt Ratgar von Fulda der Opposition
seiner Mönche weichen musste. erhielten die Mönche Aaron und
AdaltVid. welche der Kaiser mit der Leitung des Klosters beauf-
tragte, den Befehl, die genaue Beobachtung der BenediktineiTCgel
einzutiihien.^) In Reichenau waren die Miinche von selbst bestrebt,
alle Verstösse gegen die Regel zu beseitigen. 8ie rüsteten sich
dadurch für die Visitation des Klosters, dass sie ein Paar Mönche
nach Kornelimünster sandten, um die dortigen Einriditungen kennen
zu lernen. (Jft'enbar sollten sie als Muster dienen. Die Boten des
schwäbischen Klosters empfingen den tiefsten Eindruck von der
feierlichen Ordnung, die in dem von Benedikt selbst geleiteten Stifte
herrschte.'*) Bei der Rückkehr nahmen sie eine Abschrift von der
1) Urkunde Ludwigs (B.M. 658).
2) Im Liber vitae von Remiremont ist als die Äbtissin, unter der die
Benediktinerregel angenommen wurde, Ymma genannt, die zweite Vor-
gängerin der Theutilde, welche i. .T. 821 — 822 Äbtissin war. Ebner, NA.
XIX S. 74 vgl. S. 54. Das Jahr der Annahme ist nicht fastzustellen. Da
aber unter Theutilde dies P]reignis als epochemachend für das Kloster be-
trachtet wurde, so ist anzunehmen, dass es nicht allzuweit zurücklag, also
in die ersten Jahre Ludwigs fiel. Remiremont hatte unter Theutilde 90
Nonnen.
3) Gest. abb. Font. 17 S. 51.
4) V. Eig. 3 S. 223. Schon unter Baugull war regulaiüs vitae duritia
zum Anstoss eines Teils der Mönche nicht streng beobachtet worden (Ale.
ep. 250 S. 406). Dass Ludwig Ratgar absetzte (.\nn. Laur. min. Fuld. /,. J. 817),
erklärt sich wohl daraus, dass er von ihm Widerstrebon gegen seine Reform-
pläne erwartete-, die Mönche warfen ihm in ihrem libellus suppl. Beein-
trächtigung der gottesdienstlichen Übungen, willkürliche Abänderungen der
bisherigen Gewohnheiten u. dgl. vor.
5) M.G. Ep. V S. 302 und 305 Nr. 3 und 5 sind zwei Briefe mitge-
teilt: der eine von zwei ungenannten Brüdern an einen ungenannten Abt
von Reichenau, der andere von den Reichenauer Mönchen Grimald und
Tatto an den Reichenauer Lehrer Reginbert. Es unterliegt keinem Be-
denken. Grimald und Tatto auch als Verfasser des ersten Briofes zu be-
trachten; er ist dann an Abt Haito gerichtet. Die beiden berichten über
den Besuch eines ungenannten Klosters, in dem man nur Kornelimünster
sehen kann, da sie nach dem zweiten Briefe zugleich den Hof be-
suchten. Sie nahmen dort Abschrift von der authentischen Kopie der
Benediktinerregel. Vgl. Traube in den Abh. der Münch. Akad. XXI S. 631
und 664. Nach der Ift/toron Stelle ist die Abschrift im Cod. Sang. 914
— 591 —
authentischen Kopie der Benediktinen-egel mit sich, welche einst
Karl aus Monte Cassino erhalten hatte. Sie fügten ihr eine Reihe
von Punkten bei. auf deren Beobachtung Ludwig den grössten Wert
legte.') Es ist charakteristisch, dass dabei die tadellose Ordnung
des Gottesdienstes, die Übung des Stillschweigens, die Handarbeit u.
dgl. hervorgehoben ist, während der Gedanke an Avissenschaftliche
Beschäftigung fehlt.-)
Ein nicht unbedeutender Anfang zur Dui'chflihrung der
Aachener Beschlüsse war also gemacht. Es hatte ein Recht, Avenn
Benedikt sterbend sich seiner Erfolge freute.'^) Und wenn ihn die
Mönche von Kornelimünster als den Mann riihmten. durch welchen
Gott im Fi-ankenreiche die Benediktinerregel wieder hergestellt
habe,*) so war auch dies kein unbegründetes Lob. xlber vollendet
war das Begonnene noch keineswegs, als Benedikt am 11. Fe-
bruar 821 starb. '^)
Er war ein Mann, in dessen Geiste nur für eine einzige Idee
Raum war: ihr diente er treuUch und wandellos bis an seinen
Tod; flu- alles was daneben lag. war sein Sinn verschlossen. Die
Kultur, welche Karl pflegte, duldete er mehr, als dass er sie in
ihrem Wert erkannte und förderte; was er schrieb, ist von un-
vergleichlicher Barbarei.*^) Die Pai-teiungeu, welche unter Ludwig
erhalten. Anlass ihrer Sendung nach Kornelimünster war die von dem
Kaiser angeordnete Klostervisitation (s. S. 305): Ne dum reguläres monachi
venerint, qui iussu imperiali tota coenobia gentis nostrae, ubi opus fuerit,
regulariter instruere debebunt, imparatiores vos inveniant. Der Bericht
der beiden Mönche bestätigt die v. Bened. 38 S. 216 f. gegebene Schil-
derung.
1) M.U. Ep. V S. 302 Nr. 4. Capitulae novitiarum de his in quibus
praeceptum regulae et constitutiones novellorum conciliorum acutius nos
considerare et promtius exercere iussio imperialis admonet.
2) Es ist nur von Wechsel der Handarbeit und der lectio divina die
Rede (c. 24).
3) Schreiben Benedikts an Abt Georg von Aniane (v. Bened. 43 S. 220):
Multa monasteria dudum viciata iam aliquid emendationis a nobis accepisse
videntur largiente Deo.
4) Schreiben der Mönche von Kornelimünster (1. c. 42 S. 219).
5) Vgl. das oben S. 588 angeführte Urteil der Synode v. 829, das auch
den Mönchs- und Nonnenklöstern srilt.
6j Wir besitzen von ihm die oben S. 307 erwähnte Testimoniorum nube-
cula, sodann ein Glaubensbekenntnis (beides bei Baluzius Miscell. V u. Migne
103) und 3 Briefe, einen an einen gewissen Guarnarius M.G. Ep. IV S. 561 ff.
Nr. 40 und 2 in der V. B. 43 f. S. 219 f. Bemerkenswert ist die Vorliebe
des Goten, der das Latein mitleidlos misshandelte, für Allitterationen z. B.
Ut federe fidei federeris, formam fidei . . descrii^si oder Nobiscum novando
— 592 —
alsl)al(l hervortraten, berührten ihn nicht; man bemerkt niclit ein-
mal, dass (las Verhältnis zu Rom ihn irgendwie beschäftigte. Er
wollte nichts sein als ein Mönch, und er war nichts als ein Mönch.
In der Beobachtung der Formeln, an welchen sein Herz hing. Hess
er sich durch nichts beirren: noch der Totkranke betete die vor-
geschriebenen Stundengebete mit den übrigen Mönchen. Als man
den Vers sang: lustus es, domine, et rectum iudicium tuum,')
seufzte er: Ich sterbe. Man hörte ihn noch sagen: Herr, handle
mit deinem Knechte nach deinem Erbarmen.-) j\Iit diesen AVoiten
verschied er, wie er gelebt hatte, als aufrichtiger, aber nicht als
selbstgerechter Mönch. Er konnte schroff sein; die Worte des
Paulus, Argue, obsecra, increpa, sagte er seinem Freunde Xifrid
von Narbonne wie ein Vermächtnis.'^) Aber es fehlte ihm doch
nicht an der Klugheit, die im einzelnen nachgeben kann, um das
Ganze zu fordern. Die Einrichtung Anianes unter Karl war ebenso
ein Zugeständnis an die Verhältnisse, wie sein häufiger Aufenthalt
am Hof unter Lud^^^g.*) Es war ihm nicht gegeben, in frischer
Begeistemng die Menge mit sich fortzureissen. Dazu hing er zu
sehr an Ausserlichkeiten und Kleinigkeiten; es hatte in seinen Augen
zu grossen Wert, dass die Kutten aller Mönche im fränkischen
Reiche gleich lang und ihre Weinkrüge gleich gross waren. "'') Auch
war er in seinen Reformen viel zu ausschliesslich Reaktionär, ohne
ein neues, weiter liegendes Ziel. Tn dieser Hinsicht st<^lit er weit
hinter anderen grossen Mönchen zurück. Deshalb verdankte er
auch seine Erfolge weniger sich seilest als dem tiir ihn glücklichen
Umstand, dass er einen Fürsten fand, der seine Absichten billigte
und seine eigene Maclit in ihren Dienst stellte.
Die Klosterreform wurde denn auch nach Benedikts Tode fort-
gesetzt. Im Jahre 822 weilte der Abt Aldrich von Fei-rieres in
St. Amand. um im Auftrag des Kaisers das Kloster nach der Be-
nediktineiTegel zu reformieren,'*) Im Jahre .S27 wurde durch Ebo
von Rheims die Abtei Montic'render aus einem Kanonikate wieder
zu einem Benediktinerkloster umgestaltet;^ dasselbe geschah in
ii'A.il.'. \ .-(;hlus8 des Briefes wird deragemäss statt des sinnlosen xuna
zu lesen sein saturitate sacra sat conspiciendo Deum.
1) Ps. 119, V. 137.
2) V. Boned. 41 S. 218.
3) L. c. 44 S. 220.
4) Die Mönche entschuldigen gewisBermassen sein Verfahren: Pro
augmento fidelium, non pro terrenis rebus.
5) L. c. 36 S. 21.5, 38 S. 217.
6) Urkunde Ludwig« (B.M. 732).
7) L. c. 813.
— 598 —
dem gleichen Jalu'e mit St. Maixent in Poitiers ; ^) auch die Mönche
in St. Denis mussten sich endlich entschhessen, die HeiTschaft der
Regel wieder anzuerkennen, der sie sich mit unrecht entzogen
hatten.-) Lenkte Ludwig im Jahre 829 die Aufmerksamkeit der
Bischöfe auf die wenig ei-fi-euhchen Zustände in den Nonnenklöstern
der Erzdiözese Mainz, ^) so war das ohne Zweifel die Einleitung zu
einer Reform. Diese Vorgänge werden sich an zahh-eichen Orten
^•iederholt haben. Auch che Zahl der Rehgiosen scheint in den
reformierten E^östern gestiegen zu sein.*) Musste man sich da und
dort zu Zugeständnissen herbeilassen, so verlor man doch das Ziel
nicht aus dem Auge. So wird in einem bischöflichen Antrag dieser
Zeit zugegeben, dass ehemahge Klöster Kanonikate bleiben sollten,
wemi sie nicht wenigstens zwölf Biiider zählten; aber im letzteren
Falle AN-urde darauf bestanden, dass sie die Regel wieder aner-
kannten; sei es zweifelhaft, ob die Stiftung früher ein Kloster ge-
Avesen sei, dann möge die Entscheidung über die Zukunft den
Brüdern selbst überlassen werden.^) Auch solche Verfügungen
zeigen, dass Ludwig bei Vornahme der Klosterreform grössere Kon-
sequenz bewies als in seinen sonstigen Regierungshandlungen. An
dieser Sache nahm er mehr wirklichen Anteil als an fielen
anderen.
Noch entschiedener als in den vereinzelten Xacluichten über
refonnierte Klöster tritt die Wh'kuug der Thätigkeit Benedikts auf
dem rein geistigen Gebiete an den Tag. Auf seine Reform ist
die Verstärkung sowohl der asketischen Richtung innerhalb des
Mönchtums, als auch des Gemeingefiihls der Mönche zurückzu-
fühi-en, die man in der ereten Hälfte des neunten Jahrhunderts
bemerken kann.
Was das Letztere anlangt, so beweist sich der enge Zusammen-
schluss der Mönche in der Ausdehnung, welche die Gebetsverbrü-
derungen nun erlangten. Schon unter Karl bestand ein Gebets-
verein zwischen einigen südwestdeutschen Klöstern. Er umfasste
Reichenau, Murbach, Pfäfers, Schuttern. Gengenbach, Schwarzach,
Neuweiler, Hombach und Mamiiiünster.^) Jetzt gewann derselbe
1) L. c. 817.
2) S. S. 589.
3) Cap. II S. 7 Nr. 186, 3.
4) In Remiremont starben vor Einführung der Benediktinerregel, d. li.
in ungefähr 200 Jahren, 369 Nonnen (Ebner N.A. XIX S. 71 ff.) Unter
Theotilde aber hatte das Kloster 90 Bewohnerinnen. Man sieht, dass vor-
her die Zahl geringer gewesen sein muss.
5) Cap. 175 S. 358.
6) Als Benediktinerkongregation möchte ich aber diese Verbindung
Hauck, Kirchengeschichte, n. 2. Aufl. 38
— 594 —
eine weite Ausdehnung im ganzen fränkischen Reich, mein- als
hundert geistliche Genossenschaften in Deutschland, Frankreich und
Italien gehörten ihm an.') Ausserdem stand St. Gallen mit sieben-
undzwanzig. Pfäfers mit 10 Klöstern und Stiftern in Verbindung.-)
Es wai'en zunächst die ideellen Beziehungen, die auf diese Weise ge-
pflegt wurden. Aber der manchfache brietliche Verkehr, der zwischen
den verbrüderten Kongregationen stattfand,''^) musste auch in
äusserhchen Dingen das Zusammenwirken und den Zusammenhalt
fordern.'*)
nicht bezeichnen (Ebner, Gebetsverbrüderungen S. 40). Über andere Ver-
eine, Ebner S. 41 ; die Annahmen sind zum Teil sehr unsicher.
1) Vgl. Ebner S. 43 f. Das Verbrüderungsbuch ist 826 angelegt; es
wurde ca. 830 und dann •wiederholt im 10. und 11. .lahrh. erweitert. Am
stärksten sind natürlich die schwäbischen Diözesen vertreten: Konstanz
mit dem Domstift, St. Gallen, Kempten, Schienen, Zürich und Zurzach;
Strassburg mit dem Domstift und St. Stephan, Ebersmünster, Kttenheim-
münster, Gengenbach, Haslach, Maurmünster, Neuweiler, Schuttern,
Schwarzach, Surburg, Augsburg mit dem Domstift, Ellwangcn, Feuohtwangen,
Ottenbeuren, Basel mit dem Domstift, Münster im Gregorienthai und Mur-
bach, die Diözese Chur mit Disentis. Pfilfers und Tufers. Aus fränkischen
Diözesen Fulda, Lorsch, Seligenstadt, Domstift in Speier, wenn St. Maximus
auf den Dom bezogen werden kann S. 165 8. 37, Klingenmünster, Weisson-
burg, Mosbach, Herrieden, das Domstift in Metz, Gorze, Hornbach, Dom-
etift in Köln, Prüm. Aus bairischen Dicizesen: St. Peter in Salzburg, Chiemsee,
Freising, Mattsee, Mondsee, Altaich, Metten; aus Sachsen nur Gorvey und
Halberstadt. Nicht zu bestimmen: Buxbrunn.
2) A. a. 0. S. 45. Das Verbrüderungsbuch von St. Gallen ist vor 812,
das von Pfäfers um 830 angelegt.
3) Eine Vorstellung geben die Formeln: Abschluss einer Verbindung:
Form. Bitur. App. 4 f. S. 179 f.; Todesanzeigen: Form. Sal. Merk. 60 S. 261;
Lindenbr. Addit. 4 S. 283; Form, extrav. II, 34 f. S. 571; Morb. 7, 11, 12,
23 S. 331 ff.; Aug. Coli. A 21 S. 347; Laud. 6 — 10 S. 514 f.; Antworten:
ib. 11 — 13 S. 518; Regelung einer bisher formlos unterhaltenen Verbindung:
Aug. Coli. C 2 S. 365.
4) Aus deutschem Gebiet ist mir kein Beispiel bekannt. Dagegen
findet sich bei Du Gange unter dem Wort fraternitas ein interessanter
Vertrag zwischen dem Abt Gregor von St. Martin in Autun und dem Abt
Girfred von Flavigny v. .1. 894. Hier werden zuerst die Gebetsleistungen
festgesetzt, dann heisst es: Demuni . . petimus, ut si qui.'ilibet nostrorum vitio
8U0 lapaus abiectusve fuerit, a vobis recipiatur nee aliorsnm eat, quousque
eatisfactione acta spreto vitio aut recipiatur, aut certe iudicio veetro, quid
agendum sit, decernatur. Man vgl. ferner Form. Salic. Merk. 62 S. 262;
hier wird ein verbundenes Kloster gebeten, während 3 Tage Psalmen und
Messen zu singen, damit Gott dem König ins Herz gebe, dass er dem Kloster
die Wahlfreiheit verleihe.
— 595 —
Die Verschärfung der asketischen Gesinnungen bei den Mönchen
sieht man z. B. darin, dass ein Mann wie Hraban, ein Schüler
Alkuins, nur in Ausnahmefällen kirchliche Thätigkeit der Mönche
zuliess, im allgemeinen missbilligte er sie eben so sehr wie welt-
liche: ihre Pthcht sei nur zu fasten und zu beten. ^) Dasselbe
wird durch die in den Klöstern gepflegte Litteratur bezeugt. Der
Biograph Alkuins machte seinen Helden mehr zu einem Asketen,
als er es in Wirklichkeit war. Alkuins Freude an Virgil war ihm
bereits unverständlich geworden; er fand in der weltlichen Litteratur
nichts als Wermut.'-) Fasten, Wachen und Selbstkasteiung, das
wai-en die Tugenden, die er kannte und rühmte.'^) Sofort begaim
man die Verschiedenheit von Mönchen und Welthchen schärter
zu accentuieren ; man hört wieder Ausserimgeu, welche Salviau
hätte thun können: Jeder Reiche, erklärt Christian von Stablo, ist
entweder ungerecht oder Erbe eines Ungerechten.*) Der Verfasser
der Lebensbeschreibung Findans sieht in den Mönchen einfach die
Erwählten: Gott, der sie vor Grundlegung der Welt zum ewigen
Leben prädestinierte, führt sie aus den mancherlei Sorgen und Be-
strebungen dieser Welt in seinem unaussprechlichen Erbarmen zu
den Einrichtungen eines vollkominneren Lebens.') Für die An-
schauung der Mönche flössen der Eintritt in das Kloster und die
Nachfolge Jesu, der Austritt aus dem weltlichen Leben und die
Loslösung von der Sünde wieder zusammen. Li einem Formular
für die Bitte um Aufnahme in ein Kloster sagt der Petent: Wir
haben gehört, dass der Herr Jesus Christus durch sein Evange-
Uum verkündigt hat: Wer nicht allem entsagt, was er besitzt,
kann nicht mein Jünger sein, und: Wer verlässt Vater oder Mutter
oder Bmder oder Schwestern, Häuser oder Acker und anderes
um meines Namens willen, der wird es hundertfach erhalten imd
das ewige Leben besitzen. Deshalb bitten wir eure Liebe um
Aufnahme in eure Kongregation. Wir verzichten demgemäss
1) Ep. Fuld. fragm. 9 S. 519: Ut monachi . . neque civilibus neque
ecclesiasticis negociis Be implicent, nisi forte praecipiatur eis ab episcopo
civitatis propter opus necessarium, sed in locis, quibus renuntiaverunt se-
culo, sedulo manentes ieiuniis et orationibus operam dent.
2) V. Ale. 1 S. 6 f.; 4 S. 13 : Qui noluit absintium saecularis littera-
turae nosse, Dei quantenus intraret in potentiam.
3) L. c. 8 S. 20.
4) Expos, in Matth. c. 45 (Migne 106 S. 1426): Qui maiores sunt in
isto saeculo, per tyrranidem sunt, et per potestatem sunt super eos maiores;
quia omnis dives aut iniquus aut iniqui haeres.
5) V. Find. init. (_M.G. Scr. XV S. 503j. Die Biographie ist gegen
Ende des 9. Jahrhunderts verfasst.
38*
— 506 —
auf jeden eigeuon AVillcii und iiUeu eigciieii Besitz, wiv Evange-
lium und Regel uns leinen.') Und in einer Litanei dieser Zeit
beten die Mönche: Befreie uns von den irdischen Wünschen und
der fleischlicheii Lust, damit keine Sünde in uns herrsche und
■wir Dir allein zu leben wiiidig seien.-) Man kann nicht sagen,
dass solche Gedanken unter Karl unmöglich gewesen wären. Aber
sie sind doch sehr verschieden von den Äusserungen über das
^rönchtum, die wir von Alkuin und Paulus Diakonus hörten.-') Sie
führten alsbald dazu, dass man die Ausdehnung der gelehrten Ar-
beit auf die antike Litteratur, wie sie unter Karl üblich geworden
war, missbilligte. JVIan konnte jetzt hören, dass das litterarische
Studium Zeitvergeudung, seine Wurzel Lust am Heidentum sei.
Darüber klagt Lupus von Ferneres in einem 13rief an Einhard:
man tadele die Beschäftigung mit den Schriften der Alten als
Nichtsthun, das nur zum Missglauben führen werde.'*) Kein Wundei-,
dass schliesshch auch jene exzentrischen Formen der Askese wieder
henoilraten, von denen in Karls Zeit nicht die Rede war: noch
das neunte Jahrhundert sah die Erneuerung des Reklusenwesens.'"')
So völlig parallel gingen die Überzeugungen mit dem Leben.
Wie die Erweiterung der mönchischen Thätigkeit unter Karl zu
unbefangeren Anschauungen gefüln-t hatte, so bewirkte die schroffere
Aljsonderung der ^Mönche unter Ludwig, dass sie sich wie früher
in ihren engen Gedankenkreis abschlössen. Auch das ist ein Stück
der Auflösung des durch Karl begriindeten kirchlichen Zustandes.
Die urs})rünglichen Gedankeft des mönchischen Instituts reagierten
gegen die Aufgai)en, die er ihm gesteckt hatt<*.
Erfolglos ist demnach Benedikts Thätigkeit nicht gewesen.
Aber wer die kirchhche Entwickelung von einem allgemeineren
Gesichtspunkt aus beurteilt, wird in das Lob, das ihr gewöhidich
1) Migne 99 S. 62.5. Diese Litanei wird Paulin von Aquileja zugp-
Bchrieben; .sie ist .jedoch, wie die Heiligennamon bewoisen, nordfranxösisch.
2) Form. nccl. 28 8. 568 f. Diese Formol wurde im .lahro 826 in
das Verbrüderungsbuch von Reichenau eingetragen, s. die Bemerk. Zeumera
S. 568; sie findet sich auch in der Formelsammlung von Flavigni, welche
gleichfalls nach Karls Tode geschrieben ist (form. 42 S. 479, vgl. S. 469).
Smaragd, comment. in reg. S. Benod. c. nS S. 902 : (^uia te pannis exspo-
liatum veteribus, pariterquc exspoliatum vitiis perdiderat mundus, etc.
3) S. 0. S. 144 f.
4) Ep. 1 S. 44 (ed. Desdevises du Dezert): Amor literarum ab ij»so
fere initio pueritiae mihi est innatus, nee earum, ut nunc a plerisque vo-
cantur, superatitioaa otia fastidivi.
5) Der Schotte Findan in Rheinau i. .1. 8.')!, v. Find. M.G. Scr. XV
S. 504 f. Wiborat bei St. Gallen (Ann. Sangall. mai. z. J. 916 S. 78).
— 597 —
erteilt wird, schwerlich einstimmen können. Und zu einer neuen
Blüte des Mönchtiims vermochte sie nicht zu führen. Abgesehen
davon, dass der Impuls, den sie den Mönchen gab, nicht stark
genug war, verhinderten das schon die pohtischen Verhältnisse des
Reichs. An ihnen scheiterte die Verwirklichung des benecük-
tinischen Verfassungsideals. Ludwig hatte sich unter dem Einflüsse
seines Freundes für die Wiederherstellung der freien Abtswalil be-
geistert: er erklärte sie für ein vernünftiges, Gott wohlgefälHges
Werk.^) Aber wie er zu thun pflegte, entband er sich in ^^elen
Einzelfällen von der Beobachtung seines Grundsatzes. Es dauerte
nicht lange, so raussten ihn die Bischöfe daran erinnern, dass die
Klöster von ßegularäbten zu leiten seien und dass deren Wahl
den Mönchen zustehe.-) Doch das war in den Wind geredet.
Nach wie vor wm'den Klöster an Laien überlassen. Im Jahre f-!29
stand es in dieser Hinsicht jedenfalls nicht besser als unter Karl."')
Die üblen Folgen waren an den inneren Zuständen der Klöster zu
bemerken. Sie standen im Verdacht der schhmmsten Unsitthchkeit,*)
jin genaue Beobachtung der Regel war gegen Ende der Regierung
Ludwigs so Avenig zu denken als vor dem Beginn der Reform. Man
sieht es aus den Beschwerden der Aachener Synode von 836, ^) die
von der Mainzer Synode von 847 -wiederholt wm-den;^) ohne Zweifel
waren sie begründet. Es kam immer wieder vor, dass Mönchs-
kongregationen sich in Kanonikate verwandelteii oder auflösten.'^)
1) Undatierte Urkunde Ludwigs in den Mittli. des Instit. XVI S. 210 Nr. 4.
2) Cap. 179, 9 S. 369. Das Kapitel fällt nach 818, ist aber nicht be-
stimmt zu datieren, da Puckert S. 24 im Rechte ist, dass c. 9 an die Regel
Benedikts von Nursia zu denken ist. Darin jedoch scheint er mir im Un-
recht zu sein, dass diese Vorstellung vor das Cap. 138 gehöre. Denn der
Grund, dass es nachher überflüssig gewesen sei, zeigt doch ein gar zu opti-
mistisches Urteil über Ludwigs Regierungsweise.
3) Cap. 150, 10 (a. 823—825) S. 305, 169 S. 341; v. Wal. 11,4 S. 549:
Monasteriorum (Wala) ostendit et enumeravit pericula, cum iam tunc tem-
poris nonnulla iam a laicis tenebantur, etsi hodie multo minus inveniuntur,
quae de proprio regantur ordine, sed sunt . . omnia pene mundi usibus et
studiis occupata vel depravata; quia cum bene coepisset rex de his in fine
crebescentibus malis a saecularibus sunt pervasa. Vgl. die Anträge der
Synode von Juditz bei Diedenhofen (a. 844) c. 3 ff. M.G. Cap. II S. 114 f.
4) Cap. 196, 50 (a. 829) S. 42; Conc. Aquisgr. (a. 836) U^, c. 12 ff.
S. 682; Hrab. in Ep. Fuld. fragra. 19 S. 525: Tarn spurca ibidem (in den
Nonnenklöstern) fieri narrantur libidinis inquinamenta, ut incaesti crimen
pro nihilo dueatur.
5) L. c. I, 11 S. 676; U^, 15 S. 683.
6) Cap. 248 praef. II S. 174, vgl. c. 13 S. 179.
7) Cap. 175 S. 358.
— Ö98 —
So blieb CS aucli unter Ludwigs Nacbtolgoru. Rcsoudei-s in
Fraukroicb ') und Ijothringen -) wurde oiuo Menge Klöster an Tjuieu
zu Leheu gegeben. Etwas gesicbertcr war ihre Ijage in Deutsch-
1) Über Karl d. K. vgl. Ann. Bert. z. J. 858 S. .^0; 859 S. 51; 862
S. 57 und 59 u. ö. Über Ludwig d. Stammler z. J. 877 S. 137. St. Riquier
hatte seit Angilberts Tod ununterbrochen Laienäbte, s. Traube, Poet. lat.
III S. 268 f.
2) Lothar I. gab St. Evre bei Toul einem Laien zu Lehen; durch
Lothar II. wurde das Kloster i. J. 858 restituiert (B.M. 1250); Bonmoutier
kam durch Lothar II. in Laienhände (Bouq. IX S. 515, vgl. Gest. ep. TuU.
27—30. M.G. Ser. VIII S. 638). Nach den Urkunden Bouq. IX S. 398 und
515 befanden sich auch die Klö.ster des h. Germanus und Martin, welche
dem Bistume Toul gehörten, im Besitz von Laien. St. Germain wurde
dem Bistume durch Arnulf i. .1. 893 zurückgegeben (B.M. .1833). St. Die,
Moyen moutier, Senones und Etival waren Ausgang des 9. Jahrhunderts
beinahe ganz verödet; Moyen moutier hatte 1511 mansi besessen, die ver-
loren gingen (Chron. Med. mon. 5 f., M.G. IV S. 89). Von den Klöstern im
Metzer Sprengel war Gorze bis 863 im Laienbesitz (s. Calmet, Hist. de Lor-
raine I. Preuves S. 307); es verarmte während dieser Zeit völlig (Urkunde
Ludwigs d. D. von 875, B.M. 1475). Die Klöster St. Martin de Glandieres
(Longeville), St. Arnulf, St. Glodesind und Gorze erhielten im Jahre 875 von
Ludwig d. D. entfremdete Güter zurück (B.M. 1472 — 1475. Doch vgl. be-
züglich der Urkunde für St. Glodesind Wolfram, Mitth. des Instit. XI S. 1 ff.).
Im Jahre 897 reservierte sich Zwentibald St. Glodesind (Kegin. chron. z. d.
J. S. 607). Hornbach war im Jahre 900 im Besitze des Grafen und Abtes
Walaho (B.M. 1937). Wenden wir un.s zur Diözese Trier, so war Kchter-
nach seit 864 im Besitz des Laien Raginar (Cat. abb. Fiptern. M.{4. Scr. Xlll
S. 793). Ludwig d. D. gab es im Jahre 870 an seinen Neffen Karlmann,
den unglücklichen Sohn Karls d. K. (Reg. chron. /.. d. J. S. 583). Im .hihre
895 zählte es 40 Mönche (Görz, Reg. 78). St. Maximin war im Jahre 853
im Besitz des Grafen Adalhard (Beyer, ÜB. I. 73, nach Dümmlers Verbesse-
rung des Namens Alardo in Adalardo, OF'r. R. II S. 22). Von Kaiser Arnulf
wurde die Abtei dem Grafen Megingaud übergeben, sequestratis aliquibuB
monasterii posessiunculis, quae vix artam monachis sustcntationem potuissent
praebere (Sigeh. mirac s. Max. 8 M.G. Scr. IV S. 231). Sjjäter bcsass es
der Graf Konrad als Lehen (Regin. chron. z. J. 906 S. 610). Oehren reser-
vierte sich Zwentibald (Regin. chron. z. J. 897 S. 607), nachdem er das
Kloster kaum an Trier restituiert hatte (B.M. 1907). Auch dieses Kloster
kam in «len Besitz des Grafen Konrad (Regin. 1. c.|. Tholey wurde von
Karl d. K. der Kirche von Verdun entzogen und einem gewissen Adalhelm
übertragen (J.W. 2*^56). Im Lüttirhsrhen erhielt Sfablo durch Lothar II.
(iüter zurück, welche Lothar I. dem Klö.ster entzogen hatte (B.M. 1261),
späiter kam es nebst Malmedy an den Grafen Raginarius (B.M. 1949; Ser.
abb. Stab. M.G. Scr. XIII S. 293). König Arnulf schenkte Süstern im .Fahre
891 dem Maler Siginand (B.M. 1806). St. Servatius in Mastricht eignete
sich um 896 der Graf Reginhar an (B.M. 1923 1.
— 599 —
land. Aber auch hier hatte ein so -wichtiges Kloster wie Hersfelcl
in Herzog Otto von Sachsen einen Laienabt.^) Und auch hier
blühten nur einzelne Klöster, während von einer weiteren Aus-
dehnung des klösterhchen Instituts kaum die Eede sein kann.
AVohl sind auf deutschem Boden. ausschhessHch Sachsens, in dem
Jahi-hundert nach Karls Tode etwa fünfzig Klöster und Stifter neu
entstanden. Aber nur wenige von ihnen sind zu gi'össerer Bedeu-
tung gelangt.-) Und bezeichnend genug waren das meisteas
Nonnenklöster : das Frauenmünster in Zürich, die Abteien Lindau,
Essen u. a.., unter den Mönchsklöstern allein das Kloster Eheinau.
Die übrigen alle bheben wenig bedeutend. Die wichtigsten waren
Chorhen-enstifter wie die von Ludwig d. D. gegründeten königHchen
Kapellen zu Frankfiu-t und Regensburg, die Stiftungen der Kon-
radiner zu Liraburg imd Weilburg im Lahnthal, imd St. Castor in
Coblenz. Die Mönchsklöster gelangten zum Teil überhaupt nicht
zu gesichertem Bestand und verschwanden schon nach kurzer Zeit
wieder.-") zum Teil waren sie von Anfang an von älteren Klöstern
abhängig imd entbehrten damit der ersten Voraussetzung für eine
kräftige Ent-v\-ickelung, der Freiheit der Bewegung.*) Von keinem
einzigen dieser Klöster ist irgend ein originaler Anstoss auf die
Entwickelimg des Mönchtunis ausgegangen. Auch KomeHmünster
ist das nicht geworden, was sein Stifter erwartete. Die Klöster
des neunten Jahrhunderts waren sozusagen zufälhge Stiftungen.
Da und dort von Fürsten oder anderen Herren oder von Bischöfen
und Abten ins Leben gerufen.-') fügten sie sich in die Reihe der
1) B.M. 1997.
2) Ich verweise für alles einzelne auf das Verzeichnis der Stifter und
Klöster in der zweiten Beilage.
3) Z. B. Auhausen an der Altmiihl, Hirschau, Brachau, Saal, Karsbach,
St. Grerraanus in Toul, Aluwini mons.
4) Abhängig waren von Fulda: Johannisberg, Salmünster, Brachau,
Rohr, Saal, Petersberg; von dem Salvatorstift in Frankfurt: Ursel; von St.
Gallen: St. Victorsberg; von Lorsch: Heiligenberg; von St. Stephan in Metz:
Aluwini mons.
5) Von ungefähr der Hälfte ist der Ursprung unbekannt; von den
übrigen sind begründet: von Fürsten 9, nämlich von Ludwig d. Fr. Korneli-
münster, von Ludwig d. D. die Stifter in Frankfurt und Regensburg und
das Frauenmünster in Zürich, von Karlmann Alt-Ötting, von Arnulf Roding,
von der Kaiserin Irmgard Erstein, von der Kaiserin Richardis Andlau und
von der Königin Richildis Juvigni; von Herren 8: Seligenstadt, Schännis,
Wiesensteig, Hirschau, Karsbach, Kettenbach, Limburg, Weilburg; von
Bischöfen 5: nämlich Essen von Altfrid von Münster, St. Hubert von Walt-
kaud von Lüttich, St. Castor von Erzbischof Hetti, Neumünster von Bischof
Adventius, St. Evre von Bischof Frothar; von Äbten 5: Johannisberg und
— (500 —
schou bestehenden Klöster ein. ohne dass dadurch das Bild des
kirchlichen Zustandes wesentlich verändert worden wäre. Das
neunte Jahrhundert brachte keinen Mann hervor, der tür das
Mönchtuni eine ähnliche Bedeutung hatte wie Coluniba, Bonifatius
oder auch nur Tassilo.
Nur in Sachsen war die Zahl der neuen Klöst^'r verhältnis-
mässig gross. Es gehr)rt zur Versclnnclzung dieser jungen Kirclu>n-
provinz mit der älteren deutschen Kirche, dass das ^Nliinchtum auch
in ihr festen Fuss fasste, und dass die sächsischen KKister aul-
hörten Missionsposten zu sein.
Weitaus das wichtigste Kloster ist Corvey.^) Es wurde tür
Sachsen bald das, was Fulda für Franken und Reichenau tiir
Schwaben war. Seine Gründung steht noch in Zusammenhang
mit der Bekehrung des sächsischen Stammes. Es ist deshalb nicht
unwahrscheinlich, dass der Plan bis in die Zeit Karls zurückreicht.-)
Er hatte sächsische Geiseln und Gefangene nach Corbie gesandt.
Vielleicht wurde dadurch in Adalhard der Gedanke, ein Kloster
in Sachsen zu gi'ünden, wachgerufen. Sein Stm-z unter Ijudwig
d. Fr. hinderte zunächst die Verwirklichung. Aber er hatte die
Mönche seines Klostei-s für die Idee begeistert; an Wala hatte sie
einen eifi-igen Vertreter: so Hess man sie nicht fallen. Auf der
Beichsversammlung zu Paderborn im Jahre Sl.") gaben Ludwig und
Bischof Hathumar von Paderborn ihre Einwilligung. Alsbald wurde
der Bau an einem Orte Namens Hetha. mitten im AN^ilde, be-
gonnen. Die Lage Hethas erwies sich jedoch als wenig geeignet.
Deshalb bewirkte Adalhard nach seiner Begnadigung die Verlegung
nach der günstiger gelegenen Villa Höxter an der Weser. Wala
bestinmite ihren Besitzer, sie an Ludwig zu verkaufen: dieser über-
liess sie dann dem Kloster.'') Am (i. August 822 haben die Mönche
von ihrer neuen Heimat Besitz ergriften.'*) Seitdem ist die Stif-
Petersberg von Hraban, Salmülister von Hiiggi, Heiligenberg .von Theoderich
von Lorsch und Münstereifel von Markward von Prüm.
1) Nachrichten über die (rründung giebt Paschasiiis Radbert v. Adalli.
65 tf. S. 531 f.; V. Wal. I, 12 S. h-iü, womit zu vergleichen Transl. Vit. 5 H.
S. 577 f., der Cat. abb. et fratr. Corb. bei .Taffc, Bibl. III S. 66 f.; der Be-
richt der jüngeren v. Adalh. c. 44 Mab. A. S. IV, 1 S. 335 f. und die Ur-
kunden Ludwigs d. Fr. (B.M. 754 f.; (irtindungsurkunde und Immunitäts-
vprleihung); vgl. auch 1702.
2) Transl. Vit. 5.
3) Transl. Vit. 10 f. Fundat. Corb. Monast. bei Wilmane I S. 507 ft",
Über sie M. Meyer, Zur alt. Gesch. Corveys und Höxters, Paderborn 1893
.^. 11 ff.
4) Tran.sl. Vit. 11; Cat. abbat. S. 66. Die Weihe des Platzes fand
am 25. August statt.
— 601 —
tuüg rasch aufgeblüht; \oy allem erhielt sie durch reichliche Schen-
kungen einen sehr beträchthchen Grundbesitz.'^) Die Leitung ging
nach Adalhards Tod an ein jüngeres Glied seines Geschlechtes,
AVarin, über.-) Gleichzeitig mit Con-ey unternahmen Adalhard
und Wala die Gründung eines Frauenklostei's zu Herford.'^) Waren
diese beiden Abteien Stiftungen fränkischer Männer, so ist eine
grössere Anzahl anderer von Gliedern des neubekehrten Volkes
selbst gegründet. AVir haben jenes Grafen Hessi gedacht, der als
einer der ersten unter den sächsischen Grossen die Notwendigkeit
des Anschlusses der Sachsen an das ii'änkische Reich und an das
Christentum erkannte. Wie er selbst als Mönch starb, so war in
seinem Hause die A'erehrung des asketischen Lebens gleichsam
erbhch. Seine Tochter Gisla gründete zwei Frauenklöster, das eine
zu Karsbach in Franken, unweit der Mündung der Saale in den
Main, das andere zu Windhausen am Harz, da, wo die Bode aus
dem Gebirge in die Ebene tritt. Zwei Enkehnnen Hessis, Hruot-
hild und ßihhild, waren die ersten Äbtissinnen der beiden Klöster.^)
Andere Stiftungen sächsischer Familien sind Lammspringe. Wildes-
hausen, Brunshausen und Drübeck. Das erstere Kloster gründete
um das Jahr 845 der Graf Ricdag; Äbtissin wiu^de seine Tochter
Ricbm'g.'^) Das zweite wurde kurz vor dem Jahre 855 von dem
Grafen AValtbert, einem Enkel Widukinds, gestiftet; er übertrug
seinem ältesten Sohn AVicbert die Leitung und bestimmte, dass
stets einer seiner Nachkommen Abt sein sollte.*^) Das dritte, im
1) Vgl. Traditiones Corbeiens. herausgegeben v. P. Wigand, 1843. Die
Sammlung besteht aus zwei Registern ; I § 225 — 486 aus der Zeit von 822 —
c. 875; II § 1—224 aus der Zeit von 963—1037; vgl. E. Schröder in den
Mitth. des Instit. XVIII S. 27 ff. und M. Meyer a. a. 0. S. 1 ff.
2) Transl. Viti 12. Über die Abstammung Warins s. Wilmans, Kaiser-
urkunden I S. 304 ff".
3) Angedeutet v. Wal. I, 12 S. 538, berichtet Transl. Pusinn. 2 (Wil-
mans 1. c. S. 542). Eine gewisse Bestätigung bietet Ludwigs Urkunde von
838 (B.M. 946). Über die Gründung des Klosters handelt Wilmans 1. c.
S. 275 ff.; vgl. hiezu das abweichende Urteil Mühlbachers über die Urkunden
B.M. 1365 und 1720.
4) Charoltesbach und Winitohus V. Liutbirg. 2 M.G. Scr. IV S. 1 9.
Das Kloster Winitohus wurde im 10. Jahrhundert nach Quedlinburg ver-
legt.
5) Die Angabe beruht auf der verunechteten Urkunde Ludwigs d. D.
vom 13. Juni 873, B.M. 1455; vgl. die gefälschte Urkunde Altfrids vom
1. November 872. Janike, ÜB. des Höchst. Hildesheim I S. 5 Nr. 12.
6) Wihaldeshusen. Stiftungsurkunde des Grafen Waltbert bei Wil-
mans 1. c. S. 532. Osn. ÜB. I S. 32 Nr. 46. Philippi hält die Bestimmung
über die Leitung des Klosters für intei'poliert. Das Stift erhielt im
. — (i()2 —
.Iiihrc 8'y2 entstandt'ii, ist eine Stiftung des Graten Liiulolf, der es
vier Jiihre später von Brunsluuisen naeh Ganderslieim verlegte.
Auch hier trat eine Verwandte des Stiftei-s, seine Tochter Hathu-
niod. als Äbtissin an der Si)itze.-) Drübeck endlich wurde von
Adelbrin. der Schwester der Grafen Theti und XVikkcr. kurz vor
dem Jahre 877 erbaut; sie selbst war die erste Äbtissin und ihre
Nachfolgeiinnen sollten stets aus dem Geschlechte der Stifter er-
wählt werden. Adelbrin hatte schon vorher ein Kloster in Hom-
burg im Nordthüringgau gegründet.-) A\'ie man sieht, waren alle
genannten Klöster als Familienstiftungen gedacht. Andere ver-
dankten ihre Entstehung Bischöfen oder Religiösen: so wurde
Ridigijjpi, ein, wie es scheint, bald wieder eingegangenes Nonnen-
kloster, von Hildigrim,'*) Neuenheerse von Liuthard von Pader-
born,'') Wunstorf von Theoderich von Minden."*) Bassum von
Anskar,") Bücken von Rimbert,') Metelen von der Nonne Friduwi '')
gegründet. Herzebrock ist im Jahre SHO von einer edelen Frau
Namens Waldburg") und ihrer Tochter Duda und Möllenbeck
im Jahre S96 von der Matrone Hiltii)urk und einem Priester
Namens Folkhai't*") gestiftet. In Bödekkeu^^) und Frecken-
Jahre 85.5 die Immunität (B.M. 1372); nach Dümmler (OFr. R II S. 335
Anm. 4) gehört die Immunitätsverleihung erst in das Jahr 871; vgl. dage-
gen die ßeraorkungen Mühlbachers.
I) Brunesteshusen. V. Bernw. 12 (M.G. Scr. IV S. 762); v. Hathum. 2 tt'.
(1. c. S. 167); hist. de primord. coen. Gander.-^h. (1. c. S. 306 ft'.).
2) So nach der allerdings verunechtcten Urkunde Ludwigs III. vom
26. Januar 877 (B.M. 1510); vgl. Jacobs ÜB. des Kl. Drübeck S. Xlll.
3) Nach einer Urkunde König Arnulfs aus dem ersten Jalire seiner
Regierung (B.M. 1758).
4) Die Stiftung wurde auf der Wormser Synode von 868 bestätigt
(Diplom Luidberts von Mainz, Mansi XV, S. H83 ff.)
5) Urkunde Ludwigs d. D. vom 14. Oktober 871 (B.M. 1447).
6) Adam, Gest. Ham. eccl. pont. I, 32 S. 25.
7) L. c. I, 45 S. 32.
8) Urkunde Arnulfs vom 16. August 889 (B.M. 1777) nach welcher
das Kloster die volle Immunität erhielt. Auch diese Stiftung war Familien-
stiftung; die Nachfolgerinnen Friduwis sollton ihrem (ieschlechte entnom-
men werden.
9) Khrhard, Regest. Westfal. 1, S. 10« Nr. 424: vgl. Wilraans, Addi-
tamenta S. 2 Nr. 2.
10) Urkunde Arnulfs vom 13. August 896 (B.M. 1871).
II) Der Stifter Bödekkens war ein gewisser Mainulf. Seine legendarisclie
Biographie i.st A.S. Oct. III S. 210ff, un.l im Auszuge MG. Scr. XV S. 211 ff.
gedruckt. Ihre Vorlage ist vielleicht Kndn des 9. oder Anfang des 10. Jahr-
hunderts verfasst. Die vorliegende Umarbeitung durch einen Mönch Sigeward
60
o
hoi'st') hat die Sage die Erinnerung an die Stiftungszeit getrübt;
aber sicher fällt die Entstehung beider Klöster in das neunte Jahr-
hundert.
So wirkten Laien und Kleriker zusammen, um Sachsen mit
Klöstern zu lullen. Selbst das Einsiedlerwesen bheb dem kaum
für das Christentimi gewonnenen Lande nicht ganz fi'emd: man hat
im 1 0. Jahrhundert eine Höhle am Abhang des Harzes gezeigt, in
der die h. Liutburg als Klausnerin gelebt habe.-) Man wird daraus
nicht schhessen dürfen, dass bei den Sachsen im neunten Jahr-
hundert mehr asketische Begeistenmg vorhanden war, als bei den
anderen deutschen Stämmen.'') Was geschah, ist nur ein Beweis
dafür, dass der sächsische Stamm alle Einrichtungen des Christen-
tums rasch und energisch ergriff.
gehört dem 11. Jahrhundert an. Sie berichtet c. 7 ff . eingehend über die
Klostergründung. Ich halte höchstens den Namen des Stifters, seine Be-
ziehungen zu Baduard von Paderborn und den Dedikationstag, 10. November,
für zuverlässig.
1) Die Stifterin des Klosters ist die h. Thiadildis. Ihre Biographie (A.S.
Jan. II S. 11.56^ ist nicht wertvoller als die v. Mainulfi. Nacb Diekamp
(Forsch. 24 S. 629 ff.) ist das Kloster vor 857 durch Everward mit Genehmigung
des Bischofs Liudbert von Münster gegründet.
2) In der Urkunde M.G. Dipl. I S. 268 f. Nr. 186 vom 5. Dezember
956 schenkt Otto I. die Höhle, ubi quedam Liutburg quondam fuit inclusa
an Quedinburg. Über die Lage der Zelle s. Reinecke, S. 78 f. die Gleich-
zeitigkeit der Y. Liutb. M.G. Scr. IV S. 158 ff. bestreitet Reinecke in der
Ztschr. des Harzvereins XXX, 1897 S. 1 ff. Er schreibt sie der 2. Hälfte
des 12. Jahrhunderts zu, nimmt aber eine Vorlage aus dem 9. Jahrhundert
an. Die letztere Annahme scheint mir nicht hinreichend begründet, auch
die Bedenken gegen die Gleichzeitigkeit sind nicht alle überzeugend.
3) Der Beweis hierfür liegt in der Thatsache, dass die Zahl der Mönchs-
klöster im Verhältnis zu der der Nonnenklöster eine sehr geringe ist. Unter
den aufgezählten 18 Klöstern sind 4 Mönchs- und 14 Nonnenklöster. Auch
der Heliand zeigt, dass die asketische Anschauung den Sachsen ziemlich
fremd war. Darüber s. unten Kap. 5.
Drittes Kapitel.
Die litterarisclie Bewegung seit dem Tode
Karls d. (ir.
Was im Bereiche der Kultur geschaffeu winl ist in der Regel
unabhängiger von der Pei-son seines Urhehers als was auf dem
Felde der Politik erreicht wird. Dort vollziehen sich alle Ver-
änderungen langsamer und allniählicher als hier. Deshalb ist der
EinHuss des einzelnen Ereignisses geringer. So könnte es auf den
ei-sten Blick scheinen, dass die litteraiische Kultur, welche Karl
ins Leben gerufen hatte, durch seineu Tod nicht beiiihrt wurde.
Die litterarische Betriebsamkeit ist unter seinem Sohne kaum ge-
ringer als imter ihm. Bei näherer Beobachtung bemerkt man doch
bald, dass der Hingang des Kaisers nicht ohne tiefgreifende Folgen
geblieben ist.
Vor allem hörte der Hof jetzt auf den Mittvlinnikt des wisseu-
schaftlichen Lebens zu bilden. Man hat den Gelehrtenkreis, den
Karl um sich sammelte. Wdhl eine Akademie genannt. Tn der
l'hat war er das, was Akadeniicen sein wollen, das Zentrum der
geistigen Bewegung des Reichs. Unter liudwig verödete der Hof;
ihm selbst gebrach die Gabe anzuregen; statt der soliden Gelehrten
und der witzigen Litteraten führte der ehrliche, aber beschränkte
Benedikt von Aniane das grosse Wort. Auch dir Ifcifschule verlor
ihre Bedeutung fiir die AUgen^-inheit.*) Das hing, wie es scheint,
zusammen mit der Pei-sfinlichkeit ihres Leiters, des Kelten flemens.
1) Tl.or ihrpn Fort>)estan(l 8. Simson, .113. L.'.s II S. 2.''iP>ff'.
— 605 —
Er wai' berühmt als Grammatiker:^) Abt Ratgar von Fulda sandte
etliche seiner Schüler zu ihm, damit sie in seiner Umgebung ihre
Bildung vollendeten.-) Aber eine produktive Persönlichkeit war er
nicht: als Schriftsteller kam er kaum in Betracht; in dieser Hin-
sicht stand er unendlich weit hinter Alkuin zurück. Und wenn
er bedacht war. seinen Schülern ja nicht zu viel darzubieten,'^) so
war das zwar sehr verständig; aber zu begeistern versteht derjenige
gewöhnlich nicht, der sein Ziel niedrig steckt. Sollte Clemens der
von Theodulf so übel behandelte Irländer gewesen sein,*) so würde
man in seiner Ernennung zum Leiter der Hofschule eine der Mass-
regeln zu erkennen haben, durch welche Ludwig seinen Gegensatz
gegen die Umgebung seines Vaters bethätigte. Um so verständ-
hcher wäre, dass der Einfluss der Schule sank.
Kein Wunder, dass die Zeitgenossen alsbald einen Rückgang
des litteraiischen Literesses zu bemerken glaubten. Wenn ein
jüngerer Mann, wie Servatus Lupus die Zeiten Karls und Ludwigs
verglich, so sah er dort Licht und hier Schatten. Er urteilt, unter
Karl sei das Wort wahr gewesen, dass die Künste da gedeihen,
wo man sie ehrt; jetzt seien wenige den Lernbegieiügen hold, ja
man hege Argwohn gegen die Studien selbst.'^) Xicht anders ur-
teilte Walahfrid Strabo.*^) Es war die allgemeine Empfindung.
1) Ermold. Nigell. In hon. Hlud. IV v. 403 f. S. 69; Theod. carni.
app. 79 V. 55 f. S. 581. Necrol. Wirzb. zu IV. Kai. Jun. Clementis presbiteri
magistri palatini (Forsch. VI S. 116).
2) Catal. alb. Fuld. M.G. Scr. XIII S. 272: (Ratger) Modestum cum aliis
ad Clementem Scoltum grammaticam studendi (gratia direxit).
3) Poet. lat. II S. 670 Nr. 24.
4) Theod. carm. 25, v. 160 fi". S. 487. Die Beziehung auf Clemens
bei Simson, JB. II S. 257. Neben ihm lehrte ein gewisser Thomas. Doch
hält Simson es für ungewiss, ob der von Walahfrid (carm. XXXVl S. 387)
als praeceptor palatii angeredete Mann Lehrer an der Hofschule oder ein
Hofbeamter gewesen sei. Die Nebeneinanderstellung des Clemens und
Thomas in dem oben Anm. 1 citierten Gedicht v. 55—57 macht es doch
sehr wahrscheinlich. Auch Ratlaic, der Notar Einhards (Transl. Marceil. 1
S. 240), und sein Nachfolger als Abt von Seligenstadt (Hrab. carm. 90
V. 4, carm. 83 v. 9 f. S. 273; vgl. Lupi ep. 67), der unter Ludwig d. D.
königlicher Kanzler war (840-854 Dümmler, OFr. R. II, S. 431, Mühl-
bacher Reg. S. XCVIII), scheint am Hofe gelehrt zu haben: Flures nam
docuit verbis et scribere fecit. Sein Unterricht beschränkte sich aber wohl
auf das Urkundenschreiben.
5) Ep. 1 S. 44.
6) Vorrede zu Einhards Leben Karls: (Karolus) regni a Deo sibi
commissi nebulosam et, ut ita dicam, pene cecam latitudinem tocius scientie
nova irradiacione et huic barbariei ante partim incognita luminosam red-
— 60H —
Schon im Jahre !S22 l)erieten die Bischöfe aul' dem Tage zu Attigni
über eine bessere Einriclitmig des Unterrichts tiir the Kleiiker; sie
verpflichteten sich, in jedem Bistum wenigstens eine, in besonders
gi'ossen Diözesen zwei oder drei Scliulen zu errichten.^) Ludwig
gab bereitwilhg seine Zustimmung.-) Aber es ist sehr wenig wahr-
scheinhcli, dass aus diesen Vorsätzen Thaten wurden. Denn auf
der AVormser Reichsversammkmg des Jahres 829 führten die Bi-
schöfe wieder Khige über den Stand der Biklung: es sei zu be-
fürchten, dass das. was Karl geschaffen habe, zu Gnmde gehe.
Ludwig möge wenigstens an drei passenden Orten öffentliche könig-
liche Schulen errichten; davon werde er grossen Ruhm und die
Kirche vielfachen Nutzen haben. ^)
Es war nicht ganz richtig, wenn man von einem drohenden
Verfall der Studien sprach. Die Zahl der Schriftsteller ist in den
nächsten Jahrzehnten nach Karls d. Gr. Tod nicht geringer, sondern
grösser als widirend seines Lebens. Auch die Aufgaben, an welche
sie sich wagten, sind nicht unbedeutender als früher; sie lernten
sogar sich aul' dem theijlogischen Gebiete freier bewegen, als es
Alkuin that. Aber es ist doch sehr begreillich. dass der Eindruck
entstand, die wissenschaftliche Arbeit sei in raschem Rückgang be-
griffen. Unter Karl standen die geistigen Interessen im Vorder-
grunde. Kleriker und Laien, Männer und Frauen naiimen den
regsten Anteil an dem litterarischen Leben und IVeiben. Das be-
gaim unter Ludwig aufzuliören: man empfand und man vermissto
es. Das Interesse für die Wissenschaft beschränkte sich mehr als
i)isher auf gewisse enge Kreise, sagen wir es bestimmter auf die
Klöster. Die Mönche haben weiter studiert und exzerpiert, Verse
gemacht und Kommentare zusammengetragen. Sie übertrafen an
Kenntnis der patristischen Litteratur bald die Theologen Karls:
Hraban war ohne Zweifel gelehrter als Alkuin. Aber das war ein
kleiner Gewinn; denn sie verloren je länger je mehr den freieren
und weiteren Blick, den jene dem V^erkehr mit dem Kaiser veidunk-
ten. Die Litteratur nach Karl streifte im Laufe weniger Jahrzehnte
didit, Deo illustrante. Nunc vero relabentibus in contraria studiis lumen
«apientie quod minus deligitur rarescit in plurimis.
1) Caj». 174, 2 f. S. 357. Es ist nur an das Studium der Kleriker ge-
dacht. Für ihren Unterhalt Bollten die Kltorn oder Herren sorgen, ut propter
rerum inopiam doctrinae studio non recedant.
2) Cap. 150, 6 S. 304: Scolao ad filios et ministros eccleHiae instru-
endos vel edocendos, sicut nobis praeterito tempore ad Attiniacum pro-
misistis et vobis iniunximus, in congruis locis, ubi necdum perfectum est.
ad loultorum utiliatem et profectum a vobis ordinari non neglegantur.
3) Petit, episc. 4 M.G. Cap. II Nr. 196 S. 37.
— HOT —
den universellen Charakter ab, den er ihr verHehen hatte : sie wurde
Fachlitteratur des einzigen gelehrten Standes, den es gab, des Klerus.
Dass an die Stelle des Hofes die mancherlei Klöster des fränki-
schen Reiches als Pflegestätten der Litteratur traten, hatte für die
Entwicklung derselben noch eine andere Folge. Sie verlor das
einheithche Gepräge, das sie unter Karl trug. Der Westen und der
Osten des Reicbes traten auseinander. Man kann das schon vor der
Teilung des Reichs bemerken ; es ist also nicht Folge der pohtischen
Trennung, wurde aber durch sie natürlich verstärkt. Vergleicht
man die beiden Reichshälften, so herrschte die lebhaftere Thätigkeit
ohne Zweifel auf französischem Gebiet. Unter Ludwig ist kaum
ein Erlahmen der Produktivität wahrzunehmen; unter der im all-
gemeinen wenig rühmHchen Regierung Karls d. K. nahm die Litte-
ratur geradezu einen neuen Aufschwung. Erst seit dem Tode dieses
Fürsten zeigten sich die Folgen der ungünstigen politischen und
sozialen Zustände auch auf dem Gebiete der Litteratur. Und wie
manchfaltig waren immer noch die litterarischen Hervorbringungen:
ein Erbe aus Karls Zeit war die höfische Epik, wie sie Ermoldus
Nigellus pflegte; die Kämpfe unter Ludwig brachten Agobards her-
vorragendes Talent für politische Publizistik zur Entfaltung; unter
Karl wagten die Theologen sich an die selbstständige Erörterung
theologischer Probleme und gleichzeitig trat in der Erneuerung des
neuplatonischen Pantheismus die Philosophie der Theologie an die
Seite mit dem Anspruch, die Wissenschaft schlechthin zu sein. In
denselben Jahren schrieben Hinkmar, dieser bedeutendste Kanonist
der fränkischen Kirche, und die Verfasser der falschen Rechts-
quellen, die ihren Betrug nur wagen konnten, da sie ül^er eine un-
gemein ausgebreitete Belesenheit in der älteren Litteratur verfügten.
Gleich rege bheb endhch lange Zeit der Sinn für historische Auf-
zeichnungen. Er zeitigte eine so charaktervolle Schrift wie Nithards
Historien und so umfassend angelegte Werke wie die Weltchroniken
Freculfs und Ados, eine so wertvolle Lokalgeschichte wie die des
Klosters St. Wandrille und so wohl überlegte Biographien wie die
der Äbte Adalhard und Wala. Ist die Form der letzteren für den
modernen Leser ermüdend, so ist sie doch zugleich ein Beweis da-
für, dass man sich über das bloss stoffliche Interesse an einem ge-
schichtlichen Bericht zu erheben bestrebt war.
Wendet man den Bhck auf das deutsche Gebiet, so ist das
Bild, das sich darbietet, weit weniger wechselvoll und farbenreich.^)
1) Man vergleiche zum Folgenden die einschlägigen Partien, bei Bahr,
Geschichte der röm. Lit. im karol. Zeitalter 1840, Ebert, Gesch. d. Lit. des
M.A. II 1880, Wattenbach, D.'s Gesch.-Quellen I.
— ß08 —
Die Mouche hielten Schule und die Litteiateu schriebeu liir die
Schule oder zum Ersatz derselbeu. Wenn ein wessthänkischer
Schriftsteller cinnuil äusserte, es sei ihm vöUig klar, dass die Weis-
heit um ihrer selbst willen zu erstreben sei/) so war das kein Wort
für die ostfränkischen Schriftsteller dieser Zeit, sie wollten mit dem,
was sie schrieben, nützen. Ihre Bücher waren Lehrbücher, sie
sollten der allgemeinen und der theologischen Ausbddung der Kle-
riker dienen, oder sie sollten den Priestern Handreichung zur Aus-
richtung des geistlichen Amtes in den Gemeinden bieten. Die
ganze Litteratur Deutschlands trägt den Charakter des Schul-
niässigen. Es stimmt wohl dazu, dass Deutschland die Heimat
der grannnatischen Studien war.-)
Dass in dieser Weise die Litteratur Deutschlands und Frank-
reichs sich sonderte, ist eines der Anzeichen datur, dass die Ein-
heit der Reichskirche, wie sie unter Karl d. G. bestanden hatte,
nicht nur äusserlich durch die Teilung des Reiches zersprengt
wurde; sie hatte sich innerlich schon zu lösen begonnen. Die prak-
tische xA.rt der Deutschen und die dialektische Aidage der Franzosen
machten sich geltend. Die religiöse und die kirchliche Entwickelung
der beiden Nationen, die entstanden, indem sie sich trennten, ist
denn auch fernerhin nicht gleichartig verlaufen.
Die Littei-atur diente, wie bemerkt, in Deutschland vorzugs-
weise zur Ergänzung oder zum Ersätze mündlicher Untcnveisung.
Wir vei-suchen deshalb zimächst uns den Stand des UnteiTichts-
wesens nach Karl d. Gr. zu vergegenwäi-tigen. Hier ist es nun
bemerkenswert, dass die Schulen an den Domkirchen mit deii-
jr-nigen der grossen Klöster nicht wetteitern konnten. Wir
wissen, dass in Midnz,''^) Köln, Konstanz, ^fünster und Ver-
1) Lup. Fcrrar. ep. 1 S. 43.
2) S. Ebert, a. a. 0. S. 119.
3) Erwähnt unter Erzbischof Otgar, 826—847, Ep. Ful.l. fragm. 7
S. 518. Unter Hraban. 847—856, lag die Leitung der Schule in der Hand
des Chorbischofs Thiotmar, der von liudolf, Mirac. sanct. in Fuld. eccl.
tranal. 3 S. 332, i. J. 835 als Fuldischcr Mönch erwähnt wird. Hraban
schreibt an ihn : Quia mei cooperatorem in sacro ministerio to elegi, hortor,
ut rjuod pro infinnitate corporis coram multis exponere non possum, tu
qui iunior aetato et validior es corpore illia qui ad sacerdotium ordinati
sunt et ministerium sacerdotalo agere debent notuin facias, et eis persua-
deaa, immo iubeas, ut diligenter discant etc., ep. .55 S. 509. Thiotmar
starb am 23. Januar 857, Ann. necr. Fuld. M.G. Scr. XHI S. 177. Nicht
auf die Mainzer Schule kann sich beziehen, was Hraban in einem an den
Chorbischof Reginald gerichteten Brief aus den .lahren 835—847 schreibt:
Necesse e.st, ut cos quos ad divinum officium promovere concupiscis, dili-
— 609 —
dun^) Stiftsschulen bestanden, wahrscheinlich auch an anderen
Orten. Am bedeutendsten war,, wie es scheint, die Mainzer Schule;
dort wirkte der Presbyter Probus, der zum Bekanntenkreise
des Abts Lapus von Ferneres gehörte.^) Auch in Würzburg wird
das Schulwesen sich in gutem Stand befunden haben: mit einem
gewissen Stolz sjjrach Bischof Humbert von den Schätzen der
Bibliothek, die das Domstift besass/^) Aber man muss bezweifeln,
ob alle Bischöfe dem Unterrichtswesen die Sorgfalt widmeten, die
ihm gebührte: sie selbst leugneten nicht, dass Mängel vorhanden
waren.-*) In der Regel lernten die jungen Klenker, die an die
Bischofshöfe kamen, wohl mehr durch den Umgang mit dem Bischof
als durch methodischen Unterricht. '^ ErklärKch, dass auch ein
Bischof seinen Neffen zuerst in eine Klosterschule schickte, damit
genter doceas atque cum disciplina erudias, ut sciant, qualiter divini verbi
ministri fieri debeant, ep. 40 S. 479. Denn Reginald wirkte in einer noch
zum Teil heidnischen Gegend, S. 478, also in dem sächsischen Teil der
Mainzer Diözese.
1) Über Köln v, Radb. 1 M.G. Scr. XV S. 569; Konstanz v. Chuonr.
ep. 1 M.G. Scr. IV S. 431; Münster v. II Liudg. I, 31 S. 420; Verdun Gesta
ep. Vird. 19 M.G. Scr. IV S. 45.
2) Seinen Tod erwähnen die Ann. Fuld. z. J. 859 S. 54: Cuius casta
conversatio et doctrinae sanctae studium Mogontinam illustravit aecclesiam.
Lupus von Ferrieres schreibt über ihn an Altwin: Non scripsisti, quid
Probus noster exerceat, scilicet utrum in saltu Germaniae disciplinas
liberales, ut serio dicere solitus erat, ordine currat an certe inchoatam sa-
turam, quod magis existirao, struens, etc. (ep. 7 S. 67; vgl. 10 S. 72). Auch
Walahfrid Strabo hat ihn geschätzt (carm. 45 S. 393).
3) Hrab. ep. S. 440, Becker Catal. S. 38. Die Bibliothek war übrigens
rein theologisch; das charakterisiert das Aufhören des universellen In-
teresses.
4) Für die Behauptung von Specht, Gesch. des Unterrichtswesens
S. 175, dass seit dem 9. .Jahrhundert an allen Domkirchen ausser den
Stiftsschulen auch solche für arme Knaben bestanden, wüsste ich keinen
Beweis. Das Gegenteil scheint mir ziemlich sicher zu sein. Das Zuge-
ständnis der Bischöfe: Scolas, de quibus hactenus minus studiosi fuimus
quam debueramus, omnino studiosissimi emendare cupimus (Cap. 174, 3
S. 357), beweist, dass bis zum Jahre 822 nicht einmal Stiftsschulen über-
all bestanden; der gute Vorsatz von 822 war im Jahre 829 noch nicht
ausgeführt Cap. 196, 39 S. 40: Ut unusquisque episcoporum in scolis ha-
bendis . . abhic malus studium adhiberet. Die Folgezeit war für Neu-
gründungen möglichst ungünstig. Vv'ie sollte man da an Armenschulen ge-
dacht haben?
5) Vgl. den Brief Salomons IL wahrscheinlich an Witgar von Augs-
burg, Coli. Sangall. 24 S. 409 f.
Hauck, Kirchengeschichte. 11. 2. Aufl. 39
— 610 —
er dort uuterwiesen werde.^) Siclier ist jedenfalls, dass keine Doni-
schule eine ähnliche Bedeutung gewann, wie die grossen Kloster-
schulen. In den Klöstern wurde ohne Zweifel allenthalben gelehrt.-)
Aber nur in vereinzelten Fällen ist es uns möglich, ein Bild von
der Entwickelung der Schulen zu gewinnen.
Unter Ludwig d. Fr. begann die Blüte der Schule von Fulda,
welche nun längere Zeit den ersten Rang unter den deutschen
Schulen einninnnt. Sie hat sich nur sehr allniähhch zu dieser
Höhe aufgeschwungen. Zwar wissen wir, dass von der Gründung
des Klosters an in ihm unterrichtet worden ist; Einhard und Kigil
haben ihre erste Bildung dort empfangen.'') Aber man kann nicht
annehmen, dass die Fuldische Schule hervorragend war. Indem
die Abte begabte Jünglinge nach St. ]\[artin in Tours oder an den
Hof schickten,*) erkaimten sie selbst den Vorrang der dortigen
Schulen im. Die Thätigkeit des Klosters hig in dieser Zeit auf
anderen Gebieten: Karl d. Gr. benützte die Mönche als ]\fissionare,
Abt Katgar als Bauhandwerker.''') Erst unter Eigil traten die
■wissenschaftlichen Bestrebungen als gleichberechtigt nei)en die
Kunstptlege. Länger als ein halbes Jahrhundert hatte Eigil dem
Kloster bereits angehört, als ihn die Wahl der Brüder zu dessen
Leitung berief.") Jedermann hatte Vertrauen zu seiner klaren Per-
sönlichkeit und /.UV Unabhängigkeit seines Charakters. Denn Nie-
mand war weniger geneigt als er, sich durch Gerede beeinflussen
zu lassen; er liebte es nicht, auf das Urteil anderer zu hören; demi
dadurch, sagte er wohl, werde das eigene Ui-teil nur verwirrt.')
Von einem solchen Manne durlte man erwarten, dass er allen
Unordnungen kräftig steuern würde, ohne doch Milde und Freund-
1) Vgl. Form. Aug. 20 S. 373.
2) Ein Recht zu dieser Annahme geben die Nachrichten über die
Schüler in den Kuldischen Propateien (s. o. S. 570 Anni. 4, 5, 7, S. 571 Anm. 3),
vgl. auch V. Meinw. 4 Sir. XV S. 445.
3) Vgl. S. 177. Dass die Scliulo auch unter IJaugult" bestand, orgiobt
8ich au8 Ale. ep. 250 S. 405: Adolescentulos vestros . . docete etc.
4) Cat. abb. Fuld. M.(t. .Scr. XIII S. 272 über Ratgar; er schickte Hraban
und Hatto nach Tours, Brun zu Einhard, Modestus u. a. zu Clemens Scottua.
5) Das beweisen die Klagen der Mönche in iliror Anklageschrift (M.(i.
Ep. IV S. 548 Nr. 33), auch wenn man in Hetraciit zieht, da.'is Gegner
sprechen; vgl. Hrab. carm. 40 Str. 8 S. 204: Qui cedere nescit. Candid. de
V. Aeigil. II, 5 (Poet. lat. II S. 99j. In der prosaischen Biographic spricht
Candidus unparteiischer (c. 3 S. 223).
fi) Er war nicht lange nach dem Tode des Bonifatius dem Kloster
übergeben worden (v. Eig. 1 S. 223).
7) L. c. 6 S. 225.
— 611 —
lichkeit gleich seinem Vorgänger vermissen zu lassen. Dass er an
Kunsterfahrung hinter Ratgar nicht zurückstand, bewies er durch
die Vollendung der Salvatorkirche und durch den interessanten
Rundbau von 8t. Michael. Freuten sich die Zeitgenossen beson-
ders an den synibohschen Bezügen, die sie in dem Bauwerke fanden,
so schätzen wir höher die Selbstständigkeit des Gedankens und
die trotz der kleinen Dimensionen und der schlichten Ausführung
erreichte AVürde des Gesamteiudracks.^) An A\assenschafthchem
Sinn übertraf Eigil Ratgar weit; gerne beteiligte er sich an Dispu-
tationen über tlieologische Fragen.-) Auch litterarisch hatte er
sich durch seine Biographie Sturms bereits hervorgethan.'^)
Für die Schule war sein Amtsantritt nicht nur deshalb be-
deutungsvoll, weil den Studien jetzt ihr Recht eingeräumt wurde,
sondern mehr noch deshalb, weil er den richtigen Mann an ihre
Spitze stellte. Schon unter Ratgar hatte Hraban zu lehren be-
gonnen.^) Eigil erkannte das unvergleichhche Lehrtalent seines
Fi'eundes und übertrug ihm die Oberleitung der Schule.^)
Hraban betrachtete sich als Schüler Alkuins. Was einst der
Meister Alkuin lehile, das bewahre dein Herz, ruft er einmal
seinem Freunde Samuel zu.") Das war für die Richtung der
Studien nicht ohne Bedeutung. Man wollte wenigstens die Ver-
l)indung klassischer und theologischer Erudition nicht aufgeben."^)
FreiHch fehlte es in Fulda nicht an Gegnern des klassischen Stu-
diums: sie sahen in ihm nur Beschäftigung mit dem Heidentum.'^)
1) Vgl. Dohme, Gesch. d. deutschen Baukunst S. 16. Das Stift bei
St. Michael stammt nicht aus dieser Zeit; es ist jünger; erst Abt Ruthar,
gest. 1096, hat Kanoniker bei St. Michael gesammelt, Dronke, Trad. Fuld,
c. 27 S. 61.
2) V. Eigil. 20 S. 231.
3) S. 0. S. 170.
4) Dass Hraban schon vor 804 lehrte, beweist Ale. ep. 142 S. 223:
Feticiter vive cum pueris tuis. Ist nach Dümmlers früherer Vermutujig
ep. 88 S. 132 gleichfalls an Hraban gerichtet, so ist anzunehmen, dass er
alsbald nach seiner Rückkehr aus Tours mit dem Lehren begann; vgl. oben
S. 152 Anm. 2.
5) Candidus berichtet, dass Hrabanus magister die am 1. November
819 erfolgte Dedikation der Salvatorkirche in Fulda beschrieb (V. Eig. 16
S. 280; vgl. über das Datum Ann. Fuld. z. J. 819). Darf man annehmen,
dass Hraban, als er diese Schrift verfasste, magister war, so ist seine Er-
nennung zum Leiter der Schule vorher erfolgt.
6) Cai-m. 28 v. 19 f. S. 190.
7) Vgl. Hrab. ep. 36 S. 470.
8) Versus Johannis Fold. Didasc. (Poet. lat. I S. 392) v. 7 ff.:
39*
— 612 —
Thatsäclilicli liatton die Fachstudien das l'hergewicht über die all-
gemeinen: Fulda war vornehnilieh theolotfische Schule. Als solche
war es weithin berühmt. Wie einstmals Hi'aban als junjTei- Mann
nach Tours gezogen war, um Alkuin zu hören, so kamen jetzt aus
dem Westen Jünglinge nach Fulda, um von ihm zu lernen. Damit
er in dem hessischen Kloster Theologie studiere, sandte Aldrich
von Sens den jungen Servatus Lupus zu Hraban.^) In Weissen-
burg-) nnd Reichenau.'^) in St. CTallen^) und Ellwangen."*) auf den
bischöflichen Stühlen von Halberstadt ^) und Regensburg') begegnet
man später M;innei*n. die in Fulda gebildet worden waren. Weit-
hin über Deutscldaud erstreckte sich somit der EinHuss dieser
Schule.
Zu den Gehilfen Hrabaus gehörte der vorhin genannte Samuel,
sein Mitschüler in Tom-s,^) der Mönch Candidus, ein Zögling Ein-
Nam quia Virgilium nobis in mente reducis,
Horreo valde suum nee precor eloquium.
His placeat, quibus omne malum delectat adire;
Illius in scriptis invenietur enim.
1; Lup. op. 1: A praefato ppiscopo ad venerabilom Rabannm direc-
tus sum, uti ab eo ingressum caperem divinarum scripturarum.
2) Otfrid war ein Schüler Fuldas (Zuschrift an Lintbert, Krist ed.
Piper S. 11).
.3) Walahfrid, Carm. 9 Überschrift S. 358: Ad Maiirnm Hrabanuni ab-
baten! Fuldensera, magistrum suum.
4) Die Annahme liegt nahe, das« die Kreundschaft zwisi-hen Otfrid
und den St. Gallern Hartmut und Werinbert daher stammt, dasa sie siimt-
lich Schüler Hrabans waren (s. das Widmungsgedicht des Krist an beide,
Piper S. 685 ff. besonders S. 695).
5) Dor Mfinch Ermanrich war ein Schüler Rudolfs, s. seinen Brief an
diesen (MJt. Scr. XV S. 155). Wahrscheinlich war auch Gundram, Hrabans
Neffe, in Fulda gebildet. Ermanrich lobt ihn als iirbanitate ac muniraento
divinorum eloquiorum coraptus necnon et in coturno sublimis (ep. ad. Gundr.
1. c. S. 153). Er trat in die königliche Kapelle ein und erhielt das Klostor
Solnhofen (S. 154). Mönch war er jedoch nicht (ep. Gundr. ad Ermanr.
S. 1.54: Licet divprso habitu, uno tarnen serviamus domino). Der bekann-
teste Schüler Fuldas ist der Mönch Gottschalk; der vornehmste Karls un-
glücklicher Enkel Bernhard, s. Dümmler, ep. Fiildens. Fragm. 1 M.6. Ep. V
S. 517.
6) Hemmo vnn Hall)er8ladt war Hrabans Mitschüler iHrab. de univers.
praef. opp. V S. 11, auch ep. 36 S. 470).
7) Bischof Battirich; er stammte ans Baiern (Hrab. carm. 11 v. 6
S. 173), war aber Mönch in Fulda, ehe er i. .1. 817 das Bistum erhielt (ep.
Fuld. 2 Frapm. 2 S. 517 f.), unter Ludwig d. D. fungierte er als Erz-
kapellan (1. c).
8) Hrab. carm. 28 v. 13 ff.:
— G13 —
hards,^) und der sonst kaum gekannte Mönch x\skrich.-) Der
letzte bedeutende Lehrer Fuldas war Hrabans Schüler Rudolf. Er
sowohl als Candidus war auch als Maler angesehen.^) Mit Ru-
dolfs Tode begann der Ruhm Fuldas zu erbleichen, wenn auch
nach Avie vor Unterricht erteilt wurde.*) Wie mangelhaft er war,
lehrt das Wenige, was im Kloster in den letzten Jahizehnten des
neunten Jahrhunderts geschrieben wm-de. Man wusste die latei-
nische Sprache nicht mehr frei und ungehindert zu handhaben.
Die litterarische Thätigkeit des Klosters musste erlahmen; schhess-
lich hörte sie ganz auf.
Die Arbeit in der Schule von Fulda wurde unterstützt durch
die reiche Büchersammlung, welche das Kloster besass. Ihre An-
fänge reichten wie die der Schule in die Gründungszeit zurück.
Quoiiclam nempe meum gaudebam te esse sodalem
Inter lectores, frater amate mihi;
Nunc quoque te gratulor retinere iura magistri,
Crescere virtute, patris habere locum.
Lector v. 14 wird in diesem Zusammenhang im Sinne von Lehrer ver-
standen werden müssen; so heisst auch Colcu, den Alkuin als magister be-
zeichnet (7 f. S. 32 f.), bei Simeon Dunelmensis ^presbyter et lector" (s.
JaflFes Anm. zu ep. 7).
1) In der Vorrede zu dem Leben Eigils erzählt Candidus: Cum illi
(Hrabano) querebur, quia non haberem quemquam mecum consociorum,
tum quo in divina lectione disputando et legendo proficere potuissem, tale
mihi responsum proferebat: Exerce, inquit, temetipsum legendo et aliquid
utilitatis adde dictando. Nam dum ego ibidem, ubi nunc ipse moraris,
quondam commanerem, librum . . In laudem s. crucis . . incepi. Bei den
Worten „Ibidem, ubi nunc ipse moraris, hat man wohl an die Knaben-
schule zu denken. Hraban hatte ebenfalls über das Amt des Schulmeisters
geseufzt: Horum (der Kirchenväter) lectioni, schrieb er an Erzbischof Hai-
stulf, intentus, quantum mihi prae innumeris monasticae servitutis retina-
culis licuit et pro nutrimento parvulorum, quod non parvam nobis ingerit
molestiam et lectionis facit iniuriam, ipse mihi dietator simul et notarius
et librarius existens, in schedulis mandare curavi etc. (opp. I S. 729). Über
das Schülerverhältnis zu Einhard vgl. Cat. abb. Fuld. (M.G. Scr. XIII S. 272).
2j Ann. necr. Fuld. app. Scr. XIII S. 217; als Bote Hrabans erwähnt
Hrab. ep. 42 S. 481; Ann. Fuld. z. 844 S. 35. Dümmler hat S. 31 auf ihn
aufmerksam gemacht.
3) Vgl. Hrab. carm. 72 v. 12 S. 226: Rodulph pictor; Cand. Vit. metr.
Aeig. XVII V. 131 S. 112. Als Goldschmied wird der Mönch Isanbert ge-
nannt, Hrab. c. 72 v. 11.
4j In den ann. necrolog. Fuld. (M.G. Scr. XIII S. 165 ff.) findet sich
eine Anzahl Schülernamen: 873 Thiotmar scol. (S. 182), 879 Waninc scol.
(S. 184), 885 Eribo scol. subd. (S. 186), 886 Neribo scol. (ib.), 888 Irminfrid
scol., Helmfrid scol. (ib.).
— fiU —
Sie war nicht ausschliesslich theologisch. Wir wissen, dass Abt
"Raugnlf selbst die Bucolica Virgils abschrieb.^) Hraban aber
rühmt in einem Gedicht an den Bibliothekar Gerhoh. dass sie die
gesamte theologische uiul weltliche Litteratur umfasse.-) Er selbst
hatte di\s Hauptverdienst an ihrer Vermehrung."') Von ihrem Be-
stände geben die erhaltenen Fragmente von Katalogen kaum eine
Vorstellung. Doch zeigen sie wenigstens den Zusammenhang mit
Alkuin: man besass eine JMenge seiner Schriften.^) Wo die eigene
Sammlung nicht genügte, half, so lange Einhard lebte, dessen
Bibliothek aus. Die Mönche von Fulda hatten einen Katalog der-
selben:^) der Austausch von Büchern muss also ziemlich lebhaft
gewesen sein.
Was die übrigen fi'änkischen Klöster anlangt, so sind nur ver-
einzelte Notizen über ihre Schulen auf uns gekommen. Ein Ge-
dichtchen Walahfi'ids giebt Zeugnis von der Klosterschule in
Weissen])urg,") die Vorrede Christians zu seinem Matthäuskommen-
tar von der zu Stablo. Er hat in ihr zweimal das Evangelium
i\[atthäi erklärt.') Aus einem Briefe des Servatus Lui)us erhalten
wir Kunde von der Schule in Prüm; er schickte drei Knaben dort-
hin, um die deutsche Sprache zu erlernen.**) Wie in Fulda werden
auch in Prüm die Alkuinschen Überlieferungen ge])flegt worden
sein.") Abt INlarkward war in Ferneres gebildet.
Behauptete Fulda unter den fränkischen Klöstern unbestritten
den wissenschaftlichen Vorrang, so erwuchsen ihm in den Schulen
1) S. Kunstmann, Hrab. S. 35.
2) Cami. 23 v. 13 flF. S. 187. Dümiulor vermutet, dase der hier ge-
nannte Gerhoh identisch mit demjenigen ist, der 818 starb (Ann. Necrol.
Vü\(\. S. 171). Vgl. auch Serv. Lnp. ep. 33 S. 98; er wünscht eine Sueton-
handschrift aus Fulda.
3j Cat. abb. Fuld. M.G. Scr. XIII 8. 272.
4) Becker, Catalogi S. 30 f.
5) Lup. Ferrar. ep. 1 S. 45 f.; 5 S. Rl.
6) Carm. 4 v. 43."^ f. S. 349 f. an Grimald.
7) Migne 106 8. 1261 ff. über ihn Diimmlor in den SB. der Berl.
Akad. 1891 S. 935 ff. Er hat bewiesen, dass Christians herkömmlicher
Heiname Druthmar kein Kecht hat. Christian stammte wahrscheinlich aus
dem südlichen Burgund (S. 1401 C vgl. 1382 D). Aus welcher Schule er
hervorging?, ist mir nicht bekannt. Ein Zusaminenbang mit Alknin ist
nicht any.unohmon, da ihm der Johanneskommentar Alkirns nnboknnnt war
(8. d. Prolog S. 1263).
8) Ep. 33 S. 98. Vgl. ep. 68 S. 136: Cuiu8 (des Deutschen) usum hoc
tempore pemecessarium nemo nisi nimis tardus ignorat.
9) Vgl. Serv. Lup. ej). 69 S. 137: man schickte die Briefe Ciceros nach
Forrif rf>s, damit sie mif cinor dortigen Handschrift verglichen würden.
— ()15 —
der beiden schwäbischen Klöster Reichenau und St. Gallen
Eivalen.
Der Aufschwung der ersteren beginnt schon in Karls Zeit:
Abt AValdo stand dem Gelehitenhof des Königs nahe;^) von Al-
kuins Wissenschaft suchte er für sein Kloster Gewinn zu ziehen;
er sandte den Mönch Wadilcoz nach Tours, um Alkuin zu hören.
Auch den Bücherbesitz seiner Abtei vermehrte er dm'ch Bezug von
Handschriften von dort.-) Später bewährte sich Haito als tüch-
tiger Vorsteher der Schule:^) unter ihm studierten zwei Reichenauer
Mönche bei einem berühmten Schotten, vielleicht jenem Clemens,
der die Hofschule leitete.*) Lehrer in Reichenau war der Mönch
Reginbert,'') der sich besonders durch die Vergrösserung der Bibliothek
verdient machte: manchen Kodex hat er selbst abgeschrieben,") zahl-
reiche andere Bücher wurden dem Kloster als Geschenke übergeben.')
1) Er war zuerst Abt in St. Gallen, wurde 786 Abt von Keichenau
und 806 von St. Denis (Herim. Aug. z. d. J. 786 und 806); er starb den
29. März 813 (Necrol. Aug. S. 274; Ann. Aug. bei Jaffe, Biblioth. III S. 703).
Verkehr mit Karl ergiebt sich aus Dung. ep. 1 M.G. Ep. IV S. 570 u. 578.
2) Gallus Öhem, Chronik von Reichenau (ed. Barack 1866j S. 43 f.
8) Vis. Wett. V. 114 f. S. 307.
4) L. c. V. 123 S. 308. Der eine der beiden war der spätere Abt
Erbald.
5) Grimald und Tatto nennen ihn in ihi-em Briefe praeceptor (M.G.
Ep. V S. 302 Nr. 3).
6) S. d. brevis librorum, quoa ego Reginbertus . . scripsi aut scribere
feci vel donatione amicorum suscepi (Becker, catal. S. 19), und vgl. die von
Dümmler zusammengestellten Inskriptionen von ihm geschriebener Codices
(Poet. lat. n S. 424).
7) Gallus Öhem nennt eine Menge Personen, denen die Bibliothek von
Reichenau Zuwachs verdankte. Unter Abt Johann oder Petrus einen
Sachsen mit Namen Edefrid ^der haut ettliche bücher von im in saxischer
Zungen geschriben hie verlanssen" (S. 43). Unter Waldo sandte Wadillcoz
aus Tours Bücher nach Reichenau; ein italienischer Bischof Lampert, der
Mönch im Kloster ward, ein Sachse Hartrich, Drutmund, der Bruder des
Abts Ello von Altaich, die Priester Monachus, Honoman und Angser, die
Mönche Theotast, Pruinc, Ello, Hetto, Crahalith, Adam, Hiltimar, Sigimar,
Franiurus ,, haben alle bücher in die Ow braucht" (S. 44). Über Haito:
,,Man vindt ouch von im geschriben, das er alle sine bücher, vor und nach
dem Bistum erobert und überkouien, hie in disem gotzhus verlaussen habe.
Under im syen ouch in die Ow und in das gotzhus komen von andeucht
und liebe gottes vil andächtige ernsthafftig und treffenlich man, die mit
inen gutt, eren und nämlich vil bücher gebraucht haben." Er nennt 21
Personen (S. 50). Abt Erlebald Hess im Kloster und in St. Denis Bücher
schreiben; ausserdem nennt Öhem die Namen von 36 Schenkern (S. 51).
Ähnliche Nachrichten über Rudhelm (S. 53). In den Reichenauer Formeln
— H16 —
Nach ihm lehrten Giimald, der spätere Erzkapelhiii,') Tatto"-)
und Wettin.^) Ihr Schüler war Walahfrid Strabo. der her-
YcM'ragendste unter den Lehrern Reichenaus. Seine i)oetischen
Arbeiten zeigen, dass er die römischen Dichter in ähnlichem Um-
fange kannte wie Alkuin;"*) aber auch in Reicheuau war die naive
Freude an den klassischen Studien dahin: mau verabscheute das
Heidnische. Jener Mönch aus dem schwäbischen Kloster, der auf
einer Pilgerfahrt nach Hom diese und jene antike Inschrift in sein
Gedenkbuch eintrug, konnte sich nicht entschliessen seine Blätter
durch Erwähnung des Heidentums gleichsam zu beflecken.''^) Unter
der Menge von Büchern, die Regiubert abschrieb, ist die antike
liitteratur, abgesehen von Ijehrbüchern, überhaupt nicht vertreten,
unter den Werken, welche unter den Äbten Erlebald und Kuad-
helm neu erworben wurden, allein durch Vitruv.") Auch er wurde
ist da und dort v,.n Büchern die Rede, Coli. C. 9 S. 369; 15 S. 372; 17
S. 372 f.; 18 S. 373; 22 S. 374.
1) Grimald war Schüler der Hofschule (s. o. S. 186 Anm. 1). Er
lehrte sodann in Keichenau; Ermenrich und Walahfrid waren seine Schüler
(Ermenr. ep. ad Grim. M.G. Ep. V S. 536 und 567). Tnter Ludwig d. D.
wurde er Kanzler (vor dem 19. Oktober 833, s. die Urkunde Wartmann,
ÜB. I, 318). Entweder von ihm oder schon von Ludwig d. Fr. erhielt er
die Abtei Weissenburg; als Abt wird er bereits am 18. August 833 bezeichnet
(Trad. Wizenb. S. 148 Nr. 158, vgl. Theg. v. Hlud. 47 S. 600). Er baute
das abgebrannte Klo-ster wieder auf (Martyrol. Wizenb. bei Böhmer Font.
IV S. 311, vgl. Walahfr. carm. 44 S. 393). Im Jahre 841 übertrug ihm
Ludwig d. D. die Abtei St. Gallen (Ratp. cas. 7 S. 67); im Jahre 854 oder
kuiz vorher wurde er Erzkapellan (s. die Urkunde Ludwigs vom 22. Juli
854, Wartmann II, 50); er war noch im Besitze eines dritton Klosters, man
weiss nicht, welches (P>menr. ep. 26 S. 564). Vgl. über ihn Dümmler, OFr. R.
II S. 430 IT.
2) Tatto wird von Walahfrid als sein Lehrer bezeichnet (vis. Wett.
j.raef. S. 302, v. 881 S. 331, carm. 13 S. 360).
3) Vis. Wett. V. 176 tf. S. 309, carm. 3 a S. 334. Gleichzeitig wird
-lor Mci.Hter der Schule Buntvit sein, den Gallus ()hem nennt (S. 53).
4j In Reichenau und St. Gallen besass man auch etwas Kenntnis des
(Triechischen, die in Fulda mangelte; eine griechische Handschrift der paul.
Briefe, Cod. F des ausgehenden 9. Jahrhunderts, stammt aus Reichenau
(8. Gregory, Proleg. zu Tisch«ndorf N.T. e<l. VIII S. 30); cod. 0«' enthaltend
die Hymnen des Luk. Plvangeliums und Wc Fragmente des Marcus und
Lukas stammen aus St. Gallen (1. c. S. 28). Der in Reichenau gebildete
Ermenrich zeigt ein wenig anspruchsvoll seine griechischen Kenntnisse
(carm. ad Grim. v. 31 ff. S. 212,l
5; Jahn und Seebode, Archiv i. IMiil. Bd V; vgl. Mommsen, Her. d.
Loipz. Ges. d. Wiss. IV S. 296,
6) Becker, Cat. Nr. 9 S. 19.
— 617 —
ohne Zweifel als Lehrbuch benützt. Denn auch in der Pflege der
Kunst eiferten die Mönche von Keichenau denen von Fulda nach.
Es gab eine Malerwerkstätte im Kloster. Als Grimald die Otniars-
kapelle in St. Galleu ausmalen liess, benützte er Maler aus
Reichenau.^) Ihrer schönen neuen Klostergebäude freuten sich die
Mönche so sehr, dass sie selbst in einem Briefe an den Papst
nicht vergassen, sich ihrer zu rühmen.-)
Langsamer entwickelte sich die Schule von St. Gallen.^) Ihre
Blüte fällt erst unter Ludwig d. D. Doch war sie länger vorbe-
reitet; die St. Galler Bibliothek hatte schon unter Abt Gozbert
eine gewisse Bedeutung erlangt.^) Ludwig übertrug die Abtei an
Grimald;'^) da er durch sein Amt in der Kanzlei an den Hof ge-
fesselt w^ar, so leitete sie als sein Vertreter Otfrids Freund Hartmut.
Nach Grimalds Tod im Jahre 872 wurde er Abt.**) Unter seine
Verwaltung fällt eine sehr ansehnliche Vermehrung der Bibliothek:
man macht hier dieselbe Wahrnehmung wie überall, dass das
Interesse an den klassischen Studien schwindet: unter den von
Grimald geschenkten Werken ist noch eine Virgilhandschrift, da-
gegen beiludet sich unter den von Hartmut erworbenen kein klas-
sisches Werk mehr.') Darf man in Hartmut einen Repräsentanten
der Schule Hrabans sehen, so war dieselbe doch in St. Gallen
nicht allein herrschend. Hier treffen wir wieder auf die Thätigkeit
jener Kelten, die nie ganz aus der fränkischen Kirche verschwanden.
Es war unter Grimald, dass ein schottischer Bischof, Namens Mar-
cus, und sein Neffe Möngal, von einer Komwallfahrt zurückkehrend,
nach St. Gallen kamen. Die Pilger wollten nicht an den Reli-
quien ihres berühmten Landsmanns vorüberziehen, ohne ihnen ihre
Verehrung erwiesen zu haben. Im Kloster bewunderte man das
vielseitige Wissen Möngals und Jjeredete ihn zu bleiben.^) Er trat
1) S. die Inschriften in d. Mitth. der antiq. Ges. in Zürich B. XII S. 213.
2) Form. Aug. Coli. C. 26 S. 377: Insulam omni ornatu novorum edi-
ficiorum comptam mediam reddit.
Bj Vgl. Meier, Geschichte der Schule von St. Gallen (JB. f. Schweizer
Gescb. X S. 35 ff.).
4) Vgl. die ältesten, wahrscheinlich unter Grimald hergestellten Kata-
loge bei Becker, Cat. Nr. 15 und 22 S. 32 und 43.
5) Im Jahre 841 (s. S. 616 Anm, 1).
6) Grimald starb d. 13. Juni 872. Hartmut trat 883 zurück; er starb
d. 23. Januar; das Jahr ist nicht bekannt (Ann. Sangall. mai. S. 77; abb.
S. Gall. cat. S. 35; Ratp. cas. s. Gall. 8 S. 67; necrol. S. Gall.).
7) Becker, Cat. 23 f. S. 53 fi".
8) Ekkeh. cas. s. Gall. S. 78. Er war vor seiner Pilgerreise Abt von
Bangor in Ulster und starb 871, s. Zimmer, N.Ä. XVII S. 210.
— 018 —
an die Spitze der inneren Schule, während an der äusseren der
Deutsche Iso lehrte.') Zwei i^leichzeitige Leln'er sind Wichram '^
inid l{ichl)ert.**) Schüler des Klosters waren die Männer, die später
als Lehrer der Schule von St, Gallen den höchsten Ruhm ver-
liehen: Katpert. und Notker der Stammler, auch Bischof Salomo III.
von Konstanz. Mit ihrem Tode trat auch in St. Gallen ein Rück-
gang ein.
Unter den bairischen Schulen scheint die von Freising ^) die
wichtigste gewesen zu sein. Wie das Bruchstück eines PVeisinger
Katalogs beweist,''') legte man dort Gewicht auf die formale Bil-
dung. Nach Sachsen wurde die Gelehrsamkeit vom Westen des
Reiches her verpflanzt. Der erste Lehrer Corveys, Anskar, war
unter Adalhard und Wala in Corbie gebildet.")
Die Einrichtung der Schulen, Methode und Art des Unter-
richts und der Erziehung werden im Ganzen überall die gleiche ge-
wesen sein. Das von Alkuin gegebene Vorbild blieb herrschend.
Die Zucht war streng, ja hart. Das galt in höherem Masse
von der inneren als von der äusseren Schule.') Hatten die Zöghnge
der letzteren eine etwas grössere Freiheit, so mussten sie andererseits
auch von ihren Eltern oder Herren erhalten werden,**) nötigenfalls
sich selbst versorgen. Wir hören von einem AVaisenknaben in St.
Gallen, der in seinen freien Stunden um das tägliche Brot arbei-
1) Ekkeh. cas. 2 S. 92 f.
2) Necrol. s. Gall. z. IS. Oktober S. 482; Wichram ist in den Urkunden
bei Wartmann Nr. 475 (II S. 91 a. 860—861), 556 (V S. 170 a. 872), 697
(II S. 299 a. 895* gnnannt. Er ist der Verfasser eines opusculum de com-
puto (Studien und Mitth. aus dem Benedikt. Orden IV, 2 S. -357 fl".).
3) Genannt in einem der St. Galler Kataloge (Becker Nr. 23 S. 53).
4) Die Schule von Freising wird in den Freisinger Urkunden ein paar-
mal erwähnt: Meichelbeck, Hist. Fris. I, 1 S. 123; I, 2 S. 83 Nr. 108;
S. 314 Nr. 613.
5; Becker Nr. 19 S. 41.
6) V. Ansk. 6 S. 26.
7) Ekkoh. cas. s. Gall. S. 78: (Iso Salamonem) delicatius quasi cano-
nicum educ.-/erat. Walahfr. Vis. Wett. v. 177 f.:
Cui fortuna dodit scolis adnectier illis,
Quis gandere seiet nitida et lasciva iuventus.
8) Cap. 174, 3 S. 357: Parontes vel doniini singulorum de victn vel
substaniia corporali unde subsistant providere studeant, qualiter solacium
habeant, ut propter renim inopiam doctrinae studio non recedant. Die
Bestimmung bezieht eich auf die Domschulen. Dass sie auch auf die
äusBeren Klosterschulen Anwendting fand, ergiebt sich aus der in der fol-
genden Anmerkung iTw;i()ntfn Notiz.
— 619 —
tete.-^) Die Einrichtung eines allen zugänglichen Unterrichtes, wie
sie Karl vorgeschwebt hatte, scheint demnach bald nach seinem
Tode wieder ins Stocken gekommen zu sein.
Eine Vorstellung von der baulichen Anordnung der Kloster-
schulen gewährt der Bamiss, der unter Abt Gozbert für den
Neubau von St. Gallen entworfen wurde. ^) Die innere Schule
bestand aus sechs grossen Zimmern, den Unterrichts-, Schlaf- und
Krankenräumen, so\vie der Stube des Lehrers. Sie umgaben auf
drei Seiten einen von offenen Hallen umsäumten Hof; an der
vierten Seite stiess er an die Kirche. Küche und Badehaus
lagen etwas abseits. Die äussere Schule lag der Abtswohnung
benachbart. Hier waren die Zimmer rings um eine grosse Halle
angeordnet. Die einzelnen Gemächer waren weit kleiner als in
der inneren Schule: man forderte von den Zöglingen nicht die
volle Gemeinsamkeit des Lebens wie von den zukünftigen Mönchen.
Auch das Haus des Lehrers war von den Schülerwohnungen ge-
sondert.
Wenn man in dem Unterrichtswesen dieser Zeit das Fort-
wirken der Thätigkeit Alkuins wahrnehmen kann, so entfernte
man sich an einem Punkte, wie es scheint überall, von der Linie,
die in Karls Zeit inne gehalten worden war. Das Deutsche
wm-de nicht mehr nur als ein unentbehrliches Mittel der Ver-
ständigung gepflegt, sondern man begann eine Art von deutscher
Bildung zu erstreben. Wir hören kaum von einer Klosterschule,
von der sich dies nicht nachweisen oder vennuten Hesse. So vor
allem von Fulda: aus Hrabans Schule ist Otfrid von Weissenburg
hervorgegangen, einer der frühesten Dichter in unserer Sprache
und einer der ersten, der sie mit dem Auge des Philologen be-
trachtete. So weit verbreitet war der Huhm des Klosters als einer
Pflegestätte deutscher Bildung, dass man sich von Servatus Lupus
in seiner westfränkischen Heimat erzählte, um seiner VorHebe flu-
die deutsche Sprache willen hab er Fulda aufgesucht. Nicht minder
in Prüm. Es wurde eben erwähnt, dass Servatus seinen Neflen
und zwei andere Jünglinge zu Abt Markward sandte, damit sie in
Prüm deutsch lernten.'^) Ebenso in den schwäbischen und bairischen
Klöstern. Hier ist der Ruhm St. Gallens unbestritten; aber auch
Reginbert von Reichenau schrieb deutsche Gedichte ab zum Behufe
des Unterrichts in der deutschen Sprache;*) in Baiern endlich ent-
1) V. Gall. II, 39 S. 29.
2) Keller, Bauriss des Klosters St. Gallen, Zürich 1844.
3) Ep. 6 S. 62; 83 S. 98.
4) Becker, Cat. Nr. 10, 22 S. 22.
— (i20 —
stand die sog. Hriibansche Glosse ;M aucli (Jtliids Krist wurde dort
alsbald gelesen und abgeschrieben.-)
Die genannten Schulen sind die J^ildungsstätten und Wir-
kungsstätten der Theologen des neunten Jahrhunderts. AVir ver-
suchen ihre Persönlichkeit und den Charakter ihrer Theologie uns
zu vergegenwärtigen.
Kiue ähnliche Stellung wie früher Alkuin nimmt jetzt Hra-
banus Maurus ") ein: er war zugleich der angesehenste Lehrer und
der eiuriussreichste Schriftsteller Deutschlands. Aber wie verschie-
den ist der Lebensgang beider: während Alkuni in die Fremde
geführt wurde, hat Hrabaii beinahe sein ganzes Leben in seiner
Heimat verbracht: in Mainz geboren/) erhielt er seine Erziehung
und wissenschaftliche Bildung in dem benachbarten Kloster des
heiligen Jjonifatius. Fulda und Alainz waren dann auch die Orte
tiir die Thätigkeit des Mannes. Unterbrochen wurde der Aufent-
halt in der Heimat nur einmal durch eine Studienreise nach Tours.
So kurz Hrabans Aufenthalt bei Alkuin war. so gewährte ei' ihm
doch ein bleibendes Vorbild für sein Streben und Arbeiten. ''•) Als-
bald nach seiner Kückkehr begann seine Thätigkeit in der Schule.
Auch trat er in den Klerus ein: im Jahre 801 wurde er Diakon,
814 Priester.") In diesem luhigen Lebensgang erschienen die
1) S. Kögcl, über das Keronische Glossar, iy79, S. XLVII.
2) Bischof Waldo von Freising Hess den Krist durch einen Priestor
Sigihard abschreiben (Meichelbeck, H. Fris. I S. 155).
3) Ich citiere nach Migne 107—112; die Gedichte nach Poet. lat. II;
die Briefe nach M.G. E\<. V; Kunstmann, Hrab. 1841; Bilhr, G. d. r. L.
S. 415 fl"; Ebert S. 120ff.; Düuimlers Prooeni. S. 154 tf.; ders., Hrabanstu-
dien, SB. der Berliner Akademie 1898 S. 24 ff.; Mein Aufsatz. P.B.K- XII
S 4^>'.) ff. Über die Namensibrni Hraban, d. h. der Habe Dümmler S. 26.
4) Carm. 97 v. 8 ff . S. 244 (Selbstverfasstc Grabschrift Hrabans in
Mainz):
IJrbe (luideni liac genitus sum ac sacro fönte renatus,
In Fulda post haoc dogma .sucrum didici.
Quo nionachus factus seuiorum iussa sequebar.
I)er Beiname Magnenlius bezeichnet Hraban als Mainzer; so Ebert, zu-
stimmend Dümmler. Das Geburtsjahr steht nicht fest. Man nimmt 776
an, da Hraban i. .1. 801 die Diakonenweihe erhielt Dümmlt'r hält ein
späteres Jahr, etwa 784 für wahrscheinlicher (8. 27). Entscheiden lässt
eich nicht. Die Familie gehörte dem fränkischen Adel an (s. die Grab-
schrift für Hrabans Bruder Tutin c. 9ß v. 3 8. 24!^ und vgl. Diimmler
S. 28).
5) Vgl. oben 8. 152 Anm. 2. Dass ihm Alkuin den Beinamen Maurus
gab, erwähnt er selbst, ep. 14 8. 40'6.
6) Ann. Lnuriss. min. z. dd. JJ.
— 621 —
Misshelligkeiten zwischen Abt Ratgar und den Mönchen schon wie
ein grosser Sturm. Auch Hraban hatte unter dem herrischen
Wesen des Abtes zu leiden. Aber sein gelassener Gleichmut
wusste sich in das Unangenehme und Kränkende zu fügen. ^) Um
so freundlicher gestaltete sich sein Leben unter Abt Eigil: war
es für diesen eine Freude, mit dem gelehrten Genossen zu dispu-
tieren oder der Unterredungen anderer mit ihm zu lauschen,-) so
sah Hraban in Eigil den Lehrer und den Freund, den zu lieben
er nie aufhören werde. •^) Jetzt konnte er sich seiner Neigung
gemcäss ganz den gelehrten Studien widmen. Zu der Lehrthätig-
keit gesellte sich bald auch eine umfassende litterarische Wirk-
samkeit. Weder diese noch jene erhtt einen Eintrag, als Hraban
nach Eigils Tod im Jahre 822 die Leitung der Abtei übernahm.^)
Jede Stunde, welche er an den Regierungsgeschäften erübrigen
konnte, widmete er den Studien oder dem Unterricht; das war die
einzige Leidenschaft dieses leidenschaftslosen Mannes.'^) Er kannte
keine andere Arbeit, die er an Wert der htterarischen hätte gleich-
stellen können. In der verzeihlichen Überschätzung des eigenen
Thuns mteilte er, allein das Geschriebene sei unvergänglich, wäh-
rend jedes andere Werk der alles zerstörenden Zeit erhege.*^) Und
doch fehlte es ihm nicht an praktischer Begabung. Den An-
forderungen, welche die Leitung des grossen Klosters an ihn stellte
erwies er sich besser gewachsen als Alkuin. Sein Schüler Rudolf
rühmt seine Sorge für die klösterliche Disziplin und für die Fort-
schritte seiner Schüler. Besonders aber lag ihm die religiöse Unter-
Aveisung des Volks in den zum Kloster gehörigen Ortschaften am
Herzen: er selbst hat gepredigt; er vermehrte die Zahl der Priester
auf dem Lande, nicht minder die Zahl der Kirchen.") Rudolf
giebt an, dass dreissig Oratorien in verschiedenen Bistümern unter
ihm erbaut worden seien.-) Xach wie vor bHeb Fulda der wich-
tigste Sitz der Kunst in Deutschland. Hraban vollendete den von
1) Carna. 20 S. 185, Bitte an Ratgav um Zurückgabe der ihm wegge-
nommenen glossi parvique libelli. Auch carm. 40 S. 204 f. spricht doch
mehr Betrübnis als Ingrimm aus.
2) V. Eigil. 20 S. 231.
3) Carm. 22 v. 7 ff. S. 187.
4) Ann. Fuld. z. d. J. Eigil starb am 15. Juni 822, cat. abb. M.G.
Scr. Xni S. 273.
5) Rudolfi mirac. sanet. in Fuld. eccl. transl. 1 S. 330; vgl. c. 15
S. 340.
6) Carm. 21 S. 186.
7) Mir. sanct. 1 S. 330.
8) L. c. 14 S. 340.
— 622 —
Ei^'il bei^'onneiieii Neubau des Klosters: uuu entstanden offene
Hallen an den Höfen: die Kirche erhii-lt reichen Schmuck an niu-
sivischen Bildern und Teppichen; ^) ilhnhch wurde die von Hraban
selbst erbaute Kiix-he in Rasdorf verziert.") Dazu kam die Her-
stelhmjSf prächtiger Altarbaldachine und l{t4i(iuieuschreine. Maler
und Mosaicisten, Goldschmiede und Erzgiesser, Sticker nnd KaUi-
graphen wirkten zusammen : •') man hat den Eindruck der frischesten,
erfolgreichsten Tliätigkeit.
Zwanzig Jahre lang stand Hraban an der Spitze des Klostere;
dann legte er, vielleicht nicht ganz freiwilhg, seine Würde nieder.
Er war kein })olitischer Abt; das wäre ebenso gegen seine Natur
wie gegen seine Überzeugungen gewesen: er beklagte es als Unrecht,
wenn die Träger kirchlicher Amter sich zu ijolitischer Tliätigkeit
drängten.'*) Aber schwankend in seinen ])ohtischen Überzeugungen
war er nicht. Er gehörte zu den Anhängern des Einheitsgethmkens
des Reichs. So lange Lud\\ag d. Fr. lebte, hat er in Treuen an
ihm gehalten: auch in der schlimmsten Zeit zweifelte er nicht,
welche Stellung er einzunelnnen habe. Nach Ludwigs Tod sah er
in Lothar den Erben des Reiches.^') Als dieser den Kampf mit
seinen Brüdern aufnahm und als Ludwig den Treueid forderte,
verliess er Fulda und begab sich zu dem Kaiser. Nach dem Un-
terliegen Lothars wurde vielleicht sein Rücktritt gefordert, oder
hielt er ihn selbst im Interesse des Klosters für rätlich.") Jeden-
1) L. c. 1. S. 330: Monasterium totum domibus aportis et habitaculis
congruentibus exstruxit et ecclesiam ex Uivoiso metallorum preciosanimque
vestium genera pulchra varietate decoravit. In diesem Zusammenhang
kann man bei den vestes, wie mich dünkt, nur an Teppiche denken, welche
unterhalb der musivischen Bilder an den Wänden aufgchilnf^t wurden.
2) L. c. 13 S 338. Wenn hier von picturis et diversorium varietate
metallorum die Rede ist, so scheinen gemalte Bilder neben den musivischen
angebracht worden zu sein.
3) L. 0. 3 S. 332; 8 S. 335; 12 S. 337; 13 S. 338; 14 S. 339; Hrab.
carm. 61 S. 222 und besonders Dronke, Tradit. Fuld. 32'' S. 63. Auch
Hatto. Hrabans Nachfolger, wusste die Kunst zu schätzen (Hrab. carm. 38
V 1 S. 196: Nam pictura tibi cum omni sit gratior arte).
4) Kp. 36 S. 470 an Hemrao von Halberstadt: Prob dolor! nnilti in-
veniuntur huius tcmporis viri ex ecclesiasticis personis, qui relicto pracdi-
candi officio et spiritali conversatione in eo se magnos estimant, si terrenis
negotÜH preponantur et disceptationibus saecularuim sepc inters^int, ita ut
in eorum conventibus quasi arbitres presideant et eorum conflictuum iudi-
ces fiant.
5) Ep. 28 an Lothar S. 444.
6) Der aächs. Annalist z. 840 Scr. VI S. 575 und die Annal. Yburg.
z. d. J. Scr. XVI 8. 4HR berichten übereinstimmend, Hraban habe sich in
— 623 —
falls zog er sich nicht imgern aus einer Stellung zurück, deren
Glanz für ihn nur wenig Reiz haben konnte: er fühlte sich alt
und krank. ^) Auf dem Petersberge bei Fulda hatte er eine Kirche
und eine Zelle gebaut. Dort liess er sich nieder.-) Seine Müsse
eifüllte er mit litterarischen Arbeiten.
Ludwig d. D. war grossdenkend genug, den pohtischen Gegner
das Reich Lothars begeben relicta quam habuit potestate, die Brüder
hätten ihn zur Rückkehr aufgefordert; da er sich weigerte, hätten sie
Hatto erwählt; dann sei Hraban gekommen und es hätte nun eine fried-
liche Auseinandersetzung stattgefunden. Die Quelle der beiden Nachrichten
war otfenbar feindlich gesinnt; doch werden die Angaben zum Teil richtig
sein. So zunächst, dass Hraban 840 Fulda verliess. Aller Wahrscheinlich-
keit nach war der Grund, weshalb er es that, der von Ludwig d. D. ge-
forderte Fidelitätseid, Ann. Fuld. z. 840 S. 31. Der Eid kann erst im Spät-
jahre 840 gefordert worden sein. Damit ist das Datum seiner Flucht ge-
geben. Dass in Fulda nicht, wie in St. Gallen (Gas. s. Galli 7 Scr. II S. 67)
die Ernennung eines neuen Abtes erfolgte, sondern Unterhandlungen ein-
geleitet wurden, beweist, dass die Mönche ihm treu waren. Richtig ist
ferner seine Rückkehr; sie erfolgte im Frühjahre 841; am 20. Mai urkundete
er cum consensu et voluntate fratrum, C.D. S. 239 Nr. -53.5. Aber dass vor-
her die Wahl Hattos stattfand, ist nun sehr unwahrscheinlich. Im Sommer
befand sich Hraban wieder in der Umgebung Lothars B.M. 1052 in Aachen,
1053 in Mainz. Man könnte annehmen, dass in dieser Zeit Hatto gewählt
wurde. Aber ep. 30 S. 448 widerspricht: nach ihr ist Hraban noch Abt,
er erwartet die Ankunft Ludwigs, und sieht ihr sehr unruhig entgegen.
Die Ankunft Ludwigs in Fulda konnte Hraban nur erwarten, wenn er, als
Lothar Ende August 841 gegen Frankreich aufbrach, Ann. Fuld. S. 32, nach
Fulda zurückkehrte. Ludwig weilte, seit Mitte August, wo er sich nach
Salz an der Saale begeben hatte (Ann. Fuld. S. 32), in den rheinischen
Gegenden. Darnach ist der Brief zu datieren. Die Wahl Hattos in Hra-
bans zweiter Abwesenheit ist vollends unwahrscheinlich. Es ist vielmehr
anzunehmen, dass Ludwig seinen Rücktritt forderte, oder dass er ihn an-
bot. Die Wahl Hattos fand vor dem 2. April 842 statt; an diesem Tage
wird er zuerst als Abt genannt, Dronke C.D. S. 242 Nr. 543. Dass der
Rücktritt als freiwillig erscheinen sollte, zeigt Lup. Ferr. ep. 21 S. 85:
Audivi sarcinam administrationis vestrae vos deposuisse et rebus divinis
solummodo nunc esse intentos, Hatoni vero nostro curam sudoris plenam
reliquisse. Aber unrichtig war es doch nicht, wenn ein jüngerer Bericht,
die Ann. Hildesh. z. J. 842, bemerkt: Rabanus abba Fuld. coen. expulsus
de monasterio. Dass die Sache nicht in der Ordnung geschah, zeigt der
Satz, mit dem Lupus schliesst: Cuius rei ordinem . . beatitudinis vestrae
literis expectabo cognoscere.
1) S. den S. 622 Anm. 5 angeführten Brief an Lothar; an Samuel von
Worms ep. 24 S. 431.
2) Rudolf. 1. c.
— 624 —
zu achton: wie es schoint. tliat er seihst don ersten Sclnitt, um ihe
ahgerissenen Bezielmngen wieder anzuknüpfen. Wahrscheinlich im
Sommer 845, als der König in Frankfurt verweilte,') berief er
Hrahan zu einer' Zusammenkunft nach Rasdorf: man sprach von
theologischen Dingen; der König wünschte eine allegorische Er-
klärung der in der Matutin gesungenen Hymnen. Hraban war
noch zurückhaltend; er lehnte des Königs Aufforderung ab; es sei
niclit nötig, dass er dasselbe zweimal thue; er habe jene Hymnen
schon in seinen exegetischen Werken erklärt. Si)äter reute ihn
diese Antwort und er erfüllte nun doch den Wunsch des Königs.-)
Indem er das kleine Schriftchen Ludwig übersandte, versicherte er
ihm zugleich, so weit er könne, wolle er ihm gerne dienen. Er
dachte wohl nicht, dass ihn Ludwig beim Worte nehmen würde.
Dieser aber ernannte ihn, als Erzbischof Otgar von Mainz am
•_M. April 847 starb, zu dessen Nachfolger. =^) Hi-aban war damals
l)ereits ein Siebziger; doch stand er noch neun Jahre lang an der
Spitze des grossen Erzbistums.
Was er als Bischof erstrebte, kann man aus den Anordnungen
der beiden von ihm abgehaltenen Synoden ■*) sehen. Man bemerkt
leicht, dass die Beschlüsse der Synode von 847 zum grossen Teile
dem I'rotokoll der Mainzer Synode von 813 entnommen sind. Dort
waren (Trundlinieu gezogen für die Thätigkeit der Bischöfe,'*) die
1) S. die Urkunden 1343 — 1.34.5 boi R.M. Man kann ancli an don
Sommer 843 denken, nach B.M. 1334 f.
2) Brief an Ludwig ep. 33 S. 465.
3) Ann. Fuld. z. .1. 847. Ep. Fuld. fragm. 31 S. .531. Der Ordinations-
tag war der 2fi. Juni.
4) M.G. Cap. II S. 173 ff. Nr. 248 und 249. Anwe.send waren auf der
1. Synode ausser Hral.an: Samuel von Worms, Gozbald von Würzbiirg, Ba-
turat von Paderborn, Ebo von Hildesheim, Gorbrath von Chur, Hemmo
(Haimo) von Halberstadt, Waltgar von Verden, Anskar von Bremen, Otgar
von ?]ichstädt, Lanto von Augsburg, Salomo von Konstanz und Gnbhard
von Speier, also fast nur BischiWe des Mainzer Sprengela. Nach Ann. Fuld.
z. d. J. fand die Synode Anfang Oktober 847 statt. Auf der zweiten waren
Bischöfe ans Ostfranken, Schwaben, Baiern und Sachsen anwesend: Erz-
bischof Liupramm von Salzburg, die Bischöfe Gozbald, Salomo, Esso von
Chur, Lanto, Olkar, Gebhard, Hemmo, Baturat, Gozbert, schwedischer Missi-
onsbischof, Erchanfrid von Kegensburg, Harthwig von TaHsaii, Lantfrid von
Sehen, Altfrid von Hildesheim, Liutprand (vielleicht ist Liutbert von Münster
gemeint). Die Synode tagte am 3. Oktober 852. Dies .Tahr giebt Rudolf in
den Fuldischen .Jahrbüchern an. Das Sydonalprotokoll hat widersprochende
Angaben.
5) C. 1: Notwendigkeit des rechten Glaubens = conc. Mog. a. 813
cap. 1; c. 2: Kenntnis der Kanones und Predigt in der Volkssprache. Die
— Ü25 —
Disziplin unter Klerus und Laien/) die Ordnung des kirchlichen
Besitzes -) und das Zusammenwirken der geistlichen und der staat-
lichen Obrigkeit.^) die er als giltig anerkannte und über die er
nicht hinausstrebte. Sein Ziel war nur, den Zustand der Kirche,
den Karl d. Gr. hergestellt hatte, zu bewahren oder zu erneuern.
Die eigenen, zum Teil durch die augenbhckhchen Verhältnisse her-
vorgerufenen Bestimmungen fügten sich leicht an. Sie sind Zeugen
dafür, dass die Kirche unter den Nachwirkungen des Bürgerkriegs
noch manchfach ütt.^) Ähnlichen Inhalts sind die Beschlüsse der
zweiten Synode, nur dass hier das Ankämpfen gegen UnsittHch-
keit des Klerus und gewisse Volkssünden noch mehr in den Vorder-
grund tritt.'')
letztere Bestimmung = conc. Turon. a. 813 c. 17; c. 3: Die Taufe nach
römischer Ordnung = conc. a. 813 c. 4.
1) C. 13, 14, 16: Beobachtung der Regel von Seiten der Mönche und
Kanoniker; Besitzlosigkeit der Mönche, Amtsführung der Äbtissin. Ana-
loge Bestimmungen in c. 9, 10, 13, 14 der Synode von 813; c. 17 f.: Schutz
der Armen = conc. a. 813 c. 6 f.; c. 28: Bestrafung unzüchtiger Kleriker =
conc. a. 813 c. 53, nur dass jetzt als letztes Mittel Bestrafung durch die
weltliche Gewalt hinzugefügt ist; c. 29: Verbotene Ehen = conc. a. 813
c. 56, jedoch mit Ergänzungen; c. 30: Ehen im 4. Grad = conc. a. 813
c. 54, ebenso.
2) C. 10 (Schluss): Pflicht der Zehntleistung = conc. a. 813 c. 38;
c. 11: Zehntrecht = conc. a. 813 c. 41.
3) C. 4: Pflicht der Eintracht = conc. a. 813 c. 5.
4) C. 5: Verschwörung oder Aufruhr wird mit Exkommunikation be-
straft; c. 6: Schutz für das Kirchengut; c. 7: Recht des Bischofs auf die
Verwaltung des Kirchengutes; c. 8: Pflicht der Kleriker, das im kirchlichen
Dienst Erworbene der Kirche zu vei-machen; c. 9: Freilassungen in der
Kirche; c. 10 (Anfang): Verteilung der Zehnten; c. 12: Gegen die Simonie ;
c. 19: Gegen ungerechte Beamte; c. 20: Bestrafung der Verwandtenmörder;
c. 21: des Kindsmordes u. dgl.; c. 22: des Mordes; c. 23: des fahrlässigen
Todschlags; c. 24 f.: der Ermordung eines Priesters oder eines abge-
setzten Geistlichen; c. 26 f.: Seelsorge an Kranken und Verbrechern; c. 31:
Busszucht.
5) C. 1 = conc. a. 847 c. 5; c. 2 = c. 7; c. 3 (Anfang) = c. 10,
Schluss = c. 11, die Mitte, Verfahren gegen diejenigen, welche die Lei-
stung der Zehnten verweigern, ist neu; c. 4 ^ c. 6; c. 5: Gegen die Ver-
teilung von Kirchen in Privatbesitz; c. 6: Gegen das Waid werk der Bi-
schöfe, mit Bezugnahme auf Karlmanns Kapitulatur von 742 c. 2; es wird
als Synodal dekret des Bonifa tins angeführt; c. 7: Gegen mulieres extraneae;
c. 8: Verfahren bei Anklagen gegen Kleriker; c. 9.: Busse bei fahrlässiger
Kindstötung; c. 10: bei Unzucht; c. 11: bei Mord; c. 12: Es ist zulässig,
eine Konkubine zu Verstössen, um heiraten zu können; c. 13: Verfahren bei
Mordverdacht; c. 14: Sonntagsfeier, aus Karoli cap. 28, 81 S. 61; c. 15:
Hauck, Kirchengeschichte. II. 2. Aufl. 40
— 62H —
Kiichonpolitisclio Ziele, wie man sie in dieser Zeit im west-
lichen Kelche verfolgte, lagen Hralian ferne. In dem "Biscliofs-
anite sah er vor allem die PHitht der Seelsorge. A\'enn er die
Thätigkeit eines ISfain/er riiorbischofs mit den Worten schildert,
er stärke dnrch Lehre und ]\[ahnung die Gläubigen, dass sie
das, was sie mit dem Munde bekennen, in guten Werken auch
üben, diejenigen aber, welche in mancherlei Sünden verfallen
seien, bringe er durch evangelische Zucht zurecht, damit sie
durch die Busse wieder in ihren früheren Stand hergestellt wür-
den,') so wird er selbst in diesem Sinne gewirkt haben. Dass
er bedacht war. die Zahl der Kirchen in seiner Diiizese zu ver-
mehren, darf man nach dem, was Avir über seine Thätigkeit in
Fulda wissen, vernuiten.-) Und dass die Klöster an ihm einen
Schützer und Fürsprecher hatten, war nach seiner Vergangen-
heit nicht anders zu erwarten.^) Auch die Sorge für die Armen
gehöi-te zum Bischofsamte; Hraban hat sich ihrer nicht ent-
schlagen. Ruddlf erzählt bewundernd, dass während der grossen
Hungersnot des Jahres 850 tätlich dreihundert Notleidende an
seinem Tische speisten.'*)
Hraban starb am 1. Februar Sö(> "') mit dem Ruhme, ein
frommer und gelehrter Mann gewesen zu sein.") Mit Bonifatius
Nur den Verheirateten schliesst der Umgang mit einer Konkubine vom
Abendmahl aus; c. 16: Taute kranker Kinder; c. 17: Parochialzwang: c. 18:
Die Annahme fremder Kleriker verboten: c. 10: Simonie; c. 20: Wer einen
Priester deshalb nicht anerkennt, weil er früher verheiratet war, wird ver-
flucht; c. 21: Ehrerbietung der niederen Kleriker gegen die höheren; c. 22:
Während der Fasten sind nur Samstags und Sonntags Heiligenfeste zu-
lässig; c. 23: Die Priester dürfen Schauspielen nicht anwohnen; c. 24: Dio
Messe darf nicht in Privatliiiusorn gesungen werden; c. 2."): Keine Ordina-
tion um rield.
1) An den Chorbischof Reginald (ep. 40 S. 478).
2) Erwähnt wird, dass er am 28. Oktober 850 die Wigbertskircho zu
Hersfeid (Ann. Hildesh. z. d. .!.; s. die Inschriften Poet. Lat. II S. 228 ff.) .
und am 1. September 852 die von Ludwig d. D. gegründete Salvatorkirche
in Frankfurt weihte {s. Düinmler, OFr. R. I S. 359 f.).
3) Ludwig d. D. erneuerte am fi. .Juni 849 auf seine Fürsprache die
verbrannten Urkunden von Klingenmünster (B.M. 1351). Hraban stellte
die abgebrannte Kirche wieder her (carm. 76, v. 13 ff. S. 228). Kr empfiehlt
Fuldische (Gesandte an den Papst und sendet eigene Boten in Sachen der
Privilegien Fuldas nach Rom (ep. Fuld. fragni. 27 S. 528 f.)
4) Ann. Fuld. z. d. .1.
5) Ann. Fuld. z. d. .1.
R) Riid. Mirac. 1 S. 330: Vir valde religiosus et in scri]itnris divinis.
adprime erudHn«
— 627 —
und Alknin lässt er sich vergleichen; aber man kann ihn nicht
neben sie stellen. Denn beide haben neue Bahnen erschlossen;
er ist auf einem bereits eröffneten Wege weiter fortgeschritten.
Sein Talent war ganz überwiegend rezeptiv: an Kenntnis der
heiligen Schrift, der Idrchlichen Litteratur und des kirchhchen
Rechtes war ihm im fi'änkischen Reiche niemand überlegen, in
Deutschland niemand gleich. Er ist der erste gelehrte Theologe
unseres Vaterlands. In bescheidenem Selbstbewusstsein freute er
sich dessen.^) Aber den Kreis des Wissens, das seine Zeit be-
sass, hat er nicht wesentlich erweitert, und die Methode des Studiums,
an die sie gewöhnt war. hat er nicht verbessert. Schon dass er des
Griechischen unkundig war.-) schränkte sein Wissen in die bis-
herigen Grenzen ein, und seine Gesinnung hielt ihn wie alle anderen
unter dem Bann der Tradition. Seinem Bilde fehlt es etwas an
hellen Farben und scharfen Linien. Mehr als bei irgend einem
der Männer aus der Umgebung Karls tritt bei ihm die Persön-
lichkeit des Schriftstellers hinter seinen Werken zm'ück ; nicht ein-
mal bei den Gedichten ist es anders. Aber ist nicht gerade das
bezeichnend? Denn darin l)eweist sich der schlichte Mann, der
bestrebt ist, zu nützen, nicht sich zur Geltmig zu bringen. Hraban
hat einmal den Klerikern gesagt, sie sollten heber treffend als
beredt sprechen.-^) Der Rat charakterisiert ihn. Er Avünschte für
sich nichts Besseres. Möge mir, so schreibt er als Lehrer, die
Gnade Gottes gewähren, dass ich den Knechten Christi dieuhch
sei, von solchen, die gut lehren, lerne und diejenigen, welche ernst-
lich arbeiten, einigermassen fördere*) Diese Schlichtheit stimmt
wohl überein mit der Zuverlässigkeit, die sich in allem Thun
Hrabans zeigt. Er hat in seinen Grundsätzen nie geschwankt.
Auch dabei aber war er sozusagen farblos; welch ein Unterschied
zwischen ihm und einem Manne wie Agobard! Während der
letztere ganz Feuer und Flamme für seine Überzeugungen war,
zeigte Hraban nie Schwung und Begeisterung: aber er bewies
1) An die Kaiserin Judith (ep. 17 a S. 420): Studio sacrarum orationum
non sumus omnino vacui. An Haistulf von der Schrift de inst, cleric: Mu-
nusculum licet non condignura, tarnen ut credo non ingratum, ep. 3
S. 3Ö5.
2) Servatus Lupus wandte sich, um gi-iechische Worte erklärt zu er-
halten, von Fulda aus an Einhard (ep. 5 S. 59).
3) De clericor. instit. III, 36 (opp. I S. 413) : Dicat sapienter quod non
dielt eloquenter, potius quam dicat eloquenter, quod dicit insipienter.
4) An den Mönch Makarius bei Übersendung des Buchs de comj)uto
(ep. 4 S. 388).
40*
— 628 —
Treue. In der AVandollosigkeit seiner Gesiniiunu l)onihte seine
Stärke. Sie konnte ihn staiT und nn,c;proclit nmclioii. Der ^Nfann.
der vom Fanatiker nichts an sich liatte, handelte dann wie ein
Fanatiker. Er war nicht im Stande, Charaktere, die anders waren
ids er, zu verstehen, und denjenigen wieder zu vertrauen, in denen
er sich einmal getäuscht hatte. Der unghickhclie Gottschalk musste
das erfahren. Es scheint eine That fanatischer R(»hheit zu sein,
dass Hrahan ihm jede Möglichkeit entzogen wissen wollte, schriftlich
oder mündlich seine Meinung /u vertreten,') dass er liet, dem Er-
krankten den Trost des Abendmahls zu versagen.-) Und doch
war Hrahan nicht roh, er war nur vertrauenslos: Gottschalk hatte
sein Gelübde als Mönch gebrochen, sein Amt als Priester verletzt,
seineu Beruf als Prediger missbraucht:'*) was andei-s als Schlechtes
konnte man von ihm erwarten? Männer wie Hrahan kennen sitt-
liche Konflikte nicht: deshalb verstehen sie nicht, dass es für
anders geartete Menschen Pflichten geben kann, welche nicht auf
der gewfihnlichen Heerstrasse liegen: das Unverstandene weisen sie
von sich als das Schlechte. Das ist beschränkt; aber es ist ehrlich.
Ehrlich war Hrahan auch in seiner Gutmütigkeit und Ernsthaftig-
keit. Jenes geki'äukte Nein, das er Ludwig in Kasdorf sagte, reute
ihn schon, als er nach Hause ritt. Alle Ubeiti'eibung im Urteil
über die Menschen lehnte er ab: nur Gute, erinnert<^ er, giebt es
allein im Himmel, nur Schlechte allein in dei- Hölle.*) Wie un-
ermüdlich war er, den Anfordei-ungen zu genügen, welche von
allen Seiten an seine litterarische Produktivität gestellt wurden! Zu
spotten verstand er nicht; den Hohn, mit welchem Gottschalk
seine Gegner Hrabaniker nannte, liess er unerwidert: für ihn han-
delte es sich um Recht oder Uin*echt. Alles l'ngeordnete. Un-
methodische stiess ihn ab.'"') Am wenigsten konnte er je ernsthafte
Dinge leicht behandeln: es widerstrebte ihm, sich bei einem Glase
Wein über religiöse und tlieologische Fragen /u unterhalten.") Die
Ijeichtfeiiigkeit, mit der sich mangelhaft ausgebildete ^länncr in den
Klerus drängten, war ihm verhasst. ') Mönch war er von ganzer
Seele; er lebte in den Anschauungen nnd Vorui'teilen seines
1) Ep. 44 S. 496.
2) An Hinkmar (ep. 43 S. 489).
3) Kp. 44 1. c.
4) Kp. Fuld. fragm. 16 S. .522.
5) Ep. 4 S. 3S7: Confusa series vim cognoscendi abstulit ot tedium
lectionia invexit.
6) De vidpndo Deo (opp. VI S. 1262).
7) Dr rleric. instit. III. 1 S. 377 ff.
— (J29 —
Standes.^) Deshalb war es ihm unmöglich, eleu Bedenken gegen
die Darbringung von Kindern für das Klosterleben gerecht zu
werden.-) Er sah darin nur einen Angriff auf die chiistHche Fröm-
migkeit. Jeder Widerspruch gegen das Mönchtum war ihm uner-
träghch.^) Aber er verwarf deshalb das thätige Leben nicht: er
machte die treffende Bemerkung, dass der Herr keinen Tadel gegen
Martha ausspreche.-*) Und von mönchischer Selbstgerechtigkeit
hielt er sich frei. Langsame und ebene Naturen wie Hraban sind
im allgemeinen wenig Versuchungen ausgesetzt; dazu verlief sein
Leben so glatt, dass man nicht vermuten kann, dass er sich schwerer
Verfehlungen anzuklagen hatte. Und doch, wenn er in seinen Ge-
dichten auf seine Sünden und die göttliche Gnade zu reden kommt,
so sind seine Verse weniger steif als gewöhnhch : dann meint man
mehr den Mann reden zu hören und weniger den wohl geübten
Metriker. ■^) Auch für Hraban hatte die Harmonie des Daseins
Reiz; er fand sie in der ununterbrochenen HeiTschaft der gleichen
Gesinnung, in der Übereinstimmung des Handelns mit den sittlichen
(Trundsätzen. Ein so geregeltes Leben verglich er mit der Musik :
der Kunst, gut zu modulieren.")
1) Vgl. die interessante Schilderung des Mönchtums (de obl. puer.
S. 432).
2) De oblat. pueror. S. 419, 428.
3) L. c. S. 430.
4) De purit. cord. opp. VI S. 1293; freilich bin ich nicht ohne Be-
denken gegen die Authentie dieser Schrift.
5) Carm. 9 v. 5 ff. S. 171:
ßespice me miserum, fienti et miseratus adesto
Qui graviter peccans aeger in orbe dego.
Eripe me bis, invicte, maus, procul omnia pelle,
Quae mentem et corpus crimina dira tenent:
Nam vitam variis macularam erroribus omnem
Atque tuam legem spernere non timui.
Lingua, mente, manu commisi noxia multa,
Textus evangelii quaeque vetare seiet.
V. 27 ff.
Nunc, deus alme, tuum famulum pietate sueta
Conversum recipe, quem dolor excruciat.
Sana contritum, flentem solabere maestum,
Indulgens, quaeso, crimina cuncta tuo.
Da mihi spem venia«, fac corda merentia laeta
Commutans lacerum iam facias placidum.
Daque fidem plenam, da spem, da j)ignus amoris,
Mandataque tua corde manuque geram.
6) De cleric. instit. ITT, 24 S. 401 f.
— 680 —
Seine Schriilstellerei ortViihmt dvn Schüler Alkuiiis: wie jener
hat er Gedichte gemacht, ohne zum Dichter geschatten zu sein;')
wie l)ei jenem erwuchs ein Teil seiner Schriften aus (lein Unter-
richt und wai- für den ['nterricht [bestimmt;-) wie jener war er
eifi-ig in der Erklärung der heiligen Schrift. Zu den wichtigsten
Büchern des Alten und Neuen Testaments hat er zum Teil sehr
umfängliche Kommentare geschrieben : '') er begann vor S22 mit der
Erklärung des Mattliäusevangeliums und setzte diese Thätigkcit
während seiner Amtsführung als Abt und Erzbischof unermüdlich
fort, dabei unterstützt von seinen Schülern, die für ihn Stellen aus
den Schriften der Kirchenväter sannnelten.^) Denn seine Kommen-
tare beruhen wie die Alkuins durchaus auf älteren Werken.'') Doch
ist eine Verschiedenheit vorhanden: Alkuin bearbeitete, indem er ex-
zerpierte; bei Hraban herrscht das wörtliche Citat. Er hatte ein
lebhaftes Gefühl für das litterarische Eigentum,") deshalb unter-
liess er nicht, seine Quellen im einzelnen zu neuneu: eigene B<^-
merkungen kennzeichnete er als sein Eigentum. Alkuin schloss
sich in der Regel an Einen Ausleger an.') Hraban hatte eine Reihe
von Büchern vor sich, aus denen er Stellen aushob; jener suchte
kurze, handliche Werke darzubieten. Anlass zu seinen Erklärungen
gab ihm manchmal der Umstand, dass er die alten Kommentare
zu ausführlich fand: Hrabans Arbeiten sind weit umfänglicher: den
Matthäus erklärte er, weil ein umfassender und vollständigei- K(»m-
meutar zu diesem Evangelium fehle.'') INfan sieht, die Siimine des
1) Vgl. Ebert, I-. d. M.A. II S. H2W: Dümmler 8. 29 ft".; über dio
Quollen, die Nachweise in der Ausgabe der Hedichte u. S. 25. Über den
über de laudibus .<<. crucis s. .f. v. Schlosser in d. .TH. der kimsthist. Samm-
lungen etc. XIII S. 1 tt'.
2) Ebert a. a. 0. S. 126 ff.
3) Pentateuch, historische Bücher, .lesajaa, Jeremias, Pjzechiel, Daniel,
Proverb., "Weisheit, .Jesus Sirach, Makkabäer, Matthäus, .Johannes , Pau-
linische Briefe (s. P.RE.' XII S. 4fi3).
4) Ep. 23 S. 429: Adiuvantibus consortibus lertinnis uostrap. Ebenso
arbeitete Alkuin s. o. S. 136.
ö) Dümmler macht M.G. Ep. fV S. .588 darauf aufmerksam, dass Hraban
auch den gleichzeitigen Claudius von Turin benützte.
6) An Haistulf über den Matthäuskommentar (ep. ."> S. 389): Com-
niodum duxi eminus e latere primas nominuni (der Verfasser) litteraa ini-
primere, perque has viritim, ubi cuiusque patrum incipiat, ubi sermo quem
traiistuli desinat, intimare, sollicitus per omnia, ne maiorum dieta furari
et haec quasi mea propria componere dicar. Das-s sein Quellenverzcichnis
nicht vollständig i.st. bemerkt Dümmlor Ep. V 8. 394 Anm. 1.
7) S. oben S. 133 f. Aiiiiiiikiit)f.'<'n.
8) Ep. 5 S. 389.
— ()31 —
Wissens und des theologischen Interesses, welche Hraljau bei seinen
Lesern voraussetzte, war grösser, als die Alkuin erwartete, ein Be-
weis der fortgeschrittenen theologischen Bildung. Aber der Umfang,
welchen exegetische Werke nun wieder gewannen, musste ihre Ver-
breitung hindern. Vielleicht, dass sich darauf die missgünstigen
Urteile über die theologische Litteratur stützten, welche Hraban nicht
ohne Selbstgefühl zurückwies.^) Dass in den iVuslegungen, besonders
der alttestamentlichen Bücher,'-) die allegorische Deutung herrscht,
ist selbstverständhch. Hraban fand sie bei seinen Gewährsmännern
imd überlieferte sie treuhch weiter."^) Galt sie doch als die Krone
alles Schriftverständnisses. AVieder aber bemerkt man den Fort-
schritt der theologischen Bildung, wenn Hraban sich nicht begnügte,
in der eigenen Auslegung den geistlichen Schriftsinn darzubieten,
sondern versuchte, die selbstständige Anwendung der Allegorie seinen
Schülern zu ermöglichen. Zu diesem Zwecke stellte er eine Art
Lexikon der in der heiligen Schrift vorkommenden allegorischen Be-
griffe zusammen.'*) Li der Einleitung legte er die herrschende An-
1) L. c. Magis parati sunt aliena lacerare, quam propria opuscula
condere.
2) Vorrede zum Exoduskomraentar (opp. II S. 9).
3) Er hat doch nicht nur bei den Alten gelernt. Ep. 14 S. 403 be-
merkt er: Ebraei cuiusdam, modernis temporibus in legis scientia non
ignobiliter oruditi, opinionem, quam ille dixit super huius libri (Reg.) ca-
pitulis traditionem Ebraeorum habere, non paucis locis . . inserui. Vgl.
ep. 18 S. 432.
4) Allegoriae in universam sacram scripturam (opp. VI S. 849 flF.).
Rudolf erwähnt in seiner Übersicht der Werke Hrabans (Mirac. 15 S. 340)
diese Schrift nicht. Ich will darauf keinen Zweifel an ihrer Echtheit
gründen; denn auch sicher echte Schriften werden von ihm übergangen.
Jedoch scheint mir sicher, dass sie bei Migne in überarbeiteter Gestalt
vorliegt. Der Beweis liegt darin, dass das Inhaltsverzeichnis und die Reih»
der Artikel nicht übereinstimmt. Stellen wie S. 1071: „Tres paradisi: vo-
luptuosa duicedo invisibilium, quae irrigatur sicut hortus deliciarum; sin-
cera puritas spiritalium, quae in se conservat hominem; deliciosa veritas
supercoelestium, unde Paulus audit verba, quae non licet homini loqui,"
klingen nicht Hrabanisch, sondern jünger. Bedenklich bin ich auch gegen
die neun Roden über das Leiden des Herrn (opp. VI, 1425 ff.j, die gleichfalls
von Rudolf nicht genannt werden. Die Sprache scheint mir nicht Hraba-
nisch; eine so reichliche Verwendung des Reims wie in dem letzten Ka-
pitel: Tu in bis omnibus insensatus, induratus et ingratus haec vides et
rides, serve nequam et degenerans, qui sine pudore et sine dolore vides
coram te patibulum etc. ist mir in Prosaschriften Hrabans unbekannt. In
dem Gedicht de fide cathol. (Poet. lat. 11 S. 197) finden sich ebenfalls viele
Reime: aber wie ungeschickt stellt sich Hraban sie zu finden, im Vergleich
mit der eben angeführten Stelle :
— (i32 —
sieht über den vierfachen Schriftsinn kui/ dar. Mau bemerkt, dass
die bei der allegorischen Auslegung unvermeidliche AVillkürlichkeit
ihm in seiner verständigen Weise Bedenken bereitete; der Ge-
danke lag ihm jedoch ganz ferne, an dem Rechte der Allegorie zu
rütteln.
Ein Teil der exegetischen Schriften Hrabaus war von Laien ver-
anlasst und Laien gewidmet.^) Dennoch dachte idraban vornehmlich
an Kh'rikor als seine Leser. Li dem Widmungsschreihen seines
Matthäuskommentars-) an Erzbischof Haistulf von Mainz sprach er
die Bitte aus, Haistulf möge sein Werk der Geistlichkeit seiner
Diözese empfehlen; die Priester, denen eine Bibliothek fehle, könnten
daraus die mancherlei Erklärungen der älteren Schriftsteller kennen
lernen.^) Die Absicht, der Bildung des Klerus zu dienen, herrscht
nun ausschliesslich in einer zweiten Reihe Hrabanischer Schriften,
die zugleich seinen eigenen Anschauungen näher führt, als es die
Kommentare vermögen.
Alkuiu hatte einst in seinem Buche über den Trinitätsglauben
eine eingehende Darstellung des altkirchhchen Dogmas gegeben.
Wir besitzen kein Werk Hrabans, das sich mit dieser Schrift zu-
sammenstellen liesse. Doch ist sein wichtigstes Werk ebenfalls ein
Lehrbuch, die Schrift über die Bildung der Geistlichen.^) Hraban
verfasste sie auf die dringenden Bitten seiner im kirchlichen Amte
stehenden Freunde und Schüler, um ihnen Belehrung Inr ihre amt-
liche Thätigkeit daizubictcn.'') Charakteristisch für sein Werk ist
Aeterne reruni conditor
Et clarus mundi formator,
Deu8 in adiutorium
Intende tu humilium etc.
Ange.sicht.s dessen scheint mir die Verwendiinpf des Reims in den Reden
nur vorstündlich, wonn gorpiinto lateinische Gedichte schon lange verbreitet
waren.
1) Der Kommentar zur Chronik ist durch Ludwig d. Fr. veranlasst,
die zu Judith und P^sther sind der Kaiserin .Tudith gewidmet; Ludwig d. D.
hestimrate ihn zur Erklärung der biblischen Hymnen s. o. S. 624.
2) Eine eigentiimlicho Parallele zu diesem Werk ist der von Köberlin
(Progr. von St. Anna in Augsburg 1891 S. 19 tt.» heraungogebene Kommentar.
Dass zu .5, 22 S. 59 der jüdische Gewährsmann Hrabans angezogen wird,
zeigt, da.ss Hraban spricht. Die Vermutung Traubes, dass der Komm, eine
Schülernachachrift der Vorlesungen HraVjans sei, hat viel für sich, NA.
XVII S. 458 f.
3) Opp. I S. 727.
4) Opp. I S. 29.3 ff.
5) Zuschrift an Haistulf S. 295, auch Ep. 3 S. 385. Hraban übergab
— 033 —
mm, dass das Dogmatische durchaus in den Hintergrund tritt. Es
war die Folge davon, dass es nicht gelungen war, die religiöse Be-
deutung des altkirchlichen Dogmas zu erfassen. Hraban kannte es;
er stellte es als die Glaubensregel neben das Symbol und die Heilige
Schrift,^) Aber wenn er in der letzteren ausschliesslich religiösen
Inhalt fand,-) und wenn ihn die Kenntnis des Symbols deshalb für
nötig dünkte, da man in ihm den Glauben besitzt,'^) so schien ihm
die Wahrheitsregel nur zu dem Zwecke notwendig, dass man ge-
wahrt sei vor häretischem Irrtum.*) Ging ihre Bedeutung darin
auf, so genügte eine möglichst kurze, gesetzesartige Zusammen-
das vollendete Werk Haistulf, als dieser behufs der Einweihung der neu-
erbauten Kirche in Fulda war, 1. November 819.
1) II, 53—57 S. 364 ff.
2) III, c. 3 S. 380: (Scripturam divinam) legentes nihil appetunt
aliud, quam cogitationes voluntatemque illorum, a quibus conscripta est,
invenire, et per illas voluntatem Dei. III c. 4 S. 381: In eo se exercet
omnis divinarum scripturarum studiosus, nihil in eis aliud invenitur usquam,
nisi diligendum esse Deum propter Deum et proximum propter Deum . . .
Quisquis ergo scripturas sacras vel quamlibet partem earum intellexisse sibi
videtur, ita ut eo intellectu non aedificet istam geminam charitatem Dei
et proximi, nondum intellexit, quemadmodura opoi'tebat eam scrire. De oblat.
pueror. (opp. I S. 419): Si quis scripturam sacram . . inspexerit, non aliud
eam quam destructionem infidelitatis atque cupiditatis et aedificationem
fidei ac charitatis nobiscum agei-e reperiet. Ähnlich de occl. discipl. I (opp.
VI S. 1194; III S. 1234 u. ö.). Daraus ist Hrabans Auslegungskanon zu
verstehen : Quidquid in sermone divino neque ad morum honestatem neque
ad fidei veritatem proprie referri potest, figuratum esse cognoscas (de der.
inst. III, 13 S. 389).
8) II, 56 S. 369: Est symbolum signum, per quod agnoscitur Deus,
quodque proinde credentes accipiunt, ut noverint, qualiter contra diabolum
fidei certamina praeparent; in quo quidem pauca sunt verba, sed omnia
continentur sacramenta. De totis enim scripturis haec breviatim coUata
sunt ab apostolis, ut quoniam plures credentium litteras nesciunt, vel qui
sciunt praeoccupatione saeculi scripturas legere non possunt, haec corde
retinentes habeant sufficientem sibi scientiam salutarem. De eccl. disc.
III S. 1235: Fidem ante omnia rectam et immaculatam necesse est habere,
et secundum apostolicae institutionis normam symbolum a sanctis patribus
constitutum memoriter tenere et religiöse vivere studero etc.
4) Mit den Worten: Haec est post apostolicum symbolum certissima
fides, quam doctores nostri tradiderunt, leitet Hraban (de instit. cleric. II,
57 S. 369j eine knappe Darstellung des trinitarischen und christologischen
Dogmas ein, an welche sich eine Reihe weiterer Erläuterungen des apo-
stol. Symbols anschliesst; man sieht, dass das Dogma gewissermassen als
ein Zweites zu dem Symbol hinzukommt. Seinen Zweck liest man c. 58
S. 371: Hoc cavendum est omni animae timenti Deum, ut non a fide ca-
— (i:u —
fassuug. Aber wo sollte dann das Interesse an dei- Erörterung
des Dognnis iierkoniinen, das noch Alkuin beseelte? Es bot ja
nicht einmal Erkenntnis. So vei-flachte das theologische Interesse,
indem es sich zirgl(>ich erweiterte. Der Kleriker wurde nicht mehr
zum Theologen gebildet, sondern zum Diener des Kultus: er sollte
vor allem wissen, wie man die Kultushandlungen vollzieht und was
sie bedenten.')
In letzterer Hinsicht i^t Hrabans Unterweisung umfassend.
Er zeigte sich ancli darin als Gelehrter, dass er Vollständigkeit
der Dai"stellung erstrebte: er beginnt mit der Kirche und den
kirchlichen Amtern. behandelt sodann die Kleidung der Kleriker,
ferner die Sakramente,-) die kirchlichen Gebetsstunden und das
Gebet überhaupt. Fasten, Almosen und Busse, die Feste, den
Kirchengesang, die Lektionen und das Symbol, woran sich ein
Ketzerkatalog anschliesst. So in den beiden ersten Küchern: das
dritte P>uch giebt einen Uberl)lick ül)er das. was der Kleriker, um
sein Amt recht führen zu können, an wissenschafthcher Kiklung
bedarf: das Ziel des theologischen Studiums ist das "S^ei-ständnis
der Biltc]. Aber Hraban zeigt sich darin als der echte »Schüler
Alkuins, dass er einen Zwiespalt zwischen der theologischen Bil-
dung und der auf dem Studium der antiken Litteratur ruhenden
allgemeinen Bildung nicht z>igiebt: ähnlich wie sein Lehrer zieht
er aus der Verwerfung des Heidnischen nicht die Folgei-ung. dass
die heidniscbe Litteratur verwerflich sei; auch sie enthält Wahr-
heiten, welche wie die geoft'enbarten von Gott stammen. F^r fordert
für den Kleriker nicht nur Unterricht in den sieben freien Künsten,
sondeni auch Kenntnis der Geschichte, ja der antiken Philosophie.
l)ie.se gesamte Bildung aber soll den Priester befähigen zu pre-
digen; denn Lehrer des \'olks ist er vor allen Dingen. Das Buch
schliesst dem entsprechend mit einer Anweisung zur Predigt, in
Avelcher Hrabans verständige, auf das Nützliche bedachte Art sich
klar beweist. 7
tholica decidens et relinquens doctrinam veritatis, in crrores haereticoruni
cadat, quia hoc certissimura mortis est ^enus.
1) Ein gowisHer Fortscliritt in der theologi.sfhcn Enidition ist dabei
unverkennbar; man vergl. das, was Hraban über das Abendmahl .sagt (I,
.31 S. 31fitl'.), mit den ungenügenden Antworten, die Karl über die Taufe
erhielt.
2) Die Beschreibung der Messe (1, 33 S. 322) entspricht nicht genau
dem sog. Gregorianum.
3) Cruel, Gesch. d. d. Pred. S. ."»7, urteilt unbillig scharf, indem er er-
klärt, Hraban wiederhole bloss die aus Augustin geschöpften ganz allge-
meinen Kegeln der Rhetorik, ohne spociclle Anweisungen für den christ-
— 685 —
Eine originale Arbeit war diese Schritt Hrabans so wenig als
seine Kommentare. Er lehnte es wie einen Vorwurf ab, dass er
irgend etwas Eigenes geben wollte; sein Ehrgeiz war. den katho-
hschen Glauben und die katholische Überzeugung überall zu wieder-
holen. Er habe, so schrieb er in der Vorrede, Cyprian. Hilarius,
Ambrosius, Hieronymus, Augustin, Gregor, Ckysostomus, Damasus,
Cassiodor und etliche andere Väter benützt: bald Stellen aus ihren
AVerken wörtlich in seine Schrift aufgenommen, bald ihre Gedanken
mit eigenen Worten wiedergegeben; nur wo es nötig gewesen sei.
habe er Eigenes beigefügt.') Das war nun einmal die Überzeugung
der Zeit, dass das in der Vergangenheit Geleistete unerreichbar
sei: (he Kraft wurde dadurch gelähmt; denn die eigene Thätigkeit
beschränkte sich auf die Auswahl und Verbindung der Exzerpte.
Die Vorstellung, welche wir aus Hrabans Schrift de insti-
tutioue clericorum von der Bildung der Kleriker in dieser Zeit
gewinnen, wird ergänzt durch seine zweiundzwanzig Bücher über
das All.-) Er widmete diese Frucht der Müsse, welche er seit
seinem Rücktritte Aon der Abtswürde genoss, seinem Jugendfreund
Hemmo, Bischof von Halberstadt. Dem mannigfach beschäftigten
Manne ■') sollte durch dies Werk das Fortleben in der Wissenschaft
ermöglicht oder erleichtert Averden. Auch hier hatte Hraban nicht
nur das Vorbild Alterer vor Augen, sondern entnahm er das, was
er sagte, ihren Schriften, besonders Isidors Etymologien. Neben
ihnen benützte er Beda und Hieronymus.'*) Man hat das Werk
treft'end mit einer Enzyklopädie verglichen; denn in einer grossen
Menge kurzer xA.rtikel handelt es von allem dem. was Hraban als
wissensAvert betrachtete. Den Beginn machen theologische Gegen-
lichen Kanzelredner, so dass sein Werk in dieser Beziehung völlig wertlos
sei. Um ein Beispiel anzufühi-en, war doch die Warnung, man solle nicht
eine Predigt lernen und dann hersagen, sondern auf die Mienen der Hörer
achten und bei jedem C4egenstande so lange verweilen, bis man an ihnen
wahrnimmt, dass er verstanden sei (III, 30 S. 408), in einer Zeit nicht
wertlos, in welcher die meisten Prediger lateinische Reden vor sich hatten, die
sie deutsch wiedergeben sollten. Hrabans Rat warnte vor wörtlichen Über-
setzungen. Er scheint mir auch zur Beurteilung der lateinischen Muster-
predigten, die wir haben, nicht ohne Wert.
1) Opp. I S. 296 = ep. 3 S. 38.5.
2) Opp. V S. 9 ff., ep. 36 f. S. 470 ff.
3) L. 0. S. 471 : Neque mihi ignotum est, qualem infestationem habeas,
non solum a paganis, qui tibi confines sunt, sed etiam a populorum turbis,
quae per insolentiam et improbitatem morum Tuae Paternitati non parvam
molestiam ingerunt.
4) S. Werner, Alcuin etc., S. 106 f.
— ()3(i —
stäiule; GS iblgeii sodann in langer Reihe Gegenstünde der Natur-
geschichte, der Geograpliie, der Teclmik : mit einem Wort eine
l'bei-sicht über das reale AVissen. das man bei einem gebildeten
Manne voraussetzte. Die Kenntnis der Sachen ergab sich für
Hraban aus der Etymologie der Worte. Es ist deshalb begreif-
lich, dass er auch hier von einem mystischen Sinn der Dinge reden
konnte, er fügte nicht selten einen Hinweis darauf seinen Erläute-
rungen bei: der Teil des Buches, welcher ihm selbst angehört.
Die Kommentare und diese beiden Schriften sind die wich-
tigsten Werke Hrabans. Der ünterscliied seiner Zeit von der
Alkuins tritt in ihnen augenfällig an den Tag. Der Umfang des
Wissens, der im allgemeinen vorhanden war. hatte zugenommen:
man begnügte sich nicht mehr mit Einer Erklärung einer Schrift-
stelle: man wollte womöglich mehrere: man meinte über die ver-
schiedenartigsten Dinge unterrichtet sein zu müssen. Aber die
Ai)sicht zu forschen war noch mein- geschwunden, als das l)ei Al-
kuni der Fall war: Hraban übellieferte nicht mehr Gedankenent-
wickelungen, sondern nur noch Resultate. Dazu hat sich der Kreis
der Leser verengert: als Alkuin lebte, schien es, dass die litte-
rarische Bildung Eigentum der oberen Klasse des Volkes werden
würde, als Hraban schrieb, war es entschieden, dass nur der Klerus
im Pjesitz der litterarischen Bildung bleiben werde.
Wir können die kleineren Schriften Hral)ans hier übergehen:^)
sie l)ringen keinen neuen Zug zu seiniM* oder seiner Zeit Charak-
teristik: nur seine Homiliensanunlungen sind noch zu erwähnen.
Haistulf von Afainz forderte ihn auf. eine Sammlung von Pre-
digten für das Volk zu verfassen. Hral)an war dazu bereit; er
schrieb nach und nach sicl)zig Reden, welche er dem Erzbischof
einzeln, so wie er sie vollendet liatt«-. zuschickte.-') Dass er auch in
diesen Reden nicht selbstständig arbeitete, kann nicht Wunder nelnnen;
er folgte vornehndich den unter Augustins Namen verbreiteten Ho-
milien des Cäsarius von Arles.'') Seine Thätigkeit besehränkte sich
auf Auswahl und Kürzung der frenulen Arbeiten; selten fügte er
eine Ergänzung bei. Trotz dieser Abhängigkeit von einer äl-
teren Vorlage luit Hraban seinen Predigten eine bestimmte Fär-
bung gegelien: sie sind moralisierend. Das tritt besonders in
der Wahl <ler Themen heivor: aber ni.m liemcrkt es am Ii in den
1) S. P.R.E.« XII S. 4M f.
2) Opp. IV S. 9 ff. Dio Widmung auch MM. E]t. V. S. 391 Nr. 6.
Düminler schreibt dift Fredigten den ersten Jahren von Hrabans Thätiglveit
aU Abt zu, S. 34.
3) S. Cruel, Gesch. d. d. Pred. S. 63 tf.
— 637 —
Festpredigten. Für Weihnachten z. B. giebt Hraljan folgende
Rede.') Ich bitte euch, dass ihr wiUigen Herzens die Worte,
welche der Herr verleihen wird, annehmet an diesem süssen Tage,
an welchem Eeue auch über die Ungläubigen und Sünder kommt,
an dem der Gottlose berührt wird von dem Erbarmen, der Reu-
mütige Vergebung hoft't, der Gefangene an der Befreiung nicht
verzweifelt, der Verwundete nach Heilung sich sehnt, an dem ge-
boren wird das Lamm, welches der Welt Sünden hinnimmt: Christus
unser Heiland, über dessen Geburt sich der inniger freut, der ein
gutes, der ängstlicher fürchtet, der ein beschwertes Gewissen hat,
der Gute brünstig betet, der Sünder demütig fleht, der süsse, wahr-
haft süsse Tag. der allen Büssern Vergebung biiugt. Ich ver-
spreche euch, Kindlein, und bin gewiss: wer aufrichtig Busse thut
und nicht wieder zur früheren Sünde zurückkehrt, dem wird ge-
geben werden, was er auch bittet, nur bitte er im Glaul)en ohne
Zweifel und wende er sich nicht zurück zum Gelüsten. Heute
wird die Sünde der ganzen Welt weggenommen, und ein Sünder
sollte verzweifeln? Aber sehet zu, wie beschaffen die Busse sein
muss; denn viele sagen beständig, sie seien Sünder, und sie ii'euen
sich doch an der Sünde: das ist ein Zugeständnis, keine Besse-
rn g, die Seele wird angeklagt, nicht geheilt. Nur der Hass gegen
die Sünde und die Liebe zu Gott führt zu rechter Busse, in der
man sich so bekehrt, dass man nicht wieder umkehrt, und so be-
reut, dass man die That nicht wiederholt. Da heute der Herr
geboren ist, liebste Brüder, so wollen wir unserem Heilande Gelübde
thun und halten. Wir wollen freundlich und vertrauend geloben,
er wird das Vermögen geben, dass wir es halten können. Alles
was wir ihm versprechen, das wollen wu' von ihm erhoffen. Aber
niemand wähne, dass ich bei diesem Versprechen vergängliche und
irdische Dinge meine. Denn jeder von uns soll das opfern, was
der Heiland in sich erlöst hat: die eigene Seele. Und wenn du
mich fragst: Wie kann ich meine Seele opfern, die er in seiner
Gewalt hat? so will ich dir sagen, wie: durch heilige Sitten, keusche
Gedanken, nützliche AVerke. durch Abkehr vom Bösen und Hin-
kehr zum Guten, durch Flucht vor den Lastern und Liebe zu
Gott u. s. w. AhnHch ^ie hier eilt Hraban in den Predigten am
Oster--) und Himmelfahrtsfest'") von der Erwähnung der gefeierten
1) Hom. 4 S. 14. Die Rede ist ein Auszug aus Augustin de temp. 7
(8. Cruel S. 64).
2) Hom. 17 S. 34, aus Augustin de temp. 163 und 136 und Gregor,
hom. 22 (s. Cruel S. 64).
3) Hom. 21 S. 42, zum Teil aus Augustin de temp. 175 (s. Cruel
S. 64).
— Ü8S —
Thatsache fort vaw Autlonlcnniii- /.ii Hiisso und Hcilimiiiif. In
dieser moralisierenden Haltung tragen die Predigten Hral)ans völlig
dasselbe Gepräge, wie die aus der Zeit Karls d. (Tr.')
Während diese erste Sanindung Reden olnn' Text darbietet,
enthidt die 7,\veite Schrittauslegungen. Hrahan scliiifl) >ie auf den
Wunsch des Kaisers Lothar;-) aber nicht nui- /.u dessen frommer
Privatlektüre.-') Auch diese HomiljtMi sind als Ansprachen an die
Gemeinde gedacht, sie sollten wohl fiii- die Hofkapelle Ijothars
verwandt werden. Da sie \'ers fiir A'ers dem Texte folgen, so
stehen sie den exegetischen Werken Hiahans näher als den aNfahn-
reden: zumal in der Erklärung der historischen Texte hei'rscht die
Allegorie. ]\Ian wird ihnen wenigstens die Bedeutung nicht ab-
sprechen dürfen, dass sie zeigen, in welcher Weise der Gemeinde
das Verständnis der kirchlichen Ticktionen erschlossen werden
sollte.-')
]\ran kann bei Hrahan noch weniger als bei Alkuin eine ge-
schlossene theologische Gesamtanschauung erwarten. Aber die Frage
lässt sich, wie mich dünkt, aufwerfen und beantworten, was von
den vielen theologischen Gedanken, die er exzerpierte, thatsächlich
sein Eigentum geworden ist. Hierauf geben seine Gedichte Ant-
wort. Es ist nun auffiUlig, wie wenig seine religiöse Anschauung
von den theologischen Aussprüchen beherrscht wurde. di(> er so oft
las un<l wiederholte. Sie steht ganz unter dem Eintluss der volks-
tümlichen Vorstellungen.
1) Vgl. den Rat an Humpprt von Würzburg: Quia per comessaiioneni
nliriotatem et tuqiia verba ac ioca in conviviis celebrata säepe rixae
oriuntur atqno homicidia perpetrantur, exceptis hi.s quae latrones et ina-
li<,'ni homines quotidie in insidiis ob cupiditatem agere solent. neceasariuni
mihi videtur, ut sedula praedieatione ab bis vitiis abstinoro ])lebe8 admo-
neantur (Kp. Fuld. fragni. 18 S. 524).
2) Brief Lothars, Hrab. ep. 49 S. fyOS, UrabmiH .Antwort S. 504; Ibiof
tlrabans bei Absendnng des 2. Teils S. .505. Der 1. Teil dieser Sammlung
int ungedruckl, aber bandacliriftlich vorhanden: der 2. Migne 110 S. 135
gedruckt; der 3. ist entweder verloren gegangen oder überhaupt nicht
verfasst.
3) So Cruel S. 58; aber Lothar begehrte eine Krkläning, welche vor-
golefien werden .ioIHp. Hr.iban wiin.scht, dass sein Werk tarn ad vestrani,
quam ad vestrorum utilitateni proHcuum sit (ep. 51 S. 506), und richtet seine
Kodon an die fratres canssimi oder fratre« benigni, oder fratres schlechthin.
4) Cap. 36, 4 S. 106: Ut omnibu.i fe-stis et diebus dorainicis unufi-
quigque sacerdos evangelium Chri.sti populo praedicct. Cruel scheint mir
auih hier zu rasch fertig mit dem rrteii: Fiir die Geschichte der deutschen
Predigt hat das Werk Voin^ F',.'dputung (H. 58'.
— 639 —
Christus, der König, das ist die Bezeichnung, welche unzähUge
Male wiederkehrt.^) Er thront in der Himmelsburg,-') die Engel
und Heiligen sind sein Heer,^) die Märtyrer seine Gefolgschaft, die
unter dem Kreuzesbanner einherzieht ;*) er bereitet für die Seinen
grosse Belohnungen, in seinem Palaste werden sie sich einstmals
ewig ergötzen,'^) umgekehrt erwartet auch er Gaben von ihrer
Hand.*^) Das alles war ja nun freilich bildlich gedacht; aber das
Bild beherrschte den Gedanken: Christus war für den Glauben
Hrabans einfach der alles Gute gebende und wirkende Herr, der
Vertreter des unendlichen Erbarmens Gottes;^) er hilft, reinigt, er-
höht, liebt, verklärt, bewahrt, schützt, lenkt, giebt Liebe und Friede,
heisst es einmal.'^) Es war Hrabans ernster Lebensanschauung
durchaus entsprechend, dass er in der Sündenvergebung die zentrale
Gabe sah: Christus giebt sie, wie er alle andern Gaben giebt. ■^)
Hrabau zählt einmal auf, in wie mannigfacher Weise man zur
Sündenvergebung gelangen kann; aber sie hört deshalb nicht auf
Gabe zu sein; deim alle diese Wege zum Erbarmen sind geöffnet
durch die Gnade des Erlösers.^") Der Gedanke, dass Christus der
Heiland ist, tritt ganz unter die Vorstellung des rettenden und
gebenden Königs. Hraban hat ein langes Gedicht über den katho-
lischen Glauben geschrieben;^^) in ihm ist natürlich auch von dem
Leben Jesu die Rede: er besiegt den Teufel und beruft seine
Jünger, und nun leuchten weithin im jüdischen Lande Wunder-
1) Selbst der „berühmte König" fehlt nicht (carm. 14 v. 15 S. 177).
2) Carm. 28 v. 11 S. 190: Christus in arce deus. Man hat den Ein-
druck, als gebrauche Hraban das Wort arx einfach wie wir Himmel; de
laud. cruc. 8 v. 1 S. 179 liest man z. B. Christus rex arce serenus; das
wird in Prosa wiedergegeben; rex mitissimus in coelis regnat (S. 273).
d) Carm. 53 v. 47 S. 218: Caelicolae cuncti, sanctorum exercitus om-
nis; carm. 18 v. 48 f. S. 183:
Qui sequitur Christum gaudebit in arce superna
Cum sanctis pariter regna tenendo iDoli.
De laud. cruc. 3 S. 161: Sanctorum angelorum ordines et coelestis militae
exercitus.
4) Carm. 37 v. 75 ff. S. 195.
5) Carm. 51 v. 2 S. 216: Christus in arce sedens praemia magna parat;
vgl. 24 V. 13 S. 188; 18 v. 43 S. 183.
6) De laud. cruc. prolog S. 145.
7) Carm. 9 v. 21 f. S. 181: Deus immensae bonitatis, verus amator
humanae formae; vgl. carm. 12 S. 174 f.; carm. 39 v. 96 S. 204.
8) Carm. 53 v. 47 ff. S. 218.
9) Carm. 12 v. 15 S. 175; vgl. de eccl. discip. HI (opp. VI S. 1258 ff.).
10) De niod. poenit. 23 (opp. VI S. 1330).
11) Carm. 39 S. 197 ff.
— (>40 —
tliaten auf: in der ^Menschheit offenbart sich, der im Atlier lierrscht.
Da tlielit die ganze Macht des alten Drachen, da überall die Dä-
monen Christum als Gott bekennen. Aber es kommt die Zeit
seines Todes: Judiia erhel)t Krieg wider ihn, sammelt die Scharen
seines Volkes: so wird er getötet; aber indem nun der Schöpt'ei-
des Lichts in die Unterwelt eintritt, zerbricht er die Riegel der-
selben und führt als Sieger die J^eihgen mit sich emi)or: dann
ersteht er in Herrlichk(Mt. als der allmächtige König der Könige.
Das ist die Anschauung, die auch sonst herrscht: der Tod Christi
ist erlösend, weil er der Sieg über Tod und Hölle ist, weil Ohristus
durch ihn die gesamte Hinunelsherrlichkeit erwarb, die er den Seinen
nun ausspendet. ^)
Es ist klar, dass, wenn diese einfache Vorstellung dem reli-
giösen Bedürfnis genügte, die theologischen Reflexionen, welche
Hraban nicht unbekannt waren, mehr oder weniger ihren Wert
fih- ihn verloren. Dass sie ihm innerlich fremd waren, sieht man
aus dei- ungeschickten Art, in der er sie verwendet. In einer der
verdrehten Figuren in dem Büchlein vom Lob des heiligen Kreuzes,
kommt Hraban auf den paulinischen Ausspruch, dass Christus die
Handschrift, welche gegen uns war, an das Kreuz heftete. x\ber
wie versteht er den Gedanken des Apostels? Er erklärt: der Herr
gi'ündete die preiswerte Lehre des Evangeliums, welches die Finster-
nis der Sünden vertreibt, jede Unthat verbietet und den Götzen-
dienst ganz verwehrt, das ein ehrsames Leben lehrt und es durch
die Tugenden seiner Prediger allen Nationen unter dem Himmel
emi)tiehlt.-) Ein anderes ]\Ial verwertet er die Bezeichnung Christi
als des zweiten Adam: er stellt gegenüber den ersten Adam, dei-
uns die Zier der Unsterl)lichkeit raubte, und den andern, der vom
Himmel zu uns kam und alle Herrlichkeit der himndischen Klar-
heit mit sich brachte: durch die Schuld des einen haben wir iiu-
endliche Leiden erduldet, durch die Gnade des andern werden die
ihm folgenden gläubigen Heerscharen gerettet und erlangen das
ewige Licht.'') Man sieht, dass von den ])aulinischen und altkirch-
lichen Gedanken nicht viel zurückgeldicben ist. Dcmgeniiiss ist
auch die Stellung Hrabans zur rrädcstinationslehre begreiflich: er
hat nicht selten Äusserungen gethan. welche ])rädestinatianisch
klingen, aber er hat auch dann nicht i)rädestinatianisch gedacht.
Denn diese ganze Theorie war für ihn unfasslich: sie verstiess
1) Daher ist das Krenz das Siegeszeichen, carm. 62 ff. S. 222 ff., mid
sehr oft in don Gedichten de laude crucis.
2) Figur 20, pro.sai.sche Bearlteitiing S. 284.
3) Figur 12, prosaische Bearbeitung S. 277.
— 641 —
gegen seine religiöse Voraussetzung von dem unendlichen Erbarmen
Gottes. Las er sie bei Augustin, dann hinderte ihn seine Ver-
ehrung der Alten zu bemerken, dass, was er las, seinen Überzeu-
gungen widersprach. Las er sie bei einem jungen Mann wie Gott-
schalk, dann fühlte er es sofort: er achtete sich verpflichtet,
Widerspruch zu erheben. Für ihn selbst lag der Gehalt der Prä-
destinationslehre einfach in der Überzeugung, dass der Menschen
Anfang, Mitte und Ende in dem Willen und der Macht Gottes
steht. 1)
Bestimmter noch als Alkuin zeigt Hraban die ganze Schwierig-
keit, welche die Verpflanzung der altkirchlichen Theologie in die
neue Welt hatte. Man lernte von den Alten; aber wenn es darauf
ankam, das eigene religiöse Bedürfnis zu stillen, so benützte man
das Gelernte nicht oder nur unvollkommen. Man fand Befriedi-
gung in den einfachsten Vorstellungen. Es lagen in ihnen: in der
zentralen Stellung der götthchen Gnade und der Sündenvergebung
und damit zusammenhängend in der Unmittelbarkeit des Verhält-
nisses des Einzelnen zu Christo, Keime, die einer Entwickelung
fähig gewesen wären; man war sich elessen nicht bewusst, und hätte
man es bemerkt, so hätte man nicht gewagt, sie zu entwickeln: es
fehlte ihnen ja der Stempel des Alten.
Hraban ist der fruchtbarste und thätigste unter den theo-
logischen Schriftstellern der deutschen Kirche nach Karl d. Gr.
Alle anderen sind mehr oder weniger unvollkommene Parallelen
zu ihm. Sie haben die gleichen Interessen, befolgen die gleiche
Methode, vertreten dieselben Anschauungen: es hätte jeder von
ihnen jedes behebige Werk des andern ebenfalls schreiben können.
Zeitgenossen Hrabans waren Smaragdus von St. Mihiel, Ama-
larius von Metz und Bruun von Fulda. Wie Hraban so begann
auch Smaragdus "-) schon unter Karl d. Gr. zu schreiben : abgesehen
von jenem Gutachten über die Lehre vom heihgen Geiste, war sein
erstes Werk ein Kommentar zum Donat, um nicht zu sagen: ein
1) Aus einem Brief an Humbert von Würzburg, Ep. Fuld. fragra. 18
S. 523.
2) Seine Werke bei Migne t. 102, die Gedichte auch Poet. lat. I S. 605.
Ebert, L. d. MA. II S. 108 ff., Zöckler, P. RE.2 XII S. 370. Über sein Leben
ist wenig bekannt. Dass er schon unter Karl angesehen war, ergiebt sich
aus dem oben S. 33.5 Erwähnten. Als Abt verlegte er sein Kloster von
dem Berg in einen von ihm errichteten Neubau an der Maas (Chron. s.
Mich. 5 M.G. Scr. IV S. 81). In Urkunden Ludwigs d. Fr. kommt sein
Name mehrfach vor: 816 (B.M. 595, 601, 61.3); 824 (B.M. 764); 826 (B.M.
811). Wann er gestorben ist, steht nicht fest; sein Epitaphium Poet. lat. I
S. 605, auch in der Chronik v. St. Mihiel.
Hauck, Kirchengeschichte. II. 2. Aufl. 41
— 642 —
ins Christliche umgesetzter Donat.^) A^'ic sich schon daraus ergieht,
war er ein gi-animatisch wohl geschulter Mann;-) amli die Gesetze
der Met nk waren. ihm geläutig: jedoch ganz wie Hraban wurde er
je länger je mehr theologischer Schril'tst(>ller. Als Abt von St. Mi-
liiel schrieb er sein „Diadem der Mönche"/') ein Erbauungsbuch,
bestimmt zur Verlesung im täglichen Abendkajjitel. Auch Sma-
ragdus will nicht eigene Gedanken geben, sondern er bietet eine
Blumenlese aus den Werken der orthodoxen Väter.^) Dass er das
beschauliche Leben über das thätige erhebt, wird man dem Mönche
nicht verargen; denn er ist entfernt davon, das letztere zu ver-
werten : ^) er verteidigt sogar die weltliche Thätigkeit der Bischöfe
und Äbte.") Aber sein sittliches Ideal ist doch das asketische: die
christliche Vollkommenheit l)esteht in der Mortihkation; ") über-
haupt treten die alten Anschauungen über die Verachtung der Welt
stärker hervor als in der Umgebung Karls.**)
Sodann widmete Smaragdus Ludwig d. Fr. ein Erbauungs-
buch, den königlichen Weg.") Er will den Weg lehren, welcher
1) S. Ebert S. 108 f.
2) Er scheint auch etwas Griechisch verstanilen zu haben (s. Com-
nient. S. 722 A. u. ö.). Gross war aber seine Wissenschaft nicht (a.
S. 724 u. ö.).
3) Da diese Schrift älter ist als die via regia, die letztere aber Lud-
wig gewidmet wurde, ehe er die Kaiserkrone erhielt, so wird jene noch
im ersten Jahrzehnt des 9. Jahrhunderts verfasst sein.
4) Prolog. S. 593.
5) C. 24 f. S. 619.
6) C. 46 S. 643: Ornent ecclesiam, qui solis rebus spiritalibus vacant;
tegant ecclesiam, quos et labor rerum corporalium gravat. Noquaquam ergo
contra rectorem siuini exteriora agonteni miininnet is qui intra sanctam
ecclesiam iam spiritualiter fulgnt (nach Gregor d. (ir.).
7) C. 23 S. 618; 47 S. 644; 68 S. 664; demgemäss wird der Unter-
schied zwischen den Weltlichen und den Religiösen bestimmt: Uli prae-
ceptis generalibus adstringuntur, isti praecepta generalia perfectius vivendo
transcendunt. Ad perfectum non sufficit. nisi abnegatis omnibus suis etiam
seipsum almeget.
8) C. 14 S. 610 f.; c. 20 fr. S. 616 «F.; 80 S. 674. In anderen Punkten
bemerkt man dieselben Anschauungen wie bei Alkuin; so z. B. darin, dass
die Befreiung von der Sünde einen Hauptbestandteil der religiösen Re-
flexion bildet (c. lö ff. S. 611 tt'.; 33 ff. S. 627). Charakteristisch ist, dass
der Reichtum des göttlichen Erbarmens .mf die Allmacht gegründet wird
(c. 51 S. 648; vgl. comment. S. 708).
9) Man ist nicht einig darüber, ob das Buch für Karl oder für Lud-
wig d. Fr. bestimmt ist. Neuerdings hat sich Dümmler für das Erstere
erklärt, M.G. Ep. IV S. 533 Anm. 1. Es ist richtig, dass die von ihm an-
— 643 —
den Herrscher durch die Erfülhmg der allgemeinen Christen- und
der besonderen Königspflichten ^) zur Erlangung der ewigen Freuden
tührt. Als rehgiöses Motiv hebt er die Erfahrung der göttlichen
Liebe im geistlichen wie im irdischen Leben hervor.") Es ist der
gleiche Gedanke, den er dem König und den Mönchen ans Herz
legt, wie er auch das ewige Leben beiden mit ähnlichen Farben
schildert.^)
Eine Frucht der Klosterreform war Smaragds Kommentar
zur Benediktinerregel.*) Das Buch ist nicht ein Kommentar im
modernen Sinne des Wortes, vielmehr knüpfte Smaragdus an die
Vorschriften der Regel allerlei erbauliche Gedanken; er wollte aus-
sprechen, was die Regel dem Einzelnen zu sagen hat. Vergleicht
man diese Schrift mit dem zehn bis zwölf Jahre älteren Diadem
der Mönche, so wird sich eine Verschärfung der mönchischen An-
schauungen kaum verkennen lassen. Das Leben im Kloster und
in der Welt sind einander gegenübergestellt wie das Gute und das
Schlechte, das Christliche und das Widerchristliche.'') Schwerlich
hat Smaragdus seine Sätze so scharf gedacht, wie seine Worte
lauten; aber dass er so reden konnte, zeigt, welche Intensität die
mönchischen Überzeugungen wieder gewonnen hatten. Das Mönchs-
leben galt den Religiösen nicht mehr als eine Art des christlichen
Lebens, sondern als dasselbe schlechthin ; der Eintritt in das Kloster
ist das Gegenbild der Taufe, *^) das Leben in ihm ist Nachahmung
geführten Äusserungen auf Ludwig bezogen nicht glatt aufgehen. Anderer-
seits aber scheinen mir die amplexus, quos nobis dulciter regalis ulna por-
rexit, die oscula melliflua des Königs, seine forma patiens et ornata recht
schlecht auf Karl zu passen. Ich halte deshalb die Beziehung auf Ludwig
für wahrscheinlicher.
1) Die wichtigste Pflicht ist der Schutz der Schwachen (c. 9 f. S. 939 ff.).
An Unterwürfigkeit der Hierarchie gegenüber wird nicht gedacht, wohl aber
an die kirchliche Aufgabe des Königs (c. 18 S. 958) ; auch an die Zehnten
wird erinnert (c. 12 S. 958).
2) C. 1 S. 935.
3j C. 3 S. 940.
4) Vgl. Traube, Abb. der Münch. Akad. XXI S. 646 und S. 717 f.
5) S. 696: Sunt milites saeculi, sunt et milites Christi . . . Pugnant
illi contra hostes, ut se et interfectos aeternam perducant ad poenam;
pugnant isti contra vitia, ut post mortem aeternam vitam consequi possint
ad praemia, etc.
6) S. 700: Adoptione recepta filiorum abrenuntiamus diabolo et ope-
ribus eins et pompis eius in baptismo; postea antem in filiorum numero
computati sumus, quando per conversionis gratiam relinquimus munduni et
secuti sumus Christum, etc.
41*
— 044 —
des Gelioi-sams Christi: die Mönche machen die Gewalt des Teufels
zu nichte, sie leben hier schon wie die Engel.*)
Doch auch Sniaragdus fühlte sich zum Dienst der Gemeinde
verpflichtet: auch er wollte die Prediger in ihrem Beruf unter-
stützen. Er that es, indem er eine Perikopenerklärung darbot. Sie
sollte ihnen das allegoiische Verständnis der Schrifttexte erleich-
tern.-) Sie war also tiü' solche bestimmt, die eigene Predigten zu
verfassen gewöhnt waren.
Amalarius, ein Schüler Alkuins.") über dessen Leben ein kaum
aut'/uhellendes Dunkel schwebt,^) repräsentiert in seinen weitschich-
tigen Werken über die kirchlichen Offizien '') und die Ordnung des
Antiphonars") das durch die gottesdienstlichen Reformen Pippins
uiul Karls wachgerufene Interesse an den kirchlichen Handlungen,
1) S. 694f.; 713 f.; 716; 807 u. ö. Die Zusammenstellung der Mönche
mit der Urgemeinde in Jerusalem fehlt nicht (S. 724).
2) Praef. S. 13: Cernens in ecclesia plurinios dinnarum scripturarum
mysticos sagaciter perquirere sensus, earumque typicos mavelle decerpere
fructus, hunc ex multis unum allegoriarum floribus plenum curavi colligere
libnim.
3) S. 0. S. 153 Anm. 1.
4) Nimmt man an, dass der Schriftsteller Amalar nicht dieselbe Person
mit dem Trierer Bischof dieses Namens war (s. o. S. 180), so ergeben sich
folgende Daten über das Leben des Ersteren: er war ein Westfranke (vgl.
das wiederholte nostrae regionis mit Bn/.iohung auf Alkuin de ord. ant. 58
S. 1303 und 67 S. 1307), und gehörte dem Metzer Klovus an; denn vertraut
war er zunächst mit den liturgischen Schriften von Metz (ib. 29 S. 1281).
Welche Stellung er einnahm, ist nicht festzustellen; denn den Bezeichnungen
Diakon, Presbyter, Abt fehlt die Gewähr. Noch unter Leo III., also vor
816, war er in Rom (de eccl off. III, 42 S. 1160 und IV, 40 S. 1235, vgl.
Einh. ep. 4 S. 111). Eine zweite römische Reise machte er i. .7. 831, von
Lu'.wig bevollmächtigt, eine Abschrift des römischen Antiphonars vom Papst
zu erbitten (de ord. ant. prol. S. 1243 und 58 S. 1303). Inzwischen muss
er zum Chorbischof ordiniert worden sein; denn an der Pariser Synode von
825 nahm er als Bischof teil (B.M. 794); auch die spätere Übertragung der
Verwaltung der Diözese Lyon nötigt zu der Annahme, dass er die bischc'if-
liche Ordination hatte. Vielleicht ein Auftrag des Kaisers führte ihn nach
Konstantinopcl (de ord. ant. 21 S. 1275\ auch Istrien und Unteritalien hat
er gekannt (Flor. Mag. ep. M.G. Ep. V S. 271).
5) Gewidmet [jidwig d. Fr. Die Schrift ist nach der Vormälihing
Ludwigs d. Fr. mit Judith (Februar 819, s. S. 988) und vor der liomreise
des Jahres 831 (s. S. 987) geschrieben.
6» Die Abfassung nach der zweiten Romreise ergiebt sich aus dem
Prolog (S. 1243 ff.). Dass die eclogae de officio missae (S. 1315) mit dem
schön eingebundenen, von Fiorus Ep. V S. 268 so bitter verhöhnten Em-
bolium identisch sind, halte ich für nicht unwahrscheinlich.
_ (j45 —
Indem er die Herstellung eines reineren Textes und die Annähe-
rung desselben an die römisclien Formen erstrebte, bewegte er sich
ganz in der Eichtung Karls und Alkuins. Aber er ging darüber
hinaus; denn seine Bücher hatten zugleich ein praktisches Absehen.
Wie man die heihge Schrift allegorisch deutete, so deutete er auch
den Kiütus m allen seinen Bestandteilen. Dadiu'ch sollte er für
das rehgiüse Leben fi-uchtbar gemacht werden. ^) Schwerlich hätte
Amalars Unternehmen Widerspruch hei-vorgerufen, wenn er nicht
als Verwalter der Diözese Lyon nach Agobards Vertreibung den
Versuch gemacht hätte, den dortigen Gottesdienst seinen Ansichten
gemäss zu reformieren. Nun verband sich mit der herkömmlichen
Abneigung gegen liturgische Xeuerungen der persönliche Groll
kirchhcher Gegner. Ihr Wortführer in Lyon war Florus Magister;-)
Agobard selbst aber brachte die Sache an den Kaiser,^) der die
Angelegenheit der Synode von Eaerzi 838 zur Untersuchung über-
wies. Bei diesen Verhandlungen antwortete Amalar auf die Fi-age
der Bischöfe, wo er seine Lehre gelesen habe, mit dem selbst-
bewussten Wort: In meinem eigenen Geiste.^) Damit trat er je-
doch nur scheinbar aus der Reihe der traditionahstischen Theologen
heraus; denn thatsächhch ist er in seinen Schriften ebenso abhängig
von den Alteren wie irgend ein zweiter Schriftsteller dieser Zeit.
Seine Gegner'') haben sehr geringschätzig über ihn geurteilt, Sie
1) Amalar legte seiner Erklärung den ordo Romanus zu Grunde; er
bemerkt aber selbst, dass die faktische Gestalt des römischen Gottesdienstes
nicht immer mit dem ordo übereinstimmte (c. 14 S. 1032). Was das Anti-
phonar anlangt, so verglich er mit dem in Metz gebrauchten ein von Wala
aus Rom nach Corbie gebrachtes Exemplar, das er in der dortigen Biblio-
thek auffand (Prol. S. 1243).
2; Florus hat 4 Schriften in dieser Angelegenheit geschrieben: 1. Ep. 1
Migne 119 S. 71—80 und M.G. Ep. V S. 267. 2. Ep. ad Theod. vill. conc.
Migne S. 94: Mönchemeier hat S. 44 den überzeugenden Nachweis geführt,
dass der angebliche Brief vielmehr als Bruchstück einer vor der Synode
von Kierzi gehaltenen Rede zu betrachten ist. 8. Das Opusculum de causa
fidei S. 80, dessen Schluss aber nach Mönchemeier S. 47 f. zu der Rede ge-
hört. 4. Die von Mönchemeier S. 235 ff. zuerst veröffentlichte Streitschrift.
S. 243 sind nicht, wie M. annimmt, einige Worte ausgefallen ; es ist einfach
zu lesen : pars sanctificati . . non Amalarius sit . . , ut ipse dicit, sed ipse
panis Christus.
3) Flori op. de causa fid. 6 S. 81. Unter dem pastor de commissi gre-
gis Salute sollicitus kann nur Agobard verstanden werden.
4) Flori op. de causa fid. S. 82. Über die angeblichen Irrlehren Ama-
lars vgl. Mönchemeier S. 49 ff.
5) Ausser Florus hat auch Agobard den litterarischen Streit gegen
Amalar geführt, opp. II S. 101 ff. contra libr. IV Amalarii.
— 64ß —
warfen ihm Iirtüiuor. [jiigeii und Pliaiitasteivioii vor;') das wai- mit
unst'rechter »Schärfe gesprochen; aber siclier war Geisteskhirheit
nicht seine starke Seite; auch dadincli reizte er zum Widerspruch,
dass er in der naivsten AVeise den Wert dci- eigenen Leis-
tungen überschätzte. Doch seine Bücher wurden viel gelesen: dass
sie in Kierzi verdaiiimt wurden, hinderte nicht, dass sie auf die
liturgischen Anschauungen des ^Mittelalters einen grossen Eintluss
übten.-)
Ein bescheidneres Seitenstück zu Amalars Schriften waren die
Erläuterungen zu den Psalmen, die ein ungenannter Mönch dem
Kegensburger Bischof Badurich widmete: sie bestanden aus Ex-
zerpten aus den berühmtesten Psalmenkommentaren.'')
Die ausgeprägteste Eigenart unter den genannten Männern
hatte vielleicht Brunn, mit dem Beinamen Candidus.^) Er verleug-
nete nicht, dass er ein Schüler Einhards war.'') Schon die unbe-
fangenere Weise, in welchei- er die Stellung der Laien innei'halb
der rhristenheit beurteilte,") wiid mau als Erbe aus dem Verkehr
1) Florus ej). 1 S. 2(it; : Tarn inepto elocjnio, iani absurdis sensilms, tarn
oxquisitis et inauditis fantasiis involvitur, ut putes cum Hniphatico moro
bachari Vgl. das Urteil der Schrift de tribus epi.stolis c. 40 Migne 121
S. 1054: Qui et verbis et libris suis mendaciis et erroribus et phantasticis
atque haereticis disputationibus plenis omnes pene apud Franciam occle-
sias et nonnullas ctiam alianim re^ionum, quantuni in se t'uit, iiifocit.
Dabei wirkte aber die alte Abneigung dpr Lugdunenser gegen den ihnen
aufgedrängten Verwalter ihres Bistums. Denn der Verfasser bemerkt selbst,
da.s8 die Schriften Amalars viel und gerne gelesen wurden: Simpliciores.
qui eos — seine Bücher — multum diligero et legende frequentare dicun-
tur (I. c). Ebenso Klonis: Mbri ipsi foro nbif|no ilis^iorsi, foro omnibus noti
sunt, cp. 1 S. 268.
2) Über seinen Ausgang wi.ssen wir nichts. Um 850 lobte er noch;
denn Hincmar Hess sich von ihm ein Gutachten über die Prädestinations-
lehre erteilen (De trib. ep. 39 S. 1052); kurz darnach muss er gestorben
sein; donn er war schon tot, als oin Kleriker von Lyon das Buch ile trib.
pp. schrieb (1. c. 4U S. 1054i. Seinen Tudcftag hat das Metzer Nekrologium
aufgezeichnet: 29. April (Forsch. XII 1 S. 598).
3) Sie sind bei Migno 129 S. 1399 ff. gedruckt ; der VVidmungsbrief
auch U.a. Ep. V S. 359 Nr. 35.
4) Ebort. Lit. d. M.A. H S. 331 H. Hichtor im Programm des Heal-
gymnasiums zu Leipzig 1890.
5) Cat. abl. Fuld. M.G. Scr. Xlli S. 272. Waitz hat (Scr. XV S. 221)
die Vermutung ausgesprochen, Bruun sei entweder selbst ein Angelsachse,
oder von einem Angelsachsen unterriehtcl.
fi) Er unterscheidet nicht Kleriker, Mönche und Weltlichf, .sondern
duo genera liominum. unum eorum, qui praedicant fidem Christi, alterum
— 647 —
mit Eiuhard betracliten dürfen. Wie dieser war er sodann eben
so sehr Künstler als Schriftsteller. Er malte die Apsis über dem
Grabe des Bonilatius.^) Als Schriftsteller versuchte er sich auf
dem Felde der Geschichtschreibung durch seine Biographien der
Äbte Baugulf und Eigil.^) Er bewies dabei, dass das Vorbild Ein-
hards bei ihm nicht verloren war: seme Lebensbeschreibung Eigils
gleicht den Sammlungen von Wundergeschichten, welche von den
Heihgenbiographen produziert Avurden, wenig oder gar nicht; sie
schildert wirkhche Ereignisse und erhebt durch die Darstellung
zugleich einen gewissen künstlerischen Anspinich. Doch fühlte er
sich zunächst als Theolog. Den Mönchen seines Klosters legte er
in der Passionszeit die Leidensgescliichte Jesu nach den vier Evan-
gelien aus; er hat seine Vorträge dann niedergeschrieben.-^) Die
eomm qui fidei doctrinam a praedicatoribus accipientes ipsos praedicatores
de substantia terrena sustentant. ut opus praedicationis implere valeant
(de pass. dorn. 2 S. 61).
1) V. metr. Aeig. XVII v. 131 ff. S. 112.
2) Die erstere, verlorene, Biographie schrieb er auf Anlass Eigils, die
letztere bewogen durch den Rat Hrabans, litterarisch thätig zu sein (Prol.
zur V. Eig. S. 222 f.).
3) Mit dem Verfassernamen Candidus presbyter oder magister sind
drei theologische Schriften auf uns gekommen: 1. die oben S. 147 erwähnten
Dicta de imagine Dei, 2. das Opusculum de passione domini Migne 106
S. 57 ff., 3. der Brief über das Schauen Gottes, a. a. 0. S. 103 ff. und M.G.
Ep. IV S. 557 ff. Nr. 39. Das Urteil, welchem Candidus sie angehören, ist
unsicher. Der erste Herausgeber Pez nahm sie für Witto in Anspruch,
wof^eo'en die Hist. litt, de la France Bd. V S. 17 f. vielmehr auf Bruun riet.
Ebenso urteilte ich in der 1. Aufl. S. 596, auch Richter S. 26 ff. Dagegen
hat sich Dümmler (S. 557 Anm. 2) dahin ausgesprochen, dass die Annahme
von Pez richtig sei. Ich kann dem nach wiederholter Überlegung der Sach-
lage nicht zustimmen. Vielmehr halte ich eine sichere Entscheidung für
unmöglich; denn die Bezeichnungen presbyter und magister passen ebenso
auf Witto wie auf Bruun; auch dass die Auslegung der Passionsgeschichte
für eine geistliche Genossenschaft bestimmt ist, entscheidet nicht gegen den
ersteren. Dagegen finden sich Kleinigkeiten, welche eher auf den Mönch
von Fulda als auf den Alkuinschüler passen: c. 12 S. 83 B erinnert der
Redner zur Erläuterung v. Mt. 26, 78 daran, dass man nicht an eine ver-
schiedene Sprache, sondern an einen verschiedenen Dialekt zu denken habe:
ut ipsi scitis, unaquaeque provincia et regio aliquid proprium habet quod
loquitur quasi nativum tenet, et inde conici solet de qua provincia vel re-
gione sit qui loquitur. Das ist natürlicher im Munde des in Deutschland
lebenden Deutschen als im Munde des Angelsachsen, der in Frankreich und
Deutschland sich aufhielt. C. 16 S. 91 A wird zur Misshandlung Jesu be-
merkt: Hoc solet agere fragilis huius mundi potestas, non solum videlicet
Deo digna Servitute se non subiciens, sed etiam eius nomini persecutiones
— G48 —
Erkläiimg. welche er darbietet, ist mitunter allegorisierend, vornolim-
lich jedoch praktisch erbaulich. Dabei tritt der moralisierende Zug.
der den Deutschen dieser Zeit durchweg eigen ist, stark hervor:
der Tod Jesu ist der stärkste Liebesbeweis, den es giebt; er erlöst
von Sünden, indem er als Beispiel der Gerechtigkeit die Gläubigen
zur Nachfolge einlädt.^)
Bnums Brief über die Frage, ob Christus Gott mit leiblichen
Augen sah, lässt einen Blick in die Reflexionen thun, mit welchen
die Kleriker und Mönche dieser Zeit sich beschäftigten. Andere
Beispiele hiefür bieten der etwas ältere, anonyme Traktat") über
den Zustand der Seele nach dem Tode, und der ebenfalls ohne
den Namen des Verfassers auf uns gekommene Brief, •') in dem die
augustinische Ableitung der Trinität aus der Liebe wiedergegeben ist.
quantum in se est excitans. Das ist ein Satz, der schwerlich um das Jahr
800. viel eher um das Jahr 840 geschrieben sein wird. ICs ist klar, dass
diese Wahrnehmungen zu einem sicheren Ergebnis nicht führen; aber wie
die Dinge liegen, kann man sich doch nur an sie halten, wenn man nicht
vorzieht, auf die Beantwortung der Frage nach dem Verfasser ganz zu ver-
zichten. Dass die Erklärung der Passionsgeschichte und der Brief über das
Schauen Gottes denselben Verfasser haben, wird nicht zu bestreiten sein;
wogegen die Dicta de imagine Dei Witto angehören mögen s. o. S. 148, Anm. 1.)
1) Praef. S. 59: Ad hoc natus est, ut homines suo exemplo et verbo
doceret, et via esset omnibus credentibus ad regnum coelorum. Ita dico
via, quia sicut per viam ita nobis per eins doctrinam et exempla venien-
dum est ad regnum coelorum. Venit filius Dei, ut doceret; venit, ut quae
docuit impleret; docuit, ut unusqnisque homo diligeret Deum et diligeret
proximum sicut se ipsum . . . Dilcxit proximos ita, ut se ipsum pro suis
fratribus et proximis ad mortem traderet. Nam alitcr humanuni genus ab
aeterna morte redimi non potuit, nisi ut aliquis innocens pro omnibus mo-
reretur. Wie Candidus die Erlösung durch den unschuldigen Tod Christi
verstand, zeigt c. 14 S. 8ö: Ut nos huniilitate sua a nostra snperbia libe-
raret, dignatus est iudicium sustinere iniquorum: er erlöst die Menschen
vom Stolz, indem er ihnen das Beispiel der Demut giebt. Sehr lehrreich
für den Gedanken des Candidus ist auch folgende Stelle: Omnia peccata
nostra effuso sanguine Christi, i. e. emisso spiritu eins mundabantur . . .
Videtie, fratres, quod sanguis ille animac Christi tignram lenet, cum ait
(Hebr. 10, 22) a.spersi corda; .spiritus enim spiritum bono exemplo asper-
gere poteat, non autem sanguis cor aspergcre valet.
2) Migno 96, 1379 fl". Der Traktat ist gerichtet an einen sonst un-
bekannten Mann, Namens Arsenio. Er findet sich in einem i. J. 812 ge-
Mcbriebenon Kodex. Der Verfasser bestreitet, dass die Seelen in einen
Zwisfhenznstand eintreten. Sie kommen entweder in den Himmel oder in
die Hölle. Bei Arsenio könnte man an Wala denken, den Hadbert bekannt-
lich mit dem Namen Arsenius bezeichnet.
3) M.G. Ep. V S. 615 Nr. 1.
— 649 —
Unter der nächsten Generation litterarischer Männer war der
geistig hervorragendste ohne Zweifel der Mönch Gottschalk. ^) Er
war einer der Männer, die kühn sich dem Geiste ihres Jahrhunderts
entgegensetzen. Wie die meisten, die das wagen, ist er im Kampfe
zu Grunde gegangen. Aber sein Auftreten ist wie eine Weis-
sagung: es deutet darauf hin, dass im deutschen Volke Kräfte
schlunnnerten, welche der Herrschaft der kirchlichen Tradition sich
nicht für immer fügen konnten.
Gottschalk wurde als Knabe von seinem Vater, einem sächsi-
schen Grafen Bern, für das Klosterleben dargebracht.-) Das war
ein Schicksal, das er mit Hunderten teilte. Aber Avas andere als
einen Beweis elterhcher Frömmigkeit verehrten, das verabscheute
er als einen Raub an seiner Freiheit. Es fehlte ihm nicht an Be-
gabung für die Studien : man darf annehmen, dass er an den Alten
sich begeisterte;^) auch die Glut religiöser Empfindung, die man
im Kloster sucht, war ihm nicht fremd. Trotzdem konnte er sich
in seine Lage nicht fügen und finden: er bestand darauf, dass ihm
sein Eecht zuiiickgegeben , dass er aus dem Kloster entlassen
würde. Es war verhängnisvoll für ihn, dass er seine Forderung
gegen Hraban richten musste; denn niemand hatte weniger Ver-
ständnis für ihr Recht, als er, und niemand kannte weniger Nach-
giebigkeit gegen das, was ihn unrecht dünkte. Hraban hat denn
1) Die Gedichte G.'s hat Traube Poet. lat. IH herausgegeben. Was
G. sonst geschrieben, zählt Freystedt in dem unten anzuführenden Aufsatz
S. 529 ff. auf. Man vgl. über ihn Borrasch, d. Mönch Gottschalk v. Orbais,
Thorn 1868; Schrörs, d. Streit über die Prädestination, Freib. 1884; Ebert
S. 166: Dümmler, OFr. R. I S. 327 u. ö.; Traube, Poet. lat. III S. 707 ff.;
Freystedt, Zeitschr. f. KG. XVIII, der zum Schaden seiner Arbeit die zwei
Jahre vorher erschienene von Traube übersehen hat.
2) Ep. Fuld. fragm. 29 S. 529.
3) Traube erinnert Poet. lat. III S. 708, dass nach Walahfrid, carm. 18
S. 362, Gottschalk es war, der Walahfrid den Namen Honoratus beilegte,
und nimmt an, dass dieser Name in Erinnerung an den römischen Gramma-
tiker Servius Honoratus, einen Kommentator Virgils, gewählt sei; von da
aus folgert er, dass auch der Name Fulgentius an die Virgilstudien erinnere,
er sei deshalb nicht dem Bischof von Ruspe, sondern dem afrikanischen
Grammatiker Fulgentius Planciades, ebenfalls einem Ausleger Virgils, ent-
nommen. Die Annahme ist möglich. Aber wenn Walahfrid sagt, dass G.
ihm einstmals nomen honore ductum gegeben habe, so scheint mir die
andere Annahme einfacher, dass in dem Honoratus überhaupt keine gelehrte
Anspielung liegt, sondern dass die Bedeutung des Wortes massgebend war;
ebenso dann auch bei dem Fulgentius. So oder so, jedenfalls beweisen die
Namen die Begeisterung für das Altertum.
— «5r)0 —
iiucii. als L'iiic Mainzer Synode unter Otgar i. .1. 8lMi ') Gottschalk
den Austritt aus dem Kloster gestattete, gegen dies Urteil
appelliert.*) Wir lulicu nichts über den Erfolg. Aber wir wissen,
dass (lottschalk Mönch l)lieb. Kanu man anders vermuten, als
dass Hraban es durchsetzte, dass er Mönch bleiben nuisste? Das
Einzige, was ihm eingeräumt wurde, war, dass er Fulda mit Orbais
vertauschte.'"*) Er war geneigt, über Fragen zu grübeln, die zu
allen Zeiten die Reflexion tiefsinniger Theologen augeregt hal)en.
obgleich sie jenseits der Grenzen menschlicher Erkenntnis liegen;')
in der dogmatisch lebhafteren Umgebung, in welche er im Westen
kam, wurde er auf das Studium Augustins geführt. Bisher hatte
er keinen ]\[eister gefunden,'') an den er sich halten konnte,
hier fand er ihn. Was er über die göttliche Vorlierbestimmung
las, berührte verwandte Saiten in seinem Innern: er lernte von
Augustin. nicht wie die exzerpierenden Kompilatoren rings um ihn
her, sondern wie der Gleichgesinnte vom li leichgesinnten lernt.
Nicht einzelne Formeln und Sätze eignete er sich an, sondern er
durchdrang sich mit der Gesamtanschauung des afrikanischen
Kircheidehrei-s. Wie bei Augustin erhegt das menschliche Ich
der Wucht der Vorstellung des alles vorauswissenden, alles voraus-
bestimnienden, alles wirkenden und schaffenden Gottes. Gottschalk
spitzt die Sätze möglichst zu: ohne Gottes Erbarmen konnte nie-
mals, noch kann, noch wird je können irgend einer dei' Heiligen,
geschweige denn einer von uns Ungerechten, auch nur einmal den
Sinn fruchtbar darauf richten, etwas Gutes zu beginnen, noch
weniger es zu vollbringen.'') Denkt er sich Gott gegenüber, so
1) In St. Alban, Teilnehmer waren 5 Erzbischöfe, 24 Bischöfe, 4 Chor-
bischöfe und 6 Äbte, ep. Fuld. fragm. 1. c.
2) Ep. Fuld. fragm. 1. c. Hraban appellierte an den Kaiser. Er .schrieb
damals seine Abhandlung de oblat. pueror. (opp. I S. 419 tf.). Für (iott-
schalk ist Hatto, der spätere Abt, eingetreten.
3) fiottschalk erscheint später als Mönch von Orbais (Ann. Hert. z. .1.
849). Die Annnhme liegt nahe, dass sein Übergang von Fulda dorthin im
Zusammenhang mit den Ereignissen von 829 steht; Traube schiebt einen
längeren Aufenthalt in Corbie ein, S. 709.
4) Vgl. Servat. Lup. ep. 73 S. 141 tf. Die Antwort auf eine Frage
(lottschalks über das Schauen fiottes. Servatus bemüht sich um Aufschluss,
warnt ihn aber, ne his ultra quam oportet occupatus, ad utiliora vestiganda
sive docenda minus .^ufBcias. Vgl. Hinkmar in der von »lundlach, Ztschr.
f KG. X S. 263 herausgegebenen Streitschrift.
.5) (Tottiichalk klagt später: Nemo fuit mihi dux (Carm. ad Katr. v. 89
S. 7.55).
6) Brief an Lupus von Chälons s. M. Poet. lat. III S. 723. Die Stelle
— 6Ö1 —
koniijit ihm nur der imeiidiiche Zwiespalt zwischen dem, was er ist,
und der ewigen Eegel zum Bewusstsein: Von Gott geschaffen, hat
er sich an das Eitle verloren, statt ihm zu dienen, hat er ihn ver-
lassen, den, der kam, ihn zu erlösen, hat er nicht erkannt, die Ge-
bote, die er ihm gab, nicht erfüllt: es bleibt ihm nur die inuner
wiederholte Bitte: O Gott, mit dem armen Knecht hab Erbarmen.^)
Aber indem er dui'ch Gott zu nichte wird, richtet er sich zugleich
an Gott auf. Gott verhüte, sagt Gottschalk, dass ich der Gnade
dessen missti-aue. in dem ich immer vertraute und vertraue sehff
zu werden: denn der Lazarus sterben Hess, um ihn erwecken zu
können, der ist mächtig, auch mich, der ich in Sünden versunken
bin, lebendig zu machen.-)
Gottschalk hat diese Gedanken in den Formeln Augustins
ausgesprochen. Er scheute nicht davor zmiick, die schroffsten Sätze
des Lehrers der alten Kirche zu wiederholen: wie jener leugnete
er, dass Christus die Verworfenen habe retten wollen,-') und ertrug
auch kein Bedenken, hiefür eine neue Formel zu prägen, indem er
von einer doppelten Prädestination sprach, der Erwählten zur Ruhe
und der Verworfenen zum Tod.*) Es war kein neuer Gedanke, nur
schärfer noch, als es bei Augustin gewöhnlich geschieht, war es
ausgesprochen, dass auch in dem Untergang der Verlorenen Gottes
Wille sich vollzieht.'^) Dass aber Gottschalk nicht nur in theologi-
schen Formeln sprach, zeigen seine Gedichte, die einzigen in dem
ganzen Jahrhundert, die nicht aus Reminiscenzen zusammengesetzt
sind; es liegt in ihnen eine Unmittelbarkeit der rehgiösen
Empfindung und eine AVärnie des Tons, die dieser Zeit sonst fremd
zeigt, dass Freystedt mit seiner Behauptung irrt, dass für Gottschalk im
Unterschied von Augustin nicht das anthropologische Interesse leitend ge-
wesen sei, sondern das theologische, S. 541. Die Anschauung ist auch in
Bezug auf Augustin schief.
1) Carm. 5 S. 729. Tiefes Sündengefühl spricht sich auch in den
übrigen Gedichten aus.
2) Brief an Lupus S. 724.
3) Bruchstück bei Hinkmar de praed. 27, Migne 125 S. 275: Quos
pessimos futuros esse praescivit . . ipsos salvari penitus nolit. Hinkmar
gegen ihn Ztschr. f. KG. X S. 261.
4) Hinkmar a. a. 0. 5 S. 89.
5) Dass Gott zur Sünde prädestiniert habe, hat G. selbstverständlich
nicht gelehrt. Er sagt in dem längeren im Gefängnis abgefassten Bekennt-
nis, Migne 121 S. 349: Credo, praescisse te ante saecula quaecunque erant
futura, sive bona sive mala, praedestinasse vero tantummodo bona. Zu dem
Guten rechnete er einerseits gratiae beneficia, andererseits iustitiae iudicia.
Das ist genau augustinisch.
— t)52 —
sind. ^Nlaii kann ermessen, wie hinieissend dieser Mann /n reden
wusste.
Er gewann in < )rbais Schüler für seine Überzeugungen; ') aus
der heiligen Schritt, wie aus den älteren Theologen wusste er sie
/u beweisen.-) Es scheint aber, dass es ihn gerade jetzt nicht
mehr im Kloster duldete. Weim er sich von dem Rheimser Chor-
bischof Rigbold die Priesterweihe erteilen liess"*) und dann mit et-
lichen Schülern das Kloster verliess, so ist klar, dass er Thätigkeit
suchte. Er ging nacii Oberitahen.') Aber dass er dort seine
Überzeugungen verkündigte, lenkten die Auiinerksamkeit auf sie;
sie waren der Zeit so fremd, dass sie Widerspruch hervorrufen
mussten. Wieder fand Gottschalk Hraban unter seinen Gegnern.
]\Ian würde Hraban Unrecht thun, wenn man in seinem Auf-
treten nur die Wirkung alter Feindseligkeit wahrnehmen wollte.
Denn Gottschalks Sätze verletzten den Mittelpunkt seiner religiösen
l'berzeugungen, dcui Glauben an di(^ Güte und Gereclitigkeit
Gottes.-') Der Gedanke: Gott der Schöpfer des Heils, schloss für
ihn den anderen von der Allgemeinheit des göttlichen Gnadenwillens
unmittelbar in sich. Die Vorstellung, dass derselbe Gott, der alles
Gute geschatfen hat, irgend jemand zum Verderben bestinnnt habe,
entsetzte ihn.") Man versteht es, Avenn man sich erinnert, dass die
Verzweiflung füi- ihn die grösste Sünde war.") Auch er sprach von
dem allmächtigen und unüberwindlichen Willen Gottes: ai)er die
Schwierigkeit, die für den (Jedankcn in solcbcn Sätzen liegt.
1) Hincm. de praed. 2 S. 84; vgl. dio übrigen von Traube S. 710 Anm. 2
gesammelten Stellen.
2) Hincm. in c. Hinc. Laud. 43, Migne 126 S. 441. Fiii- die Begabung
und die Leiden.schaftlichkoit Gottschalks ist der Satz bezeichnend, F'lod. H. K.
111, 14 Scr. XIII, .")01: Non solum scriptura.s . . sed et catliolicoruiii dicta
detruncata per totum diem sine respiratione aliqua prevalet memoriter
decantare.
3) Hincm. de praed. 2 S. 85.
4) Die Zeit ergieht sich aus llrab. ep. 22 S. 42H an Notliiug. Der
Brief ist, wie Dümmlor gezeigt hat, OFr. R. 1 S. 332 Anm. 2, i. J. 840
geschrieben, ft.'s Austritt aus Orbais erfolgte also am Endo der dreissiger
.lahre. Er ist in Auflehnung gegen dio kirchliche Disziplin erfolgt. Das
sagt Hinkmar in seiner ersten Streitschrift, Ztschr. f. KG. X S. 261: Antc-
(|uam ex ista parrorhia contra legos ecclesiasticas excommunicatua i)ergorct.
Daraus erklärt sich Hrabaiis Bezeichnung quidam gyrovagus monachus. Die
Legalität seiner Ordination hat Hinkmar angefochten.
.")) Ep. 22 S. 429: Qui de Dco bono et iusto tain noipiiter sentinnt.
6) Ep. 42 S. 481: vgl. de praed. S. 1.^31.
7) p]p. Fuld. fragm. 12 S. 520: Desperatio inier omnia crimina (minima
ist wohl Druckfehler) maximum crimen est.
— (i53 —
empfand er nicht: sie enthielten für ihn nur die fromme Über-
zeugung, dass der Menschen Anfang, Mitte und Ende in Gottes
Hand steht. ^) Deshalb fühlte er sich verpflichtet, gegen seinen
ehemahgen Mönch aufzutreten. Er that es im Jahre 840 in einem
dem erwählten Bischof von Verona, Nothing, gewidmeten Schriftchen
über die Prädestination.-) Aber sein Eingreifen war vergeblich. Nicht
nur, dass Gottschalk seine Wirksamkeit in Oberitalien fortsetzte;'')
er fand an dem Grafen Eberhard von Friaul eine Stütze.^) Es
bedurfte eines neuen Eingreifens Hrabans, um die Verweisung seines
Gegners aus Itahen zu erreichen. Wie es scheint, hat Gottschalk
vergeblich in Rom Einsprache dagegen erhoben.'^) Er musste das
Reich verlassen und hat nun einige Zeit in den östlichen Grenz-
ländern gewirkt.*') Dann kehrte er nach Deutschland zurück, er-
bittert, wie es scheint, durch seine Erlebnisse, zweifelnd an der
Treue alter Freunde, aber unerschüttert in seinen Überzeugungen. ')
Vor der Mainzer Synode im Oktober 848 trat er gegen Hraban
auf: unumwunden bekannte er seine Überzeugungen.^) Aber seine
Niederlage war von Anfang an gewiss: er Avurde als entlaufener
1) Ep. Fuld. fragm. 18 S. 523.
2) Opp. VI S. 1530 ff. Der Brief an Nothing ist die Widmung.
8) Freystedt nimmt nach Walahfrid carm. 18 v. 9 S. 362 an, dass G.
von der Keise nach Rom i. J. 838 nach Orbais zurückkehrte. Voraussetzung
ist, dass Eberts Datierung des Gedichts (spätestens 888) richtig ist. Traube
S. 712, 4 lässt dagegen das Gedicht im Dezember 848 verfasst sein. Der
Dezember ist nach v. 18 sicher. Dann aber ist 788 sehr unwahrscheinlich,
da Walahfrid im Laufe dieses Jahrs nach Erlebads Rücktritt Abt wurde,
Ann. Aug. S. 68, also schwerlich an Weihnachten am Hofe war. Man
müsste an Weihnachten 837 denken; aber je weiter man sich von 840 ent-
fernt, um so unwahr-scheinlicher wird der Ansatz. Traubes Datierung ist
gegenüber den palatinae nebulae v. 20 f. auch nicht ohne Schwierigkeit;
doch nicht unmöglich. Nimmt man sie an, so ist die Annahme der Rück-
kehr nicht notwendig; man sieht auch keinen Grund für dieselbe ein.
4) Hrab. ep. 42 S. 481. Carm. 4, 3 und 5, 2 S. 728 f. scheinen mir
dem Zusammenhang nach nur bildlich verstanden werden zu können. An-
ders ist es mit Carm. 6. Aus diesem Grund aber wird es schwerlich wäh-
rend des Aufenthalts bei Eberhard verfasst sein: der Aufenthalt bei dem
Grafen war kein Exulat, sondern erst nach der Vertreibung aus Italien.
5) Stammt das Gedicht Walahfrids erst aus d. J. 848, so ist der rö-
mische Aufenthalt zwischen die Thätigkeit in Friaul (longius meantem) und
die in Dalmatien etc. (extera rura adire) zu verlegen.
6) Ann. Bert. z. 849 S. 36. Einem, de praed. 2 S. 84: Peragratis re-
gionibus plurimis.
7) Diese Vorstellung ergiebt sich aus Walahfrids angeführtem Gedicht.
8) Dass Gottschalk als Beklagter vor die Synode geladen wurde, sagt
— G54 —
Mönch l)('strat"t. aus Dtnitscliland ausgewiesen und Hinkiiiar von
Rheiins. einem nicht niindoi' entschiedenen Gegner als Hrabau,
übergehen.-')
Durcli das Mainzer Urteil war für Deutschhmd die Frage
abgethan. Tni Westi'eiche begann nun erst ein lange dauern-
der und an überraschenden Wendungen reicher Streit, der ohne
klares Resultat zu Ende kam. Gottschalk ist treu seinen llber-
zeugungen im Gefängnis gestorben, der erste mittelalterliche IMärtyrer
des Augustinismns.
Ein Freund und Mitschüler Gottschalks war Walahtrid Strabo.^)
]\Ian kann sich kaum zwei verschiedenere Charaktere denken als
diese zwei Mönche. Walahtrid. der Sohn eines geringen Alamannen.^)
hatte das gleiche Schicksal wie der sächsische Grat'ensprössling, als
Kinil dem Kloster übergeben zu werden. Aber wiUu'end sich
Gottschalks ganze Natur gegen den Zwang empörte, der ihm in
Fulda angethan wurde, hatte AValahfrid nur freundliche Er-
innerungen an die Männer, welche die P'ührei- und Lehrer seiner
Jugend in Reichenau waren: an Haito. Grimald. Wettin und Tatto: '')
Für den begabten Knaben war di(" Klosterschule der i-echte Ort;
begierig nahm er an. was ihm an Bildungselementen dargeboten
wurde'*) und lenksam, wie er war. fügte er sich leicht in die
Anschauungen, die im Kloster heri-schten. Wer geistlichen IMännern
folgt, der irrt niemals: diesen Grundsatz spricht er später aus;")
es war gewiss seine aufrichtige Überzeugung. Sie bewahrte ihn
weder Hiiiljiin noch Hinkiii;ir. i'ass iiuin ilin als onthiut'enen Möncli bestrafte,
zeigt die Geisselung. Denn der l'riester durfte nicht geschlagen worden.
1) Ann. Fuld. z. 848 S. 38 zeigt indessen, dass es sich nur um einen
Majoritätsbeschluss handelte. Brief Hrabans an Hiukmar in dessen Schrift
de praed. 2 S. 84.
2/ Migne 113 f., die (Jedichte Poet. lat. U Ö. 2f>\) Vi'. In die Lebens-
geachichte Walahfrids Licht gebracht zu haben, ist ein Verdienst Kberts
(Berichte der philos. bist. Klasse der silchs. 'lesellsch. der Wissenach. 1878
S. 100 ff., vgl. Lit. d. MA. II S. 145 tf.).
3) In der inetrischon Vorrede zu der Schrift ile reb. occles. (c. 79
S. 417) nennt er «ich pauper hebesque (ähnlich c. 18 v. 23 S. 303); in
einem Gedichte an den (irafen Konrad. Judiths Bruder, spricht er von sich
als obscnrus ingenio natalilius atquo (c. 37 v. 3 S. 387); als Alamanuo be-
zeichnet er sich c. 2 v. 12 S. 297. Die Zeit seiner Geburt hat Ebert (S. 101 f.)
auf ca. 809 bestimmt.
4) Carm. 3 v. 38 ff. S. 305; v. 176 ff.; v. 873 ff.; c 4, 27 v. 430 S. 349.
->) Daaa er griechisch verstand, ist wahrscheinlich fs. DiSmmler, Poet.
lat. II S. 259).
6) Vorrede zur visio Wettini S. 302.
— ()55 —
Tor herben Konflikten: aber der geistigen Unmündigkeit, die in ihr
Hegt, ist er nie entwachsen.
AVak^hfrid war ein frühreifes Talent. Mit fünfzehn Jahren be-
gann er Verse zu machen.^) Er hatte sein achtzehntes Lebensjahr
noch nicht vollendet, als er mit seiner ersten grösseren Arbeit her-
vortrat.-) Sie behandelt einen VorMl, der sich kurz vorher ereignet
und ungemeines Aufsehen erregt hatte. Im Jahre 824 starb der
Reichenauer Mönch Wettin. Er war mehrere Tage vor seinem
Tode schwer krank. In den Fiebei^iaroxysmen glaubte er Gesichte
zu sehen : er erbhckte den Teufel und die Dämonen in dem
Zimmer, in welchem er lag; er hörte den Jubel der höllischen
Gäste, über die Beute, die ihnen bald zufallen würde; dann aber
wai'd es wieder friedhch mii ihn her: Engel vertrieben die Spuk-
gestalten aus dem Gemach. Noch Wunderbareres bekam er zu
schauen. Ein Engel wurde sein Führer durch die jenseitige Welt,
er zeigte ihm die liebhchen Berge der Sehgen und die mancherlei
Qualen, welche die Ungerechten, sei es zur Yerdannnnis oder auch
zur Remigung, zu ertragen haben. Manchen ihm wohlbekannten
Mann, unter ihnen den xA_bt Waldo, ja Kaiser Karl, erblickte
Wettin unter den Gepeinigten. Man kann sich denken, wie die
Erzählungen des Kranken die Mönche erregten. Die meisten glaubten
an die Wirklichkeit der Gesichte; doch wm-de auch das Urteil laut,
sie seien leere Träume.^) Haito, der seinem Bistum entsagt hatte
und als Mönch im Kloster lebte, schrieb Wettius Erzählung sofort
auf'*) Walahfi'id bearbeitete sie nicht allzu lange darnach metrisch.
Er widmete seine Arbeit dem Hofkaplan Grimald. Man kann
nicht sagen, dass er den poetischen Wert des Stoffes ausgenützt
hätte: dazu war das sachliche Interesse zu gi'oss, das er au dem
Ereignisse nahm. Flu- uns erhält sein Gedicht einen gewissen
Wert durch die Charakteristik der Reichenauer Abte, die er ein-
geflochten hat: nur ist sie zu sehr Lob, als dass sie anschaulich
wäre.'^) Nicht lange nach Vollendung dieses Erstlingswerkes*^) wird
Walahfrid Reichenau verlassen haben, um bei Hraban seine theo-
logische Ausbildung zu vollenden. Wie seine späteren Schriften
1) Vgl. die Überschrift zu carm. 5 S. 350.
2) Vorrede zur visio Wettini S. 303. Vgl. Plath, Zur Entstehungs-
geschichte der visio Wettini N.A. XVII S. 261 S., der zeigt, dass der Brief
Form. Aug. Coli. C. 25 S. 376 von Walahfrid an Adalgis gerichtet, sich auf
die Visio bezieht.
3) Vorrede S. 302.
4) Poet. lat. II S. 267.
5) Günstiger urteilt Ebert, L. d. MA. S. 149.
6) Wahrscheinlich i. J. 826. S. Ebert a. a. 0. S. 102.
— G56 —
beweisen, verdankte er Hrahan seine theologisclie Metliode: der
Aut'entlialt in Fulda war demnach von grosser Bedeutung für ihn;
um so weniger kann man zweifeln . dass er gerne in Fulda weilte
trotz mancher kleiner Unbequemlichkeiten, die das Leben mit sich
brachte: er wusste sie mit gutem Humor zu eintragen. ^)
Von Fulda aus k;ini er als Erzieher des jungen Karl an den
Hof.-) In seiner Bescheidenheit war er geneigt, es als die Folge
eines glücklichen Zufalls anzusehen,"') dass man in der Umgebung
des Kaisers auf ihn aufmerksam wurde. Doch fehlte es nicht an
Personen."*) welche der aus Alamannien stammenden Kaiserin den
jungen talentvollen Schwaben empfehlen koimten. Denn Judith
besonders begünstigte ihn. Er dankte es ihr durch manchen
rühuienden Vers: was an Judith Gutes war, lernen wii- aus den
freundlichen Worten des Dichters, wälirend von ihren schlinnnen
Seiten die Geschichte ihres Gemahls nur zu laut Zeugnis ablegt.
Auch den Kaiser hat Walahfrid verherrlicht. Es war kein Miss-
griÜ", der ihm ])ersönlich zur Last fiillt, wenn er ihn als den weisen
und guten König dem gottlosen Tyrannen Theoderich d. Gr. gegen-
üi)erstellte. Denn so hatte längst vor ihm der Undank der Kirche
über den grössten Herrscher des fünften und sechsten Jahrhunderts
geurteilt. Al)er für den s])äteren Leser bekommt seine glänzende
Schilderung einen wehmütigen Zug: er hat sich im Ijobe nicht
minder vergriffen als im 'i'adel.'') Manches andere (Gelegenheits-
gedicht stammt aus dieser Zeit und lässt erkennen, dass doch
etwas von dem, was den Hof Karls gross gemacht hatte, am Hofe
seines Sohnes erhalten war.
Dem Kaiser wird A\'alahfrid die Ernennung zum Abte von
Reichenau verdankt haben.**) Er konnte sich ihrer nicht lange er-
freuen; denn von Ludwig d. D. winde er aus dem Kloster ver-
trieben;') er hat einige Jahre in dii- Ferne zugebracht; kurz nach
seiner Rückkebi- ist er im Jahre S4H gestorljen.**)
1) Carm. 9, 2 f. S. 358 f. Im ersten Gedichtchen bittet er um Schuhe,
im zweiten um einen Diener.
2) Von Ehert nachgewiesen S. 102 f.; ebenso die Zeit: Frühjahr 829.
3) C. 23 a V. 5 S. 378.
4) Sein Lehrer Grimald stand Ludwig d. Fr. nahe.
5) Carm. 23 S. 370 ff.; vgl. was Ebert (Lit. d. MA. II S. ir.4 ff.) zu
diesem Gedichte bemerkt.
6) Wahrscheinlich auf Empfehlung Grimalds (Ermenr. op. 28 S. 566).
Ebert S. 107: gegen Ende 838.
7) Carm. 76v.40ff.S. 414, vgl. Hatp. Cas. s. Gall. 7 S. 67; vgl. Ebert S. 108.
8) Ann. Alam. z. d. .T. W.'s Epitaphinm Poet. lat. II S. 423. Über
seinen Tod vgl. auch die Notiz bei P>menrich, ep. ad Grim. 27 S. 564.
— 657 —
Walahfrid ist der eiuflussreichste exegetische Schriftsteller des
Mittelalters. Denn der von ihm verfasste Kommentar zur heiligen
Schrift, die Glossa ordiuaria, wurde das exegetische Handbuch fiii-
Jahrhunderte. Aber das Werk ist so wenig ihm eigen, wie irgend
ein Kommentar Hrabans diesem gehört. Ganz in der Weise seines
Lehrei-s arbeitete er mit fremden Gedanken nicht nur. sondern mit
fremden Sätzen und Worten; nur an ganz wenigen Stellen hat er
eigene Bemerkungen eingefügt. Und vergleicht man nun seine
Schrifterklärung mit der Hrabans, so kann man nicht umhin,
ein Sinken des wissen schafthchen Interesses wahrzunehmen: sie
ist düi-ftiger. Das Kompendium tritt an die Stelle des Hand-
buchs.^)
Den gleichen Charakter trägt Walahfrids Schrift über die
kirchlichen Dinge. Sie ist ein Seitenstück zu xlmalars Schriften
wie die Glosse zu Hrabans Kommentaren. Aber während Ama-
larius auf phantastischen IiTwegen einem hochgesteckten Ziele
nachtrachtete, begnügte sich der jüngere Mann, um das kirch-
liche Handeln zu verstehen, mit einigen wenigen dürftigen
Notizen.-)
Unter den harten scharfgeschnittenen Charakteren dieser Zeit
ei-scheint Walahirid wie ein Fi-emdhng. Der pohtische Kampf war
ftir ihn nicht eine Aufforderung zum Handeln: höchstens entlockte
er ihm einen Seufzer über das Unglück des Landes.^) Auch
Hraban enthielt sich poKtischer Thätigkeit; aber er that es, weil
er es prinzipiell missbilhgte, dass die Diener der Kirche sich in
die Angelegenheiten des Staates mischten, und er hatte dabei sehr
bestimmte politische Ansichten. Bei Walahfrid war das anders:
seiner ganzen Art lag es fern, Partei zu ergreifen; er war keine
pohtische Natur. Deshalb konnte er, ohne unlauter zu sein, mit
den entschiedensten Gegnern freundHch verkehren: er verehrte be-
wundernd die schöne Kaiserin Judith, und er hatte Beziehungen
zu Agobard von Lyon.*) Er war Erzieher Karls d. K., und er
sang das Lob Kaiser Lothars.^) Nicht einmal wenn er selbst
leiden musste, hess er sich auf einen Parteistandpunkt di'ängen: er
wui'de deshalb nicht zum Feind Ludwigs d. D., weil dieser ihn
aus seiner Abtei vertrieb ; in dem Gedicht, in welchem er über das
1) Vgl. über die Glosse Reuss, P. RE.^ XIV S. 774.
2) De ecclesiasticarum rerum exordiis et incrementis. M.G. Cap. II
S. 473.
3) Carm. 6 v. 32 S. 356; 24 v. 1 flf. S. 379.
4) Carm. 8 S. 356 f.
5) Carm. 76 S. 413f.
Hauck, KirchengescMchte. 11. 2. Aufl. 42
— 658 —
Uuulück der Verbannung klagte.*) liest man kein herbes Wort
über den Kiinig, der ihn verbannt hatte. Es passt dazu, dass ihn
das Meuschenge\vühl am Hofe abstiess: der Schmutz der Bettler,
die von dem milden König AliiMt>('n heischten, war ihiu ebenso
verhasst wie das Geschrei der hadernden Parteien, die am Hofe
Recht suchten.-) "Wenn er sich einen schönen Ort vorstellte, dann
dachte er an den sonnigen, blumen gefüllten Klostergarten, ■^) an
einen einsamen Berggipfel oder an ein abgeschlossenes Waldthal,
in dem der Epheu über den Boden hinkriecht und die scheuen
Yögel sich hören lassen.^)
Ein dritter Schüler Hrabans ist Rudolf von Fulda. Er wa«-
weniger Theolog als Gottschalk und AValahfrid; doch hat er im
Kloster theologischen Unterricht gegeben; der Fuldische Mönch
Erkanbert hat nach seinen Auslegungen einen Kommentar zum
Johannesevangelium geschrieben.'*) Dagegen galt er als überaus
berühmter Geschichtschreiber und Dichter.") Von seinen Gedichten
jedoch scheint nicht eines erhalten zu sein; nur über seine Ge-
schichtschreibung können wir urteilen. Er hat die Jahrbücher des
Klosters vom Jahre 839 — 863 bearbeitet, das Leben der Äbtissin
Lioba geschildert und einen Bericht über die zahlreichen Reliqmen-
erwerbungen Hrabans verfasst. Sind die Annalen in formeller
Hinsicht ein Beweis für die Blüte der klassischen Studien in Fulda,
so in sachlicher ein Zeugnis für die gegenseitige Absonderung der
Teile des karohngischen Reichs. Rudolf hat kaum mehr Interesse
für das, was im Westen vorging. Für den CJesichtspunkt. von
welchem aus wir die P^ntwicklung der Litteratur betrachti'n, sind
die hagiographischcn Schriften Rudolfs beinahe wertvoller als seine
Annalen. Denn in ihnen lenkt die Heiligeni)iographie wieder ganz
in das alte Fahrwasser ein; nachdem Willibald. Eigil und Brunn
sich dazu aufgeschwungen hatU^i, die geschichtlichen Ereiginsse
aufzuzeichnen, herrscht bei Rudolf wieder vornehmlich die Sucht
nach dem Wunderbaren: seine Werke bezeichnen den Punkt, an
dem der Ertrag der Kultur Karls d. (4i'. für die kirchengeschieht-
liche Biographie verloren ging.
1) L. c. V. 54 f.:
Nunc ohlita mihi iam sunt Alamannica rura,
Eligo planitiem Francorum (nämlich Speier).
2) Carm. 2.3 v. 18 tJ'. S. 370.
3) Carm. 4 S. 335 ft".
4) Carm. 28 v. 11 ff. S. 370.
.5) M.G. Ep. V S. 3.58 Nr. 34.
R) Ann. Fulrl. z. .T. 865; F-rmenricha Urteil über Riulolf in den der v.
Sol. vorange.^tellton Briefen iM.G. Scr. XV S. 154 f.).
— 659 —
Rudolfs Schüler war der fuldische Schul Vorsteher Megiuhart.^)
Nach Rudolfs Tod entschloss er sich, den von jenem begonnenen
Beiicht von der Überfiilu-ung der AlexandersreHquien von Rom
nach Wildeshausen zu beendigen.-) Man ist ganz an die Weise
des Meisters erinnert. Einerseits zeigt sich der historische Sinn in
dem Wertlegen auf urkundHche Quellen,^) andererseits die die
historische Betrachtung zerstörende Überschätzung des Wunder-
baren. Noch stärker tritt die letztere Seite hervor in der Predigt
über den fast unbekannten Mainzer Heiligen. Ferrutius.*) Megin-
liart hier zu erwähnen, würden diese Schriften kaum Anlass geben,
dagegen erhält er dadurch eine gewisse Bedeutung, dass er sich
an einen theologischen Gegenstand wagte. Er widmete dem Erz-
bischof Günther von Köln eine Schrift über che drei kirchlichen
Symbole.^) Es ist nicht auÖ allig, dass er in den historischen Ab-
schnitten derselben nur Stellen aus älteren Werken reproduzierte.'')
Gleichwohl hat das Urteil ein Recht, dass er eine gewisse Selbst-
ständigkeit bewies: denn der wichtigste Teil der Schrift, die Unter-
suchung über das Wesen des Glaubens, erscheint als die Frucht
eigenen Nachdenkens.
Die Bemerkung, welche die hagiographischen Schriften Rudolfs
und Meginharts nahelegen, kann man auch sonst machen. Altfiüd
von Münster besass die klarste Einsicht in die relative Wertlosig-
keit der AVundergeschichten im Vergleich mit der redhchen Predigt-
arbeit: ') gleichwohl entrichtete er im 2. und 3. Buch seiner Biographie
1) Er selbst bezeichnet sich als praefectus scholae, de fide S. 251.
2) Brief an Sunderold, damals Priester, später Erzbischof von Mainz,
M.G. Scr. 11 8. 674.
3) Aufnahme der drei Briefe Lothars, c. 4.
4) M.G. Scr. XV S. 148.
5) Caspari, Kirchenhist. Anecdota S. 251 ff. Günther . wünschte com-
pendiosum opusculum de fidei symbolo. Dem entspricht die Schrift. Megin-
hart zerlegte sie in 4 Teile: de fide, de varietate symboli, d. h. über das
apostolische, das nicänische und konstantinopolitanische Symbol. Das
letztere, latior symboli forma, quam nunc universalis ecclesia publice prae-
dicat et frequentat, — vgl. quae decantari assolent — -, steht ihm selbst-
ständig neben dem Nicänum; die beiden späteren Formeln betrachtet er als
aus dem Apostolicum erwachsen.
6) S. die Nachweise Casparis, der die Benützung von Rufin, Augustin
und Gennadius darthut.
7) V. Liudg. II praef. S. 411: Quamvis praeponendum sit ministerium
evangelicae praedicationis et multorum illuminatio cordium operationibus
miraculorum ostensionibusque signorum, ad honorem tarnen largientis Domini
stilo alligari fecimus, quae ab eodem s. viro facta recolimus. Der Gedanke
stammt von Alkuin (s. v. Willibr. 14 S. 50).
42*
— ßfiO —
Liiidgers dem Wiiiulorulauben seiner Zeitcennssen seinen Triiiut.
Die Biojcrrapliie Willeluuls schien unvollkommen, so lange dem
grossen Missionar der Heiligenschein der AVunderthaten fehlte, deshalb
hat Anskar diesen Mangel ersetzt.^) Den Mönchen von St. Gallen
genügten die Wmider, welche Gozbert und Walahtrid von Abt
Otmar erzählt hatten, nicht; Tso fügte eine zweite Reihe hinzu.-)
Wandalbert von Prüm ergänzte die von Hause aus au Wundem
nicht aruie Lebensbeschreibung Goars mit einem zweiten Buche, das
nur Wunder enthält.'') In Ermenrichs Biographie des Mönchs
Sualo und des Bischofs Hariolf'*) mussten l)ereits die Wuuder-
geschicliten Ersatz leisten für den fast vollständigen Mangel an
Nachnchten über das Leben der Heiligen.'*) Die Erzählungen
über Reliquienübeiiragungen waren vollends einges dazu be-
stimmt, Wunder zu belichten. Hier hatte schon Einhard den Ton
augegeben.
Der ebcQ genannte Ernienricli, Miinch im Kloster Ellwaugen.
charakterisiert die Zeit noch nach einer anderen Seite. In seinem
Briefe an den Erzkapellan Griniald") giebt er einen Beweis von dem
bunten Wissen, das ein mit gutem Gedächtnis ausgestatteter ]M(")hc1i
in den Klosterschuleu sich nicht allzuschwer aneignen konnte. Es
ist kaum glaublich, von wie vielen Dingen auf den vierzig Seiten
jenes Briefs die Rede ist: Ethik, Dogmatik und Exegese, Gottes-
dienst, Seelsorge und Kirchenzucht, Psychologie, Dialektik uiul
Mjihologie, Gramnuitik, Rhetorik und Metrik — in dem allen war
Ermenrich bewandert und von dein allen wusste er zu reden. Aber
die Lu'^t und der Drang, ein zusammenhängendes und ah-
1) Über dit) kritische Frage nach dem Autor der v. Willeh. a. oben
S. 350 Anm. 2.
2) Vorrede laos M.G. Scr. II S. 47.
3) Auch hier zeigt die Vorrede, dass man bewusst nach Wundern
suchte (M.G. Scr. XV S. 362).
4) Die erster« M.G. Scr. XV 8. I-Jl, tlio letztere X S. 11. Über Ermen-
rich B. Dümmler, Forfich. XIII S. 473; XIV, 405 und Kp. V S. 534f.; Ebert,
L. d. MA. II S. 17R.
5) Die Aufforderung Gundramras, dae Leben 8ola.s zu beschreiben,
setzt Ermenrifh, offenbar unwillkürlich, um in die andere, tanti viri signa
annotare (S. 154); obnuRO ist din v. Hariolfi oin Dialog, in quo carptim do-
clanintur miracula .sua.
6) Zuerst von Dümmler herausgegeben in einem Hallischen Programm
▼. 1873; nun auch im 5. Band der Briefe. Die Abfasssungszeit ergiebt sich
einerseits daraus, dass der Tod Walahfrids (18. August 849) erwähnt ist
(c. 27 S. 564), andererseits daraus, dass E. Gozbald von VVürzburg, gest.
20. September 855, als lebend nennt, c. 30 S. 568.
— 6(U —
geschlossenes Werk zu produzieren, wovon Alkuin und Hraban er-
füllt waren, fehlte ihm gänzlich. Er kam nicht darüber hinaus,
Pläne für Schriften zu machen.^) Seinen Brief schrieb er eigent-
Hch nur, um zu zeigen, wae viel er und wie viel sein Lehrer Grimald
wüssten. Hebt er hervor, dass das nicht ohne grosse Mühe ver-
fasste Schreiben dem Leser höchst nützlich sein werde, ^) so war
das eine Täuschung; dieses Gewirr von Notizen Avar sehr wenig
geeignet zu belehren.
Dieses Ermatten der Produktionslust ist charakteristisch für
den Ausgang des neunten Jahrhunderts. Es ist vielleicht nicht zu
viel gesagt, dass es, als das Jahrhundert zu Ende ging, im ganzen
Gebiete des ostfränkischen Reichs keinen litterarisch thätigen Theo-
logen mehr gab. Die Gelehrten waren nicht ausgestorben: Liutbert
von Mainz war als äusserst gelehrter Maini berühmt;'^) die Namen
Witgars und Adalberos von Augsburg wurden auch jenseits des
Rheins mit Achtung genannt:"*) aber niemand schrieb mehr. Am
bezeichnendsten ist, dass St. Gallen, dessen erste Blütezeit in die
letzten Jahrzehnte des neunten und den Beginn des zehnten Jahr-
hunderts fällt, keine theologischen Schriftsteller hervorgebracht hat.
Nirgends im Ostreich fand sich eine gleich grosse Summe von
Talent und Erudition vereinigt. Man könnte St. Gallen mit dem
Gelehrtenhofe Karls d. Gr. parallelisieren : aber der Unterscliied ist
doch sehr gross. Vor allem fehlte in St. Gallen die Produktivität.
Die Grössen, an deren Ruhm sich die späteren Generationen
St. Gallischer Mönche sonnten, waren doch eigenthch nur Schul-
meister;'') und wenn sie etwas schrieben, so hielten sie sich vom
Gebiete der Theologie ängstlich ferne. In der Klostertradition lebte
ihr Bild fort: der ernste strenge Ratpert, der alles, was nicht mit
1) C. 8 S. 542, über eine beabsichtigte Schrift, die er Ludwig d. D.
widmen wollte. S. 543 spricht er die Absicht aus, zu einer andern Zeit die
Dialektik zu behandeln.
2) L. c. 17 S. 554: Non absque magno labore coUegi ea ad utilitatem
legentium. Ähnliche Äusserungen öfter, z. B. c. 4 S. 538: Haec idcirco tarn
late protuli, ut sciant legentes etc. C. 19 S. 557: Scripsi haec, ut necessaria
coram exposita vel inviti recognoscant. C. 24 S. 561 : Gustum ex aliquantis
necessariis porrigo illis, qui nesciunt.
3) Ann. Fuld. z. J. 889: Literulis doctis doctior ille fuit.
4) Vgl. Hincm. Rhem. ep. ad Hincm. (Migne 126 S. 280) und Regln,
in der Widmung seiner Chronik S. 543, auch z. J. 887 S. 597.
5) Über den zu Unterrichtszwecken bestimmten Vocabularius St. Galli
s. Meyer (JB. f. Schw. Gesch. X S. 63 f.). Den Stufengang des Unterrichts
zeichnet ein Brief im St. Galler Formelbuch (M.G. Form. coli. Sang. 41
S. 423).
— m2 —
dem Unterricht zusaninieiihiiifj. für ZeitverschweiKlung hielt.*) der
kunst- iiiul hedrrreiche Tiiolilo, eine so frisclie. thatkräftisc Xatnr.
dass man es für ein Unrecht halten konnte, dass ein solcher Mann
Mönch geworden war;-) der feine und zarte Notker, wie geschaftcn
für das heschaidiche Leben, durch Unerwartetes leicht verwirrt ahei*
stark in (-leduld und Gewissenhaftigkeit."') Besonders ihn hat
die Erinnerung der Zeitgenossen , idealisiert. Man besitzt noch
sein Bild:*) er sitzt sinnend an der Schreibtafel; der Kopf ist auf
die linke Hand gestützt, die grossen Augen sind halb nach oben
gerichtet, träumerisch, ohiir einen Gegenstand zu fixieren. Ein
schmerzlicher Zug um den Mund: die schmalen, mageren Hände
machen den Eindruck des Kränklichen. Die Geschichten, welche
die Mönche sich von ihm und seinen Genossen erzählten. Hest mau
mit Vergnügen. Aber wenn man sich diese Männer neben Alkuin,
Theodulf und Einhard gestellt denkt, so fällt der Vergleich doch
sehr zu ihren Ungunsten aus: ihre litterarischen Leistungen stehen
weit hinter denen der karohngischen Zeit zurück. So manchfach
gebildet Ratpert war, geschrieben hat er doch mir Gedichte und
sein Buch über die Schicksale St. Gallens; Xotker war vic^Ueicht
der belesendste Theologe seiner Zeit: aber wir verdanken es nur
einem Zufall, dass wir das wissen.'') Und ist es richtig, dass er
1) Ekkeh. Gas. s. Gall. 3 S. 95. Über Ratport schrieb Zimmermann,
R. V. S. G. 1878. Vgl. Meyer v. Knonau in den fieschichtsschr. d. deutsch.
Vorzeit, 10. .lahrh. Bd. XI, Einleitung; Ebert, L. d. MA. HI. S. 156 f.
2) Ekkeh. 1. c. S. 94, .s. Ebert, S. 152.
3) Ekkeh. 1. c, Meyer v. Knonau in d. Mittli. der antiq. Gesellsch. z.
Zürich XIX, 4 (1877), Ebert S. 144. Über seinen Bruder Othere, Stutz,
Benefizialwesen S. 146.
4) Das Bild, Eigentum d antiq. rfeselLschaft zu Zürirh , ist der Ab-
handlung von Meyer v. Knonau in guter Reproduktion beigegeben. Ob es
Porträt ist, wie Meyer v. Knonau geneigt ist anzunehmen, lasse ich dahin-
gestellt. Unmöglich dünkt es mich nicht.
5) Wenn die notatio Notkeri unserem Notker angehört, so ist sie ein
Reweis für seine staunenswerte Belesenheit in der lateinisch - kirrhiirhen
liitteratur. Man begreift dann den Ruhm, dass es im Reiche Karls III.
keinen gelehrteren Mann gebe, als ihn (Ekkeh. cas. 3 S. 96). Dümraler
(Formelbuch Salomos S. 157) erklärt sich mit F]nt,schiedenheit für die Rich-
tigkeit der Überschrift; ihm stimmt Ebert (L. d. MA. III S. 150) zu. Da-
gegen %erhält sich Meyer v. Knonau gegen die Überschrift ablohnend
(Mitth. etc. S. 5). Da der Verfasser sicher ein Mönch von St. Gallen war
(S. 78: Otmaros, nostrura et Belgicum), so scheint mir trotz mancher Be-
ilenken, die grö.ssere Wahrscheinlichkeit dafür zu sprechen, dass die Über-
schrift richtig ist. Ein ihm wahrscheinlich angehöriger Brief über die
Tonsur steht Form. Coli. Sang. Nr. 28 S. 412.
— 663 —
der Verfasser des St. Galler Lebens Karls d. Gr. -war, dann braucht
man nicht zu beweisen, dass sein Urteil nicht auf gleicher Höhe
mit seiner Belesenheit stand, ^) Tuohlo vollends war schöpferisch
nur als bildender Künstler.-) Das Erlahmen eigener Thätigkeit
auf dem theologischen Gebiete ist um so auffälliger, da die Nach-
richten über die Vermehrung der St. Gallischen Bibliothek beweisen,
dass man sich im Kloster so gut wie ausschhesslich mit Theologie
beschäftigte.'^) Das universelle Interesse, welches die Zeit Karls d. Gr.
ausgezeichnet hatte, war fast ganz verschwunden.^)
Anderwärts war es ebenso. In Lothringen war das Kloster
Prüm von lange her ein Sitz manchfacher Studien. Unter Abt
Markward ist allerlei Hagiographisches dort geschrieben worden.'^)
Sein Nachfolger Eigil gehörte zu dem Freundeski-eise Hrabans.
Als Radbert mit seiner Abendmahlslehre hervortrat, hat er seine
abweichende Ansicht in einem Brief an Eigil dargelegt.^) Von
892 an stand Regino an der Spitze des Klosters, ein vielfach ge-
bildeter Mann. Aber irgend etwas Theologisches ist in Prüm
nicht geschrieben worden. Regino selbst, der im Jahre 899 aus
seinem Kloster weichen musste,') hat sich als Geschichtschreiber
1) Annahme von Zeumer, Hist. Aufs, dem Andenken von Waitz ge-
widmet S. 97 f. Wattenbach GQ. I S. 187 stimmt zu. Die Richtigkeit der
Annahme scheint mir sicher-, vgl. die gleiche Selbstbezeichnung: balbus, eden-
tulus hier U, 17 und in dem 28. Briefe der St. Galler Formelsammlung S. 412.
2) Aber die Nachrichten Ekkeharts im einzelnen sind Legende s. J.
v. Schlosser, Wiener SB. 1890 Bd. 123 S, 180 S.
3) Vgl. oben S. 617. In der notatio Notkeri ist vor den heidnischen
Dichtern gewarnt und statt dessen auf Prudentius und die christlichen
Poeten hingewiesen (S. 73); vgl. auch Ermenr. ep. 24 S. 561; doch wird
c. 25 S. 563 zugegeben: Sicut stercus parat agrum ad proferendum satius
frumentum, ita dicta paganorum poetarum licet feda sint, quia non sunt
uera, multum tamen adiuuant ad percipiendum diuinum eloquium.
4) Schon Ermenrich klagt überhaupt über das Ermatten der ge-
lehrten Interessen: Una (angustia) est, quia cerno docentium raritatem,
altera quia discentium crescere uideo tarditatem, intantum ut nee de tali-
bus uel interrogare dignentur et sie artes inscrutabiles a non discentibus
uilescunt,
5) Markward Abt 829— 853, Regin. ehr. z. d. JJ, Unter ihm schrieb
Wandalbert s. u., auch die Hist, transl. Chrisanti et Dariae Scr. XV S. 374
ist unter ihm entstanden,
6) Eigil Abt 853—860, Regin. ehr. z. d. JJ. Hrabans Schrift Migne 112
S. 1510 ff. Nicht ohne ein gewisses Interesse ist die Notiz S. 1512: Quon-
dam in terra Wlgarorum quidam nobilis potensque paganus bibere me
suppliciter petivit in illius Dei amore qui de vino sanguinem suum facit.
7) Regin, ehr. z. d. JJ.
— 8H4 —
und als MusikschriftstoUer einen Namen gemacht;^) nicht minder
verdient machte er sicli durcli seine Sammlung der kanonischen
Vorschnften über die kirchhche Disziplin um die kirchliche Ord-
nung.') Aber ein Theologe war er nicht. Bei den neuliekchrten
Sachsen fehlte es weder an theologischer Bildung noch an Begabung
und Lust 7A\ litterarischer Thätigkeit. Den Mönch Frudegard von
Corvey schätzte Kadbert hoch genug, dass er seinen Widerspruch
gegen die A\'andelungstheorie durch eine eigene Zuschrift beant-
wortete.^) Ein litterarisches Talent war der Priester Agius, seine
Elegie auf den Tod der Äbtissin Hathumod von Gandersheim ge-
hört zu den anziehendsten Werken des ausgehenden neunten Jahr-
hunderts.'*) Aber einen Theologen hat Sachsen nach Gottschalk
nicht wieder hervorgebracht.
AVir haben früher die ersten schier unwillkürlichen Ansätze
zur Entstehung einer theologischen Litteratur in deutscher Sprache
zu beoi)achten gehabt.'') Unter Ludwig d. Fr. setzt sich diese Be-
wegung noch fort. In den Jahren 823 — 825 ist in Fulda die
lateinische Bearbeitung des Tatianischen Diatessaron ins Deutsche
übersetzt worden.") Man hat die Bearbeitung gelobt als sauber
und sorgfältig.') Aber mit ihr bricht die Thätigkeit auf diesem
Gebiete ab: sie ist das letzte grössere Werk geistlicher Prosa in
althochdeutscher Sprache, das d(>ni nomiten Jahrliundcrt ent-
stammt.*')
Nur an einem Punkte hörte die Produktivität nicht ganz auf.
1) Vgl. Ebert, Lit. d. MA. III S. 227; Wattenbach, Gg. I S. 259 0'.
2) Über diese Schrift unten Kapitel 5.
3) Migne 120 S. 13Ö1 ff.
4) Agius schrieb auch die prosaische V. Hathumodae (gest. 29. November
874) M.G. Scr. IV S. 165 tf. Poet. lat. III S. 367 ff. Über seine Persönlich-
keit wissen wir nichts. Die Annahme von Pertz, er sei der Bruder Hathu-
mods, ist doch nur eine ansprechende Vermutung, eben.so die von Traube,
er sei Schüler von Corvey und identisch mit dem unter den Corveyer
Mönchen genannten Agicus (Scr. XIII S. 37.5). Denn Sachsen wurden auch
ausserhalb Corveys gebildet. Die von Pertz und Traube au.sgesprochone
Vermutung, Agius sei der sächsische Dichter, welcher die Thaten Karls be-
sang (Scr. I S. 225 ff.), der s. g. Poeta Saxo, hat viel Ansprechendes.
5) Vgl. oben S. HiOff.
6) So Kossinna , über die ältesten hochfränkischen Sprachdenkmäler
S. 97—99; Kelle sagt um 830, S. 112; Piper um 823 S. 121. Ausgabe von
Sievers, 2. Aufl., Paderborn 1892. Über das Verhältnis des lateinischen
Textes zu dem syrischen Diatessaron, s. Zahn, Forschungen z. Gesch. des
NTl. Kanons I S. 298 ff.
7) Piper a. a. 0.
8) Auf niederdeutechem Gebiet hat man länger fortgearbeitet; Zeugen
— 065 —
Die rege Teilnahme am gottesdienstlichen Leben bewirkte, dass
man sich an den übererbten Formen desselben nicht genügen Hess.
Zwar wirkte die Einführung der römischen Messe hemmend. Neue
Messgebete scheinen nicht mehr entstanden zu sein:^) aber neue
Hymnen und Litaneien wurden auch jetzt verfasst. Was Pauhn
von Aquileja"-) und Theodulf"^) gewagt hatten, das versuchten jetzt
Hral»an-*) und Walahfrid,^) Ratpert,**) Notker '') und Ermenrich.^)
sind die Fragmente eines niederdeutschen Psalmenkommentars. Müllenhoff
und Scherer, Denkmäler I S. 233.
1) Der liber sacramentorum des Abts Grimald (Migne 121 S. 797 fiF.)
ist lediglich eine Ergänzung des Gregorianischen Sakramentars durch For-
mulare, welche Grimald im kirchlichen Gebrauche fand; s. praef. S. 797:
Quia sunt et alia quaedam quibus necessario s. utitur ecclesia, quae idem
Pater (Gregorius M.) ab aliis iam edita esse inspiciens praetermisit, idcirco
operae pretium duximus, ea velut flores pratorum vernantes carpere et in
unum congerere atque correcta et emendata suisque capitulis praenotata
in huius corpore codicis seorsum ponere, ut in hoc opere cuncta inveniret
lectoris industria, quaecunque nostris temporibus necessaria esse perspexi-
mus, quanquam plura etiam in aliis sacramentorum libellis invenissemus
inserta.
2) An der Thatsache, dass Paulin Hymnen dichtete, besteht kein
Zweifel, s. Ale. carm. 17 S. 239, Walahfr. de reb. eccl. 26 S. 506: Traditur
Paulinum . . saepius et maxime in privatis missis circa immolationem sacra-
mentoi'um ymnos vel ab aliis vel a se compositos celebrasse. Welche
Hymnen ihm angehören, ist jedoch nicht mehr festzustellen. Ebert (L. d.
MA. II S. 91) erklärt den Hymnus über die Geburt Christi (carm. 11 S. 144 f)
für authentisch; Dümmler stellt sämtliche geistliche Lieder unter die car-
mina dubia.
3) Von ihm ist der Palmsonntagshymnus Gloria laus et honor (c. 69
S. 558).
4) Dümmler rechnet nur die beiden Hymnen auf Bonifatius und die
heiligen Marcellin und Petrus (c. 81 f. S. 234 ff.) zu den echten Gedichten
Hrabans, alle andern, auch das Lied Festum nunc celebre (S. 249 Nr. 9),
das Ebert als hrabanisch anzuerkennen geneigt ist (S. 145), erklärt er für
unsicheren Ursprungs.
5) Carm. 21 S. 367; 25a S. 381; 72 S. 411; 77 S. 415; 83 S. 418: s.
Ebert S. 161.
6) Canisius, Thesaurus II, 3 S. 195, 199 flf.; vgl. Ebert HI S. 1-57.
Schubiger, Die Sängerschule St. Gallens 1858 S. 36 f. Ratpert verfasste
auch einen deutschen Hymnus auf den h. Gall, der jedoch nur in der la-
teinischen Übersetzung Ekkeharts IV. erhalten ist (Müllenhoff und Scherer,
Denkmäler Nr. 12 S. 27).
7) Canis. 1. c. S. 220 f., s. Ebert III S. 149.
8) Hymnus auf den heiligen Sualo M.G. Scr. XV S. 163. Eine ano-
nyme rhythmische Litanei, die sich auf Konrad I. bezieht, ist von Dümmler
in den Mitth. d. antiq. Gesellsch. zu Zürich herausgegeben (XII S. 222).
— ()()H —
Die gereimte Übei-setzung des 18S. Psaluies.') und die Lieder auf
den heiligen Petrus, Georg und (iall ') lassen vermuten, dass man
bereits da/u tortschritt, auch die deutsche Sprache für den geist-
lichen Volksgesang zu verwerten. Solche Lieder werden bei AVall-
fahrtcn und ähnlichen Anlässen ausser dem Kyrie gesungen worden
sein.") Das ist der Anfiing des deutschen Kirchenliedes. Für die
nächste Zeit war wichtiger, dass der Zufall ein Paar fehlerhafte
Se<iuenzen aus dem westfränkischen Kloster Jumieges dem dichte-
risch begabten Notker in die Hand spielte. Das mangelhafte Vor-
bild gab ihm die Anleitung zur Gestaltung einer neuen Form
gottesdienstlicher Gesänge, die sich in der Folgezeit als ungemein
fruchtbar bewies."*)
Auch die Fortl)ildung des Heiligenkalenders zur Legenden-
sammlung, die sich in den Martvrologieu dieser Zeit vollzieht, mag
erwähnt werden.')
1) Müllenhoff und Scherer, Denkmäler 13 S. 31 if.
2) L. c. 9 S. 21, 17 S. 35: vgl. über den Hymnus auf den h. (rall
S. 665 Anm. 6.
3) Vgl. Rudolf. Mirac. sanct. 5 S. 334: (Populi) qui nos in dicendis
laudibus divinis et in sacro onore ferendo non segniter adiuvabant. Wolfh.
Mirac. Waldb. IV, 10 S. 553: Cum agmine clericorum et pauperum com-
niixto flamina devehentiura et Kyrie eleison voce sonora canontium etc.
Transl. Vit. 26 S. öHi. Vgl. auch Ludwigslied v. 46 (MiiUonhotf und Scherer,
Denkmäler S. 26): Ther kuning reit kuono, sang lioth frano, Joh alle saman
sungun Kyrrieleison.
4) Für die musikalische Seite dieser Sache verweise ich auf das an-
geführte Werk Schubigers, Die Sängerschulo St. (Ballens, 185S. Kin Mangel
seiner Untersuchung besteht darin, dass er den Nachrichten Kkkehard.s viel
zu unbedingten Glauben schenkt. Die Widmung der Sequenzen Notkcr.s
an Liutward von Vercelli ist von Dümmler in den Mitth. der antiq. Gesell-
schaft zu Zürich XII S. 224 ediert. Die Frage, welche Se«iuenzen Notker
verfasst hat, wird durch Wilmans (Ztschr. f. d. Altertli. N. F. III S. 267|
dahin beantwortet, dass 41 Sequenzen mit höchster Wahrscheinlichkeit
Notker zuzuschreiben seien.
5) Die Martyrolosrien, welche die Namen des Hieronymus und Beda
tragen, sind blosse Heiligenkalender. Dagegen ist schon die von Florus
von Lyon vorgenommene Bearbeitung des Martyrol. Bedae eine konsequente
Erweiterung desselben (Migne 94 S. 790). An Florus schloss sich Wandal-
bert von I'rüm in seinem metrischen Martyrologium an (ep. ad Otric. Poet,
lat. II S. 569). Dasselbe, geschrieben 848 (s. Dümmler 1. c. S. 567), ist
freilich kaum etwas anderes als ein versifizierter Kalender. Hraban dagegen
giebt in seinem zwischen «40 und S.'")4 geschriebenen Martyrologium (opp. IV
S. 1121fr.. die Widmung auch Kp. 48 S. 502 f.) regelmässig weitere Nach-
richten über die von ihm erwähnten Heiligen. Noch ausführlicher als
Hraban ist Ado von Vienne, der vor 870 sein auf Florus gegründetes Mar-
— 667 —
Fasst man alles zusammen, so gewinnt man ein wenig erfreu-
liches Bild. Zwar hörte die gelehrte Tliätigkeit nicht auf und
wurde der Umfang des Wissens, über welches die Zeit verfügte,
nicht geringer. Aber die Teilnahme der Laien am litterarischen
Leben war seit Karls Tod erloschen; und unter dem Klerus schwand
eben so sehr das Interesse an der allgemeinen Bildung als der
Rest eigener Produktivität auf dem theologischen Gebiete. Man
war gegen die klassischen Studien bedenklich, und man kam von
dem Reproduzieren fremder Gedanken schliesshch auf das Ab-
schreiben älterer Werke. Fand die historische Litteratur stets eine
gewisse Pflege, so wurden doch die annahstischen Aufzeichnungen
immer dürftiger, und was die Biographien anlangt, so drohte die
Lust am Wunderbaren den Sinn für die wirklichen Ereignisse zu
ersticken. Zugleich lieferte Ratpert in seiner Klostergeschichte von
St. Gallen eine Probe tendentiöser Fälschung der Geschichte, und
bewies Reginos Chronik, dass den Geschichtschreibern der Mut ent-
gangen war, alles zu sagen, was sie wussten.
Die Woge des Lebens steigt auf und ab. Unter Karl hatte
sie sich mächtig gehoben, hundert Jahre nach seinem Tode war
sie zerflossen.
tyrologium zusammenstellte. (Migne 123 S. 201 ff.). Wie Dümmler (Forsch.
25 S. 198 und 201) nachgewiesen hat, schenkten sowohl Hraban als Ado
ihre Werke nach St. Gallen, vgl. die Widmung an C4rimald Poet. lat. II
S. 169 Nr. 6. Dort wurden sie für das St. C4aller Martyrologium benützt,
als dessen Verfasser man Notker zu betrachten pflegt. Vgl. den angeführten
Aufsatz von Dümmler; Zöckler P. RE. P S. 147; Ebert, L. d. MA. II und
III bei den betr. Autoren. Die erste eigentliche Legendensammlung ver-
fasste der Mönch Wolfhard von Herrieden auf V^eranlassung PJrchanbolds
von Eichstädt (Anon. Haser. 10 M.G. Scr. VII S. 256); die Vorreden zu den
einzelnen Monaten sind gedruckt bei Pez, Thes. anecdot. VI S. 90 ff., und
in Pertz Archiv V S. 565. Vgl. Ann. Boll. XVH, 1898 S. 5 ff., wo die
Quellen Wolfhards nachgewiesen sind.
Viertes Kapitel.
Missionsunternehmungen.
Die Bekeliruiig der Sachsen öffnete den Weg zur nordisclien
^fissinn. Sic nötigte gewisserniassen zu iln\ Liudger, der \vie kein
zweiter Mann die Verhältnisse des Xordeiis kainite, täuschte sich
darüber nicht, dass die sächsische und friesische Kirche nur dann
ungestört sich entfalten könnten, wenn es gelang, die Nordländer
für den christlichen Glauben zu gewinnen. Er sah die Gefahren,
welche von ihnen drohten, so bestimmt voraus, dass sie ihn selbst
in seinen Träumen l)eschäftigten.') und er drang deshalb in Karl,
dass er ihju die Erlaubnis zu einem Missionszug nach dem Norden
erteile.'-) Aber Karl verweigerte sie. Thn dünkte wohl die Lage
in Sachsen selbst noch zu unsicher, als dass man an weitere Unter-
nehmungen hätte denk<'n können. Überhaupt verhielt er sich den
Dänen gegenülier vielmehr defensiv als aggressiv.*') Er vermied,
die natürlichen Grenzen der deutschen Machtsphäre zu über-
schreiten; die Einrichtung der Marken w.ir zum Schutz der Reichs-
•'renzen. nicht zum AnurifV auf das NachbiU'land bestinnnt.
1) V. Liudg. II, 3 S. 412 f.
2) L. c. 6 S. 414.
3) Schon i. .T. 808 erwartete Karl einen Angriff Göttriks auf Sachsen:
er selbst verhielt sich lediglich defensiv fAnn. Einh., S. Amand. z. d. J.).
Auch die Gründung von Itzehoe i. .1. 809 hatte nur einen defensiven Zweck.
(Ann. P^inh.). Der Friede wurde 810 von Göttrik gebrochen (1. c); seine
Ermordung machte i. .T. 811 den Abschluss einf^s Friedens möglich (1. c).
Sein Nachfolger Hemming starb jedoch bpreits Ende des .lahres 811. Nun
brach der Streit um den Thron aus.
— ()(>9 —
Allein ganz konnte er sich den Konsequenzen der Thatsache
nicht entziehen, dass die Nordländer nunmehr Nachbarn des frän-
kischen Reiches waren. Er musste zu den Thronstreitigkeiten in
Dänemark Stellung nehmen. Dort kämpften die Nachkommen
Göttriks und Haralds um die Herrschaft. Die ersteren wurden
von den Schweden, die letzteren von den Abodriten begünstigt.
Auch Karl stand dem Stamme Haralds wohlwollend gegenüber.^)
Aber der jüngere Harald unterlag. Kurz nach Karls Tode flüchtete
er in das fränkische Reich: der länderlose König war bereit, des
Kaisers Vasall zu werden, und Ludwig versprach ihm daraufhin
seine Unterstützung zur Wiedereroberung Dänemarks.-)
Durch dies Versprechen wurde die Zurückhaltung, welche Karl
den nordischen Angelegenheiten gegenüber beobachtet hatte, auf-
gegeben.^) Hier schien Ludwig eine thätigere Politik einzuschlagen
als sein Vater. Möghch, dass der Gedanke an die Ausbreitung
der Kirche dabei mitgewirkt hat.'*) Denn er trat nun alsbald in
den Vordergi'und. Aber mau kann nicht sagen, dass Ludwigs
pohtische Massregeln geeignet waren, der Mission die Wege zu
ebnen. Zunächst versuchte er mit ganz ungenügenden Mitteln
Harald zurückzuführen: er scheiterte dabei kläglich.') Sodann ent-
fremdete er durch eine ebenso unkluge als ungerechte Massregel
die Abodriten, bislier treue Bundesgenossen der Franken, für immer
dem Reiche.*') Endlich liess er es geschehen, dass Harald durch
einen Vertrag mit seinen Vettern sich einen Teil des Reichs er-
kaufte, das er ganz beanspnicht hatte.') Der Erfolg von dem allen
war, dass die alten Feinde unversöhnt blieben, die alten Freunde
zu Feinden wurden mid die Anhänglichkeit des bisherigen Schütz-
1) Ann. Einh. z. J. 813.
2) Ann. Einh. z. J. 814.
3) Angesichts der Darstellung, welche die Keichsannalen von Karls
nordischer Politik geben, scheint mir Rimberts Angabe über Karls Pläne
bezüglich Hamburgs (V. Ansk. 12 S. 33) durchaus unwahrscheinlich. Ihr
gegenüber verlieren auch Dehios Folgerungen aus dem Begriff des Kaiser-
tums (Gesch. d. Erzbist. Hamburg-Bremen S. 36 f.) ihr Gewicht.
4) Freilich ist auf die Verse des Ermoldus (In honor. Hlud. IV" v. 21 ff.)
nicht das mindeste Gewicht zu legen. Etwas mehr Wert haben die Worte
,,consilio imperatoris" Ann. Einh. z. J. 823.
5) Ann. Einh. z. J. 815.
6) L. c. z. J. 816, 819, 821, 823.
7) L. c. z. J. 819. Es liegt nahe, an einen Zusammenhang des nor-
mannischen Raubzugs im Jahre 820 mit der im Jahre vorher erfolgten Ver-
treibung zweier Söhne Göttriks aus Dänemark zu denken. Er wäre dann
eine Folge der Einmischung Ludwigs in die dänischen Verhältnisse.
— G70 —
lings sich lockerte. Das friiiikische Keicli ei-scliieii im Norden
schwäclier, als es in AVirklichkeit war; man fürchtete es nicht
mehr, aher n)ari beargwöhnte es.
So unsicher war die Lage, als mit der Mission l)egonnen
wurde. Ihr erster Träger war der Erzhischof Ebo von Rheims.
Wir haben ihn im Kampfe Ludwigs mit seinen Söhnen als hef-
tigen Gegner des Kaisers kennen gelernt.^) Das war er nicht
imniei- gewesen. Der deutsche Bauernsohn-) war am Hofe Karls
d. (Ir. aufgewachsen,^) ein Sjjiel- und Lerngenosse der Prinzen, wie
man später wissen wollte,^) der Milchl)ruder Ludwigs. Die hervor-
ragende Begabung des Jünghngs machte sich rasch bemerklich;
Karl schenkte ihm die Freiheit, um ihm den Eintritt in den
Priesterstand möglich zu machen. Es war ein weiterer Beweis
seines Vertrauens, dass er ihn dem jungen Ludwig zum Dienst*'
überliess. Dieser fand in dem JugendfreuTid, was ihm selbst fehlte,
frische Auffassung und energische Thatkraft/') Er behielt ihn in
seiner Umgebung und stellte ihn an die Spitze seiner Bibliothek.
Das Verhältnis beider war nicht das des Herrn zum Diener, son-
dern das des Freundes /.um Freunde.") Kurz nach seiner Thron-
besteigung erhol) Ludwig seinen Bibliothekar auf den P>zstuld von
Rheims.') So wurde Ebo einer der eiiiHussreichsten kirchlichen
Älänner im Keiche. Sein F]hrgeiz dürstete nach Thaten. Die Be-
ziehungen Ludwigs zu Dänemark, der Aufenthalt dänischer Männer
am Hofe**) lenkten seine (icdanken auf dif Predigt unter diesem
\'olke. Es ist begreiflich, dass er für seine Pläne liei Ludwig
offene Emi)fänglichkeit fand.
1 )ii' Art, wie die ]Mission begonnen wurde, zeigt, dass sie nicht
als Privatunternehmen des Erzbischofs, sondern als eine Staatsaktion
betrachtet werden sollte. Ludwig legte die Sache einer Reichsver-
sammlung vor und sandte nn't ihrer Zustimmung Ebo nach Rom,
um die p:i|)stliche Volhiiacht zur Heidenpredigt zu erholen.")
Paschalis erteilte sie nicht nin-, er ernannte zugleich P^l)o zum
1) S. 0. S. 500 ff.
2) Thegan v. Hlud. 44 S. r,99; Flod. Hist. Rem. eccl. II. 10 S. 467.
3) Brief Karis d. K. im Nikolaus I. Mansi XV S. 797.
4) Flodoard. 1. c.
.5) Karl d. K. lobt an Ebo noljilitutem vehementis ingonii und be-
zeichnet ihn als servitio strenuus ingenioque agilis (1. c).
6) Vers, ad Kbon. v. 8 (Poet. lat. I S. 623).
7) Karl d. K. 1. <;.
8) V. AtiHk. 13 S. 8rj.
9) Brief Anskara an die deutschen Bischöfe, Lapponberg. Hamb. ÜB.
I S. 28 Nr. 17. Da Ebo im Sommer 823 in Dänemark verweilte, so ist die
— 671 —
päpstlichen Legaten für den Norden und empfahl ihn als solchen
der gesamten Christenheit. Ein Genosse Namens Hahtgar, den er
ihm zui' Seite stellte, hatte die Aufgabe, den Verkehr des Legaten
mit dem päpstlichen Stuhle zu vermitteln.^) Der Kaiser aber
schenkte dem Krzbischof den unweit der Grenze gelegenen Ort
AVelanao als sicheren Ausgangs- und Eückzugspunkt für seine
Missiousreisen. ■-) Ebo richtete ihn für diesen Zweck ein. indem er
ein Stift gründete.^)
So wurde die nordische Mission eröffnet. Karl d. Gr. hatte
heidnische Stämme unterworfen und sie dann zm- Annahme des
Chiistentums genötigt. Jetzt sollte die Bekehrung eines Volkes
ohne Eroberung versucht werden, und doch sollte sie ein Unter-
nehmen des Reichs sein. Denn im kaiserlichen Auftrag und mit
päpstücher Vollmacht begab sich Ebo, wahrscheinlich im Frühjahr
823, zu den Dänen. ^) Der nächstbenachbarte sächsische Bischof,
"Willerich von Bremen, begleitete ihn.^) Hört man von grossen Er-
folgen, die ihnen gelangen,'^) so muss man sich doch hüten, dieselben
im Text erwähnte Reichsversammlung wahrscheinlich die zu Attigni im
Herbst 822.'
1) J.W. Nr. 2o53. Bemerkenswert ist, dass Paschalis vollständig ver-
schweigt, dass er auf kaiserliche Aufforderung hin handelt; er stellt die
Sache so dar, als sei die Sendung aus seiner Initiative hervorgegangen:
Quia in partibus Aquilonis quasdam gentes consistere, quae necdum agni-
tionem Dei habent . . cognovimus: idcirco . . Ebonem . . necessarium cum
consensu fidelium Dei duximus illis in partibus pro inluminatione veritatis
dirigendum.
2) V. Ansk. 13 f. Welanao ist Münsterdorf an d. Stör, südöstlich von
Itzehoe.
3) V. Ansk. 14 S. 36.
4) Nach Ann. Einb. z. J. 823 kehrt Ebo in der Begleitung Theothars
und Hruodmunds, der fränkischen Gesandten, zu Ludwig zurück, nachdem
er aestate praeterita viele Dänen getauft hat, also im Sommer 823. Über
die abweichende Angabe der Ann. Fuld. s. Simson, JB. L.'s I S. 211.
5) Ann. Xant. z. J. 823 S. 225.
6) Ann. Einh. 1. c. Die Angabe ist, wie mich dünkt, von geringerem
Werte, als Dehio (S. 40) und Simson (S. 211) annehmen. Denn von vielen
Taufen konnte Ebo reden, wenn er auch nur fünfzig Menschen getauft
hatte. Was hatte das aber für eine Bedeutung unter einem den Franken
feindlich gegenüberstehenden Volk? Auf das von Simson verwox'fene Ur-
teil Adams (Gest. H. eccl. pont. I, 17 S. 17) will ich kein Gewicht legen;
es mag tendentiös sein. Allein was wir über Anskar und die Vertreibung
Haralds wissen, beweist, dass das Christentum in Dänemark keine Macht
war. Ebos Taufen wären ein Erfolg gewesen, wenn er als Heidenprediger
irgendwo im Lande sich niedergelassen und nur durch Predigt und unter-
— (372 —
zu üherschätzeu. Demi die Hauptsache gelang iluieu niclit. Die
dänischen Fürsten hielten sich nach wie vor vom Christentum fern.
Selbst Harald lilieb ein Heide. Erst als er erkannte, dass seine
Lage unhaltliar sei, entschloss er sich, zum Christentum über-
zutreten:') er warf sich nun ganz den Frauken in die Arme. In-
dem er sich nicht in der Heimat, sondern auf fränkischem Boden
tauten Hess, bewies er recht augenfällig, dass er nicht die Gemein-
schaft der Kirche, sondern die Hilfe Ludwigs suchte. Niemand
wnrd sich wundem, dass man am fränkischen Hofe Haralds P2nt-
schluss als einen grossen Sieg betrachtete. Er wurde als solcher
gefeiert. Als Erzbischof Otgar am Johannistage 826 in der Albans-
kirche bei ^Nlainz den Dänenkönig und sein Gefolge taufte, wurde
alle Pracht des Kaisertums entfaltet.-) Die Grösse des Erfolgs
sollte auch dem blödesten Auge klar werden. Thatsächlich war
es nur ein Scheinerfolg. Jedermann sah sieb schliesslich getäuscht:
hatte Harald gehotft, dass Ludwig ihn nach seiner Taufe that-
kräftiger unterstützen würd(^ als vorher, so erwies sich das als Irr-
tum; er musste vielmehr im Jahre 827 ganz aus Dänemark
weichen.-^) Hatte man im fränkischen Reiche schnelle Ausbreitung
des Christentums als Frucht seiner Bekehrung erwartet, so war
auch das umsonst. Statt dass durch die Taufe Haralds der Ein-
Huss des Chi-istentums auf Dänemark gesichert worden wäre, wurde
er in den nächsten Jahren nach seiner Taufe fast ganz zerstört.
Weisung gewirkt hätte. Sie waren ein Misslingen, naclulom er als geist-
licher Gesandter des Kaisers und dos Papstes kam, um die Dänen zur An-
nahme der fränkischen Religion aufzufordern.
1) Ann. Kinh., Xant. z. J. 826; Theg. 33 S. 597; V. Hlu.l. 40 S. 629;
V. Ansk. 7 S. 26; die lebendige Schilderung des Ermold. Nigell. (in hon.
Hlud. IV V. 147 Ö'. S. 62 ff.) ist für die geschichtliche Beurteilung des Er-
eignisses ohne Wert; dagegen ist Rimberts Angabe, dass Harald erst in
Ingelheim zum Entschluss, sich taufen zu lassen, bewogen wurde, nicht
gerade unwahrscheinlich. Die annalistischen Nachrichten widersprechen
weder, noch bestätigen sie dieselbe. Doch macht das Schweigen der Bio-
graphen bedenklich. Dass Haralds Lage verzweifelt war, beweist die Über-
lasBung des Gaus Riustri an ihn.
2) Mit Harald wurde seine Gemahlin und sein (Tefolgo getauft, nach
Ann. Xant. über 400 Menschen. Wenn man diesem, für einen König, der
mit seinen Mannen kommt, recht bescheidenen Gefolge, die hundert Schiffe
dea Ermoldus (v. 287) gegenüber stellt, so gewinnt man einen Massstab
für die Cbertreibungen des Poeten. .Tohannis als Tauftag ist nicht über-
liefert; man nimmt die.sen Tag an, da das Fe.st in den Aufenthalt Ludwigs
in Ingelheim fallt. Tauftermin war übrigens Johnnnis nicht.
3) Ann. Einh. z. J. 827 und 828; V. Hlud. 42 S. 631.
— 073 —
Der einzige Gewinn, den die nordische Mission aus Haralds
Übertritt zog.^) war, dass ihr der Mann zugeführt wurde, der in
den nächsten Jahrzehnten mit unvergleichhcher Treue an der Be-
kehrung der nordischen Völker arbeitete, freilich ohne dass die
Frucht seiner Arbeit seinem Eifer entsprach; es war Anskar.^)
Anskars Heimat war der Nordwesten Frankreichs. In der
Nähe des Klosters Corbie ist er im Jahre 801 geboren.^) Der
zarte, ^) gemütstiefe und phantasiereiche Knabe verlor schon im
fünften Jahre seine Mutter. Die Erziehung im Kloster, dem ihn
sein Vater nun übergab, konnte den Hang des Kindes zu einem
innerUch gerichteten Leben nur verstärken. Es war ihm nicht mög-
lich, sich unbefangen an dem jugendhch übermütigen Treiben, das
den Klosterschulen nicht fremd war, zu beteihgen. Stimmte er
einmal in den Ton seiner Schulgenossen ein, so stiegen in ihm
alsbald Bedenken auf, ob das auch recht sei. Es war so anders
als das Leben mit der Mutter. Ihr Bild begleitete ihn bei Tag
und Nacht; er erblickte sie wohl im Traume, wie sie auf dem lieb-
hchsten Wege mit anderen Seligen im Geleite der Jungfrau Maria
wandelte. Gern wäre er ihr entgegengeeilt ; aber es dünkte ihn,
dass er in einem Sumpfe wate, der seinen Fuss hemmte. Da neigte
sich Maria ihm zu mit der Frage: Kind, fällst du zu deiner Mutter
kommen? und als er antwortete: Wie gerne, mahnte sie ihn, das
Eitle zu meiden; denn wer daran sich erfi'eue, könne nicht in die
Gemeinschaft der Seligen gelangen. Wenn den Knaben die Er-
innerung an die früh verlorene Mutter zum Ernste führte, so machte
in den Übergangsjahren vom Knaben zum Jüngling der Tod Kaiser
1) Dehio (S. 41) überschätzt die Bedeutung der Taufe Haralds, wenn
er sie einen Erfolg von grösstem Gewicht nennt. Über das Gewicht der
Erfolge entscheidet die Folgezeit, und sie beweist hier, dass die Taufe
Haralds nur ein Scheinerfolg war. Denn sie trug für die Bekehrung Däne-
marks keine Frucht.
2) Die Hauptquelle für das Leben Anskars ist seine von seinem Nach-
folger Rimbert verfasste Biographie. Sie ist glaubwürdig, leidet aber wie
fast alle Heiligenleben daran, dass sie in ihrem Helden den Heiligen schildert.
Von neueren Schriftstellern nenne ich neben Simson, Dümmler und Dehio :
Foss, Die Anfänge der nordischen Mission, Berlin 1882 und 1884, und
Michelsen P. RE. P S. 573 ff. Über die ältere Litteratur verweise ich auf
Dehio, Krit. Ausf. EK S. 56 ff.
3) Das Geburtsjahr ergiebt sich daraus, dass Anskar am 3. Februar
865 starb (Adam. Gest. I, 36) und 63 Jahre und einige Monate alt wurde
(V. Ansk. 40 f.). Die Umgebung Corbies als Geburtsort ist wahrscheinlich,
da Anskar in Corbie erzogen ist.
4) Er war während seines ganzen Lebens kränklich (V. Ansk. 40 S. 74).
Hauck, Kirchengeschiclite. II. 2. Aufl. 43
— 674 —
Karls einen mächtigen Eindmck auf ihn: er hatte den greisen
Hen-scher wohl nicht lange vorher gesehen. Als dann die Kunde
von seinem Tode durch das Ijand tiog, erschütterte sie ihn auf das
tiefste. Dass ein so mächtiger und weiser Herrscher starh. mahnte
ihn an die Vergänglichkeit auch des Grössten. In dieser Zeit war
es, dass er als das heste Lehensende das eines Märtyrers sich
wünschte. Er glaubte, dass der HeiT selbst in einem Gesichte
ihm diesen Ausgang verheissen habe.^)
So reifte er zum Manne; er wurde Lehrer au der Kloster-
schule in Corbie. Als die sächsische Tochterstiftung gegründet
wurde, sandte Adalhard ihn dorthin, um in dem neuen Kloster
das Amt eines Lehrers zu übernehmen. Dazu wählten ihn die
Brüder zum Prediger.-)
Als es sich nun im Jahre 1^26 darum handelte, einen Priester
zu finden, der Harald nach Dänemark begleite, brachte Wala im
Rat des Kaisers Anskar in Vorschlag. Ohne Zögern erklärte er
sich bereit, die gefahrvolle Sendung zu übernehmen. Die Auf-
forderung des Königs galt ihm als ein göttlicher Befehl. Durch
sein Beispiel entflammt, erbot sich ein Mönch von Corbie, Autbert,
ihn zu l)egleiten. Der Kaiser stattete die Glaubensboten mit den
nötigen Kirchengeräten und anderem Bedarf aus.'"^) Allein ilir
Auszug Ijrachte ihnen nichts als die Bitterkeit getäuschter Hoff-
nungen. An erfolgreiche Predigttbätigkeit wnr nicht zu denken.
Anskar sah sich genötigt, seine Arbeit hau] )tsiichHch auf die Schule
zu konzentrieren: ein Paar Knaben wies ihm Harald zu. andere
kaufte er; aber auch so stieg die Zahl der Schüler kaum üi»er
zwölf.') Offenbar wollte in Dänemark niemand von der Annahme
des Christentums etwas wissen. Dazu kam, dass unget-ihr zwei
Jahre nach dem Beginn der Arbeit Autbert erkrankte: er niusste
1) Rimhert erzählt diese Geschichte c. 2 ff. nach Mitteilungen Anskara,
Dessen Neigung. Wunderbares zu sehen, ist aus dem von ihm herrührenden
Teile der V. WiUeh. bokannt.
2) V. Ansk. 6.
3) Das Notwendigste vergase er freilich: ein Schitl' zur Oberfahrt.
Anskar erhielt es von Hadebald von Köln fv. Ansk. 7 S. 29).
4) Nach der Darstellun? Rimbort-s ^c 7 Schluss u. c. 8) nahm Anskar
seinen bleibenden Aufenthalt nicht unter den Heiden „aliquando inter
chriHtianos aliquando inter paganos constituti". Die herkömmliche An-
nahme, dass Anskar seine Schule in Schleswig gründete, ist dfshalb schwer-
lich richtig. Auch die Annahme, dass er und Autgar zwei .lahre an der
Schule arbeiteten, widerspriclit, da Harald «27 vertrieben wurde. Anskar
war zunücht ihm als Seelsorger beigogeben, musste ihm also folgen. Man
bat wohl anzunehmen, dass die Schule eine Art Hofschule Haralds war.
— 675 —
sich nach Corvey zurückzielien, wo er nicht lange dai-nach starb.
Kein Wunder, dass schhessHch die ganze Dänenmission aufhörte.
Anskar folgte einer Aufforderung, in Schweden das Evangelium zu
verkündigen; dort schienen die Verhältnisse wenigstens anfangs
günstiger.^) An seine Stelle bei Harald trat der Mönch Gislemar:^)
er war sozusagen Haralds Hofprediger; aber wir hören nicht, dass
er in Dänemark als Missionar gearbeitet hätte.
Es scheint, dass Anskar selbst sich nicht verhehlte, dass auf
dem bisherigen Wege nichts zu erreichen sei. Man musste stär-
kere Kräfte entfalten, um in Dänemark Fuss zu fassen. Diese
Erwägung führte zum Entschluss der Gründung des Erzbistums
Hambm-g.
Karl d. Gr. hatte, wie wir früher sahen, in Sachsen eine An-
zahl Bischofssitze errichtet.^) Aber die Verteilung des Landes in
bischöfliche Diözesen war noch nicht durchgeführt, als er starb.
Es gab noch weite Landstriche, die zu keinem Bistume gehörten.
Ludwig brachte das Werk seines Vaters zum Abschluss, indem er
nach dem Tode Hildigrims im Jahre 827 einen eigenen Bischof
mit dem Sitze in Halberstadt ernannte*) und in Hildesheim ■^) und
Osnabrück*^) zwei neue sächsische Bistümer gründete. Dabei erhielt
1) Ich unterlasse es, Anskars Thätigkeit in Schweden zu schildern,
da sie ohne Rückwirkung auf die deutsche Kirche geblieben ist.
2) V. Ansk. 10. Dehio (I S. 51) lässt Gislemar die Stelle Anskars an
der kleinen Gemeinde in Schleswig einnehmen. Allein abgesehen davon,
dass wir von dieser Gemeinde nichts wissen, widerspricht das direkt den
Worten Rimberts: cum Herioldo esse disposuit Gislemarum.
3) S. S. 389 ff., 40.5 ff.
4) Vgl. oben S. 410 f. Die Notizen über Hildigrims Tod hat Schmidt,
ÜB. von Halberstadt S. 4 Nr. 10 zu.sammengestellt ; vgl. H.'s Grabschrift
(Kraus, Inschr. d. Rheinlande II S. 291 Nr. 630).
5) Die Nachrichten über die Gründung Hildesheims, bezw. die Ver-
legung von Elze nach Hildesheim, sind legendarisch, s. Rettberg, KG. D.'s
11 S. 466, Simson, JB. L.'s II S. 284 f. und Bernheim, N.A. XX S. 62 u. 74.
Sicher ist, dass Ebo von Rheims nicht der erste Bischof von Hildesheim
war, was Simson (S. 286) nicht für unmöglich hält. Das beweist der Brief
der Synode von Troyes an Nikolaus I.: Ludovici largitione . . episcopium
Hildenesheim vacans obtinuit (Mansi XV S. 794). Der Hildesheim er ßischofs-
katalog nennt als Vorgänger Ebos Gunthar und Rembert (N.A. XV S. 624).
Der letztere ist durch die Erwähnung im Reich enauer Verbrüderun^sbuch
(S. 159 Sp. 22 Z. 24i gesichert. Darnach steht die Gründung des Bistums
unter Ludwig d. Fr. ausser Zweifel, und man hat keinen Grund, den Namen
Gunthars als ersten Bischofs zu verwerfen.
6) Die Gründungsgeschichte von Osnabrück ist durch gefälschte Ur-
kunden verdeckt, s. B.M. 898, 401, 841, 1305, 1780; vgl. Wilmans, KU. 1
43*
— 678 —
Osnabrück das Land zwischen Ems und Hunte einschliesslich
der von den Klöstern Meppen und Vishock niissionioi-ton Ge-
S. 319 ff., Philippi, Osnabrücker ÜB. I S. VIII ff. und besonders Jostes. Die
Kaiser- und Königsurkunden des Osnabrücker Landes 1899, der zuerst den
Text aus den lange verschollenen Originalen herausgab. Die Unechtheit
der Urkunden Karls und Ludwigs wird gegenwärtig allgemein angenommen.
Doch glaubt Hüffer hier wie bei Bremen aus den Fälschungen die beiden
ersten Stiftungsurkunden Karls für O.snabrück herausschälen zu können,
Korv. Studien S. 183 ff'., hier mit so wenig Recht wie dort, vgl. die Kritik
Philippis in d. Gott. Gel. Anz. 1899 S. 490 ff. Hüffers Annahme unter-
stützend, hat .Testes S. 14 ff. die Behauptung aufgestellt, dass die Namens-
formen Etanasfeld in dem falschen Karis-Diplom von S04, Nr. 2 und Angare
in dem Diplom Ottos von 965 Nr. 12 das Vorhandensein einer Vorlage aus
dem 9. Jahrhundert beweisen. Die Behauptung scheint, wenn einem Nicht-
philologen ein Urteil erlaubt ist, begründet. Auch darin ist Jostes meines
Krachtens im Rechte, dass er annimmt, die Grenzbeschreibung, um die es
sich handelt, sei weder Forstgrenze noch Bistumsgrenze gewesen, sondern
Grenze eines Missionssprengeis. Von diesem Punkte aus vermag ich nun
aber den Übergang zur Gründung des Bistums unter Karl, den Jostes voll-
zieht, nicht zu finden. Mich dünkt im Gegenteil, dass jene Grenzbestira-
mung ein Beweis für das Nebeneinander der Missionsbezirke Osnabrück,
Meppen und Visbeck im 9. Jahrhundert ist. Die Auflösung derselben, bezw.
ihre Vereinigung zum Bistum Osnabrück, war nun aber i. J. 819 noch nicht
vollzogen; denn damals stand Abt Castus von Visbeck noch an der Spitze
eines Missionsbezirks, B.M. 681. Dagegen hatte Meppen — und man wird
annehmen dürfen auch Visbeck — vor 834 seine Bedeutung für die Mission
verloren; denn damals wurde das Kloster an Corvej gegeben, d. h. aufgelöst,
B.M. 906. Daraus ergiebt sich, dass die Organisation des Bistums 0.sna-
brück zwischen 819 und 834, also in die Zeit Ludwigs fällt. Damit stimmt
überein, dass ein Osnabrücker Bischof zum ersten Male auf der Mainzer
Synode 829 erscheint, vorausgesetzt, dass Geboinus episc. (Ep. Fuld. fragm.
29 S. 530) identisch ist mit Gefwin von Osna brück; er ist auch der erste
Bischof, den Egilmar in seiner Querim. ad Steph. Pap. (Osnabrücker ÜB. 1
S. 53 ff. Nr. 60) nennt. Wenn Egilmar die Gründung des Bistums auf
Karl d. Gr. zurückführt, so ist darauf kein Gewicht zu legen; denn das ist
nur eine Folgerung aus der irrigen Voraussetzung, dass Karl ,,8ingulos eius-
dem provincie episropatus ex decimarum stipendiis constituisset" (S. 54).
Die Bischöfe Wiho und Meingaz, die in den jüngeren Fälschungen (B.M.
398 u. 841) und in den Osnabrücker Annalen (Osn. GQ. I S. 1) als Vor-
gänger Gefwins genannt werden, sind demnach schwerlich Bischöfe von
Osnabrück gewesen; wenn die Namen überhaupt einer richtigen Erinnerung
entstammen, so waren Wiho und Meingaz vielleicht die Leiter des Osna-
brücker MissioDssprengels. Philippi. der sie auf Grund der Osnabrücker
Annalen als die ersten Bischöfe betrachtet, ist genötigt, im Fulder Brief
eine Verwechsolung Geboins mit Meingaz anzunehmen, da dieser nach den
Osnabrücker Annalen orst 833 starb (ÜB. 1 S. 10). Aber entscheidet nicht
— 677 —
biete. ^) Hiklesheini untl Halberstadt teilten sich in die Haupt-
masse des ostfälischen Landes, dessen nördliche Gaue an Verden
fielen.-) Das Land nördlich der Elbe gehörte zu den Gebieten,
welche Karl keinem Bistum unterstellt hatte. Die älteste Kirche
in Hamburg hatte xlmalar von Trier im Auftrage des Kaisers
eingeweiht; vielleicht war dieser Teil Sachsens überhaupt der Arbeit
der Kirche von Trier überwiesen worden. Später nahm der Priester
Heridac eine ganz selbstständige Stelkmg ein. Man wollte wissen,
dass Karl sich mit der Absicht getragen habe, ihn zum Bischof
zu erheben. Er starb jedoch, ehe dieser Plan, wenn er wdrkhch
bestand, ausgeführt w^urde. Ludwig sah von der Gründung eines
Bistums für Nordalbingien ab und teilte das Land zwischen Bremen
und Verden.^)
Ohne Zweifel hatte Anskar dieselbe Erfahrung gemacht, die
vor ihm schon so oft gemacht worden war, dass ein Missionar,
um fi'ei handeln zu können, die bischöfliche Ordination besitzen
müsse.'*) Würde man ihn zum Bischof seines Missionsprengeis in
Dänemark und Schweden gemacht haben, so wäre dadurch wenig
gedient gewesen. Denn in seinem Missionsgebiet hatte er nirgends
einen sicheren Stützpunkt: wollte mau ihm einen solchen verschaffen,
so musste ihm ein deutsches Bistum übertragen werden. Unter
diesen Verhältnissen lag der Gedanke nahe, das Land jenseits der
Elbe von den beiden Bistümern, denen es einverleibt war, wieder
loszutrennen und als eigenes Bistum zu konstituieren. Man gewann
dadurch einen Sprengel, der für Anskar durchaus geeignet war.
Willerich von Bremen und Helmgaud von Verden legten der Ver-
kleinerung ihrer Diözesen kein Hindernis in den Weg. Aber
Ludwig begnügte sich nicht mit der Gründung eines Bistums Ham-
bm-g: Anskar wurde Erzbischof. Von des Kaisers Bnider Drogo
von Metz wurde er unter Assistenz der drei Erzbischöfe von Mainz,
vielmehr der Brief gegen die Glaubwürdigkeit der annalistischen Mittei-
lungen ?
1) Vgl. Philippi in den Mitteilungen des bist. Vereins zu Osnabrück
XXII S. 37 f.; Stüve, Gesch. d. H. Osnabrück I S. 5 f.
2) Eine Grenzbeschreibung des Bistums Verden in der unechten Ur-
kunde Karls vom 29. Juni 786 (B.M. 263).
3) V. Ansk. 12.
4) Rimbert lässt Ludwig die Gründung des Erzbistums Hamburg vor-
nehmen cognito patris sui voto, ne quid eins studii inperfectum remaneret
(c. 12 S. 34). Der Wert dieser Motivierung ist sehr gering. Sie ist ver-
mutlich durch den Satz „pium studium sacri genitoris" in der Urkunde
Gregors IV. (J.W. 2574) veranlasst.
— ß78 —
Tnor und Rheinis geweiht.') Er sollte das Recht haben, nach
allen nordischen Ländern Missionen zu senden und Bischöfe in
ilinen einzAisetzen.'*) Das waren angesichts der Lage in Dänemark
und der unsicheren Erfolge in Schweden grosse Pläne. Aber so
wju" Ludwig: er bemass das, was er wollte, nie nach dem, was er
konnte, sondern gefiel sich in grossen Entwürfen, denen kleine
'J'haten folgten. Auf des Kaisers Wunsch bestätigte Papst Gregor IV.
die Erhebung Anskars, indem er ihm das Pallium erteilte. Zugleich
ernannte er ihn und seine Nachfolger zu päj)stlichen Legaten fin-
den Xorden und Osten.'') Da die dem Erzbischof Ebo früher ver-
hehenen Rechte dadurch nicht aufgehoben werden sollten, so gab
es nun zwei Legaten für dasselbe Gebiet.'*)
Es war verständig, dass Auskar und Ebo die schwedische
Mission sofort selbstständig machten. Zu ihrem Leiter bestimmten
sie Gauzbert, einen Verwandten Ebos; gemeinsam haben sie ihn
zum Bischof geweiht. Ebo überliess ihm zugleich die Zelle
AVelanao.''')
Anskar, dem der Kaiser die fränkische Abtei Turholt ver-
1) Die Zeit steht nicht fe.st. Adam nennt (Gest. I, 18 S. 17) das Jahr
832 — 18. Jahr Ludwigs. Das 18. Jahr Ludwigs reicht vom 27. Januar 831
bis dahin 832. Da Anskar Ende September oder Anfang Oktober 864 in
seinem 34. .Amtsjahre erkrankte (V. An.'^k. 40 S. 74), so kann er nicht 832,
sondern musa er im Herbste 831 geweiht sein (a. Dehio, Krit. Ausf. VI S. 54).
Foss (11 S. 12) ist bedenklich wegen der Worte ,,tunc archicapellani'' bei
Rimbert, und hält die Möglichkeit, dass Anskar 831 zum Krzbischof ernannt
und 834 geweiht worden sei, nicht für ganz au.sgeschlossen. Das ist sie
jedoch ohne Zweifol und das iunc Kimlioits ist lediglich ein rjodächtnia-
fehler.
2) Die Stiftungsurkunde Ludwigs vom 15. Mai 834 (B.M. 899) ist eine
mit Benützung der v. Ansk. verfertigte Fälschung.
3) J.W. 2574. Vollstiinilig unverletzt ist diese Urkunde nicht. Nach
Kimbert«, hier ganz unanfechtbarem Zeugnis, enthielt die Bulle Gregors
eine Stelle über ?ibo von Kheims, die man in dem uns vorliegenden Texte
vergeblich sucht. Sie wurde, gewiss nicht ohne Absicht, beseitigt. Da
demnach eine Überarbeitung stattgefunden hat, so ist es nicht unwahr-
scheinlich, da.sa einzelne Stellen dem Orii^inaie eingefügt wurden. Dazu
wird die meines Wiawens bci.spiello.se Bestimmung gehören, nach welcher die
Konsekration der Nachfolger An.skars zunächst dem Hofe überlassen wird.
4. V. Ansk. 13 S. 35.
5) L. c. 14 S. 36. Gauzbert wird unter dem Namen Simon als epi-
scopus Sueonum von Hraban erwähnt. Dieser hat ihm allerlei Geschenke
genchickt. ein missale cum lectionibus et evangeliis, ein Psalterium und
eine Handschrift der AG., Priester- und Altargewänder, eine Glocke und
eine Klingel, Ep. Fuld. fragm. 17 S. 523.
— 679 —
lieh/) beschränkte seine Thätigkeit auf seine Diözese und auf die
Dänenmission. Was die erstere anlangt, so befand sich die kirch-
liche Organisation derselben in den ersten Anfängen: noch im
Jahre 847 gab es nur vier Taufkirchen.-) Das christhche Be-
kenntnis aber war für einen guten Teil des Volkes etwas sehr
Ausserliches.^) Der Mission diente es, dass Anskar in Hamburg
ein Stift mit einer Schule gründete; er berief Mönche aus Corbie
als Lehrer. Auch Turholt wurde als Missionsschule benützt.*)
Liest man aber, dass er jetzt wie früher sich genötigt sah, die
dänischen Zöglinge für seine Schulen zu kaufen, so ist klar, dass
die Abneigung der Dänen gegen die Annahme des Christenturas
in unveränderter Stärke fortbestand. Schhesslich kam es so weit,
dass der Übertritt geradezu verboten wurde; auch auswärts Ge-
taufte konnten nur insgeheim an ihrem Glauben festhalten. Es
gab nicht eine Kirche jenseits der deutschen Grenze.^)
Anskar ermüdete nicht; aber seine Lage wurde immer schwie-
riger. Bei der Teilung des Reichs unter Ludwigs Söhne fiel Tur-
holt an Karl d. K. Er entzog dem deutschen Bischof die Abtei
und verlieh sie einem gewissen Raginar. Anskar war ohne die
sicheren Einkünfte Tm-holts nicht im Stande, die von ihm ge-
1) V. Ansk. 12 S. 34. Turholt ist Thourout in Westflandern südlich von
Brügge; nach Puckert S. 19 ein Kollegiatstift ; aber v. Rimb. 6 S. 84 weist
auf ein Kloster.
2) L. c. 22 S. 47. Ausser der von Karl d. Gr. gegründeten Kirche
in Hamburg (s. o.) kommen in Betracht: Meldorf (Milindorp) in Ditmarschen,
älter als die Zeit Anskars (Adam. Gest. I, 15 S. 15), Heiligenstedten (Heligen-
stät) nordwestlich von Itzehoe, wohin Anskar Reliquien des h. Maternian
brachte (Adam. I, 20 S. 18) und Schönefeld (Scanafeld) nördlich von Itzehoe
(Adam. II, 15). Auch die Gründung dieser Kirche scheint in die Zeit Karls
zurückzureichen, während Heiligenstedten möglicherweise von Anskar ge-
gründet ist. Heiligenstedten und Schönefeld lagen in Holstein im engeren
Sinn, während Hamburg die Kirche für Stormarn war.
3) Das zeigt der v. Ansk. 38 S. 72 f. erzählte Vorgang.
4) V. Ansk. 15 S. 36 f.; 36 S. 71. Das monasterium in Hamburg ist c. 16
genannt; da nur clerici erwähnt werden, wird man an ein Stift zu denken
haben; möglicherweise war die Einrichtung wie nach Adam. I, 32 S. 25
später in Bremen: Habitu quidem usi canonico regula vivebant monastica.
5) Das Gesagte ergiebt sich aus v. Ansk. 24 S. 52 f. Es gewährt einen
Massstab, um den Wert der allgemeinen Aussagen Rimberts über die Er-
folge von Anskars Missionsthätigkeit zu beui'teilen, z. B. c. 15: Pastor in
partibus Dauorum strenuo suum implebat officium et exemplo bonae con-
versationis multos ad fidei gratiam provocabat. Man darf bei den ,, vielen'"
immer nur an einzelne denken. Bei Adam wird aus den multi Rimberts
innumerabilis multitudo (I, 19 S. 18).
— 680 —
schaft'eiien Eiiinchtungen aufrecht zu erlialüMi: er niusste die Mönche
aus C(>rbie in .ihre Heimat entlassen; andere seiner ^Mitarbeiter
sagten sich von ihm los; sie wollten seine Armut nicht teilen. Die
Schulen, auf die er seine Hottnung für (li(> Zukunft gesetzt hatte,
waren vernichtet.*) Bald traf ihn ein noch schwererer Sclüag. Im
Jahre 845 erschienen normannische Seeräuber vor Hanii)urg. Zum
T'nglück war der Graf Bernhar eben abwesend. Anskar dachte
wohl einen Moment die Stadt zu lialten, aber zum Kriegsmann war
er nicht geschaffen, und die Bürger, denen der Führer fehlte, hatten
kein Vertrauen zum Widerstand. So gelang es den Dänen, in
die Stadt zu dringen. Als Anskar das bemerkte, gab er alles ver-
loren: er dachte nur noch an die Rettung der Reli(]uien. Sie ist
ihm auch gelungen. Aber ausserdem wui'de nichts gerettet. Dom
und Stift gingen in Flammen auf: die Bibliothek, welche Anskar
gesammelt hatte, verbrannte, die Kirchengeräte wurden eine Beute
der Dänen. 2) Der Fortbestand des Hamburger Erzbistums schien
in Frage gestellt. In derselben Zeit wurden die Anlange der
schwedischen Kirche vernichtet. Hier war es die Bevölkerung,
welche sich gegen the Missionare erhob: sie stüi'mte das Haus, in
welchem sie sich aufhielten; Nithard, ein Xeffe Gauzberts, wurde
ermordet, der Bischof mit seinen übrigen Gefährten verjagt. Jahre
lang befand sich kein christlicher Priester mehr in Schweden.'')
Lnter diesen Verhältnissen bewies Anskar, woiin er gross war:
alles Unglück, das ihn traf, konnte die Treue nicht brechen, mit
der ©r an seinen Pflichten hing. Mit den wenigen Klerikern, die
bei ihm aushielten, arbeitete er weiter. In seinem eigenen Gebiet
hatte er keine Heimat mehr. Er musste es als ein Glück be-
trachten, dass ihm eine Matrone Namens Ikia das südlich der Ell)e
im Bistume Verden gelegene Gut Ramesloh überlicss; es war Jahre
lang sein Wohnort.*) Doch war es politisch zu wichtig, dass die
kirchliche Organisation im nördlichen SachsiMi sich nicht auflöste,
als dass Anskar lange in dieser dürftigen Lage hätte bleiben köimen.
Ludwig d. D. suchte sofort Abhilte zu scharten. Als kurz nach
1) V. Ansk. 21 S. 46.
2) L. c. 16 S 37. Ann. Fnld., Bert. 7.. .1. 84.Ö.
3) V. An8k. 17 ff. S. 38 ff. Über die Zeit vpl. Kunik, Forsch. XXIV
S. 191 f.
4) Adam. Gest. I, 25 S. 21: Was Adam über die unfreundliche Auf-
nahme Anskars in Bremen erzählt, i.st von zweifelhaftem Wert, da der
dortige Bi.ochof Leuderich bereits am 24. August 845 starb. Adam selbst
führt es übrigens mit einem ,,fertur" ein. Nach Adam I, 32 blieb Rames-
loh ein Stift. Die gefälschte Urkunde (Lappenberg, ÜB. 1 S. 16 Nr. 10)
scheint er nicht gekannt zu haben.
— 681 —
der Zerstörung Hamburgs, am 24. August 845, Bischof Leuderich
von Bremen starb, fasste er den Gedanken, Anskar das erledigte
Bistum zu übertragen und die hambiu'gische Diözese mit der von
Bremen zu vereinigen. Dadurch Aväre Anskar geholfen gewesen;
allein seine Gewissenhaftigkeit machte Schwierigkeiten. Er konnte
sich in die Verletzung des kirchlichen Rechts nicht finden, die in
der Vereinigung zweier Diözesen unter einem Bischof lag. Zwar
erklärte sich die Eeichsversammlung von Paderborn im Herbste
845 für die Zulässigkeit der von dem König gewünschten Mass-
regel. Aber dadurch wurden Anskars Bedenken nicht beruhigt.
Nun legte Ludwig die Sache der Mainzer Synode von 847 vor.
Anskar war selbst anwesend; die Synode trug seinen Zweifeln da-
durch Rechnung, dass sie beschloss, den Zustand wieder herzu-
stellen, wie er vor dem Jahre 831 gewesen war. Der Bischof von
Verden sollte den damals abgetretenen Teil seiner Diözese wieder
erhalten.^) Dann war Anskar nicht Bischof zweier Diözesen, son-
dern er war Bischof von Bremen ; aber das Hamburger Bistum
war aufgelöst. Dieser Beschluss wurde zunächst ausgeführt. Allein
es ist begreiflich, dass sich auch gegen ihn Bedenken erhoben:
konnte der König ein vom Papste bestätigtes Erzbistum wieder
aufheben?'-) Man kam deshalb schliesslich auf Ludwigs ursprüng-
lichen Plan zurück : ^) Anskar blieb Erzbischof von Hamburg und
erhielt dazu das Bistum Bremen.'^)
Diese Einrichtung war ohne Mitwirkung des Kölner Erz-
bischofs getroifen, zu dessen Diözese Bremen gehörte.'^) Daraus
erwuchsen neue Schwierigkeiten; denn als Anskar wahrscheinHch
kurz nach der Weihe Günthers dessen Zustimmung zu dem Ab-
1) V. Ansk. 22 S. 47 f. Den Tag in Paderborn erwähnen Ann. Fuld.
z, J. 845. Die Anwesenheit Anskars in Mainz ergiebt sich aus den» Syno-
dalschreiben, Cap. 248 II S. 173. Auch Ebo, der kurz vorher das Bistum
Hildesheim erhalten hatte (Hincm. ep. ad Nicol. Migne 126 S. 82), war
anwesend.
2) Auch der Widerspruch, den Anskar in Bremen fand (v. Ansk. 36
S. 71) mag mitgewirkt haben.
3) V. Ansk. 22 S. 48. Bei der zweiten Synode, der die Sache vor-
gelegt, wurde, kann man nur an die Mainzer Synode von 848 denken. Verden
wurde aus dem Besitze des Bistums Bremen entschädigt, s. o. S. 389 Anm. 1.
4) Adam. I, 26 (aus dem liber donationumj: Anno Ludovici secundi
nono (848) domnum Ansgarium ab Aldrico clerico et comite Reginbaldo,
legatis caesaris, ductum in episcopatum.
5) Köln war nach dem Tode Hilduins, der 842 das Bistum erhielt
(Ann. Col. brev. z. d. J. S. 97) und wahrscheinlich 845 starb, mehrere Jahre
erledigt, bis am 22. April 850 (rünther zum Erzbischof geweiht wurde (Ann.
Col. brev. z. d. J.).
— 682 —
kommen erbat, erliielt er eine abschlägige Antwort. Die Verstän-
digung war dadurch erschwert, dass (TÜnther nicht Ludwigs, son-
dern Lothars Unterthan wai-. Es bedurfte einer Zusammenkunft
der Füi*sten und einer neuen Beratung der Biscliöfe, um seinen
Widei-spruoh zu überwinden.') Einige Jahre später bestätigte der
Papst das Übereinkommen. Die BedenkHchkeit Anskars wird auch
diese A'ersicheruug. dass er im Rechte sei. begehrt hal)en. Und
Ludwig widerstrebte nicht. Durch öalomo 1. von Konstanz legte
er die Angelegenheit Nikolaus I. vor; als Gesandter Anskars be-
gleitete der Presbyter Nordfrid den Bischof. Der Papst billigte die
Vereinigung der beiden Diözesen und in Konsequenz dei'selben die
Trennung Bremens von dem Kölner Erzbistum.-)
1^ V. Ansk. 23 S. 48 ff. Der Bericht, den Rimbert in diosom Kapitel
giebt, leidet, wie besonders Dehio (Krit. Ausf. VII S. 54 f.) hervorgehoben
hat, an mancherlei Schwierigkeiten. Dehio löst sie etwas gewaltsam, indem
er die Nennung von Worms als Irrtum vorwirft, ebenso die Hereinziehung
des Papstes durch Günther, und aus der Notiz Adams (1, 29 S. 24) das .Tahr
860 erschliesst; Adam habe das Jahr der Urkunde auf die ihm gewohnte
Kpoche (840) reduziert. In der That nmss Adam eine Umrechnung vorge-
nommen haben; denn im 21. Jahre Ludwigs war Lothar II. noch nicht
König. Aber ob er auf die richtige Zahl kam. ist mehr als fraglich; seine
Zahlen über die päpstliche Urkunde sind ganz falsch und erwecken geringes
Vertrauen zu seinen Umrechnungen. Ein vollständiger Irrtum Kimberts in
Bezug auf die Ortsangabe scheint mir deshalb weniger wahrscheinlich als
eine richtige Rechnung Adams. Nun hat schon Dahlmann auf das Jahr 857
verwiesen. Im Februar desselben fand eine Zusammenkunft zwischen
Ludwig und Lothar in Koblenz statt, der im März eine Reichsversammlung
in Worms folgte (Ann. Fuld. z. d. J.). Ist es nun nicht wahrsclioiniicher,
dass Rimbert sich darin irrte, dass er die Zusammenkunft der Könige an
denselben Ort mit der Reichsversammlung verlegte, als dass er den Namen
Worms ohne jeden thatsächlichen Anhalt schrieb? (Vgl. auch Floss II S. 17.)
Dass in der Notiz über den Papst ein Irrtum liegt, halte ich für sicher-,
nicht weil Oiinthor. als ilie Verhandhingen stattfanden, mit dem Papst in
heftigstem Konflikt stand (so Dehio); das war weder 857 noch 860 der Fall;
sondern weil Nikolaus es tadelt, dass (Jünther seine Zustimmung gab
(Mansi XV S. 456 Nr. 4): Licet a (runthario haoc non potuerit dari licontia
nee ab eo tale quid peti debuerit. Hätte tiunthar jenen Vorbehalt gemacht,
Bo hätte der Papst so nicht schreiben können. Die Notiz Rimberts soll
demnach erklären, wie es kam, dass der Papst in die Sache gezogen wurde,
und erklärt es falsch. Wahrscheinlich wünschte Anskar die päpstliche Be-
stätigung; deshalb sandte er einen Boten nach Rom. Dann macht auch
tue Verzögerung der Sache keine Schwierigkeit. Denn Anskars Bedenken
werden durch den Konflikt Günthers mit dem Papste, wenn nicht hervor-
g»'rufen, so doch verstärkt worden sein.
2) V. Ansk. 23 S. 49. J.W. 2759.
— 688 —
Seitdem Anskar im Besitze Bremens war, konnte er die
Missionsarbeit wieder aufnehmen. Nach Schweden sandte er einen
Einsiedler Namens Ardgar; aber die Wahl dieses Mannes war
nicht glücklich. Zwar wurden durch seine Ankunft die wenigen
treuen Christen im Glauben gestärkt. Aber ihm fehlte das Ver-
ständnis für die Bedeutung der Mission; von der Sehnsucht nach
dem beschauHchen Leben getrieben, verliess er nach kurzer Zeit
Schweden. Seitdem hörte die Verkündigung des Christentums in
diesem Lande wieder auf.^)
Besser gestaltete sich die Lage in Dänemark. Ludwig d. D.
benutzte Anskar mehrfach als Gesandten. Dabei lernte König
Horich die Zuverlässigkeit und Tüchtigkeit des Erzbischofs schätzen.
Die Achtung vor dem Manne kam dem Glauben zu gute, den er
bekannte. Horich gestattete ihm, in Schleswig eine Kirche zu
bauen und einen Priester anzustellen, der sich dauernd in Däne-
mark aufhalten sollte. Zugleich gab er den Dänen die Erlaubnis
zm' Annahme der christlichen Religion. Erst seitdem war an Er-
folge der Missionspredigt zu denken. Sie fehlten denn auch nicht;
aber was wir über sie hören, nötigt anzuerkennen, dass bei dem
Übertritt zum Chiistentum in den meisten Fällen mehr Aberglaube
als Glaube wirksam war.-)
Immerhin war wenigstens Boden gewonnen. Sofort strebte
Anskar weiter; er glaubte die günstige Gesinnung Horichs füi' die
Wiederaufnahme der schwedischen Mission benutzen zu können.
Gauzbert, der die Verhältnisse aus eigener Anschauung kannte,
betrachtete sie als hoffnungslos; er weigerte sich, nach Schweden
zurückzukehren: das wäre gefährlich und unnütz. Jedoch Anskar
liess sich dadurch nicht beirren: er entschloss sich, selbst nach
Schweden zu gehen. Die L^nterstützung Ludwigs und Horichs
fehlte ihm nicht; jener betraute ihn mit einer Botschaft an den
schwedischen König Olaf, so dass er als deutscher Gesandter kam;
dieser liess ihn durch einen eigenen Boten geleiten und empfehlen.
So war wenigstens für die persönliche Sicherheit des kühnen
Predigers gesorgt. Aber die Lage war wenig glückverh eissend;
die schwedischen Christen erwarteten nicht, dass Anskar irgend
etwas erreichen werde. In der That hatte er es nur dem günstig
fallenden Lose zu danken, dass christlicher Gottesdienst und der
Aufenthalt christlicher Priester zugelassen wurde. Der Erfolg der
Reise war die Wiederherstellung des aufgelösten Missionspostens.
Nach einem Vorschlage Gauzberts übertrug ihn Anskar dessen
Ij V. Ansk. 19 S. 39.
2) L. c. 24 S. 52 f.: vgl. Dehio S. 76.
— U84 —
Nerton, dein Priester Erinil)ert. So lange er lebte, trug er Sorge,
dass der Posten nicht unbesetzt blieb: aber mehr als ein Priester
scheint nie in Schweden gewesen zu sein. Schon dies Beweis
genug, dass an grosse Eriblge nicht gedacht werden kann.*)
In Dänemark brachte der Tod Horichs im Jahre 854 das
kaum (Gewonnene wieder in Gefahr des Untei-gangs. Denn der
jüngere Horich liess die Kirche in Schleswig schliessen . vertrieb
den l^riestor und verbot die Ausübung der christlichen Keligion.
Doch (lauerte diese Bedrängnis nicht lange. Es gelang Anskar
und dem Grafen Burghard. den König umzustimmen. Die Kirche
in Schleswig wurde wieder cröftiiet und in Ribe eine zweite ge-
gründet.")
So standen die Dinge als Anskar starb. ^) Die Frucht der
stolzen Legation an alle Stämme der Dänen und Schweden nach
Faröer, Grönland und Island, zu den Wenden und Slawen war,
dass im dänischen Grenzland zwei Kirchen errichtet waren und in
einer schwedisciien Handelsstadt ein Priester wirkte.^) Ein geringes
Resultat, das fast einem Misslingen gleich zu achten ist. Es war
nicht die Schuld Anskars.'') Zwar wird man zweifeln dürfen, ob
er in ähidicher Weise zum Missionar geschatten war, wie etwa
W'illcbad. Reflektierenden, oder dürfen wir sagen, grüblerischen
Naturen, wie er es war, fehlt gew()hnlicli die elementare Kraft der
Begeisterung, welche andere mit sich foiireisst. Er war immer voll
Hedenken, bald übei' scinm Seelenzustnnd, bald über seine Arl)eit(^n
und Massreg<'ln. W'ehhc ^lüiie es iiim kostete, ihi'erHerr zu werden,
lassen die mancherlei Träume ermessen , von denen sein Biograph
berichtet. Aber was ihm an natürlicher Begal)ung abgehen mochte.
1) V. Ansk. 25 S. 53 ff.
2) L. c. 31 f. S. 63. Die Lage des Christentums in Dänemark ist
auch durch die Bemerkung charakterisiert, dass erst der jüngere Horich
das rrlockengeläuto zulioss, qnod antea nefandum paganis videbatur (c. 32
S. 64).
3) 3. Februar 865 (V. Ansk. 41 8. 75).
4) Dehio S. 80 ff. überschätzt, wie mich dünkt, den Krtrag von Ane-
kars Thätigkeit. Die fort^chreitentlc Auflösung der Nationalreligion
wurde ni'ht durch die Missionspredigt bewirkt; die letztere war nur einer
der mitwirkenden Faktoren, und wie es scheint, einer der schwächsten.
Das verkennt Dehio auch nicht. Aber giebt man es zu, dann ist es doch
unmöglich, ,,da8 Gesamtresultat bedeutend zu nennen". Das wäre es nur
dann gewesen, wenn es Anskar gelungen wäre, die nationale Antipathie
gegen das Christentum zu überwinden. Das war aber trotz Horichs 'Junst
nicht der Fall.
5) Vgl. die schöne Charakteristik Dehios S. 86 ff.
— 685 ~
ersetzte er durch unvergleichliche Treue und unermüdlichen Eifer.
War er erst über den Weg klar, den er gehen sollte, so kannte er
kein Zurückweichen.') Vielleicht hat in der deutschen Kirche dieser
Zeit kein Mann so selbstlos gearbeitet als er; er war stets bereit,
die grössere Hälfte der Arbeit für sich zu nehmen und sich mit der
kleineren Hälfte des Ansehens und Einflusses zu begnügen.-') Dass
das gute Verhältnis zu Ebo nie gestört wurde /^) ist ohne
Zweifel sein Verdienst; schon der Gedanke, man könne ihm eigen-
nützige Motive zutrauen, beunruhigte ihn.^) In seiner Selbstlosig-
keit glich er den Bischöfen dieser Zeit wenig: sie wurden Fürsten,
er fühlte sich als Prediger;'') dadurch war er geeignet zum Missions-
bischof Wenn er trotzdem wenig erreichte, so lag der Grund zum
Teil an den Schwierigkeiten, welche Ludwgs PoHtik geschaffen
hatte, zum Teil aber auch daran, dass die deutsche Kirche Anskar
allein liess. Welche Menge von Missionsarbeitern war im Jahi--
hundert vorher aus dem kleinen Northumberland hervorgegangen.
Jetzt hören wir nicht, dass die mächtige deutsche Kirche dem
Dänenmissionar auch nur einen Gehilfen zur Verfügung stellte.'^)
Das war das Entscheidende: die Expansionskraft der deutschen
Kirche war erlahmt. Anskar war nicht getragen von der Teilnahme
der Heimat; deshalb verzehrte er seine Klraft vergebHch auf einem
verlorenen Posten.
Anskar hat seine Vereinsamung gefühlt. Im Jahr vor seinem
Tode arbeitete er eine Denkschrift über die nordische Mission aus,
um sie an König Ludwig und die deutschen Bischöfe zu senden.
Sie war eine Bitte um Förderung seiner Lebensarbeit;') aber sie
war vergebHch. Die Verhältnisse wurden nach seinem Tode nicht
besser. Zwar erhielt er seinen Lieblingsschüler Eimbert zum Nach-
1) V. Ansk. 36 S. 70: Ad omnia quae forte praecipua definire debebat
spacium cogitandi habere voleba,t et nihil ternere disponebat, antequam
gratia Dei illustratus ipse in mente sua sentiret, quod melius esset.
2) Charakteristisch ist besonders seine zweite schwedische Reise: er
unternahm sie, da Gauzbert nicht wollte, und das Ende war, dass ein Neffe
Gauzberts die Frucht seiner Arbeit erntete.
3) V. Ansk. 34 S. 65.
4) L. c. 22 S. 47.
5) L. c. 35 S. 66: Sicut in eius (des Martin von Tours) vita legerat,
magnopere populis verbum domini praedicando prodesse studebat.
6) Nur von Hraban wissen wir, dass er Teilnahme für das Missions-
werk hatte, vgl. oben S. 678 Anni. 5.
7) V. Ansk. 41 S. 75. Die Denkschrift ist verloren; der begleitende
Brief an die Bischöfe in Hamb. ÜB. I S. 28 Nr. 17.
— 686 —
folfier.') Auch liess Rimbert die Kirchen in Schweden und Däne-
niai'k nicht verwaisen; er seihst hat sie ethche INIide aufgesucht.'^
Aber von einer weiteren Ausdelmunjj; des Missionswerkes hfiren wir
nicht. Statt vorzudringen wurde das Christentum zurückgedrängt.
Durch (he t'urclithare Niederhige, wtdche die Normannen am
2. Februar 8.S0 den Sachsen am Strande der Nordsee beibrachten,
wurde aucli die Kirche betroffen. Es war das geringste, dass zwei
Bischöfe. Tliiadnch von Minden und ]\larkward von Hihlesheim. auf
der Walstatt bheben;'^) viel schwerer wog der Verlust der Eider-
gi-enze.^) Das Christentum wurde aus einer Position vertriel)en.
die vollkommen sicher geschienen hatte. Wie schwach Reich und
Kirche geachtet wurden, beweist nichts so deutlich als dass nun
auch die Slawen vordrangen. Auch ihnen gegenüber tiel ein deut-
scher Bischof, Wolfhard von Minden;'^) auch sie nahmen Landstriche
ein, welche eine Zeit lang deutsch und christhch gewesen waren.")
Schliesslich erreichten die Verwüstungszüge der Ungarn auch die
Niedersäciisischen Ebenen: Brand und Mord bezeichneten liier wie
in Oberdeutschland ihre Spuren.'}
Wie hätte in diesen Jahrzehnten an Mission gedacht werden
können? Sie hörte vollständig auf.") So unniöghch schien die Er-
reichung des Zwecks, zu dem Hand)urg einst gegründet war, dass
1 Die vita Riinberti ist unter Bischof Adalgar von Bremen von einem
Mönch von Corvey geschrieben (c. 12 S. 91. Adam. (Test. I, 37 S. 27). Sie
ist ein Heiligenleben gewöhnlichen Schlag.-^, ohne viel Inhalt.
2) V. Rnub. l(i S. 94.
3) Ann. Fuld., Bert. z. d. .1., Widuk. res gest. Sax. I, 16 S. 15 f.,
Thietm. chron. II, 15 (M.G. Scr. III S. 750), Necrol. Visbec. z. 2. Februar
(Böhmer, Font. IV S. 496).
4) S. Dümmler, OFr. K. III 8. 1-36.
5) Ann. Corb. z. d. .1. S80; ann. necrol. Fuld. z. 15. September 886
(M.G. Scr. XIII S. 186); Ann. Hildesh. z. .1. 885.
6) Das Vordringen der Abodriten ergiebt sich aus ArnulfH erfolglosem
Feldzug gegen sie (Ann. Fuld. z. .1. 889). Wenn nun im .lahre 895 abodri-
tischo Uesandto vor Arnulf erschienen und von ihm (iewährung ihrer
Forderungen erhielton (1. c), so erscheint es als höchst wahrscheinlich, dass
Arnulf ihnen das eingenommene Land überliess.
7) Ann. Corb., Hildesh. z. J. 906; Alam., Regln, cont. z. .1. 908; Ann.
Hildesh. z. d. .T. 909; Regin. contin. z. .T. 915; Adam. Gest. I, 54 f., S. 37,
vgl. Dümmler. OFr. R. IH S. 546 f., 551 f., 595 f.
8) Das Einzige, das Adam zu sagen weiss, ist: Nobis hoc scire suf-
ficiat, omnes (reges Danorum) adhuc paganos fuisse ac in tanta reg-
norum mutatione vel excursione barbarorum christianitatem in Dania, quae
a 8. Ansgario plantata est, aliquantulam remansisse, non totam defecisse
T. .54 .'^. 37).
— 687 —
der Plan, das Erzbistum aufzulösen, von neuem hervortreten konnte.
Es mag richtig sein, dass persönlicher Ehrgeiz mitbestimmend war,
wenn Erz bischof Hermann von Köln die AViederein Verleihung Bremens
in seinen Sprengel forderte. Aber man kann doch nicht leugnen,
dass die augenblickliche Lage seinem Verlangen eine starke Be-
gründung gab.^) Von dem Hamburger Sprengel war so gut wie
nichts übrig geblieben; Adalgar war thatsächlich nur Bischof von
Bremen.-) Die Hamburger Erzbischöfe hatten keine deutschen
Suffi-agane, und es war ihnen im Laufe von sechzig Jahren nicht
gelungen, in ihrem Missionssprengel Bistümer zu gründen. Man
konnte wohl die Frage erheben, ob der Bestand dieses Erzbistums
ohne Sprengel noch ein Recht habe. Verneinte man sie, dann war
es nur gerecht, wenn Bremen an Köln zurückfiel.
Es charakterisiert die deutschen Zustände, dass über eine Ein-
richtung, die einstmals vom König getroffen war, nun vor dem
Papste gerechtet wm^de.-^) Die Entscheidung, welche Papst For-
1) Dehio (S. 98) urteilt zu scharf, wenn er Hermanns Forderung
einen Angriff nennt, ^wie er frivoler nicht gedacht werden kann". Denn
Anskars Werk sollte nicht erst zertrümmei-t werden , sondern war bereits
zertrümmert.
2) Rimbert bestellte, von Krankheit genötigt, unter Zustimmung des
Königs den Mönch Adalgar aus Corvey zu seinem Koadjutor (V. Rimb. 21
S. 97). Als er am 11. Juni 888 starb (Adam. Gest. I, 46 S. 32, Necrol. Fuld.
mai. S. 186) folgte ihm Adalgar im Bistum. Er starb am 9. Mai 909 (Adam.
I, 52 S. 36). Sein Nachfolger war Hoger, der am 20. Dezember 915 starb
(Adam. I, 54 S. 87).
3) Hermann erhob im Sommer 890 bei Stephan V. Klage. Aus der
Antwort des Papstes (J.W. 3458 1 ergiebt sich, dass die Thatsache, dass
Hamburg keine Suffragane hatte, Eindruck auf ihn macbte. Er schreibt:
Si prouincia et suffraganei, quibus presit, deest, qualiter usum palli pro-
meruit, ambignum habeur. Stephan verfügte, dass Anwälte beider Parteien
sich nach Rom begäben; dann wolle er die Sache entscheiden. Adalgar
reiste nun nach Rom. Hermann schickte zwar Vertreter, aber ihre Voll-
machten waren ungenügend. Deshalb vertagte der Papst das Urteil und
beauftragte den Erzbischof Fulko von Rheims, am 15. August 892 in Worms
eine Synode der Kölner und Mainzer Diözese abzuhalten und die Angelegen-
heit zu untersuchen. Das Ergebnis sollte Fulko ihm vorlegen, Hermann
und Adalgar aber sollten selbst in Rom erscheinen oder Bevollmächtigte
senden (J.W. 3470. Flod. Eist. Rem. eccl. IV, 1 M.G. Scr. XIII S. 558).
Stephan starb, ehe die Synode stattfand, am 14. September 891. Sein
Nachfolger Formosus wiederholte seine Verfügung, indem er sie nur dahin
abänderte, dass Erzbischof Hatto von Mainz den Vorsitz auf der Synode
führen sollte (J.W. 3483). Sie wurde im August 892 in Frankfurt ab-
gehalten. Hefele (CG. IV S. 551) hat diese Synode übersehen. Wenn
— 688 —
niosus nach hingen Verhandhingeii traf, hess die Dinge, wie sie
waren. Das Hamhurger EivJjistiun bheb bestehen; aber gewisser-
niassen als eine Hoffnung oder als eine Verptlichtung für die
Zukunft.
Wenn Hamburg auch die Slawenniission übertragen war, so
wurde doch nicht einmal ein Anfang zu ihr gemacht. Obgleich die
Sorben, Wil/.en und Abodriten die fränkische Hoheit anerkannten,
hört man weder, dass sie nach dem Christentum begehrten, noch
dass nuui versuchte, es ihnen nahezubringen; wo die deutsche
Sprache aufhörte, hörte auch der christliche Glaube auf.^) Vollends
die Erschütterung der deutschen Heri-schaft seit den letzten Jahren
Ludwigs d. Fr. musste den Gedanken an die Mission ganz in die
Feme rücken.
Wenden wir uns dem Südosten zu, so war die Lage dort nicht
immer friedlich,-) aber zunächst günstig. Vor allem kam ihr zu gute.
Dehio (I S. 99) sie nur aus Kölnischen Suft'raganen bestehen lässt, so weiss
ich nicht, worauf sich dies gründet; der Brief des Formosus (.T.W. 3487) giebt
kein Recht dazu; der Papst sagt nur, es seien die Bischöfe in Frankfurt
zu.sammengekommen, und es hätten die Kölner Diözesanen einstimmig die
Unterordnung Bremens unter Köln bezeugt. Die Anwesenheit der Mainzer
ist dadurch nicht ausgeschlossen. Auf Grund des Berichtes der Frankfurter
Synode entschied Formosus: So lange bis Hamburg eigene SuflVagan-
bistümer habe, sollte Bremen mit Hamburg verbunden bleiben; der Ham-
burger Erzbischof solle, wenn der Kölner ihn einlade, entweder persönlich
oder durch einen Vertreter an den Kölner Synoden teilnehmen, ohne dass
jedoch dadurch seine Unterwerfung unter Köln ausgesprochen werde.
Würde einstmals eine wirkliche Hamburger Erzdiözese gegründet sein,
dann solle Bremen wieder in den Verband mit Köln eintreten (.bW. 3487 f.).
Thatsächlich fiel also die Entscheidung zu Gunsten Hamburgs; denn was
Hermann zugestanden wurde, war doch nur ein gänzlich wertloser Schein
auf die Zukunft. Es scheint aber, dass man in Hamburg gleichwohl nicht
mit ihr zufrieden war. Man erfand deshalb die Fabel von der Vernichtung
der Hamburger Privilegien durch Arnulf und Formosus, um sie durch die
gefälschte Bulle Sergius' 111. glänzend wiederherstellen zu lassen (J.W. 3537).
Auch die Nachrichten, welche Adam unter starken Zweifeln an ihrer
Glaubwürdigkeit über die Synode von Tribur mitteilt (Gest. I, 51 S. 34),
werden in das Bereich dieser Fälschungen gehören (vgl. Dehio, Knt. Au.sf. X
S. 58 f.); Hefele (CG. IV S. 560) wiederholt Adams Notizen, ohne Zweifel
auszusprechen.
1) Hraban an Hemmo von Halberstadt (zwischen 842 und 847): Neque
mihi ignotuni est, qualem infostationem habeas, non solum a paganis, qui
tibi confines sunt, sed etiara a populorum turbis (ep. 36 S. 470).
2) Strakosch- Grassmann, Geschichte der Deutschen in Österreich I
S. 475 ff.
— 689 —
dass zahlreiche Deutsche in das dünnbevölkerte Land einströmten;^)
wo sie sich niederliessen, bauten sie Kirchen und wurden Piiester
angestellt;-) sodann dass Ludwig die Verwaltung den wendischen
Gaufürsten abnahm und baierischen Grafen übertrug.'^) Dadurch
verlor das Land rasch den Charakter als reines Missionsgebiet. So-
wohl der Passauer wie der Salzburger Anteil standen unter eigenen
Landbischöfen und schienen der Selbstständigkeit entgegen zu reifen.*)
Neben den von den Bischöfen gesandten Priestern arbeiteten nach
wie vor Mönche aus den bairischen Klöstern. Ludwig d. D., der
seit 826 in Baiern regierte,'') förderte die Konsolidierung der kirch-
lichen Zustände durch Landschenkungen.**) Auch trug er Sorge
dafüi\ die regelmässige Abhaltung bischöflicher Visitationsreisen zu
sichern und zu erleichtern.^) Wenn Erzbischof Ad alrani von Salzburg
1) A. a. 0. S. 435. Die Einwanderung jenseits des Wiener Waldes ist
zuerst um 833 nachweisbar (S. 441), noch etwas jünger ist die in West-
ungani bis zur Raab (S. 442). In Karantanien ist der erste deutsche
Grundbesitz um 822 nachweisbar (S. 448); vgl. oben S. 469.
2) B.M. 1319; 1326; 1340.
3) Convers. 10 S. 11; vgl. Krones S. 45 ff. Er erinnert, dass das dem
Amtsträger überwiesene Gut ein Keimlager deutscher Ansiedelung wurde.
4) S. oben S. 469. Der Chorbischof Osbald verkehrte direkt mit Papst
Nikolaus I. (J.W. 2854). Zur Errichtung einer eigenen kärntner Diözese
kam es freilich erst im Jahre 1070 durch die Konstituierung des Bistums
Gurk, Urk. Alexanders IL, J.W. 4673, vgl. Bd. III S. 747.
5) Dümmler, OFr. R. I S. 25 f.
6) Auf seine Fürsprache schenkt Ludwig d. Fr. d. 22. März 828 an
das Kloster Kremsmünster Grundbesitz im Grunzwitigau, wo die Mönche
eine Kirche errichtet hatten (B.M. 824); Ludwig bestätigt 830 dem Kloster
Altaich seinen Besitz in der Wachau (1. c. 1302), schenkt 831 an Salzburg
ein Gut am Einfluss der Görschitz in die Gurk (1. c. 1384), 832 an Regens-
burg den Ort Herilungoburg am Einfluss der Erlaf in die Donau (1. c. 1308),
833 an Passau für den Chorbischof Anno Grundbesitz im Orte Litaha (1. c.
1311), 836 an Passau ebenfalls für Anno die Kirche Kirchbach mit grossem
Grundbesitz (1. c. 1319); 837 an Salzburg Grundbesitz in Ips mit einer von
Adalram erbauten Kirche (1. c. 1326), 844 dem Priester Dominikus (s. u.
S. 691) Grundbesitz zu Lebenbrunn (1. c. 1340); 859 dem Passauer Chor-
bischof Alberich 10 Höfe zu Nuzbach und Oedenburg (1. c. 1399); 860 be-
stätigt dem Kloster Altaich eine Schenkung des Priwina (1. c. 1401) ;
schenkt 860 dem Kloster Mattsee 20 Höfe in Steiermark (1. c. 1402), an
Salzburg Steinamanger und Pinkafeld mit 24 Höfen (1. c. 1403); 864 an
Salzburg Grundbesitz in Gurk (1. c. 1411), in Steiermark und Pannonien
(1. c. 1413); 868 an Metten Grundbesitz im Treismafeld (1. c. 1424).
7) Die Visitationen mussten dadurch erleichtert werden, dass Ludwig
die üblichen Leistungen der Grafen und des Volkes ablöste. Salzburg er-
hielt 6 Bauernstellen mit 5 Hörigenfamilien und 12 Knechten zu Gurk,
Hauck, Kircheugeschicbte. 11. 2. Aufl. 44
— ()00 —
gerühmt wurde, weil ihm Gott die Gahe der Sprachen verliehen hahe,
und er deshalb die Barbaren recht unterweisen könne,') so ist das
ein Beweis datur. das die Hauptsache, die Predigt in der Volks-
sprache, unter den neu bekehrten Slawen so wenig unterblieb wie
in Deutschland.
Es konnte als ein weiterer Schritt vorwärts betrachtet werden,
dass innerhalb des Salzburger Missionsgebiets ein von dem Reiche
abhängiges slawisches Fürstentum entstand. Deim sein Heri-scher
unterstützte die kirchlichen Einrichtungen nach Kräften. Eine selt-
same Verkettung von Ereignissen führte dazu. Zwischen den
Jahren S.'50 und SH5 wurde ein gewisser Priwina von dem MiUiren-
herzog Moimir aus seiner Heimat verjagt.") Er Höh zu dem bairi-
schen Grafen Ratbod, der in Pannonien gebot. Er muss ein unter
seinem Stamme angesehener und einflussreicher Mann gewesen sein ;
denn Ratbod ])rachte ihn sofort zu dem König Ludwig. Wir
wissen nicht, ol) Priwina als Anhänger der Deutschen aus MiUn-en
vertrieben wurde; unwalirscheinlich ist es nicht; jedenfalls war er jetzt
bereit, sich ganz an sie anzuschliessen. AVie Ludwig gebot, Hess
er sich im christlichen Glauben unterrichten; in der Martinskirche
zu Traismauer wurde er von einem Salzburger Priester getauft
Als (, 'brist kehrte er zu Ratbod zm'ück. Doch die Freundschaft
mit ihm war nicht von Bestand; wieder wissen wir nicht, worüber
die beiden Männer sich entzweiten. Genug, dass Priwina noch
einmal flüchtig werden rausste; er vcrhess das fränkische Gebiet.
Da war es nun entscheidend, dass er dem Christentum treu blieb
und von der Verbindung mit den Deutschen sich nicht lossagte.
Bald gelang es dem Kärntner Grafen Salacho, ihn mit Ratbod
wieder auszusöhnen. Unter den bairischen Grossen genoss Priwina
solches Ansehen, dass sie Ludwig bestimmten, ihm einen Landstrich
in Unteipannonien am Plattensee zu Lehen zu geben. Dadurch
trat der mäluische Flüchtling in die Reihe der bairischen üptimatcu.
2 Höfe mit einer Mühle zu Kamern und Selz, Wald und Weinberg. Dazu
kam noch die vom Volk zu leistende Abfindung (B.M. 1411).
1) Carm. Salisb. 7 v. 18 ft". (l'üet. lat. II .S. 462):
Qui jiius ecce tibi virtutum munera Christus
Cessit et ipee sacer linguarum dona, sacerdos,
Dogmate praeclaro valeas quo rite docere
Barbaricas doctor doctorum saepe phalanges.
2) Conv. Bagoar. 10 S. 11. Die Zeit ist nicht sicher. Einen An-
haltspunkt giobt die Amtszeit des Grafen Ratbod, die ungefähr 830 beginnt
Pflmmler, Wiener SB. X S. 19), einen zweiten die Thatsache, dass Adalram
die Kirche in Neitra weihte. Adalram starb im Januar 836. Es bleiben
also für Priwinas Vortreibung nur die ersten Jahre des 4. Jahrzehnts.
— 691 —
Inzwischen scheint es ihm gelungen zu sein, sein Erbgut im heuti-
gen ungaiischen Slowakenland wieder in seine Gewalt zu bringen.
Denn dort, in Neitra, erbaute er eine Kirche. Erzbischof Adalwin
von Salzburg hat sie eingeweiht:^) es ist die erste Kirche im Ge-
biet der Mähren, von der wir wissen. Jedoch nahm Priwina seinen
Sitz nicht in Mähi'eu, sondern auf seinem pannonischen Lehen, das
ihm Ludwig im Jahre 847 zu eigen überliess.-) An der Zala er-
baute er eine Burg; zahlreiche Ansiedler hessen sich in ihi-er Nähe
nieder. So entstand die älteste Stadt in dieser Gegend; man nannte
sie nach ihrer Lage im Sumpf- und Moorlande Moosburg. '^) Am
24. Januar 850 weihte Erzbischof Liupram die erste in ihr ge-
gründete Kirche zu Ehren der Maria. Bei dieser Gelegenheit
wurde zwischen dem Fürsten und dem Erzbischof vor zweiunddreissig
deutschen mid slawischen Zeugen ein Vertrag abgeschlossen, um die
kü'chHchen Verhältnisse zu regeln. Priwina stellte den Priester
Dominikus, den er bei sich hatte, miter Liupram und erkannte da-
durch die Rechte des Erzbistums an; Liupram aber übertrug dem
Dominikus in aller Form die neue Kirche und die Leitung der neuen
Gemeinde.*) Für die rasch wachsende Stadt hess Liupram durch
deutsche Handwerker und Künstler eine zweite, dem Märtyrer
Hadrian geweihte, Kirche emchten. Eine dritte, Johannes dem
Täufer geweiht, darf man wohl als Baptisterium betrachten. Wie
für Moosburg, so wurde auch für das flache Land Sorge getragen.
Es war zum Teil von Slawen, zmn Teil von Deutschen bewohnt.
An vierzehn deutschen und slawischen Ortschaften wm-den Kirchen
errichtet. Deutsche Klöster und Stifter erwarben Grundbesitz im
Lande. •'^) Das Zusammenwirken der deutschen Priester und des
1) Conv. Bagoar. HS. 12. Die Verhältnisse Neitras sind sehr wenig
klar. Denn später, i. J. 880, ist es im Besitze Swatopluks (Schreiben Jo-
hanns VIII., J.W. 3319), und Theotmar von Salzburg behauptet, erst dieser
habe die Bevölkerung christianisiert (Boczek, Cod. dipl. Morav. I S. 60
Nr. 91). Darnach ist zu vermuten, dass Priwina Neitra nicht halten
konnte, und dass infolge dessen die christliche Stiftung bald wieder zu
Grunde ging.
2) Conv. Bagoar. 12 S. 13. B.M. 1347 d.
3) Nach Krones, Besiedelung S. 46, das jetzige Szalavär-Szalaburg.
4) C. B. 11 S. 12: Tunc dedit Priwina presbyterum suum Dominicum
in manus et potestatem Liuprammi archiepiscopi et Liuprammus illi pres-
bytero licentiam concessit in sua dioecesi missam canendi, commendans illi
ecclesiam illam et populum procurandum sicut ordo presbyteratus exposcit.
Dominikus gehörte diesen Worten nach ursprünglich dem Salzburger Klerus
nicht an; vielleicht war er ein italienischer Kleriker.
5) I. J. 860 Altaich B.M. 1401, nach 860 St. Emmeram Cod. Anam.
44*
— 692 —
slinvischen Füi-sten führte zu den glückliclistoii Erfolgen. Diese
aünstifre Entwickelung wurde auch durch den Tod Priwinas nicht
unterbrochen: er Avurde von den Mälu-cn erschhigen;*) wie es
scheint, haben sie ihm seinen Anschhiss an die Deutschen nicht
verziehen. Seine Herrschaft erbte sein Sohn Chozel; er ging zu-
näclist auf dem von ihm betretenen Wege weiter, indem er an der
Verbindung mit Salzburg festhielt. Von dort kamen die Vorstelier
der ])annonischen Kirche. Der Nachfolger des ]^oininilais. Swar-
nagal, war seinem Namen nach ein Slawe. Ihm folgte wieder ein
Deutscher, Altfrid. Wenn Erzbischof Adahvin ihn zum Archi-
])resbyter erhob, so darf man darin wohl die Absicht sehen, die
Konstituierung einer eigenen pannonischen Diözese anzubahnen.
Die Zahl der Kirchen an deutschen mul slawischen Orten ver-
mehrte sich noch weiter. Adahvin hat zwölf neue Kirchen ein-
geweiht. Es schien eine slawische Kirche zu erwachsen, die in
engster Verbindung mit einem deutschen Ei-zbistume stand.
Einen Moment lang ötfnete sich eine viel weiter reichende
Aussicht. Seit dem Jahre SIS waren die Bulgaren in die Sphäre
der fränkischen Politik eingetreten. Es gelang ihnen, nicht ohne
Schädigung des Keiches. sich in Unterpaunonien festzusetzen.'')
Das Verhältnis zu Deutschland blieb unsicher bis zum Frieden von
Tulln im .lahre S64. Erleichtert oder herbeigefidn-t wurde der Al)-
schluss des Friedens dadurch, dass der bulgarische König Rogoris
sich zur Annahme des Christentums entschloss.^^) p]r nötigte seine
Unterthanen. sich ebenfalls taufen zu lassen, und als infolge dessen
ein Autstand ausbrach, schlug er ihn mit lilutiger (rewalt nieder.'*)
Was imiiier seine Motive gewesen sein mögen, so suchte er aus
seinem (ilaubeuswechsel möglichst viel politischen Gewiini zu ziehen:
er .sandte nach Kegensburg, Pom und Konstantinopel Polen ,
welche von seiner und seines Volkes Bekehrung berichÜMi und um
Zusendung christlicher Prediger bitten sollten.''*) Im fränkiscben
Pez, Theg. I, 3 8. 233 Nr. 50; i. .1. Sfil Froising Cod. .lipl. .\nstr. Fris.
S. 19 Nr. 18.
1) Conv. Uiigoar. 13 i<. \A. Priwina lolite noch am 20. Februar 860
(ürk. l.ufhvigH d. D., 15. M. 1401); am 21. März 861 scheint er schon ge-
tötet gewesen zu sein (Urk. Chozels bei Moichclbeck, H. Fr. 1, 2 S. 353
Nr. 710).
2) Ann. Einh. z. .1. 827; vgl. Mühlhacher D. ^4. R. 3.55 tt'.
3) Ann. Bert. z. .1. 864; vgl. Nico). I ca]i. ro-^p. 11 (Mansi XV S. 457).
4) Ann. Bert. z. J. 866. Christ, expos. in Matth. (Migne 106 S. 14-56
H) spricht von Obertritten bei den Bulgaren.
5) Ann. Fuld., Bert. z. J. 866; Xant. z. .1. 868; Theophan. chron. con-
tin, IV, 13 S. 161 (od. Bonn).
— 693 —
Reiche war man über die Kunde von den Ereignissen an der
unteren Donau hoch ei'fi'eut; man erklärte sie sich gemäss der
eigenen rehgiösen Stimmung^) und war sofort bereit, jener Auf-
fordeiimg zu entsprechen: sie schien ein neues, weites Missionsfeld
zu erschliessen. AVelchen Wert ihr Ludwig d. D. beilegte, zeigte
er dadurch, dass er auch die westfränkische Kirche zur Beteiligung
aufforderte.-) Die Hauptarbeit sollte jedoch den bairischen Bischöfen
zufallen. Der gelehrte Mönch Ermanrich von Ellwangen war so-
eben von Ludwig an die Spitze der Passauer Diözese gestellt
worden.^) Er schien der rechte Mann für die Leitung der Bul-
garenmissiou. An der Spitze eines zahlreichen geistHchen Gefolges
begab er sich im Jahre 867 zu Bogoris. Allein er traf auf ganz
andere Verhältnisse, als man in Deutschland erwartet hatte: statt
freie Bahn zu linden, fand er sie bereits von andern Arbeitern be-
setzt. Nikolaus I. hatte, der bulgarischen Auftbrderung gleichfalls
Folge leistend, zahlreiche römische Priester zu Bogoris gesandt; sie
hatten die Arbeit inzwischen begonnen. Als Ermanrich und die
Seinen ankamen, erschienen sie wie Eindringhnge. Sie kehrten
deshalb noch im Sommer 867 nach Deutschland zurück.^) Der
Plan, die deutsche Mission bis jenseits der slawischen Welt aus-
zudehnen, war gescheitert.
Bald sollte auch in Pannonien der deutsche Einfluss beseitigt
werden. Das hängt mit den Verhältnissen des mährischen Reichs
zusammen.
Die nordöstlichen Nachbarn Baierns waren die slawischen
Stämme der Tschechen und Mähren, Obgleich einer Nation an-
gehörend, waren sie durch die Verschiedenheit der Sprache ge-
trennt, die Mähren durch die Gleichheit des Dialekts mit den Süd-
slawen, den Slowenen, verbunden.'^) Beide Stämme kamen in
Abhängigkeit von den Deutscheu: die Tschechen erkannten seit
Karl d. Gr. die fränkische Oberherrschaft an; mährische Gesandte
erschienen zum ersten Male im Jahre 822 zu Frankfurt, um dem
1) Das sieht man aus den ann. Bert. 1. c: Rex Bulgarorum . . Deo
inspirante et signis atque afflictionibus in populo regni sui monente christia-
nus fieri meclitatus fuerat.
2) Ann. Bert. 1. c. S. 86.
3) Ermanrich starb am 26. Dezember 874 (Ann. Alam. z. d. J. Necrol.
Aug. S. 282). Da er neun Jahre lang Bischof war (catal. M.G. Scr. XIII
S. 362), so muss er im Jahre 865 Passau erhalten haben.
4) Ann. Fuld. z. J. 867.
5) Über die Nationalität der Mähren s. Dümmler, Arch. f. Kunde österr.
GQ. XIII S. 169 ff.
— (ilM —
Kaiser zu huldiiicn und Oschenko darziibringeii.') Damals waren
Tschechen und Mähren Heiden. Böhmen wird noch achtzehn Jahre
später als heidnisches Land bezeichnet; ■) .doch bewirkten die Be-
ziehungen zum fränkischen Reich, dass wenigstens die Führer des
Volkes sich vor die Frage gestellt sahen, ob sie Christen werden
oder Heiden l)leiben wollten. Im Jahre S45 entschlossen sich vier-
zehn tschechische Fürsten auf einmal den Christennamen anzu-
nehmen. Sie erschienen mit ihren Mannen in Begensburg am Hofe
Ludwigs d. D. und Hessen sich taufen.'') Schon die Anzahl genügt
zum ]-}eweise. dass rehgiöse Beweggründe nicht wirksam waren.
Gleichwohl wüi'de es allen Gewolmheiten der damaligen Kirche
widei-sprochen haben, wenn man die Neugetauften ohne Begleitung
eines Priestei"s in die Heimat entlassen hätte. Wenn Begensburg
später Anspruch darauf erhob, dass Böhmen ein Bestandteil seiner
Diözese sei,^) so wird man an diese Taufe und an die ihr folgende
Sendung eines oder etlicher Priester gedacht haben. Dauernde
Fnicht erwuchs aus dieser Massentaufe nicht. Im Gegenteil daif
man wahrscheinlich den tschechischen Aufstand im Jahre 84() mit
ihr in Verbindung setzen.'') Die Heiden erwehrten sich mit GcAvalt
des Christentums, das ihnen aufgedrängt werden sollte. Zwar
wurden die Tschechen im Jahre 84S unterworfen; aber sie l)heben
stets unzuverlässig und zu jedem Veirat bereit. Infolge dessen
hörten die Kämpfe nicht auf. Wenn hiebei nicht selten Bischöfe
Führer der deutschen Heere waren,") so musste das jede Möglich-
keit, Mission zu treiben, zei-stören. Seit dem Erstarken des mähri-
schen Reiches schlössen sich die Tschechen an dasselbe an. V^on
dort aus scheint das Christentum von neuem zu ihnen vorgedrungen
zu sein.
Jener Herzog ^Nfoimir, Priwinas Gegner, ist der erste mährische
Füi-st, den die Geschichte kennt. Dass er ein Christ war, ist sehr
unwahi'scheinlich; ') dagegen ist sicher, dass ihn die Deutsclien als
1) Ann. Einh. z. J. 822.
2) Ann. Bert. z. .T. 840: Paganao oxteraeque gentes ---- Ann. Fuld. z.
d. J.: Sclavi.
3) Ann. Fuld. z. d. .1.
4) Othl. V. Wolfk. 29 (M.G. Scr. IV S 538): Quoniara Poemia provincia
8ub Ratisponensia occlesiae parochia extitit, etc.
5) Ann. Fuld., Bert.
6) 855: Rex misit aciem Baiowariorum in Poemanios, quorura ductor
fernst comes exatitü, epiacopis nimul comitantibua (Urk. bei Meichelbeck, H.
Fris. I, 2 S. 350 Nr. 702); 857 Otgar von Eichatätt; 871 Arn von Würzburg;
872 Am und Abt Sigehard von Fulda (Ann. Fuld. z. dd. JJ.).
7) Dudik, Mährens allg. (iesch. I (1860) S. 129 nimmt an, dass Moimir
— 695 —
Feind betrachteten. "Wenn Ludwig im Jahre nach der Taufe der
tschechischen Fürsten Moimir vertrieb und das mährische Herzog-
tiun seinem Neffen Rastislaw übertrug/) so wai- seine Absicht viel-
leicht, mit einem Male das Christentum bei beiden slawischen
Stämmen ziu" Anerkennung zu bringen. Denn Rastislaw war ein
Clu-ist. Bei den Böhmen misslang Ludwigs Plan, dagegen wurde
er bei den Mähi'en verwirklicht.-) Rastislaw bekehrte wahrschehi-
lich mit denselben Mitteln wie König Bogoris, sein Volk.^) Schon
im Jahre 852 konnte man von den Mähren als einem neu be-
kehrten Stamme sprechen.^) Dass der Herzog vornehmlich deutsche
Priester in das Land führte, war durch seine Beziehungen zu Lud-
wig bedingt; die geogi'aphische Lage wies ihn auf das Bistum
Passau, das die Südgrenze seines Landes bildete. Doch wii'kten
neben den deutschen Missionaren itahenische, vielleicht auch
griechische.^)
mit dem grösseren Teil seines Volkes das Christentum etwa gleichzeitig mit
Priwina angenommen habe. Aber aus der von ihm zitierten Stelle der
Transl. Clem. (c. 7 Font. rer. Bohem. I S. 96) lässt sich das unmöglich
folgern. Es widerspricht nicht nur Moimirs feindliches Verhältnis zu den
Deutschen, sondern besonders die Vernichtung der Kirche in Neitra (s. oben
S. 691 Anm. 1).
1) Ann. Fuld. Hildesh., Quedlinb., Lambert, z. J. 846.
2) Die Hauptquellen für das Folgende sind neben den wenigen Briefen
und Brieffragmenten, welche erhalten sind, die v. Methodii, herausgegeben
V. Dümmler, Arch. f. K. öst. GQ. XUI S. 153 ff. ; v. Constant., herausgegeben
V. Dümmler u. Miklosich, Denkschr. d. Wiener Ak. phil. bist. Kl. XIX S. 230ff.;
und transl. Clementis, herausgegeben in den Font. rer. Bohem. I S. 93. Sie
gehören zu den im ganzen glaubwürdigen Heiligengeschichten. Dass sie in
der Verteilung von Licht und Schatten auf die Helden und ihre Gegner
ungerecht sind, teilen sie mit allen Erzeugnissen dieser Litteraturgattung.
Unter den Bearbeitungen verweise ich auf Dümmlers bahnbrechende Unter-
suchungen: Über die östlichen Marken des fränk. Reichs (Arch. f. K. öst.
GQ. X S. 42 ff.), u. die pannon. Legende v. h. Meth. (a. a. 0. XHI S. 147 ff.).
Dudik, Mährens allg. Gesch. I S. 121 ff. hält sich nicht frei von Vor-
urteilen; von geringem Werte ist Rattingers breiter Aufsatz in den Stimmen
aus Maria-Laach, XXII S. 38 ff. — Bonwetsch, Cyr. u. Method. 1885, ders. P.
RE. IV3 S. 384; Friedrich in d. Münch. SB. 1892 S. 393; Götz, Geschichte
der Slawenapostel Konstant, u. Method. 1897; Bretholz, Gesch. Mährens I
1893 S. 64 ff. Jagic im Arch. f. slaw. Philologie Bd. IV S. 97 ff.
3) Transl. Clement. 7 S. 96. V. Meth. 5.
4) Conv. Mogunt. 11 (M.G. Cap. Nr. 249 II S. 189): In rüdem adhuc
christianitatem gentis Maraensium.
5) V. Meth. 5 lässt Rastislaw dem Kaiser sagen: Intraverunt ad nos
doctores multi christiani ex Italia et ex Graecia et ex Germania. Dagegen
— nrn; —
Ein solcluT Aiitaiiir cIit inälirisclR'u Mission nuisste die Arbeit
tintremein erschweren. Auch später wirkten die pohtischen Ver-
hältnisse hindernd.^) Rastishiw war zwar bereit gewesen, die Herr-
schaft aus den Händen der Deutschen anzunehmen; aber sein Ehr-
geiz war, als unabliängiger Fürst über ein grosses Reich zu gebieten.
Seit S.").") befand er sich deshalb in mehr oder weniger oft'enem
Krieg gegen das fränkische Reich. ^ Dass er im Jahre 870 be-
seitigt wurde, '^ war kaum ein öewinn. Denn sein Nachfolger
8watopluk war aus dem gleichen Stoffe wie er: er verriet den
Herzog an die Deutschen, um seine Stellung zu erhalten, und warf
sich dann sofort zum Vorkämpfer der Mähren gegen die Deutschen
auf.^) So wurde denn beinahe zwanzig Jahre lang gekämpft: erst
der Friede von Forchheim im Jahre 874 ftihiie zu geordneten Zu-
ständen.^)
Vom Christentum fielen die Mähren in diesen Kriegszeiten
nicht wieder ab; aber die deutsche Mission wurde vernichtet. Es
scheint, das Rastislaw gleich im Beginn des Kanii)fes die deutschen
Priester vertrieb und ihnen auch fernerhin den Zugang vcrwehile.")
behaupten die deutschen Bischöfe, quia ex inde (aus Baiern) piimuni im-
buti et ex pagania christiani sunt facti. Et idcirco Pataviensis episcopus
ciuitatis, in cuius ditione sunt illiua tempore (? terrae) populi, ab exordio
christianitatis eorum, quando voluit et debuit, illuc nuUo obstante intrauit
et synodalem cum suis et etiam ibi inucntis conuentum fre(juentauit et
omnia, (juae agenda sunt, potenter egit et nullus ei in faciem restitit.
Dass hier eine tendentiöse Übertreibung vorliegt, ist nicht zweifelhaft;
ebenso klar ist jedoch, dass auch die Angabe der v. Meth. tendentiös
gcfasst ist. Die geographische Lage Mährens schlicsst jeden Zweifel daran
aus, dass die ersten Prediger des Christenturas von Deutschland aus
dorthin kamen und dass sie, nicht Italiener und Griechen, die Hauptarbeit
leisteten.
1) Vgl. Dümmler, OFr. R. I S. 388 f.; Dudik, a. a. 0. I S. 131.
2) Ann. Fuld. z. d. J. 855, 858, 863, 865, 866. 869; Bort. z. d. J. 861,
866, 871 : Regin. chron. z. J. 860.
3) Er wurde zum Tode verurteilt, jedoch begnadigt, und geblendet
in ein Kloster verwiesen (Ann. Fuld., Bert., Alam. z. J. 870, Xant.
z. J. 871).
4) Ann. Fuld., Bert. z. J. 870 f.
5) Ann. Fuld. z. J. 874 Ugl. Dümmler, OFr. R. II S. 375).
6) Dies wird in der Denkschrift Theotmars behauptet; dabei gehört
es wieder zu den Übertreibungen derselben, dass sie von dem .\bfall vom
Christentum spricht (Boczek S. 61). Aber diese Übertreibung berechtigt,
wie mich dfinkt, nicht dazu, die ganze Nachricht zu verwerfen, da die Ver-
treibung der deutschon Priester an sich sehr wahr.scheinliih ist. Viel wahr-
scheinlicher als die Begründung, wokhc die v. Meth. dem Verlangen des
— 697 —
Ein Ersatz fiii' sie war notwendig: er fasste den Plan, ihn in Kon-
stantinopel zu suchen. Wenn der Beschluss, diesen Weg zu be-
schreiten, nach einer Beratung mit Swatopluk und den mähi'ischen
Grossen gefasst wurde, ^) so ist klar, Avelche Bedeutung man ihm
zuzuschreiben hat: das mährische Volk, im Kampfe mit den Franken
begriffen, suchte Anlehnung an das giiechische Eeich. Zieht man
in Betracht, dass die Sendung in dieselbe Zeit fällt,-) in welcher
Rastislaw giebt. Nach ihr beklagt sich Rastislaw über die Verschiedenheit
der Lehre bei den vielen griechischen, italienischen und deutschen Priestern,
welche in Mähren wirkten, und verhingt deshalb von Kaiser Michael einen
Lehrer, welcher die Mähren, diese simplices homines, die ganze Wahrheit
lehre. Zu diesem Zweck wird dann der berühmte Philosoph Konstantin zu
ihm gesandt (c. 5 S. 158.) Hier ist die Behauptung einer Lehrverschieden-
heit zwischen Deutschen und Italienern sinnlos; es könnte sich höchstens
um Lehrverschiedenheiten zwischen Morgenländern und Abendländern
handeln. Aber wie hätte dann ein neuer griechischer Lehrer die Ent-
scheidung geben sollen? Dazu bedurfte es für die Menschen des 9. Jahr-
hunderts des Ausspruchs einer kirchlichen Autorität. Während nun hier
über Überfluss an Lehrern geklagt wird, findet man in der transl. Clem. 7
die Klage über Mangel an Lehrern; ihm abzuhelfen, soll der Kaiser den
Philosophen, von dessen grossen Erfolgen unter den Chazaren Rastislaw
gehört hat, nach Mähren senden. Woher der Mangel an Lehrern stammte,
wird nicht gesagt, erklärt sich aber aus der Behauptung der Deutschen:
Rastislaw hatte die deutschen Priester vertrieben und suchte in Konstanti-
nopel einen Ersatz für sie. Der Satz Dümmlers (Archiv etc. XIII S. 167):
Rastislaw habe in Konstantinopel einen Lehrer verlangt, „um das Wort
Gottes in seiner Sprache zu hören'', scheint mir unbegründet; nach der v.
Meth. klagt der König: Neque habemus quempiam, qui nos in veritate in-
stituat et sensum scripturae interpretetur. Hier ist nicht von Mangel an
slawischer Unterweisung die Rede, sondern davon, dass die vielen Lehrer
nicht das Rechte lehrten; slawisch mussten auch sie reden, sonst wären sie
überhaupt nicht verstanden worden. Nach der transl. Clem. fehlte es
überhaupt an einem Lehrer; qui ad legendum eos et ad perfectam
legem ipsam edoceat. Auch hier wird der Nachdruck auf den Inhalt der
Lehre gelegt, da es sich von selbst verstand, dass ein Lehrer der Slawen
slawisch mit ihnen sprach.
1) V. Meth. 5; V. Const. 14.
2) Über die Zeit der Sendung fehlt es an Angaben. Man kann sie
nur rückwärts daraus erschliessen, dass Konstantin und Method Mähren im
Spätjahr 867 wieder verliessen. Wenn sie sich nach der transl. Clem. 7
S. 97 vier und ein halbes Jahr, nach der v. Meth. 5 S. 159 drei volle Jahre,
nach der v. Const. 5 S. 243 40 Monate in Mähren aufhielten, so sind das
Widersprüche, die sich nicht lösen lassen. Sie sind insofern ohne Bedeu-
tung, als auch nach der transl. Clem. die Sendung Rastislaws in das Jahr
863 fallen kann. Damals verbreitete Ludwig das Gerücht, er werde ge-
— fios —
111:111 einen kombinierten fräukisch-bnlguriselien Angriff erwartete, so
wird die Absicht vollends durchsichtig: weil die Bulgaren sich nach
Westen wandten, so wandten sich die Mähren nach Osten; die Be-
ziehungen zu Koustantinopel, die man suchte, sollten die fränkisch-
bulgarische Verständigung aufwiegen.
Jedermann weiss, dass Kaiser Michael in Konstantin und
Method zwei Männer nach Mähren sandte, welche wie wenig andere
fiir die Missionsarbeit geeignet waren.') Und wie viel leichter war
ilnien die Arbeit gemacht als den deutschen Priesteni. Denn ihnen
stand niclit der Nationalhass bei jedem Schritte hindernd im Weg.
Dazu kam, dass sie als Orientalen an den Gottesdienst in den natio-
nalen Sprachen gewöhnt waren und deshalb nicht nur slawisch
predigten, sondern auch die Messe in slawischer Sprache hielten.-)
Besonders das Letztere gewann ihnen die Herzen des Volkes.
Die slawische Messe wurde überall eingeführt, die beiden
Griechen waren die anerkannten Leiter des mährischen Kirchen-
wesens.
Papst Nikolaus I. befand sich damals in offenem Streite mit
der morgenländischen Kirche. Im Jahi-e 8()6 erhess Photius seine
meinsam mit den Bulgaren Rastislaw angreifen (Ann. Fuld. z. .T. 863). Da-
durch wurde Rastislaw geradezu genötigt, Beziehungen zu den Griechen
zu Buchen.
1) Dem Inhalt dieses Buches gemäss sehe ich davon ab, die Thätig-
keit Konstantins und seines Bruders darzustellen, und beschränke mich auf
die Verdrängung der Deutschen durch sie.
2) Dass auch die Deutschen den Slawen slawisch predigten, folgt aus
der Natur der Sache und ergiebt sich aus dem oben S. 690 über Adalram
und S. 692 über Swarnagal Gesagtem. Auch die Thatsache liefert einen
unanfechtbaren Beweis, dass die slawische Kirchensprache Ausdrücke ent-
hält, welche aus dem Althochdeutschen und dem Lateinischen entnommen
sind. Das Verdienst, darauf aufmerksam gemacht zu haben, gebührt
Dümmler (Archiv etc. S. 170). Den Beweis hat Miklosich (Denkschriften
der Wiener Akad. XXIV S. 9 ff.) geliefert. Ich finde nur, dass Dümmler
die notwendige Konsequenz aus seinem Satze zu ziehen unterlassen hat,
wenn er OFr. R. II S. 1^5 mit Bezug auf die Predigt der beiden Brüder
sagt: ,da8 Volk vernahm mit Begierde die Lehren des Christentums in
seiner eigenen Sprache." In slawischer Sprache müssen sie ihm schon
vorher verkündigt wordon sein. Das Neue, was die Griechen unternahmen,
war nicht, dass sie slawisch predigten, sondern dass sie die Liturgie in
slawischer Sprache hielten und die Bibel oder gewisse Teile derselben
übersetzten. Die Zuverlässigkeit der convers. Bag. bewährt sich auch hier,
wenn sie Method vorwirft, dass er vilescere fecit cuncto populo ex parte
missas et evangelia ecclesiastieumque officium illorum, qui hoc latino cele-
braverunt (c. 12 S. 14).
— 609 —
berülimte Enzyklika, um die orientalischen Patriarchen zu einer
Synode gegen Rom einzuladen. Unmöglich konnte Nikolaus unter
diesen Verhältnissen dem Eindringen von Griechen in eine abend-
ländische Ejrche ruhig zusehen. Er that, was er thun musste, und
forderte Konstantin und Method nach Rom.-)
Sie folgten der Vorladung ; ihre Reise führte sie durch Chozels
Gebiet. Der Fürst empfing sie ehrenvoll und sie wussten ihn
während ihres Aufenthalts völlig zu gewinnen. Nicht nur impo-
nierte ihm die überlegene wissenschaftHche Bildung Konstantins,'-)
sondern besonders erfi'eute ihn die slawische Messe. ^) Hat vielleicht
auch die mystische Frömmigkeit, als deren Vertreter man Kon-
stantin, den Bewunderer des Pseudodionysius,"*) betrachten darf, ihn
angezogen? Wie dem auch sei: Chozel sprach den Wmisch aus,
dass die Griechen ihm Kleriker für sein Land ausbildeten.'^) Seine
Absicht dabei kann nur auf die Einführung der slawischen Litm-gie
gerichtet gewesen sein. Bald gingen seine Gedanken weiter. Wäh-
rend die beiden Brüder noch in Rom verweilten, sandte er eine
Botschaft an den Papst, er möge ihm Method als Lehrer über-
lassen.'^')
Nikolaus war gestorben, ehe die Mährenmissionare in Rom
eintrafen, Hadrian aber hatte sich mit ihnen verständigt. Um sie
an Rom zu ketten, machte er ihnen ein Zugeständnis, wüe es nie
ein Abendländer erreicht hätte: er gewährte die Verwendung der
slawischen Sprache im Gottesdienst. Indem die Griechen in rö-
mischen Kirchen die slamsche Messe hielten, war ihre Berechtigung
in der feierlichsten Weise anerkannt.^ Als nun Chozels Aufforde-
rung in Rom eintraf, trug Hadrian kein Bedenken, ihr zu willfahren.
Er hatte Method und drei seiner Schüler ^) zu Priestern, zwei andere
zu Lektoren geweiht, und entliess sie nun nach Pannonien. Wie
man sieht, erhielt Method keine kirchHche Würde: die Zugehörig-
keit Pannoniens zu Salzbm-g war durch seine Sendung nach Pan-
nonien nicht beriihrt; aber die Berechtigung zur Einführung der
1) V. Meth. 6 S. 159; Transl. Clem. 8 S. 97.
2) Aus ihr erklärt sich der Beiname des Philosophen für Konstantin;
vgl. auch V. Meth. 8 S. 160.
3) V. Meth. 8 S. 160.
4) Anast. ep. 2 ad Card. Calv. Migne 129 S. 741.
5) V. Const. 15 S. 243.
6) V. Meth. 8 S. 159.
7) Der Brief Hadri ans, v. Meth. 8 S. 159, ist unecht; an der Thatsache
der Anerkennung besteht gleichwohl kein Zweifel.
8) Konstantin ist am 14. Februar 869 in Rom gestorben; man begrub
ihn in St. demente.
— 700 —
slawisclu'ii Liturtiio war Oliozi'! thatsäclilirli erteilt. W'ciui er iiuu,
naclulem Metluxl kaum bei ihm eingetroffen war, clensell)en von
neuem iiacli ]^)m sandte und zugleich das vorher nicht erliobene
Verhingen steHte. dass er zum Biscliof geweiht werde, so ist das
nur verständhch, wenn die deutschen Priester sofort gegen die Ein-
führung der shiwischen Messe Eins})ruch erlioben. Cliozel konnte
nur dann hotien, iliren AViderstaud zu brechen, wenn ]\rethod die
bischüfhche Autorität über sein Fürstentum erhielt.^) P^rst jetzt
also trat der Gedanke hervor, Pannonien aus dem Verbände mit
Salzburg zu lösen. In Rom niusste man gegen ihn mehr Bedenken
haben als gegen die Ernennung Methods zum Slawenlehrer; denn
dass Salzl)urg nicht gutwillig auf einen Teil seiner Diözese ver-
zichten würde, war vorauszusehen. Wenn Hadrian gleichwold den
Wiuisch Chozels erfüllte, so zeigt das, für wie gross er die Gefahr
hielt, dass sich Äfethod an seine heimische Kirche anschliesse. Um
dem AViderspruch Salzburgs zuvorzukommen, erwählte er einen mehr
klugen als ehrlichen Ausweg: er ernannte INfethod nicht zum pan-
nonischen Biscliof, sondern erneuerte das alte sirmische Erzbistum
und übertrug es ihm. Dadurch war dem Anspruch Salzburgs ein
älterer gegenübergestellt, ja Salzburg war ins Unrecht gesetzt: es
hatte einen Teil einer fremden Diözese okkujiiert.")
Method kehrte demnach als Erzbischof von Sirmium zu Cbozel
zujück. Jetzt wurde die Annahme der slawischen Litmgie geboten.
Der Archipresbyter Rihiiald. der ihre Annahme verweigerte, sah
sich genötigt, das Land zu verlassen; er begab sich mich Salzburg."')
Dort konnte man unmöglich sich schweigend in das Gesche-
hene fügen. Denn liier handelte es sich nicht wie in ^läliren um
gewaltsame Vertreibung etlicher Missionare während eines Krieges;
sondern hier handelte es sich um einen seit beinahe zwei «Jahr-
zchnten kirchlicli organisierten Teil des Erzbistums. Method, so
gi'oss seine Verdienste in Midiren gewesen sein mögen, ist von dem
1) Die V. Meth. unterlässt jede Motivierung der Rücksendnn<j Methods
mich Rom; dio transl. Clem. spricht nhorhanjit nicht von ihr, sondern lässt
die beiden Brüder .sogleich zu Bischöfen geweiht werden (c. 9 S. 98).
2) Nach V. Meth. 8 ging schon der Wunsch Chozels dahin, dass Method
zum Bischof von Sirmium geweiht werde. Ks ist jedoch viel wahrschein-
licher, dass man in Rom auf den Gedanken kam, ein altes Bistum zu er-
neuern, als dass der slawi.Mche Filr.^t ihn hatte, der schwerlich etwas von
den altkirchlichen Bistümern an der unteren Donau wusste. Auch darin
ist die V. Meth. ungenau, dass sie die Weihe Methods zum Krzbischof nicht
erwähnt. Sie ist genau genommen dio einzige sicher bezeugte Thatsache
(Schreiben .Johanns VIII., J.W. 3267).
3) Conv. Bagoar. 12 S. 14.
— 701 —
Vorwurf nicht freizusprechen, als EindringKng fremdes Gebiet an
sich gerissen zu haben.
Erzbischof Adalwin handelte im Bewusstsein seines guten
Rechtes, indem er Method vor eine Synode der bairischen Geist-
lichkeit lud.') Chozel, vom Reiche abhängig, konnte das um so
weniger hindern, als König Ludwig unzweideutig Partei für Salz-
burg ergriff. In seiner Anwesenheit fand die Synode wahrschein-
hch gegen Ende des Jahres 870 statt. ^)
Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen. Der Ingrimm der
Baiera gegen alles Slawische trat ganz unverhohlen an den Tag.
Besonders Bischof Ermanrich, der ja auch über den Raub seines
Missionssprengeis zu klagen hatte, liess seiner Heftigkeit die Zügel
schiessen: er ging mit der Reitpeitsche auf Method los und hätte
ihn geschlagen, wenn ihm nicht andere in den Arm gefallen wären. ^)
Umgekehrt reizte Method seine Gegner dm-ch den spöttischen Hoch-
1) Bretholz hat in den Mitth. f. Ost. Gesch.F. XYI S. 342 f., der bis-
herigen Anschauung entgegentretend, die Ansicht entwickelt, es habe sich
vielmehr um eine i. J. 870 in Mähren nach dem Sturze Rastislaws in Gegen-
wart Swatopluks abgehaltene Disputation gehandelt; Swa,topluk habe Method
den Deutschen ausgeliefert. Die Annahme scheitert, wie mich dünkt, an
der Verteidigung Methods, die zum Angriff auf die Deutschen wird, dass
sie die alten Grenzen gegen die göttlichen Gesetze überschreiten. Das kann
sich nur auf Pannonien, nicht aber auf Mähren beziehen.
2) V. Meth. 9 S. 160 f. Die Annahme des Jahres 870 gründet sich
darauf, dass die conversio Bagoariorum 75 Jahre nach der Überweisung
Pannoniens an Salzburg geschrieben ist (c. 14 S. 14). Bezieht man diese
Angabe auf die Übertragung durch Pippin i. J. 796 (c. 6 S. 97, vgl. oben
S. 465), so kommt man auf 871 als Abfassungszeit dieser Denkschrift. Dar-
nach ist anzunehmen, dass Method 870 als Erzbischof in Pannonien zu
schalten begann. Da die Denkschrift aller Wahrscheinlichkeit nach für
den Papst bestimmt war, so ist sie durch die Appellation Methods veran-
lasst. Demnach muss die Synode einige Zeit vor ihrer Abfassung abgehalten
worden sein; also wahrscheinlich im Spätjahr 870. Dümmler (OFr. R. II
S. 377) erinnert, dass Ludwig d. D. damals eine Reichsversammlung zu
Regensburg hielt. Strakosch-Grassmann, der auf die von der Seinen ab-
weichende Chronologie „nichts giebt" S. 490, hat sich den Beweis für die Seine
sehr leicht gemacht, indem er auf J.W. 2976 und die dort vorkommende
Bezeichnung des Methodius als episcopus verweist. Denn er hätte den Brief
nur zu Ende lesen müssen, um zu finden, dass M. in ihm mit aller wün-
schenswerten Deutlichkeit als Erzbischof bezeichnet wird: cum inter archi-
episcopos causa versetur. Ein ebenso schlimmer Lapsus ist sein zweiter
Beweis, die Stelle v. Clem. 2. Denn Eparchie bedeutet ja eben den Metro-
politansprengel.
3) Brief Johanns VIII. (J.W. 2977).
— 702 —
nnit. mit dem er sie nls Idioten behandelte.^) Die Hauptsache
■war doch, dass die gegenseitii^e Rechtsauschauung sich ausschloss.
Die Deutschen machten Method zum ^'orwurf, dass er in ein
fremdes Gebiet eingedrungen sei: sie gingen davon aus, dass Pan-
nonien zweifellos einen Teil der Salzburger Diözese bildete. Method
leugnete nicht, dass das Eindringen in einen fremden Sprengel ver-
werflich sei, aber er leugnete, dass dieser Vorwurf ihn treffe: Pau-
nonien gehöre nicht zur Diözese Salzburg; es hänge von Rom ab;
nur aus Ehrgeiz hätten die Salzburger die alten Grenzen ihrer
Diözese ül)erschritten.-) Eine Verständigung war unmöglich; die
Entscheidung der Synode konnte nicht zweifelhaft sein, Method
wurde in aller Form abgesetzt und nach Deutschland verwiesen. '^)
AVahi-scheiidich als Gefangener eines Freisinger Klosters lebte er
dort zwei und ein halbes Jahr.^)
Natürlich appellierte er nach Rom. Dorthin wandte sich
auch Adalwin.'') Er wird jene Denkschrift vorgelegt haben, aus
Avelcher wir den grössteu Teil unserer Kunde von den Anfängen
des Erzbistums schöpfeji. Eine leidenschaftslose Darlegung des
Sachverhalts, welche das Recht Salzburgs zu beweisen wohl ge-
eignet war: sie wies überzeugend nach, dass die Kirche in Pan-
nonien eine Frucht der langjährigen Arbeit der Salzburger Bischöfe
und Priester sei. Auch König Ludwig richtete eine Voi-stellung
an l'ai)st Johaim VIII. Es scheint, dass er der von ]\Iethod auf-
gestellten Behaui)tung gegenüber, Pannonien gehöre dem heiligen
Peti-us, daran eriiuierte, dass von Rom für die Bekehning des
Landes nicht das Geringste geschehen sei.") Dass Karl d. Gr.
dass Land an Salzburg überwiesen hatte, daran gedachte sein Enkel
1) V. Meth. 9 S. 160.
2) L. c.
3) Die V. Meth. verschweigt die Absetzung: dagegen wird sie von
.Tohann VIII. erwähnt (J.W. 2975).
4) Die V. Meth. sagt nur: Miserunt in Suevos et dotinebant annos
duos et dimidinni. An ein Froisinger Klo.stcr zu denken voranla.'^.st Johanne
Schreiben an Bischof Anno (J.W. 2979). Nach demselben suchte Anno
Methods Appellation nach Rom zu verhindern: Petente illo . . ipsiuB snncte
Romane sedis iudicium concedi minime permisisti, sed in eum cum sequa-
cibus tuis et sociis quasi sententiam pertulisti et a divinis celebrandis
officiis illum sequnstrans carceri mancipasti.
.5) In der Instruktion für Paul von Ancona (J.W. 2976) spricht Johann
von wiederholten Appellationen.
fi) Ergiebt sich aus dem Bruchstück eines päpstlichen Schreibens an
den König (J.W. 2970) und aus der Instruktion für Paul von Ancona (Nr. 1
und 2).
— 703 —
nicht mehr:^) so vollständig waren die Rechte vergessen, welche
der König einstmals in den kirchlichen Angelegenheiten geübt
hatte.
Johann VIII. zweifelte keinen Moment, dass er bei der An-
ordnung seines Vorgängers zu beharren habe. Dem König erwiderte
er, nur durch die kriegerischen Unruhen in Itahen seien die Päpste
längere Zeit verhindert worden, Bischöfe nach Pannonien zu senden.
Niemand aber könne daraus gegen die Rechte Roms irgend etwas
folgern; denn die römischen Rechte seien unverjährbar.-) Erz-
bischof Adalwin aber gebot er, Methodius sofort in sein Amt wieder
einzusetzen.") Er sandte, um die Sache zu betreiben, den Bischof
Paul von Ancona als Legaten nach Deutschland. Derselbe hatte
den Auftrag, eine Synode der bairischen Bischöfe abzuhalten; auf
dersellien sollte jedoch keine Untersuchung über die Diözesan grenzen
stattfinden, sondern es sollte nur die Wiedereinsetzung Methods
vorgenommen werden. Erst wenn die letztere erfolgt sei, könne
man an die erstere denken; sie müsse jedoch in Rom stattfinden.
Ermanrich von Passau wurde nach Rom vorgeladen, um sich dort
wegen seines Verfahrens gegen Method zu verantworten, und bis
zu seinem Erscheinen exkommuniziert. Auch Anno von Freising
wurde unter der Drohung der Exkommimikation nach Rom be-
rufen.
Es ist nicht bekannt, ob Paul die angekündigte Synode ab-
hielt. Sicher ist jedoch, dass die deutschen Bischöfe sich fügten.
Method wurde freigegeben. Wie in Pannonien,*) so wurde nun
auch in Mähren seine erzbischöfhche Autorität anerkannt. Dort-
hin waren vielleicht im Jahre 870 deutsche Priester zurückgekehrt;
sie wurden jetzt von neuem verjagt, Swatopluk übergab Method
das ganze Kirchenwesen. ■^) Das pannonische und das mährische
Missionsgebiet waren für Deutschland verloren; auch Böhmen
1) Das ist um so auffälliger, als die Salzburger Denkschrift die That-
saclie nicht nur erwähnt, sondern am Schluss noch eigens hervorhebt: A
tempore, quo dato et praecepto domni Karoli imperatoris orientalis Pan-
noniae populus a Juvavensibus regi coepit praesulibus, etc. (c. 14 S. 14).
2) J.W. 2970.
3) L. c. 2975.
4) Chozels Fürstentum kam nach seinem Tode wieder unter die Ver-
waltung deutscher Grafen (Dümmler, OFr. R. II S. 382). Damit wird es
zusammenhängen, dass Theotmar von Salzburg wieder Amtshandlungen in
diesem Gebiet verrichtete (Äuct. Garst, z. J. 874 M.G. Scr. IX S. 565: Ein-
weihung der Kirche in Pettau).
5) V. Meth. 40 S. 161. Paul von Ancona war beauftragt, mit Method
zu Swatopluk zu gehen (J.W. 2976 Nr. 5).
— 704 —
scliloss sich, so weit von Cliiistontiiin in rliosoni Jjando die Rede
sein kann, an die mährische Iviichc an.')
Dieses Kesnltat wurde durch die Schwierigkeiten, mit welchen
INfethod zu lingen liatte, nicht geändert. Auch dass Swatopluk
selbst schhesshcli den nationalen Charakter der mährischen Kirche
wieder zerstörte, brachte keinen AVandel hervor. Denn Mähren
bheb der deutschen Kirche gegeniilu'r verschlossen. Vergeblic;!! er-
hob Erzbischof Theotmar von Salzl)urg energischen Einspruch, als
Johann YIII. im Jahre 900 neue Ordinationen für Mähren vor-
nahm.-) Die Zerstörung des mährischen Keichs durch die Ungarn^)
um das Jahr !)0() machte vollends jedem Gedanken an die Wieder-
einnahme des verlorenen kirchlichen Gebiets ein Ende: die kirch-
lichen Grenzen Passaus und Salzburgs wurden wieder bis an die
Enns und den Abhang der Alpen zurückgeschoben. Die deutsche
Kirche hatte im Beginne des zehnten Jahrhunderts nicht einmal
mehr das Gebiet inne. welches sie unter Karl d. Gr. besetzt hatte.
1) Ann. Pra^. z. J. 894 (Font. rer. Boliom. II S. 376): Hoc anno bap-
tizatus est Borivoi, primus christianus in Bocmia, cum uxore sua Ludmila.
Cosm., chron. Boem. I, 10 (l. c. S. 18) erwähnt dio Taufe a Methodio epi-
scopo in Moravia.
2) Boczek, Cod. dipl. Mor. I S. 60 ff. Nr. Ol und 92. Die Eingal.o
Theotiuars ist von dem gesamten bairischen Ejiiscopat, den Bischöfen Waldo
von Freising, Erchenpahl von Kichstädt, Zacharia.s von Sebon, Tuto von
Hegensburg und Kicliar von Passau unterzeichnet.
3) S. Dümmler, OFr. I(. III S. 533 f.
Fünftes Kapitel.
Ergebnisse.
Der Niederschlag der Thaten und Ereignisse sind die Zustände.
Nach ihnen muss man deshalb forscheu, wenn man die Ergebnisse
der Arbeit einer geschichthchen Epoche erkennen will. Stellen wir
die Frage nach den religiösen Zuständen des neimten und beson-
ders des ausgehenden neunten Jahrhunderts, und suchen wir dabei
ebensowohl die Kräfte gesunden Lebens, die wirksam waren, als
die krankhaften geistigen Strömungen, die nicht fehlten, zu er-
kennen !
Prinzipieller Widerspruch gegen die cln-isthche Lehre und un-
verhohlene FrivoKtät war der Zeit fremd. Wenn von dem Abte
Hucbert, dem Bruder der Königm Thietberga, erzählt -^vird, dass
er über das evangehsche Wort: Wer sich selbst erniediigt, wird
erhöhet werden, spottete,*) so steht das ganz vereinzelt da. Fehlte
es nicht an solchen, die sich in religiöser Hinsicht ziemlich gleich-
giltig verhielten,-) so lag darin doch keine Feindsehgkeit gegen das
Christentum oder die Religion überhaupt. Ein Satz, den Christian
1) Gest. abb. Lob. 12 (M.G. Scr. IV S. 60).
2) Vgl. die Schilderung, die Hraban von dem Leben Gleichgiltiger
entwirft (de eccles. discipl. EI, opp. VI S. 1252): Qualis ille est Christia-
nus qui cum mane a lecto ebrietatis suae surrexerit, non aliquo operi utili
insistit, non ad ecclesiam orationis causa vadit, non ad audiendum verbum
Dei concurrit, non eleemosynas agere satagit, non infirmos visitare vel ca-
lumniam patientibus subvenire contendit, sed aut in venatum foras pergit,
aut domi lites et contentiones excitat aut aleae vel fabulis et iocis se inu-
tilibus impendit, donec edulium suum a servis laborantibus praeparatur.
Hauck, Kirchengeschichte. II. 2. Aufl. 45
— 70(1 —
von 8t;il)l() oinnial ;uissi)ncht. cliarakterisiert die Zeit. Kr sagt:
Niemand kann Gott hassen.') Feindseliger Unglaube gehörte tur
die Mensclien des neunten Jahrhunderts zu dem Unvoi-stellharen.
Auch war di(> Zahl der Gleichgiltigen verhältnismässig nicht gross.
AVenn die Pariser Synode von 829 tadelnd erwähnt, dass manche
Gemeindeglieder nur selten zur Ejrche kämen, so spricht sie zu-
gleich aus, dass die meisten die Gotteshäuser sehr häufig besuchten.-)
Otfi-id von Weissenburg aber schildert die Franken als gottes-
fiirchtiges Volk: alles, was sie denken, wirken sie mit Gott; sie
unteniehmen nichts ohne seinen Kat; sie sind tieissig sein Wort
zu lernen, zu singen, zu erfüllen.*'^)
Allein, wenn der Glaube nirgends auf grundsätzlichen Wider-
spnich stiess — selbst den abgeschwächten Gegensatz: Gläul)igk(Mt
und Aufklärung kennt diese Zeit nicht — , so fehlte doch viel
daran, dass er das Verhalten beherrscht hätte. Dass einzelne Ver-
brechen und Unthaten vorkamen, ist natürlich kein Beweis liiefür,
wohl aber dass in mancher Hinsicht die Durchschnittssittlichkeit
aut^allend gering war. Am schlimmsten stand es wahrscheinlich
in Bezug auf die Keuschheit. Hraban urteilte, dass es wenige
(Christen gäbe, die von Fleischessünden unbefleckt seien.*) Von
andeni wurde dieselbe Ansicht in der schärfsten Form ausge-
sprochen."') Erzätilungen wie die von dem Klosterschüler Salomo,
dem spätem Bischof von Konstanz, der die Gastfreundschaft, die
er genoss, damit lohnte, dass er die Tochter seines AV'irtes ver-
führte,") und Beschlüsse w'ie der der Mainzer Synode vom Jahre S52.
welcher Konkubinate gewissermassen kirchlich legitimierte,') verwehren,
1) Expos, in Matth. IH Migne 106 S. 1317.
2) II, 11 (Mansi XIV S. 588).
3) Krist I, 1 V. 105 ff. S. 26; vgl. v. 111 f.: Sio eint gnate thegana,
oiih gote thiononte alle.
4) De mod poenit. 8 (opp. VI S. 1315).
5) Gutachten der Minorität aiif der Synode zu .Vachon H62 (h. o.
S. 548 Anm. 10): Si quaecunquo comniittuntur ante nuptias, postquam nup-
tum fuerit, in crimine detineantur, licentia non modica tribuitur et viro et
mulieri solvendi coniugium. Ut de mulieribus taceam, rarus aut nuUua est
vir qui cum uxore virgo conveniat. Vgl. da.s Rätsel de castanea: Millibus
in multig vix postea cemitur una («c. lasta). Poet. lat. 1 S. 22 Nr. 7; Jon.
de instit. laic. II, 2 S. 170 f. L>ie schlimmsten Verirrungen der Sinnlichkeit
tadelt die Pariser Synode von 829 (III, 2 S. 595), womit zu vergleichen vis.
Wett. 6 S. 270 und 24 S. 274.
6) Ekkeh. cas. s. Gall. 1 S. 92.
T) C. 15 (M.G. Cap. II S. 190 Nr. 249): Is qui non habet uxorem, et
pro axore concubinam habet, a communione non pellatur, tan tum aut unius.
— 707 —
dass man solche Urteile für übertrieben halten kann. Überdies
lassen die Biissbücher dieser Zeit einen unaussprechlichen Abgnmd
von Gemeinheit ahnen. Besonders schlimm war der Stand der
Sitthchkeit in manchen Nonnenklöstern: sie waren geradezu Stätten
der Unzucht.^) Ebenso wird die Unmässigkeit als ein allgemein
heiTschendes Laster bezeichnet.-) Man wird sich kaum dai'über
wundern. Aber darüber wundert man sich, dass der Selbstmord
verhältnismässig häufig gewesen zu sein scheint.^) Die leidenschaft-
Hche Gewaltthätigkeit des deutschen Wesens durchbrach auch jetzt
noch oft genug die Schranken des Eechts. Es wäre leicht, eine
Menge Thaten aufzuzählen, welche an die Zustände der Mero-
wingerzeit erinnern. Priester, welche in der Handhabung der
Kirchenzucht ihre Pflicht thaten, zogen sich nicht selten den giim-
raigsten Hass der dadurch Betroffenen zu.^) Wie übel hat man
dem ai'men Folkard in Metz'^) und einem der Priester Arns von
Würzburg *^) mitgespielt. Auch die rücksichtslose Eintreibung der
mulieris aut uxoris aut concubinae, ut ei placuerit, sit coniunctione con-
tentus. Die Bestimmung ist der 1. Synode von Toledo c. 17 (Bruns S. 206)
entnommen.
1) Conc. Aquisgr. (a. 836) II, 2 c. 12 (Mansi XIV S. 682): Quae (mo-
nasteria puellarum) in quibusdam locis lupanaria potius videntur esse quam
monasteria; vgl. conc. Paris (a. 829) I, c. 43 S. 564) und Hraban an Hum-
bert (Ep. Fuld. fragm. 19 S. 525). Über Unzucht der Kleriker conc. Aquisgr.
II, 2 c. 7 S. 681.
2) Theodulf. cap. 13 S. 195; 27 S. 199; Episc. relat. ad Hlud. -54 (a. 829)
M.6. Cap. II S. 45: Sunt et alia detestanda vitia, quae ita habentur quasi
naturaliter in usu, ut ea perpetrantes, quanti sint criminis, non advertant.
Sicut sunt ea, quae apostolus aperte enumerat, i. e. ebrietates, comessa-
tiones etc.
3) Christ, expos. in Matth. 43 (Migne 106, 1416): Non solum apud
Deum eiusque Christianos exsecrabile malum est sibi inicere manus, verum
et apud antiquos paganos ita exosum, ut manus ' quae hoc perpetrasset
communi sepultura cum corpore careret. Sed quod dici dolor est, adhuc
hodie nomine tenus Christiani hoc faciunt. Daraus erklärt^ sich wohl der
Nachdruck, mit dem Hraban gegen die Verzweifelung spricht (de mod.
poen. 4 ff. opp. VI S. 1306 ff.).
4) Vgl. die Klagen Liutberts von Mainz: Si quando . . criminibus
publicis . . resistere et eis cum adiutorio coepiscoporum nostrorum finem
vel modum imponere conamur, potentiores quilibet . . quasi fera bestia vitam
nostram lacerare et omni auctoritate indignam . . garrire consueverunt;
adicientes insuper et comminantes, apud vos (d. Papst) de nobis se vindi-
caturos et de gradu episcopali deposituros (ep. Mog. HS. 332 f.).
5) Conc. Mett. (a. 888) c. 10 Mansi XVHI S. 80.
6) Conc. Mogunt. (a. 888) c. 8 Mansi XVIII S. 66, vgl. c. 7. Ein
drittes Beispiel conc. Trib. (a. 895) c. 2, Cap. II S. 214.
45*
— TOS —
Zehnten machte da. und dort böses Bhit.*) Nicht minder rief die
steigende Macht der Bischöfe und Äbte die Eifersucht der welt-
hchen Grossen wach.-) Mancher kirchhche Würdenträger hatte
darunter zu leiden/') Freihch waren die Kleriker nicht immer
besser als die Laien. ^)
Solcht> Ei-scheinungen geben einen Massstab zur Schätzung
der iülgemeiuen Sittlichkeit. Das Urteil, dass sie in mancher Hin-
sicht nicht hoch stand, ist ohne Zweifel begründet. Allein für sich
allein sagt es nichts. Man muss die sittlichen Zustände an der
Vergangenheit messen: und vergleicht man nun die Zustände um
das Jahr 900 mit denen um das Jahr 700. so ist der Foitschritt
nicht zu verkennen.^) Die Hauptsache ist, dass in der letzten
Merowingerzeit die Kirche ihren sittigenden Einfluss auf das Volk
beinahe völlig eingebüsst hatte, während das jetzt nicht der Fall
war. Überall trat die bleibende Frucht des Wirkens des Bonifatius
und der Thätigkeit Pippins und Karls an den Tag. Im Schwanken
der politischen Verhältnisse wurde die kirchliche Organisation nicht
wieder erschüttert, ja sie erhielt nun erst ilu-e volle Durchbildung.
Zwar darin trat kein Wandel ein, dass die Bischöfe als die
geistliche Aristokratie in allen Angelegenheiten des Reichs der
weltlichen Aristokratie zur Seite standen.") Im Gegent^nl, im
neunten Jahrhundert wurden die Grundlagen gelegt, auf welchen
sich alsbald die fürstliche Macht der Bischöfe erheben sollte.*)
Wenn Karl d. Gr. sie für die Staatsgeschäfte nicht entl)ehren
konnte, so wurden sie unter Ludwig d. Fr. vollends in die ])olitische
Parteiung verflochten. Der Tadel, den die welthchc Thätigkeit
1) Die Klaj?en des Erzpriesters Hadubnind über den üblen Willen
seiner Gemeinden mögen begründet gewesen sein. Aber Hrabans Ermah-
nungen zeigen, dass ein grosser Teü der Schuld auf ihn fiel, Ep. Fuld.
fragm. 16 S. 521 f.
2) Vgl. Dümmler, OFr. R. III S. 639.
3) Conc. Mog. (a. 847) praef. Cap. II 8. 174, Regin. chron. z. .1. 895
S. 606. Einzelne Fälle: Gonc. .\lth. (a. 916) c. 31 M.G. Leg. II S. 559. Regin.
chron. z. J. 903 S. 610.
4) Vgl. ep. Mog. 7 S. 325; Nicol. I an den Chorbischof Osbald (J.W.
2854).
5) Nicht ohne Wort ist da« Urteil Salomos II. von Kon.stanz, der,
nachdem er einen Teil seiner Diözese visitiert hatte, schreiben konnte, er
habe nicht gerade viel Schlechtes gefunden (Form. Sangall. 38 S. 420).
6) Charakteristisch hiefür ist die Urkunde Karls d. D. für Langrea
vom 15. .lanuar 887 (B.M. 1694), wo es heisst: Ob deprecationom Liuthardi
ven. Vercellensis episcopi aliorumque nostrorum principum.
1) Hierüber im nächsten Buch.
— 709 —
der Bischöfe fand,^) verhallte fruchtlos. Bald hatte man nicht nur
über ihre Teilnahme an Eegieruugshandlmigen zu klagen; wie in
der Merowingerzeit zogen sie wieder zu Feld; sie erscheinen nicht
selten als Heerführer. Im Jahre 871 leitete Am von Würzburg
neben dem Grafen Ruodolt einen Feldzug gegen die Tschechen. Im
Jahre darauf führte er Karhnann ein Hilfsheer zu; im Jahi'e 884
zog er gegen die Normannen.-) Ebenso kriegerisch war sein Nach-
bar, Erzbischof Liutbert von Mainz: auch er lag bald gegen die
Wenden, bald gegen die Normannen zu Felde. ^) Während im
Jahre 840 dem Bischof Aldrich von Le Mans von Ludwig d. Fr.
die Erlaubnis erteilt wurde, einen Okonomus zu bestellen, der an
seiner Statt die bischöflichen Vasallen im Felde führte,^) bat dreissig
Jahre später Franko von Lüttich den Papst, er möge zAvei Klerikern
seiner Diözese die bischöfliche Ordination erteilen, da er durch
seine vielfachen Kriegszüge an der ^Ausrichtung seines Amts ge-
hindert sei.'') Das waren nicht Ausnahmen, sondern so stand es
überall. Karl d. D. verpflichtete geradezu Bischöfe. Abte und
Grafen zum Schutze des Eeichs gegen die Normannen.*^) Zwischen
den Jahren 886 und 908 sind zehn deutsche Bischöfe auf dem
Schlachtfeld gefallen.') Wenn man den ganzen Umschwung, der
im Lauf eines Jahrhunderts in Bezug auf die Stellung der Bischöfe
eintrat, sich vergegenwärtigen will, so muss man Männer wie Hatto
von Mainz '^) und Salomo III. von Konstanz mit Männern wie
Anskar und Liudger vergleichen. Während die Thätigkeit der
letzteren in der Ausrichtung ihres kirchlichen Benüs aufging, hat
von den ersteren die Kirchengeschichte wenig, die Beichsgeschichte
um so mehr zu berichten.
Gleichwohl wiu-de der Episkopat nicht wieder zu dem, Avas er
unter Karl Martell gewesen war. Denn die Bischöfe des neunten
Jahrhunderts verloren die geistliche Seite ihi^es Amtes nicht aus dem
1) Z. B. V. Wal. II, 3 S. 549, über Hraban s. o. S. 622.
2) Ann. Tuld. z. dd. aa. JJ. S. 384 ff.
3) L. c. z. d. J. 872, 874, 883.
4) Urkunde Ludwigs d. Fr. vom 15. Februar 840 (B.M. 971): Quod
multa ex bis, quae in sua parochia agere debebat . . , propterea quod iam
assidue in nostro servitio . . commorabatur, neglecta erant, tarn in pi-aedi-
catione seu conErmatione atque doctrina quam et in restaui-atione eccle-
siarum vel pravorum hominutn correctione.
5) Ann. Lobiens. z. J. 870 S. 195.
6) Ann. Fuld. z. J. 884 S. 399.
7) Dümmler, OFr. R. lü S. 639 Anni. 1.
8) Regino an Hatto (de synod. caus. praef. S. 1): Vestra sapientiae
supereminens celsitudo in disponendis rebus publicis assidue versatur.
— 710 —
Auge. Das beweisen vor allem die Kouzilieu dieser Zeit. Seitdem
die kirchlichen Angelegenheiten nicht mehr so unmittelbar von den
Füisten geleitet wurden, wie unter Karl d. Gr. und zum Teil noch
unter Ludwig d. Fr./) kamen rein kirchliche Versamnduugen wieder
häutiger vor. Sie waren weit davon entfernt, sich in irgend einer
'o
Hinsicht in Gegensatz zu den Königen zu stellen. Aber es ist
doch deutlich, dass das stärkere Hervortreten des synodalen Ele-
mentes dem Kückgang der königlichen Gewalt entspricht. Die Ober-
aufsicht über das kirchliche Leben, die einst Karl getuhrt hatte, fiel
jetzt dem Episkopat zu. Er hat sich dieser Ptlicht nicht entschlagen.
Die Synoden, die Hraban in den Jahren .S47, S4S und S5'2
in Mainz hielt, sind früher erwähnt worden.-) Versamndungen der
Bischöfe fehlen in keinem der folgenden Jahrzehnte. Mau weiss
von einigen ^Lainzer Synoden untei- Hrabans Nachfolgern: Anfang
( )ktober S.')7 fand eine solche unter Erzbischof Karl,-*) im Herbst
867 eine zweite unter Liutbert statt.^) Am IG. Mai S6S tagten
die deutschen Bischöfe in Anwesenheit König Ludwigs zu Worms :''')
1) Die Synoden unter Ludwig sind, wie unter Karl, grösstenteils in
Verbindung mit Reichstagen abgehalten: auch wenn dies nicht der Fall
war, waren sie vom König entboten. Bekannt sind folgende: Aachen 816,
8. D.S. .382; (Aachen 817 Synode der Äbte, s. o. S. .582 tf.); Aachen 818— 819,
8. 0. S. 587; Attigni 822, Ann. Einh. z. d. J. S. 159, Cap. 174 S. 357; Paris
825, s. o. S. 487 f.; wahrscheinlich Ingelheim l.-Juni 826, Ann. Einh. z. d. .1.
S. 169, verb. Cap. 1.54 S. 5110'.; Mainz, Paris, Lyon u. Toulouse Frühjahr
829, Cap. 1*5411 S. 2, vgl. oben S. 497 f.; Worms August 829 Ann. Einh. z. d.
J. S. 177, Cap. 196 S. 26 ff., 191 S. 12 ff., vgl. oben S. 606; Compiegne 833.
vgl. M.G. Cap. 197 1". II S. 51—57; Diodenhofen 835, s. o. S. .508; Aachen
836. B. 0. S. .562; Kiersi 838, s. o. S. 64.5f.; Ponen ?, s. u. S. 720, 3. Ich ver-
weise auf die dankenswerte Zusammenstellung der fränkischen Synoden
von 742-843 von Werminghoff, N.A. XXIV S. 4.5!) ff.
2) S. 0. S. 624 ff.
3) Ann. Fuld. z. d. ^. S. 48: Inter alia. (juae ventilata sunt de iure
ecclcsiaetico.
4' Ann. Xant. z. d. .1. S. 232. Es handelte sich um ?irledigung eines
Disziplinarfalls: Ein Priester, der eine Zeit lang in Sachsen den Heiligen
gespielt hatte, wurde als Schwindler abgesetzt.
6) Ann. Fuld. z. d. .1. S. 67. Das Konzil war sehr zahlreich besucht.
Anwesend waren die drei Erzbischctfe T-iutbert von Mainz, Adalwin von Salz-
burg und Rimbert von Hamburg, 19 Hiechöfe: Altfrid von Hildesheim, Gunzo
von Worms, Salomo I. von Konstanz. Anno von Freising, Landfrid von Sehen,
Ermenrich von Passau. Otgar von Eichstädt, Witgar von Augsburg, Liutbert
von Münster. Thiadrich von Minden, Hildegrim von Halberstadt, Liuthard
von Paderborn, Erolf von Verden, Egibert von Osnabrück, Arn von Würz-
burg. Gebhi.rd von Speier, Ratolf von Strassburg. Hcssi von Chur, Ambrich
— 711 —
sie nahmen eine gegen die Griechen gerichtete Denkschrift an.^)
Fünf Jahre später war der deutsche Episkopat") unter dem Vor-
sitze der drei Erzbischöfe in Köhi versammelt.^) Im Jahre 877
oder 878 hielt Liutbert wieder eine Synode in Mainz.*) In Köln
von Regensburg und eine Anzahl Chorbischöfe und Äbte. So, wenn mau
die in der Überschrift der Professio fidei genannten Bischöfe (Mansi XV
S. 867) sämtlich für anwesend hält. Aber gerade die Vollzähligkeit macht
bedenklich. In der Unterschrift des Diploms für Neuenheerse (1. c. S. 886)
fehlen die fünf letzten Namen. Es scheint mir nicht unwahrscheinlich, dass
ihre Träger in Worms nicht anwesend waren, und man die Namen dem
Glaubensbekenntnis um der Vollständigkeit halber beifügte. Die nächste
Synode ist die oben S. 701 erwähnte bairische.
1) Die Denkschrift gegen die Griechen bei Neugart, Ep. Const. I
S. 520 ff. Die 80 Kapitel der Synode bei Mansi 1. c.
2) Nach Ann. Fuld. z. J. 870 S. 72 am 26. September 870. Praesidentibus
metropolitanis episcopis provinciarum, Liutberto Mogontiacensium, Berthulfo
Treverorum, Williberto Agrippinensium cum ceteris Saxoniae episcopis.
Weiter erzählen die Fulder Annalen, dass bei dieser Synode die Peters-
kirche in Köln eingeweiht worden sei. Diese Angabe macht nun aber
Schwierigkeiten. Denn nach Liutberts Urkunde vom 28. September 874
(Lacomblet, ÜB. I S. 32 Nr. 66, vgl. Nr. 67) fand in diesem Jahre eine
Synode in Köln unter Anwesenheit der drei Erzbischöfe und anderer Bischöfe
aus dem Kölner und Mainzer Sprengel statt ob suae (Williberts) ecclesiae
dedicationem faciendam. Die Datierung der Urkunde ist, wie Dümmler
(OFr. R. II S. 368 Anm. 3) gezeigt hat, irrig: sie muss i. J. 873 erlassen
worden sein. Ist es nun aber wahrscheinlich, dass in den Jahren 870 und
873 zwei Synoden unter Anwesenheit der gleichen Männer und zu dem-
selben Zweck stattfanden? Trotz der Gründe Dümmlers kann ich das nur
für höchst unwahrscheinlich halten. Die Annahme eines Irrtums der Fulder
Annalen scheint mir weniger Schwierigkeit zu haben, so dass die Synode
von 870 ganz zu streichen ist. Anwesend waren nach der gefälschten, aber
nach einer echten Vorlage gearbeiteten Urkunde Altfrids von Hildesheim
(Lacomblet I S. 36 Nr. 69) ausser diesem und den drei Erzbischöfen Berhard
von Verdun, Thiedrich von Minden, Gerolf von Verden, Liuthard von Pader-
born, Hildigrim von Halberstadt, Holdolf von Münster, Athilbold von Utrecht,
Eikbret von Osnabrück.
3) Über die Verhandlungen bemerken die Fuldischen JB. : Cum plurima
ad aecclesiasticam utilitatem pertinentia ventilassent. Bei Aventia Ann.
IV, 16 S. 592 werden folgende Mitteilungen gemacht: Sacerdotes, episcopi
avari, Veneri ventrique dediti ignominia notati tribuque moti sunt. Caeteri
iussi sunt vivere iuxta Christi . . placita. Imperatum mystis ut litteris s.
philosophiae operam darent, ut oves pascerent . . ante omnia ut curam
pauperum agerent. Die Quelle ist nicht nachweislich. Vgl. auch den Kanon
einer Kölner Synode bei Mansi XVI S. 565.
4) Berufungsschreiben Liutberts an Salomo II. von Konstanz (Ep.
Mog. 12 S. 334 f.). Über die Beschlüsse wissen wir nichts.
— 712 —
l'aud am 1. April bN7 eine neue, freilich nur schwach besuchte
Synode statt; ') im Sommer S88 folgte eine gemeinsame General-
synode der Erzdiözesen Mainz, Köln und Trier in Mainz. **) Am
1. Mai 89.3 vei-sanmielte Katbod von Trier die Bischöfe seines
Sprengeis in St. Arnulf zu Metz.'') Es war seit langer Zeit die
erste Synode der Kirchenprovinz Trier;, sie blieb auch für lange
die letzte. Alle diese Synoden mit Ausnahme der Wormser von
868 waren rein geistliche Yersammlungen.*) Dagegen waren in
früherer AVeise mit Reichstagen verbunden die Synoden von Forch-
heim im Mai 890 ^) und von Tribm- im Mai 89.').") Auf der
1) Mansi XVIII S. 45fF. Anwesend waren Willibert, Franko von Lüttich,
Odilbald von Utrecht, Wulfelin von Münster, Drogo von Minden. Liutbert
und Rimbert hatten der Synode zugestimmt. Die Beschlüsse sind unbedeu-
tend. An Johannis 887 sollte eine neue Synode in Foro Julii (? Jülich
zusammentreten.
2) Mansi XVIII S. 61 ff. Aus der Urkunde tür Corvey (Erhard, Reg.
Westf. I, 2 S. 27 ff. Ni-. 34) ergiebt sich die Anwesenheit von Liutbert von
Mainz, Folco von Rheims, Willibert von Köln, Thiadmar von Salzburg, Rad-
bod von Trier, Johann von Ronen, Adalgar von Hamburg, Liutward von
Vercelli, Am von Würzburg, Hrodberht von Metz, Adalhelm von Worms,
Godethank von Speier, Wicberht von Hildesheim, Deth von Verdun, Do-
dilo von Cambrai, Honorat von Beauvais, Heidilo von Noyon, Balthramm
von Strassburg, Waldo von Freising und Thiadulf von Chur. Über die
Unterschriften und die Zeit der Synode s. Wilmans, Kais. Urk. I S. 4.54 ff".
3) Mansi XVIII S. 77 ff. Anwesend: Ratbod von Trier, Rotbert von
Metz, Dado von Verdun und Arnold von Toul. Die Gründe Dümmlers, OFr.
R. III 8. 360 Anm. 1 für das Jahr 893 und gegen 888 sind, wie mich dünkt,
durchschlagend.
4) Bei den Kölner Synoden von 873 und 887 ist die Erlaubnis des
Königs erwähnt, Ann. Fuld. z. 870; lussu Hludowici regis; Mansi XVHI
S. 45: CoQsensu imp. Karoli.
5) Ann. Fald. z. J. 890 S. 119. Urkunde für Neuenheerse (Wilmans,
l. c. S. 527) : Ego Sunderoldus, humilis Mogontiacensis sedis archiepiscopus
una cum ven. Coloniensis civitatis archiepiscopo Herimanno, necnon et aliis
coepiscopis et consacerdotibus nostris, qui nobiscum ad praesentem syno-
dum convenere. Beschlüsse sind nicht überliefert. Anwesend waren Arn
von Würzburg, Wibert von Verden, Hrodberht von Metz, Godtfthank von
Speier, Plgilmar von Osnabrück, Erkanbald von Eichstädt, Adivlgar von
Hamtmrg. Dado von Verdun, Biso von Paderborn. Ailmar (Engelniar) von
Passau, Agiulf von Ualberstadt. Drogo von Mindon, Wigbert von Hildes-
heim. Wolfhelm von .Münster. Die nächste Synode ist die oben S. 687, 3
erwähnte Frankfurter i. J. 892.
6) ( 'ap. 2.52 II S. 208 ff. Anwesend waren die drei Erzbischöfc Hatto,
Hermann und Ratbod. sowie Adalgar, der aber unter den Bischöfen unter-
zeichnete, und die Bischöfe Waldo von Freising, Erkanbald, Tuto von
— 713 —
Synode zu Hohenaltheim im Ries am 20. September 916 beiieten
die Bischöfe wieder allein.^)
Bischöfliche Diözesansynoden wm*den, wenn nicht regelmässige
so doch ab und zu gehalten.-)
Ge^viss dienten diese Versammlungen den Standesinteressen
des Episkopats: je enger sich die Bischöfe zusammenschlössen, um
so leichter konnten sie hoffen, die Verminderung ihrer Macht und
die Erschütterung ihrer Stellung hintanzuhalten, oder sich in den
Schwierigkeiten zu behaupten, von denen Reich und Kirche be-
troffen waren. Gewiss war es auch das Bestreben der Synoden,
der wankenden Maclit des fränkischen Königtums eine Stütze dar-
zubieten. Aber weder das eine noch das andere spiicht die haupt-
sächlichste Bedeutung der Synoden dieser Zeit aus. Sie liegt auf
dem kirchlichen Gebiet. Allerdings neue Ziele lassen ihre Be-
schlüsse nicht erkennen.^) Obgleich der Episkopat jetzt h'eier handeln
konnte als unter Karl, machte er nicht den Versuch, die kirch-
Regensburg, Adalbero von Augsburg, Salomo III., Theodulf von Chur, Iring
von Basel, Baldramn von Strassburg, Godethank, Theotelaus von Worms.
Dado, Wigbert von Hildesheim. Rudolf von Würzburg, Sigimund von Halber-
stadt, Hrodberht, Drogo, Biso, Egilmar von Osnabrück. In Bezug auf die
kritische Frage, ob die Fassung der Beschlüsse von Tribur in der sog. Vul-
gata, d. h. der ausführlichen Redaktion der 58 Kapitel, echt sei oder ge-
fälscht, stimmen die Untersuchungen von V. Krause, N.A. XVII S. 51 und
281 und Seckel, N.A. XIX S. 367 und XX S. 291 überein in der Anerkennung
der Echtheit derselben. Ein Gegensatz besteht zwischen beiden Gelehrten
in der Beurteilung de.s Verfahrens Reginos. Nach Krause schöpfte er die
sog. Extravaganten aus unzuverlässigen Quellen. Dagegen hat Seckel in
einer Handschrift der Stadtbibliothek zu Chälons s. M. eine Sammlung Tri-
burischer Beschlüsse entdeckt und als Reginos Quelle nachgewiesen, die er
als Redaktion halboffizieller Natur betrachtet.
1) M.G. Leg. II S. 554 £F. Die Unterschriften fehlen ; doch ergiebt sich
aus c. 30 S. 559, dass die sächsischen Bischöfe nicht anwesend waren. Über
die Beschlüsse vgl. Bd. IH S. 13 ff.
2) Es liegt in der Natur der Sache, dass bischöfliche Synoden nur
zufallig erwähnt werden. Aus der Dürftigkeit der Nachrichten kann man
also nicht folgern, dass die Synoden beinahe ganz unterblieben. In den
Mir. Otm. I, 2 S. 48 sind jährlich wiederkehrende Bistumssynoden als
regelmässige Institution im Bistum Konstanz in der zweiten Hälfte des
8. Jahrhunderts betrachtet. Von einer Bistumssynode in Münster unter
Bischof Wolf heim giebt dessen Urkunde vom 6. Juli 889 Nachricht (Wil-
manns, Kais. Urk. I S. 530). Es nahmen 53 Kleriker an ihr Teil.
3) Ich sehe deshalb davon ab, eine Übersicht über die Synodal-
beschlüsse zu geben. Das Wichtigste wird in der folgenden Darstellung
zur Erwähnung kommen.
— TU —
liehe Gesotziii'biin^ des grossen Königs tbrtzvifiihreu. Die Synoden
haben denn anch trotz der Menge ihrer BeschUisse das kirchhche
Leben nicht in ähuHcher AV'eise gefordert, wie es durch ihn ge-
schehen war. Das Ziel, das sie sich steckten, war niedriger; sie
suchten zunächst /.u erhalten, was er geschaffen hatte, und sodann
Gleichmässigkeit des Verfahrens in der kirchlichen Disziplin her-
iiiustellen. Nicht zufördei^st als Organe der kirchlichen Regierung
haben sie gehandelt, sondern sie leisteten der Kirche hauptsächhch
den Dienst eines Obergerichtes. Das war ohne Zweifel ein IMangel:
er wild zusammenhängen mit der allgemeinen Vorstellung, dass
das kirchlich Normale in der Vergangenheit gegeben ist und dass
das kirchliche Leben deshalb den Charakter des Gleichbleibenden
/u tragen hat. Aber auch dies zugegeben, wird das Urteil ein
Recht haben, dass die Synoden dieser Zeit ein Beweis dafür sind,
dass den Bischöfen das Bewusstsein ihrer kirchlichen Pflichten nicht
entschwunden war: sie hatten nicht nur persönliche und selbstische,
sondern auch sachliche und ideale Ziele.
Sah das Volk in ihnen immer noch die Seelsorger ihrer
Diözesen,') so war auch dies nicht unberechtigt. Es war üblich,
dass sie regelmässig predigten.-) Ihre Kirchenvisitationen waren
nach wie vor zugleich Predigtreisen.'*)
Doch kamen Seelsorge und J^redigt je länger je mehr in
andere Hände.*) Wir haben früher die Bildung von selbstständigen
Parochien innerhalb des Bistums erwähnt. Die damit begoimene
Dezentralisation der kirchlichen Tliätigkeit liatte im neunten Jahr-
hundert ihren Fortgang. Sie wurde durch manchfache "\'erhiUtnisse
gt'tordert. Je enister Karl darauf gedrungen hatte, dass die
rehgiöse Versorgung des ganzen Volkes zur AVahrheit würde, um
so einleuchtender wurde es, dass sie notwendig sei. Nicht nur
der Episkopat erkannte, dass es nichts nütze, den Kirchenbesuch
1) Vgl. die füngiibp dos Klerus und Volks von Mainz an TiUdwig
d. Fr. Otgars Rnckkohr l.etr. v. .T. 834 M.G. Ep. V S. 324 f.
2) Nicht nur ein Mann wie Anskar liat regelmässig gepredigt (V.
.\nsk. 37 S. 72). Auch Bernold von StraHsl)urg wird wegen seiner deut-
schen Schriftauslngungen gerühmt (Erm. Nig. In laud. Pipp. 1 v. 145 tt'.
S. 84). Das Predigen der Bischöfe wird gefordert Paris (a. 829) 1, 24
.S. .>54f. Aach. (a. 836) 1. 7 f. S. 675: 11, 1 ff. S. 077. Hohenalth. (a. 91(5)
c. 5 S. 5ÖB.
3) Vgl. z. H HM. 1411. Dass die Visitationsreisen der Bischöfe ge-
wöhnlich mit den Firmungsreisen zusammenßelen (Cap. 210, 15 a. 845 bis
850 II S. 83, Dove. Ztschr. f. KR. IV S. 18) ist leicht verständlich.
4) Vgl. Bd. I S. 219; llatch, Grundlegung d. Kirchenverf. Westeuropas,
1888 S. 44 ff. Imbart de la Tour in d. Kevue bist. 63 S. 1 ff., 68 S. 1 ff".
— 715 —
zu befehlen, wenn die Kirchen so dünn gesät waren, dass man
sie nur schwer erreichen konnte.^) sondern auch das Volk selbst
verlangte nach leicht zugänglichen Kii'chen.-) Die Fordeiiing
musste um so dringender sein, da die Bevölkerung beständig zu-
nahm. Noch wurde überall in Deutschland der Wald gerodet, und
entstand auf dem so gewonnenen Boden Ortschaft um Ortschaft.^)
Demgemäss wm'de die Zahl der Kirchen im Laufe des neunten
Jalu'hunderts nicht unbedeutend vermehrt. Das wissen wir von
allen Teilen Deutschlands: von dem altchristhchen Gebiet auf dem
hnken Ufer des Rheins,*) -wie von dem fi'änkischen Deutschland
am Main und in den deutschen Mittelgebii'gen, ') von den Gegenden
am Fusse der Alpen *^) wie von dem kaum bekehrten Sachsen : ')
der Grund wdrd überall der gleiche gewesen sein: man erstrebte
eine gleichmässigere Verteilung der Kirchen über das Land und
man musste also ergänzen. So entstanden überall neue Kirchen
1) Vgl. Form. Paris. 2 S. 264 eine Pariser Urkunde, in der der Bischof
bekundet, dass er ob difficultatem longioris viae, quae sua inpeditione
christianos videlicet offendit agricolas atque in divinis officiis minus reddit
capaces, eine Kirche gebaut habe.
2) Urk. Ludwigs d. D. für Prüm, B.M. 1450 : Die Hörigen in Neckarau
(bei Mannheim) beklagen sich bei Ludwig d. Fr., dass sie wegen der
Rheinüberschwemmungen die Kirche in Altripp auf dem linken Rheinufer
nicht besuchen können. Ludwig weist ihnen quoddam curtile in Neckarau
zum Bau einer Kirche an, sowie einen Hof zur Ausstattung.
3) Kirchen in neuen Ortschaften sind vielfach erwähnt, z. B. Ludov.
Cap. 138 a. 818, 819 c. 12: Statutum est de villis novis et ecclesiis in
eisdem noviter constructis, ut decimae de ipsis villis ad easdem ecclesias
conferantur. Wiederholt Worms. Syn. a. 868 c. 52 Mansi XVI S. 878.
Syn. Trib. a. 895 c. 14 Cap. II S. 221 : Si (quis) in qualibet silva vel deserto
loco ultra miliaria IV aut V vel eo amplius aliquod dirutum conlaboraverit,
et illic . . ecclesiam construxerit et consecratam perpetraverit, prospiciat
presbyterum ad servitium Dei idoneum et studiosum et tunc demum novam
decimam novae reddat ecclesiae.
4) Gest. ep. Vird. 17 (M.G. Scr. IV S. 44) über Bischof Hilduin von
Verdun: Construxit multas aecclesias in isto episcopatu.
5) Thietm. chron. I, 3 (M.G. Scr. III S. 735) über Arn von Würzburg:
In urbe Wirciburgensi unum domino templum et in episcopatu suo ad in-
star eiusdem aecclesias 9 in 10 annis fecit. Vgl. auch Hrabans Kirchen-
bauten auf fuldischen Besitzungen (oben S. 621).
6) Vgl. Baumann, Gesch. des Allgäu I S. 99, S. HO u. 119 über die
von Kempten und Ottenbeuern aus gegründeten Kirchen.
7) Transl. Libor. 6 S. 151 über Badurad von Paderborn : Haec illi cura
prima immjnebat, aecclesias per omnem parochiam suam sub celeritate
construere.
— Tili —
iiebcTi den alten. Die Notwendigkeit, bestimmte Sprengel iür sie
zu bilden, war nun gegeben duroli die gesetzlicbe Anerkenmnig
des Zehntrecbtes: aller Grundbesitz war zehntptiichtig und die
Zebnten gehöi-ten stets bestimmten Kirchen: M indem den Kirchen
auf neugerodetem Land der Anspruch auf gewisse Zehnten zuge-
sprochen wurde, ^) wurde zugleich der Zehntbezirk der schon be-
stehenden scharf abgegrenzt. War damit die Zugehörigkeit aller
Grundbesitzer zu bestimmten Kirchen gegeben,*^) so lag es in
der Xatur der Sache, dass diese nun auch die sämthchen geist-
lichen Amtshandlungen an ihreu Kirchen vollzogen wünschten:
in der Kirche, in der sie zur Messe gingen und die Predigt
höi-ten, wollten sie ihre Kinder taufen lassen, bei ihr wollten sie
selbst bestattet werden. •*) Die Folge war, dass einer immer
gi-össeren Zahl von Kirchen das Recht zu taufen eingeräumt
wurde. Schon unter Ludwig d. Fr. erschien es als das Sacli-
gemässe. dass jede hinreichend dotirte Kirche mit einem fest
angestellten Pnester besetzt werde.'') Ihm aber wurde die ge-
ll Die alten Kirchen werden im allgemeinen den neuen gegenüber in
ihrem Besitz geschützt. Vgl. Form. Sen. rec. 12 S. 217 aus d. J. 808. Conc.
Mog. a. 813 c. 41 Manei XIV S. 74; Conc. Mog. a. 847 Cap. 248, 11 S. 179.
Hier wird die Abtretung vom Zehnten nicht überhaupt auegeschlossen,
sondern nur von der Zustimmung dos Bischofs abhängig gemacht. Syn.
Trib. a. 895 c. 14 S. 221: Piacuit ut decimae sicut et aliae possessiones
antiquis conserventur ecclesiis . . Si quis autem in aftinitate antiquae
ecclesiae novalia rura excoluerit, decima exindc debita antiquae reddatur
ecclesiae. Dann folgt die oben S. 715 Anm. 3 wiedergegebene Bestimmung.
2) Vgl. die S. 715 Anm. 3 angeführten Stellen.
3) Conc. Aquisgr. n. ^36 II, 2 c. 5 S. 681: De omnibus homiiiibu.s, qui
ad eorum ecclesiam pertinent. Conc. Mog. a. 852 c. 17 Cap. 249 II S. 190:
NuUus presbytcr fidelibus s. Dei ecclesiae de alteriua parrochia persuadeat,
ut 8uam ecclesiam roncurrant derelicta propria ecclesia. et suas decima«
^\h'\ dont.
4) Man untorscliied zwischen Kirchen, die das Recht hatten, ut ibidem
aspicere deberent ad missaa vcniendi et ad baptismum vel praedicationem
et ut decima« suas ad basilicam dare deberent (Form. Sen. rec. 12 S. 217),
und Kirchen, die nuUum alium honorem nisi tantummodo divinum officium
non decimani, non baptistorium, non sepulturam haben (Form. Paris. 2
S. 264). Die ersteren entsprechen den Pfarrkirchen.
5) Ludovioi cap. 138 (a. 818. X\()) c. 11 S. 277: Statutum est, post-
quam hoc impleüim fuerit (das« jede Kirche einen kostenfreien Manaus er-
hält), ut unaquaeqne ecclesia suum presbyterum habeat, ubi id fieri facultas
providente episcopo permiserit. Synode zu Paris, (a. 829) c. 49 S. 567:
Sicut unii'uique civitati convenit proprium habere episcopum, ita et unam-
quamque basilicam . . decet et oportet proprium habere presbyterum. . .
— 717 —
samte geistliche Vereorgung der Kirchspielgenossen zur Pflicht
gemacht.-') Je länger je mehr begannen die Parochien den späteren
Pfarreien zu entsprechen. Gewiss waren die Kirchspiele des neunten
Jalirhundeiis noch weit ausgedehnter als die des sechzehnten oder
die der Gegenwart.-) Aber geschlossen waren sie bereits. Nur
Vix euim quispiam presbyterorum in basilica, in qua divinae servituti
mancipatus est, digne atque strenue militare invenitur : quanto minus id in
duabus aut tribus aut eo amplius basilicis digne exequi valet? . . . Statui-
mus . ., ut singulae basilicae plebes et res, quibus consistere possint»
habentes singulos habeant presbjteros. Si vero plebes habuerint et rebus,
quibus consistere possin t, caruerint, in arbitrio episcoporum pendet, utrum
ita consistere debeant aut possint, necne. Relat. ep. a. 829 (cap. II S. 33
Nr. 196, 11): De presbyteris et eorum ecclesiis, u. 44 S. 41 Wiederholung
von Paris c. 49. Synode zu Aachen (a. 836) II, 2 c. 16 S. 683: Censuimus,
ubicunque possibile fuerit, unicuique ecclesiae suus provideatur ab episcopis
Presbyter. Mainz (a. 852) c. 17 (M.G. Cap. 249 S. 190): Nullus presbiter
lideUbus s. Dei ecclesiae de alterius presbiteri parroechia persuadeat, ut
suam ecclesiam concurrant derelicta propria ecclesia, et suas decinias sibi
dent. Worms (a. 868) c. 51 (Mansi XVI S. 878) = Cap. 138, 11; Metz
(a. 888) can. 3 (Mansi XVIII S. 78 f.). Regino I, 44b S. 45 (im wesent-
lichen = Trib. c. 14); II, 442 S. 387 f.: üt si quilibet presbyteronim de-
functus fuerit, vicinus presbyter . . nulla precatione . . ecclesiam illam ob-
tineat, quia titulus per se constans antea exstitit. Das Kapitel ist = Conc.
Namnet. c. 16 (Mansi XVIII S. 171). Hefele verlegt diese Synode in das
Jahr 658 (CG. EI S. 104); ich zweifele, ob mit Recht. Der Inhalt der Be-
schlüsse scheint vielmehr auf den Anfang des 9. Jahrh. hinzuweisen. Dies
auch zur Berichtigung von Bd. I S. 387, 1.
1) Syn. V. Aachen a. 836 II, 2 c. 5 S. 681. Ut presbyteri de Omnibus
hominibus, qui ad eorum ecclesiam pertinent, per omnia curam gerant.
Vgl. unten über die Amtspflichten der Pfarrer. Bemerkenswert ist besonders
das Verbot, Bezahlung für Taufen anzunehmen, Regln. Not. 20 S. 21.
Auch Ep. Fuld. fragm. 16 S. 522 gehört hierher; Hraban tadelt dort das
unverständige Festhalten mancher Presbyter an den alten Taufzeiten.
Endlieh ist Syn. Trib. c. 15 S. 222 zu erwähnen, die Bestimmung, dass
entweder bei Kollegiat- und Klosterkirchen begraben werde , oder ubi
decimam persolvebat vivus.
2) Wenn man aus den für das Bistum Chur bekannten Zahlen Schluss-
folgerungen ziehen darf, so war die Zahl der Pfarrkirchen im Verhältnis zu
der Zahl der übrigen Kirchen geringer als gegenwärtig. Das Bistum hatte
unter Ludwig d. Fr. im ganzen über 230 Kirchen, davon waren 31 bischöf-
lich , die übrigen königlich. Unter den bischöflichen waren 6 Tauf-
kirchen und 25 minores tituli ; zu jeder Tauf kirche gehörten also noch 4
abhängige Kirchen. M.G. Ep. V S. 309 Nr. 7. Wenn das Verhältnis bei
den königlichen Kirchen analog war, so gab es unter ihnen 40 Pfarr- und
160 Filialkirchen und Kapellen, der ersteren also im ganzen Bistum noch
nicht ein halbes Hundert.
— 71.S —
jiusiialiinsweise wird es Sicdelun^oii gegeben haben, über deren
PiU-uchialaiigehörigkeit man im I'ngewissen war. 80 wenig wir
die Entwickelung im einzebieii verfolgen können, so sicher ist es
deshalb doch, dass die Paroi-hialbildung })i'inzipiell im Laufe des
neimten Jahrlnmderts dnrchgetuhrt worden ist. Wenn die erste
Synode zu lliesbach unter Arn von Salzburg beschloss, es sollten
bestimmte Pfon-bezirke abgegrenzt und ihre Zahl der Bevölkerungs-
ziffer gemäss bemessen werden.*) so sieht mau zugleich, dass die
Parochialbildung nicht dem Zufall überlassen blieb: man trug
Sorge dafür, dass sie wirklich den Bedürfnissen entsprach.')
Aber die mittelalterlichen Gemeinden, die in dieser AVeise
entstanden, wai'en in keiner Hinsicht ein Seitenstück zu den Ge-
meinden der alten Kirche: es waren lediglich Seelsorgerbezirke. ^)
Die Kirchspielgenossen hatten als solche wohl Pflichten aber keine
Kechte.
Die Gesamtzahl der Kirchen in Deutschland in der ]\fitte des
neunten Jahrhunderts lässt sich mit ziemlich grosser Wahrscheinlich-
keit auf drei und ein halbes Tausend angeben. "*)
Indem die Zerlegung der Bistümer in selbstständige Kirch-
spiele vollendet wurde, begann die Vereinigung der letzteren zu
grösseren Verbänden, die Bildung der sog. Dekanien.'') Die Ver-
mutung liegt nahe, dass die Rücksicht auf che Disziplin unter dein
1) Vgl. oben S. 450.
2) Wie sich in dieser Frühzeit die Parochien zu den Hundertschaften
und Zendereibezirken verhielten, Lamprechfc, Wirtschafts-Geschichte I, 1
S. 238 ff. , scheint mir eine Frage, die nach dem vorliegenden Material
nicht beantwortet werden kann.
3) Vgl. Gierke, Genossenschaftsrecht I S. 145.
4) Der Beleg liegt in dem Schreiben der Mainzer Synode von 847 an Lud-
wig (I.D. (Gap. II S. 173 Nr. 248). Hier wird erwähnt, dass die Synode angeord-
net habe, ut in singulis parochiis per episcopos et clericos, per abbates et
inonachoB Gottesdienste für den Kaiser veranstaltet werden sollten, und wird
sodann bemerkt, dass 3500 Messen gehalten und 1700 Psalter gebetet
würden. Da man aller Wahrscheinlichkeit nach für jede Kirche eine Messe
anzunehmen hat, ergiebt sich die Zahl. Dass sie rund ist, liegt auf der
Hand; sie ist übrigens keines Falls zu hoch. Das beweist der Vergleich
mit den 230 Kirchen von Chur. In Betracht kommen, da es sich um das
Deutachland des Vertrags von Verdun handelt, 21 Bistümer: der Durchschnitt
bleibt also hinter Chur bedeutend zurück. Nimmt man an, dass nur die
Kirchen in den 13 in Mainz vertretenen Bistümern zusammengezählt sind,
90 kommt man auf einen unbedeutend höheren Durchschnitt als in Chur
(269).
5) Vgl. SägraüUer, Die Entwickelung des Archipresbyterats. Tübingen
1H9H.
— 719 —
Klerus für diese neue Einrichtung bestimmend gewesen ist.-^) Je
zahlreicher er wurde, je mehr er über die zum Teil sehr ausgedehnten
Diözesen hin zerstreut war, um so notwendiger waren Mittels-
personen zwischen dem Bischof und den einzelnen Klerikern, die die
unmittelbare xA.ufsicht über sie und ihi-e Amtsführung übten.-) Man
bezeichnete nun diese Priester mit einem älteren Titel als Erz-
priester ^) oder man verwendete den in den Klöstern üblichen Namen
der Dekane.*) Bei der Bildung der Sprengel ist man schwerlich
von einem einzigen Gesichtspunkt ausgegangen. Vielfach wd das
Tochterverhältnis der Kirchen zu einander entscheidend gewesen
sein. Der Vorsteher der Mutterkirche, der nicht selten Erzpriester
im alten Sinn gewesen sein wird, wurde mit der Aufsicht über den
Klerus der Tochterkirchen betraut.'^) Aber eine einigermassen
1) Cap. 112, 38 a. 799—800 IS. 230: Archipresbyteri, qui perquirere
et perscrutari ceteros presbyteros solent; vgl. Syn. Pap. von 850 Cap. 228,
13 II S. 120 und Cap. Lamb. von 898 Cap. 22.5, 12 II S. 110.
2) Sägmüller nimmt an, dass sich der Archipresbyterat in Deutschland
anders entwickelte als in Frankreich und Italien, S. 73. Das letztere wird
richtig sein, nicht aber das erstere. Die Hauptverschiedenheit der deutschen
und französischen Entwickelung findet er darin, dass es in Deutschland in
der Karolingerzeit keine vom Bischof ernannten Aufsichtsorgane, d. h. keine
Dekane, gab; die Archipresbyter seien die geborenen Aufseher der Geist-
lichen der zu ihrer Taufkirche gehörigen Gotteshäuser gewesen (S. 81).
Allein abgesehen von dem allgemeinen Bedenken, dass Deutschland während
der Karolingerzeit in fast allen Institutionen von Frankreich abhängig war,
ist Sägmüllers Grund nicht richtig: die Erzpriester waren bischöflich be-
stellte Beamte. Das ist Cap. 112, 38 S. 230 (Riesbacher etc. Statuten) ganz
bestimmt ausgesprochen: Ad hoc constitutos, ut in ipsis episcopi sui par-
tiantur onera sua. Und das wiederholt die Relation der Bischöfe von 82^
(Cap. 196, 32 S. 32), indem sie die Erzpriester neben den Chorbischöfen und
Archidiakonen zu den ministri episcoporum rechnet. Dass die Bezeichnung^
decanus in Deutschland nur ein paarmal vorkommt, scheint mir dem gegen-
über nicht gerade wichtig. Denn die Stelle Reginos (I, 295 S. 136) zeigt
genügend, dass man bei den beiden Namen an dieselben Personen dachte.
Der Name Dekan ist auch 218 S. 109 wiederholt, auch hier so, dass man
sieht, er war nicht alleinherrschend. V. Udalr. 6 S. 395 aber liefert, wie
mich dünkt, einfach den Beweis, dass die beiden Namen in Deutschland
nebeneinander gebraucht wurden.
3) über die Erzpriester im früheren Sinn s. Bd. I S. 219.
4) Vgl. Reg. Bened. 21. Sie sind ebenfalls Aufsichtsorgane: Decani
sollicitudinem gerant super decanias suas in omnibus secundum mandata
Dei et praecepta abbatis . . Tales eligantur, in quibus securus abbas par-
tiat onera sua.
5) So erklärt sich der Übergang des Titels auf ein Amt mit neuem
Inhalt. Walahfrids bekannter Satz de exord. 32 S. 515: Centenarii . .
— 720 —
gleichmässigo Abgrenzung von Dekanien war auf diesem Wege
nicht zu erreichen. In anderen Fällen mag man sich an den po-
Htischen Bezirk, die Hundeilschaft, angeschlossen haben; ^) oder es
wirkten auch beide Gesichtspunkte zusammen. Die CTeistlichen der
Dekanien versammelten sich zu monatlichen Konferenzen.") Dass
man die Institution, nachdem sie einmal bestand, auch fiir die
Disziplin unter dem Volk und für die Verwaltimg der bischöflichen
Einkünfte benützte, ist leicht verständlich.'')
Die Vereinigung mehrerer Dekanien zu Archidiakonaten*)
presbyteris plebium qiii baptismales ecclesias tenent et ininoribus prenbyteris
praesunt, conferri queunt, entspricht dieser Stufe der Entwickelung. Nur
darf man nicht aus ihm folgern, dass alle Pfarrer von Taufkirchen Krz-
priester wurden. Das ist 1. ausgeschlossen durch die oben S. 717 Anna. 2
angegebenen Zahlen über das Bistum Chur, und das wird 2. widerlegt durch
Ep. Fuld. fragm. 16 S. 522: der Brief ist an einen Erzpriester gerichtet
und es ist in ihm von den Taufen durch die Priester die Rede. Es gab
also 830 — 840 Priester an Taufkirchen, die nicht Erzpriester waren. Ekkeh.
€as. s. Galli c. 124 widerspricht nicht. Denn aus dieser Stelle ergiebt sich
nur, dass der Leutpriester, presbyter publicus, von St. Gallen für den Be-
zirk zwischen (-Joldach und Sitter sinodica quaeque praeter disiunctiones
toniugum pro episcopo faceret, d. h. ?]rzpriester war, und dass dagegen die
übrigen P>zpriester opponierten, die nun als schamlose Menschen verleumdet
werden. Wie .Sägmüller S. 79 die Worte: Qui feminas nudatas aquis im-
mergi impudicis oculis curiosi perspiciant. auf Taufen beziehen kann, ist
mir nicht recht verständlich. Von Erwachsenentaufen kann doch im 11. Jahr-
hundert keine Rede mehr sein: es handelt sich natürlich um das Gottes-
urteil.
1) Aus Walahfrids, s.o.S. 719 Anm.5, zitierter Stelle ergiebt sich das nicht.
Dagegen weisen f^orm. Sangall. 31 S. 416 mit der Überschrift: Illo episco-
pus N. archipresbytero pagi ill. und Confr. Sangall. S. 46: De Augnstgaugense
€unipertus archipresbytor allerdings darauf hin. Die <Taup waren bekannt-
lich von sehr verschiedener Grösse. Der Augustgati gehörte zu den kleinen.
Man wird vornehmlich an die üntergaue zu denken haben, die nicht selten
mit den alten Hundortschaften zusammonfiplen. s. Schröder. RG. S. 122,
W. Schultze. Die fränkischen (laiigrafschaften S. 448.
2) Reg. 1. c. 218 f. S. 109 f. Hincm. Cap. superadd. 1 Migne 125
S. 798.
3) Vgl. in ersterer Hinsicht Cap. 112, 15 S. 228; Syn. Rotom. 16 Bruns H
S. 271 und die o. S. 719 Anra. 5 zitiert« Stelle Ekkehards, in letzterer Hin-
sicht Cap. 255, 3 a. 844 II S. 256. Dass die Synode von Ronen der Mitte
des 7. Jahrhunderts angehöre, ist, wie mich dünkt, besonders durch das
16. Kapitel ausgeschlos-sen, vgl. Hefele, CG. HI S. 97. Ist sie aber dem
9. Jahrhundert zuzuweisen, dann wird man bei dem König Hlodovens eher
an Ludwig d. Fr. al.H an Ludwig d. St. zu denken haben.
4) Schrödov, Entwickelung des Archidiakonats S. 40 f. nimmt an, dass
— 721 —
scheint in Deutschland im neunten Jahrhundert noch nicht, oder
nur ganz vereinzelt vorgekommen zu sein. Noch war es das Regel-
mässige, dass jeder Bischof nur einen Archidiakon hatte: er war
sein Gehilfe bei der Verwaltung des Kirchenguts wie bei der Hand-
habung der kirchhchen Disziphn.^) So war es unter Karl, so unter
Ludwig d. Fr., so auch später.-) Zur Unterstützung der Bischöfe
in den eigentlich bischöflichen Amtsgeschäften standen ihnen in
grösseren Diözesen, besonders auch im Missionsgebiet, Chorbischöfe
zur Seite.-^) Sie waren, wie es scheint, nicht selten für bestimmte
Bezirke aufgestellt^) und hatten dort wahrscheinlich die generelle
Vertretung des Bischofs.'^) Nun begannen zwar im Westen des
erst durch Bonifatius das Institut des Archidiakonats in das Innere Deutsch-
lands übertragen worden sei. Das ist sehr wenig wahrscheinlich. Vielmehr
wird es überall, wo es geordnete Diözesen gab, auch einen Archidiakon
gegeben haben. Denn es giebt keinen Grund anzunehmen, dass in Mainz
oder Worais die Verhältnisse anders lagen als in Trier oder Metz. Hier
ist der Ai'chidiakonat stets nachweislich, s. Schröder a. a. 0., ebenso in dem
kleinen Verdun, s. Beyer, ÜB. I S. 8 Nr. 6: Ego Gisloaldus archidiaconus :
er war offenbar eine allgemein herrschende Einrichtung. Die sog. Statuten
des Bonifatius beweisen nichts, da sie Bonifatius nicht angehören, s. o.
S. 235,3.
1) In Bezug auf das Kirchengut vgl. z. B. Stat. eccl. antiq. 17 Bruns I
S. 143; Form. Flav. 43 f. S. 480 f.; in Bezug auf die Disziplin Form. Sal.
Merk. 64 S. 263; Stat. Bonif.^4 und 12 Mansi XII S. 383 und u. S. 734.
2) Der Indic. de arch. ad arch., Form. Sal. Merk. 64 S. 263, nimmt
nur je einen Archidiakonus in der Diözese an. Er stammt aus der Königs-
zeit Karls und aus Westfranken. Ebenso weiss die Relat. ep. von 829 Cap.
196, 10 II S. 33 nur von einem Archidiakon: Ut unusquisque episcoporum
super suum archidiaconum . . curam adhibeat etc. Vgl. ferner Conc. Ro-
tom. 16 Bruns II S. 271; Wendungen wie Cap. II S. 8 Nr. 187, Concil.
Aquisgr. a. 836 II, 2 c. 4 S. 680 führen nicht notwendig auf die Annahme
mehrerer Archidiakonate in einem Bistum.
3) Sie erscheinen als die nächsten untergebenen der Bischöfe Cap. 187
a. 829 II S. 8: Relat. ep. a. 829 Cap. 196, 9 II S. 32; Syn. Aquisgr. a. 836
II, 2 c. 4 S. 680; Walahfr. de exord. 32 S. 515; Teilnahme an Synoden:
Mainz 829 Ep. Fuld. fragm. 29 S. 530, Mainz 847 Cap. 248 II S. 173.
4) Ebo de min. Rhem. eccl. bei Sirmond opp. IV S. 350: Chorepiscopi
ministerium est omnem sacerdotalem totius regionis sibi commissae conver-
sationem corrigere atque dirigere; vgl. Schröder, D. Archidiak. S. 36 f.
5) Walahfi'. de exord. 32 S. 515: Sicut comites quidam missos suos
praeponunt popularibus . . , ita quidam episcopi chorepiscopos habent, qui
in rebus sibi congruentibus, quae iniunguntur, efficiunt. Hrab. de instit.
cleric. I, 5 S. 301: Ch. vicarii sunt episcoporum . . Ordinati sunt propter
pauperum curam, qui in agris et villis consistunt, ne eis solatium confir-
Hauck, Kirchengeschichte. II. 2. Aufl. 46
722
Reichs schon unter Ludwig tl. Fr. die Bestrebungen, den Chor-
episkopat zu beseitigen.') Aber sie fanden in Deutschland keine
Zustimnuing; im Gegenteil trat einer der angesehensten Schrift-
steller, Hraban. für das Recht dieser Einrichtung in die Schranken:
er glaubte sie bis in die apostolische Zeit zurückführen zu können.-)
In dem weiten wendischen ]Missionsgebict war überdies die Thätig-
keit der Chorbischöfe unentbehrlich. So kam es. dass während im
"Westen der Streit mit dem vollen Sieg des Episko])ats endete, in
Deutschland die ältere Einiichtung fortl)estand. Es lassen sich
Chorbischöfe in den Diözesen Mainz, Köln, Trier, Konstanz, Eich-
städt, Salzburg, Passau, Regensburg, Freising nachweisen.^) In
Fi-ankreich scheint die Beseitigung des Chorepiskopats den Aulass
zur Erneimung mehrerer Archidiakone und damit zur Teilung der
Diözesen in Archidiakonate gegeben zu haben. ^) In Deutschland
mationis deesset. Ep. 25 S. 431 f. spricht er auch für ihr Recht Priester
und Diakonen zu ordinieren und Kirchen zu weihen, überhaupt reliqua
sacerdotalis officii peragere.
1) Vgl. Weizsäcker, Der Kampf gegen den Chorepiskopat, 1859;
Schröder a. a. 0. S. 37 ff.
2) Ep. 25 S. 431 ff. an Drogo von Metz; über die Datierung Dümmler
in den Hrabanstudien S. 38.
3) Mainz: Humbert, auf der Mainzer Synode von 829 Ep. Fuld. fragm.
29 S. 530, später Bischof von Würzburg; Reginbald, an ihn Hrab. ep. 30
S. 448 ff., seine Grabschrift Poet. lat. II S. 242 Nr. 93; Diatmar, Thiotmar
auf der Mainzer Synode von 852 Cap. 249 II S. 185; Folchard und Roginhar,
ebendaselbst. Mit Rücksicht auf den grossen Umfang der Diözese gewährte
Stephan V. i. J. 888 Krzbischof Liutbert das Recht nach Mainzer Sitte Chor-
bischöfe aufzustellen, J.W. 3443. Da die Beziehung auf die Metzer Synode
zu Tage liegt, so kann das Schreiben nur in dieses Jahr gehören. Köln:
Hildebert, gest. 862 Ann. Col. br. z. d. J., M.G. Scr. I S. 97, Toet. lat. HI
S. 204. Trier: Thegan, ein Brief von ihm c. 836 M.G. Ep. V S. 337 Nr. 22;
nach dem Tode Thietgauds «69 verwalteten Chorbischöfe die Diözese, Ann.
Xant. z. d. J. S. 233. Konstanz: Thioto unter Bischof Salomo 839—871,
Confr. Aug. 321, 2; vielleicht aiich Wolfgrin der Mainzer Synode von 829,
vgl. Confr. Aug. S. 262, 3S4, 40. Eichstädt: (iottabert und Suaterloh, 932
auf der Synode von Dingolfing, M.G. Leg. III S. 482. Salzburg: Theo-
dorich, Conv. Bagoar. 8 S. 9 f., Otto ib. 9 S. 10, Osbald ib., Confr. Aug.
4.34, 3, vgl. V. Gebeh. 2 M.G. Scr. XI S. 26 und c. 6 S. 38. Passau: Anno,
Alberich, Madalwin s. S. 463 Anm. 6. Regen.sburg: Hunric ^<83, Ried
Cod. Dipl. I S. 61 Nr. 62. Freising: Sigihart unter BLschof Hitto 811— 834,
Confr. Aug. 546, 2; Uerolf in Tannkirchen bei Wolfratshausen um 854,
Meichelbeck H. Fr. I, 2 S. 351 Nr. 704, Confr. Aug. 545, 2; Kuno, Meichel-
beck I. 2 S. 429 Nr. 982 'von 908. Wohin die Chorbischöfe Eburaccar und
Manno der Mainzer Synode von 829 gehören, weiss ich nicht.
4j Der 8. Kanon der Metzer Synode v. 888 bezeichnet den Sieg der
— 723 —
folgte man dem französischen Vorbild erst seit dem zehnten Jahr-
hundert.
In dieser "Weise Aviu'de das Bistum zu einem manchfach ge-
ghederten Organismus. Man kann die Wichtigkeit dieser Neu-
formationen , besonders die der Bildung der PfaiTeien für
das Volksleben kaum hoch genug schätzen. Ei-st seitdem
jedermann einem bestimmten Priester als seinem Seelsorger gegen-
überstand, war es möghch, dass sich jenes Bewusstsein bildete,
das Otfiid einmal ausspricht: Wie viel wert ist es, dass Gottes
Hirten uns leiten.^) Und bis auf diesen Tag ist es der Pfarrer,
dm'ch dessen Arbeit fast allein die Kirche ihren Einfluss auf das
Volk ausübt.
Die Bestimmungen der Aachener Synode von 836-) und die
Visitationsiragen bei Regino von Prtim'^) machen es leicht, eine
Voi'stellung von dem Leben und der Thätigkeit eines Pfan-ers des
neunten Jahrhunderts zu gewinnen. Er stand den Laien als Glied
eines besonderen Standes gegenüber. Schon durch die regelmässig
getragene priesterliche Kleidung unterschied er sich von ihnen.
Seine Wohnimg hatte er in der Nähe der Kii'che; täglich um neun
Uhr las er die Messe, ausserdem war er vei'pfliclitet, die kanoni-
schen Gebetsstunden einzuhalten und durch das Läuten der Glocke
das Volk an sie zu erinnern.
Als seine wichtigste Pflicht betrachtete man die Unterweisung
der Gemeinde: er sollte regelmässig predigen, d. h. er hatte, nach-
dem Evangehum und Epistel durch einen Kleriker verlesen waren,
den Wortsinn der Lektionen zu erläutern.*) Es lag ihm ob, die
Gegner des Chorepiskopats, indem das pseudoisidorische Urteil über den-
delben hier wiederholt wird: luxta decreta Damasi papae {= Pseudo-
Damas. 19 Hinschius S. 509 ff.), Innocentii (ep. 25 Coust. I S. 608, der
Papst spricht von den Presbytern) et Leonis (? Mansi ep. 119 S. 240)
vacuum est atque inane quidquid in summi sacerdotii chorepiscopi
egerunt ministerio, et quod ipsi iidem sint, qui et presbyteri (Mansi XVIII
S. 80). Sobald dies Urteil sich durchsetzte, musste der Chorepiskopat ver-
schwinden.
1) Krist. I, 28, 9 f. S. 131.
2) n, 2 c. 5. S. 631 f.
3) Notitia, quid episcopus vel eius ministri in sua synodo diligenter
mquirere debeant per vicos publicos sive villas atque parochias propriae
dioecesis. S. 19 ff.
4) Regln. § 84 S. 25: Si epistolam et evangelium bene legere
possit atque saltem ad literam eius sensum manifestare; Syn. Altheim. 5
S. 556.
46*
— 724 —
Gemeinde zur Teilnahme am gottesdienstlichon Loben /ii erziehen:
zu diesem Zweck hatte er sie ühor die Ptiicht der Sonntagsruhe
und di-r Aufmerksamkeit auf die Predigt zu belehren; am Ascher-
mittwoch forderte er sie zur Beichte auf, an Weihnachten, Ostern
und Ptingsten lud er sie zur Teilnahme am heiligen Abendmahl
ein: die Heiligenfeste und das Quatemberfasten kündigte er an.
Er feierte mit ihr die Bittgänge in der Himmelfahrtswoche und
andere Prozessionen.
Aber damit waren seine Pflichten nicht erfüllt : er galt als
verantwortlich für das Heil eines jeden Gemeindeghedes. Starb
ein Kind, ohne die Taufe erhalten zu liaben, so wurde dem Pfarrer
daraus ein Vorwurf gemacht.') Ebenso hatte er Sorge zu tragen,
dass alle Kinder zur rechten Zeit zur Firmung kamen. Es war
seine Aufgabe, die Gefirmten zu untemchten. Diese Unterweisung
schloss sich an das Vaterunser und Symbol an.-) Deshalb ge-
hörte eine Erklärung dieser Stücke überall zur Kirchenbibliothek. ")
Geriet ein Gemein deghed auf Abwege, so musste er suchen, es
auf den rechten AVeg zurückzuführen. Fremde und Arme wandten
sich au ihn um Hilfe; er musste stets bereit sein, sie an seinem
Tische zu speisen. Besonders waren die Kranken seiner geistlichen
Ptlege anvertraut: er betete mit ihnen, nahm ihnen die Beichte ab
und erteilte ihnen che Sallning mit dem geweihten Ol; sah er, dass
es mit einem Kranken zu Ende ging, dann sollte er ihm das h.
Abendmahl reichen und seine Seele Gott befehlen, den Leib aber
chi-istlich bestatten. Alles dies wurde als einfache Erfüllung der
Amtsi)flicbten angesehen; es galt deshalb als Unrecht, wenn der
Pfarrer Bezahlung dafür forderte oder annahm.
Ausserdem hatte er für die Kirche und di(^ Verwaltung des
Kirchengutes Sorge zu tragen: jene sollte in gut<'m baulichen
Stand erhalten werden; die Altäre sollten reiidich und würdig be-
deckt sein, Abendmahlsgefässe und andere kirchliche Geräte^) gut
1) Schwifirigkeiten erwuchsen daraus, dass man an den aUkirchlichen
Taufzeiten glaubte festhalten zu müssen. So viel ich sehe, haben die Ge-
meinden die Aufgabe dieses Gebrauchs erzwungen, vgl. ep. ?\ild. fragm. Ifi
S. .522.
2) Vgl. Wiegand, Die Stellung des apostol. Symbols im kirchl. Leben
des MA. S. 261 ff.
3) Auch das sog. Athanasianum sollte er auswendig wissen, und
im Stande sein, dasselbe verbis communibus enunciare (Regln. § 86
S. 25).
4) Als Ki rohen goräte erscheinen bei Regino: 1. die Glocken '§ 2); da
der Visitator sich zu vergowissern hat, aus welchem Metall sie sind (Regln.
— 725 —
vei'wabrt und trei ^on Staub und Schmutz erhalten werden. Das
Pfarrgut ^) gewährte dem Pfründebesitzer ein sicheres Einkommen;
aber es sollte nicht dem Privatvorteil des jeweiligen Inhabers
dienstbar gemacht werden: es galt als Unrecht, wenn ein Pfan-er
reich wurde: mehr als jeder andere Christ war er zm' Wohlthätig-
keit verpflichtet.-)
Es ist nicht anzunehmen, dass dies ein nirgends verwirklichtes
Idealbild ist; geii\dssen hafte Pflichterfüllung gab es im neunten Jahr-
hundert ohne Zweifel ebenso wie zu jeder anderen Zeit.^) Gewiss
ist freilich auch, dass nicht alle Pfarrer diesen Anforderungen ent-
sprachen. Gerade die Visitationsfi'agen zeigen, dass es nicht an
Pi'iestern fehlte, die sehr ungeistlich lebten, ihre Zeit auf der Jagd
und in Wirtshäusern zubrachten, den Voi'\sau-f der Unkeuschheit
auf sich luden und durch ihr Thun und Lassen bewiesen, dass sie
bei der Ausrichtung ihres Amtes nur sich selbst dienten. Besonders
die Priester an Eigenkirchen standen in schlechtem Rufe: das per-
sönliche Abhängigkeitsverhältnis, in dem sie sich befanden, brachte
viele Schwierigkeiten mit sich, und nicht jeder Kleriker war der
Mann, seine eigene Würde und die seines Standes unverletzt zu
wahren.*) Aber es wäre Unrecht, dies als Regel zu betrachten.
Am wenigsten lässt sich daran zweifeln, dass in den meisten Ge-
§ 2 S. 19), so hat man an solche aus Eisen oder Erz zu denken. Eine
Glocke mit einer Inschrift, die den Auftraggeber, Abt Harbert, und den
Giesser, Paternus, nennt in Laubach Folc. Gest. abb. Lob. 12 M.G. Scr. IV
S. 60. 2. Der Altar mit seinen indumenta (§ 4). 3. Kreuze (§ 5). 4. Reli-
quienkapseln (§ 5\ 5. Kelch und Patene (§ 6). 6. Ein Wassergefäss, in
welchem der Priester sich die Hände wäscht {§ 8). 7. Die Pixis mit der
Hostie (§ 9). 8. Missale, Lektionar und Antiphonar (§ 10). 9. Die sonstigen
Bücher (§ 11, 82, 86, 94—96). 10. Die Priestergewänder und ein Schrein
zu ihrer Aufbewahrung (§ 12). 11. Lichter und zwar Kerzen (§ 13, 74).
12. Weihrauchbecken (§ 32). 13. Weihwassergefäss (§ 36). 14. Taufbecken
in Ermangelung eines Taufbrunnens (§ 54).
1) Regin. not. 14 f. S. 20: Investigandum si habeat ipsa ecclesia
mansum habentein bonoaria duodecim praeter cimiterium et curtem, ubi
ecclesia et domus presbyteri continetur et si habeat mancipia quatuor?
Quot mansos habeat ingenuiles et quot serviles aut accolas, unde decima
reddatur.
2) Conc. Mog. a. 847 Cap. 248, 13 S. 179 f.
3) Vgl. die Schilderung Hrabans über die Amtsführung des Mainzer
Reginald ep. 40 S. 478.
4) Vgl. die Schüderung Agobards ep. 11, 11 M.G. ep. V S. 203; die
Klage eines Priesters Atto über die ihm widerfahrene Behandlung ib.
S. 339 Nr. 25.
— 72r, —
nieindon zioiulicli regclinässig gepredigt wurde.') Messe und Predigt
stehen wohl nebeneinander.^)
Was man als den notwendigen Inhalt der Predigt betrachtete,
zeigt der Brief Hrabans an Haistulf von Mainz, der als eine Art Vor-
wort an die Spitze seiner Honiiliensamnilung gesteUt ist. Ich habe,
so schreibt er, Reden für die Volkspredigt vollendet, die alles be-
handeln, was meines Erachtens der Gemeinde notwendig ist, näin-
hch zunächst, wie man die christlichen Hauptfeste begehen soll:
frei von irdischer Arbeit soll mau sich dem Worte Gottes widmen,
und seinen Willen erkennend, soll man bestrebt sein, ihn auch mit
der That zu vollbringen. Damit habe ich Predigten über die ver-
schiedenen Tugenden verbunden, über Glaube, Hoftuung, Liebe,
Keuschheit, Massigkeit und andere Tugenden, wie man nach ihnen
streben und sie bewahren und dadurch Gott gefallen und das
ewige Leben empfangen könne. Daran schliessen sich Keden über
die mancherlei Verführung zu Irrtum und Laster, womit der alte
Feind das Menschengeschlecht betrügt und verführt, dass die Schafe
Christi wissen, wie sie dem Anfall des wilden Wolfes entfliehen und
sich vor ihm hüten können.^)
Ahnhche Gesichtspunkte werden überall, wo selbstständige
Predigten gehalten wurden, bestimmend gewesen sein.^) Erhalten
sind ausser den Predigten Hi*abans und vielleicht Haimos ^') nur etliche
1) Vgl. Concil. V. Aach. (836) II, 11 S. 679; II, 2 c. h S. 681. Mainz
fa. 847) c. 2 S. 176. Hohenalth. c. 5 M.G. Leg. II S. 556. Regln. I, c. 204 f.
S. 103 ff. Hraban an Humbert von Würzburg (oben S. 638 Anm. 1); Christ,
expos. in Matth. 9 S. 1302; 36 S. 1374 u. ö. Heliand v. 1857 ff. S. 132 (ed.
Sievers). Hier auch das Wort: Seola bisuorgon. Form. Senon. rec. 17
S. 220: Si praedicare liceat, si emendare, si corrigere, si erigere eccleaüs,
si confirmare aut baptizare aut poenitentiam dare.
2) Agob. ep. 11, 11 S. 204: Derelinquunt frequenter publica officia et
predicamenta.
3) Kp. 6 S. 301.
4) Vgl. Conc. Mog. (a. 847) c. 2 S. 176, niich c. 17 dor Synode von
Tours (a. 813). Stärker tritt das Dogmatische hervor bei Regino I, 205
S. 103 f., entnommen aus Karls admonit. general. (cap, 3!^, S2 S. 61 f.) bez.
w. aus Ansegis I, 76 S. 404. Was Rimbert (v. Ansk. 37 S. 72 über Ans-
kar« Predijjton sagt, mag hier angeführt wordon, da es die moralisierende
Art der Predigt des neunten .Jahrhunderts kennzeichnet: Sermo praedica-
tionis illius multa suavitate profusus, partim erat horribilis, ut certo pro-
baretur indicio infusione spiritali verba eius moderari, quo miscens terrori-
bu8 blandimentÄ, vim divini iam praetenderet iudicii, in quo veniens dominus
et terribiiis peccatoribus et blandus apparobit instis.
5) Die unter Haimos Namen prhaltenen Ilomilien harren noch einer
Unterauchung. Hrabans Predigten besass man in Würzburg s. ep. 26 S. 439.
Lobreden auf Heilige, die an den Festen derselben verlesen
wurden.^)
Neben der Predigt diente die Beichte der seelsorgerlichen Ein-
wirkung des Priesters auf die Gemeindeglieder. Gerade hier ist die
Annahme berechtigt, dass was in Karls Zeit Forderung war,-) im
Laufe des neunten Jahrhunderts herrschende Sitte wurde. Denn
kaum eine zweite kirchliche Handlung entsprach so sehr der religiösen
Kichtung der Zeit: dem Nebeneinander von Sündenbewusstsein und
von Wertschätzung der eigenen Leistung, das man überall bemerkt.
Man war der Überzeugung, dass ein Priester, der treulich an der
Bekehrung der Sünder arbeite, dadurch sich selbst den besten Dienst
thue, er bedecke seine Sünden und erwerbe sich ewige Herrlichkeit.^)
Die Priester selbst aber erkannten darin die höchste Gabe ihres
Amtes, dass sie, die Sünder, zu ^Mittlern bestellt seien, um für die
Bussfertigen einzutreten.*)
Wie wir sahen, gehörte es zu den Amtspflichten der Pfarrer,
am Beginn der Fastenzeit zur Beichte einzidaden.'^) Diese Auf-
forderung richtete sich zunächst an diejenigen, welche sich einer
Todsünde bewusst waren, dehnte sich dann aber auf alle aus, denen
ihr Gewissen irgend eine Sünde vorhielt.*^) Nach dem ursprünglichen
Gedanken sollte das Sündenbekenntnis von dem Beichtenden frei
abgelegt werden; die Fragen des Priesters sollten ihn nur unter-
stützen. Das liess sich nicht durchführen. Wenn man die von
Regino gegebene Form der Beichthandlung als tj-pisch betrachten
darf, so wurden die Fragen des Priesters unerlässlich; jedenfalls
1) Katbod von Utrecht über Suitberct, Lebuin u. Amalberga,
Migne 132.
2) S. oben S. 250—253.
3) Vgl. die sehr bezeichnenden Darlegungen in der Vorrede des Poenit.
Bigot. (Wasserschieben, Bussordnungen S. 444): Dicit scriptura divina:
Quia qui convertit peccatorem ab errore viae suae, salvabit animam suam
a morte et cooperit multitudinem peccatorum suorum. . . Discant sacer-
dotes domini, qui ecclessiis praesunt, quia pars eins data est cum his, quo-
rum delicta repropitiaverint. Quid autem repropitiare delictum? Si ad-
sumseris peccatorem et monendo, hortando, docendo, instruendo adduxeris
eum ad poenitentiam ab errore coercens a vitiis emendaveris et effeceris
eum talem, ut ei converso propitius fiat Deus, pro delicto propitiare diceris.
Cum ergo talis sis sacerdos et talis sit doctrina tua et sermo tuus, pars tibi
datur eorum, quos correxeris, ut et illorum interitus marcescit et illorum
Salus tua sit gloria.
4) So in dem Gebet vor der Beichte bei Regino I, 303 S. 140.
5j S. Regino, Notit. § 59 S. 23, u. vgl. conc. Aquisgr. II, 2 c. 5
S. 681.
6) Regin. I, 292 S. 135.
— 728 —
gewannen sie einen viel breiteren Raum, als sie anfangs hatten.')
Das Sündenbekenntnis scliloss mit dem an Gott gerichteten Gebet
um Vergebung nnd mit der an den Priester gericliteten Bitte um
seine Intercession. Es wurde gewöhnhcb vor dem Altar abgelegt.'")
Darauf sjn-aeh der Priester ein Beichtgebet und versicherte endlich
dem Kontitenten die Vergebung, indem er sie ihm zuwünschte. Der
allmächtige Gott, lautet Reginos Formel, sei dein Helfer und Schützer
und gewähre dir Vergebung deiner Sünden, der vergangenen, gegen-
wärtigen und zukünftigen.'')
Für jede gebeichtete Sünde wurde eine entsprechende Fi-ist als
Busszeit l)estinmit. Während derselben war der Sünder zu gewissen
Bussleistungen verpflichtet:"*) er galt jedoch nicht als aus der Ge-
1) Regin. I, 304 S. 142: Vidensautemeum sacerdos verecundantem rursum
prosequatur: Fortassis, carrissime, non omnia, quae gessisti ad memoriam
modo veniunt. Ego te interrogabo. Tu cave, ne diabolo suadente aliquid
celare praesumas. Et tunc eum ita por ordinem interroget: Fecisti homi-
cidium? etc. Hiemit ist zu vergleichen Thedoiilfi cap. II S. 219; hier die
ausdrückliche Mahnung: Non omnia crimina debet ei innotescere, quia multa
vitia recitantur in poenitentiali, quae non decet hominem scire.
2) Vgl. Cap. 196, 53 S. 43: Id nonnisi in ecclesia coram sancto al-
tari . . faciant.
3) Regino I, 304 S. 148.
4) In welcher Weise die Busszeiten beobachtet wurden, lernt man aus
Valicell. II c. 46 S. 564: Post hoc expositum patres nostri consideraverunt
imbecillitatem poenitentium et quia post his temporibus non est talis fervor
penitentiae, qualis antiquitus erat, quando canones efficiebantur. . . Hoc
variaverunt, ut qui annum nnuin erat in pane et aqua, inter ipsuni pnniten-
tialom annum I diem ebdomade duceret penitens in p. e. a. ; cetoris vero
de medioeriter penit. , . . atque eo modo simul mixtos compleat penitens
Huos annos. Simili modo de duobus annis i. p. e. a. , I dies in ebdomada,
et de tribus annis i. p. e. a. II dies in ebdom., ut simul mixtos conplerentur
ponitentia annum levius. Vgl. Conc. Mogunt. (a. 847) c. 31 8. 184; (852)
c. 10 t. S. 1^9. Wie allgemein die Vertauschung der Buaszeit mit Husa-
leistungen war. zeigt Ps, Theod., de poenit. divers. S. 621: Logimus in
poenitentiali, pro criminalibus culpis annum I aut II . . poenitentiam agere
in pane et aqua. . . Sed haec causa et ardua et difficilis est et istis iam tem-
poribus id suadere poenitentibiia non possumus. (Hei Cummean lautot die
entsprechende Stelle noch: Apud aliquos haec causa gravis ot ardua vidotur.
Tdeo alii statuunt etc. S. 463). Et ideo, qui ita non potest, consilium da-
raus, ut unusquisque poenitenti in alii« jtiis operibus, quantum potest,
suadeat diluere peccata sua. i. e. in orationibus et psalmis ac vigiliis et
elomosini« et assiduis lamontationibns. .sive in oruce stando ac saepius flec-
tpndo gonua nee non et in susceptione pauperum et peregrinorum, et
ieiunet. Regin. II, c. 446—454 S. 389 ff.
— 729 —
meiude ausgeschlossen. Man war sich der Abweichung von der
altkirchhchen Sitte, die hierin lag, bewusst, sah aber in ihr
durchaus kein Unrecht.-^) Bei der Beichte in Todesnot sollte ganz
von der Auflegung einer Busse abgesehen werden. Denn der Ster-
bende sollte mit dem vollem Trost der Absolution von hinnen
scheiden.-)
Welchen Wert man auf das regelmässig wiederholte Sünden-
bekenntnis legte, tritt besonders in der Ausbildung der sogenannten
ofienen Schuld hervor. Auf die sonntägliche Predigt Hess man ein
Sündenbekenntnis und die Absolution, in Verbindung damit Avohl
auch Glaube und Vaterunser folgen. Alle diese Stücke wurden in
deutscher SjDrache gesprochen. In den lateinischen Messgottesdienst
war somit ein bedeutender deutscher Bestandteil eingefügt. Die
erhaltenen Formeln der offenen Schuld sind sämtlich jünger. Aber
es unterliegt keinem Zweifel, dass die Ausbildung dieser gottes-
dienstlichen Form dem neunten Jahrhundert angehört. Ihre Hei-
mat war das südöstliche Deutschland.'')
Wer möchte leugnen, dass die Durchführung der Beichte Be-
weis eines sittlichen Ernstes ist, der Bewunderung verdient? Allein
die bedenklichen Seiten, welche von dieser Einrichtung uuablösbar
scheinen, traten doch sofort hervor. Ganz abgesehen von der, man
gestatte das Wort, Roheit des Eindringens in das geheimste Leben
des Nächsten, musste das Fragen und Forschen nach möglicher-
weise begangenen Sünden in vielen Fällen zur Versuchung werden,
sie wirkhch zu begehen. Das hat schon Theodulf von Orleans be-
1) Poenit. Merseb. c. 117 (Wasserschieben S. 403): Secundum canones
poenitentes non debent communicare ante completam poenitentiam. Nos
autem pro misericordia post annum vel post YI menses licentiam damus
communicandi. Ebenso Vindob. c. 86. Ps. Theod. c. 26 S. 610; 29, 4
S. 612. Cummean. c. 14, 6 S. 492; vgl. Ps. Gregor, c. 11 S. 541. Be-
zeichnend dafür, wie ernstlich man Exkommunikationen zu vermeiden strebte,
ist auch Cap. 242, 6 a. 860 II S. 155.
2) Conc. Mog. a. 847 Cap. 248, 26 II S. 182.
3) Ich verweise über diese Einrichtung auf die Darlegungen Scherers
(MüllenhofF u. Seh., Denkmäler S. 592 ff.). Die erhaltenen Formeln ge-
hören dem 11. und 12. Jahrhundert an (1. c. Nr. 87—97 S. 220 ff.). Der
Beweis für das hohe Alter der Institution liegt in den oben S. 463 er-
wähnten altslawischen Denkmälern. Ist der dort angenommene Ursprung
derselben richtig, so muss die offene Schuld in Baiern schon im 9. Jahr-
hundert üblich gewesen sein. Dass ihre Entstehung über Karls Zeit zurück-
reicht, halte ich nicht für wahrscheinlich. Die Stelle der offenen Schuld
nahm anderwärts eine, ohne Zweifel ebenfalls deutsche, Gebetsvermahnung
ein (s. Regino I, 192 S. 98 f.).
— 730 —
merkt.') Und wie oft imisste es zu Gewisseiisbedeiiken darüber
tülüvii. ol) mau nicht die Sünde vielleiclit doch begangen habe.-)
Dann bot die Beiclite nicht, wie sie sollte, Trost, sondern Qual.
Man versteht, dass die Pariser Synode von 829 den Priestern ans
Herz legte, dass sie in verständiger AVeise nach den Sünden der
Beichtkinder forschen sollten.^) Aber beim Blick auf die Litteratur
der Bussbücher kann man nur schwer glaul)en, dass diese Mahnung
viel nützte. Die Bedenken, welche wir Protestanten gegen die
Verhängung der Pönitcnzen hegen, lagen völlig ausserhalb des Ge-
sichtskreises des neunten Jahrhunderts. Es waren andere Schwierig-
keiten, die man bei der Bestimmung der Bussfristen fand. Sie
entsprangen den verschiedenen Ansätzen der Bussbücher. Wie
früher erwähnt wurde, erklärte sich die Synode v(m Ohalon s. S.
gegen die Bussbücher überhaupt.'*) Zunächst meinte man, auf
diesem Standpunkt beharren zu können. Die Pariser Synode von
829 wiederholte die Verwerfung der Pönitentialien. indem sie be-
schloss, die Bischöfe sollten sie sich überge})en lassen und ver-
brennen. Sie selbst sollten ihre Kleriker über das kanonische Mass
der Busse unterrichten. •'"') Aber war ein solcher Beschluss durch-
führbar? Die kanonischen Bestimmungen waren in einer Menge
von Synodalbeschlüssen und Väterstellen zerstreut. Unmöglich
konnte man von den Pfarrern ihre Kenntnis erwarten, wenn man
ihnen nicht eine Samndung derselben in die Hand gab. Dem-
gemäss musste sich der Gedanke aufdrängen, dass es vor allem not-
wendig sei, ein Bussbuch aus anerkannten Quellen herzustellen.
Wie nahe er lag, sieht man daraus, dass er von verschiedenen
Männern ungefähr gleichzeitig ergriHen wurde. Ebo von Rheims
trug sich eine Zeit laug mit dem Plan, ein offizielles Bussbuch zu
1) Theod. I S. 219.
2; Stellen wie Poen. Valicell. 11, 22 S. 559 lassen ahnen, wie geftlhr-
ich die Beichtpraxis werden konnte: Si aliquis in se vel jtarvnni rocela-
verit peccatuni, sciat se exinde ratione rodituros secundiim, iUud, qiiod do-
minus de verbo otioso. quanto magis nos, si plura peccata vol crimina, que
conainiaimus, recelaverimus, quia scriptum est: Nulluni peccatum inultum
dimittit Dens, h. e. sine vindictam. (.^uodsi non iudicareniur liic per peni-
tentiam, iudicat illam Deus per veritatoni in iudicio. Nam et de satis-
factione dicit: Quacunquo hora conversus fuerit peccator ad penitontiam,
omnia peccata eius in oblivione traduntur.
3) C. 32 S. 560: Presbyteri imperiti solerti studio ab episcopis suis
instruendi sunt, qualiter et contitentium peccata discrete inquirere eisque
coDgruum modum . . poenitentiae noverint imponere.
4) S. oben S. 253, Anm. 1.
5) C. 32 S. 559.
— 731 —
verfassen. Er selbst führte ihu nicht aus, aber er regte Hahtgar
von Cambrai an, ihn zu verwirklichen.^) In Deutschland hatte
Otgar von Mainz denselben Gedanken: er forderte Hraban auf, ein
Bussbuch nur aus Synodalbeschlüssen und Sentenzen der Väter
zusammenzustellen.-) Aus den gleichen Erwägungen sind zwei
anonyme Sammlungen von Busssatzungen hervorgegangen.^) Die
Absicht war stets die Verschiedenheit in der Bestimmung der Buss-
zeit zu beseitigen und alle Willkür dabei auszuschhessen , indem
man nur aus kirchlich anerkannten Quellen schöpfte.
Aber indem man diesen Gedanken ausführte, erwies er sich
als unausführbar. Die Stellen, welche Hraban in seinem Pöni-
tentiale zusammentrug, waren freilich sämthch älteren Konzilien -
beschlüssen, den apostolischen Kanon es und päpsthchen Schreiben
entnommen. Aber sie enthalten zum grossen Teile keine Bestim-
mungen über die Busszeit, sondern sprechen nur die Verwerf hchkeit
der betreffenden Sünde aus. Dies Pönitentiale konnte also die
älteren nicht ersetzen. Hraban selbst hat dies Urteil ausgesprochen,
indem er in seinem zweiten für Heribald von Auxerre bearbeiteten
Bussbuch Bestimmungen aus älteren Bussbüchern aufnahm.*) Und
sein Urteil hat die Mainzer Synode von 847 bestätigt, indem sie
als massgebend fiü- das priesterliche Urteil die kirchhche Gewohn-
heit neben den Kanones nannte.^)
Die gleiche Erfahrung wie Hraban machte Hahtgar. Dadui'ch
dass er seinem Werke ein angeblich römisches Pönitentiale bei-
fügte,^) sprach er aus, dass seine Arbeit ohne diese Ergänzung den
praktischen Bedüi"fnissen nicht genüge.
1) Ep. ad. Halitg. M.G. Ep. V S. 616 Nr. 2 c. 830, vgl. Friedberg, P.
RE. m-^ S. 583.
2) Hrab. ep. 32 S. 462 v. 842.
3) Die sog. Collectio Dacheriana und eine coli. Vaticana, s. Schmitz,
D. Bussbücher I S. 715 ff'.
4) Opp. IV S. 467 ff.; benützt ist das Poenit. Egberti (c. 18 S. 484 f.)
und Theodori (c. 30 S. 491).
5) C. 31 S. 911.
6) Vorrede S. 693 : Addidimus huic operi . . poenitentialem Romanum
alterum, quem de scrinio Romane ecclesiae adsurapsimus, attamen a quo
sit editus ignoramus: idcirco adnectendum praescriptis canonum sententiis
decrevimus, ut si forte haec probatae sententiae alicui superfluae sint visae,
aut penitus, quae desiderat, ibi de singulorum criminibus nequiverit inve-
nire, in hac saltem brevitate novissima omnium scelera forsitan inveniet
explicata. Wie man sieht, lässt diese Selbstkritik an Aufrichtigkeit nichts
zu wünschen übrig. Halitgar erkannte, dass seine Sammlung nicht brauch-
bar sei; um sie dazu zu machen, sah er sich genötigt, zu den alten Buss-
( .•
32
Es ist liegreiflicli. dass es nicht gelang, (iic alten Bussbücher
zu verdrängen. Neue Sanindungen, welche im Verlaufe des neunten
Jahrhunderts hervortraten, tragen wieder ganz den alten Chai-akter;^)
oder man suchte sich dadurch zu helfen, dass man die alten und
neuen Han(ll)üclier gleichsam zusammenschmolz. So wurden die
drei ei-sten Bücher Halitgars mit dem augeblichen Bussbuche Bedas
verbunden.-) Auch Kegino musste. um die kirchliche Diszi])lin voll-
ständig darzustellen, zu Exzerpten aus Bussbüchern greifen. Mit
einem Worte: die Bussbücher behaupteten sich.*^)
Für die Verwaltung der Beichte war das nicht heilsam. An
Stelle der seelsorgerlichen Behandlung der Sünden trat eine mehr
oder weniger richterhche. Audi dies Bedenken haben die Zeit-
genossen bereits erkannt. Es fehlt nicht an Erinnerungen daran,
dass der Beichtiger nicht ein Zensoramt ausübe, sondern dass er,
gleichsam die Last der Sünden mittragend, die Irrenden beraten
solle. Er wird demgemäss aufgefordert, die individuellen VerliiÜt-
nisse nicht ausser Acht zu lassen.^) Mögen nun auch solche ^Mah-
nungen nicht ganz wirkungslos gewesen sein, so musste der Ge-
brauch der Bussbücher doch immer von neuem dazu versuchen,
die Sünde als ein geistlicher Richter zu bestrafen und die Buss-
leistung als Genugthuung für das Unrecht zu betrachten. Zu dem
letzteren wai- die sittliche Laxheit ohnehin nur zu sehr geneigt.
Es kam vor, dass man wähnte, im Genuss des mit Unrecht er-
worl)enen Guts bleiben zu können, wenn man nur die Pönitenz auf
sich nahm: dann war ja für die Sünde genug gethan."^) Das wurde
büchern zurückzukehren. Er that es, indem er ein aus dem römischen
Archiv stanimondes Pönitentiale beifügte. Die Nachricht über die Prove-
nienz dieses Pönitentiale hat Wassorschleben (a. a. 0. S. .58) für wahrschein-
lich unwahr erklärt, wie mich dünkt, ohne hinreichende Gründe. Aber
selbstverständlich beweist der Umstand, dass Halitgar dies Bussbuch von
Rom erhielt, nichts dafür, dass dasselbe ein offizielles oder offiziöses Er-
zeugnis der römischen Kirche und als solches in Rom im Gebrauch war.
Es ist vielmehr, wie Wasserschloben dargethan hat, fränkischen Ursprungs
(S. 58, 72).
1) Wasserschieben, Bussordnungen I S. 83 S.
2) Waaserschleben S. 81; Schmitz T S. 720, 735.
3) Die Rückkehr zu den Bnssbüchern zeigt Regino. Nach Notit. 59
S. 25 hat der visitierende Bischof zu fragen: (Si presbyter plebi) iuxta
qualitatem delicti poenitentiani iniungat, non ex corde suo, sed sicut in
poenitentiali scriptum est.
4) Vorrede zu der Schrift de remed. peccator. f Wasserschieben S. 248 f.),
von Regino wiederholt S. 148.
5) Christ, in Mattb. 11 S. 1308 f.: guidam acquisivit hominom iniuste
vel tulit alodium alicuius et venit ad confessionem et dicit: Mea culpa,
— 733 —
getadelt. Aber war es viel besser, wenn die Möglichkeit gewährt
wurde, die Pöuitenzen durch Geldzahlungen zu ersetzen,^) ja sogar
die Busse durch einen Dritten ableisten zu lassen ? -) Das geschah
ohne Tadel und trotz des Tadels. Man würde Unrecht thun. wenn
man die Bedeutung der Beichte nur hienach beurteilen wollte.
Ohne Zweifel hat sie das Bewusstsein, dass der Mensch für all
sein Thun und Lassen Gott verantwortlich ist, mächtig gestärkt.
Aber andererseits ist doch auch klar, dass dieser Gewinn teuer
erkauft wurde. Das, was im Christentum als eine Kette rehgiöser
Vorgänge gedacht ist, wurde zu einer Reihe von Handlungen, die
äusserlich abgemacht werden konnten und vielfach sehr äusserlich
abgemacht worden sind.
Die von den Priestern geülite Beichtzucht fand ihre Ergän-
zung in den bischöflichen Sendgerichten. ■^) Sie sind aus den seit
lange üblichen Visitationen der Diözesen gleichsam herausgewachsen*)
und lieweisen also ebenfalls die dem neunten Jahrhundert eigene
Tendenz, Rechtsformen auf das kirchliche Leben zu übertragen.
Schon in Ludwigs d. Fr. Zeit gewannen die bischöfUcheu
Visitationsreisen den Charakter von Gerichtsfahrten. Einen oder
peceavi in tali facto, da mihi poenitentiam. Et dicit ille: Abstine tanto
tempore a vino et carne. 0 quam aperta seductio . . . Debueras dicere:
Destrue opus et accipe tunc poenitentiam.
1) Der Gedanke ist, dass Almosen an Stelle von Fasten oder Psalmen-
singen treten (Poen. Merseb. a. c. 41 f. S. 395, c. 148 S. 405; Vindob. a.
c. 43 f. S. 420). An der ersteren Stelle Mers. 148 bemerkt man, dass die
Anordnung noch neu war, und Anstoss erregte: Neminem hoc conturbet.
Übrigens ist die Tarifierung schon durchgeführt: 1 Tag Fasten = 50 — 70
Psalmen beten = 1 Denar; 1 Woche = 300 Psalmen; ein Jahr = 21 oder
26 Solidi. Vgl. Cummean. praef. S. 464. Vindob. 6 S. 495 f. Remens. 2
S. 498 f. Valicell. I. c. 1 S. 547, mit dem charakteristischen Einleitungssatz :
Quomodo possumus penitere VII ann. in uno anno, nach einem angeblichen
Diktum des Bonifatius (Egbert, c. 16 S. 246). Almosen werden hier übri-
gens nicht genannt, sondern nur Psalmengesang, Paternostergebet und
Messen.
2) Cummean. praef. S. 468: Qui psalmos non novit et ieiunare non
potest, elegat iustum, qui pro illo hoc imploat et de suo precio aut labore
hoc redimat, id per unumquemque diem de precio valente denario in pau-
peribus eroget. Doch fehlte es nicht an Widerspruch: Merseb. a. c. 44
S. 396: Si quis mercedem accipit et ieiunaberit, si per ignorantiam hoc
fecerit, ieiunet pro se, quantum se promisit pro illo ieiunare, et quod ac-
cipit det pauperibus, et qui aliena peccata super se susceperit, non est
dignus christianus; vgl. iudic. Clem. 3 S. 434.
3) Dove, Ztschr. f. KR. IV u. V. Ders. P. RE. XIV- S. 119 ff.
4) S. 0. S. 236 f.
— 734 —
zwei Tage vor dem Bischof begab sich ein Archi|)iesbytei' oder der
Arcliidiakon in den zu visitierenden Ort. Er versammelte das Volk,
kündigte die Ankunft des Bischofs au und forderte unter Drohung
mit der Exkommunikation alle auf, vor dem Bischof zu erscheinen.
Gemeinsam mit dem Ortspiiester erledigte er sodann die geringeren
Sachen, während die Entscheidung der wichtigeren dem Bischof
vorbehalten blieb. ^) War dieser eingetroffen, so wurde die ganze
GeuKMude. oder mehrere benaciibarte Gemeinden-) mit ihren Priestern
vor ihm versammelt. Er forderte das Volk bei seinem Eide auf.
Zeugnis über die Priester zu geben ;'^) ebenso hatten die letzteren
über die Gemeinden zu berichten.*) Daraufhin urteilte der Bischof.
So war die Elinrichtung noch in der Mitte des neunten Jahrhun-
derts. Zum Abschluss kam sie dm'ch die Einführung der Send-
zeugen, die in den nächsten Jahrzehuten vorgenommen wurde.'')
1) Synode v. Rouen c. 16 (Bruns II S. 271). Über die Zeit der Synode
8. o. S. 720 Anm. 3.
2) Das letztere verordnete die Synode zu Toulouse i. J. 844 c. 4 (M.G.
Cap. II S. 257). Eine analoge Vorschi-ift für Deutschland ist nicht erhalten.
3j Conc. Mogunt. (a. 852) c. 8 S. 188: Si quis presbiter . . mala de
se suspicari permiserit et populus ab episcopo iuramento seo banno chri-
stianitatis constrictus infamiam eins patefecerit, et certi accusatores cri-
minis eius defuerint, admoneatur primo seorsum ab episcopo etc.
4) Ergiebt sich aus Stellen wie Regino Notit. 38 f. S. 24.
5) Die Zeit der Einführung der Sendzeugen ergiebt sich aus dem Ver-
gleich des Anm. 3 zitierten Mainzer Kanons mit den zwei Konstanzer
Briefen Form. Sangall. 30 S. 415 und 38 S. 420. Nach der ersteren SteUe
kannte man die Geschworenen in der Mitte des 9. .Jahrhunderts in Mainz
noch nicht. Dagegen darf man aus Form. Sangall. 30: Cum diocesim meam
circuirera, deveni ad locum, ubi momorati honiines habitabiint et ibi didici
a moioribus natu vici illius, <[uhi idem coniugos ita sibiinet consanguinitate
iuncti essent etc. und 38: Cum adiutorio jirudentiura virorum, schliessen,
dasfl sie gegen Ende des 9. Jahrhunderts in der Konstanzer Diözese ein-
geführt waren. Die Briefe sind von Salomo II. an Liutbert von Mainz ge-
richtet (a. Zeumer, N.A. VIII S. 525 und Dümmlor. Formelbuch S. 135 ff.).
Eine analoge fanrichtung, jedoch ohne Bezug auf das Sendgericht, ordnet
die Synode von Rouen c. 15 S. 271 an: Ut decani in civitatibuB et in vicis
publicis, viri veraces et Deum timentes constituantur, qui desidea et negli-
gentes commoneant, ut ad Dei servitium absque dilatione properent, et ut
ipsi decani sacramento adstringantur, ut nulla intnrvenionte causa scilicet
aut amoris aut timoris aut ])ro])inquitatis, muneris negligentes et trana-
greaaores reticeant, quin propnis sacerdotibus proprias eorum culpas mani-
fe«tent. Regino II, 5, 69 S. 215 beweist, dass diese Einrichtung auch in
Deutschland eingeführt war. Die Annahme, dass sie das Vorbild für die
Auf.ttellung Ge.ichworener im Sendgericht bot, liegt sehr nahe. Ein zweites
Vorbild hatte man auf weltlichem Gebiete. Ludwig d. Fr. ordnete i. J. 828
— 735 —
Diese ausgebildete Form des Sendgerichts lernt man besonders aus
Regino kennen. Nach ihm eröffnete der Bischof die Verhand-
lungen mit einer Ansprache an das Volk und berief sodann aus
der Mitte der Gemeinde sieben angesehene Männer zu öffentlichen
Zeugen. Sie leisteten auf Reliquien den Eid, alles was in der
Pfan-ei gegen den Willen Gottes und das rechte Christentum ge-
schehen sei. ohne Furcht und Gunst zu enthüllen. An sie, nicht
mehr au die Gesamtheit, richtete der Bischof seine Fragen. Er
forschte nach den Verbrechen wider das Leben, die Ehe, den Besitz
und die öffentliche Treue, nach heidnischem Aberglauben und Un-
gehorsam gegen die Institutionen der Kirche.^) Da die Sendzeugen
verpflichtet waren, die Anklage zu erheben, so war verhütet, dass
irgend ein Verbrechen ungerügt blieb. In diesem Punkte unter-
schied sich das Verfahren im Sendgericht grundsätzlich von dem
im weltlichen Gerichte. Im übrigen war es dem letzteren nach-
gebildet. Nicht der Kläger hatte seine Anklage zu beweisen, son-
dern der Beklagte war verbunden seine Unschuld darzuthun. Als
Beweismittel diente für die Freien der Eid,'') für die Unfreien
das Gottesgericht.^) Der Bischof fand das Urteil gemeinsam mit
den Priestern.*) Der Schukhge wurde mit öffentlicher Busse be-
legt.'^) Diese gewann dadurch wieder grössere Bedeutung, als sie
die Aufstellung' öifentlicher Zeugen für das Gericht der Königsboten an
(M.G. Cap. 187 II S. 8). Diese Einrichtung wurde zu Worms 829 noch
weiter ausgedehnt: es sollten die Königsboten angesehene Männer aufstellen,
ut adiutores comitum sint ad iustitias faciendas (Cap. 192, 3 II S. 15).
1) Regln. II c. 2 ff. S. 207 ff.
2) Vgl. die Schwurformeln Regin. II c. 235 S. 306: De hoc, quod mihi
reputatum est in hac synodo, quod simul cum ista femina adulterium vel
fornicationem fecissem, quod ego non ita feci, nee unde me culpabilem
recognosco. Sic me Dens adiuvet ad istud iudicium suum ; c. 239 f. S. 307.
Doch kam es, in Abwesenheit des Beklagten, auch vor, dass die Thatsache
der Anklage durch das Zeugnis der Anwesenden bewiesen wurde. Form.
Sangall. 30 S. 416: Quod inquisitione facta et fide cum iuramento data, ita
verum esse dedici, ut omnes a minimo usque ad maximum id ita se habere
proclamarent.
3) Regin. 11 c. 303 S. 332.
4) S. Dove 1. c. V S. 13 und über die Form des Urteils S. 25 ff.
5) Ygl. Regino II c. 6 ff. S. 216 ff. Demgemäss besteht die Mainzer
Synode von 847 auf dem alten Grundsatz: Qui publice peccat, oportet ut
publica mulctetur poenitentia et secundum ordinem canonum pro merito
suo et excommunicetur et reconcilietur (c. 31 S. 184). Wie die öffentliche
Busse durch den Bischof verhängt wurde, so stand ihm allein auch die
Reconziliation zu (Synode von Worms 868 c. 8 Mansi XV S. 871). Dass
auch die Bischöfe bei der Bestimmung der Bussen die Bussbücher nicht
— 73(i —
eine Zeit lang gehal)t hatte,') zumal da mau Kiurichtuiigen trat,
um ihren Vollzug zu kontrollieren.-) Wer sich dem Sendurteil
nicht unterwarf, vei-tiel, nachdem er zu dreien Malen vergel)lich
gemahnt war. der Exkonnnunikation: er wurde ausgestossen aus
dem Frieden der Kirche und damit der bürgerlichen Gesellschaft.
Vor vei-sammelter Gemeinde hielt der Bischof, umgehen von zwölf
Priestern, die l)rennende Kerzen in den Händen trugen, eine An-
sprache, in welcher er die Pflicht, tote Glieder vom Leibe der
Kirche zu trennen, darlegte; sodann sprach er, während die Priester
die Kerzen zu Boden warfen und verlöschten, den Bannfluch über
den Ungehorsamen aus: er schied ihn von der heiligen Kirche und
jeder Gemeinschaft der Christen l'iu' Zeit uiul Ewigkeit. Verflucht
solle er sein in der Stadt und verflucht auf dem Lande, verflucht
sein Eingang und vei-fluclit sein Ausgang. Kein C'hrist sofle ihn
grüssen, kein Priester ihm die Messe lesen, niemand Verkehr noch
Gemeinschaft mit ihm ])flegen. es sei denn, dass er undcehre und
Busse thue.'*)
Noch war es Regel, dass der Bischof das Sendgericht persön-
lich hielt, obgleich er sich durch einen Beauftragten vertreten lassen
konnte.'') Auch war es in Deutschland nicht üblich, dass er von
entbebren konnten, beweist Regino. Die Ungleichheit der Strafsätze musste
bei den öttentlichen Gerichten sich noch fühlbarer machen als in der
Beichte. Daher das Bestreben der Synoden durch neue, bezw. erneuerte
allgemeine Bestimmungen Einheit herzustellen; vgl. bes. Conc. Tribur.
c. 52 tf. S. 241 und den bei Itegino erhaltenen Text 11, 6 tf. S. 21«, hier
mit der Überschrift: Ut poenitentia super homicidiis non diverse more ut
prius, aed in episcopiis singulis uno more agatur.
1) Vgl. oben S. 249 f.
2) Regln. I, 295 S. 136 f.
3) Regln. 11, 412 ff. S. 369. Ein eigenartiges Mahnverfahren hat das
Sendrecht der Main- und Rednitzslawen (Ztschr. f. KR. IV S. HIO ff.). Nach
demselben soll der Ungehorsame durch Pfändung eines Vermügensstückeu
zum Gehorsam genötigt werden, und erst wenn diese Massregel vergeblich
ist, verfallt er der Exkommunikation. Gegen Doves Bestimmung des Schrift-
stückes hat sich Riezler erklärt (Forschr. XVI S. 397 ff.); er sucht den Ur-
sprung desselben im Bistum Eichstädt. Allein .seine Deutung von pac-
tum = bair. Gesetz ist wenig überzeugend; und die ceterao n.itiones bleiben
bei der Beziehung auf Eichstädt unerklärt. Doves Ansicht scheint mir des-
halb die wahrscheinlichere.
4) Da« Erstere ergiebt sich aus Salomos II. Bemerkung (Form. Sang. 8H
S. 420): Vestra novit industria, quam diu episcopium mihi commisaum ab
infirmi.s et senio defessis hominibus retentum est, adeo ut iam nonus annus
pene sit exactus, ex quo nullus eorum ipsani parocbiam circuire poterit.
— 787 —
dem Grafen oder einem Diener desselben begleitet wurde. ^) Für
Frankreich verordnete dies Karl d. K. im Jahre 853."-)
Man mag anerkennen, dass die bischöflichen Sendgerichte
einen offenbaren INIangel des altdeutschen Strafrechts ergänzten.
Ihm fehlte die Vorstellung, dass das Unrecht unter jeder Bedingung
bestraft werden muss, auch wenn dadurch nicht die Gesamtheit
geschädigt wird. Gerade dieser Gesichtspunkt herrschte im Send-
recht. Allein klar ist doch, dass diese Fortbildung der kirchlichen
Zucht nur möglich war, weil die staatliche Gewalt ihre Aufgabe
sehr unvollkommen löste, und dass sie die Erfüllung der Aufgabe,
welche die Kirche hatte, störte. Wenn man das, was wir über
die Sendgerichte im Anfang des zehnten Jahrhunderts Avissen, mit
dem vergleicht, was über die Kirchenvisitationen unter Karl d. Gr.
bekannt ist,'^) so ist augenfällig, dass die Seelsorge völlig in das
Gericht umgeschlagen ist. Die Kfrche aber hat Seelsorge zu
treiben, nicht Gericht zu halten.
Wie beschaffen war nun die Frömmigkeit, die unter so manch-
facher Pflege und Bevormundung durch die Leiter der Kirche er-
wuchs ?
In vieler Hinsicht ist der Unterschied zwischen der Religio-
sität des neunten und der des sechsten und siebenten Jahrhunderts
nicht gar gi'oss. Nur treten die charakteristischen Züge jetzt
schärfer und deutlicher hervor. In anderer Hinsicht kann man
Das Letztere wird durch den Zeugeneid bei Regino IL 3 S. 208 bewiesen:
Ai-chiepiscopo de Treviris aut eius misso.
1) Der Beweis hiefür liegt in dem 9. Kapitel der Synode von Tribur
S. 218; denn unter dem Placitum, welches der Bischof episcopatum circum-
eundo canonice constitutum decreverit, kann nur an das Sendgericht ge-
dacht werden. Hat der Graf wissentlich oder unwissentlich auf denselben
Tag ein Placitum angesetzt, so soll die von ihm angesagte Versammlung
ausfallen, und er soll mit seiner Umgebung an dem bischöflichen Placitum
teilnehmen. Daraus folgt, dass er für gewöhnlich nicht an ihm teilnahm.
Wenn Dove (Ztschr. f. XR. lY S. 22) schon in cap. 19, 6 S. 45 die Anord-
nung findet, dass der geistliche Richter zum Schutz aber auch zur Kontrolle
von dem Grafen zu begleiten sei, so scheint mir das unrichtig. Die an-
gezogene Stelle handelt nicht von den Visitationsreisen. Ebensowenig ist
cap. 90, 6 S. 190 die Begleitung des Grafen gefordert. Adiutorium ist weit
allgemeiner.
2) Conc. Suess. c. 10 (M.G. Cap. 259 11 S. 269). Die Begleitung des
Bischofs durch den Grafen ist übrigens auch in Frankreich nicht regelmässig
üblich gewesen. Das beweisen die Worte ,si iusserint" in den von den
französischen Bischöfen an Ludwig d. D. gesandten Kapiteln (Cap. 297, 7
a. 858 II S. 432, vgl. Conc. Meld. 71 ib. S. 415.
3) S. o. S. 236.
Hauck, Kirchengeschichte. II. 2. Aufl. 47
— 788 —
mehr oder weniger tiefgehende Yeriindeningen wahrnehmen. Was
sich an froninier Sitte und kirclilicheni Krauch l)ei den Franken
gehildet hatte, das wurde Sitte und Brauch des deutschen Volkes.
AVir haheu das in Bezug auf den Kirclienbesuch bereits bemerkt.^)
Es gilt nicht minder in Bezug auf die Sonntagsfeier,-) den Em-
pfang des h. Abendmahls,^) besonders in Bezug auf Gebet und
Fürintte: Morgen und Abend,-*) das Kreuz am AVege,"^) der Beginn
der Arbeit und Alahlzeit ") — dies alles wurde Anlass zum Gebet.
Alle Paar Stunden erinnerte der Schall der Glocke daran, das
Gebet nicht zu versäumen.') Dass jedermann diese Sitte ül)t<^, war
so selbstverständlich, dass der Dichter auch die AVeisen aus dem
Morgenland ihr Frühgebet sprechen lässt; sie bitten den Allwal-
tenden, dass sie seine Huld und seinen AVillen forthin wirken
möchten, wie sie Mut und Sinn an jedem Morgen zu ihm ge-
richtet haben.**) In jedem ausserordentlichen Ereignis sah man
eine Auftorderung zum Gebet: wenn ein Gewitter am Himmel stand,
so eilte alles A'olk in die Kirche;") war ein für den Staat wich-
tiger Beschluss zu fassen, so wurde ein allgemeiner Fasttag an-
geordnet: ^") der Kj'ieger bereitete sich zur Schlacht, indem er seine
Sünden beichtete: ^^) vor dem Beginn des Kampfes stimmte man
ein Glaubenslied an und unter dem lauten Ruf Kyrie eleison stürmte
1) S. 0. S. 706.
2) Hier wirkte indes das Vorbild der Vornehmen, besonders das
Ludwigs d. Fr. schädigend, vgl. die Vorstellungon der Bisrhöfe Cap. 196. 32
S. 39. Auch die Knthaltung von Feldarbeit war nur schwer zu erreichen,
ib. 45 S. 41, Conc. Mog. a. 852 Cap. 249, 14 S. 190.
3) Auch in dieser Hinsicht gab Ludwig d. Fr. ein schlechtes Beispiel,
Cap. 196, 33 S. 39.
4) Theod. cap. I. 23 S. 198: vgl. das Abendgebet Poet. lat. I S. 78
Nr. 49.
5) V. Ale. 14 S. 192; vgl. die Gebete beim Kreuzschlagen Ale. lib.
eacram. Migne 101 S. 463.
6j Hraban de cleric. instit. II, 10 (opp. I S. .329). Christiani expos. in
Matth. 37 S. 1392 D und 1393 A. Gebete bei Grimald. lib. sacram. 126 f.
S. 850. Das bekannte Tischgebet des kl. Katechismus Luthers Hndet sich
hier beinahe wörtlich. Man sieht die ungeheure Tenazität dieser einfachen
Fornieln.
7) Regin. Not. 29 S. 21.
8) Heliand v. 690 ff. S. 50 ed. Severs.
9) Ann. Fuld. z. J. 857 S. 48. Ks mag gelegentlich daran erinnert
werden, dass auch die Ausbildung von Passionsgottesdiensten in diese Zeit
ftUt; Amal. de eccl. off. praef. Migne 105 S. 991.
10) Ludov. cap. 1.36 S. 270 f.
11) Ann. Fuld. z. J. 896 S. 127. Vgl. die Ky). consol. ad pergentes in
— 739 —
das Heer gegen den Feind. ^) Sich für Leben und Sterben die
Fürbitte derer zu sichern, die besonders als Diener Gottes betrachtet
wurden, war jedermann bestrebt. Die klösterUchen Verbrüderungs-
bücher mit ihren tausenden von Namen geben ein Bild davon, in
welchem Masse und wie allgemein es geschah. Denn neben den
Grossen in Welt und Kirche findet man hier eine Menge von
Männern und Frauen genannt, von denen nichts überliefert ist als
der Name : man darf ihre Träger zum Teil in den untersten sozialen
Schichten suchen. Es hat fast etwas Eührendes, dass im Reiche-
nauer Verbrüderungsbuch 30 unh-eie Mühlknappen sich eintragen
hessen.-) Man mag daneben stellen, dass ein Hofmann sich die
Aufnahme in den Gebets verein dm'ch Zahlung von dreissig Silber-
schillingen ^) erkaufte.
Die lebenchge Überzeugung des Volkes spricht sich in dem
allen aus, dass der Mensch und des Menschen Los ganz in Gottes
Hand steht. Man hört sie wieder, wenn der Eintretende mit dem
Gruss empfangen wm'de: Sei Gott willkommen und mir.*) Die
Freundlichkeit und der Schutz des allwaltenden Gottes soll den
Fremden empfangen. Schroffer wii'd sie laut in dem da und dort
ankhngenden Fatahsmus. Im Ludwigslied spricht der König vor
Beginn der Schlacht: Hier zu bleiben ist uns bescheert, so lange
es Christus will; will er unsere Hinfahrt, so hat er dessen Gewalt.'^)
Und so bildet auch im Hehand die Gewissheit, dass das irdische
Geschehen von Ewigkeit her fest bestimmt ist, den Hmtergrund
der Anschauung.**) Am altertümhchsten ist es, wenn das Schicksal
gewissermassen von Gott losgelöst, wie eine selbstständige Macht
erscheint.') Die Wurt ist von den Deutschen lange Zeit fast wie
ein persönliches Wesen gedacht worden. Es war ein Sieg des
Christentums, dass das Wort Schicksal jenes alte Wort verdi'ängte.
bellum, die Schmitz NA. XV S. 605 ff. veröffentlicht hat v. 25. Wie mich
dünkt, ist das Schriftstück nicht ein Brief sondern eine Heerpredigt.
1) Ludwigslied v. 46 f. (Müllenhoff und Scherer, Denkmäler Nr. 11 I,
S. 24).
2) S. 251 Sp. 339, 29 f. eingetragen um 830.
3) Form. Aug. coli. C. 21 S. 374.
4) De Heinrico v. 13 (Müllenhoff u. Scherer, Denkmäler 18 I S. 39).
Das Lied gehört dem 10 Jahrhundert an. Der Gruss ist aber sicher älter.
In dem süddeutschen ,Grüss dich Gott" und ,Behüt dich Gott" sind ähn-
liche Formeln bis auf die Gegenwart erhalten.
5) V. 37 f., S. 26.
6) S. darüber unten.
7) Ebenfalls im Heliand.'s. u. u. vgl. Grimm, Mythologie S. 817 f.
47*
— 740 —
^lau wundert sich niclit, dass Gottschalks Lehre iu Deutschland
bei den Laien Ankkiug fand.*)
Mit der l'herzeugung der Abhängigkeit von einer höheren
Macht verband sich unmittelbar das Bewusstsein der sitthchen
Verpthclitung Gott gegenül)er. Es fehlte, wie wir sahen,-) der
früheren Zeit nicht ganz; aber es erscheint jetzt klarer, bestimmter.
Jedei'manii kennt das sog. AVessobrunner Gebet, ein Bruchstück,
wie man annehmen möchte, einer dichterischen Bearbeitung der
Schöijfungsgeschichte. Die Phantasie des Dichters führt ihn hinaus
in die Zeit vor der Zeit: er sucht eine Vorstellung des Unvor-
stellbaren, der Ewigkeit, da nichts war ausser dem einen, allmäch-
tigen Gott. Angefügt ist dem Bruchstück ein Gebet, in dem die
Gedanken sich wieder zu dieser Welt zurückwenden: der Verfasser
bittet, dass der heilige, allmächtige Gott, der Himmel und Erde
gewirkt und den Menschen so manches Gut verliehen hat. ihm
gebe rechten Glauben und guten Willen, AVeisheit, Verstand und
Kraft, den Teufeln zu widerstehen, das Arge zu meiden und Gottes
Willen zu wirken. •'^) Ahnliche Gedanken linden wir in anderen
deutschen Gebeten dieser Zeit.'*) Sie waren allgemein.'')
Während man in diesem Punkte von einem Fortschritt der
sittlichen Kultur reden kann, so fehlte ein solcher in anderer Hin-
sicht. AVir haben früher das LieinanderHiessen von Glaube und
Aberglaube beobachtet.") Man bemerkt es auch jetzt überall; die
abergläubischen Elemente der Fnimmigkeit wurden nicht ausge-
stossen; sie blieben, sie wuchsen mit den echten Bestandteilen der-
selben zu einem untrenidiaren Ganzen zusammen. Das charakterisiert
Ij Hrab. ep. 42 S. 481.
2) S. Bd. I S. 186.
3) Müllenhoff und Scherer, Denkmäler I S. 1 f. Dass das poetische
Stück Gedicht eines Geistlichen für seine Standesgenossen sei (Kelle, G. d.
d. L. I S. 74), halte ich für wenig wahrscheinlich. Für dit^ Kleriker machten
die Kleriker lateinische Verse.
4) Cap. 109 S. 224: Trnhtin god thu mir hilp. indi forgip mir gawitzi
indi guodan galaupun. thina minna indi rehtan willeon. heili imii gasunti.
indi thina guodun huldi. Vgl. das St. Emmeraner Gebet (Müllenhoff und
Scherer Nr. 7« l S. 248 f. und 11 S. :3f)7 tt'.). Eh ist kaum nötig, die Ver-
wandtschaft des Gebetes der Weisen im Holiand hervorzuheben.
5) Vgl. die Gebete in der missa pro amico und pro famiiiaribus bei
Grimald Lib. sacram. (Migne 121 S. 922j. Z. li.: Ut famulo tuo N. veniam
suorum largiri digneria peccatorum, ut ab omnibus inimici vinculis liberatus,
tuis toto corde mandatis inhanreat, ut te solum semper tota virtute diJigat.
et ad tuae quandoquo beatitudinis visionem pervnniro mereatur.
6) 8. Bd. I S. 190 ff.
_ 741 —
z. B. das Gottesgericht.') Für das uralte Beweismittel der
deutschen Volksrechte-) wurden allmählich feste kirchliche Formen
ausgebildet. Es wurde zu einer von der Kirche geleiteten Hand-
lung. =^) Der Priester, gekleidet in die heihgen Gewänder, in den
Händen das Evangehenbuch und die heiligen Gefässe, trat vor die
Thüi-e der Kirche, wo das Volk mit dem Angeklagten ihn erwar-
tete. Er begann die Handlung, indem er den Beklagten bei dem
dreieinigen Gott und dem jüngsten Gericht, bei dem Geheimnis
der Taufe und bei allen Heihgen beschwor, im Falle er sich einer
Schuld bewusst sei, die Kirche nicht zu betreten, sondern seine
Sünde zu bekennen. Nachdem sodann im Kirchhof der Ort füi-
die Vornahme des Gerichts bestimmt und durch Bespreugung mit
Weihwasser beuediziert war, begaben sich alle in die Kirche, wo
eine Messe gelesen wurde. Dabei hatte der Beklagte zu kommu-
nizieren. Der Priester reichte ihm Brot und Wein mit den Worten:
Der Leib und das Blut unseres Herrn Jesu Christi sei dir zur
Erprobung. Xach Vollendung der Messe zogen die Anwesenden
in feieriicher Prozession imter Vorantraguug von Kreuz, Evangehen-
buch und Reliquien an den Gerichtsplatz. Dabei wurden die Litanei
und die Busspsalmen gesungen. Nun folgte das Gebet, dass Gott,
der gerechte Eichter, sein wahres Gericht offenbaren und jeden
Zauber verhüten möge; dann die Beschwörung des Wassers oder
was sonst das Mittel des Gerichts war, dass es nicht der List des
Teufels diene, sondern Schuld und Unschuld enthülle; hierauf
wieder ein Gebet, es möge nicht die Ungerechtigkeit über die Ge-
rechtigkeit siegen. Nachdem endlich noch das Wassergefäss mit
Myrrhen beräuchert und eine nochmahge Beschwörung gesprochen
war, musste der Angeklagte mit der Hand in das kochende Wasser
1) Die ordines iudiciorum Dei sind von Zeumer gesammelt in den
M.G. Form. S. 604 ff. Ergänzungen von Hampe NA. XXIII S. 380 ff. Man
vergleiche Grimm, Rechtsalterthümer S. 908 ff. ; Rettberg, KG. D.'s 11
S. 749 ff.; Dahn, Studien zur Gesch. der german. Gottesurtheile, 1857; S.
Kietschel P. RE. VII» S. 33. Die verschiedenen Arten der Gottesurteile:
Zweikampf, der jedoch im fränkischen Recht nicht als Gottesurteil gilt,
Probe des kalten und heissen Wassers, des glühenden Eisens, des Brots und
Käses, des hängenden Psalters, Brots oder Kessels, darf ich hier wohl als
bekannt voraussetzen.
2) Über den Ursprung der Gottesui-teile handelt eingehend Dahn, 1. c.
S. 22fl\
3) Der gerichtliche Zweikampf entzog sich der Leitung der Kirche;
das hing vielleicht damit zusammen, dass nach karolingischem Recht der
Zweikampf vom ordentlichen Verfahren ausgeschlossen war und sich nur im
Königsgericht erhielt (Sohm, Frank. Reichs- und Gerichtsverf. S. 501 ff.).
— 742 —
greifen. Die Hand wurde darauf mit "Wolle umwickelt, die Hülle
vei-siegelt und am drittcMi Tage wieder geöffnet. Dann erst ent-
schied sich Schuld oder Unschuld.')
Dass ganze Verfahren lässt daran nicht zweifeln, dass man
einen möglichst tiefen Eindruck auf das (remüt des Beklagten er-
strebte."-) Mau suchte ihn, wenn er schuldig war, noch im letzten
Moment zum Bekenntnis zu nötigen. Aber diese psychologische
AVirkung auf den Verbrecher war doch nicht der Hauptzweck.
Man lebte vielmehr der IJberzeugung, dass Gott in diesem Gericht
die Wahrheit offenbare:'') man nahm es vor, um jeglichen Zweifel
zu lösen.*) Der Gedanke war also nicht, dass Gottes Rache den
Frevler treffen müsse, sondern dass Gott durch ein Zeichen ent-
hüllen werde, wo das Recht ist, damit dem Richter möglich sei,
gerecht zu urteilen. Gott möge, so heisst es in einem der Gebete,
alles was unsicher und ungewiss ist, darüber wir zweifeln, klar ent-
hüllen, damit wir auf Wahrheit und Gerechtigkeit achten und
zwischen Lüge und Wahrheit unterscheiden können.'^) Dies war
der Zweck. So fest war man davon überzeugt, dass man geradezu
sagte, Gott habe geboten, den Zweifel durch das Gericht zu ent-
fernen.") Es ist ganz entsprechend, dass man von dem Priester
forderte, er solle in gewissem Glaul)en an das göttliche Erbarmen
handeln,') und dass der Priester vor Beginn der Handlung betete:
Gieb mir die Zuversicht dein Amt auszurichten und wirke du selbst
in unserem Dienst das Werk deiner Frömmigkeit.'') Die Offen-
baiimg der Wahrheit erwartete man stets, r.ötigenfalls durch ein
Wunder zu Gunsten des unschuldig Bedrängten. Für diese Zeit
1) Ordo 5 S. 608 ff.
2| Dotngemäss wurde wolil vor clor Kouununion noch eine Be.schwö-
runi^' ein^elept, dass der Beklajfte, wenn er sich schuklig wisse, nicht wage
zu kommunizieren (ord. 8 S. 613), oder es musste der Beklagte unmittelbar
vor dem Vollzug seinen fllauben an die göttliche Bewahrung bekennen
(ord. 10 S. 61«).
3) Ord. 1 a S. 604.
4) Ord. 2 a S. 605: .\d instiini examinationom cuiuslibet dubietatis
faciendam; sing. cap. 13 S. 700: vgl. IV, 3 a S. 649.
5) Ord. 7 e S. 612.
6) Ord. 13 S. 617: XIV, 1 g S. 675.
7) Ord. 19 g S. 622: Fidus de eins dementia.
8) Ord. 27 b S. 600, vgl. 11. 1 S. 641; Tu, doniine dixi.sti: llabute
fidem Dcil Kt si habueritis fidom et dixeritis nionti, ut transforatur, statim
flet. Auge in nobis, domine, fidem tuam et omnem diffidentiam et infide-
litatem procul a nobis depclle, quia tu fidutiam impetrandi, que poscimus,
donasti.
— 743 —
gab es ja keine scharfe Grenze zwischen natürhchem und wunder-
barem Geschehen. Deshalb erinnerte man in den Gebeten an so
viele biblische Beispiele von Wundem,^) und appelherte man nicht
nur an die Gerechtigkeit Gottes, sondern auch an sein Erbarmen
und seine Geduld, an ihn, der der Urheber des Friedens und der
unsichtbare Heiland der Welt ist.-)
Wer möchte diesen schrankenlosen Glauben, dass Gott der
Hüter des Rechts ist, diese Scheu vor jedem Zweifel darüber, wo
Recht und Unrecht sich findet, nicht anerkennen?^) aber die Men-
schen dieser Zeit wurden dadurch unmittelbar in den tiefsten Aber-
glauben geführt. Die Forderung und Erwartung einer direkten
Entscheidung Gottes war Aberglaube. Und wie viel abergläubisches
Wesen hing sich sonst noch an die Gottesgerichte oder trat bei
diesem Anlass an den Tag. Die Furcht vor den unholden Mächten,
von denen man wähnte, dass sie in der Welt ihr Wesen trieben,
ist kaum irgendwo so deuthch, als im Gottesgericht. Alle Krea-
turen schienen bereit, den Menschen, an dessen Seele ohnehin der
Zweifel nagt, zu berücken und zu verführen.^) Wenn man das
Vaterunser auf das trockene Gerstenbrot schrieb, das der Ange-
klagte verzehren sollte, so wurde das Gebet des Herrn als eine
Zauberformel benutzt.^) Es war ein Missbrauch des Abendmahls,
dass man den Angeklagten nötigte, in der Gerichtsmesse zu kom-
munizieren, vollends dass der Reinigungseid der beklagten Priester
und Mönche durch die Abendmahlsprobe ersetzt wurde.'') Aber in
1) Die drei Jünglinge im Feuerofen 1 b S. 604 u. ö., Susanna 1 b
S. 604 u. ö., Daniel in der Löwengrube 8 c S. 614, Auferweckung des
Lazarus 4 S. 608 u. ö., Hochzeit zu Kana 6 b S. 610, der versinkende
Petrus 6 b S. 610, die Apostelwahl durch das Los 7 e S. 612, die Wunder
überhaupt 4 S. 608 u. ö. Bezug auf Legenden ist selten: Thekla 8 1 S. 614,
Briccius IX, 3 b S. 622, Brandan XII, 4 b S. 672. Hier mögen auch die
Lektionen der Gerichtsmesse zusammengestellt werden: Lev. 19, 10, 14
(App. 1 f S. 711), Jes. 55, 6 f. (Miss. iud. d S. 707), Dan. 13, 1 ff. (XI, 3 a
S. 668). Mtth. 13, 24 ff. (21 g S. 624); Mrc. 10, 17 ff. (23 a S. 627, App. I i
S. 711); 11, 22 ff. (Miss. iud. g S. 708, X, 1 a S. 663); Lc. 6, 36 ff. (I, 4 a
S. 639); Jo. 1, Iff. (XII, li S. 670), 3, 1 (33 b S. 637), 8, 1 ff. (XI, 3 a
S. 668), Gal. 5, 10 (33 b S. 637), Eph. 4, 23 (23 a S. 627, App. I g S. 711).
2) Ord. 1 b S. 604; 2 a b S. 605; 4 S. 608; 6 b S. 610, 6 d S. 611; 19 g
S. 622; 22 c S. 626.
3) Zweifel gegen das Gottesgericht fehlten doch nicht ganz; vgl. Cap.
62, 20: Ut omnes iudicium Dei credant absque dubitatione.
4) Ord. 1 b S. 604; 2 b S. 607; 5 a S. 609; 6 a S. 610; 8 h k S. 613;
10 e S. 21; 21 h S. 624; 26 c S. 629 u. ö.
5) Ord. XII, 3 e S. 671, XIV, 4 a S. 681 u. ö. vgl. XIV, 4 f S. 689.
6) Synode zu Worms (868) c. 10 u. 15 S. 871 f., wiederholt Regin. II
— 744 —
Deutschhind nahm niemand Aiistoss daran;') es berührt fast selt-
sam, (hiss sicli hei der Krenzprobe das Gewissen regte, und man
ihre Vornahme verbot.') ]\[an wird nicht zweifchi kiinnen, dass
die Ijepalisierung des Aberghiubens. die darin kig. dass die Kirche
die Gottesgerichte unter ihro Leitung nahm, dem deutschen ^^)lke
Schaden gel)racht hat.
Das Anseilen der Gottesurteile beruhte auf der unverminderten
Kraft des Wunderglaubens. Es ist wohl kein Irrtum, wenn mau
in Karls Zeit eine gewisse Reaktion gegen denselben, oder sagen
wir nui-. einen Ansatz zu richtigerer Beurteilung des religiösen
AVertes des Wunders bemerkt. In den Kaiolinischeu Büchern tritt
das unverkennbar hervor.^) L'nd wenn Alkuin in seiner Biographie
Willi brords äussert, es sei zwar der Dienst der evangehschen Ver-
kündigung allen AVundern und Zeichen vorzuziehen, doch wolle er,
was man von AVundern AV"illil)rords erzähle, zur Ehre Gottes, der
sie ihm gegeben, nicht verschweigen/) so ist das eine Art Ent-
schuldigung für seinen AVunderbericht. Paulus Diakonus war konse-
ijuenter, indem er in seine Biographie Gregors d. Gr. keine AV^nider
aufnahm und die Frage, ob der Heilige welche verrichtet habe, als
niüssig ablehnte.'*) Kritische Äusserungen über die AVunder kommen
vereinzelt auch später vor.") Aber im allgemeinen scheiterten diese
schwachen Versuche, sich \<>u einem die Zeit belierrscheuden A^)r-
c. 277 f. S. 321. Die Ansicht, nach welcher die Abendniiihlsprohe nicht
zu den Gottesgerichten zu rechnen ist, scheint mir richtig-. Ks tehlt die
zweifellose göttliche Entscheidung; sie vergleicht sich vielmehr dein Kid.
Entstanden wird sie sein aus der Kommunion des Angeklagten in der (ie-
richtsmes«e.
1) Bekannt ist Agobards Widerspruch (advers. legem Gundob. , opp.
I S. 207 ff.); auch Stephan V. erklürto sich dagegen (ep. Mogunt. 13
S. 335).
2) Ludwig d. Fr. cap. 138, 27 S. 279 mit der Begründung: Ne quae
Christi passione glorificata est, cuiuslibet temeritate conlemjttui liaboatur.
3) III. 25 S. 1167. Es versteht sich von selbst, dass kein Zwcilel an
der Möglichkeit und Thatsächlichkeit der Wunder laut wird; aber man ist
misstrauisch gegen sie, quia signa plerumquo diabolico instinctu fiunt. Dass
in diesem Misstraupn der Keim zu einer kritischen Betrachtung der Wunder
lag, zeigt das angeführte Kapitel.
4) C. 14 S. 50.
5) S. Ebert, Lit. d. M.A. 11 S 42 Anm. 4.
6) Bischof Adalhohn erklärt Träume n. (iesichte für deliramenta som-
niorum (Vis. Wett. 10 S. 270 f.). Wenn der Transl. Libor. zu glauben ist,
machte Madurad von Paderborn die Bemerkung, dass die Sachsen den
biblischen Wunderb'-richten mehr oder weniger ungläul»ig gegenüberstanden
(c. 7 S. 151).
— 745 —
lu'teil zu emauzipieren. Das Volk fi-eute sich der Wunder, die
seine Heiligen verrichteten. Darin sah es ihren Ruhm und ge-
wissermassen eifersüchtig ergriff es Partei für die Ortsheihgeu. Die
Gebildeten aber fügten sich willig dieser populären Strömung.^)
Durch nichts wurde der Wunderglaube so sehr gefördert und
zugleich vergröbert, als durch die immer weitere Ausdehnung der
Heiligen- und ßehquienverehrung. besonders durch die mehr und
mehr in Schwang kommenden Translationen.-)
Neben die Heiligen der biblischen Geschichte und die Mär-
tyi-er der alten Kirche traten in stetig wachsender Anzahl die neuen
Heiligen. Noch wurden sie nicht von der Hierarchie kreiert und
anerkannt, sondern die Verehiimg des Volkes wählte sich selbst
ihre Lieblinge. Sie bevorzugte die sagenhaften Stifter der Bistümer
und ältesten Klöster,^) wandte sich daneben aber auch den kirch-
lichen Grössen der jüngsten Zeit zu. Im Kalendarium Karls d. Gr.
ist ihre Zahl noch sehr beschränkt: neben die alten fränkischen
Heiligen, deren Gedächtnis mit der Geschichte der Merowinger
veiüochten war, Remigius von Eheims und Genovefa von Paris,
treten hier aus der fränkischen Zeit nur Medardus von Soissons,
Leo von Sens, Bonifatius und der Würzburger Kihan: von den
Heihgen des Karohngerhauses ist nicht ein einziger, nicht einmal
Arnulf von Metz, genannt."*) In der Verehrung des Volkes standen
wohl Bonifatius und seine Gefährten am höchsten; schon am An-
fang des neunten Jahrhunderts gab es keinen Tag im Jahr, an
dem die Zahl der Pilger in Fulda grösser gewesen wäre, als am
5. Juni.'^) Noch jüngere Männer erschienen bedeutend genug, sie
neben die alten Heroen zu stellen: es fehlte nicht ^-iel, dass auch
der schhchte x^lkuiu zu einem Heiligen geworden wäre.^)
Zu diesen bekannten Männern gesellten die Translationen die
li Ermanr. sermo de v. Sual. 8 S. 160. Haec vulgus et qui minus
intellegunt . nosque cum eis pro luaximis laudibus tenent . quod sancti Do-
mini in hoc saeculo a diversis languoribus coipora coecorum, claudorum,
aridcruni et paraliticorum in Christi nomine curant. Bezeichnend ist auch
ein in anderem Zusammenhang ausgesprochenes Wort Alkuins, das hier
angeführt werden mag, da es den Lokalpatriotismus im Heiligendienst zeigt :
Illud commune est omnibus ubique, quod moleste ferant suos dehonorare
sanctos (ep. 249 S. 403).
2) Beissel, Die Verehrung der Heiligen u. ihrer Reliquien. Freib. 1890.
3) Vgl. die Zusammenstellung bei Beissel S. 36 ff.
4) Piper, Karls d. Gr. Kalendarium S. 40 fF.
5) Libell. suppl. 14 M.G. Ep. IV S. 550; Serv. Lup. ep. 5 S. 58.
6) Der Trierer Chorbischof Thegan schreibt c. 836 bereits von dem
heüigen Alkuin, M.G. Ep. V S. 337.
— T4(> —
iillei-frag würdigsten Persöulichkeiten. Karl d. Cir. war dou neuen
Heiligen und der Übertragung ihrer Reli«iuien wenig geneigt. Er
sprach es bestimmt aus. dass dabei in der Kegel die Verehrung
Gottes und der Heiligen nur Vorwand, die Vermehrung des kirch-
lichen Besitzes aber Zweck sei.^) Auch Alkuin urteilte sehr scharf
über die abergläubische Keli([uien Verehrung: es sei besser im Herzen
die Beispiele der Heiligen nachzuahmen, als ihre Knochen undier-
zutragcn. ^Nfan solle die evangelischen Mahnungen im Innern ge-
schrieben haben, statt sie auf Tät'elcheu graviert um den Hals zu
hängen. Das sei der Aberglaube der Pharisäer, denen der Heir
ihre Phylakterien zum Vorwurf machte.') Während Karls Regie-
nmg hört man denn auch nicht gerade viel von Translationen: im
Gegenteil, man bereitete ihnen Schwierigkeiten. Das geschah z. B.
durch den Beschluss der Synode von Frankfm-t im Jalire 794
gegen die Verehrung neuer Heihger"') und dm-ch den 51. Kanon
der Mainzer Synode von 813.^) Al)er ganz hintaidialten liess sich
die Sache nicht. Das hinderten schon die Päpste, welche Reli(iuien
als Beweise ihrer Gunst verteilten;'') mehr noch der allgemein&
Glaube an die Kraft derselben, den man auch bei Männern wie
Alkuin und Angilbert rindet.") Man strebte nach ihnen und man
wusste sie sich aus der Nähe oder aus der Feme zu verschallcu.
So erwarb das Kloster Schienen aus Jemsalem den Leib des Mär-
tvrers Genesius,^ Lul von Mainz übertnig die R('li(|uion des h. Fer-
lutius aus Kastei luich ßlcidenstadt.'') Durch Karl selbst kam der
h. Theodul von Rom nach Khngenmünster.") Gleichfalls in Rom
erwarb das Kloster Kempten i. J. 774 die Reliquien der h. Gor-
dianus und Epimachus.^^)
Doch das waren vereinzelte Fälle. Ganz anders wurde es
1) Cap. 72, 7 S. 163.
2) Ep. 290 S. 448.
3) Cap. 28, 42 S. 77, vgl. cap. 22, 42 S. 56.
4) Mansi XIV S. 75.
.5) J.W. Nr. 2429, Reliquien des li. Candidua für Karl; 2522, Reli<iuienr
des C&sarius für Riculf von Mainz; 2528, Petrusroliquien für Karl.
6) Alkuin urteilte: Honorificatur Deus in illi«, et noatra prote^itur
vita cum illis, ep. 75 S. 117; er bittet um Keli(|uicn au.s Italien (ep. 11
S. 37; 146 S. 236). Angilbert brachte in St. Kifjuicr eine sehr manchfache
Sammlung von Reliquien zusammen (de eccles. Centul. 2 S. 175 flF.).
7) Mirac. h. Genes. I M.G. Scr. XV S. 169.
8) Serm. d. s. Ferrutio S. 150; vgl. oben S. 567, 2. Die Einweihung
der Kirche fand am 6. .Tuni 812 statt (a. o.).
9) Hrab. carm. 76 v. 7 S. 228.
10) Herim. Aug. chron. z. 774 Scr. V S. 100.
— 747 —
unter Ludwig; nun drängte eine Translation die andere. Den
Anfang machte Bischof Waltcaud von Lüttich, der das zurück-
gekommene Kloster Andagium erneuerte und auf die Bitte der
Mönche im Jahre 825 den Leichnam Huberts von Lüttich dorthin
brachte.^) Im nächsten Jahre erwarb Hilduin von St. Denis für
das Kloster St. Medard in Soissons den Leichnam des Märtyrers
Sebastian.-) Kaum war dieser Schatz für das fränkische Reich
gewonnen, so wusste Einhard durch seinen gewandten Schi-eiber
Ratleic die Reliquien der Märtyrer Marcellin und Petrus zu er-
langen. Er brachte sie in die von ihm gebaute Kirche in Sehgen-
stadt. Jedennann kennt den treuherzigen Bericht, in welchem er
selbst erzählt, wie jene Rehquien, man weiss nicht soll man
sagen, gekauft oder geraubt worden sind.^) Und nun bheb keine
der Landschaften des weiten Reiches hinter der anderen zurück.
Für Franken sorgten besonders der Erzbischof Otgar und Hraban
von Fulda. Jener erhielt i. J. 836 durch einen gallischen Priester
Namens Fehx, einen geschäftsmässigen Rehquienhändler,*) die
Reliquien des Bischofs Severus von Ravenna samt denen seiner
Tochter und Schwester. Felix hatte sie im Kloster des Heihgen
bei Ravenna gestohlen; Otgar brachte sie zunächst nach St. Alban
bei Mainz; von da kamen die Reliquien des Severus in die Pauls-
kirche zu Erfurt, die später den Xamen des neuen Heihgen an-
nahm; das Albanskloster behielt die der heihgen Vincentia, das
Kloster Altenmünster in Mainz aber w^urde i. J. 858 von Erzbischof
Karl mit denen der heihgen Innocentia beschenkt.'^) In Rom hatte
Otgar vergebhch um einen Heihgenleib gebeten;'') schhesshch er-
reichte er doch sein Ziel: er erwarb dort die Rehquien der heihgen
Sergius, Bachus und Justinus. Die beiden ersteren wiu'den an ver-
schiedene Kirchen verteilt,') die des h. Justin brachte er nach Höchst.*)
1) Transl. Hubert. 2 S. 235 f.
2) Transl. Sebast. 7 S. 382.
3) Transl. Marcell. et Petr. S. 239 ff., vgl. auch Einh. ep. 10 S. 113.
4) Vgl. u. S. 749 Anm. 4.
5) V. et transl. Sever. S. 289 flf. Das altum monasterium, das hier ge-
nannt ist, sucht ein Zusatz zu Lamb. ann. z. 858 ebenfalls in Erfurt. Man
könnte dann nur an das Domstift oder an das Kloster auf dem Petersberg-
denken. Aber beide waren niemals Nonnenklöster. Überdies weist die Art,
wie Liütolf spricht, darauf hin, dass die Nonnen in Mainz za suchen sind;
es scheint mir deshalb zweifellos, dass man an Altenmünster in Mainz zu.
denken hat.
6) M.G. Ep. V S. 71 Nr. 13.
7) Vgl. Hrab. carm. 55 S. 219; 77, 7, 5 S. 230; 80, 7, 4 S. 238.
8) Hrab. carm. 71 S. 225.
— 74S —
Hrahan sorgte lür die Kirchen der Ahti'i Fulda.') Aueli der
h. Castor fing jetzt an berülnnt zu werden, Erzhischof Hetti von
Trier hat seinen Leichnam von Garden nach Ooblenz ühertragen.-)
Für die Kirdie in Vallendar erwarb er von Einhard Kehciuien der
h. Marcellin und Petnis.'') Nach St. Kicjuier brachte er aus Rom
Keh(|uien der h. Eusebius. Pontian und Peregrin.*) Der Metzer
Chorbischof Ijantfrid verschaffte dem Kloster Xeuweiler die Reli-
quien des li. Adelphus.'*) Durch Markward von Prüm wurden
einige Jahre nach Ludwigs Tod die Keli(iui<'n der h. Chrysantus
und Daria liir das Kloster Münstereifel erworben.")
In Schwaben wusste das Kloster Reichenau seinen Reliquien-
besitz am eilie])lichsteu zu vermehren. Es erhielt i. J. S29 die
Leil)er des h. Valens und Senesius,') 864 die des h. Januarius
und anderer Heiligen, die ein schwäbischer Kriegsmann aus Cam-
panien entführt hatte.'') Das Kloster Rheinau erwarb in Rom die
Reliquien des h. Elasius.") Dagegen begnügten sich die Mönche
1) Rudolf. Mirac. sanct. in Fuld. eccl. transl. S. 329 0'. Hraban bedurfte
für seine neuen Kirchenbauten vieler Reliquien (c. 1 S. 330). Er erhielt
sie zum Teil als Geschenk von einem in Italien begüterten Franken, Namens
Halabing (1. c. u. c. 4 S. 333), auch von Humbert von Würzburg (ep. 26
S. 440j, zum grössten Teil (s. da.s Verzeichnis c. 3 S. 332; 4 S. 333; 9 S. 336)
kaufte er sie; unter seinen Lieferanten ist der römische Diakon Deusdona,
eine ebenso anrüchige Persönlichkeit wie der Gallier Felix (c. 2 S. 330) und
sein Bruder Theodor (c. 9 S. 336), ein römischer Laie, Namens Sabbatinus
u. a. Man hat den Eindruck, dass ein schwunghafter Handel mit Reliquien
getrieben wurde (c. 4 S. 333). Sie kamen in die Marienkirche zu Fulda
(c. 3 S. 332), in die Kirchen zu Johannisberg (c. 7 S. 33.t', zu Holzkirchen
(c. 11 S. 337', zu Rasdorf (c. 13 S. 338) und in nie von Hraban erbauten
Kirchen (c. 14 S. 350). Die Tninalationen fallen in die Jahre 835-838.
2) Gleichfalls im Jahre 836 (Theg. v. Hludov. app. S. 603; Gesta Tre-
vir. 25 S. 164).
3) Einh. ep. 45 S. 132.
4) Carm. Cent. 118 v. 7. M.G. Poet. lat. HI S. 343.
5) Transl. Adelph. 1 S. 294 mit der unmöglichen Jahresangabe 846.
Da die Translation unter Ludwig d. Fr. stattfand, so wird sie in dieselbe
Zeit fallen wie die Translationen Hrabans.
6) \m J. «44 (Transl. Chrys. 1 S. 374 f.).
7) Ann. Aug. 8. 67, vgl. cat. abb. Aug. iM.G. Scr. H S. 38), wo das
Jahr 830 angegel)en ist. ebenso in den Ann. Alam. cont. Aug. S. 49. Nach
den Mirac. a. Marei brachte Ratold von Verona die Reliquien vielmehr nach
seiner Zelle Radolfszell, dagegen nach Reichenau die des Ev. Marcus
<2 M.G. Scr. IV S. 450)
8) Gallus Öhem, Chronik S. 5y f.
9) Im J. 855 (v. Find. 5 S. 505).
— 749 —
von St. Gallen an den einheimischen Heiligen. Im Jahre 864 er-
hoben sie die Reliquien Otmars und übertrugen sie in die Gallus-
kirche. Seitdem feierten sie den Depositionstag als ein Fest.
Partikeln seines Leichnams kamen später nach Reichenau und
Kempten. ^) Auch Reliquien Columbas wusste man sich in St. Gallen
zu verschaflen.-)
Was Baiern anlangt, so brachte Bischof Hitto im Jahre 834
die Rehquien des Papstes Alexander und des Papstes Justin von
Rom nach Freising. ■^) Im nächsten Jahi'zehnt suchte der dortige
Bischof Erchambert die Reliquien des Apostels Bartholomäus füi'
seine Kirche zu gewinnen. Aber er traute dem Zwischenhändler^.
einem notorischen ReHqiendieb, nicht ganz und wartete deshalb
unter Veranstaltung von Fasten und Bittgängen, ob sich die Reh-
quien durch Wunder als echt erwiesen.^) Als Liutpram von Salz-
burg ün Jahre 851 eine Wallfahrt nach Rom machte, erhielt er
von Leo IV. den Leichnam des h. Hermes zum Geschenk.*'') König
Karlmann brachte im Jahre 876 die Reliquien des h. Maximilian,
dann der h. Fehcitas und ihrer sieben Söhne nach Otting.^) Im
Bistum Eichstädt wm*de i. J. 893 der Leichnam der Äbtissin Wal-
1) Mirac. Otm. 1, 2 ff . S. 48; II, 2 S. 53.
2) Ermenr. ep. ad Grim. 29 S. 567. Gozbert, der Neffe des gleich-
namigen Abts, brachte sie aus Bobbio.
3) Transl. Alex. 1 S. 286 f.
4) Vgl. den ungemein charakteristischen Brief Erehanberts an den
Freisinger Klerus (M.G. Ep. V S. 338 Nr. 23): Denique cognoscat benevo-
lentia vestra, quod quidam vir nomine Felix per missum suum demandavit
seniore nostro regi, dicens se corpus s. Portholomaei apostoli et aliorum
sanctorum corpora secum nostris partibus detulere, quod nos cum gaudio
et libenti animo Deum laudando audivimus. Sed adhuc incertum habemus,.
utrum credibile nobis existere debeat an non. Contigit fideles senioris
nostri insimul venisse in sua praesentia, et de eo incipiebamus meditare.
Et tunc demum, quando pertractavimus, ita nos coadunavimus triduanam
ieiunium agere, quatenus a Deo omnipotente in aliquibus signis nobis
ostendere mereamur, si ipse supradictus Felix verum dicat an aliter, et ne
fallente diabolo nos decipiat. Rogamus vere et iubemus, qui spontanea
voluntate hoc ieiunium colere volueritis, ut abstineatis vos a vino et carne
et medo et melscada, cervisa et de lacte et ovo, et sequimini crucem ad
horam nonam in XII kal., in XI k. et X k., et ut istam notitiam aliis in
antea non negligatis transmittere. Über Felix s. Ti-ansl. Severi 1 M.G.
Scr. XV S. 292; Huic erat consuetudo . . s. reliquias, ubicunque potuerit
furavi questus causa; andere Reliquienschwindler sind Ep. V S. 363 Nr. 1
erwähnt.
5) Transl. Hermet. S. 410.
6) B.M. 1491.
— 750 —
biirgis von Hoidonhoim nach I]iclistädt versetzt ein Teil der Reli-
quien kam später von dort niich Monheini.')
Unter keinem der deutschen Stämme aber waren die Ver-
treter der Kirche gleich eifrig in d(>r Enverbung von Relicpiien,
als bei dem zuletzt bekehrten, dem sächsischen. Dort stiessen die
Itiblisclien Wunderberichte manchfach auf Unglauben: man wollte
ilm iil)ei-\vinden. indem man die Macht der Heiligen den Sachsen
im eigenen Lande zeigte.**) Es dauerte auch nicht lange, bis der
Wunderglaube in Sachsen die gleiche Höhe erreichte wie im
übrigen Deutschland. In das .lahr s:}() fällt die Übertragung des
h. Veit nach C'orvov und des h. I^iborius nach Paderborn. Beide
Reliquien kamen aus Frankreich; die ersteren erhielt der Abt
Warin von Hilduin von St. Denis, dorthin hatte sie einstmals
Fulrad als Geschenk Stephans III. gebracht; =^) die letzteren wurden
von Aldrich von Le Maus an Bischof Badurad überlassen.") Auch
die Reli(iuien der h. Pusinna. die durch den Grafen rob])o nach
Herford gebracht wurden, stammten aus Frankreich.'*) Noch i. J.
sm erwarben die Mönche von Corvey dort die Reli(iuien des
h. Justinus.") Bald tritt aber auch hier Italien als Beziigs(iuelle
dieser Heiligtümer in den Vordergrund: von dort stammten die
Reliquien der h. Felicissimus und Agapet. die nach Vreden in
Westfalen kamen.') Dort erwarb Waldbraht, W^idukinds Enkel,
den Reli(iuienschatz von Wildeshausen ^) und Graf Liudolf den von
Brunshausen.") Auch Linthert von Münster erhielt von Rom die
Relicjuien des Märtyrers iSfagnus.^") Wo er die zahlreichen in
Freckenhorst niedergelegten RcU(iuien erwarb,") ist nicht bekannt.'-)
1) Mirac. Waldb. I, 5 f. S. 540 f.
2) Transl. Libor. 7 S. 151.
3) Transl. Vit. 3 S. 577; 14flF. S. 580 f.
4) Transl. Libor. 8 S. 152.
5) Diese Translation fällt in das Jahr 860, s. transl. Pusinn. 5 f. (Wil-
matis, KU. I S. 543 f.).
G) Ann. Corb. z. 891 .Taffe I S. 34. Im J. 949 erwarb man dazu den
Kopf in Magdeburg, ib. S. 35. Die Herkunft aus Frankreich in der jungen
Transl. A. S. Roll. Aug. I S. 33.
7) Im .1. 839 (Ann. Xant. z. d. .1. S. 226).
8) Im J. 851 (Transl. Alex. 4 ff. S. 676 u. Ann. Xant. /.. d. J. S. 229).
9) Im J. 852 (Ann. »^uedlinb. z. d. J. S. 46; Hrotsuitb, de prim. Gand.
V. 118 ff. S. 308 f.).
10) Im J. 867; sie waren ein Geschenk Nikolaus J. (Ann. Xant. z. d. .1.
S. 232).
11) Im J. 861 (Ann. Xant. z. d. ,1. S. 230).
12) Reliquien im Privatbesitz bezeugt das Braunschweiger Reliquien-
- 751 -
Jede Translation glich einem Triunipliziige : mit Kreuzen und
brennenden Kerzen geleitete die Priesterschaft den Schrein, der
die Eehquien barg; Scharen Volks folgten, Kyrie eleison singend.
Nahte der Zug einer Kirche oder einem Kloster, so wTirde er auf
die feierlichste Weise eingeholt.^) Durch das alles musste die
Phantasie des Volkes mächtig en^egt werden : man war geneigt, das
einfachste Ereignis als ein Wunder zu betrachten. Als Rudolf
von Fulda die Reli(iuien des Märtyrers Venantius von Soluhofen
nach Fulda abholte, klärte sich nach einer Regennacht am Morgen
das Wetter auf: er war überzeugt, dass das durch die Verdienste
des Heiligen geschehen sei.-) Es war gewissermassen natürUch.
kästchen mit der Inschrift Halega Limuritue thisi GheualinJu (diese heiligen
Reliquien sind der Gewalind), Haupt, Ztschr. f. d. Alt. N.F. II S. 95 fl'.
1) Besonders Rudolf schildert das anschaulich in seinem Bericht über
die Erwerbung der Fuldischen Reliquien.
2) Mirac. sanet. 5 S. 334. Zugleich eine Bemerkung über die Topo-
graphie. Waitz identifiziert das hier genannte Holzkirehen mit der Fuldi-
schen Propstei dieses Namens, in Unter-Franken, BA. Marktheidenfeld, s. o.
S. 571, 3. Das ist aber offenbar irrig. Denn 1. unterscheidet Rudolf ganz
klar zwei Orte dieses Namens, indem er den einen näher bezeichnet als
situm in Alamannia (1. c), den andern als situm in provincia Waldsazi
c. 11 S. 837). Dass er diesen Gau für schwäbisch hielt, ist schlechthin
unmöglich. 2. ist bei der Annahme von Waitz die Nachricht (c. 10 S. 336),
dass Santhrat von Solnhofen die Reliquien Quirins vorläufig in Holzkirchen
deponierte und dann nach Fulda um Verhaltungsmassregeln sandte, unver-
ständlich. Schickte er seinen Schatz erst bis nach Holzkirchen im Gaue
Waldsassi, so konnte er ihn ebensogut gleich nach Fulda schicken. Sein
Verfahren hat nur Sinn, wenn er ihn in einer benachbarten Kirche depo-
nierte. Demnach ist bei dem alemannischen Holzkirchen ein Ort in der
Nähe von Solnhofen gemeint. Man hat ihn ohne Zweifel in Holzkirchen
an der Wörnitz bei Nördlingen zu finden. Der Ort ist von Solnhofen in
einem halben Tagmarsch zu erreichen. Bei dieser Annahme ist der Bericht
Rudolfs im 5. Kapitel verständlich. Er vermied des starken Regens halber
den Weg durch das Altmühlthal zu nehmen; er vermutete, dass der Fluss
ausgetreten sei. Deshalb zog er über die Höhe, zunächst nach Holzkirchen,
von da am nächsten Tage an einen nicht sicher zu bestimmenden Ort
Truhtmuntiga; am zweiten Tage nach Hassareodt, d. i. Herrieden. Die
Entfernung von Holzkirchen dorthin ist nicht ganz doppelt so gross als die
von Solnhofen nach Holzkirchen: man zog aber natürlich in sehr kleinen
Tagemärschen. Von Hassareodt kam man nach mehreren Tagen nach
Hammelburg. Was Truhtmuntiga (nach den Fulder Traditionen Trutmun-
dingen) anlangt, so möchte ich vermuten, dass in diesem Namen der der
späteren Grafschaft Truentingen steckt. Man könnte dann an Altentrüdingen
denken. Dieser Ort liegt genau in der Mitte zwischen Holzkirchen und
Herrieden.
7.02
dass. wciiii eiue solche Stinunuug ullgemeiu war, Kranke sich ge-
sund fühlten. Trat dies ein, so sorgten die Priester dafür, dass
das Wunder nicht verhorgen Mich. Als eine alte kontrakte Magd
der Al)tissin !Mahtliilde von Zellingen hei einer Translation sich
genesen glauhte, hestieg alshald der Priester Reginolf einen er-
höhten Platz und zeigte die Geheilte dem Volk.') Jedes Wunder
wurde hegierig geglauht und weiter erzählt. Aher indem mau in
dieser Weise Wunder provozierte, verlor der AVunderglauhe die
Naivität, die er früher gehaht hatte. Das ahergläuhische Element,
das ihm anhängt, trat stärker hervor. Wie entschieden wurde
fi-üher der Satz hetont: Die Wunder sind Gottes."'') Jetzt leugnete
man das natürlich nicht, aher man vergass es. Nichts ist charak-
teristischer als die Weise, wie Ermanrich von den Wundern des
h. Sualo spricht.'*) Auch Ratpert lässt den h. Gall durch seine
Wunder fortlehen'*) und Walahfrid Straho ruft ihn an, dass erden
Seelen die Heilmittel des göttlichen Erharmens erflehe, wie er durch
seine Verdienste vielen Gesundheit des Leihes verleihe.''') Man
kann nicht zweifeln, dass in der ]\reinung der Laien die Macht der
Heiligen noch entschiedener vor die AVirkung Gottes trat. Wenn
man ihnen zu Ehren Wachskerzen anzündete,") so hat das Volk
darin schwerlich etwas anderes als ein ihnen dargehrachtes Opfei"
gesehen. Ihnen zu Ehren wurden die Wallfahrten unternonnnen:
nuin war der Ühei'zeugung, dass das Gehet um Sündenvergebung
au ihrem Grabe wirkungskräftiger sei, als in der Heimat") Die
seltsamste Gedankenvermischung hegt darin, dass man schliesslich
1) Rud. 11 S. 337.
2) S. Bd. I S. 199.
3) V. Sual. 7 S. 159: Dura lectum sit ante Christi incariiationeni cae-
cum a nativitate neminem .sanctorum inluininasse . . et dum in hoc tem-
pore moderno illud rariBsimum sit, iste (Sualo), salvo omnipotentis privilegio
et apostolis et auccessoribus eorum post dato, natum a primis cunabuUs
caecura signaculo crucis apposito irnidiavit.
4) Lobgesang auf den h. Gallus, Str. 17 (Müllenhotl' u. Scherer, Denk-
mäler 12 I S. 31).
5) V. Gall. II, 48 S. 31.
6) Transl. Chrys. 17 S. 375: Accendit candelam ex more. Um den
Brauch zu verstehen, mu.ss man sich an die an heiligen Bäumen, Quollen
etc. angezündeten Lichter erinnern. Auch das Trinken zu Ehren der Hei-
ligen (8. o. S. 468 und vgl. Grimm, Mythol. S. 53) gehört hieher; vgl. die
oben S. 663 Anm. 6 mitgeteilte Notiz Hrabans.
7) Vgl. die Format» für einen Kompilger, Form. Salzb. 2 S. 440; den
Brief an den Papst, ib. 60 S. 45"J f. Die Verteidigung der Wallfahrten
durch .Jona."« g^gen Claudius von Turin, de cultu imag. III. Migne 106
S. 365 ff.
— 753 —
Reliquieu Gott wie ein Opfer darbrachte.*) Der Widerspruch, den
Claudius von Turin gegen die gesamte Heiligen- und Reliquien-
verehrung erhob,-) scheint in Deutschland nirgends Zustimmung
gefunden zu haben.
Die durch Rehquien bewirkten Wunder waren in gewissem
Sinne alltäglich. Man betrachtete es als selbstverständlich, dass
sie an keinem heihgen Orte fehlten. Aber der erregte Glaube sah
überall Aussergewöhnhches, Wunderbares, das ihn beschäftigte: bald
erbhckte man ein Kreuz im Monde '^l oder es erschienen an den
Kleidern Ki-euze, die nicht von Menschenhand gezeichnet waren ; *)
bald hörte man von einem Briefe, der vom Himmel gefallen sei,'^)
oder es erschi-eckte ein Weib das gemeine Volk, indem es vorgab,
es sei ihr der jüngste Tag geoffenbart. *^) Hier bewies ein gött-
hches Strafgericht über einen Sünder, dass Gott seiner nicht spotten
lässt, ') und dort staunte man ein Mädchen an, das, nachdem es
das heilige Abendmahl empfangen hatte, sich Jaln-e lang jeglicher
Speise enthielt,*) oder man lauschte in wollüstigem Grauen den
Busspredigten von Einsiedlern, die l^ehaupteten, sie hätten Verkehr
mit den himmlischen Geistern.'^) Dass man Bhcke ins Jenseits
that. kam nicht ganz vereinzelt vor.^") Wie mächtig der Eindruck
von Karls Persönlichkeit Avar, kann man auch daran ermessen, dass
die Frage nach seinem Geschick im Jenseits die Zeitgenossen so
lebhaft beschäftigte, dass sie in Gesichten die Antwort erbhckten.
Aber während der Mönch Rotchar ihn unter den Sehgen schaute,*^)
sah ilm ein altes Weib aus dem Gau von Laon in der
1) Inschrift auf dem Reliquiare des Adventius von Metz, Kraus II
S. 148 Nr. 303:
üt scelerum noxas redimam, tibi conditor orbis,
offero templi huius humilis Adventius arcem.
2) Er erklärte die Hilfe oder auch nur die Interzession der Heiligen
für unmöglich, da sie nichts von dem wissen, was auf Erden geschieht,
Dungal Responsa Migne 105 S. 466.
3) Ann. Senon. z. J. 806 S. 103.
4) Ann. Lauriss. min. z. J. 786 S. 118.
5) Cap. 22, 78 (a. 789) S. 60. Karl heisst den Brief verbrennen. Vgl.
Baluz. cap. Reg. Franc. H S. 1396 und die Bemerkung Bd. I S. 538 Anm. 3.
6) Ann. Fuld. z. J. 847 S. 36 f.
7) Ep. Mogunt. 11 S. 333.
8) Einh. ann. z. J. 825 S. 168. Die Sache spielte in Commercj bei
Toul.
9) Ann. Xant. z. J. 867 S. 232.
10) Vgl. C. Fritzsche, Roman. Forschungen II S. 247 ff., III S. 337 ff.
11) Visio Rotcharii im Auszug A. S. Mab. IV, 1 S. 627.
Hauck, Kirchengeschichte. 11. 2. Aufl. 4g
— Tö-l —
(^ual.M Der Gesichte Wettins winde in uudereni Zusanmioiihang
bereits gedacht;-) kur/ nach ihm schaute ein enghschcr Priester
das, was hinter der sichtbaren Welt hegt. Prudentius hielt seinen
Bericht ["nv wichtig genug, ihn in seine Annalen aufzunehmen.'^)
Um dieselbe Zeit hat ein deutscher Kleriker einen anschaulichen
Bericht über eine ihm gewordene Vision an Haito. der die Ge-
schichte Wettins zuerst aufzeichnete, gesandt.'*) Auch ein König
durfte einen Blick in das Fegefeuer thuii. Tjudwig d. 1). sah
seinen A'ater in demselben.')
Die Kirche hat sich diesen Auswüchsen des Glaubens wenig-
stens in einzelnen Fällen abwehrend gegenübergestellt. Jene Pro-
phetin Thiota, welche das Bistum Konstanz in Aufregung versetzte,
wurde auf Hrabans erster vSynode zu dem Geständnis ihrer Be-
trügereien gebracht und verurteilt.^) Das gleiche Schicksal berei-
tete Erzbischof Liutbert im Jahre H67 einem sächsischen Einsiedler,
der als Prophet aufgetreten war.^) Aber zu verwundern ist es
nicht, dass dadurch wenig eireicht wurde; die erregte Wundei-sucht
des Volks erhielt ja durch die ^lassregeln der Kirche selbst immer
neue Nahrung."')
Wir bemerken den T'bergang von (ilaube in Aberglaube noch
auf einem andern Gebiet. Es seheint kaum ein Unterschied zwischen
einem Gebet um Segen und einem kurzen »Segenssprueh: an die
Stelle des frei gewählten Woi-tes tritt eine entsi)rechende Formel.
Und doch bewiesen die Formeln sich als höchst gef.ährlieh. An
BenediktioiK^n war diese Zeit ungemein ?-ei(h. Zunächst war die
Kirche die N'erwalteiin und Spenderin des Segens. Durch den
Priester wurden Jhäutigam und Braut gesegnet:") er sprach eine
Segensformel über die A\'(Khnerin, die zum ersten ]\Ial die Kirche
1) Viflio cuiusdam mulieria paiiperculae bei Wattenbach, GQ. I S. 277 A. 2.
2) S. 0. S. 6.'i.5f.
3) Ann. Bert. z. J. 839 S. 18 f.
4) AnfgRfiintlon und bekannt gemacht von Hampe, N.A. XXII S. G28 ti".
Hior ist die Qual Fulrad.i von St. Denis Gegenstand.
5) Ann. Fuld. z .1. 874 8. 82. Karl .selbst erscheint als Visionär in
der Visio Caroli. JattV- Bibl. IV S. 701. deren Verfa.sser nach einem Hericht
Hrabans geschrieben haben will.
6) S. 0. S. 753 Anm. 0.
7) S. 0. S. 710 Anm. 4.
8) Das angebliche (4e.sicht iiljcr die Verdammnis Karl Martolls wegen
der Pänziehiing der Kirchengüter hat der französische Episkopat in seiner
Vorstellung an Ludwig d. D. von 858 verwertet, (Jap. 297 II S. 432 f.
9) Regin. II. 1.52 8. 271. Poenit. Ps. Theod. II. 9 S. 577.
- 755 -
besuchte.-) Er benedizierte das Haus, in dem man wohnte,'^) den
Brunnen, aus dem man AVasser schöpfte,^) Brot und Salz, das man
ass.'*) Der Segen der Kirche schirmte das Getreidefeld und den
Obstgarten'^) und weihte Schwert und Banner^) für ihren Gebrauch.
Wurden Geräte aus der Römerzeit aus der Erde gegraben, so hätte
man nie gewagt, sie zu benutzen, wenn nicht die Kirche sie zuerst
durch ein Segenswort gereinigt hätte.") Wenn das Korn in Ähren
schoss, schnitt man einige Halme ab; man brachte sie an Himmel-
fahrt in die Kirche, damit sie am Altar gesegnet würden; das
gleiche geschah an Jakobi mit dem Obst, an St. Sixt mit den
Trauben. **) Ostern war die Zeit, in welcher man Speck und Brot,
Eier und Käse auf den Altar stellte, um sie benedizieren zu lassen.^)
Man sieht: Benediktionen ül^erall.
x4_n die mancherlei Segenssprüche, welche der Priester sprach,
schlössen sich andere an, die jedermann selbst gebrauchte. Bei
unzähligen Gelegenheiten bezeichnete man sich mit dem Kreuze;
man liebte es, einen kurzen Segen dazu zu sprechen. ^^) Und wie
viele Anlässe gab es sonst, derartige Sprüche zu verwerten. Wenn
der Hirt das Vieh zur Weide trieb oder der Jäger zur Jagd auf-
brach, so thaten sie es nicht, ohne dass sie eineii Segen über ihre
Hunde gesprochen hätten.-'^) Wer dem Abreisenden Lebwohl ge-
1) Otfrid, Krist I, 14 v. 9 f. S. 76.
2j Poenit. Ps. Theod. 33, 15 S. 619. Benediktionsformeln bei Grimald,
Lib. sacram. 118 S. 848.
8) Formeln für die annualis benedictio putei, und die benedictio novi
putei bei Gerbert, Monumenta veteris liturgiae Alamannicae II »S. 125, vgl.
Orimald, 1. c. 121 S. 849.
4) Grimald 1. c. 112 u. 125 S. 847.
5) Gerbert 1. c.
6) L. c. S. 110 f. S. 125.
7) Grimald 1. c. 120 S. 849 u. Gerbert 1. c. S. 125.
8) Gerbert, Vet. lit. Alam. S. 534; vgl. die Formeln bei Grimald c. 122 f.
und die Nachricht der Ann. Senon. z. J. 868 S. 103, dass nach der grossen
Teuerung im Winter 867—868 am 24. Mai, dem ersten Rogationstag, neues
Brot zum Segnen in Sens dargebracht wurde.
9) Walahfrid, de reb. eccles. 19 S. 491; St. Galler Predigt bei Balu-
■zius Cap. II S. 1376 Nr. 6: Auf den Altar werden gebracht spicae novae,
uvae et fava. Alias primitias ad domum presbyteri de omni fructu debebis
portare et presbyter eas benedicat. Gerbert, Vet. üt. S. 531 u. 534.
10) Ale. lib. sacram. S. 463.
11) Deutscher Hundesegen bei Müllenhoff und Scherer I S. 16 Nr. 3.
Segenssprüche über Schweine bei Hattemer I S. 410.
48*
— Tod —
sagt hatte, der sandte ihm noch ciuen Segensspruch iiach.M i'^s
gab keine Krauklieit, deren Kraft man nicht hotite durch eine
solche Formel brechen zu können;'-) der Zeidler schüt/te durch sie
die ausHiegendeu Bienen'') und der Gärtner vertrieb durcli sie die
Raupen vom Kohl.'*)
Mancher Segen ist ge>viss in einfach frommem Sinne als ein
Gebet gesprochen worden. AVer möchte djis tadeln? Aber all-
gemein war es nicht. In der Regel sprach das \'olk die Segeas-
sprüche als Zauberformeln. Wie hätten sonst heidnische oder sinn-
lose Sprüche so lange im Gebrauch sein können? Als die alten
Götter längst verlassen waren, wähnte der Kriegsgefangene noch,
dass seine Fesseln brechen würden, wenn er einen Spruch von den
AValküren darüber spräche;"') der Reiter, dessen Ross lahmte, er-
innerte sich, wie vordem der zauberkräftige Wuotan geholfen hatte:
sein Name sollte auch jetzt helfen.") Es war kaum besser, wenn
heidnische Sprüche einen christhchen Anstrich erhielten, indem mau
die Namen der Götter durch den Namen Gottes oder .Tesu ersetzte.')
Auch hier trat Aberglaube an che Stelle der Frömmigkeit.
Und lag nicht schon in dem INIotiv für die immer wiederholte
Segnung alles ]rdischen eine al)ergläubische Vorstellung? Das
Volk fürchtete die in den sinnhcheu Dingen unsichtbar wirkenden
feindseligen Gewalten.^) Das Heidentum als Religion war ver-
1) Ein, allerdings etwas jüngerer Segen bei MüUenhoft' u. Sclierer I .S. 18^
Nr. 4, 8 : Ic dir nach sihe, ic dir nach sendi
mit minen fünf fingirin funvi undi funfzic ensrili.
Got mit gisundi heim dich gisendi.
offin si dir diz aigidor, sami si dir diz selgidor;
bislozin si dir diz wagidor, sami si dir diz wafindor.
2) Lateinifiche Benediktionsformeln bei Gerbert, Monum. S. lH2ti'. ;
deutsche Sprüche bei MüUenhoff u. Scherer 4, 6 f. I S. 15; allerlei Segens-
sprüche Ztschr. f. d. A. N.F. 26 S. 14 ff.; vgl. Grimm, Mythologie S. 1195 11.
und die Sammlung der Heschwörungen 111 S. 492 ft".
•i) MülienhotV u. Scherer 16 S. 34; Grimm S. 1190.
4) Müllenhoti' u. Scherer 4. 5 S. 17; Grimm S. 1184. N.A. XV S. 603 f.
hat Schmitz ein Bruchstück veröffentlicht, dessen erste Hälfte er als Segen
gegen Gift bezeichnet; es ist aber offenbar ein Stück aus einer Johanncs-
legendc. Boi dieser .Annahme passt die zweite Hälfte völlig zu der ersten.
5) MüUenhoff u. Scheror -i, 1 S. ].■).
6) A. a. 0. 4, 2 S. 16.
7) Grimm a. a. 0. S. 1195 f.
8) Das tritt besonders in den Exorzismen hervor (Gerbert, Monum.
S. 127 ff.); aber auch in den Segenssprüchon. In der benedictio putei heisst
es: Ut ex eo fugare digneris omnem diabolicae tentationis incursum, oder
in dem Segen über den neuen Brunnen: Ut repulsis binc fantasmaticis
— 7Ö7 —
nichtet, aber das zum Aberglauben gewordene Heidentum lebte
fort. Den alten Göttern hatte man entsagt, aber den Glauben an
ihre Macht und ihren Einfluss hielt man fest. Die Kirche lehrte
sie verfluchen. Das Volk aber vergass ihre Kraft nicht: Balder
und AVuotan, Sinthgunt und Sunna, Freja und Volla nennt der
Mersebiu-ger Spruch neben einander;^) wurden sie verabscheut, so
wurden sie zugleich geftirchtet. Und das nicht allein. Man führte
Gebräuche ein. in denen die Götter verhöhnt wurden.-) Liegt
darin nicht der Beweis, dass eine gewisse Zuneigung zu den ge-
stürzten HeiTen der Welt im Volke noch vorhanden war? Der
Glaube an die Macht der heidnischen Götter aber floss mit der
kirchlichen Lehre vom Satan vmd den Dämonen zusammen und
erhielt dadurch vollends einen festen Halt. Wenn die lateinische
Kirche von dem Täufhng forderte, dass er dem Teufel entsage,^)
so Avurde das in der fi-änkischen Kirche ersetzt durch die Frage:
Entsagst du den Unholden ? *) den feindsehgen Gewalten überhaupt,
man unterschied nicht, ob Göttern oder Dämonen. Der Teufel.
vor dem das Volk zitterte, hat kaum mehr eine Ähnlichkeit mit
dem Versucher der Bibel; er ist ganz zur mythologischen Kgm-
geworden.*')
Heidnischen Vorstellungen begegnet man deshalb überall. Noch
ein Schriftsteller des elften Jahrhunderts sagt sehr bezeichnend,
dass sie sich gleichsam durch Erbrecht stets von Vater auf Sohn
fortpflanzten.^) Im Stm'mwind hörte man Wuotans Heer.^ Von
gewissen Nächten glaubte man, dass in ihnen Holda gefolgt von
calliditatibus atque insidiis diabolicis purificatus perseveret. In dem Salz-
segen Grimalds wird gebetet: Non illic resideat spiritus pestilens, non aura
corrumpens, discedant omnes insidiae latentis inimici, ut si quid est quod
aut incoliiniitati habitantium invidet aut quieti, aspersione huius aquae
efFugiat; vgl. Cap. 28, 25 S. 76, Ann. Fuld. z. J. 858 S. 372.
1) Müllenhoff u. Sclierer 4, 2 S. 16.
2) Vgl. das Steinigen Donar.s in Hildesheira (Grimm, Mythologie
S. 172 f.).
3) So auch im sächsischen Taufgelöbnis (MüUenhofF u. Scherer 51 I
S. 198).
4) A. a. 0. 52 T S. 199. Die dritte Frage lautet hier: Forsahhistu
allem them bluostrum indi den gelton, indi den gotum, thie im heidene
man zi bluostrum indi zi geldom enti zi gotum habent? Kossina, Über die
ältest. Hochfränk. Sprachdenkmäler 1881, bestimmt als die Entstehungzeit der
Tauffragen die Jahre 801—803, S. 94 f.
5) Vgl. Grimm S. 936 ff.
6) Correct. Bui-ch. c. 53 S. 643 (Wasserschieben, Bussordnungen).
7) Grimm S. 871.
— 758 —
grossen Sclniivn vun W'oibeni wcitliin ül)er cUus Land ialirc.') Die
Fnicht, welche der Hagel zerschlug, meinte man von Luftgeistern
geraubt.-) Im Rjiuschen der Welle wähnte nuin das Zwiegespräch
der Berg- und Wassergeister zu vernehmen.'') Jn jeder Krankiieit
sah man etwas J)äm(»uisches, beinahe Persönliches."*) Wurden die
Götter umgestaltet, so überdauerte das grosse Geschlecht der Wichte
und Elbe fast unverändert den grossen l^jergang vom alten /n
einem neuen Glauben.'') Ungebrochen blieb auch die Scheu vor
der überall nahen imd doch unnahbaren Natur: (^uell, Baum und
Feld blieben heihg, auch nachdem längst vergessen war, wehliem
Gott sie einst geweiht gewesen.
Man kann die Macht, welche der alte Ideenkieis nocli auf
die ]\Ienschen des neunten Jahrhunderts ausübte, schwerlich zu
gross denken. Al)er man ahnt sie. wenn man wahrnimmt, dass
Vorstellungen, die aus ihm stammten auch in die iSchriften dei-
Theologen eindringen, die doch durch ihre ganze Erziehung und
Bildung dem Volkstümlichen grundsätzlich entfiemdet wurden.
Wenn der gelehrteste Theoluge des neunten .laiuhiniderts Gott in
der Hinnnelslnn-g wohnen lässt,") so entnahm er diesen Gedanken
weder der Bibel noch dci' altkirclilichen Littei'atur: es ist eine volks-
tümliche, in ihrer Wurzel aus der deutschen Mythologie stammende
Anschauung.') Wenn alle Theologen lehrten, dass der Himmel
nur durch Verdienste zu erringen sei, so erklärt sich die Stärke
und die Allgeuieinheit dieser l'berzeugung nicht nur aus dem Erbe
der alten Kirche, sondern aus dem Fortleben d<'s Gedankens, dass
Walhall sich nur der höclisten Leistung öfthet.^) \\'alhall war
1^ Kegino II, 371 S. 3-54 f. Rej^inos Quelle scheint der Beschluss einer
unbekannten Synode zu sein. 8ein Exzerpt ist für den Ursprung des Hoxen-
wahns wichtig. Es zeigt ihn noch in verhältnianiässig milder Gestult. da
der Teufel noch nicht eingemengt ist.
2) Agühard, de grandine 2 S. 146 f.
3) V. Gall. (M.G. Scr. II S. 7).
4) Urimm S. 1106.
r,) Urimm S. 408 flF.
6) Hraban, b. o. S. 639 Anm. 2 und vgl. v. Idae 5 S. 571: C'oelorum
palatinae «fdcR.
7) Vgl. die Schildburg dos Kädmon (trimm (S. »>62. Es wird kaum
nrttig sein, das Missverstündnis abzulehnen, ids ha>)e Hraban direkt an die
.Mythologie des deutschen AltortinnH gedacht. Nur das möchte ich hervor-
heben, das» gewisse Vorstellungpn. die aus dem Altertum stammten und im
Volk*» lebton. auch von den Theologen geteilt wurden, welch«« alles Heid-
nische vermeiden wollten.
8) Grimm S. 779 f.
— 750 —
gefcillen; aber der Weg zum Himmel wurde nicht leichter gedacht
als einst der Weg zum Göttersaal. Schildert der Dichter des
Lieds vom jüngsten Tag, wie der Antichrist mit Elias kämpft, dass des
verwundeten Propheten Blut auf die Erde trieft, und wie davon ent-
zündet die Berge im Feuer emporlodern, kein Baum stehen bleibt,
die Gewässer vertrocknen, das Meer versiegt, der Himmel in Glut
steht, der Mond herniederstürzt und die ganze Erde brennt,^) so
geht er hiebei von kirchlichen Vorstellungen aus; aber er verwebt
in sie, vielleicht ohne es zu wissen, andere, die er in der volks-
tümhchen Anschauung vorfinden mochte und die nichts anders
waren als verblasste Erinnerungen an nationale Mythen. Selbst
in gottesdiensthche Formeln drängt sich derartiges ein; denn was
ist die Beschwörung der Paradiesesströme anders als ein Überrest
der Verehrung der Elemente?-) Pflanzten die Theologen in
dieser Weise unwillkürlich die altnationalen Vorstellungen fort,
wie mächtig müssen sie dann in der Anschauung des Volks ge-
wesen sein.
Mit den heidnischen Vorstellungen und beinahe zäher als sie
lebten die heidnischen Gebräuche fort. Was wir an solchen bei
den Franken des sechsten Jahrhunderts und bei den neubekehrten
Alamannen und Sachsen wahrnahmen,^) das war noch im neunten
Jahrhundert in ganz Deutschland verbreitet. Das tägliche Leben
des Menschen war wie umsponnen damit. Der Glaube an das
unabwendbare Schicksal führte zum Achten auf Vorzeichen, sei
es dass man sie von Kundigen suchen liess,^) oder dass man
selbst das zufälHge Begebnis als Vorzeichen deutete.'^) Verwandt
1) Muspüli V. 37 ff. (Müllenhofl' und Scherer, Denkmäler I S. 9); vgl.
Ebert, L. d. MA. III S. 106 ff.;. Vetter, Zum Muspüli 1872 S. 122 f.; Kelle
I S. 139 ff.; Kögel 1. S. 317.
2) Coli, judic. Dei 2, 3 a S. 642: Invoco quatuor flumina, qui cucur-
runt in paradiso.
3) S. Bd. I S. 123 f., 342 ff'., und oben S. 393 f.
4) Relat. episc. Wormat. a. 829 , c. 54 (M.G. Cap. II S. 44 f.). Vgl.
z. B. Poenit. Ps. Roman. VI, 1 f. S. 367; Hubert. 24 f. S. 380; Merseb. a. 22 f.
S. 393; Merseb. b. 27 S. 432; Cumm. 7, 3 ff . S. 481; Poen. XXXV Cap. 16, 1
S. 516. Ps. Greg. 16 S. 542. Ps. Theod. 12, 6, 8, 11 ff. S. 596 f. Valicell.
I, 86 f. (Schmitz S. 310). Regln. II, 354 ff. S. 349 ff'.
5) Z. B. bei Antritt der Reise, Ps. Greg. 16 S. 542: Auspicia sunt,
quae ab itinerantibus observantur. Allgemein verbreitet war das Loosen,
besonders mit den sog. sortes sanctorum (Ps. Rom. 6, 4 S. 368; Merseb.
a. 26 S. 394; Cumm. 7, 4 S. 431; Poen. XXXV Cap. 16, 1 S. 516; Ps. Theod.
12, 12 S. 597. Vallic. I, 111 (Schmitz) S. 327, mit der Glosse: Sortes
sanctorum sunt, quae in sinu vel gremio mittunt pro qualicunque causa sive
— T()() —
ist die Unterscheidung von Glücks- und Unulückstagen: besonders
der Mondwechsel galt als einHussreich.') Aus der Furclit vor den
feindseligen ^fachten entstammte der Glaube an die INfacht des
Zaubers, der die unheimlichen Gewalten auf ein bestimmtes Ziel
lenkt. Wie man im Gottesgericht durch Gebete und Exorzismen
den störenden Eintluss des Zaubers abwehrte, '') so wähnte man sich
im ganzen Leben von ihm bedroht. Schaden an Leib und Le})en,
an Hab und Gut, in Hof und Fekr^) schrieb man ihm zu. Es
scheint seltsam und ist doch sehr begreiflich, dass jedermann die
Zauberer verabscheute und sich gleichwohl durch Zauber gegen den
Zauber schirmte. Man schützte den eigenen Leib, indem man Amu-
lette trug,'') und die Saat, indem man an Stangen Papierstücke
über sie aufhing; die Glocke wurde getauft, damit ihr Schall gegen
den Hagel nütze, •'^) und durch die seltsamste Weise brach mau
pro bona sive pro mala, quo eveniunt. Das war jedoch nicht die ursprüng-
liche Bedeutung der sortes sanctorura. Sie Itostaudon vielmehr darin, dass
eine zufällig aufgeschlagene oder vernommene SchriftstcUe als Orakel galt.
Dass sie im 8. und 9. Jahrhundert noch so geübt wurden, beweist Cap.
23, 20 S. M: Ut nuUus in psalterio vel in evangelio vel in aliis rebus sor-
tire praesumat, und Regino (II, 365 S. 352): Sortes, quae dicuntur false
sanctoriini. vel divinationes. qui eas observaverit. vol quarumcunque sciip-
turarum, etc.
1) Ps. Theod. 12,26: Qiü in honore lunae pro aliqua sanitate ieiunat ;
Ps. Greg. 23 S. 543; Regin. II, 372 f. S. 356 f.; Hraban, hom. 43 S. 81. Vgl.
Grimm, Mythologie S. 676 f.
2i Ord. 1, b S. 604: Si quis culpabilis ingravante diabolo corde in-
duraio per aliqua raaleficia aut per herbas contegere peccata sua voluerit,
etc. 2, b S. 607; 8 k S. 614 u. ö. App. 1, v S. 713.
3) Ps. Rom. 5, 1 ff. S. 367; Hubert. 10 f. 20 S. 378 ff.; Cumm. 7, 1 f.- 8
S. 480 f.; Poen. XXXV Cap. 19 S. 517; Ps. Greg. 23 S. 543; Ps. Theod.
12, 9 f., 13 f.. 20 S. 596 ff.; Valic. 1, 80, 84 f. (Schmitz) S. 303 ff.; Regin. II.
360 S. .351: Carol. cap. 28, 25 S. 76; .32, 51 S. 88; Stat. Hisb. 15 S. 228;
Relat. episc. Wormat. a. 829 1. c. S. 45; Conc. Tnb. (a. 895) c. .'•)0 S. 241;
AgoVjard, de grand. 1 ff., 16 S. 145 ff. Agobard hebt c. 1 ausdrücklich die
allgemeine Verbreitung dieses Aborglaubens hervor: Pene onines homines,
nobiles et ignobiles, urbani et rustici, senes et iuvenes.
4) Phylacteria timl ligaturae: besonders die Kleriker scheinen die
Amulette angcfortigt zu haben, Ps. Theod. 12. 8 S. 596: 22 S. .598. Vali-
celi. I. 89 (Schmitz S. 318). Vgl. Alkuins Äusserungen oben S. 746.
5) Cap. 23, 34 S. 64: üt clocras non baptizent nee cartas per per-
ticas appendant propter grandinem. Die Papierstücke enthielten ohne
Zweifel Zaubnrfornieln. Dass das Verbot der Glockentaufe hiemit ver-
bunden ist. legt die .Annahme nahe, dass sie mit Rücksicht ;nif d;is Läuten
beim Gewittpr vorgenommen wurde.
— 761 —
den Zauber, der den Regen verhinderte.^) Wort und Lied, Kraut
und Stein, das Heiligste und das Ekelhafteste wurde benützt, um
zauberhaften Eintiuss auf andere zu üben.-) Besonders Krankheit
und Tod gaben Anlass, die Kraft des Zaubers zu erproben: man
sammelte die heilkräftigen Kräuter, indem man Beschwörungen
mm-melte;^) um das tieberkranke Kind zu heilen, legte es die
Mutter auf den Herd oder auf das Dach;^) der Vater kroch, um
ihm zu helfen, durch ein Erdloch, das er darnach mit Dornen ver-
schloss.-') Das Haus, in dem ein Toter lag, schützte man, indem
man Getreidekörner verbrannte.**) Über den Leichnam selbst aber
sangen, die bei ihm wachten, Zauberlieder; durch tollen Scherz
suchten sie sich das Grauen vor dem Tode zu vertreiben.')
Endlich ragten noch mancherlei Überreste des heidnischen
Kultus in das Leben herein. Zwar eigentlicher Götzendienst
scheint im neunten Jahrhundert nicht mehr vorgekommen zu sein.^)
1) Burch. Wormat. Dacr. XIX, 5 Migne 140 S. 976.
2) Cap. 55, 1 S. 142; 61, 10 S. 149; die letztere Stelle erwähnt, dass
ein Priester das Chrisma verwendete ad iudicium subvertendum, also um
einen Angeklagten im Gottesgericht zu schützen; 62, 21 S. 150; 78, 17
S. 174; 119, 11 S. 237. Poenit. Valicell. II, 29 S. 560. Regin. II, 369
S. 354.
3) Regin. II, 374 S. 357.
4) Poen. Merseb. a. 99 S. 401; Vindob. 79 S. 421; Cumm. 7, 14 S. 402;
Ps. Greg. 23 S. 543; Valicell. I, 92 (Schmitz S. 316). Um einen Anderen
vor Krankheit zu schützen, gab man ihm Asche von verbrannten Menschen-
knochen zu essen (Regin. II, 369 S. 354).
5) Poen. Ps. Theod. 12, 16 S. 597.
6) Hlud. cap. 138, 28 S. 279. Poen. Camm. 7, 15 S. 482. Regin. II, 368
S. 353.
7) Regin. Notit. 73 S. 24; 1. c. 398 S. 180 f. Sind diese Lieder bei
der Leiche die sacrilegia super defunctos, i. e. dadsisass des Indic. su-
perst. 2?
8) Nicht nur in den Pönitentialien (z. B. Ps. Greg. 26 S. 544 . Pa.
Theod. 12, 1 flf.), sondern auch bei Hraban (de vit. et virt. III, 1, opp. VI,
1347) ist von sacrificiis daemoniorum die Rede. Dass man aber dabei nicht
an Götzenopfer im eigentlichen Sinne des Wortes denken darf, zeigt die
angeführte Stelle Pseudo-Gregors: Qui immolat daemonibus in minimis
causis, i. e. ad fontes vel ad arbores, unum annum poeniteat. Qui in ma-
chinis (1. magnis) daemonibus iramolaverit, secundum ca,nonicam institu-
tionem decem annos poeniteat. Sed humanius septem annos diffinierunt.
Ut arbitror, daemoniis in machinis immolare est suis turpissimis imagina-
tionibus credere, vel cum per quasdam, quas sanctorum sortes falso vocant,
divinationis scientiam profitentur, sive in praecantationibus, sive in charac-
teribus vel in quibuscunque rebus suspendendis atque ligandis.
— 7(i2 —
Aber losgelöst vou der Beziehung ;uif hestininite Götter bestanden
religiöse (lebräuche noch lange fort. Wenn Kegino den Beschluss
einer westf'ränkischen Synode in seine Sanunlimg aufnahm, der
gebot, die vom Volke verehrten Bäume und Steine zu vernichten,')
so wird ähnlicher Kult auch am Khein und an der ^Mosel vorge-
kommen sein. An wie vielen Orten haben sich die Namen heiliger
Foi-st oder heihger Wald bis heute erhalten I-) Für so heilig heisst
es in jenem Beschluss. achte das N'olk gewisse Bäume, dass es
nicht wage, Ast noch Zweig abzuschneiden. An solchen Bäumen
oder au heiligen (Quellen brachte man einlache Opfer dar — man
ü'agte nicht, wem — indem man Lichter anzündete und Kränze
an die Bäume hing, oder Blumen in tla> W^asser streute.'^) An
Saat und Ernte knüpften sich ähnhche Opfergebräuche. ^) An
wüsten Orten im Walde, au Hecken und Kreuzwegen löste man
Gelübde.'') Die meisten, die es thaten, wussten wahrscheinlich nicht
anzugeben, wai'um gerade dort; so wenig als derienige, der sich
der S(jnue neigte, sich dessen bewusst war. was er that.
Die Kirche musste dies alles verwerfen und hat es verworfen;
auch dem Unwesen der Zauberei ist sie entgegengetreten. S.vno-
dalbeschlüsse und Bussbücher zeigen, dass sie in diesem Kanipfe
nicht nachliess; es war ihr heiliger Ernst dannt.. A\'('nn man den-
jenigen, der einen \\"ahi-sager befi-agte, mit ebenso schwerer Pöni-
tenz belegte, wie den fahrlässigen Mörder,") und wenn derjenige,
der das Los warf, cljenso schwer bestraft wurde, wie der Mann, der
auf Befehl seines LehnsheiTU einen Meuchelmord beging.") so ist
klar, dass man es mit den Sünden des Aberglaubens nicht leicht
nahm. Dazu kam die Belehrung in Predigten. Hraban unterliess
es nicht, in seine Predigtsamndung ein J'aai- Keden gegen den
Aberglaid)en aufzunehmen.^) Gegen den Hexenwahn sollten die
1) Hofriii. II. :i66 S. 352.
2) S Grimm, Mythnlogin S. 64 tt'.; Back. Rom. Spuren S. 69.
8) Cap 22, 65 S. .59: Dp arborilius vel pptris vel fontibus ubi aliqui
Btulti lumioaria vel alias observationes^ taciunt, etc. Trail. Fonubiic Nr. 232
ÜB. d. Landes o. Knns I 8. 699: Ad sanctam arborem.
4) Grimm S. öl f.; 140 ff.; 231; 40.3.
5) Poenit. Hubert. 24 S. 380; Mersob. a. 27 S. 394; Vh. Theod. 12, 18
S. 597.
6) l'oen. pH. Theod. U. II S. .597. v<t1. C. 2 S. 586. beidemale eine
rUntjahri^o Fiufl«)7,eit
7) L. c. 12, 12 S. 597, vgl. 6, ,'4 8. 588; hier wie dort drei Bussjahre.
8) Hom. 42 f. (Opp. IV .'^. 78 ff.). Die ernte Rede, contra eos. qui in
Innae defectu ciamoribus se fatigabunt, int unter Benützung einer Stelle
aus der lOU. Homilie des Maximus von Turin (Migue 57 S. 485), sonst viel-
— 7(38 —
Priester uachclrücklich predigen und das Volk überzeugen, dass, was
man von den Hexen glaube, nichtig sei: es seien satanische Träume,
denen in der Wirkhchkeit nichts entspreche.^)
Aller der Erfolg dieser Bemühungen war gering. Die Macht
des Aberglaubens wurde nicht gebrochen: nicht weniges ist in
kaum veränderter und gemilderter Fonu bis auf die Gegenwart
gekommen.
Es wurde vorhin hervorgehoben, dass das Bewusstsein der
sittlichen Veipflichtung in der Karolingerzeit verglichen mit der
mero wangischen Epoche als verstärkt erscheint. Das spricht sich
in dem tiefern Gefühl der menschlichen Unvollkommenheit aus.-)
Man irrt wohl nicht, wenn man es als Frucht der durchgeführten
Beichtzucht betrachtet. Sie nötigte jedenfalls zur Reflexion über
den eigenen Seelenzustand. Ganz abgesehen von den Fragen des
Priesters leiteten die Beichtformeln die Beichtenden an, ihr ganzes
Leben: Gedanken. Worte und Werke, das Verhalten in den ver-
schiedensten Lagen und den manchfachsten Personen und Einrich-
tungen gegenüber, vor die Frage zu stellen, ob es war, wie es sein
sollte.^) Kein Wunder, dass das Bewusstsein menschlicher Sünd-
leicht selbstständig gearbeitet. Bemerkenswert ist . wie bestimmt Hraban
hervorhebt, dass es sich um einen ganz natürlichen Vorgang handelt: Ne
forte dubios ac sollicitos de lunae obscuritate, quae nuper accidit, vos re-
linquam, non est hoc, fratres, aliquod portentam; sed naturalis vis cogit
solem ac lunam taliter eclipsin, hoc est defectum, pati. Nam manifesta
ratio probat solem interventu lunae, quae inferior cursu, lumen ad nostros
oculos non posse perfundere, quod fit in tempore accensionis eius; lunam
vero similiter, quae a sole illustratur, per umbram terrae obscurari in ple-
nilunio. Die 43. Homilie stammt ihrer 2. Hälfte nach aus August, de tem-
pore 241 (s. Cruel S. 65). Sie ist besonders gegen VVahrsagerei gerichtet.
1) Regin. II, 371 S. 354 ff.
2) Vgl. Bd. I S. 207 f.. 305 ff.
3) Das Gesagte gilt von den lateinischen, mehr noch von den deut-
schen Beichtformeln. Vgl. für die ersteren Regin. I c. 304 S. 147: Et in
his et in aliis vitiis, quibuseunque humana fragilitas contra Deum et crea-
torem suum aut cogitando aut loquendo aut operando aut delectando, aut
concupiscendo peccare potest, in Omnibus me peccasse et reum in conspectu
Dei super omnes homines esse cognosco et confiteor. Für die letzteren
die sächsische Beichte (MüUenhoff u. Scherer, Denkmäler I S. 236 ff. Nr. 72):
Ik giuhu goda alomahtigon fadar . . allero minero sundjono, thero the ik
githahta endi gisprak endi gideda tan thiu the ik erist sundja uuerkjan
bigonsta. Ok iuhu ik so huat so ik thes gideda thes uuithar mineru
christinhedi uuari endi uuithar minamo gilovon uuari, endi uuithar minemo
bigihton uuari, endi uuithar minemo mestra uuari, endi uuithar minemo
herdoma uuari. endi uuithar minemo rehta uuari . . . Ik giuhu that ik mi-
— 7H4 —
haftipfkeit allf^enicin war. In unziililiucii Urkundt'ii liest man. dass
Güter an Kiichen und Klöster geschenkt wurden für das Heil der
Seele oder um Sündenvergebung zu erlangen, oder um im jüngsten
(Tericht bestehen zu können.^) Nach Hrabau betet der rechte Ohrist,
so oft er die Kirche betritt, liir seine Sünden.-) Wir haben ein
einziges Gebetbüchlein aus der Zeit nacii Karl d. Gr.**) Sein
nun fader endi moder so ne eroda ehdi so ne minnjoda so ik scolda eiuli
ok mina brothar endi mina suestar endi mina othra nahiston endi mina
friund so ne eroda endi so ne rainnjoda so ik scolda. Thes giuhu ik hlut-
tarliko that ik arraa man endi othra elilendja so ne eroda endi so ne minn-
joda so ik scolda, etc. S. 237 . . unrehto las. unrehto sang, ungihorsani
uuas, mer sprak endi mer suigoda than ik scoldi, endi mik selvon niid
uvilon uuordon endi mid uvilon uuerkon endi niid uvilon githankon, niid
uvilon luston mor unsuvroda than ik scoldi. Fiild. Beichte (1. c. S. 241 f.
Nr. 73) . . thaz ih ci chirichun ni quam so ih mit rehtu scolta, mina fastun
ni bihielt so ih mit rehtu scolta, min alamuosan ni gap so ih mit rehtu
scolta, zuuene ni gisuont^i, sunta ni furlioz themo ih mit rehtu scolta; heilaga
sunnuntaga inti heilaga missa inti heihigon uuizzod ni erita so ih mit
rehtu scolta; ana urloub gap, ana urloub intphieng, uncitin ezzenti, uncitin
trinchanti. uncitin slafenti, uncitin uuachanti, etc.
1) Beispiele tindet man überall, so dass es beinahe überflüssig ist,
auf einzelne hinzuweisen: Pro animae meae remedio et patri raeo: Wart-
mann, ÜB. V. St. Gallen I S. 228 Nr. 236; vgl. Nr. 237 S. 241 Nr. 251 u. ö.
Dronke, Trad. Fuld. S. 146 flF., 297 tl". u. ö. Lacomblet, Niederrh. ÜB. F
S. 21 Nr. 42, S. 22 Nr. 47. S. 23 Nr. 49 f. u. ö. Meichelbeck, Bist. Fris. 1. 2
S. 221 Nr. 416. Pro animarum nostrarum remediis vol pro aoterna retri-
butione: Wartmann I S. 230 Nr. 238, S. 233 Nr. 242, S. 235 Nr. 244, S. 241
Nr. 252 u. ö., vgl. Meichelbeck, Hist. Fris. I, 2 S. 207 Nr. 390. Ob amorem
domini nostri .Jesu Christi et remissionem peccatorum meorum (Wartmann F
S. 231 Nr. 239). Cogitans de Doi timore vel aeterna bona retributiono.
qualiter aliquam indulgentiam delictotum meorum apud pio Domino moroar
udipiscere (Meichelbeck F, 2 S. 225\ Recordatus innumerahilia peccatorum
meorum (Wartmann F S. 232 Nr. 240). I'ro iieocatis mois ut in futuro
ueniam aliquam promerire merear (Dronke S. 149 Nr. 305. S. 161 Nr. 338).
<Janz anders klingen die Krwiigun^en »mups Mrtnchs: Incertum unicuiqne
huiuH miserabiliH vitae finem et horam jiertimoscens, uariosque ac omni-
modifl ainistros inntantin temporis euentus cnnsiderans et salvatoris dicti
recordans, quod dicit: Si vis perfectus esse etc., omnem huius vitae dp-
lectationem. quantum humana fragilita« sinit, pro dpi omnipotentis amore
pro nihilo durons etc. (Laoomlilet 1 S. 30 Nr. 65).
2) Homil. 44 (opp. IV 8. 82).
3) Von dem f^iber manu.aliH der Dhuoda, eineiii Krl)auung»buch. da.s
Dhnoda, die Oiemahlin des (irafpn BpiTihard von Septimanien, für ihren
Sohn Wilhelm .schrieb, nehe ich ab (Le Manuel de Dhuoda, pnbl. p, K.
Bnndnrand. Paris 1887); vgl. übpr dasselbe Ph. A. Becker in d. Ztsrhr. f.
roman. Philol 1.S97 S. 73 ff.
— 765 —
Verfasser ist Anskar;^) es enthält kurze Gebete zu den Psalmen.
Anskar hat sie zum Teil aus dem früher erwähnten Gebetbuch
Alkuins") entnommen. Man sieht, dass dieses den rechten Ton
für die Zeit getroffen haben muss. Wie in Alkuius Gel>eteu kein
Gedanke so vielfach variiert Avird, als der, dass wir von Sünden
gereinigt werden und das Rechte vollbringen, ebenso in den von
Anskar hinzugefügten Gebeten. Aus dieser Stimmung versteht man
den Ernst, mit welchem Hraban mahnte, nie an der Möglichkeit
der Sündenvergebung zu verzweifeln.^) Man kann sich kaum zwei
Männer denken, die nach ihrer Geistesart und nach ihren Über-
zeugungen verschiedener wären als Hraban und sein theologischer
Gegner, Gottschalk; aber in der Lebhaftigkeit des Sünden gefühls
waren sie sich ähnlich. Von Hrabans Gesinnung war früher die
Rede. Seitdem ich auf dein Geheiss in dieser Welt geboren wurde,
habe ich vor den andern allen meine Liebe an das Nichtige ge-
hängt. Dm-ch häufiges Sündigen habe ich deinen Zorn gereizt und
dich gekränkt dm'ch ungeheure Kränkung,*) bekennt Gottschalk in
einem seiner Lieder. Die Prädestinationslehre, an welcher er mit
so unbeugsamer Festigkeit hing, war ihm deshalb wertvoll, weil sie
ihm Heilsgewissheit bot.^) Man erstaunt im ersten Momente, wenn
man liest, dass Gottschalks Lehre auf die Laien mächtigen Ein-
di'uck machte. Aber die Sache ist w^ohl verständUch; denn. nicht
als spekulatives Dogma, sondern als rehgiöse Wahrheit ergriff man
die Prädestinationslehre. Die einen mochten in der Idee der unab-
änderlichen Wahl Frieden linden; die anderen wm-den durch sie
erschi'eckt, verwiiTt, zur Verzweifelung getrieben.**)
1) Ztschr. des Vereins f. Hamburg. Geschichte II S. 6 ff.
2) S. 0. S. 144.
3) De mod. poenit. (opp. VI S. 1304): Quia iste error — die Verzweif-
lung an der Güte Gottes — late se sparsit, c. 4 f. S. 1306 ff.; vgl. ep. Fuld.
fragm. 12 S. 520, oben S. 652 Anm. 7.
4) M.G. Poet. lat. III S. 729.
5) Kp. ad Ratram. v. 141 ff. a. a. 0. S. 736:
Nam facile est homini miserum se voce fateri.
Ceu Simulator agit: sed corde tenere, quod infit,
Pauperis est animo in supero regnantis Olympo.
niud enim reprobi faciunt persaepe gemendi;
Hoc autem electi nimirum ab origine mundi,
Idcirco haud meritis, veri sed munere patris.
Felices, frater, felices, celse magister,
Quos pater in Christo delegit more benigno,
Quorum nemo perit, quos sanguinis unda redemit
Agni caelestis, qui vitam contulit illis.
6) Hrab. ep. 42 S. 481 an Graf Eberhard von Friaul.
— 7(>() —
Die Ht'iTscIiMtt (licM's Vorstolluiiüskreisos l)e\viikte. dass die
Eriniiorunu- an Tod und iüiigstcs (Jericlit jod(>niianii stets «fegen-
wärtig wai'. ]\Iaii lilauhte an die Nähe des jüii^steii Ta^es; und
man sah iliiii mit Zittciii entgegen.^) Denn -widn-end die alte
Kirche von ihm (he \'erkl;h-ung (h'r glänliigeii Gemeinde und das
Gericht ühci- ihre Feindi' erwartet hatte, dachte man jetzt ziniächst
an dii' Rechenschaft, (he ein jeder iU)er sein Thun und Ijassen
ahU'gen müsse. Das ist in der einfachsten Korni in eiiun- Äfenge
Schenkungsui'kunden ansgesprodien.'') in ergreifendster Weise wii-d
es im Lied vom jiingst(>n Tage hiut: \v(M)n einst (he Engel alles
Volk /um (ierichte laden, so wird enthüllt, was innner der Mensch
gethan hat: da soll das Haupt sprechen, die Hand sagen, aller
Glieder jegliches his zum kleinen Finger, was sie unter den Menschen
Frevles voUhrachten. Es ist kein so listiger ^Nlann. der dann etwas
zu erlügen vermöchte.'') Und fniclitl)ar ist das Gericht: Wehe dem.
der im Finstern hüssen soll, hrennen im Peche. Das ist das Ent-
setzliche, dass der Mann zu (lott schreit und ihm keine Hilfe
kommt, dass die wehevolle Seele wähnt, (inade zu erlangen und
iler himndische Gott ihrer nicht gedenkt."*) Ks muss dies(^s Lied
1) Eim. V. Sual. 7 S. 159: i)um iain piope generalis interitus ipsiuä
^mundi) imiuineat etc. Christ. Stabul. In Matth. 56 S. 1461 : Idcirco do-
minus ultiniam nobis horam voluit esse incocrnitam. ut semper possit esse
suspecta. ut dum illam praevidere non possumus ad illam sine interniissione
praeparemur. Form. Aug. A. 23 S. 347.
2) Der Gedanke an Tod und Gericht liegt in den zahllosen Schen-
kungen, die pro animae remedio gemacht werden. Man vergleiche ausser-
<lem Formeln wie: Cogitans ultimam discussionem reproborum et remune-
rationem elcctoruni, jiroptor hoc compunctus decrevi etc. i Wartmann ÜB.
Nr. 219 I S. 209). Perpetrandum est unicuique homini. (juam velociter
tempora caduca pretereunt et Ventura adpropiant. Ideo penset unusquisque
apud semetipsuni, .si habeat, unde aliipiid de facultatibus s\iis tribuere
valeat ad loca venerabilia pro reniedium iinimae suae ut in sempiterna
requie cum b. Petro et Andrea parady.suni mcreatur possidere. Quia illi
datis retibus suis mercati sunt regnum caeloruui. Hcgnum Dei tantum
valet, quantum habes. (^uid vilius, cum emitur, quid carius, cum possi-
detur? (Nr. 387 II S. 8). Cogitans futuram peccatorum discussionem et
rotributiorfem iustorum (Nr. 4.^0 II S. 68). Cogitans pro salute et romedio
animae meao, ut in futuro vuniam peccatorum meorum adipisci merear,
dono (Dronke, Cod. dipl. 49>< S. 220), Cunctis tidelibus liquet. quia mundi
istius facultates ad defectuni cum ipso mundo magis ac magis inclinantur
et hoc solura stabile esse creditur, quod ad precium redemptionis animae
«uae unusquisque in thesauro caelesti collocavit (Nr. 530 S. 236).
3) Mu.spilli V. 91 tt. (Müllonhoft und Scherer. Denkmäler I S. 14).
4) V. 25 ff. S. 8.
— TUT —
dem Sinn der Zeit entsprochen haben, denn es war weithin be-
kannt. In Baiern antgezeiclniet war es Otfind so vertraut, dass er
eine Zeile daraus in seinen Krist aufnahm.^)
"Wenn die Beichte dazu beiti'ug. dass die Gedanken des Volkes
diese Richtuno; nahmen, so wurde dadurch auch wieder ihre Be-
deutung erhöht. Sie lehrte ja zur Vergebung gelangen; man be-
trachtete sie als Trost,-) der den Schmerz der Reue ^) lindert. Aber
dieser Trost musste erkauft werden. Nichts hat die Kirche dem
Volke nachdrücklicher eingeprägt als die Verpflichtung durch Bussen
die Sünden zu sühnen. Jede Busse wurde als Schadenei-satz. zum
mindesten als eine Gott dargebrachte Leistung gedacht.*) Deshalb
erwirbt sie Vergebung. Die Worte des Dichters: Alle Sünden
werden im jüngsten Gericht vor dem König verkündigt, ausser wenn
der Mensch mit Fasten und Almosen sie büsste/^) sprachen ohne
Zweifel die allgemeine Überzeugung aus. War man doch über-
haupt der Meinung, dass das Verhältnis des Menschen zu Gott
auf Leistung und Gegenleistung beruhe. Jedes fromme Werk wurde
unter diesem Gesichtspunkt betrachtet.^) Am bezeichnendsten ist
1) Otfr. I, 18, 9 S. 94 = Musp. 14 S. 8.
2) Poen. Ps. Gregor. Praef. S. 537: Constat in hoc libello consolatio
magna lugentium, spes beata iustorum, sanitas infirmorum, fortitudo et re-
fugium periclitantium.
3) Wie entschieden im Altdeutschen die Vorstellung „Schmerz" in
dem Wort Reue liegt, zeigt die Verwendung des Wortes bei Otfrid V, 20
V. 77 S. 645 : Ob ih in karkare uuas, ir biriuuetet daz.
4j Wieder zeigt Otfrid, woran man bei buoza dachte. Er lässt
Christus zu den Seligen sagen: Ir gibuaztat mir, in uuar. thurst inti hungar
<V, 20 V. 73 S, 645\
5) Muspilli V, 95 ff. S. 14.
6) Der Beweis liegt wieder in den Schenkungsurkunden. Ein Paar
charakteristische Formeln mögen angeführt werden: Pensandum unicuique
, . est sapientia Dei, quid per Salomonem fateatur dicens: Redemptio ani-
mae viri propriae divitiae eins; ipsa quoque sapientia auctrix pi-omissionis
et in perrentione retributionis recompensatrix. quid per semetipsam repro-
mittat adfirmans: Date et dabitur vobis et item: Date eljmosinam et omnia
munda sunt vobis (Wartmann I Nr. 215 S. 204). Perpetrandum est salva-
toris nostri verba dicentis: Date elymosinam etc. et: Sicut aqua extinguit
ignem, ita elymosina extinguit peccatum (Nr. 228 S. 204). Humano genere
peccatorum maculis sauciato atque ob culpam inobedientiae a paradisi
gaudiis deiecto inter cetera curationum medicamenta etiam et hoc Deus
mundo remedium contulit, ut propriis divitiis homines suas animas ab in-
ferni tartaris redimere potuissent (Nr. 418 II S. 38), Dominus ac redemptor
noster dei filius admonet dicens: Date elemosinam etc, (Dronke Nr, 296
S. 145). Licet parua et exigua sint, quae pro immensis peccatis meis offero.
— 7(iS —
wohl, (lass die Sprache für den Kultus das Wort Gütt<'sdienst hil-
dete:') man sah seihst iui (iehct eine Leistuiifi, die (lOtt erzeij^t
wird: nicht minder in der Messe; hesoiiders die zahllosen Seelen-
messen ■) sind dureh diese Ansehauunjf hervorj^eruten und verstärkten
sie wieder. Kein Wundei". dass dieselhen Mäinier, welehe niemals
zögerten, sich als Sünder zu hekennen. keine Bedenken tiu.uen, von
Werken, die das ewige LebeJi verdienen, zu reden. Es war ihnen
beides aufrichtiger Ernst: Unvollkonunenheit und Verdienst, (U-r
Wert der eigenen Leistung und die Notwendigkeit der Gnade
schlössen sich für sie nicht aus.'^)
Gerade dem gegenüber drängt sich die Frage auf. welche Be-
deutung die Person und das W'erk Christi in der religiiisen An-
schauiuig hatte. Wir können die Antwort aus den zwei altdeutschen
Dichtungen über das Leben Jesu, dem Helian(P) und dem Krist,"^)
schöpfen. Beide Werke gehören nicht zu den volkstündichen Dich-
tungen. Der niedersächsische Kleriker, der unter Ludwig d. Fr.
Jesu Leben und Lehre in der Form des nationalen Heldenliedes
besaug,") war ebenso wie Otfrid durch das Stuilium der lateinischen
tarnen scio aequissimum iudicem plus ileuotionem mentis donantis quam
quantitatem muneris inspiscere. C^uam ob rem ego . . cogitans pro salute
animae nieae ac parentum meorum, ut in futuro merear vitara aeternam,
dono etc. (Nr. 514 S. 226). Der Gedanke an die ewige lielohnung de.'^ guten
Werkes ist sehr häu6g, z. B. Wartmann Nr. 225, 231 f., 245, 272, 278, 280
etc.; Dronke 316, 465; Lacomblet Nr. 73, 87; Meichelbeck Nr. 391 u. ü.
1) S. über das Wort v. Raumer, d. Einwirkung des Christent. auf die
althochd. Sprache S. 309. In dem Gebrauch von uobunga für Kultus
(v. Raumer S. 331) liegt dieselbe Anschauung.
2) Vgl. die Bestimmungen des Totenbundes zu Attigni und zu Ries-
bach (S. 64 und 401 f.): Form. Morbac. 7. 11 f. 23 S. 331 ff. Aug. A 21
S. 347.
3) Charakteristisch sind folgende unmittelbar aufcinaniler folgende
Sätze Alkuius: Intercedere studeatis, quatinus divina dementia vitam
nostram dirigere in suae voluntatis effectura dignetur. Quid est enim vita
hominis in hoc mundo, nisi ut serviat Deo et ex huius operis etfectu eter-
nam sibi proeperitatem promereri contendatV {ep. 225 S. 456). Ähnlich im
Heliand und bei Otfrid (s. u.).
4) Vilmar, Deutsche Altertümer im Heliand, lb45; Windisch, der
Heliand und seine Quellen, 1868; Sievers, Einl.; Ebert, L. d. M.A. HI
S. 101 ff.; Scherer, G. d. deutschen Lit. S. 44ff. ; Kögel, Gesch. d. deutschen
Litteratur I, 1 S. 270 ff.
5) Ebert, S. 111 ff. Scherer S. 48 ff. Kögel 1. 2 S. 1 ff.
6) Vgl. Sievers, Einleitung S. XXIV ff. und P. RE. VIT* S. 617. Er
nimmt übereinstimmend mit Windisch die Zeit zwischen 825 und 835 als
wahrschcioliche Entstehungszeit an. Als Verfasser betrachtet er einen
— 769 —
Theologie gebildet. 'Wir wissen, dass Hrabau von Fulda Otiiids
Lehrer war imd dass Otfrid eine umfassende theologische Bildung
besass; ^) es ist nicht unmöglich, dass auch der Verfasser des Hehand
seine Bildung in dem fränkischen Kloster erhielt. Er legte seiner
Bearbeitung des Lebens Jesu die Evangeheuharmonie zu Grunde,
die man in Fulda besass,-) und deren Abschriften von dort aus
an andere Orte verbreitet Avurden, und die gelehrte Schrift, welche
er am meisten benützte, war ein Werk Hrabans, sein Matthäus-
kommentar.'^j
Wenn demnach die beiden deutscheii Gedichte als Frucht der
gelehrten Bildung des Klerus betrachtet werden müssen, so waren
sie doch nicht nur für gelehrte Leser bestimmt. Otfrid schrieb
ausdrückhch für solche, welche die fremden Sprachen nicht ver-
standen;^) indem er sein Werk dem Erzbischof Liutbert und dem
Bischof Salomo I., sowie den zwei St. Galler Mönchen Hartmut
und Werinbert übersandte, traf er selbst Anstalt es sofort in wei-
tere Kreise einzuführen.'^) Die Widmung an den Kaiser aber
brachte es in Laienhäude. Und Ludwig d. Fr. soll den Dichter
des Hehand zu seinem Werke aufgefordert haben, weil den Unge-
Kleriker, wogegen Jostes, Ztschr. f. d. A. 40 S. 341 fl'., für die Annahme
spricht, dass der Verfasser ein hochbegabter, aber nicht gelehrter Volks-
sänger gewesen sei. Seine Heimat sucht er in Nordalbingien (a. a. 0.
S. 160 fl'.), Sievers steht dieser Behauptung etwas skeptisch gegenüber
P. RE. VU» S. 619, bestritten wird sie mit gewichtigen Gründen von F.
Wrede, Ztschr. f. d. A. N.F. 31 Bd. 1899 S. 333 ff. Er denkt an den Süd-
osten Sachsens. Die Bruchstücke der altsächsischen Genesis, von denen Sievers
zuerst einen Teil als Interpolation in der angelsächsischen Genesis nach-
wies, und von denen ein anderer Teil 1894 von Zangemeister in einem Vati-
kan, aus Heidelberg stammenden Kodex entdeckt wurden (Zangemeister und
Braun, Bruchst. der altsächs. Bibeldichtung, N. Heidelb. JB. 1894 S. 205 ft\),
hält Sievers nicht für ein Werk des Verfassers des Heliand a. a. 0. S. 620.
1) Über seine Arbeitsweise vgl. Schönbach a. a. 0. 28 S. 103 ff. Sein
Werk war vollendet zwischen 863 und 872; für d. J. 870 spricht Luft,
Ztschr. f. d. A. N.F. 28 S. 246 ff.
2) Den sog. Tatian. Sievers S. XL., vgl. oben S. 664.
3) Sievers S. XLI ff. Neben Hraban benützte er die Kommentare
Bedas zu Lucas und Marcus und Alkuins zu Johannes. Sievers hat in den
Anmerkungen zu seiner Ausgabe die Benützung der Quellen im einzelnen
dargethan. Für Otfrid verweise ich auf die Übersicht Pipers Einleitung
S. 252 fl'. Schönbach hat die Nachweise ergänzt und gezeigt, dass Otfr.
bei der Auswahl der behandelten Stücke sich an die kirchlichen Lektionen
anschloss, Ztschr. f. d. A. N.F. 26 S. 209 ff , 336 ff. 27 S. 369 ff.
4) I, 1 v. 119 ff. S. 26.
5) Vgl. Schönbach a. a. 0. 27 S. 412 ff.
Hauck, Kirchengeschichte. II. 2. Aufl. 49
— 770 —
lehrten ebenso wie den Gelehrten die Kunde der heiligen Schrift
zugänglich sein müsse. ^) Nicht das Christusbild des Volkes bieten
uns diese Schriften, aber sie lassen ermessen, welche Umwandelung
die theologischen Gedanken erfuhren, wenn man sie dem Volke
vortrug, wenn man religiös, nicht wissenschaftlich durch sie wirken
wollte.
Da ist nun die erste Bemerkung, die sich aufdrängt, dass,
sicher nicht absichtlich, sondern unwillkürlich,-) die heilige Ge-
schichte germanisiert wird. Man wiederholt einen oft ausgesprochenen
Satz, wenn man sagt, dass die ganze Umgebung, in welche der
Heliand Christus versetzt, deutsch ist. Deutsch ist das Land mit
seinen dichten Wäldern, durch welche einsame Wege führen,^)
deutsch die Flur, die sich weit um das Haus ausbreitet,*) deutsch
der häufig ])ewölkte Himmel'') und der Sturnnvind, der von AVesten
her die See gegen das Land treibt.") Liest man von den um-
wallten Burgen ') von dem Dinghaus, in dem Gericht gehalten
wird,^) von dem Zimmer mit Bank und Bett") und von der weiten
Halle, in der die Helden sitzen und Meth trinken,^") so ist ein
Stück deutschen Lebens gezeichnet. Deutsch sind nun auch die
Menschen, die in dieser Umgebung leben, fühlen, handeln und leiden.
Es will nicht viel sagen, dass Pontius Pilatus zum Herzog, ^^) und
Kaiphas zum Bischof^-) wird, dass d(>r Dichter in den Magiern
schnelle Degen ^'^) sieht und dass ihm als die Weisen Sprachkun-
1) Praefatio S. 4; Praecepit namq. cuidam uiro de gente Saxonum,
qui ajjud suos non ignobilis Vates habebatur, ut uetus ac nouum Testa-
mentum in tiermanicam linguam poetice transferre studerot, quatonus non
solum literatis uerum etiatn illiteratis sacra divinorum praeceptorum lectio
panderetur. Vgl. über die praef. Kelle, Gesch. d. d. L. I S. ll.Sf.
2) Das ergiebt sich, wie mich dünkt, daraus, dass da und dort darauf
hingewiesen ist, dass etwas bei don .luden üblich war. z. B. v. 453 ff. S. 35,
V. 2731 S. 188 u. ö.
3) V. 604 S. 45; 1121 S. 81.
4) V. 2119 f. S. 149.
5) V. 392 S. 31; 415 S. 33; 649 S. 49; 655 S. 49.
6) V. 1817 ff. S. 129.
7) V. 339, 348 S. 27; 530 S. 41 u. ö.
8) V. 5124 S. 349.
9j V. 147 S. 15.
10) V. 2733 ff. S. 189; die Wände der Halle sind mit allerlei Schmuck
behangen (v. 4541 S. 311).
11) V. 5125 S. 349.
12) V. 4146 S. 283 u. ö.
13) V. 543 S. 41.
— 771 —
dige gelten, die in den Büchern lesen, ^) oder dass er die Menschen
ihre Jahre nach den Wintern zählen lässt, die sie durchlebten."-)
Tiefer greift, dass er sich das Leben nicht denken kann ohne die
ethischen Mächte, auf denen die deutsche Yolkssittlichkeit beriüite:
der Einzelne hat seinen Halt an dem Zusammenhang des Ge-
schlechts, an der Volkssitte und dem Hecht des Volkes. Dass
man den Verwandten hebt, gilt als selbstverständlich;^) was die
Familie betrifft, wird gemeinsam beraten,"*) selbst Christi Predigt
richtet sich zuerst an seine Sippe.'*) Bietet das Leben mit den
Geschlechtsgenosseu dem Manne Schutz und Stütze, so wird es ihm
auch zur Versuchung: der Verwandte reisst den Verwandten zimi
Frevel hin.*^) Grosses und Kleines im Leben ist gebunden durch
die Sitte; niemand darf lassen, was des Landes Brauch ist.') Der
Brauch der Väter aber wird zum Gesetz, wenn er durch wohlweise
Männer niedergeschrieben wird.^) So fest wie das Familienband
ist der Zusammenhang von Herr und Knecht. Die Trauer der
Jünger im Garten Gethsemane wird dm'ch die Worte geschildert:
So wird das Gemüt bewegt der Menschen Jeglichem,
Wenn er verlassen soll den gehebten Herrn,
Von dem guten scheiden.^)
1) V. 572 S. 43; 613 S. 45; 3402 f. S. 235.
2) V. 725 S. 53; 963 f. S. 69.
3) V. 1446 ff. S. 103.
4) V. 201 ff. S. 19; 440 ff. S. 33 f.
5) V. 1134 ff. S. 81.
6) Ich weiss keinen stärkeren Beweis für die Macht der Geschlechts-
gemeinschaft als die Verse (1492 ff. S. 105 f.):
Than menid thiu lefhed, that enig liudeo ni scal
farfolgan is friunde, et he ina an firina spanit,
suas man an saca: than ne si he imu eo so suuido an sibbiun bilang,
ne iro magskepi so mikil, ef he ina an mord spenit,
bedid baluuuerco : betera is imu than odar,
that he thana friund fan imu fer faruuerpa,
mithe thes mages endi ni hebbea thar eniga minnea to,
that he moti eno up gestigan
ho himilriki, than sie helligethuing,
bred balumnti bedea gisokean
ubil arbidi.
Der CTedanke stammt übrigens von Hraban (s. Sievers S. 105 Anm.).
7) V. 453 ff. S. 34; 551 S. 40; 795 f. S. 57.
8) V. 94 ff. S. 11; 4551 ff. S. 311.
9) V. 4773 S. 325. Die Übersetzung aus Simrock, Heliand 2. Aufl.
S. 221.
49*
77-2
Auch die Stiiiiimiiig. die im (ieiliehte lit'rrsclit. die Freude ;im
Lehoii und an der Welt, die es erfüllt, darf man als deutschen
Zug in Ansjduch nehmen. Die Welt ist fiir den Dichter die
\\nindei'schöne Welt:*) wie oft hat er \\'^elt und Wonne zusammen-
gestellt,-') als geln'irten ))eide Vorstellungen zusammen. IVIan wird
schwerlich ein zweites poetisches Werk finden, in welchem die
Freude an der hlendenden Schönheit des Lichtes so häutig aus-
ges])roc]ien wäre als im Heliand.'^) Xicht minder hat der Dichter
seine Lust an der grünen Aue.'*) an dem warmen, wonnereichen
Sommer;'') aher auch der Besitz erfreut den ^lenschen: Perlen.
kostl)are Gewänder und allerlei Geschmeide.") Von asketischer
Anschauung ist nicht viel in (hesem Werke: die einzige Stelle, in
der sie ausgesprochen wird, zeigt recht deutlich, wie fremd sie dem
Dichter und dann gewiss auch seinen HöriM-n war:
So selig ist niemand,
Dass er beides erziele in dieser l)reiten AVeit,
Auf dieser Erde im Uherfiuss zu leben
In allen Weltlüsten und doch dem waltenden Gott
Zu Dank zu dienen, sondern unter den Dingen
Muss er einem von beiden auf immer entsagen.
Den Lüsten des Leibes oder dem ewigen Leben.')
Wendet man sich von dem Heliand zum Ki'ist, so ist der
Unterschied gross genug. Zwar die Xationalisierung des evan-
gelischen Berichts ist dem Heliand nicht eigentündich. Man
findet sie ebenso in dem Gedichte Otfrid'-. Die Umgebung, in
welcher Christi Leben verläuft, ist hier ebenso deutsch als dort:
die festen Burgen^) und der einsame ^\'ald,") der wolkige HimmeP")
und die stürmische See*') bilden hier wie dort die Szenerie; Herzog,'-)
1) V. 3578 S. 245.
2) V. 2356 S. 165; 3265 S. 225; 4287 S. 293.
3) V. 2358 f S. 165: that berhte Höht, sinsconi. v. 3125 8.215: horlite
sunne. v. 3134 S. 217. v. 3575 ff. S. 245 ii. tt,
4) V. 3135 S. 217: Ganl pocUic ondi f^roni uuan^, paradiso jfelic.
5) V. 4343 S. 297.
6) V. 1720 ff. S. 123.
7) V. 16.55 S. 117. Sinirock S. 75.
8) 1, 9 V. 35 S. 61-. T. 11 V. 13 S. 66 u. ö.
9) J. 10 V. 28 S. 64: I. 11 v. 14 S. 66 n. n.
10) II, 1 V. 18 S. 137.
11) III, 7 V. 15 f. S. 279.
12) IV, 16 V. 11 .*^. 471; IV, 20 V. 9 S. 490.
( ( o
Bischof^) und adelige Männer 2) sind die handelnden Personen; wie
im Heliand ist das Leben des Menschen gefestigt durch den
Fanlilienzusammenhang •^) und die Macht der sicheren, alten Sitte/)
durch die Anhänglichkeit an die teure Heimat/^) Wenn die Bilder,
welche Otfrid entwirft, verwaschener sind, wenn sie nicht ebenso
rund und fiisch heraustreten wie im Hehand, so hegt der Grund
darin, dass che poetische Begabung des Weissenburger Mönchs
geringer war als die des sächsischen Priestei-s, nicht darin, dass
jener sich die Dinge anders gedacht hätte als dieser. Man bemerkt
es, sobald Othid eine Schilderung gelingt; sie liest sich dann wie
die Beschreibung eines altdeutschen Bildes. Ich erinnere an die
Yerkündigmig: Maria mit dem Psalterbüchlein in der Hand, sitzt
traurig singend im Palaste; neben ihr ihre Arbeit, ein GcAvii'ke aus
tem-em Garn. Da tritt der Engel in das Gemach; ehrfurchtsvoU,
me ein guter Bote zu Frauen sprechen soll, grüsst er sie: Heil
ziere Magd, schöne Jungfrau.^')
Nicht darin, dass das eine Gedicht volkstümKch und das
andere gelehrt wäre, Hegt die Verschiedenheit zwischen ihnen; sie
sind beide ebensowohl volkstümhch als gelehrt; sondern der Unter-
schied hegt vor allem darin, dass die Stimmung der Dichter un-
gleich ist. Von der naiven Freude an der Erde, die im Hehand
herrscht, ist bei Otfrid nichts zu linden: er war Mönch, und der
Dichter spricht als Mönch. Die Welt erscheint ihm nicht als
wonnevoll, sondern als elendvoll; die stiünnische See ist das Abbild
des Menschenlebens.') Hunger und Durst, manches Leid und
manche Angst, zuletzt der Tod geben dem Leben seinen Gehalt.^)
Es wundert Otfrid, dass die Menschen die Unruhe der irdischen
Dinge so sehr heben.^) Dazu kommt die Last der Sünden, die alle
li III, 25 V. 23 S. 391.
2) II, 12 V. 1 S. 198: Nikodemus ein edilthegan guater. IV, 35 v. 1
S. 544.
3) I, 9 V. 5 ff. S. 59: III, 15 v. 15 f. S. 322:
so ofto maga sint giuuon,
then is io gimuati thero nahistono guati.
Das ist kein individueller Zug der beiden Gedichte. Auch in Muspüli ist
die Furchtbarkeit des jüngsten Gerichtes dadurch geschildert, dass dann
ni mac mac helfan vora demo muspille (v. 57 S. 7).
4) I, 14 V. 3 S. 75; vgl. II, 8 v. 16 S. 178.
5) I, 18 V. 25 ff. S. 95.
6) I, 5 v. 9 ff. S. 44 f.
7) III, 7 v. 15 ft. S. 279.
8) V. 23 v. 75 ff'. S. 659.
9) L. c. V. 5 S. 655.
— 774 —
drückt.^) das Gericht, das allen liovorstoht. und vor dem jedweder
bangt. Dem Dichter bebt das Herz, wenn er daran denkt: er
1 »reist die glücklich, die ihrer Thaten sicher dem Gericht entgegen-
sehen können.-)
AVenn man die beiden Gedichte von diesem Gesichtsj)unkt
aus betraclitet, so stellen sie die beiden Extreme dar, die in der
Stimmung des deutschen \'olkes im neunten Jahrhundert vorhanden
waren: den Blick für das Licht und für den Schatten, die noch
unge])rochene Freude am Irdischen und die asketische Verurteilung
desselben.
Wie erscheint nun Chiistus in diesen so verschiedenen Werken?
Es ist ihnen gemeinsam, dass sie auch Jesum germanisieren:
er ist der König, der seine Dienstmannen um sich schaart, der
seinen Getreuen Gaben austeilt und für sie kämpft, dem sie in
Treuen anhangen.'') Das war die bei den Deutschen überall herr-
schende Vorstellung.'*) Mit ihr aber sind andere kombiniert. Leicht
schloss sich der Gedanke an TMunsti Gottheit an: Christus, der
König, war ja von Anfang nur plastischer Ausdruck für die Idee:
Christus Gott. Er ist der mächtige Gott, der heilige Verwalter
des Himmels, der Herr selbst.") In seiner Gotteskraft liegt das
Unterj)fand dafür, dass er der Heilande bester ist.**) Spröder erwies
1) III, 1 V. 1.5 ff. S. 256; III, 7 v. 65 ff. S. 283; HI. 17 v. 59 ff. S. 336
11. ö.
2) V, 19 S. 633 ff.
3) Heliand v. 625 f. S. 47; v. 3995 ff. S. 272: v. 4799 S. 327; v. 5583
S. 371 u. ö. Krist I, 20 v. 34 ff. S. 102. In Bezug auf den Heliand ist
dieser Gedanke so oft wiederholt, dass es nicht überflüssig scheint, zu
erinnern, dass er allein nicht ausreicht. Was z. B. Bach, DG. I S. 94 über
den Christus des Heliand sagt , giebt alles eher als eine Vorstellung von
dem, was sich der Dichter des Heliand vorstellte. Auch Soeberg (Ztschr.
f. kirchl. Wissensch. IX S. 148 ff.), der viel treffender urteilt, ist von dieser
einseitigen Auffassung nicht ganz frei.
4) Vgl. die von Duchesne. Lib. pont. II S. 87 veröffentlichten Landes,
mit folgender Stelle :
Christus vincit, Christus regnat. Christus imperat.
Rex regum, Christus vincit.
Rex noster Christus vincit.
Spes nostra Christus vincit.
Gloria nostra Christus vincit etc.
6) Heliand v. 840 ff. S. 61; v. 1827 S. 131; v. 2229 S. 156 u. ö. Krist
I, 3 v. 41 ff. S. 36; I. 5 v. 23 ff. S. 46 u. ö.
6) Heliand v. 3060 f. S. 211 (Bekenntnis des Petrus): That thu sie
god selbo. heleandero best. Analog ist, dass Otfrid Christum furist alles
gnatos (III, 24 v. 57 S. 385j nennt; vgl. IV, 26 v. 11 ff. S. 511 f.
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m
sich die den Evangelien entnommene Vorstellung Christi des Lehrers.
Man kann nicht sagen, dass sie mit der ersteren zu einem einheit-
Hchen Bilde verschmolzen wäre. Aber für die didaktischen Ab-
sichteu der Dichter hatte sie die grösste Bedeutung. Besonders
im Hehaud steht sie durchaus im Vordergrund. Die Frage nach
dem Zweck der Sendung Jesu di-ängte sich schon dem altsächsi-
schen Dichter auf. Er beantwortete sie durch die Erinnerimg an
Christi Lehre. Es ist ungemein bezeichnend, dass er dem Gebet
Jesu am Grabe des Lazarus diesen Zweck seiner Sendung ein-
fügte.^) Je entschiedener dadurch der Gedanke des Evangelisten
verändert winde, um so deuthcher ist, wie sehr jene Vorstellung
den Dichter beherrschte. Die Schilderung der Lehre Christi nimmt
denn auch in seinem Gedichte den breitesten Eaum ein. Vor allem
aber bedingt sie seine Aussagen über den Heilsweg. Wenn man
fragt, was er seineu Hörern einprägen will, so kann man nur ant-
worten: dass das Himmelreich einem jeden gegeben wird, der an
Gott gedenkt, an den Heiland aufi-ichtig glaubt und seine Lehre
ertüllt.-) Dass das Verhältnis des Menschen zu Gott durch Leistimg
und Lohn bestimmt wird, das ist die Voraussetzung, von der er
überall ausgeht. Nichts ist für ihn so selbstverständlich, als dass
der Fromme Gottes Willen wirkt, um Gottes Huld und Lohn zu
erlangen. Und nichts ist ihm so gewiss, als dass jedes fromme
Werk Gott zu Dank gethan ist. Das verkündigt der Engel dem
Zacharias,^) das predigt Johannes der Täufer,'') das wird von
Christus selbst gelehrt.'^) Der Dichter lässt Jesiim versichern : Die-
jenigen, welche beflissen sind, Gottes AVerk und Willen zu voll-
führen, bedürfen nicht mit vielen Woi-ten um Hilfe zu inifen; der
1) That sie that te uuarun uuitin, that thu mi an these uuerold sen-
des thesun liudiun te lerun (v. 4095 f. S. 279); vgl. 1387: Seggean eu godes
V. 854 f. S. 61; v. 1826 ff. S. 131; v. 1417 ff. S. 101.
2) V. 956 ff. S. 69; vgl. 892 ff. S. 65; 1072 S. 77 ; v. 1919 ff. S. 137 u. ö.
3) V. 116 ff. S. 13:
Thina dadi sind, quad he,
uualdanda uuerde endi thin uuord so seif,
thin thionost is im an thanke.
Verl über Hanna v. 505 f. S. 39: Siu habde ira drohtine uuel githionod te
thanca.
4) v. 900 ff. S. 65:
So huue so that men forlatid
gerno thes gramon anbusni, so mag im thes godon giuuirkean
huldi hebencuninges.
5) V. 1110 ff. S. 79; V. 1686 S. 121: ef gi uuilliad aftar is uuillion
theonon; vgl. 691 S. 51 u. ö.
770 —
lioiligo (iott weiss jedos Mensclion Geflaiikcii. Wmt und Willen
und ciieht ihnen von seihst ihrer Werke LohnJ)
Man sieht, der "Wrdiensthejiritt' heherrscht die ganze Anschau-
ung. Aher er wirkte nicht eigentlich religiös verwüstend. Dazu
war hei di'in Dichter das Bewusstsein zu lebhaft, dass Leistung und
Lohn nicht gleichwertig sind. Es steht schliesslich doch so. dass
derjenige, der Gottes Willen ei-fiillt. damit nur en-eicht. dass er
einen milden Ricliter findet.-) Auch das Gefühl der menschlichen
Schwäche war zu lel)haft. Wie oft erinnert der Dichter an sie:
ohne die Macht des Herrn hat des Menschen Gemüt nur kleine
Kraft, verlassen von der Hilfe Gottes fällt er sofort.^) Wer den
schmalen Weg gehen will, muss von dem Herrn er])itten, dass er
es kann;*) denn ohne ihn kann niemand weder mit Wort noch mit
AVerk etwas Gutes voUhringen; aeshalh müssen die Menschen all-
zumal an die alleinige Kraft Gottes glauben.'*) AVenn der Dichter
tiTitzdem auf den ewigen Lohn der menschhchen Verdienste hoffen
If'in-t, so kann er es nur. weil er an die Unendlichkeit der Gnade
glaubt: So barmherzig ist der. der über alles Gewalt hat. dass er
keinem hienieden den Wunsch nach Seligkeit verweig(M'n will;")
1) V. 1923 ff. S. 137; vgl. V. 1788 S. 127 von der engen Pforte:
So huuemu so ina thurhgongid, so scal is geld niman
suuido langsam Ion endi lif euuig.
2) v. 1980 ff. S. 141:
Thar uuilliu ic iniu an reht iiuesan
mildi mundboro, so huemu so minun hir
uuordun hoiid endi thiu uuerc tVumid,
tbea ic hir an thesumu berge uppan geboden hebbiii.
Im Althochdeutschen wird ^mild" vielfach zur Übersetzung von ,iuispri-
cors* gebraucht (v. Raumer S. 345). D.irin liegt wie in der Heliandätelle
eine Verallgomeinerun;; des biblischen Gedankens.
3) In losem Anschluss an einen Gedanken, den Hraban darbot (opp. I
S. 1125), erklärt sich der Dichter die Zulassung der Verleugnung Petri durch
folgende Kefloxion (v. 5031 ff. S. ;^43):
(Gott) lot ina gekunnon, huilike rraft hiil)et
tho niennisca mod ano tho mäht godes,
let ina gesundion that he sidor thiu bet
liudiun gilobdi, huo liof is that
iiianno huilicumu, than he men gclrumit,
that man ina alate ledes thinges,
sacono endi sundeono.
vgl. v. .50.39 ff. S. 343.
4) V. 1790 f. S. 127.
5) v. 1767 ff. S. 127.
6) V. 3502 f. S. 241.
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verloren geht nur deijenige. welcher sich nicht erlösen lässt.-^) Sein-
lehrreich ist hiefür die Betrachtung über die verschiedenen Wege
zum Himmelreich, die sich au das Gleichnis von den Arbeitern im
"Weinberg anschliesst: -) Mancher beginnt schon in der Kindheit
das Welthche zu meiden. Weisheit und Gottes Gesetz zu lernen,
und fährt damit fort bis an seines Alters Abend. Dann wandelt
er hinauf, wo ihm alle seine Arbeit gelohnt wird. Andere jagen
in der Kindheit nach nichtigen Dingen, bis die Gnade Gottes den
Jüngling im Innern mahnt. Folgt er ihr und wendet er sein Leben
zum Frommen, dann wird auch ihm der Lohn in Gottes Keiche.
Manche leben bis zum Mittag des Lebens in schweren Sünden,
bereuen sie aber dann und beginnen durch Gottes Kraft gute
AVerke: auch sie empfangen Dank. Ein anderer gelangt bis an
des x^lters Neige, ehe ihm seine Übelthaten leid werden. Aber
auch ihm N\ird gelohnt, wenn sein Herz im Alter milde wird; ja
selbst derjenige soll nicht verzweifeln, der erst im letzten Augen-
blick in sich geht: die göttliche Barmherzigkeit gewährt ihm den
Wunsch nach Leben.
Die Anschauung, welche trotz alles verdiensthchen Handelns
im letzten Grunde in dem Heil eine Gabe Gottes sieht, hatte eine
Stütze in dem populären Fatalismus, der dem Dichter eigen war:
das Grösste und das Kleinste ist seiner Überzeugung nach durch
Gott bestimmt. Wie der unablässige Wechsel der Generationen
die Macht des waltenden Geschickes zeigt, =') so misst der mächtige
Vater jedem einzelnen unabwendljar sein Geschick zu;*) von Grund-
legung der Welt an hat er geordnet, welche Völker in der Welt
herrschen sollten:''^) aber auch ein leeres Gerücht dringt nur so
1) V. 2146 f. S. 151: Die Hölle droht jedem, so thes uuilleon ne habad
tbat he is alosie er hi thit Höht agebe.
2) V. 3409 tt'. S. 235 ff.
3) V. 3629 ff. S. 249.
4) V. 510 ft'. S. 39; 761 S. 55 u. ö. Auch das Handeln der Menschen
erscheint als determiniert. Von der Flucht der Jünger beisst es, lange zu-
vor sei der Propheten Wort ergangen, that it scoldi giuuerden so: bethiu
ni mahtun si is bemithan (v. 4934 f. S. 335). Von dem verleugnenden
Petrus heisst es geradezu (v. 4978 ff. S. 339) :
Ni habda is uuordo geuuald, it scolde giuuerden so
so it the gimarcode the mankunnies
faruuardot an thesaru uueroldi.
5) V. 38 ff. S. 8:
All so hie it fan them anginne thuru is ena craht
uualdand gisprak, thuo liie erist thesa uuerold giscuop
endi thuo all bifieng mid enu uuordu,
— 77S —
weit, als er es will.') Scliliosslicli erfiillt sieb über einen joden das,
was von Anfang an über ibn bescblossen ist:"') Drum ist es ver-
■:t'l)licb, wenn der ^Sfenscb unternimmt, Gottes Gedanken zu
kreuzen:'^) der ist fromm, der das duldet, was der waltende Gott
bestimmt hat.*)
Im Zusannneubang solcher Gedanken hatte der Tod Jesu
liii- den Dichter keine Schwierigkeit, (jottes Schickung vollzieht
sich aucli in ihm: denn auch über Jesus herrscht ein unabwend-
bares A'erhängnis.'') Aber er betrachtete den Tod Jesu doch nicht
nur von diesem Gesichtspunkte aus. Derselbe galt ihm vielmehr
als erlösend.") Hier greift nun die Vorstellung von den in der
Welt wirkenden dämonischen Kräften ein: um sie zu bezwingen,
erlitt Jesus den Tod. Denn der Tod ist für ihn der Durchgang
zum Lel)en: der aus dem Tode wieder Hervorbrechende schlägt
die Riegel am Höllenthore zurück und bahnt den Weg zum
Himmelreich.') hu Anschluss an einen Gedanken, den ihm Hraban
darbot, meinte der Dichter, der Satan habe Jesu Tod verhindern
wollen, so1)ald er in ihm den Gottessohn erkannte.^)
himil endi ertha endi ul that sea bihlidan egun
giuiuirahtes endi giuualisanes: tbat uuartli thuo all mid
fasto bifangan endi gifrumid after thiu, [uuordon godas
huilic than liudscepi landes scoldi
uuidost giuualdan, eftbo huar thiu uuerold scoldi
aldar endon.
1) V. 535 f. S. 61.
2) V. 2593 S. 179: Sculun iro regangiscapu frumniien iirilio bain.
3) V. 645 f. S. 49.
4) V. 4H92 fiF. S. 333.
5) V. 4460 S. 305. Zu .ludas sagt der Iloir tioim letzten Abendmahl:
Thiu uurd is at handun, thea tidi sind nu ginahid (v. 4619 f. S. 315). Ähn-
lich zu den Jüngern in Gethsenianc: Thiii uurd is at handun, that it .so
pigangen scal, so it god fader giniarcode mahtig (v. 4778 S. 325). Ähn-
liche Wendungen öfter. Es ist wohl kein Irrtum, wenn man hierin das
Fortwirken heidnischer Vorstelhingen erblickt; vgl. (irinira, Mythologie
S. 293: Die Allmacht der (iötter erfahrt durch ein noch über ihnen stehen-
des Verhängnis Hemmung.
6) V. 3536 ft". S. 243 u. ö.
7) V. 491Hfl'. S. 335; 5391 tf. S. 363; 5769 ff. S. 37ö u. ö.
8) V. 3427 ff. S. 355: Der Dichter verwertet hier einen von llraban
exzerpierten Gedanken des Hieronymus (opp. I S. 1131). Die Verbindung
zwischen dorn (bedanken des Sieges über die Hölle mit der Vorstellung
Christi des Lehrers ist dadurch hergestellt, dass der Dichter .Tesum den
Höllenzwang durch seine Worte abwehren lässt (v. 20^1 f. S. 147). Die
Erfüllung seiner Lehre führt ja in den Himmel.
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So der Verfasser des Heliand. Welche Anschauung finden
wir nun bei Otfi-id? Dass er weit mehr Theologe war, als jener,
zeigt sich überall. Wie oft gef;illt er sich in breit ausgesponnenen
allegorischen Deutungen der evangehschen Geschichte. Er kann
das AVort Sinieons über das Jesuskind und die Himnielsstimme
bei der Taufe nicht Aviedergeben, ohne der theologischen Formel
von der ewigen Erzeugung des Sohnes zum Ebenbild des Vaters
zu gedenken.^) Am deutlichsten tritt es vielleicht darin hervor,
dass der Tod Jesu und die Frage, was er den Gläubigen ist,
ihn viel lebhafter beschäftigt als seinen sächsischen Zeitgenossen.
Ihm machte der Gedanke, dass das Sterben Jesu Erlösung ist,
Schwierigkeit. Er reflektiei'te darüber, dass wenn sonst ein König
im Kampfe für seine Mannen fällt, sein Heer sich in mutloser
Flucht auflöst, dass dagegen auf dem Sterben Jesu die Ret-
tung der Seinen beruht. 2) Aber die Lösung dieser Schwierig-
keit findet er genau in denselben Gedanken, die nrnn im Hehand
liest. Dem, dass er mehr darüber nachdachte, entspricht es,
dass er hier der anschaulichere ist: Jesus kämpft mit dem Satan
in dessen eigener Heimat, der Hölle, dem Todesort; er über-
windet ihn im Einzelkampf und bindet ihn, dass er den Menschen
nicht mehr schaden kann; er führt sodann die Verstorbenen aus
der Hölle heraus in das Himmelreich: so siegt er im Tode.^)
Mit der Überwindung der Hölle ist das Hindernis beseitigt,
das die Menschen vom Himmelreich ferne hielt. Sie können nun
in dasselbe gelangen. Der Weg dahin ist bei Otfrid ebenso ge-
dacht wie im Hehand: Erfüllung des durch Christi Predigt er-
sclilossenen göttlichen Willens. Dass er die Notwendigkeit der
Gnade noch stärker betonte,*) hängt ohne Zweifel mit seiner
1) I, 15 V. 18 S. 79; I, 25 v. 17 f. S. 120.
2) III, 26 V. 37 ff. S. 396.
3) I, 5 V. 51 ff. S. 48; I, 11 v. 59f. S. 69; II, 11 v. 47 ff. S. 195 f.;
IV, 3 V. 28 S. 413; IV, 12 v. 59 ff. S. 456 f ; V, 2 v. 9 ff S. 563: V, 4 v. 45 ff.
S. 570; V, 16 v. 1 ff". S. 623. Wie mich dünkt liegt die Vorstellung, dass
Jesus primär Befreier aus Todes- und Höllenzwang ist, in der Verwertung
des deutschen Wortes arlosan zur Übersetzung von redimere (s. v. Raumer
S. 366 f.). Der Sinn beider Wörter ist ja nicht derselbe. Die allgemeine
Verwendung des Wortes zeigt dann, was die herrschende Anschauung des
Volkes war.
4) I, 2 V. 45 ff. S. 31 :
Thaz (die Erlangung der Seligkeit) nist bi uuerkon minen,
suntar rehto, in uuaru bi thineru ginadu.
Thu hilphis io mit krefti theru thinera giscefti;
— 7S0 —
trüberen AuÖassuiig des menschlichen Wesens zusammen. Er
kann geradezu sagen, dass (lott diejenigen, die es nicht wert
sind, in sein Himmeh-eich führt; ^) und er erklärt sicli das daraus,
dass Gott seinem AVeseu nach gnädig ist,-) während es für die
Menschen nichts giebt, was ihren Mut so hoch erfreut, als die \er-
gebung.'^)
Allein in dem allen liegt doch nur eine verschiedene Modu-
lation von Gedanken, die wir .iiuli im Heliand fanden, nicht eine
Verschiedenheit der Anscliauung. Denn auch die Gegenseite
fehlt bei ( )tfrid nicht. Zu allen jenen Sätzen des Heliand
von dem Wert der guten Werke, die bei Gott Gnade und Er-
barmen erlangen, von den Verdiensten, die im Gerichte Lohn
finden, lassen sich Parallelen bei ihm nachweisen.*) ja er spitzt
wohl den Gedanken noch schärfer zu, indem er auch den Schmerz
über die Sünde als verdienstlich betrachtet: wer wahrhaftig seine
dua huldi thino ubar niih, tliaz ih thanne iamer lobo tliih,
Thaz ih ouh nu gisito thaz, thaz mir es iamer si thiu baz,
theih thionost thinaz fülle, iiuiht alles io ni uuolle,
Jo mir io hiar zi libe uuiht alles io ni klibe,
ni si, druhtin, thaz thin uuillo ist, thu io ginadiger bist.
II, 24 V. 17 ff. S. 250; IV, 29 S. 522 ff. Diese Stelle ist besonders deshalb
interessant, weil Otfrid über das hinausgeht, was ihm seine Vorlage, hier
Alkuin (in Johann, opp. I S. 982), darbot. Die Hauptstelle, dass die gött-
liche Liebe das Gewand Christi, seine Gemeinde, gewoben hat, ist Otf'rids
Eigentum (v. 23 ff. S. 524) :
Uuanta sia span scono karitas in frono:
sie thie faduma alle gab ioh sia selbo giuuab.
Giuuisso, so ih thir zellu, thiu uuerk bisihit si oliu
si iz alias gote reisot ioh sinen io gizeigot.
Ni uuane, theih thir golbo, thia tunichun span si selbo,
selbo uuab si kriste thu/.; bi thiu ist iz allaz so aliingaz.
Liegt hier eine polemische Beziehung auf die spinnenden und webenden
Nomen vor?
1) V, 24 V. 16 S. 676: Leti unsih in richi thin, thoh uuir es uuirdig
ni sin. I, 2 v. 45 S. 31: Thaz nist bi uuerkon minen suntar rehto in uuaru
bi tihnera ginadu.
2) V, 24 V. 15: Ginado bi unsih, so thu bist. Vgl. hiezu das gereimte
Augsburger Gebet (Miillenhoff u. Scherer 14 I S. 34j: Got, thir eigenhaf ist,
thaz io genathih bist.
3) III. 1 V. 30 S. 257.
4) Z. B. I, 24 V. 9 ff. S. UH; II, 9 v. 65 ff. S. 187; III, 19 v. 33 tf.
^. ;i47; IV, 9 V. 27 ff. S. 444; V, 22 v. 4 S. 651 (von allen Seligen); Hiar
gitbionotun sie tbnz.
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Sünden bereut, der häuft sich einen grossen Schatz auf; erfüllt
er überdies willig Gottes Gebote, so ist er ein trauter Freund de&
Herrn. ^)
In solcher Gestalt wurde der christliche Glaube dem Volke
dargeboten und von ihm erfasst. Es ist leicht, ihre dogmatische
Unvollkommenheit zu erkennen, und die widersprechenden Ele-
mente, die neben einander vorhanden waren, aufzuzeigen. Aber
mit diesem Urteil allein wird man ihr nicht gerecht. Ihr Wert
liegt darin, dass sie dem Volk eine Fülle religiöser und sittlicher
Motive in einer solchen Weise darbot, dass sie auf das Volk
wirkten. Sie war trotz ihrer Mängel geeignet, die sittliche Kultur
zu fördern.
Dabei stiess sie jedoch auf den unül^erAnndhcheu Wider-
stand der sozialen Verhältnisse. Die früher bemerkte Scheidung^
des Volkes in Stände setzte sich unaufhaltsam fort. Wenn die
Menge der eigenthchen Knechte, der Sklaven, geringer wurde,
so wuchs doch ununterbrochen die Zahl der abhängigen Leute. ^)'
Bald freiwillig, bald gezwungen ergaben sich Freie in fremde
Gewalt. Auf ihre persönKche Freiheit verzichteten sie dabei nicht.
Aber was nützte ibnen das Eecht der Freien, wenn sie die
faktische Unabhängigkeit verloren hatten? Wenn nicht rechtlich,-
so traten sie doch thatsächlich auf die gleiche Stufe mit den
Liten. Noch unterschied man im neunten Jahrhundert nicht
regelmässig zwischen Adeligen und Nichtadehgen. Aber diese-
Unterscheidung kam doch bereits vorr^) und unter den Nicht-
adeligen wurden zusammengefasst die Gemeinfreien, die Hörigen
und die Sklaven. Wenn die Ursache dieser sozialen Verschiebung
in dem Sinken des Durchschnittsbesitzes der Gemeinfreien lag,
so war ihre Folge, dass sie die Stellung, die sie ursprünglich im
Gemeinwesen besessen hatten, einbüssten. Die Zahl derjenigen,
welche im Genuss der ßechte bheben, welche dem Volk eigneten,
wurde eine sehr kleine; die grosse Menge war davon ausge-
schlossen.
Die Rückwirkung auf die kirchHchen Verhältnisse war unver-
1) T, 24 V. 17flF. S. 118.
2) Vgl. Waitz, VG. V S. 220 fF.
3) Z. B. in der Urkunde Arnulfs für Zwentibolch, viro ijrogenie bonae
nobilitatis exorto (B.M. 1890), in der Urkunde Williberts von Köln v. 873
(Mansi XVII S. 278) werden neben den sacri ordinis viris nur nobiles laici
genannt; vgl. Form, imper, 28 S. 312; Form. cod. Laud. 14 S. 518. Meichel-
beck, Hist. Fris. I, 2 S. 428 Nr. 980: Quidam nobilis vir. Form. 30 coli.
Sangall. S. 415. Form, extrav. I, 9 S. 589.
— 7S2 —
meidlicli. ludem die grosse Majorität des A'olkes herabsank zu
einer Masse politisch und sozial Rechtloser, wurde sie gleichsam
festgebannt in der Unkultur. Um so schwieriger war die Über-
windung der abergläubischen Elemente der Frömmigkeit. Es ist
denn auch in den nächsten Jahrhunderten kein Schritt vorwärts
geschehen. Vollends unmöglich wai* jede selbstständige Beteiligung
des Volkes am Leben der Kirche. Bis sich in den aufljlühendeh
Städten ein neues Volk bildete, ist nicht die Xation, sondern sind
allein der Klerus und der Adel die Faktoren der kirchhchen Ent-
wickelung.
Beilauen.
I. Bischofslisten.
A. Erzbistum Mainz.
1. Mainz.
Bonifatius, gest. 5. Juni 755.
Lul. Erzbischof zwischen 780 und 782 (S. 206, 1), gest. 16. Okt. 786 (Ann.
Lauresh., Fuld. br., V. Lul. 21 S. 147).
Riculf, gest. 9. Aug. 813 (Ann. Lauriss. nsin., Sangall., Wirzib., Necrol.
eccl. Mog. Böhmer, Fontes III S. 142).
Heißtolf, gest. 826 (Ann. Fuld.; Ann. Xant. irrig 825).
Otgar, gest. 21. April 847 (Ann. Fuld., Necrol. eccl. Mog.).
Hraban, geweiht 26. Juni 847 (Ann. Fuld.); gest. 4. Febr. 856 (1. c, Ann.
Necrol. Fuld.; Necrol. eccl. Mog.: 2. Febr.).
Karl, geweiht 12. März 856 (Ann. Fuld.), gest. 4. Juni 863 (1. c; Necrol.
eccl. Mog.: 5. Juni).
Täutbert, geweiht 30. Nov. 863 (Ann. Fuld.), gest. 17. Febr. 889 (Ann.
Fuld., lib. anniv. Sangall.).
Sundarold, gefallen 26. Juni 891 (Ann. Fuld., Regin. chron.; Necrol. eccl.
Mog.: 28. Juni).
Hatto I., gest. 15. Mai 913 (Ann. Sangall. mai., Col., Wirzib., Necrol. Aug.
div., Merseb. N. Mitth. des thür. sächs. Vereins XI S. 234). Im
Necrol. eccl. Mog. ist der 18. Jan. mit Unrecht als Todestag
Hattos I. betrachtet; vgl. die Urk. v. 12. März 918 (B.M. Nr. 2028).
2. Augsburg.
Rozilo (s. Bd. I S. 524).
Tazzo (s. S. 47 Anm. 5). Todestag 17. Jan. (lib. anniv. Aug. S. 56).
Sintpert, Bischof von Augsburg wahrscheinlich 810 (s. S. 454 Anm. 1).
Als Todestag wird der 13. Okt. angegeben (Catal. ep. Aug. M.G.
Scr. Xm S. 279).
— 7S4 —
Hanto, 812 erwähnt (Ann. Laur. min.).
Nidgar, 30. Aug. 822 urkundlich erwähnt (Mcichelbeck, Hist. Fris. I, 2
S. 247 Nr. 470), Juni 829 in Mainz (Ep. Fuld. fragm. 29 M.G.
Ep. V S. 529). Todestflg 27. Sept. (Necrol. Udalr.).
üdalmann.
Lanto, Anfang Okt. 847 und 3. Okt. 852 zu Mainz (S. 624 Anm. 4).
Witgar, 867 zu Metz (M.G. Oap. 245 II S. 167), gest. 887 (Regin. chron.).
Adalbero, geweiht 887 (Regin. chron.), gest. 28. April 910 (Ann. Sang.
mai., Hb. anniv. St. Gall.; >Jecrol. Udalr.; Ann. Alam. irrig 908).
.{. (hur.
Ursicinus, gest. vor 759 (V. s. Gall. II, 18 S. 25).
Tello, c. 760 Teilnehmer am Totenbund von Attigni Cap. 106 I S. 222,
gest 24. Sept. (lib. anniv. Cur.). Das Todesjahr ist frühestens 766.
Tellos Testament ist vom 15. Doz. des 15. Jahres Pippins, also
765 datiert (Mohr, Cod. dipl. 1 S. 10 Nr. 9).
Constantius, c. 773 nachweislich (B.M. 155).
Remedius, gest. 27. Juni (lib. anniv. Cur.). Von den Briefen .\lkuins an
Remedius gehören Nr. 76 und 77 S. 118 f. in die Jabro 791—796,
263 und 310 S. 420 u. 478 in die Jahre 801—804.
Victor II. scheint das Bistuui kurz nach 820 angetreten zu haben (s. die
Eingaben an Ludwig d. Fr. M.G. Ep. V S. 309). Letzte urkund-
liche Erwähnung 9. Juni 831 (B.M. 865). Todestag 7. Jan. (lib.
anniv. Cur.). Da Verendar in den Sturz Ludwigs d. Fr. verwickelt
war (s. S. 501), so ist Victor wahrscheinlich ^B2 , möglicherweiso
833 gestorben.
Verendarius, gest. 8. Okt. 843—846 (lib. anniv. Cur.). Die angegebenen
Jahre ergeben sich daraus, dass Verendar d. 21. Jan. 843 zuletzt,
und Gerbrach Anfang Okt. 847 zuerst urkundlich nachweislich ist
(B.M. 1062 und oben S. 624 Anm. 4).
Gerbrach, Okt. 847 in Mainz (S. 624 Anm. 4).
Esso, zuerst nachweislich 12. Juni 849 (B.M. 1352), zuletzt 16. Mai 868
(Syn. zu Worms S. 710 Anm. 5), 852 auf der Synode von Mainz
Cap. 249 I S. 185, gest. 10. Nov. flib. anniv. Cur.) wahrscheinlich
880. Das Jahr ergiebt sich daraus, dass das Bistum am 4. Jan. 881
als erledigt erscheint.
Rothar (Otcnr), gest. 16. Juli (lib. anniv. Cur.).
Theodolf, zuerst nachweislich 22. Jan. 888 (B.M. 1726), zuletzt 10. Aug.
913 (\. c. 2028).
4 Kiclislädt.
Willibald, gest. nach dem 8. Okt. 786 (Dronke, cod. dipl. Fuld. Nr. 85
S. 52). Todestag 7. Juli (Gundech. lib. pont. M.G. Scr. VII S. 243).
Gerhoh, für ihn eine undatierte Urkunde Karls (B.M. 353). Todestag
2. Febr. (Anon, Ha.ser. de episc. Eich.st. M.G. Scr. VII S. 254).
Aganus, wenn identisch mit Agnus, so vor 810 in Regensburg (s. S. 453
Anm. 1) und 3. April 823 auf einer zweiten bairischen Synode
— 785 —
(Meichelb., H.Fr. I, 2 S. 229 Nr. 634); Todestag 6. Nov. (Anon.
Haser.).
Adelung (Adaling). Juni 829 in Mainz (Ep. Fuld. fragm. 29 M.G. Ep. V
S. 529). Todestag 30. Juli (A. H.).
Altinus (Attun), erwähnt um 840 (Ermen. v. Sual. 10 S. 162). Todestag
22. Febr. (Anon. Haser.).
Otgar, Oktober 847 in Mainz (s. S. 624 Anm. 4), gest. 6. Juli 880 (Anon.
Haser.).
Gottschalk, gest. 12. Nov. 882 (Gundech.).
Erchanbald, gest. 19. Sept. 912; letzte urkundliche Erwähnung 5. März 912
(B.M. 2014). Daraus erhellt der Irrtum Gundechars, der 902 als
Todesjahr angiebt.
üdalfrid, gest. 1. Jan. 933 (Gundech. Anon. Haser. S. 254).
5. Halberstadt.
[Hildigrim L, s. S. 410 u. 675. 4].
Theotgrim, Juni 829 in Mainz (Ep. Fuld. fragm. 29 M.G. Ep. V S. 529);
gest. 8. Febr. 840 (Ann. Quedl., Ann. Saxo, Necrol. Werdin.
Böhmer, Font. HI, 389).
Haimo (Hemmo), gest. 28. März 853 (Ann. Fuld.; Ann. necr. Fuld.; Necrol.
Merseb.: 27. März).
Hildigrim H., gest. 21. Dez. 886 (Ann. Sax. ; Necrol. Werdin., Merseb.).
Agiulf (Egolf), gest. 27. Jan. 894 (Ann. necr. Fuld., Gest. episc. Halberst.,
Necrol. Halberst. N. Mitth. VHI S. 60).
Sigimund, Mai 895 in Tribur (s. S. 712 Anm. 6), gest. 14. Jan. 923 (Ann.
Quedlinb., Thietm. chron. I, 12; ann. necr. Fuld.: 924).
6. Hildesüeiui.
Ountar (S. 675 Anm. 5), Todestag 5. Juli (Necrol. Merseb., Hildesh. Scr.
rer. Brunsw. I S. 765).
Rembert (S. 675 Anm. 5), Todestag 12. Febr. (Necrol. Hildesh.).
Ebo, erhält das Bistum Hildesheim zwischen dem April 845 (Bischofswahl
für Rheims) und Okt. 847 (Mainzer Synode, s. S. 624 Anm. 4);
Todestag 20. März (Necrol. Hildesh.).
Altfrid, 3. Okt. 852 zu Mainz (s. S. 624 Anm. 4), gest. 15. Aug. 874 (Ann.
Alam., Necrol. Hildesh.; Ann. Hild.: 875).
Ludolf, gewählt, stirbt vor der Weihe 875 (Ann. Hildesh.).
Markwart, gefallen 2. Febr. 880 (Ann. Fuld., Corb., Thietm. chron. II, 15,
Necrol. Hildesh.).
Wicpert, geweiht 880 (Ann. Hildesh.). gest. 31. Okt. 908 (Ann. Necrol.
Fuld., Necrol. Merseb.; Necrol. Hildesh.: 1. Nov.).
Walpert, gest. 3. Nov. 919 (Ann. necrol. Fuld., Necrol. Merseb., Hildesh.).
7. Eonstanz.
Arnefrid, gest. 746 (Cat. abb. Aug. Scr. XIII S. 331; Herim. Aug.
chron.).
Sidonius, gest. 4. Juli 760 (Necrol. Aug.; über d. J. s. Wartmann, ÜB. zu
Nr. 27 I S. 31).
Hauck, Kirchengeschichte. II. 2. Aufl. 50
— 780 —
Johannes II., gest. 9. Febr. 782 (Necrol. Aug., chron. Suev. univ., über-
einstimmend die Angabe der Amtsdauer — 21 Jahre — in den
St. Galler und Reichenauer Katalogen; Herim. Aug. chron.: 781).
Egino, gest. 25. Aug. 811 (Necrol. Aug.). In den Ann. Alara. und Weing.
ist 813 als Tode.«jahr genannt; irrig, da am 19. Sept. 811 Wolfleoz
bereite Bischof war (Wartmann, ÜB. I S. 196 Nr. 206). Da Kgino
im Herbste 810 noch lebte (Cap. 127 S. 249), so ergiebt sich das
oben angegebene Datum.
Wolfleoz, Todestag 15. März (Necrol. Aug.). Das Jahr steht nicht fest;
letzte Erwähnung 835 (Ratp. cas. s. Gall. 6 S. 66, Ann. Alam. z. d. J.).
Salomo 1. Erste Erwähnung Anfang Okt. 847 (Synode zu Mainz, s. S. 624
Anm. 4); gest. 871 (Ann. Sangall. br., Alam.), wahrscheinlich
2. April (Necrol. Aug.).
Patacho, gest. 4. Dez. 873 (Lib. anniv. St. Gall.). Nach einer Notiz des
15. Jahrh. (M.G. Scr. V S. 71 n. 67) war Patacho 3 Jahre lang
Bischof; für 874 ist Gebhard I. nachzuweisen (Wartmann, ÜB. II
S. 198 Nr. 585; daraus ergiebt sich das Todesjahr).
Gebhard I., gest. 18. April 875. Der Todestag im Necrol. Aug. Baumann
bezieht ihn auf Gebhard von Speier; als dessen Todestag nennt
jedoch der Necrol. Spir. den 20. Mai, so dass die Beziehung auf
Gebhard von Konstanz gesichert ist. Das Jahr 875 ist anzunehmen,
da Salomo II. vor dem 31. Jan. 876 Bischof wurde (s. Form. 29
coli. Sangall. S. 415 und dazu Zeumer, N. Arch. VIII, 526 f.).
Salomo II., gest. 23. Dez. 889 (Lib. anniv. St. Gall.). Als Todesjahr ist
890 überliefert. Da jedoch Salomo III. im August 890 Bischof
war (Wartmann, ÜB. II S. 280 Nr. 679), so muss das Jahr 889
angenommen werden.
Salomo III., gest. 5. Jan. 919 (Ann. Sangall. mai., ann. necr. Fuld.).
8. Paderborn.
Hathumar, gest. nach dem Juli 815 (s. S. 409 Anm. 1), wahrscheinlich
noch in diesem Jahre; die transl. Libor. lässt ihn bald muh
Karl d. Gr. sterben (c. 6 S. 151).
Badurad, erste urkundliche Erwähnung 2. April 822 (B.M. 728). Todes-
tag 17. Sept. (Necrol. Heris. Wilmans, KU I S. 504). Da Liuthard
sicher 886 oder 887 gestorben ist und 27 Jahre lang Bischof war
(Ser. ep. M.G. Scr. XIII S. 342), so erginbt sich als Todesjahr
Badurads 859 oder 860. Am 22. Mai 859 lebte er noch (B.M. 139H).
Die i^adurad zugeschriebene Amtsdauer von 48 Jahren ist demnach
unrichtig.
Liuthard, gest. 2. Mai 886 oder 887 (Necrol. Heris.). Diese Jahre folgen
daraus, dans Liuthard den 8. Sept. 885 zuletzt und Biso den
22. Sept. 887 zuerst nachweislich ist (B.M. 1669 und 1711).
Biso, Todestag 9. Sept. (Necrol. Heris., Merseb.). Die Angabe einer
25jährigen Amtsdauer ist unrichtig: richtig scheint dagegen die
Angabe der v. Meinw. 1 S 107, welche ihui 23 Jahre giebt. Setzt
man seinen Amtsantritt in den Sommer 886 und nimmt man an.
— 787 —
dasä er das 23. Jahr nicht vollendete, so starb er d. 9. Sept. 908.
Die 9 Jahre Dietrichs führen auf dessen feststehendes Todesjahr
917. Zuletzt nachweisbar ist Biso als Teilnehmer der Synode zu
Tribur 895 (s. S. 712 Anm. 6).
Dietrich. Nach Ser. ep. Päd. und v. Meinw. 1 neun Jahre lang Bischof;
gest. 8. Dez. 917 (Ann. necrol. Fuld., Necrol. Paderb., s. Erhard
Regest. 516).
9. Speier.
Basin, gest. vor d. 25. Juli 782 (S. 47 Anm. 4).
Fraido (Fleido), urkundliche Erwähnung 782 (B.M. 245). Ist der in der
Fuldischen Urkunde 198 S. 107 f. genannte Rihboto ep. der gleich-
namige Bischof von Trier, so starb Fraido nach d. 8. Nov. 791
und vor d. 1. Okt. 804.
Benedikt, Juni 829 in Mainz (M.G. Ep. V S. 529).
Hettin.
Gebhard, 847 zu Mainz (S. 624 Anm. 4); letzte Erwähnung 877 (Form. 34
coli. Sangall. S. 418); Todestag 20. Mai (Necrol. Spir. Böhmer,
Font. IV S. 321).
G 0 d e th ank , 888 in Mainz (S. 712 Anm. 2) und 895 in Tribur (S. 712 Anm. 6).
Einhard, erste urkundliche Erwähnung 24. Juni 903 (B.M. 1953), gest.
29. Juni 918 (Necrol. Spir., Ann. necrol. Fuld.).
10. Strassburg.
Heddo, letzte urkundliche Erwähnung Dez. 775 (B.M. 195).
Aylidulf, Confr. Aug. 188, 10.
Remigius.
Rachio, Bischof seit 784; der Prolog einer von ihm veranlassten Abschrift
des spanischen Cod. can, ist im 5. Jahre seines Episkopats, 788,
geschrieben (Migne 96, 1029).
Outo IL, Confr. Aug. 187, 1; Todestag 26. Aug. (Necrol. Argent. Böhmer,
Font. III S. XV), wenn nicht auf Uto IE. bezüglich.
Erlehard.
Adalloch, 816 und 820 erwähnt (B.M. 607, 692, 700).
Bernald (Bernhard), erste urkundliche Erwähnung 12. Juni 823 (B.M. 748),
letzte Erwähnungen 832 iForm. extrav. II, 17 S. 560 f.) und 833
(s. 0. S. 504); Todestag 17. April (Necrol. Aug.).
Rathold, erste urkundliche Erwähnung 29. Juli 840 (B.M. 1036); die Wahl
muss unmittelbar vorher erfolgt sein, da Rathold im Aug. 840
noch nicht ordiniert war (B.M. 1038), gest. 20. Nov. 874 (Ann.
Alam., Weing., Necrol. Romar. Böhmer, Fontes III S. 463; Necrol.
V^eissenb. 1. c. IV S. 314: 21. Nov.).
Reginhard, ein zwischen 876 und 881 geschriebener Brief Salomos II.
an ihn (Form. 33 coli. Sangall. S. 417, vgl. 36 S. 419i. Todestag
10. Mai (Necrol. Argent., Weissenb.).
Baltram, 888 in Mainz (S. 712 Anm. 2), gest. 906 (Regln, chron.).
Otbert, 30. Aug. 913 getötet (Ann. Sangall. mai., necrol. Aug.; cont. Regln.:
914; chron. Suev. univ.: 912).
50*
— 788 —
11. Verden.
Patto, gest. 2. Juni 788 (S. 378 Anm. Ij.
Tanko. gest. 808 (? S. 406 Anm. 1).
Nortila?
Leyiulo?
Rotila?
Hysinger?
Haruth, gest. 829 (Ann. necrol. Fuld.), nach dem Juni, da Haruth an dor
Mainzer Synode Anteil nimmt (M.G. Ep. V S. 530).
Helmgaud, erste Erwähnung Herbst 831 (v. Assk. 12); 14. Juni 838 zu
Nimwegen (Dronke, cod. dipl. Nr. 513 S. 226).
Wald gar, Okt. 847 zu Mainz (S. 624 Anm. 4), letzte Erwähnung 14. Juni
849 (B.M. 1353).
Gerolf (Erolfj auf den Synoden zu Worms 868 (s. S. 710 Anm. 5) und zu
Köln 28. Sept. 873 (S. 711 Anm. 2).
Wigbert, zuerst erwähnt 26. Febr. 874 (R.M. 1458), zuletzt Mai 895 zu
Tribur (S. 712 Anm. 6).
Bernar.
12. Worms.
Erembert, gest. 793 (S. 47 Anm. 3).
Bernhar, in den Weissenburger Ti-aditionen bis 21. Mai 825 (Zeuss, Tradit.
Wiz. 185 S. 173).
Folcwich, zuerst erwähnt 31. Okt. 826 (B.M. 808), zuletzt 17. Nov. 830
(Zeuss 172 S. 159).
Samuel, gest. 6. Febr. 856 (Ann. necrol. Fuld. S. 166 u. 177).
Gunzo, gest. 872 (Ann. Xant.; Ann. nerrol. P^uld. 875: Gundalah epi-
scopus).
A dal heim, 888 in Mainz (S. 712 Anm. 2).
Thietlach, 895 in Tribur (S. 712 Anm. 6); gest. 1. Sept. 914 (Ann. Worm.
M.G. Scr. XVII S. 37).
13. Würzhiirg.
T'>iirchard, gest. zwischen d. .Fmii 7.')U und •). .Inni 755 (s. S. 48 und 49
Anm. 1).
Megingoz, gest. nach 777 (a. S. 49 Anm. 2): Todestag 26. Sept. (Necrol.
Merseb.).
Berenwelf, gest. 26. Sept. 800 (Ann. Wirzib., Necrol. Wirzib.).
T.iuderich, gp.st. 27. Febr. 802 (Ann. Wirzib.).
Agil ward, gest. 810 vor d. 1. Mai (Ann. Wirzib. z. J. 832).
Wolfger, gest. 12. Nov. 832 (Ann. Wirzib., Necrol. Merseb.).
Humbert, gest. 8. März 842 (Ann. Wirzib., Ann. necrol. Fuld.; kal. necrol.
Fuld., Böhmer, Fontes IV S. 451: 10. März).
Gozbald, gest. 20. Sept. 855 (Ann. Fuld., Wirzib., ann. necrol. Fuld.,
Necrol. Merseb.).
Arn, ppfallen 13. Juli 892 (Regin. chron., Ann. Wirzib., Mirac. Wigb. 11,
Ann. necrol. Fuld., necrol. Merseb.).
— 789 —
Rudolf, gefallen 3. Aug. 908 (Ann. Alatn., Wirzb., ann. necrol. Fuld.,
necrol. Merseb.\
Thiedo, gest. 15. Nov. 931 (d. J. 932 in den Ann. Wirzib. S. 241 ist irrig,
da Burchard II. an der Erfurter Synode v. 1. Juni 732 Anteil nahm,
Const. Imp. I S. 3 Nr. 2).
B. Erzbistum Köln.
1. Kölu.
Hildegar, erschlagen 753 (s. S. 52 Anm. 1).
Berethelm, erwähnt 13. Aug. 762 (B.M. 93).
Riculf, erwähnt c. 780 (Ale. carm. 4 v. 18 f. S. 221).
Hildebold, erste Erwähnung c. 791 (J.W. 2481), gest. 3. Sept. 819 (Ann.
s. Emmer. mai., Col. breviss.).
Hadebald (Hadubald), gest. 841 (s. d. Bonner Urkunden v. 841 u. 842
N.A. Xm Nr. 23 f. u. 16 S. 159 und 156).
Hilduin, gest. c. 845 (s. S. 681 Anm. 5).
Günther, 22. April 850 geweiht (S. 681 Anm. 5>, Okt. 863 abgesetzt
(Mansi XV, 651, Ann. Fuld.).
Willibert, geweiht 16. Jan. 870 (Ann. Fuld., Col. brev.), gest. 11. Sept.
889 (Necrol. Col. Böhmer, Font. III, 343). Regino giebt als Todes-
jahr 890 an; jedoch irrig, da Hermann im Mai 890 bereits Bischof
war (J.W. 3457).
Hermann, gest. 11. April 923 (Regln, contin., necrol. Colon.).
2. Bremen.
Will eh ad, gest. 8. Nov. 789 (s. S. 390).
Willerich, Bischof seit 804 oder 805 (s. S. 405 Anm. 4), gest. 838 (s.
S. 405 Anm. 4).
Leuderich, gest. 24. Aug. 845 (s. S. 680 Anm. 4).
3. Lüttieh.
Florebert, erwähnt 785 (Ann. Gand., Lob.).
Fulchar (Folchrich), erste urkundliche Erwähnung 23. Mai 757 (B.M. 83 a),
gest. vielleicht 769 (S. 51 Anm. 6).
Agilfrid, gest. 787 (Ann. Lob.; Aegid. Aureaev. Gest. ep. Leod. II, 32
c. a. 784).
Gärbald, gest. 810 (Ann. Lob., Aegidius stimmt hier zu, da er Gärbald
eine Amtsdauer von ungefähr 26 Jahren giebt}, Todestag 18. Okt
(Aegid.).
Waltcaud (Waldgoz), geweiht 810 (Transl. Hubevti, M.G. Scr. XV S. 236j
gest. 831 (Ann. Lob.) nach d. 19. April (B.M. 859). Aegidius irrt
demnach, wenn er Waltcaud 18 Jahre giebt und den 8. April als
Todestag bezeichnet.
Erard, gest. 840 (Aegid.; Ann. Lob. uni-ichtig 842).
Hartgar, geweiht vor d. Aug. 840 (B.M. 1038), gest. 852—855 (Ann. Lob.:
852, Leod.: 854, Aegid.: 30. Juli 855).
— 790 —
Franko, geweiht 852— 856 (Ann. Lob., Aegid.), gest. 9. Jan. 901—904 (Ann.
Lob., Leod., Aegid., Nccrol. Roniaric).
Stephan, gest. 920 (Ann. Lob., Leod.; Aogid.: 19. Mai 922).
4. Miudeu.
Herkumbert, Todestag 6. Juni (Necrol. Visb. Hölimer, Font. IV S. 497).
Haduwart, gest. 16. Sept. 853 (Ann. Fuld., NocioL Visb.).
Thiadrich, gefallen 2. Febr. 880(Ann. Fuld., Corb., Thietm. chron. II,
15, Necrol. Visb.).
Wulfar, gefallen 15. Sept. 886 (Ann. necrol. Fuld., Corb., Necrol. Visb.,
Merseb.).
Drogo, geweiht 1. April 887 zu Köln (Mansi XVIII S. 45 f.), gestorben
5. Juni 902 (Ann. necrol. Fuld., Necrol. Visb., Merseb.).
Adalbert, gest. 6. Febr. 905 (11. cc).
Bernhar, gest. 6. Sept. 913 (s. d. Urkunde Konrads I. v. 7. Juni 914 für
Bernhards Nachfolger Liuthar (Dipl. I S. 22 Nr. 23).
5. Münster.
Liudger, gest. 26. März 809 (s. S. 407).
Gerfrid, gest. 12. Sept. 839 (Ann. Corb., Necrol. Werd.; Merseb.: 13, Sep-
tember.
Altfrid, letzte urkundliche Erwillmuug 20. Juli 848 (Lacomblet, ÜB. l
S. 29 Nr. 64); Todestag vielleicht 22. April (Necrol. Werdin.).
Liutbert, erste urkundliche Erwähnung 24. Dez. 851 (Erhard, Regest.
Nr. 405), gest. 27. April 871 (Ann. Xant.).
Holdolf, zu Köln 873 (e. S. 711 Anni. 2).
Wolf heim, zu Köln 887 (s. S. 712 Anm. 1). zu Tribur 895 (s. S. 712
Anm. 6); Todestag 7. Juli (Necrol. Merseb.).
Nithard, 7. Nov. 921 urkundlich erwähnt (M.G. Leg. I 8. 568).
a. Osntihriick.
Gefwin, »29 in Mainz (M.G. f]p. V 8. 530); nach den Osn. Ann. (Osn.
GQ. I S. 2) erst 866 ge.storbon. Ich halte die Jahrcsangaben der
Osn. Ann. für ganz unsicher.
Gozbert, Bi.schof nach 845 (8. 680; vgl. Querim. Kgilm. 8. 54); 3. Okt.
852 in Mainz (S. 624 Anm. 4); nach den Osn. Ann. 8. 2 874
gestorben.
Egibert, Bischof vor 864, da er unter (lünther von Köln amtiert (Que-
rim. Egilm. 8. 55), 16. Mai 868 in Worms (S. 710 Anm. 5), 26. Sept.
873 in Köln (8. 711 Anm. 2); nach d. Osn. Ann. n. d. Osn. Totenb.
1. Fobr. 885 ge.st., s. Philippi. IIB. I 8. 3(1.
Egilmar, wurde vor d. 11. Sept. hH<( (Tod Willibert.s v. Köln) Bischof,
da Willibert zu seinen Richtern gehören sollte (Querim. S. 55).
895 in Tribur (S. 712, 6i. Todestag 11. Mai (Necrol. Osn. s. P:rhard
Regest. 504). Das Todesjahr ist nicht zu bestimmen; die von Er-
hard für 906 benützte Urktinde Sorgius" IH. fJ.W. 3537) ist unecht;
die Osn. Ann. la.ssen Egilmar cr.'^t 918 sterben.
— 791 —
7. ttrecht.
Willibrord, gest. 8. Nov. 739 (s. Bd. 1 S. 430).
Gregor, gest. 25. Aug. 775 (?), s. S. 345 Anm. 1.
Albrich, gest. 784 (Ann. Mosell., Lauresh.).
Thiaderd.
E r m a k e r.
Ryxfrid (Hrikfred), 18. März 815 urkundlich erwähnt (B.M. 558).
Friedrich, 829 in Mainz (M.G. Ep. V S. 530); in einer Urkunde v. 834
genannt (M.G. Scr. II S. 217 n).
Hegihard, 21. März 845 urkundlich erwähnt (B.M. 1085).
Hungar, zuerst erwähnt 18. Mai 854 (B.M. 1367), zuletzt 863 auf der
Metzer Synode (Ann. Fuld.).
Odelbald, zuerst erwähnt auf der Kölner Synode von 873 (s. S. 711),
gest. 899 (Regln, chron.).
Radbod, 9. Juli 915 urkundlich nachweislich (B.M. 2035); gest. 917 (Ann.
necrol. Fuld.).
C. Erzbistum Trier.
1. Trier.
Milo, gest. 753 oder 757 (Görz, Mittelrh. Reg. 168).
Weomad, gest. 791 (Ann. Maxim.).
Richbod, gest. 804 (Ann. Lauriss. min., Fuld.).
Wazo.
Amalar, 813 als Gesandter in Konstantinopel (Ann. Einh., Fuld.), Todes-
tag 29. April (Necrol. Mett. Forsch. XIII S. 598).
Hetti, zuerst erwähnt 27. Aug. 816 (B.M. 606), gest. 847 (Regln
chron.).
Thietgaut, Okt. 863 abgesetzt (Mansi XV, 651, Ann. Fuld.). Sein Tod
ist in den Ann. Bert. z. 867 S. 90 erwähnt.
Bertulf, 869 von Karl d. K. eingesetzt, gest. 10. Febr. 883 (Regln, chron.).
Ratbod, 8. April 883 geweiht (Regln, chron.), gest. 915 (Ann. necrol.
Fuld., Gest. Trev.).
Ruotger, gest. 931 (Ann. Maxim, wird in diesem Jahre der Amtsantrit
Ruodperts notiert; Regln, contin. unrichtig: 928).
2. Metz.
Ch rodegang, gest. 6. März 766. Erledigung 2 J. 6 M. 19 T. (Cat. M.G.
''scr. XllI S. 306).
Angilram, geweiht 25. Sept. 768. So nach der Dauer der Erledigung.
Gestorben 26. Okt. 791 (Ann. Lauresh.).
Erledigung.
G und Ulf, gest. 7. Sept. 822 (Necrol. Mett.). Das Todesjahr ergiebt sich
daraus, dass Drogo 823 das Bistum erhält. In der Angabe des
Katalogs über die Dauer der Vakanz (27 J. 4 M.) oder in der
über die Amtszeit Gundulfs (6 J. 8 M. 7 T.) liegt deshalb ein
— 792 —
Irrtum. Hält man die letztere für richtig, so wurde Gundulf am
1. Jan. 816 geweiht.
Drogo, geweiht 12. oder 13. Juni 823 (Ann. Einh., Xant., Weissenb., Be-
euens.), gest. 8. Dez. 855 (Ann. necrol. Fuld., Cat.; Ann. Alam.:
856; Hb. anniv. S. Galli: 9. Dez.).
Adventius, geweiht 7. Aug. 858 (Necrol. Mett.\ gest. 31. Aug. 875
(Catal.,).
Wala, geweiht 5. April 876, gefallen 11. April 882 (Cat., Ann. Fuld., Ve-
dast., Regin. chron.).
fiuotpert, geweiht 22. April 833 (Regin. chron.), gest. 2. Jan. 917 (Cat.
.\iin. 8. Vinc. Mett.: 916; Necrol. Rortiar. : 3. Jan.).
3. Toni.
Godo? Zeitgenosse des Königs Pippin (Gest. ep. Tüll. 21).
Bodo? Todestag 3. Sept. (1. c. 22).
Jakob, vielleicht 757, 762 erwähnt (S. 51 Anm. 4).
Born, urkundlich erwähnt 11. Juni 788 (B.M. 285) und in einer unda-
tierten Urkunde, die zwischen 777 und 791 ausgestellt ist (1. c.
252); Todestag 22. März (Gest. 24).
Waning. Todestag 27. Dez. (1. c. 25).
Frothar, geweiht 22. März 813 (1. c. 26, Flodoard, Hist. Rem. eccl. 11, 18
S. 466); gest., wenn die 35 jährige Amtsdauer der gesta richtig
ist, 22. oder 81. Mai 845—848 (Necrol. Romar.: 31, Gest.: 22).
Arnulf, erwähnt 869 (Ann. Bert.), Todestag 17. Nov. (Gest. 27).
Arnold, 12. Juni 885 zuerst erwähnt (B.M. 1657), gest. 4. Dez. 893. Dies
Jahr ergiebt sich daraus, dass am 13. Juni 894 das Bistum er-
ledigt ist (B.M. 1849), während Arnold am 2. Febr. 893 noch
lebte (1. c. 1833). Der Todestag nach dem Necrol. Romar.; die
gesta nennen den 5. Dez. (1. c. 28). Ist die Angabe einer 23 jäh-
rigen Amtsdauer richtig, so hat Arnold das Bistum i. J. 870 über-
nommen. Dann ist dieses Jahr Arnulfs Todesjahr. Da ihm eine
25 jährige Aratsdauer zugeschrieben wird, so wird Frothar im Mai
845 gestorben sein.
1-udhelm, geweiht 895 (Regin. chron.), gest. 3. Sept. 906 (Regin. chron.,
Gest., vgl. die Urk. v. 1. Sept. 906 B.M. 1981).
Druogo, geweiht 906, gest. 28. Jan. 922 (Regin. chron., Necrol. Romar.).
4. Verdiin.
Peppo (8. Bd. I S. 394).
Voachisus (s. S. 51 Anm. 5).
Agroin (s. S. 51 Anm. 5).
Madalveus, in Attigni c. 762 (s. S. 51 Anm. 5); nach gest. ep. Vird. 12
S. 44 lebte Madalveus usque ad tempus Karoli. Sind die 12 Jahre
zwischen ihm und Petrus (Gest. 13) richtig, so .starb er im
Sommer 769.
Am albert, nach gest. 13 Chorbischof.
Peter, vielleicht geweiht zwischen April und Okt. 781 (vgl. cod. Carol. 70
— 793 —
>
S. 600 und B.M. 236): Amtsd.iuer nach den gest. 25 Jahre, also
bis 806.
Anstrannus, Amtsdauer 5 Jahre, also bis 811.
Heriland, 811—813 erwähnt (Flod. Hist. Rem. eccl. II, 18\ gest. 11. Juli
823, Necrol. s. Vitoni, N.A. XV S. 130; die Amtsdauer der gest.
(24 Jahre) ist unmöglich.
Hilduin, 829 in Mainz (M.G. Ep. V S. 530), 835 in Diedenhofen (Hinc.
de praed. 36 Migne 125 S. 390), gest. 13. Jan. 846 (Gest. 17 f.)
oder 847 (Necrol. s. Vitoni S. 127).
Hatto, 7. Juni 860 in Koblenz (B.M. 1402 b), 869 erwähnt (Ann. Bert.
S. 101), gest. 1. Jan. 870 (Gest. 18).
Berard, gest. 31. Dez. 879 (Ge.st. 19).
Dado, gest. 923 (Ann. necrol. Fuld., Gest. 20).
D. Erzbistum Salzburg.
1. Salzburg.
Johannes, Todestag 10. Juni (Necrol. Salisb. Böhmer, Font. IV S. 579).
Virgil, gest. 27. Nov. 784 (Ann. Juvav. mai., Auct. Garst. M.G. Scr. IX,
565; Necrol. Salisb.; Ann. s. Emmer. mai. unrichtig: 755).
Arn, geweiht 11. Juni 785 (s. S. 419), gest. 23. Jan. 821; Ann. Juvav. mai.,
necrol. Salisb.; Auct. Garst, irrig 822).
Adalram, geweiht 821 (Gonv. Bagoar. 9 S. 10; Auct. Garst.: 1. Dez.),
gest. 4. Jan. 836 (Conv. Bagoar., Ann. Salisb. auct. M.G. Scr. XIII
S. 237, Necrol. Salisb.; Ann. Juvav. mai.: 8. Jan. 835).
Liutpram, geweiht 836 (Ann. Salisb. auct.), gest. 14. Okt. 859 (Conv.
Bagoar., Auct. Garst., Necrol. Salisb.).
Adalwin, gest. 14. Mai 873 (Necrol. Salisb., Auct. Garst.).
Theotmar, geweiht 13. Sept. 873 (Auct. Garst.), gefallen 907 (Auct.
Garst.); der Kampf fand am 5. Juli statt (Necrol. Frising. Böhmer,
Font. IV S. 587); als Todestag Theotmars giebt Necrol. Salisb. d.
21. Juli; entweder starb er an den am 5. erhaltenen Wunden,
oder der 21. ist der Tag der Deposition.
Piligrim, gest. 24. Sept. 923 (Ann. Salisb.; Necrol. Salisb.: 8. Okt. (vgl.
über den Tag Dümmler, Piligrim S. 145).
2. Freising.
E r i m b e r t.
Joseph, gest. 17. Jan. 764 (s. S. 425 Anm. 7).
Aribo, gest. 4. Mai 784 (s. S. 426 Anm. 6).
Atto, geweiht 784 (Ann. s. Emmer. mai.), gest. 27. Sept. 811 (Necrol.
Frising.). Das Jahr 811 steht fest, da Atto am 24. Mai d. J. noch
lebte °8. die Urkunde Meichelbeck, H. Fr. I, 2 S. 152 Nr. 284).
Hitto, gest. 11. Dez. 835 (Necrol. Frising.). Die letzte während seiner
Amtszeit ausgestellte Urkunde trägt das Datum 13. April 835
(Meichelb. I, 2 S. 295 Nr. 563). Die Urk. Ercharaberts, Nr. 588
S. 303, gehört nach dem Königsjahr Ludwigs d. D. zum 31. Juli 836.
— 794 —
Erchambert, gest. 1. Aug. 854 (Necrol. Frising.). Das Todesjahr ergiebt
sich daraus, dass Anno d. 17. März 855 im Amte ist (Meichelbeck
I, 2 S. 350 Nr. 702).
Anno, gest. 9. Okt. 875 (Necrol. Frising.).
Arnold, gest. 22. Sept. 883 (Necrol. Frising.).
"VValdo, geweiht 884 vor dem 26. Juni (B.M. 1644. Ann. Alam. demnach
irrig: 885); gest. 18. Mai 906 (Ann. Alam., Necrol. Frising., lib.
anniv. s. Galli).
Uto, gefallen 5. Juli 907 (Necrol. Frising. S. 587; Auct., Garst.; necrol.
miss. Frising. S. 586: 6. Juli; necrol. Merseb., Weissenb. irrig:
28. Juni).
Dracholf, gest. 24. Mai 926.
3. Passan.
V i V i 1 0.
Beatus (s. S. 427 Anm. 3).
Sidonius, 754 erwähnt (s. S. 427 Anm. 3).
Ant hei m.
Wi SU rieh, gest. zwischen 770 und Aug. 774 (S. 427 Anm. 3).
Waldrich. gest. 22. Aug. 804 oder 805 (s. S. 427 Anm. 5, der Todestag
im Necrol. Patav. bei Düramler, Piligrim S. 102).
ürolf. gest. 14. Aug. 806 ^Necrol. Patav.).
Hatto, zuerst erwähnt 16. Jan. 807 (Meichelbeck I, 2 S. 154 Nr. 286),
gest. wahrscheinlich 8. Dez. 817, ila ihm 11 Amtsjahre zuge-
schrieben werden (Cat. S. 362).
Reginhar, erste urkundliche Erwähnung 1. Jan. 820 (M.B. XXVIIl, 2
S. 37 Nr. 40j, letzte 16. Febr. 836 (B.M. 1319). Sind die 20 Amts-
jahre der Kataloge richtig, so starb Reginhar 837 oder 838.
Hartwich, letzte Erwähnung 864 (op. Nicol. Mansi XV, 456 Nr. 6). Nach
der Amtsdauer von 26 Jahren starb Hartwich in diesem oder dem
folgenden Jahre.
Er ni anrieh, zuerst erwähnt 867 (Ann. Fuld.), gest. 26. Dez. 874 (Ann.
Alam., Necrol. Aug.). Die Amtsdauer von 9 Jahren führt auf Ende
865 oder Anfang 866 als Zeit der Weihe.
Ell gi Imar, zuerst erwähnt 7. .Jan. 8H7 (B.M. 1690), ge.st. 899 (Ann. Fuld.).
In Bezug auf seine Amtsdaiier ditiorioren die Kataloge (13, 22,
12 J.).
Wiching, 899 von den bair. Bischöfen abgesetzt (Ann. Fuld.).
Richar, geweiht 899 (Ann. Fuld.), gest. 16. Sept. 902 (Necrol. Patav., das
Todesjahr nach der 3 jährigen Amt.sdauer der Kataloge).
Purchard, zuerst erwähnt 12. Aug. 903 (B.M. 1956). Die Kataloge geben
ihm 12 oder 15 Amtxjahre.
4. Rcgensl)»rg.
Gaubai d (.s. Bd. 1 S. 490), Todestag 2.i. Dez. (Necrol. Wcltonb., Böhmer,
Font. IV. nl'2\.
Sigirich.
_ 795 —
Sindpert, geweiht 756 (s. S. 428, 5), gest. 29. Sept. 791 (Ann. Lauresh.,
Maxim, z. d. J., Necrol. Weltcnb.
Adalwin, geweiht 792 (s. S. 428 Anm. 9) vor d. 22. Juli (s. Ried, Cod.
dipl. S. 7 Nr. 9), gest. 4. Okt. 816 oder 817 (Necrol. Weltenb.);
das Todesjahr ist nicht sicher; man weiss nur, dass der 14. Dez
819 in das 3. Jahr Badurichs fällt (Ried S. 17 Nr. 20).
Badurich, geweiht 817 (Ann. Emmer. min., mai.), gest. 12. Jan. 847
(Necrol. Aug.: das Todesjahr nach der 30jährigen Amtsdauer der
Kataloge.
Erchanfrid, geweiht 848 (Ann. s. Emmer. min.), gest. 1. Aug. 864 (Ne-
crol. Weltenb., das Jahr ergiebt sich aus der Verfügung Nikolaus I.
V. 864, Mansi XV S. 456 Nr. 5, vgl. mit der Urk. Ambrichs aus
demselben Jahr, Ried S. 49 Nr. 47).
Ambricho, die Ann. s. Emmer. min. notieren seine Weihe z. J. 858; da
Erchanfrid längere Zeit vor seinem Tode krank war, so ist es
nicht unwahrscheinlich, dass Ambrich damals zum Chorbischof
geweiht wurde; gest. 14. Juli 891 (Ann. Fuld., Necrol. Wel-
tenb.).
Aspert, geweiht 890 (Ann. Emmer. min.), wahrscheinlich ebenfalls zum
Chorbischof; Ambrich starb -gravis aetate" (Ann. Fuld.), gest.
12. März 894 (Necrol. Weltenb.). Das Tod£sjahr nach der Ordi-
nation ütos und der 4jährigen Amtsdauer der Kataloge.
Tuto, geweiht 894 (Ann. Emmer. min.); gest. 10. Okt. 930 (Necrol. Wel-
tenb., Salisb.). Das Todesjahr nach der 35 jährigen Amtsdauer.
Tutos Nachfolger wurde 933 geweiht (Ann. s. Emmer. min.).
5. Seben.
Alim, erwähnt vor 800 (s. S. 428 Anm. 10).
Heinrich, 806, 15. Dez. urkundlich nachweislich (Meichelbeck, Hist. Fris
I. 2 S. 94 Nr. 122), 807 in Salzburg (s. S. 452 Anm. 6), vor 810
in Regen.sburg und Freising (s. S. 453 Anm. 1).
Aribo (Erbeo), 17. Jan. u. 4. Juli 828 urkundlich erwähnt (Meichelbeck I, 2
S. 280 Nr. 532); 829 in Mainz (M.G. Ep. V S. 530).
Wilfund, ? 835 in Diedenhofen (Wilfinus ep., Mansi XIV S. 660).
Lantfrid, urkundlich erwähnt 4. Sept. 845 (B.M. 1346), 868 in Worms
(s. S. 710 Anm. 5).
Zerito.
Zacharias, urkundlich erwähnt 31. Mai 893 (B.M. 1836) erhält den
13. Sept. 901 von Ludwig IV. den Hof Brixen (1. c. 1945), gefallen
5. Juli 907 (Auct. Garst., über den Tag s. bei Theotmar v. Salz-
burg).
Meginbert, 15. Okt. 908 in St. Gallen (Hist. de fratr. conscr. 6, St. Gall.
Mitth. XI S. 15), letzte urkundliche Erwähnung 6. Juli 916
(B.M. 2041).
TfMi
K. Erzbistum H a m b u r g - B r e m e n.
Anskar, Herbst 831 ordiniert, 845 Biscliof von Bremen, gest. 8. Febr. 865
(b. S. 677—684).
Rimbert, gest. 11. Juni 888 (s. S. 687 Anm. 2),
A dal gar, gest. 9. Mai 909.
Heger, ge?t. 20. Dez. 915.
IL Klösterverzeichnis.
A. Erzbistum Mainz.
1. Maiuz.
? Mainz, St. Martin, Domstii't. Die Kirche ist sehr alter Orün-
dung. Güter derselben werden schon in den ältesten fuldischen
Urkunden erwähnt, Dronke, Cod. dipl. S. 5 Nr. 6, S. 17 Nr. 27.
Wann das Kanonikat entstand, ist unbekannt.
? Mainz, Monasterium quod dicitur antiquuiu (Dronke, cod. dipl.
Nr. 337 S. 163) ^ Altum monasterium, Altenmünster (vgl. v. Sever. 7
M.G.Scr. XV S. 291, Transl. Sever. 5 S. 292 u. oben S. 747, 5). Nonnen.
7. Jhrh. Disibodenberg, I S. 292.
722 Amöneburg. St. Michael, I S. 447.
c. 730 Ohr druff, I S. 461.
c. 732 Fritzlar, St. Peter, I S. 477.
741 Erfurt. Domstitt St. Maria, Kanoniker, I S. 497. Nach Auf-
lösung des Bistums wird die Kirche als Kollegiatkirche fort-
bestanden haben. Doch lässt sich ein Bewei.'i für diese Annahme
nicht führen. Urkundlich nachzuweisen i.st das Marienstift erst
i. .1. 1119, Dobenecker, lieg. Thur. I S. 238 Nr. 1183.
744 Fulda, St. Salvatqr, später St. Bonifatius, I S. 564.
V Mainz, St. Nicomed, Nonnen, 18. Dez. 765 erwähnt (Dronke,
Nr. 27 S. 17).
? Mainz, St. Victor, Kanoniker (Cod. Lanresh. Nr. 1977).
? Mainz, St. Maria (Cod. Laurcsli. 1. c, vgl. Dronke, Nr. 27 S. 18).
764 Lorsch, Lauresham, St. Nazarius, II S. 56.
c. 768 Hersfeld (Heroivesfeld), St. Simon u. Taddäus., 11 S. .58.
vor 772 Schornsheim, Nonnen, II S. 567; kommt 782 an Hersfeld,
B.M. 246.
755—786 Blei den Stadt, St. Ferrutius, II S. 567.
vor 786 Neuenhof, St. Maria, Nonnen, II S. 568.
794? Mainz, St. Alban, II S. .567.
803—817 Bisch ofsberg bei Fulda, St. Maria, Kanoniker, II S. ,570.
Dach 828 Seligen s tadt, St. .Marcellin u. Peter, II S. 180.
▼er 836? Erfurt, St. Severus, Kanoniker. Eb ist nicht unwahrscheinlich,
— 797 —
dass das Severistift als KoUegiatkirche St. Paul im beginnenden
9. Jahrh. bestand, Transl. Sever. 3 f. M.G. Scr. XV S. 292 f. Mög-
lich ist jedoch auch, dass erst die Translation zur Begründung
der Kanonikergenossenschaft führte. Man bezeichnete es als
altum monasterium, Zusatz zu Ekk. ehr. z. 1079 M.G. Scr. VI
S. 203.
822 — 842 Johannisberg südlich von Fulda, fuldische Propstei, gestiftet
von Hraban, Dronke, Trad. Fuld. S. 60, 24.
852 Frankfurt a. M., St. Salvator, die königliche Kapelle. 12 Kano-
niker. Gründer Ludwig d. D., Urk. Ludwigs III. v. 880 (ÜB. der
Reichsstadt Frankfurt I S. 3 f.). Das Jahr 852 von Dümmler, OFr.
R. I S. 359 aus einer fuldischen Notiz bei Brower, Ant. Fuld. 152
erschlossen.
vor 876 Ursel, monasterium ad Ursella, oberhalb Frankfurt a. M. Von
Ludwig d. D. an das Salvatorstift geschenkt, s. B.M. L528.
vor 909 Salmünster, Salchinmunstere, St. Peter u. Johann, Kanoniker.
1. J. 909 kam durch Tausch der bis dahin im Besitz von Mainz
befindliche Ort Salmünster in der Wetterau in den Besitz von
Fulda, Nass. ÜB. I S. 37 Nr. 82. Nach dem Namen ist anzunehmen,
dass vorher dort ein Stift bestand, das aber eingegangen war.
Die fuldische Notiz, dass Abt Huggi 891 — 915 die Kirche neu
baute, Trad. Fuld. S. 56 Nr. 15, ist also wahrscheinlich richtig,
unrichtig ist das Jahr 860 und die Nennung Liutberts 863—889
als Konsekrator des Neubaus. Er ist wahrscheinlich von Hatto
891 — 913 geweiht. Mit dem Neubau der Kirche wird die Erneue-
rung des Stifts zusammenhängen.
2. Augsburg.
? Augsburg, Domslift, St. Maria. Entstehung des Kanonikats
unbekannt. Erste Erwähnungen, so viel ich weiss, im Reichen.
Verbrüderungsbuch (s. o. S. 594, 1) u. V. Udalr. I. S. 388.
0. 739 Benediktbeuren, Buranum, I S. 493.
nach 739 Wessobrunn, Wessofontium, Wizzenbrunno, St. Peter, I S. 493, 2 ;
cf. Not. Wessof. Scr. XV S. 1024.
nach 739 Staffelsee, Staphinseie, St. Michael, I S. 493, 2.
nach 739 Kochelsee, St. Michael, Nonnen, I S. 493, 2.
nach 739 Sand au, I S. 493, 2.
nach 739 Sieverstadt, I S. 493, 2.
nach 739 Fölling, St. Salvator, Nonnen, I S. 493, 2.
? Füssen, m. Faucense, St. Magnus, I S. 328.
c. 764 Ellwangen, Elehenwang, St. Salvator, Sulpicius und Servilian,
II S. 568.
c. 764 Feuchtwangen, Fiuhtinwang, St. Martin, II S. 568.
748—788 Thierhaupten, St. Peter, II S. 437.
vor 774 Herbrechtingen, Aribertinga, St. Veranus, II S. 568.
768—814 Stettwang, St. Maria, II S. 568.
— 798 —
768—814 Aldrichszell, II S. 568.
768—814 Hirsch Zell, II S. 568.
vor 826 Ottenbeuren, Uotinbura, St. Peter u. Alexander, II S. 568.
3. Chur.
? Chur, St. Maria, Domstift. Bischof Victor setzt in seiner Ein-
gabe an Ludwifj den früheren Bestand eines Kanonikates am Dom
voraus, MG. Ep. V S. 309 Nr. 7.
? 7. Jahrh. D i s e n t i s , Desertina, St. Martin ; erste Erwähnung 766 im Testa-
mente Teiles (Mohr, Cod. dipl. Nr. 9 S. 10).
c. 700 Katzis, Chazes, Gaczes, St. Peter, Nonnen, Stifter Bischof
Victor I. (Inschrift, Mohr Nr. 5 S. 8).
c. 731 Pfäfers, Fabaria, St. Maria. I S. 337.
vor 823 Schännis, Skenninis, St. Sebastian, Nonnen. Als Gründer gilt
der Graf Hunfrid von Chur, der Ann. Einh. z. ^2Z S. 161 erwähnt
ist, s. Transl. sang. Dom. 14 M.G. Scr. IV S. 448; vgl. Confr.
Sangall. 23, 2 S. 15. Das Kloster stand in Konfraternität mit
St. Gallen, 107 S. 43. Sein Bestand i. J. 823 ist durch die Er-
wähnung von zwei Nonnenklöstern im Briefe Victors an Ludwig
gesichert, M.G. Ep. V S. 309 Nr. 7.
vor 823 Tufers, Mon. Tubrense, jetzt Münsterthal. Der Bestand i. J.
823 ist ebenfalls durch Victors II. Eingabe an Ludwig d. Fr. ge-
sichert.
4. ElchstMt.
c. 740 Eichstädt, Domstift, St. Salvator, später St. Willil.ald, 1 S. 518 f.
751 Heidenheim, Doppelkloster, später St. Wunnibald, I S. 488
und 520.
c. 750 Solnhofen, I S. 523.
vor 797 Herrieden, Hasereod, St. Salvator, Maria u. Vitus. Die ange-
gebene Zahl ergiebt sich aus der Urkunde bei Dronke, Cod. dipl.
Nr. 145 S. 81; s. I S. 523; H S. 572.
8. Jahrh. Spalt, St. Salvator, s. H S. 572.
vor 823 Gunzen hausen, s. I S. 522, 7; II S. 572.
vor 850 Monhoim, Mowenhcini, St. Salvator, Nonnen, I S. 523, 4.
847 — 880 Piichstäd t , St Walburg, Nonnen. F'ntstanden unter Bischof
Otgar, Mir. Walb. 1, 5 S. 551.
vor 895 Auhaueen a. d. Altinühl. Itii J. 895 von Arnulf an Eichstädt
übergeben, M.B. XXVIII, 2 S. 108 Nr. 78. Das Kloster scheint
infolge dessen e)ngoganj.'Pn zu sein. Denn in einer Urkunde
Konrads I. v. 012, M.G. Dipl. I 8. 4 Nr. 3, wird ,\iihausen nicht
mehr al.s Kloster bezeichnet.
.5. Ilalbt-rstadt.
vor 814 Dom Stift, St. Stephan, a. o. S. 410, vgl. confr. Augiens. 223 f.
S 221.
0. 840 Windhausen, Winitohus, St. Pusinna, Nonnen, II S. 601.
— 799 —
vor 877 Homburg, Nonnen, II S. 602.
vor 877 Drübeck. St. Maria, Veit, Johann d. Tfr. u. Crispin, Nonnen,
II S. 601 f.
853—876 Ridigippi[?], Nonnen, II S. 602.
9. Jahrb. Helmstedt, St. Liudger, II S. 412.
6. Hildesheim.
kurz nach 814 Hildesheim, Domstift, St. Maria, II S. 675 f.
c. 845 Lamm springe, St. Maria u. Hadrian, Nonnen, II S. 601.
852 Brunshausen, Brunesteshusen, St. Innocenz u. Anast., Nonnen,
II S. 601; i. J. 856 nach Gandersheim verlegt (S. 602).
7. Konstanz.
? Konstanz. Domstift, St. Maria.
614 St. Gallen, I S. 327.
? Trudpertszelle, I S. 329.
? Säckingen, St. Hilarius, I S. 328 f.
? Man nz eil, Madunzell, II S. 568.
? Hupoldeszell, II S. 569.
724 Reichenau, Augia, Sintleozesavia, St. Maria u. Peter, I S. 336.
vor 741 Lützelau, Luzilunouva, St. Maria, Peter, Martin u. Leodegar,
Nonnen, I S. 345.
vor 741 Benken. Babinchova, I S. 345.
c. 750 Kempten, Campidona, St. Maria und Gordian, I S. 328.
vor 752 Luzern, Luciaria, St. Moritz u. Leodegar, von König Pippin an
Murbacb geschenkt (B.M. 1035), I S. 345.
vor 769 Lauterbach, Leodrabach, St. Salvator, Nonnen, II S. 569.
vor 776 Marchthal, eccl. Martellensis, St. Peter, II S. 569.
vor 784 Esslingen, St. Vitalis, II S. 569.
vor 784 Adalungszell, St. Georg (im Hegau), II S. 569.
c. 800 Schienen, Skina, St. Genesius, II S. 569.
vor 805 Perahtoltescella, II S. 569.
816 Trudpertszell erneuert, I S. 329, vgL Dümge, Reg. Bad. S. 5.
vor 827 Ratpotszell, H S. 568.
vor 739 Lindau, St. Maria, Nonnen, B.M. 961, unechte, aber auf echter
Grundlage beruhende Immunitätsverleihung Ludwigs d. Fr. Vgl.
die Erwähnung Transl. Sang. Dom. 15 M.G. Scr. IV S. 449.
vor 844 Rheinau, Rinaugia, Rinowa, St. Maria u. Peter. Der Stifter des
Klosters, Wolvene, stellt es 858 unter den Schutz des Königs,
B.M. 1389 c. Die Gründung muss vor 844 fallen ; denn die älteste
Rheinauer Urkunde stammt aus diesem Jahr, ÜB. von Zürich I
S. 16 Nr. 57.
vor 850 Buchau, Puahawa. am Federsee, St. Cornelius u. Cyprian, Nonnen.
Die Urk. Ludwigs d. Fr. v. 22. Juli 819, B.M. 674, ist unecht, echt
dagegen die Ludwigs d. D. v. 28. April 857, B.M. 1383. Damals
war Ludwigs Tochter Irmingart Äbtissin.
853 Zürich, St. Felix u. Regula, Frauenmünster. B.M. 1366, Sehen-
— 800 —
kung Ludwigs d. D. v. 21. Juli 853, der als der Besitzer, man
darf annehmen, als der Gründer, erscheint. Äbtissin war seine
Tochter Hildegard.
861 Wiesensteig, Uuisontessteiga, St. Cyriak. Gründungsurk. der
Stifter Kuodolf u. Erich, Wirt. ÜB. I S. 159 Nr. 136.
vor 874 Radolfszell, St. Peter. Gründer Bischof Ratold, Ratolf von
Verona, Herim. Aug. z. 874 M.G. Scr. V S. 107, vgl. Mirac. s.
Marci 2 M.G. Scr. IV S. 450. Über Ratold vgl. Dümmler, OFr.
R. I S. 96 Anm. 2.
vor 875 Faurndau, Furentouna, St. Maria u. Alexander. Ursprung un-
bekannt. Erste Erwähnung bei der Übergabe des Klösterleins an
den Diakon Liutbrand durch Ludwig d. D., B.M. 1469 v. 11. Aug. 875.
vor 881 Zurzach, St. Verena. Ursprung unbekannt. Erste Erwähnung
bei der Übergabe der Abtei an die Kaiserin Richardis durch
Karl d. D., B.M. 1581 v. 14. Okt. 881.
um 876 Zürich, Grossmünster, St. Felix u. Regula, Kanoniker. Die Grün-
dung ist nicht überliefert. Ich halte für wahrscheinlich, dass das
Stift ursprünglich mit der Abtei, dem Frauenmünster, verbunden
war. Die Kanoniker waren die Geistlichen, die in dem letzteren
den Gottesdienst versahen. Indem sie sich als selbstständige
Kongregation konstituierten, entstand das Chorherrenstift. Das
geschah um die angegebene Zeit: 876 ist Propst Weringoz ge-
nannt, ÜB. v. Zürich I S. 52 Nr. 130. Die Kirche ist wahrschein-
lich durch Theodulf von Chur 887 — 914 geweiht; denn ihn, nicht
Theodulf von Orleans, wird man in dem Theodulf des Besitzver-
zeichnisses, ÜB. V. Zürich I S. 8 Nr. 37, zu finden haben.
vor 882 St. Victorsberg in Vorarlberg, Schottenkloster. Ursprung un-
bekannt. Zuerst erwähnt bei der Übergabe an St. Gallen durch
Karl III., B.M. 1597.
vor 903 Jonschwil, Johanniswilare, St. Martin. Ursprung unbekannt.
Der Ort ist 796 zum ensten Mal genannt, Schw. UR. I S. 33
Nr. 174, die St. Martinskirche daselbst 817, a. a. 0. S. 52 Nr. 273,
endlich Abt Emezo i. J. 903, a. a. 0. S. 194 Nr. 916.
S. ruderboru.
vor 814 Paderborn, Domstift, St. Maria u. Kiiian, II S. 408 f.
815 Corvey, Corbeia nova, 1. Niederlassung in Hetha, 822 nach Höxter
verlegt, St. Stephan u. Veit, II S. 600.
c. 822 Herford, Herivurth, St, Maria u. Pusinna, Nonnen, II S. 601.
815—860 Bödekken, St. Maria u. .loh., Nonnen, II S. 602.
868 Neuenheerae, Herisi, St. Maria, Saturnina, Mart., Nonnen, IIS. 602.
Jl. Speier.
? Spei er, St. Maria, Domstift. Die Kanoniker meines Wissens zuerst
im Roichen. Verbr.-Buch (.s. S. 594, 1), dann i. J. 865 erwähnt,
B.M. 1417.
7. Jahrh. Weissenburg, Uuizenburgo, St. Peter u. Paul, I S. 292.
— 801 —
vor 762 Altripp, cella Altrepio, St. Medard, I S. 292 Anm. 7.
vor 814 Klingenmünster, Clinga, Blidenvelt, St. Michael u. Theodul,
n S. 567.
? Hirsch au, St. Aurelius. Die Urkunde v. 9. Okt. 1075, durch
welche Heinrich IV. die Wiederherstellung des Klosters bestätigt,
Wirt. ÜB. I S. 276 Nr. 233, lässt das Kloster unter Ludwig d. Fr.
von dem Grafen Erlefrid und seinem Sohne Noting, Bischof von
Vercelli, den Vorfahren der Grafen von Calw, gegründet, dann
aber wieder eingegangen sein. Das wird von den berichtenden
Quellen des weiteren ausgeführt. Die Angabe ist gegenwärtig
fast allgemein aufgegeben, s. z. B. Helmsdörfer, Forsch, z. Gesch.
d. A. Wilhelm 1874 S. 106 flF. Der Hauptanstoss besteht darin,
dass ein Bischof Noting von Vercelli sonst gänzlich unbekannt
ist. Man wird denn auch die Einzelangaben auf sich beruhen
lassen müssen; die Angabe dagegen, dass in Hirschau vor 1075
ein von einem Vorfahren des Grafen Adalbert gestiftetes Kloster
bestand, das die Grafen später wieder auflösten, wird gleichwohl
festgehalten werden müssen. Denn es lässt sich nicht absehen,
wozu diese Nachricht erfunden sein soll. Bossert, Würt. KG.
S. 69, sieht in dem Bischof Noting den gleichnamigen Bischof
von Konstanz. Aber eine Klostergründung zwischen den Jahren
919 u. 934 ist viel unwahrscheinlicher als eine solche unter
Ludwig d. Fr.
10. Strassburg.
? Strassburg, St. Maria, Domstift. Nachrichten über den Anfang
des kanon. Lebens fehlen.
7. Jahrh. Maurmünster, mon. Leobardi, I S. 293.
7. — S.Jhrh. Ebersheimmünster, Novientum, St. Moritz, I S. 293.
7.— S.Jhrh. Claroangus, Doroangus, I S. 293.
c. 720 Honau, Hoinowa, St. Michael, I S. 294.
c. 730 Ettenheimmünster, Monachorum cella, St. Maria, Johannes u.
Peter, I S. 294.
vor 749 Surburg, Suraburc, St. Arbogast, I S. 293.
8. Jahrh. Hohenburg, St. Maria u. Peter, Nonnen, I S. 293.
716—741 Neuweiler, Novum willare, St. Peter u. Paul, I S. 338.
vor 753 Schuttern, OfFonszelle, Ofi'unweiler, St. Maria, Peter u. Paul,
I S. 338.
vor 753 Schwarzach, Arnulfsau, Svarzhaha, St. Peter, I S. 338.
vor 753 Gengenbach, St. Maria u. Martin, I S. 338.
vor 768 St. Hippolyt, Audoldivilare, St. Pilt, H S. 570, 2.
vor 774 Fulradsweiler, Fulradovilare, Leberau, II S. 570.
c. 780 Eschau, mon. Ascoviense, St. Maria u. Sophie, II S. 569.
S.Jhrh.? Haslach, Hasala, Avellanum, St. Trinit., Maria u. Florentius,
I S. 339.
8. Jahrh. Strassburg, St. Stephan, Nonnen, II S. 569.
C.810— 820 Strassburg, St. Thomas, Kanoniker, I S. 293.
H au ck, Kirchengeschichte. U. 2. Aufl. 51
— 802 —
849 Erstein, Erinstein, St. Maria u. Cäcilia, Nonnen, von Irmgard,
(^er Gemahlin Lothars L, gegründet, B.M. 1104.
887 An dl au. Andeloha, St. Peter, Nonnen, gegründet von der Kaiserin
Richardis, der Gomahlin Karls d. D., Regin. chron. z. 887 S. 127,
Herim. Aug. z. 887 S. 109. Das Kloster stand, wenn die späte
Angabe J.W. 4195 richtig ist, im Eigentum der röm. Kirche; aber
nicht seit Johann VIII. (Puckert S. 39); denn es ist erst nach
dessen Tod gegründet.
tl, Verden.
785 — 788 Verden, Domstift, St. Maria u. Andreas.
845 Ramesloh, Rhamaslahun, Kanoniker, II S. 680.
12. ^Vorms.
? Worms, St. Peter, Domstift.
9. Jahrb. Neuhausen, St. Cj-riak, II S. 567.
865 — 877 Heiligenberg. Abrinsberg, Mons Abrahae, St. Michael. Stifter
Abt Theotlerich von Lorsch, Cod. Lauresh. I S. 67, Necrol. Lauresh.
S. 150, Urk. V. 882 u. 912, B.M. 1533 u. 2021.
13. WürzF)urg.
716 Hammelburg. Hamala, 1 S. 872. Es ist jedoch fraglich, ob die
beabsichtigte Gründung eines Klosters ausgeführt wurde. Geschah
es, so muss sich d.is Kloster bald wieder aufgelöst haben. Denn
die Kirche in Hammelliurg kam schon durch Karlmann an Würz-
burg, s. o. S. 4 Anm. 3, der übrige königliche Besitz im Ort 776
durch Karl an Fulda, MüUenhoff u. Scherer 1 S. 223 Nr. 63,
B.M. 201.
c. 732 Tauberbischofsheim, Nonnen, I S. 478.
c. 732 Kitzingen, St. Maria, Nonnen, 1 S. 478.
c. 732 Ochsenfurt, Nonnen, I S. 478.
nach 741 Würzburg, St. Salv. u. Kilian, Domstift; vgl. die Urkunde Karle
V. 7. Aug. 807 B.M. 421. E^'ihv. v. Burch. II, 7 S. 56.
c. 750? Würzburg, St. Andreas, später St. Burchard, Egilw. 1. c. II, 8
S. 67.
vor 747 Karlburg, St. Maria, Nonnen, s. II S. 4, vgl. Dronke, cod. dipl.
24 S. 15.
8. Jahrh. Amorbach, St. Maria. Die Gründung liegt im Dunkeln; der
erste nachwei.sliche Abt. Patto, starb 788 (s. II S. 378 Anm. 1 u.
390). Nach fuldiscber Tradition iflt Amorbach von Fulda aus ge-
gründet, H. Dronke, Tnid. Fuld. S. 139 Nr. 61. Qb die Angabe
im Rechte ist, läsHt sich nicht entscheiden.
8. Jahrh. Maggenzelle, II S. 49 Anm. 3.
vor 775 Holzkirchen, St. Maria, II S. 571.
786 Ansbach, St. Maria, später St. Gumbert, II S. 571.
vor 787 Baumerlenbach, Ariiinbach, St. Salvator, Nonnen, il S. 571.
vor 788 Einfirst, Mattenzelle, U S. 50 u. 571.
— 803 —
vor 800 Milz, Milize, Nonnen, II S. 570.
c. 803 Baugolfsmünster, II S. 571. Im angegebenen Jahre trat Abt
Baugolf zurück,
vor 813 Fischbach, Fisgibah, H S. 570.
768—814 Neustadt am Main, St. Maria, II S. 571.
768—814 Schwarzach, Nonnen, II S. 571.
768 — 814 Wangheim, monasteriolum in Uuangheimero marca. Nonnen,
II S. 50 u. 570.
781—814 Rasdorf, Ratestorph, II S. 570.
781—815 Hünfeld, cella Huniofeld, II S. 570.
816 Megingaudeshausen, St. Salvator, II S. 49 Anm. 3.
vor 824 Brachau, Kl. Brach bei Kissingen. Gründung unbekannt. Im
J. 824 als monasteriolum erwähnt, Dronke, Cod. Dipl. Nr. 410
S. 185. Wie es scheint, bald eingegangen.
vor 824 Rohr, Rora, bei Meiningen, St. Michael. Gründung unbekannt.
Als monasterium i. J. 824 erwähnt, Dronke Cod. Dipl. Nr. 458
S. 200. Von Fulda abhängig, ib. S. 205 Nr. 466.
vor 824 Saal, Sala, am Einfluss der Milz in die fränkische Saale. In
einer Urkunde v. 18. Juni 824 erwähnt, Dronke Cod. Dipl. S. 198
Nr. 447.
vor 827 Mosbach, Machesbach, St. Julian, Nonnen, Von Einhard Transl.
Marceil. I. 13 S. 244 zuerst genannt. Die Abtei lag an der Elz
unweit von deren Mündung in den Neckar. Durch Otto IL kam
sie an Worms, 976 Dipl. II S. 160 Nr. 143.
836 Petersberg, Hugesberg, nordöstlich von Fulda, fuldische Propstei.
Stifter Hraban, nachdem schon Sturm u. Baugulf an der Kirche
gebaut hatten, Dronke Trad. Fuld. c. 25 S. 60. Einweihung am
28. September 836, Rud. Mirac. sanct. Fuld. 14 M.G. Scr. XV
S. 339.
vor 838 Zellingen, Cellinga, Nonnen. Am Main zwischen Würzburg u.
Karlstadt. Von Rudolf erwähnt Mirac. sanct. Fuld. HS. 337.
um 840 Karsbach, Charoltesbach, Nonnen. V. Liutb. 2 M.G. Scr. IV
S. 159, vgl. oben S. 601. Das Kloster scheint bald wieder ein-
gegangen zu sein. Karsbach liegt östlich von der Mündung der
Saale in den Main. Die Identifizierung ist übrigens nicht
sicher.
vor 869 Murrhardt, Murraharht, St. Januarius. Die ältesten Urkunden,
in denen M. erwähnt wird, sind Fälschungen ohne echte Vorlagen,
B.M. 288 u. 643. Als bestehend wird das Kloster genannt, in
einer Urkunde, wahrscheinlich v. 869, Wirt. ÜB. I S. 173 Nr. 147
(Die Datierung 873 ist falsch).
9. Jhrh. ? Schlüchtern, Sluohderin, St. Maria. Der Ursprung liegt im
Dunkeln. Die älteste Urkunde, die in Betracht kommt, ist das
Diplom Ottos III. V. 12. Dez. 993, M.G. Dipl. E S. 550 Nr. 140.
Es ist auf Grund der Fälschung B.M. 288 ausgestellt. Nach ful-
discher Überlieferung ist Schi, von Fulda aus gestiftet, s. Dronke
Trad. Fuld. S. 140.
51*
— 804 —
B. Erz bis tu m Köln.
1. Köln.
6. .rhrh. ? Köln, St. Gereon ad aureos martyres, Kanoniker. Bd. I S. 294,
6. Jhrh? Köln, St. Severin, ältererer Name St. Cornelius und Cyprian,
Kanoniker, s. Bd. I S. 294.
7. .lahrh. Köln, St. Kunibert, ursprüüglich St. Clemens, Kanoniker, s. Bd. I
S. 294.
7. Jahrh. Köln, St. Ursula, die heiligen Jungfrauen, Nonnen, s. Bd. I
S. 294.
648 Malmedy, Malmundariura, St. Peter, Paul u. Martin, I S. 280.
c. 700 Kaiserswerth, Werde, Weride, coen. s. Suitberti, St. Peter, II
S. 368 Kanoniker.
? Köln, St. Peter, Domstift. Über den Anfang des kanon. Lebens
fehlen die Nachrichten.
8. Jahrh. Köln, St. Martin, chron. s. Martini M.G. Scr. II S. 214 f.
8. Jahrh. Köln, St. Cäcilia, Nonnen. Das Kloster wurde 941 von Erz-
bischof Wichfrid nimis honorifice erneuert (Lacomblet Nr. 93, I
S. 51 f.). Sein Ursprung mag demnach in das 8. Jahrh. fallen.
Worauf die Angabe V)eruht, St. Cäcilia sei von Hildobold gestiftet
(Studien aus d. Benedikt. Orden IV, I S. 377), weiss ich nicht.
Mansi XVll S. 280 ist natürlifh kein Beleg.
? Köln, St. Maria auf dem Kapitol, Nonnen. Der Ui-sprung liegt
ganz im Dunkeln: denn die Angaben, welche Plektrud zur Stif-
terin machen (Rettberg, KG. D.'s I S. 544; Ennen, Gesch. d. Stadt
Köln l S. 146), sind nur Legenden; zuerst erwähnt ist das Stift
unter Brun v. Köln 953 — 965 (v. Brun. 34; vgl. auch Ennen und
Eckertz, Quellen 1 S. 467). Die ältesten Bauteile der jetzigen
Kirche stammen aus dem 11. Jahrhundert; sie ist wahrscheinlich
auf alten römischon Fundamenten errichtet (Dehio-Bezold S. 51).
8. Jahrh. Xanten, St. Victor, Kanoniker. Älteste Nachricht die Verwüstung
durch die Normannen i. J. 863 (Ann. Xant. z. J. 864 S. 230 f.).
vor 787 Bonn, St. Cassius und Florentius, Kanoniker, II S. 566 Anm. 6.
vor 800 Godesberg, Guodanesraons, II S. 566 Anm. 6.
799—801 Worden, St. Salvator, Maria und Petrus, II S. 407.
c. 815 Kornelimünster, luden, St. Salvator, 11 S. 581.
vor 844 Münster eifel, Monast. Eiflie, Novum monast., St. Chrysantus
und Daria, vor 844 von Prüm aus gegründet. In diesem Jahr
brachte Markward von Prüm die Reliquien der h. Chrys. u. Dar.
dorthin, Transl. Chrys. M.G. Scr. XV S. 374.
858 — 863 Essen, Asenidi, St. Cosma.s u. Damian, Nonnen. Gründer Altfrid
von Hildeeheim, Chron. Hild. 4 M.G. Scr. VII S. 851, vgl. Diekamp,
Münsterische GQ. IV S. 127. Die Stiftungsurk., Lacomblet, ÜB. 1
S. 34 Nr. 69, ist unecht.
9. Jahrh. Gerresheim, Gerichesheim, Si. Hippolyt, Nonnen. Die Stiftungs-
urkunde, Lacomblet, ÜB. 1 S. 34 Nr. 68, ist gefälscht, die Existenz
_ 805 —
des Klosters gegen Ende des 9. Jahrh.'s aber durch Nr. 73 u. 84
S. 38 u. 46 gesichert. Die Gründung durch Gerric erwähnt Her-
mann I. V. Köln in der Urk., durch welche er die Vereinigung
von Gerresheim u. St. Ursula in Köln ausspricht, 11. Aug. 922,
Ann. d. hist. Ver. f. d. Niederrhein, 26. u. 27. Heft S. 334.
vor 900 Meschede, Mescedi, an d. Ruhr, St. Maria u. Walburg, Nonnen.
Gründung unbekannt. Erste Urkunde die Immunitätsbestätigung
Konrads I. Dipl. I S. 15 Nr. 16 v. 913. Da Vorurkunden prae-
cedentium regum erwähnt werden, so fällt die Gründung sicher
in das 9. Jahrh.
2. LUtticli.
6. Jahrh. Mastricht, St. Servatius, Kanoniker. Nach Verlegung des
bischöflichen Sitzes nach Lüttich bestand das Kapitel als KoUe-
giatstift fort. Erwähnt unter Karl Martell, s. Bd. I S. 392.
? Lüttich, St. Maria u. Lambert, Domstift.
c. 648 Stablo, Stabulaus, St. Peter, Paul u. Martin, I S. 280.
c. 650 St. Trond, mon. s. Trudonis, I S. 295.
7. Jahrh. Ruetten, Hreotio, 1 S. 295.
7. Jahrh. Litte mala, St. Peter u. St. Martin, I S. 295.
7. Jahrh. Nivelles, Nivialla, St. Peter u. Gertrud, Doppelkloster, I S. 295.
7. Jahrh. Andenne, Andane, Nonnen, I S. 295.
7. Jahrh. Fosse, St. Foillan, I S. 295, im 9. Jahrh. Nonnen.
7. Jahrh. Andagium, s. St. Hubert.
vor 711 Süstern, Suestre, St. Salvator, Peter u. Paul, Nonnen, I S. 295.
687 — 714 Chevremont, Capremons, Sta. Maria in novo Castello, I S. 295.
vor 739? Alden-Eyck, Eika, St. Maria, Reinihi u. Herlind, Nonnen, an-
geblich von "Willibrord geweiht.
vor 762 Rewin, Cella Riuiunio, I S. 295.
8. Jahrh. ßergh, mons St. Petri, II S. 128, 9; 566, 6.
vor 814 Aachen, kgl. Kapelle St. Maria, vgl. ehr. Moiss z. 796 S. 303.
825 St. Hubert, Andagium. Die Erneuerung des Klosters steht in
Zusammenhang mit der Erhebung der Hubertsreliquien, Transl.
Hub. 2 M.G. Scr. XV S. 235.
vor 870 Kessel, Castellum, in der Reichsteilung von 870 genannt, M.G.
Cap. 251 S. 193.
vor 870 Lüttich, St. Laurentius, ebenso.
S. Minden.
um 790 Minden, Domstift, St. Peter, H S. 390 f.
vor 814 Hameln, Hamala, St. Bonifaz, Kanoniker, II S. 412.
871 Wunstorf, Vuonherestorp, St. Peter, Nonnen, II S. 602.
896 MöUenbeck, Mulinpeche, St. Peter, Nonnen, II S. 602.
4. Münster,
805—809 Münster, Mimigernaford, Domstift, St. Paul, II S. 406 f.
805—809 Nottuln, St. Martin, Nonnen, II S. 407.
— 806 —
vor 857 Freckenhorst. Frikkenhurst. St. Peter und Bonifaz, Nonnen,
II S. 602.
889 Metelen, Matellia. St. Corneliu.s u. Cyprian, Nonnen, II S. 602.
? Liesborn, Kanoniker, St. Maria, Cosm. u. Dam., der Legende
nach in Karls d. Gr. Zeit gegründet (Erhard, Reg. Westf. 290
S. 92). Die Angabe ist wenig wahrscheinlich. Die erste Erwäh-
nung Liesborns fällt in d. J. 1019 (V. Moinw. 165 S. 141); vgl.
indes Wilmans Addit. S. 2 'Nr. 2.
839? Vreden, Fredena, St. Felicissimus, Agapet und Felicitas. Die
Kirche bestand i. J. 839 (s. S. 750, 7); die Gründung der Abtei mag
mit der Übertragung der Felicissimusreliquien zusammenhängen.
5. Osnabrück.
vor 814 Visbeck, II S. 409.
vor 814 Meppen, II S. 409.
819—834 Osnabrück, St. Crispin, Domstift, s. IT S. 675, 6.
851 — 855 Wildeshausen, Wihaldeshusin , 8t. Alexander. Kanoniker,
II S. 601.
860 Herzeh rock, St. Maria, Christina u. Martin, Nonnen, II S. 602.
6. Utrecht.
c. 700 Utrecht, St. Salvator, s. Bd. I S. 423.
c. 700 Utrecht, St. Martin, Domstift, Kanoniker, s. Bd. I S. 423.
c. 700 Egmont, I S. 423.
c. 775 Deventer, Kanoniker, II S. 352.
C. Erzbistum T r i e r.
1. Trier
Trier, Domstift, St. Peter. Die Kirche reicht in das 5. .Tahrh.
znrück; wann das Stift mit ihr verbunden wurde. läs.st sich nicht
vermuten, I S. 29.
Trier. St. Euchanus, später St. Matthias, I S. 245.
Trier, St. Maximin, F S. 245.
Trier, St. Paulin. Kanoniker, I S. 287.
Trier, St. Maria maior, Kanoniker, I S. 287.
Trier, St. Maria ad ripam, ad martyres, St. Mergon. I S. 288.
Trier, St. Martin, f S. 288.
7. .lahrh. St. Goar, Kanoniker. I S. 291.
7. .Jhrh.? Trier, St. Symphorian, Nonnen, f S. 288.
7. .lahrh. Trier, Oehren, St. Maria a«l horreum, St. Irmina. Nonnen,
[ S. 288.
7. Jhrh.? Mönetermaifeld, St. Martin, Kanoniker, 1 S. 28«.
vor 634 Tholey, Taulegius, Teulegium, St. Moritz, I S. 288.
vor 634 Longuion, Mon. Longagionense, St. Agatha, I S. 289.
645 — 650 Cr>ugnr(n, (Ja.'^econgidunus, St. Peter, Paul u. ,Ioli., I S. 2H9.
— 807 ■ —
vor 713 Mettlach, Mediolacum, St. Dionys, I S. 290.
vor 713 Pfalzel, Palatiolum, St. Maria, Peter u. Paul, Nonnen, I S. 289.
706 Echternach, Epternacum, St. Peter u. Willibrord, I S. 290.
720 Prüm, Prumia, St. Salvator, I S. 290.
vor 762 Kesseling, Casloaca, St. Peter, I S. 291; Prümer Zelle (B.M. 92),
die, wie es scheint, bald wieder ein^inff.
836 Coblenz. St. Castor, Kanoniker. Gründer Erzbischof Hetti, Zu-
satz zu Theg. V. Hlud. S. 603.
vox' 845 Kettenbach im Lahngau, Kanoniker. Gründer der Graf Gebhard.
Ludwig d. D. trägt zur Ausstattung bei, B.M. 1342. Das Stift
wurde nach kurzer Zeit nach Gemünden im Westerwald verlegt.
nach 845 Gemünden im Westerwald, St. Peter u. Severus, Kanoniker, s. o.
um 874 Juvigni, Juviniacus, St. Scholastica, Nonnen. Stifterin Richildis,
die Gemahlin Karls d. K. Calmet, H. de Lon-. III S. CXXIX.
vor 892 Retel, Retila, bei Sirk an der Mosel, St. Sixt. Unbekannter
Stiftung. Erste Erwähnung Regin. chron. z. 892 S. 140.
910 Limburg a. Lahn, St. Georg, Kanoniker. Gründer Graf Konrad,
der Vetter König Konrads L, ürk. Ludwigs lY. v. 10. Febr. 910,
B.M. 2007^
vor 912 Weilburg, St. Maria u. Walburg, Kanoniker. Der Bestand be-
zeugt durch Kenrads I. ürk. v. 28. Nov. 912, B.M. 2024.
2. Metz.
6. Jahrb. Metz, St. Stephan, Domstift, I S. 246.
6. Jahrh. Metz, St. Aposteln, später St. Arnulf, I S. 246.
6. Jahrh. Metz, St. Glodesind, Nonnen. I S. 246 f.
7. — S.Jhrh. Metz, St. Peter, maior monasterium, Marmoutier, Nonnen, s. I
S. 291.
716—741 St. Avold, Eleriacum, St. Nabor, 1 S. 291.
c. 745 Hornbach, Gamundia, St. Peter, I S. 339.
748 Gorze, St. Peter u. Gorgonius, II S. 55.
vor 777 Salona, St. Privat, St. Maria u. Privat, II S. 566.
vor 870 Herbitzheim, Heribodesheim, östlich vou Metz, zuerst erwähnt
in d. Reichsteilung v. 870, Cap. 251 S. 194.
vor 870 Metz, St. Martin de Glandiere, Longeville, westlich von der
Stadt. Unbekannter Gi-ündung. Erste Erwähnungen in der Wid-
mung eines von dem Mönch Sigilaus geschriebenen Evangelien-
buchs, Poet. lat. II S. 670 c. 25, und in der Reichsteilung v. 870.
871 Neumünster, Cella in villa Vuibiliskirica, St. Terentius. Stifter
Bischof Adventius, B.M. 1445, von Bischof Rodbert ausgestattet
893, Beyer, ÜB. I S. 141 Nr. 134.
3. Toul,
■? Toul, Domstift, St. Stephan. Stiftung unbekannt. Im 9. Jahrh.
nachweislich, s. die Urk. Bischof Ludhelms v. 898 Calmet, H. de
Lorr. I preuv. S. 330 f.
c. 620 Remiremont, Habendum, St. Peter, Doppelkloster, I S. 283.
— 808 —
7. Jahrh. Bonmoutier. Bodonis monasterium, St. Salvator, Nonnen I S. 291.
7. Jahrh. Moye n-moutier, Meieni mon., St. Peter, I S. 291.
7. Jahrh. St. Die, St. Deodat, Juncturae, I S. 292.
c. 661 Senones, St. Maria u. Peter, 8. Bd. T S. 291.
7.od.8.Jhrh.? Toul, St. Evre. St. Aper, unbekannter Gründung, s. u.
8. Jhrh. ? St. Martin an der Maas, iuxta castruni de Sorsiaco. Unbekannter
Gründung. In einer Urk. Ludwigs d. St. v. 877 genannt, Bouq. IX
S. 398 f. Er beruft sich auf Urkunden Lothars I. u. II. Vgl.
auch Gall. Christ. XIII S. 1067.
8. Jhrh. ? St. Germain bei Toul, ebenso. Wie es scheint, bald eingegangen,
Gall. Christ. 1. c.
8. Jhrh. ? Toul, St. Peter u. Mansuet. Alter Gründung; im 9. oder 10. Jahrh.
eingegangen, 965 wieder hergestellt, M.G. Dipl. I S. 404 Nr. 289.
8. Jhrh. ? Enfonvelle, Ott'onis villa, St. Leodegar, erwähnt in der Reichs-
teiluug V. 870 (Ann. Bert. S. 110). Wenn aus dem Gleichklang
der Namen die Identität des Stifters dieses Klosters und des
Klosters OfiFenweiler (Schuttern) erschlossen werden darf, so fällt
die Gründung in die Mitte des 8. Jahrh.
8. Jhrh. ? Etival, Stivagium, St. Peter. Ebenfalls 870 zuerst erwähnt
0- c).
vor 825 Aluwini mons, am Flusse Brusch im Eigentum eines gewissen
Wicbod, der die Zelle an St. Stephan in Metz schenkte, B.M. 793.
Sie scheint alsbald eingegangen zu sein.
c. 836 Toul, St. Evre, von Bischof Frothar mit Hilfe Ludwigs d. Fr.
erneuert, Calmet H. de Lorr. T Pr. S. 301, vgl. Gesta ep. Tüll. 26
M.G. Scr. VIII S. 637, B.M. 1661.
4. Yerdiin.
7. Jahrh. Waslogium, später Beaulieu, St. Moritz, I S. 292.
c. 709 St. Mihiel, Castellio, I S. 292.
? Verdun, St. Maria, Domstift, unbekannter Gründung.
I). E r z 1) i s t u in S a 1 z b u r g.
1. Sul/Imrg.
696—700 Salzburg, St. Peter, I S. 361.
696—700 Salzburg, St. Maria, Nonnen, 1 8. 362.
696—700 Maximilianszelle, I S. 362.
? Chiemsee. Herrenwörth, St. Salvator. II S. 432.
767 Otting, im Chiomgau, St. Stephan, II S. 431 f.
748—788 Gars, Garoz, II S. 431.
748—788 Pisendorf, II S. 431.
748—788 A u , Auue im Isengau, II S. 431.
748—788? Chiemsee, Frauonwörth, St. Maria, II S. 432.
9. Jahrh. Raitenhasl ach, wenn aus der falschen Urkunde (B.M. 1986)
auf den Bestand de» Klosters in dieser Zeit geschlossen werden
darf.
_ 809 —
vor 909 Traunkirchen, am Traunsee, Nonnen. Unbekannten Ursprungs.
Am 19. Febr. 909 von Ludwig IV. an Piligrim von Passau ge-
geben, ß.M. 2001.
2. Freising.
7.Jhrh.? Weihenstephan, I S. 367.
S.Jhrh.? Frei sing, Domstift, St. Maria, T S. 366 u. 491.
nach 739 Schiedorf, St. Dionys u. Tertulin, I S. 493, 2.
c. 750 Altomünster, I S. 524.
vor 758 Isen, Isana, St. Zeno, II S. 435.
762 Scheftlarn, St. Dionys, II S. 434.
763 Scharnitz, m. Scarantiense, St. Peter, II S. 434.
vor 770 Tegernsee, Tegarinseo, St. Quirin, II S. 434 f.
779 Schliersee, Silurum, St. Sixt, H S. 435.
764 — 784 Freising, St. Andreas. Kanoniker, II S. 434.
748—788 Moosburg, Mosabyrga, St. Castulus, II S. 435.
748—788 Ilmmünster, Ilmina, St. Benedikt, II S. 435.
748—788 Tegernbach, Tegarinwanc, St. Michael. II S. 435.
876 Altötting, St. Maria u. Philipp. Gründer Karlmann, B.M. 1479.
1491.
3. Fassau.
? Passau, St. Stephan, Domstift, s. Bd. I S. 361, 1 u. 367, 4.
? St. Florian, ad Puoche, II S. 432.
vor 737 Kirchbach, Kyrihbach, St. Maria u. Michael, Nonnen, I S. 493
Anm. 2.
741 Nieder alt aich, Altaha, St. Moritz, I S. 493.
vor 748 Mondsee, Maninseo, Lunaelacus, St. Michael u. Peter, II S. 433.
777 Krems münster, Chremisa, St. Salvator, II S. 433.
C.748— 788 Mattsee, Mathaseo, St. Michael, 11 S. 433.
c. 748— 788? Osterhofen, St. Maria, II S. 433.
c.748— 788? Rott, Rottthalmünster, 11 S. 433.
c.748— 788? Rindpach, II S. 433.
? Niedernburg, St. Salvator, Nonnen, II S. 433, 8.
4. Regensbiirg.
c. 700 Regensburg, St. Peter u. Emmeram, I S. 363
c. 737— 748? Weltenburg, St. Georg, I S. 493 Anm. 2.
c.748 — 788 Regensburg, Obermünster, St. Maria, Nonnen, U S. 436.
c.748— 788 Regensburg, Niedermünster, St. Maria u. Erhard, Nonnen,
II S. 436.
c.748— 788 Metten, Methema, St. Michael, II S. 436.
c.748 — 788 Schönau, Sconenauva, St. Martin, U S. 436.
c 748— 788 Berg, Haindlingberg, St. Salvator, II S. 436.
748—788? Pf äff münster, St. Tiburtius, H S. 436.
748—788? Engelbrechtsmünster, II S. 436.
748—788? Münchs münster, Schwaig, Sueiga, St. Peter, II S. 436.
c. 819 Chammünster, Cella ad Gambe, 819 erwähnt. Die Zelle war
— siO —
von St. Erameram abhänpi? und wurde, wie es scheint, nicht hinge
vorher erbaut, Urk. B. Baturichs bei Ried, Cod. chron. dipl. Ratisp. I
S. 17 Nr. 20.
um 875 Re ge n s b u r fj , St. Maria, alte Kapelle, Kanoniker. Stiftung
Ludwigs d. D. ß.M. 1467.
888—889 R 0 d i n g , St. Jacob. Kanoniker. Stittung König .\rnolfs B.M. 1869.
5. Sebeu.
769 1 n n i c h e n , Intica, St. Peter u. Candid.. II S. 437.
E. Erzbistum Hamb iirg- Bremen.
787 Bremen, Domstift, St. Peter, II S. 388 fl'.
c. 822 Münsterdorf, Welanao, Kanoniker, II S. 761.
c. 835 Hamburg, Domstift, St. Maria, II S. 677 tf.
848 — 865 Bassum, Byrsen, Bersene, Bircsinun. Nonnen, II S. 602.
865 — 888 Bücken, Bukkiun, St. Maria u. Maternian, Kanoniker, II S. 602.
F. Erzbistum Besan^on.
Basel.
? Basel, Domstift, St. Maria, vgl. Bd. I S. 323.
c. 630 Granfelden, Moutiers Granval, mon. (rrandisvallis. St. Ger-
manus, I S. 277.
c. 630 Uraanne, St. Ursitz, I S. 277.
c. 630 Pferdmund, Vermes. Cella Vertima, St. Paul, I S. 277.
c. 650 Münster im Gregorienthai, Confluens, I S. 293.
c. 725 Murbach, Vivarius Poregrinorum, St. Leodegar, I S. 337 ff.
vor 780 Masmünster, Masunvillare, II S. 168, 570.
vor 870 Solothurn. Salodorum, St. Urs, genannt in der Reichsteilung
(Ann. Bert. S. 111).
III. Litteraturübersicht.
Die Bd. I S. 586—595 angeführten Werke sind in das nach-
folgende Verzeichnis nicht aufgenommen.
I. Quellen.
a) Sammmlungen und Einzelausgaben.
Agobardi opera ed St. Baluzius. 2 Tle. Paris 1666.
Ammiani Marcellini rerum gestarum libri qui supersunt rec. Eyssenhardt.
Berlin 1871.
Anecdota Helvetica ed. H. Hagen. Leipzig 1870.
Baedae Historia ecclesiastica gentis Anglorum, ed. A. Holder. Freiburg 1882.
Bibliotheca Casinensis cura et stud. monachorum ord. s. ßened. Bd. I — IV.
Casino 1873—80.
Bibliothek der ältesten deutschen Litteratur-Denkmäler. Paderborn. Bd. 5:
Tatian. Lat. u. altdeutsch herausg. v. E. Sievers. Bd. 6: Isidorus von
Sevilla, herausg. v. K. Weinhold.
Baluzius St., Miscellaneorum libri VIT. Paris 1678—1715.
Denkmäler deutscher Poesie und Prosa aus d. 8.-12. Jahrhundert, heraus-
gegeben V. K. MüUenhoff u. W. Scherer. 3. Aufl. v. E. Steinmeyer.
Berlin 1892.
Dhuoda. Le Manuel de Dh. publ. p. E. Bondurand. Paris 1887.
Fontes rerum Austriacarum. Österreich. Geschichtsquellen, herausg. v. d.
bist. Comm. der Akad. d. W. in Wien. Wien 1855 ff.
Fontes rerum Bohemicarum. Prag 1871 ff.
Fragmenta theotisca, herausg. v. St. Endlicher u. Hoffmann. Wien 1834.
Fragmente, Wolfenbüttler. Analekten zur Kirchengeschichte des MA. aus
Wolfenbüttler Handschriften v. M. Sdralek. Münster 1891.
Gallus Oheim, Chronik von Reichenau. herausg. v. K. A. Barak. Stuttg. 1866.
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Geschichtschreiber der deutschen A'orzoit in deutscher Bearbeitung, herausg.
V. Pertz, Grimm, Lachmann, Kanke, Hittor, fortgesetzt v. W. Watten-
bach. Leipzig.
Geschichtsquellen des Bisthums Münster. 4 Bde. Münster 1851 flf.
Geschicht^quellen, Osnabrücker, herausg. v. histor. Verein zu 0. Osna-
brück 1891 ff.
Glossen, die althochdeutschen, gesammelt u. bearb. v. E. Steinmeyer und
E. Sievers. 3 Bde. Berlin 1879—1895.
Handbibliothek, germanist., herausg. v. J. Zacher. 4. Bd. Heliand, herausg.
V. E. Sievers. Halle 1878.
Hymnen, die Murbacher. Nach den Handschriften herausg. v. E. Sievers.
Hallo 1874.
Kaiser- u. Königsurkunden des Osnabrücker Landes, herausg. v. F. Jostes.
Münster 1899.
Monumenta Germaniae historica. Scriptores rerum Langobardicarum et
Italicarum saec. VI — IX, ed. G. Waitz. Hannover 1878.
Monumenta veteris liturgiae Alamanicae v. M. Gerbert. 2 Bde. St. Blasien
1777—79.
Monuments, les plus anciens, de la langue fran9aise publ. p. E. Koschwitz.
Heilbronn 1886.
Otfrids ?]vangelienbuch, herausg. v. P. Piper. Paderborn 1878.
Quellen und Forschungen zur Spi-ach- u. Culturgeschichte der germanischen
Völker, herausg. v. B. ten Brink, E. Martin, W. Scherer. Strassburg.
Rhotores latini minores ex cod. em. C. Halm. Leipzig 1863.
Scriptores rerum Brunsvicensium ed. G. G. Leibnitius. 8 Bde. Hannover
1707—11.
Thesaurus monumentorum ecclesiasticorum et Historicorum sive IL Canisii
Loctione.s antiquae . . ed. J. Basnage. 4 Bde. Amsterdam 1725.
Thesaurus anecdotorum novissimus e. veterum monumentorum praccipue
ecclesiasticorum . . collectio recentissima, od. B. Pez. 5 Bde. Augsburg
1721—28.
b) Gesetze, Briefe, Urkunden, Regesten.
Catalopi bibliothecarum antiipii, coli. G. Becker. Bonn 1885.
Codex diplomaticus et opistolaris Moraviao, ed A. Boczek. Olmütz 1836 If.
Codex principia olira Lanrishaniensis abbatiae diplomat., ed. Acad. Theod.-
Palat. 3 Bde. Mannheim 176H--70.
Chrodegangi Metens. episc. regula canonicorum, herausg. v. W. Schmitz.
Hannover 1889.
I'ecretales Pseudo-Ieidorianae et capitula Angilramni, rec. P. Hinschius.
Leipzig 1863.
Ermenrici ep. ad Grimoldum ex cod. S. Galli mem. ed. E. Dümmler. Halle 1873.
Formelbuch des Bischofs Salomo Ili. von Konstanz, herausg. u. erl. v.
E. Dümmler. Leipzig 1^57.
• Toschirhtaquellen, die Gurker, v. A. v. Jaksch. Klagenfurt 1J^96.
Geschichtsquellen, Württembergische, herausg. v. D. Schäfer. Stuttg. 1894 f.
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2 Bde. Münster 1867 u. 81,
Polyptycque de Vabbe Irminon pub. p. M. B. Guerard. 2 Bde. Paris 1844.
Regesta historiae Westfaliae, bearb. v. H. A. Erhard. 2 Bde. 1847. 51.
[Scherer], Verzeichniss der Handschriften der Stiftsbibliothek von St. Gallen
Halle 1875.
Servat Loup, Lettres p. G. Desdevises du Dezert. Paris 1888.
Sirmondi J. opera varia. T. IV. Venedig 1728.
Traditiones Corbeienses, herausg. v. P. Wigand. Leipzig 1843.
Turmair's, Joh., genannt Aventinus, sämmtl. Werke, herausg. v. d. bayr.
Akademie d. Wissensch. 5 Bde. München 1881 ff.
Urkundenbuch der Reichsstadt Frankfurt v. J. Fr. Böhmer Bd. I Frank-
furt 1836.
Urkundenbuch des Hochstifts Halberstadt u. seiner Bischöfe, herausg. v.
G. Schmidt. 4 Bde. Leipzig 1883 fi".
Urkundenbuch, Hamburgisches, herausg. v. J. M. Lappenberg. 1. Bd.
Hamburg 1842.
Urkundenbuch des Stiftes u. der Stadt Hameln, v. 0. Meinardus. Han-
nover 1887.
Urkundenbuch des Hochstifts Hildesheim u. seiner Bischöfe, herausg. v.
K. Janicke. 1. Bd. Leipzig 1896.
Urkundenbuch, Nassauisches, bearb. v. W. Sauer. Wiesbaden 1885—87.
Urkundenbuch, Osnabrücker, herausg. v. F. Philippi. 1. Bd. Osnabrück 1892.
Urkundenbuch des Herzogthums Steiermark, bearb. v. J. v. Zahn. 2 Bde.
Graz 1875. 79.
Urkundenbuch der Stadt u. Landschaft Zürich, bearb. v. .1. Escher und
P. Schweizer Bd. 1 u. 2. Zürich 1888 u. 92.
Verbrüderungsbuch des Stiftes St, Peter zu Salzburg. Mit Erläuterungen v.
Th. G. V. Karajan. Wien 1852.
IL Darstellungen und Untersuchungen.
a) Bücher.
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2. Aufl., bearb. v. B. Simsen. Leipzig 1888. 2. Bd. v. B. Simson.
Leipzig 1883.
Ada-Handschrift, die Trierer, bearb. u. herausg. v. K. Menzel,
P. Corssen, H. Janitschek, A. Schnütgen, F. Hettner, K. Lamprecht.
Bonn 1889.
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stadt 1891.
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Elberfeld 1868 u. 69.
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V. Bächler u. Dümge. Bd. 5—12 v. G. H. Pertz.
Archiv f. Philologie u. Pädagogik, v. G. Seebode, J. Gh. .Jahn u. R. Klotz.
Archiv f. slavische Philologie, herausg. v. Jagic.
Blätter f. bayerische Kirchengeschichte. Rothenburg o. T.
Dublin Review.
For-chungen, romanische. Erlangen.
Jahrbuch für Schweizer Geschichte. Zürich.
Jalii liücher. Neue Heidell)erger.
Jahrbücher, preussische. Berlin.
Mt-moires de la societee arch. et hietor. de l'Orleanais.
Memoiie della reale Academia di Torino.
Miitht'ilungen des histor. Vereins zu Osnabrück.
Mitihi'ilungen, Neue, des sächsisch-thüringischen Geschichtsvereins. Halle.
Monataberichte der Berliner Akademie.
Nachrichten von der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen.
Revue benedictine. Mared.-fous (Brügge).
Revue d'histoire et de literature religieuse. Paris.
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Simmen aus Maria Laach. Freiburg.
Studien u. Kritiken, Theologische. Gotha.
Zeitschrift, Arcliivalische. München.
Zeitschrift des histor. Vereins f. Niedersachsen. Hannover.
Zeitschrift des Harzvereins. Quedlinburg.
Zeitschrift des Vereins f. hamburg. Geschichte.
Zeitschrift des Vereins f. hessische Geschichte. Kassel.
Zeitschrift für christliche Kunst. Düsseldorf.
Zeitschi'ift für Geschichte des Oberrheins. Karlsruhe.
Zeitschrift für romanische Philologie. Halle.
Zeitschrift, Neue kirchliche. Leipzig.
52*
Register.
A. =- Abt. Ä. = Äbtissin, ß. = Bischof. D. = Diakon. EB. = Erz-
bischof. G. = Graf. H. = Herzog K. = Kaiser oder König. L. -= Lehrer.
M. = Mönch. N. = Nonne. P. = Papst. Pr. = Priester.
Aachen 179. 257 f. 267.
Aaron, M. 590.
Abba, Ä. 568. 1.
Abbin 384.
Abendmahl 65. 278 f. 438.
724. 738.
Abendmahlsprobe 743.
Aberglaube 276. 359.
393 ff. 452. 497. 740 ff.
Abgar 320. 327.
Abodriten 669.686,6. 688.
Absolutionsformel 728.
Abtswahl 40. 56, 3. 573.
584. 597.
Adalboro, B. 661. 712, 6.
Adalbert, Adelbert,
Athalbert
A. V. Ferneres 152, 1.
A. V. Pfäfers 67. 442, 2.
A. V. Tcgernsee 434, 6.
Adiilfrid, M. 590.
AdalKar,EB.565,2.686,l.
6S7. 712. 2. 5. 6.
Adalhard
A. V. Corbie78. 172 ff.
184. 277,4. 336. 491ff.
600 f. 674.
G. 598, 2.
Adalhelra
B. V. Worms 712, 2.
744, 6.
Laie 598, 2.
Adaiongus 569, 3.
Adalram,EB.464,1.689f.
Adalwin
B. V. Regensburg 428.
452, 6. 453, 1.
EB. V. Salzburg 691 f.
701. 703. 710, 5.
Adam, A. 168.
Addula, Ä. 345.
Adegar 487.
A.lel 781
Adelbrin, Ä. 602.
Adelog, B. 377.
Adelporga, H. 160.
.Ädilbort 422.
Ado
B. V. Lyon 54, 4.
EB.v.Vienne 607.666,5.
Adoptiani.smus 2*^8 ff.
Advcntiu.H,B. 546.548,10.
558, 3. 5.56. 7. 599, 5.
753, 1
Agilfrid, 15.202,3.377,2.
Agiulf, Egolf, H. 712, 5.
Agius, M. 664.
Agnus, B. 453, 1.
Agobard, EB. 307. 496.
500 ff. 521,4.529. 607.
645. 744, 1.
Agroin, B. 51, 5.
Aguntum 455 f.
Aisch 340. 342.
Aistulf, K. 15ft\ 27 f.
Ajulf, EB. 244, 3.
Aix 207, 6. 209, 2.
Alarich, Chorb. 469, 1.
Alberich
B. V. Utrecht 46, 1.
127, 3. 171. 345, 1.
351 f. 355.
Passauer Chorb. 463, 6.
689, 6.
Albert, Aldebcrt,A. 171, 7.
Albert, EB 45. 126. 128.
132.
Alboin, H. 31, 4.
Alb.stadt 5, 1.
Albuin, A. 433, 6.
Alchred, K. 351.
Aldhelm. A. 132. 191.
Aldrich.B.v.LeMansSOl.
709. 750.
821
Aldrich, A. v. Ferneres,
EB.v.Sensl5h3.152,l.
564, 5. 589, 5. 592. 612.
Alim, B. 428. 442, 1.
Alkuin,Alciivine, A.l OOff.
114 ff-. 121,6. 123 ff'. 163.
185. 191. 194. 200. 202.
242 ff-. 250. 254.277,4.
293 ff. 324. 329. 333.
844, 3. 348. 351. 400 f.
421. 466 f. 578. 580.
596. 611. 614 f. 630.
659,7. 744ff'. 765. 768,3.
769, 4.
Allerheiligenfest 164, 3.
Almosen 278. 452,4.767,6.
Alpuni, A. 442, 2.
Altar 265 f. 724.
Altentrüdingen 751, 2.
Altfrid
B. V. Hildesheim 555,2.
624,4.710,5.711,2.
B.V.Münster 599,5. 659.
Altheus
B. V. Antun 519, 5.
bair. B. 453, 1.
Alubert 347 f.
Amalar
B. V. Trier 54, 3. 180 f.
201,2.208.405.677.
V. Metz 118, 3. 153.
180, 6. 585. 644 f.
Amalbert, Chorb. 203, 2.
217, 1.
Amalung 380, 3. 6.
Amandus, B. 420. 455, 9.
Ambo 266.
Ambrich, B. 710, 5.
Ambrosiaster 289, 2.
Ambrosius, B.132,5. 196.
635.
Amönaburg 367.
Anastasius
Biblioth. 523, 1.
Cubicularius 95.
Gegenpapst 518, 4.
Patriarch 308, 2.
Andreas, A. 385.
Angilbert, A. 96 f. 136, 3.
174ff. 189. 196. 316, 3.
324. 421. 598, 1. 746.
Angilram, B. 111. 169.
202,3.203,2.206.432,1.
447.
Angilrams Kapitel 522 ff'.
! Anno, Hanno
A. V. Münchsmün-ster
436, 7.
Passauer Chorb. 468,6.
689, 6.
B. V. Freising 564, 4.
702, 4. 703. 710, 5.
Anonj-mus
Benedictio Dei 646.
commonitorium cuius- '
que episcopi 234, 7.
de process.Spirit.s.118.
335. I
de sancta trinitate 648.
de tribus epistolis 646
1. 2.
homilia de sacrileg
393 ff.
Tractatus, utrum ani-
mae . . mox deducan- j
tur ad gloriam vel 1
ad poenam etc. 648. '
Ansegis, Ansigis, A. 195.
531, 1. 590.
Anshelm, EB. 521, 4.
Anskar, EB. 350, 2. 602.
618. 624, 4. 660. 673 ff'.
726, 4. 765. |
Antependien 265.
Anthelm, B. 427, 3.
Antiphunar 34, 1. 644 f.
Appellationen 38,7.207.
542. 546.
Aquileja201,3. 455. 461.
465. 565, 1.
Aquitanien 543. 580.
Arbeo, Arpeo, Aribo, B.
234,5. 366, 1.425 f. 434.
442, 1.
Archidiakon 720 ff". 734.
Archipresbyter 9, 2. 10,3.
451,4. 719 f. 734.
Ardgar, Miss. 683.
Ardo, M. 575, 6.
Arichis
H.v.Benevent 95,1. 160.
Langobai-de 160, 2.
Arleslll. 207, 6. 209,1.
Armen wesen 60. 66.276 ff.
626. 724.
Arn, Arno
B. V. Würzburg 694, 6.
709.710,5.712,2.-5.
715, 5.
EB. V. Salzburg 98 ff.
107,2.113,3.7.132.
138.166,2.196. 208.
211, 1.419tf. 444.447.
452, 6.453,1.459,1.
463 ff. 587, 2.
Arnfrid,Ernfrid,B. 48.59.
Arnold, B. 712, 3.
Arnsdorf 464, 1.
Arnulf
A . V. Hermoutier 589, 5.
B. V. Metz 745.
ß. V. Toul 545, 10.
H. V. Baiern 435, 3.
K. 432,1. 435, 4. 565, 2.
598,2.599,5.686,6.
Arsenio 648, 2.
Arsenius, B. 554 f.
Aschermittwoch 451, 2.
724.
Askrich, B. 613.
Assling 430, 1.
Assuer, A. 7.
Asterga 390, 1.
Asturien 290 f.
Asylrecht 388, 1. 405.
Athanasianum 724, 3.
Athanasius, B. 132, 5. 335.
Athilbold, Odilbald, B.
711, 2. 712, 1.
Atrebanus 383.
Attigni 384
— 82'2
Atto s. Hatto.
Audoin. B. 59, 1.
Auf^sburg^ 216.
Augustgau 720, 1.
Augustinus
B. V. Hippo 50. 132, 5.
137f. 148. 150.191,3.
192. 195. 421. 635.
650 tr.
Pr. 460, 1.
Austrulf. A. 195.
Autbert
A. v.S. Yincenzu 133,2.
138.
Angelsachse 145.
M. V. Corbie 674.
Autchar 18.
Avalen 445. 456. 460.
Averhild 349.
Kadanachgau 4, 3. 340, 2.
571. 5.
Badurad,Baturat,B. 408.
510. 624, 4. 715, 7.
744, 6. 750.
Badurich, Baturich, B.
428, 2. 436,«. 612,7. 646.
Baiern 414 &. 749 f.
Bjildebert, B. 67.
Balder 757.
Balduin, G. 549, 3.
Baldun, Pr. 431.
Balthramni, F^aldramn,
B. 712, 2. 6.
Bant 356, 3.
Bardengau 366, 1.
P.arnard, A., EB. 4«3.
Harr 216, 1.
Bartholomäus, EB. 514.
Basel 234.
Basilika 256. 259 f.
Basin, B. 47. 171.
Baugulf, A. 142, 2. 269.
.590. 4. 610, 3. 614.
Baulast 224.
Bauri.fs v. St. (iallen
619.
Beatus
Pr. in Asturien 290 tt'.
B. V. Passau 427. 3.
Beda 126. 132. 191. 196.
635. 666, 5. 769, 4.
Begräbnis 716. 724.
Beichte65f. 250f. 388, 1.
438.724.727 ff.738.763f.
Benedikt
A.v.Anianel21,6.190,2.
196. 306 f. 575 tf.
A. V. Nursia 577.
Levita 522. 527 ff.
III.Pap8t516.518. 533.
545.
Benediktinerregel 48, 1.
53. 60 ff. 191,2.4.434.
572f. 577ff. 581ff. 643.
Benediktionen 754 ff.
Benevent 31. 93, 4. 160.
Benjamin 383, 1.
Beonrad, A., EB. 123.
136, 4. 171. 202, 3.
Berehthelm, B. 52. 54, 3.
Berenwelf, B. 49,2. 75,7.
341 f.
Beretrich. A. 419, 5.
Bern. (-i. 649.
Bernar, Bernhar, Bern-
hard, Bernald
B. V. .Stras.<5biirg 170,1.
185.3.501.504.714,2.
B. V. Verdun 711, 2.
H. V. Worms 102, 1.
202, 3. 211, 1. 336.
567, 5.
Bruder Pippins 172.3.
(i. in Nortliaibingion
680.
G. V. Septinianien 494.
500. 764, 3.
M. in Corbie 172, 2.491.
Neffe Ludwigs d. Fr.
478. 491. 612, 5.
Bernlef 3.55.
Bernradh, A. 385, 2.
Bpriiwicli. A. 511, 2.
Berny Riviere 23.
Bertar, B. 205, 2.
Bertha, Bertrada
Gemahlin Pippins 76.
Tochter Karls d. Gr.
175.
Tochter Lothars TL
545, 4.
Bertulf, EB. 558, 7. 559.
711,2.
Besanfon 209, 1. 548.
Bethlehem 333.
Bibelübersetzung
deutsche 192.
latein. 193.
Bibliotheken: im allgem.
194 ff. 724.
einzelne: Aniano 196.
579.
Charroux 196.
Einhards 614.
Froising 618.
Fulda 6 13 f.
Hamburg 680.
Hofbibliothek 194.
Heichenau 197.615 f.
Rheiin.s 195 f.
Salzburg 196. 422.
St. Amand 196.
St. Gallen 169. 617.
663.
St. (iermer 196.
St. Martin 194.
St. Riquior 176. 196.
St. Wandrillo 195.
Staffelsee 197.
Tannkirchen 24«, 3.
Wnrzliurg 609.
^ork 128. 132.
Bilderstreit 72, 5. 307 ff.
486 ff.
Bilihild 601.
Billerbeck 244, 3. 406, 6.
407.
Bischöfe: Gericht über
204. 52 1.523 ff. 531 ff.
537.
— 823
Bischöfe
Rechte u. Pflichten 37.
62. 230 ff. 530 ff. 562 f.
626. 709 S.
Wahl u. Erneniiung44.
90. 200 ff. 521. 528 f.
543. 563 ft".
Biso, B. 712, 5. 6.
Bittgänge 724.
Bittgottesdienste 46, 5.
Bitttage 276.
Bleichfeld 5, 1.
Blexen 390.
Bogoris, K. 692 f.
Böhmen 694.
Bologna 86.
ßonifatius, EB. 4.11. 37.
49, 2. 169f. 256,1.340.
844 f. 367. 414. 570.
647. 720, 4. Synodal-
statuten 235, 3. Ser-
mone 245, 1.
Bonn 206, 4.
Bordeaux 209, 1.
Borivoi 704, 1. .
Borno, B. 203, 2.
Boruliterer 367. 376.
Boruth, H. 457.
Boso
G. 551, 7.
Pr. 431.
Bourges 207. 209, 1.
Braisne 23, 2.
Bregowin, EB. 45.
Bremen 203, 2. 208, 2.
383, 1. 389f. 405. 677.
681 ff.
Brend 4, 3.
Brenner 455.
Bretagne, Klöster in d.
574, 3. 590.
Briefe, v. Himmel gefal-
lene 753.
Brizenheim 218, 4.
Bruun,Candidus,M.r21,6.
179,6.610,4. 612. 646 f.
Bücher 193 fl'. 345.
Bulgaren 666, 3. 692 f.
Bun, A. 58, 3.
Buntwit, L. 616, 3.
Buraburg 372.
Burchnrd, Burghard
B. V. Würzburg 13. 48.
G. 684.
Burcheim 4, 3.
Burcsuint 391, 2.
Burgbernheim 5, 2.
Burgund 580.
Bussbücher 252 f. 730 ff.
Busswesen 65, 4. 249 ff".
728 ff. 735.
Cacatius, H. 457.
Calvulus 79, 2.
Campulus 97 fi".
Cancor, Cr. 56, 3.
Candidus s. Bruun.
s. Witto.
Capitulatio de part.
Saxon. 386 ff.
Cäsarius, B. 248. 636.
Cassiodor 132. 635.
Castus, Gerbert 354, 5.
675, 6.
Catwulf, Pr. 116.
Censur 535, 8.
Chalon s. S. 565, 1.
Chälons s. M. 377.
Cheitmar, H. 457. 459.
Chiemgau 423.
Chiemsee 432.
Childebrand, s. Hilde-
brand.
Childerich III. , K. 13.
44, 1.
Chlotachar I., K. 364.
Chorbischöfe 9, 2. 203, 2.
230.457. 463,6.469,1.
721 ff.
Chozel, slaw. Fürst 692.
699 f.
Christian,M.v.Stablo595.
614. 705 f.
Christophorus 72 ff. 79.
Christusbilder 262. 263 f.
321.
Chrodegang,EB. 18.46,3.
52. 62 ff. 253. 585.
Chiysostomus, B. 132, 5.
138. 635.
Chur 201. 215,3.217.221.
277, 4. 565, 1. 717, 2.
Cicero 614, 9.
Cilli 455.
Cittä di Castello 87.
Claudius, B. 490, 3. 630,5.
753.
Clemens
Peregrinus 459, 3.
L. 152, 2. 186, 2. 604 f.
610, 4. 615.
Cobbo, G. 750.
Colcu, L. 612, 8.
Cölibat 9, 2. 625. 5.
Columba, A. 59, 3. 455.
Comes 242.
Commachio 28.
Commercy 753, 8.
Corduba 287.
Cudberht, EB. 45.
Cundhari, Cundheri, A.
416, 5. 435, 2.
Cynehard, B. 45.
Cyprian,B.164,8.197.635.
Dado,Deth,B.712,2.3.5.6.
Dagobert, K. 364.
Dalmatien 653, 5.
Damasus 635.
Dänemark 380. 400.668 ff.
Daniel, B. 54, 4.
Dankfeste 276. 385.
Daphnis 151, 2.
Dekanien 718 ff.
Desiderata 76 ff.
Desiderius,K.28.30.77ff.
Dettelbach 5, 1.
Deusdona 748.
Deutsche Bildung 184 f.
241. 245. 271 f. 477.
619 f. 664. 666.
— 824 —
Deutz 381.
Deventer 349. 352.
Dhuota 764, 3.
Dido, B. 33"., 2.
Dietrich . Thiadrich,
Theoderich
A. V. Lorsch 599, 5.
B. V. Minden 602. 686.
710, 5. 711, 2.
Chorb. 469. 722, 3.
d. Gr., K. 656.
Dionvsio-Hadriana 228 f.
Dionysius Areopagita
327.
Exiguus 10, 1.
Diözesansj-noden 38.
233 ff. 451, 1.
Disziplin 34, 3. 237 f. 563.
625. 707. 718 f. 721.
Ditmarschen 383,1. 679,2.
Doljdagrecus, A. 432, 1.
Dodilo, B. 712, 2.
Bodo
Alkuinschüler 151, 2.
tränk. Gesandter 80.
Dokknm 344,3. 351.354.
Dominikus,Pr. 689,6. 691.
Donar 757, 2.
Donatus, Gramm. 641 f.
Dornheim 4, 8.
Doucy 555.
Drenthfi. Thriante 352.
369.
Droctegang, A. 19, 3.
Drogo
B.v.Metz492,H.501.510.
512.515. 564,4.677.
B.V.Minden 712, 1.5.6.
Sohn Kiirlmanns 5.
Du da 602.
Dnngal
B. 155.
M. in St. Denis 154.
270, 9. 490, 3.
DnplitcT. Pr. 460, 1.
Dürrmcnz 218, 3. 267, 3.
Duurstede 348.
Eanbald, EB. 124, 1. 189.
Eberhard
G. 653.
M. 214, 6.
Ebo, EB. 185, 3. 484. 496.
500. 506. 508. 514. 524.
565,2.589,5.592.624,4.
670 f. 675, 5. 678. 681,
1. 721, 4. 730.
Eborsind, A. 67.
Eburaccar, Chorb. 722, 3.
Egibert,Eikbret,B.710,5.
711, 2.
Egila, B. 284. 296.
Egilmar, B.409,4.675,6.
712, 5.
Egilo, EB. 544.
Egilward, B. 342.
Eherecht9,2.10.34,3.40f.
50, 3. 227 ff. 358. 387.
398 f. 439 f. 443.452,3.
549 f.
Eichstädt 722, 3. 749.
Eid 359. 387. 735.
Eigenkirchen9,2. 10.217.
226. 231. 725.
Eigil
A.v.Fuldal70.270.3H2.
379. 610. 647, 2.
A. V. Prüm 663.
Eilbert, B. 3.". 7, 1.
Eilrat 357.
Einhard
Biogr. Karls 104. 155.
176 ff. 269, 5. 495 f.
508. 596. 610. 614.
627. 2. 646. 747.
d. Vater 177, 1.
Ekbert. EB. 126. 351.
Ekkohart, M. 665, 6.
Elfenleinwerko 265. 267.
Elipandu8,B. 130,5. 286 ff.
306.
Elze 413, 2. 675, 5.
Embrun 207, 6. 209. 1.
Emhilt 570, 8.
Emisga 865.
Emmigg G. 379 f.
Ems 356. 377 f. 676.
Engern 370 ff. 408.
Engilfrid. Chorb. 469, 1.
Engilmar, Engelmar, Ail-
mar, B. 712, 5.
Engiandl23ff. 297. 323f.
347 f. 360. 369.
Enraed, Pr. 46, 3.
Eoban, Reg.-B. 346.
Epiphanius, D. 320. 1.
Ercanibert, Erchambert,
Erchanbert, Her-
cumbert
B. V. P'reising 749.
B. V. Minden 391. 401.
406.
Missionspriester 460,1.
; Erchanbold, Erchcnpald,
B.666,5.704,2.712,5.6.
Erchanfrid.B. 428,2. 544.
624. 4.
Erchanraus, B. 555, 2.
I Erembert, B. 47. 75, 7.
Eresburg 371. 374. 379,6.
389.
Ertlaich, B. 102, 1.
Erfurt 48.
Erich, H. 157. 461.
, Erimbert, Pr. 684.
I Erkanbert, M. 658.
Erlcbald, A. 615, 7. 616.
I Ermaker, B. 355, ö.
Ermanrich, Ermenrich,
B.612,5.616.660f.665.
693 ff. 701. 710. 5. 752.
Erminbert, EB. 206.
I Erminiswind 568, 8.
Ermoldus Nigollus 607.
Ernust. A. 442, 2.
Erolf, (ieroir, B. 710, 5.
Erzguss 267.
i Essfeld 4, 3.
p:».so,He8.si,B.624,4.710,5.
Eugen II.. P. 484 ff. 499.
EusebiuK 321.
Eutropius 160.
— 825 —
Everwavd 603, 1.
Ewald, d. weisse u.d.schw.
368 f.
Exarchat 24. 82. 85.
Kxemption 58. 2.
Exkommunikation 38, 7.
249 f. 736.
Exorzismen 896.
Fabigaud, A.. 67. ,
Fardulf 157 f. 202.
Fasten 65, 2. 276. 438.
451, 1. 738. i
Fastrada, K. 460, 3. 567.
Fatalismus 402. 739 f.
777 f.
Fater, A. 433, 4. |
Fediritga 356. 1.
Fehde 405, 2.
Felix !
B.v.Urgel293flF. 300ff.
Reliquienhändler 747.
749, 4.
Fenkigau 413, 2.
Festtage 235, 3. 275 f.
451, 2. 724.
Fidelis, A. 291.
Filioque BIO. 825. 827.
831 ff.
Findan 596, 5.
Firmung714, 8. 721,5.724.
Fivilga 356, 1.
Flavianus 159.
Fleido, Fraido, B. 47, 4.
202, 3. 567, 4.
Fli 343.
Florus D. 255, 3. 510, 8.
645. 666, 5.
Folkard, Folcard, Fol-
chard
Chorb. 722, 3.
Pr. 883, 1. 707.
Stifter V. Möllenbeck
602.
Forchheim 340. Friede
V. Forcbheim(874)696.
Formosus, P. 687, 8.
Fortunatus, B. 202, 8.
838, 5.
Fosete 356.
Fraido s. Fleido.
Franken 339 ff. 860 £F. 403.
570. 706. 715. 747.
Frankfurt 624. 693. j
Fränkische Schweiz 342.
Franko, B 546. 547, 7.
548, 10. 558, 3. 709.
712, 1.
Frankreich 607.737.750.
Freja 757.
Freising 284. 419. 429 f.
463 f. 565, 1. 691, 5.
722, 3. 749.
Frekulf,B. 198.487 f. 607.
Friaul 658.
Fridugis, Fredegis, A.
137, 3. 148 ff. 574, 4.
Friduwi, N. 602.
Friesen 843 ff. 390. 406.
Friesenfeld 365. 410.
Friesische Inseln 356.
Friesisches Gesetz 857.
Fritzlar 872.
Frothar
B.v.Toul 201,2.203,2.
510. 587, 4. 599, 5.
EB. V. Bourges 558, 7.
Frudegard, M. 664.
Fulchar, Folcrich, B. 51,6.
67.
Fulgentius,B.196.498,3.
Fulgentius Planeiades
649, 8.
Fulko, Folco, EB. 687, 8.
712, 2.
Fulrad,A.13.44,l. 49.171.
566. 569. 750. 754. 4.
Fürbitte für den König91 .
Gall, A. 59, 8.
Garich 401.
Gaubald, B. 428.
Gaukönigshofen 4, 8.
5, 1.
Gebehard, Gebhard
B. V. Re<:ensburg 487.
B.v. Speier 624,4.710,5.
Stifter V. Kettenbach
807.
Gebet 274. 738. 740.
Gebetläuten 274. 728.
738.
Gebetsvereine 45. 47. 67.
128. 442. 451 f. 581.
593 f.
Gefwin, Geboin, B. 506.
675, 6.
Geinheim 5, 2.
Gelasius, P.498,2. 509,3.
Gelaufeld 456.
Gemar 216. 1.
Gennadius 195.
Georg
A. V. Aniane 591, 3.
B. V. Ostia 32.
B. V. Palestrina 71.
Gerbert, Castus 354, 5.
Gerfrid, B. 221, 5. 408.
Gerhoh, Bibl. 614.
Gericht, jüngstesl66. 264.
766 f. 778, 8.
Gerichtsstand des Klerus
204 f. 451, 1. 509.537.
Germanus 308, 2.
Germar, G. 102, 1.
Gerold, G. 461, 4. 478.
Gervold, A., B. 190. 195.
201, 2.
Gerwald 383, 1.
Gesetz, friesisches 357 f.
sächsisches 404 f.
Gesiebte 758 f.
Gewalind 750, 12.
Ghärbald,B.197,4.201,2.
234, 3. 243. 268, 1.
Gillebert, B.202,8.203,8.
Girfred, A. 594, 4.
Gisla
Ä. V. Chelles 137, 5.
Stifterin v. Windhau-
sen 601.
820
Gisla, Tochter Lothars II.
545, 4.
Gislebert 424.
Gislemar, M. 675.
Glasfenster 261.
Glocken267. 684,2. 724,4.
760.
Glossen, altdeutsche 191.
Godethank,B. 712,2.5.6.
Godo, B. 51, 4.
Goldschmiedekunst 267.
613, 3.
Gollachgau 340, 2. 391.
.Gollhofen 4. 3. 5, 1.
Gorbrath, Gerbrach, B.
624, 4.
Goten 165, 3.
Gotescale 401.
Gottabert, Chorb. 722, 3.
Gottesdienst 110. 233.
253 ff. 451.
Gottesurteil 735. 741 ff.
Göttrik, K. 668. 3. 669.
Gottschalk, M. 612, 5. 628.
641. 649 ff. 765.
Gozbald, B. 624. 660, 6.
Gozbert, Gauzbert
A. V. Feuchtwangen
568, 3.
A. V. St. Gallen 169, 3.
617. 619. 660.
(Simon) B.V.Osnabrück
565, 2. 624, 4. 678.
683.
Gozbert,M. inSt.Gallen
749, 2.
Gozfeld 49, 3. 340, 2.
Gozhar, Pr. 460, 1.
Grabfnld 49, 3. 340, 2.
Grabplatten 266.
Gregor
A. V. St.Martin in Autun
594, 4.
A. V. Utrecht 46, 1. 52.
171. 194. 344 ff.
B. V. Nyssa 319 f.
Defen.sor 79, 2.
Gregor
H. 71.
I.,P.137,2. 191. 196 f.
305. 635.
II., P. 119,4. 5. 308.367.
III., P. 308, 2.
IV., P. 96,5. 499 ff. 512.
678.
Griechen 15. 30. 33. 94.
308 ff. 486 ff. 695. 697 ff.
711.
GriechischeSprache 134.
159. 476. 616. 627.
642, 2. 654, 5.
Grifo 6. 20. 414.
Grimakl, Grimold, (iri-
moald
A. V. St. Gallen 59, 1.
186. 590, 5. 615, 5.
616 f. 654. 656, 4. 6.
660. 665. 740, 5.
H. V. Benevent 88.
95, 1. 3.
Gruss 739.
Guarnarius 591, 6.
Gubbio 28.
Gumbert, Guntbert, A., B.
570, 9. 571.
Gundbald, Guntbald, M.
499, 2. 500.
Gundeland, A. 56.
Gundram,A. 612,5.660,5.
Gunthar, Günther, Gun-
dhar
]{. V. liildcslioim 675,5.
KB. V. K.-.ln 546 ff. 659.
681 f.
G. 418. 431.
Pr. 460, 1.
Guntheim 218, 3.
Gunzo, B. 710, 5.
Gurk OSO, 4.
»ad 401.
Ilad.lo, Prior 171. 353.
Hadebal(i,Hadubald,EB.
674, 3.
Hadeln 357, 1.
Hadrian
I.,P. 81 ff. 97.205.228.
254. 284. 286. 293 ff.
308, 2. 311 ff. 320.
324 ff. 385. 444. 487.
IL, P. 557 ff. 699 f.
Hadubrand, P:Pr. 708, 1.
Hafti 569, 3.
Haholt 419. 435, 2.
Haistulf, EB. 613, 1. 632.
636.
Haito, B. 170, 1. 202, 3.
227,3.234,4.243.579,3.
590, 5. 615. 654f. 754.
Halabing 748, 1.
Halaholf, G. 569, 6.
Halberstadt 409 f. 413.
565, 1. 612. 675.
Halitgar
B. V. Cambrai 731.
Missionspr. 671.
Hallstadt 5, 2. 340.
Hamburg405.669,3.675ff.
Hameln 377, 4.
Hammelburg4,3.5,2.381.
Handarbeit der Mönche
577 f. 583.
Harald, K. 669. 672.
Harbert, A. 724, 4.
Harduin
L. in St. Saturnin 190.
M.inSt. Wandrille 195.
Hariolf 568. 660.
Hartgar, B. 511.
Harthiimus, B. 51, 3.
Harthwig, B. 624, 4.
Hartmut, A. 612, 4. 617.
769.
Harz 377.
Hasegau 413, 2.
Hassegau 365 f. 410.
Ha.s8gau 340, 2.
Hassio, Hessi, G. 373, 3.
379. 601.
llathumar, B. 408. 600.
Hathumod, Ä. 602. 664.
— 827 —
Hatto, Atto I
A.v.Fuldal52,l. 610,4. ,
622, 3. 650, 2.
B. V. Freising 102, 1.
234, 5. 427. 442, 2. [
452, 6. 453, 1.
B. V. Passau 452, 6.
B. V. Verdun 547, 7
548, 10. 556, 7.
EB. V. Mainz 565, 2
687, 3. 709. 712, 5
Pr. 725, 4.
Heddo,Eddo, B.47. 59,1.
61. 67.
Heidentum 362 S. 387 f.
393 if. 757 f.
Heilbionn 4, 3. 5, 2.
Heilige
Adelgundis 377, 3.
Adelphus 748.
Agapet 750.
Alexander 567, 4. 659.
749.
Andreas 4, 3.
Audomar 877, 3.
Bachus 747.
Bartholomäus 749.
Bavo 377, 3.
Benedikt 429, 2.
Blasius 748.
Bonifatius 344, 3. 745.
Brandan 743, 1.
Briccius 743, 1.
Candidus 746, 5.
Cäsarius 746, 5.
Castor 748.
Christoph 429, 2.
Chrysantus 748.
Clodoald 377, 3.
Cocovatus 570.
Columba 749.
Daria 748.
Eligius 377, 3.
Emmeram 426. 429, 2.
Epimachus 746.
Eusebius 748.
Felicissimus 750.
Heilige
Felicitas 749.
Ferrutius 567, 2. 659.
746.
Gallus 59. 749.
Genesius 569, 5. 746.
Genovefa 377, 3. 745.
Georg 423, 1.
Germanus 377, 3.
Goar 660.
Gordianus 746.
Gorgonius 67, 5.
Hadrian 691.
Hermes 749.
Hubert 747.
Januarius 748.
Innocentia 747.
Johannes 4, 3. 429, 2.
691.
Justinus 747. 749 f.
Kilian 745.
Korbinian 416. 426.
429, 2.
Leo V. Sens 745.
Liborius 750.
Liudger 408.
Lorenz 4*^, 1.
Magnus 750.
Marcellin 747.
Marcus 748, 7.
Maria 4, 3. 48, 1. 397.
406, 6. 407. 429, 2.
451,2.458,2.673.691.
Martin 4,3. 429,2.464,1.
690.
Maternian 679, 2.
Maximilian 749.
Medardus 377, 3. 745.
Michael 4, 3. 429, 2.
Nabor 56, 5. 67, 5.
Nazarius 56, 5. 67, 5.
Otmar 749.
Pankraz 429, 2.
Peregrin 748.
Petrus 4, 3. 48, 1. 80.
390, 2. 407. 429, 2,
746, 5.
Heilige
Pontian 748.
Pusinna 750.
Remigius4,3.377,3.745.
Rupert 417.
Sebastian 747.
Senesius 748.
Sergius 747.
Sevei'us 747.
Sintpert 454, 2.
Sixtus 48, 1.
Stephanus 418,4. 429,2.
Sualo 752.
Tertulin 426, 2. 429, 2.
Thecla 743, 1.
Theodulus 567, 4. 746.
Trudo 377, 3.
Valens 748.
Valentin 416. 429, 2.
Vedastus 377, 3.
Veit 750.
Venantius 751.
Vincentia 747.
Walburg 749.
vgl. das Klösterver-
zeichnis Beilage H.
Heiligendienst 143.377,3.
397. 625. 5. 745 ff.
Heiligenleben 136. 195.
196, 7. 321. 658 f.
Heiligenstedten 679, 2.
Hello 343, 4.
Heimo, Pr. 460, 1.
Heinrich, Einrieb, B.
428, 10. 452, 6. 453, 1.
Helena, K. 327, 4.
Helgoland 343, 4. 356 f.
Heliand 603, 3. 768 ff.
Helisachar, A. 148. 494 f.
496, 9. 500.
Helmgaiid, Helmgot
B. V. Verden 677.
G. 102.
Helmstedt 339, 2.
Hemming, K. 668, 3.
Hemmo,Haimo,B. 612,6.
622, 4. 624, 4. 635. 726.
— 828
Herbocl, A. 381, 4.
Heriy)ald. B. 731.
Horiburg, Ä. 4u7.
Herich. A. 216, 5.
Heridac, Pr. 077.
Herlheim 4, 3.
Hermann, EB. 687. 712,
5. 6.
Herolf, Chorb. 722, 3.
Herzfeld 406, 6.
Hessen 372. 570.
Hessheim 217, 5. 218, 3.
Hessi s. Hassio.
Heterius, M. 290 ff.
Hetha 1500.
Hetti, EB. 510. 587, 4.
599, 5. 748.
Hexe 452, 3. 758, 1. 762 f.
Hiddi 3.^0.
Hieronymus 50. 132, 5.
137. 154. 191, 3. 196 f.
635. 666. 5. 778, 8.
Higbald,Hjgbald,B.146.
185, 1.
Hilarius,B.2i9,2. 296.635.
Hildebert, Cliorb. 722, 3.
Hildegar
B. V. Köln 52. 54, 3.
B. V. Meaux 547, 7.
Hilde.oheim 377. 3. 409.
675.
Hil.libald. Hildebold, EB.
102,1.107,2.111.202,3.
206. 208. 211, 1. 447.
Hildibrand, Childcbrand
H. V. Spoleto '.»5, 1.
Oheim Pippins 13.121.
Hildigrim
B. V. Chfilons 354, 5.
377,3.408.410.602.
675.
B. V. Halber.stadt 408.
710, 5. 711. 2.
HibÜHnot 571, 4.
Hildolf, A. 48, 1.
Hilduin, A. v. St. Denis
495f. 508, 2.8.747.750.
Hilduin
B. V. Avignon 547, 7.
B. V. Cambrai543. 559.
B. V. Verilun 715, 4.
EB. V. Köln 681, 5.
Hilperich, Maler 261.
Hiltigar, B. 453, 5.
Hiltipurk 60^.
Hiltun, Pr. 198, 1.
Hinkmar, EB. 519,5. 541.
543. 547 ff. 607. 654.
Hitto, B. 749.
Höchst 747.
Hoger, EB. 687, 2.
Hohenburg a. M. 48.
Holda 757.
Holdolf, B. 711, 2.
Holenburg 464, 1.
Holstein 679, 2.
Holzkirchen i. Ries 751,2.
Holzschnitzerei 265.
Homiliar246ff.588f.636f.
Horich
d. ältere, K. 683.
I d. jüngere, K. 684.
Hospiz auf d. Septimer
277, 4.
Höxter 600.
Hraban
A.EB. 152. 166,2.227,3.
484. 507 f. 51 1,2. 522.
564, 4. 567, 4. 588, 3.
595.599,5.606.608,3.
610.4. 611 ff. 647,2.
649 ff. 665. 666, 5.
678, 5. 685, 6. 722.
726. 731. 747. 762.
i 764 f. 769.
Laie 47, 1.
HrikfrP.l. B. 355, 5.
llrodbiit, Hrodberht.
Kuotpert, Rotbert
i B.V.Metz 712,2.3.5.6.
Pr. 431.
Hrodgaud, Rodcaud 95, 1 .
161.
1 Hruothild, Ä. 601.
Hucbert, A. 545. 705.
, Huggi, A. 599, 5.
t Hugmerke, Hugmerchi
j 352. 356, 1.
Hugo
A. V. Lobbesu. St.Quen-
tin 492, 6.
ernannter KB. v. Köln
559.
G. 494.
Sohn Lothars 11.545,4.
Humbert, Humpert, B.
609.638,1.641,1.722.3.
748, 1.
Hunesga 356, 1.
Hunfrid, G. 798.
Hunger, B. 548, 10.
Hunrich
A. 433, 3. 444.
Chorb. 722, 3.
Hunte 676.
Hupold 569, 2.
Hymnen 665 f.
Jagstgau 340, 2.
Jakob, A., B. 51, 4. 67.
203, 2.
Icho, A. 434, 5.
Ickelheim 5, 2.
Jeremias, EB. 489 f. 564.
Jerusalem 51, 5. 333.
Jesi 28.
Je88e,B. 102,1. 181,6.495.
496, 3. 521. 4.
Iffgau 49, 3. 340, 2.
Ikia 680.
Ildefons, B. 296.
Irama 177, 5.
Immunität 38. 222.
Iiiiola 86.
Indiculus superst. 393 ff.
Ingeid 185, 1.
Ingelheim 4, 3. 5.2.672,1.
Ingeltrud 551, 7.
Ingenuin, B. 428, 10.
Ingo, G. 469.
Inschriften 260, 4. 264.
829 —
Johannes
A. V. Mattsee 433, 6.
B. V. Konstanz 48. 59tf .
67.
B. V. Seben 428, 10.
D., Gegenpapst 512.
Dux 79.
EB. V. Arles 211, 3.
EB. V. Ravenna 541.
EB. V. Ronen 712, 2.
M. in Rom 90.
M. in St. Sabas 333.
VIII., P. 558 ff. 702 ff.
Pr. 285.
Scotus Erigena 535, 8.
607.
Jonas, B. 489 f. 490, 3. 509.
Jordanes 176,9.194,7.195.
Joseph
B.v.Freising419. 425,7.
434, 3.
Scottus 134, 3. 154 f.
Ipphofen 4, 3. 5, 2.
Irene, K. 91, 4. 310 ff.
327.
Iring, B. 712, 6.
Irmgard, Irmingard
Gemahlin Lothars I.
599, 5.
Tochter Ludwigs d. D.,
Ä. V. Buchau 432, 2.
799.
Irminfrid 434.
Irminsul 371.
Iroschotten 153 ff. 617.
Isanbert,M.,Goldschmied
613, 3.
Isengau 423.
Isidor,B. 50.192. 195. 296.
635.
Iso, L. 618. 660.
Itzehoe 668. 3. 679, 2.
Juden 225, 7. 631, 3.
Judith
Kaiserin 494. 496, 8.
499. 632, 1. 656.
Tocht. Karls d.K.549,3.
Juliana, A. 49, 3.
Jülich 712. 1.
Justin IL. K. 320.
Jütland 364.
Kaisertum 104 ff. 318.
Kanonikate574.584.587 f.
593. 597.
Kanonische Regel: Chro-
degang 62 ff'. 586, 7;
Aachen 585 ff.
Kanonisches Leben 62 ff.
238 ff. 449. 585 ff.
Kanonissen 586 ff".
Kanzlei 490 f.
Kapitel 65. 642.
Kapitel über die Bilder-
verehrung 324.
Kapitularien 280. 562.
Karantanen 456 ff.
Karl
d. D. 565, 1.
d. E. 565, 1.
d. Gr. 55,1. 58,3.69-472.
535.540. 563 ff. 578 f.
668 f. 673 f. 702. 746.
753 f.
d. K. 494—514. 521 f.
538f.543f.555.598,l.
607. 656. 679. 737.
EB.v.Mainz565,2.710.
747.
K. V. Burgund 516, 7.
Martell 12, 2. 121, 2.
445. 754, 8.
Sohn Karls d. Gr. 144.
Karl mann
Sohn Karls d.K. 598,2.
SohnKarlMarteIls3ff.
19. 53,4.340,2.364.
Sohn Ludwigs d. D.
599, 5. 749.
Sohn Pippins 74. 81 f.
Kärnten 457 ff. 465, 2.
689, 1.
Karolinische Bücher 105.
110. 316 fl\
Kastei 567, 2. 746.
Keba, Geba, A. 59, 1.
Kelch 268. 446.
Kierzy 23.
Kinzheim 216, 1.
Kirchbach 689, 6.
Kirchen: in Deutschland
718; im B. Freising
429, 2; im B. Münster
406, 6 ;im B.Osnabrück
413,2;imB.Strassburg
48, 1; im B. Utrecht
355,5 ; im EB. Hamburg
679; im EB. Salzburg
423,1; 691; in Franken
4, 2; in Kärnten 458, 2;
in Lyon 233,4 ; im würz-
burgerSlawenland342.
Kirchenbau 256 f.
Kirchenbauten 52,7. 56,3.
387.418 423.429.611.
621. 691. 715 f.
Kirchenbesuch 706. 714f.
Kirchengebet 91.
Kirchengerät 265 ff. 622.
724, 4.
Kirchengesang 34. 53, 1.
110. 253. 450.
Kirchengut 43 ff'. 211 ff".
388. 405, 5. 423. 451.
493 f. 522. 528 f. 543.
563. 625. 724.
Kirchenlehen 221. 543.
Kirchenstaat27f.33.77ff.
475 ff.
Kirchenvisitationen 233.
236 f. 24 1.689. 7 14. 733.
Kirchenvogt 232.
Kirchenzucht s. Buss-
wesen, Beichte, Dis-
ziplin.
Kirchheim 4, 3.
Kirchhof 387.
Kirchthürme 260.
Klassische Studien 132.
135. 605f. 611. 616 f.
634. 658. 663, 3.
830
Klerus, Zustände im 34,3.
89. 237 fl-.
Klöster und Stifter
Aachen : St. Maria 805.
Adalungszell 569. 799.
Alden-Eyk 805.
Aldrichszell 568. 798.
Altaich433.462.565,3.
594, 1. 689, 6. 691, 5.
809.
Altomünster 809.
Alt-Ötting 599, 5. 749.
809.
Altripp 715, 2. 800.
Aluwini Mons 599,3.4.
808.
Amönfburg 796.
Amorbach 377. 802.
Andenne 805.
Andlau 215, 3. 599, 5.
802.
Angouleme:St.Eparch.
574, 3.
Aniane 573, 6. 577 ff.
Ansbach : St.Maria571.
573. 802.
Arra9:St.Vedastl36,3.
265. 267. 5.
Auiml.<!engau431.808.
Augsburg: Domstift
594, 1. 797.
Auhausen a. A. 599, 3.
79«<.
Autun:St.Mart.594, 4.
Bangor 617, S.
Basel: Domstift 594, 1.
810.
Bassum 602. 810.
BaiigolfsmOnster 571.
803.
Baumerienbach 571.
802.
Beaulieu 808.
Bpnediktbenren 797.
Hfinken 569. 2. 799.
Berg 8. Haindling-
berg.
Klöster und Stifter
Bergh 128, 9. 369, 3.
566, 6. 805.
Bischofsberg 570. 796.
Bleidenstadt 566. 746.
796.
Bödekken 602. 800.
Bonmoutier598,2.808.
Bonn: St. Cassius u.
Florent. 566, 6. 804.
Brachau 599, 3. 4. 803.
Bremen: Domstift 810.
Bretigny 34, 3.
Brunshausen 601. 750.
799.
Buchau 799.
Bücken 602. 810.
Buxbrunn 594, 1.
Garden 748.
Chammünster 809.
Charroux 196.
Chelles 137, 5.
Chevremont 805.
Chiemsee: Herren-
wörth 202, 3. 416,5.
432.447.457.594, 1.
80H.
— Frauenwörth 432.
808.
Chur: Domstift 798.
Claroangus 801.
Coblenz : St.Ca8tor699.
748. 807.
Corbie 172. 277,4. 378.
491. 600. 673 f. 679.
Cormari 580.
Corvey 409, 4. 496, 9.
584, 3. 594, 1. 600.
664, 4. 674. 750.
800.
Cougnon 806.
Devent^r 352. 806.
Dijon, St. Seine 576 f.
Disentis 594, 1. 798.
Dif^ibodenberg 796.
Drilbeck 601 f. 799.
Durham 191.
Klöster und Stifter
Ebersheimmünster
215, 3. 694, 1. 801.
Echternach 123. 171.
202, 3. 389. 565, 3.
598, 2. 807.
Egmont 806.
Eichstätt: Domstift
798;St.Walburg798.
Einfirst49, 3. 571.802.
Ellwangen 418. 568.
594, 1.612.660.797.
Kino 8. St. Auiand.
Enfonvelle 808.
Engelbrechtsmünster
436. 809.
Erfurt: Domstift 796;
St. Severus 747. 796.
Erstein 215, 3. 599, 5.
802.
Eschau215,3.569.801.
Essen 599. 804.
Esslingen : St. Vital.
569. 799.
Etival 215,3 598,2.808.
Ettenheimniünster
48,1.215,3.594,1.801.
Faurndau 800.
Ferneres 128. 146.
Feuchtwangen 568.
594, 1. 797.
Fischbach 570. 803.
Flavigni 128, 9. 594, 4.
Foreste 175, 2.
Fo.sse 805.
Frankfurt : St. Salvator
599. 626, 2. 797.
Freckenhorst 602. 750.
806.
Freiaing : Donist. 594,1 .
809; St. Andreas 434.
809 ;Weihen8tephan
809.
FHtzlarl 69. 565,3. 796.
Fulda 4, 2. 6, 2. 57 f.
129.142,2. 169.214.
215,3.219.259,6.7.
831 —
Klöster urid Stifter j
265. 269 f. 275. 3.
277,4.377.381.499,2.
511.565,3.570.573.
590.594,1.610ff.664.
796.
Fulradsweiler 215, 3.
565, 3. 570. 801.
Füssen 797.
Gandersheim 602. 799.
Gars 431. 808.
Gemünden 807.
Gengenbacli 56. 593.
594, 1. 801.
Gent: St. Bavo 202, 3.
Gen-esheim 804.
Godesberg 566. 6. 804.
Gorze 55. 67, 5. 169.
594, 1. 598, 2. 807.
Granfelden 215, 3. 810.
Gunzenhausen572.798.
Haindlingberg 436.
809.
Halberstadt: Domstift
410. 594, 2. 798.
Hamburg: Domstift
679. 810.
Hameln 412. 805.
Hammelburg 802.
Haslach 215, 3. 594, 1.
801.
Heidenheim 170. 750.
798.
Heiligenberg 599, 4. 5.
802.
Helmstedt 412. 799.
Herbitzheim 807.
Herbrechtingen 565, 3.
568. 797.
Herford 601. 750. 800.
Herriedeu 463. 572.
594, 1. 798.
Hersfeld 58. 214. 224,1.
378. 410. 565, 3.
573. 599. 626, 2.
796.
Herzebrock 602. 806.
Klöster und Stifter
Hildesheim: Domstift
675. 799.
Hirschau599,3. 5. 801.
Hirschzeil 568. 798.
Hohenburg 215,3. 801.
Holzkirchen 565,3.571. '
802.
Honau211.6.215,3.801.
Hornbach 215, 3. 593.
594, 1. 598, 2. 807.
Hornburg 602. 799.
Hünfeld 570. 803.
Hupoldszell 569. 799.
Ilmmünster 435. 809.
Innichen437.458.810.
Johannisberg b. Fulda
599, 4. 5. 797.
Jonschwil 800.
Isen 416, 5. 425, 7. 435.
809.
Jumieges 57, 4. 666.
Justina 389.
Juvigni 599, 5. 807.
Kaiserswerth 368. 804.
Karlburg 4. 802.
Kar^bach 599,3.5.601.
803.
Katzis 798.
Kempten 499, 2. 568,4.
584, 4. 594, 1. 746.
749. 799.
Kessel h05.
Kesseling 807.
Kettenbach 599,5.807.
Kirchbach 433. 809.
Kitzingen 802.
Klingenmünster 202,3.
215, 3. 567. 594, 1.
626, 3. 746. 801.
Kochelsee 797.
Köln: Domstift 594, 1.
804; St. Cäcilia804;
St. Gereon 804; St.
Kunibert804;St.Ma-
ria auf d. K.804;St.
Martin 381. 804; St.
Klöster und Stifter
Severin 804; St. Ur-
sula 804.
Konstanz: Domstift
594, 1. 799.
Kornelimünster 581.
590. 599. 804.
Kremsmünster43o.446.
459. 462. 689, 6. 809.
Lammspringe 601.799.
Lauterbach 569. 799.
Leberau s. Fulrads-
weiler.
Lerinum 491.
Liesborn 806.
Limburg 599. 807.
Limoges : St. Martial
574, 5.
Lindau 599. 799.
Littemala 805.
Lobbes 574, 5.
Longuiou 806.
Lor8ch56. 67,5. 202, 3.
214. 215, 3. 265. 427.
565, 3. 573. 594, 1.
.599, 4. 796.
Lotusa 202, 3.
Lüttich: Domstift 805;
St. Lorenz 805.
Lützelau 799.
Luxeuil 215, 3. 432, 1.
Luzern 799.
Lyon: St. Martin 217,1.
233. 4. 580; St. Paul
217,1 :St.Peter217,l.
233,4; St. Ragnebert
217,1.233,4; St. Ste-
phan 217, 1.
Maggenzelle 49. 3. 802.
Maiuz: Domstift 796;
St. Alban 567. 672.
747. 796; Altenmün-
ster 747. 7 96; St. Ma-
ria 796; St. Nikomed
796; St. Viktor 170.
796.
Malmedy 598, 2. 804.
832 —
Klöstor und Stifter
Mannzoll 568 79it.
Marchtlial 569. 799.
Marseille: St. Viktor
211, 6.
Masmünsterl68.215,3.
570 810.
Mast rieht: St. Sevvaz
598, 2. 805.
Mattenzelle s. Einfirst.
Mattsee 483. 594, 1.
689, 6. 809.
Maurmünster 215, 3.
581.593.594,1.801.
Maximilianszelle418,3.
456. 457. 1. 808.
Megingaudeshausen
49, 3. 803.
Meppen 409. 676. 806.
Meschede 805.
Metelen 602. 806.
Metten 436.463.594,1.
689, 6. 809.
Mettlach 51, 3. 211, 6.
807.
Metz: Domstift 265, 2.
594, 1. 599,4. 807;
St. Arnulf 598,2. 807;
St. Glodo«ind 598, 2.
807;St.Martin598.2.
807; St. l'eter 807.
Michelstadt 177, 5.
260, 1.
Milz 265. 267, 3. 5. 570.
803.
Minden: Domstift 805.
Möllenbeck 602. 805.
Mondsee 192,4.202,3.
433.447.462.594, 1.
809.
Monheim 277, 4. 750.
798.
Monte Cafsino 164. 172.
355. 573.
Montierender 574, 5.
592.
Moosburg 435. 463.809.
Klöster und Stifter
Mosbach 594. 1. 803.
Moyen-raoutior 202, 3.
215, 3. 270. 598, 2.
808.
Münchsmünster 436.
809.
Münster :l>orastift406f.
805.
Münster i. Gregorien-
thal 215, 3. 573, 6.
594, 1. 810.
Münsterdorf 671. 810.
Münstereifel 748. 804.
Münstermaifeld 806.
Murbach 127. 170.
215,3.511.593.594,1.
810.
Murrhardt 803.
Neuenheerse 602. 800.
Neuenhof 568. 796.
Nenhausen 567. 802.
Neumünstor 599,5. 807.
Neustadt a.M. 57 1.803.
Neuweiler 593. 594, 1.
74«. 801.
Niederaitaich s. Alt-
aich.
Niedermünster i. Eis.
215, 3.
Niedernburg 433. 809.
Nivelles 805.
Noirmoutier 49 1.496,9.
Nottuln 407. 805.
Ochsenflirt 802.
OhrdruH 796.
Ölberg 833.
Orbais 650. 652.
Onnabrück: Domstift
806.
Osterhofen 433. 809.
Ottenbeuren568.594,l.
797.
Otting 418. 431. 808.
Ötting 8. Alt-Ötting.
Paderborn : Domstift
800.
Klöster unil Stifter
Paris :St.Gerniaind.Pr.
216.
Passau: Domstift 809.
Pcrachtoltszell 569.
799.
Petersberg b. Fulda
599, 4. 5. 623. 803.
Pfäfer8 511. 593 f. 798.
; Pfatfmünster 436. 809.
Pfalzl 345. 807.
Pferdmund 810.
! Pisendorf 431. 808.
Poitier8:St.Hilar.574,3;
St. Maixent 593.
Polling 797.
Prüm 2 14. 565, 3. 594,1.
i 663 f. 807.
Quedlinburg 601, 4.
Radolfszell 748, 7. 800.
Raitenhaslach 808.
Ramesloh 680. 802.
Kasdorf 570. 622. 803.
Ratpotszell 568. 799.
Ravenna: St. Severus
747.
Regen8burg:St.Emmer.
428. 436. 463. 565, 3.
691, 5. 809; Marien-
kapello436,5.599.5.
810; Niedermünster
436. 809; Obermün-
stor 436. 809.
Reichenau 59. 170.
202,3.511.573. 590.
593— 612.615tf.656.
748 f. 799.
Remiremont 590. 593.
807.
Retel 807.
Hewin 805.
Rheinau 599. 748. 799.
Ridigippi (?) 602. 799.
Rindj.ach 433. 809.
Roding 599, 5. 810.
Rohr 599, 5. 803
Rott 433. 809.
— 838
Klöster und Stifter
Ruetten 805.
Saal 599, 3. 4. 803.
Säckingen 799.
Salmünster 599, 4. 5.
797.
Salona s. St. Privat.
Salzburg: St. Peter459.
594,1.808; St. Maria
808.
Sandau 797.
St Aignan 202. 3.
St.Araand202.3.259,6.
420. 424. 574, 3. 592.
StAvold 56, 5. 67, 5.
215, 3. 259, 6. 277. 4.
807.
St. Bertin 148 f.
St.Denis 3. 6, 2. 12. 22.
44,1.68.95.158.211,6.
215, 3. 259, 6. 418.
427, 7. 508. 569, 3.
574, 3. 589. 593. 750.
St. Die215,3. 598,2.808.
St. Florian 432 f. 809.
St.Ganen59f.l69.214f.
215,3.259,6.7.260,1.
270.277.4.511.594.1.
599,4.612.617 f.661ff.
666, 5. 749. 799.
St. Germer de Flay 196.
St. Goar 806.
St. Hubert 599. 5. 747.
805.
St. Josse s. M. 128, 5.
St. Maur des Fosses
575, 5.
St. Maurice 61.
St. Mesmin 580.
St. Michael in Fulda
611, 1.
St. Mihiel 641, 2. 808.
St. Omer 148 f.
St.Pilt215,3. 570,2.801.
St. Polten 434.
St. Privat 375, 2. 566.
807.
Hauck, Kirchengeschichte
Klöster und Stifter
St. Riquier 136, 3. 175.
259,6.7.270.277,4.
598, 1. 746, 6. 748.
St. Sabas 333.
St. Sigmund 215. 3.
St. Trond 805.
St. Viktorsberg 599, 4.
800.
S.Vincenzo 138.573,6.
St. Wandrille 7. 168.
211,6.216.270.574,3.
590.
Schännis 599, 5. 798.
Scharnitz 425,7. 426,1.
2. 434. 809.
Sclieftlarn 427, 5. 434.
809.
Schienen 569. 594. 1.
746. 799.
Schiedorf 426,2. 427,1.
434. 809.
Schliersee 435. 809.
Schlüchtern 803.
Schönau 436. 809.
Schornsheiui 567. 796.
Schuttern 215, 3. 593.
594, 1. 801.
Schvrarzach, D. Strass-
burg215,3. 593. 801.
— D. Würzburg 49, 3.
571. 803.
Seligenstadt, D.Mainz
180.260,1.261.594,1.
599,5.605,4.747.796.
1 — (Osterwiekj 410.
I Sens: St. Peter, St. Jo-
hannes, St. Remig.
575, 5.
Senones 202, 3. 215, 3.
598, 2. 808.
Sieverstadt 797.
Soissons: St. Medard
747.
Solnhofen 261. 277, 4.
798.
Solothurn 810.
U. 2. Aufl.
Klöster und Stifter
Spalt 572. 798.
Speier : Domstift 594. 1 .
800.
Stablo 598, 2. 805.
Staflfelsee 214. 219, 1.
265. 267, 3. 5. 797.
Stettwang 568. 797.
Strassburg: Domstift
594, 1. 801; St. Ste-
phan 215, 3. 569.
594,1. 801; St. Tho-
mas 215, 3. 801.
Surburg 594, 1. 801.
Süstern 598, 2. 805.
Tauberbischofsheim
170. 802.
Tegernbach 435. 809.
Tegernsee 416, 5. 434.
809.
Thierhaupten437.797.
Tholey 598, 2. 806.
Thourout 678 f.
Toul: Domstift 807; St.
Evre 598, 2. 599, 5.
808; St. Germain
598,2.599,3.808; St.
Martin 598,2. 808;
St. Peter u. Mansuet
808.
Tours : St. Martin 128.
130.148f. 168.204,4.
216. 262. 574, 4.
Traunkirchen 809.
Trier: Domstift 806;
Öhren 598, 2. 806; St.
Eucharius 806; St.
Maria ad ripam 806 ;
St. Maria maior806;
St. Martin 806; St.
Maximin214,7.598,2.
806; St. Paulin 806;
St. Symphorian 806.
Troyes: St. Lup. 128.
Trudpertszell 799.
Tufers 798.
Turholt s. Thourout.
53
— 834
Klöster und Stifter
Ursanne 810.
Ursel Ö99, 4. 707.
Utrecht: Domstift 171.
344.353,2.565,3.806;
St. Salvator 806.
Verden. Dorastift 802.
Verdun, Domstift 808.
Visbeck 409. 413. 676.
806.
Vreden 750. 806.
Wanc^heim 570. 803.
Weilburg 599. 807.
Weissenburg 47, 3. 4.
202, 3. 214 f. 215, 3.
271.594,1.612.616,1.
800.
Welanao s. Münster-
dorf.
Weltenburg 436. 809.
Werden 277,4. 407.411.
511. 566. 804.
Wessobrunn 797.
Wiesen-steig 599,5 800.
Wildeshausen 601. 750.
806.
Windhausen 601. 798.
Worms: Domstift 802.
Wunstorf 602. 805.
Würzburg: Domstift
802; St. Andreas 802.
Xanten 804.
York 124 f.
Zellingen 752. 803.
Zürifh : Frauen münster
215,3.594.1.599.799;
GrossmünRter 800.
Zurzach 594, 1. 800.
Kochergau 340, 2.
Koesfeld 244, 3. 406. 6.
Köln 54, 3. 208. 376. 559.
681 f. 711, 2. 722, 3.
Königsboten 225. 244, 2.
252. 279 f. 425. 428.
563.
Königshöfe in Haiem445 ;
in Franken 5.
Königshofen im rirabfeld
4,3. 5,2; im Taubergau
4, 3. 5, 2.
Königtum 111 ff. 497 ff.
Konkubinat 706.
Konrad ''
G. 598, 2.
I., K. 665, 8.
Konstantin
d. Gr., K. 327, 4. 459.
V., Kopronjmus 30.
308 f. 310, 5.
VI. , Porphyrogenitus
91,4.311 ff. 328 f.332.
P. 71 ft'.
Slawenmissionar695,2.
698 ff.
Konstantinische Schen-
kung 25.
Konstantinopolitan. For-
mel 255, 2. 331 ff. 659,5.
Konstanz 44, 3. 48. 59.
722, 3.
Konsulat 520, 4.
' Kotapert, Chorb. 469, 1.
Krankenhäuser 60. 277,4.
Kreuz 398. 724, 4. 738.
Kreuznach 4, 3. 5, 1.
Kreuzschlagen 738,5.755.
Kriegsdienst der Bischöfe
709.
Krönung u. Salbung 22f.
75.89,1.104.106.482,1.
513 f. 540.
Krypten 424.
Kunibert
n. V. Köln 376, 2.
B.unbek. Sitzes 102, 1.
Kuno, Chorb. 722, 3.
Kunst 257 ff. 424. 428.
610 ff. 617. 621.
Kyrie eleison 738. 751.
Lahn 381.
Laionäbte 598 f.
Lai.sa 381.
1 Landerich, Fr. 356.
Langobarden 14 ff. 73 ff.
Lantbert, A. 569, 5.
Lantfrid
A. V. Benediktbeuren
442, 2.
B.v. Sehen 624,4. 710,5.
Chorb. in Metz 748.
H. V. Alamannien 414.
Lanto, B. 624, 4.
Laragau s. Lerigau.
Latinus, Fr. 458.
Laubach 216, 2.
Lauffen 4, 3. 5, 2.
Lauwers 343. 354.
Lechfeld 445.
Leer 354, 5. 356.
Leidrad, KB. 181, 6. 190.
201,2. 233 f. 304 f. 580.
Leo
EB. v.Ravenna78.85f.
95, 1.
IIl.,d.Isamier,K.308,2.
IV., Chazarus, K. 310.
Nomenciator 482.
l.,P.42,4. 50. 256, 1.305.
111., F. 96ff. 208, 302f.
334. 408. 475 ff.
IV., P. 516 ff. 533. 540.
749.
Lerigau, Laras 383, 1.
390, 1. 413, 2.
Leuderich, Liuderich
B.V.Bremen 680,4.681.
]{. V. Würzburg 342.
Liafwin 348 f.
Limoges 234.
Lioba, Ä. 46, 2. 170. 567.
658.
Liobald, Fr. 198.
Lippe 376.
Litaneien 451,2.665.741.
Litania maior 563, 1.
Liudger, B. 155.171. 194.
201, 2. 202, 3. 244, 3.
346 f. 349 f. 354 f. 406.
668.
Liudolf, G. 602. 750.
— 835
Liutbert
B. V. Münster 603, 1.
624, 4. 710, 5. 750.
EB. V.Mainz Ö59. 661.
707, 4. 709 ti'. 722, 3.
734, 5. 769.
Liutburg 603.
Liutfrid,A.416, 5.432,1.
Liuthard. ß. 602. 710. 5.
711. 2.
Liutpram, Liupiam, Eß.
624, 4. 691. 749.
Liutprand
B. 624, 4.
K. der Langobai-den 15.
Liutward,B.666.4.712,2.
Looa 359 f. 362. 759, 5.
Lothar
I.,K.482.485.496ff.510ff.
514.516.521.540.565,
1. 598, 2. 622. 638.
IL, K.516,7. 543.545ff.
566, 6. 598, 2.
M. in St. Amand 196.
Ludmila 704, 1.
Ludwig
d.D., K.496.521f. 539.
544. 555.559.565,2.
598,2.599,5.617.623.
632, 1.656. 680 f. 689.
693. 701. 710. 754.
d.Fr.,K.174.341,7.409,4.
459,1.475ff.510.562ff.
575 ff. 599, 5. 622.
632, 1. 642. 669 ff.
722. 747. 754. 769.
1I.,K.512.514,1. 516,7.
517, 1. 533. 540.
d. K., K. 565, 1.
d. St. 598, 1.
Lügenfeld 504 f.
Lul
EB.v.Mainz44f.50.54,3.
56f. 67. 75, 7. 121,6.
170.8.171. 194.205.
346. 567. 746.
Jude 127, 2. 156.
Lupus
A. V. Chiemsee 432, 1.
457.
B.v.Chälons8.M.650.6.
Servatus, A.v.Ferrieres
8. Servatus.
Lurnfeld 458, 2.
Lutburc 391, 2.
Lüttich 51. 208, 2. 234.
377.
; Lyon 209, 1. 211, 6. 216.
233 f. 508, 8.
Madalhoh, Pr. 458.
Madalulf, Maler 269, 5.
Madalveus, B. 51, 5. 203,2.
333, 5.
Madalwin, Chorb. 463.
Magnus,Eß. 181,6.587,2.
Mähren 690 ff.
Mahthild, Ä. 752.
Maingau 176.
Mainulf 602, 11.
Mainz44f.56f.205ff.376.
608. 722.
Maioran, Pr. 457. 460, 1.
Malerei 260 ff. 425. 613.
617. 622. 647.
Manno
B. 442, 1. 453, 5.
Chorb. 722, 3.
Marcus
A. V. Fulda 58.
B. 617.
Mariasaal 458, 2.
Marin 32.
Marius Victorinus 289, 2.
Markhelm 345. 349.
Märkte 275.
Markuwin 345.
Markward
A. V. Prüm 501. 599, 5.
614. 619. 663. 748.
B. V. Hildesheim 686.
Martin
Alkuinschüler 151, 2.
B. V. Tours 574.
Märtyrer in Sachsen 388.
401.
Martyrologien 666.
Mastulo, B. 428, 10.
Matfrid, G. 494. 510, 7.
Matricularii 66.
Matto, Manto, G. 49, 3.
Maxentius, B. 181, 6.
Megenfrid 467, 2.
Megingoz, Megingaud
B. V. Würzburg 41, 8.
49 f. 67. 75, 7.
G. 49, 3.
G. 598, 2.
Meginhart
A. in Tegernsee 416, 5.
L. in Fulda 659.
Meingaz, B. 675, 5.
Melchisedek 536.
Meldorf 679, 2.
Meirichstadt 4, 3.
Merowinger 12. 49.
Mes.se 254. 644 f. 665. 723;
slawische 698 ft'.
Methodius, Eß. 695, 2.
698 ff.
Metropolitanverfassung
39.53.111. 113,3.205ff.
Metz62ff. 68.203,2. 220.
222. 1. 432, 1. 508. 543.
Michael
EB. V. Ravenna 78.
IL, K. 486.
III., K. 538. 698.
Michelnstadt 48.
Migetius 283 ff.
Milo
A. v.Ottenbeuren568,8.
B. v. Trier 51.
Milret, B. 45.
Minden 208, 2. 390 f. 405 t.
Miniaturen 262.
Modena 565, 1.
Modestus 152, 2. 457.
605, 2. 610, 4.
Moduin, B. 151, 3. 501.
Moimir, H. 690. 694 f.
53*
— 886
Monatskonferenzen der
Kleriker 720.
Mönchtum39ff..i6ff.l44.
281. 4:)2. r,6.S tf. 642 f.
Möngal, L. 617.
Moosburg in Pimnonioii
691.
Montier on Tarantaiso
113, 3. 207, 6. 2U9, 1.
Mulachgau 340, 2.
Miinnerstadt 267, 3. 5.
Miinster208,2.406f. 608.
Murhacher Hymnen 191,
4. Statuten, sog. 579,3.
582, 3. 589.
Murboden 458, 2.
Muspilli 759. 766.
Xarbonne 209, 2. 211, 6.
Nargaud. M. 169.
Natur wiBsen.schaft 135.
636.
Neckarau 715, 2.
Neckargan 340, 2.
Neitra 691.
Neuljurg a. D. 453 f.
Neunte 224. 563, 3.
Nibelung 121.
Nicänum 332. 659, 5.
Nier.stein 4, 3. 5, 1.
Nifrid, Nebridin.s, EB.
209,2. 211,3.305.592.
NikolaiLsI., P.533f..'i49ff.
682. 693. 698 f.
Nithard
(ieHchiflit.ssclireilier
174,H. 175,4.470.607,
schwed. .Mi.ssionar 680.
Nonne v.lleidenheim 170.
Nonnen9, 2. 41,6. 452, 2.
593. 707.
Nordend i 390, 1.
Nordfrid, Pr. 682.
Nordgau, bair. 340.
Nordthiiringgau 366.
Nortalbinger 37H. 382.
400f.4u3.4n5.677.768.6.
Northumberland 369.
Nothing, li. 652, 4. 653.
Notker d St. 618. 662 f.
665. 666, 5.
Oberbollingen 569, 2.
Oberraiirsberg 371, 1.
Oblati 187, 1.629. 649.
Odelin, A. 581, 4.
Odilbert, EB. 181, 6.
Odilo, H. 414. 433. 435, 2.
456.
Oduin 151, 2.
Offa, K. 128, 5.
Ohrnm, Orhaira 382, 2.
Ökonom, bisch. 709.
Olaf, K. 683.
Ölung, letzte 248. 724.
Onias 137, 3. 151, 2.
Oportunus,A.433,3.442,2.
Ordination 238. 451, 1.
Orleans 234.
Osbald, Chorb. 469, 1.
689, 4. 708, 4. 722, 3.
Osnabrück 208.2.377.409.
675 f.
0.starstun]tha 5, 1.
Oßterwi.ik 410.
Ostfalen 372. 377. 409.
677.
Ostfranken 4 f. 340, 2.
Osulf 15], 2.
Otfrid 612, 2. 619 f. 723.
767 H". 772 H'.
Otgar
B. V. Eichstädt^624, 4.
694, 6. 710, 5.
EB. V. Mainz 185, 3.
224, 1. 510. 522, 8.
564,6. 60X.3. 624.672.
714, 1. 731. 747.
Otherc 662, 3.
Otmar, A. 60. 277, 4.
660.
Otto
Chorb. 469, 1. 722, 3.
H. V. Sarhsen 599.
Paderborn 101.377. 379.
408. 565, 1. 7.50.
Palästina 333.
Panoas 321.
Papsttum 8tl'. 34 f. 100 f.
109ff.308tt". 326. 475ff.
488 f. 498 ff. 514 ff. 527.
532 ff. 560.
Papstwah! 30. 96. 485.
518.
Paschalis
Nomcnclator 97 ff.
I., P. 481. 670 f.
Passau 234.461. 465. 689
695. 704. 722, 3.
Pas-sionsgottesdienste
738, 9.
Pastoralan wei.><ung, sog.,
V. Neuching 448, 2.
Patenschaft 272.
Paternus, Glockongiesser
724, 4.
Patriciat 21 f. 85 ff.
Patto, Spatto,Pacifionus,
A., B. 378, 1. 390.
Paul
Afiarta 78. 82.
B.v.Ancona702,6.703.
D.158f. 191.246f. 596.
744.
I.,P. 23, 1.28 ff. 70. 194.
309 f. 443, 4.
Paulinu.s, i'atr. 95. 117 f.
156 f. 243, 3. 298. 302.
306. 331 f. 464 f. 467.
596, 1. 665.
Pavia 83.
Pegnitz 340.
Peppo, i;. 51. 5.
Perahtcoz, A. 442, 2.
Peter
A. V. Nonaninla 181, 2.
A. V. Keichenau 59, 1.
B.v.Verdun90,4.201,2.
202.
EB. V. Mailand 95.
V. Pisa 127. 155 f. 163.
837
Pettau 703, 4.
Pfarrbezirke 450. 7 14 ff.
Pfarrhaus 217.
Philipp, M. 73.
Photius, Patr. 698 f.
Pippin
d. Höckerige 158.
K. 3 ff. 18 ff. 52 f. 55, 1.
57.60,2. 68.71. 120f.
194. 227. 253. 309 f.
343 f. 414. 443. 457.
570.
Sohn Karls 461 ff.
SohnLudwigs496.509.
Pippinische Schenkung
27.
Pirmin, A. 169 f.
Plattensee 690.
Poeta Saxo 191. 664, 4.
Poitiers 162, 4.
Pongau 455.
Ponthion 20.
Populonia 93, 4.
Possessor, B. 95, 1.
Potho, A. 90, 3. 97, 4.
PrachthandschriftenllO,
3. 194. 196, 1. 2.
Prädestination 640 650 ff.
Predigt66.240ff. 273.467.
621. 624, 5. 634. 644.
714. 723 ff. 762.
Predigten, anonyme 245,
1. 393 ff. 468. 738, 11.
Prekarien 530.
Priester237ff.451,1.723ff.
Pri-wina, Slaw. Füi'st 690.
Probus, L. 609.
Prosselsheiüi 5, 1.
Provinzialsynoden 235.
Prozessionen 98. 563, 1.
Prudentius 191. 663, 3.
Pseudoamalar 392, 3.
Pseudoathanasius 164, 8.
Pseudodionysius 535, 8.
Pseudoisidor 522. 531 ff".
542. 557, 3. 772, 4.
Pusterthal 458.
Qu atemberf asten 724.
Rabigaud, A. 95, 1.
Radbert, Ratpert
L. in St. Gallen 618.
661 f. 665. 752.
Paschasius, A. 172, 2.
503. 663.
Radenzgau 340 f.
Rado, A. 136, 3. 172.
Radolf, Ratolf, Rathold
, B. V. Strassburg 511.
548,10.553,3.710,5.
B. V. Verona 800.
Raganard 151, 2.
Raganbert,B.223,5.234,2.
Raginald, H. 87. 95, 1.
Raginar, Reginhar
B. V. Passau 433, 7.
G. 598, 2.
I Raginperht, A. 435, 4.
Rangau4, 8. 49, 3. 340,2.
571, 5.
Rastislav, H. 695 ff.
Ratbod, Radbod
B. V. Utrecht 727, 1.
EB. V.Trier 712, 2.3.6.
G. 690.
Ratchis, K. 15. 159, 2. 3.
Ratgar, A. 224, 1.269. 570.
590. 605. 610, 4. 621.
Ratieie, A. 605, 4.
Ravenna 16. 24. 85 f. 89.
107, 1. 257.
' Regensburg 612. 694.
722, 3.
I Reggio 201, 3.
Reginald, Chorb. 608, 8.
626, 1.
Reginbald, Chorb. 722, 3.
725, 3.
Reginbert, Reginperht
A. V. Moosburg 442, 2.
Gründer des Kl. Schar-
nitz 434.
L. in Reichenau 590, 5.
615 f. 619.
Reginhar. Chorb. 722, 3.
Regino 663 f. 723. 735.
Reginolf, Pr. 752.
Reichsteilung (806) 107,1.
Reichsversammlungen
757 Corapiegne 34, 2.
35, 1.
777 Paderborn 210, 1.
375.
780 Lippspringe 210,1.
782 Lippspringe 382.
786 Worms 210, 1.
788 Ingelheim 445.
789 Aachen 210, 1.
792 Regensburg 210,1.
295.
794 Frankfurt 210, 1.
797 Aachen 210, 1.
403.
802 Aachen 280.
813 Aachen 211.
815 Paderborn 600.
822 Attigni 493, 606.
670.
828 Aachen 495. 497.
528.
829 Worms 606.
830 Compiegne 496, 5.
830 Nimwegen 496.
831 Aachen 496 f.
845 Paderborn 681.
857 Worms 682, 1.
Reliquiar 268. 750, 12.
753, 1.
Reliquien 333. 416. 426.
658. 660. 680. 745 ff
753.
Rembert, B. 675, 5.
Remigius, Remedius
B. V. Chur 227, 3.
B. V. Rouen34,1.54, 4,
253.
B. V. Strassburg 570.
Rheims54,4. 207.209, 1.
211,6.215,3.217.220.
377. 508, 8.
Ribe 684.
— 838
Ricburg, Ä. 601.
Ricdag, G. 601.
Kichar, B. 704, 2.
Richardis. K. 599. 5.
Richbert, L. 61f<.
Richbod, Kicbod, B.56,3.
151,3.202,3.208,3.302.
Richildis, K. 599, 5.
Ricult; Richolf
EB.v.Mainz58,3.151,3.
206, 1. 207. 211, 1.
567, 2.
EB. V. Köln 171.
Sachs. Märt. 401.
Riedfeld 5, 2.
Rigbold, Chorb. 652.
Rihpald, P^zpr. 700.
Rimbert, Eß. 564, 4. 602.
669, 3. 673, 2. 685 ft'.
710, 5. 712. 1. 726, 4.
Riustri 390, 1. 672, 1.
Roadhart, A. 442, 2.
Rodtrud. Rotrud 137, 5.
312.
Roermond 369, 3.
Rolland, EB. 518, 5.
Roml6.70tf.83.91. 94.127.
129. 257. 517.
Romanus, B. 47, 1.
Römischer Dukat 27, 2.
Rorich 401.
Roi-ellä 93, 4.
Rotchar, M. 753.
Rothad, B. 541. 542, 4.
Rothar, G. 196.
Rothonhof 5, 2.
Rutirar, G. 102, 1.
Rouen 207. 209, 1.
Rozilo, B. 47, 5.
Rnadholm, A. 616.
Rudolf
B. V. VViirzburg 565, 2.
712. 6.
L. in Fulda 362. 613.
621. 658.
Rnfinus 195.
Ruodolt, G. 709.
Rupert, Ruopert
B. V. Salzburg 417.
G. 56, 3.
Ruthar, A. 611, 1.
Saalegau 49, 3. 340, 2.
Sabbatfeier 399.
Sabbutinus 748, 1.
Sabinerland 93, 4.
Sachsen 275,3. 349. 354 f.
360 ö\ 664. 686. 715.
750 f.
Sachsenkriege 370 ft".
Sakramentarl42, 2. 253 f.
— gregorian. 254. 665, 1.
Salacho, G. 690.
Salbung s. Krönung.
Salomo
L, ß. V. Konstanz 69, 3.
624, 4. 682. 710, 5.
769.
IL, B. V. Konst. 609, 5.
734, 5.
m.,B.v.Kon.st.618.706.
709. 712, 6.
Chorb. 469, 1.
Salz 5, 1. 404, 4.
Salzburg 61. 207 f. 222, 1.
417 ff. 424. 461 ff. 465.
689 S. 722, 3.
Saizburjrgau 423.
Samo 456.
Samuel, B. 151,3. 152,1.
511. 611 f. 624, 4.
Santhrat 751, 2.
Sarkopliiign 266.
Satisfaktionen 767 f.
Saxnote 392.
Schauspiele 625, 5.
Schleswig 674, 4. 675, 2.
6H3 f.
Schnaittach 340.
Schönefeld 679, 2.
Schreiben 121, 6.
Schrift, h. 136. 193.
633 f.
Schuld, offene 255. 729.
Schulen, im allgem.l68ff.
185 ff. 236. 450. 583.
618 ff'. 661, 5.
einzelne: Anianel90, 2.
Biscbofsberg b. Ful-
da 570, 4.
Corvey 618.
Echternach 171.
Ferneres 614.
Freising 618.
Fritzlar 169.
Fuldal69.610ff.619.
Gorze 169.
Hamburg 679.
Hofschule 121 f. 147.
168. 185 f. 262. 604.
Holzkirchen 571, 3.
Hünfeld 570, 7.
Köln 608.
Konstanz 608.
Lyon 190.
Mainz 608 ff.
Metz 65. 145. 190.
Münster 407. 608.
Murbach 170.
Prüm 614. 619.
Rasdorf 570, 5.
Reichenau 170. 185.
615 ff-.
Salzburg 146. 422,
St. Gallen 169. 186.
617 ff.
St. Riquier 189.
St. Saturnin 190.
St. Wandrille 190.
Stablo 614.
'lauberbiscIinfHlifiiii
170.
Thourout 679.
Tours 168. 186. 610.
Utrecht 171. 347.
Vcrdun 608.
Weissenburg 614.
Würzburg 609.
York 126 f. 171.
Schwaben 403. 568. 715.
748 f.
839 —
Schwaigern 4, 3.
Schweden 669. 675. 678.
680. 683. 686.
Sorot, G. 569, 5.
Seelenmessen 768.
Seelsorge 248 f. 625, 4.
724 fl'. 726, 1.
Segenssprüche 755 ff.
Selbstmord 707.
Sendgericht 733 ff.
Sendzeiigen 734.
Sens 54, 4. 207. 209, 1.
Sequenzen 666.
Sergius
EB. V. Ravenna 78.
Legat 437, 4.
II.. P. 512.
III., P. 687, 3.
Römer 73. 79.
Servatus Lupus, A. 151,3.
519,5.596. 605.608,1.
609 ff. 6 19. 627,2. 650,4.
Servius Honoratus 649, 3.
Sichar, EB. 587, 2. 1
Sidonius
B.V.Konstanz 48. 59 ff.
B. V. Passau 427.
Sigehard, A. 694, 6. |
Sigibod, Pr. 347. '
Sigiburg. Syburg372.874.
Sigidio, A. 442, 2.
Sigifrid, A. 436, 6.
Sigihard, Chorb. 722, 3.
Sigimund, B. 712, 6.
Siginand, Maler 598, 2.
Sigirich, B. 428.
Sigulf, Vetulus 137, 2.
145 ff.
Silach 568, 8.
Silvesterlegende 320.327.
Simon, B. s. Gozbert.
Simon, d. Stylit 320.
Simonie40. 89 f. 62.5,4.5.
Simpert, Sintpert, Sind-
bert, A. V. Murbach ,B.v.
Neuburg u. Augsburg
453, 5. 454. 579, 3.
Simpert, Sintpert, Sind-
bert, B. V. Regensburg
428. 442.
Sirmium 700.
Sklaven 89. 359.
Skulptur 264 ff.
Slawen 339 ff. 382. 400.
419. 454 fl'. 686. 688.
736, 3.
Slawenkirchen, Würzb.
218. 240. 342.
Slovenische Sprachdenk-
mäler 468.
Smaragdu8,A. 23, 1.118.
335. 641 f.
Soissons 506.
Sola, Sualo 660. 665, 8.
Sonderhofen 4, 3.
Sondheim 217. 4.
Sonntagsfeier 40. 241.
274f. 358. 387. 441. 724.
738.
Sorben 688.
Spanien 164 f. 282 ff.
Speier47.215.3.217.222,l.
658, 1.
Spital b. Villach 458, 2.
Spitäler 60. 277, 4.
Spoleto 24, 1. 31 f.
Staffelstein 340, 1.
Stephan
B., Legat 297. 329.
IL, P.16 ff. 52. 75. 308, 4.
344.
IIL, P. 73 ft\ 7.50.
IV., P. 327. 478 ff'.
V., P. 687, 3. 722, 3.
Stöckenburg 4, 3.
Stolgebüren273,4.717,l.
Rtormarn 679, 2.
Strassburg 47. 61. 215, 3.
217. 499, 2.
Stundengebet 274. 723.
Sturm, Styi-mi, A. 7. 57.
76, 4. 169, 5. 269. 379.
381. 444.
Suaterloh, Chorb. 722, 3.
Suidberct, Suidbert
B. V. Verden 391, 1.
Missionar 367.
Suitgar, G. 414.
Sündenbewusstsein 141 f.
629. 642, 8. 650 f. 727.
763 ff. 773 f.
Sundergau 429, 1.
Sunderold, EB. 565, 2.
659, 2. 712, 5.
Swarnagal, Pr. 692.
Swatopluk 691, 1. 696 ff".
701, 1.
Symeon , Sangmeister
34, 1.
Synodalwesen35.38f.113.
209 f. 451, 1.493. 521.
532. 536 f. 710 ff.
Synoden
731 Rom 308, 2.
743 Lestinnes 398, 2.
740— 750bair.S.unbek.
Orts 437 f.
um 750 Aschheim 439.
754 Konstantinopel
308.
755 Verneuil 35, 1. 36.
756 fränk. Syn. unbek.
Orts 36.
756 Verberie 36.
um 756 Aschheim 415.
439.
757 Compiegne 36.
762 Attigni 67.
767 Gentilli 310.
769 Rom, Lateran 49,2.
54, 4. 310. 327, 7.
um770 Dingolfing 441.
771Neuching61, 6.442.
772 Freising 453, 1.
774— 804 Passau 453,1.
777 Paderborn 210, 1.
375.
780 Lippspringe210, 1.
786 Worms 210, 1.
787. Nicäa H. 311 ff.
791 Cividale 399, 1.
— 840
Synoden
vor 792 Sevilla 286.
792 Re^ensburg 210,1.
295 f.
794 Frankfurt 110. 117.
128.204,2.207.210,1.
297 tf. 329 f. 746.
796 Cividale 117,3.306.
381.
797 Aachen 210, 1.
798 Rom, St. Peter 303.
798Riesbach447fl".718.
799Riesbach225.450ff.
799 Freising 450 ff.
799 Salzburg 450 ff.
800 Aachen 210.2. 304.
801 Aachen 210, 2.
802 Aachen 210, 1. 2.
280.
. 804 Regensburg 453,1.
804 Frei.sing 453, 1.
805 [ Freising ?J 452.
807 Salzburg 452.
808 Jerusalem 334.
809 Aachen 210,2. 335f.
809 Freising 453, 1.
810 Regen.'iburg 453,1.
810 Freising 453, 1.
813 Mainz 211.235,3.
281. 624. 746.
813Arlesl 13.2.211.281.
813Chalons.S.211.253.
281. 730.
813 Rheims 211. 281.
813 Tour.'i211.213.281.
? Nantes 716, 5.
814— 840 Reuen 720, 3.
734, 5.
816 Aachen 582. 710,1.
817 Aachen 582, 710,1.
818—819 Aachen 587.
710, 1.
825 Paris 331, 2. 487 f.
710, 1.
826 Ingelheim(?) 710,1.
829 Mainz 498. 650.
710. 1.
Synoden
829 Paris 497. 521, 3.
528 f. 710, 1. 730.
829 Lyon 498. 710, 1.
829Toulouse498.710,l.
829 Worms 606.710,1.
835 Diedenhofen 508.
710, 1.
836 Aachen 509. 524.
528 f. 562.597. 710,1.
723.
838Kierzy645f. 710,1.
843 Coulaines 522, 4.
844 Juditz 520 f. 528.
597, 3.
844 Toulouse 522, 4.
844 Verneuil 522, 4.
845 Meaux 522.
846 Paris 522.
847 Mainz522. 597.624.
681.718,4.731.7.35,5.
848Mainz.j22. 625.653.
681, 3.
852 Mainz 522. 706.
853 Rom 517, 2.
857 Mainz 710.
860 Aachen 546 f.
862 Aachen 548.
863 Metz 551.
863 Rom 551.
864 Rom 554.
867 Mainz 710.
868 Worms 710 f.
870? Regensburg 701 f.
873 Kr.in 711.
877— 7H Mainz 711.
887 Köln 7 1 1 f.
888 Mainz 712.
888 Metz 722, 4.
889 MiinKter 763, 2.
890 Forchheim 712.
892 Frankfurt 687, 3.
893 Metz 712.
895 Tribur687, .3. 712.
916 Hohenaltheim
713.
1058 Bamberg 342, 3.
Tanko. Tagko, Tanncho,
A., B. 378, 1. 406.
Tannkirchen 248,3.722,3.
Tara.sius, Patr. 325 f.
Tassilo,H. 57,4.414.426 ff.
572.
Tatian 664.
Tatto,L. 170,1.185.590,5.
615, 5. 616. 654.
Taubergau 340, 2.
Tauf bekenntnis 271. 633.
659, 5. 724.
Taufe41,6.254f.387.464f.
716. 724.
Tauffragen 181, 6. 255.
392. 757.
Taufkessel 266. 724, 4.
Taufkirchen 38. 451, 2.
716. 717,2. 719, 5.
Taufzeiten 465. 717, 1.
724, 1.
Tazzo, Tozzo, B. 47, 5.
454, 2.
Tello, B. 67.
Testamente 222.
Teufel 757.
Thätigesu. beschauliches
Leben 144 f. 159. 595.
642 f. 646 f.
Thegan, Chorb. 722, 3.
74.5, 6.
Theodor, Primic. 482.
Theodotus, Römer 81.
Theodrada
Ä. V. Soissons 172, 3.
Tochter Karls 571, 6.
Theodulf, Thiadulf
ß. V. Chur 712, 2. 6.
B. V. Como 95. 165, 4.
B. V. Orleans 116. 155.
164.181,6.188.202,3.
206.234,1.242.251.
277,4. 302. 335.491 ff.
521,4.580. 605.665.
Theophylakt
Archid. 28, 5.
B., Legat 297. 329.
841
Theotmar, Tbeodemar,
Thiadmar,Thiotmar,
Diatmar
A. v.MonteCassinol62.
573, 1. 4.
EB. V. Salzburg 691, 1.
696, 6. 703, 4. 704.
712, 2.
Chorb. 608, 3. 722.
Theti, G. 602.
Theudebert l.,K. 364.455.
Theutilde , Theotilde,
Thiadilde
Ä. 590, 2.. 593, 4.
Stifterin v. Frecken-
horst 603, 1.
Theutsind, A. 168.
Thiatbraht, Pr. 353, 2.
355, 5.
Thiaterd, B. 355, 5.
Thietberga, K. 545 tf.
Thietgaud, EB. 546 ff.
Thietlach, Theotelaus, B.
712, 6.
Thiota 754.
Thioto, Chorb. 722, 3.
Thomas, L. 605, 4.
Thonar 392 f.
Thousey , Vertrag v.555,2.
Thurgau 59.
Thüringen 339 f. 377, 3.
Tiburnia 455.
Tüpin, EB. 54, 4. 205.
Tischgebet 738.
Torahtbraht 46, 2.
Totenbund s. (Tebets-
verein.
Toto, H. 71.
Toul 51. 203, 2. 220.
Tours 209, 1.
Traismauer 464, 1. 690.
Translationen 416. 426, 2.
745 ff.
Traun gau 456.
Treueid 31. 7 1.91. 96.478 f.
514. 517.
— päpstl. 485. 502 f.
Trier 51. 54,3. 208.211,6.
220.222,1. 559.565,1.
.587. 722, 3.
Trinitätslehre 310.
Trinken zu Ehren derHei-
ligen 468. 663, 6. 752.
Troandus 571, 3.
Tschechen 693 f.
Tullifeld 340, 2. 571, 5.
TuUn, Friede von 692.
Tuotilo 662 f.
Tuscien 71.
Tutin 620, 4.
Tuto, B. 704, 2. 712, 6.
tlbersetzungen, deutsche
191 f.
Umstadt 4, 3. 5, 1.
Undrimä 458, 2.
Ungarn 686. 689, 1. 704.
Unglaube 705.
Unkenstein217,5. 218, 3.
Unmässigkeit 439. 707.
Unno 357.
Unsittlichkeit 439. 706.
Upkirika 348, 3.
Urolf, B. 427, 5.
Ursus, EB. 113, 7. 465, 2.
Utrecht 52. 344 ff. 355, 5.
376.
ütrhiustri 383, 1.
ütto 436, 3. 442, 2.
Valentin, Pr. 499.
Vallendar 748.
Vaterunser 271. 724. 743.
Velden 340.
Venedig 89.
Verbrüderung.sbuch 417.
453, 3. 739.
Verden 378. 384. 389, 1.
390. 406. 677. 681.
Verdienst 142,1. 727.767f.
775. 780.
Verdun 51. 203, 2. 220.
510, 5.
Verendarius, B. 501.
Hauck, Kirchengeschichte. II. 2. Aufl.
Viennelll. 207,6. 209, 1.
Vikariat, päpstl. 515 f.
Vira, Pr. 369.
Virgil
B. V. Salzburg 61. 417.
442. 1. 457.
Dichter 132, 6. 611, 8.
614. 617.
Vitalis, B. 455, 3.
Vitruv 259. 616.
Volkfeld 49, 3. 340 f.
Volksgesänge 185.
Volksunterricht 187 f.
Voschisus 51, 5.
Wadilcoz, M. 615.
Wahlprivilegien 201.565.
573.
Waifar 44.
Wala,A.184.491tf.497ff.
529. 564, 6. 600 f. 674.
Walahfrid Strabo511,2.
605. 612, 3. 614. 616.
653,3. 654 ff. 660. 665.
752.
Walaho 598, 2.
Waldbraht 750.
Waldburg 603.
Walderich, Waltrich
B.v. Passau 427. 453,1.
Stifter v.Scheftlam434.
Waldibert 73.
Walde
A. V. Reichenau 615.
B. V. Basel 202, 3.
B. v. Freising 620, 2.
704, 2. 712, 2. 6.
Waldrada 545 ff.
Waldramnus 151, 2.
Waldsazzin 49, 3. 340, 2.
Walküren 756.
Wallfahrten 40. 168. 333.
666. 752.
Wallonen 403.
Waltbert, G. 601.
Waltcaud, B. 599, 5. 747.
Waltgar, B. 624, 4.
54
— 842
AValtung, 11. 459.
Wandalbert, M. 660.
666, 5.
Wanderbischöfe 37.41,6.
230.
Wando, A. 195.
Wanga 390, 1.
Wangheitn 49, 3.
Warin, A. 584.3.601.750.
AVaruiann, I'r. 458.
Wehrgeld 237, 3. 359, 3.
Weissenburger Katech.
271 f.
Weltende 166.
Wenden s. Slawen.
Wenilo, EB. 547, 7.
Weomad, Viomagus, B.
44, 3. 51. 54, 3. 205, 5.
Werd i. Rh. 60.
Wemher, B. 569, 7.
Werinbert,M.612,4.769.
Werngau 49, 3. 340, 2.
Wessob runn er < 1 ebet740.
Westergau 429, 1.
Westfalen 372 f. 380. 409.
Wettin, L. Hl 6. 654 f. 754.
Wibert, Wicbert, Wig-
bert, Wigberht
A.v.Wilde6hau.'<en601.
B V. Hiiaesheini712,2.
5. 6.
B. V. Verden 712, 5.
Pr. 369.
Wiborat 596, 5.
Wichram, L. 618.
Wicterp, B. 453, 5.
Wido
A.v. St. Wandrille 44,3.
168. 195.
G. 140.
Widnkind3KO.382ff.400.
601.
; Wiener Wald 689, 1.
Wigmodia 382.389.390,1.
• Wigrat 568, 3.
Wiho, B. 675, 6.
Wijk 348.
Wikker, G. 602.
Wilhelm, G. 7ß4, 3.
Willand.sheim 4, 3. 5, 2.
Willefrith, Pr. 46, 3.
Willehad, B. 344,3. 350fiF.
354. 369. 381 f. 388 ff.
Willerich, Wilirich, B.
390.4.405.501.671.677.
Willibald
B. V. Eichstädt 48. 67.
341, 3.
Kanoniker v. St. Victor
170.
Willibert,EB. 559. 564,4.
711, 2. 712, 1. 2.
Willibrord 171. 349.
Willihar, Wilchar, Wul-
char
B. V. Sitten 62.
EB.v.Sens 54,4.75. 205.
284.
Williswind, (itin 56, 3.
Wilmundingen 218, 3.
Wiip, Wulpen 349.
Wilzen 400. 688.
Windsheim 4, 3.
Windisch Matroi 455.
Wingartoiba H40, 3.
Winidhar, M. 169.
Wiro 369, 3.
Wi8urich,B.427,3.442,l.
Witgar. B. 609, 5. 661.
710, 5.
Witiza 8. Benedikt v.
Aniane.
Witto, Wizzo, Candidus
137, 3. 146 ff. 422.
Wodan, Wuotan 392 f.
756 f.
, Wohlthätigkeitsanstal-
ten 277.
Wolcanard, A. 436, 5.
> 442, 2.
Wolfger, B. 224, 1.341,7.
I Wolfgrin, Chorb. 722, 3.
I Wolfhard
B. V. Minden 686.
I M. in Herrieden 666, 5.
f Wolfhelra, Wulfelin, B.
I 712, 1. 5. 713, 2.
Wolfold, B. 521, 4.
Wolfpreht, A. 442, 2.
Worms 47. 222, 1. 499.
565, 1.
Wulfad, EB. 544, 7.
i Wulfar, EB. 203, 2.
Wunderglaube 658 f. 674.
742 ff.
Wurt 739. 778, 5.
Würzburg 4. 222, 1. 341.
877. 403. 408.
Ymma 590, 2.
York 126 f. 171. 347 f.
Zacharias
ß. V. Sehen 704, 2.
P. 8. 13.41.226.308,2.
340, 5.
Zauberei 396 f.452,3.760 f.
Zehnten 5. 222 f. 225 f.388.
401.440.452.625,4.5.
707 f. 716. 725. 1.
Zehntstroit, Osnabr.
409, 4.
Zinsen 451, 1.
Zollfeld 458, 2.
Zürichgau 59.
Zweikampf 741, 1. 3.
Zwentibald 598, 2.
Druck von Hartmann ä: Wolf in Leipzig.
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