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Full text of "Klio: Beiträge zur alten Geschichte"

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BEITRÄGE 
ZUR ALTEN GESCHICHTE. 



In Verbindung mit 

J.Beloch, Rom, C. G, Brandisjena, G, Busolt, Göttingen, R. Cagnat, Paris, 
A. V. Domaszewski, Heidelberg, W. S. Ferguson, University of California, 
F.K.Ginzel, Berlin, F. Hiller v. Gaertringen, Berlin, F, Haverfield, Oxford, 
Chr. Hülsen, Rom, J. Kaerst, Würzburg, J. Kromayer, Czernowitz, 
P.M.Meyer, Berlin, B. Niese, Marburg, R. Nordin, Karlstad, E.Pais, Neapel, 
R. Pöhlmann, München, M. Rostowze w, St. Petersburg, R. v. Scala, Innsbruck, 
O. Seeck, Greifswald, K. Sethe, Göttingen, G. Steindorif, Leipzig, 
H. Swoboda, Prag, C. Wachsmuth, Leipzig und Anderen 

herau>s<egeben von 

C. F. Lehmann, und E. Komemann, 

a. o. Professor der alten Geschichte a. o. Professor der alten Geschichte 

an der Universität Berlin. an der Universität Tübingen. 



Vierter Band. 




Leipzig 

Dieterich\sche Verlagsbuchhandlung 



Theodor A\eicher 
1904. 



INHALT. 

Seite 

FABIA, PH., La lettre de Pompeius Propinquus k Galba et raveneinent 

de Vitellius en Germanie 42—68 

FKRGUSON, W. S., The Oligarchie revolution at Atheus of the year 

103/102 B. C 1—17 

FRfES, C, Griechisch-orientalische Untersuchungen. I. Homerische Bei- 
träge. B. Mythologische Zusammenhänge 227—251 

HERRIilCH, H., Die antike Überlieferung über den Vesuv-Ausbruch im 

Jahre 79 209-226 

HIRSCHFELD, 0., Der Endtermin der Gallischen Statthalterschaft Caesars 77—88 

HOECK, AD. t, Zur Geschichte des Thrakerkönigs Kotys T 265—269 

HOLZAPFEL, L., Die Anfange des Bürgerkrieges zwischen Caesar und 

Pompejus. IL III 327—382 

KERAMOPULLOS, A. D., Die eigenhändigen Unterschriften in den 

delphischen Freilassungsurkunden 18—28 

KIEPERT, H., Der Sirbonis-See 99-101 

KORN EM ANN, E., Nochmals das Monumentum Ancyranum 89—98 

LEHMANN, C. F., Bestätigung der Lösung eines Hauptproblems der 

antiken Chronologie vor Nabonassar 111—115 

Ein mißverstandenes Gesetz Hammurabis 32—41 

LEHMANN, C. F. und KORNEMANN, E.,^Mommsens Vermächtnis (mit 

einer Tafel und drei Abbildungen im Text) I— VI 

MEYER, P. M., Schrift und Unterschrift in den griechischen Kontrakten 

der Ptoleraäerzeit (Exkurs zu KeramopuUos' Abhandlung) 28—31 

PATSCH, C, Arrians Periplus Ponti Euxini 69—76 

PRÄSEK, J. V., Hekataios als Herodots Quelle zur Geschichte Vorder- 
asiens. I. Hekataios und der firjSucbg koyoi^^ des Herodot . 193—208 

SCHÄFER, IL, Die Auswanderung der Krieger unter Psammetich L und 
der Söldneraufstand in Elephantine unter Apries (mit vier 
autographischen Tafeln) 152—163 

SEECK, 0.. Quellenstudien zu des Aristoteles Verfassungsgeschichte 

Athens 164—181; 270—326 

SOKOLOW, TH.. Zur Geschichte des 3. Jahrhunderts v. Chr. 2. Der 

Antiochus der Inschriften von Ilion 102—110 

W^3NIGER, L., Das Hochfest des Zeus in Olympia. L Die Ordnung der 

Agone 125—151 

WESTBERG, F., Zur Topographie des Herodot 1 182—192 

MITTEILUNGEN UND NACHRICHTEN. 

116—124; 252-264; 383—402. 
Darin ; 

BORCHARDT, L., Die diesjährigen Ausgrabungen in Ägypten .... 383—386 

FRAENKEL, G., Feuei-post 256 






Seite 

FRIES, C, Zur babylonischen Feaerpost 117—121 

HILLER V. GAERTRINGEN, F., Stand der griechischen lnscliritlencor|Mn-a 202—25(5 

KORNEMANN, E., Die neue Li vius- Epitome 261 

KAZAROW, G., Zur Religion der alten Thraker 116 

LEHMANN, C. F., Aus und um Kreta 387—396 

Die diesjährige akademische Leibnizsitzung 262—263 

Jacoby's ApoUodor 122—124 

Keilinschriftliches zur Sphärenmusik ? ........ 256—259 

Nochmals die Chronologie des chreinonideisclien Krieges . 121 — 122 

Sarapis contra Oserapis 396—401 

Weiteres zur altorientalischen Chronologie 260— 2(;i 

Zum Salzburger Historikertag (Lykurg) 263-264 

SEYMOÜR DB RICCI, Zur Sammlung der griechischen Inschriften . . 401-402 

WILCKEN, U., Die angebliche Abdankung Euergetes' 1 386 

WILLRICH, H., Der Geburtstag des Antiochos Epiphanes 116—117 

Personalien 124, 264, 402 

Namen- und Sachverzeichnis (H. THOMMEL^ 403-408 



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Mommsens Vermäehtnis. 

Mit Theodor Mommsen, der am Sonntag den 1. November 1903 die 
durchdringend leuchtenden , wiewohl zuletzt leis vei*schleierten Augen 
geschlossen hat, ist nicht nur der grosse Forscher, Arbeiter und Darsteller 
dahingegangen, zu dem die gesamten Historiker und Altertumsforscher 
als zu ihrem Führer und Vorbilde aufblickten. Sein Hinscheiden be- 
siegelt auch endgültig den Abschluss einer Blüteperiode deutschen Geistes- 
lebens. Er wandelte unter uns als der letzte von den Grossen, die, in 
deutschem Boden wurzelnd und deutschen Geistes Träger und Förderer, 
aber weit über die Grenzen der Heimat hinaus wirkend, der Wissen- 
schaft im vergangenen Jahrhundert den Stempel sinnender Tiefe, 
schöpferischer Kraft, ragender Höhe und weltumfassenden Weitblickes 
verliehen haben, der allezeit ein Merkzeichen dieses, für die menschliche 
Kulturentwicklung so entscheidenden Zeitabschnittes bleiben wird. 

Wäre es so eine Vermessenheit, ihn für eine engere Disziplin 
allein in Anspruch zu nehmen, so bleibt es doch Pflicht der Vertreter 
der alten Geschichte, die jederzeit im Mittelpunkt seines Schaffens ge- 
standen hat, seine Persönlichkeit festzuhalten und seines Wirkens Vor- 
bildlichkeit zur Richtschnur zu nehmen. Und dieser Verpflichtung muss 



— TI — 

sich vor allem die Leitung dieser, der alten Geschichte — ihr ganz und 
ihr allein — gewidmeten Zeitschrift bewusst sein. 

Uns allen, die wir Mommsen als den vom Alter gekrönten aber 
nicht gebeugten, in seiner Erscheinung ungewollt Ehrfurcht gebietenden 
Weisen gekannt haben, der doch in jeder Bewegung des geschmeidigen 
Körpers, in jedem Zuge des die bewegte Seele in stetem Wandel wieder- 
spiegelnden Antlitzes die nie versiegte und bis kurz vor dem Ende kaum 
je erlahmte feurige Jugendlichkeit bewahrte, — uns steht seine Gestalt 
unauslöschlich im Gedächtnis. Aber den Mitlebenden in der Feme, denen 
eigenes Schauen nicht vergönnt war und den nachfolgenden Generationen 
sollen seine Züge und seine Gestalt wenigstens im Bilde nahe gebracht 
werden und erhalten bleiben. 

Zwei Schöpfungen bildnerischer Kunst, von der Hand eines 
werdenden Meisters, dem der brennende Wunsch Mommsens Erscheinung 
in ihrer Gesamtheit und bis in die feinsten Züge nachzugestalten , die 
Seele erfüllte, dürfen Avir dazu verwerten. 

Herrn Dr. AValter Lobach war es vergönnt, Theodor Mommsen, mit 
dessen Genehmigung, in Paris zur Zeit des Kongresses der Akademien 
im Jahre 1901 bei der Arbeit in der Bibliotheque nationale zu be- 
obachten und bildnerisch zu skizzieren. Später hat ihm Mommsen zu 
der so begonnenen Büste in Berlin, noch im letzten Jahre seines 
Lebens, mehrfach gesessen. In fortwährend erneuter, oft unvermerkter 
Beobachtung und rastloser Arbeit des sich nie genügenden Künstlere 
ist so die Büste des über einen Codex gebeugten Forschers vollendet 
worden, die wir in zwei Ansichten — im Profil mit dem Buch, en 
face ohne dieses — hier wiedergeben, und an deren gelungener und 
ungewöhnlich feiner Charakteristik sich auch die erfreuen werden, die 
einer Auffrischung ihrer Vorstellung von Mommsens Zügen nicht geradezu 
bedürfen. — Das gleiche wird von der ebenfalls von Lobach unmittelbar 
nach der Natur geschaffenen Statuette gelten, die Mommsen in seinem 
Gartenstuhl lesend, in sehr charakteristischer Haltung äusserst lebensvoll 
darstellt und die ein Seitenstück bildet zu der Statuette des durch die 
Strassen dahinwandelnden Gelehrten, der bekannten Schöpfung Carl 
Prachts, dem wir auch eine Büste Mommsens aus älterer Zeit verdanken. 

Allen aber, Ferneren wie Nächstehenden, Älteren und Jungen, wird 
das Bild des jugendlichen Verfassers der römischen Geschichte will- 
kommen sein, das Eudolf Lehmann am 14. Dezember 1859, ein Jahr 
nach Mommsens Berufung nach Berlin, dortselbst gezeichnet hat. In 



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Rudolf LehmauDS englischem Prachtwerke ^Mcn and Wonwn ofthe Century^ 
nur den wenigsten zugänglich, wird es hier mit Genehmigung und unter 
Mitwirkung des 85 jährig in London • lebenden Künstlers wiedergegeben. 
Dem Eindruck der Überraschung ob der grossen Jugendlichkeit der Er- 
scheinung, dem Rudolf Lehmann in seinen ^Erinnerungen^ ^) Äusserung 



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verleiht, werden auch wir uns nicht entziehen können. Erst der Brand, 
der Mommsens Studierstube vernichtete, hat nach der Beobachtung Nächst- 
stehender das Alter ernstlicher zur Geltung gebracht. 

Was aber die Züge und die Werke des jugendlichen wie des greisen 
Mommsen lehren, ist ein Vermächtnis, nicht dem einzelnen bestimmt noch 

1) Erinnerungen eines Künstlers. Deutsche (zugleich mit der englischen vom 
Verfasser besorgte) Ausgabe. Berlin, 1896 S. 146. 



— IV — 

ausführbar; aber von jedem an seinem Teil und nach seinen Gaben zu 
befolgen und zu fördern. Und die Lehre lautet: Treue im Kleinsten, 
nicht als Selbstzweck, aber als Voraussetzung der Wahrheit im Grossen; 
Herr sein auf engerem Felde : die Schätze der Tiefe fördern, den Acker 
bestellen und die Früchte ernten, aber keine Zäune errichten, und sich 
umschränkter Enge rühmen, sondern die Wege in die Welt hinaus auf- 
suchen, pflegen, erschliessen. Sind Volkstum und Landschaft im Rahmen 
des Ganzen gegebene Abschnitte, die notwendiger aber selten erwünschter 
Weise trennend wirken, so ist die zeitliche Einteilung der Geschichte, 
wie die Scheidung der einzelnen Wissenszweige Notbehelf, bedingt durch 
die menschliche Unzulänglichkeit. Nicht in der Ehrfurcht vor diesen 
Schranken und dem Bestreben sie zu stärken beruht die Wissenschaft 
sondern sie zu überbrücken und niederzulegen ist wahrer historischer 
Forschung Ziel. 

Und was von den Zielen, das gilt auch von den Mitteln. Die un- 
scheinbare Grabinschrift eines Privaten und der Rechenschaftsbericht über 
ein kaiserliches Leben, der späte Chronist und der dürftige Kpitomator neben 
dem nüchternen Annalisten und dem tiefsinnigen Historiker, die ihre eigene 
Epoche behandeln; der Papyrus, die Tontafel und das Schleuderblei; die 
Münze, nicht bloss nach Aufschrift und Bild, sondern nach Schrot und Korn; 
Rechtsnonn wie Mass und Gewicht; Kunstschöpfung und Stümpei-werk, 
Sprachgeschichte und Schrift, religiöse Lehre und rituelle Mystik — sie 
alle sind an sich gleichberechtigte Gegenstände und Hilfsmittel der 
historiscllen Forschung. Ihre gegenseitige Abschätzung im einzelnen Fall 
richtet sich lediglich nach dem Gewinn, den sie versprechen, und gänz- 
lich gleichgültig ist, ob sie einem säuberlich gefügten Schubfach zunft- 
mässigen Betriebes oder einem noch nicht eingeschachtelten und ein- 
geschulten Gebiete entstammen. 

Mommsens Forschung hat von der Jurisprudenz und vom römischen 
Recht ihren Ausgang genommen, und die Vereinigung des Juristen und 
des Historikers, die grossartige Beherrschung und gegenseitige Durch- 
dringung beider Gebiete, die sich in seiner Person betätigte und in seinem 
römischen Staatsrecht wohl die reifste und kostbarste unter den schier 
unzähligen wertvollen Früchten seines Schaffens zeitigte, ist es vornehm- 
lich, die Mommsens Lebenswerk den einzigen und eigenartigen Charakter 
verliehen hat. 

Seine Geschichte des römischen Münzwesens hat nicht nur das 
Gebiet, das der Titel benennt, bahnbrechend und umfassend, der Ent- 



— V — 

Wicklung von den ältesten Zeiten bis ins Mittelalter nachgehend, auf- 
geklärt: sie verfolgte auch die Fäden zurück und deckte die Zu- 
sammenhänge der Gewiclite und der Wertverhältnisse der Edelmetalle 
im gesamten Altertum bis zurück zu ihrem Ausgangspunkt in Babylonien 
auf. Für Mommsen waren Numismatik, Metrologie, Chronologie keine 
stiefmütterlich zu behandelnde „Hülfswässenschaften". Und die römische 
Geschichte selbst hat Mommsen wie allbekannt, stets so betrieben, 
dass sie in der Forschung wie in der Darstellung „aus sich heraus 
über sich hinaus führte", um eine Wendung Paul de Lagardes zu 
gebrauchen. Seinem Bruder August gegenüber hat er allerdings im 
Vorwort zur römischen Chronologie die Notwendigkeit, die Forschung 
zunächst auf den Kreis der einzelnen Nation zu beschränken, betont. 
Aber weit entfernt die internationale Forschung, wie er sie dort 
nennt, gänzlich abzuweisen, hält er vielmehr nur deren verfrühtes Ein- 
setzen bei der Aufhellung mancher historischen Erscheinungen für einen 
methodischen Fehler. Er hat wie im. römischen Münzwesen so in der 
römischen Geschichte, vor allem im fünften Bande, und in zahlreichen 
Einzeluntersuchungen auf die griechisch-orientalische Welt zurückgegriffen, 
auf der die hellenistische und ihre Erbin, die römische Kultur erwachsen 
ist und hat andererseits die spätere Kaisergeschichte in die germanische 
Staatenwelt des Mittelalters liinein fortgeführt. Und was Mommsen für 
die Kirchengeschichte geleistet hat, wie er in Wahrheit in den letzten 
Lebensjahren vorwiegend Kirchenhistoriker gewesen ist, das hoffen wir 
nocli einmal aus der Feder des Berufensten besonders geschildert zu sehen. 
Die Geschichte aller antiken Völker und ihrer Eeligionen fliesst 
in der Geschichte Roms wie in einem grossen Sammelbecken zusammen, 
alle mittelalterlich-moderne Geschichte auf unserem Kontinente geht von 
ihr aus. Eom vermittelt zwischen der süd- und nordeuropäischen Mensch- 
heit. Wer Roms Geschichte uns erschlossen hat, hat die Brücke ge- 
schlagen vom Altertum zur Neuzeit und zugleich uns die Bahn gewiesen, 
die wir fernerhin wandeln müssen. Es heisst nicht nur die Fäden rück- 
wärts verfolgen, die von Rom über Alexandere grossartige Gestalt und 
über die Griechen hinüberführen zu den altorientalischen Kulturstaaten 
Vorderasiens, sondern zugleich muss der Weg vorwärts gegangen werden 
von Rom aus und zwar nicht bloss auf abendländischem Boden. Von 
Rom aus weiterschreitend müssen wir suchen Byzanz verstehen zu lernen. 
In den orientalischen Provinzen dieses Reiches haben alte Geschichte 
und alte Kultur ihre letzten Ausläufer, wie sie einstmals dort ihren Aus- 



— VI — 

gang genommen hatte. Neben Mommsen hat in diesem Zusammenhange 
Alfred v. Gutschmid, sein jüngerer aber lange vor ihm abberufener Zeit- 
genosse, ein Recht darauf, als früher Vertreter universaler Forschung auf 
altgeschichtlichem Gebiete dankbar genannt zu werden. 

Zwischen zwei Sonntagen hat sich Mommsens gesegnetes Leben ab- 
gespielt, und er selbst hat gern darauf hingewiesen, dass er ein Sonntags- 
kind war. Seine sonntägliche Erscheinung wird unerreichbar bleiben, 
aber als vorbildliche Mahnung in Forschung und Lehre, in Pflichttreue 
und Arbeitsfreudigkeit soll sie unsere Alltagswochen dauernd erhellen. 

Seine des Kleinsten achtende Arbeitstreue ebenso wie die stets 
auf das Grosse gerichteten Weite der Anschauung soll uns voranleuchten, 
ob wir uns zunächst in Mykene oder in Memphis, am Tigris oder am 
Tiber, in Campanien oder in Tunis, am Kaukasus oder am Rhein 
heimisch machen. Vor allem aber mögen wir Jüngeren uns erfüllen mit 
jenem heissen nie rastenden Schaffensdrang und jener glühenden Be- 
geisterung für die Wissenschaft, die nach dem mutigen Bekenntnis des 
greisen Jünglings voraussetzungslos ist und der nur ein Ziel gesetzt 
ist: das ist die Wahrheit! 

Berlin und Tübingen, Dezember 1903. 







The Oligarchie revolution at Athens, of the 
year 1032 B. C 

Bj William Scott Ferguson. 

It is probable that from some undeterminable date until 487/6 B. C. 
the archons at Athens were elected by show of hands. At any rate that 
is the conclusion urged upon us by the personnel of the extant list.*) 
The inference of Aristotle-) that Solon introduced allotment from a pre- 
viously elected list of forty is almost demonstrably unwarranted. It is 
at variance moreover with his owa conclusion made from the various 
anarchies of 594/582 B. C, from the tyi'annical designs of Damasias, and 
the compromise of the year which foUowed that the archonship as the 
Chief object of political ambition was at that time bitterly fought for.'^) 
No contest could have occurred had the lot determined the holder of it. 
Aristotle, however, thought that this scheme of partial allotment was 
continued in use until the expulsion of Hippias.*) 

Certainly from 511/0 to 487/6 B. C. the archons were elected. In 
487/6 B. C. a change was made. Five hundred candidates were to be 
chosen, fifty from each tribe, from among the pentakosiomedimnoi and 
the hippeis, and the elections were to be held in the demes. Doubtless 
each deme was to choose as many candidates as Senators.^) Then the 
lot was to designate the nine officers. This innovation was made in the 
midst of the struggle between Themistocles and the various noble families 
wliich had been thrown together through Opposition to Miltiades.^). It 
was undoubtedly accompanied by a transfer of political and military 
duties to other officers, such as the generals. To motive the change 
various suggestions have been made. By it a restraint upon the ekklesia 

1) See Pauly-Wissowa II, p. 583ff. — 2) Ath. Pol. 8. — 3) Ath. Pol 13, 2. 

4) Ath. Pol. 22, 5. That no one can believe, and it confirms the view that the 
ordinance attributed to Solon by Aristotle had no documentary Warrant and was simply 
an inference. A chronicle (the only alternative to the poems and laws of Solon) would 
have explained Damasias' tyranny as well as Solon's reform of the archonship, had it 
treated of either. 

5) This is the illuminating Suggestion of V. von SchoeflPer in P.-W. II, p. 573; 
cf. also ol vo[io^(tui Ol Tttvta'KÖGiot^ ovg ol dri(i6rat ttXovro^ Audocidos I 84. 

6) Cf. Ed. Meyer, Gesch. d. Altertums III, § 198; Busolt, Gruch. Gesch. 11'^, 
p. 637 ff.; Bcloch, Griech. Gesch. I, p. 360ff.; Bury,' Ilist. of Grecce p. 262. 

Beiträge %. alteo Geschichte IV 1. 1 

1 



2 TT. S. Ferguson, 

would be removed: the populär leader would be enabled to control the 
govermnent: the Areopagus would come to receive average not extra- 
ordinary ability: the old families would lose influence. Another may be 
added. The archonship was tenable only once in a lifetime. To admit 
re-election would diminish the numerical strength of the Areopagus: it 
would fester tyranny: it would enable magistrates to sit in judgment 
upon their own acts : it would, moreover, be contrary to the spirit of the 
time which was in favor of throwing the Offices open to a larger Pro- 
portion of the people. Without a far-reaching reform, therefore, the 
archonship was not available, as e. g. the generalship was, to give a 
show of legality to the position of the nQOörartjg rov drjfAOv, while its 
tenure by his rivals would enable them to frustrate his plans. Themis- 
tocles had been chief-archon in 493/2 B. C.*) Did that disqualify him 
for the polemarchy? The nine archons together with a secretary formed 
a board of ten, and probably allotment to the board, which preceded, 
or by its sequence determined, the designation of archon, king, polemarch, 
thesmothetai, and secretary, counted as one tenure of the office and hence 
made a second impossible. 

The mode of determining the archons was again changed somewhere 
between 487/6 B. C. and Aristotle's time. In the fourth Century the 
number of candidates was 100 not 500, and of them 10 were alloted 
from each tribe as a whole not 50 elected by the demes of each tribe.-) 
When the alteration was made we do not know. In 457/6 R C. the 
zeugitai were granted the right of holding the office, and since the 
Solonian census shortly became obsolete all Citizens were eligible in the 
fourth Century.*^) 

This method of selecting the archons seems to have prevailed during 
the whole of the third and second centuries B. C. Tlie archon-list fi^om 
Aristotle's time*) to c. 103/2 B. C, as from 487/6 B. C. to Aristotle's 
time, lacks the names of the men, whom we know to have been most 
influential in the city. The office was honorable enough, but custom at- 
tached some financial burdens to the holder of it, so that it frequently, 
perhaps ordinarily, feil through the failure of candidates into the hands 
of wealthy men/) After c. 103/2 B. C, as before 487/6 B. C, distin- 

1) Dion. Hai., Ant. VI 34; cf. Thucy. 193, 3. The substantial agreement of 
Beloch (I, p. 862 d. 5), Busolt (II, p. 642 n. 1), Meyer (III, § 182 A), Wilamowitz 
(Aristoteles «. Athen I, p. 142;, and Bury (p. 263) makes a discussiou of this qucstioii 
HO longer necessary. 

2) Arist. Ath. Pol 8. — 3) Arist. Ath. Pol 26, 2. 

4) Cf. P.-W. II, p. 588 ff.; CorneU Studies X, p. 91 ff.; Gott. Gel. Anz. 1900, p. 479ff'. 

5) Cf. CorneU Studies X, p. 44 f. Xenon in c. 135 and Sarapion in 104/3 are 
cascs in point. The absence of Eurykloides and Mikion from the archon -lists of the 
period 230/29 B. C. and ff. {CIA. II 859) Stands in marked contrast to the presence in 



The Oligarchie revolution at Athens of the year 10312 B. C. 3 

guished Citizens obtained the archonships. Thus in 97/5 Argeios, in 
100/99 and 91/88 Medeios^) and c. 62/1 Medeios Iris son, in c. 94/3 Apo- 
lexis, in c. 36 Diokles of Melite, in 37/8 A. D. Ehoimetalkas , in c. 88 
Doraitian, c. 94 Antiochos Philopappos, in 112/3 Hadrian, 127/8 Herodes 
Atticus*) held the office. This indicates clearly that election had repla- 
ced allotment, and in Plutarch's time we know that the lot was no 
longer used.^) 

It has been already stated that the archonship was tenable only 
once in a life time. Aristotle is quite explicit on this point. In Aüi. 
Pol. 62, 3 he sa}^S: üqx^v di tag fih xatu noXefiov oQ)^äg i^Bövi nXeo- 
vdxig^ Twv Ö'äkXwv oiSifiiav, nXijv ßovXtCaai Siq. The same prohibition 
was contemplated in the Constitution of the extreme oligarchs in 
411 B. C.,*) and is alluded to frequently by the ancient writers. It was 
contained in the oath administered to the Jurors, wliich ran as foUows:^) 
oiS* ccQxviV xataazi^aa) war ägxtiv inev&vpov ovra ivigag ag^^ig xai tdiv 
hvvia agxovTwv xai tov Ugo^vijfjiovog xai öaai fierd rZv ivvia aQ^ovitav 
xvafievovtai xavrij ty ilfiigtf, xai xi^vxog xai ngsaßelag xai avviSgatVy 
olSi 3lg rfjv avrfiv ccgxrjv tov avxov ävdga, ovSk dvo dg^dg äg^ai tov 
avxov hv T^ avT^ kviavvtp. The prohibition did not always exist, how- 
ever. Thus in 664/3 and 659/8 B. C. Miltiades was archon.«) In 
583/80 Damasias lield the archonship for two years and two montlis and 
was then ejected by violence.') The forceful deposition of Damasias and 
the characterization of him as a tyrant in embryo indicate that in 583/0 
it was irregulär for him to monopolize the office as he did. Tlie data 
given above would seem to substantiate Aristotle's statement that it was 
Draco who forbade dupUcation of the archonship.^) But the extant list 
of archons is so defective that from it no conclusion on this question is 
warranted for the period prior to Solon, and the statement of Aristotle 
comes in such dubious corapanionship and such questionable shape as to 
bid US pause before accepting it. We may conjecture that it was Solon 
who introduced the prohibition. 

It was apparently (except in 583/0 B. C.) not violated during the 
6*\ 5*^, 4"S 3'^ and 2"^ Centuries B.C. Then in 100/99, 91/0, 90/89, 

them of Medeios and Argeios in the period 103/2 B. C. fiF. But as far as tlie archon- 
list 18 concerned the time c. 103/2 is largely arbitrary. 

1) I accept Kirchner's dating in Gott. Gel. Anz. 1900, p. 479 fF. in preferenec to 
my own in Cornell Studies X, p. 91, for tbe group of archons found in CIA. II 985. 
My rcason for so doing will appear in this paper. 

2) Cf. P.-W. II, p. 577f. — 3) Perikles IX: Avxai yuq cd iiQ%(ä nXriQcoTcd rt i\guv 
^K TtaXatov nxX. 

4) Arist. Ath. Pol. 31, 3. — 5) Demos. XXIV CPimocr.), 170. — 0) P.-VV. II, 
p. 583. 

7) Arist. Ath. Fol. 13, 2; Mann. Far. 38. 
8; Arist. Ath. Fol. 4, 3. 

1* 



4 W. 8, Ferguson, 

89/8 B. C.,^) four times in eleven years, Medeios was archon and at about 
the same time Argeios hdd the office twice in succession in 97/6 and 
96/5 B. C. Since it is likely that the possibility was granted not long 
before Medeios and Argeios availed themselves of it, since indeed it was 
no doubt the demand which obtained the possibility, we shall not go far 
astray in assuraing that the prohibition was removed in c. 103 '2 B. C. 
It was, however, again enacted, in all likelihood after the capture of 
the city by Sulla in 86 B. C; for at a subsequent period its existence 
is proved by the fact that to evade it the Offices of archon, polemarch, 
and king were regarded as distinct, and hence conferable in sequence 
upon distinguished individuals.^) Kepetition of the office for several years 
in succession presupposes the abolition of allotment as the mode of selection, 
— a conclusion urged upon us for c. 103/2 B. C. by another reason al- 
ready mentioned. 

It was necessary in the fourth Century B. C. for raost of the magis- 
trates, especially for those who handled sums of money, to submit their 
accounts for every prytany to the auditing committee of the Senate. This 
committee consisted of ten Senators, called logistai, and its report was 
subject to the endorsement , first of the Senate, and then, in case of 
appeal, to that of the jury courts.^) This supervision of the magistrates 
by the Senate was quite distinct from 1) the monthly vote of the people 
on the conduct of the officers and the immediate reference in case of 
condemnation to the jury courts,*) and 2) the audit which the Senators 
as well as every magistrate without exception had to stand at the expiry 
of the civil year. This latter scrutiny was particularly close. A magis- 
trate had thirty days after his term expired within which to file his 
accounts. 5) They were filed with the ten logistai and the ten synegoroi 
and these had to examine and pass upon them in succession. Their 
findings were presented as a grand juror's report to a dikasterion of 
501 members. At the trial evidence was heard and an adverse decision 
was final.*') When the decision was favorable, an interval of three days 
was granted within which the ten euthynoi might receive and weigh 
further accusations, and if satisfied of wrong doing, they referred the 
case once more to a jury court.') It was not until all these proceedings 
had closed that it was permissable to vote a crown or any insignia to 
an officer of the State. ^) 

1) For these and all foUowing archon dates for the 2n<i & 1»* cents. B. C. I refer 
the reader to Cornell Studies X, & Gott. Gd. Am. 1900, p. 433 ff. 

2) V. Schoeffer in P.-W. II, p. 578. — 3) Arist. Ath, Pol. 45, 2; 48, 3. — 4) Arist. 
Ath. Pol 43, 4f.; 61, 2. — 5) Harpocration s. v. Xortarai; cf. Pollux 8, 45. 

6) Arist. Ath. Pol 54, 2. — 7) Arist. Ath. Pol 48, 4. 

8) Aeschin. Ctes. 9ff. : ovdals Icxiv Scvvntvd'vvog tmv kuI öitcoaovv Tigug tu xolvu 
TtQoatXriXvd^öacav i cf. the Jurors* oath, p. 3 supra. Gilbert, Greek Const. Ant., p. 224; 



The Oligarchie revolution at Athens of the year 10312 B. C, 5 

These rights of supervision by which during the year the Senate, 
assembly, and jurymen, and at the end of it, the proper officers and the 
Jury Courts controUed the magistrates, we may conjecture to have be- 
longed to the ini&na Sv' wv ijv tj r^g noXitdag (pvXaxr,^^) which Ephi- 
altes took from the Areopagus, when in 462/1 B. C. he left it uova td 
inig rov adfjiaTog.^) Certain rights of supervision were restored to the 
Areopagus at 403,'^) but, as is clear from the testimony of Aristotle, not 
those with which we are concerned here. These remained distributed in 
the manner just indicated during the third and second centuries. Thus 
in the ephebe inscriptions belonging to the years 122/1 B. C. (CIA, 
n471), 118/7 {CIA, II 469), 106/5 {CIA, n47o'), and 104/3 {CIA, II 465) 
it is invariably stated in the decree of the Senate and people in honor 
of the kosmetes that he stood his audit. In several cases the formula 
runs thus: xal negl nccvrwv rwv xatu trjv aQxriV iSwxev rag ev&vvag hv 
T^ dixaavfjQlip xaru rov vofiov {CIA, 11 469, 1. 60 f.; 470, 1. 41 f.; 471, 
1. 88 ; 465, 1. 45). It is extremely striking therefore that in the ephebe 
inscription for 100/99 B. C. {CIA. II 467) all mention of the audit is 
omitted and in place of it we find (1. 89 ff.) the Statement: hnonqcaxo 
8k xai Ti)v anoSiil^iv avviov xai rov dnoKoyiöfiov hv ry ßovX'g vnhg rtHv 
xazd Tt]V agxV^ ^«« ^*P* '^^^ ^^ ^^ iviavxfß ytyovotwv tzuvtcdv rolg k(pri' 
ßo\}g\ avd'* fiJv xai ol Hiftjßoi ßovXöfiBvoi Tiptdv avtov äJ^lmg rijg yByo- 
vdag €\g iavTov\g\ Biegyeaiag hari[g>']dv(aöav avrov iv ry ßovkjj. The 
ephebe year ended at the beginning of the third month of the civil 
year,*) Boedromion, so that it was to the senate of the year 100/99 that 
the kosmetes of the year 101/0 B. C. justifled his conduct. There is no 
Word of a judicial audit in this decree, nor in any of the ephebe in- 
scriptions which belong to a subsequent period {CIA, II 466, 468, 478, 
479, 480, 481, 482, c. 103/2 — c. 35 B. C). It is true that many of 
these are damaged, but they all conform so closely to three undamaged 
types that we may be sure that reference to a judicial audit was 
lacking in all of them. And there was substituted for it the appro- 
bation of the ephebes (and their fathers), upon which after c. 103,2 
B. C. the State acted in conferring marks of appreciation upon the 
kosmetes.*) 

As has been said the ephebe year terminated at the first of Boe- 
dromion. It was usual for the Senate and assembly to recognize the 
Services of the ephebes by an honorary decree and the voting of a 
crown. This was done in 122/1 B. C. on the 8*^ hi^ßoltiiog xat* äg^ovra 



H. Francotte, La Ugislation athenienne sur les distinctions honartfiques etc.^ Louvain, 
1900, p. 64 f.; cf. Fr. Cauer, Berl Phil U'och. 1902, p. 1296 f. 

1) Arist. Ath. Pol. 25, 2. — 2) Lex Cantahr. Gilbert, o. c. p. 155 n. 2.; cf. 
Ed. Meyer, Gesch. d. Altert. V p. VII. — 3) See below p. 9 n. 5. 

4) Gilbert, o. c. p. 313. — 5) Cf. Koehler at CIA. II 478, p. 287. 



6 W. S, Ferguson, 

= 9*»^ xatä &e6v of Boedromion, in 118/7 on the W^, in lOG/5 on tlie 
14*^ in 100/99 on the 9'^, in c. 80 (CIA. II 481) on the 6'^ and c. 35 
(CIA. n 482) on the 4'^ of this same month. In the last two cases the 
Senate alone passed the decrees. In the rest the vote was taken in the 
first kxxXfjala xvQia of the third month. This accounts for the delay of 
a day or two noticeable in them. 

On the other hand a decree in honor of the kosmetes conld not be 
enacted until the Jurors had passed his accounts. This necessitated a 
delay of a month or more. In 122/1 such a decree was passed on the 
11*»* of the 4*^ month, in 118/7 on the 9'^ of the 9*»> month, in 106/5 on 
the W^ of the 4*** month, and in 104/3 on the 9'** of the 6*** month. 
But in 100/99 it was passed on the same day as that in honor of the 
ephebes, and in the subsequent years during which ratiflcation by the 
people was at all necessary both decrees, together with a vote of acknow- 
ledgment for the public sacrifices offered by the kosmetes (which had 
earlier been passed during the ephebe year),*) were voted upon at the 
same time in the third month. 

The disappearance of any reference to a judicial audit, the Sub- 
stitution of the approbation of the ephebes for it, and the possibility of 
conf erring insignia immediately, i. e. without at least a months delay 
— all three appearing for the first time after 104/3 B. C. and before 
100/99 B. C. — admit of only one explanation, namely that in c. 103/2 
a change was made in the Constitution by which the supervision of the 
Senate was made final and the jury courts were deprived of the right 
of auditing the accounts of the kosmetes and of giving a favorable verdict 
before a vote awarding distinctions could be passed by the ekklesia. A 
change of this kind cannot have affected the kosmetes alone. It must 
have affected the other magistrates including the Senate and the Areopagus 
as well. It need hardly be remarked that thereby a fatal blow was given 
to the democratic Constitution of Athens. 

It is a small matter that at c. 103/2 B. C. proclamations of honors 
conferred came to be made at the Ptolemaia as well as elsewhere. It 
is likewise of little importance that in the ephebe decree of 100/99 B. C. 
we have the first dated sample of a new type of ephebe inscription. But 
it is not so trivial a matter that between the years 104/3 and 100/99 
B. C. the prytany secretary came to be chosen without regard to the tribe 
demanded by the official order.'^) And it is not merely a coincidence that 
between 105/4 and 101/0 B. C. the official order came no longer to be 
observed in choosing the Athenian priests of Serapis at Delos.^) As 
Kirchner has already pointed out,*) the official order was disregarded in 

1) Cf. CIA, 11470, 1. 68fiF. — 2) Kirchner, Gott. Gel. Anz. 1900, r. 475. — 
3) Corndl Studies VIT, p. 46 ff.; X, p. 81. — 4) Gott. Gel Anz. 1900, p. 475. 



The Oligarchie revolution at Athens of thc year 10312 JB> C. 7 

both cases at the same time.*) The abandonment of it was probably 
due to the introduction of free election, which of course brought to office 
conspicuous individuals from any tribe whatsoever. The tribe had long 
since lost most of Its political significance. 

A reordering of the Pythias^) was made in 103/2 B. C. whereby 
the ''larst enneeteris" began in the foUowing year. "And never had so 
numerous and so brilliant a delegation" gone from Athens to Delphi as 
in 102/1 B. C.^) Since the offlcial order was observed in 104/3 and dis- 
regarded in 101/0, our choice of a year for its abandonment is thereby 
limited to 103/2 and 102/1 B. C. Hence, because of the reform of the 
Pythias I venture at this point to omit the "circa" which hitherto I 
have associated with 103/2 B. C. and to ascribe to this year all the 
changes above detailed. 

And these were not the only changes made at this time. Two 
things are quite noteworthy in the list of magistrates who made con- 
tributions to the Pythian Apollo during the "flrst enneeteris" i. e. from 
102/1 to 95/4 B. C. inclusive. It is natural to find the priestships and 
other Offices at Delos filled by rieh and influential Athenians, to observe 
a tendency for the magistracies to be held in succession by the same 
men or by the same families, and indeed for several of the extraordinary 
positions to be held by the incumbent of an important ordinary magis- 
tracy.*) But it is instructive to find that the crgarriyog knl rä onXa 
is regularly listed before the archons*) and that the anag^^ required of 
him is regularly twice as great as that required of these. It is signi- 
flcant, moreover, to find that the xr^Qv^ ßovltjg rijs ^^ jigüov nuyov 
ranks as high as an archon. At a later date such a grading undoub- 
tedly existed. The herald and the hoplite-general were then the most 
important officers in the city. 

But in an ordinance®) regulating the weights and measures issued 

1) It is noteworthy that in the eztant lists of thesmothetai the official sequeuce 
of the tribes is wilfuUy disregarded onee only, in 101/0 B.C. See Bates, Comell 
Studies VIII, p. 4, group (17). It is hardly a matter of chance that in 112/1 and 
107/6, men of known families (see below p. 11) obtained the secretaryship. The secre- 
tary for 100/99 Philion, Philion's son, of Eleusis {CIA. II 985 HD, 1. 24; 467) was 
himself an influential personage. The history of the secretaryship is similar to that 
of the archonship. Both offices camc more and more, through the failure of candi- 
dates, into the hands of the rieh, and finally the lot which became a mere form was 
done away with altogether. 

2) Strabo, Geog, 422. See Bull de Carr. HeU. [BCH.] XXIII (1899), p. 42. 
The enneeteris began with the Pythia of Ol. 169, 3; it had nothing to do with Delos. 
That the Pythia was celebrated in 102/1 B. C. gave the reformers a chance to operate 
here as elsewhere. 

3) See Colin (BCH. 1. c), who has had access to pertinent documents not yet 
publishcd. 

4) CIA. II 985. — 5) Cf. Kirchner, Gott. Gel Am. 1900, p. 477. — 6) CIA. II 476. 



8 W. S. Ferguson, 

in what is shown below to be probably 103/2 B. C. the hoplite-general 
and the prytanes have executive duties in common. This was the 
generalship which the most powerful Citizens held between 102/1 and 
95/4 B. C. *) In the last decades of the second Century this general was 
Chief of one section of the sacred embassy to Delphi and occasionally 
headed the whole theoria.-) In 88 B. C. Athenion was given control of 
affairs at Athens through election to this offlce.») Clearly the supreme 
importance of the azgaTtjyog hnl rä onXa antedates the reforms of Sulla 
in 86/3 B. C. The truth would seem to be that the exaltation of one 
general over the rest naturally foUowed the limitation of Athens' military 
equipment to the land army,*) and that the marked superiority of the 
hoplite-general over the other magistrates of Athens began at the same 
time that the changes already noted occurred i. e. 103/2 B. C. 

That the importance of the herald of the Areopagus in the period 
102/1 — 95/4 B. C. involves increased duties on the part of that august 
body, is evident from the ordinance on weights and measures. The 
general date of this document is indicated by the fact that the com- 
missioner appointed to arrange the weights and measures 5) Diodoros, 
Theophilos' son, from Halai was epimeletes inl rov lifjiiva in 112/1 B. C/') 
His name also appears among some additions made in a list') of in- 
fluential Citizens posted at c. 125 B. C. In CIA, II 476 , 11. 29—37 
(the ordinance above cited), a ratio was established between certain 
drachmae JSz^tfavtitfOQov and the (iva rj k/inogixi].^) In the type of 



1) Cf. Zhebelev S., On the Hisiory of Athens, p. 318 ff.; cf. Berl. Phil Woch. 
1899, p. 1023 ff. 

2) BGH. XX (1896), p. 689 ff.; Hermes XXVIII (1893), p. 619 ff. Other inscriptions 
of this kiud have apparently been lying unedited at Delphi for 10 years! 

3) Athenaeus V213e. 

4) This was a gradual process beginning at the end of the IV**» Century B. C; 
cf. Gott. Gel. Am. 1900, p. 477. 

5) CIA. II 476, 1. 39. - 6) CIA. II 475. — 7) CIA. II 1047. 

8) As a Substitute for the unsatisfactory explanation of this fragment proposed 
by Boeckh, Staatsh. d. Ath.^ 2, p. 324 ff. I would suggest the following. The reform 
of the weights required an adjustment between the System just recognized , i. e. the 
commercial system, and the old Standard system, that used in the coining of silver 
inoney, i. e. 2r6(pccvri(p6Q0v = the temple of minting. The following practical rules 
were issued. The commercial mina should be regarded as containing 138 of the drachmae 
StefpavricpÖQOv. In business transactions 12 drachmae Ä. were to be added, as a QOJtrjj 
to the commercial mina, so that a total of 150 drachmae £x. = P/.^ cid minae, would 
be reached. It was determined that the commercial mina should be undcrstood where 
the other (Ttgbg dcQyvQlov) was not expressly mentioned. To readily convert the com- 
mercial five-mina weight into terms of the old system, one commercial mina was to 
be added to it so that a total of 8^4 (exactly S'^^j^^) old minae would be reached. 
To readily convert tho commorcial talcut into terms of the old taK^nt, a commercial 
five-mina weight was to be added so that a total of 1'/.^ (exactly l*"/,o(0 old talents 
would be reached. The commercial mina = 188 drachmae i-V. , th(» commercial fivc- 



The Oligarchie revoMion at Athens of the year 103 j 2 B, C. 9 

ephebe inscription wMch begins after 103/2 B. C. we observe that the 
ephebes are required by a State decree to dedicate a (fiäktj and Sgax- 
fAwv 2tt(favri(f6Qov ißSofir^xovTa to the mother of the gods.^) The weight 
of the ifidkfj dedicated to Demeter and Köre is also detemÜDed in 
drachmae ^rstfavtjtfoeov.^) The addition ^reqavfjqfopov^) was no doubt 
made to make it clear that commercial drachmae were not meant. In- 
deed its absence would have implied the commercial System. This ex- 
planation prosupposes the existence after 103/2 B. C. of the two Systems. 
The danger. of ambiguity would seem to have arisen only after 106/5 
B. C. , in which year the weight of the q>idkai dedicated is given in 
drachmae simply.*) Hence it is probable that it was in 103/2 B. C. that 
the revision of the weights and measures took place, — a conclusion 
with which the fact accords that in establishing the ratio between the 
two Systems the commissioner cleverly brought about an easy transition 
from either, not only to the Phoenician stater, but also to the Roman 
libra. After 86 B. C. the need for the two Systems can hardly have 
existed. At any rate the term 2ttq>avYi(p6Qov is found only between 
103/2 and 86 B. C. Very specific penalties are threatened in the ordi- 
nance upon magistrates, private Citizens, and public slaves alike for 
xaxovgyla inl rä fitTßa xal xä axad-fid. The Senate of the Areopagus 
is to have general supervision of the matter*) and to punish the guilty 



mina weight == 690 drachmae ä., the commercial talent = 8280 drachmae 2t, To 
ezpreBs these alone in terms of the old system would involve bothersome fractions. 
Had the commissioner desired to define the poTTij throughout in terms of drachmae Zt. 
he might have enacted one of 10 for the commercial five-mina weight, in which case 
the total would have been 7 old minae exactly, and one of 720 for the commercial 
talent, in which case the total would have been Vj^ old talents exactly. But in each 
case, taking the bulk weighcd into consideration , the inaccuracy was so slight that 
he preferred the facility of using the commercial mina as the QOTtrj in the one case, 
and the commercial five-mina weight as the QO'Jt'q in the other. 

And an additional advantage was gained by means of the plan adopted; for the 
commercial mina plus the Qonrj equalled two Roman pounds exactly; moreover the 
commercial five-mina weight plus the Qonri = five Phoenician minae; cf. Hultbch, 
Griech. und Eöm. Metrologie^ 1882, p. 135 ff. As has been frequently pointed out the 
commercial System was none other than the Aeginetan. The de vice by which Diodoros 
made the Solonian (= I]tt(pavri(f6Qov)j Aeginetan (= commercial), Phoenician, and 
Roman Systems of weights and measures convertible one into terms of the other is 
admirable both for its simplicity and its ingenuity. Cf. also Heimes 36 (1901), p. 113 
where C. F. Lehmann has tabulated the results of his metrological investigations. 

1) CIA. II 466, 1. 35, 467, 1. 40, 468, 1. 24. — 2) CIA. II 466, 1. 28, 467, 1. 30, 
468, 1. 18. 

3) For a diflferent explanation of ZttcpavricpOQOv see Hill, Handbook of Gh. and 
Eotnan CoinSj p. 130. Hill (following Beul^) thinks it means "frcsh from the mint", 
drachmae being coins not weights. All we know is that the mint was probably 
''attachcd to the shrine of the hero Stephanophoros'* ; cf. Boeckh, o. c. II, p. 325. 

4) CIA. II 470, 1. 12f. 

5) At the revision of the Constitution after the downfall of the 30 tyrants the 



i 



10 TT. 8. Fergusop, 

xava Tovg km twv xaxovpywv xeiuivovg vofiovg.^) Cases involved by these 
laws had come in Aristotle's time under the final Jurisdiction of the 
Eleven, if these were unanimous, but, if they disagreed, the jury courts 
gave the decision.*) It implies increased Jurisdiction for the Areopagus 
that in 103/2 it is competent to deal with them.^) 

An examination of the list of those holding important Offices at 
Athens and Delos from 102/1—95/4 B. C. reveals some instructive facts. 
In the first place the total absence from office of any member of the 
Eurykleides-Mikion family is noteworthy, and all the more so, now that 
the lot was less widely employed. The family had influential members 
left. Thus in the list of important Athenians posted at c. 125 B. C. it 
had three representatives.*) In Demochares' archonship (108/7 B. G.)^) 
it had sufficient standing to get Lysistrate, a daughter of Mikion, se- 
lected as one of the noble maidens honored with the task of weaving 
Athena's peplos.^) From that point on the family disappears.^) And 
the same general period (103—86 B. C.) seems to have been fatal to a 
number of families distinguished in the public Service for centuries e. g. 
the Diokles-Dromeas family^) and the Xenon-Asklepiades family.^) The 

Areopagus once more acquired power to do this: 'ETtkiöäv dh rtd-äiaLv ol rdfiot iiti- 
litXsiöd'ü} 7} ßovXi] 7} i^ uigsiov ndyov x&v v6\ifoVy onag kv ai &qx^^ "^^^^ xHii^voig 
vo^ioig ;f^wvTai. The practical supervising by the Areopagus would cease when the 
new laws were thoroughly accepted. See Andocides I 84, and Meyer, Gesch. d. Altert. 
V, § 848. The psephisma found in Andocides is confirmed by the Anonymus Argen- 
tinensis edited in 1901 by Bruno Keil; cf. Sybel's Eist. Zeüschr. 89 (1902), p. 477. 
At this time a determination of the weights and measures was also made; cf. Ando- 
cides 1. c. 

1) CIA. II 476, 11. 56-62. 

2) Arist. Ath. Pol. 52; cf. Meier und Schoemann, Der attische Process (Lipsius), 
p. 85 ff., 270^, esp. p. 284. 

3) Perhaps the Eleven no longer existed. It is evident that trouble was anti- 
cipated in introducing the new system of weights and measures. The revolution of 
103/2 B. C. caused friction here as well as elsewhere. The kosmetes for 101/0 B. C, 
for example, had a conflict with the treasury over the disposal of certain funds. 

4) CIA. II 1047 — Mikion and Eurykleides, sons of Eurykleides, two elderly 
brothers, and Eurykleides, the son of Mikion, a younger man whose name is a later 
addition to the list. 

5) Kirchner {Gott. Gel. Anz. 1900, p. 473) suggests 94/3 for Demochares. But 
he very properly locates Nikandros, Apolexis, and Polycharmos {CIA. II 478, 479, 480) 
*'bald nach 95/4" i. e. between 95/4 and 91/0, a period of three years. I, therefore, 
adhere to my own dating of Demochares. 

6) CIA. IV 2, 477 d. A. Mommsen {Feste der Stadt Athen im Altertum, p. 112 f.) 
makes it clear that in the S^^ Century the peplos was dedicated yearly. That it was 
subsequently given every four years only is purely a conjecture. His reason — the 
poverty of Athens — is no reason for 108/7 B. C. 

7) Weil {Athen, Mitt, VI, p. 325 f.) dates an issue of coins with the inscription 
Eurykleides-Ariarathes in c. 90, but see Head, Hist. Num. p. 320. 

8) Cornell Studies X, p. 46; Gott. Gel Anz. 1900, p. 445. — 9) Ibid. X, p. 46. 

10 



The Oligarchie rcvoJution at Athens of the year 10312 B. C. 11 

Mnesitheos-Echedemos family') disappears betweeii c. 125 and the time 
of Augustus. Chief among the offlce holders for 102/1—95/4 B. C. were 
Sarapion, Sarapion's son, of Melite,^) Medeios, Medeios' son, of the Pei- 
raieus,**) Andreas, the son of Andreas, of the Peiraieus (Schoeffer, o. c. 
p. 226), the family to which Byttakos and Pyrrhos, sons of Pyrrhos, of 
Lamptrai*) belonged, Dionj^sios, the son of Nikon, of Pallene (Schoeffer 1. c), 
Argeios, Argeios' son, of Trikorynthos,^) the family to which Athenodoros, 
Athenodoros' son, of Aixone, and Kallimachos of Leukonoe, his brother- 
in-law, belonged,^) Hestiaios, son of Theocharis, of Kerameikos, and Theo- 
charis his cousin,') T^heobios, son of Dionysios, of Acharnae,®) Dositheos of 
Myrrhinoutta'J) and Lakrateides, son of Sostratos, of Ikaria.^®) As far as 
we can determine them, the family relations of none of these") — with 



1) Ibid. X, p. 54; CIA. II 1220, 1375; III 1672. Cf. Hermes XXVIII, p. 145. 

2) CIA. II 465, 595, 985, 1047; IV 2, 1374b; BCH, III (1879), p. 294; Hermes 
XXVIII (1893), p. 620; cf. BCH. XX (1896), p. 639; BCH. XI (1887), p. 262; cf. 
V. Schoeffer, De Deli insülae rebus, p. 213 n. 159. 

3) CIA. n467, 985, 1046, 1047; IV 2, 626b, 1. 65, 1205b?, 1206b; III 1014; 
BCH IV (1880), p. 190f.; BCH. VU (1883), p. 12; Athen. Mitt. XXIII (1898), p. 26; 
Plut. SuUa XIV and Zhebelev, On the Hist. of Athens p. 325; cf. below p. 16 n. 3. 

4) CIA. II 451, 985 E.I, 1. 11, E. II, U. 44 and 58, 1048; IV 2, 477d; BCH. 
XVI (1892), p. 376 f.; cf. CorneU Studies X, p. 75 f. 

5) CIA. II 468, 985, 1206, 1339; BCH. XXII (1898), pp. 148 and 160. 

6) CIA. II 985 D, III. 7 (It is probable that Athenodoros died in the course of 
the year 97/6 and that Pyrrhos of Lamptrai succeeded him as herald of the Areo- 
pagus; cf. 1. 17), 985 A, 11 1. 8, 2300, 594, 863 (This list of archons undoubtedly be- 
longs earlier than 97/6 B. C), 469, 1. 105; BCH. VI (1882), p. 346. 

7) CIA. n 469, 1. 47, 985 E. I U. 27 and 62. 

8) CIA. II 985 E. I 1. 58, II 11. 3 and 29. 

9) CIA. II 985 A. II 1. 11, 1389, 1390, 2361, 1044, 956, l\. 9; BCH UI, p. 158, 
VIII, p. 150. 

10) CIA. II 985 D. n 1. 26, 1047, Add. 1620 c. 955. 

11) Of the officers mentioned in CIA. II 985 we know the foUowing: Xenokies of 
Rhamnoufi was priest of Apollo? in Delos in 102/1 and thesmothete in 99/8. Aristony- 
mos (son of Phanias) of Eleusis was a thesmothete in 101/0. He also made a motion 
at Salamis in 106/5 (CIA. II 470, 1. 53). Timouchos of Rhamnons was a general in 
101/0. Lamios, the son of Timouchos, of Rhamnous was secretary in 112/1 (CIA. 
II 475). Philon of Paiania was herald to Delos in 101/0 : his wife Moscharion was the 
daughter of Aristoboulos of Paiania (CIA. II 2281). Artemidoros of Berenike was a 
thesmothete in 100/99. In the archonship of Achaios (170—160 B.C., CIA. II 433) 
Diochares, son of Artemidoros, of Berenike made a motion. Antikrates of Epikephisia 
was priest of Apollo at Delos in 100/99 and polemarch in 95/4. Demetrios of Aizone 
was priest of Roma in 100/99. A Demetrios, son of Dionysios, of Aixone is mentioned 
in CIA. II 1756. As the inscription is restored, his son Dionysios, son of Demetrios, 
of Aixone was a general in 97/6. Theodosios of Lakiadai was archon in 99/8. In 
98/7 a son of Theodosios of Lakiadai was in some unknown office. Laphaes of Sounion 
was a thesmothete in 100/99. His son Stratonikos was cphebe in 119/8 (CIA. II 469). 
For Philon of Eleusis see above p. 6 n. 1. For others see below p. 12 n. 3, and V. 
von Schoeffer, De Ddi insulae rebus p. 226 ff. 

11 



12 W. S. Ferguson, 

the exception of Medeios*) — exteiid back of 167 B. C. Many of them 
we know to have had intimate relations*) with Delos for the period pre- 
ceding 103/2 B. C. and we may conjecture that they belonged to the 
class which the slave traffic on Delos enriched, and whicli was brought 
through business into intimate relations with the Romans resident on the 
island.') The Romans always favored a timocratic government,*) in their 
dependencies , so that it is likely that it was through Roman influence 
that the constitutional changes of 103/2 B. C. were eflfected at Athens. 
The whole tendency of these changes was to increase the functions of 
the 600 and of the Areopagus, to weaken the control of the jury courts 
over the magistrates, and by substituting election by vote for election 
by lot to place inflnential men in the cliief magistracies and hence through 
the archonships in the Areopagus.'^) To control the elections it is pro- 
bable that a limited franchise was introduced. Otherwise the old families 
with democratic leanings would have retained the government. It was 
an aristocracy that the Romans desired but not one of nobles whose 
traditions were all in favor of democracy, autonomy and neutrality. 

We can hardly hope to ascertain the occasion for Roman inter- 
ference. The conjecture may be ventured that it was in consequence 
of the revolt of the slaves in the mines at Sounion which took place in 
104 — 100 B. C.^) Again and again the Macedonian govemor and the 
Roman Senate had been called upon in the last half of the 2**"* Century 
to settle Athenian affairs.') Thus in 112/1 B. C. on the occasion of a 

1) For the family of Medeios see Zhebelev o. c. p. 324, and Toepfer, Attische 
Genealogie p. 318. 

2) For Sarapion see BCH. XXIII (1899), p. 80; for Medeios ibid. p. 68 f.; for 
Byttakos BCH. XVI (1892), p. 376 f.; for others see Schoeffer, De Delt insulae rebus, 
p. 226 ff. Sarapion, Medeios, Andreas, Dionysios, Kallimachos, and Protimos, son of 
DositheoB were at one time or other chief magistrates of Delos. 

3) Those prominent after 86/8 were naturally pro-Romans. Hence we may as- 
certain some of the men with Roman leanings before 86/3. Dionysodoros of Deiradiotai 
was gymnasiarch at Delos in 100/99. In c. 50 B. C. (CIA. II 1049, 1. 39) -phon son 
of Dionysodoros of Deiradiotai heads the list of his dcmesmcn. Epigenes, son of Dios, 
of Melite was Superintendent of Delos before 88 B. C. (^Gött. Gel. Am. 1900, p. 478; 
BCH. IV, p. 220, XT, p. 263). His two sons Epigenes and Xenon were ephebes in 
c. 80 {CIA. II 481). Medeios himself was Superintendent of Delos in 97/6 {BCH IV, 
p. 190). His son was archon in c. 62/1 B. C. Archonides of Kerameikos (see also 
BCH. VI, p. 491) was king archon in 97/6 and went as one of the Kerykes to 
Delphi in 106/5 {Hermes XXVIII, p. 624); his son Nausistratos was ephebe in c. 80. 
Nikanor, Nikanor's son, of Leukonoe was ephebe in 105/4 {CIA. II 465) — the ephebes 
belonged mostly to well-to-do families — and Superintendent of Delos in c. 80. 

4) Pausanias VII 16, 6. 

5) For the effects of Virtual election upon the Areopagus sct» above p. 2. In 
Plutarch's time the Areopagus was probably constituted in some other way; cf. Per. IX. 

6) Cf. Mommseu, Hist. of Borne, E. T. III, p. 171 f.; Zhebelev o. c. p. 219. 

7) See the history of the Dionysiac artists given by Colin, BCH. XXIII (1J^90), p. 36 ff. 

12 



The Oligarchie revolution at Athens of the year 10312 B, C. 13 

dispute between the Athenian branch of the league of Dionysiac artists 
and the liead management in Thebes a decision was given in Athens' 
favor. üpon this occasion the Senate decreed:^) 'A&rjvaioig ngBüßwxaiq 
gnXav&Qoimas anoxQi&tjvar avägag xakois xa[i] aya&ovg xal (fllovg 
nagä 8i]fiov xaXov xuyad-ov xai q>ikov aviifAoxov t£ r/fisvigov ngoca- 
yogevaar ;^a(»t[ra], (piklav^ cvfxfiaxiav t« avavmöaa&ai. That meant to 
renew the Foedus Aequum made when Athens became a Roman ally. 
In 103/2 B. C. perhaps it was renewed but with the request that the 
Constitution be modified in a timocratic sense. Undoubtedly the senate's 
action foUowed a demand made by the rieh Delian magnates who desired 
to have their position in the State established de iure as well as de 
facto. Perhaps it was the same Senate which constituted Cilicia a province. 

Year after year the some 140 Athenian ephebes, fashionable young 
men, students of military science, athletics, and philosophy went to escort 
into the city the Koman "friends and benefactors" who chanced to pass 
that way. And no doubt the governing clique welcomed them, and had 
them address the assembled people. But they brought more and more 
clearly home to tlie demos its loss of independence and privilege. There 
were raerchants in Athens who came to hate the Eomans because of trade 
rivalries at Delos. The Diaeus? mentioned below was such a one. There 
were many influential men among the old Athenian families and in the 
Peripatetic and Epicurean^) schools of philosophy to whom the govem- 
ment of the slave-dealers was as distasteful as it was to the disfranchised 
masses. Then for three years in succession the chief archonship came 
into the hands of Medeios, Medeios' son, of the Peiraieus. It seemed as 
though he were aiming at a tyranny. An anarchy ensued. Hence an 
embassy was sent to the Roman Senate to get the Constitution deflnitely 
determined or further modified. The Senate deferred consideration and 
the anarchy continued.^) 

The Situation at Athens had already become acute*) when Mithri- 

1) BCE, XXIII (1899), p. 20 and p. 25 f. 

2) The Stoics on the other hand were partisans of Rome; see Niese, JRh, Mus. 
XLII , p. 578. Hence the contemptuous attitude of Poseidonios toward» Athenion and 
hiö foUowing. The Akademicians were also pro-Romans. Philon, the head of their 
school escaped to Rome during the troubles. See Cicero Brutus ^ 89 ff.; Mahaffy, 
Greek World under Roman Sway, p. 119. 

3) See below p. 14. 

4) The 4*Ji archonship of Medeios is now fixed in 89/8 B. C. (Kirchner, Gott 
Gel. Anz. 1900, p. 476 ff.). The pro-Roman faction, therefore, was in control in Heka- 
tombaion of 89. It was probably in the spring of 88 — the victories of Mithridates 
having already taken place — that the anti-Roman faction raised itself and sent Athenion 
to Aaia. During his abseuce the quarrel continued — hence iv o^iovoia ^yv promiscd 
in the letters of Athenion. The Roman senate when requested, by its friends no doubt, 
to settle the strife, through anxiety lest the democrats should in that event put Athens 
into the hands of Mithridates, promised to investigate. Then Athenion returued, was 

13 



14 W. S. Ferguson, 

dates drove the Romans out of Asia and seemed in a fair way to des- 
troy permanently Roman power in tlie East. To him accordingly the 
anti-Roman party turned for help. Its ambassador was the Peripatetic 
philospher Athenion and of his doings his Stoic contemporary Poseidonios 
gives the foUowing report.*) "He was chosen by the Athenians as an 
envoy to Mithridates when matters turned the king's way and insinuating 
himself into his good graces he became one of his "friends". His pro- 
motion was rapid. And because of it he gave in his letters the Athe- 
nians the impression that his influence was paramount with the Cappa- 
docian and inspired them with the wild hope, not only of getting rid 
of the debts with which they were burdened-) and (of living in con- 
cord i. e.) of restoring domestic peace, but also of regaining their demo- 
cratic institutions and of obtaining generous donations for public and 
private needs.^) This made the Athenians talk big; for they feit certain 
that the Roman hegemony would be overthrown." Poseidonios then goes 
on to describe the return of Athenion and his ostentatious entry into the 
city. *He was carried on a litter with silver feet and purple coverings. 
Never had a Roman even made such a haughty display in Attica. A 

clected strategos aud chose officers wbo of course did not rule longer than their patroii. 
Athenion did not openly break with Rome (avvdycov 6h xal ix^Xriaiag noXXoixig rä 
Pa^ucUov (pQOvsiv TCQoasiioieiTo Athenaeus Y 214). But some pro-Romans fled and their 
property was confiscated. Delos sided with Rome. Apellikon failed to reduce it. 
Athenion was overthrown after a rule of at most a month or so. Hence Appian ncg- 
lects him and Strabo (see below p. 17 n. 5) refers to him but not by name. Then came 
Arcbelaos and Aristion. 

The issues of money attributed to the revolutionary cra by Rud. Weil (Athen, 
Mut. VI, p. 824) cannot easily be fitted in. That of Mithridates and Aristion belongs 
to 87/6 undoubtedly. That of Aristion and Philon must have been made in 88/7. It 
has the letters A to M on the amphora. Does that mean that^ Aristion became a 
magistrate at the begiuning of 88/7? It is quite possible. Even though clected at 
the regulär time the magistrates for 88/7 would not be recognized by the restored 
aristocrats. The archou for 87/6 , Philauthcs , is of course the magistrate for the part 
of the year 87/6 foUowing the 1»* of March. In this respect the anarchy of 88/7 is 
like that of 404/3. Of the other two issues attributed by Weil to this period , one 
— that of Eurykleides-Ariarathes — has already been disposed of by Head {Historia 
Nummorum, p. 320). The one with the inscription Apellikon-Gorgias must be put 
along with that of ApeUikon- Aristoteles (Head, p. 323). It scems to me unlikely that 
eithcr of them belongs to 89/8. 

1) Athenaeus V211dff. Though the professional, political, aud class animosity 
of Poseidonios towards Athenion and the Athenians of 88 — whom he ironically calls 
Kekropidai — is obvious in every line of this narrative, modern writers seldom makc 
allowance for it. Niese (Rh. Mus, XLII, p. 579 f.) aud ßeloch (Sybcl's Hisi. Zeüschr. 
84, 1900, p. 19) are notable exceptions. 

2) At the rate of intercst exactod by the Romans a debt raight easily becomc 
a serious bürden. 

3) wert ^lij novov t&v inLcptQOnh'iüv 6(pXriiLdTcov ^TtoXvd'tvTag iv 6\LOv6tcc f/^r, 
icXXa xai ri]v drmoxQariuv ävwKXiiGaiiivovg naX dcoQtibv ^ttyoAwr tv^ttv iöia xccl dmiocUc. 

14 



The Oligarchie revolution at Athens of the year lOSjZ B. C. 15 

great crowd went to see the spectacle. The Dionysiac playwrights in- 
yited him as the new Dionysos to the town hall. He became the guest 
of Diaeus? who got large revenues from Delos, and was sumptuously 
entertained. The city was in a white heat of expectation. On the fol- 
lowing day a spontaneous gathering of the demos .took place. This 
Athenion addressed from the bema erected by the Roman generals in 
front of the stoa of Attalos. He enumerated the countries over which 
Mithridates ruled — Bithynia, Upper Cappadocia, all Asia Minor as f ar as 
Pamphylia and Cilicia. The kings of Armenia and Parthia were in his 
train. All the nations round about the Pontus in a circuit of 3000 Stades 
were his subjects. The Eoman generals were his prisoners. The govemor 
of Asia, Manius Aquillius, the hero of the Sicilian war, was being led 
in chains through the land. The Roman Citizens were seeking refuge at 
the altars. All the cities of Asia were greeting him as a god. Oracles 
promised to him the lordship of the world. A great army was on the 
way through Thrace and Macedon to Greece. Envoys were at his court 
from the ends of the earth to offer aid for the destruction of Rome. 
Then after a pause he continued': "What adyice shall I give to you? 
Let US not tolerate the anarchy which the Roman Senate has had pro- 
longed while by investigation it ascertains how we ought to be governed. 
Let US not observe with indifference the temples closed, the gymnasia 
foul through disuse, the theatre but no town-meeting in it, the jurycourts 
silent, and the pnyx, sanctified by the oracles of the gods, destitute of 
the demos. Let us not observe with indifference, men of Athens, the 
sacred cry of lacchos silenced, the revered shrine of the twain goddesses 
closed, and the schools of the philosophers voiceless."') *More of a like 
chäracter the foretime slave said. The mob then swarmed into the theatre 
and chose him hoplite general. He nominated the other officers and so 
the anarchy ended. Athenion did not at once precipitate a conflict with 
Rome. But sensible people saw it to be inevitable and began to leave 
the city. Athenion closed the gates and a reign of terror ensued. An 
expedition was sent under the command of Apellikon to recover Delos 
which had deserted to the Romans. It was an ignominious failure.* At 
this point the Quotation from Poseidonios ends. Appian^) continues the 
narrative. Archelaos, the general of Mithridates, while crossing from 
Asia, sacked Delos and sent Aristion an Epicurean philospher'^) to Athens 

1) On this passage Mahaffy {Greek World under Roman Sway p. 97) says: *'If 
this languagc was used, it was surely intendcd to be understood in a loosc scusc. 
Athens had upon the whole been better treated by the Romans than any other Grcck 
city." 1 take it that Poseidonios puts into the mouth of Athenion a perhaps exag- 
gerated but in the main truthful description of the Situation in Athens. — 2) Mith. 28. 

3) Niese , Rh. Mus. XLII 574 has shown that Aristion and Athenion are two 
distinet personages. Wilcken (P.-W. s. v. Atlienian), Zhebelev (o. c. p. 230 ff.), Kirchner 
(Gott Gel. Änz. 1900, p. 477) accept Nikse's conclusions. 

15 



Ifl TT. 5. FtfVH9tm, 

with the saored moneys and 2*»<'0 rr^ ps. -^e niay sarmise that the 
disaster of Apellikou hiul It^l r.- rbt* .1 .^"orAll r ArLrni« ii'.-i Aristion 
nuule himselt' tjTaut, and the 'i:y :» jiei M.-Jn-L-r-:?. Ti«hi oame thtf 
sitye of Athens by SuHa and ::s iial •apar^. M-n. w ii»-n. and chil- 
an^n woiv alike slain. The a ■ ;c>r v 1— r^ly s.,Tr zl^z^It^ to 
aostriKtion. and atter rhe raral ki.T-Is : Xat i ^- B. • . n.any old 
Athouian families an» aVs^u: r- :u '"-r i i- r :>t : 'Irir r^ile.-» At 
tho iutenvSv>;iou . s;tyvi ri:::.ir/:i. :: X -i- > ^: k^-::lr -/. two 
Athouian oxilos, and ^'^ s-ie >*im- --^ -ir >^^" '^--'^ ''\^"*^^, ^V^?^ 
hoNNo>or a\^tVamh;>k\i T.v' • '^ t\..5 r lz . r-i *^t :: ^ r^mrrL >^a 
roNtoml tho oxm>it;tu:Mi r*^* :••>'■ *> * '- - "'^',1" "*^" -x:„;.>hed 
h\ tlio HonKUi^^^ i 0. .^- - -^i'^ V--- : :• •: : :! r> - -^. is is nv- 
qnontlN n<srrt*a» ATtd a.< V: r'^^- :«r\-: ^ ' _ \ > :* ^-. : "-^r. «irtcr- 
mliMMliu n<» Ivi^'^ VVr in N- K v\ K - : - r- - - : -^^-r *j^^ 
inMiitutiotis ot' Athoiw aud vio ha\e r..: ^. - - - • -: i - ^ -.: -„r -i:: 

1> So Wllcko« l ^*' S.V *:sxf r : ' 

l\) 'riio MSS p\o MouiiA*. A M, .x-A> < %.-^ jk .: -' ' -^i -i - > f r 1 '-2 1 

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K T., I» HHf; (\iliu, iii U. \\\\\ JS:. . i* >^ v . - . * -- ' * 4.--rr.'i 
U Outi IIm' lufctitUtlonn i\( A<Uru» ^civ uot ä'.v:«. .: l ♦> '-^ v' . ^f X> 1 r. .7-1- 
It 4H|; ItiMiimiiU, r/Mf.7» .l#*/..i " , Ihumx, i \ y '^. !» ;l. r/ :-. >. . - ...- :V Y. T 
p\i tritt X hlUj uimI Muhath ^ln.A H .' ,.i n • : «i . v. . :- ?"• :irt i- r-c-c^- 
niMfitl In Hii'lr BdittMui'uin. /.h»l»,'lr\ ,<► . , :.' x . i - . -.£ >-::i* ;.r li- 
r«'Milt«» «iMiU ihvi'iilig«li»»u thu»: "SuIIa v\^^v'.s iv .i a. i vV r- • ; -.i: c-i. r :: '"r 
AtlM^nlun i«nii«tllulltm wMoh hwii U-^uu u» «; m- ir.tv .r, t: .• -.vx. : v. xt.t I+t \ 
(Int tlil« uihI iitlior tniimlalioiu ot /.luK. K\ » twk ^*»b .^ ;> *- v r K .>^.ir I i.*:! 
)hiU'\iUHi to l*Mil'. Nii>i*« iil' iho Urp! o! Niruoi.:.- T: \ ..— % 0: ■••; 1-.» -^ \^ c: Oili- 
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<li«-w* V'crfuHiiuii^M'indcruii^, liit« ilurrh v'xuv W\ don l^ir.orn Ärcxstht^a" Är;<;% krÄ:.>^ht 
Miodrrhi'it in Atlini Hidb»! x'innlaHM wurdtii war, d:uiu«U als Atbtr.io Mir.o Rivü hiili, 
«•»»•t vor kurzem p-Hclirlicn M-in kniin, <la mnu luuh oinm riuv.;^t'.pn lM^><'hi ;d er- 
wartet«'. • 

ir. 



The Oligarchie revolution at Athens of the year 10312 B.C. 17 

so. Whereas I think it is now clear that the Äthenian Constitution was 
transformed so as to meet Rome's wishes in the year 103/2 B. C. The 
restoration by Sulla was, however, not quite complete. For after 86/3 
B. C. the Senate alone had the right to enact decrees.^) The probouleuma 
became equal to the senatus consultum. That remedied the weak 
point in the Constitution of 103/2 B. C. For the self-assertion of the 
ekklesia had, no doubt, led to the anarchy of 88 B. C. The occasion for 
that assertion was probably the suspicious conduct of Medeios. In conse- 
quence of it the Roman partisans lost control of affairs. Sulla had no 
desire to foster a tyranny. Hence in 86 — 3 B. C. the prohibition against 
repeated tenure of other than military offices was re-enacted.*) In other 
respects the restored Constitution was the same as that in existence 
between 103/2 and 88/7 B. C. The chief magistracies were elective. 
The Areopagus with its enlarged Jurisdiction and its influential personnel 
obtained so dominant a position in the State that already in Cicero's 
time it could be referred to as the governing body.^) The Senate of 
600 added to its old powers final judgment upon the conduct of the 
magistrates and füll legislative functions. Among the magistrates the 
argaTfjyog knl ra onka and the xrjgv^ ßovlrjg rijg ^£ 'Aqüov ndyov became 
as preeminent as the consuls in Rome. The franchise {iprypog xal x^ieo- 
Tovia) was at first limited to the restored exils but at a later period*) 
it was granted to the descendants of the anti-Romans i. e. to all the 
Athenians. But the functions of the ekklesia can hardly have extended 
beyond the election of certain offlcials and the functions of the once 
omnipotent jury courts became so unimportant that we hardly know 
whether jury courts existed at all or not.*) 
University of California, Berkeley, U. S. A. 

1) CIA. II 481, 482, Add. 489 b. — 2) See above p. 5. — 3) Cicero de nat. 
Deoi-um 2, 29, 74. — 4) At that time the Mnesitheos-Echedemos family reappeared. 

5) Strabo (IX 398) say» the followiDg: ftö^a/ot d* ovv naQaXaßdvteg a{>rovg druio- 
XQatovy,ivovg itpvia^av rijv avTOvonlav avtots xal rrjv iXtv&eQiav. iniTiscdiv d' 6 
Mt^QtddTtxos noXefiog rvQccvvovg avrotg xaxiöxriökv ovg 6 ßaGiXsvg ißovXsto- tbv d' 
iaxvaavja ^laXiöTa tbv 'A^irOriavcc xal ravrriv ßiaödu^vov ri]v noXiv in noXiOQxiag iXoiv 
2^vXXag ö rätv Pa^iav i)ytyM}v ix6Xaat, rg dk nöXti ev/yvoi^r^v tvti^t' xal iitXQf' *'^'*' 
iv iXav^^egia ti iari xal ti^jj nccQcc tote Pto^ucloLg. That iß quite correct. It in no way 
raakes inadmissable internal changcs such as thosc attributed by me to 108/2 and 
86/3 B. C. 

[Had I had access to Kirchners admirable Prosopogmphia Attica while writing 
this paper, I might have determined who was who at Athens in 103/2 B. C. with more 
precision and much less labor. W. S. F.] 



Beitrage x. alten Geschichte IV 1. 

17 



18 



Die eigenhändigen üntersehriften in den delphisehen 
Freilassungsurkunden. 

Von A. D. Keramopnllos. 

Die folgende Untersuchung verdankt ilire Entstehung der Beob- 
achtung, dass die Freilassungsinschriften des delphischen Einflusskreises 
oft die Erklärung enthalten, die Urkunde habe sei es der Freilasser 
selbst, sei es ein anderer geschrieben. Das legt den Schluss nahe, dass 
die eigenhändige Schrift des Freilassers hier eine Bedeutung für die 
Rechtsgültigkeit des Vertrages hat. Weiter aber haben unser Inter- 
esse die Unterschriften der an dem Vertrage beteiligten Personen erregt 
und wir sind zu P]rgebnissen gelangt, welche das in dieser Hinsicht 
Bekannte teils berichtigen, teils vervollständigen. 

Bis jetzt hatte man angenommen, dass wir Unterschriften von 
Kontrahenten und Zeugen unter griechischen Verträgen erst in der 
späteren Zeit des römischen Rechtes, speziell seit Ende des zweiten 
Jahrhunderts n. Chr., finden^), dass die Rechtskraft der Kontrakte nicht 
von der Handschrift, sondern von der Mitwirkung der Zeugen abhängig 
sei-) und dass deren Namen, besonders in den Freilassungsurkunden, 
nicht eigenhändig geschrieben gewesen seien.*) 

Ich gedenke, liier die Freilassungsinschriften von Delphi und Um- 
gegend zu berücksichtigen, welche eine selbständige Gruppe in Nord- 
griechenland bilden, und werde versuchen festzustellen, was dort, 
wenigstens in der Zeit, welcher die in Betracht kommenden Inschriften 
angehören, Gebrauch war. 

Betrachten wir zunächst die Rolle des Freilassers beim Abschlüsse 
des Vertrages. 

Im Bulletin de correspondance heJUnique [BGH:\ 1898 (Colin), S. 133, 
No. 116 (64/5 n. Chr.)*), Z. 4 erklärt gleich nach dem typischen Präscriptum 
im Anfange des Aktes der Freilasser oder Verkäufer, dass er selbst den 
Vertrag geschrieben hat : j.xHgoygacfov MifivoduiQov rov MtjvoSwgov ' aniöoro 

1) Güeist, Die formellen Verträge S. 351, 458, 467. — 2) Ebda. S. 448. 

3) Philippi, De si/ngraphiis et oiaiag notione 1871, S. 10. Thalheim, Gr. Rechts- 
alterthümcr 1895, S. 108 Anm. 1. 

4) Die Daten der hier zitierten delphischen Inschriften sind den delphischen 
Archonten- und Beamtenverzeichnissen von Pomtow bei Pauly-Wissowa Art. ^^ Delphi* 
entnommen. Die endgültig(? Feststellung derselben ist freilich noch nicht erreicht. 



Die eigenhändigen Unterschriflen in delphischen Freilassungsurkunden, 19 

MfjvoSapog'' xX, In No. 104, Z. 15 (65 n. Chr.) giebt der erste der vier 
Freilasser am Ende des eigentlichen Aktes die gleiche Erklärung ab : ;^c}() 
Ztalkov tov Zwllov yiygaffa tu ngoyBygafifAiva. kdv 8i n yBvvfj&y i^ 
aifiarogj öcSasi äfiiiv. In zwei anderen Fällen steht die Erklärung im Kon- 
texte des Aktes; No. 87, Z. 15 (17 n. Chr.): rav wvccp ri&ifis&a xard tov 
vofioVy tfiV fiiv Iv rq) hp^ tov ^nolXwvog kvxcigd^avTBg , ttjv Si Nlxtav 
ygdxpag kv t6 dafioöiov ygafifiaTocfvXdxiov 8id toi ygafifiaTicag Avßifidji^ov 
NixdvoQog, Nikon ist einer der Freilasser und schrieb eigenhändig, 
während der Grammateus Lysimachos nur die offiziell angestellte Person 
ist, durch welche die Urkunde in dem betreffenden Archiv nieder- 
gelegt wurde. Dies wird klarer durch ein anderes Beispiel, No. 91, Z. 11 
(20 n. Chr.): „Tl&efxai TtjV wvijv xora tov vofiov, tt^v fiiv Big t6 Ibqov 
TOV ^AnoXXwvog ^vx^gd^ag, ttjv Si rp lSl(f ;^6e()i ygdxfjag alg t6 Sijfioaiov 
ygafifiarorpvXdxiov 8id tov yga^iiaTitag Avaiiidxov rovNixdvogog^. S. auch 
No. 83, Z. 13 (15 n. Chr.). Die letzten Beispiele scheinen mir besonders 
wichtig, weil sie uns die für die Freilassungsverträge geltenden gesetz- 
lichen Bestimmungen klar angeben. Danach war der Freilasser (xara 
TOV vofiov) verpflichtet, den Vertrag eigenhändig zu schreiben, diesen 
eigenhändig geschriebenen Vertrag durch den Grammateus im öffentlichen 
Archiv niederzulegen und eine Kopie davon am Tempel des betreffenden 
Gottes eingraben zu lassen. Auf die Verpflichtung des Freilassers, den 
Akt eigenhändig zu schreiben, deuten auch die in erster Person vor- 
kommenden Ausdrücke, von denen Colin a. a. 0. S. 191 spricht; vgl. 
auch Philologus LX (1901) S. 73. 

Wenn der Freilasser des Lesens und Schreibens unkundig war, so 
liess er einen anderen an seiner Stelle und nach seinem eigenen 
Wunsche schreiben, indem er dabei stand und erklärte ygd/ifiaTa /irj 
BlSivm. So Corpus inscriptionum graecarum Qraeciae septentrionalis [= /ÖÄ] 
III 318, 4 (aus Amphissa), „x^igoygatpov KgiToddfiov Jago&iov Jelipov 
vnig Zianigav MivdvSgov d'vyaTigct 'Afitpiaaida nagovaav xal xeXevovaav 
ygd(f6iv vnig avTav, knei ^syev cAtu ygdfifjiaTa fifj Bldivai.^ Dasselbe 
No. 1066, 4 {„ Tituli primo a. Chr. n. saeculo utique non antiquiores^ for- 
lasse ettam recentiores^^ , vgl. Sylloge ^ 844 „ Titulus utique principatiis tem- 
pcmbus non antiquior''). Einfacher BCH. 1898 No. 94 bis (24 n. Chr.) 

Z. 3 „x^ig 0Boq)iXov to[v Jpov ineg Nixofiaxov EvSixov nagovra xal 

xBXivovTa ygdyjoL vnig avTov aniSoTo^ xX. Auch No. 95 (31 n. Clir.) 
Z. 2, No. 96 (22 n. Chr.) Z. 2, No. 99 (59 n. Chr.) Z. 1, No. 110 (61 n. 
Chr.) Z. 25, No. 85 (16 n. Chr.) Z. 14, WS, HI 194 (aus Tithorea vom 
Anfang des IL Jahrh. n. Chr.) und eine unedierte Amphissäische In- 
schrift*) Z. 3 — 4 y^vnig NixaolnoXiv nagovaav xal xaXofiivav x^Qoygatfov 
NvfKptjddgov^ , 

1) Diese wird, mit anderen Amphissäischen Inschriften zusammen in einem Auf- 
sätze vereinigt, bald von mir veröffentlicht werden. 

2* 
2 



20 A. D. Keramoptdlos, 

Somit halte ich es für erwiesen, dass der Freilasser zur ßechtsgültig- 
keit des Aktes gesetzlich verpflichtet war, den Vertrag eigenhändig zu 
schreiben oder, wenn er Analphabet war, einen anderen ausdrücklich damit 
zu beauftragen.*) Es scheint weiter, dass auch die übrigen Personen, welche 
im Anfang der Urkunde als Miteigentümer und Mitfreilasser auftreten, ihre 
Zustimmung zur Freilassung durch eigenhändige Erklärungen bekundeten 
oder, wenn sie des kSchreibens unkundig waren, dies durch eine andere 
Person thaten. Dafür haben wii- einige wenige Beispiele: No. 83 (15 n. 
Chr.) Z. 15 nX^Q^yQ^V^^ Kalhxgaviag ras jivamövov ofiokoyio) avv- 
BvogiatBiv tu nQoyeyQafifdiva^. No. 87 (17 n. Chr.) Z. 19. 

Der Verpflichtung, eigenhändig zu unterschreiben, waren ausser dem 
Freilasser auch andere an dem Vertrage beteiligte Personen unterworfen, 
namentlich die Erben des Freilassers^) als dessen Rechtsnachfolger in 
seinen Rechten über den Freizulassenden. Sie Wessen „avvEvagsaTiovvBg 

Wir führen dazu folgende Beispiele an. 

BCff. 1898 No. 94 bis (24 n. Chr.) Z. 8 „avpBvaQiariovrog airolg 
xal Tov vlov avTwv Jiovvalov^. Z. 24 „x^Iq Jiovvalov cw^vagsatai 
TJ üagafioyov xal xdv ngoysygafi^ivtov wväv,^ No. 95 (31 n. Chr.) 
Z. 2 — 8 (wo die ffvvBvagBariovrtg von den Besitzern nicht klar unter- 
schieden werden und ihre Zustimmung durch einen anderen schriftlich 
erklären, gewiss weil sie nicht schreiben konnten), No. 98 Z. 2 und 18 
(40 n. Chr.); No. 99 Z. 3 und 9 (59 n. Chr.); No. 103 Z. 9 und 30 
(64 n. Chr.), IGS, III 192, 193 (Trajanische Zeit), wo die (WvBvagBati- 
ovTBg wie die Bürgen unterschreiben. Dass die GvvBvagBcriovTBg dem 
Sklaven gegenüber eine ähnliche rechtliche Stellung einnahmen wie der 
Eigentümer, wird aus No. 95 ersehen, ebenso aus solchen Akten, wo 
der Verfasser der Urkunde an mehrere Verkäufer denkt, während wir 

1) Bei Baunack, Delphische Inschriften 2146 (^vielleicht 150—100 v. Chr/) steht 
eine Freilassungainschrift, welche zwei Brüder Boiskos und Xenon aus Chaleion als Frei- 
lasser in Delphi eingraben Hessen. Beide konnten schreiben. Aber, ob nicht in diesem 
Falle der Originaltext von einer dritten Hand geschrieben worden war, ist nicht ersicht- 
lich. Erst gegen Ende treten klar die eigenhändigen Erklärungen der Freilasser auf: 
fX^'Q^YQ^^ov Botaxov rov ^iXcovog' ufio^o/e&) <6iLoXoYtco> xccl Gvvtva^s6xi<a rä n^oys- 
ygaiiiitvcc' ihvarag iUvd-tgog' ^ccQTVQtg' ol ccvtoL XiQOyQocvpov &v(ovog rov ^iXcovog' 
üftoAoycci} xul avvsvagsctia} t« TtQOyByQa^iiiiva' ojvdtag iXtvd'SQOg' iLccQVVQOir' oi cci)toL* 
Wenn hier ausdrücklich bezeugt wäre, dass der Text durch eine dritte Person ge- 
schrieben worden sei, so würden wir anzunehmen haben, dass es, wie es nach heutigen 
Begriffen natürlich ist, gestattet war, den Akt schreiben zu lassen, obwohl man selbst 
schreiben konnte, aber mit der Bedingung, dass man die Rechtsgültigkeit der Frei- 
lassung durch eigene Unterschrift bewirkte. Wir hätten dann weiter zu fragen, ob 
diese Methode nur auf Chaleion beschränkt oder weiter verbreitet zu denken wäre. 
Wie die Dinge liegen, ist das Dokument nur ein weiterer Beleg für die Notwendigkeit 
der eigenhändigen Unterschrift der Freilasser. 

2) Mittois, Beichsrecht und Völksrecht S. 873 nebst Verweisungen. 



Die eigenhändigen Unterschriften in delphischen FretlassungsurJcunden. 21 

nur einen sehen (No. 49 Z. 4 ansXvovro] 52 Z. 5 ot r« dnoSöfUvoi; 
dasselbe 81 Z. 10 und 106 Z. 19), und ausserdem aus der Form der 
schriftlichen Erklärungen der Miteigentümer (No. 83 und 87), welche 
durchaus ähnlich den Subskriptionen der eigentlichen avvsvaoBaviovTsg ist. 

Es ist weiter zu bemerken, dass die awBvagiaTiovtBg ihre Erklärungen 
persönlich geben und eigenhändig bestätigen, so weit sie gesetzlicli 
dazu beröchtigt waren; z. B. No. 93 (26 n. Chr.) Z. 20 „xa&tog avvEv- 
agiattjoav nagwv 6 vlog ftov Silatgatog xal xov kyfovov fiov Fkavxia i 
narrjQ jitawv^, woraus wir sehen, dass Glaukias, der Enkel des Frei- 
lassers, als Sohn von dessen Tochter gesetzlicher Erbe des Freilassers 
ist und deswegen als avvevaQeaticav auftritt. Dies geschieht aber durch 
den Vater als Vormund. 

Wir haben noch eine andere Klasse von Personen zu besprechen, 
welche in den Freilassungsurkunden mit ihren eigenen Handschriften auf- 
treten. Das sind die ßBßamrijgBg oder ßeßaiwral,^) Diese wurden immer 
von dem Freilasser bestimmt (Plut. de vitando aere alieno Cap. 1), weil 
dieser die zur Ausführung des Vertrages verpflichtete Person war. 

Das von Colin, BGH, 1898 S. 192, erwähnte Beispiel No. 94 Z. 4 
(29 n. Clu'.), nach welchem der ß^ßanarr/Q von der Sklavin ernannt 
wird, ist anders aufzufassen. Das „xal ßeßauariJQa xatiaraaev^ bezieht 
sich nämlich nicht auf die Sklavin, sondern auf die Freilasserin und 
ist eine entfernte Fortsetzung des vorangegangenen ^^aniSoxo 'Ovaai- 
(fOQov /laiiä^. Die Zeilen 2—5 zeigen überhaupt in ihrer Syntax die 
in diesen Freilassungsurkunden nicht seltene Nachlässigkeit. Die zeitlich 
nahe stehenden Akten zeigen, dass der ß^ßamtrig nach den Gesetzen der 
Stadt {xaxd xovq vofiovg tag noXwg) von dem Freilasser bestimmt 
werden musste. 

Bei No. 106 (68 n. Chr.) aber, wo Nikaso mit der Zustimmung ihres 
Sohnes Antiochos die Sklavin Sympherusa verkauft, steht Z. 14 „[xa&wg 
kniavBvaav räv'] ävdv r^ &b^ [NBijxaJlad xai 2!v/iq)iQovaa. Ka- 
&iaT]axav 8i xal ßBßaiwJlr^Qa xard rov vofiov rag ^]oAi[o]ff /fio- 
duiQov^ xA.: daraus könnte man schliessen, dass wenigstens eine Verein- 
barung zwischen dem Herren und dem Sklaven für die Benennung des 
ßBßanüTfjQ stattfand. Aber das ist auch nicht der Fall, wenn man die 
obige Ergänzung durch die folgende ersetzt „{xa&vjg inlarBvaav rdii] djväv 
T(ß d-B^[NBi]xal[a(ijxal*AvTiOxog. Kad-iarjaxav di xal ßBßaKollriJQa 
xard TOP vofiov Tag n\6Xi\o\g /lioSiagov^ xA. So wird der ßBßaicorrJQ 
wieder, wie in sämtlichen in dieser Hinsicht detaillierten Inscliriften, von 
den Verkäufern bestimmt; der Verfasser des Aktes denkt hier, wie auch 
Z. 19 „ot TB dnodofiBvot^ zeigt, an zwei Verkäufer, nämlich Nikaso und 

1) Andere Namen s. Äncient Greek Inscriptions in the British Museum II S. 147—8 
und Mitteis, Beichsrecht und Volksrecht S. 504. 



22 A. B, Keramopullos, 

Antiochos. — Es entsteht aber aus dieser Ergänzung die weitere Schwierig- 
keit, dass die zwei Verkäufer und nicht, wie gewöhnlich, der Sklave den 
Gott mit dem Kaufe betraut. Dieser Anstoss wird durch Heranziehung 
anderer ähnlicher Stellen beseitigt. So No. 107 (85 n. Chr.) Z. 5 „xal 
Tay Tifjidv anix^o näaav, xa&tig iniimvüa t^ &t^ xäv wvdw KX^odafiog 
EvqQoavvov^' Kleodamos ist hier der Freilasser (vgl. auch Colin a. a. 0. 
S. 192). Wie dieser immer noch seltene, obgleich bezeugte Vorgang zu 
erklären sei, ist bisher eine offene Frage. Vielleicht soll ausgedrückt 
werden, dass der Verkäufer zur Freilassung bereit ist und wünscht, 
dass diese unter dem Schutze des Gottes dauernd gesichert bleibe, was 
man auch aus der Bedingungslosigkeit der Freilassung in No. 66 (wo der 
Sklave ein Milchbruder des Freilassers ist), No. 106 und Baunack 2U6, 
2342 vermuten könnte. Wenn die Freilassungsbedingungen in No. 107 
drückende sind, so hat schon Colin daselbst bemerkt, dass der syntak- 
tische Zusammenhang derselben in der Urkunde „incomprfehensible" 
ist. Ich glaube, dass dieser Teil des Aktes infolge veränderter Stimmung 
des Freilassers gegen die Sklaven, dem schon fertigen Vertrage nach- 
träglich beigeschrieben und dann der Inschrift ungeschickt einverleibt 
wurde. Wir werden weiterhin noch sehen, dass die verschiedenen Teile 
der Verträge nicht immer gleichzeitig und vor denselben Personen und 
an demselben Orte niedergeschrieben wurden. Bis zur grossen Feierlich- 
keit der Freilassung war also immer die Möglichkeit einer Änderung der 
Bedingungen gegeben. 

Kehren wir zu den Erklärungen der ßsßamriJQeg zurück: sie 
mussten die Aufrechterhaltung der Freilassung eigenhändig versprechen, 
weil sie meistens die ngoanodorai (nQOJKaXtjrai) waren oder zu den 
engsten Verwandten und infolgedessen zu den nächsten Erben des Frei- 
lassers zählten.*) So sicherte man, ebenso wie durch die Zustimmung 
der övvivageaTiovTeg y die Freilassung gegen jeglichen zukünftigen An- 
griff. In den von uns in Betracht gezogenen Beispielen gehören jedoch 
die meisten zu der Klasse einflussreicher Delphiern, die an den Staats- 
geschäften Anteil nahmen. Ein derartiger einflussreicher Bürge gab 
natürlich dem Vertrage eine ungleich grössere Sicherheit als jene Ver- 
wandten. Als Beispiele führen wir an BGH, 1898 No. 83 (15 n. Chr.) Z. 16 
„XuQoygaifov Avaiiidxov xov Nixavogog' ö/jioXoyai ysyovivai ßBßaiuttrjQ 
hn\ Tfjg nQoyiygafifiivfjg tlvrjg xataata&eig ino /lioSwgov rov <I>iXovixov 
xal KalXixgariag rrjg AvGinovov.^ No. 85 (16 n. Chr.) Z. 16 y,Xüg 
Jgxla. yiyova ßtßaiwTrfi'' xX. Ferner No. 87 (17 n. Chr.) B, Z. 11. 
No. 91 (20 n. Chr.) Z. 13. No. 94 (24 n. Chr.) Z. 23. No. 96 (22 n. Chr.) 
Z. 15. No. 97 (28 n. Chr.) Z. 13. No. 98 (40 n. Chr.) Z. 14. No. 100 
(57 n. Chr.) Z. 27. No. 101 (52 n. Chr.) Z. 16. No. 103 (64 n. Chr.) 

1) Foucart, Memoire 8ur Vaffranchissement p. 16; Mitteis a. a. 0. S. 504. 

5 



Die eigenhändigen Unterschriften in delphischen Freilassungsurhunden. 23 

Z. 27 „V ßBßaiwrr/Q. Xüg üovnXlov uiixivviov yiyova ßeßaicjTfjg xara- 
ata&slg'' xl. No. 104 (65 n. Chr.), wo der Kaufhelfer Analphabet ist 
und dui'ch einen anderen unterschreibt: Z. 16 „X«ip Mvtjai&iov rot/ 
'jivTiyivovg inig /fd/uava Ztalkov^ nagovrog avrov xai iguri^aavTos m 
vnhg avrov x^^ XQV^^h ^n{s)l airog ygccfifiara ovx ijdw buoXoyü Jcc/amv 
Zmlov ysyovhttL ßißaivitrig hfii rag ngoyeygafAfiivag aya&r, xvxV ^^^-^ 
No. 107 (85 n. Clir.) Z. 14. No. 109 (78 oder 84 n. Chr.) z! 18. 'no. 114 
(56 n. Chr.) Z. 14. No. 115 (62 n. Chr.) Z. 30. No. 116 (42 n. Chr.) 
Z. 20. No. 118 (30 n. Chr.) Z. 22. No. 121 (34 n. Chr.) Z. 8. IGS, 
III 192 Z. 26, 193 Z. 30, 194 Z. 30. Die letzten drei aus Tithorea 
(Anfang des 2. Jahrh. n. Chr.). Die avvBvagBariovTeg unterschreiben als 
ßsßantirf/geg : vgl. E. Curtius, Anecdota Delphica p. 47. 

Schwieriger ist die Frage betreffs der eigenhändigen schriftlichen 
Erklärungen der Zeugen, weil wir kein greifbares Beispiel mit x^^Q^' 
ygatfov oder x^^^Q ^^iJ dfüva gefunden haben. Wir glauben jedoch, dass 
die sonstigen gesammelten und unten zu behandelnden Angaben genügen- 
des Beweismaterial hierfür enthalten. 

An erster Stelle kommt hierfür eine unedierte Amphissäische In- 
schrift in Betracht, deren Schluss ich hier nach eigener genauer Ab- 
schrift anführen: 

MAPTYPEGOl YnorPd 
WANTEG 
/flOJCJPOv 
TOYSEoSEv 
OYJEA<bOY 5 
FErONAM 
APTYGXPO 
MIQYTOYA 
nOAAQNl 
OYTETONA lo 
MAPTYG 
MNAai 
AAOY 
rOYKAE 
OJAfiov 15 
MAPT 
YG 
,^(iccgTvgeg ol vnoygajxpavx^ • / Jiodaugov / roi) QBo^ivIov JeX(pov, / yiyova 
fijägTvg' XgolfjUov tov *AlnoXk(avi\ov yiyova / fjidgTvg' / Mvaailkdov j 
Tov KXilodd/iov, I fidgrlvg.^ Ich glaube, dass Niemand bestreiten 
wird, dass das Wort vnoygdtfjlavvBg hier die eigenhändigen Er- 
klärungen der Zeugen bedeuten soll, welche folgen; das zeigt auch die 
erste Person yiyova. Wenn die Namen im Genitiv stehen, so ist das 
nicht mit der Neronischen Bestimmung über die obsignatio adversus fal- 



24 AD. Keramafm ll o t , 

§Anrf^ zn rertnuAffü rSufrton, Xero e. 17; und zam Genitiv das Wi>rt 
^izunui ^f7<^' cTijiüow ünzuzodeokiaL Dagegen ^rechen mehrere 
Orüß^f^. wie zum Bei^iel die kleine Zahl der Zeuges, die Ausdrücke 
fk/wm fiufftvg^ welche dort fehlfii,'j das Wort vxoygtntawT^ sogar in 
'iein .Sinne der eigenhändigen Schrift, welche bei der obsignatio weder 
mm^ Torlianden nr^ch unentbehrlich ist rBnms a. a. O. S. 46 nnd CIL. 
III 2, 022; und die Daten . welche onseren Urkunden nach Pomtöw zu- 
kornmen und welche, sO provisorisch sie auch sind, doch nicht alle irrig 
«ein kfßUnetL Unten wird gezeigt werden, dass die Amphiäsai^che In- 
^rhrift zu i^.rrieUfen Grupiie gehört und sicher ilter als Xöt) ist.^i 
Viefanefar wird dem GenitiT das Wort zitg oder ]p*goygatfow^) hinzu- 
zudenken und der ganze Prozess den übrigen schon besprochenen 
Untervrhriften anzureihen sein. Weitere Beispiele haben wir: BCH. 
V;, r:; (Ih n. Chr.; Z. 15 füegtvgtQ oi ixoyQayfawx^s. Dasselbe 
No. ^5 a« n. Chr.) Z. 16, Xo. 87 (17 n. Chr.) Z. 17 ^fidfrvQBs oi 
inü/fUff/oPTtg ol r< o^eig roi/ ^iröiUUryo^ JioSt^goQ ^ilovixov, Jiowv- 
0tog 'AöTciiPaPf Jofimß üolifuipxov' tum tdtunüw Nixawmf Avciitaiov^^ 
No. (n (20 n. CTir,; Z. 13. No. 100 (57 n. Chr.) Z. 29 ^uagtvQti oi 
inoftyQafLiihoi^ (das Perfekt, weil die Namen oben Z. 24ff. erwähnt 
wurden;, 10 S, III 104 (auij Tithorea, Trajans Zeit), wo für die Frei- 
ias^^erin Luciui^ Comeliu.» Xiger unterschreibt, während der Bürge selbst 
«r;hreil^en kann, und für die Zeugen ^ixgriCt xäv x^Q^ ^{ovxijos Kalo- 
nofPiog "Jxfatag*^^ gewü« weil diese Analphabeten waren. 

Au« der Art und Weise, wie der Wille des schriftkundigen oder 
analphabeten ßtßmmttiQ oder avrtvagiaTimp durch die eigene oder durch 
eine fremde Hand ausgedruckt wurde, haben wir gefolgert, dass ihre 
eigenliändige Unterschrift gesetzlich erforderlich war. Für die Zeugen 
halben nvir, als in erster Linie in Betracht kommend, nur das Amphissäiscbe 
BeLnpiel und das spätere aus Tithorea. Immerhin legt die gesamte Sach- 
lage den .S<:hlu.s.s nahe, dass auch die Zeugen eigenhändig unterschreiben 
rijiuwten und dass von allen, die beim Abschlüsse des Vertrages anwesend 
waren, nur diejenigen als Zeugen galten, welche unterschrieben hatten: 
„o/ vnoyQatffaPTt^". 

S<) haben wir gesehen, dass der Freilasser, die evvtvaQtaTiovTtg, der 
Bürge und die Zeugen d. h. alle Personen, welche Verpflichtungen durch 

1) Hrun«, Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden S. 44 in den Äb- 
hrtndl. der Berl Akad. der Wissensch. 1876. 

2) \)w^ Versiegeln wurde griechisch anders ausgedrückt, vgl. IGS. III 61, Z. 41 
fifff^QU'/iaiuii, Z. IH io(pQuyi.aa (tt/v nganViV, weiter ttfccQTriV, niiintry; Z. 95 ietp^dyixa 
f\]H tu Chr.. Vgl. Archiv für Papyrusforschung 1901 S. 68 ff. ;H. Erman}. 

3; Vgl. Inschriften von Pergamon 235, wo dasselbe zu ergänzen ist. Die An- 
gewohnheit, die Namen in den Verträgen im Genitiv zn unterschreiben, wurde weiter 
ausgedehnt und auch bei Inschriften, welche nur zum Spiel angebracht wurden, als 
so Ibtt verständlich er Gebrauch angewandt. 



Die eigenhändigen Unterschriften in delphischen Freilassungsurkunden. 25 

die Urkunde übernahmen, eigenhändig schreiben bezw. unterschreiben 
mussten. 

Bei der grossen Fülle der delphischen Freilassungsinschriften müssen 
wir uns indessen fragen : Warum wird, wenn der Freilasser w^irklich den 
Akt selbst schreiben musste, nicht immer angegeben, dass er es gethan 
hat? Warum haben die Unterschriften des ßißaiwTiJQ und der avveva- 
QEGTiovTtg nicht überall die oben besprochene Form? und warum haben 
wir keine Zeugenunterschriften, welche den Unterschriften des avviva- 
Qiaxiwv und des fießanarrig durchaus parallel sind? 

Alle diese Fragen erledigen sich durch die Beobachtung, dass uns 
keine Originalurkunden, sondern nur Zusammenstellungen derselben 
erhalten sind. Dies hat schon C!olin a. a. 0. S. 195 zwar nicht bewiesen 
aber vermutet, und dasselbe hat man auch für die Ehrendekrete von 
Delphi und Nordgriechenland angenommen.') 

Gerade in dem Teile der Verträge nun, wo die Zeugen unterschreiben, 
finden wir immer eine von dem Original abweichende Form des Textes; 
und das erklärt sich vollauf aus dem Prinzipe, welches bei der Einmischung 
dieser Inschriften herrschte. Da nämlich die Subskriptionen im allgemeinen 
nicht blosse Namensunterschiüften, wie heute, waren, sondern vollständige 
Erklärungen, wie wir es in der Amphissäischen Inschrift sehen und wie 
es die oben angebrachten ähnlichen schriftlichen Erklärungen der Bürgen 
und der ffvvivagBöTtovreg bezeugen, und da wir gewöhnlich mehrere Zeugen 
haben, wurde durch ihre Verkürzung Raum und Geld gespart. Man be- 
trachte die Amphissäische Inschrift (oben S. 23) in dem Teile, welcher die 
Zeugenunterschriften enthält und welcher an dem Bande eines zu einem 
grösseren Konglomeratblock (Xl&og agovgaiog) gehörigen, sich nach unten ver- 
engenden grösseren Kiesels eingemeisselt ist, um einzusehen, welche Frei- 
heiten man sich bei der Verkürzung der Verträge gestattete. Dort passte 
sich der Steinmetz bei der Eingrabung der Inschrift der Breite des Block- 
randes und der Ausdehnung des Kiesels an. Man Hess also das Wort 
X^QOYQcupov oder x^^Q weg und am Ende, wo kein Raum mehr vorhanden 
war, fiel auch das Wort yiyova fort. In No. 1971 bei Baunack, Delph, 
Inschriften fungieren als Zeugen nur die Priester des delphischen Tempels. 
Da man ihre Namen durch das Archontat ermitteln konnte, so schrieb 
man in der Inschrift nur ol legels toi) 'AnoXhovog aber keine Namen ; 
vgl. 2209, 2236. Es giebt sogar ein Beispiel (2141), wo wir überhaupt 
den Namen keines der Zeugen ermitteln können, obwohl sie in der In- 
schrift erwähnt werden.'^) 



1) Monceaux, Les proxenies grecques p. 281 ; Swoboda, Die griech. Volksbeschlüsse 
S. 47 ff. EiDC weitere Willkür in Magnesia, Hermes XXXVI, 1901, S. 505. 

2) Es ist offenbar, dass man sich bei einer etwaigen GerichtsverhandluDg betreffs 
der Freilassung nicht auf die Inschrift, sondern auf die Originalurkunde stützte, welche 
bei einer Person oder später in einem Archiv aufbewahrt wurde. Die Aufstellung der 

8 



26 A. D. Keramopullos, 

Ausserdem unterschrieben die Zeugen nach jedem der die Urkunde 
bildenden Rechtsgeschäfte, wenn dieselbe nicht als ein Ganzes vor uns 
erscheint, wie man in der Inschrift BCH, No. 87 und Baunack 2094, 
2146 u. a. sieht. Besondere Rechtsgeschäfte sind namentlich die Sub- 
skription des ßtßaKorrJQ und die des avvBvagiariaiv. So folgt in No. 87 
auf den eigentlichen Akt Z. 17: „fiaQtvQBg ol vnoyQaxpavrtgj oi tb ligelg 
Tov 'Anolidnvoq (Namen)' tcüv lämTwv (Name).^ Dahinter kommt dann 
die Subskription der avvivagBaxiovaa und neun Zeilen mit den Namen 
anderer») Zeugen. Das ist ein anderes Rechtsgeschäft, meine ich, 
welches wahi-scheinlich nicht in ununterbrochener Fortsetzung und gewiss 
nicht vor denselben Personen, wie der erste Teil, zu Stande gekommen ist. 
Als dritter Teil schliesst sich daran die Subskription des ßißaiwriiQ, beendet 
mit der Phrase „fidgrvgBg xarä ndvvwv ol avroi^ , es folgen aber keine 
Namen. Mit den Worten ol avtoi sind hier die zweiten Zeugen gemeint, 
während das xara nävtwv ganz unnötig und überflüssig ist. Offenbar 
drang es mit dem ganzen Satze ein, welcher als typischer Ersatz an Stelle 
der ausgelassenen Zeugensubskriptionen, deren einmalige Vorerwähnung 
auf dem Steine genügte, nachträglich und ungeschickt eingefügt wurde; 
vgl. BGH. No. 98, 59, 60 und S. 195; lOS. III 192, 193, 194. In einer 
anderen Anzahl von Inschriften geht die abgekürzte Form voran und 
die Zeugennamen folgen am Ende; so BGH, No. 87, 85, 91, 96; vgl. 
IGS. m 1066. Bei BCK No. 101 am Schlüsse wird gesagt ^fidgTvpBg 
ol airroi, ol ligtlg (Namen) xai x&v noXttrav (Namen)". Die Worte aber 
(/idgrvQig) ol avtoi eimangelnder Berechtigung. Denn vor diesen Worten 
haben wir in der Inschrift überhaupt keine Spui- von Zeugen. Wahr- 
scheinlich hatte man ihre Namen am Ende des eigentlichen Vertrages 
und vor der Unterschrift des Bürgen ausgestrichen, vergass dieses aber 
und setzte so ol avtoi hinzu.-) 



Inschrift in Delphi hatte den Zweck, die Freilassung dem grossen Publikum kurz be- 
kannt zu machen, entsprechend der öxetpdvoiv &vd(fQriaLg in Athen und in anderen 
griechischen Städten. 

1) Dass die Zeugen nicht dieselben in allen Rechtsgeschäften eines Freilassungs- 
vertrages zu sein brauchten, beweist auch die Abbreviationsformel ^idQTVQtg oi avtoL 
von der die Rede sogleich sein wird. Wenn man ol a{}rol sagt, so geht daraus hervor, 
dass die Zeugen auch nicht ol uinol zu sein brauchen. 

2) Solcher Ungeschicklichkeit bei der Verkürzung müssen wir vielleicht noch 
andere Unregelmässigkeiten zuschreiben, wie z. B. Baunack 2031, 1852, 2100, 2141, 
2153, 2173, 2258, wo unbezeugte Erweiterungen nach den Namen der Zeugen stehen. 
Man Hess die Inschrift eingraben und als man nachher sah, dass bei der Verkürzung 
auch manches Notwendige fortgelassen worden war, setzte man es nachträglich hin- 
zu. Dies geschah vielleicht, zuweilen sogar auf Ersuchen und auf Kosten der Sklaven, 
welche das Interesse hatten, gewisse Einzelheiten des Vertrages zur Kenntnis zu 
bringen und xbv ndvxa %q6vov aufzubewahren; vgl. z. B. für den Aufbewahrungsort 
des Originalvertrages Baunack 2004, 1718—9, 2202, 2183. Aus den Inschriften von 
Naupaktos und Buttos {IGS. III 360—385) könnte man die Überzeugung gewinnen, 

9 



Die eigenhändigen Unterschriften in delphischen Freilassungsurhunden. 27 

Aus dieser Darlegung also geht hervor, dass die Stellen der In- 
schriften, wo die Subskriptionen der Zeugen stehen, verkürzt sind. In 
den Originalurkunden stand dort nicht /läQTvgeg ol inoygäiijavTig oder 
vnoy€ygafifiivoi , sondern nur fiagrvQBQ oder ficcgrvQoi, wie es bei den 
älteren Inschriften häufig zu sehen ist; es folgte dann die Unterschrift 
der Zeugen, welche wie die oben besprochenen Unterschriften aussah, 
nämlich eine mit dem eigenen Namen begleitete schriftliche Erklärung 
^^fiaQTvgui TU ngoyeygafifiiva^' oder ^^yhyova fiägtug {knl rag ngoyiygafi- 
fxivag wväg^) u. desgl. Ähnlich erweist sich weiter, dass die Inschriften 
im allgemeinen verkürzte Formen der Originalverträge sind, weswegen 
wir nicht überall die eigenhändigen Subskriptionen auch der übrigen an 
dem Vertrage beteiligten Personen haben. 

Die Zeit, welcher diese Inschriften angehören, ist oben angegeben, 
soweit sie sich bestimmen lässt. Die meisten stammen aus dem ersten 
Jahrhunderte n. Chr. und das ei-ste Beispiel, welches sogar merkwürdiger- 
weise eigenhändige Unterschriften jeder Art, d. h. des Freilassers, der 
avvevagsariovffa, des ßeßcutartjg und der Zeugen erwähnt, ist No. 83, im 
Jahre 15 n. Chr. abgefasst. Die oben (S. 23) erwähnte unedierte In- 
schrift aus Amphissa gehört einer früheren Zeit an, weil sie als ßot- 
Xagxog zu Amphissa den /Ifi^ritgiog Movifiov erwähnt, welcher in der 
delphischen Inschrift Baunack 2143 (150 — 140 v. Chr.) als Zeuge fungiert. 
Die andere, S. 19 erwähnte unedierte Inschrift aus Amphissa, in der die eigen- 
händige Schrift des Freilassers für erforderlich gehalten wird, muss dem 
Schriftcharakter und der Altertümlichkeit der Sprache nach mindestens 
der vorerwähnten gleichzeitig sein. Was die Zeitbestimmung der In- 
schrift Baunack 2146 anlangt, so haben wir dafür keinen sicheren An- 
haltspunkt. Baunack schreibt: „vielleicht 150 — 100" v. Chr. 

Ist nun die Zeitbestimmung der beiden Amphissäischen Inschriften 
richtig, so sind sie die ältesten Dokumente, auf denen die eigenhändige 
Schrift des Freilassers und der Zeugen als rechtlich notwendig erscheint. 
Wenn diese Beispiele fast vereinzelt dastehen, so kommt das daher, dass 
die gleichzeitigen und die älteren Freilassungsinschriften besonders in 
Delphi entschieden kürzer als die nachchristlichen sind. Hoffentlich 
werden weitere Entdeckungen diese Ermittlungen stützen; denn nach 
meiner Ansicht wurden auch die älteren Freilassungsverträge (vgl. Baunack 



dass die BestimmuDg des Aufbewahrungsortes des Originales keinen wesentlichen Teil 
desselben bildete oder während des Abschliessens des Vertrages nicht bekannt war und 
nachher von den Interessenten zugefügt wurde. Allerdings wird bei diesen Inschriften 
der Aufbewahrungsort des Kaufvertrages fast immer nach dem durch die Zeugen- 
UDterschriften vollzogenen Schlüsse desselben bestimmt. Über die Deponierung einer 
tfvyypaqp^ bei einem Dritten nach dem attischen Rechte s. Meier-Schömann-Lipsius, 
Der attische Frozess S. 686 (501). 

10 



28 A. D. KcramopuOos, 

S. 635 ff.) ähnlich den untersuchten abgefasst ; ausser ihrer Kurze weisen 
sie keinen grundsätzlichen Unterschied von ihnen auf. 

Mit dem Hinweis auf weitere Fragen, die sich in diesem Zusammenhang 
erheben, möchte ich schüessen: 1. Beschränkte sich der Brauch oder die 
gesetzliche Bestimmung der eigenhändigen Subskriptionen für die delphische 
Einflussphäre nur auf die Freüassungsurkunden oder unterlagen ihr auch 
andere derselben Zeit angehörende Verträge verschiedener Art? 2. War 
sie nur in Delphi und dessen Umgebung in Verwendung oder galt sie 
auch in anderen Teilen Griechenlands? Blieb sie ohne besonderen Ein- 
flnss auf weitere Strecken, da sie doch als Ausgangspunkt ein so grosses 
panhellenisches Centrum hatte ?^) 3. Giebt es eine Verbindungsbrncke 
zwischen diesen Subskriptionen und denen in Ägypten, wo die eigen- 
händige Unterschrift bei Verträgen schon im Jahre 89 v. Chr.*) be- 
zeugt ist? Ein Beitrag zur Beantwortung dieser Frage, den mir HeiT 
Dr. Paul 'SL Meyer freundlichst zur Verfügung gestellt hat, wird 
diesen meinen Ausfühi-ungen folgen. 4. Wie ist das Hypereidescitat bei 
PoUux (n 152) zu verstehen, wo ein besonderes Gewicht auf das eigene 
XUfajrfotpop gelegt wird?: „'YnifMlStig y kv ttp imig yivxotpgovog xai 
x6 imo TÜv naXküw owofia^ofitpov x^^yQ^V^v x^^Q^ wvouaeev^ ünwv 
,ahi yuQ xr,iß iavtov x^9^ Swaxov uQvffiaö&my „Vgl. auch Suidas** 

Berlin 1902. A. D. Keramopullos. 

Exkurs. 
Schrift und Unterschrift in den griechischen Kontrakten der 

Ptolemäerzeit. 

\'on Paul M. Meyer. 

Die P>age nach der eigenhändigen Schrift resp. Unterschiift der 
Kontrahenten und Zeugen in griechischen Kontrakten der Ptolemäerzeit 
ist eine schwierige. Mitteis {ReichsrecJu u. Volksrecht 54. 498) hat sie 



1) Dass auch Fremde denselben Rechtsbestimmungeu unterworfen waren und sie 
kannten , dafür haben wir verhältnismässig wenige und vielleicht infolgedessen nicht 
massgebende Beispiele; vgl. Baunack 1774 '169 v. Chr.) für Aigion; 2129 und 2131 
a91 v. Chr.) für Antiocheia; 1951 (184 v. Chr.) für Kreta; 2071 (178 v. Chr.) für 
Makedonien; 1834 (176 v. Chr.) für Kephallenia; 1720 (170—156 v. Chr.) für Thes- 
salien U. 8. W. 

2) P. Leid. O (= Leemans, Fap. graeci musei Lugduni-Batavi I 1843, S. 77) 
^IltTHfiovd'rig '^Hifov JUgarig rffg iniyovfig l%oi xb ngoxiiisvov äavi)ov^ tag toD ccqyvqIov 
voiilöfuctog dgaxiucg dsxadvo, xai ccTtoämeio xccd'dti nQ[oyMyQantat. Vgl. Gneist a. a. 0. 
8. 460f. 

3) Boeckh-Fränkel, Die Staatshaushaltung der Athener S. 161 (179), ebenso wie 
Meier und Schömann, Der attische Prozess S. 501, nehmen an, dass man die attischen 
ovyyigatpaL unterzeichnen musstc. Dagegen ist Justus H. Lipsius in der neuen Be- 
arbeitung des ^Attischen Prozesses* S. 686 (501). 

11 



Die eigenhändigen Unterschriften in delphischen Freilassungsurhunden, 29 

1891 noch offen gelassen. Inzwischen ist das Papyrusmaterial bedeutend 
vermehrt. Danach lassen sich für die aus ptolemäischer Zeit erhaltenen 
Kontrakte in Bezug auf ihre äussere Form folgende Kategorien fest- 
stellen : 

1. Objektiv stilisierte Protokolle, welche als subscriptio allein 
den, wie das ganze Protokoll, von der Hand eines Schreibers geschriebenen 
Namen des Agoranomiebeamten tragen ; er ist auch im Präskript genannt. 
Diesem begegnen wir nur in den Papyrus der Thebais (aus der 2. Hälfte 
des 2. und der 1. Hälfte des 1. Jahrh. v. Chr.): der ayogavofiog ist eine 
offizielle Urkundsperson, durch den oder dessen Stellvertreter der Vertrag 
vollzogen und beglaubigt wird. 

In Kontrakten des Faijum (aus derselben und früherer Zeit) steht 
an seiner Stelle der avyygatpofpvla^ (P. Amherst II n. 43: 173 v. Chr.; 
P. Tebtunis 109: 93 v. Chr.). Er ist einer der 6 Zeugen, deren Namen 
am Schlüsse des Protokolls und auch meist auf dem Verso von der Hand 
des Schreibers verzeichnet sind: eine Privatperson, die den Vertrag zur 
Aufbewahrung erhält (s. sub 5.). Der für uns in Betracht kommende 
Schluss des Protokolls fehlt oder ist unvollständig: P. Amh, n n. 44 
(138/137 V. Chr.), P. Tebt 106 (101 v. Chr.) und 137; P. Tebt. 108 ist 
ein kurzer auf ein Verso geschriebener Auszug. 

2. In die Form einer bfioXoyia gekleidete Protokolle. In 
einem Faijum-Kontrakte aus dem Jahre 192 v. Chr. {Petrie Papyri II 
n. 47) finden sich am Schlüsse die vom Protokollschreiber geschriebenen 
Namen der Zeugen, unter ihnen der avyyQa(poq,vXa^\ P. Amh. II n. 42 
(179 V. Chr.) fehlt der Schluss des ProtokoUs. 

In den Verträgen der Thebais des 2. Jahrh, v. Chr. fehlt der Name der 
Zeugen; statt ihrer und der Beglaubigung durch den avyygatfocfvka^ 
findet sich auch hier (wie sub 1.) nur die Vollziehung des Agoranomie- 
beamten (P. Orenfell U n. 16: 137 V. Chr.; P. Goodspeed 6: 129 v. Chr.; 
P. Ten-, 4: 126 V. Chr.; P. Oenh)e 20: 109 v. Chr. [über Z. 3 hinzu- 
gefügt biioXoyiü]', R Orenf. II n. 31: 104 v. Chr.; n. 25. 26: 103 v. Chr.; 
n. 33: 100 v. Chr.). 

3. Auf das objektiv stilisierte Protokoll (= 1.) folgt ein zweites, in 
die Form einer ofioXoyia gekleidetes Protokoll (= 2.). Eine einzige Ur- 
kunde dieses Typus ist uns bisher bekannt: BGÜ. 998 (101 v. Chr.), eine 
Immobiliarverkaufsurkunde aus der Thebais. Wir haben 2 Redaktionen 
desselben Vertrages, die verschiedene Zwecke erfüllten; die erste re- 
präsentiert die „Verkaufsurkunde" (ngäais)^ die zweite die ,. Traditions- 
urkunde" (änoaraaiov avyygatfri) (s. Spiegelberg, Strassburger demotisclie 
Papyrus, 1902, S. 7 ff.; Wilcken, Archiv II, 388 f.). 

4. X€i.g6ygaq>a (mit und ohne ofioXoyia, in Briefform): 

Aus der Thebais: P Orenf, 11 n. 17 (136 v. Chr.: bfioXoyd (x^iv 
nagä aol . , , iv ino&r.xrj. Am Schluss findet sich fygaipiv J. vnig airwp 

12 



30 A. D. KeramopüUos, 

Sia TÖ (fäaxuv airovg fir^ elSivai ygafifiara). — P. Lond. II n. 220 
col. II (c. 133 V. Chr. [Gestellungsverpflichtung]; .., xal €ivai ra xiigöygaffa 

xvQia . . . t] di j(bIq ^de xvgia iatu) Ttavtaxoi ov idv ini.{f4[fi]fjT[ai ). 

— P. Amh. II n. 32 Verso (114 v. Chr.: ^;^fti nagä [aov] . . .). 

Aus Mittelägypten: P. Leid. G (162/161 v. Chr.: 6fi[oXorw] änix^v 
nctQCt aov). — P. Tebt 107 (112 v. Chr.: biioXoyoi fiBfAia&wxivai); 111 
(106 V. Chr.: biioXoyw ix^iv nagd aov . . . jfp^og); 110 (92 oder 59 v. Chr.: 
bfioloydj i^x^iv nagä aov. Am Schlüsse: ij x^^Q V^^ xvgia iarw navtaxij 
km(fBgofiivtj)\ 156 (91 v. Chr.: Gestellungsverpflichtung mit eigenhändigen 
vnoygaipai). 

5. Das Schema der Urkunden dieser Kategorie ist folgendes: 

a) ein in die Form einer cfioloyla gekleidetes Protokoll mit vorauf- 
gehender kurzer Inhaltsangabe; es ist von einem Schreiber des Archivs 
geschrieben und trägt am Schlüsse auch von seiner Hand die Namen der 
6 Zeugen und des unter ihnen als avyyga(fO(fvka^ fungierenden (s. sub 2.), 

b) die eigenhändige vnoygatpfj des ofioloywv, wie in Kontrakten der 
römischen Zeit (s. sub 4.), 

c) die eigenhändige Erklärung des avyygatpotfvka^, dass er die von 
ihm als gültig beglaubigte Vertragsurkunde in Händen habe, 

d) der Registraturvermerk des Archivschreibers. 

x\uf dem Verso finden wir von der Hand desselben Schreibers die 
Kubrica und darunter die Namen der Kontrahenten (ev. auch des Ge- 
schlechtsvormunds) und der Zeugen nebst ihren Siegeln. 

Beispiele solcher Urkunden sind P. Tebt 105 (103 v. Chr.): 

Recto Ji) ofiokoyd 6 Silva . . . /ABfiia{&dia&3ai) .... 
fiägrvgeg , . . avyygacfotfvla^ 

b) 6 Sdpa biioloyü [fiB^uia&\ai\(5&ai .... 

xal ixw . . . xal . . . nagaSiiau) . . . xal xul<'k>a ayvx(*ig(>} . . . xal ri&lßifiai 
Tt)v avy]yga(ptiv lx]vgiav nalg^d [^'rifio]aTgaTa)i 

c) Tifioorgarog ifxifi) xvgiav 

d) Jahr, Monat, Tag riT{axTai) Ag ävayg{a(frv). 
Verso .... 

P. Tebt. 104 (92 v. Chr.): ein dasselbe Schema aufweisender Heirats- 
vertrag. Unter b) ist liinzugefügt: iygayjev vnig avxov b Seiifa (einer 
der Zeugen) [. . . öid t]6 avrov fi^ iniaraa&lai. yga]pL(iaxa. 
P. Leid, (89 v. Chr.): ein ebenso gegliederter Darlelmsvertrag. 

Während wir sub 1., 2., 3. durch eine offizielle oder private Urkunds- 
person beglaubigte Protokolle vor uns haben, die sub 4. aufgeführten als 
xugoygacpa beglaubigt sind, repräsentieren die 3 letztgenannten Urkunden 
für die avaygacpTJ im Archiv bestimmte Exemplare der Kontrakte. Von 
diesen, die zeitlich sekundär, unterscheiden sich die in den Händen des 
avyygaq>og)vkal^ befindlichen Authentica (s. c); vgl. etwa P. Tebt 158; s. 
auch Pefne P II n. 47, 34 ff.; 29 b— d). 

13 



Die eigenhändigen Unterschriften in delphischen Freilassungsurkunden, 31 

Subjektiv stilisierte x^^9^7Q^9^ der Kontrahenten, sei es als selb- 
ständige Urkunden sei es als inoygatpal, konnten wir für das 2. .Tahrh. 
V. f'hr. nachweisen; ihre Existenz dürfte aber auch für das 3. Jahrh. 
V. Chri zweifellos sein. Eigenhändige Unterschriften der Zeugen aber 
lassen sich, wenn wir von der Erklärung des avyyQatpoffvlal absehen, 
nicht nachweisen. Die Namen der Zeugen werden (wie auch sub 5.) vom 
Schreiber hinzugeschrieben ; sie versiegeln nur die Urkunden eigenhändig 
zusammen mit den Kontrahenten auf dem Verso. Das ergiebt sich aus 
dem Wortlaut zweier PapjTi des Faijüm aus dem 3. Jahrh. v. Chr.: 

a) Petrie P. H n. 21 d: i7it\i hn^ygutpi^v (jiägTVS alg avyyQa(fi,\y ] 

xa&* lyv iSaveiasp ^wtaigog 2wawi [Sgaxfiäg'] . . rijg Sk övyygatpijg (fcfgayta- 
&s([(jfig vno TB JS[a)Talgov xai 2(iaov (das sind die Kontrahenten) -Aal ipiov 
(das ist der avyyga(po(pvka^) xal twv avvlBniygajqjivTutv fioi, fiagrvgaiv 
tdüixiv ifilpi] . . . TTiv avyygaq)^v xvglav qivXdoaeiv (s. zu 5.) ; vgl. Petrte P. 
I n. 24. 

b) P Magdola 12 (BCH. 26, 116) Z. 3 ff.: avyyga\pdfA€Vo\i\ yag fioi 
avyygatfijfif (uö&fiatwg . . . xctl tajv fiagrvgwv ini^ygaff^ivrtav avviß[ij] , vno 
rijg wgag ixxXBiö&ivrag^ aaqlgdlyiarop TB&fjvat. cevrrjiv nagu Zwnvgwi rwi 
liovoygäcfm. Hier hat der fiovaygdcpog dieselben Funktionen vde der 
avyygct(fO(fvXai, was sehr bemerkenswert ist. 

Eigenhändige Beischriften der ßeßaKüTr^geg und avi^evSoxovirteg finden 
sich in den uns bis jetzt bekannten ptolemäischen Papyrus auch nicht. — 

Freilassungsurkunden aus ptolemäischer Zeit sind uns nicht erhalten ; 
die römischen gehören auch erst der späteren Epoche an, so BGU. 96 der 
2. Hälfte des 3. nachchristlichen Jahrhunderts ; unter den noch unveröffent- 
lichten P Oxy. befinden sich aber, so viel ich weiss, solche aus früherer Zeit. 

B(tÜ. 96 enthält die Zustimmung der nächsten Erben des Freilassers 
als ddoxovvreg (s. S. 3 f.; vgl. Mitteis a.a.O. 373; Gradenwitz, Ein- 
führung in die Papyruskunde 161) und zugleich ßBflaimrijgBg EvSoxBiv ent- 
spricht dem avvtvagBoxBiv (s. P. Oxy, II n. 265, 43); meist finden wir 
avvBvSoxBiv (P Grenf. II n. 26, 25: 103 v. Chr.; P. Lond. II n. 277, 16: 
23 n. Chr., u. s. w.). Die eigenhändige VTtoygacpt} der einzelnen BvSoxovvrBg 
am Schlüsse von BGU. 96 lautet: . . dSoxai xal ß^ßoiw rp yBvofiivrj 
dnBltv&egviai rov N. vno rov M. (= toij ndrgwvog) xal ovx ineXevaofiat 
xar' ovdiva rgonov tag ngoxirai . . . Der Einfluss des griechischen Rechts 
zeigt sich liier, wie in den diokletianischen Eeskripten des Codex Justi- 
nianus, wie dies Mitteis a. a. 0. betont. 

Mit vorstehenden Bemerkungen hoffe ich zu weiteren Untersuchungen 
die Anregung gegeben zu haben ; eine erschöpfende Behandlung lag nicht 
in meiner Absicht. 



11 



32 



Ein missverstandenes Gesetz Hammurabis. 

Von C. F. Lehmann. 

Eigentlich mttsste die Überschrift lauten „ein neuerdings miss- 
verstandenes Gesetz"; denn die folgenden Zeilen wollen nur der anfäng- 
lichen richtigen Deutung des zu den Bestimmungen über die Adoption 
gehörigen § 186*) gegenüber späteren fehlerhaften Auffassungen zu ihrem 
Recht verhelfen. Ich hatte gehofft, dass die kurze Bemerkung in dem, 
Hammurabis Gesetz und dessen Aufbau behandelnden Abschnitt VII 
meiner Schrift ^Babyloniens Kultunnission einst und jetzt^ (S. 54) zur 
Klarstellung genügen würde. Allein da noch nach deren Erscheinen 
(Mai 1903) mehrere von einander abweichende Übersetzungen und Be- 
sprechungen geboten worden sind, die sämtlich in die Irre gehen und 
zu rechtlich wie kulturell falschen Schlüssen führen, so ist eine ein- 
gehendere Darlegung unvermeidlich, umsomehr als Fragen in Betracht 
kommen, die über den einzelnen Fall hinaus ihre methodische Bedeutung 
haben. 

Ich gebe zunächst die verschiedenen Deutungen in chronologischer 
Reihenfolge : 

Scheu, in der editio princepa: giebt als wörtliche, dem Baby- 
lonischen möglichst folgende Übersetzung: 2) Si quelqu'un un enfant en 
bas dge a adopÜ ei si quand il Ca pria son pere et sa mere il a violente, cet 
^l^ve h les maison de son ph-e retoumera. 

In der freieren yRicapitulation^^) heisst es: Si quelqu'un ayant adoptS 
un enfant en bas dge, au moment ou il Cadopte, a violent4 ses phre et mhre^ 
cet ^l^e retoumera chez son phre. 

Winckler:*) „Wenn jemand ein Kind als Sohn annimmt und wenn 
er ihn genommen hat, er sich gegen seinen (Pflege-)Vater und Mutter 
vergeht, so soll dieser Grossgezogene in sein Vaterhaus zurückkehren.'* 

1) Nach Seheils allgemciD angenommener, wenngleich nicht immer einwandfreier 
Einteilung. 

2) Ministere de Vinstruction publique et des beaux arts. Delegation en Perse. 
Mhnoires publiis sous la direction de M. J. de Morgan , Delegui Genirdl. Tome IV. 
Textes ilamites shniiiques, Deuxieme serie par V. Scheu O. P. p. 92. — 3) Ebenda p. 152. 

. 4) Die Gesetze ffammurabis, Königs von Babylon um ^230 r. Chr, Das älteste 
Gesetzbuch der Welt. Der alte Orient. 4. Jahrgang, Heft 4, 1902, S. 31 [127]. Ebenso 
in der 2. Auflage 1903. 

1 



Ein missverstandenes Oesete P^ammurabi's. 33 

Kohler und Peiser*) übersetzen: „Wenn ein Mann einen Unerwachsenen 
zur Sohnschaft angenommen hat, wenn der von ihm angenommene wider 
seinen Vater oder seine Mutter sich vergeht, soll dieser aufgezogene zum 
Haus seines Vaters zurückkehren," und geben als modern-juristische 
Fassung^): „Der Annehmende kann das durch die Annahme an Kindes- 
statt begründete Rechtsverhältnis wieder aufheben, wenn der Angenommene 
sich schwerer Verfehlungen gegen ihn schuldig macht. Die Rechte und 
Pflichten der leiblichen Familie treten wieder ein." 

D. H. Müller") endlich gibt als Übersetzung: 



1) Hammurahi*8 Gesetz Band 1: Übersetztmg, Juristische Wiedergahef Erläuterung. 
Leipzig 1904. S. 56. — In der für die Entstehungsgeschichte des Gesetzes so 
wichtigen Einteilung gelangen die Verfasser mehrlach zu anderen Ergebnissen, 
als ich in meinen vorausgegangenen Erörterungen über die Komposition des Ge- 
setzes (Babykmiens Kulturmission, Abschnitt VII, vgl. diese Beitr. III 551). In 
den wichtigsten Punkten muß ich bei meinen Ermittelungen beharren. Namentlich 
ist die Zusammenfassung der §§194-233 zu einem „9) Strafrecht* überschriebenen 
Abschnitte iohaltlich unzutreifend und fuhrt zu irrigen Schlüssen über die Anlage 
des Gesetzes und die Absichten des Gesetzgebers (S. 138 f.) Auch in einigen 
anderen andernorts näher zu erörternden Punkten (so betreifs der sog. Sumerischen 
Faraüiengesetze, in deren beiden Fassungen sicher keine nachträgliche Ände- 
rungen und Mißverständnisse anzunehmen sind) bin ich abweichender Ansicht. 

2) Ebenda S. 56 und 96. 

3) Die Gesetze Hammurabt's und ihr VerJiältnis zur mosaisdicn Gesetzgebtmg 
sowie zti den XII Tafeln. Text in Umschrift, deutscJie und hebräiscJie Ühersetztmg, 
Erläuterung und vergleichende Analyse. Wien 1903. Der Haupt wert des MüUer'schen 
Fhiches liegt auf sprachlichem Gebiete, wo sich manche feine Bemerkung findet. 
Dagegen tritt der Maugel juristischer Schulung und Methode vielfach störend 
hervor, was niclit hindert, daß auch rechtsgeschichtlich Wertvolles ermittelt wird 
(z. H. teilweise in dem Abschnitt iiber „Das störrige Rind"), und der Hauptzweck 
des Buche-s nachzuweisen, daß die hebräische Gesetzgebung, zumal das ßundes- 
buch, aber auch Deuteronium und Leviticus, und Uammurabi gemeinsam aus einem 
in der Zeit vor Uammurabi niedergeschriebenen „Urgesetz" geflossen seien, ist völlig 
verfehlt. Historisch höchst bedenklich und undenkbar, kommt diese These durch 
eine Reihe von Trugschlüssen und irrigen Voraussetzungen zustande. Müller 
behandelt die beiden Gesetzesmassen nacli den Grundsätzen rein literarischer 
Kritik und vergißt, daß es sich nicht um Schilderung von unverrückbaren Ereig 
nissen und Zuständ«n handelt, sondern daß der Wille des Gesetzgebers als 
wichtigstes Element in Betracht kommt. Selbst wenn also seine Voraussetzung 
richtig wäre, daß die Thora einer Reihe von ganzen Gesetzeskomplexen und 
deren Gruppierung und systematische Reihenfolge mit dem Gesetze Hammurabis 
gemeinsam hätte, während in der rechtlichen Behandlung auf hebräischer Seite 
eine primitivere Stufe rechtlicher Anschauung hervorträte, wäre daraus nicht auf 
gemeinsame Benutzung eines gemeinsamen Urgesetzes zu schließen. Der oder die 
hebräischen Gesetzgeber konnten das babylonische Recht kennen und doch für ilir 
Volk eine minder fortgeschrittene Rechtsbildung für angezeigt halten. Aber jene 
Voraussetzung selbst trifft nicht zu: wo wirklich Gesetzesgruppen übereinstimmen, 
fehlt das Merkmal größerer Altertiimlichkeit der Anschauungen und umgekehrt. Daß 

Beiträge %. elteo Geecbkbte. IVi. 3 

3 



34 C. F. Lehmann, 

„Wenn ein Mann ein kleines [Kind] in Adoption genommen hat und 
sobald sie es genommen haben, es sich an Vater und Mutter versündigt, 
kehrt dieses Ziehkind in das Haus seines Vaters zurück'*. 

In Müller's Erläuterungen (S. 145) heißt es: „Das Gesetz sorgt für die 
Adoptivkinder in sehr humaner Weise. Ist das Adoptivkind ungehorsam 
und rebellisch, wird es nach Hause geschickt ..." 

Wenn wirklich Hammurabi eine derartige Bestimmung getroffen hätte, 
so wäre das höchst befremdlich. Denn es hieße ja geradezu eine Prämie 
auf den ,Ungehorsam' und die .Rebellion' setzen und die Aufhebung der 
xVdoption in einer, jedem rechtlichen und wirtschaftlichen Bedürfnis zuwider- 
laufenden Weise erleichtern. 

Und andererseits : geschieht etwa die Adoption nur um den Adoptiv- 
eltern in bequemer Weise die Rechte und Freuden der Elternschaft zu 
sichern, während sie vor deren Pflichten und Beschwerden ängstlich zu 
behüten sind? Der Jurist unter den angeführten Bearbeitern hat auch 
die Schwierigkeit offenbar gefühlt und supponiert deshalb schwere Ver- 
fehlungen als Vorbedingung des Zurückgehens der Adoption. Aber davon 
steht im Text des Gesetzes nichts. 

So kommt denn auch die juristisch-sachliche Unmöglichkeit nur durch 
philologische Unachtsamkeit zu stände, durch eine Vernachlässigung 
zweier Hauptvorzüge von Hammurabi's Gesetzen, der Klarheit der 
Syntax und der Terminologie. Es ist nämlich absolut unmöglich, 
sowohl 1) zu den Worten „er vergeht sich gegen seinen Vater und seine 
Mutter" das Adoptivkind als Subjekt zu begreifen wie 2) unter „seinem 
Vater und seiner Mutter" die Pflege-Eltern zu verstehen. 

1) Ein Subjektswechsel wird im Codex Hammurabi immer deutlichst 
herv^orgehoben. Das geschieht sogar in den Fällen, wo dem Sinne nach 
oder durch deutliche Bezeichnung des Objektes jede Zweideutigkeit aus- 
geschlossen ist. Ich greife einige Beispiele heraus. 

§ 185. „Wenn ein Mann" (genauer „Nimm an, setze den FalP^: ein 
Mann hat etc." j „einen minderjährigen in seinem eigenen Namen als Vater an- 
genommen und ,zur Vaterschaft' aufgezogen hat, so kann dieser Zögling 
(„er" hätte genügt) nicht zurückgefordert werden." 



die Beachtung der Übergänge zwischen den einzelnen Gesetzesgruppen im 
Ilainmurabi-Gesetz besonders lehrreich ist, und daß die Hineinarbeitung und Ver- 
wertung älterer babylonischer Gesetze offenkundig ist, hat Müller in Cbereinstinamung, 
aber unabhängig von mir (Kuliurmüsioti S. 47 ff., bes. S. o2) erkannt; schade, 
daß dieser richtigen Erkenntnis die Irrlehre vom Urgesetz entkeimt ist. Näheres 
im Verfolg eines im Februar d. J. in Berlin gehaltenen Vortrages andernorts. 

l) Daß ^umma, ^wenn** keine Konjunktion ist und deshalb die Bedingungssätze 
nicht den Regeln für die Nebensätze (Anwendung der verbalen Relativform auf w) 
unterliegen, hat Ungnad, Zur Synfncc der Gesetze ^ammurahis, Zeiisehr. für Assyr, 
XVn S. 351; 78 gezeigt. Uugnad nimmt au, summa sei 3. pers. plur. fem. mit neutraler 



Ein missverstandenes Gesetz ffammurabVs. 35 

§ 128. „Wenn ein Mann eine Frau nimmt und ihre Verträge nicht 
gemacht hat, dieses Weib ist nicht Ehefrau." 

Selbst da, wo kein Subjektswechsel stattfindet, wird, um jeden Zweifel 
auszuschließen, das Subjekt wiederholt: 

§ 109. „Wenn eine Weinschenkin, in deren Hause sich Verschwörer 
versammeln, diese Verschwörer nicht anzeigt und nicht zum Palaste bringt, 
so soll diese Weinschenkin ^) sterben." 

Lehrreich hinsichtlich der syntaktischen Deutlichkeit ist auch § 154: 

„Wenn ein Mann seine Tochter erkennt, diesen Mann {awilum Suati) 
vertreibt man aus der Stadt" (uli u§eszü-§ti). — „Sie vertreiben ihn aus der 
Stadt" allein hätte genügt, um den Gedanken an eine Verjagung der 
Tochter auszuschließen, da „sie vertreiben sie" ttäezzü-Si heißt. Aber 
daß die entfernte Möglichkeit einer Verwechslung der beiden Pronominal- 
suffixe (für das Ohr) ausgeschlossen wurde, war ein Gewinn. 

Im § 186 kann sich daher „er verging sich" oder vielmehr „er ver- 
gewaltigte" nur auf das Subjekt, den Adoptanten, beziehen. 

Hinzu kommt, daß die Worte „nachdem er ihn genommen hat" 
(inuma ilkü-§u) in Winckler's Übersetzung einen reinen Pleonasmus 
bilden würden, während die Sprache des Gesetzgebers sich davor genau 
so ängstUch hütet, wie vor unklarer Überkürze. 

Beiden Mängeln suchen D. H. Müller und Kohler-Peiser abzuhelfen: 
der eine, indem er das Verbun in intmia ilkü-äu unzulässigerweise als 



Bedeutung vora Intensivstamm {Tl{) der Wurzel D^tt^ „es ist gesetzt". Ich glaube, 
wir können der störenden Annahme eines femininen Plurals mit neutraler Be- 
deutungen traten, äumma ist wohl Imperativ desselben Verbalstara raes(ni) mit kohorta- 
tivem a und einer event. die Vokallänge ersetzenden (für 'mma) oder noch zu ihr 
hinzutretenden und sie dann vernichtenden (für * summa) Verstärkung des dritten 
Radikals („nimm an", „setze den Fair). Meist genüj^t die Übersetzung „wenn", 
aber es gibt Fälle im Gesetze, wo die wörtliclie Übersetzung: „nimm an" eine weit 
klarere Wiedergabe ermöglicht. 

1) Wenn ich für die enklitisch aus Vorbum angehängte Partikel -ma die Über- 
setzung „und" beibehalte, so soll darin keine Nichtbeachtung und kein Wider- 
spruch gegen D. H. Müllers scharfsinnige Darlegungen (1884 und jetzt a. a. 0. S.2j2ff.), 
daß sie Ausdruck einer Subordination sei, liegen. Es ist jedenfalls anzuerkennen, 
daß -ma mindestens nicht die Kopula schlechtweg vertritt, sondern „und lüerauf", 
„und deshalb" bedeutet, und es ist sehr wohl möglich, daß sich daraus eine syntak- 
tische Subordination des dem -ma vorausgehenden Satzes entwickelt hat. Aber ob das 
für das babylonisch-assyrische Sprachgefühl immer der Fall war oder gar ob -ma 
von vornherein die Funktion hatte, teraporelle oder causale Adverbialsätze ein- 
zuleiten, ist mir noch fraglich. Gerade der § 109 gehört zu den Fällen, die Be- 
denken erregen. Er lautet bei Müller: „Wenn eine Weinverkäuferin, nachdem 
in ilirem Hause Verschwörer sich versammelt hatten (ittarkazu-ma) [und] nach- 
dem die Verschwörer nicht festgenommen worden sind, la iHsahiüma, sie [dieselben] 
in den Palast nicht bringt, wird diese Weinverkäuferin getötet." 

3* 
5 



36 C, F. Lehmann, 

Pluralform anspricht und so einen sinnwidrigen Subjektswechsel schafft,^) 
dem dann natürlich ein zweiter, durch Wiederaufnahme der Singularform 
gekennzeichneter, ohne weiteres folgen durfte, die anderen, indem sie 
eine grammatische Unmöglichkeit*) und eine Änderung im völlig un- 
beschädigten Texte*) als zwei, natürlich gleichermaßen unbeschreitbare 
Auswege zur Wahl stellen. 

2) Die Hammurabi's Gesetz charakterisierende Klarheit derTermino- 
logie*) tritt besonders scharf u. A. beim ehelichen Güterrecht hervor. 
Zu allen Zeiten und in allen Sprachen geht die technische Bezeichnung 
den Weg,rdaß an sich synonyme Wörter der Umgangssprache zu begrifflicher 
Unterscheidung spezialisiert werden. Die drei babylonisch-assyrischen 
Bezeichnungen für „Geschenk, Gabe", äeriktu, niidiinnü, kiätii erhalten im 
(lesetz die Bedeutung: ]VDtgift, die die Frau mit in die Ehe erhält: Ver- 
schreibung, die der Mann der P>au auf den Todesfall ausstellt und mangels 
deren das Gesetz für den Todesfall Bestimmungen ab intestato trifft; und 
freiwillige Zuwendung, z. B. des Vaters an den bevorzugten Sohn (Praelegat). 
In späterer Zeit hat sich die Terminologie nicht unwesentlich und nicht 
zum Vorteil der Einheitlichkeit und Klarheit des auf dem Fundament 
des Hammurabi-Gesetzes erbauten Rechtsgebäudes verändert. Dies geht 
aus einem mehr als 1000 Jahre später aufgezeichneten Gesetze^) hervor, 
dessen einschlägige Bestimmungen inhaltlich als Ergänzung und Ausbau 
der des Codex Hammurabi gelten können. Aber hier heißt, was unbe- 
achtet geblieben ist,*) nudiinmi Mitgift und der frühere Name der dos, 
äeriktu, bezeichnet nunmehr das Geschenk des Mannes an die Frau. 

Angesichts der bei Hammurabi herrschenden Sorgfalt in der Termino- 
logie ist es von vornherein undenkbar, daß die Bezeichnungen für den 
leiblichen Vater und für den Pflegevater so wenig unterschieden sein 
sollten, daß in einem und demselben Paragraphen, wie es zuerst 
Win ekler angenommen hat, abu einmal den Adoptivvater und einmal 
den leiblichen Vater bedeuten solle. Und so vergleiche man denn § 190: 
„Wenn ein Mann ein Unmündiges zur Kindschaft angenommen hat. 
es aber nicht zu seinen Kindern rechnet" (in der Behandlung oder ver- 
mögensrechtlich), „dieses Adoptivkind (tarKitum fi) soll ins Haus seines 
Vaters (ana Ut abi-Su) zurückkehren," mit § 191: „Wenn ein Mann 
ein Unmündiges zur Kindschaft angenommen und aufgezogen und seiner 
Familie einverleibt hat, später aber Kinder bekommt und sich anschickt, 

1) ilkü'h.1 ist 3. pers. sing. Imperf. in der Relativform i\ix(Ukm-su), wie sie in 
dem durch inuma „als" eingeleiteten Nebensatze (vgl. Ungnad a. 0.) erforderlich ist. 

2) iUcü-su kann unmöglich Partizipialforna sein, diese würde laki-su lauten. 

3) Einfügung eines sa, wodurch ausilkü-su „er nahm" sa ilkti-su „der, welchen 
er nahm" würde. — 4) S. Babyhniens Kulturmissim S. 63. — 5) Peiser, Berl. 
SUeungaher. 1889, S. 825 ff. - fi' So hol Kohler und Peiser „Hammurabi's Gesef:'' 
S. 51 Anm. 2, S. 119 Anm. 2. 

6 



Ein missverstandenes Gesetz HammuraWs. 37 

das Adoptivkind (tarWum) zu entlassen, dieses Kind soll nicht seinen 
Weg gehen, sondern der Adoptivvater {ahn murdbt-äu^ wörtlich der 
Vater, der ihn großgezogen, der „Ziehvater") ihm ein Drittel eines Sohnes- 
Anteils geben." 

Vergleiche ferner § 102: „Wenn das leibliche Kind eines Buhlen oder 
einer Dirne zu seinem Pflegevater oder seiner Pflegemutter {ana abim 
murahi'Sii u ummim murahiti-Hi) spricht: ,nicht bist Du mein Vater, 
.nicht bist Du meine Mutter, so soll man ihm die Zunge abschneiden." 
Und § 193: „Wenn das (IciWiche) Kind eines Buhlen oder einer Dirne das 
Haus seines (leibHchen) Vaters {hif abi-äu) kennen gelernt hat, hierauf seinen 
Pflege-Vater und seine Pflege-Mutter verwirft (?) und (nunmehr) in das 
Haus seines (leibhchen) Vaters (ana bif ahi-Su) zurückkehrt, reißt man 
ihm das Auge aus." 

So erkennen wir denn, daß das, was die deutschen Übersetzer in 
dem § 186 haben finden wollen, im Gesetze — in wörtlicher, deutscher 
Wiedergabe — folgendermaßen hätte ausgedrückt werden müssen: 

„Nimm an: ein Mann hat einen Unmündigen zur Kindschaft an- 
genommen, dieses Adoptivkind aber vergeht sich später gegen seinen 
Pflege-Vater und seine Pflege-Mutter: dieses Kind soll ins Haus seines 
Vaters zurückkeliren.^) 

Hammurabi's Worte aber besagen etwas ganz Anderes, nämlich: 

„Nimm an: ein Mann hat einen Unmündigen adoptiert und als er 
es adoptierte, dessen Vater und Mutter vergewaltigt: dieses Adoptiv- 
kind soU zum Hause seines Vaters zurückkehren."*) 

D. h. eine erzn^ungene Adoption ist ungültig. 

So habe ich die Bestimmung mit meinen Hörern im W.-S. 1902/3 
gedeutet, noch ehe ich erkannte, daß die etwas unklare Fassung der 
wörtlichen Übersetzung bei Scheil dasselbe besagte, wie aus der Recapitula- 
tion sowohl wie aus Darestes Abhandlung über Hammurabi's Gesetze im 
Journal des Savnnts ersichtlich ist. 

Das Gesetzes werk selbst aber bietet noch eine weitere Bestätigung 
dieser sprachlich und sachlich allein möglichen Fassung des § 186. Es folgen 
nämlich im Text unmittelbar die folgenden Worte: 

„Das^Kind eines Buhlen (favorite), der zum Palaste gehört" (von 
„Tempelknecht", wie bei Kohler-Peiser durchweg, ist nirgends die Rede) 
„und das^Kind einer Dirne darf nicht zurückgefordert werden." 

Scheil hat diese Bestimmung entgegen der Absicht des Gesetzgebers, 



1) Summa awilum »ihram ana marutim ilkt warka tarbitumstaham muraht-Su 
u ummam murabizu (für murahit-su) i-hi-a-af (tarMtum kt) ana bit abi-IHi itär, 

2) Summa atoilvm sihram ana marütim ilkt, inuma ilküsu abasu u 
ttwmaÄtt i-Äi-a-aHvom Stamme D^ n „überwäitigeD, bezwingen", Del. Hand- 
wörterbuch 274 a/b) tarhiium ki ana btt abi-m itär. 



?y *!>: -Mr ,;^r -».»^ zie^r, w> a.:;r» ri»^r R-'-j. * * ,'• «^r-: *::\j*ii. rl-'niz 
•*^'<M.:t1«*n ,\'^^r f'*r ar. •'!<=- r*^ i.^t. ^>^ in 7>.-^ *.'!.. ./.-^^ F.i^rü- ▼. S**!»^'] 

\/> 'f'.rfi: Tif^^i^i'-ri n5r;..!'''h ^^'■;*.:.'h- ^.ai v-n «i»^r R*^-i »ie? ^ I'»^ 
'. '"' K . r. '>r df-^ B * r. .►*n nrj\ f\^T D: m^ P' : n ^ A :i * n a h ~ r r . :«n. E'^^cü r>*i 
./►.•■r. .**, fJ> ^rzw'^.'::r'=-ri<=' A«kp':'»n V.-.rM-hrifi nn-i Rr^<*L a:i5 li^^Gi eiü- 
Ufr.f-r, O.-^r.'l^. w^i, ^ij^-f- ihrem hf-ruif- carrh k-^ine Kin-vr har-en dürfen. 
'm:A ^,*', x^r.r. -»i^r *\^ d^'K-h h^-korrim^n. in Ati>p^l>n 2*wii mifsen. un«i 
xr;ir -^f, daß rlf-n Kind^^m ihr^ Herkunft T*^rh«:'r:r<^n h>:r):! E»aher d»*nn 
'J ^' ; i>'J '^ ^»r. -o.^'hf^ Kind, wf^nn e^ j^ine Pf I*^?e- Eltern Teriea:n:«^t i«ier 
jr-^r ir,-» f(af4.* -»einer leioiiehf-n Kltern, da.« e:? aaf^e^pürt hat. zorück- 
k^'f»rt. rr-.f jrraniarn^n Ver-tümmf-lnncr-.-rrafen b*Hiroht. Beide Be^mmaniren 
kf'UTi7M(\»uf'n ^,lf'h öbrisren?». sowohl djrr-h diese Strafen wie durch die 
V'tnx\<',u fUf V^rwerfan? f^Du bist nifht mein Vater". -L^ bist nicht meine 
Mnuer'j a..^ rifK-mommf-n aü5» Oe>etzen df-r Zeit vor Hammorahi.M 

Kohi^'T nnd Pei.'«er haben alle dif-<e B^timmuniren völüe niiß- 
ver-t^nden «nd zwar wiederum vornehmlich deshalb, weil sie die feste 
fjfid klare Terminolojrie nicht beachteten. Sie deuten den § IST: .Wenn 
f'\ri Tcffif^dknecht o<ler eine Tempeldime an Kindesstatt annimmt, so 
bat die Annahme die Kind.^'chaft zur Folire* — eine ganz unTerständliche. 
%«'i\ total fjU-rflfi.^.^icre. bereit?* in dem die Adoption generell regelnden § l'^.i 
enthaltene l/^r^timmun^. Zu ihrer Annahme gelangen die Verfasser nuridurch 
\u^f'l7Mfiir eine?i Ab-vhnitt^*«. wo keiner ist und dadurch das w/nn .leib- 
lir-b^'H Kind* fäl-chlich als «Pflegekind" verstanden wird, das im' Gesetze 
vielmehr fnrhUf/m (Zögling) heitJtl Dementsprechend übersetzen sie in 
; l'rj und ^' \'y^ Ht;jtt d?is «Kind eines Günstlings oder einer Dirne" viel- 
mehr d'-r «anj^enommene Sohn" und bemerken iS. 124): «Wie aus der 
Kt/'ll'' h/'rvor(('lit. hfindelt es sich hier um Findelkinder, die wohl^am 
Tempel HtHifCf'ciyA utul den Tempelknechten und Tempeldirnen angekindet 
wrirrlen. I^jrreiflich ist, daß solche Kinder den Pflegeeltern nicht fort- 
(renommen werden durften, noch auch berechtigt waren, zu den leib- 
bchcn KIfern zu gehen, wenn diese ihnen bekannt wurden: denn ein 
^hU'hf'H Pflegeverhältnis mußte respektiert werden." 

Man darf billig fragen, welches Interesse der Gesetzgeber hatte, die 
l'indelkinder durch Dirnen und Buhlen aufziehen zu lassen. Aber 
eine Krftrtening erfibrigt sich durch den einfachen Hinweis, daß der 
rieHetzgeber, wenn er von Findelkindern hätte sprechen wollen, dies auch 



I; S. /ff/f^/lfnti/'7fM KuUurmimon einst und jetzt , S. 48, 61 f. 

8 



Ein mmverstandenes Gesetz Hammurabi's. 39 

auszudrücken gewußt hätte, und daß ferner auch hier vom leiblichen 
Kinde (rnäru)^ nicht vom Adoptivkinde (tarMtum) die Rede ist. 

Es bleibt dabei; es handelt sich um die eigenen Kinder des Buhlen 
oder der Dirne, die aber nötigenfalls zwangsweise gegen den Willen des 
Vaters oder der Mutter in Adoption gegeben werden müssen. Dies hat 
wie ich, so auch D. H. Müller richtig erkannt, weshalb ich im Titel dieser 
Abhandlung nur von „einem" (neuerdings allgemein) „missverstandenen 
Gesetz", nicht von mehreren, gesprochen habe. 

Ein weiteres partielles Mißverständnis gehört aufs engste mit den 
besprochenen zusammen: § 157 lautet: „Wenn ein Mann nach seinem 
Vater ^) im Schöße seiner Mutter ruht, so soll man die beiden verbrennen". 
Und § 158: „Wenn ein Mann nach seinem Vater ^) im Schöße von 
dessen Hauptfrau, welche Kinder geboren hat, ertappt wird, dieser Mann 
soll aus dem Hause des Vaters verstoßen werden." Das heißt: Auf Blut- 
schande mit der eigenen Mutter, einerlei ob sie Hauptfrau oder Neben- 
frau oder Magd des Vaters war, steht der Feuertod. 

Außerdem wird bestraft, wer (sc. als Sohn einer Nebenfrau etc.) mit 
der Hauptfrau (rahitu) des Vaters geschlechtlich verkehrt, sofern die 
Hauptfrau Kinder gehabt hat. 

So ist es auch richtig von Winckler und D. H. Müller verstanden 
worden. 

Dagegen will Scheil (p. 75 n. 2) raWu hier für murahUu 
Pflegemutter setzen und Kohler-Peiser (S. 45 Anm. 3) geben ebenfalls 
dieser Deutung vor der Winckler'schen, die sie gleichfalls erwägen, den 
Vorzug. Es läßt sich mit Sicherheit sagen, daß die ganz feststehende 
Bezeichnung für Pflege-Vater und -Mutter nicht plötzlich an einer Stelle 
durch eine andere Bildung vom selben Wortstamme ersetzt worden sein 
kann, noch dazu wenn dieser vermeintliche Ersatz zum Sinne absolut 
nicht stimmt, denn imirah{h)ihiVdiX\. Ei, heißt „die groß macht, großzieht", 
ralntn dagegen „die Große"! 

Aber die Versündigung an der klaren Rechtssprache Hammurabi's 
greift noch erheblich weiter. 

Wer die Bearbeitungen des Gesetzes, namentlich die deutschen, liest, 
muß glauben, daß in dem babylonischen Gesetze regelmäßig nur von 
männlichen Kindern die Rede ist, wie das ja den Anschauungen der 
reinen Semiten allenfalls entsprechen würde. Nur, wo es sich um Ehe, 
Tempelkeuschheit und Tempelprostitution 2) handelt, käme danach einmal 
die Tochter zum Worte. 



1) Bedeutet ^nach dem Vater** hier wirklich und ausschließlich „nach des 
Vaters Tode", wie meist angenommen wird? Scheil ist vorsichtiger: ä la mite de 
son pere, 

2) Neben den Terapeldirnen gibt es zur Keuschheit verpflichtete Gottes- 
wHber: NIN. AN, wörtlich ^Gemahlin dos Gottes*'; sie gelten als dem Gotte 



i*f C. F. Lehmann. 

In Hsmmnrabi'a Gesetz ist aber die Sachlage eine dorcbaiis andere. 

&H larti ist rftirelmißig Tom ^Kinde"" märu iTdeogramm TCB) die Rede: 

^il riaimren anter!)<!hieden werden, so wird ausdrücklich vom Sohne ahhf 

* ' * 

. 7il TCR. US .mannliches Kind**) and Ton der Tochter martu (lA, TUE. SAL 

^w^^ihiiches Kind"*) gesprochen. Richtig ist freilich, daß in dem Töllig nn- 

m:äv*»rstandlichen Falle, wo der Vater den Söhnen Frauen freit (§ lt>t>K 

'tip' 5«Shne nur als «Kinder* bezeichnet werden. Aber daß wir diesen 

.^p^alfall nicht verallgemeinern dürfen, beweist u. a. deutlich der das 

Praeiegat (o. S. 3B) behandelnde § 165. welcher lautet: 

.5imm an: ein Mann schenkte seinem Sohne {TUR. USh den er be- 
vorzugt. Acker, Garten und Haus und hat ihm darüber eine gesiegelte Urkunde 
ausgestellt, und später ist der Vater gestorben; wenn dann die Geschwister 
«j», § 1^0 wörtlich .die Brüder') teilen, soll er das .Geschenk" des Vaters vor- 
wegnehmen und im übrigen sollen sie sich in die väterliche Habe zu gleichen 
Teilen teilen.* Es begreift sich, daß eine Bevorzugung durch eine Zu- 
wendung an liegenden Gütern nur einem Sohne zukommen kann. 

Der Verwirrung hat schon Scheil. der in der Übersetzung meist noch 
richtig zwischen ^Kind" und «Sohn" scheidet, dadurch vorgearbeitet, daß 
er in der Transskription mit einer Ausnahme nur mäni ^Kind^ setzt. 
Sehr lehrreich für diesen Wirrwar ist der § 170. Hier wird bestimmt, 
daß die Kinder der Magd, die der Vater anerkannt hat. mit den 
Kindern^ der Ehefrau zu gleichen Teilen erben sollen. Aber „der Sohn 
(TfJE. Uff), das Kind (lUK) der Gattin.'" soU zuerst wählen. Das heißt, 
ein Sohn aus einer vollgültigen Ehe hat vor seinen sämtlichen Ge- 
schwistern den Vorzug. Der Singular erklärt sich hier wohl durch die Regel, 
daß die Zeugung .von Kindern einer Magd und besonders deren An- 
erkennung meist dann erfolgte, wenn auf Nachkommenschaft von der 
Vrau kerne Hoffnung mehr war, und wenn sie sich doch noch ein- 
stellte, Bchwerlich mehr sehr zahlreich ausfiel. Wenn aber hier die 
deutschon Bearbeiter unter den zur Teilung zugelassenen nur die Söhne 
verfltehen^), so wird dadurch der Sachverhalt vollkommen verschoben. 

§ 172 bestimmt, daß im Falle keine Verschreibung (midvnnu) auf 
den Todesfall vorhanden war (s. o.), die Frau (außer ihrer ganzen Mit- 
gift) einen Anteil am beweglichen Vermögen ihres Mannes wie ein Sohn 

vermählt, wozu man vergleiclie, wa«, auch hier im Kern genau die Sachlage 
treffend, der vielgeschmähte Herodot über solche Frauen und deren Verpflichtung 
zur KenNchheit in dem von ihm besuchten babylonischen Tempel berichtet, ein 
neuer Bewei» für «eine In der Hauptsache jedesmal erprobte und nicht zu er- 
«chfittemde Olaub Würdigkeit! 

1) Auch D. H. Müller, der im übrigen hier richtig zwischen „Kindern" und 
„dem Sohne** scheidet, beginnt «eine Übersetzung des § 170; „Wenn einem Manne 
«eine Gattin Kinder (Söhne) geboren und seine Magd Kinder geboren hat .... " 
Der i 170 «etzt nur voraus, daß unter den von der Gattin geborenen Kindern 
ein Sohn vorhanden ist. 

10 



Ein missverstandenes Gesetz HammurahVs. 41 

{Mma TUR, US iSten) erhalten solle. Auch das hat seinen guten Sinn. 
Denn wir wissen aus § 178 ff., daß ab intestato eine erbrechtliche Be- 
vorzugung der Söhne stattfand: die Tochter, der nicht eine Mitgift aus- 
gesetzt war, erbt mit den Brüdern zu gleichen Teilen, aber den Brüdern 
verbleibt die Nutznießung am schwesterlichen Anteil (s. speziell § 180). 

Nur an der Mitgift hat also die Frau ein Eigentum. Wenn also im 
Falle des § 172 die Witwe einen Anteil wie den eines Sohnes erhält, 
so hegt darin die wichtige Bestimmung des vollen Eigentumserwerbs! 
Ebenso erhält in § 191 (o. S. 36/7) das zu entlassende Adoptivkind ein 
Drittel Sohnes-AnteU. 

In der Regel also — und das ist von großer Wichtigkeit — spricht 
das Gesetz vom „Kinde", nicht vom „Sohne". 

Dagegen handeln z. B. § 168/9 nur oder vorwiegend von der Verstoßung 
des „Sohnes", die nur durch richterliches Urteil und erst nach der zweiten 
Verfehlung ausgesprochen werden darf. Denn es wird hier ausdrücklich von 
der Sohnschaft (ab-lu-titm) gesprochen, so daß der Ausdruck märu ,,Kind" 
ohne Gefahr eines Mißverständnisses verwendet werden konnte. 

Soviel für diesmal. Es wird klar sein, dass, wer Hammurabi's Gesetz 
juristisch und kulturgeschichtlich verwerten will, sich nicht auf die Über- 
setzungen verlassen darf, sondern das Original befragen muss. — 

Zwanzig Jahre sind bald vergangen, seitdem ich im Winter 1884/85 für 
Mommsen's Übungen die Haftung des conditctor operis für custodia, ein Ka- 
pitel aus meiner 1883 verfaßten, die Locatio conductio operis behandelnden 
juristischen Doktor- und Referendararbeit, bearbeitete, und deren sechzehn 
seitdem ich, Mommsen's früherer Anregung endhch folgend, es in der Zeit- 
schrift der Savigny-Stiftting für Rechtsgeschichte^) veröffentlichte. Den 
babylonischen Rechtsaltertümern die, ihnen gerade seitens eines für sie philo- 
logisch-historisch und juristisch also Vorbereiteten gebührende, nachdrück- 
liche Aufmerksamkeit zuzuwenden, bin ich inzwischen durch andere, das 
Verkehrswesen und seine Normen nicht außer Acht lassende Arbeiten ver- 
hindert worden. 

Wenn ich nunmehr der Haftung des Unternehmers nach römischem 
Recht eine das babylonische Familienrecht betreffende Spezialuntersuchung 
folgen lasse, und dergestalt der Kreis meiner Studien von Babylon bis Rom sich 
wie auf anderen Gebieten, so auch hier zu schließen beginnt, so gereicht 
es mir zur wehmütigen Befriedigung, daß dieses gerade in dem Heft 
dieser Beiträge geschieht, das dem Andenken und dem Vermächtnis 
unseres unerreichbaren Vorbildes in der Vereinigung und Beherrschung der 
Philologie, der Geschichte und der Jurisprudenz gewidmet ist. 

1) Roman him'he Abteilung Hd. IX. 



11 



42 



La lettre de Pompeius Propinquus 
ä Galba et ravönement de Vitellius en Germanie. 

Par Philippe Fabla. 

I. 

Vers la fin de Tannee 68 l'empereur Galba. nous apprend Plutarque. 
etait avise par des lettres frequentes de ses procurateurs que dans les 
deux armfees germaniques regnait une agitation dangereuse. Quelques 
joiirs apres les kalendes de janvier 69 il recevait du procurateur de 
Belgique, Pompeius Propinquus. la nouvelle qu'une revolte militaire avait 
eclat6 dans la province superieure. C'est par la mention et Tanalyse de 
cette lettre que Tacite commence le recit proprement dit des Htstoires 
(I, 12): „fbwm post kalendas laniiarias diebus Pompeii I^t^inqui irro- 
curatoris a Belgica lütercte adferuntur, superioris Germaniae legionesj rupta 
sacramenti reverentia^ imperatorem alium fUxgitare ei senatin ac popido 
Romano arbitrhim eligendi permiitere^ quo seditio mollnis aixiperetiir^'. 
Quand on compare la lettre ainsi resuniee avec la narration d^taillee de 
revenernent, teile que Tacite l'a faite plus loin (I, 55 — 57), on doit. ce nie 
semble. reinarquer ä premiere vue deux disparates, et je nf^tonne que 
nul ne les ait enx^ore signalfees. 

L'arm^e de la Germanie superieure, celle que comniandait Hordeonius 
Flaccus. eomprenait alors trois legions. la IV^ Macedonica. la XXI^ Rapax, 
la XXIP Priniigenia.2) L'analyse de la lettre donne n6cessairement ä 
entendrc qu'elles prirent part toutes les trois k Tacte d6nonc6. Or il re- 
sulte de la narration ulterieure que deux seulement s'en rendirent coupables. 
Tandis que, le 1^*^ janvier 69, les 16gions de la province inferieure, Celles 



1) Galba, 19. 1—3, ed. Sintenis. M. Car. En. Boreuius a tres bien montre le 
Premier (De Pluiarcho et Tacito inter se canffruentihus, Helsingsforslae, 1902, p. 147 
et suiv.) que la lettre de Pompeius Propinr|Uus relative ä la sedition du l«' janvier 
est distincte de ces lettre« relatives aux syraptöraes de la revolte. Ce qui, dans 
Plutarque, correspond au passage oü Tacite raentionne l'arrivee de la lettre, c'est 
vers le debut du eh. 23: nvdo/Aiyog cf« . . . o rakßag . . . 

2) Hist., I, 55—56, 61. Comp. W. Pfitzner, Geschichte der römischen Kaiser- 
legimm, Leipzig, 1881, p. 117. 

1 



La lettre de Pompeitis IVopinqtius ä Oalba. 43 

que commandait Vitellius, renouvelaient, quoique de mauvais gre, leur 
serment k Galba, „in superiore eocercitu quarta et dnetvicensima legiones^ 
isdem hibernis tendentes, ij)so kalendarum lanuariarum die dirumpunt 
imagines Oalhae^ quarta legio promptiuSj dtietvicensima cunctanter^ mox 
consensu, Ac^ ne reverentiam imperii eatiere viderentur^ senatus populique 
Romani oblitteraia tarn nomina sacramento advocahant . . Nocte^ qtiae 
kalendas lantmrias secuta est, in coloniam Agrippinensem aquilifer 
quartae legionis epulanti Vitellio nuntiat^ quartam et duetvicensimam 
legiones, proiectis Oalbae imaginibus, in senatus ac popnli Romani verba 
iurasse^\ Quant k la XX? legion, Tacite n'en parle pas. Le premier 
dfesaccord porte donc sur le nombre des r6voltfes. Le second porte ou a 
Fair de porter sur leur conduite. S'etant mis en 6tat de röbellion mani- 
feste contre Galba, d'apres la lettre ils rfeclament un autre empereur et 
laissent au s6nat et au peuple le droit de Tfelire, d'apres la narration 
ils pretent serment au sfenat et au peuple. Cette version ne revient-elle 
pas ä dire qu'ils r6tablissent, autant que cela dopend d'eux, le gouverne- 
ment rfepublicain? 

Nous verrons tout ä Theure que non, malgr6 Tapparence. Mais le 
premier d^saccord est bien r6el et il rösulte de ce que Tacite ou sa source 
a mal rfesumfe la lettre du procurateur. Si, dans la narration dfetaillec, 
il n'est point parlfe de la XXP legion, e'est sans nul doute qu'elle ne fit 
rien de notable le V janvier, qu'elle se resigna, comme les 16gions de 
Tautre province, ä la prestation du serment normal. Le mouvement in- 
surrectionnel du 1" janvier fut Toeuvre de deux 16gions seulement. Quoi 
de plus naturel que Tattitude reserv6e de la XXI* Ifegion? Tsol6e au bout 
de la province, dans ses quartiers de Vindonissa, ^) eile devait attendre. 
quel que füt son d6sir de renverser Galba, que les plus forts, les deux 
16gions de Mogontiacum,^) les quatre Ifegions de la province införieure,-^) 
donnassent le signal de la rfevolution. Elle s'y rallia certainement des 
qu'elle en eut connaissance. Mais, la distance entre Mogontiacum, oü 
avait 6clatfe la sfedition du P*" janvier, et Vindonissa 6tant ä peu pres 
le double de la distance entre Mogontiacum et Colonia Agrippincnsis,*) 
puisque la nouvelle, tout de suite portfee ä Vitellius, ne lui parvint que 
dans la nuit du P'^ au 2 janvier, eile ne put guere parvenir ä la XXP 



1) Hüt.y IV, 70; comp. IV, 61. — 2) Eist., IV., 25, 37, 59, 61. 

3) Eist., I, 55. Comp. Pfitzner, p. 117 et suiv. 

4) Les mesures de la table de Peutinger (eil. Krn. Desjardins) doDuent, 
reduites en kilomctres, pour la distaDce de Colonia ä Mogontiacum 167 k., pour 
Celle de Mogontiacum ä Vindonissa 337 k. — Ritter, jn^eant la distance de Mo- 
gontiacum ä Colonia trop grande jxjur que Vitellius ait pu savoir dans la nuit du 
l«»" au 2 janvier ce qui s'etait passe le l"»* a Mogontiacnu), eonjecture que les deux 
legions insurgees hivemaient au plus loin ä Confluentes (82 k. de Colonia). Mais 
il oublie que le porte-aigle (et les autres messagers) ont use de la poste. 



44 Philippe Fabia, 

le^on dans la journfee du 2 janvier. Au cours de cette m^me journee 
rarmfee de la Germanie inf6rieure avait salufe Vitellius empereur. ^) Les 
deux Ife^ons de Mogontiacum en furent inform6es et se d^clar^rent pour 
ce pr6tendant le lendemain, 3 janvier. 2) Quant ä la legion de Vindonissa. 
quoique Tacite date du 3 janvier Tadhfesion de toute l'amifee superieure. 
y^et superior exercihis^ spedosis senatxis populique Eotnani nominibus re- 
lidisy tertwm nonas Tanuarias Vitellio occessii",^) il parait impossible 
qu'elle ait 6tfe iniform6e et se soit declarfee ce jour lä mßnie: car, arrivee 
k Mogontiacum, la nouvelle de Colonia avait encore les deux tiers du chemin 
ä faire pour atteindre Vindonissa. Le plus probable est que la XXP l^on 
se pronon<?a le 3 janvier contre Galba sous Tinfluence de Tautre nouvelle, 
et un peu plus tard pour Vitellius sous Tinfluence de celle-ci. A cause 
de son isolement lointain eile n'avait rien fait de notable le 1'*' janvier, 
eile ne fit les jours suivants qu'accepter les choses accomplies, k aucun 
moment eile ne prit aucune initiative. L'effacement de son role explique, 
Sans Texcuser entiferement, le silence de Tacite k son egard dans la partie 
de la narration d^taill6e qui correspond ä la lettre de Pompeius Propinquus. 
Et, pour la m^me raison, dans la partie de cette narration qui oxcodc 
chronologiquement le contenu de la lettre Tacite ne se fait pas scnipulc 
d'attribuer k Tarmee sup6rieure ce qui ne convient qu'A sa portion 
principale. 11 a commis cette inexactitude non seulement en datant du 
3 janvier Tadhesion totale de Tamile sup6rieure k Vitellius, niais aussi 
en ajoutant: ,^Scire8 illum j^rioi-e biduo non penes renx publicam ftiisse'*; 
car Tapparente soumission k la republique pendant les deux premieres 
journees de janvier fut Tattitude des deux legions de Mogontiacum asser- 
mentöes au s6nat et au peuple. mais non celle de la XXV legion asser- 
ment6e k Galba: et celle-ci ne quitta sans doute que le 3 janvier l'obe- 
(lience officielle de Galba pour se mettre sous celle de la republique. On 
le voit. la double faute que nous constatons en cette fin du recit est identique 
a la faute qui a ete commise dans le r6sume de la lettre. 

Elle a 6t6 commise par Tliistorien resumant la lettre, et non par le 
procurateur Tecrivant. On ne peut all6guer, pour disculper Tacite ou sa 
source, ni que Pompeius Propinquus s'etait tromp6 faute de renseignements 
assez pr6cis ni que, sous le coup de Tfemotion, il avait involontairement 
donne k sa pens6e une expression trop generale. Le jour ou Galba 
adopte Pison, il sait Texacte veritfe sur les 6vcnements du l'*^ janvier en 
Germanie superieure. L'empereur sait, et Tacite lui fait dire dans son 
discours k Pison, qu'il y a deux 16gions s^ditieuses: „A^e tame7i territus fueris, 
si dxuie legiones in hoc conaissi orbis motu nondtim quiescunt^'.^) Dans 
son allocution du meme jour aux pr6toriens, tout en attenuant k dessein 
la gravit6 de la r6volte, il dfesigne avec precision lesrebelles: ;,Ultro ad- 



1) Eist, I, 57. — 2) Ibid, — 3) lind. — 4) I, 16. 



La lettre de. Pompeiiis I\'opinquu8 ä Oalba. 45 

severat quartam et duetvicenstmam legioneSf paticü seditionis atictoribtiSy 
non ultra vei*ha ac voces errasse et brevi in officio fore''^, ^) Donc ou bien 
la lettre de Pompeius 6tait d'accord sur ce point avec la narration dfetaillfee 
de Tacite, avec la realite, ou bien d'autres nouvelles reQues par Galba dans 
Fintervalle fetaient venues la rectifier. Mais Tacite mentionne comme ayant 
hät6 Tadoption le message du procurateur et ce message seul: ^^Matnramt 
ea res consilium Oalbae iam prideni de adoptione seciim et cum proximis 
agitantis^\^) II nous donne ainsi le droit d'affirmer que, dans le tres 
court laps de temps qui separa Farrivöe de ce message (paucis post 
kalendas lanuarias diebtis) et Tadoption (quartum idus lanuarias^^) 
10 Jan vier) aucun autre message de Germanie ne parvint k l'empereur; 
que la plirase initiale du chapitre 14: ^,Sed Oalba post ^mmtios Oer- 
manicae seditionis, quamquam nihil adhuc de Vitellio certuni^ anxius 
quonam exercituum vis erumperet^ . . . comitia imi)erii transigif^ vise et 
rappeile seulement le d6but du chapitre 12, la röception et Teffet de la 
lettre. L'arrivee d'autres nouvelles n'est mentionnee qu'apres l'adoption: 
^trebi'ioribus in dies Oermanicae defeciionis nuntiis^'.^) C'est alors, c'est 
pendant les quatre jours qui separörent l'adoption de la catastrophe. 
que Galba connut la proclamation de Vitellius: „. . . cfe Vitellio nuntitis . . ., 
ante caedem Oalbae suppresstis, ut tantum supeiioris Oeimaniae eccercitus 
descivisse crederetur".^) II serait donc plus qu'6trange de supposer que, 
nialgrfe le silence de Tacite, les indications prfecises des deux discours ini- 
periaux ne provenaient pas de la lettre du procurateur, que le procurateur 
s'fetait servi de Texpression trop vague superioris Oermaniae legiones. Et 
Ton arriverait k la mßnic conclusion par une autre voie. D'Augusta 
Treverorum, chef-lieu de la Belgique, ä Mogontiacum la distance 6tait un 
peu nioindre que de Mogontiacum ä Colonia.^) Inform^ sans doute. 
comme Vitellius. dans la nuit du 1"*^ au 2 janvier de ce qui s'etait pass6 
k Mogontiacum, Pompeius avait, cela va sans dire, ecrit tout de suite 
limportante nouveUe k son empereur, alors qu'il ne pouvait savoir en- 
core, vu l'eloignement, si quelque chose s'6tait passfe k Vindonissa aussi. 
oü d'ailleurs nous avons vu qu'il ne s'6tait rien pass6. Si, contre touto 
vraisemblance, il avait tard6 ä ecrire assez longtemps pour savoir que 



1) I, 18. 

2) I. 12. De raerae Suet., Galb., 17: Qiwd ut nuntiatum est (supmnoris Germaviae 
exercitum nm in namen senatus adigi sacrametito recu^asse etc.) . . . Pisonem Frugi 
Licinianum . . . filium . . . appellans ... — Plutarque, Galh. 23, est inexact ou 
peut-etre seulement obscur: Ovko ovv ay>jyoQ(vdti OvniXXMS avioxQaioiQ h rtQfAntfiu, 
Ilvdofiiyoe öi Tov hfl yiatUQUTfioy 6 PaXßas ovxin iljy tla-nol^a^y {iyfßakhto, Dioil, (>4,5. 
est franch erneut inexact: 'O ovy rakßas ir,y luayacitto^y twiov nvßofAkvog Aovxioy 
niatüyn inotiffaro xat Kalaaqa dnidit^iy. 

3) I, 18. - 4) I, 19. — 5) I, 50. 

G) D'Augusta Treverorum a Mogontiacum, 14*2 k., de Mogüntiacuin aCoIoiiia, 1(17. 



46 Philippe Fabia^ 

la XXJ" legion setait ralliee au mouveitient insurrectionnel, ä plus forte 
raison aurait-il su que Farmfee de la province infSrieure avait proclame 
Vitellhis empereur, le second fait datant du 2 janvier, le preraier sans 
doute du 3 seulement et Colonia 6tant beaucoup plus pres d'Augusta 
Treverorum que Vindonissa, ^) en sorte que meme dans le cas de simul- 
taneit6 celui-lä aurait du venir ä la connaissance de Pompeius beaucoup 
plus tot que celui-ei. Or sa lettre n'annouQait pas la proelamation de 
Vitellius. Au moment oü il T^crivait, il ne savait donc que la r^volte des 
deux legions de Mogontiacum; il ne pouvait pas en dire ä Galba plus 
que le porte-aigle de la IV^ 16gion n'en dit k Vitellius: „. • . . nuntiat 
quartam et duetvicensimam legiones proiectis Oalbae imaginibus in senatus 
ac poptili Romani verba iurasse*'. Pourquoi son message aurait-il fet6 
moins pr6eis que celui du porte-aigle? En aurait-il dit ou aurait-il eu 
Fair d'en dire plus qu'il n'en savait, parceque T^motion le bouleversait? 
Non, r^venement dut Taffliger sans le surprendre ni lui faire perdre son 
sang-froid: vivant k proximit6 des camps germaniques, il avait vu se 
former Torage, il etait de ceux qui en signalerent ä Galba Tapproche 
menapante: pour lui le coup de foudre n'eclata pas k Timproviste. Et 
si nous avons tout lieu de croire qu'il garda son sang-froid, nous devons 
croire fegalement quMl sentit les faits assez graves pour ne les point ag- 
graver en paroles, ayant le dessein d'avertir, non d'fepouvanter son 
empereur. 

Ainsi la faute reste au eorapte de Tacite. Elle serait trös l^göre en 
soi, presque insignifiante. Ce qui lui donne quelque gravite, ce qui la 
rend choquante pour le lecteur attentif, c'est le eontexte, ce sont les indi- 
cations plus precises succ6dant inopin6ment k Tindication vague. Ayant 
lu d'abord snperioris Oermaniae legiones rupta sacramenti reverentia . . ., 
quand il trouve ensuite dans le discours k Pison : duae legiones . . . non- 
dum qiiiescunt, il se demande oü Galba prend ce nombre. L'arm6e de la 
Germanie superieure ne coraprenait-elle que deux legions? Non, eile en 
comprenait trois. L'allocution aux pr6toriens lui rfeserve une autre sur- 
prise: Galba y d6signe par Icur num^ro les deux legions rebelles, quartam 
et duetvicensimam legiones. Puisque rarm6e en comptait trois, une teile 
designation n'allait pas de soi: qui a mis Galba en mesure de la faire? 
Le lecteur voit tout de suite qu'elle n'a pas 6te faite arbitrairement: car 
Galba aurait pu sans doute mentir devant les pr6toriens quant au nombre 
des r6voltes. comme il ment quant k la gravit6 de la rfevolte; mais pour- 
quoi aurait-il menti devant son successeur d^sign6 Pison et ses conseillers 
intimes? Et cette induction raisonnable se trouvera confirmfee par le 
r6cit d6taill6. Galba sait donc quMl y a deux 16gions rebelles et il sait 



1) D'Augusta Treverorum ä Colonia, 132 k., a Vintlonissa 142-|-337 (en passant 
par Mogontiacum). 



La lettre de Pompeius Proinnquiis d Oalha. 47 

lesquelles. Comment Ta-t-il appris? Sans que nous nous en soyons doutes, 
par la lettre de Pompeius Propinquus. Les deux discours nous aver- 
tisscnt dfejä que le resume de la lettre n'est pas bien fait. II y a disparate 
non seulement entre Tanalyse de la lettre et le r^cit d6taille, mais aussi 
et dejä entre cette analyse et les passages correspondants des deux dis- 
cours. Tacite, ne. prevoyant pas la disparate, s'est contente d'abord de 
Tindication vague, parcequ'elle suffisait ä son Intention actuelle, qui 6tait 
de marquer Finfluence et le contre-coup des 6v6neraents du Rhin sur ceux 
de Rome: une s6dition militaire en Germanie sup6rieure avait hätfe l'a- 
doption d laquelle songeait d^s longtemps Galba; que cette sfedition eüt 
fete le fait de toute Tarmee ou de sa portion principale, peu importait 
pour le moment. Mais les indications plus pr6cises s'imposferent ensuite. 
Lorsque Galba veut que son h6ritier pr6somptif ne s'exagöre pas la 
gravite de la Situation, il lui convient de dire que deux 16gions seulement 
sont en r6volte. Ici le nombre des 16gions rebelles est utile, leur numfero 
serait saperflu. Mais lorsque Galba voudra donner aux pr6toriens Tim- 
pression qu'il les met au courant de tout, qu'il ne leur dissimule absolu- 
ment rien de la s6dition, l'exacte d6signation des deux 16gions rebelles 
contribuera ä produire cet effet et ä garantir son entiöre sinc6rit6. 

Ce n'est pas seulement dans Tanalyse de la lettre que Tacite substitue, 
pour la coramoditfe de Texpression, Tarmfee de la Germanie superieure ä 
sa portion principale. Nous avons vu qu'ä la fin du recit des joumfees 
de janvier G9 sur le Rhin les niots siiperior exercitus . . . tei'tium nonas 
lanuarias Vitellio accessit (T, 57) signifient seulement l'adhfesion des deux 
lögions de Mogontiacum k la cause vitellienne. Et il est k peu prfes certain que 
dans cette phrase (I. 50): ^.Trepidam urbem ac simul atrocitatem recentis 
scelef'isy simul veteres Otkonis mores paventem novus instiper de Vitellio 
nuntius eaterruit^ ante caedem Oalhae suppressuSy ut tantum stiperioris 
Oermaniae exercitus descivisse a'ederettir'^ Tacite a gfenferalisfe sans en 
avoir davantage le droit: car, apres la communication aux pr6toriens, 
jugee indispensable „we dissimulata seditio in malus crederetur^\ Galba 
dut tenir secretes, autant qu'il fut en son pouvoir, les mauvaises nouvelles 
ultferieures de Gerraanie, aussi bien Celles qui concernaient la XXP 16gion 
que Celles qui se rapportaient k Vitellius. Mais en ces deux cas l'inexacti- 
tude ne tire pas k consfequence. Voici un troisifeme cas oü eile ne eon- 
stitue pas une faute. mSme legere, iraputable k Thistorien. Le porte-aigle 
vient d'annoncer k Vitellius ^^quartam et duetvicensimam legiones proiectis 
Galhae imaginibus in senatus ac populi Romani verba iurasse'^ Vitellius 
traduit le message k sa maniöre: ,,Mi8si a Vitellio ad legiones legatosque, 
qui descivisse a Galba superiorem exei'citiim nuntiarent^ Candidat k 
l'empire, il lui est avantageux d'exag^rer la revolte contre Tempereur 
rfegnant; ses partisans k lui auront d'autant plus d'ardeur quo la Situation 
de Galba leur paraitra plus compromise dejä. Tacite le fait parier conime 



48 Ffnlippe Fabia, 

il a parl6 ou comme il 6tait naturel qu'il parlät. Quant k Tinexactitude 
ill6^tirae que nous avons not6e en trois passages de notre auteur, il n'est pas 
seul äTavoir commise. Sufetone raconte ainsi la d^fection: ,,Sed maxime 
fremebat stiperioris Oermaniae exercitus . , . Ergo primi obsequium rum- 
j)ei'e ausi kalendis lanuariis adigi sacramento nisi in nomen senatus 
reciisarunt''.^) Et dans le rfecit de Plutarque les rebelies du V^ janvier 
sont siniplement dfesignfes comme 6tant les soldats commandes en Germanie 
par Hordeonius Flaccus.^) Au point de vue historique, la faute de 
Plutarque et de Su6tone est beaucoup plus grave que celle de Tacite. Si 
Tacite a 6te d'abord inexact, il foumit ensuite lui-mSme ä son lecteur le 
moyen de rectifier son inexactitude. Si sa premiere mention de l'fevfene- 
ment n'a pas 6t6 a«sez prfecise, il le raconte avec la pr^cision voulue ä 
la place essentielle. Les deux autres ont p6ch6 k cette place justement 
et n'ont pas ailleurs r6par6 leur faute. Mais par celä mSme eile n'a 
rien de clio(juant au point de vue littiraire, tandis que Tacite, dfes Tinstant 
(juMl so corrige, cr6e une disparate. 

11 nous reste k montrer qu'entre Tanalyse de la lettre et la narration 
(i('»taill('»e il n'y a röellement que cette disparate, c'est ä dire que les deux 
passages sont au fond d'accord sur le caractöre de Finsurrection. 

Quand les insurgfes de Mogontiacum remplacerent le serment k Galba 
par un serment au s6nat et au peuple, ils ne pensaient aucunement k 
n^Htaurer la r6publique et ils ne voulaient mßme pas se donner Fair d'y 
ponser. C'6tait la personne seule de Galba qu'ils visaient; ils pr6ten- 
(laient changer. non le regime, mais Fempereur. Pour nous rendre compte 
(|ue teile etait bien, dans leur esprit, la signification du serment prSt6 le 
I" janvier (>9, il faut le rapprocher de certains actes mömorables accomplis 
au cours de Fannie 68, pr6c6dents bien connus d'eux et dont ils s'in- 
spirferent sans nul doute. Tacite a grand tort de dire que ces insurg6s 
invoquaient des noms tomb6s en oubli, ^^senatiis populique Bomani obliU 
t^ata iam nomina sacramento advocahanV''^) (I, 55). Gar, ces minies 



1) Galba, 16. Dans le passage du F?Y., 8: „. . . mperioris provindae exerdtn, 
ijai prius a Galba ad senatum defeceraV\ il n'y a pas la raeme inexactitude: toute 
Farmee superieure n'a pas fait defection le 1^^ janvier; mais eile a tout eutiere 
])rete serment au senat avant de recounaitre Vltellius. 

2) Gallm, 22, 11 et suiv. II resulte de 22, 22—5, et aussi de 18, 15 et suiv. 
lii, 1—3, que Flaccus coramandait seulement Fune des deux armees germaniques; 
mais Plutarque ne dit nulle part laquelle des deux. 

3) On trouverait aisement chez Tacite lui-meme Faveu que ces noms, surtout 
oelui du Senat, avaient encore un certain prestige. II fait dire ä Othon haran- 
guant les Iroupes qui le proclament empereur (1,38): ,Jdern senaitiSj idem populi 
Roniani animus est\'' au meme Othon apaisant la colere des pretoriens contre le 
Senat (I, 84) : „. . . ordineni cuius spletidore et gloria sordes et obsctmtateni Vitellianarum 
partium praestringimiM? Nationes aliquas occupavit Vitellius . . . Senatus nobiscum 
est; ftic fit iit Jiinc retijjublica, inde Jiostes reipublicae constiterint'^ II dit pour 



La lettre de Pompeiiis IVopinquiLS ä Oalba. 49 

noms, on les avait plusieurs fois invoqu6s pendant la ricente guerre civile, 
avec solennit6, si non toujours avec sinc6rit6. Le premier en date des 
pr6c6deiits 6tait celui de Vindex. En se rivoltant contre N6ron, il jura 
fidöliti et dövouement au sönat et au peuple, SQxoHfe ndvta vnsQ rijg 
ßovlrjg xdi tov irj^ov tcUv ^Pw^altov noiijoeiv.^) Ce n'6tait pas ä dire le 
moins du monde qu'il voulflt procurer ni möme qu'il souhaitftt le r6- 
tablissement de la r6publique, puisqu'en mSme teraps il offrit l'empire k 
Galba. 2) II ne voulait que d^livrer le monde roraain d'un tyran et mettre 
k sa place un hon prince. Le droit de T^lire n^appartenait ni ä lui ni 
ä personne qu'au s6nat et au peuple; il le savait et le proclamait, car 
son serment signifiait avec son abnögation personnelle son respect de la 
souverainetä publique. Mais, sentant, d'une part, que pour le succfes de 
l'entreprise il fallait tout de suite opposer un homme ä N6ron et, d'autre 
part, que le s6nat ni le peuple n'6taient aptes k prendre l'initiative d'une can- 
didature, il la prenait, lui, et il choisissait le candidat le plus capable de 
röussir, k son sens, et le plus digne aussi de recevoir, le moment venu, 
l'investiture 16gale. Comparons maintenant avec sa conduite celle de 
GaJba. Nous y trouvons les m§mes intentions nullement r6publicaines 
avec la m6me soumission, au moins apparente, k la 16galit6 et, en paroles, 
le m6me dösint^ressement. SoUicit^ par Vindex, proclam6 par ses soldats, 
il refuse, non d'ötre candidat k l'empire ni d'agir en empereur, mais de porter 
les titres imp6riaux; il affecte de n'ßtre que le serviteur d6vou6 de la patrie, 
le lieutenant du s^nat et du peuple, y^consalutatus imperator legatum se 
senatus ac popvli Romani professus e8t\ dit Su6tone;^) et Dion Cassius: 
xdi oq rf^v riysiioviav ide^aw^ ovx 8&iXri(f€ Se tag t'qg aixaqxiag eni- 
xXijaBtg TiQogXaßeTv to«;*) et Plutarque: 'O de lavvriv juiv evl^vg ov ngoa- 
eds^aio trjv nqooriyoQlav . . • 'QfioXoYtjOev BnidmfSeiv rg natqidi Tijr 
iavxov TtQovoiav, ovre Kaltfag ovi' avwxqdtioq^ fStqat^Yog Si avyxXriTOv xal 
Srjfiov 'PwfxaCwv orof^ia^o^evog.^) II se d6partit de cette attitude seulement 
lorsque les formalitös legales se furent produites, lorsque le s6nat et le 
peuple eurent approuv6 le fait accompli.^) Plus interessant encore k 
notre point de vue est le cas de Veiginius Rufus qui, precis6ment, cora- 
mandait en 68 les futurs insurg^s du l**" janvier 69. Ses soldats, apres 
la döfaite de Vindex k Vesontio, ayant d6truit les images de N^ron, pro- 
clamaient leur g6n6ral C^sar et Auguste, mais lui les rangea k Tobödience 
du s6nat et du peuple, avtovg xataatijifag btisiübv ini tq ßovX^ xal t(J) 



SOD propre compte (f, 76) : „Longinquae provindae . . . penes Otlumem manehanty non 
partium studio; sed erat grande momentum in nomine urbis ac praetexto senatus^ et 
occupaverat animos prior auditus*^ 

1) Dion Cassius, 63, 23 (Zonaras), 

2) Ibid. (Zonaras et Xiphilin); Plutarque, Galha, 4. 

3) Galh,, 10. — 4) 65, 23 (Zonaras). — 5) Galh,, 5. 

6) Suet., Galh., 11; Diou, 63, 29 (Zonaras et Xiphilin). 

Beiträge i. alten Geschichte IVi. 4 



50 Philippe Fdbia, 

Sijfi(p noirjaM^ai, soit qu1l ent assez de grandeur d'äme ponr dMaigner 
la dignit^ imperiale, soit qn'il estimät qne c'^tait Don aax soldats, mais 
au s^nat et an penple de la conKrer. €?»' ow on ovx tj^iav rovg 
{ftgananag nvi ro xqdtoq didovaiy %^ te yaq yeqovisUi, xcti t^ ^fi(p nQO<tijx€iv 
rovt' eleyev.^) DMaignait-il r^ellement Tempire. ne raurait-il pas ac- 
eept6 volontiers apres une 61ection en bonDe et due forme?^ Pen Importe; 
il ponvait du moins se glorifier de n'avoir rien fait pour Tusurper, d'en 
avoir revendiqu6 la libre disposition pour sa patrie, „ffiipen'tim adsertiit 
nan sibi^ sed patriae^\^) A ces principes hautement affinii6s apr^s la mort 
de Yindex il resta Adele jusqu'au bout. U avait d6clar^ que ni il ne 
preudrait lui-m^me le pouvoir ni il ne tiendrait pour valable un autre 
choix que celui du s6nat, ovxs avrog i^ XriipBC^at tiJv ijy^fiovlav otJf* 
al?.(p TiBqioxpscdai Sidofif^n^v, av Sv fxi^ rj avyxXrjrog sXr^tai,^) Instamment 
sollicit^ de nouveau par ses troupes apres la mort de N6ron, il persista 
dans son refus et renouvela sa'd^claration, lotg i^ o^x^^ i^fiivojv XoyutfioTg 
eqvXctrrs t^ avyxlrjt<p rqv altgeaiv tov atkoxQciOQog.^) Enfin, quand il eut 
re^u avis que le s6nat avait officiellement reconnu Galba comme empereur. 
il le reconnut lui-mßme et le fit reconnaitre par ses soldats.^) 

La le<;on que Verginius Rufus leur avait donnte quelques mois plus 
tot, les insurg^s de Mogontiacum la mirent k profit. Alors. apr^s avoir 
d^truit les Images de N^ron, ils s^^taient en fin de compte, au lieu de lui 
nommer un suecesseur, soumis ä Tautoritä du s^nat et du peuple; ainsi, 
le l*"' janvier 69, apr^s avoir d^truit les Images de Galba, ils prStferent 
serment au s^nat et au peuple. Pas plus que Yindex, Galba ou Verginius 
invoquant ces m§mes noms, ils n'avaient aspirä, en 68, k la restauration 
du gouvemement r^publicain, puisqu'ils avaient tent6 par deux fois de 
faire Verginius empereur k la place de N6ron. Ensuite, m^contents de 
Galba, ils ne songerent qu'ä reporter sur un autre pr6tendant la faveur 
dont Verginius n'avait pas voulu, „in Verginium favor ciiicumque alii 
profuturvuf'^'^) Tel 6tait, selon Tacite, leur 6tat d'äme 4 la veille de l'in- 
surrection. Le 1" janvier 69, ils refuserent d'abord d'Stre d&ormais les 
soldats de Galba, puis ils se declarerent les soldats du s6nat et du peuple. 
Leur serment signifiait de nouveau ce qu'avait signifi6 leur premier acte 
de soumission, qu'ils ne remplaceraient pas d'eux-mftmes Tempereur auquel 
ils cessaient d'ob^ir, qu'ils laisseraient k qui de droit le soin d'61ire un 
autre empereur. et qu'en attendant Tölection il y aurait pour eux inter- 
regne, exercice provisoire des pouvoirs imp6riaux, en particulier du com- 



1) Dien, 63, 25 (Xiphilin). 

2) Tac, Hist.y I, 8: ^Nec statim pro Galba Verginius, An imperare noluisset, 
duhium; delatum ei a milite imperium conveniebat."' — 3) Pliue, Epist,, 6, 10. 

4) Plut., Qalh., 6. — 5) Ibid., 10. - 6) lUd., 10; comp. 7. 
7) Hist, I, 53. Comp. Dion, 64,4: . . . t?^ imSv/uim cqtüy ttfiagrot^us fnt tov 
Povqovt fCi^ovv avTtjy Iff htqov fi^os änonkijQ^ffttt, 



La lettre de Pompeitis JFS^opinquus ä Oalba. 51 

inandement supreme des arniees, par le s6nat et le peuple. A qui n'est 
pas au courant des faits de 68^) le serment de Mogontiacum risque 
d'apparaitre tout autre, dans les termes oü le nientionne Tacite: „. . du 
rumpunt imagiixes Oalbae ...;... senatus populique Romani . . . no- 
mina sacramento advocahant'^ et: „. . . proiedis Oalbae imaginibus in 
senatus ac populi Romani twrba iurasse^'] d'accord avec Plutarque: . ..tag 
/lev slxovag tov FdXßa ngoask^ovieg dvergeipav xal xarianaaav, avwl Si 
d^ioaavtsg vnig <fvyxXijrov xal dnjfiov 'Pco/iatcüv . . .;^) et avec Suötone, 
sauf une inexactitude de celui-ci: ,,. . . adigi sacramento nisi in nomen 
senatus recusarunt^^' et „. . . exercitu qui prius a Oalba ad senatum de- 
feceraV^^) C'est bien ainsi que la chose se passa et qu'elle fut rapportöe, 
comme ä Vitellius par le porte-aigle, ä Pompeius Propinquus par quelque 
agent fidele. Mais le procurateur de Belgique ne pouvait, lui, se m6- 
prendre, en sa qualiti de contemporain averti, sur le sens de la formule. 
Si nous ne la trouvons pas transcrite dans Tanalyse de la lettre, nous 
l'y trouvons interpröt^e fidfelement: ,J^giones rtipta sacramenii reverentia 
impei'aiorem alium flagitare et senatui ac populo Romano arbitrium eligendi 
permittere . . /*. Bien loin done que la lettre contredise sur ce point le 
r6cit, eile en est le commentaire le plus clair et le plus juste.^) 

Ajoutons que, d'ailleurs, eile contient quelque chose de plus ä ce 
sujet que le r6cit. Dans Tassembl^e du V janvier les soldats de Mo- 
gontiacum avaient fait acte de rebellion contre Galba, acte de soumission 
au s6nat et au peuple. D leur restait k en informer le s6nat et le peuple, 
ä les pricr de procedcr ä T^lection d'un nouvel empereur. Mais cette 
d^niarche, qui 6tait la cons6quence logique de leur manifestation, ils ne 
la firent pas le T' janvier. Car, non seuleinent ni la narration detaill6e 



1) Ou, d'une facon plus generale, tt qui ne connait pas l'histoire de Toppo- 
sltiou sous les premiers empereur^. „Les conspirations ont ete frequentes sous les 
Premiers Cesars, et les historiens, qui les racontent, nous disent les causes qui les 
ont fait naitre: c'est presque toujours la haine de Tempereur, rarement la liaine 
de TKnipire. Nous ne voyons guere que les conjures aient mis en avant la pro- 
inesse de retablir le regime ancien ... Une seule de res conspirations, celle oü 
perit Caligula, fut suivie d'une tentative serieuse pour retablir la Republiciue . . 
Cette piteuse aventure n'etait pas faite pour donner des partisausa la Republique . . . 
Sous Neron la grande conjuration de Pison ne fut qu'une coalition de haines 
contre un prince qui etait en horreur a tous les honnetes gens. Personne ne 
songea uu moment ä retablir la Republique; il s'agissait de remplacer un empereur 
par un autre" (G. Boissier, Taciie, Paris, 1903, p. 152—4). 

2) Galh., 22. 

3) Galh., 16; Vit., 8. L'inexactitude est dans la suppression de populi, po- 
imlum. Comp. Plut., Gfl/6., 22, 42—45 (en parlant du meme serment). 

4) ^>t\Vc quidqimm aliud est (id sacramentum) quam modun senatui imperaiorem 
creandum jm-mittendi ; cf. Tac, Hist., l. 12 ..." (Hofstee, C. Suetonii Tranqailli vitae 
Oalbae, Othonis, VitelUi; Cironingae, 181)8: p. 43). 

4* 
10 



52 Philippe Fabia, 

de Tacite ni nos autres temoins ne la mentionnent, ^) mais encore et surtout 
rimpossibilit6 nous en apparait avec ^vidence. Les deux 16gions de Mogon- 
tiaeum n'6taient pas, Unt s'en faut, toute Tarm^e de Germanie; elles 
n'dtaient nieme pas toute rarm6e de la province sup6rieure. Avant 
d'adresser k Rome une proposition d'une teile gravit6, ne devaient-elles 
pas s'assurer Tadh^sion des cinq autres 16gions du Rhin? Pouvaient-elles 
se dissimuler que, si le vobu unanime des sept 16gions germaniques ferait 
certainement grande impression, celui d'une faible minoritö n'aurait aucune 
cliance de succes? Mais si l'ambassade ne fut pas envoy6e dhs le 
1" janvier, il put et dut, aprös la prestation du serraent, §tre question 
de son prochain envoi. Dans la lettre Porapeius avait parl6 de cette 
ambassade projet6e; dans Tanalyse de la lettre les mots imperatorem alitim 
flagiiare etc. sont et Tinterpr^tation du serment et Tannonce d'une d6- 
marche subsdquente. 

Au reste, cette d6marche qu'ils n'avaient pas pu faire le V^ janvier, 
les insurg6s se mirent bientöt dans le cas de n'avoir plus k la faire. 
Des le lendemain, informöes par ViteUius de leur rövolte contre Galba, 
les 16gions de la province inf6rieure le proclamferent lui-mSme enipereur, 
et le surlendemain les lögions de Mogontiacum se ralliferent k son parti. 
Cet enipressement prouva que Vitellius et son cntourage avaient eu raison 
de ne pas prendre au s6rieux le serment au sinat et au peuple: „iVZ 
mcramentiim inane visum^' (1, 56); 2) il prouva quo, comme le dit Tacite, 
pendant les deux jours pr6c6dents les soldats rebelles k Galba n'avaient 
pas et6 les soldats loyaux du s6nat et du peuple: „&ires ilhim (eocei'- 
citum) priore biduo non penes rem piiblicam fuisse^^.^) Nous avons vu ce 

1) Suetone, Galb, 16, en mentionne une autre ou mieux le projet d'une autre: 
„Statimque legationem ad praetorianos cum mandatis destinaverunt, displicere imperataretn 
in Hispania fachim, eligerent ipsij qn^n cuncti exercitus cwnproharctitJ^ A propos de 
cette ambassade Savile (a Tac. Hist., 1,55) reraarque: ^Sed iegationis, ut videtur, 
revocatae negotium intercidit ex seditione in Vitellium mota." II serait plus juste 
de dire que Tambassade ne partit meme pas. Et il faudrait ajouter que le dessein 
attribue par Suetone aux insurges est bien invraisemblable, puisqu'il est en con- 
tradiction avec le serment qu'ils venaient de preter. Suetone a sans doute fait 
ici une confusion: cejourlail fut question, naturellem ent, d'une demarche aupres 
du Senat et du peuple; un peu plus tard, Fabius Valens ecrivit „nomine Germanin 
exercihis ad praetorias et urhana^ cohortes, de viribus partium magnificas (epistulas) et 
concordiam offcrentes: increpabat uUro, qiwd tanto ante traditum Vitellio imperium ad 
Othonem vertissefit" {Uist., I, 74). 

2) Inane signifie, non pas que le serment parut k Vitellius n'avoir en soi aucun 
sens (Heraeus, Wolff, Goelzer), mais qu'il n'y attacha aucune importance, sachant 
Tetat d'äme de ceux qui Tavaient prete. 

3) „Ig enim tnduo proximo, dum in sejiattig populiquc verha inratj puhlici exercitus 
(sire, ut Ann., 1, 2, legiturj jmhlicorum armorum) personam induerat^ taniquam leges 
sola« ac reipuhlicae awtoritatem revei'cretur ; tum autem patuit id nil nisi specie^n 
fiiisse" (Doederlein). — Duebner interprete faussement 2x*/?e« rem puhlicam par 
„a partibus rei jmblicaej libertatis". 

11 



Im lettre de Pompeins Propinquus ä Oalba. 53 

que signifiait en soi leur serment. Mais, comme naguere Vindex, Galba 
et peut-Stre Verginius lui-meme, ils Tavaient pret6 avec une arriere pensee. 
Verginius, qui avait peut-ötre en secret d6sir6 rempire, se soumit loy- 
alement ä Felu du sönat et du peuple. Galba, si leur choix s'ötait port6 
sur un autre que lui, se serait-il sourais? Nous ne savons. Quant aux 
insurgös du Rhin, ils n'auraient certainement pas aceept6 de ceux dont ils 
affectaient de reconnaitre le pouvoir souverain un successeur queleonque 
de Galba. Depuis son avenement definitif, les deux armees germaniques 
6taient animöes contre lui des mömes sentiments hostiles et des meraes 
intentions s6ditieuses, ^) R6solues k faire un autre empereur, il ne leur 
manqua d'abord qu'un pr6tendant sortable. Verginius rappel6 et rem- 
placö par Tincapable Hordeonius Flaccus, qui ne leur inspirait et ne 
mdritait que m^pris, Fonteius Capito assassin^ et la province inKrieure 
laiss6e quelque temps sans 16gat consulaire, di(x deerat. Mais ce chef, 
ce pretendant, ils crurent Favoir trouv6, des que Vitellius eut pris pos- 
session de la place vacante. D^pourvu de valeur personnelle, son titre 
le plus s6rieux 6tait Tillustration de son pere; n'importe: id satis vide- 
batur.^) II avait quelques qualitis möl^es ä beaucoup de vices; scs qua- 
lit6s lui concilierent une admiration et une Sympathie hors de proportion 
avec elles; ses vices passerent pour des vertus. Les esprits prevenus se 
plaisaient ä voir en lui plus qu'un 16gat consulaire. ^) Et son renom d6- 
passa promptement les limites de sa province: comme la haine de 
Galba, la popularit^ de Vitellius r6gna dans l'une et Tautre armöes. Des 
avant le 1" janvier 69, les l^gions de Mogontiacum 6taient k lui et les 
meneurs de l'agitation rövolutionnaire Tavaient choisi pour leur candidat 
ä Fcmpire. Dans Fassemblöe officielle du 1" janvier, son nom, k notrc 



1) Eist., I, 8, 51, 53—54; Suet., Galh. 16; Vit, 7; Plut., Galb., 18, 19, 22; 
Dien, 64,4. 

2) Hist.j 1,8—9. Id satis videbaiur aux soldats, et uon pas ä Galba (il fau- 
drait cu ce dernier cas visum erat). Je m'etonne (jue la correlation dHd satis vide- 
batur avec dux deerat ait ecliappe a presque tous les comraentateurs modernes, 
ßurnouf Fa bien vue, apres Juste-Lipse et Eniesti. Comp. Dion, 64,4: „(Les soldats 
de Germanie firent Vitellius empereur) nqog fiovfjv rijy tvyivitav nviov amif6vrk^*\ 
Tac, Hist.^ III, 86: ... consulatum, sacerdotia, nomen locuinque inter primores nulla stia 
industria, sed cuncta patris claritudine adeptus; princijwitum ei detulere, qui ipsum nmi 
iioverant."' — Tacite, en ces deux passages, et Dion exagerent: les soldats avaieut 
quelques autres raisons de porter Vitellius a Ferapire; voy. Hist.^ 1, 62; Suet., 
Vit., 7; Plut., Galb., 22. 

3) Eist., I. 52: „Nee cmisularis legati mensura, sed in maius omnia accipiebantur 
. . . Simul aviditate im2)erii dandi ipsa vitia pro iirtutibus interjrretdbantur.'' II s'agit 
lä surtout des sentiments de Farmee inferieure ä Fegard de son legat; voy. la 
phrase initiale du chap.*": . . . Aulus Vitellius inferiorem Germaniam ingressus hi- 
bema legionum cum cura adierat . . ." Mais du rapprochement de ce chap. avec 
I, 8—9 11 resulte que Farmee superieure eile aussi mettait son esperance en 
Vitellius. 

12 



54 Philippe Fabia, 

connaissance, ne fnt pas prononc^ hautement, mais il 6tait dans la pcnsec 
de beaucoup, sinon de tous. Et ils prßterent le serment au s6nat et au 
peuple avec Tespoir, avec Tassurance presque, qu'il s'agissait d'une simple 
formalite, que ceux ä qui les 16gions de Mogontiaeum, bientot suivies par 
les autres legions du Rhin, auraient ainsi confi6 en apparence le soin 
d'elire le nouvel empereur, eomprenant la volonte inexprimöe et subissant 
la pression puissante des deux armöes germaniques, se borneraient ä 
ratifier et ä consacrer leur choix. Si, contrairement ä leur attente, Ronie 
refusait ä Vitellius Tinvestiture legale, il serait temps alors de faire une 
rövolution complfete; pour le moment, les insurg6s de Mogontiaeum ne 
voulaient faire que la moitiö d'une rövolution: ils refusaient oböissance ä 
Tempereur legitime, mais ils ne disposaient pas ouvertement de Fempire 
en faveur d'un autre. Teile fut du moins leur attitude dans Tassemblöe 
officielle. Car une Solution plus simple et plus prompte, celle precisöment 
qu'adopta le lendemain Tarmee inf6rieure et qu'elle fit prövaloir, Telection 
directe et immödiate de Vitellius, fut, selon Pluturque, ^) dont nous verrons 
tout ä rheure que le temoignage mörite d'etre retenu, propos6e dans un 
conciliabule qui se tint le jour mSme, aprfes Tassembl^e; et si Tassistance 
ne fut pas tout de suite unanime k raecepter, ce n'ötait pas que le can- 
didat d^plüt ä quelques-uns, c'ötait que Tautre proc^dure leur semblait 
pröferable, ayant l'avantage de sauvegarder les apparences. Le serment 
au s6nat et au peuple n'avait 6t6 qu'un serment hypocrite. Parmi les 
insurgös de Mogontiaeum les moins formalistes songferent aussitot k jeter 
le masque; tous le jeterent des le surlendemain : „^ supej-iot' exercitxiSy 
8i)ecio8i$ senatus populique JRomani nominihus relidis^ tertium nonas 
lanuarias Vitellio accessit^^^) Tacite a vu et dit qu'il y avait eu hypo- 
crisie, quoique nulle part il n'ait d^fini nettement en quoi eile eonsista. 
II le dit non seulement k la fin du recit, \k oü il constatc que Farmee 
supörieure fit bon marchö de son serment, mais des le debut, en men- 
tionnant la prestation de ce serment: „i4c ne reverentiam impef'ii extieie 
viderentur^ senatus populique Romani . . . nomina sacramento advocahant'^ 
Pompeius Propinquus Tavait vu, lui aussi, et l'avait dit dans sa lettre: 
„. . . senatui ac populo Romano arhitrium eligendi permittere^ quo sediiio 
mollius acviperetur^'. Les rebellcs ne faisaient acte de d6f6rence envers 
le Senat et le peuple que pour attönuer le mauvais effet de la rövolte ou, 
ce qui revient au mßme, que pour avoir Fair de se revolter contre Vim- 
perator seul et non contre Vimperium^ contre la personne de Galba et 
non contre la souverainet6 publique. Au fond, ils s'insurgeaient contre 
Fune et Fautre, s'ils avaient Farriere pensöe d'imposer leur candidat au 
choix du s6nat et du peuple, s'ils ne confiaient k ceux-ci qu'un simulacre 



1) Galt'., 22,17-32. 2) 1,57. Comp. Flut., Galb., 22,42-45. 

13 



La küre de Pompeins Fropinqum ä Oalba. 55 

d'ölection. ^) C'est ce que ni le r6cit ni la lettre n'indiquent assess nette- 
ment. Notons en outre que raccusation d'hypocrisie est plus explicite 
dans le röcit que dans la lettre. Mais, en somme, sur ce point aussi 
nous les trouvons d'accord. 

n. 

Je n'ai considörö jusqu'ici le passage oü Tacite raconte en detail 
Taveneraent de Vitellius que dans ses rapports avec celui oü il rösume 
la lettre de Pompeius Propinquus. Mais, ce faisant, je me suis döjä trop 
occup6 du preraier pour ne pas concevoir le dösir d'en reprendre et 
parachever l'ötude. L'616ment essentiel de cet examen critique sera une 
coraparaison suivie avec les passages correspondants, qui m'ont fourni 
plus haut quelques rapprochements, denos autres tömoins,^) et surtout de 
Plutarque. II en ressortira d'abord avec övidence que, si la narration de 
Tacite a parfois besoin d'§tre rectifiöe ou corapl6t6e, eile est pourtant bien 
supörieure aux autres, et ensuite, je crois, que Tacite et Plutarque ont 
puis6 ä la mßnie source.^) 

Tacite raconte seul ce qui se passa le 1" janvier 69 dans les canips 
de la province införieure, la prestation du serment: ^^Inferioris tarnen 
Oermaniae legiones sollemni kalendarum lanuariarum sacramento pro 



1) M. G. Boissler (ouv, die, p. 152), faisant allusion k ce serment, prete aux 
insurges une arriere pensee tout autre: ^C'est k peine si, quelquefois, quand une 
erneute subite eclate dans les legions, les revoltes, qui n'ont pas pris le temps de 
se concerter enserable, se couvrent du nom du peuple et du senat et pretendent 
travailler pour eux, en attendant qu'ils trouvent un empereur. L'empereur choisij 
il n'est plus question du senat et du peuple". Mais s'agit-il ici d'une erneute subite 
et les revoltes n'ont-ils pas eu le temps de se concerter? 

2) Plut., Galh., 22; Suet., Galh., 16 et Vit., 8. II n'y a rien ä tirer de Dion, 
64, 4 (Xiphilin); cette narration breve et confuse attribue ä Tarmee superieure 
(ol iy TttU ffQfdayiMS, ovs tl^t 'Povffog . • . ifj^ inißvfding <frf^y a/Ltttfjroyus M 100 
Povtfov . . . inoiijiftty tovjo), au lieu de son role reel, celui de Tarmee inferieure: 
TtQotnrifrafjityoi yoQ Aukoy OvtTflXtoy jtjg xtxTW rtg/uaylai aq^oyia fnayftrt^aay . . •; OU, 
pour raieux dire, eile prete aux deux armees confondues le röle de la seconde. 

3) Si j'avais ä refaire en son entier le parallele de Plutarque et de Tacite, 
que j'ai fait, il y a onze ans (Les sources de Tacite, p. 1—129), je modifierais beaucoup 
de details, surtout je serrerais de plus pres la comparaison. Mais je ne changerais 
rlen ä la conclusion. Ayant pris connaissance de tous les travaux posterieurs au 
mien et louguement reflerhi sur cette question essentielle, je reste convaincu que 
le Oalba et VOthwi de Plutarque, le 1«' livre des Histoires de Tacite et la l^'« moitie 
du 2« sont deux derivations independantes d'une meme source. — Voir la biblio- 
graphie de ces travaux dans Borenius, p. III et suiv. — En ce qui concerne speci- 
alement les deux narrations dont nous nous occupons ici, Borenius, p. 25 et suiv., 
soutient que Tacite a ete la source principale de Plutarque, Ed. Groag (Zur Kritik 
von Tacitus Quellen in den Historien, dans Jahrb. f. Philol, 23^«' Suppl., p. 746 et 
suiv.) qu'il y a une source commune, source principale de Plutarque et secondaire 
de Tacite. 

14 



56 Philippe Fdbia, 

Oalba adactae^^ Tattitude et les sentiments des officiers: ^^multa 
amctatione et raris primorum ordinum^) vocibuis, ceteri silentio proocimi 
cuitisqtie audadam exspectantes . . .'S Tattitude et les sentiments des 
troupes: „8ed ipsis legionibtis inerat diversitas animorum: primani quin- 
tanique turbidi adeo, ut quidam saxa in Galbae imagines iecerint; quinta 
decima ac sexta decima legiones nihil ultra fremitum et minas ansäe ini- 
tium erumpendi circumspectabant\ La scfene est diente avec tonte 
Tabondance dösirable. On souhaiterait qne le lieu en füt pr6cis6 on, pour 
raieux dire, qn'avec les numöros des lögions fnssent indiqu^es lenrs 
garnisons, Bonna, Vetera, Novaesium;^) nous verrions ainsi qu'en r6alit6 
il y eut, non pas nne scene nnique, mais pinsienrs scenes. On regrette 
surtout qne, par la faute de la construction grammaticale, la distinction 
faite entre les officiers et les troupes n'apparaisse pas de prime-abord 
assez nettement,^) le premier terme, sous la forme de Tablatif absolu 
multa ctindatione et raris primorum ordinum vocibus et de Tapposition 
ceteri . . . eocspectantesj se rattachant k la proposition legiones . . . adactae^ 
tandis qu'une phrase indöpendante devrait lui 6tre consacröe comme au 
second. Au surplus, Tacite a eu grandement raison de ne pas omettre 
un Episode fort interessant au point de vue psyehologique, car nous y 
voyons les derniferes h^sitations des rebelles k faire le pas deeisif, chacun 
attendant qu'un autre prenne l'initiative, ,^insita mortalibiis natura, pro- 
pere sequi, quae piget incohare; . . . initium erumpendi circumspectabant^^, 
Mais on con^oit que memo Plutarque, dont la narration est de beaucoup 
la plus d6taill6e apr^s celle de Tacite, ait n6glig6 cet Episode: au prix 
de ce qui se passa le meme jour dans la province sup6rieure, la prestation 
du serment par les 16gions de la province inf6rieure n'avait qu'un faible 
int6rßt historique; eile n'eut aucune influence sur le cours des 6vönements. 
Le Signal de la röbellion ouverte contre Galba vint en eftet de Tautre 
arraöe. „JVemi obsequiiim rumpere ausi kaUfiidis lantuxriis adigi sacra- 
mento nisi in nomen senatus recusarunV\ dit Su6tone.^) Mais la scfene 
n'est racontöe en detail que par Tacite et Plutarque, dont les versions 
demandent k etre comparees de trös pres. Dans Plutarque, avons-nous 



1) Primi ordines signifie ici, non pas, corame souveot chez Cesar, centurimes 
primorum ordinum (Heraeus, Gantrelle, Goelzer, Valmaggi), mais les premiers rangs 
de Tassemblee (Prammer, Wolff), c'est ä dire les officiers. Comp. I, 18 (accueil 
fait par les pretoriens ä la harangue de Galba): ^.Trihuni tarnen centurionesque et 
proocimi militum grata auditu respondent; per ceteros maestitia ac silentium^*. — Person 
Paraphrase tres bien : „11 y avait eu toutefois beaucoup d'hesitation et les premiers 
rangs seuls . . . av^lent pousse quelques acclamations isolees". J'aime mieux 
pourtant rattacher multa cunctatione ä primorum ordinum, 

2) Voir IV, 25, 26, 35. 

3) Nul commentateur, ä ma connaissance, ne l'a vue ou signalee. 

4) Qalb., 16. 

15 



La lettre de Pompeiiis I^opinquiis ä Oalba. 57 

d6jä \Ti, la dösignation des r^voltös est inexacte, comme dans le r^sumö 
de la lettre de Pompeius: il met en cause les soldats de Flaccus, c'est 
k dire toute rarmöe supörieure. Tacite dit ici, avec plus de pr6cision: 
^yAt in superiore exerdtu quarta et duetvicensima legiones . . ."; il ajoute 
qu'eUes tenaient garnison ensemble, j,i$dem hibernis tendentes^^ mais sans 
nommer le lieu de leur garnison, Mogontiacum, detail qui n'6tait pourtant 
pas insignifiant. Plutarque dira plus loin que le thöätre de cette r6volte 
se trouvait k une journöe du quartier-g6n6ral de Vitellius, c'est k dire, 
d'aprfes Tacite, de Colonia Agrippinensis. La date de la rövolte est donn6e 
par les trois t6moins, kalendis lanuariis (Su6tone), ipso kalendarum 
lanuariarum die (Tacite), inijl&ev rj vov^irivla rov nguitov fxr^vog, ^v 
xakdvSag ^lavovaqiaq xaXov(ft (Plutarque). Celui-ci dit seul formellement 
qu'elle 6clata dans Tassemblöe convoqu6e par Flaccus pour la prestation 
normale du serment: tov Si 0Xdxxov (Svvayayovzog avtovg im xov oqxov, 
ov e^og ianv d/ivJe«' vnfQ rov avtoxQatoQog. Tacite se bome k constater 
la prösence du 16gat, „spectator flagitii Hordeonius Flaccus consularis le- 
gatus aderat . . ." Quant au motif de rassembl6e, il n'avait pas besoin 
de l'indiquer ici, Tayant indique un peu plus haut pour Tarmöe införieure 
par les mots solletnni kalendarum lanuariarum sacramento. Comme il 
allait de soi que la convocation de TassemblSe militaire ressortissait k 
Flaccus, dans cette partie du recit de Plutarque rien ne dönote son in- 
döpendance par rapport k Tacite: la ressemblance littörale de rov oqxov, 
ov ei^og e(fnv dfxvvfiv avec sollemni . . . sacramento ferait plut6t croire k 
sa d6pendance. II allait de soi ögalement que les rebelles s'ötaient ap- 
proch^s du tribunal pour commettre leurs violences contre les images 
imperiales; le detail ngoaeX^omeg n'a donc aucune valeur significative 
dans lag [.liv eixovag rov FaXßa nQoaeX&ovreg dvirgeipav xal xareanadav, 
ensemble qui correspond k „dirumpunt imagines Oalbae", L'acte de 
violence est exprimö par deux verbes dans le texte grec, dans le texte 
latin par un seul qui 6quivaut au second. Mais Plutarque aurait pu 
ais6ment ajouter le premier de lui-mßrae, s'il avait eu Tacite pour sourcc: 
il aurait pu aussi en trouver Töquivalent dans Tautre endroit du texte 
latin oü le fait est mentionnö, dans le message du porte-aigle, oü on lit 
„proiectis Oalbae imaginibus^. Tacite note seul qu'au moment de la 
destruction des images Tattitude de tous les mutins ne fut pas d'abord 
exactement la mgme: „. • • dirumpunt imagines Oalbae^ quarta legio 
promptius^ duetvicensima cunctanter^ mox consensu". Puis vient la presta- 
tion du'nouveau serment, in nomen senatus (Suetone), vniq avyxkrjrov xal 
iriixov 'Pwfiaimv (Plutarque). La formule grecque se retrouve en latin 
dans le message du porte-aigle: „in senatus ac pojndi Romani verba"\ 
la ressemblance est moins grande avec la partie correspondante du r6cit, 
parceque Tacite a voulu, non y transcrire, mais y common ter le serment: 
„Ac ne reverentiam imperii exuere viderentur^ senatus populique Romani 

16 



58 Philippe Fabia, 

oblitteiata iam noniina sacramento advocabani" . Nous avons d^jä dit tont 
ce qu'il y avait ä dire sur ce commentaire.^) — Plutarque. ayant raeonte 
de la s^dition Tessentiel. la destruction des images de Galba et la presta- 
tion du nouveau serment, s'arrSte et annonce la fin de Tassemblee: 
ouoaavtsg . . . iieXvdrflav. Dans la narration eorrespondante de Tacite, 
dont lordonnance n'est pas chronologique, il y a dabord tout cet 
essentiel, mais on y trouve ensuite des renseignements abondants et precis 
sur le röle des officiers sup6rieurs, „ntdlo legatorum tribunarumve pro 
Oalba nitente, quibiisdam^ ut in tumuUti^ notabilius-) ttirbantibtis. Non 
tarnen qiiisqiiam in modum cantionis aut suggestu locuitis . . ."; en parti- 
culier sur celui du legat consulaire: „Spectator flagitii Hordeanius Flacctis 
consularis legatus aderat^ non compescere ruentes, non retinere dubios^ non 
cohortari bonos ausus^ sed segnis, pauidus et socordia innocens"] enfin sur 
rexemple de fid61it6 que donnerent quatre centurions et qui n'eut pas 
dimitateurs: „QuaUuor centiiriones duetvicensimae legionis^ Konins Eeiejdiis, 
DonatitisValens, Romilius Marcellns, Calpurnins Repentinm^ cum protegerent 
Galbae imagines^ impetu militum abrepti vinctiqtie. Nee cuiqiuim ultra fides 
aut memoria prioris sacramenti • . ." La tentative des quatre centurions 
cut Heu au d6but de la scene, au moment oü leur legion hfeitait encore. 
Tacite en a röserve la mention pour la fin, voulant et d^gager les faits 
essentiels de cette circonstance comme des autres, et par la mention 
pröalable de la conduite coupable ou lache des superieurs raieux faire 
valoir le noble d^vouement de ces subalternes.-'*) 

Entre Tassemblee oü eclata la sedition et la d6marche du porte-aigic 
aupres de Vitellius il n'y a rien dans le recit de Tacite. Dans celui de 
Plutarque il y a un Episode iraportant. L'assembl6e terminee, les officiers 
ticnnent un conciliabule. Les suites possibles de la döfection les preoc" 
cnpent: ils craignent qu'elle ne toume ä Tanarchie: Eha rolg rjyefxovixoTg 



1) En particulier, nous avons examine alors la suite du texte de Suetone 
rite au dehnt de cet alinea: ,,. . . statinique legationem ad fyraetonanos cum mandatis 
deatinavervnt, disjüicere imperatorem in Rispania factum; eUgeretit ij^iy quem cundi 
exerdliis comj/robarent\ 

2) Apres ce qui a ete dit de Caeciua (I, 52 et suiv.) on s'etonne ds ue pa.s le 
voir juuer en cette scene le röle predominant. Mais peut-etre la legion qu'il com- 
niandait etait-elle justeraent celle qui ne tenait pas garnison a Mogoutiacum, 
la XXl^ 

3) La synipatlile et Tadrairation de Tacite se manifestent aussi en ce que, 
contraireinent a sa couturne, il designe par deux uoms de simples centurions: 
„Der Historikey' hält sich verpflichtet, angesichts der seltenen Beispiele von Mamiszttcht 
und Treue gegen den Kriegsherrn^ die vier Hauptleute mit Familien- und Bei^iamen 
zu verewigen'' (Wolft"). 11 n'aura garde d'oublier leur supplice ordonne bientot par 
Vitellius: „. . . occidi iussit damnatos fidei crimine, gravissimo inter desciscentes" 
(l, 59). 

17 



La lettre de Pompeius Propinquus ä Oalba. 59 

naQvtttaro ieäoixhai vqv anotfraaiv tJ^ dvaQxi(ti\^) Jeyei Se rig sv avroTg . . . 
L'un d'eux, prenant la parole, montre ce que la Situation a de bizarre et 
propose de donner un successeur ä Tempereur dont ils ne veulent plus 
en la personne de Vitellius. Cette proposition ne rallie pas tous les 
suffrages. Aucun des faits racontös iei par Plutarque n'est invraiseniblable. 
D n'est invraiseniblable ni qu'ä la röflexion les officiers ou certains d'entr' 
eux aient congu des inquietudes sur le sort de la singuliere dömarche 
qui allait etre essayöe aupres du s6nat et du peuple, aient redout6 des 
troubles anarchiques pour le cas oü se prolongerait la periode pendant 
laquelle leurs troupes se regarderaient comme 6tant sans imperator; ni 
quMls aient caus6 de ees inquietudes en une sorte de conseil secret:-) 
ni que Tidte soit venue aux uns de rösoudre imm^diatement la crise 
par Telection directe de Vitellius, le candidat dont tous souhaitaient et 
esp6raient Tavenement; ni que les autres aient pr6f6r6 s'en tenir ä la 
proc6dure plus spöcieuse adoptöe dans Tassemblöe et ne recourir qu'en 
cas de besoin absolu aux moyens pleinement rövolutionnaires. Nous 
devons done estimer ees faits vrais, si nous ne pouvons dömontrer qu'il 
y a eu erreur ou fiction de Plutarque. J'ai eu tort autrefqis^) de pr6- 
tendre qu'il y avait fiction ä cause d'une phrase du discours de Tofficier: 
rauthenticite du discours, dont nous reparlerons tout ä Theure, et la r6alit6 
des faits sont choses bien distinctes. On a prötendu r^cemment*) qu'il 
y avait ensemble erreur et fiction, qu'une Interpretation erron6e et 
fantaisiste du passage de Tacite sur la conduite des officiers k Tassembl^e. 
avait donnö naissance ä tout Tepisode: ainsi rolg 'qysfiOvixoTg naqidtaw 
SeSoLXBvai ri^r dvagxiav oJ^ änoaraaiv serait sorti de „wttHo legatorum tri' 
bunorumve pro Oalba nitente, qnihisdam^ iit in tumultu, notahilim tur- 

1) Je coriige par une simple traDsposition (on pourrait songer aussi ä ecrire: 
i6i ayttQX^ff»' '7*^ nnotfTftmy) le texte vulgaire: i^y (lyaQ/iay (os rtnoaraitty^ qui u'offrc 
pas de sens raisonnable. Borenius: „Hunc tumuUtim tion solitam immodestiam, sed 
apertam defectianem diictoribus videri frigide scripsit Plutarchus'*. i^nV/aWe est indulg[eiit ! 
La defection n'etait plus k craindre, c'etait cliose faite; ce qu'll fallait craindie, 
c'etaient les suites de la defection. 

2) J'ai dit (Les sources de Tacite, p. 17) et je persiste a dire conseil secret. 
Dans la phrase de Plutarque, iy ((vroU ne peut se rapporter grammaticalenient qu'a 
lols iyt/uoytxols. Les raisons que m'oppose M. Groag, p. 748, sont de nulle valeur: 
rien dans le contenu du discours, (|ue j'analyserai tout k l'heure, n'oblige a ad- 
mettre la presence des soldats; et quant ä Targument tire de „)ian tarnen quisquam 
in fnodum cmtionis . . . locnitus", mots que M. Groag cousidere comiue un dementi 
donne par Tacite, raieux renseigne, k la source commune, qui aurait done rapporte 
une cmitio^ Toriginal justement du discours de Plutarque, cet argument tombe avec 
tout le Systeme de mon contradicteur. 

3) lind., p. 17 et suiv. M. Groag. ibid., a raison d'affirmer contre moi que 
Fepisode n'est pas une fiction de Plutarque, qu'il Tavait trouve (en substance) dans 
la source commune. 

4) Borenius, p. 27 et suiv. 

18 



80 Philippe Fahia, 

bantibus^^; Tidöe du discours et la formule mßme qui Tintroduit, Xiyei di 
vg iv avioTc^ de „woti tarnen quisquam in modnm contionis aiä stiggestu 
locxitu8^\ Plutarque ayant cni que Tacite mentionnait un discours tenu et 
n'ayaiit pu r^sister k la tentation d'inventer ce discours; enfin Taccueil 
fait au discours, tavta tcSv fiiv ^rfiy 7TQ0<ri€fievwv, tcü» i*ov nQOtnsfxeroyt'j 
ne serait autre chose que Töpisode des quatre centurions avec sa con- 
clusion „qnod in seditionibus accidit^ iinde phircs erant^ omnes fueie". 
L'auteur de cette prodigieuse explication pröte ä Plutarque une dose peu 
commune d'ignorance, d'incurie et d'ineptie; mais il lui pr§te aussi, par 
compensation, le tour de force non moins rare d'avoir, en accumulant 
contre-sens et sottises, construit une narration en soi parfaitement raison- 
nable. Reconnaissons tout siraplement qu'il a trouv6 la matifere de cette 
narration ailleurs que chez Tacite. Mais il ne Ta pas trouvöe dans une 
source secondaire et intercal6e dans le r^cit de la source principale: 
Tepisode fait corps avec Tenserable de son r^cit ä lui; c'est au sortir de 
Tassembl^e et ä propos de ce qui s'y est pass6 que les officiers tiennent 
Icur conciliabule: c'est au sortir de ce conciliabule et en partie k cause 
de ce qui s'y est pass6 que Tun d'eux, nous y insisterons bientot, envoie 
un message k Vitellius. Plutarque est donc indöpendant de Tacite, et 
les ressemblances que nous avons constatöes ou que nous constaterons 
doivent 6tre expliqu6cs par la communaut6 de source. Ici le biographe 
a conserv6 un Episode que Thistorien a eu tort de supprimer: car, si les 
choses essentielles s'itaient passöes k Tassemblee, Celles qui se passerent 
dans le conciliabule ne manquaient pas en soi d'int6r^t et ne furent pas 
Sans effet sur la suite des 6vSnements. 

Quant au discours de Tofficier, Plutarque Ta sans doute, selon la 
coutume des anciens, composö tres librement. Je mettrais volontiers a 
son compte la premiere phrase: Ti ndaxofisv, w avatgandkai, /erjr* 
aXkov ijYeiAova noiovusvoi firjre rov vvv ovta (pvkdrrovteg^ uianeQ ov FaXßav^ 
liXV oAw^ aQXoma xal to aQXS(fi^ai tfsvyovieg:, car eile me semble de 
quelqu'un qui n'avait pas bien corapris le sens du serment au s6nat et 
au peuple; or cette möprise se conQoit mieux de Plutarque, un Grec, que 
de la source, un Romain. ^) Le mot dedaigneux par lequel est 6cart6e la 
candidature de Flaccus, 0Xdxxov fih ovv 'OgSeioviov ovSiv dXXo 'q axidv 
oiTö rdXßa xdl eJdwXov iauov, peut tres bien 6tre aussi de Plutarque, se 
souvenant et d'avoir enregiströ la Substitution de Flaccus k Verginius par 
Galba,2) et de Tavoir peint impotent, incapable et m6pris6 de ses subor- 

1) II faut croire ou que Plutarque n'avait pas bien saisi le sens du serment, 
que le preccdent de Verginius, raconte par lui-meme (Galb. 6 et 10), aurait du 
pourtant lui rendre aisement intelligible; ou qu'il a voulu que son orateur affectät 
de ne pas l'avoir sai.si, artifice telleraent grossier que la premiere supposition me 
semble preferable de beaucoup. 

2) Galb., 10. 

19 



La lettre de Pompeitis I^02)inqtiu$ ä Oalha. 61 

donn6s. ^) Dans les propos que Valens, chez Tacite, tient en d^cembre 
ä Vitellius, il y a bien un jugenient sur Flaccus: «... instigare Vitellium^ 
ardorem müitum ostentans^ ipswn celebri ubique fama^ nullam in Flacco 
Hordeonio mm-am^ adfore Britanniam, secutura Oe^-manorum atixilia. . ." 
Mais le contexte montre que le sens en est tout autre: Torateur de 
Plutarque dit que les insurg6s ne peuvent penser ä faire de Flaccus un 
empereur; Valens dit que Flaccus ne resistera pas k Tentreprise de 
Vitellius, s'y raUiera tout de suite. Ce qui me porte ä admettre cependant 
comnie possible une sorte de parent6 entre les deux passages, c'est la 
parentö Evidente de la phrase qui suit dans Plutarque avec une autre 
phrase du discours de Valens. Ayant 6carte le noin de Flaccus, Tofficier 
ajoute: viiiqag de fjLiag odov ätpiatrixBv ?Jjua>v Ovitikhog^ o tijg itigag 
Fsq^aviag rjYOVfi€Vog, natgog re tLi^rjtou xal TQlg vndrov yevo^iivov xal 
KXavdicp KaCaaQi tqouov nrä (fwag^amog. Valens 6nuni6re de mSme les 
titres du pfere de Vitellius: riVitellio tres patris consulattis^ censtiranij 
coUegium Caesaris et imponere iampridetn imperatoris dignationeni et . . ." 
Ces deux titulatures, dont la ressemblance est si frappante k cause surtout 
de leur troisieme terrae commun, d6rivent d'une seule source. *^) Plutarque 
nomrae seul Tempereur dont Lucins Vitellius a et6 le coUegue: cette 16gere 
difförence serait d6jä un indicc de son independance par rapport k 
Tacite;^) le d6but de la phrase nous en foumit un autre: Plutarque donne 
la distance qui s6pare le lieu du conciliabule et la r^sidence de Vitellius.'*) 
Et la fin de la phrase grecque nous fournit une preuve certaine: avrdg 
te t-qv XoidoQOvineinf^v vti' eviwv nsviav delyfia Xaiinqov e%ix>v xqr^tSjoxqrog 
xal fieyakofpQoavvrig. Tacite ne parlera que beaucoup plus tard de la 



1) Galt., 18, 15 et suiv. Comp. Eist., I, 9. 

2) Borenlus, p. 28, insiste avec raison sur la ressemblance. La titulature de 
li. Vitellius est plus courte dans Suet, Vit,y 7: y,(er cmsulis'^, et dans Tac, Eist.. 
1, 9: ^censoHs VitelUi ac ter cmimlis^. Mais eile est aussi pleine dans Suet., Vit., 2: 
^pater cum Claudio principe duos imniper ordinarios cwumlatus censuramqiie gcssif^j 
et dans ///*/., llf. G6: «... cum Vitellius colle/ja Claudio foret. Quin, ut cenmiram 
jHiiHs, ut tres consulatus . . . deceret ..." De meme ([ue Borenius se trompe en 
voyant dans cette ressemblance une preuve de la dependance de Plutarque, de 
meme Groag a tort de n'en faire aucun cas. 

3) Quoi qu'en dise Borenius. — Lezius, De Plutarchi in Galba et Othone fon- 
Ulms, Dorpat, 1884, p. 32, et Woelfflin, Zur Cmnpositiofi der Historien des Tacitus, 
dans Sitzungsb. d. jMlos-philol. Klasse de^' haye}\ Äkad, d. Wissenschaften, München adt. 
1901, p. 39, estiment i\ bon droit que Plutarque a ajoute jQonoy nya, parce(|u'il na 
])as bien corapris coUegium Caesaris et a cru (lu'il s'agissait de quelque autre 
raagistrature. Mais cette erreur n'implique nullement que Plutarque ait eu le texte 
de Tacite lui-meme sous les yeux. 

4) Borenius: ^Hoc ijtse fädle colligere jjoiuit Plufarchus.'' On voit, en effet, 
dans Tacite que le porteur des nouvelles du P'' ja n vier arrive ä Colonia pendant 
la nuit du l«^»- au 2. Puisqu'il y avait eatre Mogontiacum et Colonia \(\1 k., 
^fitQitg fiiai odoy sif^uiüe, cela va de soi, une journee de route eu poste. 

20 



r)2 Philippe Fabia, 

pauvretö de Vitellius^) et ne parlera jamais du reproche que certains 
lui en ont pu faire. Ce n'est donc point de Tacite que s'inspire Plutarque, 
mais il s'inspirc des propos que la source commune attribuait ä Valens, 
et il en mele une partie au discours qu'elle pretait ä Tinsurg^ de Mo- 
gontiacum. La titulature de Lucius Vitellius 6tait, chez Tauteur original 
de mßme que chez Tacite, dans le discours de Valens: il est naturel que 
Valens, pour stimuler Täme indolente et lache de Vitellius, lui rappelle 
avec insistance Tillustration de son pere: il est beaucoup moins naturel 
que Tofficier de Plutarque la rappelle en termes aussi pr6cis k des 
camarades qui sont d6jä au courant, qui, pendant les semaines pr6c6dentes, 
ont souvent caus6 entreux de Vitellius et se sont dit tous ses titres. 
D'une faQon gönörale, cet orateur se donne trop Fair de rev61er Vitellius 
ä ses auditeurs, qui le connaissent aussi bien que lui. La conjecture ne 
nie d^plairait pas, que le döveloppement sur la pauATetö faisait aussi 
partie, dans la source, du discours de Valens, oü eile 6tait pr6sent6e ä 
Vitellius comme un 6]6ment de sa bonne renomm^e universelle. Le 
discours de Tofficier y ötait sans doute plus bref; il pouvait se röduire k 
ceci en substance: „La Solution adoptöe dans l'assembl^e est mauvaise: 
eile am^nera des complications et du d6sordre; il vaut bien mieux 61ire 
nous-mßmes empereur Vitellius qui r6side k une journ6e d'ici et qui nous 
est sympathique k tous". La phrase finale de Plutarque: 0fQSy rovrov 
cAo/ifi'ot Ssi^wfxev avt^gcinoig ttöoiVj mg ^IßrJQwv xal AvtSiravm' df.isivovc 
B(Siisv avroxQQtoga alqfXa^ai^ n'en provient pas n^cessairement, k part 
rid6e contenue dans rorror iXof^ifvoi, qui est la proposition meme du 
discours: le reste n'est qu'une banalit6 oratoire, dont Tinvention n'aurait 
pas cout^ grand peine k Plutarque et k laquelle on peut comparer, par 
exemple, dans le Vespasien de Su^tone^) cette r^flexion des soldats de 
Mesie songeant k faire eux aussi un empereur: j^Neque enim Jetei'iores 
esse aut Hispaniensi exercitti, qui Oalbam^ ant praeforiano, qui Othone^n, 
atit Germaniciano, qui Vitellium fecissent". 

Nous arrivons k la demarche du porte-aigle aupres de Vitellius. 
Tacite est niuet sur les drconstances de son depart. On voit dans 



1) If, '>9: (Vitellius arrive ä Lyon) ^nullo pritmimli parain, sed vetei'e egestate 
vonspicuns' . Comp. Suet., Vit., 7. Borenius recoiinait j)Our ce detail rindependaiice 
de Plutarcjue. II faiit la reconnaitre ou supposer contre tonte vraiseinblance (|ue 
le bioj^raphe a pu trouver Fiilee de ce developpeinent dans Hifft., 1, .'>2: ^Cmnifatem 
l)onitatentque faventes vocabant, quod sine modo, sine iudicio donaret siia ...;... 
ipm vitia pro virtutilms inietyretahantur^ . 

2) Vesp., 6. Borenius compare cette autre replique du meme lieu comuiuu' 
(t«/6., 10: ^dit*pUccre imperatorem in Hiapania factum'', qui se trouve dans le j»re- 
lendii luessage des insurges aux pretorieus. II eniet sans necessite Thypotliese 
(jue Suetone et Plutaniue ont imisi* a une source commune secondaire. 

21 



La lettre de Pompeius I^-opinquus ä Oalha. 63 

Plutarque qu'il partit en cachette, aprfes le conciliabule, ^) quand les avis 
6taient encore partag6s sur la conduite k tenir: Tavra rdov [niv ijSri 
TtQoaiBiiivixn'^ twr ä* öv 7iQ0(n€f.iiv(i)V eh vnt^eli^wv ürnnaio^oQog dnriyyBÜB 
t(p OvitslXlt^ ... La dÄmarche parait suffisaminent motivöe dans le r^cit 
de Tacite : tout ami de Vitellius avait sujet de penser que la nouvelle de 
la grave manifestation qui s'^tait produite ä rassemblee ne lui serait pas 
indifförente. Mais eile parait encore bien mieux niotiv6e dans le rtcit 
de Plutarque: le messager va lui annoncer, non-seulement que Galba a 
6t6 d6pos6, mais encore qu'il est question de T^lire lui-meme empereur. 
Ayant cru devoir omettre l'Äpisode du conciliabule, Tacite en est venu 
forc6ment k supprimer aussi cette partie du message r6el, et son porte- 
aigle „ Vitdlio nuntiat quartam et duetvkensimam legiones^ proiedis Oalbae 
imaginibus, in senatus ac populi Romani verba iurasse"^. Pour le surplus, 
sa Version ou bien Temporte en exactitude: le messager est Vaquilifer 
quartae legionis, il rejoint Vitellius in coloniam Ägrippinensem] ou bien 
ne le cfede pas k la version de Plutarque: le messager arrive wocfe, qtiae 
kalendas lanuarias secuta est; le Grec dit simplement vvxwg, ce qui 
revient au mSme puisque nous sommes avertis qu'il avait une seule 6tape 
k parcourir; Vitellius repoit la nouvelle k table, epulanti Vitellio, ic5 
OviteXXii^. . . €(Snwfih(üv noXXwv naqüim^, deux indications au fond äqui- 
valentes, car epulari est proprement banqueter, 

Ici Tacite reprend Tavantage et, malgr6 quelques fautes, il le gardera 
jusqu'au bout. La nouvelle repue, Vitellius dölibfere avec son entourage: 
il estime quHl ne doit pas s'inquiöter du serment au senat et au peuple, 
„id sacramentum inane visum"; il se rfeout k jouer la partie, „occuimri 
nutantem fortunam et offe^ri principem placuit^ .'^j M6me si le message 



1) Le porte-aigle, simple sous-officier, n'a pas assiste au conciliabule. II est 
Charge de cette mission de confiance par le legat de sa legion ou un autre de 
ses superieurs, qui lui procure le moyen d'aller eu poste. 

2) M. Groag, p. 747, croit apercevoir ici une contradictiou entre Tacite et 
Plutarque: ^Nach Tadtus^ Darstellung ging die Initiative zu Vitellius' Erhelmng von 
diesem seihst aus (I, 56), na>ch PlutarcTi von defi Offizieren des oherrheinischeti Heeres 
(Galb. 22); den Historien zufolge empfing Vitellius nur die Nachricht von dem Scku^tr, 
den zwei Legionen dem Senat und Volk geleistet hatten; aus dem Galba dagegen geht 
hervor j dass ihm auch die Kunde von seiner N&nnung zugekwnmen sein muss"". La 
seconde affirmation est inexacte: Vitellius a regu, d'apres Plutarque, la nouvelle que 
sa candidature avait ete posee, et non point qu'il avait ete elu. La premiere coii- 
fond deux choses bien distiuctes: d'apres Plutarque, un officier de Tarmee superieurc 
a propose a ses camarades d'elire Vitellius; d'äpres Tacite, Vitellius, renseignt^ 
sur la defection de cette armee, s'est decide a jouer la partie. Tout cela se coti- 
cilie le mieux du monde; les deux recits se completent et ne se contredisent en 
quoi que ce soit. — Avec offerri 11 faut suppleer fortunae. II y a ici une personni- 
ficatiou de la fortune analogue ä celle du eh. 52: ^Panderet modo sinum et venienti 
fortunae occurreret'^ . Vitellius s'offre comme caudidat, au propre et d'abord, a ses 
legions de Tarmee inferieure. — Borenius, p. 29, admet la contrudiction. 

22 



^^ FK^,iPf^ Fakvx, 

.. ^'/*, ^AT-nan* If^ ry,nn^ dl.^p»o»ainoaä de rarm^ *np**n«»ar^ ecver» 5a 
p«='r'»«.r.r.^. <'-';tf f»'.G:rH ifrs f:han«a äoni poar q::e la r«^voi:e ci^na-e Galba 
*i.-Mrr,^. k ^on pr'/^.t. f^r If^ dL-ipo^^inößj de sa propre arm«^ ne Iii s*>ct 
pa.^ 'Vi'-^vr^.j^,, MAi.i noa.^ ia comprenonü encore mieoi. si noo:« le ^a^ocs 
ir.f'.rrr.^ (^»f^ *a ^tan^iidarur*^ a d^ja ete poaee panni les infiLrz»^?- En^uire 
W ^6rr»rr. in!^^e !a noaveiie aax le^on^ soa.^ sea ordres. rarran^T^ani a sa 
ir.an^r^, ^>*t a dire j^o-^-J.-'iant le Dombre des revolte^ et taisant le 
^rrnent ao itenat ^ aa penple: ^Jlisn a Titdlio ad legumes l^gatoifque. 
^/Äi df^0iK-m^ a OaJJja mperir/renn exercüum nuntiarenf; il gjossit le» 
forft-^ a^^nf-IIfrft de rin-torreetioD- poar que les siens soient pins ardents a 
.^'7 raiii^r: il tait ia äolotion offieielleroent adoptee par \es insmves. p«)iir 
/jue 1^ äienü n'aient pas l'idee de s'en contenter. La sitnadon. teile 
r^ail la pre^ente. ne eomporte poar eax que deox attitades entre les- 
qo^ilf^ rh^«itation n'f^t d'aillears pas possible: ^iVotiufe aut beUandum 
adter$m de^cwxnfUetf' ^ eomme nagaere leä legions germaniqaes ont marehe 
rrontre V'index rebfdle k Xiron: mais alors ce seront ces memes lesions 
qui jiVntretaeront, apres avoir rainca ensemble les Gaoles et qaoiqae 
Xhuif-^ halrif^ent ^alement Galba: „aut fadendum imperatcrenr . adherer 
k la r/?volte contre Galba et. par coDseqaent. lai donner an saccesseor. 
Si r^ette Holotion lear agrte, le plas sar est de ne pas ehercher loin et 
lonf(tempH le noovel emperean de prendre toat de saite celai qu'ils ont 
ttooM la main: „£S^ minore dücritnine sumi principem quam qwieri'*'. 
Plutarqoe ne parle pas de la d^lib^ration et. qaant k la divnlgation da 
nu^ne^i^e^ il se bome k dire tr^ vagaement: Tov Si lo/ov dtarfBConog 
kU "fcc orgauvfiata. . • 

f>e mf^H.sage da pr^tendant panint d'abord an camp de la P legion 
quo commandait Fabius Valens, le principal instigatenr de VitelliusM: 
^J^oxima lef/ionis primae hiberna erani et promptissimtis e legaiis Fabius 
VaUrtis Ih die j/roximo coloniam Agrippinensem cum equitibus legionis 
auxiliariorumque inr/ressus imperatorein Vitellium consalutavit^*^. Ce 
p«rtHa^f! Horait dune pr^cision süffisante, si Tacite avait nomm6, ici ou 
plus baut, la Garnison de la I* 16^on, Bonna. Le passage correspondant 
de Plutarque a Tair d'en f»trc une traduction par k peu pres: „. . . nQwroc 
^Vd^iioi Ovdh^g^ rjys/xwv ivog ray^iarog^ r^ vatsgatif ^stä t/intmv avx^viv 
fhidag avxoxqdwqa tov OvirekXiov nQoceinsv^^. Cela revient k dire qu'en 
(•et ondroit Tacite a suivi de tres pres la source commune. Ne Ta-t-il 
paH abri^'^^e ensuite? II ne dit mot de la fa^on dont Vitellius se com- 
porta au nioment oii Valens et ses cavaliers le saluerent empereur, ni 
(Ich incidents qui purent marquer le reste de cette joum6e i Colonia. 
l'lutarque oppoH(^ Tattitude de Vitellius ce jour-lä ä celle qu'il avait eue 

1) Comp. I, .V2. 

23 



La lettre de Ponipeius F^opinqum ä OaJha. 65 

les jours pr6c6dents: 'O ds tag ixev £\i7xqo(S^BY rififgag idoxH Si(x>d^sT<f^ai 
xal dvadvead-at to (isyei^og t^? ^QX^^ (poßovfisvog — Tauteur original avait 
Sans doute plac6 la mSme remarque plus haut, lä oü il indiquait l'effet 
des exhortations de Valens, comme Tacite (I, 52): „Quatiebatur hü segne 
ingenium^ nt concupisceret magis quam ut speraret^^ — %&tB ii q>a<fw 
oXvov dianXioyv xai tQognjg ovxa (xetf'q^ßQivrjg ngoeX&eTv neu, vnaxovitai Fsq^ 
/j.m'Lxdv ovofxa ^sfiivojv avt(^, to Si KaUsaqog ov uQOtrSBl^dfJievov. En ce 
qui concerne l'acceptation ou le refus des nonis honorifiques, Plutarque 
se trompe certainement et anticipe: il rösulte avec 6vidence du r6cit 
ult^rieur de Tacite (I, 62) que la chose se passa quelque temps aprfes, le 
jour oü les deux corps d'armöe constituös sous le eommandement de 
Valens et de Caecina se mirent en marche pour Tltalie: ^^Instructi inten- 
tiqtie Signum profectionis exposcuntj nomine Oermanid Vitellio statim ad' 
dito; Caesarein se appellari etiam victor prohibuit^^,^) Au meme chapitre 
Tacite nous montre Vitellius, pendant que ses soldats faisaient avec une 
ardeur impatiente les pr^paratifs de Texp^dition, engourdi dans ses jouis- 
sances et oublieux de tout le reste: „Torpebat Vitellius et fortunam 
principatu^ inerti luxu ac prodigis epulis praesumebat^ medio diei temu- 
lentm et sagina g^-avis . . ." Ce qui aurait 6t6, d'aprfes Plutarque, l'ötat 
du prötendant au nioment de la salutation fut, d'aprfes Tacite, son 6tat 
habituel les jours suivants.^) Conime le Grec a certainement altM 
Toriginal sur Tautre point, nous avons le droit de penser que sur celui-ci 
encore la version du Romain est la bonne. Donc, en ce qui concerne 
Tattitude du nouvel enipereur, Plutarque ne nous fournit pas de quoi 
suppl6er au silcnce de Tacite; et si Tacite n'en parle point, c'est sans 
doute qu'il n'a rien trouv6 dans la source ou du moins rien d'int^ressant.^) 
Du temoignage de Plutarque peut-etre faut-il cependant retenir ce detail, 
que la salutation de Valens eut lieu au milieu du jour. Tel ötant le 

1) Dans ce passage, statim, que Borenius, p. 30, n. 2, me reproche d'avoir 
neclige (Leu smrces de Tacite, p. 19, n. 1) signilie evideinraeut que le surDoni de 
Germanicus fut confere par les soldats (et acceple par Vitellius) au moment meme 
du (lepart; celui de Cesar fut propose aussi alors, mais ne fut pas accepte statim. 
— Suetone commet une inexactitude un peu moins forte que celle de Plutarque: il 
place rincident des cognomina apres radhesion de l'armee superieure (Vit. 8). Sa 
Version ne saurait uon plus prevaloir contre celle de Tacite; car la phrase qui 
suit nous le montre de fagon manifeste alterant la Chronologie relative: Vitellius 
n'aurait constitue ses deux armees de marche qu'apres avoir appris la mort de 
Galba; or voy. Tacite, Hi^t., I, 64. 

2) Borenius, p. 29: ^PlutarchuSy cum depitigere gestiretj quo modo gravissimo illo 
temporis momento se gessisset Vitellius, neque apiid Tacitum hoc loco quicqziam de illo 
ipso inveniret, quae in alius sermanis contextu (I, 62) Tacitus tradideraty huc transtulit"' . 
Je m^approprie la remarque, en substituant a Tacite la source commune et en 
exduant l'hypothese d'une alteration voulue. 

3) Au contraire il raconte en detail la scene correspondante pour Otlion 
(1, 36) et Vespasien (II, 80). 

Beitrage z. alten Geitchichte IVi. 5 

24 



66 Philippe Fabia^ 

cas, on trouverait ä sa mention erronöe de Tivresse une explication assez 
naturelle: comme il a lu superficiellement Toriginal pour les 6v6nemeiits 
de Germanie post6rieurs k la proclamation de Vitellius, 6venements dont 
il ne voulait pas faire lui-meme le r6eit, il aurait par inadvertance mS16 
deux passages oii il 6tait question du milieu du jour, celui de la salutation 
et celui de l'ivresse habituelle. Quant aux faits qui se passferent k Cologne 
le 2 Jan vier aprös la dömarclie de Valens, Tacite les aura nögligfe k 
cause de leur insignifiance. La source les dötaillait, si du moins, comme 
je le crois,^) la narration de Suötone^) en est d6riv6e. Or, k lire cette 
narration, nous voyons que, pass6e la dömarche de Valens, ni Vitellius 
ni les autres ne firent ce jour lä rien de notable. Elle commence par une 
grosse inexactitude, puisqu'elle nous donne pour spontan6e et inopin^e 
la proclamation de Vitellius, qui ne fut, avons-nous vu, que la röponse 
des troupes k l'offre de leur g6n6ral: „Qtiare vixdnm merue transactOy 
neque diei neqtie temporis ratione habita^ ac iam vespere^ subito a militibtis 
e cuAiculo raptus^ ita ut erat^ in veste domestica, imperator est consalu- 
tatm ..." Au surplus, la scene ici diente n'est pas invraisemblable. 
Mais il ne faut sans doute pas Tidentifier avec la salutation de Valens. 
Vu la faible distance qui separait Colonia et Bonna,"^) meme si le message 
de Vitellius aux 16gions ne partit qu'ä Taube, Valens, qui fit k coup sur 
diligence, put aisöment avec ses cavaliers entrer k Colonia avant midi, 
il s'agirait donc d'une autre manifestation et d'autres soldats,'*) fantassins. 
par exemple, de la T' 16gion accourus sur les traces de la cavalerie. 
Quoi quMl en soit, cette seconde manifestation etait, relativement k la 
premiere, sans grande importance. Bien moins digne encore de memoire 
6tait la promenade triomphale qui la suivit, ^ciraitnlatusqtie per cele- 
berrimos vicos ..." Ou, si Ton veut, eile devait sembler teile k un 
historien comme Tacite.^) A plus forte raison devait-il d^daigner le 
retour au pretoire et ce feu de cheminee oü le h6ros de la fete voulut 
voir un heureux presage: „J5ono, inquit^ animo estote: nobis adluxit" ; 
les seules paroles, toujours d'aprös Suetone, qu'il ait adressees aux soldats: 
j^nullo sermone alio apud milites usus^. 

Si Tacite, comme je le crois, a oper6 ces suppressions, on ne saurait 
serieusement lui en faire grief. Et, de meme que la dömarche de Valens 
impliquait l'adhesion totale de la P 16gion, ainsi cette adhesion entrainait 
naturellemeut Celles des lögions de Vetera et de Novaesium. On congoit 
donc que Tacite, k supposer qu'il trouvät quelques d6tails dans la source, 
ait jug6 süffisante la mention tres breve: „Secutae ingenti certamine 



1) Voir Les sources de Tacite^ p. 130 et suiv. 

2) Vit 8. — 3) Environ 25 k. 

4) Coutrai reinen t k ropiuion de Boreuius, p. 30. 

5) Je souge surtout ä sa declaratiou bleu connue, Ann., XIII, 31. 

26 



La lettre de Pompeitis Bropinquus ä Oalba. 67 

eimdem provinciae legiones". Plutarque ne dit pas un mot de ce qui se 
fit k Tarmöe inf6rieure aprfes la döraarche de Valens. Mais il enregistre 
et appröcie le ralliement de rarmöe supörieure: EvSvg de xal ro fietd 
(Dldxxov (Stqatsv^ia roig xalovg ixeivovg xäi dri^oxQatixovg elg CvyxXtixov 
OQxovg dtpeineg mßotfav OvneXkCip t(^ avtoxQarooi noci^tfeiv to nQOtftattffOfievov. 
Suötone, plus vague sur le temps, enregistre le fait sans TapprScier: 
„Consentiente deinde etiam stiperioris provinciae exerdtu^ qui priiis a 
Oalba ad senatum defecerat ..." Tacite donne une date pr6cise et 
son apprÄciation offre avec celle de Plutarque une resserablance verbale 
frappante: „Et superior exercituSj speciosis senatus poptdique Romani 
nominibus relictis] iertium nonas lanuarias Vitellio accessit". Sur Tin- 
conv6nient de la pröcision chronologique dans cette phrase et celle qui 
la suit: „Scires illum pfiore biduo non penes rem publicam fuisse^^ ainsi 
que sur le sens de cette rSflexion, je renvoie k la premiäre partie de 
mon ätude. 



5* 
26 



68 



Arrians Periplus Ponti Euxini 

von Carl Patsch. 

Der Periplus Ponti Etuidni ist der Prügelknabe unter den kleinen 
Schriften Arrians, und doch verdient er etwas Liebe. Getadelt wird an 
ihm vor Allem die „sonderbare Reiseroute", die er verzeichne, und dies 
ist einer der beiden Hauptgründe, die C. G. Brandis^) bewogen haben, 
zwei Drittel des Werkchens für das „Machwerk" eines „gedankenlosen" 
Fälschers zu erklären. Die Route umfasse von Trapezus ausgehend erst 
(c. 1 — 11) den Küstenteil bis Dioskurias — Sebastopolis, dann (c. 12 — 16) 
„ohne alle Überleitung und Verbindung" die Strecke Thrakischer 
Bosporus — Trapezus und schliesslich (c. 17 — 25) den Norden und Westen 
des Pontus (Dioskurias — Taurien — Thrakischer Bosporus), wiewohl es „doch 
das Gegebene" war, den dritten Teil dem ersten anzufügen und erst dann 
den zweiten folgen zu lassen, „um wieder bei Trapezus zu endigen". 
Diese Erkenntnis ist so nahehegend, daß es schwer fällt, sie Arrian und 
noch mehr dem „Fälscher" des zweiten und dritten Teiles abzusprechen, 
der doch nach Brandis trotz seiner „Gedankenlosigkeit" eifrig bemüht 
war, Arrian zu kopieren, um seinen Zusatz als das Werk eines „be- 
rühmten Mannes" erscheinen zu lassen: er ahme Arrians Vorliebe für 
Xenophon und für mythologische Reminiszenzen nach; er rede gleich 
diesem Hadrian in der zweiten Person an; er erfinde den Hafenbau in 
Trapezunt, um ebenso wie Arrian von des Kaisers Verfügungen zu sprechen; 
kenntnisreich wisse der der byzantinischen Zeit angehörige Fälscher, um 
seinem Machwerke den zeitgenössischen Stempel aufzudrücken, den Tod 
des bosporanischen Königs Kotys und Hadrians Besuch des thrakischeu 
Bosporus einzuflechten. — Die naturgemäße Folge in der Küstenbeschreibung 
hat er jedoch außer Acht gelassen! Da wäre doch die Frage am Platze 
gewesen, ob er sein Spiel nicht auch hier geschickt getrieben habe, ob 
nicht er, sondern unsere handschriftliche Überlieferung an der un- 
organischen Aneinanderreihung der drei Teile schuld sei, ob nicht eine 
Versetzung von Blättern stattgefunden habe. 



1) Rhein. Museum LI (1896) S. 109 ff. 



Arrians Bsripltuf Ponti Euodni. 69 

Und in der Tat, man braucht nur die einfache Metathesis vorzu- 
nehmen, den dritten Teil zwischen den ersten und zweiten einzuschieben, 
um die Vermutung bestätigt zu sehen: er findet nach oben und nach 
unten unzweifelhaften Anschluß, die von Brandis vermißte „Überleitung 
und Verbindung". Der erste Satz des dritten Teiles (c. 17,1) lautet: %d 
Se and Tgane^oürtog iiaütriiiaia iiB%Qi JiotfxovQiddog nQoetQrjtai diä 
twv natafiwv dvocfxetQrji^evta, dl^Qoilovtai, Si and TgaTre^ovvtog ig Jvog- 
xovQvdday tf^v vvv Seßaatonokiv xa^ovfievriv, atddiot Sufxßi^ot Siaxoaiot, 
i^ijxovta. Der Autor verweist auf die Abstände der Orte zwischen 
Trapezus und Dioskurias, die er im Vorhergehenden durch Messungen 
(oder eher Abschätzungen) der Entfernungen der Flussmündungen ge- 
wonnen habe. Davon ist in dem jetzt Vorhergehenden nicht im geringsten 
die Rede, da die vorstehenden fünf Kapitel 12 — 16 die Strecke Thrak. 
Bosporus — Trapezunt behandeln, wohl aber am Ende des ersten Teiles, 
wo die genaue Aufzählung der Hußdistanzen zwischen Trapezunt und 
Dioskurias und die darauf basierte Ermittlung der Ortsentfemungen die 
c. 7, 8, 10 einnehmen und in c. 10, 4 sich die nämliche Gesamtsumme vor- 
findet: dno TQane^ovi'tog di ig Seßaatonohv i^tjxovra xdi Svaxotfioi xal 
dia%iXioi. Brandis hat S. 113 die obige Stelle als eine „völlig über- 
flüssige" Wiederholung der letzteren bezeichnet. Das kann sie isoliert 
beurteilt erscheinen; aber in den von uns vorgeschlagenen Zusammenhang 
gebracht, schließt sie sich dem letzten Kapitel (11) des ersten Teiles 
völlig verständlich an. Dieses ist ebensolchen die ganze Strecke 
Trapezus — Dioskurias betreffenden Zusammenfassungen gewidmet; es sind 
hier die bis jetzt gesichteten Gaue zusammengestellt und die Fahrt- 
richtungen bis Dioskurias zusammengefasst. Das letztere leitete zur Re- 
kapitulierung der Fahrtdauer. 

Und wie sich der Anfang des dritten Teiles dem Ende des ersten 
angliedert (c. 17 dem c. 11), so ergibt sich durch einfache Aneinander- 
reihung der Zusammenhang des Schlusses des dritten Teiles (c. 25) mit 
dem Anfange des zweiten (c. 12); dem Schlusssatze dort: idie fxiv xal %d 
dno lov BoönoQOv rov Kififiegiov inl BotSnoqov tov 0Q(fxiov xal noXiv 
Bv^dvttov entspricht der erste Satz hier: t« de dno BoanoQov tov QQifxiov 
Böte inl Tgane^ovvta nöXiv <LSe exßt^» 

Darnach bildete der Periplus ursprünglich ein wohl gefugtes Ganzes; 
erst in der Überlieferung sind seine Bauglieder ausgehoben und an un- 
richtigen Stellen versetzt worden. Damit fällt auch der eine Hauptgrund 
gegen die Autorschaft Arrians weg. Ebenso leicht ist es zu zeigen, daß 
auch der zweite nicht stichhaltig ist. 

Brandis erkennt die Fälschung vornehmlich auch daran, dass der 
zweite und dritte Teil keine Angaben über „römische Besatzungen und 
andere durch Rom beeinflußte Verhältnisse" enthalte, wiewohl sich im 



70 Carl Patsch, 

dritten Abschnitte dazu Gelegenheit bot, da Arrian „eingestandenermaßen 
die ümschiffung des Pontes von Sebastopolis an aus Anlaß des Todes 
des bosporanischen Königs Kotys unternahm", um Hadrian ein Substrat 
für eventuelle Maßnahmen in Bosporus zu liefern. Sie enthalten solche 
Angaben; diese werden jedoch von Brandis eliminiert, um die Instanz zu 
gewinnen. Sie beruht auf der Verkennung der Bedeutung des Periplas: 
er ist nicht der offizielle Bericht über Arrians Inspektionsreise, sondern 
ihre publizistische, nach überkommenem Muster zu einem Hafenbuche des 
ganzen Schwarzen Meeres erweiterte Ausnutzung. Ebenso ist auch die 
Tixvti taxtixrj die aus eigenen Erfahrungen und Aelians gleichnamiger 
Schrift zusammengestellte literarische Gefolgschaft eines amtlichen Rap- 
portes.^) Das Dienststück über seine Reise, den commentaritis,^) nennt 
Arrian tc' 'Pcojuaixa y^CjU/taTa und auf sie verweist er — was übersehen 
wurde — den Kaiser zweimal: sie enthielten den Gegenstand ganz oder 
ausführlicher, und rechtfertigten seine Anordnungen: c. 6, 2: xcii ijkd^ofiev 
TiQo t^g fA€(frjßßQlag (ftadiovg nXeiovg ri nevtaxooiovg ig ^'AipaQOv, YvansQ 
al mvte tSnetgaC eltfiv ÜQVfxivav. xal trjv fitö^oyfogav t^ azQmiq^ edmxa 
xal ta onXa eliov xal to relxog xal vqv tdg>QOv xal tovg xdfivovtag xäi 
rov (fitov vfjv naqaitxevrjv iijv ivovöav. ijvtiva de vneq avxfov iijv 
yvüifxfiv SifxoVj iv %oTg ^PmfialxoTg yqdfiiAaiSiv yiyQantai,. 

c. 10, 1: xal and %ov XoQievtog ig Xdißov norafAOv iöenXsvöafiev 
aXkovg ivevijxovtay Hvaneg xal wQfiCöx^rjfiiev. u)v de evexa, xal o(fa 
hvtavl^a ingd^afisv^ SrjXmöev coi %d ^Piofiaixä YQa/Afiata. 

Darin werden nun auch Arrians Wahrnehmungen in Bosporus ge- 
standen haben und darin war wohl auch noch ausführlicher motiviert, 
warum er über seine Amtssphäre hinaus nach der Krim gefahren ist. 
Brandis verlangt S. 124 nämlich vom Periplus, daß er auch den speziellen 
kaiserlichen Befehl enthalte, der den Legaten von Kappadokien er- 
mächtigte, „von Sebastopolis die Weiterreise nach dem Bosporus anzu- 
treten", da dieser „zur Machtsphäre des Statthalters von Untermösien ge- 
hörte". „Aus eigenen Stücken und eigener Initiative" habe Arrian es 
nicht tun können. Aus der Begründung der Weiterfahrt im Periplus 
c. 17, 3: ijtel de inv^ofiriv Kowv tereXevtrixei'ai, tov ßadiXia tov Botsnoqov 
tov KtfifxegCov xaXoviiivov, emfi6?Jg enovriadfjiriv xal tov iii%qi %ov BodnoQOV 
nlovv dtjXmifai <foi, wg, bX ti, ßovXtvoio ttbqI tov BotfnoQov, vndq%Bi coi xal 
tovÖB tov nXovv fi'q dyvoovvn ßovXBVBa9ai geht aber gerade unzweideutig 



1) Vgl. Förster, Hermes XII S. 426 ff.; Schwartz, Pauly-Wissowas JB. E. s. v. 
Arrianus Sp. 1233 f. Letzterer vermutet, daß auch die ^Alarixi „das litterarische 
Seitenstück zu dem offiziellen Bericht über die drohcDde Invasion und die zum 
Schutze der Provinzen getroffenen Maßregeln" war. 

2) Vgl. . . . tU mihi demonstrata commentario facto ab ipso sv/nt im Edicium 
Claudii de civitate Änatmorunif CIL. V 5050 = Dessau 206. 

3 



Arj'ians Bsriplus Fonti Euxini» 71 

hervor, daß er sie spontan unternommen hat. Man kann sich ohije viel 
Phantasie auf Grund dieser Notiz die Lage Arrians in Dioskurias recon- 
struieren. Es kommt dorthin aus dem nicht fernen Bosporus die Kunde 
von dem Ableben des Königs; bevor sie nach Rom direkt oder über Mösien 
gelangt, wird viel Zeit vergehen und ebenso wird viel Zeit vergehen, wenn 
auf einen Befehl von dort aus eine Prüfung der Situation in Bosporus 
vorgenommen wird. Da entschließt sich Arrian als die dermal nächste 
höhere Amtsperson ohne Verzug mit den Kriegsschiffen, mit denen er die 
Inspektionsreise bisjetzt gemacht hatte (s. u.), hinzufahren. Auf eine 
nicht unfreundliche Beurteilung der Eigenmächtigkeit von Seiten Hadrians 
konnte er hoffen, da der Kaiser auf die Orientierung über die Vorgänge 
im Reiche soviel hielt und er mit ihm, wie der ganze Periplus zeigt, 
freundschaftlich verkehrte, i) 

Dieser zweite Einwand gegen die Echtheit der zwei letzten Teile des 
Periplus hat auch ohne nähere Prüfung wenig werbende Kraft, weil sich 
Brandis, wie bereits bemerkt wurde, genötigt sah, eine Reihe von Notizen, 
welche „durch Rom beeinflußte Verhältnisse" betreffen, für Mystifikationen 
des Fälschers zu erklären. 

Am Ende des zweiten Teiles c. 16, 6 wird der im Baue begriffene 
Hafen von Trapezunt erwähnt: aTro Si ^Egi^Kovdaarjg ig Tgane^omfra 
ctddioi i^ijxorta, ivtavda (fv noiBig Xm^va' ndXav ydq^ oöov anodaXeveiv 
(ü^jic hovc, oQfiog r/v. Nach Brandis S. 122 f. ist der Hafenbau von dem 
Fälscher „entweder irrig von einer anderen Stadt nach Trapezus verlegt, 
oder frei erfunden worden", weil seiner nicht in c. 1 und 2, wo von der 
Stadt, ihren Bauten und Denkmalen ausführlicher die Rede ist, gedacht 
wird; weil der spätere Anonymus in seinem Periplus Ponti Euxini „bei 
Trapezus keinen Hafen verzeichnet, wiewohl er sonst ,,ganze Partien" aus 
Arrian „seinem Werke einfügt", und endlich weil sich „nirgendwo bei 
anderen Schriftstellern die geringste Spur eines in Trapezus erbauten 
Hafens" findet und auch bei neueren Reisenden keine „Andeutungen von 
Resten und Fundamenten" vorkommen. Diesem Räsonnement wollen wir, 
wiewohl mit dem Zusammensturze der beiden Hauptstützen der Hypothese 
Brandis' die Einzelbedenken hinfällig geworden sind, vorerst folgende 
Erwägungen entgegenhalten und fragen, ob die Nachricht, daß Hadrian 
in Trapezunt einen Hafen gebaut hat, nicht die größte innere Wahr- 
scheinlichkeit hat. 

Trapezus war damals nicht bloß ein wichtiges Handelsemporium, 
sondern auch der Kriegshafen des classis Pontica^) und „die Operations- 
basis für das kappadokische Truppenkorps, das einzige in ganz Klein- 



1) Über das Verhältnis Arrians zu Hadrian Tgl. Schwartz a. a. 0. Sp. 1234. 

2) Vgl. Fiebiger, Pauly Wissowas jK. E. s. v. clasns Sp. 2643. 



72 Carl Patsch, 

asien^); deswegen hat auch Arrian von hier aus mit Kriegsschiffen 2) die 
Inspektionsreise angetreten. Die Hafenverhältnisse befanden sich wie jetzt 
wieder in einem tristen Zustande. Sie lernt Hadrian, der gewaltige Bau- 
herr, der mächtige Förderer des Bauwesens in Kleinasien, 3) der überall 
im Reiche für die Schlagfertigkeit und Kriegstüchtigkeit der Wehrmacht 
umfassende Sorge trägt, bei seiner Anwesenheit in Trapezunt i. J. 124^) 
aus eigener Anschauung kennen. Ist es da nicht höchst wahrscheinlich, 
daß er auch hier eingegriffen und Wandel geschaffen hat?^) Talg fiiv 
(nokeaiv) v6mQ talg de Xifjiivag . . . diSovg sagt Dio 69, 5, 3 ausdrücklich 
von Hadrian. Wer berichtet uns, welche Städte die Hafenanlagen er- 
hielten?! Ist es da bei der Trümmerhaftigkeit unserer Überlieferung, die 
nur ab und zu in die großartige Tätigkeit der Kaiserzeit in den Provinzen 
einen Einblick gestattet, nicht zuviel verlangt, daß der Hafenbau in 
Trapezunt mehr als einmal belegt wird? Der AnonjTnus erwähnt ihn 
nicht, weil ihm bei der Kontamination seiner beiden Quellen 

Anonymus 36: Arrian 16, 5. 1, 1: 

*An6 ie ^EqiAVdrig elg noXiv *An6 de ^Egfimvaatfrig ig Tqa- 

Tqanel^ovvta, ivy oQfiog Xeyofievog ne^ovvta isxdiioi i^ijxovta' 
Jayvovg, ötddva J', fxUia rf. TqQ' evzavd^a (Sv noieXg ii^fieva' ndXai ydq, 
ne^ovg, n6Xi,g ^ElXtivlg^ 2tv(0'- oaov dnoüakeveiv Sgif etovg^ ogfxog 
Tiemv dnovxogy inl ^aXdtftfri ijv . . . ^Eg Tqanelovvra ijxofxev, 
(pkiiffievrj. TtoXiv 'EXXtjvida, wg Xiyei o 

Sevotpm' ixetvogj inl ^aXacay 
(yxvafiievriv, £i,vmnimv dnoixov. 
die den Namen des Hafens bietende Angabe des unbekannten Autors ge- 
eigneter erschienen haben mag als die persönlich gehaltene Notiz des Arrian; 
er übergeht auch seine sonstigen Detailbemerkungen über Trapezunt. 

Warum Arrian die Nachricht von dem Hafenbaue seines Kaisers an 
der von Brandis gerügten Stelle bringt? Auch dafür kann man, wenn 
bei Arrian schon zu Beginn seiner Schriftstellcrei Alles vorbedacht sein 
muß,^) eine annehmbare Erklärung finden: er wollte den Periphis mit 

1) Mommsen, Böm. Geschichte V» S. 306. 

2) Daß es ärarische Fahrzeuge waren, zeigt die eingehende Darstelhing des 
Unfalles, der eines der Schiffe betroffen hat c. 5, 2: . . . amatai^n /uit^iot nat^a, 
ov ra Unitt fAovov xat ia <nttvtj ru yavuxa xai oi av&qomo^, nXla xat oi ^Ao», xai 6 xtjQoS 
am^vaS-ij, coc fAtjdiyoS äXXov 9 ^Xtoy dilcfka$ ynvntiyticifjtoiy h T^y xaracxiv^y, iy nnfxnollfi^ 
oii olc^Of atf'&oyia itnly xtna i6y nomov, 

3) Vgl. Dürr, Die Reisen des Kaisers Hadrian S. 50 ff. 61. 

4) Dürr a. a. 0. S. 52. 

5) Die Hafenanlagen kann man sicli durcli die Flotte selbst ausgeführt 
denken; sind doch Marinetruppen, wie die Inschrift CIL. VllI 2728 vom Baue des 
Tunnels in Saldae (Mauretanien) bezeugt, aucli zu anderen Bauten verwandt 
worden. 

6) Über „die ehrliche Ungeschicklichkeit des dilettierenden Beamten" vgl. 
Schwartz a. a. 0. Sp. 1233. 



Arrians Rriplns Ponti Exini. 73 

einer Großtat Hadrians schließen, wie er ihn auch mit dessen Anwesenheit 
in Trapezunt begonnen hatte: xal tr;v &dXM(fav %tjv rov Ev^eivov ißiievoi 
xatelSofiev o^BvnsQ xai Sevoym xci av. 

Von den Hafenanlagen erwähnen moderne Reisende keine Reste. 
Nehmen wir an, ihre Untersuchungen sind eingehend genug gewesen. 
Können aber die Substruktionen nicht in den Bauten des hiesigen 
komnenischen Kaiserreiches, der Genuesen und Venetianer verschwunden 
sein? Trapezunt, die „Pforte zum inneren Asien", war stets ein volk- 
reicher Ort,^) und an Punkten steter Besiedlung schwindet bekanntlich 
die Hinterlassenschaft älterer Generationen am schnellsten und gründ- 
lichsten. Von dem benachbarten Amisus (Samsun) sind auch nur geringe 
Überreste vorhanden. 

Ebensowenig wie den Hafenbau in Trapezunt will Brandis^) die bei 
unserer geringen Kenntnis der römischen Vergangenheit Tauriens schätzens- 
werte Nachricht c. 19, 3 f.: ivS^ivde ig Gevdoaiav nohv iq'qiiriv atdöioi 
OY^ofjxovta x(u SvaxodiOL. xal avrrj rrcdaia lyv "^EkXäg noXig '/wvtxiy', 
Midi^iimv anovxocj xal idvijfir} iativ avT^g iv noXXötg yQd/.ii.iaatr, ir^evde 
ic Xifieva ^xvdotavgwv eQfjfiov (fncSioi Siax6(fioi, daß Thoodosia zur Zeit 
der Umschiffung der Halbinsel durch Arrian i. J. 131 in Trümmern lag, 
von diesem Autor herrühren laßen, weil die Stadt nach Ammian 22, 8, 36: 
sunt autem qxmedam per Taurkam civiiates^ inter quas eminet Eupatoria 
et Dandace^ et Theodosia et minores aliae nullis humanis hostiis inpiatae 
i. J. 362 von größerer Bedeutung war. Ist es nicht möglich, daß Theodosia 
sie im Laufe der mehr als zweihundert Jahre erst wieder erlangt hat? 
Gibt es nicht Beispiele in Fülle, daß durch die Natur begünstigte Terri- 
torien und Städte, wie es Theodosia in reichem Maße war — es verfügte 
über einen ausgezeichneten Hafen und ein gesegnetes Hinterland,^) — aus 
Verödung und Trümmern durch Rückkehr der Geretteten und Neubesiedlung 
in weit kürzerer P>ist wieder erstanden sind? Dakien hat nach der Ver- 
wüstung unter Marcaurel seit Septimius Severus wieder geblüht. Was 
ist aus Byzanz, das Septimius Severus zu einer xiofxrj der Perinthier ge- 
macht hatte, geworden? Theodosia selbst hat auch später einen solchen 
Wandel erfahren: nach den Fährnissen der Völkerverschiebungen gelangt 
die Stadt als Kaffa seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wieder 
zu außerordentlicher Bedeutung.^) 

1) Fallmerayer, Geschichte mn Trapezunt S. 31,8 und Fragmente aus detn Orient^, 
S. 33 ff.; Heyd, Geschichte des LevanteJiandels im Mittelalter I S. 50 ff., U S. 05 ff., 
1201., 360 f. 

2) S. 117 f. 

3) Strabo 7, 4, 4. Vgl. Neumann, Die Helleneti im Skythenlande I S. 468; 
V. Stern, Bemerkungen zur Topographie und Geschichte des taurischen Chersonesos. 
Bettlers Zeitschnft für alte Geschichte 1900 S. 63 ff. 

4) Vgl. Ueyd a. a. 0. II S. 159 ff., 368 f. 

6 



74 Carl FMsch, 

Am Nordgestade des Schwarzen Meeres wird es am Ende des ersten 
und zu Beginn des zweiten Jahrhunderts infolge der Abberufung der 
römischen Truppen aus den südrussischen Garnisonen i) nicht an Vor- 
kommnissen gefehlt haben, welche die Zerstörung Theodosias herbeigeführt 
haben können. Unter Nero wäre ohne rechtzeitiges Eingreifen des Ti. 
Plautius Silvanus Chersones den Skythen zum Opfer gefallen. 2) Bei 
unserer Stadt ist m. E. weniger an einen Einfall von Norden her oder au 
einen Überfall durch die eingesessenen Stämme zu denken, denn es war 
damals, wie die beanstandete Stelle lehrt, auch ein Nachbarhafen der 
Autochthonen zerstört worden, als vielmehr, da es sich um Küstenplätze 
handelt, an eine Tat der Piraten, denen im Pontus trotz der pontischen 
und mösischen Flotte niemals das Handwerk gelegt werden konnte.^) 
Ptolemaeus — Strabo 7, 4, 4 und Plinius n. h, 4, 86 kommen für diese 
Zeit nicht in Betracht — konnte, vorausgesetzt, daß er nicht auch hier 
einer älteren Vorlage folgte, Theodosia 3, 6, 3 trotzdem anführen, da es 
ja ungeachtet der Zerstörung auf der Landkarte und in der Geschichte 
existierte. 

Dieselbe wohl etwas unhistorische Argumentation wendet Brandis 
S. 119 ff. wie gegen die eben besprochene auch gegen die Notiz c. 18, 3 
an: ivO^hSe ig'Axavovvra atdäioi fJijxoiT«, o(fn€Q fiota/xog Siogi^ev ZiX%ovg 
xal Jmavlyag. ZiX%(ov ßatSiXsvg 2taxB(.iq)a^' xal ovtog nagd dov r^i» ßacfi- 
keiav B(fx^> Auch gegen sie führt er zeitlich sehr entfernte Nachrichten, 
die Notitia dignitatum und Prokop, dessen Abhängigkeit von Arrian er 
nicht anerkennt,^) ins Feld. Ich glaube, daß es nach den bisherigen 
Ausführungen nicht notwendig ist, auf sie einzugehen, ebenso wie auf 
das Bedenken S. 113 5., ob sich Arrian wie sonst z. B. in seiner ,^Ordre 
de bataille^ ,_^) der ''Exta^ic xa%' 'AXaviüv c. 10,^) auch im Periplm. in 
dem Xenophon „oft genug" ^) zitiert wird und der Vertraulichkeit zwischen 
Kaiser und Statthalter atmet, Xenophon, hier speziell indirekt Ssvoipwv 
vioQ nennen konnte.^) Ich möchte nur noch zweierlei fragen: erstens 
ob die „dürre Aufzählung von Orten und ihren gegenseitigen Entfernungen 
meist in Sätzen ohne Verbum", die Brandis wiederholt als dem zweiten 
und dritten Teile spezifisch eigen, Arrians unwürdig hervorhebt, nicht auch 
im ersten Teile vorkommt. Das c. 7 schätzt Brandis S. 109 selbst als 
„eine etwas trockene Aufzählung der Flüße" ein. Sind darin die Sätze 



1) Vgl. Rostowzew, Beiträge zur alten Geschichte II S. 87 f. 

2) von Doraaszewski, Wiein, Museum 1892 S. 207 ff. 

3) Mommsen a. a. 0. S. 220 fr., 292. 

4) Vgl. Jung, Wiener Studien V S. 100. 
ö) Mommsen, Hermes XXII S. 550. 

6) Diese Stelle hat Brandis nicht berücksichtigt. 

7) Brandis S. 114. 

8) Über sein Xenophonspielen vgl. Schwartz a. a. 0. Sp. 1234. 



Arrians Periplus Fonti Euxini. 75 

xai dno tovtov tQldxo^'%a "AüxovQog aXXoc noraiioc^ xal 'ASirivog rtg dm 
tov 'AffxovQOv H^rjxovra' iv^^Ss ig 'Jx^ijvag dySotjxoina xai ixatov . . . 
xai dno tov nv^ixov eg "ÄQxaßtv äXXoi ireimjxovra, dno de ^Aqxdßiog ig 
Aipagov i^TJxovra nicht auch ohne Verbum und entbehren auch sie nicht 
„der Frische'*? Im zweiten und dritten Teile überwiegen diese öden An- 
einanderreihungen, weil Arrian, was naturgemäß ist, nach Lösung der 
sich selbst gestellten Aufgabe von der Krim direkt nach Trapezus zurück- 
gekehrt ist und für die Beschreibung der Westhälfte des Pontus. die er 
in seinem Opus, damit es nicht allzuklein ausfiele, nicht missen wollte, 
fremde Notierungen, als Grundstock ältere Periplen, ^) benutzt hat. Daraus 
erklärt es sich auch, daß die zu seiner Provinz gehörige Küstenstrecke 
westlich von Trapezus bis zum Vorgebirge Ankon nur „dürftige Angaben'* 
(Brandis S. 111) bietet. Eine Art seiner Quellen, die ihm leicht zugänglich 
sein konnten, da ihm die classis Pontica unterstand, deutet Arrian c. 23, 3 
selbst an: TdSe fACv vn€Q tijg njaov njg tov ^AxMmg dxorjv dviyqaxpa 
xoyv 'q avtciv nqoödxovraiv i] aXXoiv nsnvtfi^ievwv' xai fioi Soxel ovx anasta 
eivab. 

An diese Stelle und an c. 19, 3: vijg di kifxvr}g tf^g MaiwiiSog nk-qi-^ 
nXovg iv xvxkcjf keyeiai (ftaSiwv di^Ltpl xovg evaxiax^Xiovg schließt die zweite 
und letzte Frage an. Ist diese vorsichtige, die Unsicherheit der Angaben 
nicht verbergende Ausdrucksweise die eines Fälschers, dessen Absicht 
Betrug und Irreführung ist, der zu diesem Behufe eigene Erfindungen 
als sichere Tatsachen hinstellt? 



1) Vgl. Schwartz a. a. 0. Sp. 1232 f. 



76 



Der Endtermin der Gallischen Statthalterschaft Caesars. 

Von Otto Hlrsehfeld« 

Die Frage nach der zeitlichen Begrenzung der Statthalterschaft Caesars 
in Gallien ist in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts in einer 
Reihe von Schriften eingehend behandelt worden, um dann, wie es oft 
bei wissenschaftlichen Problemen geschieht, von der Tagesordnung abge- 
setzt zu werden, ohne daß es gelungen wäre, eine Einigung zu erzielen. 
Und in der Tat sind die hierbei in Betracht kommenden Zeugnisse zwar 
zahlreich, aber sie stehen untereinander in einem anscheinend unlösbaren 
Widerspruch, wie das bei einer Rechtsfrage, die zum Bruch zwischen Caesar 
und Pompeius und zum Zusammenbrach der römischen Republik den Anlaß 
gegeben hat, eigentlich nicht Wunder nehmen kann. Erat enim obscuritas 
quaedam, erat certamen inter clarissimos dtices^ sagt selbst Cicero in einer, 
allerdings mehrere Jahre nach der Entscheidung und zudem an Caesar 
gerichteteten Rede^) und diese Dunkelheit lagert noch heute über der Frage, 
ob Caesar, ob Pompeius in ihren Forderungen und Handlungen im Recht 
gewesen sind. 

So wenig verlockend es auch ist, in einer Debatte das Wort zu er- 
greifen, in der fast stets der Vorgänger von seinem Nachfolger heftig be- 
kämpft und vielfach auch widerlegt worden ist, so glaube ich doch mit 
der eigenen, schon vor langen Jahren gefaßten Ansicht nicht zurückhalten 
zu sollen, da sie die Widersprüche zu lösen geeignet scheint und jedenfalls 
den Vorzug der Einfachheit für sich in Anspruch nehmen darf. 

Zur Orientierung über die Streitfrage bedarf es nur weniger Worte. 
Durch ein von dem Volkstribunen P. Vatinius in Caesars Konsulats- 
jahr durchgebrachtes Plebiscit war diesem die Statthalterschaft im cisalpi- 
nischen Gallien nebst Illyricum auf fünf Jahre verliehen worden, wozu 
der Senat durch seinen Beschluß noch das transalpinische Gallien: 
die Narbonensis gefügt hatte. Im April des Jahres 56 v. Chr. war sodann 
auf der Zusammenkunft der Triumvirn in Luca bestimmt und durch ein 
Gesetz der Konsuln des J. 55 Pompeius und Crassus sanktioniert worden, 
daß Caesars Statthalterschaft verlängert werden solle. Die Frage ist nun, 



1) Pro Marcello c. 10; an der Echtheit der Rede ist gewiß nicht zu zweifeln. 

1 



Der Endtermin der Oallischen Statthalterschaft Caesars. 77 

welcher Termin für Ablauf dieser Prorogation in dem Gesetz festgesetzt 
worden ist. Die antike Überlieferung ist fast einstimmig in der Behauptung, 
Caesars Statthalterschaft sei um 5 Jahre verlängert worden. Aber bereits 
ein Schriftsteller des Altertums, Cassius Dio, hat gegen diese Behauptung 
Protest erhoben, und, wie sich herausstellen wird, nicht ohne Grund. 

Daß durch das Vatinische Gesetz Caesar die Statthalterschaft des 
cisalpinischen Gallien auf fünf Jahre erhalten hat, ist sicher überliefert 
und wird von niemand angezweifelt. Ob ihm auch das transalpinische 
vom Senat auf den gleichen Zeitraum verliehen wurde oder, wie jetzt meist 
angenommen wird, auf unbestimmte Zeit bis auf Widerruf, i) ist für unsere 
Frage gleichgültig, da die Verlängerung später ohne Zweifel in gleicher 
Weise auf alle Provinzen erstreckt worden ist. 

Die an Caesar durch das Vatinische Gesetz übertragene Statthalter- 
schaft erreichte ihr Ende, wie jetzt fast allgemein anerkannt wird,?) am 
1. März des J. 54. Darüber lassen Ciceros Worte in der Rede de provincits 
consularibus c. 15 keinen Zweifel: es seien, sagt er, zwei Anträge gestellt 
worden, nämlich einen der Konsuln des J. 55 als Nachfolger Caesars 
entweder nach Gallia citerior oder nach Gallia ulterior zu senden. Im 
ersteren Fall respektiere der Antragsteller das allerdings widerrechtlich 
zustande gekommene Vatinische Gesetz durch die Bestimmung, daß der 
Konsul nicht vor dem 1. März nach Ablauf seines Konsulats, also im 
J. 54 die Provinz betreten dürfe: legem^ quam non putat^ eam quoqxte 
servat; p-aefinit enim sticcessori diem; fuerit toto in considatti sine provincia 
. . Jantiario^ Fehruario 2>rovinciam no7i hahebit; Kalendis ei denique Martiis 
nascetur repente provincia. Da aber Caesar durch das Vatinische Gesetz 
die Provinz auf fünf Jahre erhalten hatte, so scheint der Anfangstermin 
vom 1. März an gerechnet sein, was insofern allerdings befremdend ist, 
als Caesar dann bereits 10 Monate in seinem Konsulatsjahr die Statthalter- 
schaft besessen hat, während er doch erst Ende März des folgenden Jahres 
Rom verließ, um sie wirklich anzutreten. Wahrscheinlich hat er jedoch 
die Absicht gehabt oder doch die Möglichkeit sich offen gelassen, bereits 
im Laufe seines Konsulatsjahres nach Gallien zu gehen, ebenso wie Crassus 
vor Ablauf seines zweiten Konsulats nach der ihm übertragenen Provinz 
Syrien gezogen ist.**^) Warum der Beginn bezw. das Ende des Kommandos 

1) Dieser Ansicht sind z. B. Lauge: Mm. Alierth. 3 S. 291; Nissen: Der 
Ausbruch des Bürgerkriegs 49 v. Chr. in der Histor. Zeitschrift N. F. 46, 1881, S. 5C; 
Herzog: R Staatsverfassung 1 S. 553, während Drumann a S. 218 den Senat eben- 
falls seine Bewilligung auf 5 Jahre machen laßt. Beweisend sind die Belegstellen 
nach keiner Seite. 

2) Vgl. Fr. Rofmsiün: De origine civilis Caemriani {Berlin 1857) S. Iff. Drumann III 
S. 240 rechnet die Statthalterschaft vom 1. Januar 58 bis zum letzten Dezember 54. 

3) Einige ähnliche Fälle aus der letzten Zelt der Republik stellt Mommsen: 
jfDie Rechtsfrage zwischen Caesar und dem Senat"' (Breslau 1857) S. 30 zusammen; 
vgl. Holzapfel in den Beiträgen z. alt. Gesch. III 227 A. 1. 

2 



78 Otto Hirschfeld, 

gerade auf den ersten März angesetzt wurde, ist nicht sicher. Zumpt^) 
will dies durch die Annahme erklären, daß das Vatinische Gesetz kurz 
vor diesem Termin durchgebracht worden sei ; doch kann die Einbringung 
des Gesetzes erst nach dem Tode des Metellus Celer, des bisherigen In- 
habers von Gallia cisalpina, und demgemäß erst nach der von ihm noch 
kurz vorher beschworenen lex agraria erfolgt sein. 2) Mommsen erklärt 
den Termin durch das mit dem I.März beginnende Iniperienjahr, dessen 
Fortdauer er bis in die spätere Kaiserzeit nachzuweisen versucht hat;*^) 
aber die von ihm dafür beigebrachten Zeugnisse sind, wie er selbst still- 
schweigend anerkannt hat,^) nicht beweisend. Für unsere Untersuchung 
kommt nur in Betracht, daß der Endtermin der an Caesar durch das 
Vatinische Gesetz verliehenen Statthalterschaft feststeht. 

Schwieriger ist die Beantwortung der Frage, bis zu welchem Termin 
Caesars Kommando, gemäß den in Luca gefaßten Beschlüssen, durch die 
lex Pompeia Licinia verlängert worden ist. Ich habe bereits bemerkt, daß 
Dio gegen die übereinstimmenden Angaben der antiken Historiker, welche 
die Verlängerung auf fünf Jahre ansetzen,^) Einspruch erhoben hat; Pom- 
peius und Crassus, sagt er 39, 33, hätten als Konsuln den Beschluß er- 
wirkt: cotfre T>}v Y^yBiAOviav xai exetv(p rqia etr^ nXelm, wg ys mkrj&lg evgUfxetaVj 
firjxvvai. Dementsprechend läßt er den Antonius in der Leichenrede auf 
Caesar sagen (44, 43), dieser habe 8 Jahre hintereinander das Kommando 
ausgeübt.^) Offenbar hat Dio demnach Wert darauf gelegt, seine von der 
gewöhnlichen Annahme abweichende Begrenzung zur Geltung zu bringen; 
jedoch erhellt aus dem Zusatz: äg ye tdXtj^eg BvQiaxstat deutlich, daß er 



1) Studia Bomana S. 74 und 82. — Lange, R. Alterth. 3 S. 291 meint, daß 
der 1. März gewählt sei, um die Wiederverleihung der Provinz an einen anderen 
zu erschweren, da nach der lex Cornelia de proviuciis sowohl Konsuln als Prätoreu 
die Provinzen mit dem 1. Januar, der auf ihr Amtsjahr folgt, zu übernehmen hatten. 

2) Lange, Ä. Alt 3» S. 286 und 290; auch Dies Bericht (38, 7—8) läßt über 
die Reihenfolge der Gesetze keinen Zweifel. 

3) Hechts frage S. 22flf. 

4) Mommsen hat diese Tiieorie in seinem Staatsrecht zwar nicht ausdrücklich 
fallen gelassen, aber ihr auch keine Stelle eingeräumt (vgl. auch I S. 611 A. 2): 
Kiuspruch hat gegen sie Zumpt a. a. 0. S. 1851! erhoben. 

5) Aus der Angabe der Perioche des 108^«" Buches des Livius: ciim is lege 
lata in tempus camulatus provindas obtinere deberet, hat man geschlossen, daß 
Livius die Verlängerung bis zum letzten Dezember 49 erstreckt wissen wollte 
Doch machen die vorangehenden Worte: agente in senatu M, Marceüo cos. ut Caesar 
ad petitionem cansulatus veniret sehr wahrscheinlich, daß Livius auch in dem fol- 
genden nicht den Antritt des Konsulats, sondern die Wahl dazu verstanden hat, 
und die lex lata nicht auf die lex Pömpeia Licinia, sondern auf das Dispensations- 
gesetz der 10 Tribunen sich bezieht. Der Epitomator hat hier, wie so oft, in dem 
Streben nach Kürze den Sinn verdunkelt. 

6) Daher erklärt Dio 40, 59, daß die Zeit von Caesars Statthalterschaft im 
J. 50 {tvf^vg T^ vaiiQtfi m») abgelaufen sein würde. 

3 



Der Endtemnn der OaUischen Statthalterschaft Caesars. 79 

dabei nicht einer Überlieferung, sondern seinem eigenen Raisonnement 
gefolgt ist. 

Die Ansichten der neueren Forscher gehen weit auseinander; Dru- 
mann (III S. 240 und 283) betrachtet mit Rücksicht auf die Livianische 
Perioche (oben S. 78 A. 5) den letzten Dezember 49 als den Endtermin. 
Den ersten März 49 suchte PViedrich Hofmann in der obengenannten Ab- 
handlung als solchen zu erweisen; er nimmt an (S. 18 f[. und 30ff.), Caesar 
habe sich bereits für dieses Jahr um das Konsulat bewerben wollen und 
sei durch die Intriguen seiner Gegner gezwungen worden, seine Bewerbung 
um ein Jahr zu verschieben. Die letztere Behauptung hat Mommsen in 
seiner unmittelbar darauf erschienenen Abhandlung: „Die Rechtsfrage 
zwischen Caesar und deni SenaV^ (Breslau 1857) widerlegt;^) jedoch 
stimmt er Hofmann betreffs des Endtermins zu und diese Ansicht haben 
die meisten Gelehrten, die sich nach ihm mit dieser Frage beschäftigt 
haben, wie Peter, Lange, Nissen, Müller, Ihne^) Niese, Herzog zu der 
ihrigen gemacht, so daß sie heute als die in Deutschland herrschende 
bezeichnet werden kann. Dagegen nimmt Zumpt in seinen Studia Rornana 
(S. 81 ff. und 188 ff.) den 13. November 50 als Endtermin an, weil 
Pompeius zu diesem Tage Caesars Abberufung gefordert habe; er sucht 
das Datum durch die Annahme zu erklären, daß die lex Pompeia 
Licinia an diesem Tage erlassen worden sei und dieses außerordentliche 
Kommando mit dem Tage der Übertragung begonnen habe: eine Ansicht, 
die sich, wie mit Recht bemerkt worden ist,*^) schon dadurch als irrig 
erweist, daß am 13. November, als einem P^esttage, überhaupt nicht 
Comitien abgehalten werden konnten. Auch Napoleon hat, obschon er 



1) Die Äußerung des Caelius im Oktober 51 (ad fam. VIII, 8, 9): iam ut video 
altcram utram ad condicionem descendere mit Caesar, ut aui maneat neque hoc anno 
»ua ratio habeatur, aut, « designari poterit, decedat ist freilich niclit dafür geltend 
zu machen, denn hoc anno ist nicht mit Mommsen S. 53 A. 138 und Zumpt a. a. 
0. S. 177 auf das J. 49, sondern unzweifelhaft, wie es auch Hofmann S. 30 tut. 
auf das J. 50 zu beziehen. Caelius'' Vermutung, daß Caesar eventuell sich dazu 
verstehen würde, schon im J. 50 seine Provinz zu verlassen, um sich tur das 
Jahr 49 um das Konsulat zu bewerben, womit Pompeius sicher einverstanden 
gewesen wäre, war freilich durchaus irrig. — Auch mein Freund Carl Bardt, dem 
diese Ausfuhrungen vor der Dinicklegung vorgelegen haben, erklärt die Worte hie annus 
von dem Jahr, in das der Tag hineinfallt, an dem der Brief geschrieben ist, so 
daß die nächsten Konsulwahlen, etwa Juli 50, in dieses Jahr fielen, und bezieht 
auf die Absicht, Caesar das Konsulat für 49 zu verschaffen, also vor Ablauf des 
gesetzmäßigen zehnjährigen Intervalls, die Worte Caesars 6. c. I 32: docet se nullum 
extraordinarium honorem appetissCj sed expectato legitim o tempore consulatus 
eo fuisse contentum, qvod omnibus civibus pateret, 

2) Der allerdings in seiner Rom. Gesch. 6 S. 530fg mit Rücksicht auf die 
Livianische Perioche das Kommando Caesars von Pompeius (I) bis zum Schluß 
ges J. 49 verlängern läßt. 

3) Lange, R. Alierih. III S. 389. 



HO Otto Hirdthfdd, 

sa|(t: ^) ä nffire anis le prf>fpfi$etir Zumpt ed le setd qui ait echiird rette 
fpiOftion^ «ich »finer Meinung nicht angesc'hloi>.seD: freilieh ist seine eiseoe 
Ansicht, daß Caei^ar» Konnulat als erstes Jahr des Prokonsnlats gezahlt worden 
and daher sein Imperiam mit dem letzten Dezember des J. 50 abgelaufen 
.sei. wohl die unmöglichste von allen. Endlieh hat Gniraad'-) den Nachweis 
zu führen versacht, daß der Antritt der Statthalterschaft durch Caesar, wie 
seitens der Statthalter Oberhaupt, von dem Termin des Eintreffens des Statt- 
halters in seiner Provinz gerechnet worden sei. d. h. also von Ende März 5^. 
demnach die ersten 5 Jahre Ende März 53 al^elaufen seien: die Ver- 
längerung sei dann, wie Dio angiebt. auf drei Jahre, also bis Ende Marz 
50 erfolgt. Den Anspruch länger in der Provinz zu bleiben, habe Caesar 
lediglich auf das ihm durch Plebiscit bewilligte Recht gestützt, sich ab- 
wesend um das Konsulat bewerben zu dürfen. 

Sehen wir von den Ansichten modemer Gelehrter, wie auch von den 
Angaben der Historiker der römischen Kaiserzeit ab und prüfen wir die 
für die Zeit des Untergangs der Republik so bedeutsamen Hinweise in Ciceros 
Briefen und Reden, so ergibt sich ein auffallender Widerspruch zu der in der 
römischen Kaiserzeit wie in unserer Zeit verbreiteten Ansicht, daß die Ver- 
längerung von Caesars Kommando auf fünf Jahre, also bis zum 1. März 
49 erfolgt sei. In den letzten Tagen des J. 50 macht Cicero seinen 
(iefühlen in einer Apostrophiening Caesars Luft in einem Briefe an 
Atticus (Vll. 9, 4) mit folgenden, für die Öffentlichkeit nicht bestimmten 
und daher als unverdächtiges Zeugnis zu verwertenden Worten : quid im- 
pudentius ? tenuisti provinciam per decem annos^^) non tibi a senatu^ sed 
a te ipso per vitn et j)ei* fadioneni datos; praeteriit tetnpns non legie^ 
sed libidinis tuae; fac tarnen legis; tU succederetur decernitur; impedis 
et ais: „habe meam rationem"; habe nostrum; tu habeas diutins quam 
populus iussitj invito senatu?^) Unter dem allerdings von Cicero nicht 
als gültig anerkannten Gesetz ist die lex Ponipeia lAcinia gemeint: aber 
selbst nach ihr. sagt Cicero, sei Caesars Statthalterschaft damals, also 
Kiido des J. 50, bereits abgelaufen gewesen. Ganz übereinstimmend da- 
mit hatte (Jicero wenige Tage vorher an Atticus geschrieben (VII, 7. (5): 
quid ergo? ejercHns retine^itis^ cum legis dies transierit^ rationem habeii 
jdarel? Wenn aber Cicero in der zweiten Philippica (11 24) der Wahrheit 
wonig entsprechend behauptet, er habe dem Pompeius von zweierlei ab- 

1) Vie de Ci^sar II 472 A. 1. 

2) Paul Guiraud, Le äifferend enire CYmr et le sinat. Paris 1878. 

8) Seit dem Erfaß des Vatinischen Gesetzes bis zum Ende des J. 50, zu 
welcher Zeit Caesar iiocli in seiner Provinz war, fehlen nur wenige Monate au 
JO .fahren. 

4) Dazu stimmt fast wörtlich eine Äußerung Ciceros an Tiro aus jener Zeit 
(ad tarn. XVI, 11: 12. Jan. 49): trat adhiw impudetm, qui cjccrcilum et pronnciatti 
invito »enatu tvnerct. 



Der Endtermin der Oalli sehen Statthalterschaft Caesars. 81 

geraten: nnum ne quinqnennii Imperium Caesari prorogaret^ alterum ne 
pateretur fefri, ut absentis eitis ratio haberetur, so ist es durchaus irrig, 
das qiiinquennium auf die Veriängerungsfrist zu beziehen, sondern es geht 
sowohl aus diesen Worten selbst, als auch aus den unmittelbar folgenden : 
qtiorum si titrumvis persuasissem^ in has miserias numquam incidissemus 
unzweideutig hervor, daß unter dem quinquennium die an Caesar durch 
das Vatinische Gesetz auf fünf Jahre verliehene Statthalterschaft zu ver- 
stehen ist. 

Aus den oben angeführten Worten Ciceros geht also sicher hervor, 
daß er Caesars Statthalterschaft bereits am Ende des J. 50 als gesetzlich 
erloschen ansah, ^) was mit einer Verlängerung derselben auf fünf Jahre 
durch die lex Pompeia Licinia unvereinbar ist. 

Wie hat sich nun Pompeius, dessen Interpretation des von ihm selbst 
eingebrachten Pompeisch-Licinischen Gesetzes am meisten ins Gewicht 
fallen muß, zu dieser Rechtsfrage gestellt? Darüber geben die Briefe 
des Caelius an Cicero unzweideutige Auskunft. Bereits am 2. September 
des J. 51 schreibt Caelius (ad fam. Vm, 9, 5): Pompeius tuus aperte [non 
vidi] Caesarein et provinciam tenere cum exercitu et consul[em 
designari].^) Ipse tarnen hanc sententiam dixit, nulliim hoc tempore 
senatusconsultum faciendum. Deutlicher noch drückt sich Caelius Anfang 
Oktober 51 in einem Briefe an Cicero (VIU, 8, 4) aus: m,tiltis diehus ex- 
jyectatione OaUiarum actum nihil est; aliquando tarnen, saepe re dilata 
et graviter acta et plane perspecta Cn. Pompei twluntate in eam partem, 
ut cum decedere post Kalendas Martins placeret, sc, qiiod tibi 7nisi, 
factum est; in dem Senatuskonsult war bestimmt, daß L. Paulus und 
C. Marcellus, die Konsuln des J. 50. cum magistratum inissent, ex 
Kalendis Martiis, quae in suo magistratu futurae essent, de consularibus 
provinciis ad senatum referrent neve quid prius ex Kalefidis Martiis 
ad senatum referrent. Am Ende desselben Briefes schreibt Caelius: illa 
praeterea Cn. Pompei sunt animadversa, quae maxime confidentiam 
aftulerunt hominihus, ut diceret se ante Kalendas Martias non posse 
sine iniuria de provinciis Caesar is statuerej post Kalendas Martias se 
non duhitaturum. Nach dem eben mitgeteiltem Wortlaute des Senatus- 
konsults ist jeder Zweifel daran ausgeschlossen, daß hier überall der 
1. März des Jahres 50, nicht des Jahres 49 zu verstehen ist. In der 
Tat hat Marcellus am 1 . März des J. 50 beantragt, den Nachfolger Caesars 
für Gallien zu bestellen, doch scheiterte dieser Antrag an der Forderung 



1) Dieselbe Anscliauung tritt bei Appian b. c. II 28 hervor, wo es zum J. 50 heißt: 
701; KaiüagoS ovx anoMot^iog niy nQX^'^ ^^*^^ ^^ ^^ ytyo/itafifytp xgoyüt, während 
er zelin Kapitel vorher (c. 18) der landläufigen Überlieferung folgt; wahrschein- 
licli geht die erste Stelle auf Asinius Pollio zurück. 

2) Die Ergänzung }ion imlt röhrt von Lambinus her, der esse für dedgnari 
einsetzen wollte; vgl. jedoch das S. 82 über ad fam. VIII, 11, 3 gesagte. 

Beitrage z. alU-u tJoscliiclite IVi, 6 



1 



«2 Otto Hirschfeld, 

des Tribunen Cnrio. daß dann auch Pompeins auf seine Statthalterschaft 
verzichten müsse. Etwa Anfang Mai desselben Jahres schreibt Caelius 
an Cicero (ad fam. VÜI. 11, 3): in unam causam oninis contentio eonieeta 
est de provinciis: in quam adhuc incubtdsse cum senatu Pompeius 
videfur, nt Caesar Id. Xov, decedaf: Curio amnia potius suhire constituit 
quam id pafi . . . scaena rei totius haec: Pompeius, tatnquam Caesarem 
fion impugnet, sed. quod Uli aequum putet, constituat, ait Cnrionem 
quaerere discordias, valde autem non vult et plane tiniet Caesarem 
consulem designari prius quam exercifum et provinciam tradiderit. 
Unzweifelhaft handelt es sich hier um die Erstreekung des Kommandos 
bis zum 13. November des J. 50. nicht, wie jetzt meist nach Mommsens 
Vorgang^) angenommen wird, um den 13. November des J. 49, was, 
abgesehen davon, daß Caelius. wenn er das folgende Jahr meinte, dies 
unbedingt hätte angeben müssen, schon aus dem verzweifelten Widerstand 
Curios gegen diese Absicht (omnia potius constituit quam id pati) ersicht- 
lich ist. während die Belassung Caesars in Gallien bis zum November 49 
eine so ungeheure Konzession gewesen wäre, daß weder er noch seine 
Freunde an eine solche denken konnten und auch wohl nie daran gedacht 
haben. Auch die letzten Worte, daß Pompeius unter keinen Umständen 
dulden wolle, daß Caesar vor Niederlegung der Statthalterschaft zum 
Konsul designiert werde, was im Juli 49 zu erfolgen hatte, lassen darüber 
keinen Zweifel. Daher haben auch die neuesten Herausgeber der Briefe 2) die 
überlieferte Lesung: cos. desig. mit einem Kreuz versehen und dafür consulem 
fieri oder ähnliches einsetzen wollen. Pompeius und die mit ihm gehende 
Senatsmajorität konnte aber sehr wohl die Erstreckung des Termins bis 
zum 13. November 50 als eine billige Massregel gegen Caesar {quod Uli 
aequum putet) ansehen oder doch dafür ausgeben, da Marcellus und andere 
erbitterte Feinde Caesars ihm bereits Anfang März des J. 50 einen Nach- 
folger zu senden entschlossen waren. 

Der Grund, weshalb man trotz alledem diese Angabe auf das J. 49 
bezogen hat. liegt auf der Hand: denn wenn in der Tat. wie gemeinhin 
angenommen wird, die Statthalterschaft Caesars durch die lex Pompeia 
Licinia bis zum 1. März 49 erstreckt war, so konnte Pompeius unmöglich 
die Abberufung Caesars 3^/.^ Monate vor Ablauf dieser durch das von ihm 
selbst eingebrachte Gesetz gewährleisteten Frist als eine Rücksicht gegen 
Caesar bezeichnen. Wir werden aber aus diesem Widerspruch viel- 
mehr den Schluss ziehen müssen, dass jene Annahme eine irrige ist, der 
1 . März 49 also nicht als Endtermin der Statthalterschaft Caesars in dem 
(lesetz genannt gewesen sein kann. 

Auf dasselbe Ergebnis führt eine Angabe des Hirtius, also gleichfalls 
eines gleichzeitigen und dem Caesar fast gleichwertigen Zeugen. Im 

1) Rechtsfrage, S. 53 A. 138. 

2) Mendelssohn und C. F. W. Müller. 



Der Endtermin der Oallischen Staithalterschaft Caesars. 83 

Bellum OalUcum VIII c. 39 berichtet er, daß Caesar selbst zur Belagerung von 
Uxellodunum im J. 51 erschienen sei, um so rasch als möglich die Aquitanische 
Erhebung niederzuschlagen : cum omnibus Oallis nottim esse sciret reliquam 
esse unam aestafem sitae provinciae^ quam si sustinere potuissentj nullum 
ultra periculum vererentur. Die Worte unam aestatem werden meist auf 
den nächsten Sommer, also des Jahres 50 bezogen;^) aber es kann, wie 
mir Bar dt bemerkt, kein Zweifel sein, dass unam im Sinne von 
„dieser eine" zu nehmen und auf den Sommer des Jahres 51 zu beziehen 
ist. Denn wie sollte Caesars persönliches Erscheinen vor Uxellodunum 
daraus erklärt werden, daß er nur noch den Sommer des nächsten Jahres 
das Kommando haben werde? Offenbar könne es nur heißen: wenn Uxel- 
lodunum noch diesen Sommer sich hält (unam aestatem . . . quam si 
sustinere potuissent)^ kann Caesar den Krieg nicht beendigen, denn im 
Laufe des Winters, der zur Kriegführung untauglich ist, läuft sein Kom- 
mando ab. Demnach biete Hirtius, aus dem Caesar spricht, ein vollgültiges 
Zeugnis dafür, daß Caesars Kommando nicht nur vor dem 1. März 49, 
sondern sogar bereits vor dem Frühling des Jahres 50, wie in Gallien 
allgemein bekannt war, abgelaufen war. 

Welches war nun der in dem Pompeisch-Licinischen Gesetz für 
Caesars Abberufung festgesetzte Termin? Denn daß sich ein solcher 
darin befand, ist an und für sich nicht zu bezweifeln, 2) und es wäre ja 
auch sonst der ganze Streit im Senat über die Zulässigkeit der Abberufung 
und vor allem wäre die Haltung des Pompeius unverständlich. Die Lösung 
der Frage gibt die bereits oben herangezogene Äußerung des Pompeius: se 
ante Kai. Martias non posse sine iniuria de provinciis Caesaris statuere, 
post Kai. Martias se non dubitaturum. Aus diesen Worten folgt, wie 
Mommsen"^) erkannt hat, daß ,, hier eine besondere Klausel des Pompeisch- 
Licinischen Gesetzes im Wege gestanden zu haben scheine, welche wahr- 
scheinhch dem Senat untersagte, über die Wiederbesetzung der gallischen 
Statthalterschaft vor dem 1. März 704=50 zu debattieren". Daher be- 
zeichnet Hirtius (b. G. VUI 53) den im Jahre 51 von dem Konsul 
M. Mareellus gegen den Willen des Pompeius an den Senat gebrachten 
Antrag auf Wiederbesetzung der gallischen Statthalterschaft als vorzeitig 
und gegen das Gesetz verstoßend: contra legem Pompei et Crassi retulerat 
ante tempus de Caesaris provinciis,^) wie denn auch der Erklärung des 



1) Kraner-Dittenberger z. d. St.: Mommsen, Rechtsfrage, S. 44: ^es zeugt 
für die guten Verbindungen, die seine gallischen Gegner in Rom unterhielten, 
dass sie Caesar zum letzten Male im Sommer 704 gegenüber zu stehen meinten"; 
etwas zweifelhafter, aber doch in demselben Sinne, äußert sich Hofmann, a. a. 0. 

2) Vgl. auch ad Aft. VII, 7, 6: exercifum retinentis, cum legis dies ira^sierit. 

3) Rechtsfrage, S. 51; R.-Gesch., lll^ S. 365. 

4) Cicero ad Atf. Vlll,3, 3: (Pompeius) M. Marcello consuli finienti provincias 
Ualiias Kalendariim Martiannn die resfifif ; Sueton. Caesar c. 28: M. Claudius 

6* 

8 



84 Otto Hirichfdd, 

Pompeins entsprechend der 1. März 50 durch Senatsbeschloß als Termin 
des Besetznn^santrages festgestellt worden ist. Aber nicht nur eine 
Klausel in dem Pompeisch-Licinischen Gesetz ist dies gewesen, sondern 
meiner Überzeugung nach die einzige darin getroffene Bestimmung über 
die Dauer der Caesarischen Statthaherschaft. Denn nur unter dieser 
Voraussetzung, aber dann auch vollständig, erklären sich die anscheinenden 
Widersprüche zwischen der Forderung der Radikalen. Caesar sofort nach 
dem 1. März 50 abzuberufen, nebst dem vermittelnden, angeblich der Billig- 
keit Rechnung tragenden Antrage des Pompeius. ihn noch bis zum 
13. November dieses Jahres in der Provinz zu belassen, und andererseits dem 
Ansprüche Caesars, bis zum Antritt seines ihm wohl bereits in Luca zugesicher- 
ten zweiten Konsulates, d. h. bis zum 1. Januar 48 1), die Statthalterschaft 
und das Heer zu behalten. Denn zur Zeit der Zusammenkunft von Luca 
und der Durchbringung des Pompeisch-Licinischen Gesetzes war bekannt- 
lich die Besetzung der Provinzen gemäß der lex Sempronia des C. Gracchus 
in der Weise geregelt, daß der Senat die an Konsulare zu vergebenden 
Provinzen vor der Wahl der für sie in Aussicht genommenen Konsuln 
bestimmte, da aber seit Sulla die Konsuln erst nach Ablauf ihres Kon- 
sulates in die Provinz zu gehen pflegten,^) so mussten diese Provinzen 
mindestehs P/.2 Jahre vor Antritt der Statthalterschaften als konsula- 
rische erklärt werden. Wenn also vor dem 1 . März 50 über die Besetzung 
der Gallischen Provinzen nicht verhandelt werden durfte, so konnten sie. 
wie Mommsen (a. a. 0.. S. 43 und 46) dargelegt hat, nach dem gesetzHch 
festgestellten Usus nur an die im J. 49 fungierenden Konsuln übertragen 
werden, und Caesars Nachfolger konnte nicht vor Beginn des J. 48 in Gallien 
eintreffen, Caesar also bis zum Antritt seines zweiten Konsulats ungestört 
in seiner Statthalterschaft bleiben. Daher ließ sich Caesar durch ein 
mit Unterstützung des Pompeius^) von den 10 Tribunen durchgebrachtes 
Plebiszit die Erlaubnis erteilen, sich abwesend um das Konsulat zu be- 
werben. Aber Caesar hatte nicht mit der Möglichkeit gerechnet, daß 
seine Feinde, mit denen Pompeius jetzt verbündet war. das Staatsrecht re- 
formieren würden, um ihm den anscheinend gesicherten Besitz zu ent- 
reißen. Auf ihr Betreiben wurde bereits im J. 53 ein Senatsbeschluß 
gefaßt und ein Jahr darauf von Pompeius ein denselben bestätigendes 

MarcellnJi C07isul . .v. rettulit ad senatum, %it ei »uccederetur ante tempus, quoniam 
hello confecto pax esset ac dimitti debet'et Victor exe^'citus. 

1) Dass Caesar nach den Sullanischeu Bestimmuugen über die lulervallieruDg 
der Konsulate das zweite nicht vor diesem Jahre bekleiden konnte, hebt Mommsen 
a. a. 0. S. 38 mit Recht hervor; s. oben S. 79, A. 1. 

2) Daß Ausnahmen davon vorgekommen sind, berechtigt nicht, wie es 
Ad. Nissen, Beiträge zum r<m. Staatsi-echt, S. 118, tut, die Regel zu leugnen; 
vgl. Willems, Le senat II, S. 578 ft*. 

3) Cicero ad Att. VIII, 3, 3: (Pom])eius) contendit, ut dex'em tribuni yl. ferrent, 
ut absentis ratio haheretwr, 

9 



Der Endtermin der Gallischen Statthalterschaft Caesars. 85 

Gesetz durchgebracht, i) daß die Konsuln und Prätoren frühestens 5 Jahre 
nach Ablauf ihres Amtes in die Provinz gehen sollten, für die Übergangs- 
zeit aber auf diejenigen zurückzugreifen sei, die nach Bekleidung 
dieser Ämter keine Provinz erhalten hätten. Betreffs der zweiten, offen- 
kundig gegen Caesar gerichteten Bestimmung, daß Niemand sich abwesend 
um das Konsulat bewerben dürfe, ist zwar nachträglich Caesars Remon- 
stration stattgegeben worden; 2) aber infolge der ersteren konnte Caesars 
Statthalterschaft nun sofort nach dem 1. März 50 besetzt werden 3) und 
zwar ohne daß die Caesar durch das Pompeisch-Licinische Gesetz gemachte 
Zusicherung, nicht vor diesem Termin über seine Provinzen zu verhandeln, 
dem Buchstaben noch verletzt worden wäre. Damit hat auch Pompeius sein 
Gewissen beruhigt, ja sogar Caesar eine Gunst zu erweisen geglaubt oder 
doch diesen Glauben geheuchelt, wenn er ihm noch bis zum 13. November 50 
eine Gnadenfrist gewährte: daß aber Curio oder vielmehr Caesar eine 
solche Gunst, die ihm nicht die geringste Entschädigung für die ihm 
hinterlistig zugefügte Verkürzung bot. mit Entrüstung von sich wies, kann 
nicht Wunder nehmen. 

Unter diesen Umständen konnte Caesar seinen Anspruch auf Fort- 
führung des Kommandos nur noch auf das Plebiszit stützen, das ihm die 
Bewerbung um das Konsulat vor Ablauf seines Kommandos*) gestattete, 
während seine Gegner natürlich in Abrede stellten, daß damit zugleich 
seine Statthalterschaft bis zu diesem Termin erstreckt worden sei.^) Aber 
selbst wenn sie ihm dies Zugeständnis'gemacht hätten, so wäre er doch vom 
Juli 49, zu welcher Zeit die Konsularwahlen stattzufinden pflegten, bis zum 
Ende des Jahres ohne Heer und damit seinen Feinden ausgeliefert gewesen. 
In der That hat Caesar selbst anerkannt, daß er nur bis zum Juh 49 
gesetzlichen Anspruch auf das Kommando erheben konnte^) und sich 

1) Die Ansicht Drumamrs, IIl, S. 263, der Mornmsen.S7.-i;. II, S. 241, bei- 
pflichtet, daß die Worte Dio's 40,.56 zum J. 52: i6 ?* doy/ua io /mxgoy f/jngoai^t 
ytvofif'woi^^ aiff?* rov? KQ^nyini if jtj noim fdij 7fQOTf(foy ii rag f|ü> tjyhftoviag^ n^ty niyu 
htj mt^tk^tly^ xktjQova&fti, fmxvQwaty sich nicht auf ein Gesetz, sondern auf einen 
zweiten Senatsbeschluü beziehen, kann ich nicht teilen und daher auch nicht den 
Konsul des J. .31 M. Marcellus für den Urheber dieses Gesetzes halten. 

2) Ich lialte auch jetzt an der im Hermes 24, S. 104 vorgeschlagenen Ände- 
rung bei Sueton. Caesar c. 28 fest; quando lege (für nee) plehiscito Potnpeiiis postea 
ohrogasset; die von Jernstedt, ibid. S. 478, versuchte Erklärung ist mir ganz un- 
verständlich. 

3) Betreffs des Verfahrens bei diesen Besetzungen in den ersten Jahren nach 
der neuen Regelung vgl. Mommseu, St.-R. 11, S. 248 fg. 

4) Sueton. Caesar c. 26: egit cum tnbunis plehis . , . ad 2xypuluyyi ferrent ut 
alfsenfi sihi, quandoque imperü fenqrus expleri coepissef peiitio secundi consulaius daretur. 

5) Allerdings schreibt Cicero in Würdigung der tatsächlichen Lage (ad 
Att. VII, 7, 6): exercitum refinentis cum legis die^ transierit, rationem haberi phcet? 
Mihi vero ne ahsentis quideni, sed cum id datum estj illud una datum est, 

6) Caesar &. c. 1, 9: doluisse se, quod papuli Bomani b€nefici[um] sibi per coniu- 
meliam ab inirnicis extorqueretur erejHoque semoistri imperio in urbetn retraheretur^ cuius 

10 



86 Otto Hirschfeld, 

wenigstens den Anschein gegeben, als ob er bereit gewesen wäre, zu 
diesem Termin seine Statthalterschaft niederzulegen ; i) daß er damit Ernst 
gemacht haben würde, ist freilich kaum anzunehmen. 

Nach Durchbringung der neuen Provinzialordnung des Pompeius 
war also die Abberufung Caesars sofort nach dem 1. März 50 gesetzlich 
zulässig. Vielleicht erklärt sich so die oben (S. 78) mitgeteilte Angabe 
Dio's, die er nach angestellter Prüfung als der Wahrheit entsprechend 
bezeichnen zu können glaubt, daß die Statthalterschaft Caesars nur um 
drei Jahre verlängert und ihm im ganzen auf 8 Jahre verheben worden 
sei, indem er dieselbe mit dem 1. März 58 (statt 59) beginnen und mit 
dem 1. März 50 zu Ende gehen Hess. Doch mag er auch einer anderen, 
jedenfalls irrigen Rechnung gefolgt sein. 

Daß dagegen die übrigen Historiker der Kaiserzeit die Dauer der 
Prorogation des Caesarischen Kommandos auf fünf Jahre angesetzt haben, 
ist sehr begreiflich. Einerseits war dies dadurch nahe gelegt, daß das 
Vatinische Gesetz diese Zeitdauer für die Gallische Statthalterschaft fest- 
gesetzt hatte; andererseits schien diese Befristung deshalb selbstverständlich, 
weil Pompeius und Crassus sich Spanien und Syrien auf fünf Jahre in 
Luca ausbedungen und im J. 55 durch das Trebonische Gesetz erhalten 
hatten. Schliesslich führte auch die tatsächliche Dauer von Caesars 
Statthalterschaft auf diese Annahme, insbesondere da Caesar behauptete, 
um einige Monate in dem ihm gesetzhch gewährleisteten Kommando ver- 
kürzt worden zu sein. Wie aber auch die Historiker der Kaiserzeit ihre 
Rechnung angestellt haben mögen, so können ihre Angaben gegenüber 
den unzweideutigen Zeugnissen des Pompeius, Cicero und Hirtius nicht in 
die Wagschale fallen. 

Es bleibt noch die Frage zu beantworten, w^arum gerade der 1. März 
als frühester Termin für die Berichterstattung im Senate bestimmt worden 
ist und warum Caesar nicht in Luca die Forderung gestellt hat, dass 
ihm das Kommando um 5 Jahre verlängert werde. Das erstere erklärt 
sich einerseits wohl daraus, daß der 1. März der Anfangstermin von 
Caesars Statthalterschaft war, andererseits daraus, dass die prätorischen 
Provinzen in der Regel bereits in den beiden ersten Monaten des Jahres 
festgestellt wurden, -) während für die konsularischen ein längerer Spielraum, 
d. h. bis zur Designation der Konsuln gegeben war.^) Demnach war durch 

dbsentis rationem haheyi. proximis comitiis [popiilus UiSHtmet, Fälschlich hezlehen Uine, 
Rom, Gesch. 6, S. 531, A. 6 und Andere diese Worte auf die letzten 6 Monate des 
Jahres; sie gelien offenbar auf die erste Hälfte des J. 49. 

1) Mommsen, Rechts fra^ey S. 56, A. 147. 

2) Vgl. die von Uofmann, a. a, 0., S. 136 zitierten Stellen und Mommsen, 
a. a. 0., S. 82. 

3) Mommsen, a. a. 0., S. 49; daß es, wie er sagt, „gewöhnlich war, im 
Januar und Februar über die konsularisclien und prätorisclien Provinzen zusammen- 
fassend zu beraten'', sclieint mir durch die angefülnleu Beispiele nicht erwiesen. 

11 



Der Endtermin der Gallischen Statthalterschaft Caesars. 87 

die Festsetzung des ersten März als frühesten Verhandlungstermin über die 
Vergebung von Gallien diese Provinz als konsularische in sichere Aus- 
sicht genommen. 

Daß endlich Caesar diesen Präklusivtermin einer festen Prolongation 
auf 5 Jahre vorgezogen hat, kann nicht Wunder nehmen. Denn er 
musste sich scheuen, nochmals ein fünfjähriges Kommando zur Be- 
endigung des Gallischen Krieges als notwendig zu beanspruchen, während 
bei dem gewählten Modus der Anschein erweckt wurde, daß er schon 
früher seine Mission als beendet erklären würde. Sodann aber mochten 
auch Pompeius und Crassus Bedenken tragen, Caesars Statthalterschaft 
ausdrücklich bis zum 1. März 49 zu verlängern, während das ihnen für 
Spanien und Syrien gegebene Kommando bereits im J. 50 ihr Ende er- 
reichen sollte. Caesar dagegen befand sich bei dieser Fassung in der 
günstigen Lage, selbst für eine über das Jahr 49 hinausgehende Führung 
des Kommandos keines neuen Volksbeschlusses zu bedürfen, wenn es ihm 
nur gelang, zu verhindern, daß seine Abberufung im Senate zur Verhandlung 
käme und beschlossen würde. Vor allem aber durfte er mit aller Bestimmt- 
heit nach den für die Besetzung der Provinzen gültigen Vorschriften darauf 
rechnen, bei dieser Abmachung sein Kommando bis zur Übernahme seines 
Konsulats am 1. Januar 48 zu behalten. In dieser Zuversicht ist er ge- 
täuscht worden : der Buchstabe des Gesetzes war in diesem über die Zukunft 
des römischen Reichs entscheidenden Streit für Pompeius und seine Hinter- 
männer, aber das Recht der Billigkeit auf Seiten Caesars. 



12 



88 



Nochmals das Monumentum Ancyranum 

von Ernst Komemann. 

Ulrich Wilcken hat vor kurzem im Hermes 38, 1903, S. 618—628 
zu meinen Ausführungen über das Monumentum Ancyranum in dieser 
Zeitschrift U. 1902, S. 141—162 und lü, 1903, S. 74—84 Stellung ge- 
nommen. Er steht mit mir fest auf dem Boden des Mommsenschen 
Zweifels an dem überlieferten Abfassungsdatum und bekennt sich durch- 
aus zu der von mir vertretenen Grundanschauung von dem successiven 
Wachsen des Ganzen. Auch hält er die von mir zuerst aufgestellte Be- 
hauptung, ,,daß Augustus nach dem Jahre 6 nach Chr. an der Denkschrift 
nicht mehr geschrieben habe," für richtig oder doch für sehr wahrschein- 
lich. Wenn er trotz dieser und anderer Übereinstimmungen mein Resultat 
,,in der Hauptsache für verfehlt" erklärt, so hat er sich meiner Ansicht 
nach hier etwas im Ausdruck vergriffen^). Ich hatte seinerzeit das 
Wort zu der Sache genommen, weil die Auffassung Mommsens sowohl 
durch Nachgeben seitens des Altmeisters selbst wie durch die immer 
wieder von neuem einsetzende Unterminierarbeit der Verfechter der un- 
glücklichen Grabschriftstheorie allmählich aus der Diskussion zu ver- 
schwinden begann. Es freut mich nun, daß ein so anerkannter Forscher 
wie Wilcken auf derselben Linie mit mir kämpft, und ich suche im 
folgenden die Verschiedenheit meiner Position ihm gegenüber nicht wie 
einem Gegner, sondern wie einem dissentierenden Bundesgenossen gegen- 
über zu verteidigen. 

Über die Tatsache, wie gesagt, „daß Augustus durch viele Jahre 
hindurch an der Vervollständigung des ursprünglichen Entwurfs gearbeitet 
habe", sind wir einig, nur das 'Wie des allmählichen Wachsens des 
Dokumentes steht noch zur Erörterung. Um kurz und präzis die Unter- 
schiede unseres beiderseitigen Standpunktes zu skizzieren: ich ging davon 
aus, daß das Schriftstück nicht den Eindruck mache, als ob es aus einem 
Gusse gearbeitet sei (II 145) und suchte c. 1 — 13 nebst c. 34 als den 



1) Ebenso geht W. zu weit, weun er S. 620 sagt, mein Gebäude beruhe „auf 
rein subjektiven und sachlich unwahrscheinlichen Voraussetzungen." 



Nochmals das Monumentum Äncyranum. 89 

ersten Entwurf des Ganzen — verfaßt ums Jahr 12 v. Chr. — zu er- 
weisen, in den zunächst (etwa 4 vor Chr.) der Abschnitt von den 
impensae (15 — 24), endlich (nach dem Jahre 2 vor Chr.) der dritte Ab- 
schnitt von den Kriegstaten (25 — 33) sowie c. 35 ein- bezw. angefügt 
wurde, worauf dann das Ganze im Anfang des Jahres 6 nach Chr. 
noch einmal und zwar zum letztenmal von Augustus' Hand überarbeitet 
wurde. Nach Wilcken dagegen ist das Dokument als Ganzes mit seinen 
deutlich unterscheidbaren und aufeinander berechneten drei Teilen von 
vornherein — vor 5 vor Chr. (S. 624), vielleicht sogar vor 8 vor Chr. 
(S. 628), zu einer im übrigen aber nicht mehr genauer bestimmbaren Zeit — 
entworfen und später nur noch durch Einzelnachträge in allen drei Ab- 
schnitten bis zum Jahre 6 nach Chr. vervollständigt worden. Bei ihm 
ist das Schriftstück demnach schon im ersten Entwurf, wenn auch natur- 
gemäss viel kürzer, so doch in der Hauptsache in der Gestalt, in der 
wir es heute besitzen, vorhanden und zwar trotz der Dreiteilung so „zu 
einer Einheit" verschmolzen, daß er „eine hohe Kunst" des Verfassers 
darin finden möchte (S. 620 f.). Wir unterscheiden uns also einmal in 
dem Umfang, den wir dem ersten Entwurf des Augustus zu teil 
werden lassen und dann in der Bewertung des Ganzen hinsichtlich des 
Aufbaues. Wo W. Einheitlichkeit und eine Dreiteilung mit wohl- 
berechneter Beziehung der Glieder aufeinander sieht, entdecke ich unver- 
mittelte Übergänge und Widersprüche, die ich durch ein zeitliches Nach- 
einander in der Entstehung der einzelnen Abschnitte zu erklären suche. 

Es sind hauptsächlich zwei Argumente, wodurch W. für seine Ansicht 
den „direkten Beweis" erbringen zu können glaubt: 

1) der Hinweis (S. 622—624) auf eine Stelle von c. 15, wo Augustus 
nach Aufzählung der der stadtrömischen plebs vom Jahre 44 — 12 vor Chr. 
gespendeten congiaria bei dem Geschenk des Jahres 5 vor Chr. (3, 15 f.) 
plötzlich nach Denaren rechnet, während er vorher die Summen in 
Sesterzen angegeben hat. weiter von der plebs urbana spricht, während 
er sie im vorhergehenden Satz plebs Bomana genannt hat, endlich in 
der Datierung den Genitiv tribtmidae potestaiis gebraucht, während drei 
Zeilen vorher der Ablativ in der gleichen Formel steht. Den Hauptnach- 
druck legt W. naturgemäß auf den Wechsel in der Rechnung und schliesst, 
da er einen sachlichen Grund für die Anwendung der ungebräuchlichen 
Denarrechnung nicht finden kann, daraus. ,,daß dieser Satz nicht in 
einem Zug mit der vorhergehenden nach Sesterzen rechnenden 
Periode geschrieben sein kann, sondern ein Nachtrag ist". Da- 
durch aber sei meine Ansicht, „daß Augustus erst im Jahre 4 vor Chr. 
angefangen habe, die impensae zu entwerfen," widerlegt. Dieses Argu- 
ment wird hinfällig, sobald ein sachlicher Grund für das plötzliche 
Auftreten der Denarrechnung gefunden wird. Daß ein solcher tatsächlich 



90 Ernst Karnemann^ 

vorhanden ist, hat Hirschfeld gesehen. Ich gebe meinem hochverehrten 
Lehrer selbst das Wort:^) 

^ Wenn Augustus in c. 1 5 zwei seiner Schenkungen an die städtische 
Plebs nicht in Sesterzen, sondern in Denaren beziffert, so möchte ich 
nicht mit Wilcken daraus schließen, daß dies Nachträge sind, sondern 
vielmehr, daß Augustus diese, in beiden Fällen sich auf 60 Denare be- 
laufende Summe auch bei den Verteilungen nicht in Sesterzen, sondern 
in Denaren beziffert habe. 240 Sesterzen zu verteilen, würde ihm nicht 
gepaßt haben, da er sonst regelmäßig diese Summen nach Hunderten ab- 
gerundet hat: dies hat wohl auch Sueton (Atiq. 41) bei der Umsetzung 
in Sesterzen veranlaßt, die Zahl auf 250 abzurunden. Ebenfalls 60 Denare 
waren der Plebs bei Verleihung der Toga an Caligulä (also aus demselben 
Anlaß, wie bei den Enkeln des Augustus, vgl. Mommsen r. g. S. 62) von 
Tiberius versprochen, aber nicht ausgezahlt worden, die Caligulä nach 
seiner Thronbesteigung mit Zinsen an sie verteilte (Dio 59, 2). 

Der Grund für die eigentümliche Normierung von 60 Denaren ist meines 
Erachtens darin zu suchen, daß diese Verteilungen den Getreideempfängem 
zu teil wurden. Bei der Verteilung des Jahres 752 wird das ausdrück- 
lich gesagt: plehei^ qtiae tum frumentum publicum accipieba[t]; aber auch 
die 320000 der plebs urbana, die im Jahre 749 die gleiche Summe em- 
pfingen, sind gewiß nicht anders zu fassen, und es ist kein Zufall, daß 
die Zahl genau dieselbe ist, die Caesar im Jahre 708 vorfand und auf 
150000 reduzierte: Augustus hat dann im J. 752 eine ähnliche Reduk- 
tion bis auf 200000 durchgeführt. Auch die Bezeichnung plebs urbana 
gegen die im Anfang gebrauchte plebs Romana wird aus der Beziehung 
auf die Getreideempfänger zu erklären sein. Dasselbe gilt ohne Zweifel 
auch von Caligulas Verteilung, und das ihm an den Sigillaria nag* 
ixatftov Twv tu aitrjQiöLov (pegonnav gemachte Geschenk (Dio 59, 6) 
war sicherlich ein Beweis der Dankbarkeit der Getreideempfänger für 
die kaiserlichen Schenkungen. Dadurch erklären sich aber auch 
die 60 Denare: es ist der Durchschnittspreis für 60 modii Getreide 
(vgl. Mommsen R. O. P 841 Anm.: „Als hauptstädtischer Mittelpreis des 
Getreides kann wenigstens für das siebente und achte Jahrhundert Roms 
angenommen werden 1 Denar für den römischen Modius"), d. h. die 
Ration, die der Getreideempfänger zu beanspruchen hatte. Entsprechend 
ist die auch in diesem Kapitel berichtete Naturalverteilung vom Jahre 
731: duodecim frumentationes (=60 modii) frumento pr{i]vatim coempto 
mie7isus sum^ wozu zu vgl. ist Sueton Äug. 41: frumentum quoque in 
annonae difßcultatibus saepe levissimo^ interdum nullo pretio viritim 



1) Herr Professor Hirschfeld hat mir nach einer Besprechung der Sache auf 
meine Bitte gütigst diese Ausführung brieflich zur Verfügung gestellt, wofür ich 
ihm hier nochmals meinen verbindlichsten Dank ausspreche. 



Nochmals das Monumentum Äncyranum. 91 

admensxis est tesserasqtie ntimmanas duplkavit Wenn also die 60 Denare 
das Aequivalent für 60 modii Getreide bildeten, so ist es begreiflich, daß 
Augustus diese Summe nicht in Sesterzen umsetzte und so ihre Be- 
deutung verschleierte, und daß er auch in seinem Regierungsbericht die 
Denarrechnung in diesen beiden Fällen beibehalten hat." — 

2) Das einzige Argument dafür, daß auch Teil III gleichzeitig mit I 
und II entworfen worden ist, entnimmt W. (S. 624 f.) „dem am meisten 
umstrittenen Satz des ganzen Dokuments" in c. 26 (5, 10 ff.): Oallias 
et Hispanias provincials et Oermaniam qua inclH]dit oceanus a Oadibus 
ad ostium Albis fiufn[inis pacavi\ indem er hervorhebt, ,,daß die Reihen- 
folge der drei Länder im Widerspruch steht zu der geographischen Vor- 
stellung a Oadibus ad ostium Albis.'" Er argumentiert nun weiter so 
(S. 625) : „Hatte Augustus von vornherein die letzteren Worte geschrieben, 
so mußte er sagen: Hispanias et Oaüias et Oermaniam ^ da nur diese 
Aufzählung sich mit dem Hinweis auf die Distanz von Gades bis zur Elbe 
verträgt. Daraus, daß Augustus vielmehr Oallias et Hispanias provincias 
geschrieben hat, ziehe ich den Schluß, daß die Worte et Oermaniam usw. ein 
späterer Zusatz sind.'* „Dieser Zusatz setzt aber voraus, daß 
damals schon ein ursprünglicher Entwurf des UI. Teiles vorlag." 
Soweit bin ich mit W. vollkommen einverstanden. Dagegen bin ich 
durchaus anderer Meinung bezüglich der Datierung dieses Zusatzes, den 
er spätestens bald nach 5 vor Chr. geschrieben sein läßt. Um meine 
Ansicht zu begründen, muß ich etwas weiter ausholen. Die Komposition 
von c. 26 imd 27 ist, wie ich schon früher (II 149, 150) gezeigt habe, 
äusserst seltsam infolge der stattgefundenen späteren Eintragungen. Den 
Zusatz des zunächst durchaus unnötigen Wortes provincias habe ich 
auf Kosten der manus des Tiberius gesetzt, alles übrige fällt Augustus 
zur Last. Ursprünglich war, wie ich nachgewiesen habe (11 149) und 
wie W. mir zugiebt (S. 625, 1), hier eine geographische Anordnung 
beabsichtigt: c. 26 beginnt mit den Provinzen des Westens und zwar 
an der Spitze Gallien, c. 27 mit denen des Ostens, voran Ägypten. 
Innerhalb der beiden Kapitelwar aber dann die chronologische Reihenfolge 
eingehalten. Wenn wir den Zusatz über Germanien zunächst einmal außer 
Acht lassen, reihen sich in c. 26 aneinander an ; Gallien, Spanien, die 
Alpenprovinzen und dann in c. 27 Ägypten und Armenien, was 
der zeitlichen Aufeinanderfolge der Dinge sehr wohl entspricht. Die 
gallischen Unruhen wurden 28 und 27, die spanischen Kriege 25. bezw. 
definitiv 19, die Alpenkriege 15 vor Chr. beendigt, Ägypten wurde Provinz 
im Jahre 30, das erste auf Armenien bezügliche Ereignis, das erwähnt 
ist, fällt ins Jahr 20 vor Chr. Wenn wir diese Fakta als ursprünglich 
allein berichtet annehmen, bekommen wir als terminus post quem für den 
ersten Entwurf der beiden Kapitel das Jahr 15 vor Chr. Um den Zeit- 
punkt aber genauer zu bestimmen, müssen wir nunmehr die jüngeren 



\)i Ernst Korneniann, 

Partieen in diesen Kapiteln ins Auge fassen. Die Erwähnung der Flotten- 
oxpedition des Tiberius vom Jahre 5 nach Chr. in c. 26 (5, 14 — 18) 
ebenso wie die Art der Nennung desselben Mannes in c. 27 bei der 
Regelung der armenischen Dinge im Jahre 20 v. Chr. : per T[i. Ne]r(mem^ 
qtii t H m mihi prw[ig]nu8 erat^ was sich ganz deutlich als Zusatz aus^ 
der Zeit nach der Adoption zu erkennen giebt,^) beweisen, daß bei der 
letzten Redaktion vom Jahre 6 n. Chr. noch an diesen Kapiteln gearbeitet 
worden ist. Sicher aber sind nicht erst damals diese Kapitel konzipiert 
worden. Die Worte in c. 27 (5. 28 f.): per Oaium filium meum sind 
bei Lebzeiten dieses Prinzen geschrieben, 2) führen also auf die Redaktion 
bald nach 2 vor Chr. Die Frage spitzt sich demnach dahin zu. ob wir 
für diese Kapitel ausser den genannten zwei Redaktionen noch eine dritte 
und vierte und zwar zwei ältere, die zwischen 15 und 2 v. Chr. erfolgten, 
mit W. anzunehmen gezwungen sind. Wilcken wird versucht sein wie 
an anderer Stelle (in c. 16 und zwar 3, 28, vgl. darüber S. 628) auch 
in c. 27 in der Schilderung der armenischen Dinge (5, 28) aus der „losen 
und ungeschickten Anknüpfung^* Et postea einen Nachtrag zu erschliessen. 
Demgegenüber ist aber zu bemerken, daß Et postea in dem stellenweise nach 
chronologischen Prinzipien angelegten Dokument eine sehr beliebte Formel 
ist, die sowohl an Stellen, die unbedingt dem ersten Entwurf angehören, 
vorkommt wie auch an späteren. 3) Daraus allein auf einen Nachtrag zu 
schließen, erscheint mir zu gewagt. Was von Armenien gesagt wird, 
kann sehr wohl in einem Zug heruntergeschrieben sein bis zu dem 
Worte tradidi in 5, SO.*) Für c. 27 brauchen wir also keine ältere 
Redaktion als die bald nach 2 vor Chr. angesetzte zu statuieren. Es 
fragt sich nun noch, ob bei c. 26 die Sache anders liegt; a priori wird 
man bei der engen Zusammengehörigkeit der beiden Kapitel geneigt sein, 
hier dieselbe Lage der Dinge anzunehmen. Ich bitte aber auch die Verba 
aiixi (5, 10). [jHicavi] (5, 12, gr. 14, 7: [ev] eigijvtj xatsatritfa) und 
[pacari fec]i (5. 13, gr. 14, 9: elQriveveai^ai nenorixa) zu beachten. Es 
war hier ursprünglich nur ganz allgemein gesagt: daß alle Provinzen der 
Reichsperipherie vom Kaiser vergrößert worden waren, und dann w^ar 
bemerkt, daß die gallischen, spanischen, endlich die Alpenprovinzen 



1) Ebenso wie in c. 30 (5, 45). 

2) Daß die Stellen, wo die beiden Adoptivsöhne als filii bezeichnet werden, 
zu Lebzeiten derselben geschrieben sind, habe ich früher wahrscheinlich zu machen 
gesucht, vgl. II 148 f., 115 f., Ill 76. 

3) Vgl. c. 2 = 1, 11 ; c. 16, zweimal; 3, 22 und an der von W. hervorgehobenen 
Stelle 3, 28; c. 21 =- 4, 28; c. 27 = 5, 28; c. 30 =- .^, 48; c. 32 = 5, 54. Dagegen 
et anfea in c. 27 = 5, 33, darüber II 150 mit Anm. 1 und unten S. 94. 

4) Warum gerade so weit, das ergibt sich aus dem von mir II 152 mit Anm. 1 
Gesagten. 



Nochmals das Monumentum Ancyranum. 93 

befriedet worden waren. Erst die nachträgliche Zufügung der Flotten- 
expedition des Tiberius usque ad fi[nes Civnbrorti]fn . . . , quo neque terra 
neque mari quisqtmm Romanus ante id tempus adit^ hat die Erwähnung 
auch der viel früheren und weniger glücklichen Expeditionen in unbekannte 
Länder, nach Äthiopien und Arabien, ebenfalls unter Angabe der äussersten 
erreichten Punkte (5, 21 f.: usque ad oppidum Nabata^ 5, 22 f.: usque in 
fines Sabaeorum ad oppidum Mariba) nach sich gezogen, wodurch ebenso 
wie im folgenden Kapitel durch das nachträgliche Zurückgreifen bis auf 
die Eroberung von Sizilien und Sardinien im Kriege gegen Sextus Pompejus 
(vgl. 5, 33: et antea) die ursprünglich beabsichtigte geographische wie 
chronologische Anordnung über den Haufen geworfen, ja geradezu auf den 
Kopf gestellt wurde (II 150). Aus dem Gesagten ergiebt sich: Es 
waren in diesen Kapiteln die kriegerischen und aussenpolitischen Er- 
eignisse aus der ersten Hälfte der augustischen Regierung nur äusserst 
summarisch vorgeführt, Ereignisse von geringerer Bedeutung wie die 
Schöpfung der Provinz Galatien (25 v. Chr.) waren übergangen, ^) die Feld- 
züge nach Arabien und Äthiopien waren nachgetragen, Agrippa und Drusus. 
die grossen Feldherren der älteren Zeit, werden mit keinem Wort erwähnt, 
sondern nur C. Caesar und Tiberius, die nacheinander die präsumtiven 
Nachfolger des Augustus, modern ausgedrückt die Kronprinzen des Reiches 
waren. Ich wiederhole also meine frühere Behauptung (U S. 152 f.). daß 
nichts auf eine Redaktion dieser Teile vor 2 vor Chr. hinweist, ja daß 
eigentlich alles dagegen spricht: im Interesse der Erbmonarchie waren 
diese und die folgenden Kapitel geschrieben. Wann sind nun die von 
W. als Zusatz ausgeschiedenen Worte et Oermaniam usw. eingefügt 
worden? Ich mache nochmals darauf aufmerksam, daß nicht von der 
Eroberung, sondern von der Befriedung auch Germaniens die Rede ist'-^). 
wodurch die Eroberung, die Tat des Drusus, einfach als geschehen voraus- 
gesetzt wird. Das paßt wieder vorzüglich zu der eben betonten, 
relativ späten Abfassung des ganzen Abschnittes. Befriedet ist Germanien 
allerdings schon vor 2 vor Chr. worden, z. B. durch Tiberius in den 
Jahren 8 und 7 vor Chr., darnach durch L. Domitius Ahenobarbus, so daß 
die Worte et Oermaniam^ aber ohne den folgenden Relativsatz, immerhin 
schon bei der ersten Redaktion dieses Abschnittes geschrieben sein 
könnten. Für sehr wahrscheinlich halte ich das aber nicht, weil dann 
schon gleich im ersten Entwurf die chronologische Folge der Dinge durch- 
brochen gewesen wäre (Germanien vor den Alpenprovinzen). Vielmehr 
finde ich es viel glaublicher, daß der ganze Zusatz: et Oermaniam qua 
includtt oceanus a Qadibus ad ostium Albis fluminis der Redaktion vom 
Jahre 6 nach Chr. angehört, bei der auch die große Expedition des 



1) Auf das Fehlen von Galatien macht W. S. 619 Anra. 1 aufmerksam. 

2) Ueber die Bedeutung von pacare vgl. mein Zitat aus Mommsen, II, 155, 1. 

6 



94 Emd Komemann^ 

Tiberius vom Jahre 5 hereinkam. Denn dnrch diese ist erst die voll- 
ständige Befriedung ad osiium Alhis fluminis erfolgt. Dazu paßt die 
Erwähnung dieses äussersten Grenzpunktes sehr gut zu den übrigen An- 
gaben der Art (Cimbrerland, Nabata. Mariba). wie sie der letzten Redak- 
tion des Augustus eigen sind. Ich erblicke also in diesem Argumente 
W.'s nur eine weitere Stütze für meine These von der späten Entstehung 
des dritten Abschnittes. 

Was W. sonst noch gegen mich vorbringt, ist noch weniger über- 
zeugend. Mit meinen Zweifeln an der Geschlossenheit und Einheitlichkeit 
des ganzen Dokuments befinde ich mich in bester Gesellschaft. Schon 
Hirschfeld hat, wie früher, (II 144, 145) betont, die Fuge zwischen c. 33 
und 34 sehr breit gefunden. Wenn W. behauptet (S. 620) für c. 34 sei, 
wenn schon ein anderer Platz gesucht werden solle, ^) der hinter den 
Triumphen vom Jahre 29 v. Chr. (etwa am Schluß von e. 4) viel ge- 
eigneter, so folge ich diesem Gedankengange ganz gerne — aber wiederum 
nur. um den entgegengesetzten Schluß daraus zu ziehen. W. hat mir 
die Augen dafür geöffnet, daß schon am Ende von c. 4 der Schluß des 
allerersten Entwurfes zu suchen ist. Hier steht ja eine Zeit- 
bestimmung ^anz ähnlich derjenigen am Ende von c. 35. zwar 
nicht eine Alter<(angabe, aber die Angabe des Konsulats und 
der trihunicia potestas: consvl ftier]am terdeciens ({u]m [scribd>]a[m] 
lioee [et agebam ge\i\titnum et trigensimum annum tribn]niciae patestatis. 
Der früheste Entwurf bestand demnach nur aus fünf Kapiteln: 1 — 4. dann 
34 und zum Abschluß dem Satz: constd fueram. oder wohl richtiger ur- 
sprünglich eram — . cum scribebam haec usw. 

Ist dies richtig, so bin ich nunmehr in der Lage, mit großer Wahr- 
scheinlichkeit das Jahr festzulegen, in dem Augustus das Schriftstück be- 
gonnen hat. mit anderen Worten nach consiU fueram die ursprünglichste 
Zahlenangabe einzusetzen. Zunächst ist die Stellung von mm scribebam 
haec sehr auffällig. Die darnach folgenden Worte: et agebam etc.. oder 
wie sie geheißen haben, sind offenbar nachträglich zugesetzt. Der die 
erste Niederschrift vornahm, war augenscheinlich nur Konsul, noch nicht 

1) W. macht mir S. 620 auch den Vorwurf, daß ich die Möglichkeit, die er 
als .da« Natürlichste, ja das allein Verstandliche" bezeichnet, daß nämlich Augustus 
die impewfoe und alles Folgende nach c. 34 habe folgen lassen, gar nicht in Betracht 
zöge, daß ich vielmehr „das Dazwischenschieben der impensae wie etwas Selbst- 
verständliches" behandele, betont aber seltsamer Weise selbst kurz vorher, daß 
die Schlußworte von 34 „einen außerordentlich wirkungsvollen Abschluß des 
(ianzen** bieten. Damit hat et mir die Zurückweisung dieses Vorwurfes selbst 
vorweggenommen. Augustus hat alles nach dem ersten Entwurf geschriebene — 
abgesehen von dem in c. 35 gegebenen — vor c. 34 gestellt eben wegen der in 
4lera Schlußsätze dieses Kapitels enthaltenen .Pointe". Dadurch ist allerdings das 
Kapitel immer weiter vrm seinem ursprünglichen Platze entfernt worden. 



Nochmals das Monufiienium Ancyrannm. 95 

Inhaber der tribunicia potestas und datierte das Dokument in Anlehnung 
an die republikaniscshe Manier nach dem Konsulat.^) Da nun Augustus 
die tribunicia potestas bekanntlich am 27. Juni 23 vor Chr. übernahm 
und in der Mitte dieses Jahres auch das Konsulat niederlegte, so erhalten 
wir damit einen ganz bestimmten terminus ante quem. Von dem Jahre 31 
ab bis zur Mitte dieses Jahres 23 bekleidete Augustus regelmäßig Jahr 
für Jahr das Konsulat. In welches dieser Konsulatsjahre gehört der 
allererste Entwurf? Termini post quem sind die Jahre 28 und 27 v. Chr. 
Im Jahre 28 wurde das Mausoleum des Augustus erbaut (Sueton Äug. 100), 
vor dem der Bericht aufgestellt werden sollte. Das Jahr 27 ist das große 
Epochejahr, in dessen Anfang der Prinzeps den Titel Augustus und 
andere hohe Ehren empfing, die er in dem Schlußkapitel des ersten 
Entwurfs so ausführlich aufzählt. Zwischen 27 und Mitte 23 vor Chr. 
also sind die genannten fünf Kapitel geschrieben. Innerhalb dieses Zeit- 
raumes aber müßen wir möglichst weit ans Ende herunter gehen. Im 
Anfang des Sommers 27 verließ Augustus Rom und kehrte erst zu Beginn 
des Jahres 24 dorthin zurück. 2) Aus dieser Tatsache sowohl wie aus 
den Worten post id temjms in dem entscheidenden Schlußsatz von c. 34, 
die einige Jahre als verflossen zwischen den geschilderten Ereignissen und 
der schriftlichen Fixierung derselben voraussetzen, schließe ich, daß nur 
die Jahre 24 und 23 in Betracht kommen können. Von diesen beiden 
Jahren aber verdient 23 unstreitig den Vorzug. Im Anfang desselben 
war Augustus schwer krank, fast ohne Aussicht auf Rettung, so daß ihm 
nahe liegen mußte, einen Bericht über das von ihm bis dahin Erreichte 
zu verfassen. Dazu kommt, daß c. 5, mit dem später der erste Entwurf 
fortgesetzt wurde, durchaus mit den Ereignissen des Jahres 22 sich be- 
schäftigt. Ich nehme also meine Ausführungen III 78 f. hiermit zurück 
und folge einer Anregung Wilckens (S. 626), der auch auf 23 als das 
Jahr des ersten Entwurfes hingewiesen hat, aber nur, um diese Möglich- 
keit wegen ungenügender Motivierung wieder fallen zu lassen. Meiner 
Ansicht nach stand ursprünglich am Ende von c. 4: Cofisul eram 
tindecimtitn, cum scribebam haec, und es folgte höchstens noch die Alters- 
angabe. 

Damit haben wir den Umfang des ersten Entwurfs und das Jahr 
seiner Entstehung festgelegt. Die Probe auf das Exempel aber gibt 
Folgendes: Die herausgehobenen fünf Kapitel allein sind streng 
chronologisch geordnet. Der Inhalt der Autobiographie, die ebenfalls 
etwa bis zum Jahre 23 vor Chr. heruntergeführt zu denken ist, war hier 
in ein paar Sätze zusammengezogen, durch die den breiten Massen auch 

1) Die Datierung nach Jahren der tribunicia potestas ist nicht sofort erfolgt, 
von uns vielmehr zum ersten Mal nachweisbar im Jahre 19 vor Chr., darüber 
Gardthausen, Augustus II, 2 S. 404 Anm. 34. 

2) Gardthausen a. a. 0. I, 2 S. 661, 687 und 723, dazu H, 2 S. 401 Anm. 13. 

8 



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A»\n}mt (U^r ''*r';iHHPr no#»h »»inni;»! aiif -vine T-^iinaiinie ;un TTnimvTnt. 
jT)i»7ipM 'ti<* L^n«*r ^i#*^er Tiri^t^tr la «^pr^fiitMi. onw-mi -iie Wiiii zum 
^•4»««'/'^ >i#*hon »m En<l#* von r». i *»rwiaiir wir. Ai:j AiHhüäilj «iaü 
w')lcanipnt ram rv^ir^n if.ii T^f-nMiim. im •»:} za -'•»rlniz^^n. Jirteitvrt» t»r 
jia<*h üfyfU^Tf^n 'r^^Mir-h^-ipunKri^n. Ansr^tr ilie L^Ui«» 2i«ri«'ti aneinander zu 
m when. jrie **r **s hei.n **r^ren Enns-irf im .Voüra^ui an die Aaro- 
r>!<^Krr;tphie ziimei^^t ?efan hatte, orlnere er jetzt rieuneiir na*»!! «leiixiiMien 
R»>brken. örinor ]edrv*h mehr inn Einzelne iin«i autre am* der Zeit vrjr i:> 
M^inehe«! naeh. Diir^haBH aber he*aehraakre er iieh diesmai aot liie inner- 
p^iiti*<ehen Verh;^irnis}W*. iMr Pnnripat harre dem Staat nifhr nur «iie 
Ir'^iheit. :<ondem inzwi.«<fhen auch anf die Daaer i«»i".r:inete innen» Za- 
^^odp' »nd den frieden, dafür aner dem Triir<*r der h«Vnsten Wirde 
weitere sroßarriire F^hr<^n. mit den*^n er Mt^mr der rn'»r:epiphäre nahekam, 
sr^hra/^ht. 

r/ie<^e zweite Redaktion, in der da.-» Doknm*=-ct h{< c. 13 wei:erz**riiirt 
Wf*rde, hahe w"h keine^wesin'- wie W. behaaptet «S. ^-'>) «ciit HT^jlier 
fr^'*<timmtheif* anf:* Jahr l'I vor Chr. datiert, vielmehr habe ich da;? nar 
in M'hr vorsirh tiefer ond zorüf-khaltender Wei.^ wahrs<"h»^inlich zu machen 
versn^'htJ; VV, selbst hat dorrh eine feine Beobachtunir an e. >» iS. ^*27f.^ 
mein Resultat wenij??^ten8 in:4<>weit srestützt. als er der Verie«:unjj der ersten 
Nieder?</'hrift dif-se« Kapitel?* vor da.^ Jahr x vor Chr. da^ Wort redet. 
Wem meine «Bewei??e" für daü Jahr 12 nicht genügen, kann sich mit 
dem iinb*»yfimmteren Ref^ultate. daß die Redaktion in die Zeit zwischen 
der Rfirkkehr des Au^j.stus au« dem Westen im Juli 13 vor Chr. und 
flem J>ihre H vor Thr. «gehört, be^usren. Daß innerhalb dieses Quin- 
fjnennifimÄ die Zeit unmittelbar nach dem Tode seines Mitreirenten Ajnippa. 
die Jahre 12 und 11 v. Chr. am meisten für sich haben, scheint mir 
»ueb heute noeh das Wahrscheinlichste. 

Wie hier, halt^« ich aach im (ibrigen an meinen früheren Anfstellunsren 
fest bis auf einen Punkt. Auf (Jrund der interessanten Beobachtungen 
Si((w«rtH''^) beÄfiglich der Schreibung der Zahlen in dem Dokimient er- 
strecke ich die Arbeit bei der folgenden Redaktion, der vom Jahre i 
vor ('hr.. nicht mehr auf den ganzen Abschnitt IL sondern nur bis zum 
c. 21 einschließlich. Von c. 22 ab tritt die Schreibung von Zahlen mit 

I) Man li'Mc meifii^ Au^föhrunKen 111 8. 78—82. 
*J) HrifrUf/r IM S 'viH-ri:A). 



Nochmals das Monumenttim Ancyranum. 97 

Ziffern auch' an Stellen ein, die nicht spätere Nachträge des Augustus 
sind oder gar der manus des Tiberius zugewiesen werden müssen. Die 
Schreibung von Zahlen mit Ziffern scheint aber, wie Sigwart gezeigt hat, 
abgesehen von der Schlußredaktion des Tiberius, nur den beiden letzten 
Redaktionen des Augustus eigen gewesen zu sein, vielleicht weil der 
Kaiser hier nicht mehr selbst in seiner gewissenhaften Weise ^) die Nieder- 
schrift vollzog, sondern einem Schreiber diktierte. Sind diese Beobach- 
tungen und die daran geknüpften Folgerungen richtig, so sind auch die 
Kapitel von den ludi erst nach dem Jahre 2 vor Chr. konzipiert worden 
aus Anlaß der glänzenden Feste, die bei der Einweihung des Marstempels 
auf dem Forum Augustum am 1. August des Jahres 2 abgehalten 
wurden. 

Ich schließe mit dem Ausdruck des Dankes für die mannigfachen 
Anregungen, die mir W.'s Aufsatz gebracht hat. Allerdings haben seine 
Ausfüllrungen gerade den entgegengesetzten Erfolg gehabt, wie er beab- 
sichtigte. Durch seine Polemik habe ich erst den Schlußstein für meinen 
Bau gewonnen: dieser Schlußstein ist die scharfe Umgrenzung und genaue 
Datierung des ersten Entwurfes, der, wie ich jetzt sehe, noch viel kleiner 
war, als ich früher annahm. Indem ich den Schlußsatz von c. 4, den 
letzten des Dokumentes in seiner ältesten Gestalt, so, wie er zu allererst 
lautete, wieder hergestellt habe, glaube ich W.'s Forderung am Schlüsse 
seines Aufsatzes erfüllt und „die Komposition des Monumentum Ancyranum 
völlig erschlossen" zu haben. Wer von uns beiden das Richtige gesehen 
hat, mögen die Fachgenossen entscheiden, die nicht an das Märchen von 
der im letzten Lebensjahre des Kaisers abgefaßten „Grabschrift" glauben. 

1) Über die peinlich gewissenhafte Art des Schriftstellers Augustus vgl. ^nan 
Suetoii Atig. c. 86—88. 



beitrage z, »Iten Geschieht« IVi 

10 



98 



Der Sirbonis-See. 

Von Richard Kiepert. 

In der 0. Hirschfeld-Festschrift (Berlin 1903), S. 164—66, behandelt 
Fr. W. Freiherr von Bissing den Sirbonis-See an der Ostgrenze Ägyptens 
und glaubt den Nachweis erbringen zu können, daß „im Altertum die 
Strandseen von Pelusium bis zur Grenze einen doppelten Namen fährten: 
1. ^ STu t6 Kdaiov -^t/"'^ und rd negl to Jli]lovaiov eli^ von Pelusium 
bis zum mons Casius, 2. ^ Sigßümg yii^ivr^ vom mons Casius östlich". 
Dies erschließt er aus Strabon C. 759 f.: Kai avtri ijlsv ovv tj dno rd^i]c 
^.vTTQa näffa [xal] dfÄf-iwör^g' eri Si /ucrAAor %oiavti] ^ cyejijc vTTeQxeiu^vi}, 
exovöa ttjv 2igßmvi6a XCfuvtjv naQdk?.riX6v noyc rfi i^akdtTrj /nuegdv diodov 
dnoXsinovtsav fjteta^v ^lixQt tov exQijyjiatog xaXov^hoVy fxrixoq oüov dia- 
xoerton' oradi(ov, nXdtoc de to (j^yiötov Tr^viryxoi'ra* to J' Bxqriyna avyxe- 
X(x>(frai' elra owex^g äkXrj totavtrj tj im to Kuaior^ xdxsK^sv enl to 
üelovaiov. Tni letzten Satze ergänzt er kifinnj; wie ich meine, fälschlich. 
Denn dieser Satz knüpft an den Anfang des Zitats, an die Worte an 
„Dieser Landstrich von Gaza an ist durchweg dürftig und sandig, noch 
mehr aber der unmittelbar darüberHegende, den Sirbonis-See enthaltende": 
dann schiebt er eine kurze Beschreibung des Sees und der Nehrung ein, 
und zum Schlüsse heißt es „Dann folgt eine andere ebensolche (nämlich 
XvTTQu d. h. armselige, öde Gegend, Landstrich) nach dem Kasion hin und 
eine weitere von dort nach Pelusion.'' Aber von Seen ist absolut nicht 
die Rede. Dieselbe Auffassung der Stelle haben übrigens die ungelenke, 
aber kritische Übersetzung von Groskurd 1833 und die von K. Kärcher 
1836. Wenn Hr. von Bissing den Namen Serbonis auf den östlichen Teil 
des heutigen Sabchat Barduil (Balduin-Salzsee) beschränkt, so könnte 
dazu höchstens Strabon's Längenangabe (200 Stadien = 36,8 km) be- 
rechtigen; aber diese Entfernung brächte uns vom Ostende der Lagune 
noch nicht einmal bis zu ihrer engsten, 2 km breiten Einschnünmg beim 
Kasion (c. 45 km), wo Hr. von Bissing die Grenze zwischen seinen beiden 
Seen ansetzt. Strabon's Breite (50 Stadien = c. 9 km) ist richtig, aber 
seine Länge ist zu verwerfen zu gunsten von Herodot, Plinius und dem 
Scholiasten zu Apollonius Rhodius. Denn Herodot lU, 5 läßt den Sirbonis- 



Der SirboniS'See. 99 

See nicht östlich vor oder bei dem Kasion-Berge enden, sondern sagt, daß 
sich das Kasion am Sirbonis-See zum Meere hinziehe (ßsxQi Seqßmvtdog 
Xifivtjg, Trag ijv d'q ro KaCiov ovQog teivei ig d'aXatstfav); der See reicht dem- 
nach nach Westen über das Kasion hinaus. Dasselbe weiß der Scholiast 
zu Apollonius Rhodius B 1211 zu berichten, wenn er den See dno SvQiag 
fiexQt üriXovaiov reichen läßt und seine Lage mit ttbqi %6 Ilrilovtfiov i^^ 
AlyvTPtov bezeichnet. Er soll nach Hrn. v. Bissing damit in denselben Fehler 
verfallen, wie die Neueren, z. B. die Karte zu Brugsch' Geschichte Ägyptens 
oder die des Egypt Exploration Fund (in „An Atlas of ancient Egypt", 
London 1894, Taf. III): „Beide Male heißt /} inl tö KatfLOv Aifivr} fälsch- 
lich Serbonis See, während der wirkliche Serbonissee „Sabkhat Bardawil" 
heißt." Aber sieht denn Hr. von Bissing nicht, daß beide Namen, der 
antike und der arabische, zusammengehören und sich auf denselben Gegen- 
stand, den See in seiner ganzen Länge beziehen, und daß sie, statt wie bei 
den Städten, die auf der englischen Karte bis zu 4 Namen führen, unter- 
einander^ so hier nebeneinander eingetragen sind, weil eben die lange 
Erstreckung des Sees diese Nebeneinanderstellung dem Kartographen 
geradezu aufzwingt? Sein Fehler wäre ihm sofort aufgefallen, wenn er 
nicht diese Quellen zweiter oder dritter Hand, sondern die einsige Auf- 
nahme des in Rede stehenden Gebietes eingesehen hätte, nämlich die 
englische Seekarte No. 2573, Mediterranean 8ea. Egypt. Damietta to El 
Arishy surveyed hy Comm^ A. L. Mansell^ 1856. Dort steht in dem ganzen 
Strandsee, der c. 12 km östlich von Pelusium (Ruinen Farama) beginnend 
sich bis 45 km östlich vom Kasion hinzieht, eingeschrieben Lake Sirbon 
or Sabakat BardowaL Von einer Zweiteilung des Sees ist in dieser 
wichtigsten Quelle keine Rede; den aufnehmenden englischen Seeleuten, 
den einzigen, die die dortige Gegend gründlicher kennen gelernt haben, 
erschien er also als eine einheitliche Wassermasse. 

Wir kommen zu Plinius, dessen Angaben n. h. V, 68 vorzüglich sind: 
Ostracine Arabia finitur, a Pelusio LXV p. Mox Idumaea incipit et Palaestina 
ab emersu Sirbonis lacus, quem quidara GL circuita tradidere. Sowohl 
nach dieser Pliniusstelle. als nach Itin. Anton. 152 (Ostracena 26 Cassio 
20 Pentascino 20 Pelusio) fällt Ostracine auf den Lido, 8 km von dem 
Ostende des Sirbonis-Sees. Bald darauf beginnt Idumaea imd Palaestina 
„aJ emersu Sirbonis lacus^' d. h. da wo der See auftaucht, dem von 
Osten kommenden zuerst sichtbar wird, nach meinem Dafürhalten ein 
vortrefflich schildernder Ausdruck, der aber durchaus nicht, wie Hr. von 
Bissing mit Carl Müller meint, mit dem "Exqriyfxa^ dem Durchbruch (porto 
heißt ein solcher heute in den venetianischen Lagunen) identisch ist, 
sondern das östliche Ende des Sirbonis bezeichnet. Für den Umfang des 
Sees giebt Plin. die von Hrn. v. Bissing nicht weiter in Betracht gezogene 
Zahl von 150 Milien oder etwa 220 km an, welche sich beim Nachmessen 
auf der erwähnten Seekarte als fast genau zutreffend erweist. Natürlich 



100 Richard Kiepert^ Der Sirbonü-See. 

darf man das nur als zufällig ansehen, denn wenn auch die Nordküste 
der Lagune genau vermessen, so ist die südliche doch wohl nur skizziert, 
wie denn auch im Innern des Sees keine einzige Lotung verzeichnet ist, 
ein Beweis, daß die Aufnahmen innerhalb der für die Schiffahrt bedeutungs- 
losen Lagune nicht ebenso gründlich, wie an der Meeresküste durch- 
geführt worden sind. Aber so viel ergibt sich doch mit Bestimmtheit, 
daß Strabon's Länge von 200 Stadien = c. 37 km viel zu niedrig ge- 
griffen ist. 

Des Ptolemäus (IV, 5, 5 f.) rohe Positionen ergeben, auch in Karten- 
form gebracht, nichts für unsere Frage; denn er hat ja nur die Lage des 
Durchbruches (5' südlicher, als das Kasion, was unmöglich ist), nicht die 
der beiden Enden des Sirbonis-Sees, woraus man allein dessen Länge 
ermitteln könnte. Heute existieren zwei Durchbrüche, der erste 1072kni, 
der zweite, V4 Faden tiefe, 28 V2 km vom Ostende des Sees. 

Daß der See seit dem Altertum eine wesentlich andere Gestalt an- 
genommen habe, scheint mir nicht bewiesen zu sein. Die Nehrung ist. 
von der breiteren Stelle (V/2km) beim Kasion abgesehen, durchweg noch 
kein Kilometer breit, oft nur V2 <^der \ .^ ; nirgends hat sie, weder nördlich 
nach dem Meere, noch südlich nach der Lagune zu Land angesetzt: auch 
mündet kein Nilarm oder sonstiger Wasserlauf in sie, der solche Ver- 
änderungen hervorbringen könnte. Außerdem ist sie im Osten, im ganzen 
Süden und im Westen von dichtherantretenden Sandhügeln begrenzt, die 
nach der Seekarte im W. bis 250' = 76 m hoch sind. Da die Seekarte 
sie ausdrücklich als Beaks of maving sand bezeichnet, so könnten sie 
allerdings die Gestalt des Sees etwas beeinflußt haben; inwieweit aber, 
läßt sicli aus den wenigen antiken Nachrichten in keiner Weise ermittein. 
Im Westen ist dieser Dünengürtel c. 3^2 km breit, dann folgt am Meeres- 
ufer ein y^Salt lake dry during the Summer^ ^ etwa 7 km lang — es ist 
ein Teil der ekri tä negl to Jlrjkovaim*, von denen Strabon C. 50 spricht — 
dann ein 5 km breiter Hügel mit den Ruinen Farama, dem alten Pelusiuni, 
und 2 km weiter die jetzt versandete Pelusische Mündung, bei welcher 
wohl der andere Teil der eXri ra negi to HtjXovtfiov zu suchen ist. 

Ich glaube gezeigt zu haben, daß den übereinstimmenden Angaben 
von Herodot, Plinius, dem Scholiasten und Commander Mansell mehr Wert 
beizumessen ist, als der einen, offenbar verschriebenen Zahl Strabon's, und 
daß namentlich auch die Neueren (darunter auch Heinrich Kiepert in 
seinen Karten zu Stein's Herodot^ zu Lepsius' Denkmälern^ in den ver- 
schiedenen Atlanten zur alten Geschichte u. s. f.) recht taten, den ganzen^ 
85 km langen See östlich von Pelusium als Sirbonis zu bezeichnen. 



101 



Zur Geschichte des dritten vorchristlichen Jahrhunderts. 

Von Th. Sokoloff. 

2. Der Antiochos der Inschriften Yon Uion.^) 

Chishull Antiquitates Asiaticae p. 49 sq. hat 1728 eine Inschrift, 
welche in Jenischeher, dem alten Sigeion, gefunden worden ist, als 
sigeische herausgegeben. Es ist ein Yolksbeschluß zu Ehren des Königs 
Antiochos, Sohnes des Königs Selenkos; in der Wissenschaft bezeichnet 
man die Inschrift gewöhnlich als . sog. sigeische, wenngleich Boeckh 
längst bewiesen hat, daß sie eine ilische ist. Der König Antiochos ist 
augenscheinlich etwa in Sardeis: es heißt wv te naqayevoiiBvoc enl %ovg 
tonovq Tovg imtccde rov TavQov. In den Titel des von ihm heraus- 
gegebenen Textes der Inschrift und seiner Erklärung hat Chishull die 
Worte gesetzt: Psephisma Sigeorum ad regem Antiochum Soterem et se- 
cundam eim iixorem, sorareni reginam, spectans. Der Beschluß gehört, 
nach Chishull, ins zweite Jahr nach dem Tode des Seleukos Nicator, 278. 
Diese Bestimmung des alten englischen Gelehrten ist, wenn auch nicht hin- 
sichtlich der genauen Jahreszahl, bis jetzt von allen Gelehrten angenommen 
worden, siehe z. B. Droysen, Oesch. des UeUen. ITI, 1. p. 265 sqq., 
Dittenberger Sgll. erste Ausgabe, No. 156 und Orientis Oraeci In- 
scriptiones selectae [Or.J I p. 339 ff.. Niese 11, 74, Wilcken in Pauly- 
Wissowa 2452: überhaupt alle ohne Ausnahme. Ich glaube, daß 
Chishuirs Meinung bestimmt worden ist durch die Worte der Inschrift 

xal kmyqaijjai o dijfiog o {'Ihioiv gewiß, aber nicht von Chishull 

erkannt) ßaciXia 'Äv%i]oxov ßatfdemg ^ekevxov evaeßeiag evBxev trjg elg 
%6 IsQoiy evegyettiv xal <sa})t^Qa yByovota %ov drjfxov. Aber hier ist awtrjQ 

1) Erschien russisch im Juliheft 1897 im Jounial des Ministeriums der Volks- 
aufklärung, nachdem der Hauptgedanke bereits 1886 in einem Artikel derselben 
Zeitschrift ausgesprochen worden war. Th, S. 

Die vorliegende deutsche Bearbeitung wurde der Redaktion bereits im 
Oktober 1902 zugleich mit dem Manuskript der ersten Beitr, III 119—140 ver- 
öffentlichten Abhandlung iibersandt. Mit Genehmigung des Herrn Verfassers sind 
redaktionelle Hinweise auf die inzwischen erschienene Literatur, besonders auf 
Dittenberger Orientis Graeci IruscriptUmes Sel^tae (1903) von mir hinzugefügt worden. 

a F, L, 



102 Th. Sokdoff, 

kein ständiges Beiwort, kein mit den Namen des Königs verknüpftes 
Epitheton: als Retter, tfcori^^, sind im gegebenen Falle sehr viele Leute 
für ihre Verdienste bezeichnet worden. P>rner wollte ChishuU in adeXqr^ 
avtov ßaisih(saa bedingungslos die leibliche Schwester und Gemahlin des 
Königs sehen, auch hierin von allen Gelehrten befolgt. Nur Droysen 
bemerkt, daß vielleicht ddsXtfn] hier ein Ehrentitel und somit Stratonike ge- 
meint ist. Die übrigen nehmen mit Chishull an, daß die in der Inschrift 
vorkommende Schwester-Königin eine zweite (vollkommen unbekannte, 
nirgends erwähnte, also sicher nie dagewesene) Gemahlin Antiochos des 
Ersten ist. 

Die Anfangssätze des Beschlusses sind sehr merkwürdig. 

*En€ii^ ßadiXsvq 'Avtioxog ßaaiXimc SeXevxov sv äqx^ «e naqaXaßwv 
Tijv ßcCiXsiav KCLi ngo&tag ivdo^ov xal xaXijg aigiaeoDg s^r^vqaB tag fiiv 
TtoXeig tag xata Trjr SeXsvxidOj ntqiBxonsvag vno xavQwfv dvcxBqvöv Sia 
tovg dnoatävtag tmv ngayficttoav sie eiQf;iifiv xal trjv dgxalar svSaifiOviav 
xataavijaai^, tovg <f' smd^efievovg tote nguynaiSiv ine^eXl^wv^ xadaTrsg ^v 
Sixaiov, dvaxtrj(faai^ai Tijr natgonav dgxr]v Sio xal x^i7<^(^iU€i'0c imßoX'^i 
xaXrji t€ xal Sixaia{i) xal Xaßwv ov juoi'ov tovg ifiXovg xci tag Svvdfi€ig 
elg to Siayayvttfaöy^ai negl twv ngayindtwv avtm ngad^'fKogj aXXd xcu to 
Sai/ioviov evrovv xdi (fwegyov, tag t€ noXsig eig eigrpntiv xai njv ßatfiXeiav 
elg T^v dgxctiav Sid&etftv xatiittrfiBv, 

Es handelt sich hier nicht um einen äußeren Krieg, sondern augen- 
scheinlich um die Unterdrückung eines Aufstandes. Das bemerkt 
auch Dittenberger Sylloge ed. 1, p. 239 (cf. Or. I 3416): De 
Ptolemaeo Fhiladelpho haec intelligit Ihoyseti (das heißt von einem Ein- 
fall dieses Königs in Syrien). At ipsa verba ejiismodi suntf ut de seditiotiis 
auctoribus ptmiendis potüis quam de eaterno hoste arcendo dici appareat. 
Ereilich denkt Dittenberger nur an Antiochos I. und muß deshalb sagen: 
Harte rebellionem, de qua praeta'ea nihil traditum est^ ilico^ post Seiend 
(des ersten) neceni ei'upisse veri simile est 

Meine Meinung ist, daß der Antiochos der sogen, sigcischen Inschrift, 
deren Anfang wir angeführt haben, der dritte und nicht der erste 
Antiochos ist, und daß seine „Schwester-Königin" Laodike, die Tochter 
des Königs Mithradates von Kappadokien am Pontos ist. Sie war seine 
Cousine, eine Enkelin Antiochos' II. Ich glaube, daß die seleukidischen Könige 
nicht jeder Königin den Titel dSeXtpi] ßaaiXiaaa gaben, sondern 
nur einer solchen, die ihnen nahe verwandt war. Die Ver- 
mählung Antiochos III. mit der Laodike ist in Seleukeia enl Zevyfiatog 
am Euphrat gefeiert worden, und gleich darauf kam Antiochos III. mit 
seiner jungen Gemahlin nach Antiocheia und hat sie zur Königin aus- 
genifen — ßaaiXiaaav dnodti^ag. Das war im Jahre 221. 

Gerade zu dieser Zeit aber waren Molon, der Satrap von Medien, 
und Alexandros, Molons Bruder, Satrap der Persis, in einem Aufstande 



Der Antiochos der Inschriften von Ilion. 103 

bef^riffen, über dessen Anfang, Verlauf und Ende uns Polybios V 40 — 56 
ausführlich und sehr lebendig berichtet. 

Bekanntlich wurde der junge König zunächst durch Hermeias' Intri- 
guen davon abgehalten, dem Rate des Epigenes zu folgen und sofort per- 
sönlich gegen die Aufrührer zu Felde zu ziehen. Erst nachdem Molen 
zwei gegen ihn gesandte Feldherren geschlagen, Seleukeia am Tigris ein- 
genommen und Babylonien. Susiana sowie einen Teil von Mesopotamien 
erobert hatte, wandte sich Antiochos selbst gegen Molen. 

Dabei gab es wiederum durch Meinungsverschiedenheiten der Berater, 
Meuterei der Truppen, Parteiungen und Intriguen die mannigfachsten 
Schwierigkeiten. Das Heer sammelte sich in Apameia am Orontes, geriet 
aber bald in Aufruhr wegen des Soldmangels. Hermeias versprach dem 
erschrockenen König, daß er selbst den Truppen den rückständigen Sold 
bezahlen werde, mit der Bedingung, daß Epigenes nicht in den Feldzug 
mitgenommen werde. Antiochos fügte sich widerwillig. Bald darauf hatte 
Hermeias (durch die Vorlegung eines gefälschten Briefes — ein Mittel, 
welches in der Geschichte der makedonischen Königreiche oft vorkommt) 
die Tötung des Epigenes erzwungen. Antiochos gelangte zum Euphrates, 
verstärkte sein Heer durch neue Zuzüge und ging nach Antiocheia in 
Mygdonien (d.h. Nisibis), wohin er um die winterliche Sonnenwende (Dezember 
221) kam. In dieser Stadt blieb Antiochos 40 Tage, um die Zeit des 
strengen Winters vorbeigehen zu lassen. Dann gelangte er nach 
Libba, wo Kriegsrat gehalten und schließlich gegen Hermeias' Willen 
der Rat des Zeuxis, den Tigris alsbald zu überschreiten, angenommen 
wurde. Das von Molen belagerte Dura wurde nun entsetzt und von dort 
gelangte Antiochos am achten Tage nach Apollonia. Als Molen die Nach- 
richt von der Ankunft des Königs erhalten hatte, ging er, da er nicht auf 
die Treue der von ihm erst eben unterworfenen Susianer und Babylonier 
rechnen konnte, über den Tigris und zog rasch durch den gebirgigen Teil 
der Apolloniatis, um nach Medien durchzukommen. Aber es gelang ihm 
nicht, dem Zusammentreffen mit dem Könige zu entgehen. In der Schlacht 
ging der linke Flügel des Heeres von Molen zu dem König über; Molen 
sah sich bald umringt und tötete sich. Nach der Schlacht hielt Antiochos 
den Truppen des Molen eine lange Strafrede, begnadigte sie aber und 
ließ sie nach Medien abführen. Der Bruder Molons, Neolaos, flüchtete 
sich nach Persien zum Alexandres, tötete die Mutter und die Kinder 
Molons, überredete Alexandres zum Selbstmorde und tötete sich. — 
Antiochos zog in Seleukeia ein, ordnete die umliegenden Satrapien und 
bezeigte sich mild und gemäßigt. Hermeias dagegen wütete nach seiner 
Gewohnheit, beschuldigte die Bewohner von Seleukeia des Verrates, belegte 
die (bekanntlich sehr große und reiche) Stadt mit einer Kontribution von 
1000 Talenten und ließ manche ihrer Bewohner hinrichten und foltern. 
Der König machte diese Maßregeln des Hermeias so weit möglich rückgängig. 



104 Th, Sokohff, 

und es gelang ihm mit Mühe die Stadt zu beruhigen und zu ordnen. Die Geld- 
strafe ermäßigte er auf 150 Talente. Nach diesen Anordnungen setzte 
der König den Diogenes als Strategen in Medien, den ApoUodoros als 
Strategen in Susiana ein, Tychon wurde als Stratege an die Ufer des 
Persischen Meerbusens gesandt. Sodann wendete sich Antiochos gegen 
den alten mächtigen und klugen Artabazanes, welcher in Atropatene 
(heute Azerbeidjän) herrschte und zwang ihn zur Unterwerfung. Schließ- 
lich entledigte sich der König des ihm längst lästig gewordenen Hermeias, 
indem er eine förmliche Verschwörung mit seinen Höflingen gegen seinen 
Minister einging und ihn ermorden ließ. Der Untergang des Hermeias 
erinnert an den Tod des Mar6chal d'Ancre und die ersten Jahre des Anti- 
ochos DI. an die ersten Jahre des Königs Charles Vn. 

Augenscheinlich ist dieser nämliche Aufstand des Molen in der 
„sigeischen" Inschrift gemeint. Jt nolsig ai xatä t^v SeXevxida sind 
Seleukeia am Tigris, Ktesiphon und zahlreiche andere, welche in der 
Umgegend lagen, selbst Babylon. Der Name jLsXevxig kommt in der- 
selben Bedeutung in der großen Inschrift von Smyma der Zeit des 
Seleukos H. Kallinikos (CIG. 3137 Ditt.Or.229 p. 365) vor. Diese smyrnäische 
Inschrift beginnt; 'Eneiifj ttqotsqov re Y.ad^ Sv Y.aiqhv 6 ßaat^XBvg SsXevxoc 
vnBqißaijBv elg rrjv SslsvxtSa^ ttoAAcov xoJ jUcycJZwv kivSvvodv neQiaravrmv ri/v 
Ttolw fjimv xal rrjv xdqav^ Sie^lal^BV 6 drjfiog rrpf nqog avrov Bvvoiav re 
xal (piUav^ ov xaranlayelg rrpf tocv ivavTloJv e^oSav ovde g>QOVTicag tTJg 
TCüV vnoQXoVTODV anmleiagy äkka navra devTSQa 7]Yri(SafiBvog elvat nqog ro 
diafXBlvat iv r^t atgetfei xal avnXaßetf^ai twv jtQayfxaran' xara rrp? iavrov 
Svvafiiv xadorv i^ ctQxrjg vniaarri, — Die Smymäer betonen hier ihre 
Treue gegen den König Seleukos, welche sie in allen Widerwärtigkeiten, 
in allen Wechselfällen (seiner Kriege gegen Ptolemaios Euergetes und 
gegen seinen Bruder Antiochos Hierax) bewiesen haben. Als die Inschrift 
eingemeißelt wurde, standen gewiß die Sachen des Königs besser; sonst 
wäre kein solcher Eifer bezeugt worden. Während der ärgsten Zeit war 
der König weit entfernt (vielleicht zurückgedrängt von den Feinden), über- 
schritt (vneqißalev) den weiten Weg zu der Seleukis. Jetzt führten ihn 
die Umstände abermals in jene Gegenden: vlv jBvneQßBßhfixotogrov ßadüJmg 
Big ir/v iBlBvxiSa (vs. 13 fg.) — Diese zwei Übergänge Seleukos' 11. in 
die Gegend des Unterlaufes des Euphrat und Tigris werden, glaube ich, 
als Merkmale und Wegweiser dienen können, um die Ereignisse seiner so 
dunklen beiden Kriege (mit Ptolemaios HI. und mit Antiochos Hierax) zu 
ordnen. Denn die 2BkBvxlg der sogenannten „sigeischen" und 
der smyrnäischen Inschrift ist die Provinz, deren Haupstadt 
Seleukeia am Tigris war, keineswegs aber die Seleukis des Strabo, 
von welcher er sagt (XVT, 2, 4): xalBltai di TBrqanolvg xal BCri xara 
rag B^BX(n;(fag iv airQ nolBig^ btibI nlBtovg yi BltSt, fi^ifSrai 3b rirraqBq^ 
UvTiox^'^ ^ i^^ ^cig>vii xal 2BlBvxBLa ij iv IliBqiq. xai ^AnafABva Si xal 



Der Antiochos der Insdiriften von Ilion. 105 

AaoiixBia, Noch weniger eine unbekannte hannadoxia i] Selevxic yakov- 
Hivri (Appian. Syr. 55), an welche Droysen dachte. 

Wir haben gesehen, wie ungeheuer lang (wenigstens für ein Heer) 
der Weg von dem nördlichen Teile von Sjrrien oder von der haupt- 
städtischen Provinz der Seleukiden — jener ÄAfvxic xBTQanohg — , bis 
nach Seleukeia am Tigris war. Zu diesem langen Wege paßt das vnsQßaketv 
der Inschriften sehr gut; dagegen paßt es gar nicht zu der Einkehr des 
Königs in seine gewöhnliche Residenz. 

Daß Seleukeia am Tigris sehr wohl einer Provinz ihren Namen 
geben konnte, kann man aus der Grösse und Wichtigkeit der Stadt 
schließen. Sie war größer als Antiocheia selbst: oi nokv re kslTretai 
(Antiocheia) xal dtfvafiei xal fieyix^et Selevxelag rfjg enl rt^ TifQet (Strabo). 

Die meisten Gelehrten seit ChishuU erblicken in der Ssletfxlg der 
beiden Inschriften die Terganohg des Strabo. Aber Appian erzählt, 
daß nach Seleukos' Tode Philetairos von Pergamon, welcher von Lysi- 
machos zu Seleukos überging, Seleukos' Leiche für eine große Summe 
von Ptolemaios Keraunos kaufte, sie verbrannte und die Asche dem 
Sohne, Antiochos L, sandte. Antiochos hat die Reste des Vaters in 
Seleukeia am Meer begraben, einen Tempel gebaut und ihn mit einem heiligen 
Bezirk, welcher den Namen Nixaroqevov führte (Syr. 63), umgeben. Chishull 
bemerkt, daß Antiochos in der Gegend eben damals mit der Unter- 
drückung eines Aufstandes beschäftigt war (opportune compescendis motibus 
intentm), was unter den berichteten Umständen recht unwahrscheinlich 
ist. Droysen verstand unter Seleukis einen Teil von Kappadokien. Appian 
Syr. 55 nennt verschiedene Länder, welche dem Seleukos unterworfen 
waren: rjQ^e MetfonoraiLiCag xal ^AgfievCag xal Kannadoxiag rfjg ^eXavxiiog 
ieyofiivrjg xal DsQifwv xal Uaqd-vaiwv xal BaxTqioav xal 'Aqaßimv xal 
TaTtvQiüv xal rrfi loyitav^g xrL Sehr wahrscheinlich wird hier vor r/;c 
2elBvxiiog xal zu setzen und das Land um Seleukeia am Tigris 
gemeint sein. 

Da Stratonike keine Schwester Antiochos' I. war, so vermutete 
Chishull, daß die „sigeische" Inschrift schon nach dem Tode der Stratonike 
verfaßt sei, nachdem Antiochos I. eine andere Frau, und zwar seine eigene 
Schwester, genommen hatte. Von dieser Schwester habe er eine Tochter 
Laodike gehabt, welche die Gemahlin seines Sohnes Antiochos' 11. wurde: 
Polyaen. VHI. 50 ^Avrioxog 6 nQogayoQSvd'elg Geog 'iyrine Aaodixriv ofiona- 
tQiov aisk^ifv. Soweit mir bekannt halten alle Gelehrten fest an dieser 
Vermutung Chishulls, obgleich schon Niebuhr, Kleine Schriften I 257, ihr 
widersprochen hat. Freilich Stratonike schon vor 278 sterben zu lassen, 
ist jetzt unmöglich: es gibt eine babylonische Inschrift vom Adar 43 S. A. = 
März 268^), die Stratonike noch als lebend nennt. Sie hat ihren ersten 



1) Vgl. zuletzt C. F. Lehmann, Beitr. III 526*. 

5 



106 Th. Sokoloff, 

Sohn Seleukos, welcher voni Vater getötet ward, überlebt. Der figuriert 
in der genannten Inschrift als Mitregent des Antiochos, während vom 
Jahre 46 S. A. an = 266/5 babylonische Datierungen nach den Königen 
Antiochos und Antiochos vorliegen. Ein Beschluß der ionischen Städte 
aber enthält Huldigungen für die Könige Antiochos und Antiochos und 
die Königin Stratonike ^). Wilcken (bei Pauly[-Wissowa I 2452) vermutet, 
daß Antiochos I. noch bei Lebzeiten der Stratonike sich zum zweiten 
Mal mit seiner Schwester vermählt habe. Aber Antiochos war doch, 
wie weltbekannt fiijrqviag €Qa(fi^€ig. Und es ist überhaupt gar keine 
Spur vorhanden, daß Antiochos I. eine andere Frau genommen hätte. 
Das Andenken der Stratonike blieb dauernd lebendig. Die Smyrnäer 
sagen (Fortsetzung des angeführten Textes der Inschrift (Ditt. Or. p. 366) : 
6i6 xal 6 ßaffikevg lilevTLog^ €v(feß(og ra rrgog rovg rhovg diaxeifievog ymI 
(fikotfroQymg ra nqog rovg ycn^etg^ fisyaloiljvxog cwv y.al srnffrccinevog x«^*^«^ 
anoSidovat rotg eavrov eve^yerovCiv^ €rf/tij(X€i' rrjv nohv r;/«(i)r diarB it]V 
rov diif^iov €vvoiav xae tfiXorii^iiay rfv intnoir^ro Big tä TtQayfiara airov ymI 
dia ro, Tov n&rsqct avrov ^Bov *Avrioxov y.al rrjv fitjrBQa rtjV rov narqog 
^Bov 2TQarovixriv idgvcSai naq r^iilv rifiiOfXBi'Ovg rmalg a^ioijoyoig xal xoiv/;t 
v7t6 rov nki]^ovg xalldlai v(p Bxagrov rwv nohtm\ xat nqoc; rovg ßaOÜ^Tg ymI 
rovg öwd(Srag xal rag noKBig xal ra Bihnj a^K^ffag anodH^aü^ai lo %B ibq&i' 
rt]g Siqaiovixidog 'J^goSCrr^g aavkov Btvai xal rrjv nohv r)fAO)V lBQcti> xal 
äavkov. Siehe dazu die Inschrift der smyrnäischen avvavovßiacrwv bei 
Foucart des assodations religimsee 58, Fontrier in der Revue ancienne 
IV, p. 191 fTg. Tacit. Ännal. lü, 63. — Daß die Königin Stratonike 
nicht Schwester- Königin genannt wird, ist im Sinne unserer oben 
(S. 102) formulierten Ansicht von bestätigender Bedeutung. — 

Antiochos' II. Gemahlin war I^aodike, die Tochter des Achaios — 
Porphyr, ap. Euseb. Frag. H. Gr. IIl, p. 707 — . Porphyrios erzählt eine 
zusammenhängende Geschichte, aus welcher dasselbe Faktum hervorgeht 
(p. 708): Vernmtamen viuentc adhfic Callinko Seleitco Antiochus viinor 
natn frater, (inietis sorfisque suae im.pafie^t,s, adiutorem favitoremque nactus 
6\v/ Alexandrum, qui et urhem Sardes tenehat et Laodlces mairis suae 
frater erat. Dieser Alexandres ist erwähnt in zwei Inschriften: in der- 
selben smyrnäischen (GIG 3137), welche von uns schon mehreremale an- 
geführt ist, und im Ehrenbeschluß der Bargylieten für Tyron, den Sohn 
des Polythnis. In der ersten heißt es: xal rovg xb xh'jQovg avrixnf tovg 
ovo ov rs 6 OBog xal awtijQ 'Arrloxog inBXoiQfigBv airolg xal tibqI oc 'AIb^üv- 
Sgog yBYQay'tjXBV^ Bivai avrolg aSBxarBvrovg (vs. 100 sq.); in der zweiten: 
avayyB7)M{i ob) xal 'Ahl^avSqm. loSt {xarak)B)^in^BY(üi vno {rov ß)a(fUBmg 
xrk. Also Alexandros, der Sohn des Achaios und Bruder der Laodike 
(der Gemahlin Antiochos' IL), war 20 Jahre Befehlshaber in Sardeis. Sein 



1) Foucart. BuU. de Cor. Hell. 1885, Michel 488. Dazu C. F. Lehmann Beitr. III 
531 f. S. jetzt Dittenberger Or. 222, p. 348 sq. 



Der Antiochos der Inschriften ron Ilion. 107 

Brnder Achaios war in dem Kriege zwischen Seleukos II. und Antiochos 
Hierax auf der Seite des Königs Seleukos. Der Enkel dieses Achaios. 
Achaios (der dritte, der jüngste) fiel von Antiochos III. ab, ward besiegt, 
in Sardeis belagert, durch Verräter Antiochos III. in die Hände geführt 
und hingerichtet um das Jahr 214 (wie Polybios ausführlich und glänzend 
erzählt). 

Polyaen hat sich betreffs der Gemahlin Antiochos IL geirrt oder eine 
Verwechslung begangen. 

Die qSbI^ ßaalli<f<fa der sog. sigeischen Inschrift kommt in einer 
anderen Inschrift vor, welche von allen Gelehrten irrtümlich Antiochos ü. 
zugeschrieben wird, der Inschrift von Durdurkar ^), d. i. Eriza^). Es 
ist die Kopie eines Rundschreibens des Königs an alle Gouverneure 
der Provinzen oder Satrapien, gerichtet an Anaximbrotos, der wahr- 
scheinlich Gouverneur von Phrygien war. In jeder Satrapie ist eine 
aQXi^€Q€ia der Schwester-Königin angestellt; in Phrygien BeQSvixri f] nroks- 
fiaiov rav Avaviici%ov, Der Satrap soll das Reskript iv roig imtpavstftaroic 
lonoig aufstellen. Er schreibt an alle Bezirkskommandanten und befiehlt, 
in jeder Bezirkshauptstadt eine Kopie des königlichen Reskriptes auf- 
zustellen. Auch hier handelt es sich um ein Reskript des Königs Antiochos des 
Dritten. Die adekipr] ßaoiXicaa ist dieselbe Person, wie in der sigeischeji 
Inschrift. In der Inschrift von Durdurkar wird sie mit Namen genannt, Lao- 
dike, also gewiß die Gemahlin des dritten Antiochos. Laodike, die Gemahlin 
des zweiten, hat gar keinen göttlichen Kultus bekommen. Sie war von 
dem Gemahl verstoßen worden, um Berenike der Tochter Ptolemaios' 
Philadelphus Platz zu machen. Merkwürdig, daß sie in der Landdonation, 
welche ihr Antiochos 11. zugewendet hat, einfach Aaodixrj heißt, nicht 
nur nicht adeX^rj, sondern nicht einmal Königin. S. die von Haussoullier 
edierte Inschrift, zitiert in diesen Beiträgen I, p. 295, 299'). Wir haben 
gesehen, wie die Smyrnäer sagen, daß sie den Kultus des Vaters des 



1) Herausgegeben von Paris und Holleaux Bull. Corr. Hell. IX (1885) S. 324/330; 
zum zweiten Male von Holleaux cli. XIII (1889) p. 523/9. S. jetzt Micliel 40, 
Dittenb. Or. 224. 

2) Wilhelm GGA 1898 Nr. 3, vgl. Kornemann, Beitr. l S. 79 und die dort 
Zitierten. 

3) S. jetzt Haussoullier, Etudes mr Vhistoire de Milet et du Didymeimi p. 76 ff. 
Dittenberger Or. 225, p. 356 AT. — C. F. Lehmann bemerkt mir hierzu: ;, Haus- 
soullier hatte {Revue de philolcgie 1901 p. 18) angenommen, daß der Mangel jeder 
Titulatur in der griechischen Inscliritt sein Gegenstück habe in der von mir (Zeit- 
8chr. f. Ä8»yriol VII, 1892, S. 330 ff. Anm. 2) zuerst bekannt gegebenen, auf Laodike 
bezüglichen babylonischen Inschrift. Ich habe darauf, Beitr. 1 (1901) S. 299, Anm. l, 
hingewiesen, daß vom Fehlen einer Titulatur in dem von Haussoullier erörterten 
Sinne nicht die Rede sein könne, da Laodike ausdrücklich als Gemahlin {assatu) 
des Königs bezeichnet wurde. Dittenberger verwendet {Or, p. 358 n. 11) genau 
dasselbe Argument gegen Haussoullier. Daß er darin in mir einen Vorgänger hat, 
ist ihm (vgl. bei dem Nachtrag p. 654) ebenso entgangen wie die von Haussoullier 



108 Th. Sokohff, 

Königs Seleukos 11. und auch den Kultus seiner Großmutter haben; 
über den Kultus der Mutter schweigen sie. In der Inschrift von Dur- 
durkar betont der König Antiochos (der dritte nach meiner Meinung) 
seine Liebe zu seiner Schwester-Königin, eben (s. S. 102) seiner Gemahlin 
und Cousine, Laodike der Tochter Mithradates' 11. von Pontos und dessen 
Gemahlin Laodike, einer Tochter Antiochos 11. 

Wer ist nun jene Berenike, die Tochter eines Ptolemaios und Enkelin 
eines Lysimachos? Wahrscheinlich die Tochter des Ptolemaeus Telmessius, 
welcher in der Senatsentscheidung des Jahres 189 erwähnt ist Liv. XXX VII, 56. 
Es gibt einen Ehrenbeschluß der Tef^firioaemv jj noUg für den €7a(fji€kriTrig) 
oder i7n((frQarqYog) Ptolemaios, den Sohn des Lysimachos, vom 2. Dystros 
des 7. Jahres Ptolemaios' DI., also Juni 240. Dieser Regent von 
Telmessos hatte eine Apanage (ager qui Ptolemaei Tdmemi fuisset)^ und war 
wahrscheinlich ein Neffe des Ptolemaios DI., Sohnes seines Bruders Lysi- 
machos. S. Berard, BtdL d. C H, 1890, p. 162 sqq. Michel Becueil cTinsc. 
Or. 547: Ditt. Or. 55. 

Die sog. sigeische Inschrift und die von Durdurkar sind, wie ich 
glaube, ungefähr gleichzeitig und beide um das Jahr 213 geschrieben, 
nach der vollständigen Besiegung des Achaios. — In der Inschrift von 
Durdurkar stand eine Jahresziffer von zwei Buchstaben. Diese Ziffer muß 
(wenn ich auf richtigem Wege bin) nicht größer als P/, HO, gewesen 
sein, also 212 vor Chr. — Im Jahre 240 war Ptolemaios Lysimachos 
Sohn noch sehr jung: 213 konnte er eine erwachsene Tochter haben. 
Er lebte noch im Jahre 189: von ihm und seinem Sohne spricht die 
Inschrift CIGr. 4677: ein Ehrenbeschluß des xoivov rwv Avximv^) Im 
Jahre 189 nahm der römische Senat ausdrücklich die frühere Apanage 
des Ptolemaios Telmessius aus den dem Eumeues und den Rhodiern ge- 
schenkten Provinzen und Gebietsteilen aus; wahrscheinlich wollten die Römer 
diese Apanage dem Ptolemaios Telmessius zurückerstatten. Das Geschenk des 
Ptolemaios, Sohnes des Lysimachos, in Dolos in demselben Jahre (Ditten- 
berger Sylloge*, 588, vs. 94) steht vielleicht im Zusammenhange mit 
dieser Gunst der Römer. Um dieselbe Zeit ist auch der erwähnte Be- 
schluß der Lykicr gefaßt worden: Urokefialov rov aQXt(fwfxc(ro^v/.üxa ymI 
ctQXtxvvrjyoVf tov Uiokefiaiov twv jiQiotajv g>ÜMV xal aQXi'XVvijyov vi6%\ lo 
xohvav rcSv Avxioav^ aqBtfjq evsxev xal evvoiag tfi 6 7rar/}(> avtov duaekel 
nctQBXOfXBvog eXg re ßatfikm IliolB^ialov xal ttjv ddektprjv ßadilKSdav 
KleoTTatqav O^t-ovg 'Emifavklg xal EvxaQictovg xal ta rexva. Ptolemaios 
Epiphanes hat Kleopatra, die Tochter Antiochos HI., um 193 geheiratet. 
Berenike, die Tochter des Ptolemaios Telmessius, paßt zeitlich sehr gut zu 



in deo Etudes p. 86 n. 3 richtig gestellte Tatsache, daß die betr. Keilinschrift 
zuerst von mir und nicht von Schell veröffentlicht, übersetzt und in ihrer histori- 
schen Bedeutung gewürdigt worden ist" 

8 



Der Antiochos der Inschriften von Ilion. 109 

Antiochos DI. Sie ist auch nqo(ST]7tov(ia xara (fvyyiveiCKV, Hier beider ver- 
mutliche Verwandtschaft: 

Antipater, der Regent 

t 319. 

__ _ ^ .. ^ 

Phila Nikaia 

die Gemahlin des Demetrios Pol. die Gemahlin des Kön. Lysimachos. 

I I 

Stratonike Arsinoe 

die Gemahlin des Antiochos I. die Gemahlin des Ptolemaios H. 

I I 

Antiochos 11. Lysimachos. 

I I 

Seleukos U. Ptolemaios Telmessius. 

I 1^ 

Antiochos lU. Berenike ctqt^iq^ia. 

Bisher hat man angenommen, die Berenike iq%iiq%iOL der Inschrift 
von Durdurkar sei die Enkelin des Königs Lysimachos, die Tochter des 
Ptolemaios, welcher, soviel ich weiß, zuletzt um das Jahr 278 vorkommt. 
Die Identifikation dieses Ptolemaios, des Sohnes des Königs Lysimachos, 
mit fXixKS Ptolemaei regis Trog. Frol. 26 und Ptolemaios — vtog cSv vov 
ifUa3iJLg>ov Athen. XDI p. 593 ist unmöglich. Ein adoptierter Sohn des 
Philadelphus würde in den Akten rov ßaademc üwlB^alov heißen. Eumenes I 
heißt Evfieinjg 6 0tlsralqov. 

Ich glaube, daß außer dieser ersten noch zwei andere ilische In- 
schriften mit Reskripten eines Königs Antiochos oder Zitaten aus den- 
selben ebenfalls Antiochos IQ. gehören. 

Die zweite ist zuerst herausgegeben von Clarke, dann von Boeckh 
CIGr. 3596: Dittenberger Sylloge^ 157; Or. 220 p. 344 Brückner in Troja 
und Ilion: „Die Inschriften^^ S. 465 sub 25. 

'EjieiSi] 6 ßaaikevg 'Avrioxog ineaTalxev^ o%i rqavfianag yevofifvog iv 
riJL fidx^^ *K Tov rqdx^^ov deqansvd{eCrj) im Mijrqoiaiqov rov latqov 
uxLvSvv(Dgy i^etftcdxev de neqi avTOv xal Mekiayqog 6 öcqartjyog nqoo- 
qiofiBVog %b %fjc n6)^iX)g avf^i^eqov, dsdox^ai trJL ßovXiji, xal %m dijfAODi^ 
enawidai ii8v\ MriTqoStoqov Tifioxleovg UfigiinoUrriv dqerrjg hexev xal 
svvotag rrjg eig lovg ßatfi^leig ^Avrioxov xal 2b)jbvxov xal tov rfyj/tioi», slrai 
ie avTOV xrL 

Es ist die Rede vom Könige Antiochos III. und seinem Sohne 
Seleukos (IV, Philopator). Das erkannten auch Clarke und Boeckh. — 
Jetzt denkt Dittenberger an Antiochos I. und seinen Vater Seleukos, also 
an Verdienste um den regierenden König und seinen verstorbenen Vater; 
Wilcken noch seltsamer an Antiochos I. und seinen Sohn Seleukos (der 
vom Vater hingerichtet ward). Aus Livius ist bekannt, daß Antiochos III. 



110 Th. Sokdoif^ Der Äntiochos der Inschriften von Ilion. 

verschiedene Male am Hellespontos war, hier längere Zeit blieb und nach 
Lysimacheia hinüberging. Die Wunde des Königs, von der die Inschrift 
spricht, hat er, wie ich glaube, in der Schlacht bei Panion, 198 v. Chr., 
erhalten. Man braucht nicht nach einem späteren, der Zeit der Inschrift 
näheren Gefecht zu suchen: die Wunde ist ja geheilt; der Arzt ist im 
Gefolge des Königs, oder auch in Ilion. Die Stadt Ilion gibt ihm, nach 
dem Wunsche des Königs, ihr Bürgerrecht. 

Die dritte ist von Schliemann gefunden und zuerst herausgegeben 
in den Trojanischen Alterthümern S. 201. Schliemann erkannte ganz 
richtig, daß diese große Inschrift (72 Zeilen) Reskripte Äntiochos' EI. 
enthält (über die Länderanweisungen an Aristodikides). Dittenberger^) und 
Wilcken weisen die Inschrift Äntiochos dem Ersten zu. Der Satrap rfjg 
p(p* 'Ekkri(f7i6vTov (fatQaneiag Meleagros in den Reskripten für Aristodikides 
ist identisch mit dem Meleagros in dem Beschlüsse für den Arzt 
Metrodoros. 



1) SylU 158; Ditt Or. 221, p. 345 f. Audi Brückner a. a. 0. 468 f. sub 45 
sclueibt die Inschrift Äntiochos J. zu. 



10 



111 



Bestätigung der Lösung 
eines Hauptproblems der antiken Chronologie vor Nabonassar. 

Von C. F. Lehmann. 

In meinem Buche Zwei Hauptprobleme der altorientalischen Chrono- 
logie und ihre Lösung (1898) habe ich den Nachweis geführt, daß die 
Wirrnis der älteren Chronologie für die Zeit von der Hmmmirabi-Dynhsiie 
bis auf Nabona.ssar^ mit dem der ptolemäische Kanon beginnt, auf einem Fehler 
in der Überlieferung des Datums von Bavian beruhen muß, welches mit allen 
übrigen, unter einander aufs best<5 harmonierenden keilinschriftlichen und 
ägyptischen Daten in Widerspruch steht. Ich habe gezeigt, daß der 
Fehler ein Jahrhundert beträgt, seine Entstehung aufgehellt, seine Er- 
klärbarkeit betont und den im wesentlichen lückenlosen Zusammenschluß 
und Aufbau der älteren antiken Chronologie dargetan und hergestellt. 
Nicht 418, sondern 318 Jahre, ehe Sanherib Babylon (689 v. Chr.) 
eroberte, hat König Marduk-nadin-ahe^) von Babylon zwei Götterbilder 
aus der assyrischen Stadt Ekalläte unter der Herrschaft Tiglatpilesers L 
weggeführt. Mit anderen Worten: nicht um 1110 v. Chr., sondern um 
1010 hat Tiglatpileser I. von Assyrien regiert. 

Eine Bestätigung für meine Argumentation, deren Bündigkeit Historiker, 
wie u. a. Ed. Meyer und C. P. Tiele, anerkannt haben, ergab der Vergleich 
mit der wiederhergestellten Chronologie des echten Berossos,^) wie ich 

i; Zur Dynastie D der babylonischen Königsliste gehörig. Nur in dieser 
oder in C Nr. 23 resp. 24 „böte sich", so^ schrieb ich Beitr, 111 162*, für lloramers 
„neuen babylonischen König Mahhii-i-Samas * Platz. "Weisbach hat jetzt in der 
Or. Lit. Zeitg nachgewiesen, daß dieser König nur einen) Verseheu Hemmers 
seine Existenz verdankt. Dabei ereifert sich Weisbach sehr unnötig gegen mich, 
als hätte ich die Existenz dieses Königs speziell vertreten. Er übersieht, daß ich mich 
absichtlich, da Ich Bedenken hatte, hypothetisch ausdrückte und Anführungszeichen 
verwendete. Ich schrieb, gerade wie jetzt, in Hamburg, wo mir eine Einsicht in 
die Original -Textausgabe nicht möglich war. 

2) Was den Endpunkt vop Berossos Rechnung anlangt, so habe ich Beitr. 111 
S. 156 von den überlieferten 3 Zahlen für „Dynastie I** als die an sich wahrschein- 
lichste 34091 bezeichnet, aber doch mit Gutschmid und Ed. Meyer der 34090 den 
Vorzug gegeben und es als wahrscheinlich hingestellt, daß Berossos Alexanders 
des Großen Todesjahr mitgerechnet habe, so daß für die historischen Dynastien 
SGCXK) -i 34090 = 1910 Jahre (2232—323 v. Chr.) in Betracht kommen. Ich bin 

1 



112 C, F. Lehmann, 

das in meiner Abhandlung j,Die Dynastien der babylonischen Königs- 
liste und des Berossos'^ (A\^^q Beiträge EQ 145 — 163, bes. S. 160 f. sub 4) 
dargetan habe. 

Meine stets gehegte Überzeugung, daß sich frtLher oder später durch 
Neufunde eine urkundliche Sicherung des durch die Unerbittlichkeit der 
Zahlen gewonnenen und daher auch nicht durch gegnerische Einzel- 
argumente zu erschütternden Gesamtergebnisses ergeben würde, hat sich 
schnell bewahrheitet, und es ist besonders erfreulich, daß sie unseren 
deutschen Ausgrabungen verdankt wird. 

Auf der Stätte des alten Assur (Kalat Schirg&t) ist neben anderen 
historisch wichtigen Dokumenten*) eine große Steintafelinschrift des 
Königs Salmanassar 7.2) gefunden worden. Darin lauten Col. I Z. 32 ff. 
der Rückseite*): 

jetzt anderer Meinung: die überlieferte Hochstzahl 34091, die nur 1909 Jahre 
(2232 — 324 v. Chr.) ergibt, wird durch die Ära des Philippus Arrhidaeus, die 
antedatierend 324 v. Chr. beginnt, gestützt, wie denn ja auch in babylonischer 
Rechnung Alexander nur 7 Regierungsjahre, 330—324, geg:eben werden (s. Ed. Meyer 
oben III S. 133 Abs. 3). Alexander ist überhaupt nicht „gestorben", sondern zu den 
Göttern entruckt, resp. hat als Messias (s. Beiir. III S. 157) Anspruch auf eine 
Wiederkehr. Begreiflich, daß nicht sein Todesjahr teils ihm als letztes, teils 
seinem Nachfolger „als Jahr 0" zugerechnet, sondern nur sein letztes volles 
Lebensjahr als Abschluß des (ev. des diesmaligen) irdischen Daseins berücksichtigt 
wird. Die Tabelle Beiir. III 163 ist daher auf 324 v. Chr. als Endjahr zu 
stellen. 

1) Abgesehen von der unten zu besprechenden Insehrifb eines Königs Satim- 
Adady sind zu nennen : Ziegelinschrift des Königs Tiglatpileser (11), ^Sohnes des 
Adadnirari'', Mitteil der Deutschen Orient- GeselUdiaft Nr. 21 (März 1904) S. 36, 52. 
— Inschrift des Basaltstandbildes Salmanassar' 8 II (ebenda S. 42, 52), die 
mancherlei Erweiterungen und Ergänzungen zu den übrigen annalistischen Texten 
des Königs bildet und sich hinsichtlich des Sieges über Bir-idri von Damaskus 
und die 12 mit ihm verbündeten Könige mit der Inschrift vom Tigris- 
tunnelausgang Sitzimgsher, Berl. Ak. 1900 S. 626 1. sub 3 [,Tgr. 2"] und der von 
der „oberen Höhle" ebenda sub 5 [„Tgr. 4"] beröhrt, die beide, von mir vollständig 
hergestellt, demnächst in den Abhandlungen der Kgl. Oes, der Wiss. zu Göttingen 
veröffentlicht werden. — Ziegelinschrift Sanherib% ebenda S. 35 u. 53. 

2) Mitteilungen der Deutschen OHent-Gesellschaft No. 21 (März 1904) S. 30, 
34, 38, 48. 

3) Von Berlin abwesend und nicht in der Lage, die aus Assur übersandten 
Kopien etc. einzusehen, verdanke ich Delitzsch, dem ich auch hier meinen besten Dank 
ausspreche, die Bekanntschaft mit dem Wortlaut der Stelle: Rucks. Col. I ^ E-nu-ma 
E. HAR. SAG. KUR. KUR. RA ^Mt AS-Sur beli-ia Sa ™ Ui-pi-a (Var. « A-us-pi-a) ^mngü 
Ai'hAr a-hi i-na pa-na ^e-purhi-ma e-na-ah-ma ^ °^ E-ri-hi a-bi iangu AhSur epuJ^-v^) 
^'^2 8U'8i9%kMäte is-tu palt ^"^E-ri-ie il-li-ka^ma ^bUu Jm-u e-na-ah-ma 
40ra(iiu)8awi««f-^>(ilu)Arfarffew^wA^*wr-wa*»q^^^ Col. IP Mtu l^u-u 
ia^{i\\x)SafnSti(si)'(i\Vi)Adad ^langü AiShir e-pu-hi-ma ie-bu-ta H li-be-ru-ta il-li-ku 
*NE ana kir-bi-H im-kut (folgt näheres über die Verheerungen der Feuersbrunst). 
^I-na u-me-hirfna bita ia-a-tu a-na ^ si-liir-ti-hi u-mi-ki-ir usw. — Die Inschrift, die 

2 



Die Lösung eines Hauptproblems der antiken Chronologie bestätigt. 1 13 

(Als?) E. HAR. SAG. KUR. KUR. RA, der Tempel Assurs, meines 
Herrn, den USpia, der Priester(fürst) Assurs, mein Vorfahr, vormals 
gebaut hatte, verfallen war, (da) erbaute ihn EriSu, der Priester 
Assurs; 2 Soß und 39 (= 159) Jahre waren seit^ der Regierung 
der Eri§ic vergangen und nun war dieser Tempel verfallen : Samii-Adad^ der 
Priester Assurs,^ baute ihn; in 9 Soß 40 (= 580) Jahren war dieser 
Tempel, den SamSi-Adad, der Priester Assurs, gebaut hatte, alt und 
baufällig geworden, Feuer war in ihn gefallen" (folgt Näheres über die 
Verheerungen der Feuersbrunst), „in diesen Tagen versorgte ich (sc. Sal- 
manassar I.) diesen Tempel samt seinem Bezirk" etc. 

Der Wortlaut der Angaben scheint zunächst dafür zu sprechen, sie 
wie folgt zu deuten: Von Eri§u bis auf SamSi-Adad sind 159 Jahre ver- 
flossen, und von Samäi-Adad bis aut Salmanassar I weitere 580 Jahre. 
Dann ergeben sich aber unüberwindliche Schwierigkeiten, auf die z.T. bereits 
Dehtzsch hingewiesen hat, aber ohne die richtige Konsequenz aus der 
Sachlage zu ziehen.^) 

Salmanassars L Regierungszeit steht durch eine vom Bavian-Datum 
unabhängige Angabe zum Glück fest. Sein Sohn Tuklat-Ninib L hat 
GOO Jahre vor Sanherib, wie dieser König berichtet, Babylon erobert, also 
um 1289 V. Chr., eine Angabe, die mit allen übrigen Daten, abgesehen von 
dem von Bavian, übereinstimmt. Salmanassar I., Tuklat-Ninibs I. Vater, 
regierte also um 1300 v. Chr. 2) 

Samii'Adad aber, Sohn länii-Dagans, der Priesterfürst von Assur — 
an ihn allein kann gedacht werden 3) — hat nach Tiglatpileser L 641 
-|- 60 = 701 Jahre vor dessen Regierungsbeginn den Tempel des Anu 
und des Adad wieder erbaut.^) Setzen wir Tiglatpileser I, nach dem 



außerdem u. A. wichtige Nachrichten über die unter diesem König erfolgte Aus- 
breitang der altassyrischen Macht nach Norden enthält^ von der wir bisher nur 
durch eine gelegentliche Erwähnung AammamrahaVs 111. wußten — wird von 
Delitzscli vollständig in dem demnächst erscheinenden neuen Heft der Wüsm- 
schaftlichen Vei'öffentlichungen der Z). O.-Gr. publiziert werden. Dabei wird auch die 
Syntax dieses Abschnittes (Funktion des enuma etc.) noch klarer werden. 

1) MitteiL der Z>. 0,-G. Nr. 21, S. 48. 

2) S. Zwei Hauptprobleme S. Gl ff. 

3) An den späteren Priesterfürsten Sa^nsi-Ädad (so geschrieben!) If, Sohn 
IgurkapkapVs zu denken, ist chronologisch völlig unmöglich, noch unmöglicher — 
chronologisch und wegen der wesentlichen Differenz der Titulatur — der Gedanke an 
einen der noch später herrschenden Könige dieses Namens. Übrigens wird „Samki- 
Adad der König der Welt, der Erbauer des Tempels A-USAR**, von dem eine 
„recht altertümliche Steininschrift" in Assur gefunden worden ist (Mitteil, der D. O.-G, 
Nr. 21 S. 33, 51), gewiß mit einem der beiden bekannten Könige dieses Namens, 
entweder dem Sohne Tiglatpileser^ s I, oder dem Sohne Salmanassars IL, identisch 
^eiu. 

4) Prisma-Inschrift Col. I Z. GOff. (Keilinschriftl. Bihl, I A2 t) - ^. Zwei Haupt- 
probleme S. 41ff., 165 f. 

Beitrage z. alten Geschichte IVi. 8 

3 



JH C. F. Lehmann, 

nnkorrigieiten Baviandatum am 1110 (nach dem korrigierten BaTiandatnm 
um 1010; und Saniii-Adad danach um 1820 (1720;, so würde Salma- 
nassar /., falls er 580 Jahre nach diesem regiert hätte, am 1240 (1140; 
fallen, statt am oder karz vor 1300 v. Chr. Da es nnn nn möglich ist. 
Tiglaipileser I 60 Jahre herauf zarücken. weil wir ans dadarch nicht nar 
mit dem fiberlieferten Baviandatam in Widersprach setzen wUrden. sondern 
aaßerdem die zwischen diesem and den samtlichen übrigen keilinschrift- 
liehen nnd ägyptischen Daten bestehende Klaft von ohnehin einem Jahr- 
hundert noch erweitert wurde.') so erkennen wir. daß die neue Angabe 
Salmanassars I. s o unmöglich gedeutet werden kann. — 

Es bleibt nur fibrig anzunehmen, daß die 580 Jahre eine Gesamt- 
summe darstellen, in der die erstgenannten 159 Jahre als deren Be- 
standteil mit enthalten sind. Dabei ist es ffir die Sache gleichgiltig. 
ob man sich mit der Annahme einer sprachlichen Unklarheit oder 
Ungenauigkeit der Vorlage, die der Verfasser des Textes verwertete, be- 
gnügen^ oder vielmehr, was mir kaum zu vermeiden scheint, ein direktes 
sachliches Versehen des Verfassers der Inschrift zugestehen will, dem als 
Material zwei Daten zur Verfügung^ standen: 1. der Abstand zwischen 
dem Bau der EriSu und dem des Samäi-Adad und 2. die Zeit, während 
welcher der Tempel bis auf Salmanassar L überhaupt bestanden hatte, 
soweit sie berechenbar war.*) 

Da der Zwischenraum von U§pia bis auf EriSu nicht angegeben wird, 
so ist klar, daß man für Uäpia's Zeit gar keinen Anhaltspunkt hatte, 
so daß also die Zeit vor Eriäu auch in der Gesaratsumme von 580 Jahren 
nicht^ enthalten sein kann. 

Samii'Adad^ der Priesterfürst von Assur baute demnach am Haupt- 
tempel von Assur 580 -^- 159 = 421 Jahre vor Salmanassar L, von dem 
wir wissen, daß er um 1300 regiert hat. Setzen wir nun Tiglaipileser 1. 
nach dem unkorrigierten Bavian-Datum auf 1110 v. Chr., und damit 
Samii'Adad auf ca. 1820 v. Chr., so kommen wir für Salmanassar L 
i820 ^ 421 = 1399 v. Chr., also auf ein um ca 100 Jahre zu hohes 
Datum. Damit ist bereits angesprochen, daß das korrigierte, d. h. um 
lOOJahre herabgeminderte Bavian-Datum (IVgr/a/p«7e5e?- 7. um 1010: Samfi- 
Adad um 1720 v. Chr.) für Salmanassar I. den unserer anderweitigen 
Kunde ^genau entsprechenden Ansatz 1299 v. Chr. ergibt. Oder anders 
gefaiQi: Samäi' Adad I,^ der Priesterfürst von Assur, fällt nach der richtig 
verstandenen neuen Angabe Salmanassars L genau in die Zeit, in die 

1) Dies scheint Delitzsch, Mitteil, der D. O.-G, Nr. 21 S. 48, entgangen 
KU sein. 

2) „Der Tempel, den" und „derTempel, an welchem ÄawM-^rfa^/ (sc. als Letzter) 
gebaut hatte**, werden z. B. assyrisch gewöhnlich nicht verschieden ausgedrückt. 

3) Man beaclite übrigens, daß das klare ^seit der Regierung des** der ersten 
Zahlangabe bei der zweiten fehlt. 



Die Lösvng eines Hauptproblems der antiken Chronologie bestätigt. 115 ^ 

ich ihn auf Grund meiner Korrektur des Bavian- Datums angesetzt 
hatte: um 1720 v. ChrJ) (-FW^wm ist danach um 1880 v.Chr. zu setzen). 
Dadurch ist meine, durch die Korrektur des Bavian-Datums gewonnene 
Lösung eines Hauptproblems der antiken Chronologie vor Nabonassar nun 
auch durch eine assyrische Angabe, die ein Datum Tiglatpilesers* 1. 
direkt kontrolliert, schlagend und endgültig bestätigt.*) 

1) S. Zwei Hauptprobleme S. 165; und die Tabelle III „Die kassitücke Dynastie C 
der K&nigslüte nebst Synchronismen''. Es ist also nicht richtig, wenn Delitzsch 
a. a. 0. S. 48 schlechtweg bemerkte: ,Auf Grund einer Angabe Tiglatpileser's L 
pflegten wir bisher jenen San^-Adad um 1820 v. Chr. anzusetzen.'' — Weisbach's 
Versuch, die Folge der babylonischen Konige der Dynastie C zu ändern, so daß 
wir u. A. nur mit einem Bumaburiäk zu rechnen hätten [Babylonische Miscellen, 
Heft 4 der Wissenschaftl. Veröffe^itlichwigen der D. 0.-G.\ scheitert daran, daß uns 
ja 2 BumabuHah einer als Sohn des Kada^man- Bei (Zwä Hauptprobleme \S2 ff.) ^ 
der andere als Sohn eines jfirur^a/;7u bezeugt sind, ^aheresin den Jahresberichten der 
GeschicJitswissenschaß für 1903. 

2) Während ich diese Zeilen schrieb, sandte mir J. V. Präsek — unter den 
Historikern, die mein Buch beurteilt haben, der einzige, welcher der 
Lösung meines ersten Problems nur mit einigem Vorbehalt beigestimmt hatte — eine 
spontane Zuschrift, in der er mich zu der Bestätigung, die meine Restrik- 
tion des Ansatzes für Tiglatpileser I. durch die Samsi-Adad-AugSibe in 
Nr. 21 der Mitteil der D. O.-G. erhalte, beglückwünscht. Präsek ist also zu 
demselben Ergebnis gelangt wie ich. 



b* 



116 



Mitteilungen und Nachrichten. 



Zur Religion der alten Thraker. 
Von Oawril Kazarow. 

In den ^M^moires de la soci^te nationale des aniiquaires de France^ für das 
Jahr 1899 (Paris 1901) S. 339 fg. hat Louis Poinssot einige Inschriften aus Bulgarien 
publiziert, unter denen sich auch eine Votivinschrift ^Herculi Invicio'^ aus Arcer 
(Ratiaria) befindet, S. 342. An diese Inschrift hat L. Poinssot sehr beachtenswerte 
Bemerkungen angeknüpft. Ausgehend von der Tatsache, daß in den Inschriften 
aus den Donauprovinzen, besonders aus Dakien, der Hercules Invictus sehr oft 
vorkommt, ferner daß dieser Hercules einige charakteristische Züge aufweist, die 
mit dem Wesen des römischen Hercules nicht gut vereinbar sind, hat dieser 
Gelehrte den Nachweis gefnhrt, daß unter dem Namen des Hercules luvictus in den 
betreffenden Inschriften sich eine nationale dakische Gottheit verbirgt, nämlich 
ein Heilgott. Zur Bestätigung dieser Vermutung dient auch der Umstand, daß 
dieser Hercules oft zusammen mit Aesculapius und den Nymphen erwähnt wird. 
Poinssot hat auch den Beinamen Invictus treffend erklärt. 

Wir mochten unserseits noch folgendes hinzufügen. Dieser Heilgott scheint 
überhaupt thrakisch zu sein; es ist sogar möglich, seinen thrakischen Namen zu 
rekonstruieren. Wir kennen nämlich einen makedonischen Heilgott JdgQtay, mit 
dessen Namen Crusius (Röscher, Lexikon der- griech.-röm. Mtjth. I 963) den Namen 
des thrakischen Stammes j€i(iCMt oder Jt^nloi JtQgaio^ verglichen hat (vgl. 
Tomaschek, Die alten Thraker I S. 68). Wie genugsam bekannt ist, tragen 
Volksstamme oft den Namen eines Gottes; deshalb hat Useiier (Göttemamen, 
S. 359, 171) einen thrakischen Heilgott "^JiifHfos rekonstruiert Das ist derselbe 
Gott, den auch der thrakische Stamm der Daker verehrt hat. 

Das Gesagte ist nicht außer acht zu lassen, wenn wir die weite Verehrung 
des Aeskulapius in Thrakien erklären wollen. Votivinschriften an Asklepios tinden 
sich in Bulgarien nicht selten; vgl. z. B. die von Dobrusky publizierten griechischen 
Inschriften in der bulg. Zeitschrift ^Ministerski Sbomik'^: Bd. XH S. 322; Bd. XllI 
S. 427, 429; dieNaraen der die Inschriften Weihenden sind teilweise thrakisch. Hier 
gehört auch des Escidapivs Zimidrenus, den die Thraker zusammen mit dem thra- 
kischen Reiter nach Rom gebracht haben. Es ist sehr wahrscheinlich, daß As- 
klepios - Esculapius die griechische, beziehungsweise römische Bezeichnung für 
den Landesheilgott des Thraker ist Es ist ja bekannt, daß dieselbe Erscheinung 
auch bei anderen Göttern vorkommt: Apollo, Diana, Liber (vgl. v. Domaszewski, 
Religion des rim, Heeres, S. 53 fg.). Sofia. 



Der Geburtstag des Antiochos Epiphanes. 
Von Hugo Willrich. 
Schürer hat im Jahrgang 1901 der Zeitschrift für neutest. Wiss. p. 48—52 
das ihm bekannte Material über die monatlichen Geburtstagsfeiern für die helle- 
nistischen Könige zusammengestellt und damit gezeigt, daß die seit alters gegen 



Mitteilungen und Nachrichten. 117 

die Realität einer solchen im II. Makkabäerbuch 6, 7 erwähnten Feier lürAntiochos 
Epiphanes erhobenen Bedenken unbegründet sind. Schürer übersieht dabei aber, 
daß jene Stelle schon in der Parallelstelle des 1. Makkabäerbuches eine Stütze 
iindet. Während in II. Makk. 6,7 die Juden allmonatlich am Konigsgeburtstag zur 
Teilnahme am Opferschmaus gezwungen werden, ohne daß hier ein Datum genannt 
würde, heißt es I. Makk. 1,54—63, am 25. Kislev (der in II. Makk. erst c 10,5 
genannt wird) sei auf den heidnischen Altären geopfert worden, und man habe 
die Juden dabei tribuliert, was fortab alle Monate geschah. Wenn uun hier auch 
nicht gesagt wird, daß es sich um die Feier des Königsgeburtstags handelte, so 
liegt es doch auf der Hand, daß. diese allmonatlich dargebrachten Opfer eben zu 
ihr gehörten, daß also Antiochos Epiphanes am 25. Tage eines Monats geboren 
sein muß; ob gerade am 25. Kislev (Dezember), das bleibt noch fraglich. Es 
würde für den »tos imtf^ay^s allerdings sehr passend sein, wenn er am Tage solis 
invicti auf die Welt gekommen wäre, aber es ist nicht notwendig anzunehmen, 
daß die Einführung des Herrscherkultes in Judäa gerade auf den Jahrestag seiner 
Geburt gelegt worden sei. 

Zur babylonischen Feaerpost. 

(S. 0. Bd. III S. 169.) 
Von C. Fries. 

Die oben geäußerte Vermutung, die in Aischylos Agamemnon 268 IT. ge- 
schilderte Post und die persischen ayyaQtia gingen schließlich auf babylonische 
Vorbilder zurück, findet jetzt eine überraschende Bestätigung durch eine Mitteilung 
Von Herrn Prof. Zimmern, der mir freundlichst schreibt: „Ich stoße eben per Zufall 
auf eine Stelle, die mir für Ihre Aufstellungen über die „babylonische Feuerpost** 
äußerst wichtig erscheint und wonach Sie wohl doch Recht behalten werden, 
dieseEinrichtungschon für dieBabylonier zu reklamieren. Bei Tallqvist, 
Die assyr, Beschwörungsserie Maqlü Taf. VI 103 f. und 1 1 1 f. wird die Hexe angeredet: 
Wohlan, meine Zauberin, 
die nach je einer Doppelstunde Feuer anfachte, 
nach je zwei Doppelstunden ihren Boten absandte 
(Forts.: ich kenne Dich und werde mich durch ausgestellte Wachen gegen Dein 
Herannahen schützen). 

Der Ausdruck von dem „Feuer anzünden'' und parallel dem „Boten aus- 
schicken" wird hier zweimal so gebraucht, daß mit Sicherheit daraus geschlossen 
werden kann, daß dieses Feuerzeichen je nach einer Doppelstunde (oder vielleicht 
noch besser je nach einer Doppelstundenstrecke) und dieses Abschicken eines 
Boten je nach zwei Doppelstunden (bezw. je nach einer Zweidoppelstundenstrecke) 
eine damals übliche Verkehrseinrichtung war. — Die Maqlü-Texte stammen aus 
Assurbanipals Bibliothek, sind aber gewiß viel älteren Ursprungs." Zu der Maqlü- 
Stelle bemerkt Zimmern noch, sie sei „wohl so zu verstehen, daß alle 2 Weg- 
stunden eine Feuersignalstelle und alle 4 Wegstunden eine Botenauswechselstelle 
bestand*". Die Richtigkeit dieser Annahmen ist einleuchtend und erhellt aus der 
in der Tafel 6 herrschenden Vorstellung von der alle Länder durcheilenden Hexe, 
für die der Vergleich mit der Post sehr nahe liegt. Z. 119 ff.: (nach Tallqvist) 
Dein Gebiet ist die Gesamtheit der Länder, 
alle Gebirge überschreitest Du. — (Ebenso Z. 128 f.) 

— Auf meiner Straße wird Wache sein, neben meiner Pforte werde 

ich Diener aufstellen. — 

— Die Gotter der Wache 

— mögen die Zauberin töten. 



118 Mitteilungen vnd Nachrichten, 

Dahin geliört vielleicht auch, was Taf. 8 Z, 1 ff. gesagt wird: 

Die Zauberin, welche auf den Straßen umhergeht, 

in die Häuser eintritt, 

in die Burgen einschleicht, 

auf den Plätzen hervorschreitet, 
und wenn das. Z. 96 f. von ihren „behend gehenden Füßen" und ihren ,aus- 
schreitenden Knien*" die Rede ist. Man merkt, wie der unheimliche Eindruck 
der schnellen, überall gegenwärtigen königlichen Aufsichtsbehörden, der „Augen" 
und .Ohren" des Königs, vor denen niemand sicher war und die wie ein Vehm- 
gericht schnell und ohne Berufung das Urteil vollstreckten, auf die Phantasie 
wirkten und daher für derartige Vergleiche höchst geeignet erscheinen mußten. 
Vgl. Esther 8, 10 (Siegfried): „Und er (Mordehai) schrieb im Namen des Königs — 
und er sandte Schreiben aus durch die Läufer, durch Berittene, die auf herrschaft- 
lichen Eilpferden ritten", 8, 14: „Die auf Eilpferden berittenen Läufer, die Renner, 
zogen auf Befehl des Königs nur eilend und gehetzt". 

Xen. Cyrop. VIII 6, 18: lovrtav di ouiu> ytyyofiitftay ytt«T* nytC &ttiToy rtüy ytqiivüiv 
jttUTtiy rijy noQtiay dyvrny, ti di tovjo tptvtfoyrnt aXX ort yt rtjy aydQomiytjy nt^jj 
nophMjy avrtj itixiari rovtQ tud>jXoy. Herod. VIH 98 lovtioky öt rwy ayyiktay i<m ovdiy 
o, r* Suacoy naQuyiytiM Sytiroy ioy, Diod. XIX 57: avros di {Ayriyoyos) naatty r^y 
Aciay^ ^^ ^y xvqmS^ d&iXitßt nvQCoU xai ßtßXiaq-ogo^S di aiy o|cW ^juMty vntiQU^a^M nayra. 
Den Anlaß zu jener Vermutung gab mir damals eine Inschrift Assurbanipals, 
die in C. F. Lehmanns ^maSmmuktn 11 25 Inschr. L.* Kol. 111 Z. 10 lautet: 
„Ich sah das Aufleuchten der Fackeln; für jede Wegstunde war eine augezündet" 
Daß die Stelle, mit Jensen und Delitzsch richtig übersetzt und ergänzt, laute: 
„Holzscheite wurden entfacht, Fackeln angezündet; auf 1 KAS. PU ward Helligkeit 
verbreitet", bestätigte mir Lehmann (vgl. Beiir. III S. 39« Anm. 2), der mir im 
Anschluß an seine dort von mir wiedergegebenen Ausfuhrungen jetzt folgendes 
schreibt: „Zimmern hat auch mir seiue wichtige Beobachtung mitgeteilt Sie 
bestätigt aufs schlagendste die Richtigkeit meiner Ihnen ausgesprochenen Ansicht 
{Beitr. III 396'), daß »am Sinne kaum etwas verändert werde«, da »es sich um 
lauter Maßnahmen handle, die während der ganzen Dauer der Überführung des 
Mardukbildes von der Stadt Assur bis nach Babylon fortgesetzt wurden. Wenn 
dauernd auf einer Wegmeile Helligkeit herrschte, so war zwar natürlich der ganze 
Umkreis erleuchtet, aber in unserem Zusammenhange komme es doch wohl 
zunächst darauf an, daß der Weg des Gottes beleuchtet und durch Feuermale 
bezeichnet war, deren jedes den Weg ein KAS. PU weit beleuchtete«. — Aber 
noch mehr, auch rein sprachlich ist jetzt absolut klar, daß die Entfernungs- 
bezeichnung distributiv gemeint ist Die ganze Stelle lautet: »^) Sama^him-ukin 
mein ebenbürtiger Bruder (ahu ta-li-me-ia Zimmern) *) erfaßte die Hand seiner 
Gottheit und wandelte (iiadiha) ihm zur Seite (? ildä-su] Zimmera). ^) Von der 
(Ufer-)Mauer von Assur bis zur (Ufer-)Mauer von Babylon, wo man ihn nieder- 
setzen wollte (äsar üakanü-d[u], futur. Bedeutung, daher Praesens), ^) wurde Hoch- 
wild geschlachtet, Stiere erschlagen (7m/-/w-kü, HW529), Weihrauch gestreut 

^) Opferschmaus jeglicher Art brachte man morgens und abends dar, *") Holzstöße 
(ab[p]ri ?) wurden (waren) entfacht, Fackeln angezündet, auf je eine Doppelstunde 
(„Wegmeile": ana I KAS.PU-a-an) war(d) Helligkeit verbreitet (wa-iiiir-[^M] [Sjak-nat, 
Jensen). ") Alle meine Truppen wie . * . umgaben sie ihn (hitasljuru)^ Tag und Nacht 
machten sie Musik (UtkunA nin'g[u]'[t]am, Zimmern), ") die Göttinnen Bellt von 
Agade, Nanaia, U^uramatsa .... am Ufer des Flusses hatten sie Stellung genommen 
und erwarteten den König der Götter, den dreimal heiligen Bei« etc. — 

Die der Bezeichnung I KAS. PU beigefügten Silben -a-an habe ich von vorn- 



Mitteilungen und Nachrichten. 119 

herein als Distributiv-EnduDg gefaßt, daher meioe Übersetzung ^fur j e d e Wegdoppel- 
«tttnde^ genauer „Doppelstunden- weise*". Durch die Endung -an werden nominale 
Bildungen adverbialen Sinnes aus reinen Substantiven abgeleitet, und speziell 
üus den Numeralia (s. Deutsch, Assyr, Gram. § 80 c, § 77); sie können mit einer 
Präposition verbunden sein. Doch war derartiges für KAS. PU sonst nicht belegt, 
und eine natürliche Scheu widerriet, bei einem Nomen, das nur als Ideogramm 
nicht in seiner Aussprache bekannt ist, an Weiterbildungen zu denken. Durch 
Zimmem's Hinweis auf die Maqlü-SieWe wird die Saclie gesichert, denn „nach je 
einer Doppelstunde**, wie schon der Herausgeber Tallqv ist richtig übersetzte, ist 
dort genau so durch I KAS. PU-a-aw ausgedruckt, „nach je 2 Doppelstunden ** 
dagegen begreiflicherweise nur durch ana 11 KAS. PU, ohne -a-an. 

Es bleibt also dabei, daß der Weg des Gottes durch Feuermale, die einander 
in einer Entfernung von 1 Doppelstunde folgten, beleuchtet ward. Die Maqlü- 
Stelle zeigt, wie Zimmern betont, daß dabei eine postalische Einrichtung verwendet 
ward, die in Assyrien, und da der Text der Maqlü-Serie doch aus älterer Zeit 
stammt, womöglich schon im älteren Babylonien bekannt war. Das Bild des 
Gottes wurde übrigens offenbar auf dem bequemen Wasserwege Tigris— Kanäle— 
Euphrat von Assur nach Babylon befordert. Seine Reise ward als eine große 
Schüfsprozession aufgefaßt (vgl. den terminus technicus üadiha), nach dem Muster 
der alljährlich zu Neujahr üblichen Prozession des Marduk auf dem Euphrat. — 
Die Feuermale werden am Ufer der Wasserläufe aufgestellt gewesen sein. 

So weit Lehmann. — 

In einem indischen Dialog (K. E. Neumann, Die Beden Gotamo Buddho's 
I 248, p. 149 Trenckner) sagt König Pasenadi: „Während meiner Anwesenheit in 
Sävatthi hat mich ein bestimmtes wichtiges Ereignis nach Säkatam gerufen. Da 
befahl ich, sieben Eilposten zwischen Sävatthi und Säkatam für mich einzustellen. 
Und ich verließ meine Burg zu Sävathi, bestieg vor dem Tore die erste Eilpoj^t 
und fuhr mit dieser ersten bis zur zweiten. Dann stieg ich aus der ersten in die 
zweite ein und fuhr mit dieser zweiten bis zur dritten. Dann stieg ich aus der 
zweiten in die dritte ein und fuhr mit dieser dritten bis zur vierten. Dann stieg 
ich aus der dritten in die vierte ein und fuhr mit dieser vierten bis zur fünften. 
Dann stieg ich aus der vierten in die fünfte ein und fuhr mit dieser fünften bis 
zur sechsten. Dann stieg ich aus der fünften in die sechste ein und fuhr mit 
dieser sechsten in die siebente ein und bin mit der siebenten Eilpost in Säkatam 
angekommen, hier vor dem Burgtor." Das entspricht genau der persischen Eilpost 
und läßt auf wirkHche Einrichtungen schließen. Von Indien mag das nach Osten 
weiter übertragen worden sein. Für China bezeugt Entsprechendes Marco Polo. 
Es gibt dort Pferdequartiere, wo „3 oiier 400 Postpferde allemal fertigstehen und 
auf die königliclien Kouriers warten, welche, nachdem sie von hier abgereiset und 
ausgeritten, nach 25 (engl,) Meilen andere Herbergen antreffen, den ersten nicht 
unähnlich, und solches geht dann kontinuierlich so fort bis an die letzten Grenzen 
des Reichs". (Stephan in Raumers Hütor. Taschenbuch 18 S. 78 Aum. Heeren 
Ideen I, 1, 497b.) Für Persien ist die Einrichtung durch Herodot und Xenophon 
bezeugt. Als schweres Vergehen wird die Verletzung eines Eilboten angesehen. 
.(*0^o»T>/0 ttkktt Tt i^vßQtat Tittyrotn xni nva ttyYttQfnov — XTtiyn. (llerod. HI 126.) 
In Aischylos' Beschreibung erinnert manches außer dem Wort uyyuQog (269 Kirch- 
hoff) an den persischen Brauch. Die Schnelligkeit der Botschaft überrascht die 
mykenischen Greise (v. 255 ft*. 267 xal rU ToiJf ^ixoii lev ayyfkiav raxo^;), ebenso wie 
Herodot und Xenophon davon überrascht waren (s. o.). — Bei Aischylos wird die 
Feuerkette an Hephaistos angeknüpft: ''/ry«i<T7off*/cr^f ka^uTiQQv fxm/uniay cikag (268) 
und von kafutttfSritfOQtav yo/Äoi llcrodot (299). Herodot sagt VIII 98 t6 dt iyrtvSty Jcfiy 
Ttttt ttkkoy (Tifff^/fTfr« TittQfcdiJofjitytt xmantQ^'Ekkrjfft 17 ktt/nnttdijff oQ^t] i^y ro}*'H(f niaiw 



I 120 Mitteilungen^ tind Nachrichten. 

I 

imitXiovat. Vielleicht hat hier dem Geschichtsschreiber die Aischylosstelle vor- 
geschwebt, vielleicht ist die ÄhDlichkeit auch nur dadurch entstanden, daß der 
Dichter ebenfalls an den griechischen Fackellaul dachte. Persisch mutet es dann 
wieder an, wenn die Unermüdlichkeit der Eilboten und Wächter geschildert wird 
V. 277f.: 

ö (T üvn ^iXkmy ovcT ih^ (taa/ioytas vnv^ 

yueta^tyos nag^xtv ayyilov fji^os 

I oder: 

tuT tty di yvxnnlayxroy tyd^aoy i ^/cu 

tuy^y oyttQo&s ovx inuntonov^iyny 
ifA^y* ffoßos yaQ ay&* vnyov 7i(tQ{t<naul 
t6 /irj ßtßttkjs ßlitfaQa avftßaktly vny^ (12 ff.) 
t Ahnlich von den persischen Boten Herod. VIII 98: oSu yigttog ovx o/jßQos od xav/jia 

Ob yv^ tQyth /i^ ov xatayvCM roy ngoxHfityoy iatvi^ d^ofioy T^y ra^Umiy^ die Ähnlich- 
I keit mit Aischylos tritt auch hierin hervor. Die Anregung zu seiner Fackelpost- 

beschreibung erhielt der Dichter vielleicht durch Ereignisse wie die Feuerbotschaft 
des Mardonios von der Einnahme Atliens. . Herod. IX 3 {Mtx^oyim) nvqcolot dttt 
ytffftay Mxit ßatfikii^ dtjXiaat^y ioyit iy Sagdiat on f^o^'A^iyaC. £s liegt eine beabsich- 
tigte Antithese darin, wenn der Perser dta y^aaty durch nvQcol die Einnahme der 
Griechenstadt Athen, bei Aischylos dagegen der Griechenfürst auf demselben Wege die 
Einnahme des asiatischen Troja nach Mykenai meldet, für den Zeitgenossen gewiß 
nicht unverstandlich! Vgl. die griechisch-orientalischen Gegenüberstellungen bei 
Herodot 1, prooem. Der Prolog des Agamemnon mit den Klagen des tfvka^ beruht 
gewiß auf Kriegserinnerungen und Lagererlebnissen des Aischylos. 

Die Diadochen (Diodor. 1. c.) übernahmen den Brauch wohl vom Orient, nicht 

, von den Griechen, deren politische Zersplitterung eine so einheitliche Organisation 

nicht aufkommen ließ. Wohl aber kannten sie Feuerzeichen im Kriege. (Herod^ 

VII 182 Thukyd. II 94, III 22, 80 u. a.) — Das Beispiel der Diadochen ahmten 

; dann die Romer nach. 

cancursans velut angarius clareque quiritans heißt es bei Lucilius (200). 

Et quo celerius ac sub manum adnuntiari cognoscique posset quid in provincia 

quaque gereretur, iuvenes primo modicis intervallis per militaris vias, dehinc vehicula 

' digposuit (Suet Aug, 49). Auch der orientalische Ausdruck erhielt sich im Latei- 

I nischen als angaria, angario, angarium (s. Otto, Thesaurus Linguae Laiinae 11 1, 43 ff.)* 

undbisins Mittelalter hinein wurde das Kourierwesen an^ana genannt(Stephanl.c.S.76). 

Dass Babylonien, das recht inmitten all der erwähnten Lander gelegen ist^ 

allein von solchen Einrichtungen nichts gewußt habe, ist höchst unwahrscheinlich. 

Die Perser waren ja in mannigfachster Weise Schüler der Babylonier, wenn da» 

I auch von mancher Seite noch nicht genügend anerkannt wird, wie Lehmann 

I (BahyUmiens Kulturmission einst und jetzt , S. 31) sehr mit Recht hervorhebt. 

I Dahin gehören z. B. die großen Heeresstraßen des alten Persiens (Herod. V 49)^ 

I die wahrscheinlich auf babylonischeu Anlagen beruhen (Kiepert, Sitzungsber. d. 

i Berliner Akad. 1857 S. 12311.; Radet, La Lydie et le monde Grec. S. 23 f. Vgl. auch 

' Speck, Handelsgeschichte des Altert. I 287). Bei den Griechen selbst galt Pala- 

medes als Erfinder der Feuerpost. In der (Gorgianischen) Rede vntQ nakafiidovc^ 
anokoyia führt P. unter seinen Erfindungen auch an nvgaovs rt xQtnicjovg xat raxi<novg 
ayyikove (Orr, Att. Sauppe II 137a 25 sq.). Im „Nauplios** des Sophokles stürzte 
I der Vater des Palamedes, um den Sohn zu rächen, die Grieclienflotte durch eiu 

j falsches Feuerzeichen ins Verderben (Hyg. fab. 116. Nauck frr. Trag. Gr. * p. 223) 

Als Erfinder der nvqcot erscheint Palamedes auch SophocL NaupU fr. 399, 6 N., 
Schol Eur. Or. 432 und Ps-Alkidamas Odyss. § 28. Mit Recht erkenut E. Curtius 
{Bh. Mus. VII 455 if.) in Palamedes eine Personifikation der phoinikischen Kultur^ 



Mitteilungen und Nachrichten. 121 

alle ihm zugeschriebeDen ErfinduDgen lassen darauf schließen, so daß den Griechen 
schon eine ziemlich klare Vorstellung von dem richtigen Sachverhalt eigen gewesen 
zu sein scheint. 

Zum Schluß noch ein Argument, das vielleicht starker ist als alle anderen. 
Das Wort ayya^os selbst ist aus einer idg. Wurzel nicht abzuleiten, vielmehr geht 
es wahrscheinlich auf das babylonische agru = Mietling zurück, wie Jensen (bei 
P. Hom, Grundrifs der neupersischen Etymologie S. 28 u. 254) vermutet. Er macht 
das u. a. wahrscheinlich durch den Hinweis darauf, daß das Synomymon für 
ayyaQos bei Suidas, aaydydtiS ebenfalls auf das Babylonische zurückgeht, auf 
asgandu = Eilbote.') Nach alledem kann ein Zweifel an der babylonischen Post 
wohl kaum noch bestehen. 



Nochmals die Chronologie des chremonideischen Krieges. 
Von C. F. Lehmann. 

Dem 1903 erschienenen dritten Teile seiner Geschidite der yriechisdien und 
makedonischen Staaten hat Niese eine „chronologische Beilage'' angehängt; dabei 
bespricht er auch die attischen Archonten des S.Jahrhunderts. Da heißt es: 
„Athen ward erobert unter dem Archon Antipatros, dem Vorgänger des Arrheneides. 
Arrheueides ist der Archon von 2B2/I, folglich Antipatros von 263/2 v. Chr. Wir 
verdanken dieses Resultat den vereinigten Bemühungen von Jul. Beloch und 
Crönert Beloch setzt danach den Archon Peithidemos, unter dem das Bündnis 
geschlossen ward, in das Jahr 266/265.* Dazu dann die Anmerkung: „C. F. Lehmann, 
Beitr. zur alten Gesch. 111 170 f., setzt ihn zwei Jahre hinauf, geht aber dabei 
von der irrigen Annahme aus, daß der Tod des Arcus 266/5 falle.*^) 
Wenn Niese bisher der Ansicht gewesen ist, daß Arcus im Jahre 265/4 oder um 
klarer zu sprechen, ,im Sommer 264" (Beloch, Beitr. II 475), gestorben ist, so hat 
er das zum mindesten sehr wenig deutlich ausgedrückt. Bd. II S. 130 mit Anm. 2 
bezeichnet er „265 v. Chr." als „das Todesjahr des Königs Arcus von Sparta" und 
verweist iör näheres auf Buch 7 § 7, wo es S. 235 Anm. 7 wie folgt heißt: „Die 
Zeit bestimmt Diodor XX 291, wonach Arcus 309/8 auf den Thron kam und 
44 Jahre regierte, sein letztes Jahr ist also 266/5, und in diesem oder 
dem folgenden muß er gefallen sein. Diodors Zeitbestimmung muß so lange 
gelten, als sich keine überzeugenden Gründe gegen ihre Richtigkeit vorbringen 
lassen. Nicht zu verschweigen ist, daß seine Zahlen oft irrig oder verderbt sind 
und daß ihm gerade bei den spartanischen Königen ehn'ge Versehen begegnet sind." 

Wie liegt nun die Sache tatsächlich? In seiner eingehenden und einleuch- 
tenden Untersuchung über die Chronologie der spartanischen Königshäuser berechnet 
Ed. Meyer {Forschungeti II 510 f.) auch das Todesjahr des Arcus. Er setzt die aus 
den Todesdaten der einzelnen Könige berechneten Daten der Agiadenliste dort 
in chronographische Regierungsjahre um: 

Pleistoanax öO J. 548/7—409/8 



KleomenfS II 61 „ 370/69—310/09 
Arcus 44 „ 309/8—266/5. 

Diese Liste ist, wie Meyer betont, gleich der Eurypontidenliste, völlig korrekt, 
wenn wir nach im Herbst beginnenden Ephorenjahren rechnen und abweichend von 

1) Berld (Hörn) S. 28) = babyl. Iniridu (buradu). Eilbote, schnelles Pferd 
(Jensen); verwandt mit veredus, paravere.dus? 

2) Von mir gesperrt. 



122 Mitteilungen und Nachrichten. 

Diodor, das letzte Jalir einer Regierung als Todesjahr des betreffenden Herrschers 
betrachten. — Wenn wir in ^zweifelhaften Fällen den Thronwechsel nicht in das- 
jenige vorchristliche Jahr setzen, dem noch die drei ersten Monate des Ephoren- 
jahres angehören, sondern in das folgende, also z. B. den Tod des Pleistoanax im 
Ephorenjahre 409/8, ins Jahr 408, so ergibt sich: 

309 KleomenS II f. 
265 Arcus fällt bei Korinth. 

Wer also Arcus Tod ins Jahr 264 setzen will, wird überzeugende Gründe 
gegen Diodors Daten oder gegen deren organische Verwertung vorbringen müssen. 

Im übrigen betone ich wiederholt, daß auch Beloch die Möglichkeit, Peitho- 
demos ins Jahr 268/7 zu setzen, gestreift hatte (vgl. Beitr. 11 474 mit Beitr. III 
171) und daß dieser mein Ansatz durchaus nicht allein oder vorwiegend durch 
Arcus Todesjahr bedingt ist. Vielmehr wurde ich, selbst wenn Arcus' Tod ins 
Jahr 264 v. Chr. zu setzen wfire, an jenem Ansatz festhalten, u. a. und besonders, 
weil, wie bei Beloclis Annahme — da im Jahre 266,5 nach dem im August gefaßten 
Pseplnsma des Peithodemos nicht mehr viel geschehen sein könnte — als eigent- 
liche Kriegsjahre um 265/4, 264/3 und 263/2, das Jahr des Friedensschlusses in 
Betracht kämen. Ich bleibe dabei, daß das eine zu „knappe Zeit für die berichteten 
Ereignisse** ist, daß insbesondere dabei der Einfall des Alexandres, Sohnes des 
Pyrrhos, der den Anligonos zur Rückkehr nach Makedonien zwang, dabei nicht 
zu seinem Rechte kommt. 



Jacoby's Apollodor. 
Von C« F. Lehmann. 

Uns liegt vor: ApoUodors Chronik. Eine Sammlung der Fragmetite von Felix 
Jacoby. (Philoloffische Untersuchungen, herausgegeben v. A. Kiessling und 
U. V. Wilamowitz-MoellendorfT. 16. Heft. Berlin, Weidmannsche Buchhandlung 
1902, 416 S. 80.) 

Die Diels gewidmete treffliche Schrift, die einem ernsten Bedürfnisse ent- 
gegen kommt, bietet 115 echte Fragmente, unter denen namentlich die den her- 
kulanensischen Philodemos-Papyri abgewonnenen 15 hier zum erstenmal bequem 
zugänglich gemacht werden, und zwar aus dem Index Academicorum 11, aus dem 
Index Stoicorum 2 und aus der Schrift ilfQl ffUoaog-wf^ 2. Auf Buch 1 entfallen 
33 Fragmente, auf Buch II: fr. 34—64, auf III: 65—95, auf IV: fr. 94—111. „Aus 
unbestimmten Büchern" stammen fr. 112/5. Zu jedem Fragment eingehende 
historische und literargeschichtliche Erläuterungen. Es folgen die 4 pseudo- 
apollodorischen Fragmente (116/9) und Fasti Apollodori (S. 403/13). 

Von den neuen Fragmenten ist historisch am wichtigsten No. 85, der Ab- 
schnitt aus Philodem JitQi tfdoaoifw»^ col. III, durch welchen der Abschluß des 
chremonideischen Krieges bestimmt wird, und an das sich, seitdem Jacoby das 
ihm von Croenert mitgeteilte Stück in seiner Dissertation 1900 veröffentlichte, 
bereits eine reichhaltige Literatur augeknüpft hat. S. besonders Jacoby, diese 
Beiträge II 163 ff.: Kirchner, Prosopographia Attica I no. 1163, 2252, 3853; Hermes 37, 
435 ff.; Beloch, diese Beiträge II 476; Hermes 38, 136 ff.; C. F. Lehmann, oben 
Bd. III S. 170 f. sowie soeben S. 121 f. — Daß Diognetos nicht „endgültig auf 263/2 
rückt", daß somit auch das Marmor Parium nicht 263/2 verfasst ist (Jacoby, 
diese Beiträge 11 407 m. Anm. 1) und daß eine Annahme, nach der der chre- 
monideische Krieg „im gleichen Jahre, in dem Areus gefallen ist, oder im folgen- 
den" zu Ende ging, nicht „sachlich wie chronologisch befriedigt", wird der Ver- 
fasser aus den seither geführten Diskussionen bereits selbst erkannt haben. 
Entscheidend ist Philodems Zeugnis {ntgi ff^locot^mv Col. IV), wonach Zenon unter 



Mitteilungen und ifachrichien, 123 

Arrheneides 39 Jahre und etliche Monate (exklusiv gezählt) nach dem Archontat 
des Klearchos 301/0 gestorben ist (Beloch-Croeneit, Beitr. 11 474 f.). Mit dieser 
Notiz gewinnen wir ein neues Apollodor- Fragment, das am besten als *78b neben 
^78", Philodems Bemerkung, daß außer den Stoikern selbst Apollodor den Zeno 
als den eigentlichen Begründer der Stoa betrachtet habe, eingereiht wird. Durch 
sie wird ja außer Zweifel gestellt, daß die Nachricht über die Begründung der 
eigenen Schule durch Zeno 301/0 (Beloch, Beitr. 11 475') und seinen Tod 262/1 
aus Apollodor stammt. So lange die entscheidende Stelle unleserlich schien 
wurde die Nachricht mit Recht von Jacoby nur anmerkungsweise zu No. 78 her- 
angezogen (S. 363^). Das Fragment wird als ,mit Sicherheit der Chronik zuweisbar"", 
aber „ohne Apollodors Namen überliefert" mit dem Sternchen zu versehen sein. 

In 4 einleitenden Kapiteln (S. 1/74) werden das „Leben Apollodors*" auf 
Grund der 3 Zeugnisse des Suidas, des Pseudo-^Skymnos" in/49 und des. Philo- 
dem in der Geschichte der Stoa, „die Chronik", „Apollodors Methode** und „der 
didaktische Jambus**, den Apollodor zuerst anwendete, behandelt Apollodor hat, 
nachdem er Alexandria verlassen, — auch er wahrscheinlich durch Ptolemaios VIII. 
146 v. Chr. vertrieben (S. 8) — in Pergamon einen neuen Wirkungskreis gefunden 
und sein in 3 Büchern bis 145/4 v. Chr. geführtes Werk dem König Attalos ge- 
widmet. Daß echte apollodorische Nachrichten, die über diesen Termin herunter 
gehen, überliefert sind und daß deshalb eine zweite Auflage der Chronik anzu- 
nehmen sei, hat zuerst Bergk, Hallenser Juli-Programm 1865, ausgesprochen, zum 
gleichen Resultat kamen Bahnsch und Diels. Daß Bergks „Abhandlung ganz 
unbeachtet geblieben zu sein** scheine (S. 12 f), mag für die Entwicklungsgeschichte 
der Frage zutreffen: neuerdings hat aber schon Wachsmuth, Einleitung in das 
Studium der alten Geschichte (1898) 132 '^ auf Bergks Vorgang hingewiesen. Im 
übrigen kommt Jacoby zu dem Ergebnis, daß das ganze „Buch IV, fQr das uns 
Philodem die meisten Fragmente liefert, als ein die jüngste Geschichte behan- 
delnder Nachtrag gesondert herausgegeben wurde, so daß es sich in erster Linie 
nicht um eine zweite Gesamtauflage im eigentlichen Sinne handelte. Daß Haupt- 
werk und Nachtrag von den Späteren „als ein Werk betrachtet wurden,** ist nicht 
nur mit Jacoby als selbstverständlich zu betrachten, sondern lag gewiß in der 
Absicht des Autors, der er möglicherweise auch Ausdruck gegeben hat. S. 40 f. 
behandelt Jacoby die Schwierigkeit, daß keine der üblichen Annahmen betreffs 
der Generationsdauer von 40 und 33 '/s Jahren für Apollodor stimme. Eine Lösung 
vermag er nicht zu geben. Sollte sie nicht in der von mir ermittelten Thatsache 
liegen, daß auch nach Generationen von 35 Jahren gerechnet wurde? 
Für Ephoros steht das fest, nur so erklärt sich seine Bestimmung der Herakliden- 
Rückkehr auf 785 Jahre vor Alexanders Übergang nach Asien : denn 786=21 x86; 
für den von Ephoros so vielfach benutzten Hekataios erscheint es sehr wahr- 
scheinlich. Vgl. zu alledem bereits meine Bemerkungen im Hermes 35 S. 649. 

Pseudo-Apollodor wird bekanntlich zweimal an Stellen genannt, die Eusebius 
dem Alexander Polyhistor entnommen hat und die auf Berossos zurackgehen. 
Gutschmid hat durch eine höchst einleuchtende Verbesserung der Interpunktion 
die eine Stelle geheilt und aus beiden als sicher geschlossen: Fclyhistcrem ApoUo- 
darum cum eaxerptis Berossianis composuisse und sehr treffend gezeigt, wie Alexander 
Polyhistor teils Berossos selbst, teils dessen Bearbeitung durch Pseudo-Apollodor 
benutzt habe (Eusebius l 240 ed. Schoene). Daß Gutschmids Lesung voraus- 
setzen würde, Alexander Polyhistor habe „den Berossos** überhaupt „nicht selbst 
eingesehen, sondern kenne ihn nur aus Pseudo-Apollodor** (Jacoby S. 22), ist also 
unrichtig. — Da sich nun unter Pseudo-Apollodor nach Diels ein jüdischer Schrift- 
steller verbirgt, der den Namen des berühmten Chronographen als Deckmantel 
für sein eigenes, nicht in jeder Beziehung wertloses Machwerk benutzte" (S. 23), 

8 



i 



124 Mitteilungen und Nachrichten, 

und da sich neuerdings heraosgestellt hat (s. meine Nachweise, oben Bd. \l\ 
S. 147 ff.), daß Berossos beim Polyhistor z. T. in einer Verschiebung und Bear- 
beitung vorliegt, an der auch jüdisch-hellenistische Kreise beteiligt sind (Harquart, 
s. 0. Bd. 111 S. 153), so würde Gutschmids Annahme zu der ganzen Sachlage 
vortrefflich stimmen und Pseudo-Apollodor ev. für die Verderbnis unserer Berossos- 
Tradition mit verantwortlich zu machen sein. Auch Schwartz' Textesänderung 
^m Eusebios wäre dann entbehrlich. Freilich müßte Pseudo-Apollodor, wenn er 
von Alexander Polyhistor, ev. gegen Ende seines langen Lebens, benutzt wurde, 
nicht erst Ende, sondern um die Mitte des 1. Jahrh. v. Chr. geschrieben haben. 
Dies hielt wie Gutschmid «o auch Schwartz für möglich, während Jacoby aus 
Diodor I 5, 1 (sowie II 1, 4 und IV 1, l) einen vollgültigen Gegenbeweis entnimmt. 
Schwerlich mit Recht Diodors Hauptgewährsmann für die griechische Geschichte 
Ephoros, begann mit dem trojanischen Krieg und ließ die frühere Zeit beiseite 
(Diod. IV 1, 1), und von diesem Zeitpunkt an folgt Diodor für die Chronologie 
als Gewährsmann dem Apollodor (I 5, 1). Daß keine Chronologie der früheren 
Zeit vorhanden sei, sagt Diodor nicht, sondern nur daß sie keinen vollen Glauben 
verdiene cf*« ro /u^cTtr na^ntiyfin naqtüitiqiyak nt^ roomy incttvofAti^op, Man 
könnte hierin sogar eine Hindeutung auf naQonijyßiafa ov numvifitya, und unter 
ihnen Pseudo-Apollodor, erblicken. Was Alexander Polyhistor verwertete, der 
Excerpte für die orientalische Geschichte sammelte, brauchte Diodor nicht ohne 
weiteres hinzunehmen. Deshalb wäre man doch noch nicht zu der Annahme 
gezwungen, „Diodor selbst habe mit gesunder Kritik die Fälschung erkannt und 
verworfen". Einmal könnte in der Zwischenzeit darauf hingewiesen worden sein. 
Dann aber: wie will man sich die Vereinigung der ps.-apollodorischen, ägyptischen 
und babylonischer Königslisten, die unmöglich in Verse zu bringen waren (Wachs- 
routh, EinL vgl. 135), mit der echten Chronik anders denken, als daß der Ver- 
fsLHHer der gefälschten Stücke die echte Chronik in Prosa umsetzte, mit seinen 
Zutaten verband und so das ganze Werk unter Apollodors Namen hinausgehen 
Heß? So war es von der echten Chronik, die daneben zunächst fortbestand, rein 
äußisrlich zu erkennen. Daß umgekehrt etwa Pseudo-Apollodor den Polyhistor 
bi;ntitzt hätte, wie Jacoby prinzipiell für möglich hält, scheint mir an sich un- 
wahrK<;hefnlfch und erklärt auch den Sachverhalt bei Eusebios nicht. — Man sieht, 
fordernde Anregung gibt Jacoby s wertvolle Arbeit auch an den vereinzelten 
Stellen, wo volle Beistimmung nicht zu erzielen ist. 



Am 21. Oktober 1903 ward Ulrich Koehler von schwerem Leiden erlöst, das 
ihn gezwungen hatte, bereits gegen Ende des Jahres 1901 auf Lehrtätigkeit 
und ScliafTen zu verzichten. Sein Ausscheiden aus der Reihe der führenden 
Forscher war ein schwerer Verlust für die alte Geschichte. Auf das weitgreifende 
und tiefgehende Wirken des feinsinnigen und gründlichen Historikers und 
Epigraphikers, dessen lautere und vornehme Persönlichkeit denen, die ihm näher 
treten durften, unvergesslich bleiben wird, kommen wir zurück. 

J. Karrst, a. o. Professor in Leipzig, ist einem Rufe als ordentlicher Professdt 
der alten Geschichte nach Würzburg gefolgt. 

Ernst Kornemann, a. o. Professor der alten Geschichte an der Universität 
T&bingen hat einen Ruf nach Giessen auf die neu errichtete außerordentliche 
Professur für alte Geschichte abgelehnt. 

M. L. Strack, Privatdozent in Bonn, hat den Ruf nach Giessen als außerordent- 
licher Professor der alten Geschichte angenommen. 



125 



Das Hochfest des Zeus in Olympia. 

Von Ludwig Weniger. 

I. 
Die Ordnnngr der Agrone. 

1. Einleitung. 

Das Hochfest des Zeus bildet den Mittelpunkt und die höchste 
Leistung unter den vielseitig ausgestalteten Gottesdiensten von Olympia. 
Obgleich sich die neuere Forschung, namentlich seit der Freilegung des 
heiligen Orts durch die deutschen Ausgrabungen von 1875 bis 1881, ein- 
gehender mit der Geschichte der Olympien beschäftigt hat^), bleibt doch 
eine solche Menge in Dunkel gehüllter Tatsachen übrig, daß der Versuch, 
Klarheit zu schaffen, immer von neuem unternommen werden muß. 

Einen solchen Versuch bietet zunächst die vorliegende Abhandlung 
über die Ordnung der Agone im Zusammenhange mit dem großen 
Hauptopfer des Zeus. 2) Die Darstellung der olympischen Zeitenordnung, 
insbesondere die Erklärung des Wechsels der Festmonate auf Grund ein- 
gehender Veränderungen im Gottesdienst und dadurch veranlaßter eigen- 
tümlicher Schaltweise, ebenso wie die Feststellung des Gottesfriedens, soll 
später gegeben werden. 

Der hergebrachte Ausdruck für das alle vier Jahre gefeierte Hoch- 
fest des Zeus, das inmitten des Gottesfriedens lag, von ihm umhegt, wie 
ein Tempel von seinem Temenos, ist Panegyris. Bezeichnet dieser Aus- 
druck zunächst die Versammlung zahlreicher Menschen zur Verehrung der 
Gottheit, so wurde er doch bald auf die Feier selbst in ihrer Ausgestaltung, 
bestehend aus dem Opfer für den olympischen Zeus nebst ritualem Zubehör 
und dem Agon mit offizieller Siegesfeier, übertragen. Der Agon schloß 
sich frühzeitig, wahrscheinlich von Anfang, dem Opfer an, und dieser 
Zusatz fand bei dem hellenischen Volke so großen Beifall, daß er sich 



1) Übersiclit bei Stengel, Die griechischen Sacu-alaltertümer (in Jwan Müller' 8 
Handbuch V, 3) 2. Auflage 1898; dazu neuerdings Schoeinann, GriecJt. Alter- 
tümet^ 4. Auflage von Lipsius 1902. B. 11 S. 53 ff. 

2) Das in dem Papyrus von Oxyrliynchos mitgeteilte Siegerverzeichnis von 
Ol. 75 bis 83 bietet für die Erkenntnis der Spielfolge keinen Anhalt. Dies ist 
gegen Robert (Hermes Sb, 1900, S. 141 ff.) von Lipsius (Berichte d. Sachs. G. d. W., 
Phil.-Hist. Kl. 52, 1900, S. IG ff.) und von Mie (Ilnlologus 60, 1901, S. 161 ff.) er- 
wiesen worden. 

Beiträge ■. alten Geschichte IV 2. 9 

1 



126 Ludwig Weniger^ 

aus kleinen Anfängen stufenweise zu weltberohmter Herrlichkeit entwickelt 
hat, während in gleichem Verhältnisse die wesentliche Form der Gottes- 
Verehrung, eben das große Opfer, in den Hintergrund trat und endlieh 
der Welt nur noch als Beiwerk erschien, ^j 

Über ein Jahrtausend sind die Ol3rmpien mit wechselndem Glänze ge- 
feiert worden. Obgleich bei so langer Dauer große Yerändemngen eintreten 
mußten und eingetreten sind, so zeigen doch die hergebrachten Formen 
eine merkwürdige Stätigkeit. Die Geschichte des Festes läßt von der 
ersten aufgezeichneten Olympiade des Jahres 776 vor Christus ab drei 
Hauptstufen der Entwicklung erkennen. Die erste reicht von Ol. 1 bis 13. 
[n diesem halben Jahrhunderte dauerte das Fest nur zwei Tage, den 
14. und 15. des Olympienmonats. Die zweite reicht von Ol. 13 bis 77 
und zieht der Steigerung des Agons zu liebe den 16. Monatstag hinzu. 
Die dritte umfaßt die Zeit nach Ol. 77; das Fest dauert fünf, später 
sechs Tage. So ist es im wesentlichen bis zu seinem Erlöschen zu Ende 
des vierten Jahrhunderts nach Christus geblieben. 

2. Älteste Festfeier Ol. 1—13. 
Bei ihrer ersten Einrichtung bestand die Feier der Olympien nur 
ans Opfer und Wettlauf im Stadion. Diese bescheidene Form hielt sich 
von Ol. 1 bis 13, 776 bis 728 v. C, einschließlich. 2) Der eigentliche Festtag, 
an dem die Staatsgemeinde der Eleier dem Zeus, als dem obersten Herrn 
des Heiligtums, sein großes Hanptopfer, die naTqioc i^vtsla^ darbrachte, ist 
der 14. des Olympienmonats ^), d. i. in den ungradcn Olympiaden des 
ApoUonios, in den graden des Parthenios, des zweiten und dritten im 
elischen Jahr, entsprechend dem attischen Metageitnion und Boedromion.^) 
An diesem Tage trat der Vollmond ein: Schol. rec.Pind. Ol. 3, 33 Boeckh: 
iteXeiro Se iq ^OkvfAniayJj navfjvQi^ iv navaeh^vw. Ferner: ot& is i<siiv t] <SBh]vii 
navtfeltjvogj Slxa xonxti tov fji7/va. h' yctq rf^ rstfifaQeaxaidexatgrov jUf^i'oc rovro 
yiyvttaifi) Obgleich ein Mondmonat etwas mehr als 29 Y2 Tag umfaßt, so fiel 
doch der astronomische Neumond bereits auf den letzten Tag des vorher- 
gehenden Monats, und so traf der Vollmond gewöhnlich im hohlen Monat auf 
den 14., im vollen auf den 15. Tag. Hält man den 14. als Tag des Zeus- 
opfers fest, so stimmen, wie wir sehen werden, die weiteren Ansätze. 

1) Lucian, de sacrif. 11: — ayttn^vra^ tl dni niyit okiav imy ^tf## t#^ avrd), 
nä^iQyof^ 'Olv^nkay, 

2) Paus. 5, 8, 6. 4, 4, 5. Julius Africanus p. 3 Rutg. Philostr. Gymn. 12. 
8) /divs * Okvyntxoc, als allgemeine Bezeichnung inschriftlich bezeugt: Olympia, 

B. V n. 16, 15. S. 42; vgl. n. 8, 2: ['Ok]vyn^xüi fi>ipis, 

4) Das elische Jahr begann im Sommer, wie das delphische und das attische. 
Der Nachweis wird bei der Darstellung der olympischen Zeitenordnung ge- 
führt werden. 

6) Schol. vet 35 a Drachm. m^i i^y »?' nuyatk^ytiS ov<njg äytrai i« 'Okv/uma, 
Am 16. war die Bekräuzung; s. unten S. 147 f. 



Da$ Hochfest des Zeus in Olympia. 127 

Zu berücksichtigen ist dabei die bekannte Tatsache, daß die Hellenen den 
Tag mit dem Abende begannen, d. h. von Sonnenuntergang bis Sonnen- 
untergang rechneten. Die Opferung geschah, wie es Herkommen im 
Dienste der himmlischen Gottheiten war und den Hellenen schlechthin 
selbstverständlich und keiner besonderen Erwähnung wert schien, in der 
heiligen Tageszeit, d. h. in den Stunden von Sonnenaufgang bis Mittag. ^) 

Der Wettlauf schloß sich an die Opferung an und bildete ursprünglich 
eine an sich nicht notwendige Beigabe. Daher wurde er auch erst nach 
ihrer Vollendung vorgenommen. Erst Opfer, dann Wettlauf: diese Auf- 
einanderfolge ist an sich die natürliche und wird auch in mythischer Zeit 
zu Olympia bereits vorausgesetzt. Oinomaos soll erst geopfert, danach 
den Wettlauf veranstaltet haben. Auch Herakles opfert erst und läßt 
dann den Wettkampf folgen.*) 

Die ersten Olympiaden hatten nur den Agon des Laufes im Stadion. 
Das ist allgemeine ÜberUeferung. *) Damit stimmt die Geschichte der 
Weiterentwickelung bei Pausanias (5, 8, 6f.), dessen Mitteilungen insoweit 
zuverlässig sind, als er die örtlichen Quellen, nämlich die Olympioniken- 
verzeichnisse der Eleier und die Mitteilungen der Exegeten benutzt hat.^) 
Erst in der 14. Olympiade (724 v. C.) wurde der Doppellauf eingeführt, 
und dann kamen nach und nach die übrigen Kampfarten hinzu. Der 
ersten Einrichtung jedoch entsprechend sind zu allen Zeiten die Olympiaden 
nach dem Sieger im Stadion bezeichnet worden. 

Die Opferung bildete den Kern der Olympien ein für allemal. So blieb 
der 14. des Olympienmonats, der heilige Tag der Buthysia, das Hochfest 
des Zeus in engerem Sinne, gleichsam die Kirmes des großen Wallfahrtsortes, 
— denn ein solcher war Olympia zuerst und lange, bevor an die Verehrung 
des Zeus daselbst zu denken war — , unverrückt gedacht und. unwandelbar 
festgehalten, wie etwa bei uns der Weihnachtstag am 25. Dezember. Dies 
liegt im Wesen der meisten großen Götterfeste: es wird durch die Beispiele 



1) Etym. M. 8, 408, 31: Ugoy ^ftttQ, lot^ ngo r^i fifaijfAß^i XMQoy äno ngutt l^iaS 
Jtiktfi' xnm lovrotf ff^voy roJc ''OXvßiniotg i^foic, «tio tff ßiiffrifißglaf io7i xtaaxfhtyio&g, Schol. 
Apollon. 1, 587: roif xaTo$j(Ofjfyo$s toi ntQt ^Uov dva/iai {yayiCovat^ toU dt Ovgayiöatg 
vno T^y i'to, ayaiikloyiog rov ^Xiov, Procl. ad Hea. Qpp. 763. Schol. Find. 1.3, 110 
u. A., vgl. Lobeck, AgL \^. 412. Daher die Orientierung der Altare (Vitruv. 4, 8: 
arae spectent ad orientem) und der Tempel, deren geöffnete Türen an den Hochfesten 
ihrer göttlichen Inhaber das volle Licht der Morgensonne hereinließen. — Es 
schien nützlich, au diese bekannten Dinge zu erinnern, da einige der folgenden 
Ansätze darauf beruhen. 

2) Diod. 4, 19L Paus. 5, 14, 6. VgL Find. 0. 3, 33 ff. 10, 70 f, vgl. 7, 144. 

3) Philostr. Gymn, 12. Paus. 5, 8, G und fast mit denselben Worten 8, 26, 4; 
vgl. 4, 4, 5. Plutarcli. Symp. 5, 2, 1 p. G75. Schol. Pind. OL l, 154. Africanus 
p. 3, daxu Rutgers. 

4) Paus. 3, 21, 1. 5, 21, 9. 6, 2, 3. 8, 1. 13, 10; vgl. 10, 36, 9. Exegeten: 
P. 5, 21, 8. y; vgl. 5, 6, 6. 10, 7. 18, 6. 20, 4 heißt er Aristarchos. 

9* 
3 



128 Ludwig Weniger^ 

anderer Orte bestätigt und bildet auch im christlichen Kalender die Regel. 
An dieser Tatsache ist festzuhalten. Geschieht das, so lichtet sich das 
Dunkel und schwinden die größten der bisher noch unbeseitigten 
Schwierigkeiten. 

Von dem großen Opferbetriebe zu Ehren des olympischen Zeus, mit 
dem Orakelgebung durch die Seherfamilien der lamiden und Klytiaden 
verbunden war, legen die Nachrichten über den, zu bedeutender Größe 
angewachsenen Aschenaltar des Gottes und die aufgefundenen Aschenreste 
und Knochensplitter Zeugnis ab.^) Die Opferung wird schon bedeutend 
gewesen sein, als der erste Agon eingerichtet wurde. Wie der Zeusdienst 
den der Hera teils zurückgedrängt, teils ersetzt hat, so ist sein Agon dem 
des weit älteren Herafestes nachgebildet und war daher zuerst gleich 
jenem auf den Wettlauf beschränkt. Es ist wahrscheinlich, daß die alte 
Rennbahn der Heraien, welche, für Mädchen bestimmt, 500 olympische 
Fuß (163 m) betrug, erst dem Männeragone zu lieb auf das ungewöhnliche 
Maß von 600 Fuß (192 m) gesteigert wurde.*) Allerdings hätte sich das 
nur wenig Zeit raubende Kampfspiel dieses einfachen Wettlaufs auf den 
Nachmittag des 14. legen lassen, und man könnte sich danach die älteste 
Feier zu Ehren des Zeus mit einem einzigen Tage abgemacht denken. 
Dennoch ist wohl sicher, daß der heilige Tag der Opferung schon bei 
der ersten Einrichtung von der Agonistik freigehalten blieb, und daß der 
Wettlauf erst am folgenden Tage, dem 15. des Monats, stattfand. Dafür 
spricht die spätere Weise, wo es also gehandhabt wurde, obgleich die 
Menge der Wettkämpfer die Mitbenutzung des halben Tages am 14. sehr 
erwünscht gemacht hätte. 

Den Siegespreis bildete seit Ol. 7 (752 v. C.) ein zum Kranze 
gebogener Zveig des dem Zeus geweihten wilden Ölbaums von der Süd- 
westecke der Altis. Man darf annehmen, daß in dieser Anfangszeit der 
Spiele die Bekränzung gleich im Anschluß an den Agon am 15. Monatstage 
noch vormittags vollzogen wurde. Bei den Heraien erhielten die Siegerinnen 
außer dem Kranz ein Stück von dem geopferten Rinde. Ein Gleiches 
wird man bei dem ältesten Agone zu Ehren des Zeus voraussetzen dürfen, 
als bescheidenen Anfang des nachmals festlich ausgestalteten Siegesmahls. 

Zu dem Festtage gehörte, wie wir sahen, nach hellenischer Auffassung 
der Vorabend mit, und so geschah es, daß die VoUmondnacht ganz in 



1) Der Hochaltar des Zeus, zu dem die Opferzüge zu Pausanias Zeit durch 
das südwestliche Pompentor zogen, lag an der, auch bisher dafür angenommenen 
Stelle inmitten der Altis. Die von A. Trendelenburg (Programm Berlin 1902) da- 
för angesehene wei^ ältere Opferstätte zwischen Pelopion und Heraion gehörte der 
Hera. Vgl. Xenoph. Hell. 7, 4, 29, unten S. 134, 3; man verfolge auch die 
Altarperiegese Paus. 5, 14, 4lf. 

2) P. 5, 16, 3. Gellius 1, 1, 2. E. Curtius, Die Altäre v. 0. S. 32, 1. 



Das Hochfest des Zeus in Olympia. 129 

den Zeitraum des 14. Monatstages hineinfiel.^) Doch hatte der Vorabend 
seine eigene gottesdienstliche Weihe, die bereits in den Anfängen des 
olympischen Hochfestes bestanden haben wird. 

3. Heroendienst. 

Bei der Beschreibung der Stadt Elis berichtet Pausanias (6, 23, 3) 
von einer Verrichtung des Kollegiums der Sechzehn Frauen am Kenotaph 
des Achilleus. Nachdem er von einem alten Gymnasien erzählt hat, wo 
die Kämpfer das Vorgeschriebene verrichten, ehe sie nach Olympia ziehen, 
und wo Altäre sind, fährt er also fort: „Achilleus hat keinen Altar, 
sondern ein leeres Grabmal auf Grund eines Orakels. Zu Beginne des 
Hochfestes an einem bestimmten Tage um Sonnenuntergang verrichten die 
Weiber von Elis anderes zu Ehren des Achilleus und trauern um ihn." 2) ^ 
Heroendienst, Abendzeit und Grabestrauer erweisen, daß die Feier ein 
Enagismos war, wie der von den Sechzehn Frauen zu Ehren der Hippo- 
dameia in Olympia und der Physkoa in Elis, ja auch des Dionysos, beim 
Feste der Thyien begangene.^) Auch der Ausdruck „älka te SqwCiv ig 
tifiijv^ wird von Pausanias bei derartigen Vorgängen euphemistisch 
gebraucht. Hier bedeutet er eine Anaklesis, welcher, durch Lied und 
Geberde dargestellt, Grabestrauer vorausgeht. Der Heros wird in dem 
Grabe wohnend gedacht; er erhält das herkömmliche Opfer und wird 
dann durch ein Adventslied hervorgerufen, um an der Panegyris, wenn 
auch unsichtbar, teilzunehmen.*) Man wollte die heiligen Toten, die als 
schützende Heroen in ihren wohlgepflegten Grabstätten unsichtbar weilten, 
bei dem größten Gottesfeste des Landes nicht unvergessen lassen und 
rief sie zu Gaste. Dies erklärt den Vorgang in Elis „zu Beginne des 
Hochfestes an einem bestimmten Tage um Sonnenuntergang". 

Es wäre unverständlich, wenn die Eleier nicht, wie dem Achilleus 
in ihrer Hauptstadt, so auch dem Pelops in Olympia selbst einen ent- 



1) Pind. OL 3, 33 f. : ^cT^ yn^ ai/t^, nar^l /ah ßtofAoii^ ayt^^yiioi^, dtxofA'l'^^i oilo»' 
XQvaf<Q^€tros itrniQaS otf&aXfioy ayiitfXt^t M^ya, xai ^lyaXioy aiSlwy ayyay xgicty xal 
nfyrtTfjQiff* a^u 9ijx( . . . Dazu Schol. vet. Dr.: dtl dt ro n^UQoy dfiu^oy yoily xai 
jo dtvJtQoy ngtiiroy. ov yeig Jij 9vaim iyiyovTo nQortQoy, tha ovitas ij th^ofiiyti tkafinty^ 
€tkktt nQOTtgoy tj rjfif^a t^c nnyatkiiyov nagtyiytro, iha ovrois ttl Svaittt xai m loma lov 
dytüyoc iuXouyjo. Über den Ausdruck i« Xoma tov aywyog s. unten S. 134, 2. 

2) "^Ax^XXtl dt ov ßto/LioS, xtyo» dt iüit^y nottj) fJtyrjfAa ix fjiaynias' rj? naytjyvQtios di 
ff^/of(cVj7; iy 7/Uf^^ ^tjip nt^i anoxXiyoyta is dvcfias lov ^Xiov roy d{»6fJLoy ai ypyaixts 
ra ^^HXiIm aXXn it tov ''Ax^Xkita^ dgiao^y h n/a^y xai xonna&at yofu^ovffty avioy» 

3) Näheres in meiner Schrift Über das Kollegium der XVI Frauen S. 18 flf. 

4) Eine ähnliche Heroenfeier zu Ehren des Achilleus wurde in Kroton von 
schwarz gekleideten Frauen begangen; Tzetz. Lyc, 857. Die Krotoniaten suchten 
Einrichtungen von Olympia nacljzuahmen. Von einer Anaklesis des Achilleus 
berichtet auch Philostratos Her. 19, 741: dyaxaXoSriM roy 'Jx'Xlia xai ß69^ovs oq»- 
^nyrti roy lavQoy roy fiiXaya täs Tt^ytmra fatfarroy. 



130 Ludivig Weniger^ 

sprechenden Enagismos dargebracht hätten. Wurde doch Pelops von ihnen 
um eben so viel mehr, denn alle andern Heroen, in Olympia geehrt, wie 
Zeus alle Götter überragte. Er hatte ja auch das stattliche Heroon in 
der Altis. Dort wurde ihm von den jährlichen Beamten ein schwarzer 
Widder geopfert.^) Offenbar spricht Pausanias, dem diese Nachricht 
gleichfalls verdankt wird, von der nämlichen Feier, deren schon Pindar 
gedenkt Ol. 1, 146: „Jetzt aber," so sagt der Dichter, „ist Pelops mit 
glänzenden Blutspenden geehrt, an der Kurt des Alpheios gelagert, wo er 
sein vielbesuchtes Grab hat bei dem hochgastlichen Altare." Die Scholien 
erklären die Blutspenden, al^iaxorgiai, als mit blutiger Darbringung ver- 
anstaltete Enagismen. Alljährlich würden solche dem Pelops dargebracht 
und ebenso auch den übrigen. Dem Pelops pflegten die Eleier vor dem 
Zeus zu opfern, und diese Ehre habe Herakles zuerst ihm erwiesen. 2) 

Wenn nun das erwähnte Blutopfer dem Pelops alljährlich und 
abends und vor dem Zeusopfer dargebracht wurde, unter dem Zeusopfer 
aber vor allen anderen das am Morgen des 14. veranstaltete zu verstehen 
ist, so fand der Enagismos am Abende vorher, der ja gleichfalls dem 
14. Monatstage zugezählt wurde, bei Beginn der Vollmondsnacht statt. 
Dies ist der heilige Abend von Olympia „/ravi^yv^cu)? aQXOfievrjg ^ 
fjfieQ^ ^rjrg nsqi dnoyiUvovta ig ivCfiag tov i]Uov %ov iQofxov.'" Denn die 
Panegyris begann ursprünglich mit dem 14., und Opfertage dieser Art zu 
verlegen verbot die Scheu vor der Gottheit.') 

Die Nachricht, daß Herakles es war, der den Friedhof des Pelops 
gegründet und ihm zuerst in die Grube geopfert habe, läßt erkennen, 



1) P. 5, 13. If.: i7*(Hi5aii' cT* twi' iv *OlvfAni€t roirouToy nQou/atjfjiiyog i<niy 6 Flflot/t 
vno "HktUav, ooov Ztvs vno noy akkmv, . . . tovio (seil, to Ilikontoy) unoyHfim 7^3 FJiXont 
' H(tttxkis 'AfA*ßtrQVU)yoskiytTM' liiaQioi yn^ d^ri dnoyoyoS xai ovioi r,y Ililonos, kiytiat 
öi xal tas t9vaty ii 16 y ßoffQoy tm nikom, Svouat dt avivi xal vvy tt$ ol x(tT€c 
iro^ tas KQxrti fxoyjts' 10 di Itgtloy ^«rr« X(3t6s ^tiXns. ano ittor^s od yiytrm vn 
finyut fioiQtt rtjs Svaing, i(ifex>jloy dt fioyoy dido<r(Htt tov xqhov xn^iairixt i^ ovo^aJ^ußiyt^ 
Ivktl, 

2) Pind. Ol. 1, 146 ft*.: vvy cT' ly aifAaxovQiaiS nyknuis fif/mxTcu, '*Alff>tov noQfit 
xki(^tii, TVfißoy Äfiifinokoy t^^y nokv^tyfüTtt'n^ naQ€i ßoj/nip. Scliol. vet. Dr.: n^fAaxovQintSf 
roic fifd^ €tlf4€tTuiy y^yof4fyon iyayuj/aoli. xni'' fytuvroy dt fyiyoyro ifp itikont, (os X€cl 
Totf koinoli» Ferner zu v. 149: tv/ußoy u/nffinokoy* uvii tfaai f4^ fty^/ua, akV Ugoy 
tlyat 10V nikonos, xnl ttqo iov JioS ttvrtß lovs ''HkfiovS x^vtty, tov ^HQftxkiovs 
ngmov xma TifAify tovTo ntnoirixoToc, Für "^Hktiovs hat Schol. rec. ityoivtCofiiyovs» Dies 
würde nur private Veranstaltungen hekunden; dieser Angabe widerspricht auch 
Pausanias: o* xaTn hog %ni ngx^c t/oyTtg, Private Veranstaltung war dagegen das 
Blutopfer peloponnesischer Epheben, von dem der Schol. rec. ebd. vorher 
berichtet: xai"* iytavToy näyTts ol h rj fltkonoyyrictii ttftjßot iy t^ tov Utkonos rn'/^o 
Tttii fidüu^t ^^yofAtyoi^ loaittg T^yä anoydiy t6 avTioy ni/ua tovt^ nttQtlxoy, tovto d^ inoiovy 
dtueyvyitc T^y tov iJQ<oos dvyufA^y xal yofiiC^yTtS /ufjdty nkko nQOi avToy tlya$ dixmoy 7 
TOVTO TtktUrStci, 

8) Die Heroenfeier des Pelops am Abende vor den Olympien hat zuerst 
August Momrasen erkannt. Über die Zeit der Olympien, S. 4, 

6 



Das Hochfest des Zeus in Olympia. 131 

daß die Eleier die Einrichtung für alt hielten. Wir wissen jetzt freilich, 
daß die Aschenreste des Hochaltars der Hera unter die Grundmauern 
des Pelopions ebenso, wie des Heraions, reichen; beide Heiligtümer sind 
also jünger als der Altar. Immerhin wird man die Herstellung des 
Pelopions bereits bei Einrichtung der Olympien 776 v. C. als vorhanden 
voraussetzen dürfen. Daß der Bau des Heraions über das achte Jahr- 
hundert zurückreicht, darf als sicher gelten. Das Pelopion mag jünger 
sein, schwerlich aber ist es erst nach Beginn der Olympiaden, oder etwa 
gar nach Ol. 25 (680 v. C). als die Pferderennen aufkamen, angelegt worden. 
Mit der Gründung des Heroons aber hängt der Enagismos von Anfang an 
zusammen. Herakles stiftet das eine, wie den andern.^) 



4. Zweite Entwickelungsstufe Ol. 14—77. 

Die zweite Entwickelungsstufe der Olympischen Spiele reicht von 
Ol. 14 bis 77 (724 bis 472 v. C). Die Agone im Anschluß an das große 
Opfer des Zeus entsprachen der Neigung der Zeitgenossen und nahmen 
im Laufe der folgenden Olympiaden immer mehr zu. Zwei und ein 
halbes Jahrhundert später, nämlich Ol. 77 (472 v. C), bestanden fünf- 
zehn verschiedene Kampfspiele. 2) Es kam nämlich zu 

1. dem einfachen Lauf im Stadion (ßgofnog) 

2. Ol. 14 (724 V. C.) der Doppellauf (üavkog), 

3. Ol. 15 (720 V. C.) der Dauerlauf (öohxog), 

4. Ol. 18 (708 V. C.) der Fünfkampf (nsvta&kov) und gleichzeitig 

5. das Ringen (ttctAij), 

6. Ol. 23 (688 V. C.) der Faustkampf (Tivyfii^), 

7. Ol. 25 (680 V. C.) das Wagenrennen mit Viergespann ausgewach- 

sener Pferde Cinnmv rfAftcov ögofiog)^ 

8. Ol. 33 (648 V. C.) der Vollkampf (nayxQauov)^ d. i. Ringen mit 

Faustkampf vereint, und gleichzeitig 
0. das Wettreiten zu Pferde {xilrjg)^ 

10. Ol. 37 (632 V. C.) der Lauf der Knaben und gleichzeitig 

11. der Ringkampf der Knaben, 

12. Ol. 41 (616 V. C.) der Faustkampf der Knaben, 

13. Ol. 65 (520 V. C.) der Waffenlauf {onhtwv dQOfiog), 

14. Ol. 70 (500 V. C.) das Wagenrennen mit Maultieren («Tnji^), 

15. Ol. 71 (496 V. C.) das Wettreiteu auf einer Stute (xdlntj). 



1) Auch die übrigen Heroen des Landes Elia, nicht bloß Achilleus und 
Pelops, erhielten zu gleicher Zeit die gleiche Ehre. Dies geht aus den oben 
S. 130,2 angeführten Worten des SchoHons zu Find. Ol. 1, 146: tag xai jols komoZg 
hervor. 

2) Vgl. Paus. .5, 8, 1 f., 9, 1. Damit stimmt im wesentlichen Julius Africanus 
und Philostratos (Gymn. 12). 



132 lAidwig Weniger^ 

Pentathlon der Knaben war Ol. 38 (628 v. C.) eingeführt, aber gleich 
wieder abgeschafft worden. 

Man erkennt, daß bei einer solchen Menge von Kampfspielen der 
volle Zeitraum eines ganzen Spätsommertages um Mitte August oder An- 
fang September beansprucht werden mußte. Daß aber damals doch nicht 
mehr dafür gewährt wurde, sagt Pausanias (5, 9, 3) ausdrücklich: %a tiqo 
tovraov — d. h. vor Ol. 77 — Se im fjf.iiQag rjyov Tijg avtfjg ofioioüg 
xal dv^QcoTtaav xal 'irmaiv dyoiva. Und es war möglich, wenn auch zuletzt 
bei fünfzehn Agonen und wachsendem Zudrange schwierig genug, mi* 
einem Tage auszukommen, da der Tag auch in der spätesten Zeit einer 
Olympienfeier von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang immer noch gegen 
vierzehn lichte Stunden zur Verfügung stellte. 

Der eigentliche Gottesdienst, die von den Eleiern dargebrachte 
Hekatombe des Zeus, blieb, wie es der religiöse Grundgedanke forderte, 
unverändert am 14. Monatstage bestehen, und damit verbunden auch die 
Feier des Pelops und der anderen Heroen am Abende vorher. Die 
Spiele waren, wie bisher, am Tage darauf, dem 15. des Olympienmonats, 
und dauerten ohne Pause vom Morgengrauen bis zum Dunkel der Nacht. 

Für die Preisverteilung und da« von den priesterlichen Beamten der 
Eleier, das sind, von den Subalternen abgesehen, Theokolen, Spondo- 
phoren und Seher, vermutlich schon damals im Prytaneion gegenüber dem 
heiligen Herde veranstaltete Siegesmahl mußte, wenigstens in der letzten 
Zeit dieses Abschnitts, noch der 16. Monatstag hinzugenommen werden. 
Die Preisverteilung geschah, da der Tempelbau des Libon später als Ol. 77 
vollendet worden ist, dazumal auf dem Platze desselben in der Nähe des 
heiligen Kotinos, der Kranzolive. ^ Daß ein älterer Tempel des Olympi- 
schen Zeus jemals vorhanden war, ist weder überliefert noch wahrscheinlich. 
Dagegen aber wird der, nachmals im Prachtbau des Libon befindliche 
Altar des Gottes, dem bei der monatlichen Opferprozession unter allen 
69 Altären die erste Darbringung nach der Herdgöttin galt (P. 5, 14, 4), 
bereits an jener Stelle gestanden haben. Da er nicht beseitigt werden 
durfte, ist er durch den Tempel überbaut worden.*^) Zur Ausstellung der 
Kranzreiser wurde der erzbelegte Dreifuß benutzt, den später der Gold- 
elfenbeintisch des Kolotes ersetzt hat (P. 5, 12, 5. 20, 2). 

5. Abänderung von Ol. 77 (472 v. C). 
Eine dritte Stufe in der Entwickelung der Panegyris beginnt Ol. 78 
(468 V. C.) und ist seitdem im wesentlichen unverändert geblieben. Es 
war damals eine bedeutsame Zeit in der Geschichte der Eleier. Die Zer- 
störung triphylischer Städte bot Anlaß und Mittel zum Bau eines würdigen 
Gotteshauses für Zeus. Das Jahr darauf wurde durch den Synoikismos 

1) Näheres folgt uijten S. 145 ff. 

2) E. Curtius, Die Altäre von Olympia, S. II f. Olympia, Textband I, S. 42. 

8 



Das Hochfest des Zeus in Olympia. 133 

umliegender Orte die Stadt Elis gegründet.*) Ziemlich um dieselbe Zeit 
mag auch die Einsetzung von zehn Hellanodiken erfolgt sein. 2) Alles 
deutet auf Aufschwung der Verhältnisse und Steigerung des Aufwands. 

Die weitere Zunahme der Kampfspiele hatte zu deren Ausdehnung 
bis in die Nacht hinein geführt, und man konnte sich der Notwendigkeit 
einer Abänderung nicht verschließen. Indes der heilige Tag des Opfers 
um die Zeit des Vollmonds, der 14. des Monats, durfte weder verrückt 
noch beeinträchtigt werden. So blieb nur der Ausweg, entweder den 16. 
des Monats noch für die Agone zu verwenden oder einen Teil derselben 
vor den Opfertag zu verlegen. Man wählte das Zweite, sei es, um den 
letzten Teil des Gottesfriedens nicht zu schmälern, oder um sich nicht zu 
weit vom Vollmonde zu entfernen, und so bekam man den heiligen Tag 
mit der großen Opferung in die Mitte der Agone. 

Dies steht in der vielumstrittenen Stelle des Pausanias 5, 9, 3, an der 
weder Änderung des Textes, noch Annahme einer Lücke nötig ist, die 
vielmehr nach dem, was sie sagt und wie sie lautet, einen völlig deut- 
lichen Sinn gibt, wenn man nur daran festhält, daß der 14. Monatstag 
als Tag des Opfers und gottesdienstlicher Kern der Feier unverändert 
blieb und allzeit bleiben musste: 'O de xocfjiog 6 negl tov dy<ßva exp iqßojv^ 
(f}q ^vea^ai n^ ^«rp rd iegeia nevtdMov fuev xal Sgofiov nnv Ynnwv 
vOreoa dycoviafidtiov-^) — , ovrog /Mrfytri a^laiv xoafio; olviini^ddv ißdo^iH 
nQog Talg ißdofiriy.ovTa. rct nqo to vrwv di inl rjfxegag ?|yov tijg aitrjc 
o[iioio)g yMi ovif^coVcov xal mnwv aycJva. totb de 7TQ0rjX^tj(fm' eg vvxta ol 
TrayxQundf^ovreg cke oi xara xatQov laxlri^ivreg^ atnoi de iyevovxo oV le 
^Ttnoi nav ig nleov m ^ twv nevrai^kiov afxi^kXa. xcd ixQarei [tiev 'Ai^riväiog 
KakUag rovg nayxQatidiSavTag' ijinodiov de orz Bfiekle nayxgarit^ tov koinov 
TO nevTaMov ovde oi Xnnoh yerijaefSDcti. 

„Diese Ordnung*', sagt der Perieget, „bei den Kampfspielen zu meiner 
Zeit, daß nämlich dem Gotte das Opfer dargebracht wird nach den Wett- 
kämpfen des Fünfkampfes zwar und des Pferderennens — , diese 
Ordnung ward von ihnen in der 77. Olympiade eingeführt. Bis dahin 
nämlich veranstalteten sie an demselben Tag in gleicher Weise sowohl 
den Wettkampf der Menschen, als den der Pferde. Damals aber wurde das 
Pankration bis in die Nacht hinein ausgedehnt, da die Pankratiasten nicht 
zur rechten Zeit aufgerufen waren. Schuld daran waren die Pferde und 
mehr noch der Wettstreit des Fünfkampfes. Und es siegte der Athener 



1) Paus. 5, 10, 2 und dazu Blümner. — Synoikismos: Diod. 11, 54. Curtius, 
Olympia^ Textband I, S. 38 ff. 

2) Paus. 5, 9, 5: eben war von Ol. 50 die Rede. Der Ausdruck TthfAnr^ Ji 
oXv^nuidi xul eixoaij bedeutet 25 Olympiaden später; vielleicht ist i><rr*^oj/ zu er- 
gänzen. Näheres gibt Blümner. 

3) Hinter ayoty^cftanotf ist eine Ellipse; dadurch wird verständlich, daß dem 
vorausgegangenen ^eV kein di entspricht. Die Darstellung holt von neuem aus: 
ovToi xafiartj .... 

9 



134 Ludwig Weniger^ 

Kallias unter den Paiikratiasten. Fortan aber sollten nicht mehr das 
Pentathlon und die Pferde dem Pankration hinderlich sein." 

Also die verschiedenen Roßagonc und der Fünfkampf hatten, wie 
ganz bep^reiflich ist. eine überlange Dauer der Spiele veranlaßt. Hier- 
durch wurde das Pankration beeinträchtigt, das damals schon als die 
Blüte aller Agonistik zu gelten begann und sehr beliebt war.^) um Ab- 
hilfe zu schaffen, hob man daher die beiden, dazu wohlgeeigneten, Gruppen, 
d. i. eben alle Pferdeagone und das künstlich zusammengefügte, zeit- 
raubende Pentathlon, aus den übrigen Kampf arten heraus und versetzte 
sie auf den Tag vor der Opferfeier, d. i. auf den 13. des Olympienmonats. 
Auch gab man beiden in der Zeit, da neun Hellanodiken angestellt waren, 
je drei zu besonderer Aufsicht. So lag nunmehr die Opferung — dvetfi^av 
7(j) &€(p ra iegela — allerdings fortan nach Pentathlon und Hippodromic 
— Trevrd&'iov y.al igofiov rmv \'nnwv vatBga aycomtfjUoTcov. Hält man dieses 
Ergebnis fest, welches sich klar herausstellt, sobald man sich vergegen- 
wärtigt, daß das Opferfest am Vollmondstage unverrückbar ist und den 
ganzen 14. in Anspruch nimmt, so ergibt sich die Verteilung der übrigen 
Kampf arten und danach die Bemessung der Olympischen Feiertage ohne 
sonderliche Schwierigkeiten.-) 

Hippodromie und Pentathlon gehören fortan auf einen besonderen 
Tag für sich, eben den dreizehnten. Bestätigt wird diese Tatsache durch 
die vielbehandelte Stelle in Xenophons Hellenika 7, 4, 29.3) gg ^^r in 
der 104. Olympiade. 364 v. C. Arkader und Pisaten hatten die Leitung 
der Spiele an sich gerissen. Die Pferderennen, sagt der Schriftsteller, 
waren bereits vorüber und von den fünf Einzelkämpfen des Pentathlon 
die iQo/iuxd. d. h. alles, was seinem Wesen nach in den SQofioc^ d. i. das 
Stadion, gehört, nämlich Sprung. Wettlauf, Diskos- und Speerwurf. Das 
Ringen aber, welches den Schluß des Pentathlon bildet — und seiner Art 
nach der Palaistra zukommt, die ja davon den Namen hat. das auch in 
der Palaistra vorgeübt wurde, bei den Spielen aber im Stadion mit ab- 
gemacht wurde — .^) fand damals nicht mehr im Stadion, sondern zwischen 



1) PhilfKSt. itnmjg. 2, f>: rr»V it^ ''Olv/uni^e 76 xnkktajoy' lovii yn^ cfi} (iy^QÖit^ to 
mtyx^njtoy. Tluikydiclos bezeicimet die Olympiaden nach dem Sieger im Pan- 
kration; vgl. 3, 8. 5, 49. 

2) Nun wird auch 5cäo/. Pind. OL 3, 33 klar: tha ovm^ al »vaim xul ra lotnn 
toü nytoyoi htlovyro. S. obenS. I2J), 1. So durfte der Scholiast sprechen, der die 
Abänderung von 01.77 kannte, obgleich der verherrlichte Sieg des Theron Ol.Tf) war. 

3) xal ttiv lnno^{>ofjiiny ^ötj intnot^xtany xai ia tfqofiixn lov nuria^Xov. ol 6t *iV 
Ttnktjy atftxoutvot ouxin fy rw cf^du^rj, ctkkn fAfw^v tov Jqo/uov xat tov ßtofAov inakmov, 
Ol yoQ *Hkiiot iTvy ToU oTtXots naQ^ffny ^Jtj th ro rifikvoi, ol öt *AQXti(ftg no^gioTiQw /i*V 
ovx nnffvitiany^ Inl Ji lov Kkadaov nnrafjiov nnQna^yro, — — xai /uiJk ^ HkÜ9& mni 
&nnga tov norafiov nagfin^ftyro, 

4) Der Annahme, daß das Ringen auch bei den Spielen in der olympischen 
Palaistra vorgenommen wurde, wurden mehrere Zeugnisse widersprechen, die es 

10 



Das Hochfest des Zeus in Olympia. 135 

diesem und dem Hochaltare des Zeus statt, auf dem großen Platze, der 
an Raum nahezu dem der olympischen Palaistra entspricht. Dies geschah 
ausnahmsweise, weil die Arkader das linke, östliche Ufer des Kladeos 
besetzt hielten, während auf dem rechten die Eleier schon bewaffnet im 
Temenos standen. Temenos bezeichnet hier nicht die Altis, sondern den 
größeren heiligen Bezirk, der sich über den Kladeos hinaus auch nach 
Westen hin erstreckte, ein Peribolos, der die Altis in weiterem Kreise 
rings umschloß.') Die Pisatischen Agonotheten hatten das Stadion ver- 
lassen, offenbar, um die Festgenossen enger zusammenzuschließen, vielleicht 
auch, um in der Nähe des Hochaltars der Asylie des heiligen Haines 
sicherer zu sein. Xenophon, der etwa hundert Jahre nach der Änderung 
des Spielprogramms in der 77. Olympiade schrieb, kannte die Verhältnisse 
von Olympia sehr genau, da er im nahen Skillus begütert war. Die olympische 
Kampfordnung aber durfte er auch bei seinen Lesern als bekannt voraussetzen. 
Man ersieht aus seinen Worten ganz klar, daß die Pferderennen dem Pentathlon 
vorangingen. Sie mußten demnach am frühen Morgen beginnen. Dafür haben 
wir jetzt das Zeugnis des Bakchylides 5. 40: TroJAor aekkodgaitiav elde 
viY.dac(Via XQ^^fonaxvg '4a)^. Sie werden den ganzen Vormittag des 13. von 
Sonnenaufgang an beansprucht haben, wenn die verschiedenen Arten dieses 
vornehmen und glänzenden Kampfspiels zu ihrem Rechte kommen sollten. 
Das Pentathlon nahm bei den Vorübungen im Gymnasien der Stadt 
Elis des Mittags seinen Anfang,*) offenbar im Hinblick auf die ent- 
sprechende Lage bei den Olympien. Die Vereinigimg der fünf Kampf- 
arten und die nicht eben einfache Feststellung des Siegers veranlaßte 
eine längere Dauer imd füllte unter Umständen den ganzen Nachmittag 
bis zum Beginne des heiligen Abends, d. h. bis zum Untergange der 
Sonne, nach welchem der 14. Monatstag seinen Anfang nahm und die 
Totenfeier im Friedhofe des Pelops stattfand.-^) 

6. Die Knabeuagone. 
Auch nach Ol. 77 (472 v. C.) wurden in den Wettspielen von Olympia 
noch wesentliche Änderungen vorgenommen. 

in das Stadion setzen, z. B. Cassius Dio 79, 10 ovd' ixaktaty i( ?o üutdwv mdiuaiiii^ 
ovdiy€c, Inschrift Olymj/fa V n. 54, 12. 

1) Dort lagen z. B. das Grab und die Ställe des Oinomaos P. 6, 21, 3. Vgl. 
E. Curtiiis, Olympia, Textband I S. 21. Natürlich hatte das Temenos, wie das heilige 
Land von Delphi, genau bestimmte Grenzen. 

2) Fans. 6, 24, 1 : ialair$ öi nqlv fÄty 5>L*o»' dvitf^tip avfißnlovyus ffgofiiaSj fiiaovarjc 
ffi T?ff ^fifQas im To nhinSioy xat oan ßagia u^ka oyofAuCovaty, 

3) Xenophon aus Korinth hatte Ol. 79 (464 v. C.) im Stadion und im Pentathlon 
gesiegt; dies bezeugt Pindar Ol. 13, 43: myiaiSktp «Ti« amdiov y^xtoy (fgo/itoy. Wenn 
aber der Scholiast zu V. 1 sagt: xara trjy aui^y tf/ui^ay nkyrn^kto xnl aindim 
ayioyiaa/aiym und diese Bebauptung zu v. 43 zweimal wiederholt, so irrt er, und 
zwar nicht auf Grund eigener Quellen, sondern weil er den Dichter falsch ver- 
standen hat. Dies ist von F. Mie, quaestt, agon. p. 43 nachgewiesen. 

11 



136 Ludwig Weniger^ 

Zunächst schaffte man Ol. 84 (444 v. C.) bei den Pferderennen 
unrjin] und xdkntj wiederum ab. Dagegen kam nun als Agon 

14. Ol. 93 (408 V. C.) das Zweigespann {avvcoQig) hinzu, 

15. Ol. 99 (384 v.C.) das Wagenrennen junger Pferde (TrcoAcovap/ia), 

16. Ol. 128 (268 V. C.) das Zweigespann junger Pferde {avvmQig 

17. Ol. 131 (256 V. C.) das Wettreiten auf einem jungen Pferde 
(nwXiov Y.iXifig\ 

18. Ol. 145 (200 V. C.) das Pankration der Knaben. i) 
Plutarch spricht {Symp. 2, 5, 1) von einer weiteren folgenreichen 

Neuerung. „Hier bei uns" (d. i. in Delphi), so läßt er bei dem Festmahle 
nach dem Pythischen Siege des Sosikles einen der Teilnehmer, den Epi- 
meleten der Amphiktionen, Lysimachos, sagen, „führen sie in jedem 
Wettkampfe die Kämpfenden so ein: nach den ringenden Knaben die 
ringenden Männer und die Faustkämpfer nach den Faustkämpfem und 
in gleicher Weise auch die Pankratiasten. Dort aber (in Olympia) nifen 
sie dann, wenn die Knaben ihre Agone durchgemacht haben, die 
Männer auf."*) 

Die Nachricht darf nicht so verstanden werden, als hätte man in 
Olympia etwa am 15. des Monats vor Beginn der Dromika der Männer, 
also morgens früh, die sämtlichen Knabenagone, das wäre (ganz abgesehen 
vom Reiten) Stadion, Ringen, Faustkampf, Pankration, hinter einander 
erledigt. Dies hätte Stunden gekostet und die Männeragone weit in den 
Tag hineingeschoben. Dann wären solche Leistungen, wie die des Ageus, 
der nach dem Sieg im Dolichos Ol. 113 (348 v. C.) noch nach seiner 
Vaterstadt Argos. einen Weg von mehr als fünfzehn Meilen, noch dazu 
über zwei hohe Gebirge, gelaufen war, unmöglich gewesen.^) Philippides 
lief ja von Athen nach Sparta, 28 Meilen, in zwei Tagen, Philonides den 
Weg von Sikyon nach EHs in einem Tage, Euchidas die Strecke von 
Plataiai nach Delphi, 10 Meilen, hin und zurück gleichfalls in einem Tage 
(er brach dann tot zusammen). Immerhin war, um eine derartige Leistung 
zu ermöglichen, ein Aufbrechen in aller Frühe nötig. 

p]s ergibt sich aus der Nachricht bei Plutarch, daß die Neucnmg von 
Ol. 77, welche in der Verlegung der Pferderennen und des Pentathlon 
bestand, zur Entlastung des alten Agonentags, d. i. des 15., auf die Dauer 
noch nicht genügte. Man hob daher alle gymnischen Agone der Knaben 

1) Vgl. über diese Änderungen und Erweiterungen Paus. 5, 9, 1. 8, 10. 
Philostr. gymn. 13. Africanus. 

2) floloif ovy^ tfttiij ui üv luiv {(yuytafAartay ytyovivru TtQiaroy; 5 ro airtÖMVj viüntQ 
OXv^Tiinaty; fyiav'ht yetQ na(i ^fiiy xaS* txftcioy a&krjfia lov? dytoyiCofdiyov^ ^iodyovcty 

irtl naiai neiXatüTaU nyÖQng nalaunaQ xnl nvxTitg inl nvxmtg, o/Aoitog xat -nuyxqanainai' 
ixtl (ff, ottty ol nctlJtS ÖMyoiviaiayTM, ton lovS aydgag xalovai, 

3) Africanus p. 67 R.: 'Aytvs *A^yilog dohxoy* og iy U^ytt T^y avTov yixviy 
av9rjfÄfQ6y dyijyyitkty. 

12 



Das Hochfest des Zeus in Olympia. 137 

heraus und verlegte sie, da der 14. durch die Hekatombe, der 13. durch 
Pferderennen und Pentathlon gefüllt war, auf den 12. Monatstag. Da- 
duich trat das ein, was Plutarch berichtet, daß erst, nachdem die Knaben 
ihre Agone durchgemaeht hatten, die Männer gerufen wurden, die ja am 
13. früh im Hippodrom ihre Kampfspiele begannen. Die Knabenkämpfe, 
welche seit Ol. 37 (632 v. C.) aufgekommen waren, werden den 12. Monats- 
tag zu einem großen Teile gefüllt haben. Ob auch das Wettreiten der 
Knaben an diesem Tage stattfand, oder am folgenden mit den hippischen 
Agonen der Erwachsenen erledigt wurde, ist nicht berichtet. Wahr- 
scheinhch ist es nicht, da die Knaben ihren Wettritt ja bereits seit Ol. 78 
mit den Männern schon am 13. vornahmen. 

Wann die Verlegung der Knabenkämpfe vom 15. auf den 12. 
Monatstag erfolgt ist, wissen wir nicht. Daß es nach Ol. 78 (468 n. C.) 
geschah, versteht sich, sonst hätte es Pausanias in seiner Darstellung 
der Neuerung (5, 9, 3) mit erwähnt. Da man die Verlegung offenbar 
vornahm, weil der 15. Monatstag noch immer zu belastet schien, so 
liegt der Schluß nahe, daß die Änderung nach Ol. 145 (200 v. C.) er- 
folgte, als das Pankration der Knaben, mit dessen Aufnahme man in 
Olympia länger als anderwärts gezögert hatte, den danach Verlangenden 
nicht ferner vorenthalten werden konnte.^) 

7. Die Agone des 15. Monatstags. 

Durch das Herausnehmen der Pferdekämpfe und des Pentathlon, 
sowie durch die Verlegung der Knabenspiele, war der alte Agonentag 
nach dem Opfertage, nämlich der 15., wesentlich entlastet worden. Es 
blieben für ihn noch die übrigen Wettkämpfe der Männer übrig. Man 
ließ nun die Laufagone, wie bisher, da ein Grund zum Andern nicht 
vorlag, auf dem Vormittage liegen. Die übrigen Kämpfe schlössen sich 
danach an; sie kamen also überwiegend des Nachmittags an die Reihe. 
Beides entsprach wiederum den Vorübungen in Stadt Elis.^) 

Der zeitige Morgen begann mit dem Dauerlaufe; daran reihte sich 
der einfache Stadienlauf,, und an dieses älteste der Kampfspielc schloß 
sich der Doppellauf. Diese Aufeinanderfolge bestand wenigstens Ol. 212 
(69 n. C), in der Polites aus Keramos den Sieg erlangte. Was dieser 
berühmte Rennkünstler leisten konnte, bewies er dadurch, daß er nach 
dem längsten und ausgedehntesten Laufe, nur durch eine ganz kurze 
Pause erfrischt, den zugleich kürzesten und schnellsten unternahm, und. 
nachdem er so an einem und demselben Tage im Dauerlauf und gleich 
darauf im einfachen Laufe den Sieg erlangt hatte, als Dritten auch noch 



1) Philostr. gymn, 13. 

2) P. 6, 24, 1; s. oben S. 135,2. 



13 



138 Ludwig Wenigei\ 

den im Doppellaufo hinzufügte. So PausaniasJ) Wohl sollte man dem 
alten Herkommen gemäß den Stadienlauf an erster Stelle stehend er- 
warten.2) Pausanias Zeugnis aber läßt keinen Zweifel. Mit ihm stimmt 
auch die Anordnung bei Philostratos in der Schrift über die Gymnastik, 
wo (c. 4. 5. 6) erst der Dolichos, dann das Stadion, darauf der Diaulos 
besprochen wird, und, was mehr bedeutet, die nämliche Reihenfolge 
anderwärts, wie z. B. bei den Panthenaien zu Athen, den Spielen zu Ehren 
des Amphiaraos zu Oropos und sonst.-^) Turnerische Gründe mögen 
diese Anordnung veranlaßt haben, die der späteren Zeit anzugehören 
scheint. 

Die Kampfspiele am Nachmittage des 15. waren Ringen, Faust- 
kampf und Pankration.*) Diese Reihenfolge ergibt sich aus dem, was 
Pausanias 6, 15. 4 erzählt: In der 142. Ol. (212) v. C. meldete sich 
Kleitomachos von Theben zur Teilnahme am Pankration und am Faust- 
kampfe, und am selben Tage der Eleier Kapros zum Ringen und zum 
Pankration. Als nun Kapros im Ringen gesiegt hatte, machte Kleitomachos 
bei den Hellanodiken geltend, daß es doch gerecht wäre, wenn sie das 
Pankration vornehmen ließen, bevor er im Faustkampfe Wunden erlitten 
hätte. Sein Verlangen war billig, und so wurde lür diesmal zuerst das 
Pankration, welches minder gefährlich war, da man dabei ohne Schlag- 
riemen und mit gekrümmten Fingern statt der Faust kämpfte, vorgenommen.^) 
Die Änderung, auf welche die Hellanodiken in diesem Falle sich ein- 
ließen, indem sie das Pankration vor dem Faustkampfe vorzunehmen er- 



1) P. G, 13, 3: (iyitftfyi <ft aQtrijy no^ioy ft^^OXvfjni^ ntlauv, ano y«^ tov ^tjxiarov 
Xftt iTi€tQXKrrft7ov dt* ohyiatov dfj xmqqv jut^ijQfwOMo Im lo ß^tt^vrnioy ofjov xttt (axitnoy, 
xai dokt^ov fy rji i^fOft fj «^',5 *«* nnQievtfxa (frtoHov Xnßioy yixtjy nQoatf^tjxt dutvkov 
(tifiai Ttjy rginjy, 

2) Wie es im allgemeinen bei Piaton in den Gesetzen vorausgesetzt wird 
(p. 838, 1): ttTfoTiOffQo/Aoy d^ nQuiioy 6 x^ftv^ f}/"**'* xtt^nntQ vvy, iy loU ayoiai 7f a^ttxnktl. 
Hei Plutarc'h Symp. ö, 2, 1: Jioioy ovy,ffai>j n? iiy^ rwv nyioytc^dnoy ytyoyiytu riQiaioy^ 
fj 10 niadtoy, tSimifQ okvfiTtUtaty; ist n^vJroy von der Zeit der Fiinfulirung zu ver- 
stehen. S. Mie, Philolog. a. 0. S. U>4. 

3) Vgl. Mie, qtioestt. ag. p. 3G. Dittenberger, Sylloge^ JI n. 524. 

4) Daß der Dauerlauf früher war, als das Ringen, geht aus der Krzähluug 
bei Lukianos Demosih, encom. 3 hervor. Wenn es bei ebendemselben im Timon 50 
heißt: ytyixuixt dt nv^ xai nakfiy xat dqo^oy fy ^OkvfATiia /uttis ijfAfQttS^ xat itkilti) li^fjirtn 
x€(t avyoigidt nojhxff, SO gehören die drei ersten, ohne Ordnung angeführten gymuischeu 
Agone auf den 15., die beiden Wagenkämj)fe auf den 13. des Monats. Cbrigens 
handelt es sich um eine Fiktion. 

.j) Paus. 6, 15, 4: »f di okvfintag n A/*l5? *i>« /"^v loy KkurofAaxoy lovioy 
nttyxQmUiv xttt nvy/Li^g nyiaytaifjy, il^t dt xrtl ' Hktloy KaiiQoy inl ij/aigns Tt]S ttitfi^ 
nnkttlüai t( ofiov xat nayxQtataam nQo&vfiovfityoy ' ytyoyvif(S dh i^dtj np KanQat yixn? fni 
ifl Ttakfjf üytdidftoxty 6 Kktnofiaxos tovg * Ekk€<yodixaS ytyiatadM avy im dixttUo atfiaty, 
tl 70 mtyxqttnoy faxttktaatyio ngty tj nvxuvaayra (thoy kftßiiy TQftv/uttue, Jiytt ih drj 
tixöia, xal ovTwg iaxktjSiyjog lov nuyxQttnov XQta^^fk vno tov KÜtiqov o^oi« i^if^auio is 
70V i Ttvxitd l^vfi^ 7t i{i(tü}fÄiy(o xtti axfi^7t rw mofAcat» 

14 



Das Hochfest des Zeus in Olympia. 139 

laubten, war durch die besonderen Umstände bedinp^ und galt nur dies 
eine mal. Von. Kapros berichtet Pausanias auch 6, 15, 9, daß er an 
demselben Tage im Ringen und im Pankration gesiegt habe. Dies war 
der erste Fall solcher Doppelleistung seit den Tagen des Herakles. Nach- 
her gab es noch mehrere Sieger der gleichen Art.^) 

Die Aufeinanderfolge von Faustkampf und Pankration bestätigt bereits 
für die Zeit vor Ol. 77 (472 v. C.) Paus. 6, 6, 5.2) Das Pankration fiel, 
da Ringen und Faustkampf nicht selten geraume Zeit erforderten, ge- 
legentlich in abendliche Stunde. Eine olympische Inschrift berichtet, daß 
der Pankratiast Ti. Claudius Rufus bis in die Nacht hinein kämpfte: 
li^XQi vvxToc (ig utSTQtt xaTukaßeiv diex(Zi)TSQr^ae.^) 

Den Schluß der Kämpfe des 15. Monatstages und damit aller Agone 
des Olympienfestes überhaupt machte seit Ol. 65 (520 v. C.) ein Doppel- 
lauf mit Helm, Beinschienen und ehernem Schilde. 25 Schilde zu diesem 
Zwecke waren im Zeustempel aufbewahrt (P. 5, 12, 8). Später wurde 
nur mit dem Schilde gelaufen, ohne den übrigen Waffenschmuck (P. 6, 
10, 4). Was Plutarch Symp. 2, 5, 2 im allgemeinen bezeugt, ohne Nennung 
von Olympia, daß der Hoplitenlauf nach allen andern stattfinde, zum 
Zeichen, daß damit das Ende des turnerischen (also friedlichen) Wett- 
kampfes gekommen sei, und was durch Beispiele von anderwärts Be- 
stätigung findet,*) das wird für Olympia auch durch ausdrückliche Zeug- 
nisse erwiesen. So durch Pausanias (3, 14, 3): tov Se airv ttj aanidi 
dQo/iiov inl fjyojn A^yyoiTt ov <svv^ßaivBv sivci nw. Die Rede ist von dem 
Lakedaimonier Chionis, der Ol. 28 (668 v. C.) den ersten seiner sieben 
Siege (vier im Stadion und drei im Doppellauf) errang, während der 
Waffenlauf erst seit Ol. 65 (520 v. C.) bestand. Die Worte inl uywvi 
h]yovn beziehen sich auf die Abkündigung der Kämpfe durch den Heroldsruf 
^ArjyH fiiv «ycor" usw., von dem unten S. 142 gehandelt wird. Damit 
stimmt die Darstellung bei Philostratos gymn. 7: g>rjf.u y^Q vei^ofilfSO^ai 
f.i€v uiTOV (roi» onUiiiv seil.) h. no/^fuxfjg uhiac, naqitvca d' ig tovc dyiovag 
7€o'/J/Liov uQX'i'jg ft'fcx«, dtjkovfsrjg r^c itaniiog^ on Tjsnaxnai ^yLSXBiQut^ dsT 



1) Paus. G, 15, 10: (KnnQov) TrnA^c ?' iiktjffoioi xctl Tinyx^aiiov ariffftpov f<f- tißitQnS 
T^g (WT^g. Über spätere Fälle vgl. Africaiius. Paus. 1, 35, G; 5, 21, 9, dazu 7, 33, 5. 
Aelian. V. H. 4, 15. Fr. Kindscher, Die Herakleischen Doppelsieger zu Olympia, 
Jahn's Jahrh, 1845, 11 Suppl. S. 392 flf. 

2) (^tnyrytjg yftQ o f?«ff*o? oXufdmaJt fhiltay rp ttvijj' (Ol. 75 = 480 v. C.) nvyf^fjg 
Tf aytkial^M xnl nnyxgnnov yixng vntqtßulfio nvxTfVijjy tov Ev^v^oy' ov fji^y ovö't o 
Btayiiffig im fw mtyxQajkp kaßtlv idvy^9-rj loy xon^ov» tiu ifQoxnu^yna&ilg ijj fi^Xfi 
nQog Toy EvS'VfAoy, 

3) Olympia, B. V n. 54, 25, S. 114. Dittenberger, Sylhge^ n. 68G. 

4) Flut. Symp. 2, 5, 2: xnl yag o'nkhtjg ini Tinaty tlaaytxM fin^ivQovfjttyog^ ort, 
Tovio to likos fori rijg auifjiaaxiag xai rijg cifiikkrig, Beispiele von anderwärts bietet 
Mie Qu, a. 3G, Insclirift Olympia B. V, u. 56, 36, S. 122. Vgl. auch Artemidorus 
oneirocr. 1. 63: to «T* onkoy ro ktyo/jtyoy int ntiyttoy nita» TTttQokxn»: anf4uiyn' ihktvmloy 
yuQ Xtti ini na(T$ i6 S9koy» 

15 



140 Ludwig Weniger ^ 

i'onkmv, bI di fif] ^q,^v(img aTLOvBvc tov xijqvxoc^ oq^c coc inl naVTvav 
xtjQvvtei kfjy€tv fxev rov rcßv äi^kwv tai^tiav ayoiva, tj/v Cahnyya de ta tov 
i%'vaUov öTfjf^aiveiv^ ngoxalovfjiBvriv tovg viovs ^U 07t?m. Der Waffenlauf war 
ein Diaulos. *) Wenn das Pankration gelegentlich in die Abendzeit fiel, so 
mag dieser glänzende Schlußagon, zumal an dunklen Tagen, unter Fackel- 
beleuchtung vor sich gegangen sein. 

8. Trompeter und Herolde. 

In der 96. Olympiade (39(> v. C.) waren zu den vorhandenen Wett- 
kämpfen die der Trompeter und Herolde getreten. 2) Trompetengeschmetter 
und Ausrufen gehören zu den Verrichtungen, welche in einem Zeitalter, 
in dem es weder Tageblätter gab, noch gedi-uckte Programme verteilt 
wurden, für das Gelingen eines Volksfestes von solchem Umfange kaum 
entbehrHch waren, und da diese Feste als gottesdienstliche galten, bekamen 
solche Verrichtungen eine Art von Weihe und die damit Betrauten ein 
besonderes Ansehen. Zur Agonistik gehören sie ursprunglich nicht; sie 
sind weder als gymnische, noch als musische Leistungen zu betrachten 
und wurden anfangs von Einheimischen besorgt.-^) Die ersten Sieger in 
beiden Agonen waren auch noch Eleier. Timaios als Trompeter, Krates 
als Herold.*) 

Der Agon dieser Leute fand weder im Stadion, noch im Hippodrom 
statt, sondern auf einer Art Altar, vielmehr einer altarähnlichen Tribüne, 
welche die Wettkämpfer über das Publikum emporhob, in der Nähe des 
Einganges zum Stadion, wo die Stoa Poikile, die nicht ohne Grund den 
Namen der Echohalle trug, einen akustischen Hintergrund bildete, auch 
vielen Festgästen Platz bot, und wo der weite Raum der Altis offen dalag. ^) 
Dort ist ein 19 m langes Marmorbathron aufgedeckt worden, das für 
diesen Zweck wohl geeignet war und durch eine Treppe in einem auf 
der Vorderseite eingeschnittenen Halbkreise bestiegen werden konnte. 
Diese eigentümlichen Wettkämpfe ergaben sich von selbst aus Bedürfnis 
und Konkurrenz und der Neigung der Hellenen, überall, wo es anging, 
Agone zu veranstalten. Hier kam es darauf an, für das Ausrufen der 
Sieger, auf deren Namen alle begierig lauschten, aber keiner mehr als 

1) Aristopll. Av. 291 f.: nkka fifyiot Tis noff ij XotfüKru jJ twi' oQymv; fj 'tt* roy 
Jiuvkoy n^9oy; Paus. 2, 11, 18: rga^tnyoS £txvt6y^oSf o? vixag ityiiltro (01.231 = 145 
n. C.) ... dittvkov iT lifjffOTfQtt, x€u yv/uyos xal fitm rijf otmidos, Ol. 235 (161 U. C.) 
erlangte Mnasibulos den Sieg (rradiov xat rov avy tjj ufsni^i tfiavlov, P. 10, 34, 5. 

2) Africanus p. 58 R.: nQoatn^tj acdmyxr^^ xal fyixa TifAttiog ^ Hktlo?, -n^ani^fi 
xtti x^Qv^ xtti iyixa KQfhtjg *HAf»oC. 

3) Pollux 4, 92: ngouqoy J' 'OXv^niaaiy imy ^/ti/cü^müi' xtjQVUoyTtoy^ oV utls 
lt(}OVQyiais vTtfd^tjxoyovyio^ TTQtaJoi Jtoy ^iyoty ^ytaylanro m "'OXv/uma ^Ag^irtS 'Yßkfdoi xut 
rgtU okvfiTiMffttS itftl^i iylxa xat Ilvt^ia tft fyixa xat tix(oy in ^y ttvitü lIvBixvi» 

4) Vgl. die Inschriften Olympia B. V n. 232, 2; 243, 4; 237, 2. 

5) Fans. 5, 22, 1. 21, 17. Ähnliche Einrichtung bei den Isthmien: Liv. 33, 32. 

16 



Das Hochfest des Zeus in Olympia. 141 

sie selbst und die Bürger ihrer Heimat, die allertüchtigsten Männer zu 
gewinnen. Der Wettstreit war dadurch von selber geschaffen: Dem sieg- 
reichen Herolde wurde diese Aufgabe übertragen, und der siegreiche 
Trompeter stand ihm zur Seite. ^) Natürlich wurden die Sieger auch zu 
andern Zwecken verwandt, wie z. B. bei Beginn jeder einzelnen Kampf- 
art zur Ankündigung. Vom Trompeter bezeugt das Pollux;^) für den 
Herold versteht es sich aus dem xaleXv oder naqaxalBXv der Athleten und 
dem iOTLalBlv der Kampf arten. Es leuchtet ein, daß der Wettkampf der 
Trompeter und Herolde allen andern vorausging, da die Sieger eben bei 
allen andern Wettkämpfen verwendet werden sollten.*) Demgemäß ist 
dieser Agon auf den 11. des Monats anzusetzen. Für den Morgen des 
12. ihn etwa einzustellen, verbietet neben andern Bedenken der Umstand, 
daß er geraume Zeit in Anspruch nahm, und daß auch wohl nach seinem 
Abschluß eine sorgfältige Einweisung des siegreichen Trompeters und vor 
allem des Herolds in seine Aufgaben erfolgen mußte, ehe sie bei den 
andern Agonen allen ihr immerhin verantwortliches Amt, bei dem ein 
Mißgriff bedenkliche Folgen haben konnte, antraten. Dazu kommt dann auch, 
wie wir sehen werden, die Überlieferung, daß das Fest am IL des Monats 
seinen Anfang nahm, und daß Herold und Trompeter es ansagen mußten. 
Wenn es nicht schwierig ist, sich von dem Wettkampfe der Trom- 
peter eine Vorstellung zu machen, so liegt in bezug auf die Herolde die 
Frage nahe, welchen Wortlaut diese Agonisten bei ihren Probeleistungen 
auszurufen hatten. Hierfür bietet sich trefflich der sogenannte ivaymvi^og 
novg^ d. i. der anapästische Einleitungsruf, dar, von dem Bestandteile in 
der satirischen Schrift des Kaisers Julianus über die Caesaren (p. 318), 
untermischt unter die auf die früheren Kaiser bezüglichen Verse des den 
Herold spielenden Hermes, erhalten sind:*) 

**A^?MV ra^iag. Katgog de xat^el 
MrjTceri /tfc'AAftV ailu xkvovreg 

Ti(V af.i£T€Qav xaQvy.a ßoav 

"I%\ ig uvrinalov \axaC^e xqIcvv 

iVfortjc de rilog Zrjvl lislilfin, 

1) Die siegreichen Herolde selbst bedienten sich für die Abkündigung ihrer 
eigenen Namen anderer Herolde; vgl. Cic. ad fam. 5, 12: Accedit etiamy ut — multi 
dicant verecundivs esse, praecones ludorum gymnicorum, qui, cum ceteris Coronas im- 
posueinnt victorihus eorumqiie nomina magna voce pronunciaverint, cum ipsi ante ludorum 
misswnem Corona donenturj alium praeconem adhiheant „Missio ludorum*^ bedeutet 
Abschluß der Spiele. Daß dem Römer Olympia vorschwebte, ist anzunehmen. 

2) Pollux 4, 87 : nag^kS^i uiv #iV lovg dytayas % <T«>lT«y| h r?? ifinoktfiiov ^cAcr^c, 
^y* huarp di t? xAiJ^Tf* laty fiyatyKmoy fniq&iyytTat, 

3) Damit stimmt des Lukianos Darstellung, de morte Per, 32. 

4) Vgl. Bergk, P. L. G.* 3, 659. M. Haupt, de pede a praeconibus recitato, 
Nuove Memorie delV Insiituio Arch, ISUö S. 209 ff. Agon und Kairos personifiziert 
auch bei Paus. 5, 26, 3. 20, 1. 14, 9. 

Beiträge i. alten Geschichte IV 2. ^^ 



142 Ludivig Weniger^ 

Es ist nicht wahrscheinlich, daß man diesen selbigen eindrucks- 
vollen Text bei jedem der Einzelagone ausrufen ließ. Für die Ansage 
des Beginnes genügte in solchem Falle zunächst das Trompetenzeichen 
und eine kurze Ankündigung aus dem Album (Leukoma) der Hellanodiken; 
doch wurden wohl einige ermunternde Verse hinzugefügt.*) Dagegen 
konnten vor Beginn der gesamten Spiele immer wieder, sei es hinterein- 
ander oder durch Trompetenfanfaren unterbrochen, die verschiedenen Wett- 
bewerber denselben feierlichen Text ausrufen, ohne die Hörer zu ermüden 
oder einen lächerlichen Eindruck zu machen, sonst hätte man ihren Wett- 
streit statt an eine hervorragende Stelle der Altis lieber in einen entfernten 
Winkel verlegt, wie die Trommelübungen unserer Soldaten und Ähnliches. 
Mit solchen Trompetentönen und Heroldsrufen wurden also in feierlicher^ 
Weise die großen Agone am Hochfeste des Zeus von Olympia 
eingeleitet, wie bereits in der Ilias (20, 48 ff.) der große Kampf 
der Götter gegeneinander durch die lauten Rufe der Athena auf Seiten 
der Achaier, des Ares auf selten der Troer eröffnet wird. 

Aber auch an einem entsprechenden Abschlüsse fehlte es nicht. Wenn 
der Hoplitenlauf beendet und damit die Reihe aller Agone zum Ziele 
gelangt war, betraten Bläser und Herold von neuem das Podium, und der 
Herold verkündete in Versen, die dem Einleitungsspruche nachgebildet 
waren und deren Trümmer bei Philostratos (ijyfnn. 7) erhalten sind, das 
Ende der Spiele: „€e de firj ^tfdv/img ohoveic toi; xiJQvxog^ OQ^g, mg inl 
TraWcüi» xrjQvttei, )^7JYei.v fxev tov tmv äSkwv rafilav dycSva, ri}v aal- 
niyya di %ä tov 'Evvaliov (ftjfAalvsvv^ nqoxalovpLivriv tovg veovg 
elg onka. xelevei 6i tovn to xijQvyfia xal %ovlaiov dgafAevovg ix- 
noScüV noL (pSqsiv^ ovx cJc u)^i(pofXBvovg, dA/' mg nenaviiivovg rov 
dk€i(pea&ai.''^) Mit den Spielen im Zusammenhange nahete auch der 
Gottesfriede seinem Ende, und darauf sollte nach Philostratos' Ansicht 
(s. oben S. 139 f.) der Hoplitenlauf bereits hindeuten. 

Doch kehren wir zum Anfange der Spiele zurück. War das Fest 
am Morgen des 11. Monatstages durch Trompetenfanfaren und Heroldsruf 
eingeleitet, so blieb der übrige Teil dieses Tages den Vorbereitungen ge- 
widmet, welche zu besorgen denen oblag, die es anging. Dahin gehören 

1) Moeris p. 193, 4: Balßlöig al M rdSy «fftruotf ßaaiic fyxtxnQtcyfiivai, als M^ 
ßiutfov o\ dQOfifU, IV' i^ taov l'aTttkyro. cf#o xat ol x^QvxfS fni liZv i^t/ovriav* ßalßitTa 
noffog ,'^m rrocf« 7i«p« nodrt, xal yvy tn Uyovcty, ^Aiikxoi, vffnkrf^ dt xotvov. Bergk, 
P. L. G.* 3, 660. 

2) Vgl. Lucian. im Lebeu des Deraonax 65: on dt avy^xty ovxtS^ oloc t* toy 
alfnp intxovQtly, tlmay ngoi jotg naQoyntC rdy iyaytijyioy Tuiy xtjgvxüty noJa* „^iy*» fii^ 
«ywV, nÜy xfckkianay uHtay rafiUt^y Kwqo? di xiektl fiijxin fAfkXtiy" xat nayitay unoft^O' 
fAfyog nn^kf^t tov ßiov . . Hier schein eu die Verse von dem Sterbenden für seinen 
Fall abgeändert, nämlich aus dem Schlußrufe {kiyti) und dem Anfangsrufe des 
Herolds zusammengefügt. Die Worte Knigos di xaktl fitjxht fnikktty passen für den 
Schlußruf nicht; vielleicht hieß es: aakmy^ dt xctktl fiV onka vtovg oder ähnlich. 

18 



Das Hochfest des Zeus in Olympia. 143 

die Eidschwüre, die von den Athleten, ihren Angehörigen und Lehrern, 
femer denen, welche die Knaben und die jungen Pferde zu begutachten 
hatten, damit keine Älteren und somit Stärkeren eingeschmuggelt würden, *) 
zu leisten waren. Dies geschah vor dem Zeus Vorkios im Buleuterion, 
während ein Schweinsopfer dargebracht wurde; man rief die ünterwelts- 
mächte zur Bestrafung des Meineids herbei. Zu diesen scheint Zeus 
Vorkios zu gehören, wenn auch Pausanias, wie er sagt, zu erkunden 
vergaß, ob die Opferstücke gleiche Behandlung fanden, wie beim Eide 
des Agamemnon Dias 19, 625, d. h. vernichtet wurden. War dies der 
Fall, so hatte das Opfer die Bedeutung eines Enagismos. Ob man daraus 
schließen darf, daß es, wie gewöhnlich die Opfer an Gottheiten der Unter- 
welt, zur Abendzeit dargebracht wurde, muß dahingestellt bleiben. 2) 

Femer paßt die Athletenweihe im Tempel des Zeus, deren Ampelius 
gedenkt, für diesen Tag.^) Daß es auch sonst viel zu tun gab, leuchtet 
ein. So hatten die Hellanodiken alle Athleten, die sich anmeldeten, und 
die Kampfart, in der sie auftreten wollten, in das Leukoma einzutragen, 
das dann die Gmndlage des Spielprogramras bildete. Auch dabei gab 
es zeitraubende Verhandlungen. Für die versammelte Festgemeinde besaß 
der Elfte schon ganz und gar das Wesen eines Feiertags und verlieh im 
voraus den Agonen den gottesdienstlichen Charakter, den sie ihrem Grand- 
gedanken nach haben sollten. Auch am Vorabende wird es an festlichen 
Bräuchen nicht gefehlt haben.*) 

9. Privatfeiern. 
Während der ganzen Dauer der olympischen Feiertage fanden an 
jedem Morgen unbeschadet der Agone nach wie vor die das ganze Jahr 
hindurch fortlaufenden Tagesopfer des Zeus statt; P. 5, 13, 10: StvB%ai 
de Tcp Jil xal ärev vijg navriyvqevag vno te IdioirtSv xot dva na(fav rjiiiqav 
V7K) ^HXslmv. Wenn dies sogar „ohne die Panegyris" geschah, wie viel- 
mehr in derselben: Das tägliche, durch einen besonderen priesterlichen 
Beamten, den Kathemerothytes^), in der gewöhnlichen Zeit zu Olympia 



1) Xenoph. Bell 4, 1, 40. Diog. L. 8, 47. — Paus. 5, 24, 9. 

2) Vgl. Ä. Mommsen, Über d. Zeit d. Olympien, S. 5. 

3) Über mem. 8: Olympiae femplum lovis nobile, ubi athletae initiantur, 

4) Man kann die Opfer dazu rechuen, welche abergläubische Wagenleuker 
dem Dämon Taraxippos im Hippodrom darbrachten, in dessen rundem Steinmale 
manche das Zeichen eines Grabes sahen, P. 6, 20, 15. Aber dies waren private 
Handlangen und als solche unberechenbar. Das Nämliche gilt von den Gebeten 
frommer Athleten im Zeustempel Cvgl. Clem. AI. Strom, 7 p. 860 P.) u. a. dgl. 

5) Ein solcher wird in den Listen der Opferbeamten Olympia B. V, n. 61, 
12. 62, 12. 64, 22. 08, 6. 78, 5. 83, G. 84, 21. 86, 17. 92, 24 erwähnt. Das Tages- 
opfer an Zeus ist von dem Monatsopfer an allen 69 Altären von Olympia, das dem 
Theokol und seinen Ministranten oblag, zu unterscheiden. An dem Tage des 
Mouatsopfers wurde es durch dieses ersetzt, wie am 14. des Olympienmonats durch 
die Hekatombe. 10» 

-^9 



144 Ludwig Weniger^ 

dargebrachte Opfer ist die regelmäßige Gebühr des großen Gottes, vom 
gottesdienstlichen Standpunkte wichtiger, als die Agone. Es war selbst- 
verständlich an bestimmte Tageszeit und Stunde, des Morgens natürlich, 
geknüpft, nicht anders als der Gottesdienst bei uns. 

Hierzu kamen, noch gesteigert während der Panegyris, die ungezählten 
Opfer der Privatleute, d. i. der Festgäste, die außer der dienstlichen 
Opferung der elischen Priesterbeamten dargebracht wurden. Zu diesen 
Privatopfem gehören die der Agonisten, zumal die, wohl in den meisten 
Fällen vorher angelobten, Dankesopfer an Zeus. Aber außer dem Zeus 
auf dessen Hochaltare pflegten die Sieger auch auf den sechs von Herakles 
bei der Stiftung des Agons errichteten Doppelaltären für Zeus und Poseidon, 
Hera und Athena, Hermes und Apollon, Dionysos und die Chariten, Artemis 
und Alpheios, Kronos und Rhea ein Opfer zu bringen.^) Da nun die 
Agone am 12., 13. und 15. entweder den größten Teil des Vormittags 
beanspruchten oder auch nachmittags stattfanden, wo Opfer an Himmels- 
götter nicht dargebracht wurden, so war jedesmal der Morgen des auf 
den Sieg folgenden Tages für solche privaten Opfer die gegebene Zeit. 

Aus dieser Sachlage erklärt sich, was von dem Aufenthalt und Vor- 
nehmen des Alkibiades in Olympia erzählt wird. Dieser hatte mit seinen 
Viergespannen den ersten, zweiten und dritten Preis errungen. Das war 
nach dem, was oben dargelegt worden ist, am 13. vormittags geschehen. 
Tags darauf, am 14., war der heilige Tag mit dem Hauptopfer. Agone 
wurden an diesem Tage nicht gehalten. Das große Opfer, die offizielle 
Darbringung für den olympischen Zeus, veranstaltete der elische Staat: 
es war das gewöhnliche Tagesopfer, aber zu einer Hekatombe gesteigert,^) 
an dem die Theoren der hellenischen Staaten von Amts wegen teilnahmen, 
so daß dieser Akt feierlichster Opfergemeinschaft eine Art Amphiktyonie 
herstellte. Daß man dabei den höchsten Glanz, wie er der Vertretung 
mächtiger Staaten entspricht, entfaltete, ist natürlich. Alkibiades nun, 
der als Privatmann in Olympia war, entlieh von den attischen Archi- 
theoren die goldenen Prachtgeräte, die der Stadt Athen gehörten, kunst- 
volle Opferkrüge, Schalen und Räuchergefäße, unter dem Verwände, sie am 
Tage vor dem Staatsopfer, also am 13., bei seinen Epinikien, d.i. einem 
privatim mit geladenen Gästen zu veranstaltenden Trinkgelage, als Schau- 
stücke zur Ausstattung der prunkreiclien Schenktische mit zu verwenden. 
Solche Siegesmahle, xwfioi^ waren allgemein üblich und wurden zur 
Abendzeit bei glänzender Beleuchtung mit Flötenspiel, Gesang und fest- 
licher Ausschmückung des Gastraums veranstaltet.-^) Die Architheoren 



1) So Psaunüs aus Kamarina Ol. 82 (452 n. C.) nach Piiidar Ol. 5, 10. Dazu 
Herodor beim Schol. Vet. 

2) Lucian. bi^ accus. 2: fy n *OXvfinUc r^ fxaio^ißp nttQtlyat. 

S) Schol. Find. Ol. 9, 1 : fSaS df ^y xtafAu^Hv rijv yixtjy icni^aS roJc ytxtjq'O^oiS 
(ui avhjrov x. t. iL. — Schol. Nein. 6, 55 : ^tia yd^ i6 ytxiaat hto/naCoy fifia 

20 



Das Hochfest des Zeus in Olympia. 145 

wagten nicht, dem vornelimen Manne, der noch dazu durch diesen Sieg 
der Stadt Athen hohe Ehre erworben hatte,^) sein Begehren abzuschlagen. 
Alkibiades jedoch hatte die Dreistigkeit, die Prunkgefäße nicht rechtzeitig 
wieder abzuliefern, sondern am andern Morgen in der Frühe erst für 
sein eigenes, unter stattlichem Aufzuge dargebrachtes Privatopfer zu be- 
nutzen. Als dann, eine oder mehrere Stunden später, die feierliche Pro- 
zession der Staaten zum großen Hauptopfer der Eleier stattfand, die, an der 
Südseite des Tempels entlang, dann nach links um ihn hemmschwenkend, 
vor den Augen der versammelten Völker hellenischer Zunge das Höchste 
an Prachtentfaltung sehen ließ, da mußte jeder nicht Eingeweihte glauben, 
das mächtige Athen habe sich das Schaugerät, das man schon einmal 
am selben Morgen bewundert hatte, von seinem übermütigen Bürger ent- 
liehen. Alkibiades setzte der eigenen Üppigkeit dadurch die Krone auf, 
daß er nach Verrichtung seines glänzenden Opfers die ganze Festver- 
sammlung zu Gaste lud. Dies war die Opfermahlzeit, die sich an sein 
Dankopfer am 14. anschloß und desselbigen Tages zu Abend stattfand, 
während das Gelage vom Abende vorher als natürlicher Ausdruck der 
ersten Freude über den am Morgen erzielten Sieg vorweg veranstaltet 
worden war, beide Gelage nicht im Prytaneion, sondern in dem herrlich 
ausgestatteten Festzelte des vornehmen Wirtes.^) 

10. Kräuzung und Siegesmalil. 
Der letzte der olympischen Feiertage, der 16. des Monats, war der 
Verteilung der Siegspreise bestimmt, d. h. der Verleihung des zu einem 
Kranze zusammengebogenen frischen Kotinoszweiges. den der mag afign- 
l}akrjg mit goldener Sichel von der i?Mia xa?M(Jts(pavog neben dem Zeus- 
tempcl abgeschnitten hatte.'') In jeder der durchgeführten Kampfarten 
erhielt nur der Eine den Preis zuerkannt, der nach dem Urteile der Kampf- 



luiy 'kixtioTtütf. — ibid. 64: i9oi y«(> ?*' xai nnyyvxidos vfiyoiy roU yt^Miixomy 
uionktiat^ttt, 

1) Alkibiades hebt dies selbst hervor: Thuc G, 16. 

2) Pseudo Andocid. 4, 29 p. 126: JV« cT* ftti /uoyoy Mofujtftjy, cckXä xai rijy 
Tiokty okrjy vßQi^wy inM^tit, t« Ttofjintln nctQu itay (CQXi^KjjQoiy (tirtjaa/Jtyo^j ibs tis ra 
intyfxta rj TtQouQaln ris ^vainS )^Qtfi<t6fAtyo?^ i^finarrfCi xnl ano(fovya$ ovx ijxttktj ßovko' 
fityos T^ vtntQf(i{e nQouQoi r^s noktto^ XQ^aafjS^at roU /^vcroff /«^W/}o«f xat &vfiMTtiQioti' 
o<fo$ fjiiy ovy roty ^iyoiy /n^ fyiyiaaxoy tjftirfQ« oyia, niy nofin^y Tijy xotyrjy i^tayit?, 
vaifQay ovcay i^s ^Akxiflniifov, toZ^ rovrov nofJutUoig /(>5<yt^«» lyo/ut^oy ^/utis. — Athen, 
1 p. 3 E.: 'Akxtßidd>ii dt 'Okv/umn ytxfjffas ttQjaaii ngüüros xni (fivuQWi xai liraQToe — 
9vaag ,^Okvfiniti} Jti rriy nayiiyvQiy näaay ti<niaüf, — Plut. Alcib. 12: tovto fjiiyroh ro 
ka/unQoy imtfayianqoy inoitjmy ^ itay nokttay ffikoJijLiia. (Txtjyrjy /niy yaQ nvito xixo<f/n9}/Liiyiy 
JtttTiQinois fojrjaay ^Etfintoi, TQOtfuS (fi tnrtois xai nk^&oi U(i*iioy -nuqnj^ty ^ Xitoy nok&s^ 
olyoy cfi Mifßtoi xat Jtjy akktjy vnoJoxh^ afftufcas IcTMyjh nokXov£, 

3) Weitere Ausfuhrungen in meiner Sclirift Der heilige Ölbaum in Olympia^ 
Programm, Weimar 1895. 

21 



Hi\ Ludwig Weniger^ 

rIolUor da« Beste geleistet hatte. Nach dem Schol. zn Pind. Ol. 3, 60 schnitt 
der Ehrenknabe, vermntlich der Epispondorchest des Festmonats, siebzehn 
Reiser, entsprechend der Zahl der Wettkämpfe. Schol. Pind. Ol. 5, 14 
spricht von 28 (xi;). Es waren aber nnter regelmäßigen Verhältnissen 
acht gymnische Agone der Männer, vier der Knaben, dazu sechs 
hippische, im ganzen also achtzehn. Es kam indes von daß welche 
ausfielen, z. B. Pferderennen in der römischen Kaiserzeit. ^) Die Zahl 28 
ist unhaltbar und wird auf einem Versehen beruhen. 

Die an sich bescheidene Gabe des Kranzes bedeutete mehr, als eine 
Ehre: der Sieger wurde dadurch dem Zeus geweiht. Denn frische Zweige 
von wilder Olive legten die Opferbeamten der Eleier jeden Monat an einem 
bestimmten Tag auch auf die 69 Altäre aller Gottheiten, die in Olympia 
verehrt wurden, und nun geschah dem hochbegnadeten Menschenkinde 
das (^ileiche, noch dazu mit einem Reise von der Kallisto, dem auser- 
korenen Lieblingsbaume des Zeus. Damm heißt der Kranz der aller- 
heiligste,^) und seine Heiligkeit teilte sich dem Empfänger mit: durch ihn 
wunlen die Sieger vor all den fibrigen Teilnehmern der Panegyris, die 
ja gleichfalls unter Kranze gingen,'') herausgehoben und unterschieden. 
Auch war in der Zeit, da zehn Hellanodiken angestellt waren, einer eigens 
ft^r die Krönung der Sieger bestimmt, der als a&Xo^enjg bezeichnet wird 
und eine Art Präsidentenstellung innerhalb dieses Richterkollegiums 
bekleidete.^) 

Man bat angenommen, daß bereits nach jedem Einzelsiege, sei es 
im Stadion oder im Hippodrom, an Ort und Stelle der Sieger sofort den 
Kranz erhalten habe. Dies scheint das bei Pausanias 5, 21, 14 Berichtete^) 
zu bestätigen: Apollonios Rhantes von Alexandria, ein Fanstkämpfer, war 
OL 218 (93 n. C.) zu spät gekommen; er wurde deshalb vom Agon aus- 

1) cf. Africaou8 zu OL 199 (17 n. C): nvEV€(o&ti twv mntov o Sgofiog nakai 
xtalv^tlq xal Mxa TißfQlov Kalaa^oq tt^ginnov; alinlich ZU Ol. 222 (109 n. C). 

2) inl xbv UQwxaxov axiif.avov Inschrift, Olympia. B. V n. 54 S. 114. 

3) Dies entsprach der Sitte und ist auch ausdrücklich bezeugt bei Diodor 
15, 78: avvtnxtj fuc/ij xaQxega 9^eio/i^v(ov xijv fia/r/v xdtv Tiagovxtav ^nl xijv navtjyvgiv 
*E).).riv(av ^axeff>av<ofi^v(ov xal fu^' tjavxlccq ccxirAt vcjg ^niar^/iaivofjiivwv xag hxnxt- 
Qw»ev avdgayftl^iag, OL 104 (364 n. C). Der Kranz (natürlich ebenfalls aus Kotinos) 
machte sie unverletzlich und unterschied sie auch bei dem Gefecht in der Altis 
von den Kriegern. 

4) F. 5, 9, 5: Shvxl^a de ano xavxtjg okvfuiiäSi TtQoaextd^tj x(d b Atxaxoq, 
a»lo»hri<:. Vgl. Olympia B. V n. 39, 2 vnb hllavodücäv xwv tibqI Alayilov, 
n. 406, 1 i-kXtjvodixai negl 'Avxi<pavrj. 

6) Man berief sich auch auf Die Chrysost. or. II adv. Judaeos p. 331 d: 
xal ya(f axonov iv Vkv/viiaxoTq xa&rj/itvovg aywatv ix filamv vvxxviv ig /learffißgiav 
/ifOfjv xa(txi(ffXv avafjihovxag löeTv, slg xlva b axiifavog negtaxiiaexaif — xal fir^ ngb' 
xt-Qov atplaxaa&ai, ttog äv xgiaiv xa ayotviöfiaxa läßy. Nichts nötigt aber, bei diesen 
Worten an eine Krönung an Ort und Stelle zu denken. Überdies bezieht sich 
da« Genagte auf die Olympien in Antiochia, wo Dien Presbyter war. 



Das Hochfest des Zeus in Olympia. 147 

geschlossen, und sein Gegner Herakleides erhielt den Kranz ohne Kampf. 
Da machte sich Apollonios die Schlagriemen an, wie zum Streite, stürzte 
auf Herakleides los und packte ihn. der bereits den Kotinos aufhatte und 
zu den Hellanodiken geflüchtet war. ^) Hiernach scheint allerdings eine 
Bekränzung gleich nach dem Agone gesichert. Aber es ist keineswegs 
gesagt, daß diese Kränzung durch den Hellanodiken geschah, auch nicht, 
daß der Kranz von dem heiligen Baume, der Schönkranzolive des olym- 
pischen Pantheion,2) entnommen war. Daß gleich an Ort und Stelle der 
Agone dem Sieger Ehrenzeichen zu teil wurden, versteht sich. In der 
Zeit nach Alexander dem Großen war das Übliche ein Palmzweig. Die 
Palme galt als Zeichen des Sieges in den meisten Wettkämpfen. 3) Hierzu 
kam ein farbiges Band von Wolle, das man um Stirn oder Arm schlang, 
oder auch um den, allen Festgenossen gemeinsamen, dem Sieger nach 
den Anstrengungen des Kampfes neu aufgesetzten Kotinoskranz wand.^) 
Das Band wäre überflüssig gewesen, wenn gleich die offizielle Siegeskrönung 
durch den Hellanodiken erfolgte. So erklärt sich die bei Pausanias be- 
richtete Tatsache. Es scheint, daß die Preisträger dies Siegeszeichen sich 
selbst anlegten, wie z. B. Pantarkes in der Darstellung des Pheidias am 
Throne des Zeus (P. 5, 4, 3), oder daß es ihnen durch Angehörige dar- 
geboten wurde. Als der Lakedaimonier Lichas wider Recht seinem Wagen- 
lenker die Tainie umband, ließen ihn die Hellanodiken züchtigen (P. 6, 2, 2). 
Im Hippodrome stand ein Erzbild der Hippodameia, wie sie im Begriff ist, 
den Pelops mit der Binde zu schmücken (P. 6, 20, 19). Auch die Sieges- 
göttin auf dem Zeusbilde des Pheidias im Tempel bringt dem Gott eine 
Binde entgegen. Zu alle dem kommen zuverlässige Berichte und Tat- 
sachen, welche die Bekränzung der olympischen Sieger am letzten Tage 
des Festes durch den Hellanodiken und vor dem Zeustempel bezeugen. 

Die Ansetzung der Bekränzung auf den IG. des Olympienmonats wird, 
wie es scheint, jetzt auch durch Bakchylides bestätigt^), und damit stimmt 



1) rw *H(iax).e!drj dt-, xhv (JXHpavov naQiäatv (ot 'H?.bioi) axovixi. kvxnv^a 
o \i:To?.?.wvtog xaxeaxavr'amxo xt xoig ifiäotv wg tg ftrcxi]v xa) ^aÖQaftibv tnl xhv 
*HQax?.ehhjv rjTixexo hnix^ifihov xe r/rb/ xov xöxivov X(d xaxantiftvybxoq ig xovg 
^Ek)Mvo6ixag. Man beachte den Ausdruck :ia(jtccaiv, nicht imxid^iaaiv. 

2) Vgl. Weniger, Der heilige Ölbaum in Olymjna S. 11. 17. 

3) Paus. 8, 48, 2. Plut. Symp. 8, 4, 1. Vgl. Bulle im Artikel Nike, Roscliers 
Mythol Lex.S, 1 Sp. 331. Passow, -S/Mf/iew z, Parthenon S. 3 fr. 

4) Vgl. Schol. Vet. Find. Ol. 9, 126 Draclim. fxixQccg yaQ hdo^av xojv axetpavojv 
xcd dtadtjfxaxa noixihc elib^aai avvi^etv. cf. Scliol. Pind. I. 4, 78 tvfiaXlov (S\- (nlxQav 
xrfv xfdrtcev OJyei) xrjv ic ^(iiov ^avd^ov xolg axetpavotg TiQoanlexofdvrjv. 

5) Das zweite Epinikion auf Ladies von Keos, der nach der Olympionikenliste 
von Oxyrhynchos Ol. 82 (452 v. C.) im Stadion siegte, beginnt also 'i2 ktnaim HyaxsQ 
Xqovov xe x[(d'\ yvxxog, ah TTtvxr^xovxa fJi[fiyeg ccfibQfcv] hxxai6exaxav iv W.vfji- 

7r[iai . . . .] «()[ 1 xo(Jaift[. . . .] XQiveiav x[cr/vxcixrt xf] XmxVriQwv noAiov *'E?JMai xal 

yvlwv uQKjxalxtg o^hvog. cf. Blaß, praefat, p. LX. 



148 Ludwig Weniger ^ 

die ausdrückliche Angabe der Pindarscholien. ^) Dem Sieger wurde von 
dem Hellanodiken der Kranz auf das Haupt gesetzt, und danach wurde 
von dem Herolde sein Name mit dem des Vaters und dem Heimatsorte 
laut ausgerufen. 2) 

Man wird sich den Vorgang so denken können, daß am frühen Morgen 
des 16. vom Gymnasien her, das, in der Nähe des Prytaneion liegend, 
zum Versammlungsorte für größere Pompen wohlgeeignet war, eine statt- 
liche Prozession in die Altis zog, welche die Sieger brachte. Die Krönung 
geschah in der Vorhalle des Zeustempels, 3) wo der eherne Dreifuß für 
die Kranzreiser stand, den nachmals der bildgeschmückte Goldelfenbein- 
tisch des Kolotes, der für gewöhnlich im Heraion aufbewahrt wurde, ersetzt 
hat. Die Türen standen weit offen, und, von der Morgensonne des heiligen 
Tags beleuchtet, schaute das erhabene Gottesbild dem weihevollen Akte 
zu, selber den Kranz im Haare, den der Gott seinen Olympioniken be- 
stimmte, von der geflügelten Nike auf seiner Rechten mit der Ehrenbinde 
bedacht. Zahlreiche Niken umgaben die Füße des Throns, oben vier, 
tanzend, unten zwei. Der Knabe am vorderen Querstabe legt sich die 
Binde ums Haupt: auf dem Untersatze wird Aphrodite von Peitho bekränzt. 
Drei goldene Kränze hingen in der Halle des Tempels. Man sieht: Alles 
kündet hier Sieg und Siegespreis. In der Vorhalle war die Gestalt der 
Ekecheiria, die den Iphitos krönte, aufgestellt. Hoch über dem Giebel- 
felde stand eine vergoldete Nike. Weiterhin sah man das Prachtwerk 
des Paionios, selber ein Weihgeschenk für erstrittenen Sieg, mitten unter 
der Menge ungezählter Olympionikenbilder, die Göttin vorstellend, wie sie 
in der Richtung auf die Tempeltür hernieder schwebte. Wenn andere 
Zeugnisse schweigen, dies Alles muß darauf führen, daß, wenn irgendwo, 
hier die Stätte der Siegeskrönung gewesen ist. Auch in älterer Zeit wird, 
so sahen wir oben, eben da, wo der Zeustempel über einem bereits vor- 
handen gewesenen Altare des Gottes erbaut war, im alten Pantheion 
unfern der Kranzolive, die Krönung der Sieger vollzogen worden sein. 

1) Schol. Reo. Find. 01,5,8; iheXelto (ij naviiyvQK;) ////(>/ xni ttjq exxcddt' 
xattjgy ^v ^ tri dd^ka ^Aiöozo. Schol. Vet. Ol. 3, 35 d. Drachm. di/^b/jitivK; »/ 
a6?.iivrfj ^nel h xy navatkrfvio b ^OXv^ninxh^ nyatv nyercci xal ttj hxxaiöexcczy 
yivetai ij xQiaiq. Die KränzuDg am Ende aller Agone ergibt sich auch aus der 
oben S. 141, 1 angefahrten Stelle des Cicero ad fam, 5, 12. (Der Ausdruck Coronas 
imposuerint von den Herolden ist natürlich nicht wörtlich zu nehmen). 

2) Find. OL 3, 21 f.: nzQexrjg 'EXXavoöixng — afi(pl xofiaiai ßaly y)Mtxb/()0(( 
xoa/iov i)Mlag. Euripides bei Flut. Alcib. 11: 6)g atetp&tvr' ^Xctia xccqvxi /ioav 
TtagaSorvai, Aristoph. Plut 587 f.: ei ya(i InXovxti (Zeig), nwg nv Jtoiwv rov b).vfi7iixbv 
avtbg aywva av€xijQVTvev xwv aaxrjxtöv xovg vixöivxag axetpavibaag xoxlvo) axetpccvio; 
Schol. Vet. Find. Ol. 6, 18: 6 ya^ vtxwv naxiga xal naxQida avaxt}Qraaei. ibid. 16: 
Iv yccQ x<p aydivL ol vixdivxsg xal anb naxlQmv avr^yoQsiovxo xal aitb npoybvojv xal 
noXetüv. 

3) Die Worte des Flinius N, H. \6, b: quasque conferre liheat cum illa Grae- 
corum summa, quae sub ipso Jove datur sind wörtlich zu verstehen als ^unter 
den Augen des Zeus*". 

24 



Das Hochfest des Zeus in Olympia. 149 

Der Tempel selber, dem olympischen Zeus als Nikephoros gewidmet, 
ist recht eigentlich für die Krönung der Preisträger erbaut worden. Die 
große Plattform, welche, in späterer Zeit hergestellt und dann nochmals 
vergrößert, statt der Stufen vor dem Eingange zum Gotteshause lag, muß 
zu irgend einer bedeutsamen Schaustellung gedient haben; wahrscheinlich 
bildete sie den Standort des Trompeters und des Herolds bei der Ab- 
kündigung der Namen. Die versammelte Menge sah von unten her und 
von den gegenüberliegenden geräumigen Hallen zu und gab durch ihre 
Anwesenheit erst dem Siegspreise den vollen Wert und dem Kranzträger 
die Gewißheit, daß der Ruhm seines Namens weit in der Welt Verbreitung 
finden werde. Das Recht, durch Standbild und Inschrift auch den nach- 
kommenden Geschlechtern die Kunde zu übermitteln, vollendete in der 
Seele des Gefeierten das Gefühl höchsten Erdenglückes. 

War ein Kampf unentschieden geblieben, so erhielt keiner der 
Streitenden den heiligen Kotinos, sondern man weihete ihn dem Gotte 
selber, Ibqov inolrjtfav %ov ö't^yavov. ^) 

Am Abende desselben 16. Monatstages war die Speisung der ge- 
krönten Sieger durch die Eleier. Sie geschah im Prytaneion, dem Dienst- 
gebäude der elischen Opferbeamten, P. 5, 15, 12: fow ii xdi it^tiaroQiov 
'HXetoiq. xdt rovTO e(fii fxiv ivtog rov IlQvtaveiov, tov oJx^fxatog tov t^^ 
'Eörlag dnavtixQv, tovg 6i t« ^OXv^nia vixoivtag itJtußfftv iv tovt(j^ rvj 
oixij^an. Die Ausgrabungen haben Reste von Koch- und Tafelgeschirr 
daselbst zum Vorscheine gebracht. Natürlich ist dieses den Siegern dar- 
gebotene Festmahl von den Trinkgelagen und Opferschmäusen zu unter- 
scheiden, die jene aus eigenen Mitteln veranstalteten oder von Freunden 
veranstaltet bekamen: es war ein staatlich dargebotenes Bankett neben dem 
heiligen Herde (des Zeus: denn die Herdasche kam auf den Hochaltar) und 
bedeutete somit nichts Geringeres, als die Aufnahme der Sieger in das 
gottesdienstliche Personal 2) und seine ofioanovSoi.. Alle Opferungen 
gingen von dort aus, und das ewige Feuer des heiligen Ortes brannte 
daselbst. So war das Mahl nicht ohne gottesdienstliche Weihe und auch 
an eigentümliche Formen gebunden. 

Daß dies Bankett erst am Schlußtage stattfinden konnte, liegt in 
der Sache begründet: die Agone mußten alle erledigt und die Sieger fest- 
gestellt sein. Der 15., an dem die letzten Wettkämpfe waren, kam dafür 
nicht in Betracht; denn an ihm dauerten die Agone, wie oben gezeigt 
worden ist, gelegentlich bis in die Nacht hinein. 



1) Inschriftlich Olympia V, n. 56, 16 if. [öoa dh zwv a]0^?.rjfiaTü)v ^(ßtjfirt [rj iejpa 
y&vrjTCd, roi'toiv . . . avari^inaa [ctv ol ccyiovod^hai rorc: aTB(fdvov>i\. Vgl. Dittenberger, 
Sylloge^ II n. 686 S. 511. 

2) Auch die Weihung der Agonlstenbilder mit Inschrift hatte einen ähn- 
lichen Sinn; sie verblieben dadurch im Hieron des Gottes, wer drei mal gesiegt 
hatte, sogar in porträtahnlicher Darstellung. Aber die Weihung war freiwillig, 
wie die der Spondophorenbilder. 

25 



150 Ludwig Weniger^ 

11. Ergebnis. 
Auf Grund der vorstehenden Untersuchungen ergibt sich das nach- 
folgende Bild von der Ordnung der olympischen Feiertage für die Zeit 
nach Ol. 77 (472 v. C): 

11. Monatstag: Agon der Trompeter und Herolde. Eidesleistungen 

und andere Vorbereitungen. 

12. Monatstag: Die gymnischen Agone der Knaben. 

13. Monatstag: Vormittags Pferderennen. Nachmittags Pentathlon. 

Am Abende (der bereits zum 14. gezählt wird), Enagismos der 
Heroen, des Achilleus in Elis, des Pelops in Olympia. 

14. Monatstag: Heiliger Tag, Vollmond. Die Hekatombe der Eleier. 

Abends Festmahl der Opfergenossen im Prytaneion. 

15. Monatstag: Vormittags Dolichos, Stadion, Diaulos. Nachmittags 

Ringen, Faustkampf, Pankration, zum Schluß Hoplitenlauf. 

16. Monats tag: Morgens Kränzung der Sieger im Tempel. Abends 

Bewirtung der Gekrönten im Prytaneion. 

Neben diesen, so zu sagen amtlichen, Veranstaltungen der Staats- 
gemeinde von Elis liefen jeden Tag vormittags die von Privatleuten ver- 
anstalteten Opfer, abends die dazu gehörigen Opfermahle, desgleichen 
abends die privaten xcojuot der Sieger des Tages. 

Pindar hat die große Änderung von Ol. 77, die zuerst bei der 
Panegyris von Ol. 78 durchgeführt wurde, erlebt, aber wahrscheinlich 
nicht die Verlegung der Knabenwettkämpfe auf den 12. und sicher nicht 
die Einrichtung des Agons der Trompeter und Herolde. Als er das 
Siegeslied auf Psaumis von Kamarina dichtete, der Ol. 83 (448 v. C.) 
mit dem Maultiergespanne siegte, i) gab es also nur zwei Agonentage, den 
15. und 13. des Monats. Dazu kam am 14. die Opferung und am 16. 
die Siegesfeier. Wenn man den 12. für einleitende Akte des Festes und 
wohl auch für private Opferdarbringungen hinzurechnet, kommen die fünf 
Tage heraus, von denen der Dichter Olympien 5, 8 redet: ioQtalg d^eviv 
fieyltftaig ino ßov&vdiai^ di&X(üv %b nefinainiQOLg afxUkaig. Der Ausdruck 
di^Xiüv äfiikXaig ist nicht wörtlich zu nehmen, sondern die fünf Tage 
sind auf die ganze Feier zu beziehen, Vorbereitung, Opfer, Kränzung und 
Bewirtung mit eingeschlossen. 2) 

Die Schollen legen ihrer Berechnung offenbar die später geltende 
Ordnung, welche die Verlegung der Knabenkämpfe auf den 12. voraus- 
setzt und den Agon der Bläser und Herolde am 11. mit einschließt, zu 
Grunde. Wenn es freilich Schol. Vet. Ol. 5, 136 Drachm. heißt: toju- 
Titaixiqoig afilXkaig' inel im nevte f^fiiqag r'iyeto av%a %a aY(ovi(ffAata,^) mit 

1) Über die Olympiade s. Robert Hermes 35, 1900, S. 282. 

2) Schol. Vet. Ol. 5, 10a Drachm.: xai ^ttI ntvre fifi&gccg r^yov r^r togrijv ßov 
&vaiag noiovvTsg xal aywvag ^:ine?.oi'VTeg. 

3) Für avta xä aywvia/jiata hat Rec rä '0).vfi7(ice, 



Das Hochfest des Zetis in Olympia. 151 

dem Zusatz einiger Handschriften dno id i^isxqig tc, so ist da« schon 
darum falsch, weil bei dieser Rechnung sechs Tage herauskommen. Da- 
her hat Vrat. A: t€, d. i. nBi^€xaiSsxdtiig und ebenso Tzetzes Lyc. 41: 
tä de 'Okvfinia nivre ^fisgaig itshlto dno u( tf]g (TcAifrijg f^^XQ^ '^'^^ oAij^ *f'- 
Beide lassen den Tag der Preisverteilung außer acht. 

Anders heißt es Schol. Rec. Find. 0. 5, 8: ^'^x^ro Si ij navijyvQig 
xard T^v iexarrjv %ov fitjvog xal iteXelio fiixQt xal tfjg ixxat.d€xdtrig^ iv rj 
tä dO^ka idlioxo. Auch dies ist richtig. Denn die Masse der zu er- 
ledigenden Geschäfte wird in der Zeit der größten Ausdehnung des Festes 
auch schon den Zehnten, als Rüsttag, naqacxBvt}^ mannigfach in An- 
spruch genommen haben, namentlich wenn man private mitzählt, und 
so kann man diesen Tag hinzurechnen, obgleich er nicht zu den eigent- 
lichen Feiertagen gehört. 

Die wechselnden Zeitverhältnisse brachten es mit sich, daß die 
olympischen Spiele zeitweis gestört wurden oder herunterkamen und dann 
wieder einen Aufschwung erlebten. Immerhin bleibt die ungeheure Lebens- 
kraft dieser Einrichtung zu bewundern. Agon und Gottesdienst haben 
sich bis zur 293. Olympiade (393 n. C.) gehalten. Im 16. Jahre des 
Kaisers Theodosius I, 394 n. C, erlosch das heilige Herdfeuer für immer 
und mit ihm das Hochfest des Zeus in Olympia.') 

1) Die vorstehenden Erörterungen sind der Schriftleitung dieser Beiträge im 
Sommer 1903 zugesandt worden. Seitdem ist die Abhandlung von A. Körte Die 
Entstehung der Olympionikenliate, Hermes B. 39, 1904, S. 224 ff. erschienen, welche 
das überlieferte Verzeichnis der Sieger und den Bericht über die Reihenfolge der 
Wettspiele als ein Machwerk des Sophisten Hippias zu erweisen unternimmt, das 
für die ältere Zeit aller Glaubwürdigkeit entbehre. Es war nichts mehr möglich, 
die Darlegungen des Verfassers zu berücksichtigen. Über einzelnes soll später 
gehandelt werden. 



27 



152 



Die Auswanderung der Krieger unter Psammetich I. und der 
SOIdneraufstand in Elephantine unter Apries. 

Von Heinrich SchSfer. 

a) igrypten nnd Noblen bis auf Psammetich I.') 

Die Beziehungen Ägyptens zu seinem Hinterlande Äthiopien bilden 
einen ebenso wichtigen wie interessanten Teil der auswärtigen Politik des 
Pharaonenreiches. Die Ziele, die die ägyptischen Könige hier im Süden 
verfolgten, waren: der Schutz des eigentlichen Ägyptens gegen die stets 
unruhigen Nachbarn, nämlich die Nubier im Niltal und die kriegerischen 
Bedschastämme in der östlichen Wüste, dann die Sicherung der wertvollen 
Steinbrüche bei Elephantine und der Goldbergwerke östlich von Kuban 
in Nubien, nebenbei gewiß auch die Gewinnung neuen steuerkräftigen 
Landes, das ja besonders im Süden des zweiten Katarakts nicht zu 
verachten ist, vor allem aber endlich die Deckung des Handelsweges 
nach dem Sudftn, auf dem Weihrauch, Ebenholz, Gold und Elfen- 
bein, Straußenfedeni, Pantherfelle, Sklaven usw. eingeführt wurden. 
Knat vom Beginn der ägyptischen Geschichte können wir Schritt 
für Schritt verfolgen, wie die Ägj-pter sich mit großer Zähigkeit immer 
weiter in das obere Niltal hineindrängen. Erst in der 18. Dynastie 
ist mit der Erreichung von Napata eine gewisse Sättigung eingetreten. 
Hier scheint von dieser Zeit an der südlichste befestigte Ort des 
geschlossenen ägyptischen Gebietes gelegen zu haben. 2) Weiter süd- 
wärts wird man sich höchstens einige Militärstationen zu denken haben, 
die den Karawanen und den gelegentlichen Razzien als Stützpunkte dienten. 
Mehrere Jahrhundertc lang ist Nubien in diesem Umfange ägyptische 
Provinz goweHen. Festungen und viele Städte mit reichen Tempelbauten 
hfuUu'kUm dan f. and, eine Menge von Zivil- und Militärbeamten, gewiß 
auch von Koloninten und Kaufleuten, war angesiedelt, und so bekam das 

1/ Vtri' t\Ut bi!lnrm»rHUfn T*;ilc in E. Meyers Geschichte Ägyptens und Ge- 
ii,hishlf äti, AlIrrlurfiH, MttHp^nm JliHtmre attcimne de V Orient classique sowie 
yrUÄtf^r hh' fnhhfffimhf Knnh/MinHihrifl flt'Jt Berliner Musetims, Reffientngshericht des 
Jf/zj«///* StmhMi'ft, flfn (hfintrH dt'M Hnrrthf/HfM. 

Jf \U'>Uti\t^uuH «lli'MT vo» SrhüfiT, Kimif/MifiMchrift des Berliner Mtiseums, 
»ii«iK<»|»ror|M'rM'ri Ariülrlif b^.f Urfa^lrd, ZHlMrhr, f. iUj. Hjn-. 40 (1902/3) S. 106fr. 
V«l. iihi't mich M'liofi Krinari, Affyptcn 8. m\ und HnjgHch, 7 Jahre der Hungers- 
mt K m 

1 



Kriegeraustvandenmg unter Rammetich u. Söldneraufstand unter Apies. 1 53 

Land äußerlich allmählich einen ägyptischen Anstrich, zumal Ägyptisch die 
Verkehrssprache war, etwa in dem Umfange, wie das Arabische im heutigen 
Nubien und das Griechische im ptolemäischen und römischen Ägypten. 
Ägyptische Reisende zur Zeit des neuen Reichs werden die Verschieden- 
heit der beiden Länder nicht sehr empfunden haben, da ja damals die 
Lebensführung des gewöhnlichen Volks in Ägypten und Nubien, die Geräte, 
Häuser usw. einander noch ähnlicher waren als heutzutage. Das berberi- 
nische Kauderwelsch des gewöhnlichen Volks und der Übergang seines 
Typus ins Negerhafte ^) wird das einzige gewesen sein, was die Ägypter 
daran mahnte, daß sie sich auf fremdem Boden befanden. 

In den traurigen Zeiten, die dem neuen Reich ein Ende machten, ist 
die Provinz dem Mutterlande verloren gegangen. In der südlichsten Stadt, 
eben jenem Napata, hat sich ein Herrschergeschlecht erhoben, das seinen 
Ursprung vielleicht auf irgend einen der alten Statthalter zurückführte. 
Es dauerte nicht lange, so schienen sich diese Herrscher stark genug, das 
darnieder liegende Ägypten ihre Kraft fühlen zu lassen. Sie eroberten 
nacheinander Ober- und Unterägypten und versuchten sogar die große 
Politik der ägyptischen Könige fortzusetzen, die sie nach Palästina und 
Syrien hinüberwies. Doch diese Herrlichkeit dauerte nicht lange. Die 
Heere der Assyrer machten dem Traume mit gewaltigen Schlägen ein 
Ende. Aber schließlich hatte doch keiner der beiden Streiter den Gewinn 
von seiner Mühe. Ein dritter erntete ihn. Die Assyrer sowohl wie der 
Äthiope Tanotamon mußten Ägypten räumen, und Psammetich blieb als 
Alleinherrscher über Ägypten zurück. 

Doch dabei blieb es. Von einer Erneuerung der Herrschaft Ägyptens 
über das obere Niltal war vorläufig keine Rede mehr. Die beiden Reiche, 
Ägypten mit dem Schwerpunkte im Norden, im Delta, und Nubien mit 
dem Schwergewicht im Süden, in Napata, standen einander gegenüber. 
Beide bedurften eine Zeit lang der Ruhe. Kleine Plänkeleien aber fanden 
gelegentlich statt und unzufriedene Elemente in dem einen Reiche fanden 
gewiß immer bereite Unterstützung in dem andern. 2) Die Stämme an der 
Grenze endlich behielten ihren unruhigen, stets zu plötzlichen Raubzügen 
aufgelegten Charakter. So mußten die Ägypter beständig auf ihrer Hut 
sein und sorgfältig hinter ihrer natürlichen Schutzwehr, dem ersten Katarakt, 
Grenzwacht halten. Daß die Grenzgarnison zugleich die Zollgrenze zu 
überwachen hatte, ist selbstverständlich. 



1) Die Nubier im Niltal müssen im Altertum ganz wie die heutigeu nubischeu 
Negerstamme in Kordofän ausgeseliCD haben. Vgl. die Darstellung des Fürsten 
von Mi'm (o.a., bei Ibrim) im Grabe des Huj (Lepsius Denkmäler lil, 117). Die 
starke Vermischung der dünngesäteu Bevölkerung mit fremdem Blut aller Art hat 
im Lauf der Jahrtausende den Typus stark verändert 

2) Fast bei jedem im späteren Ägypten gestürzten Herrscher finden wir be- 
merkt: er tloh nach Äthiopien. 



154 Heinrich Schäfer, 

b) Der Anszog der Kriegrer anter Psammetieh« 

So war die allgemeine Lage zu der Zeit, in die ein merkwürdiges 
Ereignis fällt, das uns Herodot als unsere älteste Quelle in folgender Form 
erzählt: *) 

„Von dieser Stadt (Meroe) kommt man zu den Überläufern (avtojiAokoi) 
zu Schiff in einer ebenso langen Zeit wie die, in der man von Elephantine 
zur Hauptstadt der Äthiopen gekommen ist (also in 56 Tagen). Diese 
Überläufer aber heißen Asmach i^Aaiid%^ oder vielleicht richtiger 'AaxiifjO 
und das Wort bedeutet auf Griechisch soviel wie: ,die zur Linken des 
Königs Stehenden/ Es waren dies aber 240000 Ägjrpter aus dem Krieger- 
stande, die aus folgendem Grunde zu den Äthiopen abfielen: 

„Unter König Psammetich stand ein Wachposten in der Stadt Elephan- 
tine gegen die Äthiopen, ein anderer in Daphnae bei Pelusium gegen die 
Araber und Assyrer und ein dritter in Marea gegen Libyen. Noch zu meiner 
Zeit standen auch die persischen Wachposten ebenso wie die unter 
Psammetich. Denn auch die Perser halten in Elephantine und in Daphnae 
Wachen. 2) Als die Ägypter nun drei Jahre ohne Ablösung auf Wache 
gelegen hatten, da fielen sie auf gemeinsamen Beschluß von Psammetich 
ab und marschierten nach Äthiopien. Auf die Kunde davon zog ihnen 
Psammetich nach und als er sie erreicht hatte, bat er sie mit vielen 
Worten und beschwor sie, nicht ihre heimischen Götter, ihre Kinder und 
Weiber zu verlassen. Von jenen aber soll einer auf sein Glied zeigend 
gesagt haben, wo das sei, hätten sie auch Kinder und Weiber. Als sie 
nach Äthiopien kamen, stellten sie sich dem Könige der Äthiopen zur 
Verfügung, und der belohnte sie folgendermaßen. Ihm waren Widersacher 
unter den Äthiopen erstanden. Die Ägypter vertrieben diese auf sein 
Geheiß und nahmen ihr Land in Besitz. . . . Also auf eine Reise von 
vier Monaten zu Wasser und zu Lande kennt man den Nil außerhalb 
seines Laufes in Ägypten. Denn, wie man beim Zusammenrechnen findet, 
gehen so viele Monate drauf, wenn einer von Elephantine zu diesen Über- 
läufern reist." 

Mehr oder weniger ausführliche Berichte von diesem Auszuge der 
Krieger finden sich noch vielfach bei den Klassikern, 3) die noch einen 
anderen Namen für sie kennen, nämlich Sembriten o. ä., ein Name, der 
„Fremdlinge, Ankömmlinge" bedeuten soll. Alle Berichte stimmen darin 
tiberein, daß sie die Wohnsitze dieser Kolonisten oberhalb von Meroe 



1) Herodot 11, 30—31. 

2) ^Warum Marea unter den persischen Grenzposten fehlt, erklärt sich aus 
in, 13. 91. IV, IG7: die an Ägypten grenzenden Libyer bis Kyrene waren den 
Persern Untertan. Die Araber und Äthiopen hingegen standen in nur geringer 
Abhängigkeit (III 88. 91. 97)", Stein, zur Stelle. Vgl. aber Krall, Studien 111 S. 70. 

3) Literaturangabe bei Wiedemann, Herodots zweites Buch S. 127—133. 
Maspero, Eist, am. III S. 499. 

3 



Krtegeraustvanderung unter Rammetkh u. Söldne^-aufstand unter Apries. 1 55 

ansetzen und zwar meist auf der nächsten „Insel" südlich von Meroß. 
Das wäre also zwischen dem blauen und dem weißen Nil. Auch eine 
Reihe von Städten wird uns als Städte dieser Leute mit Namen genannt. 
Interessant ist darunter vor allem eine Stadt namens Daron oder Diaron. ^) 
Denn diese wird auch in der wichtigen abessinischen Inschrift genannt, 
in der ein König von Axum seine Kriegstaten in der Gegend von Meroä 
erzählt. Vom Zusammenfluß des Nils und des Atbära schickt er eine 
Abteilung den Nil aufwärts und diese zerstört die Städte Aloa und Daro. 
Da Aloa offenbar „die Stadt ist, von der das mittelalterliche christliche 
Reich Aloa mit der Hauptstadt Soba benannt wurde'% kann in dem „Daro 
um so weniger die gleichnamige Stadt bei den Klassikern verkannt werden. "2) 
Damit wäre die Gegend, an der man die Sitze jener Auswanderer suchte, 
so sicher wie nur möglich festgelegt. 

c) Der greplante Auszog der Garnison Ton Eiephantine unter Apries. 

Man hat den Bericht von diesem Soldatenauszug für eine reine Sage er- 
klären wollen. 3) Aber alle Angriffe richten sich nur gegen das Beiwerk, 
wie die Zahl der Auswanderer, das Zusammengehen der drei Garnisonen 
Marea, Daphnae und Eiephantine usw. Andere wieder haben unter diesem 
schmückenden Beiwerk in der Erzählung einen historischen Kern gefunden 
und zwar gewiß mit Recht. Für die Kritik der Klassikererzählung vom 
Auszuge der Krieger unter Psammetich ist von entscheidender Bedeutung 
der Inhalt einer Inschrift auf der Statue A 90 in der ägyptischen Sammlung 
des Louvre. Die Statue stammt aus dem Tempel von Eiephantine und 
ist den drei Kataraktengöttern Chnüm, Säte und Anflke von einem Beamten 
fürstlichen Ranges, dem „Vorsteher des Tores der Südländer", Nes-hor 
geweiht. Der Rückenpfeiler der Statue trägt die wichtige Inschrift, bei 
deren Interpretation man bisher merkwürdig in die Irre gegangen ist.*) 



1) Pliiiius VI § 191. Ptolemaeus 4, 7, 21. 

2) DiHmann, Anfänge des aanimitiscJten Reiches, Abliandltmgen der Berliner 
Äkad. 1878. S. 225. 

3) Am nachdrücklichsten Wiedemanu, z. B. Herodots zweites Buch S. 128 ff. 

4) Veröffentlicht von Wiedemann, Zätschr. äg, 8pr, 16 (1878) S. 2 ff. (Nur der 
Schluß.) Maspero, Zeitschr, 22 (1884) S. 87 ff. Pierret, Etudes eg, II, 21 ff. Revillont Rev. 
eg. 1, 13 ff. (Nur die Mitte). Da aber keine dieser Veröffentlich uugen einen fehlerfreien 
Text bietet, gebe ich die Inschrift auf den beigefügten autographierten 
Tafeln unter No.I noch einmal,unter Benutzung eines Papierabdruckes, den ich 
der stets bereiten Freundlichkeit G. Benedites verdanke. Auf die Wichtigkeit der 
Inschrift hat zuerst Wiedemanu hingewiesen (Zeitschr, äg, Spr. 16 [1878] S. 2 ff'.). 
Aber ihren Inhalt hat er völlig verkannt. Maspero hat dann bemerkt, daß es 
sich um einen Aufstand der Garnison von Klephantine handelt, doch hat er noch 
nicht den wichtigen Ortsnamen Hls-hrt als solchen erkannt. Er nimmt an, die 
Leute hätten nach der Gegend von Elkab ziehen wollen. {Zeitschr. äg. Spr. 22 
[1884] S. 89). Brugsch hat schließlich aus dem unerschöpflichen Schatze seiner 
geographischen Kenntnisse nachgewiesen, daß die Gegend Sh-hrt in der In- 



156 Heinrich Schäfer ^ 

Ich gebe zuerst eine Übersetzung der ganzen, auch in mancher anderen 
Beziehung merkwürdigen Inschrift:^) 

(Zeile 1.) [Nicht] sein Herr seinesgleichen. 

Den seine Majestät in ein sehr hohes Amt eingesetzt hat, in das 
Amt seines ältesten Sohnes, 2) nämlich das eines ,, Vorstehers des Tores 
der Südländer**, damit er die Barbaren zurückschlage, die sich gegen ihn 
auflehnen. 

Wenn er seinen Schrecken unt€r die Bewohner der Südländer schickt, 
so flie- (Zeile 2) hen sie in ihre Gebirgstäler ans Furcht vor ihm. 

Nicht 

[Der Nachts nicht schläft, weil er] nach dem suclit, was seinem 
Herrn nutzt. 

Der beim Könige von Ober- und Unterägypten H^'-jh-r^) angesehene 
und beim Sohne des Re' Wlli-ßf-r^) geehrte Nes-hör, mit dem schönen 
Namen ^) „Das Herz Psammetichs ist vortrefflich^, der Sohn des Jivfrr, 
geboren von der verstorbenen Hausherrin T^-sni-n-hr.^) 

Er spricht: 

du Herr der Kraft, der die Götter und Menschen geschaffen hat. 
Chnum-Re'. Herr des Katarakts. 

Säte und (Zeile 3) Anüke, Herrin(nen) von Elephantine. 

Ich jauchze über euren Namen 

und bete eure Schönheit an. 

Ich werde nicht müde, zu tun, was ihr wollt. 

Mit euch habe ich mein Herz erfüllt bei allem, was ich geplant habe. 

Möge meiner gedacht werden wegen dessen, was ich in e4ireni Tempel 
getan habe. 

sclirifl genannt ist, die, wie er zeigt, auch sonst in ägyptischen Texten vorkommt. 
Leider ist er durch die Deutung des Namens auf die Stadt Berenike am roteu 
Meer in der Erklärung der Inschrift irre gegangen und hat durch das Gewicht 
seines Namens alle seitherigen Bearbeiter nach sich gezof<en. (Brugsch. Zeitschr. 
f. äg. Syr. 22 (1SH4) S. 95. Dict. Geogr. 373. 542, 793, 1335. Maspero, UiMoire 
ancienne 111 S. 55«;. Düraichen, Gm//. Äg. S. 259. E. Meyer, Äg. Gexch. S. 365. 
M. Müller, Mitt der t-orflcras. Ge^f. 1898, 3 S. 42 usw. Was v. Bissing, Gesch. Äg. 
S. 88 über unsere Inschrift bemerkt, ist mir nicht recht verstandlich. Richtiger 
z. B. Budge, A hiMory VII 14. Krall Studien 111 73, aber widerrufen durch Studien IV 24. 

1) Der Anfang ist zerstört, so daß die Inschrift jetzt mitten in den lobenden 
Prädikaten beginnt, die Ses-hor sich beilegt. 

2) Als nach dem Verluste Nubiens der alte Titel ,Prinz von Kirsch" weg- 
fallen mußte, hat man also auch für den Verteidiger der jetzt bei Elephantine 
liegenden Südgrenze die Fiktion beibehalten, daß ein so wichtiges Amt eigentlich 
nur dem Sohne des Königs übertragen werden konnte. 

3} Die beiden Namen des A pries. 

4) Viele Ägypter führten neben ihrem gewohnlichen Namen noch einen 
^i^roßen*" oder einen , schönen' Namen. 

5) So ist der Name zu lesen. Es ist das Femininum zu dem Namen 
Pi 'Sn-hr i Psen - hör f. 



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Kriegerauswanderung unter Rammetich u. Söldneraufstand unter Apries. 1 57 

Ich habe euren Tempel glänzend ausgestattet mit silbernen Gefäßen, 
vielen Rindern, Enten und Gänsen. 

Ich habe durch Ackerland ihren Unterhalt mitsamt (Zeile 4) dem ihrer 
Hirten für alle Ewigkeit gesichert. 

Ich habe ihre Ställe gebaut in eurer Stadt 

und habe vortrefflichen Wein aus der südlichen Oase, Spelt und Honig 
in eure Speicher geschafft, 

die ich neu erbaut habe auf den großen Namen seiner Majestät. 

Ich habe Brennöl gestiftet zur Erleuchtung der Lampen der Tempel 
eurer Stadt. 

Ich habe Weber, Mägde und Wäscher angestellt für die herrlichen 
Gewänder des großen Gottes (Zeile 5) und seiner Nebengötter. 

Ich habe ihre Werkstätten in seinem Tempel gebaut und gesichert 
für ewig, nach dem Befehl des guten Gottes, des Herrn der beiden Länder 
H'^-jb-r (Apries) — er lebe ewig! — 

Gedenkt doch als Lohn dafür desjenigen, der die Verschönerung eures 
Tempels sich vorgenommen hat, ^) des Nes-hör — sein Name sei beständig 
im Munde seiner Mitbürger! — 

Laßt meinen Namen erhalten bleiben in eurem Tempel, 

und meiner gedacht werden nach meinem Leben. 

Laßt meine Statue erhalten bleiben in eurem Tempel, indem mein 
Name unzerstört auf ihr bleibt, 

(Zeile 6.) Wie ihr mich ja auch errettet habt^) in böser Lage vor 
den Söldnern, Syrern, Griechen, Asiaten und anderen,«^) 

die sich vorgenommen hatten ^) ^ 

und sich vorgenommen hatten, nach S^s-hrt zu ziehen.*) 

Seine Majestät fürchtete sich^) wegen der Schlechtigkeit, die sie 
begingen. 

Ich aber brachte sie zur Vernunft durch Zureden^ 



1) Man beachte die Konstruktion: rdj nfrw m (so! mit der in der Spätzeit 
so häufigen Verwechslung statt n) pr-tn m jb-f, wörtlich; „der die Schönheit eures 
Tempels in sein Herz gesetzt hat". 

2) So zuerst von Brugsch richtig übersetzt. 

3) Die mit »Syrer" und ^Asiaten" wiedergegebenen Namen 'mw und Stjw be- 
zeichnen sonst beide sehr allgemein asiatische Völker. Wie sie hier unterschieden 
sind, ist mir ganz unklar. Die Übersetzung Syrer ist nur gewählt, um nicht 
beide Male Asiaten sagen zu müssen. 

4) Wieder die^ Konstruktion rdJ Objekt m jb-m. 

5) Rdj hnt r S^s-I^rt m jb-sn wortlich „die den Zug nach Seh. in ihr Herz 
gegeben hatten**. 

ß) mdn hn-fy Tempus sdmn-f. Es steht nicht da w snd n hn-f „aus Furcht 
vor S. M." 

7) Die falsche Übersetzung dieses Satzes ist wesentlich Schuld daran, daß 
man die Inschrift falsch aufgefaßt hat. Man übersetzt: „je confirmai leurs coeurs 

Beitrage B. alten Geschichte IV 3. 11 

6 



158 Heinrich Schäfer^ 

und ließ sie nicht nach*Nubien {Ti-pdtj) ziehen, 

sondern führte sie zu dem Ort, wo seine Majestät war. 

Und seine Majestät (Zeile 7) te sie."^) 

In dem Schluß beruft sich Nes-hör auf einen bösen und doch glück- 
lichen Tag in seinem Leben, an dem er ganz besonders Grund gehabt 
hat, sich als einen Schützling des Gottes zu fühlen. 

Die ihm unterstellte, aus fremden Soldtruppen bestehende Garnison 
von Elephantine hat, wir erfahren nicht aus welchem Grunde, revoltiert 
und außer mit einer andern, in der Inschrift leider nicht erkennbaren, 
bösen Tat, auch damit gedroht, nach S^s-hrt zu ziehen. Selbst der König 
ist bestürzt über die drohende Haltung der Truppe. Durch die Gewandt- 
heit des Nes-hör, die dieser bescheiden-stolz hervorzuheben versteht, ist 
aus der Ausführung des Planes nichts geworden. Er behält die Truppe 
in der Hand und verhindert, daß sie nach Nubien {Ti-pdtj) geht. Ja, er 
kann sie zu dem Aufenthaltsort des Königs führen, wo dieser die Meuterer 
bestraft. 

Tritt man an die Worte der Inschrift heran, ohne durch irgend eine 
Vermutung über die Lage von Sis-hrt*) beeinflußt zu sein, so wird 
man es für selbstverständlich halten, daß die Leute durch den Zug nach 
Nubien (Ti-pdtj) ihren Plan, nach Sls-hrt zu ziehen, ausgeführt hätten. 
Auf keinen Fall wird man die beiden Orte Nubien (Ti-pdtj) und S^s-hrt 
in verschiedenen Richtungen suchen. Man wird vielmehr annehmen, 
daß f^iS'hrt in Nubien (Ti-pdtj) lag, oder doch wenigstens auf einem 
Marsche durch dieses hindurch zu erreichen war. Daß dieser Schluß 
richtig ist, und äls-hrt in der Tat in Nubien (Ti-pdtj) zu suchen ist, 
wird durch die ürigen Stellen bewiesen, an denen der Name äis-hri 
sonst noch vorkommt. Brugsch, der zuerst den Ortsnamen Sis-hrt in 
unserer Inschrift erkannt hat, hat einige dieser Stellen zusammengestellt. 
Sie finden sich sämtlich in den Inschriften des Tempels von Edfu, die die 
Kämpfe des Horus gegen die Feinde des Sonnengottes, des Re\ behandeln. 
Es wird in ihnen erzählt, wie der Gott Horus im Schiffe des Re^ 
Ägypten von Edfu bis zum Delta durchzieht, die Feinde mehr- 
mals schlägt und dann auf dem Kanal, dem bekannten Vorläufer des 
Sueskanals, durch das Wadi Tumilät ins rote Meer fährt, und schließlich 
von Süden her wieder Ägypten betritt, um nach Edfu zurückzukehren. 

dans ce dessin (Maspero)** oder „icli bestärkte ihr Herz in (ihrem) Plan (M. Müller)". 
Das kann aber ttnijnn-j jb-m m shnv nie bedeuten. Das .ce** oder „ihrem**, das 
die Übersetzer einsclirauggeln, müßte Ägyptisch genau ebenso wie im Deutsclien 
ausgedrückt sein. Der Ausdruck kann nur heißen: ^ich befestigte ihren (auf 
Abwege geratenen) Sinn durch Ratscliläge". 

1) Das Verbum ist zerstört, etwa „bestrafte", allenfalls auch „tötete". 

2) Der Name wird von diesen späten Texten sljs-hrt gesclirieben. Doch 
gilt nur einer der beiden inneren Buclistaben von sijs^ entweder das g oder das 
j (oder^). Ich habe der Einfachheit wegen überall «g« geschrieben. 



Kriegerauswandei'ung unter Bsammetich w. Söldneraufstand unter Apries. 1 59 

Merkwürdigerweise ist Brugsch die wichtigste dieser Stellen entgangen, 
in der ausdrücklich angegeben ist, daß Sis-hrt in Nubien (T%-pdtj) zu 
suchen ist. Ihr Inhalt ist etwa folgender-J) Das Schiff des Re', und Horus 
auf ihm, befanden sich im Delta. „Da sprach Re' zu Horus: Die Feinde 
sind nach Osten gefahren, nach Dirw (ungefähr bei Ismailtje)^) zu! Da 
sprach Horus: Was du befiehlst, geschieht, Re , Herr der Götter. Du bist 
der Herr der Befehle. Da lösten sie das Schiff des Re* und fuhren nach 
Osten. Da erblickte er diese Feinde. Ein Teil von ihnen hatte sich ins 
Meer geworfen, ein anderer hatte sich auf die Berge geworfen. Da ver- 
wandelte sich Horus in einen Löwen mit Menschengesicht (eine Sphinx).^) 
Er lief hinter ihnen (den letzteren) her und brachte 142, nachdem er sie mit 
seinen Tatzen zerrissen hatte. Da sprach Re' zu Horus: Auf, laß uns hinaus- 
fahren aufs Meer und den Rest dieser Feinde fangen, wie man Krokodile 
und Nilpferde in Ägypten fängt. Da sprach Horus: Wie du wünschest, 
Herr der Götter." Nun ging die wilde Jagd weiter. Man segelte gegen 
den noch übrigen Rest der Feinde ins Meer hinaus. „Thoth sprach Zauber- 
sprüche zum Schutz des Götterschiffs und der Schiffe der Begleiter des 
Horus, um das Meer zu beruhigen zur Zeit, wo es tobte. Da sprach Re' 
zu Thoth: Haben wir nicht das ganze Land (ti = Ägypten) durchfahren, 
haben wir nicht das ganze Meer durchfahren (skdt)? Darum nennt man 
bis zum heutigen Tage das Wasser „Meer des Durchfahrens" ^) (jm n skdt). 
Sie fuhren weiter Tag und Nacht, ohne jene Feinde zu erblicken. Da 
gelangten sie nach Nubien (Ti-pdtj)^ nach der Stadt (von) Sls-hrt,^) Da 
erblickte er jene Feinde in Wiivit^ wie sie sich berieten (wiwi) gegen 
ihren Herrn." Da verwandelte sich Horus in eine geflügelte Sonne am 
Vorderteil des Schiffes des Re' und warf die Feinde nieder. Als Sieger 
kehrte er schließlich in seine Stadt Edfu zurück. 

V 

Danach ist also kein Zweifel daran mehr möglich, daß S^s-hrt in 
der Landschaft Ti-pdtj lag. Diesen geographischen Begriff definiert Brugsch 

1) Naville, Mytlie ef H<yru8 18. Den Wortlaut findet man auf den hier 
angefügten autographierten Blättern unter Nr. IL 

2) Dümichen, Gesch. Äg. S. 259/260 hebt mit Recht hervor, daß unsere Stelle 
für die Bestimmung der Lage von Dlrw von beinahe entscheidender Bedeutung 
ist. In der Tat weist auch sonst alles, was wir von dieser wichtigen Stadt, die 
in älterer Zeit die Pforte Ägyptens nach Palästina bildete, wissen, daraufliin, 
daß sie am Ostende des Wadi Tumilät lag, etwa beim heutigen Timsäh-See, also da, 
wo der Kanal, der den Nil mit dem roten Meere verband, nach Süden umbog. 
Daß das rote Meer im Altertum zeitweise bis an das Nordende der Bitterseen 
reichte, ist durch Naville (Eg. Expl. Fund: Fithtm) bewiesen worden. Später bildete 
bekanntlich Pelusium die Einfallspforte nach Ägypten. 

3) Der König, der in Sphinxgestalt, mit Kronen geschmückt, die Feinde 
Ägyptens niederwirft, ist ein bekannter Typus der ägyptischen Kunst. 

4) Dieser Name ist außerhalb der Inschriften vom Horusmythus nicht bekannt. 

5) dmj n 8%8-hrt kann sowohl heißen: «die Stadt Sls-hrt", wie „die Stadt 
von Äi5«-/*W**. Ich möchte hier das letztere vorziehen. 

II» 
8 



1()0 Heinrich Schäfer,, 

nun sehr gut so: ') „Tl-pdtj bezeichnet nach dem Zeugnis der Inschriften 
das am Nil gelegene Gebiet der an Ägypten anstoßenden nubischen Land- 
schaft, als deren nördlicher, an der ägyptischen Grenze gelegener Teil 
das damals von Negervölkern bewohnte Land Wlwlf angesehen wurde". 

Auch diese W^tr^t genannte Landschaft kommt in unserer Inschrift 
aus Edfu vor, und zwar in einem Zusammenhang, der deutHch zeigt, daß 
sie nicht die Örtlichkeit ä^s-hrt in sich umschloß. 2) Der Gott sieht ja 
von S^S'hrt aus die Feinde in Wlwlt. Da W^w^t im Norden durch 
Ägypten geschlossen ist, und wir auf das Niltal beschränkt sind, kann 
also S^S'hrt nur im südHchen Nubien zu suchen sein, und zwar südlich 
vom zweiten Katarakt.^) 

Dasselbe ergeben die von Brugsch beigebrachten Stellen, die aber nur 
die mehr oder weniger dürre Aufzählung der Städte enthalten, die der 
Gott auf seiner Fahrt berührt hat. Die eine der Listen'^) schließt mit den 
Worten: „Er fuhr auf dem „Meer des Durchfahrens". Er kam nach Sls-hrt, 
Er kam ström abfahrend aus W^wlt und landete in Edfu". 

In der zweiten^) wird an Stelle des Landes Wlwlt. hinter dem „Meer 
des Durchfahrens" und der „Stadt (von) Sis-hrf'\ nach einer wahrschein- 
lichen Vermutung Brugschs, vielleicht die Stadt Derr genannt, die alt- 
ägyptisch Pr-r hieß. 

Wieweit südlich vom zweiten Katarakt wir Sls-hrt zu legen haben, 
können wir auf Grund unseres Materials mit Bestimmtheit nicht angeben. 
Nur das können wir sagen, daß wir beliebig weit nach Süden gehen 
können. Denn wir haben ja in den Inschriften des Edfutempels nicht mit 
menschlichen Verhältnissen zu rechnen. Dem Wortlaut nach fährt zwar 
der Gott nach Menschenweise auf einem Schiff im irdischen Gewässer, 
aber es spielt doch immer noch die Anschauung vom Sonnengott hinein, 
der von seinem Himmelsschiffe aus weithin die Welt mit seinen Götter- 
augen überschaut. Er kann die Feinde, und wäre es selbst vom Rande 
des Okeanos her, in Wlw^t sich beraten sehen. 

Es besteht also in Wahrheit kein Grund, warum wir nicht dies iSls-Jirt, 
nach dem d ie Meuterer unter Apries ziehen wollen, mit dem Lande südlich 

1) Hungersnot, S. 27. Mindestens uocli Napata lag in Tl-pdtj. 

2) So schloß Brugsch falsclilich in seiner ^Sage von der geflügelt efi Sonnen- 
scheihe'' (Göttinger Gemisch, d. Wiss. 1870 S. 37). Brugscli hat also diese Stelle 
selbst behandelt, sie später aber wieder völlig vergessen. Er war damals 
wenigstens auf der richtigen Spur. 

3) Der südlichste Punkt, von dem wir sicher wissen, daß er noch in der 
Landschaft Wlwit lag, ist die Gegend von Anibe, gegenüber von Ibrim. Doch 
ist das natürlich nur Zufall. Die wirkliche Südgrenze von Wiiv^t wird der 
zweite Katarakt gebildet haben. Wlwit ist nur der allgemeine Name dieser 
Gegend, die viele Unterabteilungen enthielt. 

4) Dümiclien, Tem])elinschr. CIl Z. 18 tf. (Brugsch, Did. geogr. S. 372). Vgl 
die autographierten Blätter unter No. III. 

5) Naville, Mythe W Horus 21, Z. 6 ff. (Brugsch, Did. geogr, 542. Vgl. die 
autogr. Blätter unter No. IV. 



Kriegeratistvandermig untei' Bsammetkh u. Söldner aufstand unter Ax^ries. 161 

von Meroö, nach dem die Krieger zu Psammetichs Zeit gezogen sind, 
identifizieren sollten. 

Aber selbst wenn man so weit nicht gehen will, und S^s-hrt unmittel- 
bar südlich von W^wlt ansetzen will, also etwa südlich vom zweiten 
Katarakt, so bleibt doch, daß die Inschrift des Nes-hor in der Tat eine 
vollständige Parallele zu dem Auszuge der Krieger unter Psammetich ent- 
hält, nur daß der Plan unter Psammeticli wirklich ausgeführt worden ist, 
während es unter Apries beim bloßen Wollen geblieben ist. 

Ganz gewiß kann man annehmen, daß die beiden Ereignisse nicht 
ohne einen gewissen Zusammenhang neben einander stehen. Den Söldnern 
mußte der Auszug der Ägypter, der seinerzeit, wie die Überlieferung zeigt, 
großes Aufsehen gemacht hatte, noch in guter Erinnerung sein. Das Gerücht 
von deren Erfolgen in Südnubien ist sicher bald nach Ägypten gedrungen 
und die rund fünfzig Jahre, die zwischen beiden Ereignissen liegen, haben 
ohne Zweifel dazu beigetragen, diese Erfolge noch durch allerlei fabelhafte 
Zutaten zu vergrößern. Mit dem Söldneraufstand unter Apries stehen wir 
ja schon in der Zeit, in der das südliche Nubien für die ägyptische Volks- 
geographie sich immer mehr zu einem fernen Wunderlande entwickelt. 
Seit der Trennung Äthiopiens von Ägypten hat sich je länger je mehr 
eine weite Kluft zwischen den beiden Reichen befestigt. Ägypten wendet 
sich dem Norden zu und das äthiopische Reich richtet sein Gesicht immer 
entschiedener nach Süden. Es ist die Zeit, in der infolge dieses Dranges 
nach Süden das alte Napata seine politische Bedeutung verliert und der 
Mittelpunkt des Reiches nach Meroe südlich von der Mündung des Atbara 
verlegt wird. ^) Das enge, unwirtliche nördliche Nubien, das den Herrschern 
von Äthiopien immer mehr aus den Händen glitt, bildete für die Könige 
von Napata und Meroe mehr eine Schranke als einen Steg nach Ägypten. 
Fragten die Söldner an der Zollgrenze in Elephantine die Händler nach 
dem Ziel ihrer Reisen, von denen sie so kostbare Dinge mitbrachten, so 
bekamen sie neben einigen soliden positiven Angaben*) Wunderdinge '0 zw 
hören von dem Lande der langlebigen Äthiopen, der stärksten, schönsten 
und größten aller Menschen, die das Gold für nichts achteten und ein 
paradiesisches Leben führten, von dem „Tisch des Helios'' gespeist und in 
kristallenen Särgen bestattet würden. Die Beschreibungen von der Länge und 
den Beschwerden des Weges verblaßten vor solcher Schilderung der Wunder 
des fernen Schlaraffenlandes. Und, was die ägyptischen Kameraden gekonnt 
hatten, sollte das 1500^) altgedienten Söldnern schwer fallen, die so mancher 
Herren Länder gesehen hatten? Vielleicht befanden sich ja unter ihnen 
noch einige, die wenigstens die erste Etappe des Weges kennen gelernt 

1) Schäfer, äth. Kmigsimchr. S. 27—28. 2) Uerodot H, 29 ff. 3) Herodot HI, 20ff. 

4) So stark etwa dürfte die Garnison von Elephantine gewesen sein, wenn 
wir dieselbe Stärke annelimen, wie in der Kaiserzeit. Damals betrug die Be- 
satzung drei Kohorten. (Strabo XVII, 820). 

10 



162 Heinrich Schäfer, 

hatten, als ein paar Jahre vorher unter König Psammetieh U. eine 
Abteilung bis zum zweiten Katarakt vordrang, während der König in 
Eiephantine blieb.*) Es wird keines allzu schweren Unrechts bedurft 
haben, um der Garnison von Eiephantine die Drohung mit dem Zuge 
nach Nubien auf die Zunge zu bringen. Guter Aufnahme bei dem Könige 
des fernen Landes waren sie sicher. Er konnte ja an seiner Sndgrenze 
immer kräftige Arme brauchen. 

d) Die Fahrt des Gottes Horas. 

Je weiter wir mit der Ansetzung des Landes Sls-hrt nach Süden 
gegangen sind, um so mehr verringert sich anscheinend die Möglichkeit, 
uns vorzustellen, welchen Weg wohl der Gott Horus, dessen Rundfahrt 
uns einen so wichtigen Anhalt zur Bestimmung des Landes geboten hat, 
im Süden eingeschlagen hat, um vom roten Meere nach dem Nil zu ge- 
langen. Doch ist die Schwierigkeit nicht allzu groß und da man bei ihrer 
Lösung zu einem interessanten Ei^ebnis kommt, das in gewisser Weise 
unsere übrigen Resultate bestätigt, so möge man mir diese kleine Ab- 
schweifung verzeihen. 

Wir müssen uns hüten, uns bei dieser Fahrt an Wege zu binden, 
wie sie jeder Kaufmann zurücklegen konnte. Wir haben es ja mit einer 
Götterfahrt zu tun. Femer aber muß man bei jeder Erklärung im Auge 
behalten, daß der ägyptische Sonnengott so gut wie untrennbar mit seinem 
Schiff verbunden ist. Wir dürfen ihm nicht zumuten, daß er an irgend 
einem Punkte der Küste des roten Meeres ausgestiegen ist und dann eine 
längere Landreise unternommen hat, um nach dem Lande S%S'hrt zu 
kommen, wo er sich dann wieder ein Schiff hätte verschaffen müssen. 
Es bleibt nichts übrig, als nach einer anderen Erklärung zu greifen. 

Wir mssen längst, daß der ägyptischen Geographie die Vorstellung 
von einem Okeanos, der die Welt ringsumströmt, wohl vertraut war.*) 
Andrerseits ist es bekannt, daß die ägyptischen Priester nach der einen 
Theorie annahmen, der Nil, dessen Lauf man so unendlich weit verfolgt 
hatte ohne seine Quelle zu finden, komme aus dem Okeanos.^) Verbinden 
wir diese beiden Vorstellungen, so ergibt sich für die Götterfahrt ein 
Weg, der alle Bedingungen, die man ihm stellen muß, erfüllt. Der 
Gott fährt von Edfu aus nilabwärts, passiert den Kanal im Wadi Tumilät, 
tritt am Nordende der Bitterseen ins rote Meer ein und fährt auf diesem 
nach Süden, bis er durch den Golf von Aden in den Okeanos kommt. 
Von ihm au s fährt er in den Nil hinein und von '8^8 -hrt aus erblickt 

1) Vgl. die Soldnerinschrift von Abusimbel. Dazu Schäfer, Konigsinschr. S. 40. 

2) Wiedemann, Herodot, S. 103. Der Okeanos heißt oft 5n irr ,der große 
Kreis", vgl. z. B. Zeitschr. äg. Spr. 26 (1891) S. 44/45 und die «poetische Stele" 
Thutraosis' III: »alles was der Ocean umkreist ist in deiner Faust vereinigt". 

3) Diodor I, 37, 7: oi fitv xaz' Afyvnzov leQsTg a:tb nsQtQQSovrog zrjv olxovfihtiv 
ofxsavov (paaiv avxbv (xbv NeO.ov) zrjv avazaaiv Xafißaveiv. 

11 



Kriegerauswanderung unter Ramtnetich u. Söldneraufstand unter Apries. 163 

er im nördlichen Nubien den Rest der Feinde, der auf demselben Wege 
vor ihm her geflohen ist und nun endlich gefaßt und vernichtet wird. 

Gewöhnliche Sterbliche konnten natürlich diese Fahrt als ein Ganzes 
dem Gott nicht nachmachen. Aber die Helden der Sage konnten es wohl. 
Es ist Masperos Verdienst, zuerst erkannt zu haben, daß der Held der 
bekaimten, im mittleren Reich niedergeschriebenen, Erzählung vom Schiff- 
brüchigen auf seiner Irrfahrt vom Okeanos aus in den Nil gefahren ist.^) 

Er hat nach den „Minen des Pharao", also wohl nach der Sinai- 
halbinsel fahren wollen. Aber ein gewaltiger Sturm trieb ihn durch das 
rote Meer hinaus in den Ozean. Das Schiff war zerschellt und nur er 
von der ganzen 150 Mann starken Mannschaft wurde, an einen Balken 
geklammert, auf eine Insel geworfen, die der Schlangenkönig mit den 
Seinen bewohnte. Es war der Beherrscher des Weihrauchlandes Pwnt, 
der ihn freundlich aufnahm und bald mit einem Schiff, das gerade an 
der Insel landete, nach Ägypten zurückschickte. Nach einer Fahrt von 
zwei Monaten kam der Held über „die Enden von Wltult und das Land 
Sntnt" (die Insel Bige am ersten Katarakt) nach Ägypten zurück. 

Wir sehen also, daß dieser kühne Seefahrer genau denselben Weg 
zurücklegt wie der Gott von Edfu nach unserer Erklärung. Wenn wir 
darin eine Bestätigung unserer Deutung der Götterfahrt finden, so ver- 
stehen wir nun auch, warum bei deren Erzählung die Gegend Sls-hrt 
überhaupt erwähnt wird, trotzdem doch eigentlich nicht das geringste in 
ihr geschieht. Denn wenn wir, so wie wir es getan haben, Sls-hrt in 
den südlichsten Teil von Nubien verlegen, so haben wir in ihm ja gewiß 
das letzte, dem Verfasser des Textes von Edfu 2) wirklich bekannte Land 
im Süden Ägyptens zu sehen. Es war also durch seine Erwähnung gesa^, 
daß der Gott gleich vom ersten Lande aus, das er bei der Rückfahrt in 
die Welt betrat, die lange gesuchten Feinde im nördlichen Nubien mit 
seinen Götteraugen erspähte. 

So dürfen wir also, wie ich denke, nun wirklich mit gutem Gewissen 
das Land äls-hrt^ das Ziel der Söldner unter Apries, mit dem Lande 
identifizieren, in dem die unter Psammetich ausgewanderten Krieger sich 
angesiedelt hatten. 

1) Maspero, Eist. mic. I, 10—20, 496 ff. Etwas anders Äec. de trav. XVIF, 
76—78. Übersetzungen der Erzälilung bei Maspero, Contes populaires^ S. 133 ff. Gole- 
nischeff, Ermitage im2)e'rial. Inveniaire de la collectimi egyptienne^ S. 177. Maspero 
hat aber, wie mir scheint, übersehen, daß die Hinfahrt auf dem roten Meere 
beginnt. Daß es sich nicht bei der Abfahrt schon um eine Nilfalirt handelt, geht 
aus den Worten des Textes unzweifelhaft hervor. Dies hat Erman, Ägypten, 
S. 668 richtig erkannt. Die Handschrift befindet sich, leider noch immer un- 
veröffentlicht, in Petersburg. 

2) Die Inschriften stammen aus der Ptolemäerzeit, aber die Texte selbst ent- 
halten^* manches viel weiter zurückweisende, wie es ja auch nur natürlich ist. 
Zu scheiden sind für uns die Schichten aber noch nicht. 

12 



164 



Quellenstudien 
zu des Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens. 

Von Otto Seeck. 

I. 
Die angebliche Mflnzreform Solons. 

Über die metrologischen Grundlagen und die handelspolitischen Ziele 
der Solonischen Münzreform hat man viel geschrieben ;0 aber keinem ist 
noch die Frage in den Sinn gekommen, ob sie denn überhaupt stattge- 
fanden hat. Sie stand bei Aristoteles und hatte schon vorher bei Androtion 
gestanden; dies genügte für ihre Beglaubigung. P'reilich widersprachen 
sich diese beiden Zeugnisse, und keines von ihnen ließ sich schlichtweg 
hinnehmen, wie es gegeben war; an jedem mußte man deuteln und 
verändern, damit etwas historisch Mögliches herauskomme; doch störte 
dies den guten Glauben nicht. Und doch hätte man sich sagen müssen, 
daß eine Berichterstattung, die mehr als zwei Jahrhunderte hinter dem 
Erzählten liegt, an sich gar keine Autorität besitzt, sondern sie nur aus 
den von ihr benutzten Quellen entlehnen kann. Eine Geschichtschreibung 
gab es zur Zeit des Selon noch nicht: welcher Art können also jene 
Quellen gewesen sein, aus denen Androtion und Aristoteles ihr Wissen 
schöpften? 

Beide knüpften die Münzreform an die Seisachtheia an; von dieser wird 
also die Untersuchung ausgehen müssen. Sie konnte nur eine vorüber- 
gehende Maßregel sein, einzig bestimmt, einem augenblicklichen Notstande 
abzuhelfen; in den Gesetzen Solons, die für alle Folgezeit gelten sollten, 
war daher nicht von ihr die Rede. So gab es über sie für die spätere 
Forschung keine authentische Quelle außer seinen Elegien, deren poetische 
Form wenig geeignet war, von wirtschaftlichen Vorgängen ein klares Bild 
zu gewähren. Hier fand man denn auch nichts weiter, als daß Selon 



1) A. Bockh, Die Staatshaushaltung der Athener I'S.23. U. Koehler, Numis- 
matiscJie Beiträge. Mitteil d. arch. Instit. zu Athen X S. 151. C. F. LehraanD, Zur 
A&tjvaiwv noXnela. Hermes XXVII S. 530, XXXV S. 636. H. Nissen, Die Münz- 
reform Sohns. Eftein. Mus. XLIX S. 1. Hill, Solons reform of the attic Standard. 
Numismatic chronicle III ser. XVII S. 284 und andere mehr. 

1 



Otto Seeck^ Quellenatudien. 165 

sich rühmte, die Schnldkneehte befreit und die Steine, welche die hypo- 
thekarische Belastung der Grundstücke beglaubigten, von den Äckern 
entfernt zu haben. Man schloß daraus, daß er einen allgemeinen Schulden- 
erlaß verfügt habe, und dürfte damit wohl ungefähr das Richtige getroffen 
haben. ^) 

Wie es scheint, fand dieser Schluß eine höchst beachtenswerte Stütze 
an einer alten Familien tradition. Gegen Ende des fünften Jahrhunderts 
wagten einzelne zu behaupten, Selon habe sich mit dreien seiner Freunde, 
Konon, Kleinias und Hipponikos, zu einem Schurkenstreiche zusammengetan. 
In Voraussicht der Seisachtheia hätten sie mit erborgtem Gelde aus- 
gedehnten Grundbesitz erworben, der dann bei der Vernichtung aller 
Schuldforderungen ihr freies Eigentum geworden sei und den Reichtum 
ihrer Familien begründet habe. Ohne Zweifel ist dies Erfindung irgend 
eines oligarchischen Parteihauptes; sie richtete sich gegen Konon, Alki- 
biades und dessen Schwager Hipponikos, die ihr Geschlecht und ihr großes 
Vermögen auf jene drei Männer zurückführten, und beschmutzte zugleich 
denjenigen, welchen man in Athen als Begründer der Demokratie 
feierte.2) Aber auch Verleumdungen schweben selten ganz und gar in 
der Luft; denn ihre Urheber wissen sehr wohl, daß sie nur dann wirk- 
sam sind, wenn sie an irgend etwas Wahres anknüpfen. Und wie sollte 
man dazu gekommen sein, die Gegner durch eine so weit hergeholte 
Erinnerung zu verunglimpfen, wenn nicht irgend ein tatsächlicher Anhalt 
dazu vorhanden war? Konon, Kleinias und Hipponikos werden große 
Grundbesitzer gewesen sein, deren Güter überschuldet waren und durch die 
Seisachtheia von der Last ihrer Hypotheken befreit wurden. Das dank- 
bare Gedächtnis an die Rettungstat Solons lebte bei ihren Nachkommen 
fort und bot dann freilich eine sehr passende Handhabe, um jene 
Verleumdung daranzuhängen. Welche Rolle die Familientradition in unserer 
historischen Überlieferung spielt, zeigt sich am deutlichsten in dem Bei- 
spiel der Alkmaioniden; doch die Eupatriden und Keryken, zu denen 
Alkibiades und Hipponikos gehörten, waren nicht minder alte Geschlechter 
und werden die Erinnerung an Leiden und Glück ihrer Ahnen gewiß 
ebenso treu bewahrt haben. 

Seit dem Ende des fünften Jahrhunderts ist wiederholt von XQ^^'*^ 
anoxonal die Rede als von einem Schrecknis, das zu den Kennzeichen 
der wüstesten Revolution gehört.') Ob in der schweren Geldnot, die dem 
peloponnesischen Kriege folgte, solche Forderungen tatsächlich aufgetaucht 
sind, ob sie sich vielleicht gar in einzelnen griechischen Kleinstaaten 
durchgesetzt haben, ist mir nicht bekannt. Jedenfalls sind sie drohend 
in den Gesichtskreis der damaligen Welt getreten und galten ihr für einen 

1) Selon, frg. 3r». Plut. Sol 15. Arist. 6, 1. 12, 4. 

2) Wilamovitz, Aristoteles und Athen I S. 62. 

3) Andok. I 88. Plat. resp. VIII 566 A. leg. III 684 D. V 736 C. Isokr. 
XII 269. [Demosth.] XVII 16. 



U)(i Otto Seeck, 

politischon Frevel schlimmster Art. Zu glauben, daß der weise Selon, 
den man nach seinen herrlichen Elegien als Vorbild edelster Mäßigung 
verehrte, sich eines solchen Verbrechens schuldig gemacht habe, mußt« 
den Athenern jener Zeit schwer fallen, und wenn man erst wünscht, daß 
die historische Überlieferung unwahr sei, findet man bald Gründe, sie 
anzuzweifeln. Androtion war es, der den Beweis antrat, daß man den 
braven Selon arg verleumdet habe.*) In Wahrheit hatte er den Schuldnern 
in einer Weise geholfen, bei der auch die Gläubiger nicht zu Schaden 
kamen. Er hatte ihnen die Zahlung nur dadurch erleichtert, daß er den 
Münzfuß veränderte und 73 alte Drachmen 100 neuen gleichsetzte. So 
wurde jenen mehr als ein Viertel ihrer Schuld erlassen, und doch erhielten 
die Gläubiger genau so viele Drachmen, wie sie zu fordern hatten. Dies 
stand zu den Elegien nicht im Widerspruch, da sie nicht von der Form 
der Seisachtheia, sondern nur von ihren Folgen redeten, und eine andere 
Quelle von zweifelloser Glaubwürdigkeit besaß man nicht. Über die 
Schwierigkeit, daß durch eine so geringe Erleichterung alle Schuldknechte 
frei, alle Hypotheken gedeckt worden seien ,2) halfen guter Wille und 
Entdeckerfreude leicht hinweg. 

Heutzutage ist man darüber wohl einig, daß es eine falsche Hypothese 
des Androtion war, wenn er die Seisachtheia mit der Änderung von 
Maß und Gewicht in Zusammenhang brachte: an dieser selbst aber hält 
man fest. Und allerdings ist es nicht wahrscheinlich, daß er sich die 
Zahlen 73:100 aus den Fingern gesogen habe, um so weniger, als sie dem 
Verhältnis, in dem das attisch-euböische Gewicht zu dem äginetischen steht, 
ziemlich genau entsprechen. Irgend eine Quelle wird er also wohl gehabt 
haben, aber da Plutarch sie uns verschweigt, können wir über ihren 
Wert oder Unwert nur danach urteilen, wie seine Nachfolger sich zu 
ihr stellten. 

Zu diesen gehörte neben Aristoteles auch Philochoros; denn wie jeder 
Atthidograph seine Vorgänger ausschrieb, so hat auch er den Androtion 
zweifellos gekannt und benutzt Da jene beiden darin übereinstimmen, 
daß die vorsolonische Münze das Didrachmon war, werden wir auch diese 
Nachricht mit größter Wahrscheinlichkeit auf ihre gemeinsame Quelle 
zurückführen dürfen. Nach Androtion setzte sich also die Münzreform 
Solons aus zwei Maßregeln zusammen, erstens der Herabsetzung des 
Gewichtes auf ^3/^^ seiner früheren Höhe, zweitens der Einführung des 

1) Plut. SoL 15: xrciTot zirtg ey^atf^avy liv ^(n)v 'Av6()otia}Vy oix anoxon^ 
/XnößV, a).).a Toxojp fAft^toxrixi xov<fio^h>xag iiyaitiiam tovg ;rA'i7T«c, xa) aeiaax^ftfcv 
bvofiaacct xb if t).icv9^guf7tevfia xovxo xal xtjv Sfjia xovxm ytvofitvrjv xdiv xe fitxgoßv 
^Ttavgrfaiv xfci xov vofiiofiaxos; xijbitjv. i-xmbv yag ijtoi'i^ae ÖQayjjiojv xtjv fjiväv ngoxegov 
\^ß6ofXfixovx(i x(ci XQtwv ovo(cv, tSfjr' (iQi^fno ßlv hoVy Avvctfiei 6' h)Mxxov anoAiöovxtDVj 
M<ff).eia&((i filv xoi\; ^xxivovxaq fity<x)Mf fiijStv At ß/.a7ixea9^(u xovg xofutpfitvovg. 

2) ü. Koehler, Nt^nismatische Beiträge, Athen. Mitteil. X S. 152. 



QueUemtiidien zu des Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens. 167 

Tetradrachmons, das zur Zeit des Geschichtschreibers die herrschende 
Münze war. 

Über daß Didrachmon, das ihm vorausging, weiß uns Philochoros 
noch mehr zu erzählen, ob aus derselben Quelle oder auf Grund eigener 
Forschung, läßt sich nicht mehr entscheiden: doch möchte ich das Erstere 
für wahrscheinlicher halten. Jene Münze sei mit dem Bilde eines Rindes 
geschmückt gewesen und habe danach ßovg geheißen:^) Theseus habe 
sie zuerst schlagen lassen und dies Gepräge gewählt, entweder weil er 
dadurch an seine Siege über den Marathonischen Stier und den Minotauros 
erinnern oder weil er die Bürger zum Ackerbau ermahnen wollte. 2) 

Hier liegt das Quellenmaterial, auf dessen Kombination diese Nach- 
richten beruhen, uns noch in seinem vollen Umfange vor. Daß in den 
Urzeiten das Vieh als Wertmesser gedient hat, ist eine Erkenntnis, die 
sich schon dem späteren Altertum erschlossen hat. Aber so geläufig sie 
uns ist, den Atthidographen war sie noch fremd. Da sie nun bei Homer 
und in den Gesetzen Drakons Werte nach Rindern bestimmt fanden, 
schlössen sie daraus, es müsse irgend ein Geldstück vorhanden gewesen 
sein, das den Namen „Rind" führte. Dies schien ihnen um so weniger 
auffällig, als man ja zu ihrer eigenen Zeit die attischen Tetradrachmen 
„Eulen", die korinthischen Stater „Pferdchen" nannte.^) Waren diese 
Bezeichnungen von dem Gepräge hergeleitet, so folgte daraus, daß jenes 
uralte Geldstück das Bild eines Rindes getragen hatte. Da schon Homer 
es kannte, mußte es in die allerfrühesten Zeiten des Athenischen Staates 
zurückreichen; dem Theseus ließ es sich um so eher zuschreiben, als 



1) Schol. Arist. av, 1106: ^ ylfw^ inl yngayfittroq fiv XBXQaAQaxjfJLov, wq 4*i?.6- 
XOQoq. ^xXi^^^i 6h xb vbfiiafia xb xexQad()axfxov xoxe ^ y/.avS- ^v yag y)MV^ ^niat^fxov 
xal ngbavDTtov 'Ad-rjväf xwv ngoxf-gtav diögtxyjtwv bvxwv^ hniotifibv xb ßovv ^ybvxwv. 
Poll. 9, 60; diÖQayjiov. xb ticOmiov 61 xovx' ^v 'A^rivaloiq vbfxiafxa xal ^xa?.eTxo 
ßovg, oxi ßovv e'ixev ivxexvnwfitvov. d6ivai 6' ctvxb xa) "Ofx^gov vofJiiCßvaiv elnbvxa 
y.kxaxbfißot' ^vvsaßoiwv**. xal /xf^v xav xoXq /Jgaxovxog vbfjioig ^axtv anoxivetv ei- 
xooaßoiov. xal ^v xq nagä ^tjkiotg d-Botgia xbv xrjgvxa xrjgvxxBiv (paaivy bnbxB 6(itgBd 
xivi 6i6oxai, oxi ßoBg xoaovxoi 6o9'rfaovxai avxip, xal 6i6oa^ai xa&' exaaxov ßovv 
6vo 6gaxfiag Axxixag' oB^bv bvioi .dtiXiotv akV oix 'A^rivai<ov vbfitofia Bivai i6tov 
xbv ßoiv vofiltpvaiv. Der letzte Satz geht offenbar nicht mehr auf Philochoros 
zurück, sondern auf einen Schriftsteller, der gegen ihn polemisierte. Da dessen 
Behauptung, das Rinderdidrachmon sei nicht ursprünglich attisch gewesen, sich 
auf den delischen Brauch stützte, so wird die Erwähnung desselben wohl gleichfalls 
jenem späteren Schriftsteller angehören, also dem Philochoros abzusprechen sein. 

2) Plut. Thes. 25: txoxpB 61 xal vbfiiatJia, ßovv iyxccga^ag rj 6ia xbv Maga^iuvtov 
xavgov ^ 6ta xbv Mivo) axgaxrjybv r} ngbg yBwgyiav xovg TioXlxag nagaxaXtäv. an' 
^xBivov 6i (paat xb hxaxbfxßoiov xal xb 6Bxaßoiov bvofiaa&fjvai. Daß auch dies aus 
Androtion oder Philochoros entnommen ist, wird durch das Homerzitat wahr- 
scheinlich, das sich ebenso bei Pollux findet. Denn 6Bxaßotov für iwBaßoiov be- 
ruht bei Plutarch wohl nur auf einem leicht erklärlichen Gedächtnisfehler. 

3) Poll. 9, 76: TcmXov 6^ xb vbfiiofia xb Kogiv^tov, oxi üfjyaaov blxbv ivxBiv- 

TKOfjtivOV, 

4 



168 Otto Seeck, 

seine Heldentaten eine ErklArung für die Wahl des Münzbildes darzubieten 
schienen. Wie man sieht, ist dies eine Reihe von Sehlußfolgernngen, 
die dem wissenschaftlichen Denken des Altertums durchaus nicht zur 
Unehre gereichen, obgleich sie falsch sind. 

Nur eins ist hierbei unerklärt geblieben, warum nämlich jenes Rinder- 
geldstfick gerade ein Didrachmon sein mußte. Denn bei Forschem, die 
so scharfsinnig ihre Schlüsse zogen und sich dabei so streng an das 
gegebene Quellenmaterial hielten, darf man voraussetzen, daß sie auch 
dies nicht glattweg erfunden haben. Nun gibt der Boden Attikas noch 
jetzt mitunter alte Münzen her, die auf einer Seite das eingeschlagene 
Quadrat, auf der anderen einen Stierkopf zeigen, und dies sind 
Didrachmen.^) Im vierten Jahrhundert v. Chr. sind Schatzfunde aus den 
Urzeiten Athens jedenfalls noch häufiger gewesen als heutzutage, und 
bei dem lebhaften Interesse, das sie naturgemäß hervorrufen mußten, 
wird auch die Wissenschaft sie beachtet haben. In jenen Münzen mußten 
also die Atthidographen eine willkommene Bestätigung ihrer Hypothesen 
finden: denn daß sie nur eiuen Rinderkopf, nicht ein ganzes Rind zeigten, 
kam für sie nicht in Betracht. Der Name ßovg ließ sich ebenso gut von 
jenem, wie von diesem herleiten. 

Aber auch die Bestimmung jener Münzen ist irrtümlich. Denn etwas 
jüngere Stücke, die schon doppelseitig geprägt sind, tragen auf der 
Vorderseite ganz denselben Stierkopf, daneben aber auf der Rückseite 
innerhalb des eingeschlagenen Quadrats den Tintenfisch, das wohlbekannte 
Abzeichen von Eretria.^) Es war also euböisches Geld, das die antiken 
Gelehrten fälschlich für attisches hielten, weil es, wie dies noch heute 
geschieht, aus attischer Erde ans Licht gekommen war. Man darf sie 
dafür um so weniger schelten, als auch moderne Forscher aus dem gleichen 
Grunde der gleichen Täuschung verfallen sind.^) 

Für dasjenige, was uns über die Münzreform berichtet wird, liegen 
die Quellen nicht so offen da: doch dürften sie kaum von anderer Art 
gewesen sein. Daß sie der Gesetzgebung Solons vorausging, wird uns 
ausdrücklich gesagt;^) daraus ergibt sich nichts weiter, als daß sie im Texte 
der Gesetze, den man im vierten Jahrhundert ja noch lesen konnte, 
ebenso wenig erwähnt war, wie die Seisachtheia. Die Elegien aber werden 
das neue Tetradrachmon und das Verhältnis 73:100 gewiß nicht besungen 



1) Imhoof-Bluraer (Monatsber. d. Berl. Akad. 1881 S. 672) kennt drei Exem- 
jjlare; eins davon ist abgebildet im Caialogue of the greek coins in the British mu- 
seum. Central Greece. Taf. XXII 5. 

2) B. V. Head, On coins recently attributed to Eretria. Numismatic chronicle 
Ser. III vol. 13 S. 161. 

3) E. Beule, Les monnaies r/' Athenes S. 15. 

4) Arist. pol. Ath. 10, 1: tiqo 6)- r^c i'o/iio^eaia>: Ttoiricaq xai ri/r twv ygtMV 
(cnoxonrjv xal fiera X(tvxa ztjv xt xwv fihXQmv xat oxa^fAmv xul t^v ror vofiia(iaxoq 

5 



Quellenstudien zu des Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens, 169 

haben. Und wenn Androtion ein ganz unzweideutiges Zeugnis besaß, so 
hätte ihn Aristoteles nicht so abgefertigt, wie er es tut. Denn daß er 
seine Quelle mißverstanden habe, wie manche annehmen, ist keineswegs 
richtig; vielmehr sind seine Angaben in jeder Beziehung klar und wohl 
durchdacht. 

Er erzählt uns, daß Selon nicht, wie Androtion behauptete, die Maße 
und Gewichte herabgesetzt, sondern vielmehr erhöht habe. Bei den letzteren 
habe er dabei einen verschiedenen Maßstab beobachtet, je nachdem sie 
für den gewöhnlichen Handelsverkehr oder für die Münze bestimmt gewesen 
seien. Für jenen erkennt er das Verhältnis des Androtion an, nur daß 
er es umkehrt; denn wenn er 70 statt 73 nennt, so ist dies entweder 
Abrundung oder auch handschriftliche Verderbnis. Das Münzgewicht 
dagegen sei nicht im Verhältnis von 70 oder 73:100, sondern von 60:63 
erhöht worden.^) Dies letztere hat man für offenbaren Unsinn gehalten 
und durch Konjekturen aus dem Text herauszuschaffen gesucht; man 
würde es besser verstanden haben, wenn man die noch erhaltenen Münzen 
beachtet hätte. 

Im British Museum befindet sich ein Tetradrachmon ältesten Stiles, 
das 17,86 Gramm wiegt: aber da es schon ziemlich abgegriffen ist, kann 
sein Gewicht ursprünglich kaum unter 18 Gramm betragen haben. Zur 
Zeit des Aristoteles wog kein Tetradrachmon mehr als 17,21 Gramm. 
Rechnet man nun nach, so ergibt sich: 

17,21:18 = 60:62,75. 
Dies ist genau das Verhältnis des Aristoteles; denn daß er den Bruch 
nach oben abgerundet hat, versteht sich nach der Arbeitsweise des Alter- 
turas von selbst. 

Trotzdem hatte man nicht so ganz Unrecht, wenn man seine Angabe 
als unsinnig verwarf. Denn es gab wohl eine Anzahl Münzen, die sich 
^Vgo attischer Tetradrachmen mehr oder weniger annäherten, aber niemals 
hat ein Münzsystem bestanden, das auf diese Gewichtseinheit begründet 
gewesen wäre. Dies ergibt sich aus dem tatsächlichen Gewicht der 



1) Arist poL Ath. 10, 2: in* ixetvov ya() iy^ero xid ra fiixQit fieltiuD rwv 
*f»et(iiDVsia)v, xttl rj fivä TiQoxhQov bxoian axd^fJLOV tßdo^iiixovra dga^fiäq, avenÄt^Qwi^tj 
zeug i-xatov. tjv 6* 6 c(»;f«ro§ xa()axTrj(j 6i6(j((Xfioy. inohjas de x(d axa^fJia 7i()oq xo 
vbfitafjLUj XQEiq xal i-grjxovxit fiväq xo xaXavxov ayovaaq, xai i-Tudievefif^B^tjoav ai XQeig 
fAvtü xiö axaxfjQi xal xotq aXXoig axaO^fiolg. Der letzte Satz kaün nur bedeuten, daß 
jener Überschuß von drei Minen über die sechzig des gewöhnlichen attischen 
Talentes jedem einzelnen Münzgewicht entsprechend seiner Größe zu Gute kam, 
mit anderen Worten, daß alle Münzen Solonischer Zeit im Verhältnis von G3 : (>0 
schwerer waren, als die gleichbedeutenden früheren oder späteren Geldstücke. 
Wenn Lehmann {Berl anthrop. Ges. 1892 S. 582; Hermes XXXV S. 63G) und Hill (Num. 
chron.lU ser. XVII S. 284) dies letztere Verhältnis auf das Handelsgewicht, das ei-st- 
genannte von 70 : 100 auf das Münzgewicht beziehen, so haben sie in die Worte des 
Aristoteles hineininterpretiert, was kein Unbefangener aus ihnen herauslesen kann. 



170 Otto Seeck, 

Stücke, die sich ungefähr der Solonischen Zeit zuschreiben lassen; es ist 
die Serie, bei welcher der Helm des Athenekopfes noch nicht mit drei 
Blättern geziert ist. In ihr habe ich die folgenden Gewichte gefunden: 
17,86 — 17,75 — 17,67 — 17,51 — 17,46 — 17,44 — 17,43 — 17,40 — 
17,36 — 17,35 — 17,32 — 17,30 — 17,24 — 17,20 — 17,17 — 17,16 — 
17,15 — 17,14 — 17,12 — 17,10 — 17,06 — 16,98 — 16,95 — 16,94 — 
16,90 — 16,85 — 16,83 — 16,74 — 16,67 — 16,65 — 16,62 — 16,59 — 
16,52 — 16,15.1) 

Wie man sieht, haben wir hier eine gleichmäßig absteigende Reihe 
die ohne merklichen Sprung um mehr als anderthalb Gramm sinkt. 
Dabei lassen sich die Unterschiede des Gewichtes nicht etwa durch 
größere oder geringere Abnutzung erklären; denn gerade die drei 
leichtesten Stücke, von denen sich eins im British Museum (Nr. 15), 
zwei im Berliner befinden, sind vorzüglich erhalten, das schwerste (Nr. 2) 
recht mittelmäßig. Auch ein allmähliches Sinken im Laufe der Zeit, das 
durch Abknappen am ursprünglichen Gewicht entstanden sein könnte, 
ist in diesem Fall ausgeschlossen; denn die schwereren Exemplare sind 
nicht auch die älteren, wie sich am Kunststil deutlich erkennen läßt. 
Die beiden Stücke des British Museum (Nr. 4 und 5), welche die rohesten 
nnd primitivsten Formen zeigen, wiegen nur 17,16 und 16,90, ein 
drittes der Berliner Sammlung, das ihnen an Altertümlichkeit wenig 
nachsteht, gar nur 16,15, während Nr. 24, das aus dem archaischen schon 
in den strengen Stil übergeht, sich auf 17,40 erhebt. Im Berliner 
Kabinet befinden sich drei Stücke, welche die Eigentümlichkeit besitzen, 
daß die Aufschrift A&E nicht, wie gewöhlich, rechts von der Eule, 
sondern in der linken oberen Ecke steht, wo sich sonst der Ölzweig zu 
befinden pflegt, und dieser in die rechte untere Ecke verlegt ist. Exem- 
plare dieser Art sind äußerst selten — der Katalog des British Museum 
verzeichnet kein einziges — ; sie können also nur sehr kurze Zeit geprägt 
worden sein. Auch der Kunststil, der ziemlich hoch entwickelt ist, stimmt 
bei jenen drei Münzen so genau überein, daß sie sich schon hierdurch 
als gleichzeitig erweisen. Nichtsdestoweniger wiegt das eine Exemplar 
17,75, die andern beiden 17,15 und 17,1: und doch ist von den leichteren 
Stücken das eine beinahe stempelfrisch, während jenes schwere viel 
minder gut erhalten ist. Man hat also während der ganzen Periode, der 
jene ältesten Tetradrachmen angehören, leichte und schwere bunt durch- 
einander gemünzt. Wahrscheinlich lautete die Bestimmung nur dahin, 



1) Das Stück von 15,5.') Gramm (Katalog des British Museums No. 18) über- 
gehe ich, da dies gar zu leichte Gewicht wohl nur aul starker Verletzung der 
Münze beinihen kann, wenn nicht gar ein Druckfehler vorliegt. Im Übrigen sind 
die augefi'ihrten Gewichte zum größeren Teil jenem Katalog eutnorameu, zum 
kleineren gehören sie Münzen der Sammlungen von Berlin und Gotha an, die ich 
für diese Arbeit durchgesehen habe. 



Quellenstudien zu des Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens, 171 

daß aus einer Mine Silber 25 Stücke zu schlagen seien; aber da man 
sich nicht die Mühe gab, jeden einzelnen Schrötling sorgfältig zu justieren, 
so wuchsen einige ebenso hoch über das Normalgewicht hinaus, wie 
andere dahinter zurückblieben. Dieses kann also nur aus dem Durch- 
schnitt gefunden werden, und der ergibt 17,15. Zieht man die Abnutzung 
vieler Exemplare mit in Betracht, so ist dies das richtige attische Gewicht 
von 17,21, wie es noch zur Zeit des Aristoteles in Übung war. 

Damals freilich begnügte man sich bei der Prägung nicht mehr mit einem 
ungefähren Durchschnitt, sondern näherte jedes einzelne Stück so genau 
wie möglich dem Normalgewicht an. Daß es früher anders gewesen sei, 
konnte Aristoteles nicht wissen; denn ein so reiches Material, wie die 
modernen Münzkabinette es bieten, besaß er keinenfalls. Fiel ihm also 
eines jener uralten Tetradrachmen in die Hand, deren Gewicht 18 Gramm 
nahezu erreichte, so mußte er mit Notwendigkeit zu dem Schlüsse gelangen, 
daß der Solonische Fuß sich zu dem gewöhnlichen attischen verhalten 
habe wie 63:60. Seine Angabe beruht also nicht auf zeitgenössischen 
Quellenzeugnissen, — bei diesen wäre ein solcher Irrtum unmöglich 
gewesen — , sondern auf der Wägung irgend eines übermünzten Stückes, 
wie deren noch heute vorhanden sind. Doch mag das Resultat 
auch falsch sein, so müssen wir doch anerkennen, daß wir es hier mit 
sorgfältigster gelehrter Forschung zu tun haben, die nach ganz richtiger 
Methode vorging. Ein Mann, der sich die Mühe nicht verdrießen ließ, 
alte Münzen zu wiegen, um nach ihnen die Art der Solonischen Reform 
bestimmen zu können, wird das Zeugnis des Androtion sachgemäß 
geprüft, aber nicht gröblich mißverstanden haben. 

Dieser hatte erzählt, daß Selon das attische Maß und Gewicht im 
Verhältnis von 100:73 vermindert habe; Aristoteles behauptet, er habe 
es in demselben Verhältnis erhöht. Das Zeugnis, auf welches Androtion 
sich stützte, muß also derart gewesen sein, daß ein besonnener Forscher 
es auch umkehren konnte, ohne damit der Überlieferung Gewalt anzutun. 
Mit andern Worten, man kannte zwei Gewichtssysteme, von denen man 
das eine für Solonisch, das andere für vorsolonisch hielt, aber welches das 
ältere, welches das jüngere war, das ließ sich nur durch Kombination 
entscheiden. Androtion hatte die Veränderung des Gewichtes mit der 
Seisachtheia in Zusammenhang gebracht und mußte daher schließen, daß 
es eine Verminderung gewesen sei. Aristoteles glaubte bewiesen zu haben, 
daß Selon die Münze auf einen schwereren Fuß ausgebracht habe, und 
meinte daraus auch für das Handelsgewicht das Gleiche folgern zu müssen. 
Beide Schlüsse sind durchaus methodisch, und eine metrologische Tat- 
sache, welche beide gestattete, kennen wir noch heute. Aus einer Inschrift 
hat Böckh^) nachgewiesen, daß noch in später Zeit eine sogenannte 
Handelsmin e in Athen im Gebrauche war, die sich zu der gewöhnlichen 

1) Die Staatsluimhaltung der Athener IP S. 324. 

8 



172 Otto Seeck, 

attischen nahezu wie 100:73 verhielt. Er glaubte darin nur eine Bestä- 
tigung für Androtion zu erblicken, in Wirklichkeit aber hat er die Quelle 
desselben aufgedeckt. Wunderliche Sitten der Gegenwart als Überlebsel 
aus gi'auer Vorzeit zu deuten, ist eine Methode der wissenschaftlichen 
Forschung, die wir noch heute üben und die auch dem Altertum ganz 
geläufig war. Ich erinnere nur an Plutarchs Qtioestiones Oraecae und 
Romanae. die den letzten Niederschlag solcher Hypothesen darstellen. 
Ein Widersinn dieser Art. der seine Erklärung forderte, lag in dem gleich- 
zeitigen Gebrauch zweier verschiedenen Gewichtssysteme. Man gab sie 
durch die Annahme, eines davon habe schon seit den Urzeiten bestanden, 
das andere sei später durch einen Gesetzgeber eingeführt worden, habe 
aber jenes nicht ganz verdrängen können. Fragte man dann weiter, 
wer der Neuerer gewesen sei, so mußte sich der Name desjenigen Mannes, 
den jeder Athener als den Gesetzgeber xat* i^oxr^v betrachtete, von selber 
darbieten. Die zweite Frage mußte folgen, was zu der Veränderung 
den Anlaß gegeben habe, und die Antwort ergab sich aus dem Bedürfnis 
des Androtion. den edlen Selon von dem Vorwurf der xqcwv dnaxoTnl 
zu reinigen. Auch er mochte sagen, wie Aristoteles (6. 3): ov yoQ shog 
i%* fiiv ToTc £U<M^ ov%(o fiifQiov yevia^ai xai xotror, iv Si foiffoic xcnaQQV" 
naivsiv iatnov. In diesem Sinne aber ließ sich der Anhaltspunkt, den 
jenes Doppelgewicht bot, sehr wohl gebrauchen. Daß man Schuldnöte 
durch eine Herabsetzung des Münzfußes zu lindem suchte, ist in Rom 
nachweislich vorgekommen. ^) und wahrscheinlich folgte man auch hierin 
griechischen Vorbildern. So wird es unserem Atthidographen nicht an 
Beispielen gefehlt haben, nach denen er sich die Seisachtheia, wie er sie 
brauchte, konstruieren konnte. 

Nach den Grundsätzen, auf denen die historische Methode noch heute 
beruht, war die Schlußfolgerung des Androtion durchaus zulässig, aber 
nicht notwendig: denn jenes doppelte Gewichtssystem konnte auch auf 
andere Weise entstanden sein. Athen handelte nach Westen mit Aegina, 
nach Osten mit Euboea. Die Einheiten, nach denen man auf beiden 
Inseln die Menge der Ware maß, mußten also den attischen Kaufleuten 
bekannt sein, und es ist sehr wohl denkbar, daß sie auch ohne das Eingreifen 
der Gesetzgebung sich bald des einen, bald des andern Systems bedienten. 
Daß Solon die Maße und Gewichte herabgesetzt oder auch erhöht hat, 
ist also möglich; doch läßt es sich weder beweisen noch widerlegen, weil 
gültige Zeugen dafür nicht vorhanden sind. Doch daß er den Münzfuß 
unverändert ließ, steht fest: denn dafür besitzen wir das unbestreitbare 
Zeugnis der noch erhaltenen Münzen. 

Als zweifellos attisch sind bis jetzt nur diejenigen anerkannt, welche 
auf dej- einen Seite den Athenekopf, auf der andern die Eule mit der 

1; Die Belegstellen bei BIoinmseD, Gegchivhte des römimhcfi Münzicesemf S. 288 
Anna. 14. wo aber ihr Quelleuwert, wie ich glaube, zu niedrig angeschlageo ist. 



Quellenstudien zu des Aristoteles Verfassiingsgeschichte Athens. 173 

Beischrift A0E zeigen. Diese Prägung hat man bis zum Jahre 322 so 
gut wie unverändert beibehalten, ja man hat sich sogar bemüht, den 
archaisclien Stil der älteren Münzen auch bei den jüngeren, so gut es 
ging, nachzuahmen. Der Grund dafür ist längst erkannt. Das attische 
Geld hatte sich früh über die ganze antike Welt verbreitet und genoß 
den Ruf besonderer Reinheit und Vollwichtigkeit, so daß man in den 
fremden Ländern sogar ein Agio darauf zahlte, i) Doch dies Vertrauen 
erwies man nur dem altbekannten Gepräge; jedes neue hätte die Empfänger 
stutzig gemacht. In Spanien habe ich selbst es erlebt, daß die niedere 
Bevölkerung die Geldstücke nicht nehmen wollte, die beim Regierungs- 
antritt des jetzigen Königs mit dem ungewohnten Typus seines Kinder- 
kopfes geschlagen waren. In Österreich prägt man noch heute Maria- 
Theresientaler, weil einer Anzahl von wilden und halbwilden Völkerschaften 
diese Münze geläufig ist und sie jedes andere Gepräge nur mit Mißtrauen 
empfangen. Aus entsprechenden Gründen hat die reiche Kunstentwickelung, 
die wir an den Münzen aller übrigen griechischen Staaten beobachten können, 
in dem Gelde Athens keinen anderen Ausdruck gefunden, als daß die 
echt archaischen Formen unmerkhch in gezwungen archaische übergehen 
und diese im Verlaufe der Zeit immer unverstandener und flacher werden. 
Nur einmal hat man an dem Gepräge eine bewußte Neuerung zu- 
gelassen, doch war diese äußerst schüchtern und behutsam. Sie genügt, 
um die jüngere Serie deutlich von der älteren zu scheiden, verändert aber das 
Gesamtbild der Münze nur so unmerkhch, daß ihrem Kurse in den Bar- 
barenländern daraus kein Schaden erwachsen konnte. Es werden nämlich 
auf den Helm der Athene, der früher glatt gewesen war, drei ölblätter gesetzt, 
und während vorher neben der Eule ein Ölzweig, ausnahmsweise auch ein 
Halbmond, aber niemals beide zusammen angebracht waren, erscheinen 
sie jetzt immer vereinigt. Außerdem zeichnet sich das jüngere Gepräge auch 
darin vor dem älteren aus, daß erst in jenem die starre Unveränderlich- 
kcit des Typus sich in vollem Maße durchsetzt. Vorher hatte man sich 
nicht gescheut, in der Bildung des Kopfes und der Eule den Fortschritt 
des Kunstvermögens zum Ausdruck zu bringen: jetzt wird er absichtlich 
unterdrückt; vorher war die Eule meist nach rechts, mitunter aber auch 
nach links gewendet, und ebenso veränderte die Inschrift ihre Stellung: 
an dem Ölzweige war die Zahl der Blätter willkürlich gewesen, manch- 
mal fehlte er auch ganz oder wurde durch den Halbmond ersetzt; jetzt 
steht die Eule immer nach rechts, rechts neben ihr die Inschrift, in der 
linken oberen Ecke der Halbmond und dahinter der Ölzweig, der nie 
mehr als zwei Blätter und dazwischen eine Beere hat. Einmal wagt es 
ein Künstler, die Eule in der Vorderansicht zu bilden: doch dieser 
Stempel scheint sehr bald unterdrückt zu sein, denn nur zwei Abdrücke 

1) J. G. Droysen, Zum Miuizwesni Athens. Sitzungsl)ericlite der Berliner 
Akad. 1882 S. 1194. 

Beiträtje i. altt-ii (ieschichtc IV 2. 1* 

10 



174 Otto Seeck, 

haben sich davon erhalten.^) Der Typus sollte eben auch in den kleinsten 
Kleinigkeiten genau so bleiben, wie er war. 

Es ist sehr beachtenswert, daß dies zähe Festhalten am Hergebrachten 
durch eine Neuerung eingeleitet wird, die offenbar nicht absichtslos 
gewesen ist. Gewiß wollte sie nicht dem künstlerischen Schmucke dienen; 
dazu waren die steifen drei Blätter am Helm der Göttin ganz ungeeignet 
und noch mehr jener unscheinbare Halbmond, der in der neueren Serie 
zwischen Ölzweig und Eule eingeschoben wird. Ohne Zweifel verfolgten 
sie irgend einen praktischen Zweck, und welcher dies war, darüber gibt 
uns ein Quellenzeugnis Aufschluß, das, wie sein Inhalt deutlich erkennen 
läßt, nicht auf gelehrten Folgerungen, sondern auf wirklicher Überliefe- 
rung beruht.2) In den pseudoaristotelischen Oeconomica^) wird unter den 
Kniffen, durch welche der Peisistratide Hippias sich Geld verschafft 
haben soll, auch der folgende erzählt. Er erklärte die bestehende Münze 
für ungiltig und zog die im Umlauf befindlichen Stücke gegen einen fest- 
gesetzten Preis ein, der unter ihrem Nennwerte stand. Als nun die 
Überbringer des Geldes sich bei ihm sammelten und erwarteten, in einer 
neuen Währung bezahlt zu werden, da gab er dasselbe Silber aus und 
steckte den Überschuß über den von ihm erlegten Preis in die Tasche. 
„Dasselbe Silber" kann unmöglich bedeuten, daß die gleichen Geldstücke, 
die Hippias eingenommen hatte, unverändert zur Zahlung verwandt 
wurden.*) Nehmen wir beispielsweise an, er habe fünf Sechstel des Nenn- 
wertes für die alten Münzen gegeben. Brachte dann ein biederer Athener 
sechs Tetradrachmen und bekam fünf dafür wieder, die genau ebenso 
aussahen, ja vielleicht gar dieselben Stücke waren, so hätte er sich das 
von dem Übermächtigen vielleicht seufzend gefallen lassen; aber jeder 
andere wäre gewarnt gewesen und hätte sich auf das böse Geschäft 
nicht eingelassen. Und den Umtausch zu erzwingen, wäre schon deshalb 
nicht möglich gewesen, weil man ja die Münzen, die schon durch die 
Hände des Tyrannen gegangen waren, von den andern nicht unterscheiden 
konnte. Eine Maßregel dieser Art ist nur denkbar, wenn das aus- 
gegebene Geld deutlich wahrnehmbare Kennzeichen besaß, die dem ein- 
genommenen fehlten. In diesem Falle konnte man verfügen, daß diejenigen 



1) Sallet, Zeitschr. f, Numismat. XXI S. 207. Übrigens ist es nicht ganz 
sicher, ob dies Stück wirklich in Atheu geschlageu und nicht vielmehr fremde 
NachpräguDg ist; denn die Aufschrift ist höchst wunderlich und das Berliner 
Exemplar ist aus Syrien in den Pariser Münzhandel gelangt. £. Beule, Les mon- 
naies d* Atheties S. 43. 

2) B. V. Head, The initial coinage of Athens. Numism. chronicle. Ser. III 
tom. XIII S. 247. 

3) II 2, 4: t6 re vbfjiia^ia xb Sv ^AS^rjvaiotg aöbxifiov inoirjoEf ra^ag dh ti^i^v 
ix^Xsvae 7i()bg avrbv avaxofiiQEiv' avvhkB'bvxmv 61 inl rw xbxpui tregov /a(>a^fr^()a, 
i^tdwxt xb alxb izQyvQiov. 

4) H. von Fritze, Die Mimztypen von Athen im 6. Jahrh, v, Chr. Zeitschr. f. 
Numism. XX S. 147. 

II 



Quellenstudien zu des Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens, 175 

Stücke, welche jener Kennzeichen entbehrten, im Marktverkehr nicht 
gegeben und genommen werden dürften, und konnte dies durch Straf- 
androhungen einschärfen. So ließ sich ein genügender Zwang aus- 
üben, um auch die Widerwilligen zum Austausch ihres alten Geldes 
gegen das neue zu vermögen. Derartige Kennzeichen, wie jene Anekdote 
sie voraussetzt, finden sich nun tatsächlich bei der jüngeren Serie der 
Tetradrachmen in den drei Ölblättern auf dem Helm der Athene und der 
Mondsichel neben der Eule. Und nicht ohne Absicht sind sie so an- 
gebracht, daß, ob man die Kopfseite, ob die Wappenseite betrachtet, eins 
von ihnen immer sichtbar ist. Auch im Mittelalter sind solche Finanz- 
operationen wiederholt vorgekommen, und niemals konnten sie ohne eine 
Neuprägung durchgeführt werden. Immer vollzogen sie sich in der Form, 
daß der Landesherr das umlaufende Geld für ungiltig erklärte und es 
gegen eine feste Gebühr, die seine Kasse füllte, umprägen ließ.*) Ebenso 
hat es Hippias gemacht, und da die neue Serie der Tetradrachmen in 
Gewicht und Feingehalt der älteren gleichsteht, konnte man sie in geschäft- 
lichem Sinne mit Fug und Recht „dasselbe Silber" nennen. 

Allerdings verfolgte er mit seiner Neuerung nicht nur gewinnsüchtige 
Zwecke. Wir sahen schon (S. 7), daß die Münzen der älteren Serie sehr 
ungleichmäßig geprägt waren, einige über das normale Gewicht weit 
hinausgingen, andere ebenso weit dahinter zurückblieben. Nun ist es 
aber eine bekannte Erfahrung, daß, wenn Münzen von verschiedenem 
Metallgehalt gesetzlich die gleiche Geltung haben, ihr Wert sich immer 
.nach den leichtesten Exemplaren bestimmt. Denn weil keiner ohne sehr 
genaue Prüfung wissen kann, ob das Geldstück, das er empfängt, nicht 
zu jenen leichtesteij gehört, wahrt sich jeder vor Schaden und nimmt 
alle Münzen nur zu dem Preise, den sie allerschlimmsten Falles haben 
könnten. Dadurch aber werden die schweren Stücke überwertig, und 
man hat einen Gewinn davon, wenn man sie einschmilzt und ihr Metall 
verkauft. So hat ungleichmäßige Münzung die notwendige Folge, daß 
das gute Geld vom Markte verschwind?t und nur das schlechteste zurück- 
bleibt. Ein solches Herabgehen des attischen Münzfußes wird Hippias 
beobachtet, und um den weiteren Fortschritt desselben zu verhüten, zu 
jener Maßregel gegriffen haben. Denn die Tetradrachmen der neueren 
Serie schwanken nicht mehr, wie die der älteren, um ein Durchschnitts- 
gewicht herum, sondern jedes einzelne Stück ist leidlich genau justiert. 
Es handelt sich also hier um eine wirkliche Münzreform, wenn auch der 
Tyrann einen Gewinn für seine Kasse dabei nicht verschmäht haben wird. 

Wie man sieht, findet die Nachricht der Oeconomica in den Münzen 
eine Bestätigung, die jeden Zweifel an ihrer Echtheit ausschließt. Und 
während sich für die Zeit des Solon keine Quelle nachweisen ließ, bei 



1) W. Röscher, System der Volkstvirtscha/t, III« § 47 S. 232. 

12» 
12 



176 Otto Seeck, 

der auch nur eine entfernte Möglichkeit denkbar gewesen wäre, daß sie 
einer Münzreform hätte erwähnen können, ist dies für die Zeit des Hippias 
schon ganz anders. Denn der Geschichtschreiber Hekataios von Milet hat 
die Herrschaft der Peisistratiden noch erlebt, und aus ihm kann jene 
Notiz durch unbekannte Mittelglieder in die Oeconomica übergegangen sein. 
Doch auf den Namen kommt es nicht an, sondern nur darauf, daß irgend 
ein Vehikel vorhanden war, das eine solche Nachricht aus so früher 
Zeit bis ins vierte Jahrhundert hinüberretten konnte. 

Wenn Hippias die Tetadrachmen der älteren Serie einschmelzen ließ, 
so folgt daraus, daß diejenigen, welche wir noch besitzen, wenn nicht 
alle, so doch zum größten Teil, schon vor seiner Zeit in die Erde gekommen 
sein müssen. Gleichwohl sind viele ganz abgegriffen, müssen also schon 
sehr lange vor seiner Münzreform im Umlauf gewesen sein. Auch die 
große Anzahl verschiedener Stempel läßt auf viele Jahrzehnte dieser 
Prägung schließen, und die Bilder zeigen eine langsame und stetige 
Kunstentwickelung vom rohesten Archaismus bis dicht an die Grenze 
des strengen Stils, wie sie sich nur in langen Zeiträumen vollziehen 
konnte. Der Beginn der Tetradrachmenprägimg kann also sehr wohl auf 
Solon zurückgehen, ja es würde nichts im Wege stehen, sie bis auf Drakon 
und selbst bis in frühere Zeiten hinaufzudatieren. 

Aus dem Stil der ältesten Tetradrachmen meint Fritze schließen zu 
müssen, daß sie nicht vor der Zeit des Peisistratos gesclilagen sein 
können.*) Doch stützt er seinen Beweis nur auf den Vergleich mit den 
korinthischen Münzen, die ebensowenig sicher datiert sind, wie die 
athenischen. Denn wenn Head die eine Serie dem Kypselos, die andere 
dem Periander zuweist, so ist das nichts als unverbindliche Hypothese. 
Aus der Gleichung zweier unbekannter Größen kann keine bekannte her- 
vorgehen. Dagegen besitzen wir andere Kunstwerke, deren Zeitbestimmung 

1) J. P. Six (Monfiaies grecque^ inedites et incertaines. Numismatic chronicle 
HI ser. XV S. 172) will in dem Doppelkopf ai^f einem kleinen Münzchen der 
älteren Serie das Abzeichen von Lampsakos erkennen und meint, seine Vereinigung 
mit dem Athene-Kopf der anderen Seite feiere das Bündnis, das Hippias mit dem 
Tyrannen jener Stadt geschlossen hatte. Aber, wenn man einem Geldstück den 
Charakter einer Denkmünze geben will — denn etwas anderes kann Six doch 
nicht meinen — , so wählt man dazu ein ansehnliches Stück, nicht ein Silber- 
plättchen von weniger als einem Zentimeter Durchmesser; man prägt wohl Sieges- 
thaler, aber keine Siegespfennige. Der Doppelkopf bedeutet weiter nichts, als 
daß wir hier ein Doppelstück, d. h. ein Diobolon, vor uns haben. Da dieses sich 
von dem Triobolon einerseits, dem Obol andererseits nach der Größe allein schwer 
unterscheiden ließ, gab man ihm in dem Gepräge ein deutlicheres Kennzeichen. 
In ganz ähnlicher Weise sind in der späteren Serie die Diobolen bald durch zwei 
Eulen auf der Rückseite, bald durch eine Doppeleule ausgezeichnet. Die Gewichte, 
die Six mitteilt, betragen, 1,55 — 1,09 — 0,98. Sie schwanken also um das Normal- 
gewicht (1,44) genau in derselben Weise, wie wir dies auch bei den Tetradrachmen 
derselben Serie beobachtet haben. 

13 



Quellenstudien zu des Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens. 177 

eine relativ sichere ist. Zunächst haben uns die Ausgrabungen auf der 
Akropolis gelehrt, daß die ältesten rotfigurigen Vasen noch bis in die 
Zeit der Peisistratiden zurückreichend) Ihrem strengen Stil entsprechen 
vollkommen die frühesten Tetradrachmen mit den drei Blättern und 
dem Halbmond, ja einzelne davon scheinen sogar noch älter zu sein; sie 
passen also genau in die Zeit des Hippias. Ein zweites brauchbares 
Vergleichsobjekt bietet die allbekannte Grabstele des Aristion dar. Wir 
wissen jetzt, daß dieser es war, der in der athenischen Volksversamm- 
lung den Antrag stellte, dem Peisistratos eine Leibwache zu bewilligen.^) 
Ein Mann, dessen Autorität man in solcher Weise ausnutzen konnte, 
dürfte kaum mehr ganz jung gewesen sein. Andererseits scheint der 
Tod ihn noch im kräftigen Mannesalter ereilt zu haben; denn sonst hätte 
man ihn nicht in voller Waffenrüstung dargestellt, sondern als Greis am 
Stabe, wie uns die Stele von Orchomenos davon ein Beispiel zeigt. Danach 
kann sein Denkmal nicht viel später sein als die Mitte des sechsten 
Jahrhunderts. Sein Bildnis aber entspricht im Stil durchaus den Athene- 
köpfen mit dem glatten Helm, doch nur, wie sie auf den jüngeren 
Tetradrachmen dieser Serie erscheinen. Die ältesten Stücke des Hippias 3) 
zeigen dagegen schon viel freiere und edlere Formen. Noch weiter zurück 
als die Aristionstele führen uns die Metopen von Selinunt, die wahrschein- 
lich gleich nach der Gründung der Stadt, d. h. um das Jahr 620, ent- 
standen sind, und nach meinem Empfinden sind die allerältesten Tetra- 
drachmen noch primitiver als diese Reliefs. Dies würde freilich nicht 
genügen, um sie mit Sicherheit für vorsolonisch zu erklären; denn 
nichts hindert die Annahme, daß die Entwickelung der Kunst in Sizilien 
schneller gewesen sei, als in Attika. Gleichwohl spricht eine große Wahr- 
scheinlichkeit dafür, daß die Anfänge dieser Prägung noch ins siebente 
Jahrhundert zu setzen sind; keinenfalls kann man sie erst dem Peisistratos 
zuschreiben. 

Fritze geht von der vermeintlichen Tatsache aus, daß sich der Über- 
gang zur zweiseitigen Prägung in keinem anderen griechischen Staate vor 
der Mitte des sechsten Jahrhunderts vollzogen habe. Gesetzt, dies wäre 



1) F. Studniczka, Antenjor^ der Sohn des Eumare^ und die Geschichte der 
archaischen Malerei. Jahrb. d. deutschen. archäoL Instit. II S. 159. 

2) Arist. pol. Athen. 14, 1 : o IleiaiGZQaxoq — xarazQaxfiazlattq Uwiov ovitneioe 
tov AtifwVf ütg rno xmv avriaraaKorüJv ravxa nenovS^wCj (pv}MXj}V hxvto) 6ovv(xi tax 
oojfiaTO^f *AQi<nuovoq yQaxptivroq tfjv yviofifp'. Wilamowitz I S. 261. 

3) Sie sind daran kenntlich, daß sie sich in Stil und Formengebung noch 
ganz eng an die Tetradrachmen mit dem glatten Helm anlehnen ; die drei Blätter 
sind viel kleiner und weniger auffällig als auf den späteren Stücken, der Ölzweig 
neben der Eule naturalistischer gebildet, d. h. weniger streng stilisiert. Im Katalog 
des British. Museums ist kein Exemplar dieser Art abgebildet, doch habe ich im 
Berliner Münzkabinet drei gesehen und eins davon in einem populären Aufsatz 
(Velhagen und Klasings MmatshefteXXUi 11 S. 577 Abb. 34) abbilden lassen. 

14 



178 Otto Seeck, 

sicher, was es keineswegs ist, so würde es doch für Athen gar nichts 
beweisen. In Makedonien hat man das eingeschlagene Quadrat noch bis 
in die Mitte des fünften Jahrhunderts bewahrt, bei den Statem der Kjrzi- 
kener erhält es sich bis tief ins vierte hinein. An jenem Fortschritt des 
Münzwesens nahmen eben die griechischen Staaten in sehr ungleichmäßiger 
Weise teil, und wenn Athen der erste war, der ihn machte, kann leicht 
ein Jahrhundert vergangen sein, ehe es Nachfolger fand. Wahrscheinlich 
hat dies zur weiten Verbreitung und allgemeinen Beliebtheit der attischen 
Tetradrachmen wesentlich beigetragen. Denn die Falschmünzer bevor- 
zugten natürlich solche Münzsorten, für die sie nur einen Stempel zu 
schneiden brauchten, wodurch das Geld Athens, dessen Doppelprägung 
ihnen die doppelte Mühe auferlegt hätte, vor ihrer Nachahmung relativ 
sicher war. Doch die größere Arbeit, welche diese Art der Münzung er- 
forderte, mußte auch ihre Kosten erheblich vermehren, und ohne Zweifel 
ist dies der Grund gewesen, warum die andern griechischen Staaten so 
zögernd dem athenischen Beispiel gefolgt sind. Zunächst werden sie die 
scheinbar unnütze Ausgabe verspottet haben, und erst der unverkennbare 
Vorteil, den sie dem attischen Handel brachte, vermochte sie allmählich 
zu bekehren. Doch diese Folge konnte nicht von heute auf morgen ein- 
treten; daß der Zeitvorsprung Athens vor den anderen Staaten ein sehr 
bedeutender war, ist also nicht nur möglich, sondern höchst wahrscheinlich. 
Doch diese Führerrolle hätte es nicht übernehmen können, wenn es 
im Münzwesen noch unerfahrener Neuling gewesen wäre. Unzweifelhaft 
hat es seine ersten Versuche in jener einfacheren Technik gemacht, welche 
das übrige Griechenland noch lange bewahrte. Daß auch Athen einseitige 
Münzen geschlagen hat, darf hiemach für sicher gelten, und wie allgemein 
anerkannt ist, kann man diese nur unter den sogenannten Wappenmünzen 
suchen. Man hat ihnen danach den Namen gegeben, daß sie noch keinen 
Götterkopf, sondern nur Abzeichen verschiedener Art tragen; ihre Rück- 
seite zeigt das eingeschlagene Quadrat meist in sehr roher Form. Die 
große Masse hat sich in Attika gefunden, ein Teil auch in Euboea, 
Boeotien und der Chalkidike. In vergrabenen Schätzen sind sie oft mit 
den Tetradrachmen der älteren Serie gemischt, müssen also auch im Ver- 
kehr neben ihnen umgelaufen sein. Ihr Gewicht ist immer das spätere 
attische, natürlich mit den Schwankungen, die wir vor Hippias auch bei 
den Tetradrachmen beobachten konnten. Das höchste Nominale ist das 
Didrachmon, das ja auch nach Androtion der Solonischen Prägung voraus- 
ging (S. 3), oder, wie wir wohl richtiger sagen werden, der Stater. Die 
sehr mannigfachen Typen und die Münzsorten, welche mit ihnen bezeichnet 
sind, zählen wir nach der Zusammenstellung von Imhoof -Blumer ^) im 
Folgenden auf: 

1) Monatsberichte der Berliner Akademie 1881 S. 670. Die doppelseitigen 
Serien, die man auch noch den Wappenmunzen zurechnet, übergehen wir, weil 

15 



Quellenstudien zu des Aristoteles Vetfassungsgeschichte Athens. 179 

1. Eule: Stater und sein Zwölftel (Obol). 

2. Amphora: Stater und Zwölftel. 

3. Gorgoneion: Stater, Zwölftel und Achtundvierzigstel. 

4. Stierkopf: Stater und Vienmdzwanzigstel. 

5. Pferdevorderteil: Stater und Hälfte. 

6. Pferdehinterteil: Stater und Hälfte. 

7. Triquetra: Stater und Viertel. 

8. Rad: Stater, Dreiviertel, Hälfte, Achtel, Zwölftel und Sechzehntel. 

9. Pferd: Stater. 

10. Astragalos: Stater. 

11. Käfer: Zwölftel. 

12. Frosch: Zwölftel. 

Da die Wappenmünzen dem gleichen Gewichtssystem angehören und 
auch in ihrer Fabrik Verwandtschaft zeigen, meinte man, sie alle derselben 
Landschaft zuschreiben zu müssen. Nach dem gewöhnlichsten Fundort 
entschied man sich anfangs für Attika, doch machte Imhoof-Blumer mit 
Recht dagegen geltend, daß eine einzige Münzstätte nicht mit so zahl- 
reichen Wappen geprägt haben könne. Dazu kommt eine so große Ver- 
schiedenheit des Einteilungsprinzips, wie sie innerhalb derselben Stadt 
nicht wohl denkbar ist. Bald zerfällt der Stater in zwölf Obolen (1. — 3.), 
bald wird er halbiert (5. 6.), bald eine fortlaufende Viertelung durch- 
geführt (8.; vgl. 7). Da nun der Stierkopf (4.) sicher Eretria gehörte 
(S. 5) und das Rad (8.) in sehr ähnlicher Gestalt sich auf zweifellosen 
Münzen von Chalkis wiederfand, wies man die ganze Reihe Euboea zu, 
dessen Städtereichtum auch die Menge der Typen angemessen erklärte. 
Aber ist es denn nötig, die Alternative Attika oder Euboea zu stellen? 
Warum nicht Attika und Euboea? Nach ihren Fundstätten waren die 
Wappenmünzen hier wie dort im Umlauf; als sie geschlagen wurden, 
standen also beide Landschaften unzweifelhaft im engsten wirtschaftlichen 
Verkehr, und da sie nur durch eine schmale Meerenge getrennt sind, ist 
dies ja auch selbstverständlich. Warum sollen sie also nicht in ähnlicher 
Weise geprägt haben? Und wenn man Eretria auf Grund seiner späteren 
Typen den Stierkopf zugewiesen hat, Chalkis das Rad, wie kann man die 
Eule von Athen trennen?^) 

Mit dem eingeschlagenen Quadrat und der Eule ist uns auch ein 
kleines Elektronstück erhalten, das im Gewicht einem Sechstel des Silber- 
staters entspricht und bisher nicht innerhalb größerer Schatzfunde, sondern 
nur einzeln zerstreut aus der Erde gekommen ist. Von den sechs Exem- 

sie ohne Zweifel junger sind, als die attischen Tetradrachmen, und daher für uns 
nicht in Betracht kommen. Die besten Abbildungen findet man Cutahgue of the 
greek coins in the British Museum. Central Greece, Tafel 20, 22, 24. 

1) Ich freue mich, hierin H. von Fritze (Zeitschr. f, Numism. XX S. 148) in 
vollem Umfange beistimmen zu können. 

16 



180 Otto Seeck, 

plaren. die Koehlcr') beschreibt, ist bei vieren der Fundort bekannt; sie 
stammen allesamt aus Attika. Wenn Eulen sich bei Athen und nur bei 
Athen finden, kann es zweifelhaft sein, daß sie auch ihrem Ursprünge nach 
dorthin gehören? Damit ist aber auch über jene Silberstater mit der Eule 
entschieden, da sie dem Elektronstück gleichartig sind. 

Für die chronologisclie Bestimmung dieser Münzen sei auf die folgende 
Tatsache hingewiesen. Drakon legte Strafgelder nach Drachmen auf;-) 
als Münze aber erscheint die Drachme erst zugleich mit dem Tetradrachmon ; 
die einseitige Prägung Athens kennt nur einen Stater, der in zwölf Obolen 
zerfällt. Wäre Drakon von diesem Münzsystem ausgegangen, so hätte er 
nicht geschrieben: eine Drachme, zwei Drachmen, drei Drachmen, sondern 
sechs Obolen oder einen halben Stater, einen Stater, anderthalb Stater 
oder achtzehn Obolen. Danach möchte ich vermuten, daß das Tetra- 
drachmon zu seiner Zeit schon bestand oder auch durch ihn eingeführt 
wurde, was dem Kunststil desselben sehr gut entsprechen würde. Doch 
diesen Schluß mit Sicherheit zu ziehen, verbieten zwei Gründe. Erstens 
liegt uns von den Gesetzen Drakons ja nicht der Wortlaut vor, sondern 
nur die Umschreibung des Aristoteles, und dieser kann sechs Obolen leicht 
in eine Drachme übersetzt haben und entsprechend bei den anderen Wert- 
bestimmungen. Zweitens hat die Drachme als Ge>yichtst«il lange vor 
Drakon bestanden und kann daher als Wertmesser gebraucht worden sein, 
auch wenn sie als Münze noch nicht existierte. Dies sind Möglichkeiten, 
die man berücksichtigen muß; gleichwohl bleibt jener Schluß, wenn auch 
nicht zweifellos, so doch wahrscheinlich. 

Wenn Androtion von einer Herabsetzung des Münzfußes durch Selon 
erzählte, so hat man dies meist so aufgefaßt, daß vor ihm noch gar keine 
Münze existierte, sondern nur eine Rechnung nach Silbergewichten. Diese 
habe Selon leichter gemacht und zugleich das erste Geld geschlagen. Diese 
Annahme halte ich für sehr unwahrscheinhch; aber sie endgiltig widerlegt 
zu haben, glaube ich selber nicht. Denn meine Zeitbestimmung der ältesten 
Münzen beniht ja vorzugsweise auf ihrem Kunststil, der auch in besser 
bekannten Zeiten immer einen Spielraum von mehreren Jahrzehnten läßt. 
Aber derselbe Androtion berichtete auch, Selon habe das Tetradrachmon 
an die Stelle des Didrachmons gesetzt, also doch schon eine Münze vor- 
gefunden, was an sich auch nicht unmöglich ist. Hat er aber mit dieser 
Behauptung Recht, so muß er mit jener ersten Unrecht haben; denn Tetra- 
drachmon und Didrachmon sind ja beide auf denselben attischen Fuß 
geschlagen. Sein Zeugnis umfaßt also zwei nicht sehr wahrscheinliche 
MögHclikeiten, die sich gegenseitig aussclüießen, d. h. es ist gar kein 



1) Numismatische Beiträge. Mitteil. d. arch. Instit. in Athen IX S. 359. 

2) Arist. 2X>1. Ath. 4, 3; nnixivov o fdv ntvt(txoaio(ddifjLVo^ TQtlg ÖQcc/fiagj o 
6l 17171 tvg dio, ^evy irrig dh fiucr. 

17 



Qiielle7i8ttidien zu des Aristoteles Verfassiinf/sgeschichte Athens. 181 

Zeugnis, sondern nur eine gelehrte Vermutung, die als Quelle keine größere 
Autorität besitzt als die Schlußfolgeningen, die ich selbst an dieser Stelle 
vorgelegt habe. 

Wir haben hier ein sehr achtbares Beispiel antiker Wissenschaft 
kennen gelernt. Wir haben gesehen, daß die Historiker des vierten Jahr- 
hunderts ihre Schlüsse auf metrologische Beobachtungen, auf Schatzfunde, 
auf AVägungen alter Münzen gründeten, genau wie wir es noch heute tun. 
Daß sie trotzdem falsch schlössen, dürfen wir ihnen um so weniger ver- 
übeln, als auch unter uns kein Einziger sich findet, der nicht so manches 
Mal in gleicher Mitschuld und Verdammnis gewesen wäre. Aber gelehrte 
Vermutungen sind keine Quellen, mögen sie zwei Jahrtausende alt oder 
von gestern und heute sein. Ein wirkliches Zeugnis besitzen wir erst dort, 
wo die persönlichen Erinnerungen des ersten griechischen Geschicht- 
schreibers beginnen. Die Reform des Hippias ist die erste beglaubigte 
Tatsache der attischen Münzgeschichte; alles frühere, mag Androtion, 
Aristoteles oder auch nur Otto Seeck es behaupten, bleibt mehr oder 
minder wahrscheinliche Hypothese. 



18 



182 



Zur Topographie des Herodot 

Von Friedrich Westberg. 

1. Die Wohnsitze der KOnig - Skythen. 

Herodot IV 20: niQrjv de toi* Fsqqov ratfta JiJ ta xaXevfXBva ßadi- 
Xijia icn xai 2xvi>av ot äqitstoi rs xal nXetctoi xal rovg ä?J,ovg vofii^ovreg 
2xv^ag dovlovg (SfpBriqovg elvai' xa-njxovtft, de ovtoi %d fiiv nqog fiedafi- 
ßgirjv ig iijv Tav^txifv, ro de ngog rjm ini te %ag>QOv^ tjJv Siq oi ex rmv 
tvg>Xwv yevofievot (Sgv^av^ xat im t^g Xifivrjg trjg McurjriSog rd ifimQioVj 
%o xakierat Kgrif^ivoi* ra de avrwv xarrjxovtft, im norafiov Tcfratv. 

ij TavQixt) des Herodot deckt sich mit dem taurischen Gebirgslande 
laut c. 99 : .... fiexQt mhog xaXeofAevrjg KaQxivitvdog (an der Mündung 
des Hypakyris). ro de and tavttjg xrjv fiev ein 9iXa(S(Sov n}v cMrjv yc'- 
qovöaVy ioSaav oQei^vrjv %e x^Q^^ ^^^ TtQoxeifAevijv j6 ig Dovrov, ve'fietav ro 
TavQuiov e^og iiexqi x^Q^^ov^ov trjg tQrjxerig xa)^Ofievrig' aviij de ig 
\^akQ<f(fav rfpf ngoc amjAicovijv ävefiov xan^ei. 

Betreffend den GerrhosfluB (Molotschnaja) möchte ich daran er- 
innern, daß er in der Vorstellung des Herodot nicht in das Asowsche 
Meer mündet, sondern dem Pontes zuströmend sich mit dem Hypakyris 
vereinigt. 

Die König-Skythen stoßen südlich ans Taurische Gebirge und im 
Osten (der Krim) an den „Graben" und an Krenmoi (Krimnoi), belegen 
am Asowschen Meere. Andererseits reichen ihre Wohnsitze bis zum 
Fluß Tanais hinauf. Dieselben Angaben wiederholt Herodot mit anderen 
Worten in c. 100: xo 3* ano ttfi Tavgix^g ^Jij Sxvd^ai to xatvneq^e xmv 
TavQwv xal tu nqog i^aXd(S(Srig ttjg ijoitjg vifxovtai^ tov te Boanoqov tov 
KipiixBqtov tä nqog ianiqrig vm trjg Xifiinjg rfjg Mairjadog fiexQi TavdiSog 
natafxov, og ixdidol ig fivxov tfjg Xifxvrjg tavtr^g. Der Unterschied besteht 
darin, daß in c. 20 Herodot die östliche Grenze der König-Skythen auf 
der Krim'schen Halbinsel durch den „Graben" und den Ort KqtjixvoC 
genau fixiert, so daß die sogenannte „rauhe Halbinsel" (c. 99), oder die 
Halbinsel von Kertsch, aus dem Bestände des König-Skythenlandes aus- 
geschieden wird; dagegen nach c. 100 bildet der Kimmerische Bosporus, 
oder die Meerenge von Kertsch, die Grenze des Skythenlandes. Vergl. 



Friedrich Westberg, Zur Topographie des Herodot. 183 

c. 28: fi de ^aXctütsa nrjyvvrai xal o BotfnoQog nag 6 KififxeQvogj xal im 
lov xQViftdkXov oi iv^ raq>Q0v 2xv&ai xaroixrjfABvoi (ftQarevovratj xal rag 
aßd^ag insXavvovtsi, nB(^v ig tovg Sivdovg. Danach scheinen die auf der 
Halbinsel Kertsch nomadisierenden Skythen von den an den „Graben" 
angrenzenden König-Skythen unterschieden zu werden. 

Aus dem Zusammenhange, in dem vom Stapelplatz Kremnoi (Krimnoi) 
die Rede ist, geht unzweideutig hervor, daß er am „Graben" zu suchen 
ist. Der Ort kommt noch im c. 110 vor, wo es heißt, daß die Griechen 
nach dem Siege am Thermodon den Heimweg zu Schiff mit den ge- 
fangenen Amazonen antraten, die aber die Männer erschlugen und der 
Schiffahrt unkundig, sich von Wind und Wetter treiben ließen, bis sie 
nach Kremnoi am Mäetischen See gelangten. Der Graben reichte vom 
Taurischen Gebirge bis zur Mäetis laut c. 3: xal ngoSta fxiv rijv X"^(t^'^ 
«TTfiTajuoiTO, tafpqov OQv^afxevoi evQSav, xatateivovtfav ix [rvSv TavQix(ßv 
ovQi(f)v ig %rjv MairJTiv Xifxvtjv. Am nordöstlichen Ende dieses Gebirgs- 
zuges befindet sich landeinwärts östlich von Theodosia, am Fuße und 
Abhänge des Berges Agirmysch, der Ort Alt-Krim, Eski-Krim (Solchat), 
der ehemalige Hauptsitz der Krim'schen Tataren. „An der Nordseite der 
Stadt, auf einer Erhöhung, welche jetzt den Namen Nogaily Oglu Oba 
führt, sind die Spuren einer Befestigung bemerkbar, hinter welcher sich 
ein alter Graben hinzieht, der, wie man sehen kann, sehr tief war und 
bis zur Stadt verlief ... in allen ausführlichen Beschreibungen der Stadt 
Alt-Krim . . . wird auf diesen tiefen Graben ein besonderes Augenmerk 
gelenkt." (Harkavy, Russische Revue, herausg. von C. Röttger IX. Bd. 
St. Petersburg 1876, p. 317.) Harkavy erklärt die Benennung Alt-Krim 
durch Kirym, welches Wort Grube, Graben, Erdwall bedeute, und verlegt 
gleich vielen anderen Gelehrten die Stadt Kremny bei Herodot ans nörd- 
liche Ufer des Asowschen Meeres. Meiner Ansicht nach fällt Alt-Krim 
mit Kqri^vvoi zusammen. Kremnoi (Krimnoi) liegt nicht am südlichen 
Abhänge des Gebirges, nicht am Schwarzen Meere. Daher erkläre ich 
mir Herodots irrige Meinung, daß der Ort Krimnoi an der Mäetis belegen 
sei. Als Fortsetzung des Grabens bei Alt-Krim ist vielleicht das Bett des 
Flüßchens, welches sich in nordwestlicher Richtung dem Siwasch zuwendet, 
zu betrachten. Meine Schlußfolgerung : die Halbinsel Krim verdankt ihren 
Namen dem K(^fivoi des Herodot. 

Wenn die König-Skythen Taurien bis zum Gebirge inne haben, so 
muß die Grenze zwischen ihnen und den Wander-Skythen westlich von 
der Landenge von Perekop verlaufen. 

j. Die Wohnsitze der Issedonen nacli Herodot. 
Herodot IV 21: Tdvaiv de notaiiov diaßävn ovxitv 2xv&txflj äXX* rj 
fiiv ngwTfj t(ßv la^Cwv SaDQOjiatBoyv itfrl, oV ix tov fAvxov dgl^dfjievoi tijg 
MairjriSog U^vrig vefxovzai t6 nqog ßoqeriv dvefiov, ijfxeQecov nevuxaidexa 



184 Friedrich Westher g^ 

oiov^ nätsav iovtfav xpiXr^v xai dygiiov xai rj^iegiov devSgmv. Dazu IV 116: 
inBv^ovio xai tavta oi vetjvUfxov^ Siaßdvteg di tov Tdvalv wdotnogeai*^ 
nQog fihov dvidxovta tqlwv /xiv iqfxeqianv am %ov Tavdtdog oSov, tgiiov 
Si dno tiqg Xifxvtjg trjg Mai,ijndog nqog ßoQ^v ävs^ov. dmxoixBvoi, de ig 
rotnov x^QOv iv %(^ vvv xatoixrjVTai, otxtjaav tovtov. Danach reichte die 
südliche Grenze der Sauromaten nicht bis zur Mündung des Don und ans 
Asowsche Meer. Auf Grund von Herodots Angaben erstreckten sich die 
Wohnsitze der Sauromaten vom Manytsch, einem linken Nebenfluß des 
Don, auf 15 Tagereisen (= 450 km) nach Norden, also bis zum nördUchen, 
vom Choper und der Medweditza bewässerten Teile des Donschen Kosaken- 
landes und bis etwa Kamyschin an der Wolga im Süden des Saratow- 
schen Gouvernements. 

Femer c. 21: vnBqoixiovdt de tovxiiov dBvtiQtjv Xd^iv exovveg Bovilvoi^ 
yiqv vBixonBvoi nätfav iadiav vkjj navtoin. Cap. 108: BoviXvoi de e^'og 
iov ixiya xai noXXov . . .; c. 109: ij Je X^QTi (fq>i(ov ndad i<fn Saaea 
XSijfft navxoiißiSi' iv Si vg 7<fg rg nXeitftrj idu Xiiivri fueydlri ib xai nolXij 
xai ekog xai xdXafxog negl avt/jv iv Se ravrji ivvögn-g aliffxovrav xai 
xdtStOQBg xai aXka d^rjQva TBtQayüovoTTQotfmna , tmv %d Siq^iaxa negl tag 
aiifvQag nagaggantetat . . . Leider schweigt Herodot über die Ausdehnung 
des Budinerlandes. Da die Budincr ein großes zahlreiches Volk waren, 
so kann ihr Gebiet nicht gering von Umfang gewesen sein. Die Schilderung 
der Beschaffenheit des Landes paßt nicht auf das linke baumlose Wolga- 
gebiet mit seinem ausgesprochenen Steppenklima. Auf dem rechten Wolga- 
ufer aber reichte bekanntlich in früheren Zeiten die Waldzone viel weiter 
nach Süden als heutzutage, bis zum nördlichen Saume der eigentlichen 
Steppenregion. Somit fällt das Gebiet der Budiner mit dem Burtassen- 
lande der orientalischen Schriftsteller zusammen. Siehe z. B. Ibn Rosteh 
(aus dem 10. Jahrb.): „Ihr (der Burdassen) Land ist geräumig und reich 
an Waldungen. Das von ihnen bewohnte Gebiet ist eben, und von Bäumen 
kommt bei ihnen am häufigsten der Cheleng (= Kiefer) vor. Sie beschäftigen 
sich auch mit Feldbau (vgl. das im c. 109 von den Gelonen im Budiner- 
lande Angeführte: reXwvol 6e yijg tb igydrav x«l aivotpayoi xai xijTiovg 
lÄtriixBvoi)^ aber ihr hauptsächlicher Reichtum besteht in Honig, Marder- 
fellen und Pelzwerk. Ihr Land beträgt in die Breite und in die Länge 
17 Tagereisen" (15 Tagereisen nach anderen orientalischen Geographen). 
Auf so viel Tagereisen mögen sich auch die Wohnsitze der Budiner die 
Wolga stromaufwärts erstreckt haben, also von Kamyschin bis zum 
Shigulewschen Gebirge etwa, nördlich von Ssysranj. Diese Gegend eignet 
sich vorzüglich zur nördlichen Grenze der Budiner, da es weiterhin im 
c. 22 heißt: Bovdivmv de ytarvnBgd^B ngog ßogfjv iatl ngoirri fiiv igfjfxog 
in fjfiBgiayv inrä oSov^ fiBrd Se ti]v igfjfxov dnoxXivovu fiäXXov ngog anr)' 
fuwTTjV ävBfAOV vBfiovTai SvodayBrai,^ e&vog noXXov xai Tdtov ^oiovai de 
dno &tjgYig. Die nördlich von den Budinern 7 Tagereisen (= 210 km) 



Zur Topographie des Herodot 185 

weit streichende „Wüste" (vgl. c. 123) deckt sich mit den Shigulewschen 
Bergen, die dem rechten Wolgaufer entlang bis Ssimbirsk reichen. In 
dieser Wüste hielt Darius (c. 123) seinen Lauf an und lagerte sich mit 
seinem Heere am Oaros (Wolga). Nördlich von Ssimbirsk schwenkt der 
große, vom Pontos bis zum Ural führende Handelsweg (vgl. c. 24) von 
der Wolga zur Kama ab. Hier also an der Wolgabeuge und an dem 
Unterlaufe der Kama sind die Thyssageten anzusetzen, weil mit dieser 
geographischen Lage Herodots Angabe jucr« de rijv iQrjfiov dnoxUvovrv fiallov 
nqog aTttihwttjv avefiov vefiiovrat Qv^caysTctv aufs schönste harmoniert. 
Wir dürfen die Sitze der Thyssageten nicht zu weit nach Osten an den 
Ural verschieben, da diesem Ansätze der Inhalt des c. 123 widerstreitet, 
wonach vier große Flüsse im Thyssagetenlande entspringen, die sich in 
die Mäetis ergießen: Lykos (?), Oaros (Wolga), Tanais (Don) und Syrgis 
(Donetz). Im Gegensatz zu Herodots Angaben rücken einige Forscher 
die Sitze der Thyssageten, durch den Gleichklang „Thyssageten" und 
„Tschussowaja" irre geleitet, hart ans mittlere Uralgebirge, obgleich Herodot 
im c. 23 ausdrücklich sagt: x^On^ ^^"^^ '} xaralsxd Bittet natfa nediag re 
yfj xal ßa^vyatog. 

Femer c. 22 : (fvvsxeeg Si xovxoixsi iv loXai aitoiöi tonoiav xarotxrjfiivot 
elcl lolai ovvofka xeTtai IvQxat, xal ovxov dno ^r^qrig ^wovreg rgoncp 
toi^de . . . vneq de tovtwv to 7iQdg irqv ^w dnoxUvovn oineovai IxvOav 
iiXXoi^ ano tcov ßatSiXtiiiov 2xvdewv dnofftavteg xal ovt(o unixofievoi ig 
tovrov rov x^QOv. Nach der Art zu urteilen, wie die den Thyssageten 
eng benachbarten lyrken die Jagd betreiben, müssen sie näher zur Steppe 
hin gewohnt haben. Von den lyrken ostwärts siedelte eine versprengte 
Horde der König-Skythen. Hieraus ist ersichtlich, daß der große Handels- 
weg nicht nach Norden, die Kama stromauf, zum mittleren Uralgebirge 
verlief, sondern die östliche Richtung beibehaltend in das Flußtal der 
ßjelaja einmündete und sich dem südlichen hohen waldreichen Ural 
näherte. Daß dem wirklich so ist, besagt die fernere Erzählung IV 23: 
M^XQ^ jW^v dtj xrjg lovimv twv Sxvdimv ^co^ij^ idxi ij xataXex&eXiSa nd(ta 
neSidg re yf] xal ßadvyaiog, to d* dno tovtov hdiüSrjg r' i(Ttl xal tgrix^o. 
Sie^eX&ovri Se xal rrfi TQrjX^^ x^QOv nolkov olxäovtfv vnwQeav ovqemv 
vijJTfiXdv ävi>QW7roi Xeyofxevoi eJrat ndvreg (paXaxQol ix yeverjg ytvofievoi^ 
xal SQüevag xal x^rjXeai ofxoiwg, xal cifxol xal yeveia exovieg fxeydXa . . . 
ovvofxa Se (S(fv iöti, "AQytfiTiaTov, c. 23: to fiev ngog rjiß tmv q>alaxQ(DV 
yivwfSxetai dtQexewg vn 'latfrjSovoyv otxeo^ievov. Laut I 201 wohnen die 
Massageten neQtjv rov Uqü^bw notaf.iov (Jaxartes, Syr-Darja), civtiov de 
'IfX<friS6v(ov dvÖQwv. 

Daß mit den hohen Bergen, an deren Fuße die kahlköpfigen, platt- 
nasigen, mit großen Kinnbacken versehenen Argimpäer (Baschkiren?) 
sitzen, das südliche Uralgebirge gemeint ist, steht fest. Derselben Ansicht 
sind die neuesten Herausgeber des Herodot: Stein und Abicht. Zu dem- 



186 Friedrich Westberg, 

selben Resultat kommt auch K. Müllenhof! in seiner Deutschen Altertums- 
kunde^ 3. Bd., Berlin 1892, p. 10: „Diese Argimpäer müssen am südlichen 
waldreichen Teile des hohen Urals gelebt haben, etwa in der Gegend des 
heutigen Ufa, und ihre geheiligte, friedliche, schiedrichterliche und schutz- 
gewährende SteUung kann man nur daraus erklären, daß bei ihnen zu 
Zeiten ein großer Markt gehalten wurde, in dessen Frieden sich nicht nur 
die Umwohnenden versammelten, sondern wo auch die Handelszüge vom 
Pontus und aus dem inneren Asien zusammentrafen." Dieses Ergebnis 
ist um so bemerkenswerter, als Müllenhoff gleich Tomaschek {Sitzungs- 
berichte der Kais. Akademie der Wissenschaften in Wien» Philosophisch- 
historische Klasse. Bd. CXVI ur CXVU. Wien 1888: „Kritik der ältesten 
Nachrichten über den skythischen Norden^) die Issedonen nach Inner-Asien 
südlich von Tianschan in den Tarymbecken versetzt. Trotzdem hat sich 
Müllenhoff nicht verleiten lassen, den herodotischen Nachrichten Gewalt 
anzutun, welcher Vorwurf Tomaschek nicht erspart werden kann. Um 
eine Brücke zwischen den Issedones des Ptolemäus in Hochasien und den 
Issedonen des Herodot herzustellen, verlegt Tomaschek die Budiner nord- 
wärts von Saratow an der Wolga bis zur Kama und Bjelaja, ostwärts an 
den zentralen Kamm des südlichen Ural, setzt die siebentägige „Wüste" 
von der Mündung der Bjelaja die Kama aufwärts bis zur Einmündung 
der Tschussowaja an, identifiziert die Thyssageten mit den Wogulen, deren 
Wohnsitze bis zur Einmündung des Iset in den Tobol gereicht haben sollen, 
läßt den Herodot die Uralkette gänzlich ignorieren, teilt den Jyrken ein 
Jagdrevier zu, das vom Tobol über den Ischim, Irtysch und Omj sowie 
die sumpfreiche Barabasteppe bis zum Kulundasee herab reicht, versetzt 
die Skythen vom Kulundasee ab weiter gegen Südosten über den oberen 
Irtysch bis zum Obj, sucht die Argimpäer am Südfuße des Altai, gibt die 
Arimaspen für Hunnen aus und vermutet unter den Hyperboräern die 
Chinesen. Diese originellen Resultate stützen sich auf einen so gewaltigen 
gelehrten Apparat, daß gewiß nicht wenige Forscher, ohne Herodots Text 
selbst genau zu analysieren, sie anzunehmen geneigt sein werden. So 
äußerte sich z. B, anfänglich Mistschenko, der russische Übersetzer des 
Herodot, in seinem Index (Bd. II, p. 464) ganz richtig dahin, daß die 
Issedonen im nördlichen Teile der uralo-kaspischen Steppen, nördlich von 
den Massageten wohnen, doch in seinen späteren im Jownal des Ministeriums 
der Volksauf klärung, sowie im Jefron-Brockhausschen Konve^^sationslexikon 
verstreuten Aufsätzen folgt er widerspruchslos Tomascheks Ansichten. 
Tomaschek und so mancher von seinen Vorgängern verstoßen hier gegen 
die Grundregel aller gesunden Textkritik: die Autoren aus ihnen selbst 
zu erklären. Herodots Nachrichten als solche über die Issedonen (IV, 25 
u. I, 201) bieten nicht die geringste Handhabe dazu, dieses Volk weit weg 
vom Ural nach Südsüdosten ins Herz Asiens hinein zu verpflanzen, viel- 
mehr weisen sie gebieterisch auf die östlich vom südlichen Uralgebirge 



Zur Topographie des Herodot. 187 

belegenen Steppen hin. Ob Herodot mit Recht oder Unrecht die Issedonen 
hierher versetzt, ist eine ganz andere Frage, auf deren Beantwortung es 
hier nicht ankommt. Doch an der Tatsache selbst ist nicht zu rütteln. 
Im Gegensatz zu dem in undurchdringliches Dunkel gehüllten, sagenhaften 
Norden unterstreicht Herodot seine Kenntnis hinsichtlich der Wohnsitze 
der Issedonen, die er mit völliger Bestimmtheit gen Osten von den Argim- 
päem ansetzt. Diese Nachricht wird ihm demnach von den skythischen 
bezw. hellenischen Kaufleuten, die auf ihren Handelsreisen bis zu den 
Argimpäem gelangten (c. 24), zugeflossen sein. Herodot dachte sich also 
die Ansiedelungen der Issedonen östlich von den Argimpäem. An diesem 
Ergebnisse ändert der Umstand nichts, daß Herodot sich das hohe Gebirge, 
an dessen Fuße die Argimpäer saßen, von West nach Ost streichend vor- 
stellte und es mit den allbekannten Rhiphäen der Alten identifizierte. 



S« Massageten, Akes, Araxes. 

I, 201: 'Qg de Tcp KvQ(f xdv tovto ro eSvoc xaiiqyaüTO^ en€&viiirj(f€ 
MctOtSayirag in imvrt^ Ttoi7j(Sa(S&at. t6 de edrog tovto xal fiiya X^erai 
elvai, xcu äXycifioVj olxrjiiiärov de n^og rjw rs xal fiXiov dvaroXagy negr^v rov 
'Aqa'^BiD norafiov, ävriov de 7(t(ff]d6v(ov avÖQwv. Genauer werden die 
Wohnsitze der Massageten in c. 204 angegeben: Tä ^iv dfj nqog ianigrjv 
trjg daXaCdrjg lavtrjg rrjg Katfmijg xakeofi^g 6 Kaixatsog dniqyei^ rd de 
TiQog ^co re xal ^hov uvare/lovta nediov ixdixerav nXrjd-og dneiQOV ig 
ano\f)v\\ rov (ov drj nediov tov fieyalov ovx iXax((frriv nolqav (.ierix^vci 
Ol MaüfSayhai^ in ot)^ 6 KvQog e^xe ngo&viAirjv argarevifMda^. Also einen 
nicht geringen Teil der aralo-kaspischen Tiefebene hatten die Massageten 
inne. Da die südliche Hälfte von Turan unter der Botmäßigkeit der Perser 
sich befand, so gehörte die nördliche Hälfte desselben den Massageten. 
Als Grenzfluß galt der Araxes (c. 201 ff.), welcher mit dem Jaxartes oder 
Syr-Darja zusammenfällt. Mit den Worten (c. 201) nigif^v rov ^AgS^em 
noraixov wendet sich Herodots Blick, vom Osten des Perserreiches gerechnet, 
nach Norden. Wenn es nun unmittelbar darauf heißt: dvtlov de^ltstsridovwv 
dvdqwv^ müssen wir folgerichtig die Issedonen nördlich von den Massa- 
geten ansetzen, und es wäre die reine Willkür, auf Grund dieser Worte 
die Sitze der Issedonen südostwärts nach Hochasien hinein zu verrücken. 
Was die Scheidewand zwischen den Issedonen und den Massageten bildete, 
ob eine Wüste, ein Fluß, See oder Höhenzug, darüber äußert sich Herodot 
nicht, weil er es wohl selbst nicht wußte. Über diese weit entlegenen 
Gegenden hatte Herodot verschwommene Vorstellungen. Hier verlief in 
seiner Anschauung die Grenze zwischen Asien und Europa, zu dem er 
die ganze nördliche Hälfte von Asien rechnet. Die Issedonen gehören zu 
Herodots Europa, die Massageten augenscheinlich noch zu seinem Asien. 
Darin ist vielleicht die Erklärung des Ausdrucks dt*tiov zu suchen. 



188 Friedrich Westberg, 

Von der Existenz des Amu-Darja sowie des Aralsees scheint Herodot 
keine Ahnung zu haben. Die rings vom Gebirge umschlossene Ebene 
mit dem Flusse Akes (QI, 117) an der Grenze der Chorasmier, Hyrkanier, 
Parther, Saranger (hier mit den Ariern identisch?) und Thamanäer wollen 
einige Gelehrte auf die turanische Ebene und den Aralsee, in welchen 
sich der Oxos ergießt, deuten. Als Stütze für diese Annahme könnte 
auch auf die Benennung des oberen Laufes des Amu-Darja. nämlich 
„pjändsh" = Fünf (ström) hingewiesen werden, welche der fünffachen 
Teilung des Akes vorzüglich entspräche. Doch ist diese Annahme falsch. 
Denn es wird dabei völlig übersehen, daß Herodot den Turan als eine 
unabsehbare, östlich vom Kaspischen Meere weithin sich erstreckende 
Tiefebene richtig charakterisiert, und daß die UI, 117 erwähnten Völker- 
schaften auf südwestliche, an der Grenze von Turan und Iran belegene 
Striche hinweisen. Die Vermutung, es sei mit dem Akes der Fluß Heri 
(Tedshen) gemeint, welcher im Altertum Ochus benannt wurde und in 
seinem mittleren Laufe, bevor er in die Ebene hinabströmt, den Arius- 
lacus bildete, ist sehr ansprechend. Die Reste dieses Arius-lacus haben 
sich bis heute in Gestalt von vielen kleinen, in Badchis zwischen den 
Flüssen Kuschk und Tedshen belegenen Seen erhalten. Hier in diesen 
Gegenden befand sich die berühmte nisäische Stuterei der persischen 
Könige. Gerne gebe ich zu, daß Herodots Gewährsmann dem Herirud 
manchen fremden, ihm nicht zukommenden Zug andichtet. 

IV 11: "Eon 6€ xai l'ülog loyog e^cov wde, t(§ i-idhaxa XByoniv(^ 
avTog nQo<SY,Bif.iai, 2xvi^ag rovg vo^idSag olyJovrag iv ig ^^^^H^ noksfJK^ 
niBaiyevrag vno MaatSayBriixiVj oXxsadai diaßdvxag notafiidv 'Agd^sa enl 
yfjV TtjV KvßHBqir^v (rijv yctq iw vsfxoynai Sxv^ai, ainri ?Jyetai ro nakaiov 
elvai Kififiegiayv). Cap. 12: (paivovrca Se ot KL/nineQioi tfBvyovtsg eg trjv 
\4aiYjv TOvg 2xv^ag xal rtjv x^Q^^ovriaov xndavxBg cv ig vvv Sirwnrj nohg 
^EXläg oixiaiai. (pavBQol di bIöv xal ol ^xvd^at Sioi^avrBg avrbvg xdl ecr- 
ßaXorxBg ig yrjv rijv Mtjdix/jV^ af.iaQr6vtBg rrjg oSov' ot f^iiv yäq KiiiixBQioi 
cuBL rt]v TTOQa ^dXaaaav BcpBvyov, ot di Sxvt^ai iv SbI^iv^ xov Kavxaaov 
BxovtBg iSicoxov^ ig o iaißakov ig rtjv MtjSLxtjV yrjvj ig fiBifoyaiov rrjg oSov 
TQC((pi}BvrBg, I 103: oV (Skythen) iosßalov [niv ig Tt)v ^Atfitjv Kifjif^iBQiovg 
BxßaloviBg iv. trjg EvQwmjg, TOvtoiai dB imanöfiBvoi (psvyovat ovt(ß ig 
Tijv MtjdrATiv ^fco^gv änixovto. I 104: B<fn ob dno rijg Ufivrjg rrjg MaujriSog 
im 0ctfnv nota/jidv xal ig Kolxovg rqirjxovxa tjfXBQBvov t't;^aJr(|) oSog, ix ÖB 
Xfjg KoXxiiog ov no?l6v vnBQßfjvai ig xijv MtjSixtjv . . . . oi- fiBi'XOt oX yB 
2xvi>ai lavXTj icSBßaXov, ulXcc xt/v xaxvnBQ^B oSov nokX(^ (naxQOXBQtjV ixxga- 
TTOjtierofr, iv Ssl^irj BxovxBg x6 Kavxdcsiov ovqog. 

Auf Grund des wiederholten unzweideutigen Zeugnisses des Herodot, 
daß die Einfälle der Skythen in Kleinasien vom Norden her über den 
Kaukasus längs dem westlichen Ufer des Kaspischen Meeres erfolgten, 
kann die beliebte Auffassung, wonach die Skythen von Osten her aus 



Zur Topographie des EerodoL 189 

Turan in Medien eingebrochen sein sollen, als vollständig aus der Luft 
gegriffen nicht schroff genug zurückgewiesen werden. Das Kimmerierland 
lag nach Herodot CIV 11—13) am Nordrande des Pontes und an der 
Mäetis. Hieraus geht schlagend hervor, daß der oben erwähnte Araxes, 
über den die Skythen von den Massageten gedrängt ins Kimmerierland 
einfielen, mit der Wolga identisch sein muß. Der Umstand, daß Herodot 
drei gleichnamige Araxesflüsse mit einander verwechselt, kann uns nicht 
beirren. Unseren Araxes, die Wolga, beschreibt er (I 202) in unverkenn- 
barer Weise, ohne wie mich dünkt zu wissen, um was für einen Fluß es 
sich eigentlich handele: 6 de ^^Qd^r^g ksyerai xal fis^iov xai ikdaaatv elvai 
rov **I(nqov, %*r^(Sovg J' hf avr(§ ^iaßi^ fxeydx^ea naQanXtjCiag (fvxvdg fpaai^ 
sivai^ iv 3i avrgtfi dv^Qwnovg oi (Sireovxai fiiv ^i^ag t6 i>€Qog oqvaaovtag 
navtotagj xaqnovg Si dno öevigimv i^evgriixevoifg atfi ig (foqßi]v xararl' 
&S(t&ai wQüiovg^ xal tovwvg airesadat tfp' xBiiiBQivfjV . . , 6 ie ^Aqu^rig 
TWtafiog [i^iet fiih* ix MatitjvmVj o^ev rreg 6 Fvvirjg tov ig rag Si(üQvx(xg 
tag i^Tjxovrd %e xal tQtfjxofXiag iiilaßB 6 Kvqog] (ttofiattt [de] i^eqsvyerai 
TBddeqdxovxa^ rmv rd ndrta nkr^v ivog ig eked te xal re^^dyea ixdvSoi, iv 
roltfi dvd^qainovg xarouc^cdai Xe/ordi ix^vg lofioitg (Jit€of.ii}ovg^ iaiHju de 
voiiu^oi*tag XQd(f9(U (pioxewv iiqiiaCi, ro is Sv tdiv (ftofidtoyv tov ^Aqd^eo) 
^Ä* did xttx>aqov ig trjv Kaamtjv ^dXaaaav. Daß Herodot das riesige Wolga- 
delta beschreibt, dürfte Jedem einleuchten. Ein Kommentar ist überflüssig. 
Ist die Bezeichnung Araxes für die Wolga spurlos verschwunden? 
Ich glaube, nicht. Sie hat sich in der Benennung eines Zweiges der Alanen, 
der Roxalanen, erhalten, welche bei Jordanis noch den vollen Namen 
Aroxalanen tragen (cap. 74 u. 75). Die Aroxalanen bedeuten sicher „Wolga- 
alanen''. So bewahrheitet sich Schafariks Vermutung I, 352: „Es scheint, 
als ob die Roxalanen nur dem Namen nach von den Alanen verschieden 
waren, indem sie vielleicht nach der Wolga oder irgend einem anderen 
Flusse, der in der sarmatischen Sprache Raxa oder Roxa hieß, Roxalanen 
genannt worden waren." Dazu Anm. 3: „Kann der Name der Wolga Ra, 
Rha bei Ptolemaios und A. nicht vioiieicht aus Raxa verkürzt worden 
sein?" Desgleichen I, 367: „Das Wort Roxolani halte ich für zusammen- 
gesetzt aus Raxa (Wolga) und Alani." Die Ansicht Schafariks, Ra, Rha 
könne aus Raxa (richtig: Araxes) verkürzt sein, sowie Müllenhoffs Meinung, 
Oar-os des Herodot sei einfach eine Umstellung der mordwinischen Be- 
zeichnung für die Wolga „Rau", ist schwerlich haltbar. 

4. Die iBsedonen nach Arlsteas. 

Herodots Nachrichten über die Sauromaten, Budiner. Thyssageten, 
Jyrken, Argimpäer, die Ziegenfüßler und die Halbjahrschläfer gehen auf 
mündliche Erkundigungen zurück. Die Erzählung über die Issedonen 
dagegen (vielleicht mit alleiniger Ausnahme derjenigen hinsichtlich ihrer 
Wohnsitze im Osten von den Argimpäeni), sowie über die Arimaspen, 

Beiträge z. alten Geschichte [V2. 13 

8 



190 Friedrich Westberg, 

Greife und Hyperboräer stammen, wie Herodot solches selbst (IV, 13, 14, 16) 
bezeugt, aus einer schriftlichen Quelle, dem Gedicht des Aristeas von 
Prokonnesos, welcher in der ersten Hälfte des VII. Jahrhunderts seine 
Reise nach dem Norden unternommen hatte (Tomaschek, Sitzungsberichte, 
Bd. CXVI, p. 16—18). 

Die Mitteilung (c. 27), daß die Mär betreffend die einäugigen Arimaspen 
und die goldhütenden Greife von den Issedonen herrührt, aus deren Munde 
die Skythen sie weiter erzählen, erweckt den Anschein, als wenn Herodot 
die Sage direkt von den Skythen überkommen habe. Doch dank der 
Aufklärung, die uns Herodot c. 13 u. 16 gibt, steht fest, daß es Aristeas 
war, welcher die Erzählung der Issedonen in der griechischen Welt ver- 
breitet hat. Auch die Deutung des Namens Arimaspen als „Einäugige" 
fand Herodot bereits bei Aristeas vor; durch einen glücklichen Zufall sind 
ein Paar Verse aus Aristeas' Gedicht auf uns gekommen, in denen es in 
betreff der Arimaspen heißt: oy^aA/uoi» (T €v exaawg ex^i xaqi&vu fxerwTrm 
(Tzetzes). Schon Aeschylos erwähnt in seinem Prometheus 803 tov ts 
ixovvwna (figarov 'AQifxatfjidv Innoßapiov. Ob die von MüUenhoff (HI, 106) 
oder die von Tomaschek (p. 47) vorgeschlagene Etymologie (Besitzer folg- 
samer Rosse; Besitzer von wilden Steppenrossen) das Richtige trifft, bleibt 
fraglich. Nebenbei bemerkt, sind die griechischen Worte ij iQfjfila Ein- 
samkeit, iqrjfxog einsam, ij BQtjfia, %a egrif^ia die Einöde, deren Etymologie 
meines Wissens rätselhaft ist, sicher mit zd. airima „Einsamkeit", „Ein- 
öde" verwandt. Meinerseits möchte ich darauf hinweisen, daß es in 
Persien einen Stamm (Herodot I, 125) Mdttmoi gab und daß demnach 
Arimaspoi möglicherweise in Ari (edel) und Maspioi zerfalle. 

Die einäugigen Arimaspen und die goldhütenden Greife werden in 
IV, 13, 27 und HI, 116 erwähnt. Letztere Angabe ist sehr bezeichnend: 
TTQog de ägxTOv rfjg Evqdnrig nollip n nkeXcrog XQVCog g>alveTai iwv oxmg 
fiiv ytvo.ufroc, oiJx bxo ovSi rovro ärgexemg slnat, ksyerai Si vnix toov 
YQvncSv agna^eiv 'Agiftaan^oig ävägag /xovvo^^alfxovg. Diese Stelle ist nur 
im Zusammenhange der ganzen Erzählung richtig zu würdigen. Die Ein- 
leitung bildet c. 106, enthaltend die Aussage, daß die Edelgüter den äußersten 
Enden der Welt beschieden seien. Im c. 98 u. 102 — 105 wird die Gold- 
gewinnung bei den Indem, dem östlichsten Volke Asiens, geschildert, 
darauf folgen mit ihren Reichtümern die südlichsten Länder in Asien und 
in Libyen: Arabien (107 ff) und Äthiopien (114). Alsdann geht Herodot 
zu Europa über (c. 115), aus dessen entlegensten Gebieten (im Westen und 
Nordwesten) der Bernstein und der Zinn kommt, und in dessen Norden 
sich das meiste Gold befindet. Danach sind wir nicht befugt, das nord- 
europäische Gold (im Ural) mit den Sandwüsten von Baltistan und Tibet 
in Zusammenhang zu bringen. 

Herodot IV, 13: "Etptj Se ^A^vatirig 6 Kavargoßiov avt^ nQoxovv7](tu)g, 
7101603V eneuj anixBC^ai ig 'laaijSovag (poißoXafinrog yevoiiievog, ^löfSridovonv 



Zur Topographie des Herodot. 191 

S* vmQoutsetv UQifiatfJwvg ardgag jtiovvo^i^aXfiovg ^ inig di Tovrianv rovg 
XQV(Soqn}laxag yginag^ Tovxioav de rovg *YnBqßoqiovc xarrjxovrag 6m ^aXaacsav. 
Wir sind in der günstigen Lage, den Herodot auf die Genauigkeit seiner 
Wiedergabe der aus Aristeas stammenden Nachrichten hin zu kontrollieren, 
da ein Fragment des Hekataeus (Ende des VT. Jahrh. vor Chr.), welcher 
gleichfalls aus dem Arimaspengedicht schöpft, von Damastes (Steph. Byz. 
650, 6 ff) aufbewahrt worden ist: dVo) 2»v^nav 'ItstfYjdovag olxeTv, tovriov 
J' dv(ß%iQ(o ^AQi/iiatfnoig, iivm d' 'AQVfjiaanim' ra "^Pinaia oqri^ i^ wv wv 
ßoQiav nvslVy %i6va Ji fifjnote avta ixXeineiV uneg di fa oQtj tavta 
'VnBQßogiovg xaihjxeiv elg tiqv hiqav ^dlatsöav, Herodot verschweigt die 
schneebedeckten Rhipäischen Berge, von denen der kalte Nordwind weht, 
setzt an deren Stelle die goldhütenden Greife, welche bei Damastes fehlen, 
um dann unvermittelt zu den Hyperboräem überzugehen. Es fragt sich 
nun, welches Citat dem Texte des Aristeas näher kommt? Die Stelle bei 
Damastes ist jedenfalls zusammenhängender und ausführlicher, während, 
wie schon erwähnt, bei Herodot die Ansetzung des Boreas zu vermissen 
ist, wodurch die Sitze der Hyperboräer schwankend erscheinen. Der Text 
des Damastes macht auf mich den Eindruck von größerer Zuverlässigkeit. 
Die Sage von der seltsamen Art der Goldgewinnung ist baktrisch-indischen 
Ursprungs (Herodot HI, 102 — 105 und Ktesias Ind. 12). Es lag nahe, die 
Goldgewinnung im Norden Europas auf dieselbe Weise, wie sie im äußersten 
Osten Asiens geschah, zu erklären. Wie dem auch sei, Eins dürfte fest- 
stehen: daß nämlich auf Grund des Vergleiches von Herodots Referat mit 
dem des Damastes es fraglich ist, ob bei Aristeas überhaupt die Rede 
war von den goldhütenden Greifen im Norden Europas. Ich glaube, nicht. 
Ferner IV 13 : tovtovg mv ndvtag nXijv "^YneQßoQSmv, dQ^uvraiv Uqi' 
ftiaandiv, aiel roTci nXfiöioxfoQOKri imti^e<ri>ai, xal vno (niv UgifiaffTtaSv 
i^(o^66(fd^at Bx tiqg x^QV^ 'latrtjSövag^ vno Si 'latfridortov 2xvi>ac, Ki^ifie- 
qiovg de olxeovtag im t^ voiiu ^akd(f(fj[j vno 2xv^emv nie^opievovg ixXsineiv 
Tijv x"»^^v • • • Danach zu urteilen spielte sich zur Zeit des Aristeas 
oder vorher der Völkersturm ab, welcher eine Verschiebung der Stämme 
im Osten Europas zur Folge hatte. Von den Issedonen verdrängt setzten 
sich die Skythen im Lande der Kimmerier fest. Da im Zeitraum von 
Aristeas bis auf Herodot die Karte Osteuropas keine namhafte Veränderung 
erlitten hat, so müssen die östlichen Nachbarn der Skythen, die Isse- 
donen des Aristeas mit den Sauromaten des Herodot zu- 
sammenfallen. Dieses überraschende Resultat wirft ein Schlaglicht 
auf die Berichte über die Issedonen. Jetzt erst wird es vollkommen 
verständlich, wie Aristeas behaupten konnte, daß er bis zu den Issedonen 
gelangt sei. Jetzt kann es uns nicht mehr Wunder nehmen, wie es 
komme, daß die Stellung der Frau bei den Issedonen des Aristeas und 
bei den Sauromaten des Herodot die gleiche war. Herodot IV 26: aAAo)^ 
Si dixaioi xai ovtoi Xeyovrai elvai^ laoxqatieg de o^ioimg ai yvvalxBg Tolai 

13* 
lö 



192 Friedrich Wesiberg^ Zur Topographie des Herodot. 

avdgaai (Issedonen). Vergl. R"^ 116: xdi Siaitrj ano tovtov XQ^^^^*^^ HI 
naXlaiiQ itov SavQOiiatioafv at ywaUsc^ xai im SjjQr^v in Yiincafr ix^oitoiiUu 
aua ToTdi ccvSqMi xai X^'^Q^ ^^^* avdgwr, xai ic noXefiov ^Oitw(f€Uj xai 
(froXf^v iiqv ain^v toZai drSgaüi ^poQ€ov<fai, Die Erzählung IV 116 hin- 
sichtlich der Sanromatinnen bildet gleichsam die nähere Ansführang 
dessen, wie die Worte IV 26) laoxQctrssg ai ywmxac toTai ctvdQatfij die 
sich auf die Issedonen beziehen, aufzufassen sind. 

Wer sind aber die Arimaspen. von denen nach Aristeas der Stoß, 
welcher die Völker in Bewegung setzte, ausgegangen ist. Vei^leichen 
wir Aristeas' Erzählung mit der Yolksüberlieferung bei Herodot {TV, 11). 
wonach die über den Kaukasus von Norden her in Asien späterhin ein- 
gefallenen Sk}ihen. von den Massageten über den Araxesfluß (Wolga) 
gedrängt, sich erst auf das Land der Kimmerier warfen, — „denn was 
jetzt die Skythen inne haben, das war der Sage nach vormals Kimmerier- 
land.** — so ist es verlockend, die Arimaspen mit den Massageten zu 
identifizieren. Nach Herodot IV. 110 — 117 erweisen sich die Sauromaten 
als ein Gemisch von Amazonen und Skythen. Ist dem wirklich so und 
gehören die Amazonen nicht ins Reich der Fabel, dann dürften sich die 
Amazonen speziell mit den Issedonen decken und die Sachlage wäre so 
aufzufassen, daß die Issedonen mit einer zurückgebliebenen silbischen 
Horde zum Sauromatenvolke verschmolzen seien. Ein durchaus natürlicher 
Vorgang. Da die Einfälle der Skythen in Kleinasien vom Kaukasus her 
erfolgten, müssen diese Skythen mit den östlich der Mäotis hausenden 
Issedonen. den nachmaligen Sauromaten. vorzugsweise zusammenfallen. 
Ist die oben als möglich angenommene Gleichheit der Issedonen mit den 
Amazonen richtig, so dürfen wir die Amazonen mit den in Kleinasien 
eingedrungenen Skythen für identisch halten. Die Issedonen mit ihren 
kriegerischen, den Männern gleichgestellten Weibern konnten sich leicht, 
in der Phantasie der Griechen, in ein reines Weibervolk ifmwandeln. 
Bezeichnend ist die Gepflogenheit der alten Historiker. Geographen und 
Dichter, die Amazonen und die 'latfrjSoveg (auch Sidonen und Sitonen 
genannt) promiscue zu gebrauchen. 



11 



193 



Hekataios als Herodots Quelle zur Geschichte Vorderasiens. 

Von J. V. Präsek. 

I. 
HekataloB und der fxrj^ixbg Xbyoq des Herodot. 

In seinem heutigen Umfang enthält das erste Buch Herodots breit 
angelegte Berichte über die Geschichte Lydiens, Mediens, Persiens und 
Babylons, die durch kleinere und größere Episoden (von den Peisistratiden, 
von dem Lykurgos und Sparta, von den äolischen Städten, von dem Krieg 
der Tyrsener mit den Karthagern und Phokäern in westitalischcn Gewässern, 
von den Kariern, Kauniern und Lykiem, von den Massageten und dem 
Kaukasos) unterbrochen werden. Es lassen sich demnach vier selb- 
ständige Abschnitte im ersten Buche unterscheiden, die der Hekatäischen 
von Herodot rezipierten Art gemäße) als Xoyoi bezeichnet werden können. 
Von den besagten vier Abschnitten bietet der medische Xoyoq^ was den 
Stoff und das darin zu Tage tretende chronologische Schema anbelangt, 
dem Forscher ein in mancher Beziehung lockendes Untersuchungsfeld. Es 
soll auch bereits eingangs hervorgehoben werden, daß der yLv^dixog Xoyog 
Herodots auch formell von dem übrigen Texte des Geschichtswerkes scharf 
abgesondert wird, indem man noch in der jetzigen künstlich aufgebauten 
inneren Struktur des Buches den Anfang und Schluß des die medische 
Geschichte behandelnden Xoyog ganz deutlich wahrnimmt. Nachdem nämlich 
die lydischen Geschichten zum Abschluß gebracht worden waren, setzt mit 
den Worten inidC^rfTai Se J^ to evi^evrev rjpuv 6 koyog %6v xe Kvqov otfrig 
ivov rrjv Kqolaov aQXri'^ xatelhj xal wvg Iltqaag oteo^ iqotk^ rjyijaavto rijg 
Udr^g in I, 95 ein neuer Abschnitt ein. Wörtlich genommen fängt mit 
diesen Worten eigentlich der Xoyog über Kyros, über dessen Ursprung, über 
die Eroberung von Lydien und über die Begründung der persischen AVelt- 
herrschaft an, aber Herodot teilt selbst diesen Abschnitt in zwei selb- 
ständige, innerlich abgeschlossene Berichte, deren erster die Eroberung 
Lydiens, der zweite die Begründung des Perserreichs zum Gegenstande hat. 
Der Übergang von dem einen zu dem anderen Berichte ist I, 130 mit den 



1) Herodot nenot VI, 137 ausdrucklich das Geschichtswerk des Hekataies 
und bezeichnet es in seinem Wortlaut als Xbyot. 

1 



194 J. V. B-äiek, 

Worten ovtm Se Ki^oc yeroi^ievos « xal tQa^U »ci ißaaiksvifc Mot KqoToov 
vifTBQOv tovtwv oQ^avta aiulijc xatBtnQe^aTOj dg eTgifToi fiot TtQotSQOff. 
tovtov de MaraifTQe^a^svoc orno fra^^g r^g ^Aait^g 'fi^^ scharf gekenn- 
zeichnet. Aber bei eingehender Prüfung des besagten ijoyog erschließt 
sich dem Leser die Erkenntnis, daB die Schicksale des jugendlichen Kyros 
erst nachtraglich in eine bereits formell abgeschlossene Erzählung und 
zwar in die breit angelegte Erzählung von den Königen Mediens auf- 
genommen worden sind und deshalb erscheint auch die Bezeichnung der 
Erzählung als f^i ^d^xog Xoyog berechtigt. 

Bereits vor längeren Jahren*) habe ich meiner Überzeugung in der 
Richtung Ausdruck gegeben. daB es dieser Ejrzählung. die doch auBer 
über Könige und Völker auch über Länder und Städte Aufschluß erteilen 
wilL an der eigenen Erfahrung des Verfassers mangelt, während die Autopsie 
in anderen Teilen des Herodoteischen Geschichtswerkes, für welche die 
persönlich gewonnene Information des Geschichtsschreibers außer Zweifel 
steht, erfreulich anmutet. Herodot selbst bezeichnet lediglich in seiner 
Einleitung ..die Perser" — rovg Jli^ac — aUein als seine Gewährsmänner, 
aber sogleich hebt er auch ausdrücklich hervor, daB er nur denjenigen 
..unter den Persem* folgt, welche in bezug auf Kyros nicht übertreiben, 
sondern echte Wahrheit berichten wollen, ungeachtet er noch imstande wäre, 
drei andere Versionen anzuführen.^ Nur nebenher also gibt er bekannt. 
daB ihm über Medien und den Ursprung des Kyros rier verschiedene 
Berichte vorgelegen haben, unterläßt es aber, auf einzelne von ihnen näher 
einzugehen. Nur von der Version, welcher er selbst folgt, wird angegeben, 
sie wäre persischer Quelle entsprungen und aus dem Grunde, daß sie 
nicht übertreibe, hätte sie der Geschichtsschreiber vorgezogen. Die dabei 
angebrachte Antithesis negaeoav fi€t€^itBQOi isyovtn und im^frafavog m^ 
KvQOv xai tQig>aaiag äXXag Xoyixnf oiovq g^f^vai würde den Schluss berechtigen, 
daß die übrigen von Herodot nicht benützten Berichte auf nichtpersischen 
Ursprung zurückzuführen seien, aber bei Herodots absolutem Schweigen 
über deren innere Beschaffenheit erscheint solch ein Schluß nicht begründet. 

Es bleibt demnach die Aufgabe übrig, die auf uns überkommenen 
klassischen Aufgaben in der Richtung hin zu befragen, ob sie einige Über- 
reste der durch Herodot angedeuteten drei Versionen aufweisen. Es ist aber 
gleich hier hervorzuheben, daß bereits Grote^) und nach ihm A. Bauer ^) 



1) Medien und das Haus der Kyaxares. Berliner Studien für klassische Philo- 
logie und Archäologie. Elfter Band. Drittes Heft. 1890. 

2) I, 95: Mg wv negakov fiitbchfQoi /Jyovot, oi fii^ ßovÄofarot atftrovv ra 
nt-Ql Kv(ioi\ it).),a thv lovia jjyeiv Xoyov. xara xavx€z /(wü'w, ^ni<na^ifvoc :tbQt 
Kv(ßov xal XQKfaGuiq a)j,ag koyojv bdovg (privat. 

3) History of Greece IV, 246. 

4) Die Kyrossage und Vencandtes. Sitzungsberichte der kais, Akadefnie der 
Wissenschaften. Phil. bist. Kl. C, 501 fgd. 



Hekataios ah Herodots Quelle zur Oeschichte Vorderasiens. 195 

Spuren vod einer dieser Versionen in dem jetzigen Herodottexte und zwar 
an zwei verschiedenen Stellen entdeckt haben. I, 110 ist in den Hcro- 
doteischen Text eine Relation über die Pflegeeltern des Kyros^) aufgenommen 
worden, die positiv einem von der herodoteischen Erzählung unterschied- 
lichen Gegenstand entnommen ist. Einesteils werden in derselben des 
Astyages Rinderhirt Mitradates und dessen Gemahlin Spako namhaft 
gemacht, wogegen in der von Herodot herangezogenen Erzählung analoge 
Persönlichkeiten lediglich allgemein bezeichnet werden, andernteils stimmt 
die Schilderung der Gegend, wo Kyros erwachsen war, keineswegs mit 
der Beschaffenheit der Landschaft überein, in welcher Mitradates die 
Herden des Astyages hütete. Zwei Umstände kommen dabei insbesondere 
in Betracht. Die Ehegenossin und Mitsklavin des Mitradates heißt an der 
herangezogenen Stelle Kwd xarä rrjv 'Eli.rjV(ov yAcocrtrav, xara Se n]v 
Mifjdixiqv Snaxw und unmittelbar folgt eine im großen ganzen richtige 
Beschreibung des nördlich von Agbatana belegenen Teiles von Medien. 2) 
Diese zwei Umstände, nämlich die Wiedergabe des medischen Wortes 
anaxiü durch das griechische Begriffswort xvvvi und die richtige geographische 
Charakteristik von Medien, sind nunmehr mit den einschlägigen Partien 
des Herodoteischen Werkes in Vergleich zu ziehen. 

In bezug auf die Beschaffenheit der Sprache, d. h. der Sprache, deren 
sich die herrschende .»ifand«'^ -Volksschicht bedient hat,**) gestatten uns 
lediglich die in den Keilinschriften und Klassikern vorkommenden Eigen- 
namen, den im allgemeinen arischen Charakter der Sprache zu ermitteln, 
wozu sich noch das nicht zu unterschätzende Zeugnis Strabons p. 729 
gesellt, welch letzterer die Bewohnerschaft Arianas im Gegensatz zu Medien 
und Persien als ofxoylwttovg naQa paxqov bezeichnet und demnach der Ein- 
sprachigkeit Arianas die Einsprachigkeit von Medien und Persien gegen- 
überstellt. Herodot selbst deutet nirgends an, daß er mit der medischen 
Sprache betraut gewesen wäre, aber E. Meyer^) hat in einer jeden Zweifel 
ausschließenden Weise dargetan, daß Herodot weder der persischen noch 
der mit der letzteren eng verwandten medischen Sprache, ja keiner der 
arischen Sprachen überhaupt, folglich auch der medischen, nicht kundig war, 
da aus denjenigen Partien seines Werkes, in denen er direkt eingezogenen 



1) xavtft eine xcd avzi'xa aYye?.ov ^Tießntv tnl tmi' ßovxokwv tojv \4.aiV(iytoq 
zhv TjniaTccTo vofinq tb tntxri6eorctx(tq vh-fiovra xct\ oQea B^tjatcoöharccKCf im ovvofia ?/v 
MiT()aöaTTjgf ijvvoixst 6h (-(ovtov (JvvöovXtjf oxvofia. 61 ty yvvictx} rjv xJj avvolxet Kvrio 
xccxä XTfV 'Ekkrjvcjv yXtöaoixv, xaxa 6h x?jv Mi]6ixifv I^naxiu' xr^v ya(} xvvct xaklovat 
anaxa Mij6oi. 

2) xai'xrj fjihv ya() rj Mri6iXTf xci(>jy [tj] 7r()üg ^naiiHttiov o^etvii ^axi xaQza xal 
liprjXij xt xal i'6yai avvriQt(pri<;y tj 6h akktf Mti6txrj ywQri ^axl näna ant6og. 

3) Vgl. hierüber meinen Aufsatz Beiträge zur medischen GeschicIUe in Mcui- 
peros Becueil, XYIII, 192 fgd. 

4) Forschmigen zur alten Geschichte I, 192 fgd. 

3 



196 J. V. Präiek, 

persischen Informationen folgt, drastische Belege seiner Unbekanntschaft 
mit der persischen Sprache evident sind. Demnach mnß man von der 
Tatsache ausgehen, daß der Geschichtsschreiber weder der persischen noch 
der medischen Sprache kundig war. Nun ist aber die in seinen Text 
aufgenommene Glosse Kwih xara r^v 'EiJ.r^vorv pjSoöccPj xata de t^ 
Mriiutrpf 2naxvi eine ganz richtige.*) Bei solchen Verhältnissen liegt 
zweifellos der Schlnß nahe, daß die erwähnte Glosse mit dem zu derselben 
gehörigen Wortlaut des jetzigen Textes Herodots Eigentum nicht ist, 
sondern auf eine uns bisher unbekannte Quelle zurückgeht; es sind uns 
folglich in der Glosse Trümmer einer zweiten Version erhalten, die des 
Kyros Jugend enthalten hat. 

Bevor wir die Frage nach dem Ursprung und der Beschaffenheit der 
eben ermittelten Version zu beantworten versuchen, verlohnt es sich, noch 
weiteren Spuren dieser Version nachzugehen, um womöglich das zu einer 
wenn auch nur partiellen Rekonstruktion derselben nötige Material zu 
gewinnen. Nun sind noch an zwei anderen Stellen des Herodot^ischen 
Textes bei eingehender Prüfung derselben bestimmte Spuren dieser Version 
erkenntlich. Bereits Duncker, Geschichte des Altert tnns FV. ^, 258 hat 
auf den interessanten Umstand aufmerksam gemacht daß in L 113 Har- 
pagos zur Kontrollierung des Rinderhirten tw imvtov Soq^vQogxov tovg 
Tuatotarov^ entsendet, während in 1, 117 Harpagos selbst dem den richtigen 
Tatbestand untersuchenden Astyages die Rechenschaft erstattet.-) Leider 
hat es Duncker unterlassen, den Faden weiter zu spinnen. Meines Elr- 
achtens wird durch die Antithesis beider herangezogenen Stellen nach- 
gewiesen, daß sie auf verschiedene Quellen zurückgehen. In I. 113 werden 
im Zusammenhange einer schlicht gehaltenen Erzählung die Sogvyfogoi des 
Harpagos, I. 117 in dem allerdings erkünstelten Gefüge einer oratio recta, 
die Herodot dem sich entschuldigenden Harpagos in den Mund legt, die 
ivvovxoi des Harpagos namhaft gemacht. Das ist kein Zufall, kein Ver- 
Hf*hon, ja bei Herodots bekanntem Bemühen um den richtigen Ausdruck 
iHt ein Versehen ausgeschlossen. Man muß sich vielmehr vor Augen 
halten, daß nach 1, 108 Harpagos dem Astyages gegenüber als dviiQ oixriiog 
y.ai nuSToratog ts Mr^diav xal ndvfwv imtQonog tväv imvtoi, also als per- 
Hönlicher Vertrauensmann des Königs erscheint und daß diese seine Eigen- 
schaft als Hofmann auch aus den Worten h lld 6 di xci yivdipieiv ly?^ 
xal aQectov elvai nav to av ßaailevg egdg in dem folgenden Dialog mit 
dem Könige, welche Harpagos an den König gerichtet hat, nachdem ihm 

1) Vgl. G. Curtius und Fiele bei Bauer, Kyrossage, 501, ebenso Müllenhoff, 
Monatsberichte der preuss. Akad. 1866, .576 und Rost, Mitt. d. Vorderas. Ges. 1897, 
183 und Ceske Museum Filologichd V, 149, wo (mftxa oder <maxa mit dem russischen 
cobaKa verglichen wird. 

2) ^.if/rf fJf iton^aavxoq rovxox' ta xe/.evoft&va i?rf/.fiTr/cjf to 7tiu6ioi\ ntfin^a^ 
TÖiv tvroi'/ifßv roic ni<noxaiov<; xcd etdor dt' ixeivoiv xul l^«i/'« ijuv. 



Hekataios als Herodots Quelle zur Geschichte Vmderasiens. 197 

die Überreste des ermordeten Söhnleins vorgezeigt worden waren, zum 
Vorschein kommt. Als Hofmann und Vorsteher des königlichen Hauses 
hat ja Harpagos die Verschnittennn unter seinem Befehl gehabt, folglich 
ist der in I, 117 überlieferte Bericht, worin Harpagos von sich selbst 
aussagt, daß er den Verschnittenen behufs Nachfrage entsendet hatte, als 
Teil einer Version anzusehen, die den Harpagos als Hofmann kennt, der 
auch Herodot gefolgt ist. Einer anderen Quelle ist dagegen der Bericht 1, 113 
entnommen, da in demselben Harpagos als Anführer der Lanzenträger, also 
als Kronfeldherr, bezeichnet wird. Ich sehe deshalb in dem letzteren 
Bericht den Überrest einer anderen, bereits in I, 110 enthaltenen Über- 
lieferung, in welcher Harpagos als königlicher Heeresanführer die Haupt- 
roUe spielt, folglich als ein mit Macht ausgestatteter Faktor auftritt, 
keineswegs aber als kriechender Hofmann, welcher heuchlerisch die Hand 
küßt, an der das unschuldige Blut seines einzigen Sohnes noch klebt. 

Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß wir damit bei den Spuren einer 
von den drei Versionen, die Herodot erwähnt, angelangt sind und zwar 
an die Spuren derjenigen von ihnen, die auch Bauer in der den Bericht 
von der Erziehung des Kyros abschließenden Version ermittelt hat. Kyros, 
mit der Einwilligung des Astyages in das Haus seines Vaters Kambyses 
gekommen, soU sich seinen Eltern zu erkennen gegeben und dabei erzählt 
haben, auf welche wundersame Art er selbst errettet worden sei. Der 
jetzige Wortlaut des Herodoteischen Textes setzt die an der herangezogenen 
Stelle bereits bekannt gewordenen Einzelheiten über die Rettung des Kyros 
voraus und schließt mit der Bemerkung, daß Kyros, der sich als Sohn 
des Hirten betrachtet hatte, erst auf dem Wege von Agbatana den tat- 
sächlichen Stand von seinen Begleitern erfahren hat. Alles, was auf seine 
Erlebnisse in dem Hause des Hirten Bezug haben sollte, insbesondere aber 
die Art seiner wunderbaren Rettung, wird in den Worten 6 de a^iv skeye, 
(f'dg nqo tov fiiv aix eldhai alia i^fiaQirjxhai, nXelarov zusammengefaßt, 
worin die Voraussetzung einer bereits zur Kenntnis genommenen Erzählung 
nahe liegt. Aber an diese zusammenfassende und lediglich Bekanntes 
erzählende Wiederholung knüpft in den Worten TQafpijvat Si pj^ev vno 
Tijg tov ßovxokov yvvaMfd^, ijie re TffJrijv atvmv Sia ndvtog, iqv %i oi fi' 
r(p Xoyiy rä ndma tj Kwai eine Einzelheit an, die deutlich die Zugehörigkeit 
zu I, 110, wo die Ehegenossin des Hirten mit dem Namen Spako oder 
Kyno angeführt wird, an die Hand gibt. 

Die Hauptmomente der in Rede stehenden Version, insoweit sich deren 
Spuren aus Herodots Bericht ermitteln lassen, sind deshalb auf folgende 
Weise zusammenzufassen: Dem medischen Feldherrn Harpagos 
wurde von dem Könige Astyages der Auftrag zuteil, den Enkel 
des Königs auf dem Gebirge auszusetzen. Harpagos sendete 
einen Boten zu dem Rinderhirten des Königs, namens Mitra- 
dates, von dem er wußte, daß er seine Herden auf Weiden 



198 J. V. IVäSek, 

treibt, die zu dem ihm zuteil gewordenen Auftrage geeignet 
waren: auf Berge, wo es von Raubtieren wimmelte. Mitradates 
hatte seine Mitsklavin Spako zur Ehegenossin. (In der jetzt 
folgenden Lücke muß die Ergänzung „der Rinderhirt schob den 
Leichnam eines anderen Kindes unter" vorausgesetzt werden.) Drei 
Tage nach der Aussetzung des toten Kindes begab sich Mitra- 
dates in die Stadt zu Harpagos und vertraute mittlerweile die 
Obhut der Leiche einem seiner Knechte. In der Stadt an- 
gekommen, lud Mitradates den Harpagos ein, sich selbst an 
dem Leichnam zu überzeugen, daß des Königs Befehl vollzogen 
sei. Darauf beauftragte Harpagos seine verläßlichsten Lanzen- 
träger, sich von den Aussagen des Hirten zu überzeugen und 
ließ das Kind desselben beisetzen. Kyros aber wurde von der 
Ehegenossin des Mitradates auf eine Art erzogen, die ihm auch 
als Erwachsenen in dankbarer Erinnerung verblieb. Als später 
des Kyros Eltern- den ganzen Vorgang der Rettung ihres Sohnes 
erfahren hatten, benützten sie den Namen der Spako und ver- 
breiteten eine (patig^ derzufolge Kyros von einer Hündin soll 
gesäugt worden sein, in der Absicht, der Menge die Über- 
zeugung einzuprägen, daß Kyros seine wunderbare Rettung 
der göttlichen Fügung verdanke. 

Mit den Worten hi>svcBv fA€v ij (pang av^ri xcxw^jjx^v schließt Herodot 
in I, 122 seine Version, wodurch deutlich nahe gelegt wird, daß dieselbe 
lediglich die Jugend des Kyros zum Inhalt hat. Aus dem Umstände, daß 
die Eltern des Kyros die wunderbare Rettung ihres Sohnes einer Hündin 
beilegten, ergibt sich schon an sich mit Notwendigkeit die Schlußfolgerung, 
daß noch eine andere und zwar notorisch ältere Version derselben Sage 
bekannt war, der zufolge der den Raubtieren ausgesetzte Kyros von einer 
Hündin gesäugt und errettet ward. Gerade die das königliche Kind 
säugende und errettende Hündin bildet nun aber auch den Kern derjenigen 
Sage, welche Trogus Pompeius mit der Herodoteischen Version in einer 
Erzählung zusammen bearbeitet hat. Als großes Glück kann man den 
Umstand ansehen, daß die lustinsche Epitome an der zitierten Stelle den 
ursprünglichen Text des Trogus genauer wiedergibt, da wir dadurch in 
den Stand gesetzt werden, die beiden Quellenschichten scharf auseinander 
zu halten. Den ersten Teil des Berichtes nimmt der Herodoteische Text 
ein, worauf mit I, 4 8 der Wortlaut einer anderen, wohl Deinen zuzu- 
eignenden Version anhebt, i) 

1) Eiits igitur nxor audita regii infanth eocpositione summh precihtis rogat sibi 
perferri oatendique pu^rum. Cuius precihus fatigaiiis pastor reversus in silvam invenit 
itixta infantern canem feminam parvulo uhera praebentem et a feris aliti- 
busque defenäentem. Mottis et ipse miserictyrdia, qua mota etiam caneni viderat, 
puenifn defert ad stabula, eadem cane anxie prasequetite. Quem ubi in manum mulier 

G 



Hekataios als Herodots Quelle zur Geschichte Vorderasiens. 199 

Ziehen wir den Wortlaut der Herodoteischen Version mit der durch 
Trogus erhaltenen Version in Vergleich, so ergibt sich uns die Erkenntnis, 
daß beiderlei Version derselben Sage angehört, daß aber die Version des 
Trogus die ältere, schlichtere Form repräsentiert, wogegen bereits bei 
Herodot ein rationalisierender Versuch vorliegt. Herodots Quelle war wohl 
die Erzählung bekannt, der zufolge Kyros von einer Hündin gesäugt und 
errettet worden sein soll, aber dem bereits rationalistisch angehauchten 
Geiste des die Erzählung niederschreibenden Schriftstellers war die der 
Möglichkeit widersprechende Sage zuwider und deshalb betrachtete er die 
modische Bezeichnung für Hündin als Eigennamen der Ehegenossin des 
Mitradates. Dieser Gedankengang ist aus der Aufgabe, die diesbezüglich 
(I, 122 fin.) die Sage den Eltern des Kyros zuteil werden läßt, zu ermitteln. 
Die besagten Eltern sollen selbst die ^dng verbreitet haben, daß den aus- 
gesetzten Kyros eine Hündin gesäugt habe. 

Nunmehr liegt uns noch ob, zu untersuchen, wer dieser rationali- 
sierende Geist war, der die ursprüngliche, mit unnatürlichen Zutaten reichlich 
durchmengte Sage in dieser Weise zurechtgemacht hat, damit dieselbe gegen 
den menschlichen Verstand — allerdings vom Standpunkte seiner Zeit — 
nicht verstieße? 

Bevor wir an die Beantwortung dieser Frage herantreten, erscheint 
es vonnöten, auf die innere Beschaffenheit des Herodoteischen firidixog koyog 
zurückzukommen. 

In meiner Studie ., Medien und das Haus des Kyaxares'^ habe ich 
mich eingehend mit der Quell^nbeschaffenheit des besagten Aoyo? abgegeben 
und auch nachgewiesen, daß in derselben zweierlei Quellenschichten zu 
unterscheiden sind. In I, 95 — 104 und 106 von den Worten xßt %ov%iav 
HSV lovg nXevvag Eval^aQtjg bis 122 erblickte ich eine ursprünglich modische, 
aber im Verlaufe der Zeit mit fremden Bestandteilen, die insgesamt auf das 
griechische Kleinasien und auf Delphi hinweisen, vermengte Quelle, welche 
mit Vorliebe den durch Harpagos an Astyages und dem Mederreich ver- 
übten Verrat zu beschönigen bestrebt ist und auch sonst sehr nahe Be- 
ziehungen und reges Interesse an der bekanntermaßen in Lykien begüterten 
Harpagidenfamilie an den Tag legt. Ich schlug daher für diese Quelle 
die Bezeichnung „Harpagidentradition" vor und ich sehe mich veranlaßt, 
hier zu betonen, daß dieser mein Vorgang von angesehenen Mitforschern 
gebilligt ward. Ich verweise in erster Linie auf R. Schubert,*) der gleich- 
zeitig* zu demselben Resultate gelangt ist und sich auch für die durch 



accepity veluti ad notam adlusit, tantusque in illo vigor et dulcis quidam bhndientis 
infantis risus apparuit, ut pastorem nitro rogaret iixar^ suum partum pro illo exjxmeret 
permitteretque sihi sive fortunae ipsius sive spei suae puerum nutrire. Atque ita j/er- 
mutata sorte parvuhrum hie pro filio pastoris educatur, ille pro nepote regis eocponitur. 
Nut Hei postea nomen Spacott fuit^ quia canem Persae sie vocant. 
1) Herodots Darstellung der Kyrussage, Breslau 1900, S. 76. 



200 J. V. B-äiek, 

seine Untersuchnng ermittelte Quellensehieht der Bezeichnung ^Harpagiden- 
tradition^ bedient. Meine oben genannte Abhandlung ist zwar im Angnst 
desselben Jahres 1890 wie Schuberts Arbeit veröffentlicht worden, aber 
diesem Umstände ist die Tatsache entg^enzuhalten, daß die erstere bereits 
im Juni 1886 in böhmischer Sprache verfaßt und druckfertig war und im 
Juni d. J. der kön. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften vorgelegt wurde. 
Auch Justi') unterscheidet die „Überlieferung der Harpagiden"^ als eine 
der Herodoteischen Quellen zur Geschichte Mediens. speziell für die Zeit 
des Phraortes. 

Ganz von der Harpagidentradition verschieden ist der zweit« Bericht, 
I, 123 — 130, worin man im Gegensatze zu der Harpagidentradition meder- 
feindliche Urteile und Notizen schnurstracks zuwiderlaufenden Inhalts antrifft. 
Die knapp gehaltene Erzählungsweise verrat Überreste einer Yolkstradition, 
die treu, ohne jedwede Tendenz, über glückliche und auch unglückliche 
Ereignisse Bescheid gibt und über den Verrat des Harpagos ohne jeden 
Entschuldigungsversuch berichtet. Ein solcher Bericht, der wohl von den 
Modem erzählt, denselben aber keineswegs parteiisch gegenübersteht, kann 
nur von Medern herrühren, man findet aber in demselben trotzdem An- 
deutungen, die die Vermittelung eines Persers vermuten lassen.-) Deshalb 
habe ich mich entschlossen, für diese Version die Bezeichnung .^medische 
Volksüberlieferung" in Anspruch zu nehmen. 

Es erscheint mir nunmehr angebracht, auf den prinzipieUen Unter- 
schied beiderlei Version hinzuweisen, der insbesondere hinsichtlich der 
Ursachen der Astyageischen Katastrophe an den Tag tritt. In der Harpa- 
gidentradition fällt Astyages durch eigene Schuld, indem er sich einen 
Teil seines Volkes und in erster Reihe den einflußreichen Harpagos ent- 
fremdet und zum Widerstand veranlaßt hat. Der medischen Volksüber- 
lieferung zufolge wird aber Astyages Opfer des unheilvoUen Schicksals, 
das ihm in Träumen angedeutet ward. Sein noch nicht geborener Enkel 
wird ihm als Vollzieher des Schicksalsspniches voraus bezeichnet. aUe 
dagegen ergriffenen Maßregeln des Königs bleiben erfolglos, ja es hat 
«ich herau.sgcstellt, daß durch diese Maßregeln die prädestinierte Kata- 
Htrophc noch beschleunigt ward. Astyages fiel demzufolge im ungleichen 
Kampfe mit den Schicksalsmächten, denen er zu entrinnen vergebUch 
bentrebt war. 

Während die medische Volksüberlieferung über die einzelnen Ereignisse 
in schlichter Weise berichtet, sucht die Harpagidentradition den Beweis 
zu erbringen, daß Astyages durch seine eigene, wenn auch vom Schicksal 
vorher bestimmte Schuld gefallen sei. Beide Berichte divergieren demnach 
in der Beurteilung der Ursachen, die den Sturz des Astyages und mithin 



1) Grundriss der Iranischen Philologie H, 410. 
2; Vgl. Medien und das Haus des Kyaxares, 12. 



Hekataios als Herodots Quelle zur Oeschichte Vorderasiens, 201 

auch des Mederreichs herbeigeführt haben. Die niedische Volkstradition 
beschuldigt direkt Harpagos des Verrats, die Harpagidentradition sucht 
diesen Verrat zu beschönigen, indem sie unglaubliche und auf voraus- 
zusetzender Verwandtschaft des Kyros mit Astyages fußende Ursachen des 
Verrats gelten lassen wiU. Nun erfahren wir aber aus Herodot selbst, 
daß die Sage von der angeblichen Verwandtschaft des Kyros mit dem 
letzten Könige von Medien delphischen Ursprungs ist, da in der Bezeichnung 
tjfiiovog in dem Orakel, das Kroisos aus Delphi erhielt, Kyros gemeint 
ward. 1) Es ist hiernach zu folgern, daß die Gnindlage der auf griechischen 
Weissagungen fußenden Erzählung, welche Harpagos von dem Makel des 
Verrats reinwaschen soU, in Kleinasien entstanden ist, und da ergibt sich 
von selbst die Frage, wer zu Anfang der persischen Herrschaft in Klein- 
asien das größte Interesse an der Rehabilitation des Harpagos haben 
konnte und wer auch imstande war, über die Ereignisse, die sich im 
entlegenen Iran abgespielt haben, in eingehender Weise Aufschlüsse zu 
erteilen. 

Nun wissen wir, daß es in erster Linie die Nachkommen des Har- 
pagos gewesen sind, die in Kleinasien ihr zweites Vaterland gefunden 
haben. Auf des Kyros Geheiß griff Harpagos von Lydien aus die klein- 
asiatischen Küstenstädtc an, eine nach der anderen, und wurde höchst- 
wahrscheinlich mit der Hyparchenwürde in Lykien belehnt, in welcher 
seine Nachkommen bis auf die Zeit des zweiten Artaxerxes erwähnt werden. 
Kaias^ d. h. „Sohn", also wohl Nachkomme des Harpagos, wird als Hyparch 
von Lykien zur Zeit des Artaxerxes 11. genannt, 2) ein Xiqaic ^AQndYo[v\vt6g 
kommt in der aus Xanthos in Lydien stammenden Inschrift GIG 4269 vor. 
Ziehen wir nun in den Kreis unserer Erörterung die Tatsache, daß die 
Grundlage der den Harpagos rehabilitierenden Erzählung ein notorisch 
kleinasiatisches Gepräge an den Tag legt und daß es eben eine Landschaft 
Kleinasiens gewesen, worin die Nachkommen des Harpagos durch eine 
lange Reihe von Jahren eine mächtige Ehrenstellung bekleidet haben, wohl 
als Frucht des Verrats ihres Ahnherrn, es liegt wohl die Annahme sehr 
nahe, daß diese Erzählung zugunsten des Harpagos und der Harpagiden 
in Umlauf gesetzt worden ist, ja daß dieselbe die Familientradition der 
Harpagiden repräsentiert. Wir würden aber fehl gehen, wenn wir überall 
in derselben eine bloß dieser einen bestimmten Tendenz huldigende Quelle 
erblicken wollten; im Gegenteil weist sie manche Einzelheiten auf, ins- 



1) ^v yctQ 6tj o KvQoq o^roq tifiiovoq' ^x yctQ tSvvJv ovx b^iot^vhvn' tyeyovss. 
fAfiTQoq afieivovoq naxQoq 61 hcoAteaxt^QOV' ?/ ^Iv yiiQ Jjv Mtjölg xa) ^AaxvayBoq 
&vyarrj(} rov MtjScDV ßaciXtoqj b As Il^tat^q re ^v xid a(Jx6fiE%'oq itt' ixtivotai xid 
tvsgffe itifv tolai aTiicai öeoTioivy xy ^oßvrov avvoixee. Hdt. I, 91. 

2) G. RawUnson, The huttory of Herodotus l*, 296. E. Meyer, Geschichte des 
Altertums III, S. 154—156. 



202 J' y- BäSek, 

besondere solche, die über die Vorgänger des Astyages berichten, welche 
man als wertvolle Beiträge zur Kenntnis der Geschichte Mediens be- 
trachten kann.*) 

Dazu ist nun die oben (S. 196) ermittelte Tatsache zu halten, daß die 
öfters erwähnte Glosse Kvvw xata trjv ^ElXijvmv ykdaiSav^ y^ara Si rtpf Mridtxtiv 
Snaxio nebst dem zugehörigen Texte nicht Herodots geistiges Eigentum ist, 
sondern daß der Gescliichtsschreiber dieselbe einem seiner Gewährsmänner 

verdankt. 

Bereits vor mehr als dreißig Jahren hat Matzat^) der Vermutung 



1) In der Kecension meines „Medien und das Haus des Kyaxares'*, Zeit- 
schrift für die österreichischen Gymnasien 1892, 773 fgd. und auch in den 
Forschungen zur griechischen Geschichte"^ 1888—1898, S. 354 hebt A. Bauer 
mir gegenüber hervor, daß das Verdienst den Harpagiden den Ursprung 
des Herodoteischen /atidixo^ /.oyog zugeeignet zu haben, Rubinos im Index lect, 
Marb. Somniersem. 1849 publizierten Aufsatze beizulegen sei. Diese Behauptung 
könnte meine wissenscliaftlichen Bestrebungen in falsches Licht bringen, weshalb 
ich mich verpflichtet sah, in den Aufsatz Rubinos Einsicht zu nehmen; ich 
gestehe ja ofl'en, daß mir derselbe bis zum Herbst des Jalires 1899 nicht bekannt 
war. Erst damals bot sich mir die gewünsclite Gelegenheit zur Einsicht in den 
Aufsatz, den ich dann auch einem eingehenden Studium unterzogen habfe. In- 
folgedessen bin ich in der angenehmen Lage, konstatieren zu können, daß die 
oben angeführte Bemerkung des selir geschätzten Grazer Gelehrten auf einem Miß- 
verständnis beruhen muß. Der in Rede stehende und J, Rubinanis de Achaemeni- 
darum genere disputaiio betitelte Aufsatz beliandelt wohl die Reilienfolge der 
Achaemeniden, aber streift nur vorübergehend die Frage über die Beschaffenheit 
der Herodoteischen Quellen inbezug auf die Achaemeniden. S. Vll gibt Rubino 
seiner V'erwunderung ob der Tatsache Ausdruck, daß Herodot, der docli die ly- 
disclie, ägyptische und medische Geschichte seit deren ersten Anfängen verfolgt 
und die möglich vollständigste Königsreihe der besagten Völker entwickelt, von 
den Persern aber in einer Weise handelt, die den Schluß rechtfertigen ließe, als 
ob sie vor Kyros keine Geschichte überhaupt gehabt hätten, allerdings ohne die 
vermeintliche Unterwerfung durch Phraortes. Indem er tiefer auf die Quellen 
Herodots eingeht, stellt Rubino die Meinung auf, daß Herodot ausführlicher die 
Geschichte jener Völker behandelt, deren Gebiet er bereist hat, daß es ihm aber 
weit schwieriger ankam über die Geschichte der Lander zu berichten, die er nicht 
selbst durchwandert halte. Seine Nachrichten über altere Geschichte Mediens seien 
deshalb ausführlicher, da er bis nach Agbatana gekommen sei. y^Itide factum 
esse arbitror'*, sagt Rubino l. c. p. XVI — ut Medici quidein imperii antiquitatibus 
noti mediocrem tribueret diligentiam^ qmim vero in Asiaticarum rerum serie usque 
ad Persici regni pervenisset origines^ non quae apud ipsos Persas de iis traderentur 
i*ed quae inventa a Medis essenty memoirae et literis mandaret.*" Rubino halt 
also dafür, daß Herodot zu einer persischen Geschichte medische Quellen heran- 
gezogen hat. Aus diesem Grunde liätten auch die unterworfenen Volker ihre 
Beherrscher für Nachkommen ihrer entthronten Könige ausgegeben. Es ist dem- 
nach einleuchtend, daß Rubino für die persische Geschichte medische Quellen 
überhaupt in Anspruch nahm, ohne aber deren Scheidung vorzunehmen. Von der 
Harpagidentradition und von der ^medischen Volksüberlieferung" findet sich bei 
ihm kein Wort. 

-2) Hermes VI 472 fgd. 

10 



Hekataios als Herodots Quelle gur Geschichte Vorderasiens. 203 

Raum gegeben, daß Herodot zu Sardes von dortigen vornehmen und ge- 
schichtskundigen Persern Erkundigungen über die Geschichte Mediens und 
Persiens eingezogen hat. Matzat gebührt deshalb das Verdienst in dieser 
komplizierten Quellenfrage die Bahn gebrochen zu haben. Ist doch seine 
Vermutung ein willkommener Fingerzeig, der auf den richtigen Pfad 
führt. Der uns durch Herodot überlieferte Bericht birgt tatsächlich 
zweierlei Momente in sich, die nach Kleinasien und speziell an die 
Peripherie von lonien als seinen ürsprungsort hinweisen. Ich denke in 
erster Linie an den Vergleich zwischen Athen und Agbatana I, 98, woraus 
sich herausstellt, daß der Verfasser dieses Berichtes in der Lage war, 
sich über Athen eine eigene Vorstellung zu bilden, die eine nähere Bekannt- 
schaft mit griechischen Verhältnissen voraussetzt. Die in den Bericht auf- 
genommenen delphischen Weissagungen über Kyros und Kroisos treten 
hinzu. Man könnte demnach annehmen, daß der Bericht in seiner 
ursprünglichen Redaktion auf einen mit griechischen Verhältnissen wohl 
betrauten Perser zurückzuführen sei. Im Grunde rührt aber diese Er- 
zählung von keinem Perser her, wie ich bereits bei der Prüfung ihres 
Inhalts dargetan habe. Es heißt also, den Weg, auf welchem Herodot 
die Harpagidentradition zugekommen ist, untersuchen. 

Auch ich war anfangs der Meinung, daß Herodot selbst auf seinen 
Reisen in der Umgegend von Halikarnassos diese Tradition kennen 
gelernt und in sein Geschichtswerk aufgenommen hat. E. Meyer') da- 
gegen nahm für die bei Trogus vorliegende und nach meiner Ermittelung 
auch Herodot bekannte und teilweise überlieferte ältere Version den 
Dionysios von Milet als QueUe und Deinen als Vermittler in Anspruch. 
In seinen Forschungen zur alten Geschichte I, 1892 und in dem im J. 1901 
publizierten EI. Teil seiner Geschichte des Altertums 2) denkt Meyer an 
Charon von Lampsakos als Quelle Deinons, aber für den historischen Teil 
des Herodoteischen Kyrosberichtes an Dionysios von Milet. Ebenso ist 
C. F. Lehmann seit längerer Zeit bestrebt, nachzuweisen, daß Herodot 
an nianchen Stellen, insbesondere in seiner Beschreibung von Babylon, 
außer von Hekataios^) auch von Dionysios*), und in der Schilderung des 
ionischen Aufstandes, für den Hekataios nicht in Betracht kommt, speziell 
von Dionysios*), abhängig ist. Als Resultat dieser Erörterungen sehe ich 
die Tatsache an, daß Herodot mehr, als bisher angenommen wurde, aus 
der logographischen Literatur der lonier, obzwar er außer Hekataios keinen 



1) Artikel „JCyr<w", in Ersch und Grubers Alhj. Encyklüpädie IT, XLI., 57. 

2) Geschichte des Altertmns II F, G. 

3) Berliner Ffiilol Wochenschr. 1894 Sp. 272, 1898 Sp. 458. Sitzungsberichte d. 
lierl archäohg. Ges. 1896 S. 25; vgl. die folgende Anmerkung. 

4) S. dessen Xerxes und die Babylonier, Wochenschr. f. klass. FItilol. 1900, 
S. 964, Anm. 1 u. 6. Beiträge zur alten Geschichte 1, 271 Anm. 2; II, 334-40, 
Anm. 844/45; 111, 330—32. 

11 



204 J. V. P^äick, 

anderen Vertreter der Logographie namentlich anführt, für die vorder- 
asiatische Geschichte geschöpft hat. 

Nun hat sich während der eben verflossenen Jahre unsere Kenntnis 
über Hekataios den Milesier überhaupt und über dessen Verhältnis zu 
Herodot speziell derart vertieft, daß es mir nötig erschien, die Unter- 
suchung auch auf eventuelle Abhängigkeit Herodots von Hekataios, soweit 
es auf den firjdtxdg /.oyog ankommt, auszudehnen. 

Fassen wir die Harpagidentradition in ihrer äußeren Beschaffenheit 
ins Auge, so werden wir bald Spuren von persischer Vermittelung 
gewahr werden, die sie hat durchmachen müssen, bevor sie zur Kenntnis 
der Griechen gelangt war. Dieser persische Rahmen kommt bereits in 

1, 99 und 100 zum Vorschein. Das nach I, 95 durch Deiokes eingeführte 
Hofzeremoniell ist bloß ein auf medische Verhältnisse übertragenes Abbild 
der persischen Hofsitten der Achaemenidenzeit, ebenso die in I, 117 ge- 
schilderte Gerichtsverfassung. Wenn Harpagos in I, 117 die Folgen der 
Lüge befürchtet, so ist darin die Einwirkung des „arischen Gesetzes", 
d. h. des Avestismus, der in seiner ursprünglichen Form aller Wahr- 
scheinlichkeit nach Dareios dem Hystaspiden seine Kodifikation und Ver- 
breitung außer Persien verdankt, ^) zu erkennen. Die ursprüngliche medische 
Tradition hat sich also im Verlaufe der Zeit ein persisches Gewand angetan, 
ebensogut wie die modischen Harpagiden in Lykien während der Zeit 
Perser wurden und die auf solche Art akkomodierte Überlieferung hat ein 
der persischen Sprache kundiger Grieche kennen gelernt. Der Beweis 
für diese Argumentation wird meines Erachtens 1. durch die Übersetzung 
des modischen Wortes anaxm durch das griechische Begriffswort xvrco, 

2. durch den Vergleich von Agbatana mit Athen, 3. durch die griechische, 
die „Stadt" Agbatana von dem modischen „Lande" unterscheidende Ansicht, 
die in der Herodoteischen Version zur Geltung kommt, und 4. durch die 
delphischen Sprüche, die die Grundlage zur Erzählung von der Ursache 
und dem Verlauf der Katastrophe des Astyages geboten haben, erbracht. 
Dem auf diese Weise ermittelten Griechen war aber noch eine andere 
und zwar ältere Version der Sage von der Aussetzung des Kyros und von 
der wunderbaren Errettung desselben bekannt und diese ältere Version 
hat der griechische Geschichtsammler dem philosophierenden Standpunkte 
der Zeit gemäß rationalistisch aufgefaßt. Dieser Grieche hat auch die 
ihm bekannt gewordene Überlieferung schriftlich verzeichnet und durch 
einige ältere, nach seinem Standpunkt rationalisierte Bestandteile erweitert. 
Die auf diese Art zurechtgemachte und schriftlich verzeichnete Überlieferung 
nahm Herodot und zwar größtenteils unverändert, insoweit es sein Entwurf 
zuließ, in sein Werk auf. Die Worte 1, 103 ovrog o %olav Aviolaiv ian 



1) Vgl. hierüber meine Ausführungen in den Sitzmigsberichten der kön. böhtn. 
Gettelhchaft der Wissenschaften 1889, 209 fgd. 

19 



Hekataios als Herodois Quelle zur Oeschkhte Vorderasiens. 205 

fiuxsffafisvog ore vv^ ij r}niq7i iyevBxo öfpi piaxo(.iBvoiai sind als Herodoteische 
Erweiterung seiner Quelle anzusehen, um die Verknüpfung seines medischen 
loyog mit dem lydischen Berichte in I, 74 herzusteUen. Auch in dem 
Schlußsatz I, 119 kommt Herodots persönliche Ansicht (o^ iyw Soxem) 
zum Vorschein. 

Auf Grund dieser Erörterung wird es meines Dafürhaltens nicht schwer 
fallen, die schriftliche Vorlage, der Herodot die durch persische Ver- 
mittlung überbrachte und vom griechischen Gesichtspunkt ergänzte Über- 
lieferung entnahm, zu ermitteln. Diese schriftliche QueUe kann nur Heka- 
taios der Milesier gewesen sein, dessen zahlreiche Spuren besonders in 
dem ägyptischen loyog des Herodot wahrzunehmen sind. In einem anderen 
Zusammenhange^) habe ich die Ansicht vertreten, daß Herodot seine Nach- 
richten über die ersten Psammetichiden Hekataios verdankt und daß auch 
die Nachrichten über die in Ägypten durch Kambyses angeblich verübten 
Greueltaten Hekataios zuzuweisen sind. Die moderne Forschung hebt bei 
Hekataios zweierlei Vorzüge hervor, die Herodots geschichtsschildemde 
Kunst bedenklich in Schatten stellen, in erster Reihe eine klare, vorurteils- 
lose Weltanschauung und einen weiten geographischen Gesichtskreis. Den 
Beweis der hekatäischen Weltanschauung ersehe ich in der Rationalisierung 
der ursprünglichen persischen Sage von der Aussetzung des Kyros und 
über die Rettung desselben durch eine Hündin. Ein beredtes Zeugnis von 
den geographischen Kenntnissen des milesischen Logographen hat sich in 
Herodot I, 110 und zwar in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Frag- 
mente der Sage von der Rettung des Kyros durch die Hündin erhalten. 
Dieses Fragment soll die Gestalt und Beschaffenheit des Gebietes, 
wo Kyros aufgewachsen war, dem griechischen Leser anschaulich 
machen.*) Man erkennt darin einen, sich von dem pontischen 
Gestade aus orientierenden richtigen geographischen Begriff über 
Medien, und es liegt demnach nahe, anzunehmen, daß er auf Erfahrungen 
griechischer und speziell ionischer Handelsleute fußt, die von Trapezus 
oder vom Phasis aus mit den Medem Handelsbeziehungen angeknüpft haben. 
Herodot kann man solch eine Anschauung nicht zutrauen, da er über 
Medien, und dessen Hauptstadt Agbatana, insonderheit aber über die Lage 
des letzteren, recht fragmentarische und im großen ganzen unrichtige Er- 
kundigungen eingezogen hat. Die einzige Stelle, worin Herodot über das 
Land Medien und das Volk der Meder nach deren eigener Aussage und 
unter Hinweis auf die geographischen Verhältnisse Aufschluß gibt, ist die 
Ergänzung der einschlägigen Angabe in dem Verzeichnis des Heeres des 



1) Forschungen zur Geschichte des Altertums II, 6fgd. 

2) (d fU rndß^Hu elal toJv oQtiüv, ^vS^a rtcg ro/tiicg rwv ßoiLv ei/e otrog dy 
o ßovxokoq, ngbg ßo^tvj xe itvt-^ov twv ^Ayßaxuvwv x€i\ nfiog rov norrov tov Ev^eirov' 
ruvry fdv yu(} // MrjAixif X^QV ['/] ^Qoq^aaTCFtQiuv h^eirii tan xii(jTii xiu rii»///.// it xa) 

Beitrag« z. Alten Geschichte. IV 2. 14 

13 



206 J. F. Präiek. 

Xerxes, \TI., 162. Aus medischem Munde soll Herodot erfahren haben, 
daß sich die Meder selbst früher "AQioi nannten und erst nachher den 
Namen Mf-ioi angenommen haben, aber er yerknfipft in seiner naiven 
Weise diese auf bestimmte geschichtliche Vorgänge sich stützende Namens- 
änderung mit der Ankunft der kolchischen Medeia von Athen zu diesen 
Ariern, dem Hekataios Frg. 171 folgend, wo der Name Mrßoi'ano Mr^dov 
vioi MtjSeiac abgeleitet wird. 

Im Vergleich mit seiner genauen Kenntnis der westlich vom Euphrat 
betreuen Länder zeigt Herodot eine verblüffend unzureichende Kenntnis 
der inneriränischen Ländergebiete und der denselben benachbarten Gebii^- 
landschaften im Nordwesten. Als Beispiel sind die Matiener anzuführen, 
die es bisher nicht gelungen ist, auf Grund seinen verworrenen Nach- 
richten auf der historischen Karte Vorderasiens zu lokalisieren: mutmaßlich 
sind in dem Namen der Matiener verblaßte Erinnerungen an das einstige 
Mitannireich und dessen Bevölkerung erhalten, für die allerdings Herodot 
das nötige Verständnis abging.^) Die Bemerkung, mit der Herodot die 
einschlägige Angabe des Xenceskatalogs begleitet, zeugt dagegen von einer 
richtigen Auffassung der natürlichen Verhältnisse des gebirgigen, wald- 
reichen und damals dünn bevölkerten nördlich von Agbatana belegenen 
medischen Landstrichs, mit welcher seine Beschreibung der medischen 
Hauptstadt scharf kontrastiert. Die erhaltenen Fragmente des zweiten 
Teiles der hekatäischen Peri^ese zeugen aber von genauen geographischen 
Kenntnissen des milesischen Logographen, soweit es auf Armenien, Iran, ja 
sogar Indien ankommt, mit denen Herodots Kenntnisse keinen Vergleich 
ertragen. Wenn wir diese Fragmente einer eingehenden Prüfung unter- 
ziehen, so gelangen wir zur Oberzeugung, daß Hekataios dabei den Aus- 
gangspunkt die ostpontische Uferlandschaft bei der Phasismündung geboten 
hat. Von dem Phasis aus sollen die Argonauten in den Okeanos gelangt 
sein (F^rg. 187), in der im Phasisgebiete gelegenen Landschaft Kolchis 
nennt Hekataios zwei Stämme, die Koraxer und die Moscher, 2) wobei 
die Sitze der ersteren in der Nachbarschaft der bereits kaukasischen Koler 
angesetzt werden.-') Herodot kennt aber weder die Koraxer noch die 
Koler, die Moscher führt er bloß in dem Satrapienverzeichnis (IH, 94) 
und dem xerxischen Heereskatalog (MI, 78) an, ohne eine genauere 
Kenntnis derselben an den Tag zu legen. In schroffem Gegensatz zu 
Herodots verworrenen Angaben grenzt Hekataios die Sitze der Matiener 
genau ab, indem er hervorhebt (Frg. 188), daß sie den Moschem und 



1) Th. Reinach, ün peuple oiihlii: Les Maticnes in den Akten des Genfer 
Orientalistenkongresseff 1894 IV, VI, 25 und in der Bevuc des etudes grecques VII 
1894), 313—318. 

2) Vrg. 18.5 Möller: Kbgacoi, h^voq Kolywv, 7i).fiaiov Kwlojv, Frg. 188: Moa/ot 
Ko?./ojv h'&voq n(߀toe'/}c toTq MaTirjvotQ. (Vgl. dazu diese Beitr. II 342, nach Sieglin.) 

3; Frg. 186 Müller: Kw/.oi, b&voq Ti^bg rw Ktcvxaoio. 

14 



Hekataios als Herodots Quelle zur Oeschichie Vorderasiens, 207 

Gordiern oder Gordiäern, in deren Gebiet er die Stadt Hyope namhaft 
macht und sie selbst in bezug auf die Tracht mit den Paphlagoniern in 
Vergleich zieht,') benachbart sind. In betreff der Matiener ist außer dem 
Namen, der im Satrapienverzeichnis und dem xerxischen Heereskatalog 
wiederkehrt, bloß bekannt, daß der Fluß Gyndes in dem „matienischen 
Gebirge" entspringt und durch das Gebiet der Dardaner dem Tigris zueilt.^) 

Auch in bezug auf den Kaspisee gehen die Nachrichten beider Griechen 
weit auseinander und es zeigt sich, daß die Angaben des Hekataios als 
genauer anzusehen sind. Im Osten von Kolchis nennt Hekataios das Volk 
der Katanner und setzt seine Sitze rrgoc tq Katsniq, i^aXda&d (Frg. 169) 
an. Diese Katanner sind Herodot unbekannt, ij Kaanla x>aXd(f(frj wird 
aber von ihm, allerdings in anderem Zusammenhange, zweimal genannt, 
in den geographischen Texteinlagen I, 202 und IV, 40. Über denselben 
See hat Herodot wertvolle Nachrichten aus persischer Quelle eingezogen, 
die sich leider auf das Stidufer nicht beziehen. Bei Hekataios Frg. 171 
wird aber Medien als x^Q^ 't«?? Katfniaig naQQX€if.iivri mlaic: bezeichnet 
und Frg. 172, dessen Erhaltung wir Athenaios verdanken, wird die Boden- 
beschaffenheit von Medien in einer Weise geschildert, die für die auf- 
geworfene Frage von größtem Belang ist. Zum Zwecke einer eingehenden 
Untersuchung wird hier das in Rede stehende Hekatäische Fragment der 
Herodoteischen Beschreibung in I, 110 gegenübergestellt: 

Hekataios Frg. 172. Herodot I, HO. 

^Exatalog tF 6 MiXrjtfiog iv Ualag ravtjß jucr yag rj MrjdLxrj nqog Sacf- 

7T€Qt7iYiij(f€if et Yvtjatov TOv (WYYQafpimg nsiQmv dgeiv/j iarv xdqra xalv ipriXrj 
t6 ßißhov (EakUfiaxog yoQ avro dva- re xal idytfi avvriQBipr^g^ r^ Sa aXXrj 
YQd(p€i Nrjümtov) oötig oi/v iduv o Mrjöixtj x^QV ^^'^^ Tidtfa linsdog, 
noiijüag keyet ovto)' „n€Ql rqv 'YQxa- 
viriv y>dXa(S(Sav xaleofnevrjv ovqsa 
liprjXa xal idaea vkxi^^i ^-^^ ^^ 
Tottfiv ovQSCiv axavda xvvaQa." 

Eine wie richtige Anschauung über die Bodenbeschaffenheit West- 
und Nordiräns Hekataios hatte, ist auch aus Frg. 173 ersichtlich, wo 



1) Frg. 189 Muller: * Ydfnrj, noXig Mcdtr^vwVy nQooexhg '^oTg PoijAioig. ' ExazaTog 
*Aoi(c .,i?v rJe nbkig * YdßTifiy ol rf' av^Qotnoi. ^ai^tjtu ipogiovaiVy o^r^rntQ Ilaip^Mybveg'', 

2) 1, 189: ^'7il rvvSy TtorafjKJtf rov al fjihv ntiyai iv MatirjvoTatv o(jeat, Qtl 61 
6ut Jagöaviüfi'f ixSiöol 6'k ig ttsQov notafjibv TiyQriv. Zu Ja(iAaviiov teilt mir 
C. F. Lehmann einen Passus aus einem Briefe d. d. 30. 1. 1898 von F. C. Andreas 
an ihn mit: „öiaJaQöaviwv habe ich schon seit langem verbessert in 6ta 'PaÄavioßv. 
Radan war nicht nur Flußnahme, sondern auch, wohl ursprünglich, Landschafts- 
name, s. Delitzsch, Parad, 186. Noch die arabischen Geographen unterscheiden 
2 Distrikte Ober- und Vnt er -Badhan*', — C. F. Lehmann fügt hinzu: „Andreas 
hat sicher in der Sache Recht, nur wird man ev. den Text des Herodot nicht zu ver- 
ändern brauchen. Herodot hat wohl schon selbst /lagSaviior geschrieben. Solche 
Angleichung neuer unbekannter an bekannte Namen ist ja typisch für ihn". 

14» 
15 



208 J.V. IVääek, Hekataios als Herodots Qtieüe eur Geschichte Vorderasiens. 

Chorasmien eingehend geschildert wird.^) Angesichts dieser Tatsachen 
und des bei Herodot L 110 auf der Hand liegenden wörtlichen Einklangs 
mit Hekataios Frg. 172 stehe ich nicht an, die Herodoteische Charakteristik 
von Medien in I, 110 für hekatäisches Eigentum zu erklären und durch 
diese Annahme wird meines Erachtens das Rätsel des Ursprunges der 
Harpagidentradition Herodots seiner Lösung zugeführt. Die besagte Tradition 
ist an dem lykischen Fürstenhof der Harpagiden entstanden, wurde teil- 
weise vom persischen Standpunkt aus modifiziert, nachher den loniern 
bekannt und der bedeutendste unter den Gebildeten des damaligen loniens, 
der milesische Logograph Hekataios, hat sie niedergeschrieben, wobei er 
aber in deren Textlaut auch Bestandteile einer anderen echt persischen, 
allerdings von seinem Gesichtspunkt aus rationalisierten Version auf- 
genommen hat. Diese hekatäische Umarbeitung der Erzählung hat Herodot 
vorgezogen, indem er sie fast wörtlich zur Grundlage seines fiijdixog Xoyog 
gemacht hatte, ohne aber, der wohlbekannten Art des Altertums ent- 
sprechend, Hekataios als Quelle zu bezeichnen. Er begnügte sich vielmehr 
mit der ihm eigenen unbestimmten Angabe Bs^itüv fiete^srf'QOi^ wie wir 
auch in anderen Fällen, wo des Hekataios Eigentum zweifellos ist, als 
Herodots angebliche Gewährsmänner %ovg "/covcr?, rovg Jlyvnriovg, oder, 
wo er einer schriftlichen Quelle folgt, Redewendungen wie koyoc, kiyovaw^ 
if>aai M. d. antreffen.^) Dies geschali absichtlich, um der Erzählung den 
Charakter einer persönlich gewonnenen Information aufzuprägen.^) Dadurch 
soll allerdings kein Schatten auf den schriftstellerischen Charakter Herodots 
geworfen werden, man hat sich vielmehr die Richtung seines Zeitalters 
und den wohl wichtigen Umstand, daß er, die engen Bahnen der Logo- 
graphie verlassend, den historiographischen Weg betrat, vor Augen zu 
halten. Den Standpunkt, von welchem aus unsere Zeit Herodots Methode 
zu beurteilen hat, hat Ed. Meyer, nachdem er festgesteUt hatte, daß Herodot 
auch das chronologische System des Hekataios zur Grundlage seines Schema 
in sein Werk aufgenommen hat, am besten charakterisiert.*) 

1) Tlagb^tov TtQoq i^/.tov aviayovm XoQita^ioi olxovat yi/v f/oiTf^ xn) Ti^tUa xiil 
ovQtfC iv 6h xolaiv ovQsaiv dtvÖQHi tvi aygtit, icxtcvD-a. 

2) Vgl. Diels, Hermes XXII, 425 fgd. 

3) Macan, Herodotm, The fourth, fifth and sixth books I, S. LXXVII. 

4) Forschungen zur alten Geschichte I, 182 fgd. 



16 



209 



kike Überlieferung Über den Vesuv-Ausbruch im Jahre 79. 

Von S. Herrlleh. 

)as Unglück, von welchem im Mal 1902 die beiden AntiUen-Inseln 

Snique und St. Vincent heimgesucht worden sind, vor allem die Ver- 

^tung der blühenden Stadt St. Pierre durch den Ausbruch des Mont 

hat vielfach zu Vergleichen mit der Katastrophe des Jahres 79 
^aB gegeben. In der Tat bietet das Schicksal der kampanischen Städte 
lancherlei Parallelen zu den Ereignissen in Westindien. So ist die Ver- 
richtung von St. Pierre ebensowenig wie die von Pompeji und Herkula- 
rneum durch Lavaströme erfolgt, an welche man doch sonst bei Vulkan- 
Ausbrüchen in erster Linie denkt. Auch wird die ungewöhnliche Heftigkeit 
beider Eruptionen, sowohl der von 79 als der von 1902, von berufener 
Seite ^) mit auf den Umstand zurückgeführt, daß sie nach einem Zustande 
längerer Ruhe der Vulkane erfolgt sind, wenn auch diese Ruhepausen bei 
dem Mont Pel6 und der Soufrifere bei weitem nicht so lange gedauert 
haben, wie bei dem Vesuv, der ja im Jahre 79 überhaupt den ersten 
historisch bezeugten Ausbruch gehabt hat.-) Ein Unterschied jedoch 
tritt dem, welcher sich mit der Vesuv -Katastrophe beschäftigt, sofort 
entgegen; wir besitzen über den Ausbruch von 1902 schon gegenwärtig 
(November 1902) weit genauere und für eine wissenschaftliche Dar- 
stellung des Hergangs weit brauchbarere Berichte, als für die Eruption 
von 79 vorhanden sind, und dies wird in noch weit höherem Grade der 
Fall sein, wenn erst die von mehreren Staaten nach den Antillen ab- 
gesendeten wissenschaftlichen Kommissionen ihre Berichte erstattet haben 
werden. Während nämlich die vulkanischen Erscheinungen beim Ätna 
schon frühzeitig die Wißbegierde der antiken Beobachter gereizt haben 

1) Vgl. Alfred Bergeat in Globus 1902 Nr. 8, wo auch weitere Literatur über 
die Eruptionen in Westindien angegeben wird, und über Eruptionen nach langen 
Ruhepausen, Credner, Elemente der Geologie, S. 155, und Sudhaus, Aeftia, S. 160. 
Nie sind die Ausbrüche heftiger als nach langen Ruhepausen, wie z, B, der Vesuv- 
ausbruch von 79, 

2) Für die Geschichte des Vesuvs vor dem J. 79 verweise ich auf meine 
Darstellung in der Festschrift ^Aus der Humboldt- Akademie'' Beriin 1902 S. 57—67. 



'210 S. Herrlifh, 

und in dem merkwürdigen Lehrgedichte Äina. das nach der Ansicht des 
nfffifr^trrn Heraosiiebers. Sadhaos. ans Aagusieiseher Zeit stammt, eine 
eingehende, ja man darf wohl sagen, wissenschaftliche Darstellung 
gefunden haben, seheint der VesuTansbmeh des Jahres 7^ auf die un- 
produktire Zeit keinerlei wissenschaftliche Befruchtung geübt zu haben.M 
Freilich zwei ^lanner dieser Epoche, welche gewiß auch den Phänomenen 
des Vesuvausbruches wissenschaftliches Interesse entgegengebracht haben 
würden, waren außerstande darüber zu berichten. Der ältere Plinius ist 
bekanntlich ein Opfer der Katastrophe des Jahres 79 geworden, imd 
Seneca war schon im J. B5 aus dem Leben geschieden. Ein wie lebhaftes 
Intere5^.se der letztere der Beobachtung imd Erklärung der mlkanischen 
EnK-heinungen und der Erdbeben entgegenbrachte, geht einmal aus seinen 
auf den Ätna bezüglichen Brief an Lucilius henror. besonders aber aus 
dem 6. Buche der qtuiegtiones naturales.'} In diesem wird das starke 
Erdbeben, welches im J. 63 t. Chr. Kampanien verheert hat. zum Aus- 
gangspunkt einer eingehenden Erdrterang der Erdbeben imd ihrer Ursachen 
genommen. Dieses Erdbeben, das 16 Jahre vor der völligen Zerstörung 
gerade Pompeji in so furchtbarer Weise heimgesucht hatte, daß man heute 
in der wieder ausgegrabenen Stadt auf Schritt nnd Tritt auf die im J. 79 
noch keineswegs verschwundenen Spnren desselben stößt, muß nns als das 
erste Anzeichen für das Wiedererwachen der so lange Zeit scheinbar er- 
loschenen vulkanischen Kräfte des Vesuvs erscheinen: freilich die Bewohner 
der dem Verderben geweihten Vesuvstädte ahnten diesen Znsammenhang 
wohl ganz nnd gar nicht.') Auch der größte unter den der Vesuv- 
katastrophe gleichzeitigen Schriftstellern. Tacitus, gedenkt des Erdbebens 
vom J. 63; auch den Vesuvausbruch des J. 79 hat er sicherlich behandelt: 
in dem Prooemium der Historien führt er die Vernichtung der kampanischen 
Städte unter den Schrecknissen des von ihm zu behandelnden Zeitraums 
mit auf; schon hieraus ergibt sich, daß er das schreckliche Ereignis, das 
er übrigens auch an einer Stelle der Annalen erwähnt, eingehend dar- 
gestellt hat:*) leider reicht aber der uns erhaltene Teil der Historien nur 

\j Vgl Aftnn, erkl. von S. Sadliaus, S. 51. Die Stelleo über den Vesuvaasbruch 
werd^'O /iisanirriffngeMtellt b(?s^inders in Carlo Rosiiii's Dissert. Isagog. Xea|)el 1797 
S. fJTff-, im CIL X, I S. OOff. und S. 157 ff.; femer in Nissen's ItaL Landesk.ll.^ 
S. 7f;0 Anm. 5 und S. 766 Anm. 3. Vollständigkeit ist allerdings weder erzielt 
norli beabnichligt, 

'Jj Sfjne/:a ej/jj, ntoral. X, 3 (cf. auch XIV, 3, 11); Quaest. nat. VI bes. I. 1—4 
und U, 'M), 1 und Hf, 24. 

iij l'bcr die« Erdbeben vgl. die Festschrift j,Am der Humholdt-Äkad,' S. 66f, 
^0 auch die wicIitigHten Quellenstellen angegeben sind. 

4y Hifft. I, 2 havutae aut obrutae urbes fecundissima Campaniae ora; AnnaL IV, 
ß7 jfr(^j߀t'tat)afque jmkherrimum sinum, antequam Ve^uvitis mans ardescens fadem Jod 
rerteret. Auffallend erscheint es, daß T. an den beiden Stellen, wo er Pompeji 
erwähnt {AnnaL XIV, 17 und XV, 22), nicht auf die Zerstörung im J. 79 hinweist. 



Die antike Überliefertmg über den Vestiv-Ausbruch im Jahre 79, 211 

bis zum Jahre 70. Daß Tacitus aber darauf bedacht gewesen ist, sich 
möglichst genau über den Vorgang zu unterrichten, beweisen die beiden 
bekannten Briefe des jüngeren Plinius. Denn dieser hat seine Briefe auf 
die Aufforderung seines Freundes Tacitus ausdrücklich zu dem Zwecke, 
um demselben Material für seine geschichtliche Darstellung zu liefern, 
geschrieben. ^) In diesen Briefen, die unendlich oft in die verschiedensten 
Sprachen übersetzt und eingehend behandelt worden sind, besitzen wir nun 
zweifellos den wichtigsten und ausführlichsten antiken Bericht über die 
Katastrophe. Doch ist bei der Würdigung dieser Briefe als einer gleich- 
zeitigen Geschichtsquelle, wie es mir scheint, nicht immer hinreichend 
Rücksicht genommen worden, einmal darauf, daß sie nicht unmittelbar 
unter dem noch frischen Eindruck der Ereignisse, sondern erst 27 oder 
28 Jahre später (106 oder 107) geschrieben sind: 2) femer darauf, daß 
Plinius aus eigener Anschauung nur über die Vorgänge in und bei Misenum, 
das in der Luftlinie über 29 Kilometer vom Vesuv entfernt liegt, berichten 
kann. Endlich scheint der junge Plinius — er hatte im Jahre 79 noch 
nicht das 18. Lebensjahr voUendet — kein besonderes Interesse für die 
Beobachtung der Naturerscheinungen gehabt zu haben: als ihn sein Oheim 
auffordert, ihn auf der Fahrt nach der Stätte des Ausbruchs zu begleiten, 
zieht es der Neffe vor, sich litterarisch zu beschäftigen, und noch am 
frühen Morgen des nächsten Tages findet ihn ein Freund des Oheims 
eifrig mit der Lektüre des Livius beschäftigt.^) Trotzdem ist das Tat- 
sächliche, das wir aus den beiden Briefen über den Hergang des Ausbruchs 
erfahren, von der größten Bedeutung. Am wichtigsten erscheinen mir 
folgende Punkte: Der Ausbruch war mit einem heftigen Erdbeben ver- 
bunden, das nicht bloß in der Gegend von Stabiae, wo der ältere Plinius 
seinen Tod fand, sondern auch in Misenum in so gefahrdrohender Weise 
auftrat, daß die Einwohner ihre Häuser verließen. Am stärksten scheinen 
die Stöße, die bereits vor dem 24. August, dem Beginne der Eruption, 
beobachtet worden waren, in der folgenden Nacht und am 25. Angust 
gewesen zu sein.^) Nach der Ansicht Mau's sind die heftigsten Erdstöße, 
durch welche in Pompeji vielfach Mauern und Säulen eingestürzt sind, 
die dann unter ihren Trümmern auch Menschen begraben haben, erst nach 
dem Ende des Bimsteinregens, gleichzeitig mit dem Fall der Asche erfolgt; 

1) Vgl. Anfang und Schluß der beiden Briefe (VI, 16 und VI, 20). 

2) Vgl. Mommsen, Hermes 111 S. 49 f. 

3) Plin. epp. VI, 16, 7 mihi, si venire una vellem, facit copiam: respondi studere 
me malle, VI, 20, 5 posco lihrum Titi Livi et quasi per otium lego atque etiam, ut 
coeperam, excerpo. — amiciM avunculi — iit me et mattem »edentes, me vero etiam 
legentem videt — securitatem corripit: nihilo segnius ego intentus in lihrum, 

4) VI, 16, 15 nam crebris vastisque tremoribus tecta nutabant — VI, 20, 3 ill<i vero 
nocte ita invaluit (tremor terrae) ut mm moi^eri omnia sed verti crederentur und 6 — 
tarn hora diei prima — iam quassatis circumiacentibus tectis — magnus et certus 
ruinae metus. 



212 S. Herrlich, 

denn die Trümmer finden sich in der Regel oberhalb der Lapilli, innerhalb 
der Aschenschicht.*) Ein Fund des Jahres 1900 scheint nun mit dieser 
Annahme nicht übereinzustimmen: in dem Hause des M. Lucretius Fronte 
(Reg. V, 4, No. 11) fanden sich unter einer durch das Erdbeben eingestürzten 
Mauer 8 Skelette, aber diese sowohl wie die Mauertrümmer lagen inner- 
halb der Lapillimassen: Mau nimmt daher an, daß in dem dem Vesuv 
näher gelegenen Teil Pompejis schon vor dem Beginn des Aschenregens 
Erdstöße stattfanden.'^) Jedenfalls müssen die Erscheinungen des Erdbebens 
schon beim Beginn des Vulkanausbruches eingetreten sein, denn nach der 
Ansicht der Geologen werden vulkanische Erdbeben durch die Stöße erzeugt, 
welche durch die aus Vulkanen entweichenden Gase und Dämpfe in dem 
Eruptionskanale hervorgebracht werden, und finden ihr Ende, sobald die 
den Kraterschlund verstopfenden Massen herausgeschleudert sind.*) Die 
Stärke und die für ein vulkanisches Erdbeben weite Verbreitung des mit 
dem Ausbruche von 79 verbundenen Erdbebens wird übrigens ganz in 
Übereinstimmung mit dem Berichte des Plinius auch durch Inschriften 
bezeugt: Im Jahre 81 läßt Kaiser Titus in Neapel die durch Erdbeben 
eingestürzten Gebäude wieder herstellen^) und ebenso berichiet eine erst 
1901 in Sorrent gefundene Inschrift, daß Titus hier ein horologium cum 
suis of'namentis terrae motibus colla2)8Hm im J. 80 wiederherstellen ließ.^) 
Ebenso also wie sich nach Plinius das Erdbeben nach Westen über 
29 Kilometer weit bis nach Misenum, hat es sich nach Süden über 
22 Kilometer weit bis nach Surrentum von seinem Zentrum, dem Vesuv- 
krater, aus verbreitet. Denn daß in beiden Inschriften nur das Erdbeben 
des Jahres 79 gemeint ist, bedarf wohl keines weiteren Beweises. Femer 
erfahren wir aus dem ersten der beiden Briefe den Tag, an welchem der 
Ausbruch begann oder wenigstens in Misenum zuerst beobachtet wurde, 
es ist der 24. August des Jahres 79.^ Während das Jahr besonders auf 
Grund der Angabe des Cassius Dio ^ und des Eusebius allseitig unbestritten 



1) Mau, Fbmpeji, S. 18. Über d. Erdbeben hn J. 71) vgl. auch Ruggiero in 
der Centenarschrift von 1879 S. 29 und Rosini a. a. 0. S. 68. 

2) Vgl. Mau in den r<m. Mitteil XVI (1901) Heft 4 S. 283-365 und Notizie 
degli scavi, November 1900. 

3) Vgl. Credner a. a. 0. S. 198 und das was Gerlaud in seinem Aulsatze über 
den Ausbruch des Mout Pele (Deutsche Bundsclmu, Septbr. 1902 S. 4251!.) über die 
bei dem Ausbruche in Westindien beobachteten Erdbeben-Erscheinungen mitteilt. 

4) CIL X, 1481 = Inscr. Gr. Sic. et It. 729. 

5) Not. degli scavi 1901, S. 363 f. 

6) XVI, 6, 4 Nonum Kai. Septembres hora fere septinia. 

7) Cass. Dio ^^y 20 f. xcA b fjtlv Tixoq (tvroxQaxo}Q xo ntvxtxatdtxaxov bnfxlri^fi 
~ iv dt xtj Kcti.mavi(t (poßf^ xiva xal S^iWfiaaxa ovvtjvh/ßi]. Daß die 16. Akklamation 
des Titus als Imperator in das Jahr 79, das erste Regierungsjalir des T., fallt, 
ergiebt beispielsweise die bekannte Inschr. der Porta Tiburtina (S. Lorenzo) in 
Rom CIL VI, 1246. cf. auch Zonaras in der Dio- Ausgabe von Boissevain III 
p. 156 h' ()(: XO) TiQwxvj xij<: fiytfJLOvUtq idxov (seil. Tixov) txtt 7tv(f h Kafutfcvlfc nokv 



Die antike Üherliefm'ung über den Vesuv- Atisbrucli im Jahre 79. 213 

ist, hat, wie schon Carlo Rosini in der Dissertatio Isagogica^ Ruggiero in 
der Centenarschrift Zweifel in bezug auf den Monatstag ausgesprochen: 
wegen der Funde von Früchten, die erst im Spätherbste reifen und wegen 
der angeblich zur Zeit des Ausbruches schon beendeten Weinlese nimmt 
er an, daß statt des überlieferten KaL Septemhres Kai. Decembres zu lesen 
wäre, woraus sich als Tag des Ausbruchs nicht der 24. August, sondern 
der 23. November ergeben würde. Obwohl die Angabe des Cassius Dio 
xar avTo ro q>d^vv6iimqov sich mit beiden Annahmen vertragen würde, so 
wird doch, so viel ich sehe, allgemein an dem 24. August festgehalten, 
und auch Ruggiero muß einräumen, daß manche Fundtatsachen sich besser 
mit diesem, der guten Textüberlieferung entsprechenden früheren Datum, 
als mit dem späteren vertragen.^) Was sodann die Dauer des Ausbruches 
betrifft, so wird zwar die von PHnius in so charakteristischer Weise mit 
einer Pinie verglichene Wolke in Misenum zuerst bald nach der Mittag- 
stunde wahrgenommen; indessen muß der Ausbruch schon in den ersten 
Morgenstunden begonnen haben, weil schon bald nach 1 Uhr der ältere 
Plinius in Misenum aus der Gegend unmittelbar am Fuße des Vesuvs, 
also wohl da, wo Herkulaneum lag, Nachricht erhält, daß dort die Gefahr 
dringend und nur noch zur See Rettung möglich sei.*) Über das Ende 
des Ausbruchs sind die Angaben in den Briefen nur wenig genau: es 
scheint, daß in der Gegend von Misenum der starke, mit vollständiger 
Finsternis verbundene Aachenfall noch im Laufe des zweiten Tages auf- 
hörte;') jedenfalls muß in der unmittelbaren Nachbarschaft des Vulkans 
der Aschenfall noch erheblich länger gedauert haben, denn selbst in der 
Gegend von Stabiae, wo der ältere Plinius umgekommen war, wird es erst 
am dritten Tage nach dessen Tode, also am 27. August, wieder hell.*) 
Auch läßt die ungewöhnliche Höhe der über Pompeji lagernden Ver- 
schüttungsmassen, nach der Angabe Mau's 2 — 3 m Lapilli, IV2 — 2 m Asche, 

xctift xh (f^ivomoQov ft^Qoov ^^iiv^j}at. Euseb. Chrtm. ed. A. Schöne II p. 158/1) 
ad ann. Abr. 2095: Sehsius ^nons a vertice ^-uptus tantum exspiravit ignis ut circum- 
circa yagos et urhes eocureref (= Syncell. 651, 1). Das Jahr 2095, das erste Ke- 
gierungsjahr des Titus, entspricht aber dem J. 79 post Chr. n. 

1) Rosini a. a. 0. S. 67. Ruggiero in der Centenarschrift Pompeji e l<z regione 
sotterrata dal Vesiivio nelVanno 79 S. 15 ff. Übrigens sprechen aucli die Berichte 
über den berühmten Silberfund von Boscoreale für den 24. August. Nach lleron 
de Villefosse (Fonäation Piot V, S. 29) war das große Weinreservoir, in welchem 
der Silberschatz [am 13. April 1895 gefunden wurde, zur Zeit des Ausbruches 
völlig geleert, und man war damit beschäftigt, es für die Aufnahme des neuen 
Weines instand zu setzen. Die Weinlese war also noch nicht erfolgt, was am 
23. November sicher schon der Fall gewesen sein würde. 

2) VI, 16, 8 accijni codicillos Rectinae Tasci imminenti periculo exterritae (nam 
Villa eiu8 subiacebaty nee ulkt nisi namhm fv/ga) — cf. Mau, Fompeji, S. 18 und 
Ruggiero a. a. 0. S. 21. 

3) VI, 20, 18 mox dies verm, sol etiam effulsit cf. Mau a. a. 0. S. 18 f. 

4) VI, 16, 20 ubi dies redditus (is ah eo qitetn novisgime viderat tertius). 

5 



214 S. Herrlich, 

auf eine ungewöhnlich lange Dauer des Falles der ausgeworfenen Massen 
schließen.^) Was nun diese betrifft, so erreicht der Regen von Asche, 
Bimstein und schwarzen verbrannten Steinen, unter welchen jedenfalls die 
sogenannten vulkanischen Bomben zu verstehen sind, die Schiffe des älteren 
Plinius schon am Nachmittage des ersten Ausbruchtages in der Nähe der 
Küste von Herkulaneura. Wenn hier wegen einer plötzlich entstandenen 
Untiefe eine Landung nicht mehr möglich war, so liegt die Annahme nahe^ 
daß der vulkanische Schlammstrom, unter welchem jetzt Herkulaneum 
begraben liegt, bereits zu dieser Zeit das Meer erreicht und so die Küste 
unnahbar gemacht hatte. 2) In Stabiae ist dann der Aschen- und Bim- 
steinregen in der folgenden Nacht so stark, daß die Massen die Tür des 
Schlafzimmers zu sperren drohen , in welchem Plinius d. Ä. übernachtete. 
Auch am folgenden Tage ist der Bimsteinregen noch so stark, daß sich 
Plinius und seine Begleiter durch auf dem Kopf befestigte Kissen dagegen 
schützen müssen; auch die tiefe Finsternis deutet auf starken Aschenfall. •^) 
Die Gegend von Misenum dagegen wird von dem Steinregen überhaupt 
nicht erreicht, und der Aschenfall beginnt hier erst im Laufe des zweiten 
Tages; die Schilderung der gewaltigen, schwarzen Aschenwolke, aus welcher 
den Blitzen ähnUche, aber größere Flammen hervorbrachen, erinnert leb- 
haft an das, was die wenigen überlebenden Augenzeugen von der un- 
geheuren schwarzen Wolkenwand berichten, die sich am Morgen des 
8. Mai 1902 vom Mont Pele her über die unglückliche Stadt St. Pierre 
gestürzt hat:*) auch diese Wolke wird von unzähligen gewaltigen Blitzen 
durchzuckt, und es ist gar nicht zweifelhaft, daß die Flammen, von denen 
Plinius spricht, nicht bloß Blitzen ähnlich, sondern wirklich Blitze gewesen 
sind, wie solche ganz gewöhnlich aus den Rändern der Dampf- und Aschen- 
säulen bei den Eruptionen hervorbrechen. Auch hat Professor A. Scacchi 
in dem ausgegrabenen Teile Pompejis schon im J. 1879 5 Orte mit voller 
Sicherheit festgestellt, an denen sich die Einwirkung von Blitzschlägen, 

1) Mau a.a.O. S. 18; Ruggiero a.a.O. S. 25 weist mit Recht darauf hin, daß 
die frisch gefallene Asche eine viel höhere Schicht gebildet haben muß, als dies 
zur Zeit der Ausgrabung der Fall war. 

2) VI, 16, 11 Jam navihus cinia incidebat — iam immicea etiam nigrique et 
amhuati et fracti igne lapideSy iam vadum suhiium ruin^qtie montis litora obstantia. 
cf. Rosini a.a.O. S.70, Ruggiero a,a.O. S.22 und Mau a.a.O. S. 17 und 18. 

3) VI, 16, 14 Sed area — ita iam cinere mixtisque pumidbus oppleta tnirreocerat, 
tity si hmgior in cuhicuh mora^ exitus negaretur. — 16 suh dio rurms quamquam levium 
exesarumque pumicum casus metuebatur — cervicalia capitibus imposita linteis ccn- 
stringunt: id munimentum adverstis incidentia fuit, Jam dies alibij illic nox omnibus 
noctibiM nigrior densiorque. 

4\ VI, 20, 9 ab altera latere nubes atra — in Umgas flammarum figuras deiiis- 
cebat: fulguribus illae et similes et maiores erant. Über die Aschenwolke am 
8/5. 1902 vgl. die von Bergeat a. a. 0. mitgeteilten Berichte des Kapitäns des 
Schiffes ^Borfrfaw" und des Photographen Celestin, welcher von Le Carbet (5 km 
südlich vom M. Pele) die Katastrophe beobachten konnte. 



Die antike Überlieferung über den Vesiiv-Ambnich im Jahre 7^. 215 

die zugleich mit dem Bimsteinregen niedergegangen sein müssen, nach- 
weisen läßt. ^) Während aber die verderbenbringende Wolke auf Martinique 
fast in einem Moment die 7^/a Kilometer vom Vulkanberge entfernte Stadt 
St. Pierre erreicht hat und gerade deshalb alle lebenden Wesen in der- 
selben vernichtet hat, bewegte sich nach der Schilderung des Plinius die 
Aschenwolke nur verhältnismäßig langsam vorwärts, indem sie wie ein 
sich über die Erde ergießender Bergstrom den Fliehenden im Rücken folgte 
und sich allmählich über Meer und Land herabsenkte. 2) Als sie endlich 
die Flüchtlinge aus Misenum erreicht, tritt vollständige Finsternis ein, und 
der Aschenfall ist auch hier, in einer Entfernung von gegen 30 Kilometer 
vom Vulkankrater, noch so stark, daß man die Asche von Zeit zu Zeit 
abschütteln muß, um nicht von den Massen bedeckt und verschüttet zu 
werden. 3) 

Wenn femer Plinius besonders in dem früheren Briefe von gewaltigen 
Flammen und Feuererscheinungen spricht, die aus dem Berge hervor- 
leuchten, 4) so ist an feurigflüssige Lavamassen nicht zu denken, weil, wie 
hier nicht näher erörtert zu werden braucht, ein Lavaausbruch im J. 79 
überhaupt nicht stattgefunden hat. Da die Feuererscheinungen von der 
Gegend von Stabiae aus erst wahrgenommen werden, nachdem völlige 
Dunkelheit eingetreten ist, so können sie teils durch die im glühenden 
Zustande aus dem Krater emporgeschleuderten Lapilli- und Aschenmassen 
hervorgerufen sein, teils aber auch durch den Wiederschein der glühenden 
Massen im Innern des Berges, welcher die Dampf- und Aschenwolke wie 
Feuer erscheinen läßt.^) Ob auch von Misenum aus wirklich Feuer wahr- 
genommen wurdö, geht aus den Worten im 2. Briefe nicht deutlich hervor.^) 
Ganz unglaublich aber ist es, wenn Plinius berichtet, daß unmittelbar vor 
dem Tode seines Oheims in dessen Nähe, also in der Gegend von Stabiae, 
Flammen und Schwefeldampf hervorgebrochen sei.^) Von dem Vorgange 

1) Über Blitze bei Eruptionen vgl. Credner a a. 0. S. 156. Über Blitzspuren 
im Pompeji handelt der Brief Scacchi's in der Centenarschrift von 1879 S. lloflf. 
und bes. S. 128f., vgl. auch Ruggiero ebenda S. 29. 

2) VI, 20, 13 densa caligo tergis imminebat, quae nas torrentis modo infusa terrae 
sequebatur. Über die furchtbare Schnelligkeit der Aschenwolke am 8./5. 02 vgl. 
die S. 209 Anm. 1 und S. 214 Anm. 4 angegebenen Berichte und die Berichte der 
englischen Geologen Anderson und Flett über ähnliche Vorgänge auf St. Vincent 
(Köln, Zdtung 16./ 11. 02 2. Beil.). 

3) VI, 20, 14 rix consideramus, et nox - 16 cinis rursris multus et gratis. 
Hunc identidem adsurgentes excutiehamms: operti alioqui aique etiam oblisi pondere 
essemus. 

4) VI, 16, 13 interim e Vesuvio monte pluribus in heia latüaimae fl^mniae altaque 
incendia relucebantj quorum fulgor et claritas tenebris noctis excitabatur. 

6) Vgl. auch Rosini a.a.O. S.70f. 

6) VI, 20, 16 — paulum reluxit; quod mm dies nobis sed adventantis ignis indi- 
dum videbatur. 

7) VI, 16, 18 deinde fiammae flammarumque praenuntius odor sulpuris alios in 
fugam vertuntj excitant illum, 

1 



216 S. Herrlich, 

des Todes selbst läßt sich aus den Angaben des Neffen keine ganz präzise 
Vorstellung gewinnen, indessen erscheint es als wahrscheinlich, daß der 
damals 56 Jahre alte Plinius, nachdem er vielleicht in einem Ohnmachts- 
anfalle niedergestürzt war, infolge des dichten Aschenregens erstickt ist. 
Was über die Auffindung des Leichnams, der in seinem Aussehen mehr 
an einen ruhig Schlafenden als einen Toten erinnerte, in dem Briefe erzählt 
wird, erinnert lebhaft an den Eindruck, den einige der bekannten Gips- 
abgüsse im Lokal-Museum zu Pompeji hervorrufen: alle diese Einwohner 
der alten Stadt, von deren Aussehen im Augenblicke des Todes uns jene 
Abgüsse eine Vorstellung gewähren, sind offenbar während des Aschen- 
regens erstickt. Auch dies macht es wahrscheinlich, daß Plinius ebenfalls 
ein Opfer des erstickenden Aschenfalles geworden ist.^) Diese Todesart 
gibt auch die auf Sueton zurückgehende Vita des Plinius in erster Linie 
an: das außerdem mitgeteilte Gerücht, nach welchem Plinius auf seine 
eigene Bitte von einem Sklaven getötet worden sei, erscheint dagegen 
wenig glaubwürdig. 2) 

Was Suetonius, der ungefähr 75 geboren war und somit die Kata- 
strophe noch unmittelbar aus gleichzeitiger Überlieferung zu kennen 
vermochte, sonst über den Ausbruch des Jahres 79 mitteilt, ist für die 
Erkenntnis des Vorganges selbst von keinerlei Bedeutung, ebensowenig 
wie gelegentliche Erwähnungen bei späteren römischen Historikern.') Von 
ungleich größerer Bedeutung ist das, was wir aus dem in dem Auszuge 
des Xiphilinus erhaltenen 66. Buche des Cassius Dio erfahren. Für die 
Würdigung des Berichtes ist es nicht ohne Bedeutung, daß Cassius Dio 
den Vesuv und dessen vulkanische Tätigkeit aus eigener Anschauung 
kannte; denn von Capua aus, wo er einen großen Teil seiner ^Poofiaixa 
niedergeschrieben hat, ist der Vesuv deutlich sichtbar, und seiner eignen 
Angabe nach hat er bei dem Vesuvausbruche des Jahres 202 in Capua 
das Brüllen des Berges deutlich hören können.^) Auch macht die 

1) VI, 1(), 19 — et statim concidit, ut ego colli/fo, cramwe caligine sjnritu ob- 
strmto clavsoque stomacho — ibid. 20 corpus inrentum integrum — Habitus corporis 
quiescenti quam defuncto similior. Über die Gipsabgüsse vgl. außer Overbeck-Mau, 
Pompeji S. 23ff., Ruggiero a.a.O. S.31f. 

2) Suet. ed. Roth p. 300 f. — periit clade Campaniae; — vi pulveris ac favillae 
oppresaus est, t'c/, ut quidam existimant, a servo suo occisuSy quem aestu deficiens ut 
necem sihi maiuraret oraverit. 

3) Suet. Titus c. 8, wo auch die von Titus zum Besten der bei dem Ausbruche 
Geschädigten getroffenen Maßregeln angegeben werden. Unter den Stellen aus 
späteren römischen Historikern sei hier beispielsweise die Angabe in dem Epitome 
genannten Auszuge aus der Kaisergescliiclite c. 10 Huius (Titi) tempore motis Yesuvius 
in Campania ardere coepit — angeführt. 

4) Cassius Dio 76, 2, I hv rJ« toj Beafiivj tvj OQei nvg re ztkeiaiov ^$tA«/«i/'f xal 
lAixrifiaxa fihyiaza hytrexo, ojotb xnl ig rijr Kanvtjv, iv j, baäxig dv iv ty 'Irrtlia 
olxüt, Aiäyio, i^axova^^vaf rovro yag zo yrngtov i^fiXofitjr, — 7ra a/oXr^v — ayopv 
ravta ygaximmt. 



Die antike Überliefe^-iing über den Vesuv- Ausbruch im Jahre 79. 217 

Schilderung des Vesuvgipfels und der gewöhnlichen vulkanischen 
Erscheinungen, die zurzeit des Geschichtsschreibers am Vesuvkrater 
beobachtet werden konnten, den Eindruck, als beruhe sie auf eigener 
Anschauung.^) Aus welcher Quelle der eigentliche Bericht über die 
Vorgänge im J. 79 stammt, das läßt sich ebenso wie für die gesamte 
Kaisergeschichte des Cassius Dio nach dem heutigen Stande der Forschung 
nicht festsellen.2) Wenn das, was über die von Titus zum Besten der 
geschädigten Campaner getroffenen Maßregeln, gesagt wird, mit den 
Angaben Suetons genau übereinstimmt, so ist dies wohl durch die Be- 
nutzung einer beiden Schriftstellern gemeinsamen Quelle, nicht durch die 
direkte Benutzung Suetons durch Cassius Dio zu erklären.*'*) Im übrigen 
stimmt der Bericht in vielen wesentlichen Punkten mit den Angaben in 
den Briefen des Plinius überein. Ebenso wie in diesen findet sich auch 
bei Cassius Dio nichts, was auf einen Ausbruch von Lava schließen ließe. 
Nach beiden Berichten beginnt der Ausbruch mit zahlreichen und sehr 
heftigen Erdstößen. Auch das Auswerfen der Steine, die Feuer- 
erscheinungen, die völlige Verfinsterung der Sonne und der ungeheure 
Aschenfall werden bei beiden Schriftstellern im ganzen übereinstimmend 
als Haupterscheinungen der Katastrophe angegeben.^) Anderes ist dem 
Berichte des Cassius Dio eigentümlich. So die Schilderung des den 
Ausbruch begleitenden donnerähnlichen Getöses und die Angabe, daß dem 
Auswerfen der Steine, unter welchen hier offenbar ebenso wie bei Plinius 
nicht nur Lapilli sondern auch vulkanische Bomben zu verstehen sind, 
eine ganz gewaltige Detonation vorausging.^) Beides stimmt durchaus 
mit dem überein, was moderne Beobachtungen vulkanischer Eruptionen 
ergeben; namentlich die offenbar eine gewaltige Dampf- und Gasexplosion 
darstellende Detonation {xrvnog s^aldioc), welche der eigentlichen Eruption 

1) 66, 21. 

2) Vgl. Schwartz in Pauly-Wissowa's Beal-Encyclop. 111,2 unter Cassius Dio, 
bes. Sp. I714if. und Waclisnauth, Einl. in d, Stud, d. alt. Gesch. S. 596-601. 

3) Cass. Dio 66, 24, 3 o rJ' oiv Tlzog xolq fxU' Ku^navolq 6vo aviSqcq tx twr 
vmtxfvxoxwv ülxtcräg ^nsfitpe usw. = Suet. TU, c. 8 Curatores restiiuendae Cam- 
paniae e consularium numero sorte duxit usw. 

4) Cass. D. 66, 22, 3 xal aeiofiol ^^altpvtiq atpoögol ^ylvovro. — 4 xat (tvhi^ofiov 
TiQWTOv fjLtv kl^OL vTceQfieyiB-sig — tTteiza tivq tioIv xal xanvhq anlerog — 24, 1 ric 
Tf ovv iS iifJitQaq xai axbtoq ix (ffotbq iyivtto. — 3 xal xtifga afjtvlhjtoq ctve<pvaiji)-ij. 
Daß nach weiteren Angaben unseres Berichtes die Asche unter Menschen und 
Tieren gewaltigen Schaden anrichtet, ist ebenso wahrscheinlich wie, daß der 
Aschenregen auch in Rom stattfindet. Selbst die Angabe, daß die Asche bis 
nach Afrika, Syrien und Ägypten gelangt, erscheint nach dem, was wir über 
spätere Ausbrüche des Vesuvs, des Aetnas und anderer Vulkane erfahren, nicht 
unglaublich. Vgl. Credner a. a. 0. S. 157. 

5) 66, 22, 3 f. ^/fft TS ai fily i^oyeioi (iQOvxiuq ioixvTai lä rff tniytini /uvxfj^fwu 
ofiotai avvtßaivov — xax xovxov xxvnoq xe ^^aiaioq tiamvctiioq wq xu\ xioihoQvjv 
ovfminxovxoiv i^tixora^/j. 

9 



218 S. Herrlich, 

unmittelbar vorausgeht, erinnert direkt an die Eruptionen, welche un- 
mittelbar vor den Hauptausbrüchen der Soufriere und des Mont Pel6 am 
7. und 9. Mai 1902 beobachtet worden sind.') Während ferner die 
Briefe weder Pompeji noch Herkulaneum nennen, gibt Cassius Dio aus- 
drücklich an, daß die beiden Städte von der Asche verschüttet worden 
sind. Dabei findet sich aber die Angabe, daß das Volk von Pompeji 
gerade im Theater saß, als die Verschüttung eintrat.^) Diese, bekanntlich 
von Bulwer in seinem berühmten Roman benutzte Nachricht erscheint als 
unglaubwürdig. Der ganze Verlauf des Ausbruchs, wie er uns ebenso 
nach den Angaben des Plinius und des Cassius Dio selbst, wie nach der 
Prüfung der Verschüttungsdecke erscheint, muß es geradezu als aus- 
geschlossen erscheinen lassen, daß beim Beginn des Aschenregens das 
Volk im Amphitheater — denn nur an dieses ist zu denken — versammelt 
gewesen ist; auch haben sich bei der Aufdeckung hier keinerlei Überreste 
von Menschen gefunden, und, endlich haben seit 59 n. Chr. höchst- 
wahrscheinlich Spiele im Amphitheater von Pompeji überhaupt nicht mehr 
stattgefunden.^) Ganz in das Gebiet der Fabel gehört endlich das, was 
unser Autor von den übermenschlich großen Bildern der Giganten gleichenden 
Gestalten von Männern berichtet, die vor dem Ausbruche in großer 
Anzahl auf dem Berge und in dessen Umgegend, bei Tag und bei Nacht, 
auf der Erde und in den Lüften erschienen; auch während des Ausbruches 
sieht man nach unserem Bericht Gigantenerscheinungen in dem Rauche 
und hört Trompetenton.^) Offenbar knüpft hier Cassius Dio an die recht 
alte mythologische Überlieferung an, nach welcher der Schauplatz der 
Gigantenschlacht und der Name desselben, ^Xeyqa oder 0)^yQmov nediov, 
von dem mazedonischen Pallene, das nach Herodot (VH, 126) früher 
U^keyga hieß, auf die vulkanische Gegend von Kyme, welche nach der 
Angabe Diodors (IV, 21) von dem Vesuv ihren Namen 0ksYQcdov nsSiov 
erhalten hat, übertragen worden ist.^) Wenn ferner nach Cassius Dio 

1) Vgl. Credner a. a. 0. S. 156 „das Rollen wird zum furchtbaren Gebrüll und 
Getöse, krachend zerbirst der Kraterboden** und über die Ausbruche auf Martinique 
und St. Vincent die oben S. 209 Anm. 1, S. 212 Anm. 3 und S. 214 Anm. 4 an- 
geführten Berichte. 

2) 6G, 23, 3 x((i nQoabxt xh\ noXsig 6vo olag, xo re 'Hgxovkavfov xai rovg 
IIofjiTiTjiovgr tv d-eaxQüt xov bfiiXov arxifg xax^t^fjitvoi\ (ri xt(p^a) xaxiyvoaev. 

3) Vgl. Overbeck-Mau, Pompeji, S. 13 f. und 192 und Nissen, Pompeji-Studien, 
S. 107 und 127. 

4) 66, 22, 2 (tvÖQeg no).),o\ xat fjieyt(?.oi näoav xtjv av&QWTilvtjv <pvatv vn£(}' 
ßeßhixbxtq, o'lot o\ yiyavxeq yQittfovxai, — Iv X{/ yy ne()tvoaxovi'xeg xal ^v xw (c&()i 
ihutpoixbirxeg itpavxn^ovxo. — 23, 1 xal ^öbxovv o\ fih' xovq yiyavxaq tnttvicxua^cti 
(tioVm yuQ x((i xbxe 6T6(o)m «itwi' h' r<5 xctitvw 6t€<falvtxo. xa\ 7i(iOoext xal aal- 
Tiiyyojv xiq ßofj T/xohxo). 

5) Hauptstellen: Polyb. 3, 91, 7; Strabo 5, 243 und 245. Diodor. 4, 21 und 
5, 71. Andere siehe in dem Artikel ^Giganten'* von llberg in Roscher's Lex. der 
(/r. und r. Myth. 1, 2 Sp. 1648f. Vgl. außerdem Sudhaus zu Aetn^, 41—73 S. 104f. 

10 



Die antike Überlieferung über deti Vesuv- Ausbruch im Jahre 79, 219 

ein Teil der bedrohten Bevölkerung unter dem Furcht und Entsetzen 
erregenden Eindruck der Eruption geglaubt hat, die Giganten stünden 
wieder auf, so ist es recht wohl möglich, daß dieser Glaube wirklich 
geherrscht hat. Denn weit verbreitet war die Meinung, nach welcher die 
Ausbrüche der Vulkane durch die Befreiungs- oder Bewegungsversuche 
der unter ihnen gefesselt gehaltenen Giganten bewirkt würden.^) Wie 
nach dem Vorgange des Hesiod {Theogon. 859f.), Pindar {Pyth. I 15ff.), 
den später den Giganten zugezählten Typhoeus „unter Kymes meer- 
uragürteten Strand", unter Sizilien und unter dem Ätna liegen läßt, wie 
nach Vergil {Aen. lU 578 ff.) der unter dem Ätna liegende Enceladus 
durch seine Bewegungen die Ausbrüche des Vulkans bewirkt, und wie 
endlich auch der Dichter des Gedichtes Aetna^ ein leidenschaftlicher 
Gegner aller mythologischen Erklärung der Naturvorgänge, den Juppiter 
„der in bangem Staunen von fem die Gluten sieht", fürchten läßt, „daß 
nur nicht wieder die Giganten neugeboren sich zum längst begrabenen 
Streite erheben" und fast ganz wie bei Cassius Dio, „unbestimmte Gesichte 
und Gestalten von Menschen" erscheinen läßt,^) so liegen nach der Angabe 
des Philostratus, welche dem Berichte des Cassius Dio ungefähr gleich- 
zeitig ist, viele Giganten unter dem rauchenden Vesuv begraben.^) Zeigt 
sich also auch der Bericht, den Cassius Dio über den Vesuvausbruch vom 
J. 79 gibt, schon nicht mehr frei von Entstellungen durch Mythenbildung, 
so bildet er dennoch die bei weitem wertvollste Ergänzung zu den Briefen 
des Plinius. 

Wie aus diesen Briefen, so tritt uns auch aus den Versen der zeit- 
genössischen Dichter der tiefe Eindruck entgegen, welchen die Katastrophe 
des Jahres 79 auf die Mitlebenden gemacht hat. Die vier Dichter aus 
der Zeit der Flavischen Kaiser, deren Schöpfungen uns erhalten sind, 
Valerius Flaccus, Silius Italiens, Statins und Martial, gedenken sämtlich 

UQd Gruppe, Griech. Mythol u. Religionsgesch. S. 433f., 210 und 3G7. Den ersten 
Ursprung der Gigantensage in Pallene und Kyme scheint Gr. auf das euboeische 
Chalcis zurück/.afuhren. 

1) Vgl. bes. Ilberg a. a.;0. Sp. 1649 u. 1652f., Gruppe a. a. 0. S. 434 Anm.2, 
wo die Stellen über die unter Inseln und Bergen liegenden Giganten angeführt 
sind; desgl. M. Mayer, Giganten u. Titanen, S. 209 ff. 

2) AetTia 29 wird vor dem Trug der Dichter gewarnt, welche die Vulkan- 
ausbrüche durch Mythen erklären und V. 42 wird die Erzählung vom Giganten- 
karapfe bei Phlegra geradezu als „impia fabuW bezeichnet. Vgl. dazu Sudhaus 
a.a.O. S. 104f. Wenn es dann V. 203 f. heißt: Ipse procul tantos miratur Juppiter 
ignes | neve sepulta novi surgant in hella gigantes — so scheint mir darin allerdings 
ein gewi.sser Widerspruch gegen die ina Prooemium vom Dichter geäußerten An- 
schauungen zu liegen. Diesen bestreitet Munro gegenüber Sudhaus S. 128f. 
Vgl. auch zu V. 470 (Illinc incertae fades Juminumque figurae) Sudhaus S. 182f. 

3) Philostr. Heroic. p. 289 Uyovai yuQ 6r^ (NfitnoUrai) noXXovg xwv yiyavrwv 
^x€t ßeß).^a(kru xat xo B^aßiov oQoq ^li (orolg xitpsa^tu. Vgl. auch Claudian. de 
rapt' Proserp, IIl, 18-1 f. — fractane iugi campage Vesein \ Ahymieus Tyrrhena pedes 
per stagna cucurrit? 

11 



220 S. HeirlkK 

des erschütternden Ereignisses. Zum Gegenstand einer besonderen, 
größeren Dichtung hat allerdings keiner der vier eben genannten Dichter 
den Vesuvausbruch gemacht; wohl aber hatte der Vater des Statius, wie 
uns der Sohn in dem Epicedinm auf den Vater mitteilt, das Unglück 
Campaniens in einem Klagegedichte besingen wollen, eine Absicht, deren 
Ausführimg sein bald nach dem Ausbruch, spätestens im J. 80 erfolgter 
Tod, verhindert hat.^) Wie der Vater, so scheint auch der Sohn als 
geborener Neapolitaner durch die Vernichtung der campanischen Städte 
besonders tief ergriffen worden zu sein. An 4 Stellen seiner Silvae 
gedenkt er schmerzlich bewegt des Ereignisses. Die ältesten dieser Er- 
wähnungen finden sich in dem eben angeführten Klagegedicht auf den 
Tod des Vaters. Denn wenn auch diesem Epicedinm vor der wahr- 
scheinlich nicht mehr durch den Dichter selbst erfolgten Veröffentlichung 
später noch Verse hinzugefügt worden sind, so ist es doch im wesentlichen 
nach der eignen Angabe des Statius (V, 3, 29 f.) kaum 3 Monate nach 
dem Tode des Vaters, also spätestens im J. 80 entstanden.^) Unter den 
Schülern, die den Vater des Dichters aufzusuchen pflegten, nennt er auch 
die, welche die „von Venus beklagte Heimatsstätte und das Land des 
Aleiden" entsandt habe, offenbar werden damit Pompeji, die Colonia 
Veneria^ und Herkulaneum als Stadt des Herkules bezeichnet. An der 
andern schon erwähnten Stelle dieses Gedichtes wird die Verschüttung 
der beiden Städte unter den vom Vesuv ausgeworfenen Massen in ganz 
eigenartiger Weise dargestellt: Juppiter habe den Berg der Erde entrückt 
und bis zu den Sternen emporgehoben, und ihn dann auf die unglücklichen 
Städte hinabgeworfen. 3) In dem kurz vor der Rückkehr nach Neapel an 
die schmoUende Gattin gerichteten Gedichte, das also wohl im J. 94 oder 
95 entstanden ist, hebt er hervor, daß auch in seinem geliebten Campanien 
der früh verwitweten Stieftochter sich die Aussicht auf neues eheliches 
Glück darbiete; denn nicht ganz und gar habe der Flammensturm des 
furchtbaren Berges die Städte Campaniens vernichtet.^) Aus dem wenig 
später, wahrscheinlich im Sommer 95, geschriebenen 4. Gedichte des 
4. Buches erfahren wir zunächst, daß auch damals von Neapel aus — 
denn von hier aus ist die poetische Epistel an Victorius Marcellus ge- 
richtet — die vulkanische Tätigkeit des Feuerberges in ähnlicher Weise 
wahrgenommen wurde, wie dies bis ganz vor kurzem auch in neuerer Zeit 

1) Stat. Silvae V, 3, 205 f. Jamqtie et flere pio Vestiina imendia cantu | mens erat 
et gemitum patriis impendere damnis, 

2) Über die Entstehungszeit der einzelnen Gedichte der Silvae vgl. H. Nolil 
Quaestianes Statianae (Berlin. Diss. 1871) und Friedländer, Ä. Sittengesch, III S.440iT. 

3) V, 3, 164 f. Qiios Veneri plorata domm neglectaque tellus \ Alcidae — (mittit). 
— 207 f. Cum pater exemptum tenis ad sidera montem | mstub't et late miseras deiecit 
in nrhes. 

4) III, 5, 72 f. Nmi adeo Vemdnus apex et flarnmea diri \ montis hiems trepidan 
exhansit civibus urhes. 

12 



Die antike Überlieferung über den Vesuv-Ausbiuch im Jahre 79. 221 

der Fall war. Das Schicksal der im J. 79 verschütteten Städte veranlaßt 
dann den Dichter zu der Frage, ob künftige Geschlechter es glauben 
würden, daß unten Städte und Völker begraben liegen. Wenn er aber 
von einer Zeit spricht, in der die verwüsteten Gefilde wieder grünende 
Saatfelder bedecken würden, so hat er damit genau den Anblick dargestellt, 
den die Verschüttungsdecke über dem noch unausgegrabenen Teil Pompejis 
und seiner Umgebung heute darbietet.^) Nur in einem einzigen seiner 
Epigramme gedenkt der dichterische Kollege des Statins, Martial, der 
Katastrophe; aber der Gegensatz zwischen Sonst und Jetzt kommt in dem 
kurzen Gedichte zum ergreifenden Ausdruck. Im Sommer des Jahres 88 
hielt sich Martial am Golf von Neapel auf; aus dieser Zeit stammt höchst 
wahrscheinlich das im Dezember 88 veröffentlichte Gedicht. Der Anblick 
der furchtbaren Verwüstung an den Abhängen des noch vor kurzem von 
Bacchus geliebten Vesuv, an den Stätten von Pompeji und Herkulaneum, 
preßt ihm den Ausruf aus: wcc mperi vellent hoc licuisse sibi. Dabei 
wird die Verschüttung unter den Aschenmassen deutlich bezeichnet. *) Nur 
in zwei Gleichnissen hat Valerius Flaccus in seinem Argonauten-Epos des 
Vesuv- Ausbruches gedacht: charakteristisch ist, daß an beiden Stellen, die 
sehr bald nach der Katastrophe geschrieben sein müssen, das Donner- 
getöse der Eruption erwähnt wird. 2) Silius Italiens endlich scheint bei 
seiner Schilderung des Vesuvs, obwohl sich dieselbe auf die Zeit des 
Hannibal beziehen soll, doch offenbar die gewaltigen Veränderungen vor 
Augen zu haben, welche durch den Ausbruch des Jahres 79 hervorgebracht 
waren. Gelegenheit, eine Anschauung von dem Aussehen des Vulkans 
nach dem J. 79 zu gewinnen, hat der Dichter im reichen Maße gehabt. 



1) IV, 4, 78—85. Haec ego Chalcidicis ad ie, Marcelle , Rmiabam \ litoribus, fractas 
ubi Vesviu4i egerit iras, \ aemula TrinacriiH rolvens htcendm flammis. I Mira fidesf vre- 
deine rirum Ventura propa{/o, \ cum segetes iienim^ cum tarn haec deseria lirebunt, \ in- 
fra urhe» populosque premi proavitaque tuto | rura ahiiase mari? necdum letale mi- 
nari \ ccssat apex. 

2) Mart. IV, 44, V. 7 Cuncta iacent flammis et tristi mersa favilla. Über die 
KntstehuDgszeit des Kpigramins vgl. Friedländer in der Einleitung zu seiner Aus- 
gabe des Martial I S. 65f. und Sittengesch. III S. 430f. 

3; Argon. 11 1 208 f. — magis ut mugifor anhelat \ Vesntis, attonitas acer cum 
suscitat urbes. — IV, 507—9 Sic ubi prorupti tonuit cum forte Vesaevi \ Hesperiae 
letalis apex, vixdum ignea montem \ torsit hiemps, iamque eoas cinis induit urbes. Wenn 
eoas festzuhalten ist, so können hier nicht die von der Asche verscliütteten Städte 
P. und H. gemeint sein, sondern V. Fl. will auf den auch bis zu den Städten 
des Ostens gelangten Aschenfall hinweisen; dafür spricht auch der Gegensatz 
Hesperiae — eoas; es wäre dies eine Bestätigung des Berichtes des Cassius Dio 
6ß, 23, nach welchem die Asche bis nach Afrika, Syrien und Ägypten gelangt. 
Siehe auch oben S. 217 Anm. 4. Übrigens erinnert Stat silv. III, 5, 72f. im Aus- 
druck so stark an Argon. IV, 507 ff., daß man wohl annehmen muß, daß Statins die 
Stelle der An/on. vorgeschwe])t hat. 

Beitrage z. alten OeMchichtc IV 2. 15 

13 



222 S. Herrlich, 

da er einen großen Teil seiner späteren Lebenszeit — er starb im J. 101 — 
auf seinem Landgnte in der Nähe von Neapel verbracht hat.*) 

Von dem erschütternden Eindruck, welchen die Vesuv-Katastrophe auf 
die Zeitgenossen gemacht hat, legen femer die angeblichen Sibyllinischen Weis- 
sagungen Zeugnis ab, welche bald nachher verbreitet gewesen sein müssen. 
Derartige „wilde" oder „illegitime" Sibyllenspruche, wie sie Wissowa*^) 
nennt, waren wie früher so auch im 1. Jahrh. vielfach verbreitet; gerade 
Erdbeben und ähnliche Schrecken erregende Naturvorgänge bildeten vielfach 
den Inhalt der Prophezeiungen. Es ist daher auch gar nicht auffallend, 
daß die aißvXXufrai^) dieser Zeit angeWiche Sibyllensprüche verbreitet 
haben, in welchen die Katastrophe der campanischen Städte im voraus 
verkündet sein sollte. In Betracht kommt fem er, daß von der ganzen 
Gegend am Golfe von Neapel noch immer, vor allen den Griechen, kein 
Name bekannter war, als der von Kynie. Die tief herabgekommene, stille 
Stadt aber war eng verknüpft mit den Weissagungen der Sibylle: mochte 
die Stimme der cumäischen Sibylle auch verstummt und sie selbst zum 
Kinderspott geworden sein, mochten nach Berichten, die allerdings erst 
einer etwas späteren Zeit angehören, die Fremdenführer in Kyme den 
Fremden das Gefäß zeigen, in welchem die sterblichen Überreste der Sibylle 
ruhten, es kann trotzdem nicht wunderbar erscheinen, wenn nach den 
erschütternden Vorgängen an den Ufern des Golfs, dem Kyme den Namen 
gegeben hatte, ein Cumaeum carmen zum Vorschein kam.*) Plutarch, der 
uns in 2 Schriften von den auf die Vesuv-Katastrophe bezüglichen Sibyllen- 
sprüchen berichtet, läßt in dem Dialoge de Pythiae oramlis die Unglücks- 
fälle bei Kyme und Dicaearchia von Diogenianos als einen Hauptbeweis 
für die Wahrheit der Weissagungen anführen. Denn längst, so führt 



1) Sil. Ital. Fun. XII, 152—54 Manstrantur Vesuvina iuga atque in vertice 
sumnw I depasii ftammis scopuli, fracUisque ruina \ mons circum atque Aeinae fatis 
certantia 8axa. fractusqu^ ruina erinnert an die Stelle des 1. der beiden Briefe 
des jüngeren Plinius, wo er von dem vereitelten Landungsversuche seines Oheims 
berichtet wird: iamvadum subitum ruinaque montis litora obstantia (siehe auch oben 
S. 214 und Anm. 2). 

2) Bei. und Kult. d. Blhn. S. 464. 

3) cf. Plut. Mar. c. 42. 

4) Über Kyme und die Sibylle vgl. i. allgem. Nissen Ital. Landesk. H, 2 
S. 723flf. und Diels Sibyll Blätter S. 56ff. Ein Kindervers auf die cum. Sib. bei 
Petron. 48: Nam Sibyllam quidem Cumis ego ipse oculi^ mein vidi in ampulla j)endere 
et cum illipueri dicerent 2lßv).la xi O^hkti^;; respondebat illa anoi^uvtlv i^hkw. Cber 
die sterblichen Überreste der cum. Sib. meldet Paus. X, 12, 8: Vt^ov 6^ lÖQlav 
^v \A71bklvDVoq h()öi foi Kvfi(uoi) Af-ixvvoioiv ov ßtyaXriv, ri^; ^tßvk/.t^s; ^vtuv^i: 
xsTa^ai (ptt/uBvoi r« ooTn. Damit übereinstimmend (Pseud.) Justin. Mart. cohort, 
ad gefit. c. 37 (II p. 118 Otto) vTtodEt^avzojv (xwv 7te()ifjytTa)v) xal (fitxov xtva — iv 
V) xa Xelxp'civa avxfjg <ja)'C,ea^(u. Nach Bardenhewer, Qesch, d. altk. Litt. 1 S. 217 
.stammt die cohort. aus d. Jahren 140—180; nach Harnack, Altchrist. Litt. 1 erst 
aus der Zeit nach Constantin. 

14 



Die antike Vhei-liefermig iihei' den Vesuv- Ausbruch im Jahre 79, 223 

Diogenianos dem skeptischen Boethos gegenüber aus, hätten Sibyllensprüche 
diese verkündet, so daß ihr erst ganz vor kurzem erfolgtes Eintreten die 
Erfüllung einer Schuldforderung durch die Zeit darstelle. Ohne Pompeji 
und Herkulaneuni zu nennen, charakterisiert er doch das Ereignis recht 
deutlich: das unterirdische Feuer des Berges sei zum Durchbruch gekommen, 
das Meer in siedendes Wallen gekommen, Stein- und Aschenregen erfolgt, 
bedeutende Städte seien vernichtet worden. Die Schlußbemerkung, daß, 
nachdem es Tag geworden, infolge dieser Vorgänge alles so verändert 
erschienen sei, daß man nicht einmal die Stelle der verschütteten Städte 
habe erkennen können, erinnert an die Angabe in dem 2. Brief des Plinius, 
daß beim Wiedererscheinen des Tageslichtes den Menschen alles verändert 
erschienen sei.^) Mit Ausnahme dieser Schlußbemerkung halte ich die 
hier gegebene Schilderung des Ausbruchs für die Wiedergabe des Inhalts 
angeblicher Sibyllensprüche. Auf diese bald nach dem Ausbruche ver- 
breiteten heidnischen 2ißMeta geht auch die 2. Stelle Plutarchs zurück: 
Thespesios hört im Jenseits eine weibliche Stimme in Versen reden; sein 
Führer erklärt dies für die Stimme der Sibylle, welche auf dem Antlitz 
des Mondes, indem sie zugleich mit diesem umschwinge, die Zukunft ver- 
künde. Unter dem Wenigen, was Thespesios verstehen kann, hört er das 
auf die Katastrophe am Vesuv und bei Dikaearchia Bezügliche, zugleich 
mit einem den Tod des zu dieser Zeit regierenden Herrschers verkündenden 
Verse.2) So nahe es lag den Tod des gerade 2 Monate vor dem Vesuv- ' 
ausbruche (am 23. Juni 79) verstorbenen Kaisers Vespasian mit diesem 
in einer Weissagung zu verbinden, so geht doch aus der Plutarchstelle 
keineswegs hervor, daß dies wirklich der Fall war; es kann sich sehr 
wohl um 2 verschiedene Sißvilsia handeln. Auf ein solches bald nach 
dem Ereignis verbreitetes heidnisches StßvUeiov geht nun, m. E. auch 
eine auf den Vesuvausbruch bezügliche Stelle des 4. Buches der orar. 
Sihyll. zurück.^) Daß uns in diesen Versen vielleicht der älteste zeit- 

1) Flut, de Fyih, or. c. 9 (p. 398 E.) xfivx'i tSl r« nitoatparu xiO veit naOtf ;rt(>/ 
rt KifUfV xcd Jixtuag/ftayf ov/ vfivovfjttrc ntOua xid ((6o/uev(( öiä rwv ^ißv).),tUov 
o XQovoi; äane^ o(pf-i).ioi' (tnotSt-AwxBV, ^x^r^^et^; :iv()oc oQeiov xtci f^tatig S-akaaolag xai 
7teT()(iiv xfc) fp),tyßov(öv inb TtvtvjtKaog av(C()(}i\i'ei(; xat (fiko^cf; 7f6?>eojr ilfjia toaovraßVy 
x((i xrßixovToiv. wq fiei)'' iifit-Qav ineXf^ovotv ayvotav elvai x(d aaaiptttcr onov xarä- 
x^vio Xfiq X(if(>((g avyxs'/vfiivtj*;. 

2) Plut de ser. mim. vind. p. 566 E. wv i)v xiu xo neg} xo Bhoßiov ogog xat 
Xi/V J txaia(}X6iag (Reiske liest JixcuaQyeutv) vnb nv(ioq tp^ogav ytvtjoofitvriv xid xi 
xofxfKtxiov 7it(jl xov xoxa r^ys/xbvog dtg ^ai^kog ^cbv vovoio xv{iuvvi6a IbixpBt. Un- 
möglich scheint es mir, daß Plut. die Sibylle von der Zerstörung des bekanntlich 
von dem Ausbruch völlig unberührt gebliebenen Dicaearchia habe weissagen 
lassen; mit Rücksicht auf Plut. d. Fyth. orac, p. 398 E., wo von den Unglucks- 
lUilen in der Gegend von Kyme und Dikaearchia die Rede ist, glaube ich, daß 
auch hier von Zerstörungen in der Umgegend von D. die Rede ist, also vielleicht 
x(u Xfji' xiov 7tt(}i .1ix((ta(j-/tiav vjio TtvQog tfihoQuv ytvtjüOfutvtiv zu lesen wäre. 

3) Orac. Sibyll. (Ausg. von GetTken) IV, 130—136 a/X bnimcr /ßovltig (cii 

15» 
15 



224 S. Herrlich, 

genössische Bericht über die Katastrophe vorliegt, darauf hat innerhalb 
der gesamten Pompeji-Literatur bisher allein Sogliano^) hingewiesen. 

Der um die Sibyllina hochverdiente Geffken^) nimmt, wie dies auch 
andere, z. B. Badt tun, an, daß der Autor des 4. Buches heidnische Orakel 
benutzt hat. Doch beschränkt er dies auf die in den Versen 49 — 114 
enthaltenen Prophezeihungen und sieht als das letzte Ereignis, welches die 
hellenische Sibylle verkündet habe, das Erdbeben an, durch welches im 
J. 60 Laodicea zerstört worden ist (V. 107 f., cf. auch Tac. Ann, XIV, 27). 
Ich glaube jedoch, daß auch für Nachrichten über Ereignisse aus späterer 
Zeit dieselbe Quelle anzunehmen ist, vor allem für den Bericht über 
den Vesuvausbruch. Trotz seiner Kürze hebt derselbe die für die Kata- 
strophe am meisten charakteristischen Züge hervor und zwar im wesent- 
lichen in Übereinstimmung mit dem, was Plutarch in der Schrift de Pyth. 
orac als den Inhalt von Sibyllensprüchen angibt: ixQtj^eig nvQog oqsIov 
bei Plutarch entspricht dem x^^^V^ ^^ro ^wyadog yijg mqcog, beides be- 
zeichnet den Durchbruch des unterirdischen Feuers (cf. Mau, Pompeji S. 18); 
an beiden Stellen wird von dem gewaltigen Aschenregen gesprochen^) 
(yA^yjuovcov vno Tivevfiatog dvaggiipetg entspricht den Worten des V. 133 
yroAlij S^alx^aXoBisaa ti(pQifj iieyav di^iga 7rA)Joj); ferner wird, ohne daß 
Pompeji und Herkulaneum genannt werden, doch, von der Vernichtung 
der Städte gesprochen {(p^ogäg nölewv bei Plut. = V. 132 nokXag 6€ 



^(oyaSog 'iTaXlSog y^q | nvQaog anoargaip^eig elg ovqavbv ev^i^v ^ixtjrai | nolkag 
6h <p^^Sji nbXiag xal avögag oliaayy \ nokkjf 6' id^aloBcaa Tt<pQi] fji^yav al^i^a 
nlriay^ \ xal %^ixä6eg ninxüiatv olä xe fiikrog, | yiyvataxeiv xlne pitjvn' tnovi^avioto 
^eoXo, I evaeß^wv oxi tpikov avuixiov i^okkaovaiv. 

1) In den Aiti della R. Acad, di Archeol (Neapel) 16 S. 165flf. Über die 
Stelle vg). außer Geffken, Kompoa. u, Entstehungszeit der Orac. Sibyll (1902) S. 20, 
besonders Badt, Urspr,^ Irüi. u. Text des 4. Buches der sibyll Orakel (Progr. des 
Johannes-Gynm. in Breslau vom J. 1878) und Arnold, Die Neron. Christenverf. 
(1888) S. 135 f. 

2) a. a. 0. S. ISflf. 

3) Ob aber wie Sogliano annimmt, dieV. 134 genannten yjfxaSeg die Lapilli be- 
zeichnen, so daß der Fall der ^'exaöeg dasselbe bezeichnen würde wie nexgeHv 
ava^^i%peig bei Plut. d. Pyth. or., erscheint mir sehr zweifelhaft. ipexaSeg sind 
Wasser- oder Tautropfen, dann auch Partikelchen von Staub und Sand; daß da- 
durch die durchschnittlich haselnußgroßen Lapilli bezeichnet werden sollen, 
erscheint kaum möglich. Auch der Vergleich mit filXxog = minium (Bergzinnober) 
ließe sich hiermit schwer vereinigen; denn welche Ähnlichkeit haben die grau- 
weissen Lapilli mit dem roten Zinnober? Nun berichtet Vitruv (VIF, 8, cf. auch 
Plin. h, n. XXXIII, 111—124), daß sich beim minium kleine Quecksilbertropfen 
bilden; und femer erzählt der in seinen Angaben als höchst zuverlässig anerkannte 
Rosini {diss. isag. S. 77) wie auch Ruggiero {Centenarschr. S. 25), daß in der 
oberen Aschenschicht etwa hagelkömergroße globuli beobachtet werden konnten, 
die sich aus der Asche und dem bei Vulkanausbrüchen in gewaltigen Massen 
herabfallenden Wasser gebildet hätten ; es wäre daher denkbar, daß die mit fiD.xog 
verglichenen xpexäSeg von derartigen herabfallenden globuli zu verstehen wären- 

16 



Die antike Überlieferung über den Vesuv-Ausbruch im Jahre 79. 225 

(jpA^g TTohag; cf. auch vno TnfQog q>&OQdv bei Plut. de sei\ sum. vind. 
p. 566 E.). Diese Übereinstimmung zwischen den Angaben der Plutarch- 
stellen und denen der Sibyllina erscheint als groß genug, um die Annahme 
einer gemeinsamen Quelle nahe zu legen. Plutarch nennt nun als seine 
Quelle Sibyllensprüche; den Gedanken, daß darunter unsere Sibyllina, 
mögen sie nun jüdischen oder christlichen Ursprungs sein, zu verstehen 
wären, halte ich für völlig ausgeschlossen, ich glaube vielmehr, wie schon 
gesagt, daß beiden Stellen heidnische SvßuXXeia zugrunde liegen. Nach 
den Ergebnissen der neueren Forschung ist es nicht zweifelhaft, daß der 
Verfasser des 4. Buches der Sibyllina ein Jude war.^) Wie dies auch 
sonst in unserer Sammlung beobachtet werden kann,^) so hat auch er die 
von ihm benutzten heidnischen Orakel nach seinen Anschauungen zurecht 
gemacht. Er sieht in der Vesuvkatastrophe ein Strafgericht, daß der Gott 
des Himmels über die Menschen verhängen wird, „weil sie das Volk der 
Frommen vertilgen werden" (V. 135 f.). Daß unter dem eiaeßsayv ^lov 
das israelitische Volk zu verstehen ist, und daß mit dessen Vernichtung 
die Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 gemeint ist, braucht nach den 
überzeugenden Ausführungen Badts, Arnolds und Geffckens hier nicht 
besonders nachgewiesen zu werden. Wenn der jüdische Verfasser, der 
sich unter der Maske der Sibylle verbirgt, die schrecklichen Ereignisse in 
Campanien mit der wenige Verse vorher (125 — 127) deutlich erwähnten 
Zerstörung Jerusalems in Verbindung bringt, so lag dies für ihn um so 
näher, als ganz kurze Zeit vor dem Vesuvausbruche Vespasian, der in 
den Sibyllinis mehrfach an ebenfalls von jüdischen Verfassern herrührenden 
Stellen evaeßciov oksnjQ (V, 36; Xu, 99) genannt wird, gestorben war, 
und Titus, der bekanntlich den Juden ganz besonders verhaßt gewesen 
ist, den Thron bestiegen hatte. Da er den frühen Tod des Kaisers Titus 
(13. September 81) ebensowenig wie die furchtbare Feuersbrunst und die 
Epidemien, welche Rom im Jahre 80 verheert haben, erwähnt, so kann 
man wohl annehmen, daß das IV. Buch der Sibyll. nicht lange nach der 
Eruption, welche überhaupt das letzte zeitlich bestimmbare Ereignis ist, 
welches darin vorkommt, vielleicht schon im Jahre 80 entstanden ist. 
Sogliano weist mit Recht darauf hin, daß den bibelgläubigen Juden oder 
Christen die Vernichtung der campanischen Städte lebhaft an den Unter- 
gang von Sodom und Gomorrha erinnern mußte, und er erinnert an den 
merkwürdigen Graffito, welchen August Mau 1885 auf der Wand eines 



1) Vgl. Geflfken a.a.O. S. 18, Badt a.a.O. S. Uff., Arnold a.a.O. S. 79; 
Alexandre in seiner großen Ausgabe der orac. Sib. I S. 164, II S. 188 und 111 S. 326 
hält dagegen den Verfasser des 4. Buches für einen Judenchristen. 

2) GeÄcken a. a. 0. S. 1 ff. und Nachr. d. K, Ges. d. Wüa. zu Göttingen 1900 
S. 88ff. Für das 3. Buch der Sibyll. hat die Umarbeitung einer heidnischen 
Grundlage zuerst nachgewiesen Gruppe, Griech. Oulte u. Mythen S. 677 ff. 

17 



226 S. Herrlich, Die antike Überlieferung über den Vesuv- Atisbriich im J. 79. 

pompejanischen Hauses entdeckt hat.^) Dieser ließ nämlich deutlich die 
Worte Sodoma Oomora erkennen. Nur von einem Juden oder einem 
Christen haben diese Worte eingeritzt werden können. Was aber sollen 
sie bedeuten? Nissen meint, ihr Urheber habe dadurch die sittlichen Zu- 
stande in seiner Umgebung kennzeichnen wollen: indesssen diese waren 
in Pompeji nicht besser aber auch nicht schlechter als in anderen Städten 
und forderten zu einer solchen Kennzeichung keineswegs heraus. Vielleicht 
ist es eine nicht zu kühne Phantasie, wenn ich es für möglich halte, daß 
die Worte eingeritzt worden sind, als der Ausbruch bereits begonnen 
hatte: sie würden dann den Eindruck wiedergeben, den das furchtbare 
Naturereignis auf einen in biblischen Erinnerungen lebenden Juden oder 
Christen gemacht hat, der wie so viele andere Pompejaner während des 
Lapilliregens im Innern eines Hauses Schutz gesucht hatte. 

Auch Tertullian vergleicht übrigens den Untergang Pompejis mit 
der Zerstörung der kananitischen Städte.*^) Aus dem Kreise des Heiden- 
tums aber führt der philosophische Kaiser Marc Aurel das Schicksal 
der campanischen Städte als ein Beispiel für die Vergänglichkeit des 
Irdischen an.'*^) 



1) Bullet. delVimt. 1885 S. 97. Der Graftito war eingekratzt in die Wand des 
Trikliniums des Hauses Reg. IX, 1, 26. Vgl. auch Mau, I^mjjeji S. 15 und Nissen, 
Ital Landesh 11, 2 S.7H6. 

2) Tertull. de palUo p. 1034 A. dehhic ut Dev^ censor est, inqrieias ignium menuf 
imhres. Hactenus Sodoma et nulla Gomorrha et cinis omnia — er hmfiscemodi 
nubilo et Tuscia Vulmiios deusta, quo magis de ynontihus suis Cnmpania speret. erepta 
Pömpeios. cf. auch Ajjolog. adr. gentes p. 435 A. cum Volsinios de caelo Ponipeios de 
suo monte j)erfudit ignis. A})ol. ad naiioties p. 571 B. und de ])oenit. j). 1358. Quid 
illum thesaurum (sei. gehen nain) igvis aeteini aestimamus, cum fumariola quaedam 
eins tales flammarum idus susdtent, ut jfroximae urhes auf iam nutlae exstent aut 
idem sihi de die spectent? 

3) Marc- Aur. tU hivxov, 48. :ioa(u tM 7Jo/.ti^ o/mi, WoItwc tT:ivj, Ttt^rljxcati', 
*Eklxri x(d IlofjLTiffioi xh\ *Hqx).(\vov xr.i h).)mi avcc(jt0^f{tjTOi\ 



l.S 



227 



Griechisch-orientalische Untersuchungen. 

Von C. Fries. 

L Homerische Beiträge. 

ß. Mythologische Zusammenhänge. i) 

T. Leitende Oesichtspunkte. 

Die gegenwärtig herrschende Richtung der Mythologie sucht im Sinne 
des Bastianschen Völkergedankens möglichst die Übereinstimmungen, die 
sich in Sagen und Riten verschiedener Völker finden, durch eine ge- 
meinsame Naturanlage der Menschen zu erklären. Eine solche Richtung 
ist schätzbar und berechtigt, insofern sie einer entgegengesetzten als Boll- 
werk vorgeschoben wird, kann aber auch zu Einseitigkeiten und Irrtümern 
führen. Als die vergleichende Sprachwissenschaft hervortrat, fing man an, 
allerorten nach neuen Zusammenhängen zu fahnden, und so entstand eine 
Reihe von vergleichenden Disziplinen. Der Entdeckungseifer ließ es jedoch 
oft an der kritischen Besonnenheit fehlen. Gegen diese Überschwenglich- 
keiten trat nun eine Gegenwirkung ein, die aber auch wieder der richtigen 
Maßhaltung ermangelte. Man könnte an die Entsvicklung der philologischen 
Textkritik denken. Auch da folgte auf eine Periode allzukühnen Umspringens 
mit der Tradition eine Zeit der konservativen Kritik, die nun auch in ihrem 
zähen Festhalten am Überlieferten zu weit geht. So sah man früher große 
mythologische Zusammenhänge, wo man jetzt nichts als selbständige Ent- 
wicklungen auf Grund gemeinsamer Naturanlage finden will. 

Jedes der beiden Extreme hatte zeitweilig seine Berechtigung. Nun 
aber gilt es, die wirklichen Resultate zu retten. Es ist besser, vom ein- 
zelnen auszugehen, als große Luftgebäude aufzuführen. Von einzelnen 
festen Stützpunkten kann man dann weiterforschen, die Hauptsache aber 
bleibt das sichere Fundament. Das soll hier an einigen Beispielen dar- 
getan werden. 

Poseidon rollt mit seinem Wagen über die Flut dahin und beruhigt 
mit dem Dreizack das Meer. Vergils Schilderung ist allbekannt. P> baut 
auch Städte, stürmt Mauern und ringt anderen Göttern das Besitzrecht des 

1) A: Zur OescJiidite des epischen Stils und einiger homerischer Motive 8. oben 
Bd. III S. 372-396. 

26 



228 C. Fries, 

festen Bodens im Kampfe ab. i) Denkt man ferner an die Helden, die zur 
Befreiung Hesiones oder Andromedas Meerungeheuer besiegen, so liegt es 
nahe, auch den babylonischen Marduk heranzuziehen, in dessen Mythen 
vom Kampf mit Tiämat u. a. sich all jene Züge wiederfinden. Als Mittel- 
glied könnte der mit Dreizack und Hammer bewaffnete Wassergott Klein- 
asiens Teschub angesehen werden. Der Poseidonkultus auf Rhodos ent- 
hielt nun phönikische Elemente. Der karische Meergott Osogos wurde 
von den Griechen erst Zeus, dann Zrivonoaetdwv genannt. Dann aber heißt 
es im A. T. bei Habakuk (nach Gunkels Übersetzung, Schöpfung und Chaos 
S. 105) „Ist gegen die Ströme dein Zorn entbrannt, oder gegen das Meer, 
Jahwe, dein Grimm, daß du aufs Meer deine Rosse treten läßt, deinen 
Wagen auf Wasserschwall?" und ähnlich ist bei Ezechiel 28, 2 von einem 
Göttersitz inmitten des Meeres die Rede. Der Zug von dem meer- 
beherrschenden und meerstiUenden Gott durfte also Babyloniern, Israeliten 
und Griechen gemeinsam sein. 2) Wer nun in dieser Vorstellung eine 
a priori dem Menschen eingepflanzte Idee erblickt, der wird hierin einen 
neuen Beleg für den Bastianschen Gedanken finden. Wer nicht daran 
glaubt, möge Übertragung etwa von Babylon aus annehmen. Das Folgern 
und Schließen ist in solchem Fall außerordentlich leicht und billig. 
Zwingende Schlüsse aber, meine ich, können erst gezogen werden, wenn 
das Material ganz aufgearbeitet ist oder in großer Fülle vorliegt. Dann 
ergibt sich das ja ganz von selbst. Kühne Behauptungen freilich können, 
wenn sie richtig sind, nicht so viel nützen, wie der Beweis aus der Statistik 
der FäUe, wenn sie aber falsch sind, sehr viel Schaden anrichten. Man 
tut am besten, mit Rankescher Objektivität das Material vorzulegen, es 
wird seiner Zeit am besten für sich selbst reden. Man hat sich dann vor 
der Kritik salviert und doch der Sache der Wahrheit pro virili parte 
gedient. ^) 

Ebenso kann man nur sagen, daß die Artemis, die den Aktäon ver- 
nichtet, mit der Istar verwandt ist, die den Hirten von seinen eigenen 
Hunden zerreißen läßt.^) Für die Identität beider Gottheiten aber ist damit 
noch nichts erwiesen, vorläufig hat man nur einen gemeinsamen Zug. 
Istar muß den Vorwurf hören, sie sei in ihrer Liebe unbeständig, und 
Gigamesch zählt ein ganzes Register derjenigen auf, die sie geliebt und 
zugrunde gerichtet habe. Man wird an Aphrodite und überhaupt die ganze 
leichtsinnige Göttergesellschaft Homers erinnert. Das beruht m. E. auf 



1) PausaD. I 26, 5 u. a. 

2) Vgl. auch Jesus, der das Meer bedroht (Mattli. 8, 23 ff. u. a.). S. Wocheti- 
schnft /■. klass. Phil 1903 Sp. 50. 

3) Vgl. dazu m. Ausf. Nme Jahrb. 1903, 75 ff. S. auch ebda. 1902. 689ff. 

4) IStar wird ja auch als Jagdgöttin dargestellt. S. Jeremias in'Roschers 
Myih. Lex, II 811. I§tar tötet alle ihre Liebhaber, Kirke verwandelt sie; vgl. die 
jungfräuliche Artemis. 

•^7 



Oriechich'orientalische Untersuchungen, 229 

der babylonischen Einrichtung der „Weiber Marduks", wie sie im Gesetz- 
buch Hammurabis begegnen. Zwei Gruppen derselben unterscheidet man, 
die Tempeljungfrauen, die der Göttin durch stete Keuschheit dienten, und 
die Tempeldimen, die durch das Gegenteil der Göttin zu dienen trachteten. 
Beide genossen priesterliche Ehren und standen im Tempeldienst. Der 
Mythos von Istars zahlreichen Liebhabern ist aus diesem Tempeldienst 
entstanden, nicht umgekehrt. Wahrscheinlich lag eine auf Fruchtbarkeit 
bezügliche Symbolik jenem Gebrauch zugrunde, Aphrodite ist gleichsam 
die hypostasierte Tempeldime, Artemis die geweihte Jungfrau. Beide 
dürfen übrigens nicht heiraten. Auch Vesta mag hierher gehören. 

Mit besonderer Sorgfalt behandelt das babylonische Gesetz die erb- 
rechtlichen Beziehungen der Weiber Marduks (vgl. übrigens die hebr. Zona). 
Sie können ihren Nachlaß vermachen, wem sie wollen. — Das Weib 
Marduks kann ihren Nachlaß (unter bestimmten Bedingungen, wenn kein 
Testament des Vaters vorliegt) wem ihr gefällt vermachen (§ 179 ff. Winckler). 
Ebenso bestand ein besonderes Vorrecht der Vestalinnen darin, daß sie 
über ihr Vermögen selbständig durch Testament verfügen konnten (Wissowa, 
Relig. u. Kuli. d. Römer 436). Das Gebot der Keuschheit bestand auch bei 
einigen griechischen Priestertümern. (Plut. Num, 9 Paus. 9, 27, 6.) Was Pau- 
sanias (1. c.) von den Töchtern des Thestios eraählt, die alle von Herakles um- 
armt wurden bis auf eine, die sich ihm entzog, mutet stark babylonisch an. 
Jene Spröde ernennt Herakles zu seiner Priesterin und bestimmt, daß sie 
immer Jungfrau bleibe. Gellius berichtet (VII 7) von Acca Larentia und 
Gaia Tarracia, diese sei Vestalin gewesen, jene corpus in vulgus dahat 
pecuniamque emeruerat ex eo quaestu ubereni. Beide hinterließen dem 
Staat erhebliche Güter und erhielten später einen Kultus. Wir erkennen 
in alledem jene zwei Arten babylonischer Priesterinnen, und so wird sich 
noch manche Einzelheit des griechischen und römischen Kultus, wie z. B. 
etwa die von jener Acca abstammenden 12 (!) AiTalbrüder, auf viel ältere 
Vorbilder zurückführen lassen. 2) Auch die Mysterien mit ihrem leQo? yapio^ 
(vgl. die Erzählung von den Thestiaden bei Pausanias 1. c!) sind wohl 
durch jene Priesterinnen beeinflußt. 

Nerigal stürzt mit gezücktem Schwert auf die Unterweltgöttin Neres- 
kigal, sie flieht ängstlich von ihrem Throne, umfaßt jenen flehend und 
trägt ihm ihre Liebe an. Die Szene entspricht genau derjenigen zwischen 
JKirke und Odysseus. Mehr läßt sich aber nicht sagen. Freilich hat man 
Kirke schon früher für eine Untcrweltgöttin gehalten (Kuhn, WestfäL 
Sagen I 330 u. a.) und dann gewinnen solche Einzelzüge allerdings an Be- 
deutung. Der Garten der Persephone mit seinen Weiden, Erlen und Pappeln 



1) S. Winckler, Die Gesehe Hammurabis S. 29 Anm. 1 und besonders Lehmann 
Beitr.lV S. 39f. Anm. 2. 

2) Vgl. N. Jb. 1903 S. 377. 

28 



230 C. Fries, 

(x 510) erinnert lebhaft an denjenigen der Kalypso, und wie sehr diese 
Nymphe mit Kirke verwandt sei, hat die Homerforschung mehrfach nach- 
gewiesen. Noch etwas kommt hinzu. Vor einiger Zeit hatte ich nach- 
zuweisen gesucht, daß die vier Paradiesströme, die vier Hadesflüsse und 
die vier Flüsse der Kaljrpsoinsel auf eine gemeinsame babylonische Quelle 
zurückgingen und mit den vier babylonischen Weltgegenden usw. zusammen- 
hingen. Ihr Entströmen aus einer Hauptquelle im Paradies beruht viel- 
leicht auf der altorientalischen und auch griechischen Ansicht, daß alle 
Ströme aus dem Urgewässer, das unter der Erde fließt, hervorbrechen. 
(S. 0. S. 228, 3.) 

Nun wird Kirke (x 349 ff.) von vier Nymphen bedient, die als Töchter 
der Quellen, Haine und heiligen Flüsse, die sich ins Meer ergießen, 
bezeichnet werden. Also auch hier vier Flüsse! Denn das liegt hier 
wohl zugrunde.^) Der Analogien zwischen Kirke und Persephone oder 
Nereskigal sind also nicht wenige, dennoch wird man sich noch bescheiden 
und sich vor verfrühten Folgerungen in acht nehmen. Wer übrigens die 
Märchenlitteratur durchgeht, etwa die Grimmschen Märchen von „Brüderchen 
und Schwesterchen", „Fitchers Vogel", „Jorinde und Joringel" u. a. liest, 
wird manche Züge finden, die deutlich an Kirke erinnern. 

Noch eine Einzelheit aus dem Unterweltsglauben. Die Darstellung 
der menschlichen Seele in Vogelgestalt ist weit verbreitet. G. Weicker^) 
erblickt in den Sirenen nach Rohdes^) und Crusius'^) Vorgang chthonische 
Gottheiten, die Seelen der Abgeschiedenen, die blutlechzend zurückkehren 
und die Erdbewohner heimsuchen. Bei den Ägyptern war die Seele = ba 
als vogelartiges Wesen gedacht, gegen welche Vorstellung die von dem 
Genius Ka besonders im Geheimkult sehr zurücktrat.^) Ein neues Zeugnis 
für den griechischen Hadesvogel im Dienst der chthonischen Göttin, er- 
wachsen aus der in Vogelgestalt gedachten Psyche, teilt Sam Wide in den 
Mitteilungen des Instituts {Athen Abt. XXVI, 2, 143 ff.) mit. Bei der Ge- 
legenheit möchte ich auf eine Stelle aufmerksam machen, aus der hervor- 
geht, daß die Vorstellung noch älteren Ursprungs ist, als man bisher annahm. 
In dem babylonischen Epos von der Höllenfahrt Istars heißt es (Obvers. 10) 
von den Bewohnern der Unterwelt „sie sind bekleidet wie ein Vogel mit 



1) Das ist wohl die Lösung, die M. Gröger (Philol. 1900, 228) bei Behandlung 
der Stelle vergebens suchte. 

2) Der Seelenvogel in der alten Literatur und Kumt, Leipzig 1902. 

3) Psyche 373 Anm. 

4) Fhihh 50, 97. 

.')) Ed. Meyer, Gesch. d. Altert. T 14. Über den Phönix als Totenvogel vgl 
Tiele, Gesch. d. Beligianefi^ I 57, Haxthausen, Tramkaulcasien, I 335, E. Sarnter, 
Familienfeste der Griechen und Römer, 6 Anm.. Frohen ins, Weltanschauung der 
Naturvölker, S. 6 ff., Mogk in Pauls Gnmdr. f. german. Phihl^ III 263 u. a. Sam 
Wide, Berl Phil. Wochenschr. 1903, 781. Vgl. übrigens auch Hiller v. Gärtringen, 
Hermes, 37, 134 f. 

29 



Griechisch-orientalische Ihitersuchnngen. 231 

einem Flügeltuch" (= Flügelkleid , Jensen, Keilinschr. BihL VI a. 1.) oder 
nach Jeremias' Übersetzung (in Roschers MythoL Lex, s. v. Nerigal) ,,da 
sie gekleidet sind wie Vögel in ein Flügelgewand". Dies dürfte der nach- 
weisbar älteste Beleg für die Vorstellung vom Seelenvogel sein. 

Vor einiger Zeit hat P. Jensen ^) eine Reihe von Parallelen zwischen 
dem Gilgameschepos und der Odyssee gezogen und man hat den kühnen 
Versuch von klassisch-philologischer Seite aus mit rücksichtsloser Schroff- 
heit zurückgewiesen. Gewiß enthielt er des Übereilten und Unsicheren viel. 
Andererseits aber gebührt P. Jensen aufrichtiger Dank dafür, daß er zum 
erstenmal eine Frage angeregt hat, die sich wohl vorher schon mancher 
gestellt hatte, und die hoffentlich einstweilen nicht zur Ruhe kommen wird. 
Denn wer immer die Bruchstücke des Gilgameschepos mit einiger Auf- 
merksamkeit lesen wird, der kann nicht umhin, AhnHchkeiten mit den 
homerischen Gedichten zu erkennen. Von direkter Beziehung wird niemand 
reden. Eine indirekte Einwirkung ist kaum abzuleugnen. Vortrefflich 
scheint mir der Vergleich zwischen der Hadesfahrt des Odysseus, der 
Heimgeleitung durch die Phäaken und der Fahrt des Gilgamesch zu 
Sit-napistim; was sonst vorgebracht wird, muß erst eingehender be- 
gründet werden. Jene ParaUele aber scheint mir vortrefflich, wenn auch 
die Identifikationen im einzelnen z. T. zu weit gehen. Dagegen hat sich 
Jensen Momente, die für seine Ansicht sprächen, entgehen lassen. Ich 
möchte mir im Folgenden erlauben, meinen Standpunkt zu der Frage 
darzulegen, die hoffentlich noch viele beschäftigen und der richtigen Lösung 
dadurch immer näher gebracht werden wird. Wer Jensens Thesen 2) 
liest, wird leicht erkennen, worin ich ihm folge, worin ich abweiche und 
Neues zufüge. 

Wenn Gilgamesch und Eabani vor dem Hain des llumbaba staunend 
stehen bleiben, den Wald betrachten, wenn beschrieben wird, wie die Wege 
zurechtgemacht sind, wie die Ceder sich vor dem Berge erhebt, darin 
Schatten voll Jauchzens ist«^), so denkt man an die zwiefache Analogie bei 
Homer, wo Hermes staunend den Hain der Kalypso betrachtet, ehe er die 
Nymphe besucht, oder wo Odysseus vor dem Garten des Alkinoos stehen 
bleibt und seine Anlage anstaunt, die übrigens ägyptische Muster wieder- 
spiegelt. Der Garten des Alkinoos ist aber ein junges Stück, offenbar 
eine Modernisierung. Das Original erinnerte vermutlich mehr an Ogygia, 
dessen Gartenschmuck ja auch im Hain Persephones (x 516) durch- 
schimmert. Wo die Heimat der Gartenkunst, der Haine und „hängenden 
Gärten" war, ist aber nicht zweifelhaft. Offenbar spiegelt sich hierin das 
Staunen der Laien über die Pracht der heiligen Haine und Tempelgärten. 

1) Zeitschr. f, Assyriologie XVf, 1901, S. 125 ff., 4 13 f. S. 0. Bd. 111 S. 373 ff. 

2) Vgl. zu diesen Thesen im allgemeinen auch C. F. Lehmann, Bahylomens 
Kultvrmissiov einst und Jetzt, 1903 S. 58 und 80, sowie dazu Jensen, Lit. Centralblatt 
1903, Sp. 1706. 3) Tafel V Z. 8 nach Jensen. 

30 



232 a Fries, 

Auf Tafel X beginnt Gilgamesch die Fahrt in die Unterwelt. Sidnri 
zeigt ihm den Weg, wie Eirke dem Odysseus. Gerade in der Odyssee 
zeigt diese Partie die größte Unklarheit und zahlreiche unnötige Wieder- 
holungen: man hatte diese Teile oft überarbeitet, vielleicht, weil die 
Phantasie des Dichters oder des Volks einen alten Stoff immer wieder 
gestaltete und die Redaktoren nachher möglichst alles hineinarbeiten wollten. 
Odysseus erfährt von Kirke den Weg zur Unterwelt, wo ihm Tiresias den 
Weg zur Heimat verkünden soll. Seine unvollständige Auskunft muß Eirke 
nachher erst ergänzen. Also ist nur ein Vorwand gesucht worden, um 
eine Hadesfahrt des Odysseus zu motivieren. Alle Hadesfahrten der 
griechischen Mythologie weisen verschiedene Ursachen und Zwecke auf. 
Man ist versucht zu glauben, in all diesen Sagen spiegle sich eine alte 
Vorstellung von der Wanderschaft der abgeschiedenen Seele in das Jenseits, 
wie im ägyptischen Totenbuch. Als der Glaube an dies Jenseits mehr 
und mehr schwand und man die Unterwelt mehr mit den Augen des 
homerischen Achill anzusehen sich gewöhnte, wurden jene Beschreibungen 
vielleicht auf das Heldenepos übertragen, und was nicht die Bestimmung 
jedes Sterblichen war, lebte nur noch als besonderes Heldenstück weniger 
Heroen fort. Doch müßte das eingehender untersucht werden. Die lange 
Pilgerfahrt des Odysseus mutet fast wie die Wallfahrt einer ägyptischen, 
viele Prüfungen durchlaufenden Seele an. Doch soll das nicht etwa eine 
neue Parallele sein! 

Gilgamesch fährt hinab zu seinem Ahnherrn Sit-napistim, „der 
hereintrat in die Versammlung der Götter, nach Tod und Leben will ich 
ihn fragen" (Tab. IX Col. H u. HI). Die Hinabfahrt wird mit echt baby- 
lonischer Pedanterie beschrieben. 

Tiresias' dürftige Auskunft, die die Hadesfahrt kaum lohnend er- 
scheinen läßt, mag ein Reflex großartigerer Vorbilder sein. Denn das 
wenige, was Tiresias meldet, hätte zur Not wohl auch Kirke noch pro- 
phezeien können, die sich sonst ja so beschlagen zeigt. Anders im Baby- 
lonischen. In der Unterwelt erzählt der Ahnherr dem Helden, wie die 
Sintflut über die Welt hereingebrochen sei und wie er göttliche Natur er- 
langt habe. Eine grandiose Konzeption, der sich an gewaltiger Größe 
weniges an die Seite stellen läßt, am wenigsten die armselige Tiresias- 
episode. Wohl aber könnte diese von jener indirekt beeinflußt sein. 

Gilgamesch muß auf seinem Schiff 6 — 7 Tage schlafen und wird vom 
Ahnherrn und dessen Frau geheilt, darauf von einem Schiffer in die Ober- 
welt und in die Heimat zurückgefahren. So die elfte Tafel. Sollte bei 
jener Heilung etwas wie Tempelschlaf durchschimmern?^) Odysseus 

1) Bei dem Schlafen im Schiff könnte man auch an die ägyptischen Dar- 
stellungen im Totenbuch denken, wo der Abgeschiedene im Kahn liegend, dar- 
gestellt wird. Zum Tempelschlaf bei den Babyloniern vgl. C. F. Lehmann. Wochmschr, 
f. klass. Phil 1898 Sp. 26, 28 und BabyUmiens Kulturmissum S. 33. 

31 



Oriechmh'Orientalische Untei'suchnngcn, 233 

wird von Alkinoos und seiner Gemahlin bewirtet und dann von deren 
Schiffern in die Heimat geleitet. Auch er schläft auf dem Schiff. Man 
hat in Scheria längst chthonische Vorstellungen gesucht und gefunden. 
Sollten die Nekyia und die Phäakenepisode im letzten Grunde dasselbe 
sein? Wiederholungen eines Motivs? In der Nekyia haben wir Tiresias' 
lange Rede, in Scheria erzählt Odysseus selbst die langen unoXoyoi^ eine 
Ich-Erzählung, gleich der des 8it-napi§tim. Auch der Osiris N. N. im Toten- 
buch erzählt in eigener Person, ebenso der Odysseus vavayoc bei Epicharm. 
So scheint es doch , als ob in der Nekyia und der Phäakenepisode uralte 
Vorbilder durchschimmern, indessen verzichte ich gern auf alle Folgerungen, 
an den Analogien im einzelnen aber darf man wohl festhalten.^) 

Unter dem gleichen Gesichtspunkte möchte auch das Folgende be- 
trachtet werden. Wenn auf dem Gebiet der homerischen Heldensage jetzt 
oft scharfe Worte fallen, tut man wohl, durch strenge Selbstkritik den 
Gegnern zuvorzukommen, andererseits aber gilt es doch auch, das Richtige 
und Wahre unentwegt zu vertreten. Über „Sophistik" zu spotten ist leichter, 
als mit der rastlos fortschreitenden Erkenntnis Schritt zu halten. Mit einer 
Beantwortung der homerischen Frage hat es jedenfalls trotz alles Geleisteten 
noch gute Weile. Man ist heut vielfach geneigt, die ganze Assyrioiogie, 
soweit sie sich zu den Nachbarkulturen in Beziehung setzt, mit einem 
geringschätzigen Lächeln abzutun, und mancher Mißgriff auf babylonischer 
Seite mag das verzeihlich erscheinen lassen. Wer aber einen klaren Über- 
blick über die Punkte zu haben wünscht, an denen Babylon und die 
Westländer sich kulturell berühren und von einander abhängen , der lese 
die auf besonnenster Kritik beruhende Schrift von C. F. Lehmann, Baby- 
loniens Kulturmission einst und jetzig die selbst dem verhärtetsten 
Skeptiker zu denken geben sollte! 

Und nun noch einiges zur homerischen Frage, deren Behandlung ohne 
Vorderasien nie zum Ziele führen kann. 

IT. Kyklopeia — Doloneia — Dnvid in Siph und E^msedi. 

Saul schläft in der Hölile, wie der Kyklop; er war in die Wüste 
Engedi gezogen, weil man ihm gesagt hatte, daß David dort sei, „auf 
den Felsen der Gemsen", und bei den ,,Schafhürden am Wege" befand 
sich die Höhle, also das Lokal ist ganz ähnlich wie auf der Ziegeninsel 

1) Gilgamesch liort im Schiffe die Reden des Ahoherni an. Thor fahrt 
zu Schiff zum Harbard-Odhin (Säm. Edda 7, Harbardslied). Dieser, jenseits des 
Wassers stehend, verkündet dem Thor, daß daheim alles damiederliege und daß 
seine Mutter tot sei. Ebenso Tiresias und Odysseus. Nachher sagt Harbard- 
Odhin dem Thor (Str. 48), seine Gemahlin habe einen Buhler daheim, den solle er 
besiegen (vgl. Penelopes Freier). Thor bittet, ihm den Heimweg zu zeigen. 
(voarog). Die Ähnlichkeit mit Gigamesch ist deutlich. Jesus predigt im Schiff; 
die Seele des AbKeschiedenen in der Barke spricht im Totenbuch lange Gebete, 
Beschwörungen, Hymnen etc. Zusammenhang nicht unmöglich. 

32 



234 C. Fries. 

des Kyklopen (i 183 ff.). Saul aber war in seiner Höhle nicht allein, 
vor ihm war bereits David mit seinen Gefährten hineingegangen: auch 
der Kyklop entdeckt, daß er in seiner Höhle nicht allein, sondern daß 
vor ihm schon Gäste sich eingefunden hatten (Sam. 1. 24. i 251). «David 
aber und seine Männer saßen hinten in der Höhle" (Sara. 1. 24, 4). 
Kbenso die Gefährten des Odysseus: yiftc Sf dsiaarteg anBcavfiBb'' 
ic fivxov ävtQOv (t 236). 

Die Erzählung von Davids Abenteuer ist in doppelter Gestalt erhahen. 
c. 24 ist nur Dittographie von 26. wir benutzen also beide promiscue. 
Nachdem David also Sauls Lager in der Wüste Siph verlassen hatte, trat 
er auf des Berges Spitze von fem, daß ein weiter Raum zwischen 
ihnen war, und rief Abner. dem Feldherm Sauls zu, er habe diesen 
schlecht beschützt. Es sei jemand im Lager gewesen, den König zu 
töten. Also ebenfalls eine Verspottung des Getäuschten wie bei Homer. 
Da erkannte Saul die Stimme Davids, (er selbst sieht ihn also nicht!) 
und rief ihm voll Reue über sein bisheriges Verhalten freundliche Ver- 
söhnungsworte zu: ..Komm wieder, mein Sohn David, ich will dir kein 
Leid fürder tun" (2(), 21). David traut indessen der unerwarteten Regung 
nicht allzusehr, sondern zieht seines Weges (c. 26 f.). Ebenso in der 
Odyssee. Nachdem sich Odysseus mit seinen Gefährten soweit von dem 
geblendeten Kyklopen entfernt hat, offcov ts ysymve ßot]üag. ruft er diesem 
höhnende Worte zu. Polyphem erkennt ebenfalls an der Stimme den 
Odysseus und nachdem er zunächst Gleiches mit Gleichem vergohen, 
schlägt er die umgekehrte Tonart an und bittet Odysseus mit mannig- 
fachen Liebkosungen, zurückzukehren und seine (Jastfreundschaft zu 
genießen. Aber der Held traut dieser plötzlich veränderten Seelenstimmung 
des Riesen ebensowenig wie David der des Königs und rudert fort. Zum 
Beweise, daß er selbst beim König im Lager war, schwingt David den 
Speer und Becher des Königs, den er ihm genommen (26, 16). Odysseus 
gibt sich zuletzt zu erkennen, und teilt dem Polyphem sein Geschlecht 
und seine Heimat mit. Dieser besinnt sich nun auf ein Orakel, das ihm all 
das nun Geschehene längst vorausgesagt hatte (i 507 ff.), so ist dem David 
einst verkündet worden, es werde ihm einst sein Feind in seine Hand 
gegeben werden, daß er mit ihm tue, was ihm gefalle. 

Auch David vergreift sich an dem schlafenden Feinde, freilich in 
ungleich edlerer Weise, durch den abgeschnittenen Zipfel des Gewandes 
(24, 18). David vergilt Böses mit Gutem, das tut - freilich in arglistiger 
Absicht — auch Odysseus durch die Weinspende. 

Von großer Wichtigkeit für die Erklärung dieser Koinzidenzen ist 
eine indische Erzählung, die ganz auffallend an Saul und David 
erinnert. Der Buddha trägt sie seinen Jüngern vor.^) Der Inhalt ist in 



1) Maliuvagglia X '2, Oklenberg, Buddha 337 

33 



Oriechisch'Orientalische Untersuchungen. 235 

Kürze der: König Leidelang wird von seinem Nachbarn, dem König 
Brähmadatta aus dem Reich vertrieben. In der Verbannung wird ihm ein 
Sohn geboren, den die Eltern Lebelang nennen. Der König und seine 
Gemahlin geraten in Brähmadattas Gewalt und werden von ihm hin- 
gerichtet, der Knabe berauscht die Wächter, die die Leichen behüten 
sollen, verbrennt die Toten und schreitet dreimal mit gefalteten Händen 
um den Scheiterhaufen.') Dann nimmt er bei dem feindlichen Könige 
einen Dienst an, erwirbt sich dessen Gunst durch seinen schönen 
Gesang und wird der vertraute Freund des Königs. Eines Tages 
geht er mit diesem auf die Jagd. Beide bleiben allein. Lebelang 
hatte das Gefolge entfernt. Der König wird müde und schläft 
auf Lebelang gelehnt ein. Der Knabe zückt das Schwert, um den 
Mörder seiner Eltern zu töten, da entsinnt er sich der Mahnung des 
Vaters (hier triumphiert die buddhistische Ethik wie bei David über die 
Roheit der ursprünglichen Sage, nach der gewiß des Königs Haupt fiel 
und der Mörder wie Odysseus über Polyphem triumphierte). Dreimal 
zückt er das Schwert, dreimal läßt er es sinken.^) Der König erwacht 
und es findet eine Aussöhnung zwischen beiden statt. Lebelang 
erhält die Tochter des Königs zur Gemahlin. Bei Homer die rohe 
Urgestalt, die ethische Vertiefung bei Saul und Brähmadatta. Die 
Motive wandern nicht allein, auch die Weltanschauungen wandern. 

Auch einige Züge aus der Doloneia lassen sich zum Vergleich heran- 
ziehen. Saul liegt in seinem Lager in der Wagenburg und das Heervoik 
um ihn her, sein Speer aber steckt in der Erde zu seinen Häupten 
(•2(), 3 u. 7). So auch im Lager des Rhesos {K 471 ff.): 
ol (f' evdov xa^drq^ aSrjxotegy ivtea de dipiv 
xaka naQ avxoltSiv x^orl xexAtro, bv yiaxä x6<ffiov 
— — nuQa ii tstpiv ixa<ftip Si^vyeg Ynnov, 
'Pijaog d^ iv ni<s<^ evie^ naq aitt^ J' dxhc mnoi 
i^ imSiipQiddog nvnaxrig ifiäai diSsvro^ 
cf. t 319 KvxXmnog y^Q ^xeiro ^leya ^onaXov nagd <fifix(^. 

Durch Kundschafter erfährt David, daß Saul (26, 4), durch Dolon 
erfahren Odysseus und Diomedes, daß Rhesos eingetroffen sei. David 
sagt zu seiner Umgebung: „Wer will mit mir hinab zu Saul ins Lager?" 
Abisai sprach: „Ich will mit dir hinab'' (26, 6). Auch Diomedes möchte 
nicht gerne allein gehen, dXX^ £? rig fiioi dvrjQ afi moito xal aXXog, fidXXov 
i^aXnwQiq xal daQaaX€WT€Qov sarai (Ä' 222 f.). Odysseus, den der Tydeide 
wählt, erklärt sich freudig bereit. David und Abisai dringen unbemerkt 
ins feindliche Lager, wo alles in tiefer Ruhe liegt, „denn es war ein tiefer 

1) ÄliDlich Antigone fs. Wiein. Mus. 1904, 209 ff.) an deren edles Wort auch 
des sterbenden Königs Ausspruch erinnert: „Nicht durch Feindschaft kommt 
Feindschaft zur Ruhe, durch Nichtfeindschaft koiuml Feindschaft zur Ruhe'' 

2) S. u. Nachträge S. 251. 

34 



Schlaf vom W^rm aaf ^\e gf^al^eii"* rl*'K 12». Aneh die Thraker schliefen 
tief während de?? Blutbades :d ihrf-ru Lsl^«^t. Aihece daLüi Zuiij Aafbmeh. 
damit nicht ein anderer GmH die Troer wecke, -le «elfist mag den Schlaf 
der Thraker ihrerseits zu einem recht dan^^rhaften «resacht hab^n. Ap^jiion 
weckt dann in eifer^uchii^er Anwandlung die thrakiscbe Heers/-haari£5l»7ff.i. 

lHoni«^e« will n^xh weiter unter d^-n Feinden wnten. aber die Gonin 
hält ihn durch Odysseus davon zurOf-k. Afoisai will den Saul töten. David 
hindert ihn daran dun-h Berufung auf G^tt i'>>. i^ff.i. Die beiden Griechen 
nehmen ak Beute die Ro<se des Rh#-5<»s, David und Ab:>ai begnügen sich 
mit dem Speer und Becher de:? Saul. — Wir sehen, daß die Kyklopeia 
und die Doloneia in einzelnen Zügen mit Davids Abenteuer in Sauls Lager 
resp. Hohle ^berein^tiramen und in der Tal sind ja der listenreiche Dulder 
Odysseus und der ebenfalls kluge und vieiverfolgte David verwandte 
Charaktere, beide Lieblingsgestalten der Volksphantasie. Hier mag eine 
gemeinsame epische Quelle vorliegen, nur steht die Davidlegende in 
ethischer Hinsicht auf ungleich höherer Stufe als die an rtthen Zügen so 
reiche Doloneia und die humoristische Kyklopeia. David bezwingt sein 
Herz und schont des Feindes, in der griechischen Sage haben wir die 
rohere, blutigere und somit wohl ursprünglichere Version. In der Vorlage 
mag auch Dand den König getötet haben, darauf weist ja auch die er- 
wähnte Prophezeitmg hin (24. jl die so wie sie erhalten ist. einen recht 
überflüssigen Eindruck macht. Mußte das dem David schon vor Jahren 
prophezeit werden, daß er einst die Möglichkeit haben werde, den Köni^ 
zu töten, wenn er es doch nicht tut? Am Platz war sie. wenn der König 
wirklich fiel: solche Dinge pflegen prophezeit zu werden, wie dem 
Kyklopen. Auch Rhesos wälzt sich ja in bösen Traumen {K 4i»»>L Der 
Bibelbericht hat die Sage ethisch vertieft und an die Stelle der alten 
Metzelei einen Zug rührenden Edelmuts gesetzt, wie etwa auch die Iphi- 
geniensage in Isaaks Opferung ethisch vertieft ers<^-heint. Dasselbe in der 
Buddhalegende, (ianz offenbar ist auch hier die griechische Version der 
ursprünglichen ähnlicher geblieben. 

An die Kyklopeia erinnert noch manches in der Davidsage. 
Polyplieni i.^t bc*sonders zornig, weil ihn ein f <»/» 6/Jyoc n xal ovuSaroc Mai 
axiy.v^ übernioclit hat (c 515). so verachtet auch Goliath den ihn l>e- 
drohenden Knaben Isais (1. 17. 42 ff.)- Odysseus und Da\id fliehen vor 
mächtigen Feinden. Odysseus vor dem Vater des GötterAerächters 
Polyphem. David vor dem von Gott verworfenen Saul. Beide rettet die 
göttliche Hülfe. Beide stellen sich einmal wahnsinnig, beiden wird 
schließlich der Königsthron zuteil. Daß solche Kämpfe mit Riesen und 
Ungeheuern, wie in der Odyssee, uralt waren, sahen wir schon am Kampf 
Marduks mit der Tiäniat. 

Winckler (Altor, Forschungen II 1^2, Gesch. Isr. II 171) deutet Da\ids 
Kampf mit Goliath als den Sieg des neuen Jahres über das alle imd die 

35 



. Oriechisch'Orientalische Urtier suclmngen. 237 

fünf Schleudersteine Davids als die fünf Epagomenen zum Mondjahr von 

3()0 Tagen. Dann könnte man auch die fünf Gefährten, die den 

glühenden Pfahl in Polyphems Auge bohren, für die Epagomenen halten 

{v 335); doch entbehrt die ganze Hypothese jeder tatsächlichen Grundlage, 

solange man über jenen Bruder des Alkaios und den babylonischen Riesen 

im Unklaren ist. Stucken bringt ja Polyphem mit Orion in Verbindung.^) 

Er hätte aber, da er alle Motive der Orionsagen so genau sammelt, das 

auch in der Kyklopeia sich findende Motiv des Ausspeiens nicht übersehen 

sollen, 

— xaS' Se fivv vTTPog 

ygsi TtavdaficamQ' ^dgvyog <f' il^iaavxo otvoc 

ipw/^ioi t dvdqoiiBoi' 6 S' iQSvyero olvoßageiwv. 

Er statuiert für den Orionkreis auch das „Motiv des umgestürzten Bootes" 

(S. 261), und übersieht, daß auch dies sich in x findet, wenn das Schiff 

des Odysseus durch die Schleudersteine des Polyphem ins Schwanken gerät 

und beinahe umschlägt. Allein all die Kombinationen, so geistreich sie 

ohne Zweifel sind, entbehren doch noch des sicheren Beweises, ohne den 

in der Wissenschaft die blendendsten Hypothesen doch nur von geringem 

Nutzen sind. Doch soll nicht geleugnet werden, daß gerade der Vergleich 

mit Orion viel WahrscheinUches enthält. 

II f. Iliupersis und I3oloneia. 

In der Davidlegende, die verschiedentlich an griechische und indische 
Mythen anklingt, findet sich auch ein Abschnitt, der an sich nicht ganz 
verständlich ist, dagegen auf einmal im höchsten Grade durchsichtig wird, 
sobald man ihn mit einigen griechischen Sagenzügen vergleicht. 

Sam. 1, 30 heißt es, nachdem berichtet worden ist, wie die Amalekiter 
Ziklag erobert und verbrannt und die Weiber entführt hätten, darunter 
auch Davids Weiber: (9) „Da zog David hin — und da sie kamen an den 
Bach Besor, blieben Etliche stehen. — Und sie fanden einen ägyptischen 
Mann auf dem Felde; den führten sie zu David, und gaben ihm Brot, daß 
er aß, und tränkten ihn mit Wasser, und gaben ihm ein Stück Feigen 
und zwei Stück Rosinen. Und da er gegessen hatte, kam sein Geist wieder 
zu ihm ; denn er hatte in dreien Tagen und dreien Nächten nichts gegessen, 
und kein Wasser getnmken. David sprach zu ihm: Wes bist du und woher 
bist du {rlg no^ev ftc)? Er sprach: Ich bin ein ägyptischer Knabe, eines 
Amalckiters Knecht: und mein Herr hat mich verlassen, denn ich ward 

krank vor dreien Tagen. David sprach zu ihm: Willst du mich 

hinabführen zu diesen Kriegsleuten? Er sprach: Schwöre mir bei Gott, 
daß du mich nicht tötest, noch in meines Herren Hand überant- 
wortest, so wiU ich dich hinabführen zu diesen Kriegsleuten. Und er 
führte sie hinab Und siehe, sie hatten sich zerstreuet auf der ganzen 

l) Asirahnythen^ S. 275. 

Beitrage t. alten Oeschichti« IV 2. IG 



238 C. Fries, 

Erde, aßen und tranken und feierten über alle dem großen Raub, den sie 
genommen hatten aus der Philister und Judas Lande. Und David schlug 
sie von dem Morgen an bis an den Abend gegen dem andern Tag, daß 
ihrer Keiner entrann, ohne vierhundert Jünglinge, die fielen auf die Kameele 
und entflohen. Also rettete David alles, was die Amalekiter genommen 
hatten und seine zwei Weiber. — Und David nahm die Schafe und Rinder 
und trieb das Vieh vor ihm her." 

Auch Sinon ist nach seinem Bericht von den abziehenden Seinigen 
auf dem Wege liegen gelassen worden (Verg. Aöw. II 133 ff.): limosoqxie 
lacu per noctem obscurus in ulva deliiui (135 f.), wie der Ägypter am 
Bache Besor.^) Beide werden in hilflosem Zustand auf dem Felde von 
der Menge gefunden und vor den Herrn geführt. Beide berichten über 
ihre Erlebnisse, über die ihnen zu teil gewordene schlechte Behandlung und 
die letzten kriegerischen Unternehmungen der Ihrigen. Beide bitten, man 
möge ihnen kein Leid zufügen (Sam. 1, 30, 15. Verg. Aen, II, 140 ff.). 
David und Priamus ermutigen den Gefangenen und forschen ihn dann 
über die Feinde aus. In beiden Fällen veranlaßt der Gefangene durch 
seinen Bericht den Untergang der SeinJgen. Die Amalekiter wie die Troer 
feiern Siegesfeste, schmausen und zechen und werden dabei überfallen und 
vernichtet. Veranlassung zu dem Kampf waren in beiden Fällen Frauen, 
dort die geraubten Frauen Davids, hier Helena. 

Euripides übertrug das in seinem Philoktet auf Odysseus, im Sopho- 
kleischen Philoktet (55 ff.) studiert Odysseus dem Neoptolem eine ent- 
sprechende ÜberläuferroUe ein. Ähnliches bietet in assyrischem Gewände 
das Buch Judith. Holofemes befragt die Moabiter und Ammoniter, wer 
denn die Israeliten wären, die allein ihm zu trotzen wagten (5, Iff.). 
Achior, der Oberste der Ammoniter, berichtet nun, was er von den 
Israeliten weiß, welche Wunder Gott an ihnen gewirkt, und wie man sie 
nur bezwingen könnte, wenn sie ihren Gott erzürnt hätten. (Vgl. die Berichte 
des Demaratos und Themistokles über die Griechen an den Barbarenkönig 
Her. Vn 101, VEQ 110.) Um die Wahrheit dieser Aussage zu prüfen, will Holo- 
femes den Achior zu den Israeliten schicken, damit er bei ihnen mit dem ganzen 
Volk unter dem Schwert der Assyrer falle. Achior wird über das Blach- 
feld geführt und an einen Baum gehängt, die Israeliten finden und lösen 
ihn. Vor die Obersten geführt, steht er Rede, weshalb ihn die Assyrer 
derartig behandelt, und als jene den Sachverhalt vernehmen, versichern 
sie ihn ihres Schutzes und der Oberfeldherr führt ihn in sein Haus. Was 
also bei Sinon etc. als Kriegslist erdacht war, ist hier aufrichtig gemeint. 
Aber die Ähnlichkeit, besonders mit dem Ägypter, ist unleugbar. Auch 
Zopyros und z.T. Gobryas (Xen. Cyr.IV 6) gehören dahin, ferner Peisistratos 



1) Über nachvergilische Versionen (Quintus, Tryphiodor u. a.) s. Heintze, 
Vergils epische Technik, 65 ff. 



37 



Griechisch'orieyitalische Vntersuclmngen. 239 

(Herod. I 59, Plut. Sol. 29, 30 u. a.) und Sextus Tarquinius, der vom Vater 
mißhandelt zu sein vorgibt und so durch List den Römern die Stadt Gabii 
in die Hände spielt (Liv. I 53 Cic. rep, 2, 24 u. a.) Vgl. auch Araspes bei 
Xen. Cyr. VI, 1, 36 ff. 

Helena erzählt i 244 ff. ganz ähnlich, Odysseus wäre einst in Bettler- 
tracht nach Troja gekommen mit Striemen, die er sich selbst gegeißelt: 
nur Helena erkannte ihn, und ihr verriet er den ganzen Plan der Achaier. 
Darauf tötet er viele Troer und kehrt dann zu den Seinen zurück. Ein 
etwas variiertes Seitenstück zu demselben Thema. Auch Dolon erscheint 
von den Seinigen abgetrennt {K 373) vor Odysseus und Diomedes. Wie 
Sinon und der Ägypter fleht er zunächst um Erbarmen. Er wird ebenso 
ausgefragt, weshalb er sich hier und in diesem Zustand befinde (Ä^384). 
Auch Dolon beklagt sich über die Seinigen, über Hektor, der ihm den 
Sinn betört und ihm Achills Rosse versprochen habe (391 ff.). Er wird 
wie jene über die Lage der Seinigen inquiriert und muß Rede stehen 
(405 ff.). Wie der Ägypter findet er sich sofort in alles und wird zum 
Verräter an den Seinigen, während bei Sinon alles Komödie ist. Dolon 
bittet, sie möchten ihn mit sich zu den Ihrigen schaffen (442), wie der 
Ägypter ebenfalls in Davids Macht bleiben möchte (30, 15), oder sie 
möchten ihn, bis sie wiederkommen, gefesselt auf dem Felde hegen 
lassen (443 ff.), wo Sinon nachher gefunden wird {manus post terga 
revindum V. Aen. II 57). Dolens Auskunft benutzen die beiden Achaier, 
um wie David unter den Amalekitern ein Blutbad unter den Troern an- 
zurichten. 

Nun lassen sich noch weitere Sagen heranziehen, in denen durch 
einen verstellten Überläufer die Feinde überrumpelt werden, z. B. die 
ägyptische Sage von der Eroberung von Joppe, nach welcher Thutia, der 
l^'eldherr Thutmosis' III. die feindliche Stadt ebenfalls dadurch erobert, daß 
er sich als Überläufer geriert und seine Gefährten in Krügen verborgen 
in die Stadt bringt.^) Hier Hegt die Ähnlichkeit mit der Iliupersis auf der 
Hand. Ähnliches findet sich in den Sagen vom Fall von Tyrus, von 
Babylon, Veji, Rom u. a. m. Doch scheinen mir jene drei Versionen vor 
den übrigen eine Anzahl gemeinsamer individueller Züge vorauszuhaben, 
so daß der Gedanke an gegenseitige Abhängigkeit nahe liegt. 

Der biblische Bericht andrerseits klingt wieder etwas an den ägyp- 
tischen an. Zunächst ist es ein Ägypter, den Davids Leute finden 
(Sam. 1, 30, 11), ferner zieht David mit GOO Mann den Amalekitern nach 
(ebda. 1, 30, 9), auch Thutmosis Hl. dringt mit 600 Mann in Joppe ein 



1) S. Sj)iegelberg, Die Novelle im alten Ägypten S. 33. Was van Leeuwen über 
den Ursprunj^ der Sage vom hölzernen Pferde aus einem bildlichen Ausdruck 
mutmaßt (Mnemosyne 1904, 121 ff.), ist somit ganz hiutällig. Solche Fehler 
ergeben skh bei mangelnder Berücksichtigung der Zu^amineuhänge. 

W 
38 



240 a Fries, 

(H]rman, Ägyjyten 502). Die Zahl 600 weist übrigens nach Babylon. Die 
durch die Hyksoszeit kriegerisch beseelten Ägypter des neuen Reiches 
drangen nach Syrien vor und hier spielte sich die Belagerung von Joppe 
ab, ähnliche Geschichten von Tyrus, von Babylon selbst weisen nach 
Asien als Heimat der durch List eroberten Stadt und so dürfte dieser 
ganze Kreis in Babel, der Heimat der Belagcrungskunst, seine Urheimat 
haben. Dolon und der Ägypter des Bibelberichts unterscheiden sich von 
Sinon, Zopyros etc. dadurch, daß sie sich nicht verstellen, sondern ihren 
Besiegem die Wahrheit berichten. Für die unglückliche Lage des Ägypters 
fehlt jedes innere Motiv. Die Krankheit scheint ganz äußerlich eingeschoben 
zu sein. Weshalb so viele Umwege, wo es genügt hätte, einen Gefangenen 
oder wirklichen Überläufer zu statuieren? oder David hätte selbst durch 
Kundschafter wohl ebenso leicht die Lage des Amalekiterheeres erforschen 
können. Weshalb also die ganze Episode? Man hat den Eindruck, als 
ob es sich auch hier ursprünglich um eine List gehandelt habe, daß 
die Erzählung eine abgeblaßte Wiederholung einer der Sinonsage ähnlichen 
Geschichte gewesen sei. Nur dann wäre das Ganze motiviert. Weshalb 
z. B. will der Ägypter durchaus nicht zu seinem ehemaligen Herrn zurück- 
gebracht werden? Gewiß hatte dieser ihn vernachlässigt, aber wenn er 
sagt: „Schwöre mir bei Gott, daß du mich nicht tötest noch in meines 
Herrn Hand überantwortest", so klingt das fast, als habe der Ägypter sich 
gegen seinen Herrn irgendwie vergangen und sein Leiden sei eine Be- 
strafung gewesen, er fürchte aber noch fernere Bestrafung, wenn er dem 
Herrn wieder unter die Augen käme, wie Zopyros u. a., oder eine Opferung, 
wie Sinon. 

So geht man wohl nicht fehl, wenn man dies Kapitel der David- 
legende auf ältere Sagen zurückführt, vielleicht eine ägyptische Version 
des Thutia- und Sinonmotivs. — Und auch in der Doloneia dürften ältere 
Elemente enthalten sein. Auffallend ist die Doppellieit der Motive. Nestor 
geht nachts durchs Lager der Griechen und weckt die Schlafenden zur 
Beratung, ebenso Hektor bei den Seinen. Dolon und Diomedes wollen 
die Feinde gleichzeitig auskundschaften, jener von Hektor, dieser von Nestor 
inspiriert. Beide streben nach dem Fang eines berühmten Rossepaars. 
Beide treffen zusammen und der dadurch bewirkte Konflikt konnte nur 
durch einen Verlegenheitsausweg gelöst werden, so ungeschickt wie möglich 
durch die ebenso grausame wie unnötige Abschlachtung des Dolon, der 
den Griechen gegenüber seine Schuldigkeit doch in vollstem Maße getan 
hat. Weshalb motiviert Diomedes seine Grausamkeit so eigentümlich? 
„Lassen wir dich laufen, so möchtest du wohl auch fernerhin spionieren 
oder gegen uns kämpfen." Weshalb tun sie nicht, was Dolon wünscht? 
Weshalb lassen sie ihn nicht einstweilen gefesselt liegen und bringen ihn 
auf dem Heimweg ins Lager? Statt dessen finden sie auf dem Rückwege 
den toten Dolon daliegend und nehmen ihm seine Rüstung ab. 

39 



Oriechisch'orientalische Untersuchungen 241 

Den späten Dichter der Doloneia erfreute offenbar die Duplizität, die 
Symmetrie, der Konflikt der sich begegnenden Spione, ein komödienhaftes 
Motiv, fast an Menandrische Technik gemahnend. Aber den Konflikt ein- 
fädeln war leichter, als ihn lösen. Hier scheinen zwei Sagen in einander 
gewoben, die einander verwandt sind, insofern es sich um Kundschafter 
und nächtlichen Überfall handelt, aber ursprunglich verschiedenen Charakter 
tragen. Weshalb will Dolon gefesselt am Boden liegen gelassen werden etc. 
(443 f.), wenn dies Motiv nachher so völlig unbenutzt gelassen wird? Liegt 
hier der Rest einer älteren Version des Sinonmotivs vor, wie etwa Dionysos 
sich in listiger Absicht als Gefangenen vor Pentheus bringen läßt? (Eur. 
Bacch, 434 ff.) Oder hatte es mit dem Wolfskostüm (/C334f.) eigentlich 
eine andere Bewandtnis? Auch dies Motiv läßt der Dichter nachher 
gänzlich fallen. Sollte es nicht ursprünglich eine wichtigere Rolle gespielt 
haben? In einem Kostüm treten ja auch Sinon, Zopyros u. a. auf. Im 
Rhesos maskiert er sich absichtlich, um als Vierfüßler den etwaigen Ver-» 
folgern zu entgehen. {Rhes. 208 ff.) Oder liegt gar Mythisches zugrunde? 
Der Wolf ist das Symbol des flüchtigen Mörders, nicht nur bei den'Griechen. 
Im Avesta heißt er der Herdenwürger und ist der ärgste Feind des 
iranischen Lichtgottes; Dieb, Mörder und Wolf galten als gleichbedeutend.^) 
In Italien wurde der Mörder mit Wolfsfellen bekleidet {ad He^-enn. I, 13), 
das Wolfsfell hatte auch apotropäischo Bedeutung (Liv. XXVII, 37 u. a.). 
Vielleicht sollte Dolon, „der Argüstige", wie ein Wolf (cf. Verg. Aen, 11, 
35511.) in die Herde der Achaier fallen und alles erwürgen, wie die beiden 
Achaier es im troischen Lager tun. Daraus, daß Wölfe nachts in das 
Lager der Griechen einfallen, schließt Palamedes, daß eine Pest aus- 
brechen wird! (Philostr. hei'oic, 10, 4.) Auch hier die Vorstellung der 
gottgesandten Plagen. — (Übrigens finden sich Analogien zur Doloneia 
und lliupcrsis auch sonst noch, so im 10. Buch des Mahäbhärata. Drei 
Feldherren des besiegten Heeres reiten nachts am Lager der jubelnden 
Feinde vorüber. Zwei von ihnen schlafen in einem Walde ein, nur 
A(?vatthäman wacht. Ein Vogelzeichen ermutigt ihn, er weckt die Ge- 
fährten und teilt ihnen seinen Plan mit, die Feinde zu überfallen. 
Die drei erreichen das Lager der Pancäla, den Eingang sperrt ihnen zu- 
nächst ein Dämon, bedeckt mit dem Fell eines Tigers [des Wolfs 
Indiens]. Sie besiegen ihn und dringen vor. Zwei Helden halten draußen 
Wache, daß niemand entrinne, A(^vatthäman aber erschlägt das ganze 
feindliche Heer bis auf wenige und kehrt zu den Seinigen zurück.) 

Andererseits lagen dem Einfall des Diomedes und Odysseus wohl 
ältere Sagenmotive zugrunde, die hier der Symmetrie zuliebe abgeblaßt 
erscheinen. 



1) Vgl. Gruppe, Gnech, Mythol. S. 805flf., Geiger, Ostiran. Kultur 347, Bar- 
tholoraä, Arische Forschungen \ l.')3, Keller, Tiere d. klass. Altert. 1G8. — Petron. 62. 

40 



242 C Frie9, 

Erzählnngen von nächtlichen Überfällen finden sich ganz gewiß überall, 
nnd es wäre ebenso töricht wie vermessen, hier an eine Stammsage und 
weitere Filiation zu denken. Wenn dagegen eine ganze Gruppe von Sagen 
in ganz bestimmten Zügen individueller Art deutlichste Übereinstimmung 
zur Schau trägt, dann lohnt es sich allerdings wohl, auf die Suche nach 
einer inneren Verwandtschaft und einem einheitlichen Ursprung auszugehen. 
Die genannten Bedingungen nun scheinen mir zuzutreffen für einige Sagen, 
in denen berichtet wird, wie ein großer Herrscher von einer oder zwei 
Personen erschlagen wird, und ich füge gleich hinzu, in diesem Falle 
glaube ich in der Tat auf einen gemeinsamen ursprünglichen Kern hin- 
weisen zu können. Doch zunächst von den abgeleiteten Formen. Erwähnt 
wurde schon die Erzählung von der Tötung der Pan^^äla durch A^vatthäman 
im Mahabhäräta. Ein Heros erschlägt bei Nacht ein ganzes, siegreiches 
und vom Siege und Festjubel berauschtes Heer. Ebenso in der Bibel. 
Sanherib belagert Jerusalem, schon droht das Verhängnis über die Stadt 
hereinzubrechen, da erscheint die Hilfe: ..In derselben Nacht fuhr aus der 
Engel des Herrn und schlug im Lager von Assyrem hundert und fünf 
und achtzig tausend Mann. Und da sie sich des Morgens früh aufmachten, 
siehe, da lag's alles tote Leichname." Sanherib kehrt eilig heim und 
wird in Ninive von seinen Söhnen ermordet. {Kön, 2. 19, 35 f., Jes. 37, 3ß.) 
Bei Herodot greift Sanherib Ägypten an. (II, 141.) Der Priester des 
Hephaistos ruft den Gott um Hilfe an. Der Gott verspricht ihm im Traume, 
zu helfen und ermutigt ihn zum Widerstände. Durch Mäuse, die die 
Bogensehnen der Assyrer zernagen, schlägt der Gott die Feinde. Im 
Tempel stand dann eine Statue des Sethos. in der Hand eine Maus haltend, 
Polykrates hat das ja in seiner Lobrede auf die Mäuse verherrlicht. 
Hephaistos ist Horus, dem die Maus heilig ist, ebenso wie dem Apollo 
Sniintheus. Nach Eustathios (zu A 39) wurde die Maus in der Troas 
verehrt, weil sie einst dasselbe Wunder an den Troeni gewirkt habe. 
In dem Fragment eines babylonischen Belageiiingsepos heißt es: „Die 
Schutzgötter von Hürden-Erech verwandelten sich in Mäuse und gingen 
hinaus durch die . . ." (Jensen 273, 134.) Allerdings ist die Deutung nicht 
ganz sicher. (Jensen 1. c.) Vgl. die Mäuse Sam. I 6. 4 ff. — Ganz 
ähnlich in dem Bericht über den Auszug der Kinder Israel aus Ägypten. 
Um Mitternacht geht der Herr umher und schlägt alle Erstgeburt in Ägypter- 
land vom ersten Sohn Pharaos an, der auf seinem Stuhle saß, bis auf den 
ersten Sohn des Gefangenen, und alle Erstgeburt des Viehs. Im Lande entstand 
großes Geschrei, denn es war kein Haus, in dem nicht ein Toter war 
(Mos. 2, 12, 29). Moses und Aron aber führen ihr Volk aus dem Lande. 
— Eine alte ägyptische Göttersage erzählt, die Menschen hatten sich 
gegen den Sonnengott Rä empört. Da sandte dieser die Göttin Hathor 
auf die Erde, um die Menschen zu vernichten. Nachts steigt Hathör 
herab auf die Erde und richtet ein fürchterliches Blutbad unter den 

41 



Qriechiach'Orientalische Untersuchungen, 243 

Menschen an. Niemand wäre entkommen, wenn nicht Rä selbst Einhalt 
getan hätte, um wenigstens einen Teil der Menschheit zu retten. Er 
bereitet aus Menschenblut, Dadafrucht und Bier einen Trank, der alle 
Felder überflutet. Hathör trinkt davon, wird so berauscht, daß sie die 
Menschen nicht mehr erkennt — und die letzten Sterblichen sind 
gerettet (Erman, Äg, 362 ff.). Die Ähnlichkeit mit der Flutsage ist 
erkennbar. Die Menschen haben wider die Gottheit gefrevelt wie in der 
babylonischen und der biblischen Erzählung. Da wird das ganze Geschlecht 
dahingerafft bis auf wenige, die ins Gebirge geflohen waren. In der 
ägyptischen Sage ist zunächst nicht von einer Flut die Rede, zuletzt erst 
erkennen wir in dem sonderbaren über die Felder fließenden Trank auch 
die Flut wieder. Also damit geht man dem Ursprung dieser Sagen wohl 
auf den Grund. Das Original ist die Vernichtung der Menschheit durch 
die zürnende Gottheit. Der Fortbestand des Menschengeschlechtes zwang 
aber zu der Hinzufügung, daß einige wenige durch die göttliche Gnade 
gerettet worden seien. So Noah, so Henoch. Priesterliche Frömmigkeit 
schmückte das dann in ihrem Sinn weiter aus. Die Menschheit wird zur 
Strafe für Übertretung göttlicher Gebote vernichtet, nur wenige oder nur 
ein ganz frommer Mann entgeht dem Verderben. Die babylonische Legende 
fügt die Drohung hinzu, dem Gott blieben noch Pest, wilde Tiere u. a., 
um die Menschen, wenn sie weiter sündigen sollten, wiederum zu strafen. 
Der Kern sind Naturereignisse, Fluten, Epidemien etc., die von den 
Priestern für göttliche Strafgerichte erklärt wurden. Als die Legende ver- 
blaßte, blieb die Sage als Bestandteil des Epos übrig und übertrug sich 
nach Westen und Norden. Die Sage von Horus, der Sanheribs Heer durch 
Mäuse entwaffnet, gelangte offenbar nicht, wie Wiedemann {Herodot U 
S. 504) meint, aus einer troischen Lokalsage nach Ägypten, sondern 
umgekehrt aus Ägypten, wahrscheinlich auf dem Wege über Kreta ^) nach 
Troas. So wird Troja nachts überrumpelt und die Bewohner werden 
erschlagen. Der Siegesjubel und Rausch der Troer ist vielleicht ein Rest 
des frivolen Übermuts der Menschen vor dem Strafgericht. . Äneas nur, 
der „Fromme", und wenige entkamen. Äneas schart die Seinigen dicht 
um sich wie Noah und Sit-napistim und flieht auf das Gebirge, wie die 
letzten Ägypter, um sich dem rettenden Schiffe anzuvertrauen, das ihn 
und sein Geschlecht über das Weltmeer dahinführt, wo er der Stamm- 
vater eines neuen Troervolkes, der Römer, werden soll. — Seltsam feier- 
lich heben die Kypria an. Zeus will das überhandnehmende Menschen- 
geschlecht vermindern und entfacht deshalb durch Nemesis-Helena den 
trojanischen Krieg, wie Rä durch Hathör die Erdbewohner bekriegt. Von 
einem Frevel der Menschen reden die Kypria nicht, aber das ist nur 
rationalistisch abgeblaßt, offenbar liegt hier ebenfalls die orientalische Idee 



1) So Gruppe, Oriech. Myih, S. 301. 

42 



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^^i^' Hurd*' v^Ttrnfijrt. tnj.'.k'-n tr!r,'/ ?•!'' ur.'.h^T ii.'.d erka:.r:> HIp Men-^* hf-n 
flieht fwUr", SHf'h HtnUn-n f-ni-tarid au- <l'-rn B/Ji d^r t'^-i'^T^ten Manschen 
iU'U W'f'in (Krrnan 'V»4l .SoJIU' h>T Thraki-^h-D-ünv-i^-lies zu finden 
j^^iri? Auch (Ut Tf-Iar/ioni^-r Aja.s toU iff-iff-n die ungerechten Griechen. 
bin ihm die (Gottheit die l^'-innunjf raubt und die firieehen vor seiner 
MordluHt rettet. Alle Tiere erwurtrt Ajas*. nur ein Widder wird srereitet. 
d, h, nieht zur Krhaltun^ der ^iattun^r. <*»ndem für härtere Strafe.M 

Ho wüten ^)dy«<»eu.- und FJionH*fle?* in der Doloneia unter den troi sehen 
Hund^'^jrenoHnen. 

Naeh einer Ver7<ion konnte Troja nieht fallen, wenn die Rosse des 
KheurfH auH dein Skaniander jretrunken hatten, td. h. wohl in Troja bliel>en). 
I)arf man an dan trojanisehe KoÜ denken? Oder an das Palladium (auch 
von OdvrHeuH und Uioniedes (reraubt)? Mehr noch scheint der nachtliche 
Kitt iU*r beiden Helden auf weißen Rossen in der Morjrenfrühe und ihre 
Waffentat durch rlie Dioskurensage beeinflußt. Um weiße Rosse handelt 
eh HJeli, '/Jv/oitQOi xiovo^ ^K 137). Auch Dolon will die unsterblichen 
Kortf^e den Achill errin^^en. Die beiden Griechen schwingen sich nach 
getanem Wr^rk in den Sattel und ja^en ins F^a^^er zurück, wie zwei heil- 
bringende Gottheiten. In der Mor^^enfrühe kehren sie zurück, denn spät 
waren Hie erst aufgebrochen. 



I; Durrli SuhstituitmiriK eine» Widder.^ wird ()(lys.s«*u.s ^^»rettet, ebenso Inder 
Kyklopr'la, wo er mit dem Widder entflieht. Stucken a. a. 0. 342 erkennt ein , Motiv 
der rtuf'KelcKten Ihuire" in den Sa«en von Kronos, (Ksau u. a.) der Zn?? der Ajas- 
H»K<' ««'hört auch «luliin. 



43 



Griechisch-orientalische Untersuchungen. 245 

CL(Srqct ie irj ngoßfßijxe, naQt^XV^^' ^^ niAmv vvl^ 
t&v dvo fioigdcov, rqimtri fsn (xoiqoL leXsinrat (AT 251 f.). 
Auch die Dioskuren sprengen auf weißen Rossen daher. Ihr 
Walten ist meist still und geräuschlos, wie jene beiden Griechen 
im thrakischen Lager still zu Werke gehen. Auch nächtliche 
Überfälle finden sich häufig bei den Dioskuren oder von ihnen 
abgeleiteten Sagen. ^) Tansanias erzählt einen Mythos, der den 
Übergang der politischen Macht von Messenien nach Lakonien versinn- 
bildlicht (IV 27, 1). Zwei Knaben aus Andania, Panormos und Gonippos 
ritten einst gegen das lakedaimonische Lager, in welchem die Spartaner 
das Fest der Dioskuren feierten und schon reichlich dem Weingenuß 
gehuldigt hatten. Die beiden Reiter trugen weiße Gewänder, ritten auf 
schönen Rossen und erschienen so plötzlich vor den Spartanern. Diese 
glaubten an eine Epiphanie der Dioskuren und beteten sie an. Die beiden 
aber ritten ^urch das ganze Lager und teilten mit ihren Speeren nach 
allen Seiten Wunden aus. Nachdem sie sich im Blut der Feinde gesättigt, 
kehrten sie nach Andania zurück. Hier haben wir einerseits die Entsprechung 
mit den Dioskuren, andererseits Überfall und Tötung vieler Feinde, 
nicht im Schlaf, aber in andächtiger Betäubung. — Die Molioniden Eurytos 
und Kteatos beschützten ihren Oheim Augias gegen Herakles und sein 
Heer. Herakles erkrankte und schloß schnell einen Vertrag mit den beiden, 
sie aber auf die Kunde von seiner Erkrankung tiberfallen das führerlose 
Heer und töten zahlreiche Feinde (Apollod. II 7, 2). Auch hier die ver- 
derblichen Brüder, auch sie reiten auf weißen Rossen (Ibyk. bei Athen. 52). 
Nach manchen Berichten waren sie zusammengewachsen, wie ja wohl bei 
den Indern aus den Göttern des Abend- und Morgensterns das Apvinpaar 
wnirde, das gleichzeitig das Frühgestirn symbolisiert. Nestor schwelgt 
wiederholt in Erinnerungen an die Zeit seiner Jugendkraft, als er in den 
Wettkämpfen für Ereuthalion alle besiegte: nur die beiden Molioniden 
waren im Wagenrennen überlegen (9^ 638). Das älteste Attribut der 
Zwillinge sind die Rosse! Er hätte sie einst im Kampf um Pylos, als er 
den Mulios ersclüug, seine Rosse raubte und 50 Wagen erbeutete, fast 
getötet, wenn nicht ihr göttlicher Vater sie in eine rettende Wolke gehüllt 
hätte. Auch hier Rosse, Kampf in der Morgenfrühe, zwei Helden 
von der Gottheit beschützt (^ 70911.). Nächtlich auf w^eißen Rossen 
erscheinen sie auch dem Vatinius und melden ihm den Sieg des Ämilius 
Paullus (Val. Max. I 8, 1); Iteni hello Macedonico P. Vatinhis Eeatinae 
praefecturae vir noctti tirbem petens existimavit duos ittvenes excellentis 



1) Vgl. Stälilin, Philol 1903, 187. Die Dioskuren rauben die Rinder des Idas 
und Lynkeus. Schol. vet Lycophr. 548. Marx, Athen. Miti. X 8ß. ^'entzel/ETTix/JjOfig. 
eil. Mücke, Vom Euphrat :um Tiber, nimmt auch Harmodios und Aristogeiton für 
die Dioskurensage in Anspruch. Es ist noch niandies darüber zu sagen. 

44 



246 C. Fries. 

formae albis equis residente» abrics sihi fadog nuntiare die. qui praeierierat 
Ursen regem a Ihulo captum. 

Die Diosknren wie die indischeD Ac^in sehätzen den MensdieD ror 
den Schrecken der Xacht wie Odysseos nnd Diomedes die Duignen ror 
den omherlagemden Troern, den nahenden Thrakern nnd dem schleich^iden 
Kundschafter. 0. Gmppe hält die Diosknrensaee. ob sie nnn anf dem 
Morgen- nnd Abendstem oder den Zwillingen beruht, für semitisch M. er 
meint, auch hier habe Babylonien nach Osten und Westen zugleich ein- 
gewirkt. Für diese Ansicht spricht eine Stelle ans dem 2. Makkabäer- 
buche. K. 3 wird da erzählt, wie Heliodor den Tempelschatz zu Jerusalem 
bedroht. Schon wollte er zur Gewalt schreiten, da tat Gott ein großes 
Wunder. Ein go]dgernsteter Reiter fährt gegen Heliodor hersh nnd greift 
ihn an. Außerdem erscheinen zwei Jünglinge, schön und stark 
nnd wohlgekieidet. die beide auf Heliodor einhauen nnd ihn 
niederschlagen. Mei^würdig ist die Häufung der Motive, der Reiter 
ist wohl Dittographie der Diosknren. — Noch deutlicher ist eine Stelle im 
dritten Makkabäerbuch (6. IGffj. wo der Priester Gott um die Rettung 
der Juden vor den Verfolgungen des Pto]emäns anfleht. Der König zieht 
mit dem tobenden Heer gegen die Rennbahn heran. .Da ließ der hoch- 
herrliche, allmächtige und wahrhafte Gott sein heiliges Antlitz scheinen 
und öffnete die Pforten des Himmels: aus ihnen stiegen zwei licht- 
glänzende Engel von furchtbarem Aussehen herab, allen sichtbar außer 
den Juden : die stellten sieh dem Heere der Feinde entgegen und erfüllten 
se mit Entsetzen nnd Furcht" usw. Allerdings muß man hier wohl annehmen, 
daß das in einer stark srnkretistischen Zeit entstandene apokryphe Buch 
das Dioskurenmotiv dem Heidentum entlehnt habe. Die Gestalten der 
mächtigen Zwillinge lassen sich aber nicht ableugnen. — Ebenso darf 
man wohl über die indische Doloneia des Mahäbhärata denken, deren 
Ähnlichkeit mit llias K auch anf gemeinsamer Vorlage beruhen mag. 

Mehr als leichte Spiegelungen alter Sagen kann man natürlich in 
einem so späten Produkt wie der Doloneia nicht erkennen. Es spiegeln 
sich darin 1. die Sagen vom göttlichen Strafgericht über die Menschen, 
2. von der Kriegnlirit des verstellten Überläufers Ü. u. 2. auch in der 
FIlupfTHi» verbunden) und vielleicht von den Diosknren. 

Die Sintflntberichte scheinen nur ein Glied einer großen Sagenreihe 
von Vertilgungen der Menschen zu sein. Man liest von ähnlichen Sagen, 
in denen aber statt der Flut ein Blutbad (Hathor). eine Seuche (Sanherib) 
oder ein Würgengel (Exodus) u. a. erscheinen. Gemeinsam ist die 
Idee der Bestrafung für vßqiq gegen die Gottheit. 

So stellt die Doloneia schließlich die Projektion uralter gewaltiger 
Mythen auf den Geist eines Homeriden späterer Zeit dar! 



1) GHech. Myth, 162. 

45 



Griechisch-orientalische Unter suchtmgen. 247 

IV. JPatrokleia aS-4il. u. a. 

Ob 77 3841!., wo eine Überschwemmung als göttliches Strafgericht 
geschildert wird, mit den verschiedenen Sintflutsagen zusammenhängt, steht 
dahin. ^) Sollte es nicht der Fall sein, so wäre die zufällige Überein- 
stimmung doch sehr auffallend. Der Ausfall gegen die Willkür der Richter 
klingt an Hesiods egya an. und nach dem letzten der sich folgenden Zeit- 
alter tritt bei Ovid und seinen Vorbildern die Flut ein. Auch in der 
Oenesis folgt die Flut auf die Freveltaten hochmütiger Tyrannen, 2) die' 
das Volk, wie es im Hieb u. a. ausgeführt wird, bedrücken. Dafür spricht 
auch deutlich eine Stelle der Henochapokalypse. In dieser erscheint die 
Wasserflut zwar meistens als Strafe der Engelehen, an einer Stelle aber 
heißt es ganz hesiodeisch: ,,Liebet die Gerechtigkeit und wandelt 
in ihr. Und nahet euch nicht der Rechtschaffenheit mit zwiespältigem 
Herzen und habt keine Gemeinschaft mit denen, die zwiespältigen Herzens 
sind, sondern wandelt in Gerechtigkeit, und sie wird euch auf guten 
Wegen führen und die Gerechtigkeit wird eure Genossin sein. Denn 
ich weiß, daß der Zustand der Gewalttätigkeit auf Erden überhand nehmen 
und ein großes Strafgericht auf Erden vollzogen werden wird, und es wird 
ein Ende gemacht werden mit aller Ungerechtigkeit'' etc.^) Also die 
mangelhafte Justiz ist auch hier die Ursache des göttlichen Gerichts. Das 
erinnert doch stark an /7 386 ff.: 

Zevg^ ote &q ^' ärdgeiföi xouaaaiievog ^aAe/r/^rg 
oV ßiij eiv ay^QÜ (fxoX^ac xgtvwaL i>mi(S%ag, 
^x di dixrjv iXadansi^ i}ewv oniv ovx dkeyovieg. 
Die ausgestoßene Gerechtigkeit erinnert an Hesiod cVx- 221 ff. — 
Somit kann man doch wohl zweifelhaft sein, ob jene Homerstelle nicht einen 
mythologischen Hintergrund habe. Richtig bemerkt Bernhardy zu dem 
Vergleich (Orundr.'^ U, 1,171), daß das stattliche Bild zu seiner An- 
wendung in keinem Verhältnisse stehe. 

Viel umstritten ist auch der Eingang des 3/, wo der Dichter das 
Schicksal der griechischen Schiffsmauer voraussagt. Der Abschnitt bietet 
inhahliche und auch stihstische Anstöße {r^ini^mv yevoc dvdgwv u. a.). 
Neun Tage soll die Zerstörung der Mauer durch die Götter in Anspruch 
nehmen (M 25), die von den Menschen in einem Tage erbaut worden 
war (H 436 ff.). Die Flüsse des Ida wird Phöbus vereinigen und als 
einen Strom gegen die Schiffsmauer leiten. Unaufhörlicher Regen fließt 
vom Himmel herab, ■«) Poseidon aber vollendet das Werk mit dem Dreizack 
und tilgt jede Spur der ehemaligen Mauer. Dann läßt der Gott die 



1) S. Usener, SM flu f sagen 31, 2, Gruppe, I.e. 444. 

2) Gunkel, Gmesis 86 ff. 

3) Henoch ed. Flemming u. Radermacher K. 91 S. 122, 25f. 

4) Vgl. die indische Flutsage bei Koppen, Heliffim des Buddha 1 268. 



46 



248 C. Fries. 

Gewässer wieder abfließen und jeder Strom kehrt in sein ehemaliges Bett 
zurück. 'Ich wage keine Vermntung auszusprechen und möchte es lieber 
anderen anheimgeben, hier eine Ähnlichkeit mit der Flutsage zu finden 
oder abzuleugnen. Es kann sich natürMch nur um eine ganz abgeblaßte 
Erinnerung handeln, einen leisen Nachhall femer. halbverschollener Sage. 
Man staunt über den von allen Göttern inszenierten Zerstörungsapparat 
wegen eines versäumten Opfers (1/ 6). Tantaene animis cadestibtis irae'f 
Geberden sie sich doch, als ob ein Turm zu Babel bis in den Himmel 
gebaut oder der Pelion auf den Ossa getiirmt werden sollte. Schwebten 
vielleicht solche Sagen als Ursache des gewaltigen Götterzomes vor? 

Auch Poseidons Eifersucht auf die griechische Schiffsmauer (H4-15 ff.) 
ist in diesem Rahmen nicht recht angebracht und mutet wie ein erratischer 
Block aus alter mylhologischer Dichtung an. ebenso wie die Ankündigung 
der Flut durch Zeus (459 ff.).*j Auch die Theomachie mit dem Aufmarsch 
aller Flußgötter und dem Anschluß an das Überfluten des Skamandros 
gibt zu denken. Einiges in der Theomachie erinnert an die babylonische 
Flutbeschreibung. Furchtbar donnert Zeus, Poseidon erschüttert die 
Erde, der Ida bebt, 

Seiifag J* ix (^qovov a/.TO-) xal Taxe iiij oi vttbq^bv 
yalcn' dvaQQij'^Bie noösiSdan» evoaix^oyv (Y 61 ff.). 
Zunächst wird man an den Götterkampf in der Tlieogonie erinnert, 
wo es ebenfalls heißt, die allgemeine Erschütterung sei so groß gewesen, 
daß Ardes selbst, der Unterweltsbeherrscher, davon erschrak (843). In der 
babylonischen Fluterzählung wird nicht nur von Meer und Flüssen geredet, 
sondern die ganze Natur erscheint entfesselt, alle Götter greifen gewaltig 
ein: die Anunnaki schwingen die Fackeln. Raninians Staubwirbel erhebt 
sich, Finsternis tritt ein etc. Die Götter fliehen zum Himmel und kauern 
zusammen wie Kettenhunde. ..Es schreit Istar wie eine Gebärende. 
Es wehklagt die Herrin der Götter mit lauter Stimme," 3) ähnlieh wie Aides. 
Die Götter weinen mit ihr und sitzen gebeugt. Vgl. Jensen, Keil- 
inschr, Bibl. VI 61): Nachdem J(U)ra sich beruhigt — — beugen 
sich die Götter, sie alle wieder fürchten sich. 45, 16: es beugen sich im 
Himmel die Götter u. a. So fürchten sich auch im Olymp die übrigen 
Götter, wenn Zeus grollt und mit gewaltiger Strafe droht. Von Hera 
heißt es A 569 f.: 

xaf $* üx€ov(fa xa^^aro imyvdfiipa(fa (pikov xfjQ' 
(Sx^rjifav J* dvä Swfxa //toc deol Ovgaviwveg, 

1) Vgl. auch den Zorn der Erde über die zunehmende Scliiffahrt. Myth, 
Vatic, II 316. Gruppe, 1. c. 567, 2. 

2) Wie Dareios bei Herodot III 155. Vgl. Soph. AnL 130f. Ov. Met 111 670. 
Sittl, Gelxirden der Griechen und Römer S. 13. 

3) Zimmern bei Gunkel, Schöpfung S. 426. 

47 



Oriechisch-oi'ientalische Untersuchungen, 249 

Auch sonst finden sich in der Ilias solche Scenen. An die 
ehelichen Zwistigkeiten im Olymp, die sich stets um die Menschen 
drehen, erinnert auch der heftige Auftritt zwischen I§tar und Bei 
nach der Sintflut. Istar gelobt, diesen Tag nie zu vergessen. Bei 
solle nichts von dem Opfer der Menschen genießen, weil er ihre 
Menschen verdorben hätte. Bei ergrimmt seinerseits, daß noch einer 
dem Verderben entronnen, und wird erst durch Eas Eingreifen besänftigt.. 
Klang das irgendwie in der Ilias nach? 

In der Fluterzählung erscheint der innige Anteil der Götter an dem 
Schicksal der Sterblichen begreiflich. In der Ilias, wo alles Denken der 
Uranionen anf den kleinen trojanischen Kriegsschauplatz und alle Einzel- 
heiten der Kämpfe unausgesetzt gefesselt scheint, darf man wohl die 
jüngere Einkleidung älterer, gewaltigerer Göttersagen erblicken. 

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einer Scene im Olymp 
Erwähnung tun: 

Alle Götter erheben sich vor Zeus von ihren Sitzen und gehen ihm 
entgegen {Ä 533). Im ganzen Altertum galt es als Ehrenpflicht, vor 
Respektspersonen aufzustehen.^) Auch im babylonischen Mythos gilt diese 
Sitte. In einem Epos wird erzählt, wie Ereskigal, die Göttin der Unter- 
welt, ihren Boten Nambaru zum Himmel schickt, um eine Botschaft für 
sie auszurichten. Alle Götter erheben sich vor ihm, nur Nerigal verweigert 
diese Ehre, heftig grollt sie dem Gott, der vor ihrem Boten nicht aufstand, 
„bringe ihn zu mir, dass ich ihn töte." Die andern Götter sagen zu 
Nambaru: „Siehe, den Gott, der nicht vor dir aufstand, nimm ihn 
mit vor deine Herrin,'' und jener fragt: „Wo ist er, der Gott, der nicht 
vor mir aufstand." 2) Auch in Ägypten galt diese Form der Höflichkeit, 
wie Herodot II 80 bezeugt. Im Harfnerlied wird der sangeskundige Parasit 
auch dadurch gekennzeichnet, daß diese Sitte ihm unbekannt ist (91 b Erman). 
Wenn Gotama die Askese aufgegeben hat und zur Natur zurückkehrt, 
verweigern die fünf Mönche zu Benares ihm die Ehrerbietung, „wir wollen 
nicht vor ihm aufstehen".-'^) Auch sonst heißt es in buddhistischen 
Gesprächen stets, der Weise sitzt auf einen Ehrenplatz, der König steht 
seitwärts und bedient ihn. In der Bibel dieselbe Sitte**) ebenso in spät- 
jüdischer Zeit, Ben Zoma steht nicht auf vor Jehosua b. Hananja; Metatron 
begeht denselben Fehler und erhält 60 „Feuerprügel", denn „weshalb bist 
du nicht aufgestanden, als du ihn bemerktest?"^) Vor Hiob, als er 
„in seines Sommers Tagen" (29, 4) war, erhoben sich die Greise und 
blieben stehen; wenn der junge Telemachos erscheint, heißt es ebenso 

1) Herod. II 80 u. a. S. Sittl, Gebärden S. 152. 

2) Jensen, Keilimchr. Bihl VI 74 ff. 

3) Oldenberg, Buddha 144 f. 

4) Gen. 18, 8 D^ 1, 38 11. a. König, Stilisiik 31, 10. 34, 33 tT. 

5) Hagiga II, 1 Babyl. Talmud lll 833 f. Goldschmidt. 

48 



250 C. Fries, 

el^av *ff ysQovttc (ß 14). Merkwürdige Beispiele für die Folgen, die solche 
Verweigerung dieser Höfliehkeitsbezeugung nach sich ziehen konnte, teilen 
römische Schriftsteller mit. (Val. Max. VIII 5, 6 Cass. Dio 45, 10. Vgl. 
Stai. Silv. TV 2, 17.) Ein mythisches Beispiel findet sich auch in der 
deutschen Sage. Man erinnere sich der Scene zwischen Hagen und 
Kriemhild 'wie Hagene niht gen ir üf stuont\ Hagen und Volker sehen 
Kriemhild mit Bewaffneten die Stufen des Heunenpalastes herabsclireiten. 
Volker fordert den Gefährten auf sich zu erheben und der Fürstin entgegen- 
zugehen. Hagen lehnt das ab mit der Begründung, man würde ihm das 
als Zeichen der Furcht auslegen. Er bleibt trotzig vor der Königin sitzen 
und legt ihr zum Hohn Siegfrieds Schwert über die Knie. Beide tauschen 
finstere Grüße und eine schwere, drohende Stimmung lagert über der tief- 
tragischen Scene {Nibelungenlied Str. 1710 ff.). Vielleicht lassen sich die 
Sagen, in denen jemand auf seinem Sitz anwächst (Peirithoos im Hades, 
Barbarossa u. a.) hierherziehen? und hängt das mit den von Wilamowitz^) 
für Hephaistos verglichenen festgebundenen Götzenbildern irgendwie 
zusammen? Die Lahmheit des Hephaistos scheint mir aber mit diesen 
gebundenen Sitzbildern wenig zu tun zu haben. Es findet sich in der 
Sage häufig, auch da, wo schwerlich ursprünglich ein Gott anzunehmen 
ist. Man denkt an den lahmen Sohn Jonathans. Meribaal (Sam. 2, 4, 4) 
an Tyrtaios, an Jlja von Murom, den lahmgeborenen russischen Helden, an 
Jakobs Kampf mit der Gottheit und die Lähmung seines Schenkels (Oenes, 32). 
Weitere Beisp. bei Stucken 152. Nach Gunkel {Genesis S. 329) lag für 
den Zug der Jakoblegende von der Lahmheit ein alter Kultustanz zugrunde, 
bei dem die Priester um den Altar hinkten. Von den Baalspriestern heißt 
es {Kön, 1, 18, 2(>): „Und sie hinkten um den Altar, den sie errichtet 
hatten (vgl. auch Sam. 2, (), 5ff.). Man hat noch Darstellungen der auf 
einem Bein hinkenden Priester (S. Gunkel a. a. 0.). Oedipus. das Tripudium 
der Salier, die Curiatier, der hinkende Teufel u. a.^) gehören auch hierher. 
Mir scheint jener Kultustanz ekstatischer Priester in Babylonien allerdings 
der Ursprung des hinkenden Schmiedegottes zu sein. Was aber die 
komische Rolle betrifft, die der Schmiedegott im Olymp spielt, so 
beruht das wohl auf der verachteten Stellung, die die Schmiede 
bei einigen Völkern einnahmen. Bei manchen afrikanischen Natur- 
völkern stehen die Waffenschmiede außerhalb der bürgerlichen Ge- 
sellschaft. Sie haben kein connubium mit der übrigen Bevölkerung und 
werden tief verachtet. Die Mißachtung beruht*^) auf ihrer Eigenschaft als 
Handwerker gegenüber den allein geehrten Kriegern. (Anderwärts stehen 
sie freilich auch in besonderer Achtung.) Deshalb wird Hephaistos wohl 
Opfer des homerischen Gelächters, die Ritterkaste spottet des Handwerkers. 

1) Hephaistos, Gott, Ges. d. Wiss. 1895. 

2) Gruppe 1. c. 477. Snütli, Rel iL Sem. 331. 

3j Nacli A. H. Post, Afrikan, Juriaprudenz I 172 ff. 

49 



Oriechiscli'Wieiitalische Untersuchungen, 251 

Auch im Altertum nahmen die Schmiede diese Sonderstellung einJ) Die 
Vertreter der unteren Schichten werden in der epischen Adelspoesie oft 
als Krüppel oder Mißgestalten geschildert (Thersites, Iros, Aesop u. a. 
Vgl. auch Lefmann, Gesch. d. a. Indiens 756, 1). Doch erfordert das 
eine gesonderte Betrachtung. 

1) F. Bulil, Soz. Verhältnisse der Israeliten .03. 73. 

Nachträge: 
Zu Bd. III S. 381 Z. Gif. vgl. Y 97f.: 

T(p ovx ^ar' 'Axi^fiog ivavriov avS^a ^äx^o^ai' 
aiel yccQ Ttaga elg ye ^BÖiv, 6g Xoiyov afjtvvei cf. ib. 37ifl*. 
Zu S. 382 Z. 22ff. vgl. r59: 

"ExTO(iy ^nei fxa xur* cuaav tveixEoag, ovo' V7if:(i cdattv. 

Soph. Ant 441: 
xal (prjftl ÖQaaai xovx anagvovfiat rö f4fj, 

Eur. Andr. 357; 
fxovreq ovx axovxBq^ EU 245: anmv ixelvoq ov naQwv iifuv <piXog. Med, außer 
dem zitierten Vers (334) vgl. 908: cdrWf yvvai, raS' orrf' ixeiva filfiffOfjiat. 
Vgl. noch K. E. Neumann, Beden Gotamo Buddhos III 4: Wir sind schon 
ehedem gewesen, nicht sind wir nicht gewesen. 152: in Kürze gesagt, nicht 
ausführlich dargestellt. 472 nachlassen, nicht zunehmen. — Zu den Pare- 
^ chesen aus den Beschwörungstafeln und Hesiod vgl. als A.-T.-liche Ent- 
sprechung Jes. 19, 2: „Und ich will die Ägypter an einander hetzen, daß 
ein Bruder wider den anderen, 
ein Freund wider den anderen, 
eine Stadt wider die andere, 
ein Reich wider das andere streiten soll. 
Zu S. 384 An der Doppelbedeutung von lat rarusy vereinzelt — selten, kann man 
sehen, wie die graphische Urbedeutung in die spätere temporale überging. Ein 
leiser Zusammenhang liegt auch vor, wenn „auch" bei gleichem Subjekte mit 
idem übersetzt wird; die gleichmäßige Anweisung desselben Namens wird 
durchgefühlt (cf. Hör. «ot II 7,22). Ferner vgl. Wortstellungen wie summus 
ille vir, victus non est, hostes a Bomanis ptilsi, die Vorliebe für korrespon- 
dierende Konjunktionen, die Neigung, Gegensätze nicht durch adversative 
Partikeln, sondern durch bloße Nebeneinanderstellung der Gegensätze aus- 
zudrücken u. a. 
Zu S. 391 Z. 2flf. vgl. Xen. Cyrop, VIII 3, 14 na^ioxtixo 6^ airo) Tjvloyog fiiyag fihv, 
fieioßv d' ^xeivov eire xu\ toj ovxi ehe xal othooovv fiSiC^cov 6b i(pavtj noXv Kv(}og. 
7jH S. 392 Teichoskopien finden sich noch S2 699 ff., wo Kassandra Priamos' Ankunft 
von der Burgzinne aus erblickt und meldet, Amt Equ. 161 ff. in der Scene 
zwischen Demosthenes und Agorakritos, vgl. auch K. E. Neumann, Beden 
Buddhos II 412 und 579 und Tobias 11, 4. 
Zu S. 395 oben vgl. Smith 1. c. 332, auch Tobias 10, 11. 

Zu Bd. IV S. 235 vgl. t 299—302 Odysseus will das Schwert über dem schlafenden 
Kyklopen zücken, BzfQog 61 fis l^vfibg Iqvxbv^ aus praktischen, nicht aus 
ethischen Gründen (304f.). 
Zu S. 245: Zu ähnlichen Ergebnissen gelangt, wenn auch auf ganz anderem Wege, 
S. Eitrem, Die göttlichen Zmllinge bei den Grieche^iy Christiania 1902. 



50 



252 



Mitteilungen und Nachrichten. 



Stand der griechischen Inschriftencorpora. 
Von P. Hiller v. Gaertrlnf^en. 

Für (las grierliisi'lie Iwschriftenwerk der Berliner Akademie liat U. v. Wilamowitz- 
Moellendorff im Juni li)03 eine neue, einlieitliche, wenn aucli zunächst nur EurojKi 
umfassende Zählung? und Benennung der Bände eingeführt, und im Januar 1904 
i'iher den damaligen Stand des Unternehmens berichtet (S. B. Bei'l Ak. 1903, 702 fl*.; 
1904, 22(;ff.)- ^la'i l>at für alle Neubearbeitungen den alten Corpus-Titel (CIG) fallen 
gelassen und durch den kürzeren Imcriptione« graecae (IG) ersetzt. Das Ein- 
teilungsprinzip, um daran zu erinnern, ist leicht zu behalten; es umfassen: 

IG 1—111 Attika -= CIA 1— 111; die Supplemente, bisher CIA IV, werden 

jetzt den Bänden, denen sie gelten, zugerechnet. 
I(j IV — VI Peloponnes, 

IV Argolis ^ (V>r^<j« imcriptiomnn graecarum Pehjxynncai (CIP) 1, 

V 1 Messenien und Lakonien, 
2 Arkadien, 

VI Elis und Achaia. 

IC Vll— IX Mittel- und Xordgriechenland, 

VII Megaris, Boeotien =- (hrpua hiscriptiontim graecarum Oraectae 

Mepfentrionalis (CIGGS) I, 
VUI Delphi, 

IX l Das übrige Mittelgriechenland und die ionischen Inseln ^ 
CIGGS 1111. 
2 Thessalien. 
IG X Die nördliche Balkanhalbinsel (Kpirus, lllyrien, Makedonien* 
Thrakien) und der ganze Nordosten und Osten von Europa (östliche 
Donauländer, europäisches Kußland). 
IG XI— XIII Inseln des ägäischen Meeres, 
XI Delos, Rheneia, Mykonos, 
XII Die übrigen Inseln =^ Insvriptiones graecae insular um maris 

Aegaei (IGhis), 
XIII Kreta. 
IG XIV Sicilien, Italien und der ganze Westen und Nordwesten von Europa 
(einschließlich Germanien) = Inacriptmics graecae Skiliac et Italiae 
(IGSI). 

1 



Mitteilungen und Nachrichten. 253 

Von diesen, unter einander sehr ungleichen Bänden hat VlII Dölplü und XI 
Delos die Academie des hiscriptions in Paris übernommen, den ersteren unter 
Mitwirkung von H. Pomtow für die vor Beginn der französischen Ausgrabungen 
gefundenen Inschriften. Gerade in den letzten beiden Jahren ist für die delischen 
Inschriften durch Durrbach viel geschehen; eine wesentliche Erleichterung der 
Arbeit erhofft man von der Errichtung eines neuen Inschriftenrauseums in Delos. 
Auch die Verarbeitung des riesigen delphischen Materials durch die französischen 
Gelehrten hat Fortschritte gemacht, wie besonders die letzten Bände des Bulletin 
de correspondance zeigen. 

Von deutscher Seite ist an den einzelnen Abteilungen, dem Bedarf und den 
verfugbaren Kräften entsprechend, weiter gearbeitet worden. Bei Attika ') wurde 
nur für die Supplemente zu den voreuklidischen Inscliriften ein kurzer Notindex 
hergestellt, um die Auffindung zu ermöglichen; die 1903 abgeschlossene attische 
Prosopographie von Kirchner bietet ein vorzügliches Mittel zur Übersicht; ander- 
wärts, besonders für die neu gefundenen Inschriften der Kaiserzeit, gibt es Vor- 
arbeiten von H. v. Prott, dessen allzu früher Tod den Abschluß hinausgeschoben 
hat. Lakonien und Messenien (V 1) sind durch Fränkel und Prott bereist; nach 
beider Tode hat W. Kolbe die Fortführung der Aufnahme und die Herausgabe 
übernommen. Er beabsichtigt im Herbst dieses Jahres beide Landschaften zu 
besuchen. Thessalien ist nach den Vorarbeiten W. Dittenbergers zweimal im 
Jahre 1899 von 0. Kern bereist worden, später noch einmal kurz von Prott; das 
Material hat sich seither durch die Tätigkeit einheimischer und fremder Gelehrter 
beträchtlich erweitert. Doch hat Kern mittlerweile den Druck des fasciculus (1X2) 
im Juli 1904 beginnen können. Beim Inselbande (XII) erfährt Rhodos (XII 1) durch 
die Ausgrabungen der Dänen Kinch und Blinkenberg in Lindos und anderen Orten 
neue Bereicherungen, welche in wenigen Jahren eine völlige Neubearbeitung des 
betreffenden Fascikels zur dringenden Notwendigkeit machen werden. Für Thera 
und Melos ist diesem Bedürfnis durch die eben erfolgte Ausgabe eines Supplements 
(XII 3 suppl. von Hiller) genügt worden, das die Ergebnisse der Ausgrabungen 
und Reisen von 1899—1903 berücksichtigt. Auf Kos gräbt gegenwärtig R. Herzog 
noch einmal am Asklepiosheiligtum; er wird die Inschriften dieser Insel mit denen 
von Kalymnos zusammen herausgeben (XIl 4). Von den Kykladen hat Hiller im 
Jahre 1903 den größeren Teil veröffentlicht, darunter besonders Paros, Keo.s, Andros 
(Xir5a); der zweite Teil, Tenos enthaltend, ist wegen der erfolgreichen Grabungen 
des Belgiers H. Demoulin zurückgestellt; er wird auch die Ergebnisse der Forschungen 
eines anderen Belgiers, P. Graindor, auf Keos und los bringen. Die Bearbeitung 
hat dank dem rühmenswerten Entgegenkommen heider Gelehrter, die als aus- 
wärtige Mitglieder der Ecole fran^aise in Athen tätig waren, schon beginnen können. 
Amorgos (XIl 7) ist von J. Delamarre in Paris druckfertig gemacht worden, nachdem 



1) Man kann von den atti.^chen Steinen nicht sprechen, ohne des unersetz- 
lichen Verlustes zu gedenken, den die griechische Epigraphik durch den Tod von 
Ulrich Koehler erfahren hat. Es wird eine Ehrenpflicht unserer der alten 
Geschichte gewidmeten Zeitschrift sein, die allgemeine Bedeutung dieser fein- 
sinnigen Gelehrten natur zu würdigen. Hier sei nur der bewundernswerten Auf- 
nahme, Durcharbeitung, Ordnung und Verwertung der ungeheuren, zu seiner Zeit 
vielfach noch recht schwer zugänglichen Masse attischer Urkunden gedacht. Man wird 
sein Andenken am besten ehren, wenn man sein Werk fortführt und nach der 
Seite ergänzt, die er als Einzelner allein nicht auch noch leisten konnte, durch 
eine archäologische Würdigung der Steine, durch eine geschichtliche und .stilistische 
Darstellung der attischen Urkunili*nschrift vom salaminiscl\en Dekret bis zum 
Ausgange der Geschichte Athens. 

Beitrag«? z. alreu Ocschicl.ie IV 2. 17 



254 Mitteilungen und Nachrichten. 

der Bearbeiter eine Reihe der wichtigsten Texte in lichtvollen Abhandlungen er- 
läutert hat (meL<ft in der Reme de philckffie erschienen^. Für Samos XII 6) liegen 
frohere Bereisnngen dnrch L. Bnrchner vor; doch ist von den Ausgrabungen der 
griechischen archäologischen Gesellschaft am Heraion ein großer Zuwachs zu er- 
hoffen. Die nordgnechischen resp. thrakischen Inseln besucht gegenwärtig Fredrich 
für den ihm übertragenen Abschnitt nil S;. 

Bei anderen Gegenden gilt es noch zu warten, so für Elis, wo die olympischen 
Inschriften von Dittenberger* Purgold noch einige Zeit für das Wesentliche aus- 
reichen werden, während Acbaia überhaupt erst zu erschließen ist ^VI), für das 
Yielgegliederte Aricadien, in dem die Forschung an mehreren Stelleu mit Erfolg 
eingesetzt hat (Mantineia, Tegea, Megalopolis, Lykosura, Lusoi etc.), aber noch viel 
mehr zu leisten verspricht (V:2), und vielleicht am allermeisten in Kreta (XI 11). 
Hier wird die dorische Zeit, deren sprachlich bedeutende Urkunden jetzt von Blass in 
der Samml. griech. Dial. Inschr. (= SGDI) handlich vereinigt sind, stets ihr Recht 
neben der mykenischen und vormykenischeu behaupten; aber auch hier hat die Lokal- 
forschung noch den V^ortritt, wie sie vor allen Italiener und Engländer im Wett- 
bewerb leisten. Für den Nordosten endlich sorgen die Russen (Latychev Inacr. 
orae Bonii Euxint) in TortreiTlicher Weise, während in Thrakien und den Nachbar- 
ländern entsprechend der politischen Unsicherheit eine große Schwierigkeit besteht, 
das weitverstreute, mittlerweile recht groß gewordene Material zu übersehen. Am 
ersten ließe sich da für die Staaten Rumänien, Bulgarien und Serbien an eine 
zusammenfassende Bearbeitung denken, für deren Vorbereitung auch von öster- 
reichischen und einheimischen Gelelirten viel getan wird. 

Außer der Tätigkeit für die unmittelbar in Bearbeitung genommenen Cor|)ora 
ist in letzter Zeit der Anfang zur Begründung eines Archivs gemacht, das Scheden 
und Notizen, Abklatsche und sonstiges für die Bearbeitung der griechischen In- 
schriften in Betracht kommendes Material aufnehmen soll. Sein Ort wird von jetzt 
ab das vorläufige Akademiegebäude, Berlin W., Potsdamerstr. 120 sein ; jede, auch 
scheinbar unbedeutende Zuwendung von epigraphischen Nachrichten, Abschriften 
und Abklatschen wird dort mit Dank angenommen und zum Nutzen des Ganzen 
verwertet werden. Die Einrichtung ist F. Hiller v. Gaertringen übertragen, der 
seit dem 1. April 1904 als wissenschaftlicher Beamter der Akademie für das 
griechische Inschriftwerk angestellt ist. 

Selbständig neben dem Berliner Unternehmen steht das Werk der Wiener 
Akademie, die Tituli Asiae mirwria (TAM). Musterhaft in der Anlage des Scheden- 
apparats und der ßereisungen, vor allem auch nach der archäologischen und 
topographischen Seite, die man immer weniger von der Epigraphik trennen kann 
und darf, ist es in den Vorarbeiten und einzelnen Veröflfentlichungen weit gediehen; 
von fertigen Teilen liegt bisher nur der Band der epichorischeu lykischen In- 
Hf'.UhfUtn vor. Lykien ist sozusagen das Stammland der österreichischen klein- 
anlatihchen Forschung; außerdem sind namentlicli Cilicien, Pamphylieu, Pisidlen, 
iHaiirien und Karien erforscht und Ephesos mit reichem Erfolge ausgegraben (vgl. 
J. Oehler, ÖsterreicJiisdie Forschungen, Jahresbericht des k. k, Maximilians-Gym' 
nasiums 1903/4). Als Ergänzung, später als Vorbereitung treten dazu die Sonder- 
ausgaben von Inschriften einzelner, besonders genau erforschter Landschaften und 
Städte. Hier dürfen die Königlichen Museen in Berlin rühmend genannt werden, 
die auf die Inschriftsammlungen von Pergaraon (Nachträge zu diesen aus neueren 
Grabungen bringen fortdauernd die Athenischen Mitteilungen) und Magnesia am 
Maiandros die von Priene folgen lassen wollen und auch schon für Milet in kurzen 
Berichten mancherlei getan haben. 

Von Afrika, zumal von Ägypten, wo die Papyri zurzeit noch das überwiegende 
Interesse vor den Inschriften beanspruchen, von Syrien und dem inneren Asien 

3 



Mitteilungen und Nachrichten. 255 

soll hier nicht die Rede sein. Schon die wenigen Andeutungen werden den Ein- 
druck eines ungleichmäßig sich betätigenden, an manchen Stellen fast überflutenden 
und schwer den Gesetzen eines Corpus zu unterwerfenden Lebens erwecken; einen 
Eindruck, den genauere Betrachtung nur steigern würde. 

Wir bedürfen für die Epigraphik der Corpora, mehr als sie der Archäologe 
für Vasen oder Statuen braucht Nur so können wir die Masse übersehen, das 
Typische und das Außerordeutliche herausfinden. Freilich sind auch die Corpora 
an gewisse Beschränkungen gebunden. Die geographische Ordnung trennt Gleich- 
artiges weit von einander; sie verbietet sogar, die attischen Dekrete, die außerhalb 
Attikas gefunden sind, zu Atlien zu stellen — ein Fehler, dem man freilich durch 
sachgemäße Einleitungen abhelfen könnte. Für viele Fragen treten die Indices 
ein, Realindices und Sprachindices, die gar nicht sorgfältig genug gemacht werden 
können und durchaus nicht Anfängern überlassen werden dürfen. Für anderes 
müssen besondere Arbeiten ergänzend und weiterführend wirken. Deren gibt es 
jetzt auch schon eine erfreuliche Fülle. Sammlungen der dialektisch, historisch, 
antiquarisch, religions- und kunstgeschichtlich, juristisch, poetisch interessanten 
Texte haben wir schon vielfach und zum Teil von ersten Meistern, wie G. Kaibel 
und W. Dittenberger, die auch an den Corpora gearbeitet, das Höchste aber doch 
wohl in diesen besonderen Werken geleistet haben. Dazu tritt immer stärker, 
besonders dank 0. Benndorf, das archäologische Moment in den Vordergrund. Soll 
sich der Epigraphiker dem verschließen, daß das Denkmal als solches oft unendlich 
wertvoller ist als seine Aufschrift, daß sich beide ergänzen und gegenseitig zum 
Verständnis beitragen? Im Zeitalter der billigen und immer besser werdenden 
Autotypien und Strichätzungen sollen sich die Epigraphiker immer weniger scheuen, 
solche Anschauungsmittel anzuwenden. Dazu gehört in vielleicht noch höherem 
Grade die photographische Wiedergabe von ganzen Texten und von Schrift- 
proben. Auch sie fangen erfreulicherweise an, jetzt häufiger zu werden. Immerhin 
gibt es hier gewisse Grenzen ; was darüber hinaus liegt, gehört in besondere Unter- 
suchungen und Sammlungen. Für die Grabreliefs geschieht schon seit längerer 
Zeit genug; den Urkunden- und Votivreliefs ist noch mehr zu wünschen. Und 
dann kommt der kleine Hausrat, die Lampen und Amphorenstempel, die Schleuder- 
bleie, die Vaseninschriften. Letztere sind meist noch individuell, Lampen und 
Amphoren dagegen Fabrikware, so wie die Münzen. U. Kohler hat sie in Attika 
ausgeschlossen. Hiller in Rhodos ihnen Aufnahme gewährt, rein aujs praktischen 
Gründen, um sie nicht unter den Tisch fallen zu lassen. Die jetzige Ordnung 
schließt sie von den Corpora aus, gibt aber damit die wissenschaftliche Verpflichtung 
zu, sie gesondert in zusammenfassenden Darstellungen, unter voller Bemcksichtigung 
ilirer Geltung als Denkmäler, aber ohne pedantische Wiedergabe der Unvollständig- 
keiten einzelner Exemplare, herauszugeben, eine Arbeit, die z. B. für Rhodos in 
Anlehnung an die Münzen geschehen muß und hoffentlich von sachverständiger 
Seite geleistet werden wird. Auch die Schriftent Wickelung ist besser im Zusammen- 
hange, durch Vorführung datierter Schriftproben in zeitlicher Folge, unter Berück- 
sichtigung der tonangebenden Hauptorte (wie Athen, Delos, Delphi, Rhodos, 
Alexandreia) zu zeigen. Dazu soll auch immer wieder die besondere Erklärung 
wichtiger Denkmäler geübt werden, in ausführlicheren historischen und sprachlichen 
Kommentaren; dafür sind die Zeitschriften der rechte Ort. Solche Einzelforschungen 
sollen den Corpora vorangehen und ihnen folgen. Die Corpora sollen nie und 
nirgends den Abschluß bringen; sie siud Etappen in der wissenschaftlichen 
Forschung, die sie erleichtem, sichern und fördern. Haben sie diesen Zwqck 
erreicht, sind sie durch die an sie anknüpfende, auf ihnen fußende Arbeit überholt 

17* 
4 



256 Mitteilungen ttnd yathriMeu, 

und Teraltet, 8o soll man sie wegwerfen uud dorck neue ersetzeo. Nur wenn die 
dazu Berofenen sich dieser Pflicht bewußt bleiben, mit der Zeit zu gehen und wo 
es möglich ist ihr voraus zu eilen, arbeiten sie im Sinne der großen Meister des 
Corpus, im Sinne von Boeckh und jetzt noch mehr in dem des Größten von allen, 
der ganz Romer war und sein woUte nnd der doch auch uns Griechen unendlich 
viel gelehrt hat, von Theodor Mommsen.') 

[Berlin im Juli 1904] 



Feuerpost. 
Von 8iegM«id Fraenkel. 

Im Anschluß an die in diesen Bdirägm (III 169, IV 117) gesammelten Nach- 
richten ist vielleicht auch ein Hinweis auf einen Bericht der Miscknah interessant, 
in der von der Einrichtung einer Feuerpost die Rede ist. Ros Hasanäh 11 2 ff. 
wird Folgendes überliefeit: „Früher zündete man (um in zweifelhaften Fällen den 
Eintritt des Neumonds den außerhalb Jerusalems uud io Babylonien wohnenden 

Juden zu melden) Bergfeuer ao Man nahm lange Stangen aus Cedemholz, an 

die man mittelst eines Fadens (an der Spitze) Rohr, Olivenholzstücke und Werg 
befestigte. Dann entzündete man sie auf der Spitze eines Berges und bewegte sie 
nach allen Seiten, so lange, bis man das nächste Feuer auf dem zweiten, dritten 
Berge usw. sah. AVo begann das Anzünden der Fackeln? Auf dem Ölberge. Von 
da aus (ging die Verbindung) nach Sartaba, von Sartaba nach Agrippina, von da 
nach Chauran, von da nach Beth Baltm" usw. 



Keiiinschriftiiches zur Sphärenmusik? 
Von ۥ F. Lehmann. 

Der von mir vor Jahren veröffentlichte Text,^ der neuerdings den ersten 
Anstoß gab zur Ermittelung der Feuerpost als einer Einrichtung, die sich von 
Babylonien aus über die antike Kulturwelt verbreitet hat, birgt anscheinend noch 
ein weiteres, nicht minder wichtiges Zeugnis für Voi*stellungen, die man bei den 
Babyloniem längst vermuten mußte, ohne sie doch bisher nachweisen zu können. 

Der Gott Marduk, aus ßabylou von Sanherib entführt, wird von dessen 
Enkeln Assurbanabal und §amas§umukin,^) von Assur nach Babylon zurnck- 



1) In Mommsens und auch schon in Niebuhrs Sinne werden von jetzt ab in 
den griechischen Corpora auch die lateinischen und barbarischen Inschriften 
(z. B. für Lemnos die bekannte 'pelasgisch'-sintische) berücksichtigt werden. Für 
Kleinasien ist auch dieses Prinzip schon anerkannt und eingeführt worden. 

2) Große Thontaielinschrift Assurbanabals ^L**. C. F. Lehmann, Samassum- 
ukin [Samass.], König von Babylonien etc. {Assyriol. Bibliothek Bd. VI 11 1892) 
Teil I S. 27 f sub. 13, Teil II S. 63-71 Tafel XXXIV-XXXIX. 

3) Ober das Verhältnis der beiden Brüder zu ihrem V^ater Assarhaddon er- 
halten wir durch einen von Meißner Assyriol. Studien 11, Mitteil d. vorderas- Ges. 
IX (1904) Nr. 3 S. 181—184 [l— 4J vor kurzem ins rechte Licht gesetzten Text weitere 
Aufschlüsse, durch welche die lange Reihe von Bestätigungen, die sich für meine 
aus den 1892 vorliegenden Inschriften gezogenen Schlußfolgerungen (SamaSi. Teil 1 
Kap. 111) ergeben haben, eine weitere Bereicherung erfährt. Aber Sama§§umukin 
heißt — gegen Meißner — ablu rabü nicht als älterer Bruder Assurbanabals. 



Mitteüungen und NachHchten. 257 

gef&hrt (8. oben S. 118). Anf die für die Fenerpost entscheideDde Zeile (Gol. III 10): 
y^abrV — Tielleicht sind dies die Stangeo, mit deren Schilderung in der Mischnah 
uns Fraenkel soeben bekannt gemacht hat — „wnrden entfacht, Fackeln angezündet, 
anf je eine Doppelstande (Wegmeile) ward Helligkeit verbreitet'' folgt eine weitere 
Zeile (Col. tll, 11)> die von den den Gott begleitenden Tmppen handelt, und 
zwar wird die Eskorte, wie die Feuerzeichen auf dem Lande ev. zu beiden Seiten 
der Wasseiläufe Tigris— Kanäle—fiuphrat zu denken sein, auf denen der Transport 
des Götterbildes anscheinend erfolgte (oben S. 119 Abs. 2). „Alle meine Truppen*, 
so heißt es, y,y9i% AN .TIB , AN . NA (auf liimmlische Vorgänge oder Einrichtungen 
bezfiglich s. alsbald) drehten sie sich, Tag und Nacht machten sie Musik: 
gi-mir urnrndni-ia ki-ma AN.TIR.AN ,NA hirtas-hu-ru ümu u rnüsa Ht-ku-nu 
nliJH'^uyiiiam. Die Ergänzungen der drei letzten Zeichen am Schlosse der Zeile 
zu dem Worte ningütam „Musik** ist Zimmern zu verdanken. Sie stimmt genau 
zu den von mir gegebenen Spuren und ist als völlig gesichert zu betrachten. 
Bald nachdem ich von dieser Ergänzung durch Zimmern, gelegentlich der Korre- 
spondenz über die Feuerpostfrage im vorigen Jahre Kunde erhalten hatte, wurde 
mir klar, daß hier wahrscheinlich eine Anspielung auf die Sphärenharmonie 
vorliegen müsse. Zimmern, dem ich das mitteilte, hielt und hält das für recht 
wohl möglich. 

Hier meine Begründung: Die Truppen hda9\iurü »gingen im Kreise herum'', 
„drehten sich**; zunächst nicht etwa „umgaben, umschlossen ihn*', was allen- 
falls 8uta»hurü'9u oder besser ithwr^ht heißen müßte, und zwar werden sie mit 
einer Himmelserscheinung verglichen; im zweiten Teil der Zeile, — wir können sagen 
des Verses, denn der Text ist, wie längst erkannt, iti gehobenem Stil und in 
gebundener Rede abgefaßt,^) — heißt es von den Truppen „Tag und Nacht machten 
sie Musik". Der ParaUelismus merabrorum (man vergleiche die vorausgehende 
die Feuermale schildernde 2^ile) fordert, daß der im ersten Teil des Verses 
ausgesprochene Gedanke, im zweiten Teile variiert erscheine. Ist im ersten Teil 
ein Vergleich mit himmlischen Vorgängen begonnen, so muß er im zweiten fort- 
gesetzt sein. Die Bewegung der den Gott begleitenden Truppen wird mit kosmischen 
Vorgängen in Vergleich gesetzt, dasselbe hat von ihrer Musik zu gelten. 

Aber wird im ersten Teile wirklich auf kosmische Vorstellungen Bezug 
genommen? AN. TIR ,AN,NA^ wurde von Jensen anfänglieh als „Milchstraße** 

Bezieht sich schon rcM „groß** familien- und staatsrechtlich überhaupt nicht in 
erster Linie auf das Alter {Sama^. Teil 1 dOf., 11 lOBf. und sonst), so wird diese 
Deutung hier dadurch geradezu ausgeschlossen, weil die umgekehrte Bezeich- 
nung Assurbanabal fnarktrru rabii „großer Kronprinz*', §amaSiumukin marsarru nhm 
„kleiner Kronprinz** direkt belegt ist (K. 504 Ks. 95/26 steht so im Original). ' Das 
Alter läßt sich nicht wandeln, wohl aber die relative Berechtigung zweier zur 
Thronfolge berufener Prinzen und ihrer Gebietsteile, besonders wenn sie jeder 
durch ihre Mutter den ihnen zugeteilten Gebieten entstammten. Sama^umnkin 
war, wie ich zuerst erkannt habe und wie sich später bestätigt hat, Sohn einer 
Babylonierin und ursprünglich allein zur Thronfolge bestimmt, Assurbanabal war, 
wie der neue Text zeigt und wie, über mich hinausgehend, schon Winckler ver- 
mutet hatte, rein assyrischen Geblüts. Ihre Mütter waren oder galten, wie sich 
die Diutfe später unter assyrischem Druck entwickelt hatten, als gleichberechtigte 
königliche Gemahlinnen. Es ist klar, daß es unter diesen Verhältnissen auf 
das Alter der beiden Thronfolger sehr wenig ankam, selbst wenn die Thronfolge 
in Assyrien ausschließlich nach dem Rechte der Erstgeburt stattfand, was, wie 
ich nur immer wiederholen kann, keineswegs der Fall war. Ich komme auf all 
dies zurück. 

1) Zimmern, Zeitschr. f. AMyr. VIII (1893) S. 123 sub 4. 

2) Unter der nicht sicheren Voraussetzung, daß das erste AN lediglich 
Determinativ (der Gottheit resp. des Göttlichen) ist, ergaben sich die Deutungen 



reül* A'-^T K«r>' i^t :• v-ii-«- vtHH-ri^Lz* ^rv'-i^Tr*':«:^ **»':*^niaiir» lider- 

ÄSl'TIB . AS . Xä i< iz zr-Äis^-t-iiJs«*^-:*^ Ttn*« tsr w«i2* Male 

ll«i*tr€T ütl F>^*, t>etn-L*.r-a al« t*-rt:-a ^-r^-;ajati::.i* öas ^Hai'vr«*- 

HaoplW^*4^;.*-B 0>r Trit ^i-tuI T«-<fc--^-t;:. ::- ai-lrK-i Fal> kii^ah«^ 
und MMrLJKh ti-ht z^ei. -ail i-t. a-i ^> k*-* »•}. -r:--!^ •i'rrT« A^ah Ar oa» Vor- 
walten dicw-* \>nrlr;« r-^p-EL:-» we»:*r i» «i^r B» * • *•' ':.Tft A«<^r^^ i i* a:k>Ni!:iTeh 
»bi Yuej*. C'-i. VI Z-i ts -:h hi 0«?t be^Lm^^^ü-fc-nr-rl «irr S^e M»-^!:^ VU 3 
eH'!i^k*iL Fat ur.*^re StTÜr a*.-rr. .:::r ehir— '*• := Z&<^arL3>=^?.aBZ erhalt^-s*. versa«! 
d'<h tKnA*- di-r-ET \>r?:i-L ».^i-'-Lkt des .Ha.'kr»->f:nL:fen* «»i^r KreisföntigeB 
f oiü«, S*-;*:»^ w*-.c wir aL»:r* ::.ra, da^ aaf •I-'-il f. -l i*<:.:« (»^er dra Keliri. «la* <kD 
OfftI truiSL di*r m --Jzjf-r*-r.O* Tr^:^ye Ta&ze «^er r^iz^s — ^^m XMiki^L'^n i^^stmm t«-- 
id^uh^/ar — aiif^*r!ihrt bat:/^ '-i^^weas mir. d-rt A-d-^ztaaZ'-B d*r* Texte* zswider 
Qod ge^en a!> Wa! r«^ !.-;::!. ^keit- er.'* t .r-*^'.*-r.. «^rr Trat*p»-rl <ei «anz za Laode 
t:Ti**\ztJl\u»u.*'T l'i*-ri d^r V<rrs!*-:'.L d*T Sa *.•- ca^h caiiz OL/^trefTrsd E»och da- 
mit werde mati H« h •^\^'akI..-\m a^'Z^r.z.C'-zi ha'^-v a-f ein w.nderli^h sInikii«Jie* 
Bild k'^mtni der OedaLke. wie wir ihn ^er<rh-a, >:L';r^l:vh ac^h nicht gerade 
beraa«. Er i*t a^^er auc^erdem — cnd da> i< •mt--he:deE.d — \ö\liz cirJ«txsa»eod. 
Ein Bauwerk, ein gev'^ibt^ I»»rh. einen T-rboceeiL kai:c nun wohl mit dem 
Hif/,roelA^ewoi*^ TerÄVi:h*-n. A^er daC '►i*-!: Krieger mn die <i'>tterstatue halb- 
kr«-i*forlnii^ 'i^er krfriiföuniz .wie da» Himmelsgewölbe* gochart hatten 
'wa* nirht eicmal da&teht^. eine »'•l'-.he banale Wecdccg wird so lei^rht nicht al» 
Zierde p^jeti^Ji ({eh^»^»ener Rede verwendet werden! — 

Bleibt nnr n^-^b ^-ineZufln^M, Die Stadt Unik-Eret-h wini aU^tA". TIB.AS.XA-KI 
(ki ^umerivrh ^.Stalte. I>and. Stailt"" 1/^zei« hnet. Erech al:-er war, wie Jensen ein- 
Ifehend, und eiDl^-Q'-htend dargetao hat,^. da^ inii^M-he Ab''üd kosmischer Yor- 
Melli3fj;?enj e«> hatte 7 Mauern. di»r 7 ^tadtzooen umMrlilo^Mfn und dit* dec 7 
durch di*- SieM-nzahl der F'laLet^-n l>edin^#'n W#-ltz/»nen entsprachen. Und >*"• 

.Wald d«r* Ilniim<'l*' Af-n^^UK .^itz de-sHimro»K" Me:wLer-Kf«st) re>p. de>-Ana" 
'Ziffif/iern . 

Sfäifmnl^ßi. Shfitmfn mm MfinaLnath, Freil'iirg i. B. i:««M, 4. lieft. Kntcler sucht 
*]'4.r/MtHfi U'id mir «»'lieint d-r Nachweis «chla^j^nd. daU da< Gilsn misch- E|>fts 
*f' U ftt' fit auf d<;r Krde. v>rjd*-rn am Ke>timten Himmel zugetragen hat. .Die gemein- 
^jff/jen 7muc de* (jWvüw^s und £labani >*»wohl wie die Reise de* Ersteren zu den Inseln 
()*'r ."»elj^'-n Mud nicht, wie .lenvm annimmt, nach We>ten. s<»ndem nach Osten 
fi*',ruUi*'i und * lilielien sich vorzutrswei>c an den Jahre>lauf der Sonne und den 
dadur' U b<dintften Wech.sel der Jahreszeiten an * Damit ist zweifellos zum Yer- 
f'iandni«* de«« K|»oh und ««einer K^ntstehung die erste und wichtigste Grundlage 
U*'y^ouiifrrK und e* wird ueviiü vielfach als eine Erlösunir Ireim'nil werden, daß wir 
ftir die ur<»pruni;liche älte^tbabylonische Konzeption niclit mit Vorstellungen, die 
OilKam^ft zur MraiW« \on Gibraltar fuhren, zu retrhnen habeu. Andererseits scheint 
mir *''hon rein the^ireti^rh eine ^kundäre (bertragunt? auf irdische Verhältnisse 
ev. «lelb^t unter Bevr»r/u<run« der durch den Tageslauf der Sonne «eirebenen Rich- 
tung von 0»ten nach We-^ten dabei an Hch nicht ausgeschlo>>eu. Wenn übrigens, 
wie nicfit mehr zu bezweifeln, das Härden-Erech. d. h. das siebenfach abgej*tufte 
Er^jch de» Giltfarneö Epo?» unsprunKÜch am Himmel zu suchen ist, >o erwächst 
unnerer Deutung von Ay.TIR.AX.XA dadurch eine weitere Bestätigung. 

'J} Jiauirmrhriften Atarhaddowf. Bdtr. z. Asm/nol 11! S. 214 und .\nni. 

3; Die KfjHrnnUjfjie der Bahylonier 170 ff. 



Mitteilungen und Nachrichten. 259 

wird mao nicht fehl geheo, wenn man AN,TIB,AN.NA in erster Linie auf den 
himmlischen Stufenbau der Planetedsph&re deutet; auch Zimmern hält dies, wi^ 
er mir schreibt, jetzt für das Wahrscheinlichste. Zu erinnern ist auch daran, 
daß man für das Verbum sahäru und. seine Form III 9 sutashuru ohnehin eine 
technisch- astronomische Verwendung beobachtet hat.*) Bedenkt man nun, daß 
Bel'Marduk, um dessen Rückführung es sich hier handelt, seit Hammurabi als der 
Herr der Welt, der oberste Gott des babylonischen Pantheons gilt, durch den wie sein 
Vater Ea so auch^inu, urspi-ünglich der oberste Himmelsgott, sowohl aus den popu- 
lären Vorstellungen wie fiir die Staatsreligion im engeren Sinne verdrängt worden ist, 
so wird man es dem Verfasser des hymnenartigen Textes zugute halten, wenn er 
die musizierenden Heerscharen, die den Gott begleiteten, umgaben und ev. um- 
tanzten, mit den himmlischen Sphären und ihrer Harmonie verglich. Der Vergleich 
hinkt zwar sehr, aber er ist wenigstens nicht unpoetisch und inhaltslos. Daß das 
Musizieren ausdrucklich als „Tag und Nacht" geschehen bezeichnet wird, scheint 
mir in diesem Sinne besonders bedeutsam. Die Unaufhörlichkeit bildet ja 
ein entscheidendes Merkmal für die Musik der niemals stillstehenden Sphären: 
„Die Sonne tönt nach alter Weise 
In Brudersphären Wettgesang." 
Von den Soldaten ohne diesen Bezug ausgesagt, wäre es eine leere, eitle und un- 
wahre Phrase. Und so werden wir das Richtige treffen, wenn wir übersetzen; 
alle meine Truppen wie die himmlischen Sphären drehten sie sich, 
oder umkreisten sie (ihn), Tag und Nacht machten sie Musik. 

Übrigens erscheint wohl auch für den sillu (die „Archivolte") madgigu QYl 
ktma AN.TIB.AN.NA bei Assarhaddon die Deutung auf eine Abstufung nicht 
ganz ausgeschlossen. Nischen und Torbogen mit abgestufter Umrahmung sind ja 
der alten wie der neueren Baukunst in Ost und West bekannt. 

Es werden dieser ersten Beobachtung nun, wo sie einmal gemacht ist, aus 
neuem, vielleicht selbst aus älterem Material gewiß weitere folgen, und der 
Wahrscheinlichkeitsschluß wird zum Vollbeweise reifen. Schon jetzt scheint 
nair die Anspielung bei Assurbanabal hinter den beiden alttestamentlichen Stellen^ 
in denen man neuerdings Hinweise auf die SphSrenharmonie erblickt, Ezechiel 
1, 24, wo von dem Rauschen der Kerubendugel gesprochen wird und dem Antaug 
von Psalm 19'), der, wie Gunkel richtig erkannt hat, den ^Sang der Himmel"*) 
schildert, an Deutlichkeit mindestens nicht zurückzustehen. 

Daß die Pythagoräer, die wir als Vertreter der Lehj:e v.ou der Sphäreu- 
harmonie kennen, für den, ihnen selbst halbwegs bewußten, Bezug babylonischer 
Anschauungen, auf welchem Gebiete e.s immer sei, nicht auf indische Vermittlung 
angewiesen waren, hat — wie ich, zuerst in diesen Beiträgen,^) in Anl^^^Pf^Q^ 
an den pytliagoräischen Lehrsatz — so neuerdings Cantor hervorgehoben.^) 

1) Delitzsch, Assyrisches Handwörterlmch, s. v. S. 495. 

2) Etwa mit dem leider auch unverstandenen mad(?)-dag-gis zusammengehörend ? 

3) Gunkel, Zum religionsgeschichtlichen Verständnis des Neuen Testaments S. 47 
nnd, worauf mich Zimmern hinweist, Jeremias, Das alte Testament im Lichte des 
alten Orients (1904) S. 334, anscheinend unabhängig ion Gunkel. 

4) S. Gunkel, Ausgewählte Psalmen, 122 ff. 

5) Pythagoräer, Indier und Babylonier, Beitr. II 166, vgl. BahyUmiens Kultur- 
mission, S. 4 (Beides Cantor entgangen). 

6) Über die älteste indische Mathematik, Archiv d* Mathem. u. Pfiysik III. Reihe 
Bd. Vni 63—72. (Wenn Gantor äußert: ,Die Frage, zu welchem praktischen Zweck 
die Tabellen der Qnadratzahlen und Kubikzahlen auf den Tafeln von -Senkereh 
gehabt hätten, sei seines Wissens noch niemals gestellt, jedenfalls noch niemals 
beantwortet worden", so hat er meine Fragstelluog nnd meinen Versuch zur 
Beantwprtung in diesen Beitr. I S. 397 mit Anm. 1 übersehen.) 



260 Mitteilungen und Nachrichten. 

I 

! 

, Weiteres zur altassyriaclien Chronologie« 

Von C. F. Lehmaiiii. 

I Nach dem Wortlaut der oeugeftindeDen Steifitafelinschrift Salmana»$ar$ L 

sollten, seitdem der Priesterfarst EriSu den vod ITifpta^gegruDdeteu Tempel des 
Gottes Assur erbaut hatte, bis auf deu Priesterfürsten Sanäi-Adad 159 Jahre Ter- 
gangen sein, und weitere 580 Jahre von der Restauration des Samü-Adad bis zu 
einer großen Feuersbrunst unter Salmanassar L (um 1800 v. Chr.), so daß also jener 
Erüu dem Salmanassar L um 739 Jahre vorangegangen wäre. 

Oben S. lldf. habe ich erklart, daß das nicht richtig sein könne, daß viel- 
mehr in dem Wortlaut des Textes ein Fehler liegen müsse: die 580 Jahre müßten 
eine Gesamtsumme darstellen, in der die 159 Jahre mitenthalten seien, so daß der 
Zwischenraum zwischen SamH-Ädad und Salmanassar L auf 580-«- 159 = 421 Jahre 
herauskäme. 

Unerwartet schnell hat sich das bestätigt: in Assur ist ein Text 
Assarhaddons gefunden worden, der genau dieselben Stadien der Baugeschichte 
nennt, die £rbauung durch Uipia, die Restauration durch Eriku, die zweite Er- 
neuerung durch äanisi-Adad und die Feuersbrunst (unter Salmanassar L), 

Von Erüus Restauration bis auf die des SamH-Adad seien 126, von diesen 
bis auf die Fenersbrunst 434 Jahre verflossen. 

Man sieht, bei Assarhaddon, der ca. 700 Jahre später regierte als Salmanassar /., 
werden nicht dieselben Zahlen gegeben, wie die nach meiner Auffassung 
aus dem Salmanassar-Texi zu erschließenden. Aber sie kommen jenen so nahe 
(126 gegenüber 139, 434 gegenüber 421), daß die durch den Wortlaut des älteren 
Textes gegebene Auffassung, nach welcher zwischen Erüum und Salmanassar L in 
Summa nicht 580 (resp. nach dem neuen Text 560 Jahre), sondern 580 + 159 = 
739 Jahre vergangen sein sollten, völlig ausgeschlossen und meine Auf- 
fassung als die richtige bestätigt ist 

Aber — die Voraussetzung, auf Grund deren ich dieses richtige Ergebnis 
erzielte, war irrig. Ich nahm an, daß der von Salmanassar L genannte Samsi- 
Adad derjenige sei, der unter den bekannten Trägern dieses Namens allein in 
Betracht kommen konnte, nämlich der Sohn Uml-Dagans, Der neue Text nennt 
aber als Vater Samki-Adads den Belkabi^, so daß zu den bisher bekannten 2 Priester- 
fürsten und 2 Königen des Namens Sam^-zldatf ein dritter Priesterfürst hinzutritt. 

Ist hier nun etwa durch einen Zufall von einem gänzlich falschen Ausgangs- 
punkt aus ein richtiges Ergebnis erzielt worden? Derartiges kommt ja vor. Aber 
wo es sich wie hier um eine Rechnung handelt, wird man au ein solch merk- 
würdiges Spiel des Zufalls nur im äußersten Notfall glauben wollen. Viel walirschcin- 
licher ist es, daß Ausgangspunkt und Voraussetzung des richtigen Ergebnisses 
im wesentlichen doch richtig waren, daß also die beiden SamH-Adad ungefähr 
in die gleiche Zeit gehörten, z.B. iamki-Adad der Sohn des BHkabi und 
Saniki-Adad der Sohn des Umi-Dagan im Verhältnis von Großvater und Enkel zu- 
einander standen. Und zwar würde ich unter dieser Voraussetzung den altbekannten 
Sohn des limPDagan für den Jungeren halten, weil er an dem unbedeutenderen 
Tempel des Anu und Adad baut resp. diesen erbaut, woran nicht gedacht werden 
konnte, solange der Tempel des Hauptgottes baufällig war. Den Tempel des Anu und 
des Adad liat dann Assur-daian niederreißen lassen, um ihn wieder zu bauen, was 



1) Miiieil d. Deutschen Orient- Gesellschaft Nr. M S. 74 f. Anm. ^ 

2) Dieses ist vieUeicht, worauf Delitzsch a. a. 0. hinweist, in dem ver- 
stüm melten Texte I R 6 Nr. I bereits genannt. Der Name des Vaters erinnert Im 
übrigen an Bilkapkapi. 



Mitteilungen und Nachrichten. 261 

auszuführen jedoch erst seinem Urenkel Tiglatpileser I. vergönnt war. Hier liegt 
der Fall ganz ähnlich: als man an die Restauration dieses unwichtigeren Heiligtums 
dachte, muß der Tempel des Assur intakt gewesen sein. Entweder der Neubau 
Salmanassars L, zu dessen Festigung und Aussclimückung sein mächtiger Sohn 
Tuklat'Ninib L das Seine beigetragen haben wird, hatte den 2V3 Jahrhunderten 
getrotzt oder es war kurz vor Aasurdaian eine Erneuerung erfolgt. 

Sanigi'Adad, Ihni-Dagans Solm, herrschte nach Tiglatpilesers I. Angabe, bei 
Zugrundelegung des korrigierten Bavian - Datums, um 1720 v. Chr. (0. S. 114 f.). 
Haben wir nun §amM-Adadj Belkdbis Sohn, zwei Herrschergeiierationen (30 bis 
40 Jahre) früher zusetzen, also um 1760—1750, so kommen wir für Salmanassar L 
(421 resp. 434 Jahre später) in die Zeit um 1340—1830 resp. 1325—1315, beides 
Daten, die für Salmanassar 7., der Vater des um 1300 in Babylon während der 
7 letzten Jahre seiner Regierung bezeugtermaßen ca. 1297—1290 herrschende 
Tuklat'Ninib L noch besser paßt, als der unter der früheren irrigen Voraussetzung 
gewonnene Ansatz 1299 v. Chr., also „um 1300" (oben S. 114). 

Aber diese Verknöpfung der beiden Samii-Adad ist nur wahrscheinlich, nicht 
gesichert. Wir müssen weitere Funde abwarten. Namentlich ist die Auffindung 
des Tempels des Anu und Adad dringend zu wünschen. , Dann erst wird es auch 
an der Zeit sein, die relativ geringfügigen Abweichungen der beiden Texte in den 
die beiden Zeitintervalle betreffenden Angaben erklärend zu erörtern. 

Einstweilen kann, wer die mir geglückte Korrektur des Wortlauts der Sal- 
»iaMö»«ar-Inschrift für einen Zufall erklären und Samsi-Adad, Belkdbis Sohn, in 
eine beliebige, von der des JÄmt-Dfl^/an-Sohnes ganz getrennte Zeit setzen will, 
nicht strikt widerlegt werden. Für ihn entfällt dann auch jeder Rückschluß auf 
die Zeit Tiglatpilesers 7., der eben nur über den Sohn Ismi-Da^ans Angaben 
macht und damit auch auf das Datum von Bavian, das Tiglatpileseis I. Zeit 
bestimmt. Von einer bestimmten Bestätigung, die von dieser Seite her meiner 
anderweitig ohnehin gesicherten und mehrfach bestätigten Korrektur des Datums 
von Bavian her erwachse, kann also zurzeit nicht gesprochen werden. 

Dies diem docet — ac docebit. 



Die neue Livius-Epitome. 

Am 15. Juni ist Band IV der Oxyrhynchus Pa2>yri von G renfeil und Hunt 
erschienen, für den Theologen wie den Philologen und Historiker gleich interessant. 
Mit neuen Sprüchen Jesu wird die Reihe der theologischen, mit einem Parthenion 
Pindars die der klassischen Fragmente eröffnet. Den Historiker aber interessieren 
in erster Linie zwei Auszüge aus größeren geschichtlichen Werken der Vergangen- 
heit: Nr. 665 der kleine Rest eines Auszugs aus einer griechischen Geschichte 
Siziliens, vielloicht aus dem Werke des Timaios, vor allem aber Nr. 668, die um- 
fangreiche lateinische Epitome aus Livius, und zwar aus den erhaltenen Büchern 
37—40 für die Jahre 190—179 und aus den verlorenen Büchern 48—55 für die 
Jahre 150—137 v. Chr. Auf diesem zweiten Teil beruht der Hauptwert des neuen 
Fundes — des ersten größeren literarischen in lateinischer Sprache aus Ägypten — , 
zumal der Epitomator nicht nur die äußere, sondern auch die innere Geschichte 
Roms ins Auge gefaßt und auf die chronologische Fixierung der Ereignisse be- 
sonderen Wert gelegt hat. Im übrigen ist das Ganze äußerst lehrreich für das in 
letzter Zeit viel behandelte Problem der allmählichen Verdünnung des Livius in 
der Kaiserzeit. Durch Herrn Grenfells Liebenswürdigkeit bin ich in die glückliclie 
Lage versetzt, schon in allerkürzester Zeit im zweiten Beiheft ^^x Beiträge den 
Text nebst Kommentar zu veröffentlichen und den Papyrus nach Form und Inhalt 
eingehend zu würdigen. E. K. 

10 



2H2 Mitteilungen und Sachrichien. 

Die diesjährige akademische Leibniz-Sitzmig. 

iSelten wohl ist eioe akademische Sitzung? von so großer Bedeutaog und von 
solcher Reichhaltigkeit an Beitragen und Anregungen für die historische Wissen- 
schaft und speziell für die alte Geschichte gewesen, wie die diesjährige Leibniz- 
Sitzung (30. Juni) der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften.') 
Der Geschichte des „chaldäischen Irrwahns* der A^'trologie, dem auch als 
«astrometrologisches Institut' bei seiner Begründung das später der Hochschule 
für Musik bestimmte Gebäude gedient hatte, das jetzt provisorisch der Akademie der 
Wissenschaften Aufnahme gewährt, galt Di eis* Festrede, während 0. Hirsch feld 
in seiner Gedächtnisrede auf Theodor Mommsen*) dessen Verhältnis zur Berliner 
Akademie und damit speziell, aber keineswegs ausschliesslich, die Entstehungs- 
geschichte des Corpus Inscriptionum Laiinarum unter Verwertung bisher unbenutzter 
•kostbarer Materialien'' (Briefwechsel Mommsens mit Gerhard und mitHenzen, 
Tagebucli Mommsens aus den Jahren 1S44 und 1845) eingehend und fesselnd be- 
handelte. — Zwischen diesen beiden Hauptreden erfolgte die Aufnahme der neuen 
Mitglieder der Akademie. Eduard Meyer betonte in seiner Antrittsrede mit 
erfreulichem Nachdruck die Schattenseiten der an sich notwendigen und gewinn- 
bringenden Spezialisierung historischer Forschung: „die Isolierung, die Auflösung 
des in seinem innersten Wesen doch einheitlichen Arbeitsgebietes in zu- 
sammenhangslose Teile, die Unterdrückung der lebenskräftigen lodividualität 
des Forschers, die Gefahr, daß die Detailarbeit den Com|>aß verliert, den ihr allein 
tler Zusammenhang mit dem großen Ganzen gewähren kann, aus dem sie erwachsen 
ist, und die noch viel größere Gefahr, daß die Wissenschaft, die der Culturwelt 
die Ergebnisse ihrer Forschung erschließen will und soll, die Fühlung mit dieser 
verliert und die Wirkung nicht mehr ausüben kann, die zu üben sie berufen ist"". 
— Aus Dietrich Schäfers ausführlichen Worten heben wir zwei wichtige 
Hauptsätze her\'or: „Das, worin Ranke uns Meister ist und worin wir ihm nach- 
streben, die Achtung vor den Tatsachen, die Wahrheitsliebe und Gewissenhaftigkeit 
der Forschung, das ernste Bemühen, die Zeiten zu verstehen aus sich selbst, 
fremde Impulse nicht unterzuschieben, das alles kann bestehen neben dem 
berechtigten Anspruch der eigenen Zeit und der eigenen Persön- 
lichkeit, in Darstellung und Auffassung «ur Geltung zu kommen.'* Und 
indem er seiner Beobachtung gedenkt, „daß unter dem Losungsruf Kultur- 
geschichte Anforderungen an unsere Wissenschaft gestellt wurden, die geeignet 
waren, sie ihres Inhaltes zu entkleiden und von ihrer Grundlage abzudrängen, 
nicht so ganz selten, um Trivialitäten in den Vordergrund zu schieben** faßt 
Schäfer seine .Vnsiclit dahin zusammen, „daß es eine Kulturgeschichte, die an die 
Stelle der Geschichte treten konnte, nicht gibt und nicht gebeu kann*" . . . „Ziel und 
Mittelpunkt historischer Arbeit wird sein und bleiben müssen die tiefere Einsicht 
in den Werdegang von Staat und Kirche, in Grundlagen und Bedingungen ihrer 
gedeihlicher Existenz und Entwickelung". — Von Zimmer wurde darauf hin- 
gewiesen, wie „die Kelten schon früh in Massalia mit der höheren Kultur der 
Mittel meerländer in Berührung" kamen und „ihre Vermittler an die Germanen" 
wurden. ^Zahlreiche geraeingermanische sprachliche Entlehnungen, die zum Teil 
über die Zeit der ersten Lautverschiebung hinaufgehen, legen Zeugnis dafür ab, 
wie tief vom 6. bis 1. Jahrhundert v. Chr. der Einfluß der Kelten auf die Germanen 
gewesen ist.** Ferner wurde daran erinnert, wie, nachdem „Germanen die alte 



1) Vgl. Nr XXXI V der Sitznnoslyerichte, 

2) Erschienen in den Abhandlungen d. Kgl. Prcuss. Akad. d, W. vom Jalire 1904. 

38 S. in 40. 

11 



Mitteilungen und Nachrichte^i. 263 

Welt in Trümnier geschlagen hatten, wobei griechisch-römische Kultur und 
Christentum an vielen Orten, vor allem im Merowingerreich, vom Scliutt mit- 
bedeckt wurden, „nur in Irland" .,die in die Formen des Christentums gegossene 
antike Bildung in jenen Zeiten Heimstätte und Pflege fand". ' Seit dem letzten 
Viertel des sechsten Jahrhunderts übermittelten irische Missionare und später 
im christlichen Karolingerreich irische Lehrer „den Germanen und Romanen das 
in Irland bewahrte geistige Erbe des Altertums. Verstand jemand im 
Laufe des 9. Jahrhunderts im Frankenreiche Griechisch, so stand er unter dem 
Verdacht, ein Ire zu sein oder bei einem Iren in die- Schule gegangen 
zu sein. So haben Iren vom 7. bis 9. Jahrhundert als Schulmeister West- 
und Mitteleuropas die Grundsteine unserer abendländischen Kultur gelegt." 
Daß Diels in seiner Antwort den übertriebenen Vorstellungen einer 
über ganz Deutschland ergossenen Keltenüberschwemmung gedachte, die 
auf ihr richtiges Maß zurückzuführen seien, wird sich hoffentlich als segens- 
reich und wirkungsvoll erweisen. — Aus Diels' Antwort auf W. Schulzes 
Antrittsrede heben wir den folgenden bedeutungsvollen Passus hervor: „Jetzt über- 
reichen Sie beim Eintritt in die Akademie ein zweites noch gewichtigeres Werk 
Zur Geschichte Meinischer Eigennamen^ das Ergebnis langjähriger entsagungsvollster 
Arbeit, das Sie auf italienischem Boden nicht minder umfassend und nicht minder kühn 
vorwärts strebend zeigt als Ihr erstes Homer gewidmetes Buch" (Quaestiones epicae). 
,Jhr neues Werk ist ein bedeutungsvoller Versuch, von der Vertiefung in die 
Sprache aus die Geschichte Roms und Italiens aufzuhellen, ein Beweis, 
daß Sie als Sprachforscher sich vor allen Dingen als Historiker fühlen. W^eitab 
weisen Sie die willkürliche Grenzregulierung, welche die eigentliche Historie wie 
mit einem Pfahlgraben vor dem Einbruch der Linguisten und Philologen schützen 
will. Nein, Sprachwissenschaft und Philologie sind auch da, wo sie nur mit der 
Sprache selbst zu arbeiten haben, vor allem historische Wissenschaften" . . . ,,Es gibt 
Epochen, wo die Menschen schweigen und die Steine reden. Es gibt aber auch 
andere, wo die Steine und die Vasen und die sonstigen Kulturerzeugnisse stumm 
bleiben, und die Geschichtsforschung vor einem Rätsel steht, solange es nicht 
gelingt, die Menschen zum Reden zu bringen. So steht es mit der mykenischen 
Zeit. Möchte es Ihrer soeben an den Italikern bewährten Forschung gefallen 
und gelingen, die alten bisher stummen Namen von Hellas erklingen zu lassen 
und dadurch die immer verworrener werdende Geschichte der vor- 
homerischen Kultur aufzuhellen." Diesem letzteren Wunsche schließen wir 
uns mit besonderem Nachdruck an: Auch uns erscheinen die neuesten Bemiihungen 
(vgl. zuletzt Karos Schlüsse aus den Altkretischen Kultstellen, Archiv für Religions- 
wissenschaft VII S. 117—156) um die Frage nach den Trägern der mykenischen Kultur 
oder, richtiger, nach dem Auftreten und dem Verhältnis des griechischen neben 
und zu dem nichtindogermanisch-„karischen" Element größtenteils als unzuläng- 
liche, weil mit untauglichen Mitteln gemachte Versuche. C. F. L. 



Auf der VllL Versammlung deutscher Historiker in Salzburg (31.8. bis 
4. 9. d. J.) wird die alte Geschichte durch K. I. Neumanns Vortrag: „Die Entstehung 
des spartanischen Staates in der lykurgischen Verfassung" zu Worte kommen. Wenn, 
wie es nach dieser Formulierung den Anschein hat, der Vortrag auf eine An- 
erkennung der Realität einer lykurgischen Verfassung und ihrer Bedeutung für 
die Entwicklung des spartanischen Staatswesens hinausläuft, so würden wir das 
mit besonderer Freude begrüßen. Denn der wohl gegenwärtig herrschenden 
Ansicht, wonach es eine lykurgische Verfassung überhaupt nicht gegeben habe 
und Lykurg selbst ein Gott, kein Mensch gewesen sei, haben wir niemals zu- 

12 



204 Mitteütmgen und Xaehrichten. 

?%tiininen können. Lykursr Ist m. E. ein Mensch, dein $;öttli«*he Verehrung zuteil 
geworden, der heioi>iert i^t. Die allgemeine, für dieNen S|>eztalfall mit besonderer 
Lebhaftigkeit verwertete Behauptung, daß es vergötterte MeDschen — abgesehen 
vom Königsknlt. der anf einem anderen Blatte stehe — überhaupt nicht gelie 
\Va\. Meyer, Ge^h, d, AU. II §277 Anm. S. 429,, unterlag von vornherein schweren 
i{ede;iken und ist jetzt durch den von Sethe nachgewiesenen .vergötterten Menschen* 
Imhotep gegenstandslos geworden. Lykurg war natürlich nicht der Schöpfer des 
Sparta ni.sclien Staatswesens oder der ersten spartanischen Verfassung, sondern der- 
jenigt'n über die ursprüngliche Verfassung resp. über die Urzustände zum Teil hinaus- 
fceheiiden Verfassung, die es Sparta ermöglichte, die Vormacht von Argos (Pheidon 
um 748 v. Chr.; zu brechen und in den messenischen Kriegen den Sieg und den Vor- 
rang im Peloponnes zu erfechten. Für den Schöpfer dieser neben den Neuerungen 
viele.H Alte und Uralte beibehaltenden Verfassung, dem u. a. die Neueinteilung der 
Bürgerschaft in Phylen und Oben zuzuschreiben ist (deren Bedeutung und Wirk- 
samkeit mutatLs mutandis die kleisthenische Verfassung ermessen lehrt), paßt die 
Gleichzeitigkeit mit Iphitos und mit der 1. Olympiade sehr wohl, und so wenig 
wie Toepfter sehe ich einen Grund, an dem Zeugnis des Aristoteles oder seiner 
Grundlage zu rütteln, noch auch eine nach Zeit und Ursachen unerklärliche Fälschung 
der Rhetra anzunehmen. C. F. L. 

Am 16. Juli d. J. feierte Ludwig Friedländer zu Massmünster im Elsaß 
seinen 8(). Geburtstag. Die Ernennung zum Ehrendoktor der Rechte, durch die 
die Universität Königsberg ihr langjähriges vorbildliches Mitglied und sich selbst 
ehrte, erscheint als eine besonders glücklich gewählte Huldigung für den tiefen 
und umfassenden Kenner, den kundigen und feinsinnigen Scliilderer des römischen 
Altertums und seiner Sitten. Die Glückwünsche der Universität Straßbnrg, das 
der den Jahren in Spannkraft und Frische trotzende Gelehrte seit 1892 zu seinem 
Wohnsitze und Wirkungskreise erkor, überbrachten Vertreter des Senats und der 
philosophischen Fakultät, während im Auftrage zahlreicher Schüler und Freuude, 
besonders aus Königsberg, Berlin und Straßburg, durch Reitzenstein eine Urkunile 
überreicht wurde, die dem Jubilar ein namhaftes Kapital zur Begründung einer 
Ludwig Friedländer-Stipendienstiftung an der Königsberger Universität überwies. 
Die näheren Bestimmungen behält sich, wie wir hören, der Gefeierte noch vor. 
Daß speziell den Homerstudien und der römischen Kulturgeschichte, den beiden 
Brennpunkten Fried länderscher Forschung, durch diese Stiftung manche Förderung 
erwachse und daß für die Stipendiaten das hebende und spornende Bewußtsein, 
unter de« Meisters Augen zu schatTen, noch auf Jahre hinaus dauern möge, ist 
der verehrüngsvolle Wunsch, in dem sich die Leitung der Beiträge zur alten Ge- 
H4'hivhte mit allen Mitforschern und, weit darüber hinaus, mit allen Freunden der 
Altertumskunde, eins fühlen darf. C. F. I- 

Georg Steindorff, bishei ordentlicher Honorar-Professor för Ägyptologie 
und Direktor der ägyptologischen Sammlung an der Universität Leipzig, ist zum 
ordentlichen Professor dortselbst ernannt worden. 

Am 11. Juli d. J. ist zu Husum Adalbert Iloeck nach kurzer Krankheit im 
51. Lebensjahre verschieden. Sein mehrfach, auch öffentlich bezeigtes Interesse 
an der gedeihlichen Entwickelung der Beiträge zur alten Geachichte hat er kurz 
vor seinem frühen Tode durch Übersendung eines, alsbald von uns zu veröffent- 
lichenden Aufsatzes Zur Geschichte des Thrakerlönigs Kotytf I. bestätigt. So wird 
das ihm gesicherte ehrenvolle Andenken in diesen Blättern durch eine — die 
letzte eigene Arbeit lebendig erhalten werden. C. F. L. 



AbgcN'-hlnsHPn am 20. Augu«»! liKM. 
13 



265 



Zur Geschichte des Thrakerkönigs Kotys I. 

Von A. Hoeck f. 

V. Strazzulla hat in diesen Beiträgen EQ S. 325 ff. einige Bemerkungen 
über die Thrakerkönige Kotys I. (383—359) und Kersebleptes (359—341) 
veröffenthcht, die nicht nur chronologisch ziemlich ungeordnet sind, sondern 
auch einige tatsächliche Irrtümer enthalten, die mich zu einer Berichtigung 
veranlassen. Ich beschränke mich zunächst dabei auf Kotys und behalte 
mir vor, auf Kersebleptes in einem späteren Artikel zurückzukommen. 
Gleich zu Anfang seines Aufsatzes sagt Strazzulla, daß Kotys durch die 
Schuld des Hegesandros in den Besitz des bisher den Athenern gehörigen 
Chersones gelangt und dadurch mit Athen in Krieg geraten sei. 

In welche Zeit er dieses Ereignis setzt, ist nicht ganz klar; doch 
scheint es fast, als^ ob er es dem Anfang der Regierung des Kotys zu- 
weise. Er beruft sich für die Schuld des Hegesandros auf die Schollen 
zu Aischines' Rede gegen Timarchos 56, wo es freiHch von Hegesandros 
heißt: altiav yctq saxBv wg nQodovg Korvl ti/v JCf^^o'i'ijcror. Woher der 
Scholiast seine Notiz schöpfte, wissen wir nicht. Aus der Rede des 
Aischines selbst erfahren wir^), daß Hegesandros als Schatzmeister mit 
dem Feldherm Timomachos von Acharnai nach dem Hellespont fuhr 
(361/60), daß er die Einfalt seines Vorgesetzten zu seiner eigenen Be- 
reicherung benutzte und von diesem unglücklichen Feldzuge ein Vermögen 
von 80 Minen heimbrachte und dadurch wesentlich zur Verurteilung des 
Timomachos beitrug. Hiemach befand sich Hegesandros in der untergeord- 
neten Stellung eines Kassenbeamten ; und was wir über seine Bereicherung 
lesen, scheint mehr auf Unterschlagung von Staatsgeldern als auf bezahlten 
Verrat hinzudeuten. Jedenfalls hatte, wie ich in meinem Aufsatze über 
das Odrysenreich in Thrakien 2) gezeigt habe, Kotys schon lange vor der 
Ankunft des Timomachos und Hegesandros im Hellespont (Sept. 361) sich 
einzelner Plätze auf dem Chersones bemächtigt, und wenn auch die 

1) Aiscli. gg. Tim. oG : trv/e tih tote 'Hyl/actvögog ar/nnXsvaag tlg 'ED.iionovxov 
rafiiag TijLiofiaxü) xw \AxaQvtT ro) axQaxi]yiiaavTi xcd ?)x6 ötvQO ineXr^Xaxwgf 
vjg ?Jyax(Uf xrjg ^xeivov EVT/Ostag e/wv ovx ^käxxox^g t] oytSot^xorxa jLiväg a(}yvQiov 
xtt) xfiOTiov xivci ovx ?^'^^« luxiog EyivExo otxog Ti/noficcyiü xfjg avfjKpogdg. 

2) Hermes 2G S. 7Gff., über Timomachos s. S. 95 ff. 

Beiträge z. alten Geschichte IV 3. 18 

1 



r'r.r^r-<"r.-^r-'a ^'^ K^«^an^r> -ind der darac* h^^rv./rre-^anzi^e -H-ri.^^hte 
.S^;ir.^ d^r K.'i^^ka*^ d^ T'rr.';rr.ar-h«>» d> w»^i:rr-fi Ertvi^p^ ditt* Kvcy? 
auf rl^m r n«=-r-/^/nf*« b^-ix-^^i^r: hah^^^i mo*^^n, so da;i «^in offi^crii'-fc^ An- 
kMi'*^r ihr» ^^ Wiratfri» zf-ih^n konnrf-, s*> ward d«x:h d:«=^>e Aüklajr»? vi^r 
al.^''''n fj^jf-n d^n t^AY^f-rm Tmurr.achtV« .-^irj»*! erhoh*='n. wie är>?-rfeaapt 
•vi-wf-n a».^ ath'-nir^h'^'n Ff-.or.^rr^n. d:e in d^-n Janren -V-i — :^-'»'> in den 
h^'..^-^p«>r;*;.V'h^n Oewä.-^ern b^f*-hl;^en, I/em T:iriönia4rbj« ward naet 
D<rf;^/-Tnf-n^ ^cy, -4n>jf'yiT. II -ii der Vorwnrf ^^machr. er habe sich dnreh 
^-'n .S^'hr^i^#en d^-^ Koty^ so täa.^:hen la-^^en. daß er d:»=^<em die Besetznnir 
f\iiWf'r F.ätze erm^^^Krhie, AiL-führlich berichtet ans über die Amt^führunör 
i\f-^ Timornarrhos d^r Inf-v^LTch Apoil^xloro-? in der anter Dennj^nhenetj* 
Narn^-n ö^^rlif-ferren Rede gf^«=^n Polyklw ilTß,» and wir erfahren hier, 
dafc rkr Feldherr. *oweit bei der nngenö<?enden Soldzahlang und den dadareh 
henor^erufenen De^rtionen von Schiffsmannschaften überhaupt Ton 
fiiililari-chen Operationen die Rede sein konnte, «ich am Kotys and den 
('Mi'Tr'ftn^rA «far nifht kömmene. s^^mdem sifh zunächst auf das Geleit der 
aa.- dem Font^i?* kommenden Getreideschiffe beschrankte and sein Interesse 
«päter dem Streite zwi.-chen Maroneia and Thasos um Stryme und den 
Frivatanifelet^enheiten seines kurz zuvor aus Athen verbannten Schwagers. 
i^i'i^ ^lekannte^ Staatsmannes Kallistratos von Aphidna. zuwandte. Neben 
Timomach/is wurden aber auch seine Vorgänger im bellespontisehen 
Kommando. FIrgophilos i'MV^.'l). Antokles und Menon l3*>2 1). und seine 
Nachfolger Theotimos und Kephisodotos (3^>0 59). fer den Verlust der 
athenischen Bf?sitzungen auf dem CTiersones vorantwortlich gemacht. \) Es 
ist also ganz unberechtigt, die Schuld an diesen Verlusten allein oder 
auch nur in erster Linie dem Hegesandros zuzuschreiben. 

Mit mehr Recht hat Strazzulla vielleicht den Bericht Diodors (XV, 3*5) 
über den im Jahre 37fi 5 unternommenen Plnnderungszug der Triballer gegen 
Abdera in den Kreis der Betrachtungen hineingezogen. Ich habe in meinem 
oben erwähnten Aufsatze diese Stelle unberücksichtigt gelassen, da Diodor 
dort weder Kotys noch die Odrysen, noch irgend welche Beziehungen 
zwisehen ihnen und Athen erwähnt. Der Bericht Diodors lautet*-): ^In 

\j \u}, \)t*uih's\hi'ni's r, d. Gen 180, f. I9tann. 53. Hypcreides f. Eux. Kol. 18. 

',£) I)iodr XV. Z(\: fv r^ h(t/cxr^ T(»t,ifc/J.ol mroAttr. Tiit^o/Mfrot nct'dtffiei m^ii- 
rt/fcv (-TTOi/ffffn'TO if(/o;' Tr^r t7if'(ßO(ßifßv yoßQtcv xf:) za^ TfHnf€U fx r^c (OJkoxQir.c 
y'ni inh{ftOtvio. ovTf^ AI Ti'/.fhn-;; rujy T(ßiafiV(ßioßv ^7i ff/,(ffßr r /^ r ou 0{fOV Hgr.xti v xiu 
T//I' twv\'\iiAff{ßiroßV /oj(ßf(v Mß(ßi}TfOtcv liAtvjq. no?,/.?/; A' aHfe/.tiaq xv{ßiti'<i(tmq xfaicie- 
tf{/ovffyoT(fßi: ytt) niaxxüj.; ttjiV ^ntxvodov fnotovvxo. oi i5' *A,iArffjiTfu :iav6ff/itl (nga- 
rn'of'rrf-^ tn' filioi^ xal ano(M(dr(V xid uxtxxroßq tr^r tTiavodov :ioiovßl%'ovi :K/,eiovg 
roßv Aio/UM'ßv hvhujßv' oi Ah [ii'nßßaQoi nuQocvri^hxtz hni roi*; ai'fi{itßfixbm xai 
ffov/.ofinoi Toi'^ Afidriißira;; Tißü}(ßf/aaaih(i 7ia),tv h't{ict).ov ahwr th Zf^v /wg€cv, oi 
M Tutovn'iXr/xoTH; ^7iaißi>hvxf-q zw 7i(ßOZt{ßrifntzi xtd Ziär n}.r^aiO'/(Iß(}(ifr ß^axwv 
</»•/////'///'>' /(Ttomn/Mvzojv txrzoT^ nafjtzacfcrzo zou i^aQßäQou. ytvofjLtvtf^ d\ fuc/f/q 
/ff/i(fr^ yt() zi'jv fi{ßuxoh' fitzr.{iti).ofAhvojv ("nfrof fiorojO^trztq oi \AßAf^Qizai xal 



Zur Oeschichte des Thrakerkönigs Kotys J. 267 

Thrakien machten die Triballer, durch Getreidemangel bedrängt, mit ihrer 
ganzen Macht einen Feldzug über die Grenzen ihres Landes hinaus und 
verschafften sich Nahrungsmittel aus dem fremden Lande. In einer Zahl 
von mehr als 30000 griffen sie das benachbarte Thrakien an und ver- 
wüsteten ungestraft das Gebiet von Abdera. Nachdem sie sich aber vieler 
Beute bemächtigt hatten, bewerkstelligten sie den Rückzug nachlässig und 
ohne Ordnung. Die Abderiten aber zogen mit ihrer gesamten Macht 
gegen sie zu Felde, während sie zerstreut und ohne Ordnung sich zurück- 
zogen und töteten mehr als 2000 von ihnen. Doch die Barbaren, erbittert 
über das Geschehene und begierig, sich an den Abderiten zu rächen, 
fielen wieder in ihr Gebiet ein. Da diese aber vorher gesiegt hatten und 
auf ihren Erfolg stolz waren und die benachbarten Thraker ihnen Hilfe 
schickten, stellten sie sich den Barbaren entgegen. Als es jedoch zu 
einem heftigen Kampfe kam und die Thraker plötzlich ihren Sinn änderten, 
wurden die Abderiten isoliert und von der Menge der Barbaren umringt 
und fast alle Teilnehmer am Kampfe niedergehauen. Da nun die 
Abderiten von einem solchen Unglück betroffen waren und ihnen eine 
Belagerung bevorstand, erschien der Athener Chabrias mit einer Streit- 
macht und befreite die Abderiten von den Gefahren. Er vertrieb die 
Barbaren aus dem Lande und hinterließ eine beträchtliche Besatzung." 
Am Ende dieses Berichtes steht dann noch die unsinnige Angabe, daß 
Chabrias durch Meuchelmord gefallen sei, während Diodor doch selbst 
später seinen Tod in der Seeschlacht bei Chios (357) berichtet (XVI, 7). 
Trotzdem dürfen wir seinem Bericht über den Triballerzug, der ohne 
Zweifel aus Ephoros stammt, Glauben schenken, zumal da er teilweise, 
durch Aineias den Taktiker (15, 8) und durch die Schollen zu Aristeides' 
Panathenaikos (S. 275 Dind.) bestätigt wird. Strazzulla weist richtig darauf 
hin, daß zwischen TribaJlern und Odrysen alte Feindschaft bestand; 
denn nach Thukydides (IV, 101) war der Odrysenkönig Sitalkes 428 im 
Kampfe gegen die Triballer gefallen. Wenn daher Diodor an unserer 
Stelle sagt, daß die Triballer inrjk^or t]v oihoqov ©pp'xiji», so mag hierunter 
das Odrysenreich des Kotys zu verstehen sein. Auch Beloch (Gr. Oesch. II 
S. 300) nimmt an, daß die Triballer durch die damalige Schwäche ihrer 
südlichen Nachbaren, der Odrysen, zu ihrem Plünderungszuge ermutigt 
wurden. Ebenso mögen Kotys und seine Odrysen, die nXrjtfioxmQoi 
SQfxeg sein, die den Abderiten ein Hilfskorps sandten und sie dann in 
der Schlacht treulos im Stiche ließen. Wenn aber Strazzulla seinem 
Auszuge aus Diodor die Worte folgen läßt: „Cosi re Cotys era rientrato 

xvxXoi^hzEq xmo tov TtXr^S^ovg rc5v ßagßaQwv a/j^ov anavzeq oX xi(q p^XV^ fABTeaxv 
xoTsg xaxsxbnriaav. rt^Xixavry öh avfjupoga xwv ^AßörjQitdv nsQiTtenrwxbteov xal 
fisXXovTCJV noXioQxela^at XaßQutq b *A^rivaToq ^nupavelq fiera övvafitwq i^tiXero 
Tojv xivövvüiv rovq *Aßörj()haq xal rovq fxtv ßagßägovq b^iiXaaev tx rf/q X^(>ac. iv 
dl xtj nbXti if{>ov{fixv ugibXoyov xaTuXmutv (cvrbq vnb xivwv ^öoXotpovtiS'tj. 

3 



'i»> A. Ho&k, 

ancf/r meff^io in In Ali rajporfi trJJa rtrptihhli.a ateni^^', so i-t e< mir 
völliir unklar, wie der Thrakerkönig durch sein treni«>se:* Benehm^-n s^^en 
Abdera. cJa-s e^>^'n damals durch Chabrias für den atheni<<-hen Band 
gewonnen wurdf. jrute Beziehungen za Athf^n eriansren konnte. 

Auch i\\(* Quellen, die wir auüer Dlixl^r ür>er den Tribaüerzue rom 
Jahre 37»> 5 ^x>itzen. die übriiTf-n« von StrazzuUa nicht erwähnt sind, 
bieten keinen .\n!aÜ dafür, daü damals zwischen Kot}» und Athen gute 
Beziehunjren anjreknöpft oder wierler angeknüph seien. Dies war vielmehr 
jKrhon früher durch Iphikrates ge:?chehen.*> Welche Rolle Chabrias in 
den Beziehunaf*n der Athener zu Kotys gespielt hat. ist unklar. Erwähnt 
wird er in den erhaltenen Bruchstücken-» eines Vertrages mit Seuthes. 
vermutlich dem Vater des Kotys. ohne dafi sich jedoch aus dem sehr 
lückenhaften Texte der Urkunde die genaue Zeit des Vertrages oder die 
Art der Tätigkeit des Chabrias in Thrakien bestimmen läßt. Um 37H/5 
muß Seuthes längst tot gewesen sein: denn Kotys starb 3.'>9 nach 
24 jähriger Regierung, muß also 3^3 auf den Thron gelan<rt sein. Aineias 
(15, Xj erwähnt in seinem Bericht über den Zug der Triballer «rpgen 
Abdera die lK»iderseitigen Bundesj^enossen orar nicht, während der Scholiast 
zu Aristeides' Panathemikos (S. 275 Dind.) als Bundesirenossen der Triballer 
nur die Maroniten und als Bundesfcenossen der Abderiten nur die Athener 
unter Chabrias kennt, "^i Wenn der Scholiast also sagt, daß Chabrias 
«ihre Könige" miteinander versöhnte und zu Freunden der Athener 
machte, so können unter diesen Königen keine Köniije der Thraker oder 
Odr}'sen verstanden werden, und es ist überhaupt unklar, wer außer dem 
Führer (König?; der Triballer. den der Scholiast Chales nennt, gemeint 
sein kann, da die Maroniten und Abderiten doch schwerlich Könige hatten. 
Sehen wir uns aber den Text der Rede (S. 172) an. auf den sich die 
Bemerkungen des Scholiasten beziehen, so finden wir. dass der ganze 
Absclmitt sich auf Ereignisse des korinthischen Krieges bezieht und daß 
also auch die Worte: joaoitor 6' aitoic Tr^ocijr, £<rre /.äi töiV S^p^xwv 
^iaaüeac di//2(('£av nur auf die Versöhnung der Odrysenfürsten Medokos 
und Seuthes durch den athenischen Feldherrn Tlirasybulos von Steiria im 
Jahre 38iMj bezogen werden dürfen, von der Xenophon [Hell. IW H. 2(i) 
und Diodor (XIV, IM) berichten. Diese Tat des Thrasybulos, von der 
uuriere Quellen in ähnlichen Ausdrücken berichten^), wie der Scholiast zu 

1 ) DU' Belege dafür s. in nieineru Aufsatz im Hernie.^ ^i^ S. Sl> ff. and 4i>y. 

2) CIA. 11, 1, 12. 

oj 'A,if)fl(ßiT((i:; f^fior^i^r^ot Xr.-ftyiaz h' ^o(y^fj :io/.f/wvitfroi,: rnfo M<((»ioriTdfV Xfd 

yf(} *i\ nfX(i/n\\; aiiif OTf(iOV^ 'AOr^Vf'.Ufjy t:ioi'r^otr. 

4j So ist das von Diodor gef^ehene Datum 391, dem ich im Hermes 26 S. 88 
gefolgt bin, nach den Untersuchungen von Beloch (^//. Po/. S. 353) zu berichtigen. 

•)) Xen. a« a. Ü. (h{>wn'(iov)Mi;) xictauaOojr ozaaiaZoi'Ta^ A/At^tSoxor re Tor OA(jt'' 
fJoßV jiiuiO.H: x(d ^tvi^tiv lor i:i) ihc/Aiit^ iiQ^ovra (\/,'/.i//,oi^ ^itv Aif^/./.a^tv 



Zur Geschichte des ThrakerJcönigs Kotys I. WS) 

Aristeides von der Versöhnung feindlicher Könige untereinander und mit 
Athen durch Chabrias, mag von dem Scholiasten fälschlich auf die Zeit 
des Triballer- Zuges von 376/5 übertragen sein. Diese Vermutung liegt 
sehr nahe, wenn wir mit Beloch {Ath. Pol. S. 314) und v. Scala (Staats- 
ve}'tr. d. Altert. S. 106 f.) die oben erwähnte Urkunde {CIA. II, 1, 12) 
auf den Vertrag von 389 beziehen und annehmen, daß Chabrias damals 
der Kollege des Thrasybulos im Feldherrnamte war und als solcher die 
Verhandlungen mit Seuthes über den Vertrag führte. Ich habe mich 
früher (Hermes 26 S. 88) den Bedenken Köhlers gegen eine so frühe 
Datierung der Urkunde angeschlossen, halte aber jetzt eine solche durch- 
aus nicht für unmöglich, wenn sie auch keineswegs als sicher gelten 
darf. Der Scholiast hätte dann einfach die Versöhnung der feindlichen 
Könige durch Chabrias im Jahre 389, von der er in seiner Quelle las, 
in die Anwesenheit des Chabrias in Thrakien im Jahre 376/5 verlegt. 
Seine Quelle kann dann freihch weder Xenophon noch Ephoros, den wir 
als Diodors Quelle ansehen dürfen, gewesen sein, da beide die Anwesenheit 
des Chabrias in Thrakien im Jahre 389 nicht erwähnen. 

Hinsichtlich der Ermordung des Kotys durch die Brüder Python und 
Herakleides aus Ainos bemerkt StrazzuUa, der Grund zu dieser Tat sei 
Rache für Seuthes. den Vater des Kotys, gewesen, der von diesem getötet 
sei. Zunächst wird es nun zwar allgemein und auch von mir angenommen, 
daß Kotys der Sohn von Seuthes II. war. Als ausgemacht darf dies aber, 
wie ich ausdrücklich betonen muß, keineswegs gelten.^) Sodann begreift 
man auch nicht recht, welches Interesse die beiden Brüder aus Ainos 
daran hatten, den Tod des Seuthes zu rächen. Die Stelle des Aristoteles 
aber, auf die sich StrazzuUa für seine Angabe beruft (Pol. V, 10 p. 1311b), 
in welcher der eine Mörder fälschlich Parrhon genannt wird-), bietet für 
diese Annahme nicht den geringsten Anhalt. Sie lautet: IJa^qwv ds xal 
'HQOxXeidrjg ot Älvioi Korvv äie(px>BiQav toJ Ttatgl ttfiKOQOvvreg, was für jeden 
Unbefangenen doch nur heißen kann, daß die Mörder ihren eigenen 
Vater an Kotys rächen wollten. Wir haben es hier also mit einem Akt 
der Blutrache zu tun. 



crrovi:, Ai^ifVfdoiq tSl «fiXovc xai arfifKc/ovq inohiafv xxl. Diod. a.a.O. 
(ß()(«jili()v),o^) (SifftQi(iu}v 7if-(tl Xttiooviiaov Mi^doxov scm ^trih/v toI\; riöv ß{i(xxon' 
fiaatltli; avfifjiayovi; (-Ttoi fjorcTO. 

1) Der inscliriftUclie Beweis, den ich im Hermes 2^ S. 88ff. dafür beizubringen 
versucht habe, ist zweifelhafter Natur und in der Literatur wird der Vater des 
Kotys nicht genannt. 

2) Den richtigen Namen gibt Demosth. gg. Äristokr. 119 und 163, während 
Diog. Laert. 111, 46 ihn Peithon nennt. 



270 



Quellenstudien 
zu des Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens. 

Von Otto 8«eek. 

n. 

Die spftteren Zasfttze der Pollteia. 

In dem zehnten Kapitel der Politeia hat man die Polemik gegen 
Androtion längst erkannt^); doch wenn man meinte, Aristoteles selbst sei 
es, der hier polemisiere, so irrte man. Wer sich die Mühe nicht ver- 
drießen läßt, alte Münzen zu wiegen, um dadurch seinen wissenschaft- 
lichen Gegner zu widerlegen, der unterläßt es gewiß nicht, auf ein so 
auserlesenes und selten benutztes Beweismaterial ausdrücklich hinzuweisen. 
Aristoteles aber gibt nur in aller Kürze die Tatsachen, welche ihm gesichert 
scheinen; die Gründe, aus denen sie geschlossen sind, verschweigt er. 
Daß viele Teile seines Werkes den Charakter eines Auszugs tragen, haben 
schon andere bemerkt 2); in unserem Falle hat er aus einer sorgfältigen 
Untersuchung, die an Androtion anknüpfte und dessen Hypothesen zurück- 
wies, nur das Schlußergebnis ausgezogen. Da die Atthis desselben erst 
nach dem J. 346 abgeschlossen wurde, kann das Werk seines Gegners 
nicht viel früher entstanden sein, als die Politeia selbst. Es war also ein 
Erzeugnis der allerneuesten Literatur, als Aristoteles es benutzte. Man 
könnte etwa an ein Erstlingswerk des Demetrios von Phaleron denken; 
denn daß dieser dem Münzwesen des attischen Altertums gründlich und 
scharfsinnig nachgeforscht hat, ist auch durch ein namentlich angeführtes 
Fragment beglaubigt.^) Zudem war er Schüler des Theophrast, gehörte 

1) B. Keil, Die Solwtische Verfassung in Aristoteles Verfassungsgeschichte, 
Berlin 1892 S. 45. Wilamowitz I S. 44. 

2) Keil S. 51. 56. Wilamowitz 1 S. 123. 

3) PUit. Sol. 23: nkiiv d fiTj imnvUCpvxoq rote rov rofiiafitcrog iv r^ no?.ft 
l^ifynlaq hJioiei rag n^yvpixag t^fifilag to AvanoQiGXOV. tlg fdv ye ra ttfifjfjiattt rwv 
i>vatiöv loytXerat ngoßarov xal (^grcxfit^v aw) fie(^ifjivov' zw S' "laS^fiia vixiiaavti 
(^QCtxfcctg BTfc^ev Ixarbv AliSoad-at, xw ö' *0),vfi7ita nevTaxoaifcg' Ivxov Ae to) xofiiaavti 
nh'Tf i^Qaxfiag ti^ojxe, kvxtdea Sh fiiaVy cJv iprimv o ^aktjgevg JrjfitjtiJiog to fxhv ßobg 
tivai, TO Sh ngoßarov rt/nr^v. ng yccQ iv tm hxxatöexario rojv a^bvmv b(}tXei xifJLag 
xojv ixxQixoßv it^fHov, f-lxbg fdv eirai nolkankaalagy aX/.wg <Vt xhxeivai ngbg xäg 

19 



Quellenstudien zu des Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens. 271 

also zum Kreise des Aristoteles, und wird dem Meister seines Meisters 
gewiß seine Bücher zugänglich gemacht haben, sobald sie erschienen 
waren, vielleicht sogar schon vorher. So konnte der Greis den Studien 
des Jünglings teilnehmend folgen und aus ihnen sein alterndes Wissen 
ergänzen. 

Denn was er dieser Quelle entnommen hat, ist nur eine Ergänzung, 
die dem Texte der Politeia nachträglich eingefügt ist; dies beweist die 
Stellung jenes zehnten Kapitels innerhalb der Geschichte des Solon.^) 
Fügen wir nämlich das elfte unmittelbar an das neunte an, so schreitet 
die Erzählung in strengster chronologischer Ordnung fort. Zuerst (5) 
wird berichtet, wie Solon zur Versöhnung der streitenden Parteien berufen 
wurde; dann folgt die Seisachtheia, die der Gesetzgebung voranging (6), 
endlich diese selbst (7 — 9). Daran schließt sich im elften Kapitel, wie 
das Publikum sie aufnahm und wie Solon durch ihre Wirkung veranlaßt 
wurde, zehn Jahre lang die Heimat zu meiden. Diesen schönen Zu- 
sammenhang zerreißt das zehnte Kapitel, indem es noch einmal auf den 
Schulderlaß zurückkom'mt, ohne darüber irgend etwas Neues zu bringen, 
und sich dann über die Veränderung von Münze, Maß und Gewicht ver- 
breitet, obgleich auch sie, wie ausdrücklich gesagt wird, früher war als 
die Gesetzgebung. Dies alles gehörte ins sechste Kapitel, wo von der 
Seisachtheia die Rede war, und hätte gewiß auch dort seinen Platz ge- 
funden, wenn Aristoteles die ganze Geschichte Solons in einem Zuge 
niedergeschrieben hätte. Dagegen konnte er einen Nachtrag hier nicht 
gut einfügen, ohne die ganze Form seiner Darstellung zu zerstören; so 
wählte er denn eine Stelle dafür, wo mit dem Abschluß der Gesetzgebung 
eine gewisse Pause eintrat und das Einschiebsel daher am wenigsten 
störend war. Doch steht es weder mit dem unmittelbar Vorhergehenden 
noch mit dem Folgenden in irgend welcher Verbindung; tilgte man es, 
so würde keiner eine Lücke wahrnehmen, vielmehr würde so der gleich- 
mäßige Fluß der Erzählung erst hergestellt. 

Man könnte zweifeln, wenn nicht auch andere Stellen bewiesen, daß 
die Politeia nach ihrem vorläufigen Abschluß noch mannigfache Er- 
weiterungen erfahren hat. Die wichtigste ist das Stück, welches die 
drakontische Verfassung enthält, und seine Einschiebung hat dann noch 



vvv tvtelti<; eiaiv. Hiernach scheiut Demetrios aus den Gesetzen Solons alle 
Stellen ausgezogen zu haben, die über den Geldwert der attischen Frühzeit Auf- 
schluß verspraclien. Eine Arbeit dieser Art gehört in den gleichen Gedankenkreis 
und zeugt von der gleichen wissenschaftlichen Akribie, wie jene Widerlegung des 
Androtion. 

1) Wilamowitz 1 S. 41: „Daß das zehnte Kapitel nachklappt und für die 
Disposition nicht nur sehr gut fehlen könnte, sondern besser fehlen würde, muß 
ein aufmerksamer i^eser sofort sehen." 

20 



272 Otto Seeck, 

mehrere kleine Zusätze veranlaßt.^) Am Ende seines historischen Ab- 
risses (41) zählt Aristoteles die Verfassungsweehsel auf, die Athen im 
Laufe der Zeit durchgemacht hatte. Als ihre Gesamtziffer wird elf be- 
zeichnet und jedem einzelnen die ihm zukommende Ordinalzahl beigesetzt. 
Der erste wird Ion zugeschrieben, der zweite Theseus. Darauf folgt: 
fdera de ravtriv rj enl Jgaxoviog, iv iß vm voiiovg oyiyqaipav ngdStov. 
Hiernach muß man die Neuerungen des Drakon als vollgültigen Ver- 
fassungswechsel betrachten. Gleichwohl heißt es weiter: rgirr^ (T »J fiem 
trpf ardaiv rj im SoXmvoc, Die Verfassungsänderung des Selon ist also 
nicht die vierte, sondern die dritte, d. h. sie wird unmittelbar an die 
Theseische angeknüpft, und auch in der Ziffer elf ist die drakontische 
nicht mitgezählt.2) Offenbar hat Aristoteles, als er dies Kapitel abfaßte, 
noch an der Anschauung festgehalten, die er vorher in seiner Politik aus- 
gesprochen hatte, daß nämlich Drakon wohl Gesetze gegeben, aber den 
Zustand der Verfassung nicht verändert habe.^) Später aber wurde er 
eines Besseren belehrt und schrieb wahrscheinlich jenen kurzen Satz an 
den Rand seines Handexemplars, von wo er unverarbeitet in den Text 
aufgenommen wurde. Auch in diesem Falle könnte Demetrios die 
Änderung veranlaßt haben, da von ihm der Buchtitel n€Ql rfjg 'Ai^TJvtiai 
vofAodealag überliefert ist.^) 

Durch eine ganz ähnliche Korrektur ist ein kurzes Sätzchen entstellt, das 
schon gleich nach der Entdeckung der Politeia berechtigten Anstoß erregte^): 



1) U. Wilcken, Zur drakontmhen Verfassung. Äpopßioretofi, der 47. Versammlufig 
deutscher Philologen und Schulmänner überreicht von der Graeca Halensis. Berlin 
1903 S. 8:>. 

2) Der Schüler nieiues Seminars, Gerluird Kropatschek, liat mich darauf auf- 
merksam gemaclit, daß in dem folgenden Satze die eingeklammerten Worte 
wahrscheinlich gleichfalls späteres Einschiehsel sind. 41,2: dtvi^im dl [xtu jiinbttj 
fitza rmia h'/ovaa nohxtifcq T(':^lv] // i-nl ßtjaioji^ ytrofih'tjj ftixgov n(((jeyx}.irova(( 
Tfjg (iumhxtiQ. Wenn hier Aristoteles den theseischen Verfassungsweehsel als den 
zweiten überhaupt, zugleich aber als den ersten bezeichnet, der schon eine Art 
von Republik herbeiführte, so scheint er durch diesen Zusatz eine neue Zählung 
haben beginnen zu wollen, in der dann auch die drakontische Gesetzgebung ihre 
Stelle und Nummer fand. Doch offenbar ist dies zweite lunschiebsel nichts weiter 
als ein Notbehelf, um die Aufnahme des andern ohne gar zu große Änderungen 
des Textes möglich zu machen. 

3) Pol. II 9, 9 p. 1274b; .d()nxovToq ^f vofiwi fdv eloi. noktreicc 6' vmtQyovatj 
rorc: vo/wvi; h(hjxtv' i'^tov rf' A' rolg vofwiq ovötv tartv o xi xu\ juveing (c^tov, Trkr^v 
h ynlriTiIntig öta zo itjq t,fjfjii((c fitytS^OQ. 

4) Die Aufzählung seiner Werke bei Diog. Laert. V 5, 80 ist ganz unsyste- 
matisch; um so mehr darf man vermuten, daß sie chronologisch sein soll. Daß 
7it(»l rrjq 'A^iivt^ot vofwi^eaiftg an erster Stelle stelit, könnte es also als frühestes 
Jugendwerk des Demetrios bezeichnen; doch möchte ich auf diese Art der Datierung 
allerdings kein großes Gewiclit legen. 

5) F. Rühl, Ül)er die von Mr. Kenyon veröffentlichte Schrift t^m Staate der 
Athener. Rfiein. Mus. XLVI S. 446. 

21 



Quellenstudien zu des Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens. 273 

Tifirjf.iata SielXev elg tettaqa zfkri^ xa^ansq äiyQrjTO xal ngotegov, 
eig netnaxoaiofiidifxvov xal irmia xal fevytrjjv xal r^^ra (7, 3). Der An- 
fang ist hier verdorben, wahrscheinlich durch eine vorausgehende Lücke; 
doch dies sind wir bei antiken Texten längst gewohnt. Dagegen war 
es .höchst auffällig, daß der Verfasser durch den Nebensatz zurück- 
nahm, was im Hauptsatze gesagt war. Denn wenn nach diesem Selon 
die Schatzungsklassen eingeführt hatte, nach jenem sie schon vorher 
bestanden, so enthielt dies einen Widerspruch, den auch die scharfsinnigsten 
Deutungsversuche*) nicht aus der Welt schaffen konnten. Auch hier ist 
die Erklärung in den drakontischen Gesetzen zu finden, welche (4, 3) die 
Schatzungsklassen schon erwähnen. Plutarch hat mittelbar aus derselben 
Quelle geschöpft, der auch Aristoteles in der ursprünglichen Form seiner 
Erzählung gefolgt war.^) Jener berichtet denn auch ohne jeden Zweifel 
und jede Einschränkung, daß die Klassenteilung auf Selon zurückgehe, 
und dasselbe hatte Aristoteles getan. Doch als er die Verfassung Drakons 
kennen lernte, sah er sich zu einem Widerruf gezwungen, der in der 
Form, wie er uns vorliegt, wohl auch nichts anderes ist, als eine unver- 
arbeitete Randbemerkung. 

Ein Einschiebsel entsprechender Art, nur in seiner Form etwas 
weniger anstößig, findet sich noch an einer dritten Stelle (8, 4): ßovlf/v 
rf' inoiri<SB rstqaxoaiovg^ ixatov f^ ixdatrjg ^vXrjg, trjv Si twr 'AQSonaYttdfV 
eta^ev im ro vofxo(pvXax€lv, äcneg in^QXSV xal ngotBQOV iniöxonog 
oiaa trjg noXiielag, ij rd te äXXa ra nXetata xal rd iieyiGra louv 
noXiiixuiV Sl€ti!JQ€i, xal tovg afiaQravovrag tjv^vvev xvQla ovaa xal ^rßuovv 
xal xoXa^etv. Auch hier wird eine Einrichtung, die der Hauptsatz dem 
Selon zuschreibt, durch den Nebensatz weiter zurückdatiert: auch hier 
läßt sich dieser ohne Schaden für den Text streichen; auch hier findet 
der Zusatz seine Erklärung in den drakontischen Gesetzen, welche die 
Nomophylakie des Areopag schon kennen (4, 4): auch hier steht dasjenige, 
was nach seiner Tilgung übrigbleibt, in der engsten Beziehung zu Plu- 
tarch (19). Dieser redet, wie Aristoteles, von dem Rate der Vierhundert 
und dem Areopag in unmittelbarem Zusammenhange, hält aber beide für 
Neuschöpfungen Solons. Doch erklärt er dies in bezüg auf den Areopag 
für zweifelhaft, weil schon in einem der Axones Verbannte amnestiert 
würden, die vorher durch jenen Gerichtshof verurteilt worden seien. 
Jedenfalls hat auch Aristoteles dies Bedenken gekannt und gewürdigt; er 
schwächt daher den Bericht seiner Quelle, wie er uns bei Plutarch vor- 
hegt, dahin ab, daß der Areopag durch Selon nicht eingesetzt, sondern 
nur zum Gesetzeswächter bestellt sei.'^) Aber auch dies muß er durch 



1) Tli. Gomperz, Die Schrift vom Staatswesen der Athener U7id ihr neunter 
Beurteile, Wien 1891 S. 40. 

2) Keil S. 50. 56 und sonst. 3) Wilamowitz 1 S. 53 Anm. 21. 

'22 



274 Oito Seeck, 

jenen Nebensatz zurücknehmen, nachdem ihm die drakontische Verfassung 
bekannt geworden ist. 

Daß das vierte Kapitel, in dem sie dargestellt ist, nicht zu dem 
ursprünglichen Bestände unserer Schrift gehört, ist hiernach zweifellos und 
wird auch von den meisten anerkannt. Aber die letzte der eben be- 
sprochenen Stellen liefert zugleich den Beweis, daß der Zusatz, durch den 
jene drei kleinen Einschiebsel bedingt sind, sich nicht auf dieses Kapitel 
allein beschränkt, sondern auch das dritte noch mitumfaßt. Denn schon 
in diesem wird die Nomophylakie des Areopag ausführlich dargestellt 
(3, 6). Außerdem zeigt gleich sein erster Satz, daß es von dem vierten 
nicht zu trennen ist: ^ d' r) lä^vg rrjg dqxalaq noXiteCag tf]g ngo Jgd' 
xovtog toiade. So konnte nur schreiben, wer in Drakon eine epoche- 
machende Persönlichkeit sah und die Neuerungen in der Verfassung, die 
auf ihn zurückgingen, darzustellen vorhatte.^) Im übrigen erzählt dieses 
Kapitel Entstehung und Entwickelung des Archontats und greift dabei bis 
auf Ion zurück: sein richtiger Platz wäre also dort gewesen, wo Aristoteles 
den Übergang des Königtums in die Republik berichtete, nicht an seiner 
jetzigen Stelle, wo schon vorher die Einleitung zur Geschichte Solons 
gegeben war. Denn daß das fünfte Kapitel sich ursprünglich gleich an 
das zweite angeschlossen hatte, zeigt am deutlichsten der Vergleich mit 
Plutarch, dessen Bericht gerade hier die vollkommenste Parallele zu dem 
aristotelischen bietet: 

Sol. 12: ij'chj dol^av ^xoyv 6 26l(ov 
noQrjXx^ev elg fxeaov afjLa rotg dgifftoig 
rwv ^Al^i^vaiwv xal deofxevog xal SiSd- 
ax(ov eneufe tovg ivayslg leyofxevovg 
SiKfiv vnoaxalv xal xgix^ijvav tgtaxo- 

aiu)v aQiatlvdrjv dtxa^6vtü)v. Mv- 1 MvQtüvog xai}' Ibqiüv onO' 

Qwvog de tov ^Dlveaig xartjYOQOvvTog davteg dgitfrlvdriv xatayvma^ivTog de 
ia?.waav oi ävigeg, xal fietiarriifav tov äyovg avtoi [niv ix iißv xdfptnv 
oi ^divTSg* t(ßv <J' dnod^avavxoyv tovg i^€ßh]ifYi0av,tdd€yevog avtwvs^vyev 
vexQovg dvoQv^avteg i^SQQiipav vnig dsKßvyiav. ' EmiiriviSrig S' 6 Kgijg im 
tovg oQOvg. — xal (poßot rtvig ix rovtoig ixdOrjQe rfjv nohv. 
deiiShSaifxoviag d/xa ymI (pdtffiata ym- 
TsTxs T^v noXiV, oX te fidvteig äyrj 
xal fXiMfJLOvg deofxevovg xadagfimv 
TiQOfpalveai^ai did t(üv isqwv i^yogsvov, 
ovtm J^ fietaTtefATiTog alnoig tjxsv ix 
KQrjTTjg 'EntfjLevtdrjg 6 ^aiünog xrA. 



1) Wilcken, S. 95, will zwar die entscheidendeD drei Worte tilgen, doch liegt 
dazu kein anderer Grund vor, als daß er den Zusammenhang des dritten und 
vierten Kapitels noch nicht erkannt liatte; an sich geben sie durchaus keinen Anstoß. 

23 



Quellenstudien zu des Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens. 275 



13. ot cf' U^rivalov %fjg KvXwveiov 

nsnav/J^ivrig tagaxrfi xal jUfi^fiXTcoroov, 

SaTtSQ etQfirat, t(ov ivay^v trpf na- 

Xai^av av^tg fftdaw inig rfjc TioXitetag 

itnatfia^ov. — t6%€ di tilg rwv /re- 

vijtmv nqog xovg nXovaiovg ava)iAaUag 

&Cn€Q axfifp' laßovtfTjg navxanadiv 

ijaaifaXvig rj nohg diexeito xal ßovmg 

av idoxBi xatatstrlvai xal navCaddai. 

raqaTTO^iwi tvqawidog y&vo^ivric. 

anag fxiv yag 6 Srj^ioc r/v vn6xQS(og 

wv nkovöicüv. rj yoQ ijBwqyovv exBi- 

voig sxta fwv yivoiiiviav tflovvtegy ix- 

TijfAOQtoi nQOCayoQBvoß^oi xal dtjteg^ 

f] xqia Xafißavovteg inl toTg ad^oLdiv 

ayioyi'fAOi roig dapst^ovön* ijtforv, ot 

fiiv avTOv dovlevovTSc, oi d' inl rrpf 

^evriv mnqaaxofievoi, nokXol Si xal 

naliac idiovg ijvayxd^ovto nwXelv 

{ovSelg yoQ vofiog exwXve) xal rfjfv 

nohv <p€vy€iv dia %r^v xaXrinotrita 

xmv SaVBvc%(ov, ot de nXsXcroi xai 

^(ofAaXscitatot dwiatavxo xai naqe- 

xaXovv aXXfl?,ovg fxrj negtog^v^ äXX^ 

eXofiivovg sva ngoiSrarriv ävdga nttfrov 

ä(f>€Xi<f^ai TOvg vnsgripiigovg xal ifpf 

yriv d'^adadaC^ai xai oXoag fietaatijüai 

T'qv noXirtiiav. 14. ^v%avi^a diq tiov 

'Jxhfjvaiaiv ot g>govificitatOi (fwo- 

gwvreg SoXmva fiovov fiaXiöra t(Sv 

dfiagtrifiarmv ixtog ovra xal fJirjte 

%oXg nlovisioig xoiviüvoivra trjg ddixiag 

litfiB %alg Twv nsvrjtwv dvdyxavg 

ivexofievor, ideoito %olg xot,volg ngoC' 

eX&elv xal xaranavdai rag Statpogdg. 

Liest man dies Stück des Aristoteles, wie wir es haben abdrucken 
lassen, so wird man sich überzeugen, daß zwischen dem Ende des zweiten 
Kapitels und 5, 2 keine Lücke ist, und daß sie verbunden genau den 
gleichen Zusammenhang darbieten, der sich bei Plutarch ungestört erhalten 
hat. An den Schluß des Einschiebsels sind die folgenden Sätze gestellt 
(4, 5 — 5, 1): inl Si loTg awfxatfiv ifiav ol daveiüfioiy xa&dnsg etgrjraif xal 
fj x^Q^ <^^' oXiyayv r^v, roiavtrig de tijg td^ewg oiiarig h' t^ noXirstf xal 
Tcov noXX(ov dovXevovrißV lolg oXiyoic^ uvrearTj %oTg p'wgif^foig 6 drjfiog. Sie 



2. f.i€ta Si ravra awißri araaidaai 
%ovg %B yvmgifAOvg xal ro nXij&og 
noXvv XQovov. rjv yag avrwv rj noXi" 
Teva Totg r älloi^ oXtyagxtxrj naüi^ 
xal ÖTi xctl iöovXevov ot nevrjteg toTg 
nXovaloig xal avrol xal ra tixva xal 
at yvvalxeg* xal ixaXovvro neXdrai 
xal ixr^fAogov xara Tavrtjv yag %r/v 
(.ilad(0(Hv Tjgyd^o^to rmv nXoviSmv 
TOvg dygovc' t) ie ndca ytj öv^ 
bXiymv rjv, xal et firj rag ixta^waevg 
dnoöiioTev^ dymytfwi xal avrol xal 
oi naXieg iylyvovto* xai ot Savet- 
afiol näfSiv inl roTg auific^tv tjüav 
(xixgi 26X(m*oc' ovtog Si ngcSrog 
^A'fTO rov dijfiov ngoatdtrig. x^^^' 
noitarov /niv ow xal nuegorarov rjv 
tolg nokXolg roJv xara tfjv noXi- 
reiav ro SovXeveiv ov fif/v dk?,a 
xal inl rolg aXXoig iSvüxBgaivoV 
ovSsvog yag mg elnslv itvyxavov 
ixerexovreg. 5, 2: lax^^gäg Si tfjg 
atdffewg oilarig xal noXvv x^ovoi' 
dvrixaihifxel'mv dXXrjXoig^ etkovro xoivjß 
StaXXaxfqv xal ägxovra SoXwva xal 
rrjV noXneiav inetgeipav av%i§. 



24 



276 Otto Seeck, 

wiederholen nur die Stellen, die wir im zweiten Kapitel haben gesperrt 
drucken lassen, und geben sich durch jenes xa^dnsq eYQTjtat auch selbst 
als Wiederholung. Eine solche war eben notwendig, weil das Folgende 
(5, 2) ursprünglich als unmittelbare Fortsetzung des zweiten Kapitels 
gedacht und geschrieben war und sich daher an das vierte nicht anfügen 
ließ, ohne daß ein kurzer Auszug, der den wesentlichsten Inhalt des 
zweiten noch einmal gab, vermittelnd dazwischentrat. 

Auf zwei weitere Einschiebsel bin ich durch Theodor Reinach hin- 
gewiesen worden, obgleich ich sie an anderen Stellen finde, als wo er sie 
sucht. ^) Von Selon wird (8, 1) erzählt, er habe die Bestellung der 
Archonten so geordnet, daß jede Phyle zehn Männer wählte und aus der 
Gesamtzahl neun ausgelost wurden. Wie Wilamowitz (S. 55) richtig 
bemerkt, stand dies nicht auf den Axones, sondern war aus dem späteren 
Staatsrecht durch Rückschlüsse gefolgert. Denn es wird begründet durch 
jenes bekannte arj/Aelov 6' on^ mit welchem die griechischen Altertums- 
forscher ihre historischen Kombinationen einzuleiten pflegen. Als wirkliche 
Überlieferung kann es also nicht gelten, sondern nur als gelehrte 
Hypothese. Nun weist Reinach darauf hin, daß erst die Kleistheneische 
Phylenordnung die Zehn zur Normalzahl des attischen Staatsrechts gemacht 
hat: ein Gesetz, das ihr diese Rolle schon anweist, könne also nicht 
Solonisch sein. Außerdem stehe Aristoteles hier mit sich selbst in 
Widerspruch: denn nach 22, 5 seien die Archonten erst im Jahre 486 
zum ersten Mal erlost worden, und nach 13,2 sei der Streit über die zu 
wählenden Persönlichkeiten auch nach dem Archontat des Selon der 
Hauptanlaß für innere Zwiste gewesen. Da also ein Solonisches Gesetz 
dieser Art nicht existiert haben könne, müsse die Stelle, welche davon 
berichtet, Interpolation sein. Die Prämisse ist richtig, aber nicht der 
Schluß; denn er geht von der stillschweigenden Voraussetzung aus, daß 
Aristoteles nie geirrt habe. Zudem gibt Reinach nicht an, in welche 
Grenzen er sich die Interpolation eingeschlossen denkt, und wirklich wäre 
dies sehr schwer anzugeben. Ich meinerseits sehe keine Möglichkeit* 
hier irgend einen Satz zu tilgen, ohne daß der ganze Bericht über die 
Solonische Verfassung zerstört würde. Denn über die Beamten mußte 
er doch wohl reden, und daß dies im achten Kapitel geschehen ist, wird 
zu Anfang des neunten ausdrücklich gesagt.-) Wenn man aber die Dar- 
stellung ihres Wahlmodus streicht, bleibt so gut wie nichts mehr übrig. 
Darin freilich hat Reinach recht, daß Aristoteles sich nicht so hätte 
widersprechen können, wenigstens wenn er sein Buch in einem Zuge 
niederschrieb. Sehen wir aber in den beiden Stellen, die das Richtige bieten, 
Korrekturen des Verfassers, deren Konsequenzen er nur noch nicht in 
vollem Umfange gezogen hat, so schwindet dieses Bedenken. Und wirklich 

1) Revtie des Müdes grecques IV S. 146. 

2) 9, 1: xä fihv ovv 7if-(t} T(c>; (tQyaq tovrov ti/t rov T()07tor. 

25 



Quellenstudien zu des Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens, 277 

sind sie beide für den Zusammenhang nicht nur entbehrlich, sondern 
störend. 

Im dreizehnten Kapitel, wo die Parteikämpfe, welche der Abreise 
Solons folgten, an den Unregelmäßigkeiten der Archontenliste illustriert 
werden, lesen wir: (^ xal S'^Xov, otv fjsyiarrjv elxsv dvvafjuv 6 of^x^^' 
^aivoviai yuQ ahl fSraatd^ovteg negl tavtrjg rrjg dgxiijg. Offenbar ist dies 
der Abschluß einer Darlegung, durch welche der Beweis geführt werden 
sollte, daß das Archontat ursprünglich eine viel größere Bedeutung gehabt 
habe, als zur Zeit des Schreibers dieser Worte. Davon ist aber bei 
Aristoteles sonst gar nicht die Rede; was ihn selbst hier beschäftigt, sind 
die Verfassungskämpfe des sechsten Jahrhunderts, nicht eine Geschichte des 
Archontenamtes. Von einer solchen findet sich allerdings bei ihm noch ein 
großes Fragment, aber im dritten Kapitel, das wir oben schon als Einschiebsel 
erwiesen haben (S. 274). Die Annahme liegt also sehr nahe, daß auch im 
dreizehnten jene Auszüge aus der Archontenliste auf die gleiche Quelle 
zurückgehen. Diese aber hat Aristoteles nicht für seinen ursprünglichen Text 
benutzt, sondern nur für die Zusätze, die er ihm nachträglich einfügte. 

Dazu kommt, daß dort, wo das neue Einschiebsel beginnen muß, 
sich ein ganz seltsamer Widerspruch findet: Jokiovoc d' dnodrifjLrjaavTog 
Bu Tpjg noXetog TSTaquyixBvrig^ im /ifv Brvi tertaga dujyov iv Tj<svxi(f» Also 
nach der Abreise Solons befand sich die Stadt in Aufruhr und genoß 
doch zugleich einer vierjährigen Ruhe. Dieser Unsinn kann nur durch das 
Zusammenkleben verschiedenartiger Berichte entstanden sein. Und, was 
die Hauptsache ist, wirft man das Störende hinaus, so ergibt sich auch 
hier genau der gleiche Zuhammenhang, den Plutarch uns darbietet: 

Sol. 29: oi Se ^v aarei ndXtv 13^1: 26Xo)vog S^ dnodrjf.iij<favrog 

idraaia^ov dnodrjinovvrog lov JSoAo)- eri ttfi noketog TBTagayinei'rjgj (3) 
vog' ymI ngoBiaii-xBi toSv fisv UbSi^iov diBrelow voCoivtsc rd nqog iavrovg, 
y^vxovgyog , tüov Sb Ilaqdkmv MBya- ol fiiv dgxfp' xal ngotpaaiv BXOVtBg 
xXijc 6 ^ A)^^udoyvog^ llBiaitftgarog di tf^v rtov XQ^<^'^ dnoxojnjv (avvBßBßt]xBi 
rwv JinxQiiov^ ev oJg ijv 6 dr^tixog ydg avwTg yByovBVüi nivridiv), ol ob 
oxf'Og xal fidh(fta tolg nkovaioig xfl no?dTBi(f dtxfx^gaivovtBg Sic) to 
dx<>ofiBvog' waiB x^cr^at fXBv bu fXByctlriv yByovhat fiBmßo?.i]V, bviov 
toTg vofiOLg trpf noXiv^ jfjdri Sb ngdy- Sb Sid i?Jv ngog uXkrjXovg (piXovtxiav. 
fiara vbwtbqü ngoaSoxdv xal tto^biv rjaav J' at (Stdasig rgsTc' [nia /«er Ttor 
anavtag Bxigav xaidataciv^ oix Taov UaqaXiwv^ cSv ngoBiCiijxBi Msyaxkfjg 
iXni^ovtag^ dXXd nXiov i^Biv iv Tg 6 'Alxiiaitovog^ omsg iSoxovv indXi(fta 
f.iBtaßoky xal xQart^üBiv navxdnaoi Slwxbvv Tfpf iabCtiv noXvTBtav äXXrj 
to)V Sia^fgofiBViov. Si raJv ÜBSiaxcöv, oS vrjv ohyaqxtav 

i^fjrovv* t]yBlto J' avtwv ^vxovqyog' 
rgivt] J' r) tcSv Jiaxqioav^ i(p' g 'f^^o^" 
fievog ^v DsKSiargarog^ Srn^iotixoiraiog 
Bivat Soxwv. 

26 



278 Otto Seeck, 

Hier ist ausnahmsweise Plutarch kürzer, weil er einen Teil dessen, 
was Aristoteles an dieser Stelle sagt, schon in einem früheren Kapitel 
vorweggenommen hat.^) Doch bleibt nichtsdestoweniger die Quellen- 
gemeinschaft unverkennbar. Der Zusatz beginnt also mit 13, 1: inl fjiiv 
STtj rertaQa und endet mit den beiden Wörtchen okmg dt, die zwischen 
die verschiedenen Quellenberichte eingeschoben sind, um die zerrissene 
Gedankenverbindung herzustellen. 

Bei der zweiten Stelle, die der pseudosolonischen Archontenlosung 
widerspricht, verläßt uns leider die sichere Führung des Plutarch. Aber 
auch ihre Tilgung hinterläßt einen besseren Zusammenhang, als der 
gegenwärtige Text ihn bietet. Es bleibt nämlich folgendes übrig 
(22,4 — 6): x(u nqmwg (ü(frQaxiaihi roov neifSiotgatov avyyevdv "InnoQXog 
XaQfxov KoklvTSvg^ dC ov xai fxahora rov vofxov edrjxev 6 KhicOevrjg 
i^eXaaai, ßovlopLBvog avtov, oi yäq Uihjvatoi rovg xciJv tvQavv(ov g>Uovg, 
o(foi lULfj 0vv€^a^iaQtdvoi€%* &v %alg raqaxcdg^ bXwv oIkbIv trjv nohv^ xqdpi&fOi 
t(j stmdviq, tov dijfiov Ttgifon^rr mv t]yefi(ov xal nQOfSrdrrjg rjv '^Innaqxog. 
evt^vg Si %(§ vtftegov hety im Teleaivov aQXO^'TOg^)^ wtrtgaxltfdrj MsyaxXfjg 
'InnonQorovg "Akmnexrj&e^'. ini fiiv ovv etrj y tovg twv tvgawoyv g>lkovg 
(iatQaxi^oVj (ßv x^ß^v o vofiog t%Bi>ri^ fiera Je tavxa t<^ rsrdqtcfi etti xal 
rcov ftAAcM», €1 rig doxoitj fieil^iov etvat, iiB^ictaxo. So setzt sich der 
Bericht über die Freunde der Tyrannen ununterbrochen fort und wird 
nicht mehr durch jene Notiz über die Archontenwahlen, die gar nichts 
mit ihm zu schaffen hat, in unschönster Weise zerrissen. Zudem beweist 
die Verbindung der Sätze durch Bvdvg de %(§ viftegov eret, daß das Spätere 
als schnell eingetretene Folge des Vorhergehenden betrachtet wird, 
jedenfalls mit ihm in enger Gedankenverbindung steht. Dies aber trifft 
nur zu, w^enn sich an die Verbannung des Hipparchos die ganz gleich- 
artige des Megakles anschließt, nicht die Archontenlosung; denn daß diese 
mit dem Sturze der Tyrannenfreunde in irgend einem anderen Zusammen- 
hange stand als dem rein zeitlichen, deutet Aristoteles mit keinem Worte 
an. Dieser ist ohne Zweifel der Grund gewesen, warum er sie an dieser 
Stelle einschob. Aber hätte er die Ereignisse, die dem Archontat des 
Telesinos angehörten, schon bei der ursprünglichen Abfassung seiner 
Schrift alle beide gekannt, so hätte er ohne Zweifel die Verbannung des 
Megakles vorangestellt, weil sie allein nicht nur zeitlich, sondern auch 
sachlich sich an das Vorausgehende anknüpfen ließ. 

Auch eine Untersuchung über das Archontat, wie sie diesen beiden 



1) Sol. 13: ^v yccQ to fiev XiLv JtaxQiwv ytvog 6i]fxoxQaxix<hTaxoVy okiyaQX^' 
xojxccTov dh tb xwv Jle^ikor' xqIxoi rf' oi Uä^aXot fdaov xiva xal fiefiiyfih'ov ai(tov' 
juevot TioXixeiag xQonov tf^iito^wv fiaav xal 6iex(o).vov xovg txfgovg xgaxtjaai. 

2) An dieser Stelle steht das Einschiebsel: ^xvccfievaav xovg h'vla aQx^vxag 
xaxä ifv).ag, ^x xwv nQOXQi^hvxwv inb xiöv örj/.tox(i)V TiBvxaxoaiwVf xuxt fiexa xt^r 
iv(}ayrid(( Tigmxov ot öl :t(wxt(ßoi nurxeg tjaccr aigtxoi' xal 

27 



Quellensttidien zu des Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens, 279 

Einschiebseln und dem dritten Kapitel zugninde liegt, würde gut in die 
Schriftstellerei des Demetrios hineinpassen. Wir wissen, daß er im 
Jahre 309 selbst das Amt übernahm und dabei einen außergewöhnUehen 
Prunk entfaltete^;; er betrachtete es also als eine Ehre, die einer ganz 
besonderen Feier würdig sei. Da die sehr geringe Bedeutung, die es im 
vierten Jahrhundert noch bewahrt hatte, ihn jedenfalls nicht zu dieser 
Anschauung berechtigte, konnte sie nur auf antiquarischen Studien be- 
ruhen. Und wie wir (S. 277) gesehen haben, beschäftigte sich eines jener 
Einschiebsel mit dem Nachweis, on fieyiatrjv elxBv Svvafiiv 6 ägxfov. In 
späterer Zeit werden die Archonten nicht mehr erlost, sondern gewählt 2), 
und es ist nicht unwahrscheinlich, daß diese Neuerung auf Demetrios 
zurückgeht. 3) Dem entspricht es, daß der zuletzt erwähnte Zusatz darlegt, 
die Losung sei erst in verhältnismäßig später Zeit eingeführt und nur die 
Wahl entspreche der echt Solonischen ndtgtog noXvrela, Doch ob man 
für die fragliche Quelle den Namen Demetrios gelten läßt oder nicht, 
jedenfalls zeigt der Inhalt aller jener Einschiebsel, daß sie nicht aus einer 
historischen Erzählung , sondern aus antiquarischen Untersuchungen 
geschöpft sind und daß diese nach der Atthis des Androtion, d. h. nach 
dem Jahre 346, geschrieben sein müssen. 

Wir haben in der Politeia nicht weniger als acht Einschiebsel 
(3,1—5,1. 7,3. 8,4. 10. 13,1—3. 22,5. 41,2) kennen gelernt, die 
Mehrzahl nur kurze Sätzchen, aber einzelne doch auch von beträchtlicher 
Ausdehnung und alle von sachlicher Bedeutung. Es sind also nicht 
müßige Schreiberzusätze, sondern Ergänzungen und Korrekturen. Daß sie 
auf den Verfasser selbst zurückgehen, ist daher mehr als wahrscheinUch, 
namentlich da sie sich auch stilistisch von dem ursprünglichen Texte der 
Politeia in nichts unterscheiden. Diesem sind sie freilich meist in recht 
ungeschickter Weise eingefügt; doch darf man Aristoteles deshalb nicht 
gar zu hart schelten. Schon aus stilistischen Gründen hat man gefolgert, 
daß die abschließende Vollendung unserem Büchlein noch fehlte, als man 
es der Öffentlichkeit übergab.^) Ist dies aber richtig, so dürfen wir, wie 
schon oben bemerkt, in einem Teil jener Zusätze vielleicht nur Randnotizen 
erblicken, die gar nicht bestimmt waren, in ihrer gegenwärtigen Gestalt 
dem Publikum vorgelegt zu werden, sondern nur den Verfasser selbst 
daran erinnern sollten, an welchen Stellen und in welchem Sinne er 
ändern müsse.^) Und wirklich sprechen auch äußere Gründe dafür, 
daß die PoUteia erst nach dem Tode des Aristoteles unfertig heraus- 
gegeben ist. 

1) Pauly-Wissowa IV S. 2820. 2) Pauly-Wlssowa II S. 577. 

3) Wilaiuowitz I S. 362. 4) KeU S. 18. 51. 230. 

5) Dadurch erledigen sich die BedenkeD, die Wilcken gegen die Echtheit der 
drakontischen Verfassung erhoben hat. Sie wären unwiderleglich, wenn wir das 
Buch als ein fertiges betrachten müßten. 

28 



280 Otto Seeck, 

Daß sie nach 329 geschrieben ist, unterliegt keinem Zweifel, da sie 
(54, 7) den Archonten dieses Jahres nennt. Ein noch späteres Datum 
ergibt sich aus dem Satze (61,7): xet^orovom de xal tafiiav tijg UagdXov 
xal vvv vijg Tov "Afiimovog. Fr. Cauer^) hat mit Recht daraufhingewiesen, 
daß erst im Jahre 324 Alexander in Athen offiziell als Göttersohn an- 
erkannt wurde und daß man nicht früher das Ammonsschiff nach seinem 
angeblichen Vater getauft haben könne. Wenn Wilamowitz (I S. 209) 
dagegen anführt, daß schon im Jahre 333 ein Ammonskult in Athen 
bestanden hat, so beweist das nichts. Denn neue Götter hat man sehr 
viele aufgenommen, aber niemals sonst ist es vorgekommen, daß man für 
sie auch gleich eine neue Staatsgaleere schuf. Hatte das Volk selbst seine 
Freude an Spielen und Opferschmäusen, so verwendete man etwas auf 
den Kultus; aber zu einer Theorie nach dem fernen Libyen hätte man 
ohne ganz besondere Gründe gewiß nicht das Geld übrig gehabt. Eine 
solche Ehre erwies man wohl dem Vater des Alexander, aber nicht einem 
beliebigen ägyptischen Gotte. Und daß die Ammonias erst kürzlich 
gebaut war, als Aristoteles schrieb, beweist ja auch die Partikel rJr, mit 
der er ihre Erwähnung begleitet. Wenn er aber, wie es hiemach fest- 
steht, noch ganz kurz vor seinem Tode (322) mit der Pohteia beschäftigt 
war, so hindert auch nichts die Annahme, daß sie ein postumes Werk sei. 

Aus dieser Art der Publikation erklärt sich wohl auch eine ganz 
eigentümliche Tatsache unserer Überlieferung. Im Altertum war die 
Politeia ein vielgelesenes Buch; auch vor den ägyptischen Entdeckungen 
kannten wir etwa 90 Fragmente daraus. Doch alle gehen sie auf den 
urspiiinglichen Text, kein einziges auf die Einschiebsel zurück. So ist 
es denn auch für das spätere Altertum eine feststehende Tatsache, daß 
Selon die Klassensätze eingeführt habe. Plutarch, der unser Büchlein 
mehrmals zitiert, wiederholt sie ohne jedes Bedenken, und wenn ihm 
Zweifel kommen, ob auch der Areopag auf Selon zurückgehe, so begründet 
er sie doch nicht damit, daß Aristoteles ihn schon vor Drakon erwähnt. 
Und doch müßte man erwarten, daß die Meinung einer so hochstehenden 
Autorität, falls sie der seinen widersprach, von ihm, wenn auch nur 
polemisierend, angeführt werde. Auch von den Kämpfen um das Archontat, 
die während der zehnjährigen Abwesenheit Solons ausbrachen, weiß er 
nichts. Man wird zu dem Schlüsse gedrängt, daß die Exemplare der 
Politeia, die er selbst und seine Gewährsmänner benutzten, die Einschiebsel 
noch nicht enthielten. Doch Interpolationen, die nur der Londoner 
Handschrift eigentümlich wären, sind es auch nicht; denn jene Partei- 
kämpfe nach der Abreise Solons finden sich auch in dem Berliner 
Papyrosfragment. Danach scheint es zwei Rezensionen unseres Schriftchens 



1) Hat Aristoteles die Schrift vom Staate der Athener geschrieben? Stuttgart 
1891 S. 77. 

29 



Quellenstudien zu des Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens. 281 

gegeben zu haben, eine ägyptische, welche die Zusätze enthielt, und eine, 
die in Griechenland verbreitet war und ihrer entbehrte. 

Die Entstehung derselben könnte man sich etwa folgendermaßen 
denken. Das letzte Jahr seines Lebens verbrachte Aristoteles zu Chalkis 
in der Verbannung, hatte aber vorher, als er Athen verließ, dem Theophrast 
zugleich mit der Leitung seiner Schule auch seine Bibliothek übergeben.*) 
Dieser wurde wohl auch eine Abschrift der 'A^valwv noXixsia^ soweit sie 
damals fertig war, einverleibt. Doch sein Handexemplar nahm er mit, 
um noch weiter an dem Buche zu arbeiten. In dieses trug er die 
Besserungen und Ergänzungen ein, die sich ihm aus den neuerschienenen 
Untersuchungen des Demetrios ergaben; doch hinderte ihn der Tod, die 
Umarbeitung seines Werkes, die jene nötig gemacht hätten, zu vollenden. 
Jetzt wurde die Abschrift, die er in Athen zurückgelassen hatte, in die 
große Sammlung der griechischen Staatsverfassungen eingereiht und so 
veröffentlicht. Unterdessen gelangten die Bücher, die sich in Chalkis in 
seinem Nachlasse gefunden hatten, gleichfalls in die Bibliothek des 
Theophrast und wurden, als dieser starb, von ihm seinem Schüler Neleus 
hinterlassen, von dem sie Ptolemaios Philadelphos für die Alexandrinische 
Bibliothek erwarb.^) So dürfte jenes Handexemplar dorthin gekommen 
sein, wurde aber auch hier, vereinzelt, wie es war, über dem vollständigen 
Sammelwerke der Politeiai vemachläßigt. Nur für Sonderausgaben der 
^A^Klvamv nolitfla^ vielleicht auch nur für solche, die in Ägypten selbst 
verkauft wurden, schrieb man es hin und wieder ab, während die un- 
vollständige Ausgabe, die sich in der Sammlung befand, kanonische 
Geltung erlangte. Diese wurde noch erhöht, als Tyrannion und Andro- 
nikos die Werke des Aristoteles neu herausgaben. Im Anfang des ersten 
Jahrhunderts v. Chr. ist nämlich die Bibliothek des Neleus noch ein 
zweites Mal an einen reichen Bibliophilen Apellikon verkauft worden. Ob 
es sich hier um eine Fälschung handelt, ob die Beauftragten des Pto- 
lemaios nur die Autographen genommen und das übrige verschmäht 
hatten, so daß jene Bibliothek, wenn auch ihrer kostbarsten Schätze 
beraubt, dennoch fortbestand, wagen wir nicht zu entscheiden. Jedenfalls 
brachte sie Sulla nach Rom, wo sie dann von Tyrannion und Andronikos 
für ihre Ausgabe des Aristoteles benutzt wurde.'') Diese Wieb für die 



1) Strab. XIII 1, 54 p. 608: o yovv 'AQiarortXijg rP/v havrov (ßißlio^rixriv) 
SBOip(maxio naQtSwxEv, ^}neQ xal r^v axoXrjv aniXme. 

2) Athen. I 4 p. da rühmt unter denjenigen, die große Bibliotheken zusammen- 
gebracht hätten, auch ^ÄQiaxoriXriv te xov (pikboo<pov xal SsotpQaozov xal tbv ta 
xohxwv (harq^r^aavra ßtßkla Nrjkia' nag* oi^ navta TtQiafXEvoq o rjfieSanbg ßaaikevg 
TlroXefiaTogy ^PiXaAsXtpoq 6b Mxhiv, fxera rcJi/ Vl#jJvi/0«' xal rwv ano *Pb6ov slg rrjv 
xaXfjV 'AXe^avögetav fxetrfyaye. 

3) Strab. a. 0. Plut. Sulla 2C. Vgl. F. Littig, Andrmikoa vwi Mftodas. München 
1890. Erlangen 1894. 1895. Gercke und Dziatzko bei Pauly-Wissowa 1 S. 2164. 

Beitrage s. alten Qescbichte IV 3. 19 

30 



282 Otto Seeck, 

ganze Kaiserzeit die klassische, während die Abschriften des Hand- 
exemplars, welche allein die Zusätze aus Demetrios enthielten, in Ägypten 
ein ziemlich verborgenes Dasein . führten. Auf diese Art kann sich die 
Überlieferung unserer beiden Papyri von der gemeingriechischen geschieden 
haben. Natürlich ist dies nichts weiter als Hypothese, doch wie mir 
scheint, leistet sie alles, was eine Hypothese leisten kann und soll, d. h. 
sie erklärt den vorhandenen Tatbestand in nicht unwahrscheinlicher 
Weise, ohne daß sie den Anspruch macht, als erwiesen zu gelten. 

m. 

Die Hauptqaelle. 

Verlassen wir nun die späteren Einschiebsel und wenden uns dem 
ursprünglichen Kerne der Politeia zu, so muß es in erster Linie auffallen, 
daß er uns in seinem zweiten systematischen Teil bis auf das Jahr 324 
herabführt, im ersten historischen dagegen kein Ereignis kennt, das nach 
392 läge. Das Späteste, was uns hier (41, 3) erzählt wird, ist die Er- 
höhung des Ekklesiastensoldes auf drei Obolen, die dadurch mit leidlicher 
Genauigkeit datiert ist, daß die Ekklesiazusen des Aristophanes (293 ff.) 
sie als eine ganz neue Bestimmung erwähnen.^) Wenn wir richtig ver- 
mutet haben, daß Aristoteles bis an sein Lebensende an unserem Büchlein 
arbeitete, so sind volle siebzig Jahre attischer Verfassungsgeschichte, die 
vor dem Abschluß desselben lagen, von ihm ganz unberücksichtigt ge- 
blieben. 

Was von dem Ganzen dieses historischen Abschnitts gilt, wiederholt 
sich auch in seinen einzelnen Teilen. So wird 28, 2. 3 ein Verzeichnis 
der bedeutendsten Volksführer von Selon an gegeben, das mit Theramenes 
und Kleophon, d. h. mit dem Jahre 403, abschließt. Alle späteren De- 
magogen werden mit der kurzen Bemerkung abgetan, ihre Macht sei 
ephemer gewesen und ihre Politik nur auf den zeitweiligen Augenblick 
gerichtet. 2) Dies könnte gelten, wenn unser Büchlein im Jahre 392 ge- 
schrieben wäre; aber Männer wie Timotheos, Phokion, Lykurgos, Eubulos, 
Demosthenes hatten zweifellos ein größeres Recht, genannt zu werden, 
als etwa Kleophon. Doch für Aristoteles existieren sie ebensowenig wie 
die Ereignisse ihrer Zeit. 

Sollen wir annehmen, daß er gemeint habe, mit 392 sei die attische 
Verfassungsgeschichte zum Abschluß gekommen und alles Spätere nicht 
der Erwähnung wert? In einem Falle ist diese Erklärung jedenfalls aus- 



2693. II S. 1027. Usener, Göttinger geWirte Anzeigen 1892 S. 1014. Wilamowitz, 
Monatsber, d. Berl Akad. 1901 S. 14. 

1) E. Scliwarz, Index lecL Bostoch 1893. S. 12. 

2) 28,4: icno 61 Kktotpäfviog tjStf diföt/ovto awe/jot; t)]}' ihifiayotyiav oi 
fxaliaxa ßovlbfiBvoi O^QaovvsaOat xcd yuifiQEa^ai tolg noXkoTg nfibg rb naQuirixu 
ßkinovxeq, 

31 



Quellenstudien zu des Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens. 283 

geschlossen. Er erzählt (41, 3) ganz genau, wie Agyrrhios einen 
Ekklesiastensold von einem Obol eingeführt, dann Herakleides ihn auf 
zwei Obolen erhöht, endlich derselbe Agyrrhios noch einen dritten Obol 
hinzugefügt habe. Doch wie Aristoteles selbst im systematischen Teil 
berichtet, betrug zu seiner eigenen Zeit der Sold eine Drachme, ja bei 
gewissen Volksversammlungen sogar neun Obolen (62,2); aber wann und 
durch wen diese Verdoppelung und Verdreifachung eingetreten ist, sagt 
er nicht. Fand er es angemessen, das Steigen des Ekklesiastensoldes 
von einem bis auf drei Obolen in seinen einzelnen Stadien zu verfolgen, 
so konnten ihm die späteren, viel bedeutenderen Erhöhungen nicht des 
Erzählens unwert scheinen. Ohne jeden Zweifel hätte er sie berichtet, 
wenn sie in seiner Quelle gestanden hätten. 

Hierin liegt die Lösung des Rätsels. Aristoteles schöpfte seinen 
historischen Teil aus einer Darstellung der Verfassungsgeschichte, die 
nicht über das Jahr 392 herabreichte, also wahrscheinlich auch nicht sehr 
viel später geschrieben war. Einen Automamen wage ich nicht einmal 
vermutungsweise zu nennen. Plutarch, bei dem man ihn am ehesten zu 
finden erwartet, führt bei demjenigen, was auf diese Quelle zurückgeht, 
entweder gar keine Autorität an, oder er beruft sich auf das bekannte 
wg Ol nXslaroi Xsyovair, Wahrscheinlich sind alle Bücher, die er für 
seinen Selon benutzt hat, unmittelbar oder mittelbar von ihr ausgegangen. 
Eben deshalb scheint man sie nicht zu zitieren, weil ihr Inhalt wissen- 
schaftliches Gemeingut geworden war und allen Späteren zur selbst- 
verständlichen Grundlage diente. Denn auf Quellen pflegt man sich zu 
berufen, wo Kontroversen zur Entscheidung stehen, nicht wo man einfach 
wiederholt, was als communis opinio doctorum gilt. 

Über diesen Gewährsmann des Aristoteles hat Wilamowitz viel Gutes 
gesagt und überall die h'äden aufgedeckt, die zu seiner Person hinüber- 
leiten: aber niemals ist er ihnen bis ans Ende nachgegangen. Seinem 
feinen historischen Takte drängt sich die Empfindung auf, daß hier ein 
Zeitgenosse der Dreißig zu uns red?t: doch immer wieder, wo er auf 
politische Urteile stößt, schreibt er sie dem Aristoteles selbst statt seiner 
Quelle zu und verwirrt so die Lösung, die er selber angebahnt hat. Mit 
Recht hebt er es als charakteristisch hervor, daß weder Phrynichos noch 
Kritias noch Alkibiades mit Namen genannt werden (S. 131). Er erkennt 
darin den Einfluß des Piaton auf seinen Schüler. Aber wenn dieser 
durch eine so würdige Autorität veranlaßt wurde, von jenen Männern 
freundlicher zu denken, als seine Quelle es tat, so konnte er das Urteil 
derselben mildern oder auch ganz umstoßen, brauchte aber nicht von 
ihnen zu schweigen. Was die Beobachtung von Wilamowitz bedeutet, 
wird erst klar, wenn wir sie verallgemeinem. Nicht nur jene drei bleiben 
ungenannt, sondern fast alle Staatsmänner, die Tadel verdienten, soweit 
ihre Wirksamkeit den letzten zwanzig Jahren vor 392 angehört. Die 

19* 

3> 



284 Otto Seerk, 

beiden einzigen Aosnahmen. Kleophon und Kailikrates f28. 3. 34. li. be- 
stätigen nur die Regel. Denn offenbar ist jenes Versehwdgen der Namen 
dadurch bedingt, daß der Historiker, den Aristoteles aossehrieb. noch 
mitten anter den Personen lebte. Ton denen er zn erzählen hatte, oder 
soweit sie schon tot waren, anter ihren Freunden und Verwandten. Wo 
er loben kann, nennt er daher sehr gern die Namen i). selbst wenn ihre Träger 
geschichtlich nicht riel bedeuten, unterdrückt dagegen auch die wichtigsten, 
falls die Schilderung der betreffenden Personen u^nd jemand verletzen 
könnte. Bei Kleophon und Kailikrates brauchte er solche Rfieksichten 
aber nicht zu nehmen, denn allem Anscheine nach waren sie von niederer 
Herkunft^): ihre Hinterbliebenen gehörten daher nicht zu den Gesell- 
schaftskreisen, in deren Mitte unser Historiker sich bewegte. Ebenso 
nimmt er kein Blatt Tor den Mund, wo es sich um die Politiker der 
früheren Generationen handelt: hier ist ihm der Tadel sogar viel 
geläufiger als das Lob. Denn was er von diesen verjährten Geschichten 
erzählte, konnte ihm keiner der Mitlebenden mehr übelnehmen. Es ist 
klar, daß Aristoteles selbst keinen Grund hatte, die Ereignisse, die zwischen 
411 und 392, zwei volle Menschenalter vor seiner eigenen Zeit lagen, so 
vorsichtig anzufassen. An einigen Stellen hat auch Wilamowitz erkannt, 
daß die Urteile, die wir in der Politeia lesen, nicht dem Aristoteles 
gehören, sondern einem viel älteren Schriftsteller entlehnt sind (S. 128 
Anm. 6. 7. 135. 138. 161): doch dies mußte verallgemeinert werden. 
Sogar die Auszüge aus Thukydides sind so gemacht, daß sie alles Ver- 



1) 32, 2: JlBtaavSQOv x€tl 'Avxitfütrxoq xai (^ri^zfuvovqy avA^wr xat yfyev^fjikViov 
kv xai avvtati xal yvufpi^ 6oxovvrwv Siaifigtiv. 34,3: oi 6* iv haiQsifc $ihv ovSfuitt 
ovyxa^tatiattq, ä/J.wg dh Soxorvxtq oiAtvoq ^:iiXei:ie<f^ai ttüv nokirtör, rr^r naxQtov 
nohixtluv ^r/Torr ' cJy rjy pu^v xai *Ag/Trog xai 'Avitoc xrd K).fiT(Hfwv x€u ^og/jtiotog 
xai ?xfQoi 7toX?.oif TiQotimrixti AI fjuz),i<ntt hriQafihriq. Es ist charakteristisch, daß 
an (lieser Stelle nur die Führer derjenigen Richtung genannt werden, welche der 
Darsteller billigt, nicht auch der beiden andern minder lobenswerten Parteien. 
^^^1: JrifutQtrov ovAtvoq ovxa Stvtfpov xwv TfoknäfV. 38,3: TiQOBimrixscav A'ecvTtöv 
fjui).L0XU 'Plvwv Tt b naiavttig xai 4*av).).o(; o *A/eQAovatoq. 4: oi 6h negi rbv *Pirwra 
Ata tt Tr/V tvvoiav rr^v tlg rbv Ar/fiov ^Tiyvh^riaav xai Xaßovteq rjyv ^7Hfii).€iav tr 
b>.iya(}/Jaf rag erl^vvag lAooav ^v Ari^oxQaxlay xai ovAetg ovAh' evex((/.eaev ai^oigj 
ovxt xojV h äoxei fuivävxwv, oixs xwv ^x TleiQaitwq xtcteX^bvxiaVj aXka Aia xavxa 
xai ax^axrjybg eii^vg W^^^ *Plviov. 40,2: xai AoxeT xovxo xe noXixevaao^ai xaXdtg 
*A(f/lvog. Wenn es von einem der Männer, die 34,3 rühmend erwähnt werden, 
Aiiylos, an anderer Stelle heißt, er sei der erste gewesen, der ein Richterkollegium 
bestach (27,5), so können wir nicht wissen, ob dies nicht im Original mit der 
eisernen Notwendigkeit entschuldigt war. Aristoteles, der hier stark kürzt, gibt 
nur die nackte Tatsache ohne jede Begründung. Übrigens könnte dies, wie 
Wilamowitz (S. 128) annimmt, auch aus Platonischer Quelle geflossen sein, also 
auf einen andern Gewährsmann zurückgehen. Meines Wissens wäre es allerdings 
das einzige Beispiel; doch dem Ankläger des Sokrates kommt auch eine Sonder- 
stellung zu. 

2) Wilamowitz T. S. 130 Anm. 14. 

38 



Quellenstudien zu des Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens. 285 

letzende weglassen und nur dasjenige aufnehmen, was keinem, der um 
392 lebte, Anstoß geben konnte. Auch sie rühren also nicht von Aristoteles 
her, sondern sind aus seiner Quelle mit übernommen. 

Ohne Zweifel wird unser namenloser Historiker die Reden und Bro- 
schüren seiner berühmten Zeitgenossen gekannt und teilweise auch benutzt 
haben. Wenn also Wilamowitz annimmt, daß der Politeia eine Schrift 
des Theramenes zugrunde liege, so könnte dies in beschränktem Umfange 
richtig sein; doch Aristoteles selbst hat sie ebensowenig herangezogen 
wie die Geschichte des Thukydides. Am deutlichsten zeigt sich das in 
seinem Bericht über Selon. Daß dieser sich durch die Seisachtheia be- 
reichert habe, ist gewiß oligarchische Verläumdung und kann sehr wohl 
in irgend einem Büchlein des Theramenes oder auch des Kritias gestanden 
haben. Aber die Reinigung des demokratischen Gesetzgebers haben wir 
nicht erst dem gesunden Urteil des Aristoteles zu danken. Denn da sie 
bei Plutarch (15) zwar durch jüngere Fabeln ergänzt und bekräftigt, aber 
doch in ganz ähnlicher Weise wiederkehrt, muß sie ihrer gemeinsamen 
Quelle entlehnt sein. Und wie hier, so zeigt es sich noch an vielen 
andern Stellen, daß diese keineswegs die oligarchische Richtung vertrat; 
z. B. 28, 3: sXm^ev ya^ xav i^arrati^i^^ w nkfj^ogj v<neQOv pnaeiv tovg n 
nqoayayovtaq noielv avtovg icSv jtiij xakwg ixovtmv^ oder 41, j2: dndvtwv 
yaQ avTog avtov np.noir^xev 6 dij^og xvqiov^ xal ndvtajSiotxettai ipriq>iafiaatv xai 
dixaattiQlovg, iv olg 6 drjfiog ianv 6 xgarwv * xal yag ai tijg ßovXijg xQltrei^ 
€ig rov S'qfiov iktjkvd'aaiv • xai tovto doxovoi notelv oQddg ' svSiag>&OQ(ßt€QOt 
yaQ ol oXiyoi tmv noXXwv eiaiv xal xigdei xal xdQi'(fi'Vj oder 22, 4: ot yag 
U^vatov tovg tviv tvQav^'mv <piXovg, odoi fxrj öwel^afAaQtdvoiev iv rat^ 
taQaxäig, Cicoi» olxslv Tijr noXtv, XQ^f^^'^^^ ''V slw^vlqi rov dijfxov nQifotijn, 
Dies entspricht so wenig den eigenen Anschauungen des Aristoteles, daß 
er es wohl abgeschrieben, aber nicht geschrieben haben kann. ^) Freilich 
ist Theramenes der LiebUngsheld unseres Anonymus; aber jener galt, 
nachdem er durch Kritias ermordet war, auch den gemäßigten Demo- 
kraten als Märtyrer ihrer Sache. Nach der Restauration der alten Ver- 
fassung war es für einen Angeklagten die beste Empfehlung, wenn er 
sich vor dem Volksgericht auf die Freundschaft des Theramenes berufen 
konnte, und wer gegen diesen etwas zu sagen wagte, mußte sehr an- 
gelegentlich bitten, daß man ihn ruhig anhöre. 2) Was die Quelle der 
Politeia vertritt, ist also nur die allgemeine Stimmung, die nach dem 
Sturze der Dreißig in Athen herrschend war, und ganz dasselbe gilt von 



1) F. Cauer, Hat Aristoteles die Schrift txym Staate der Athener geschrieben? 
Stuttgart 1891 S. 49. 

2) Lys. or. 12, 62: <ftQB 6ti xal ne^l ßrjga/jitvovg wg av 6iv(ofiai öiä ßQaxvtarwv 
öiSa^w. dtofiai S* vfiwv axovaai vrctQ x Sfiavtov xal r^$ nblewg. xal fir^öevl 
tovro nagaatf^, wg ^EQaroa^hovg xtvSvvevovrog ßrjga/iavovg xaxriyogm ' nvv9ixvo/iai 
ya(} zavra aTioXoyr^aeaO^ai «rrov, or/ ixeivtp (pi},og ^v xal twv avrdiv ^gycov fiexelxB. 

34 



•!fr :rr- i^i'.p^.ir-f'^.^Lrfi \irjizf^ abg'rl*^ ^n'! war kli^l:-!* ^-it«^Wpr 

\L<ori£fTr d^ü zwk:^s arrl/^rLrc S^^^.iiü-i ^it n er'«^-;, er wiriie jrewü 
ar-der^ sf^r^Li h<trßffn, 

2^';><^n T'>r ar..'» hah*«. dfrr a::äer rfr-r Venraz^^^tiii-ie ck-r r>e:iea Pani?-:efl 
jfar k'-rne .v:hrif'.I:':-r.<rii '^^f-^!*^a fiencrzt. hat Wilam^witz richtiz erkannt. 
Ari'h enraft w^rlifr zarürk bi* d»>r:hiiu wo die ^'iets^^hirhte des Th:;kTd:.Jes 
abrir>:ht. erzahlt er n'x-h ax« ei^ecer ELricreni::?: d«x-h h:er besinnt sie 
»i'h i?/:hon za trüben, :v> r-bt er fäl^:-hjch an. dai in dem Arsinusseii- 
prozefi alle zehn Strategen renirteiit worden iv-ien, ond setzt die Krieg^rwle 
df-s Ki^jphon in ein fal--<'n€t? Jahr.-i I>*>eh 2<»:che bnümer bes^cnen dem 
am leichte-ten. der in meiner Ges^-hichr-^-hreibaEs: anf ein nicht ganz zu- 
reria-rriiifesi GerlächtR;«? oder auf mnndliche Elrzählan^en an«:ewiesen ist: 
hätte er ?^-hon im Xenophon narhlesen können, so wären sie ihm erspart 
ßrebh'f-fien. S<rhon für die Olisrarchie des Jahres 411 benutzt er da^ecen 
nor fK'hriftlir-he Quelifn. freiiich die ailerprimärsten. Thukydides und die 
Urkunden, Wahrscheinlich war er. als er um 3:^2 sein Weit verfaßte, noch 
ein junger Mann, der dasjenige, was zwanzig Jahre zurücklag, nor als 
Kind erlebt hatte. tTber die rorhergehende Generation sind seine Urteile 
meist derart, wie er sie aus dem Munde älterer Leute gehört haben 
konnte, z. B. wenn er das unpassende Benehmen des Kleon auf der 
Reflnerliühne ruirt i'ix. 3> oder dem Staatsmann Thnkydides hohes Lob 
erteilt i2x. 2. 5). dfn s^^-hon ein halbes Jahrhundert später kein Mensch 
mehr kannte. Cl^er seine schriftlichen Quellen für die frühere Zeit 
werden wir n^K-h zu reden haben, doch sei schon hier anf einen wichtigen 
Punkt hingewiesf'n. 

AristoHes hat einen Dialog Grylos geschrieben- "» Der Jünsling. 

I, Oariz *liev-ü»e .Stimmuri^ ^prirht mcIi in Platon« Go^:/''»* *0'^- der uncefähr 
iUrr^*'\h*'n Z*fit angehört, %'n: die Verfa^>aDg'*ge>chicIite de> Aoonymus. Dort 
li»-iiit «*^ von <I«rn Mfinnem, ilnneD Athen »»eioe Gr»iimacht*-telluni: zn danken 
Iiatt*' 'p 5IH K,: ^yxc'ßHir.Ui^ fztif^Hhnovz. oV rovrorz t'tnitixrfnr f-iioyorm-z «r t:it' 
Iplftoiv, yj'.i ifr.ffi fif-y/z'/.r^v Tr^r no'/.ir ntrifnr^xh-fu r.iToi^:' ort Ah fjt^H xfzt r:ior/.«c 

xt'ntfiivr^^ '/Jiii'vt'fv yj'X rufn/u^tv Xfu xh'/Öjv x*:i *fo{H'»Y Xfit rotoixvtr ^}.vt:fßtnr fti- 
:tf':t/,rfXf:ot rr,v no).tr ' t/rnr ovv f'/Ahj r^ Xf:Tf:ßo/.rf fzirr^ xr^z ao^fvfifiz. xoi.: xoxt 
7t*f{»hvxtz; rixif\<i(tvxtu avti^hi'ijH-, fffutaxox)Jt: Ah xr.t Kittcvra xnt neotx/Jt: hyxcf 
ftifiijfßt öir. xo'rz clxiorz rr'7r xf'^v»v ' <Jor Af- ttjfi^ i:ii}.i^r,'oi'xr.i. H:r tir^ fvÄa^i^. xnt 
xov ^fiov t-xf:!{>ißv \i}jit;itdAoi\ oxr.v xfil Xf\ (iQ'/i'.hi :t(ßoOfno}y.riotjt rifjoz otz hxxr^öarxo, 
oix fiixlttßv OiTxirßV xoßv xi^ößV t:)X tfjoßz ovvntxinßv. 

2) 34,1: vgl. Wilamowitz 1. S. 130. 

'i) V. Ko*»e, AriistotelU fragmenta, p. 7.*>. 

35 



Quellenstudien zu des Aristoteles Ve^fassungsgeschichte Athens, 287 

nach dem er ihn benannte, zeichnete sich durch nichts weiter aus, als 
daß er, wie viele tausend andere, für das Vaterland gefallen war und 
— den Xenophon seinen Vater nannte. Nur dies letztere kann den 
Philosophen veranlaßt haben, seinem Andenken ein Buch zu weihen. 
Er hat also Xenophon gekannt und verehrt, ob persönlich, ob nur aus 
seinen Schriften, muß dahingestellt bleiben; jedenfalls hatte er diese 
gelesen. Trotzdem sind die Hellenika in der Politeia nicht benutzt ^j, gewiß 
nicht, weil Aristoteles sie absichtlich ignorierte, sondern weil er, abgesehen 
von den späteren Einschiebseln, die im vorhergehenden Kapitel besprochen 
sind, überhaupt nur eine Quelle ausschrieb. Auch den Thukydides hat 
er zweifellos gekannt, aber benutzt nur durch Vermittelung des Anonymus. 
In dem Kern der Verfassungsgeschichte lassen sich drei schriftliche 
Quellen, die uns dem Namen nach bekannt sind, mit Sicherheit nach- 
weisen: Selon, Herodot und Thukydides. Ist es Zufall, daß sie alle 
dem Jahre 392 vorausliegen, mit dem der Anonymus seine Geschichte 
abschloß? 

Man nimmt gewöhnlich an, daß die Politeia auch von Androtion 
abhängig sei. Aber dessen Atthis reichte mindestens bis auf das Jahr 346 
herab; hätte Aristoteles sie ausgezogen, so wäre er gewiß nicht bei 392 
stehen geblieben. Abgesehen von dem zehnten Kapitel, das zu den Ein- 
schiebseln gehört, sind alle Stellen, in denen sich die Politeia mit den 
Fragmenten des Androtion berührt^), derart, daß sie sehr wohl auf eine 
gemeinsame Quelle zurückgehen können. Wie Plutarch mittelbar aus 
dem Anonymus geschöpft hat, so auch die Atthidenschreiber. 

Endlich erinnern wir noch an eine sprachliche Tatsache, auf die 
Wilamowitz (I S. 47. 51) und Keil (S. 58) hingewiesen haben. Die Worte 
nohg als Bezeichnung der Akropolis (8, 4), xara^ati^m und xugßeig (7, 1) 
verschwinden schon mit dem ersten Anfang des vierten Jahrhunderts aus 
dem lebendigen Sprachgebrauch. Wenn sie also bei Aristoteles vorkommen, 
so beweist dies, daß er eine Quelle dieser Zeit, teilweise wörtlich, ab- 
geschrieben hat. 

Ich bin sonst kein Anhänger der Einquellentheorie: so habe ich für 
Plutarch nicht einfach Hermippos gesetzt, weil ich glaube, daß der viel- 
belesene Mann in seinem Selon noch so manchen anderen Schriftsteller 



1) Wenn Fr. Reuß (Jahrb. f. Fhilol 145 S. 94) wegen der ObereinstimmuDg 
von Arist. i)oL Ath. 36,2 mit Xen. hell. II 3, 19 Benutzung des Xenophon durch 
Aristoteles annimmt, so ist dies schon von Wilamowitz I. S. 166 widerlegt. 
Doch ist es nicht nötig, daß der an beiden Stellen wiedergegebene Ausspruch des 
Theramenes aus einer Rede desselben geschöpft sei. Es kann sich auch um ein 
geflügeltes Wort handeln, das unter den Zeitgenossen umlief und sowohl von 
unserem Anonymus als auch von Xenophon aufgegriflen wurde. Ob Theramenes 
es wirklich gesprochen hat oder es ihm nur von der anekdotenbildenden Volks- 
phantasie in den Mund gelegt i-t, wagen wir nicht zu entscheiden. 

2) Keil, Die Solonische Verfassung in Aristoteles' Verfassungsgeschichte Athens S. 190. 

36 



288 Otto Seeck, 

mit herangezogen hat. Auch auf Aristoteles würde ich nicht sie an- 
zuwenden wagen, wenn sein Werk vollendet wäre. Doch in seiner 
unfertigen Form zeigt es uns nicht, wie er Geschichte zu schreiben 
pflegte, sondern nur, wie er seine Geschichtschreibung vorbereitete. Gewiß 
wollte er es bis auf seine eigene Zeit herabführen. Dazu mußte er aus 
den Atthiden, die alles umfaßten, was man über Athen wußte, die ver- 
fassungsgeschichtlichen Tatsachen ausziehen, und wahrscheinlich ist dies 
auch seine Absicht gewesen. Doch für den ersten Anfang machte er 
sich's bequemer, indem er ein Werk zugrunde legte, das weiter nichts 
als Verfassungsgeschichte enthielt, diese freilich nur bis zum Jahre 392. 
Er fertigte daraus zunächst eine Epitome und nahm dann die neu- 
erschienenen Untersuchungen des Demetrios zur Hand, um aus ihnen 
Einzelnes zu ergänzen und zu verbessern. Später hätte er wahrscheinlich 
auch Xenophon, Androtion und anderes hineinverarbeitet, wenn der Tod 
ihn nicht zu früh ereilt hätte. So ist in dem erhaltenen Büchlein eigentlich 
nur der Rohstoff zu seiner Yerfassungsgeschichte auf uns gekommen, 
nicht diese selbst, wie Aristoteles sie plante und bei längerem Leben wohl 
auch ausgeführt hätte. Diejenigen, welche ihm die Politeia absprachen, 
hatten also in gewissem Sinne Recht. Denn wie sie uns vorliegt, ist 
höchstens der Stil sein wirkliches Eigentum; dem Inhalte nach ist sie 
weiter nichts als ein Exzerpt aus dem Anonymus von 392, durchsetzt mit 
kleineren Exzerpten aus Demetrios von Phaleron. 

Doch was das Büchlein an literarischer Bedeutung dadurch verliert, 
gewinnt es quellenkritisch. Denn in seinen Zusätzen besitzen wir Proben 
auserlesenster attischer Gelehrsamkeit, deren Studien fast überall an 
Denkmäler und Urkunden anknüpfen, und in seinem Grundstock die Reste 
eines Historikers von so hohem Alter, daß unter den erhaltenen nur 
Herodot und Thukydides ihm noch vorangehen. Die Herrschaft der 
Dreißig schildert er aus eigener, noch ganz frischer Erinnerung; über die 
Staatsmänner des fünften Jahrhunderts gibt er die Urteile von Augenzeugen 
wieder, und wo er schriftliche Quellen benutzt, können es nur die aller- 
ältesten und vornehmsten gewesen sein. 

Der Anonymus legt großen Wert auf die Chronologie. Mitunter rechnet 
er sogar nach Monaten (33, 1), und fast immer gibt er das Jahr der 
Ereignisse an und nennt den Archonten desselben. Doch hierin war er 
nicht ohne Vorgänger. Aus dem fünften Jahrhundert kennen wir zwei 
Geschichtschreiber, deren Werke in ähnlicher Weise angelegt waren, 
Charon von Lampsakos und Hellanikos von Mytilene. Da sie auf den 
Anonymus nicht ohne Einfluß gewesen sein können, wahrscheinlich sogar 
zu seinen Quellen gehörten, müssen wir etwas ausführlicher bei ihnen 
verweilen. 

Die ältesten Historiker, die wir noch besitzen, Herodot und Thuky- 
dides, haben jeder nicht mehr als ein Werk hinterlassen und sind auch 

37 



Quellenstudien zu dts Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens* 289 

mit diesem nicht ganz fertig geworden. Dagegen müßten ihre Vorläufer 
und Zeitgenossen Vielschreiber gewesen sein, die keinem Modernen 
etwas nachgaben, wenn wir den Verzeichnissen ihrer Schriften trauen 
dürften. Dies tut man nun freilich längst nicht mehr. Man weiß, daß 
in einer Zeit, wo es noch sehr wenig Bücher gab, das Sammeln des 
historischen Materials eine Aufgabe war, die wohl ein Menschenleben 
ausfüllen konnte, und daß eine so massenhafte Produktion daher zu den 
Unmöglichkeiten gehörte. Weder Suidas noch seine unmittelbaren Quellen 
haben die Bücher, die sie aufzählten, mit Augen gesehen. Sie schöpften 
nur aus den Zitaten früherer Schriftsteller, oft aus indirekten, und wie 
diese mitunter aussahen, zeigt uns am deutlichsten Gellius. Er nennt 
(XVII 10, 8), um nur ein Beispiel anzuführen, Findari veteris poetae 
Carmen^ quod de natura atque flagrantia montis Aetnae compositum est^ 
und zitiert dann als Teil dieses Gedichtes einige Verse aus der ersten 
pythischen Ode. Er hat sie eben nicht selbst gelesen, sondern nur durch 
irgend ein älteres Zitat jene wenigen Verse gekannt, und weil sie vom 
Ätna handelten, hielt er dies für den Inhalt der ganzen Dichtung. Leute 
wie Gellius gab es auch unter den Byzantinern. Irgend eine Stelle des 
Charon, die von Kreta erzählte, genügte also, um ihm Kgr^tixa zuzu- 
schreiben, und nannte das Zitat sein drittes Buch, so wurden daraus 
KQTinxa iv ßißXloig y, wie Suidas sie anführt. Sein Werk nannte man 
gewöhnlich wqoi Aaiiipaxrivmvx doch irgend ein Gewährsmann des 
Byzantiners las unter diesem Titel ein Fragment (Frg. 10), das von der 
Feststellung der Grenzen zwischen Lampsakos und Parion handelte, und 
verdrehte ihn daraufhin in oqoi Aa^ipaxiqviiv, Die Verwirrung wurde 
noch dadurch vermehrt, daß das fünfte Jahrhundert eigentliche Büchertitel 
noch gar nicht kannte; wollte man einem so alten Werke einen Namen 
geben, so mußte man ihn aus dem Inhalt schöpfen, und das konnte man 
in sehr verschiedener Weise tun. Endlich scheint man auch einzelne 
Teile mit besonderen Titeln angeführt zu haben, wie man bei Homer von 
der xsvxofSxonla oder von der Jiofii^dovg aQKfrela sprach. Wenn sich bei 
Suidas sehr zahlreiche Titel finden, können sie also doch allesamt auf 
dasselbe Werk zurückgehen, und ich glaube, daß dies bei Charon tat- 
sächlich der Fall war. 

Wie schon gesagt, nannte man seine Geschichte in der Regel wqol 
Aajxipaxrivdiv. Daraus ergibt sich, daß sie die Form von Jahrbüchern 
trug, die wahrscheinlich an die Eponymenliste von Lampsakos anknüpften. 
Doch wenn man danach gemeint hat, sie habe auch nur die Schicksale 
von Lampsakos berichtet, so ist das zweifellos ein Irrtum. Denn die 
Lokalgeschichte eines unbedeutenden Städtchens wäre gewiß von keinem 
andern gelesen worden, als von den Einwohnern desselben Städtchens; 
nie hätte sie ihren Verfasser so berühmt gemacht, daß sein Name noch 
nach Jahrhunderten mit Ehren genannt wurde. Außerdem wird uns mit 

38 



290 Otto Seeck, 

ausdrücklicher Nennung der mgoi eine Tatsache angeführt, die mit 
Lampsakos gar nichts zu schaffen hat, sondern sich auf das ferne Sparta 
bezieht. 1) Endlich sagt uns Dionys, daß Charon ganz denselben Gegen- 
stand behandelt habe wie Herodot.^) Und lesen wir die Büchertitel bei 
Suidas, so sind sie wirklich derart, daß sie fast alle auf ein Werk wie 
das herodoteische oder einzelne Teile desselben passen. Neben ogovg 
Aafxil^axVfVißv ^r ßißUou: (T steht 'EkXrivixa iv ßtßUoic (T; daß beide Titel 
dasselbe Werk meinen, wobei der eine die Form der Jahrbücher, der 
andere den Inhalt zum Ausdruck bringt, hat man längst aus der gleichen 
Buchzahl geschlossen. Bei UeQ^ixa iv ßißUoig ß' stimmt diese zwar 
nicht überein, doch folgt daraus weiter nichts, als daß der Gewährsmann 
des Suidas kein späteres Buch als das zweite zitiert gefunden hatte; der 
Titel wird trotzdem als allgemeiner zu fassen sein. Denn wie bei Herodot 
sich fast die ganze griechische Geschichte um die Perserkriege gruppiert, 
so kann man nach dem Zeugnis des Dionys Ähnliches auch für Charon 
annehmen; Usqüixi ist also ebenso passend zur Bezeichnung eines der- 
artigen Werkes wie 'EAAijvtxcr. Herodot bietet in Form von Exkursen 
die Ethnographie und Geschichte der meisten Völker, über die ihm Nach- 
richten zugänglich waren. Auf Teilstücke dieser Art können bei Charon 
die folgenden Titel gehen: Aid^iomxa, nsQl y^afiipaytov ß\ j^tßvxa^ Kgririxa 
ev ßiß/Xoic y\ XiyBt de xai %ovc vno Mivmog TBl>Bvrag vofAOvg^ neginkow 
TOT eytog twv ^HQoxXeloDv ifTfjkißv. In der Ethnographie der Alten spielten 
die Stammbäume der Völker und die Gründungsgeschichten ihrer Städte 
immer die Hauptrolle; daraus erklärt sich xnaeig n6ls(x)v iv ßißUoig ß\ 
Die Buchzahl besagt natürlich auch hier nichts weiter, als daß man aus 
dem zweiten Buche des Charon irgend eine Gründungsgeschichte angeführt 
fand. Der wichtigste dieser fiktiven Titel aber ist für uns ngvTaveig i; 
ccgxovrag tovg toSv yiaxedaipiovUoVj etfn de xgonxd. Denn wenn in seinem 
Werke von den Magistraten Spartas die Rede war und das zwar in 
chronologischem Sinne, so ergibt sich daraus, daß er nicht nur nach den 
Eponymen von Lampsakos datierte, sondern auch diejenigen anderer 
griechischer Staaten ihnen an die Seite stellte und die betreffenden Jahre 
miteinander zu gleichen versuchte. Und berücksichtigte er die Jahr- 
zählung Spartas, so wird er die Athenische gewiß nicht übergangen 
haben. Es ist also sehr wahrscheinlich, daß der Anonymus die Datierung 
der Ereignisse nach Archonten schon bei Charon vorfand und ihm ent- 
lehnen konnte. 



1) Athen. XI 475 b: A«(>a>i' d' o Aa/nfmxt^vbi; h' roig logoic naga AnxEdaifjLovloig 
(ftialv hl xal elg avzov deixvva&ai zo ötnaq xb doO-hv \\heß7]vy vno /i/6c, Sre 'Äfjupi' 
XQViovt elxaa&rj. 

2) Dien, epist. ad Pomp. 3, 7: ov firjv 'Hgodotog ye rovt' hnoltiGEv, aXla xwv 
ngb avxov avyygutpbwv ymo/utAiov *Ek).€tvixov xe xal XccQiovog xr^v avxijv i^b&eatv 
^QOExAeAifiXüXiDV ovx txTiexQanexo, aX?.' bnlaxEvatv ((vxätv xQElaabv xi t^oiativ. 

39 



Quellenstudien zu des Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens, 291 

Von Hellanikos ist uns eine noch größere Menge von Büchertiteln 
überliefert, diesmal nicht durch Suidas, sondern durch Einzelzitate. Auch 
bei ihm aber bezeichnen sie, wenn nicht alle, so doch in ihrer großen 
Mehrzahl nur Teile desselben Werkes. Am häufigsten erscheinen al 
legeiai al iv "Aqysi oder ai ligsiai rrfi ^'Hqag. Der Name hat dieselbe 
Bedeutung wie cüqoi y^afufjaxrjvdiv: beide geben das chronologische Schema 
an, in das die erzählten Geschichten eingeordnet waren. Hellanikos hatte 
nicht, wie Charon, das Magistratsverzeichnis einer Stadt zugrunde gelegt, 
sondern die Liste der Argi vischen Herapriesterinnen, weil sie schon bis 
in die frühesten Urzeiten zurückreichte und daher Ereignisse, die vor 
allen Eponymenhsten lagen, sich nach ihr bis auf das Jahr datieren 
ließen. So konnte er z. B. die Wanderung der Siculer, die schon in der 
dritten Generation vor dem trojanischen Kriege stattgefunden haben sollte, 
ganz genau in das 26. Jahr der Priesterin Alkyone setzen (Frg. 53). 
Weitere Titel sind xrifsnc ixh'div xal noumv (Frg. 109) und i(>rd!)v ovofiaaiai 
(Frg. 93) oder negl el>vwv (Frg. 92). Da aber alle Fragmente (44—53), 
die unter dem Titel der liquca erhalten sind, gleichfalls von Gründungen 
und Namengebungen erzählen, können damit keine anderen Werke gemeint 
sein. Eine lange Reihe von Titeln ist dann von den Namen griechischer 
Landschaften oder barbarischer Völker hergeleitet: 'AtHg^ Boianiaxa 
'AQYohxctj tibqI UgxaStag, ©fincr/txa, Aiohxdy Astsßixa, TgoDixa, KvTrqtaya, 
negl AvdCac, Alyviniaycd, UegfSixa, 2xv^ixu. Es kann nicht bezweifelt 
werden, daß jede dieser Ländergeschichten in sich bis zu einem gewissen 
Grade abgeschlossen war; dies ist schon durch das Zeugnis des Thuky- 
dides^) allein ausreichend beglaubigt. Doch ihre große Zahl weist darauf 
hin, daß Hellanikos alle Völker, über die er etwas Genaueres zu wissen 
meinte, nacheinander abhandelte und dabei ganz systematisch verfuhr, 
daß er also eine Art „Weltgeschichte in Einzeldarstellungen" zu schaffen 
beabsichtigte. Und die Datierungen waren sowohl in der Atthis^), als 
auch in der sizilischen und italischen Geschichte (Frg. 53) nach Hera- 
priesterinnen gegeben und werden folglich in allen andern Landschafts- 
geschichten von derselben Art gewesen sein. Mithin konnten diese sehr 
wohl Teile desselben Werkes bilden und alle zusammen durch den 
gemeinsamen Namen Uq^iat bezeichnet werden. EndUch geht noch eine 
Titelgruppe auf die Namen mythischer Urväter zurück, von deren Kindern 
Völker und Städte ihren Ursprung ableiteten: Ooqmvic^ *Aif(jomg^ /lavxa- 
hmvBha^ 'Atlmnlg. Der Inhalt dieser Bücher kann nichts anderes gewesen 
sein, als die xriacLg i^cov xal Tro^fcor, von denen wir oben schon 
gesprochen haben. Alles, was unter dem Namen des Hellanikos über- 
liefert ist, steht also in so engem inneren Zusammenhange, daß es kaum 
mehreren verschiedenen Werken angehört haben kann. 

1) I 97: rovTwv 6' oanf-Q xal tjxparo Iv ry *Axxix^ S^yyQf^^i ^EXXavixoq. 

2) Müller, Fragment a historicortim Graecorum l S. XXVIII. 

40 



292 Otto Seeck, 

Doch dies kommt für uns weniger in Betracht, als die Tatsache, daß 
Hellanikos jedes Ereignis, von dem er erzählte, auf ein bestimmtes Jahr 
zu fixieren suchte. Er hatte nicht nur berechnet, in welches Jahr der 
Argivischen Zeitrechnung die sizilische Wanderung fiel (Frg. 53), sondern 
auch daß Helena genau sieben Jahre, Theseus genau fünfzig alt war, als 
er jene raubte (Frg. 74). In diesen Fällen ist die windige Hypothese 
unverkennbar: wenn aber derselbe Hellanikos erzählte, im soundso- 
vielten Jahr dieser oder jener Herapriesterin, unter dem Archontat des 
Komeas sei Peisistratos zur Herrschaft gelangt, verdiente er besseren 
Glauben? Und ohne jeden Zweifel hat er so oder ähnlich erzählt. Denn 
wenn er es möglich machte, selbst in den grauen Urzeiten bis auf das 
Jahr genau zu sein, wird er dies in den näher gelegenen Jahrhunderten 
gewiß nicht unterlassen haben, ob seine Quellen dazu reichten oder nicht. 
Als unser Anonymus schrieb, war Hellanikos, soweit unsere Kunde reicht, 
der einzige Schriftsteller, der die Geschichte Athens in ihrem vollen Um- 
fange dargestellt hatte. Daß jener ihn benutzt hat, ist also nicht zu 
bezweifeln, weil eine andere Quelle, die ihm den Stoff in so bequemem 
Zusammenhange dargeboten hätte, kaum vorhanden war. Aus ihm konnte 
er auch seine genauen Jahresangaben entnehmen; falls er es aber getan 
hat, wird man zugeben, daß sie keineswegs einwandfrei sind. 

Doch Wilamowitz hat ja für die Chronologie des Aristoteles 
eine viel vornehmere Quelle entdeckt, die uralte attische Chronik.^) 
Prüfen wir also, was es mit dieser für eine Bewandtnis hat. 

IV. 
Die attische Chronik. 

Eine weniger praktische Art der Datierung als die nach Eponymen 
ist nicht leicht denkbar. Denn während heutzutage der Zeitunterschied 
der einzelnen Ereignisse schon in der Differenz ihrer Jahreszahlen mit 
voller Anschaulichkeit hervortritt, mußte er im Altertum mühsam an der 
Beamtenliste abgezählt werden. Wo eine wissenschaftliche Chronologie 
entstand, hat sie daher sehr bald zur Zahl gegriffen, sei es, daß sie die 
vierjährigen Olympiadenzyklen anwandte, sei es, daß sie mit Einzeljahren 
von irgend einem Epochenereignis vorwärts und rückwärts zählte. Aber 
schon lange ehe es gelehrte Historiker gab, ja fast schon als der Mensch 
zuerst zählen und rechnen gelernt hatte, muß sich das Bedürfnis geregt 
haben, Zeitabstände durch die Datierung anschaulich zum Ausdruck zu 
bringen, und in den monarchischen Staaten fand es auch leicht seine 
Befriedigung. Man rechnete eben nach Jahren der Könige. Fielen die 

1) Offenbar ist seine Hypothese durch die Analogie der römischen Annales 
Maxirai hervorgerufen worden. Aber wie ich in meiner , Kalendertafel der 
Pontifices** gezeigt habe, verdankten diese ihre Entstehung ganz besonderen Um- 
ständen, die in Athen nicht in gleicher Weise eingetreten sein können. 

41 



Quellenstudien zu des Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens, 293 

zwei Ereignisse, die man zeitlich vergleichen wollte, in dieselbe Regierung, 
so war ihr Abstand in den Ziffern ebenso deutlich gegeben, wie bei der 
modernen Datierung; gehörten sie den Zeiten verschiedener Herrscher an, 
so mußte man allerdings wissen, wie lange diese regiert hatten; eine 
kleine Rechnung wurde also nötig. Doch von der geringen Zahl von 
Königen, welche die letzten zwei oder drei Generationen beherrscht hatten, 
ließen sich Namen und Regierungsdauer leicht im Gedächtnis behalten; 
und was weiter zurücklag, danach fragte man nicht, oder wenn man es 
tat, lag doch keinem an einer sehr genauen Zeitbestimmung. 

So konnte die Datierung nach Königsjahren den geringen chrono- 
logischen Ansprüchen jener Frühzeit sehr gut genügen. Aber gerade 
weil sie praktisch war, gewöhnte man sich so an sie, daß man sie auch 
fortsetzte, als Jahresbeamte an die Stelle der Könige traten; damit aber 
verlor sie ihre Brauchbarkeit. Vorher hatte man beispielsweise gesagt: 
„Im fünften Jahre des Königs Kodros"; später sagte man: „Im Jahre 
des Archonten Selon". Ursprünglich also hatte die Datierung aus zwei 
Elementen bestanden, dem Namen und der Jahreszahl, und die letztere 
allein war es gewesen, auf welcher jenes Moment der Bequemlichkeit 
beruhte. Gerade sie fiel aber bei den Archonten weg, weil keiner von 
ihnen länger als ein Jaht regieren durfte. Die Folge war, daß man bei 
dieser Art von Datierung einen Zeitabstand nur bestimmen konnte, wenn 
man die Namen der Eponymen und ihre Reihenfolge kannte; doch über 
einen Zeitraum von zwanzig oder dreißig Jahren hinaus waren nur Leute 
von ungewöhnlich starkem Gedächtnis dazu imstande. Es darf wohl 
angenommen werden, daß man diesem Übelstande schon sehr früh durch 
das Mittel schriftlicher Aufzeichnung abgeholfen hat. Mithin läßt es sich 
zwar nicht beweisen, ist aber doch eine sehr wahrscheinliche Vermutung, 
daß man in den meisten griechischen Staaten, wenn nicht in allen, sehr 
bald nach der Gründung der Republik damit begonnen hat, die Eponymen- 
listen fortlaufend zu führen, daß sie also bis in ihre ältesten Teile hinauf 
urkundliche Geltung beanspruchen dürfen. 

Bei der attischen Liste war für den angegebenen Zweck nur die Auf- 
zeichnung derjenigen Archonten erforderlich, nach denen die Jahre benannt 
wurden. Ihnen je acht Kollegen hinzuzufügen, wäre für die Zeitbestimmung 
als solche nicht nur überflüssig gewesen; es hätte sogar den bequemen 
Überblick erschwert. Listen aller neun Archonten wird man also kaum 
früher gefertigt haben, als bis man es nötig fand, auch die übrigen Be- 
amten vollständig aufzuzeichnen; aber auch hierzu muß das Bedürfnis 
spätestens mit der drakontischen Gesetzgebung eingetreten sein. Denn 
ihre Fragmente bei Aristoteles (4, 3), deren Echtheit wir später beweisen 
werden, bestimmen, daß keiner zweimal zu einem Amte gelangen dürfe, 
ehe alle übrigen berechtigten Bürger darangekommen seien; dies aber ließ 

42 



2^4 Otto Seeck, 

sich nur konstatieren, wenn man neben den Bürgerlisten auch vollständige 
Beamtenlisten im Archiv aufbewahrte und beide miteinander verglich. 

Soweit ging das praktische Bedürfnis; aber wie Wilamowitz meint 
und andere mit ihm, machte sich seit den Zeiten des Selon daneben 
''auch schon ein historisches geltend. Man soll den Archontennamen die 
wichtigsten Daten der heimischen Geschichte beigeschrieben und so eine 
Art offizieller Chronik geschaffen haben. Was man wünscht, das glaubt 
man gern; es ist daher nicht zu verwundern, daß diese Hypothese so 
vielen Beifall gefunden hat. Denn während wir bei allem, was uns aus 
der älteren Geschichte Athens berichtet wurde, zweifelhaft sein mußten, 
ob wir es mit wirklicher Überlieferung, ob mit Fabelei oder gelehrter 
Kombination zu tun hätten, würde ein Quelle von solcher Art uns künftig 
eine ganz gesicherte Grundlage bieten. Doch ausdrücklich überliefert ist 
nichts von dieser Chronik; wenn sie vorhanden war, Ueße sich dies nur 
aus den Spuren erkennen, die sie bei den erhaltenen Schriftstellern 
hinterlassen hat. Dasjenige, was ihren Charakter bezeichnet, müßte 
vor allem sein, daß sie jedes Ereignis auf ein bestimmtes Archontenjahr 
fixierte. Sehen wir also zu, ob die griechischen Historiker eine solche 
Quelle benutzt haben können. 

Wir beginnen mit dem vornehmsten von aUen, weil es ihm am wenigsten 
zuzutrauen ist, daß er ein Hilfsmittel von dieser Wichtigkeit, wenn es vor- 
handen war, vernachlässigt haben sollte. Daß Thukydides sehr genau 
wußte, was gute Chronologie bedeutet, hat er in der Geschichte des 
Peloponnesischen Krieges zur Genüge erwiesen. Auch die Pentakontaetie 
erzählt er deshalb zum zweiten Mal, weil Hellanikos, der sie vor ihm 
behandelt hatte, nicht nur zu kurz, sondern auch ungenau in den Zeit- 
angaben gewesen sei. ^) Wenn dieser noch ungenauer war als Thuky- 
dides, so kann das nur bedeuten, daß seine Datierungen falsch waren. 
Denn da er jede Tatsache auf ein bestimmtes Jahr setzte, kann er in 
dem Sinne, wie wir das Wort verstehen, nicht eigentlich „ungenau'' 
gewesen sein. Will man ihm also nicht unterschieben, daß er die klaren 
Archontendaten der attischen Chronik absichtlich entstellt habe, so muß 
man zu dem Ergebnis kommen, daß er sie nicht kannte. Doch er war 
ein Lesbier, der das attische Material vielleicht nicht genügend beherrschte: 
piüfen wir also, wie es mit dem Athener Thukydides steht. Er selbst 
sagt uns, daß er möglichst genau sein will, und doch sind seine Zeit- 
bestimmungen fast alle von so allgemeiner Art, wie ngtSrov (98, 1. 102,3. 
103,4. 109,2; vgl. 98, 4), c/FCtra (98, 2. 4. 105,3), iW6T«raiVa(98,4. 100,1. 
105, 2. 112, 5), vifxfQov (105. 1. 112, 5), xQor(p dt varagm^ (100, 2), ^etä Sa 
xaCia ov noXiotg etstriv vategov (118, 1), /aera Ss ravra ov nol?,(^ varsgov (111, 2. 
114, 1), ov nokli^ vatfQOv (115, 1), x^oror- iyyBvoi.iivov (113, 1), vno rovg 

1) I 97, 2: Toiziov ()* ooTtEf) xal fiyntro iv r^ lAvxixtj ^ryyii(i<fli *E).),arixoq, (i^m- 
yko^ xt xrA ToT,; yjyovoiq ovx (cxfJtfiiöi: tTit/ni'ljoO-fj. 

43 



Quellenstudien zu des Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens, 295 

aitovg XQOvovc (100, 3), xazu roig XQOvovg toinovg (107, 1), nQO tov (103, 2), 
vfioxTTt (103,3), etJ^t)^ (111,3). Das ist eine chronologische Überlieferung 
von der Art, wie alte Herren erzählen, was in ihrer Jugendzeit passiert ist. 
Sie betonen das Nacheinander der Ereignisse und ob der dazwischenliegende 
Zeitraum lang oder kurz war, aber wie viel Jahre er betrug, haben sie 
längst vergessen. Denn allbekannte Jahreszahlen, die dem Gedächtnis 
eine Stütze boten, wie heutzutage 1815, 1848, 1866, 1870, gab es damals 
nicht. Daß seine Quelle im wesentlichen mündliche Erzählung war, be- 
stätigen auch die wenigen Zahlen, die Thukydides gibt. Eine Ausnahme 
macht es natürlich, wenn er die Dauer der Waffenstillstände mit Sparta auf 
fünf Jahre und dreißig Jahre fixiert (112,1. 115,1); denn dies ist den 
Vertragsurkunden entnommen. Im übrigen bietet er nur die Zahl der 
Tage, wenn zwei Ereignisse ungewöhnlich schnell aufeinander folgten 
(105, 6. 108, 2. 117, 1), und der Monate oder Jahre bei sehr langen Kriegen 
(110,1) und Belagerungen (101,3. 103,1. 109,4.. 117,3). Es sind das 
Zeiträume, die nicht in chronologischer Beziehung, sondern an sich selbst, 
durch ihre außerordentliche Länge oder Kürze, die Aufmerksamkeit er- 
regten und sich dadurch in der mündlichen Überlieferung erhalten konnten. 
Daneben stehen ganz vereinzelt diahnommv iräv r^icSr (112, 1) und &r^ 
de Btei (115,2). Diese Ausnahmen beweisen nur, daß Thukydides genaue 
Ziffern nicht etwa absichtlich vermeidet, wie sein übriger Bericht beinahe 
könnte vermuten lassen.^) Wahrscheinlich hätte er sie in viel weiterem 
Umfang beigebracht, wenn die Art seiner Quellen dies gestattet hätte. 

Seine Korrektur des Hellanikos besteht also wesentlich darin, daß er 
an die Stelle der Jahre von Argivischen Priesterinnen und attischen 
Archonten, wie jener sie bot, ganz unbestimmte Zeitangaben setzt. Damit 
bringt er in schonender Weise zum Ausdruck, daß er die Genauigkeit 
seines Vorgängers für Schwindel hält, weil man über den Zeitraum, um 
den es sich handelt, mangels genügender Zeugnisse gar nicht so genau 

1) Dasselbe ergibt sich aus IV 102: tov S'ahov -/Bifxwvoq B(}aai6ag kyiov xovg 
hnl H(j(ixi]g Sv/ifAÜ/org baT(}aTtvaev tg*Afi(ft7ioXiv rr^v ^nl SiQVfjibvt Tictrccinw'AS'rjvcciwv 
itnoixiav. To dl /o}(»iov rovrOj h(p' or vvv 7/ noXig ^arlVf iTieigaae /4sv 7i(}6TeQOv xcci 
'ÄQKnaybQctg o Mi),r]aiog (ptvywv ßccaikha JctQÜov xazotxlaatj aXka vnb 'Höcji'wv t'|f- 
x(}ovod^TI, IhTtuxa 6h xa\ oi *Ad^rjvaiot trtoi öio xal x^idxovxa vaxEQOVj inolxovg 
^vQtovg a(pwv xe «itoJv xid xäßv a/Mov xbv ßovkbfxevov ntfiipavxegf di ötSipOtcgrioav 
h' J(ßafiTfaxü) vnb ß^axwv. xal av&ig h'bg (Stovxi XQiaxoaxt^ Ixei ^k^bvxeg o\ 
A^rivitloij "Ayvojvog xov Nixiov otxiaxov ^xnffitfH^t-vxog, *Hdü)vag i^eXäaavxeg ^xxiaar 
xb ;f(e>(>/oi' xovxo. Doch dies ist nicht Athenische, sondern Amphipolitanische 
Überlieferung, die Thukydides während seiner Verbannung in Thrakien kennen 
gelernt hatte. Denn daß in einer Stadt so jungen Datums sich Zeit und Umstände 
ihrer eigenen Gründung auch mündlich erhalten konnten, ist nicht auffallend. 
Übrigens glaube ich, daß auch bei den Kolonien des sechsten und siebenten 
Jahrhunderts die Griindungsjahre meistenteils echt sein werden. Denn in allen 
Städten, die gleich seit ihrer Entstehung durch jährlich wechselnde Beamte regiert 
wurden, ließ sich ja ihr Alter einfach an der Epouymenliste abzählen. 

44 



296 Oüo Seeck, 

sein könne. Und doch sind auch die wenigen Zahlen, welche er selbst 
nennt, soweit er sie nicht den Vertragsurknnden entlehnt hat, keineswegs 
nnbedenklich. Ithome fällt erst im zehnten Jahre der Belagerung, wie 
Troja (103, 1). Außerdem sind die angeführten Ziffern IV2 (109,4), 
3 zweimal (101,3. 112,1), 6 zweimal (110,1. 115,2), 9 (117,3) und 12 
(105,0). also die 3, die für schematische Zahlenspiele immer ganz be- 
sonders beliebt gewesen ist, ihr Doppeltes, ihr Dreifaches, ihr Vierfaches 
und ihre Hälfte. Nur drei Ziffern, 62 (108. 2), 14 (117, 1) und 50 (118, 2), 
passen nicht in diese Reihe. Daß sie im übrigen so vortrefflich stimmt, 
kann ja Zufall sein; für wahrscheinlicher aber halte ich es, daß das un- 
sichere Gedächtnis der Greise, bei denen Thukydides sich seine In- 
formationen holte, die wirklichen Zahlen im Sinne eines unbewußten 
Schematismus verändert hat, wie dies ja psychologisch sehr wohl erklärlich 
ist. Doch wie dem immer sein mag, wenn Thukydides, der die An- 
forderungen einer guten Chronologie zweifellos kannte, ausdrücklich erklärt, 
er wolle im Chronologischen genauer sein als sein Vorgänger, und trotz- 
dem so erstaunlich ungenau ist, so folgt daraus, daß seine Quellen ihm 
eine größere Genauigkeit nicht erlaubten. Eine Chronik, die jedes 
Ereignis einem bestimmten Archonten zuwies, kann er also ebensowenig 
benutzt haben, wie Hellanikos. 

Daß von Ephoros das Gleiche gilt, steht fest, seit wir die Totenliste 
der Erechtheis kennen. Denn Diodor, der für uns seine Chronologie 
vertritt^), weist die Kriege, die nach jenem urkundlichen Zeugnis alle in 
das gleiche Jahr fallen, drei verschiedenen Archonten zu. Auf die andern 
Unmöglichkeiten, die man in seinen Zeitbestimmungen nachgewiesen hat, 
brauchen wir nicht einzugehen. Jenes Eine genügt für den Beweis, daß 
er sich gezwungen sah, die Ereignisse der Pentakontaetie nach Gutdünken 
über die einzelnen Jahre zu verteilen, also keiner Quelle gefolgt sein kann, 
die jedes bei seinem richtigen Jahr verzeichnete. 

Doch wenn es für die Pentakontaetie keine chronistische Oberlieferung 
gab, vielleicht doch für die frühere Zeit. Die Perserkriege bedeuten 
ja einen tiefen Einschnitt in der Geschichte Athens; es wäre also nicht 
unmöglich, daß die Sitte, die Archontenliste fortlaufend mit historischen 
Notizen zu versehen, damals aufgehört habe. Nun besitzen wir für das 
sechste Jahrhundert allerdings zwei ganz sicher datierte Ereignisse, die 
Gesetzgebung Solons 594/3 und den Aufstand der Isagoras 508/7. In 

1) Daß die Geschichte des Ephoros aDDalistisch geordnet war, ergibt sich 
aus folgender Stelle des Strabo XlII 3, 6 p. 623: axioTirerai 6s xal o "Eipogog, 6i6u 
Ttjg TtuTQidog ^gya ovx t/wv ifQäZ,etv iv zj/ 6ia()t^/iifja6t xfäv aXXiov nQu^ewVy ov firjv 
oid* ufivrifibvevrov avrrjv tlvcci dtAc^v, ovT(og ^7it(pojvet' ^xara 6h xhv avxbv xaiQov 
Kxfifuoi T(\g tiai'/Jftg tf/ov^ Eine mehrmalige Wiederholung dieser Notiz, wie sie 
hier vorausgesetzt wird, ist nur denkbar, wenn das Werk die Schicksale mehrerer 
Staaten synchronistisch in kleinen Zeitabschnitten erzählte; diese aber können 
kaum andere gewesen sein als Jahre. 

45 



Quellenstudien zu des Aristoteles Vei*fass\ingsgeschichte Athens. 297 

diesen Fällen aber waren die Protagonisten selbst erste Archonten; die 
Zeit ihrer Wirksamkeit ließ sich also aus der Liste ablesen, auch wenn 
sie weiter nichts als Namen enthielt. Was die übrigen Daten betrifft, die 
uns Aristoteles überliefert hat, so ist es wohlbekannt, daß jeder, der sich 
in seine Zahlen vertiefte, mit dem trefflichen Adam Riese in unheilbaren 
Konflikt geriet. Man hat sich teils durch Konjekturen, teils durch sehr 
milde Interpretation zu helfen gesucht. Wir lassen diese Schwierigkeiten 
einstweilen beiseite und halten uns nur an diejenigen Zahlen, welche 
der modernen Kritik für sicher gelten und es auch wirklich soweit sind, 
wie hier die Zeugnisse der Alten überhaupt Sicherheit gewähren können. 
Es sind die folgenden: 

594/3. Archen Selon. Die Solonische Gesetzgebung. 

561/0. Archen Komeas. Erhebung des Peisistratos. 

528/7. Archen Philoneos. Tod des Peisistratos. 

511/0. Archen Harpaktides. Vertreibung des Hippias. 
Mit seinen Jahreszahlen und Archontennamen sieht dies alles ja tadellos 
urkundlich aus; aber rechnen wir nach, so finden wir: die Demokratie, 
wie Selon sie gegründet hat, besteht 33 Jahre, das ist ein Menschenalter: 
die Zeit des Peisistratos währt auch 33 Jahre, also wieder ein Menschen- 
alter; die Herrschaft seiner Söhne erstreckt sich über 17 Jahre, d. h. löy.^ 
nach oben abgerundet, also genau ein halbes Menschenalter. Denn daß 
die letzte Zahl in diesem Sinne zu fassen ist, ergibt sich aus der eigen- 
tümlichen Rechnung des Aristoteles (19, 6), wonach die 33 Jahre des 
Peisistratos und die 17 des Hippias zusammen nicht 50, sondern nur 
49 ergeben. Zu dieser Summe konnte er nur gelangen, wenn für ihn 
jene 17 nur I6V2 bedeuteten und nach dieser Analogie auch die 33 auf 
32 plus einem Bruchteil herabgesetzt wurden. 

Jene Zahl kehrt auch in Aristoteles' Politik*) wieder, aber in anderem 
Zusammenhange. Peisistratos soll von den 33 Jahren, die von seiner 
Erhebung bis zu seinem Tode verstrichen, nur 17 wirklich regiert, die 
übrigen in der Verbannung zugebracht haben. Zweifellos ist auch- hier 
17 als 16*/2 z" verstehen; es handelt sich eben um eine rein schema- 
tische Teilung, bei der die Hälfte der überlieferten Zeit der Regierung, 
die andere Hälfte der Verbannung zugewiesen wird. Man tut also sehr 
unrecht, wenn man diese fiktive Rechnung mit derjenigen ausgleichen 
will, die Aristoteles im Staate der Athener gibt: diese ist ganz verschieden, 
aber darum nicht minder fiktiv. Er setzt hier für die erste Regierung 
5 Jahre (14,3), für die erste Verbannung 11 Jahre (14, 4), für die zweite 
Regierung 6 Jahre (15, 1), für die zweite Verbannung 10 Jahre (15,2), 
für die dritte Regierung also nur ein Jahr; denn soviel bleibt von der 

1) 1315b, 30: 6lq yaQ etpvys TleioiarQaxog xvQavvcjv, aar* tv txeai rgiaxortn 
xul TQialv IrTtraxtuSexa trrj tovt(oi' itv(}avvevotv. oxrmxaiö^xa 61 o\ ;r«MFC, wart rä 
mcrra fyh'tTO fV// Tfjtaxoruc xtcl rr/rrf. 

Beiträge z. alteu Geschichte IV 3. 20 

46 



298 Otto Seeck, 

Summe 33 übrig. Daß Peisistratos ivdexatw hsi aus der zweiten Ver- 
bannung zurückkehrte, ist bekanntlich dem Herodot (I 62) entlehnt, und 
seine Ziffer 11 scheint es gewesen zu sein, die zu einem neuen Schema 
der Teilung Anlaß gab. Denn nach dem Staate der Athener kommen 
11 Jahre (5-|-6) auf die beiden ersten Regierungen zusammengenommen, 
11 Jahre auf die erste Verbannung, 10 auf die zweite, denen noch als 
elftes ein kurzes abschließendes Regierungsjahr hinzutritt. Während also 
in der Politik das Zeitverhältnis von Regierung und Verbannung einfach 
durch Halbieren der Zahl 33 gefunden ist, versuchte man es im Staate 
der Athener, auf Herodot gestützt, mit der Drittelung. Jedenfalls tut man 
jenen Zahlenspielereien viel zu viel Ehre an, wenn man seinen Scharfsinn 
abmattet, um beide auf dieselbe Formel zu bringen. Man muß sie eben 
als unvereinbar anerkennen, dann aber auch den Schluß daraus ziehen, 
daß sie nicht als historische Überheferung gelten dürfen. 

Wie mir scheint, ist es klar, daß hier keine Chroniknotizen zu- 
grunde Hegen, sondern nur jene Zählung der yereaC, welche dem Hekataios 
eigentümlich war. Nach dem bekannten Schema, daß drei Geschlechter 
auf ein Jahrhundert gehen, hat sie ein späterer Chronologe in 
Jahreszahlen umgesetzt und danach die betreffenden Ereignisse hübsch 
sauber in die Archontenliste eingetragen. Wenn den Söhnen des Pei- 
sistratos nur ein halbes Menschenalter zugeteilt wurde, so hatte dies 
darin seinen Grund, daß zwischen den zwei festen Punkten, welche durch 
die Archontate des Selon und des Isagoras gegeben waren, drei volle 
Generationen nicht Platz fanden. Überdies war auch Hippias nicht, wie 
sein Vater, als Tyrann gestorben, sondern hatte seine Verbannung noch 
lange Jahre überlebt; schon aus diesem Grunde durfte er die Normalzeit 
von 33 Jahren nicht für seine Regierung in Anspruch nehmen. *) 

Was wir erklärt haben, ist das allgemeine Schema, welches der 
Mehrzahl der Quellen zugrunde liegt. Bei Aristoteles selbst finden sich 
noch verschiedene Abweichungen davon; doch scheinen sie alle an jenes 
anzuknüpfen. In der Politik berechnet er die Herrschaft des Hippias 
nicht auf 17, sondern auf 18 Jahre. Vielleicht war es dem Chronologen, 
dem er hier folgte, denn doch etwas unwahrscheinlich vorgekommen, daß 
die tatsäcliliche Regierung des Vaters und die des Sohnes genau die 
gleiche Jahrzahl aufwiesen; er mochte dem Übelstande abhelfen wollen, 

1) Daß die Ermordung des Hlpparch in das vierte Jahr vor der Vertreibung 
seiner Brüder fiel (19, 2), ist vielleicht wahr; denn wenn dies Jahr tatsächlich ein 
panatheuäisclies war, so durfte das kaum Zufall sein. Damit aber wäre auch das 
Jahr der Vertreibung selbst bestätigt. Doch dies sind Ereignisse, die Hekataios 
schon erlebt hat, und daß die erstgenannte Notiz nicht aus der „attisclien 
Chronik" stammt, ergibt sich aus dem charakteristischen Umstände, daß bei ihr 
der Archontenname fehlt Der Zeitraum von 83 Jahren zwischen dem Archontat 
des Selon und dem Sturze der Peisistratiden könnte liiernach richtig sein; seine 
Einteilung aber in 33 + 33 + ^^/^ ist zweifellos schematische Mache. 

47 



Quellenstudien zu des Aristoteles Verfassungsyeschichte Athens. 299 

indem er dem einen ein Jahr zulegte und dadurch jene auffällige Gleichheit 
beseitigte. Umgekehrt scheint ein anderer demselben Bedenken dadurch 
entgegengetreten zu sein, daß er die 17 Jahre des Hippias festhielt, aber 
dafür die tatsächliche Regierung des Peisistratos auf 19 Jahre verlängerte; 
denn auch diese Zahl findet sich in dem Staate der Athener (17, 1). 
Wenn sie weder zu den 17 Jahren der Politik, noch zu den 12 Jahren, 
die sich in der Politeia selbst aus der Summierung der Einzelposten 
ergeben (S. 297), stimmen will, so beweist dies nur, daß die Zahlen ver- 
schiedenen Quellen entnommen sind. Natürlich sind diese zahlreichen 
Widersprüche ein weiteres Zeichen dafür, daß wir es hier mit vielfach 
korrigierten Berechnungen, nicht mit einer festen Überlieferung zu tun^ 
haben. Mehr Beachtung scheint es zu verdienen, wenn Herodot (V 65) 
die gesamte Peisistratideuherrschaft auf 36 Jahre beziffert, schon weil 
diese Zahl mit der Generationenrechnung in keinem unmittelbaren Zu- 
sammenhange steht. Doch ihre Echtheit bleibt trotzdem mehr als zweifel- 
haft. Denn wenn wir mit der Vermutung recht hatten, daß derjenige 
Chronologe, welcher die tatsächliche Regierung des Peisistratos auf 19 Jahre 
ansetzte, die 17 Jahre seiner Söhne unverändert ließ, so würde dies 
beides zusammen genau die 36 Jahre des Herodot ergeben. Und ohne 
Zweifel können die Worte: äg^avTeg fxev *Al>rivai(ov in Bt€a e^ t€ xal 
TQiTJxmna so aufgefaßt werden, daß sie nur die wirkliche Zeit der Herr- 
schaft mit Ausschluß der Verbannungen bezeichnen sollen. 

Ist dies richtig, so würde sich daraus ergeben, daß man schon vor 
Herodot die Menschenalter des Hekataios in Jahrzahlen umgerechnet 
hat; ja sogar die erste Korrektur dieser Berechnung, die darin bestand, 
daß man die Gleichförmigkeit der Zahlen 17 und 17 für Vater und Söhne 
beseitigte, indem man das eine Mal 19 setzte, müßte schon damals ein- 
getreten sein. Nun ist für jene Frühzeit der griechischen Geschicht- 
schreibung die Zahl der überlieferten Namen so gering, daß uns kaum 
eine Auswahl bleibt; und daß Herodot chronologische Werke benutzt habe, 
von denen unsere Überlieferung schweigt, ist nicht eben wahrscheinlich. 
Charon von Lampsakos war unseres Wissens der erste, der die historischen 
Ereignisse nach Eponymenjahren zu ordnen versuchte. Ihm folgte 
Hellanikos; doch ist es schon von diesem zweifelhaft, ob seine Hera- 
priesterinnen vor dem Werke des Herodot veröffentlicht sind ; zulässig aber 
ist diese Annahme. ^) Wir gelangen also zu dem Schlüsse, daß Hekataios 
die Geschichte der Peisistratiden nach Generationen erzählt, Charon sie 
in die Archontenliste eingeordnet und Hellanikos die eine 17 in 19 korri- 
giert haben muß, in welcher Form Herodot die Überlieferung empfing. 

1) S. 290 Anm. 2: Wenn Hellanikos Frg. 80 der Schlacht bei den Arginussen 
erwähnte, so kann dies in einem späteren Nachtrag zu seinem Werke geschehen 
sein. Denn bei der großen Ausdehnung desselben ist die Annahme keineswegs 
unwahrschciulicli, daß es successive in einzelneu Abteilungen erschien. 

20» 
48 



300 Otto Seeck, 

Eine andere Verteilung ist nur für denjenigen möglich, der hier mit 
unbekannten Größen rechnen wiU, wogegen freilich auch nicht viel ein- 
zuwenden wäre. 

Wir haben die Berichte über die attische Tyrannis bis hinauf zu einer 
Quelle von sehr respektablem Alter verfolgen können; aber wie Thuky- 
dides in seiner Darstellung der Pentakontaetie, so hat auch Hekataios, 
was er wußte, fast ausschließlich mündlichen Erzählungen entnommen 
und zwar viel schlechteren, als sie jenem zu Gebote standen. Dies ist 
der Grund, warum die Geschichte Athens im sechsten Jahrhundert für 
uns fast ganz in Anekdoten aufgeht. Sie sind insofern historisch, als sie 
den Eindruck, den bedeutende Persönlichkeiten bei denen, die mit ihnen 
gelebt hatten, hinterließen, anschaulich wiedergeben: aber mit den Einzel- 
heiten muß man es nicht zu genau nehmen. Und ganz fiktiv ist die 
Chronologie, soweit sie nicht, wie bei Solon und Isagoras, durch die 
Archontenliste selbst gegeben war. Denn die attische Chronik, an die 
Wilamowitz noch glauben konnte, hat sich für uns in Rauch aufgelöst. 

Aber auch außer den Regierungsdaten des Peisistratos und seiner 
Söhne sind aus dem sechsten Jahrhundert und dem Anfang des fünften 
noch eine ganze Reihe von Jahreszahlen erhalten, und manche von diesen 
machen durchaus den Eindruck der Urkundlichkeit? Ganz richtig, doch 
eben darum liegt die Vermutung nahe, daß sie Urkunden entlehnt sind, 
nicht jener Chronik, von der kein antiker Autor etwas weiß. Es wird 
sich empfehlen, jene Daten danach zu scheiden, ob Aristoteles sie dem 
Anonynms oder Demetrios entlehnt hat. ilit dem ersteren machen wir 
den Anfang. 

Daß der Anonymus urkundliches Material gern und viel benutzte, 
bedarf keines Beweises; ist doch die Geschichte der Vierhundert fast 
ganz aus derartigen Quellen geschöpft. Für die ältere Zeit sei namenthch 
auf das Verzeichnis derjenigen verwiesen, die vom Staate ihren Unterhalt 
empfingen (24,3); denn offenbar geht es auf öffentliche Rechnungen 
zurück. ^) Untersuchen wir nun die Archontendaten, so muß es auffallen, 
daß nicht viel weniger als die Hälfte sich auf Ostrakismen bezieht. Docli 
sind sie alle in das Jahrzehnt zwischen den Schlachten von Marathon 
und Salamis eingeschlossen: fast kein späterer wird berichtet, selbst der 
des Themistoklcs nicht. Die einzige Ausnahme macht der Ostrakismos 
des Damonides (27, 4). doch bei diesem ist das Jahr nicht genannt. Die 



l) Die f<erjauen Angaben über die Familienverhältnisse des Peisistratos 
(17,3.4; sind wahrscheinlich geschöpft aus der ar///// .-rf^? t//c uov rviHcri'utv 
itdixUii, /y tv xi *Ai>tfViUQ}v axQo:io).tt arnD^eiOfCf fr y ßtaaa^.ov fdr orrJ' 7.-inr«(>/or 
ov6b}q Ttau yhy(}(e:iTtci. 7xii'oi' fJt nnrs. oV airoj fx Mv(ßf)irfi^ r//c Ka/Mov rov 
*Y:it(jf'/itUn' i^vyr^xQo^ ^yivoi^ro. Denn wie sich aus der angeführten Stelle des 
Thukydides (Vi ob) ergibt, zählte diese Urkunde die ganze Verwaudtscliaft des 
Tyrannenhauses, auch weiblicherseits, auf. 

49 



Quellenstudien zu des Aristoteles Verfassunysgeschichte Athens. 301 

Erklärung für diese merkwürdige Tatsache finde ich in der Notiz, mit der 
die datierte Ostrakisme^reihe abschließt (22,8): r^fxtj) 6* stev xaredsl^arto 
navxaq rovg (o(fiQüxi<Jfisvovg agxovtog 'Yxptx^dov iia i^r Scq^ov argandv 
xcd 10 ?,Oindv mgicav rotg datgayct^ofi^ocg hrog Fegaiatov xal 2xvlXaiov 
f.ii] xaroixetv ^ ani^iovg €tvat xaOaTra^, Die Spezialbestimraiing, innerhalb 
welcher Grenzen den Verbannten der Aufenthalt verboten ist, gehörte in 
eine Chronik jedenfalls nicht hinein, wohl aber in den Volksbeschluß, 
durch welchen der Ostrakismos für die Folgezeit geregelt und diejenigen, 
welche schon vorher von ihm betroffen waren, zurückberufen wurden. 
Deren Namen mußten natürlich genannt werden; auch konnte bei jedem 
angegeben sein, ein wie langer Zeitraum von den gesetzlichen zehn Jahren 
ihm geschenkt werde, woraus sich dann das Jahr seiner Verbannung 
leicht berechnen ließ. Nur wenn der Anonymus eine solche Urkunde vor 
sich hatte, läßt es sich verstehen, warum er einzig zwischen 490 und 480 
die Ostrakismen datieren kann, weder früher noch später. 

Wir reden auch von den früheren, obgleich uns ausdrücklich gesagt 
wird, solche hätten nicht stattgefunden. Denn ein so eigentümliches 
Gesetz, wie dasjenige, welches den Ostrakismos einführte, kann Kleisthenes 
nur gegeben haben, weil er selbst es brauchen wollte, nicht weil es 
möglicherw^eise in künftigen Jahrzehnten brauchbar sein konnte. Doch 
das Amnestiedekret, auf dem die Kenntnis des Anonymus beruhte, erstreckte 
sich natürlich nur auf diejenigen Verbannten, deren zehnjährige Frist 
noch nicht abgelaufen war. Ostrakismen, die vor 490 verhängt waren, 
konnten also nicht darin erwähnt sein, und dies hat unseren Geschicht- 
schreiber zu dem Glauben veranlaßt, es habe überhaupt keine gegeben. 

Ahnlich liegt die Überlieferung auch in einem andern Falle. Wila- 
mowitz (S. 125) hat bemerkt, daß wohl die Perikleische Beschränkung des 
Bürgerrechts auf die von beiden Seiten Echtbürtigen erwähnt ist (26, 3), 
aber nicht ihre Erneuerung durch Aristophon. Es kann hinzugefügt 
werden, daß noch von einem dritten Diapsephismos, der nach der Ver- 
treibung der Peisistratiden stattgefunden haben soll, die Rede ist (13, 5), 
aber bei diesem nicht, wie bei dem des Pcrikles, das Archontendatum 
angegeben wird. Eine offizielle Chronik hätte die drei gleichartigen 
Maßregeln auch in der gleichen Weise behandelt: bei der Benutzung von 
Urkunden dagegen hing es vom Zufall ab, ob und in welcher Form sie 
dem Forscher in die Hände fielen. Über den Diapsephismos des Perikles 
hat ihm ein datierter Volksbeschluß vorgelegen, über den des sechsten 
Jahrhunderts ein undatierter, über den des Aristophon gar keiner. Dies 
erklärt den Zustand der Überlieferung jedenfalls besser als die Annahme, 
daß geschichtliche Vollständigkeit nicht beabsichtigt gewesen sei. 

Bei den Demenrichtern war sie jedenfalls beabsichtigt; denn selbst 
im systematischen Teil unterläßt es Aristoteles nicht, darauf hinzuweisen, 
daß ihre Zahl im Jahre 403 von dreißig auf vierzig erhöht worden sei 

50 



302 Otto Seeck, 

(53,1); im historischen dagegen notiert er wohl ihre Einführung durch 
Perikles und dies zwar mit Angabe des Archontats (26,3), aber nicht 
die Veränderung der Zahl. Offenbar beruht auch dies nur auf einer 
jener Zufälligkeiten, von denen die urkundliche Überlieferung ihrer ganzen 
Natur nach abhängig ist. 

Ein weiteres Archontendatum ist folgendes (22, 2) : ^y' 'EQfioxQSovtog 
agxovtoc xg ßovli^ tolq nevtaxoifioig tov oqxov inoCrjaav, ov bu xai vvv 
ofivvovüiv. Hier ist es zweifellos, daß der Volksbeschluß an öffentlichem 
Orte ausgestellt war, schon weil man von ihm alljährlich die Worte 
des Eides ablesen mußte, um sie den Ratsmännem vorzusprechen. Aller- 
dings pflegte man in so früher Zeit die Urkunden noch nicht mit dem 
Archontat zu datieren. Aber warum soll nicht in ihrem Texte gestanden 
haben, daß zunächst der Archon Hermokreon und künftig seine Nachfolger 
für die Eidesleistung Sorge zu tragen hätten? 

Auch die Bestimmungen über den Phoros des Aristeides (23, 5) 
müssen in einer Urkunde verzeichnet gewesen sein; doch bei dieser ist 
es allerdings sehr unwahrscheinlich, daß sie den Archontennamen nannte. 
Aber was lag näher, als die drei großen Epochenereignisse des zweiten 
Perserkfieges, die Schlacht bei Salamis, die Schlacht bei Plataiai und die 
Gründung des Seebundes nach drei aufeinander folgenden Jahren zu 
datieren? Und nach der Erzählung des Thukydides (I 94 ff.) kann diese 
Zeitbestimmung nicht richtig sein. Im Frühling 478 lief Pausanias mit 
der Flotte aus und unterwarf den größten Teil von Kypros, was jedenfalls 
den ganzen Sommer in Anspruch genommen hat. Da man in der 
stürmischen Jahreszeit die Rückfahrt nicht wagen konnte, wird er auf der 
Insel überwintert und die Belagerung von Byzanz nicht vor dem Frühling 
477 begonnen haben. Hier kam die Unzufriedenheit der Jonier zum Aus- 
brach; Pausanias wurde abberafen und Dorkis an seiner Stelle an den 
Bosporos gesandt. Erst nachdem auch dieser keinen Gehorsam fand, 
begannen die Verhandlungen über die Gründung des Seebundes, und ehe 
sie zum Abschluß kamen, werden wieder Monate vergangen sein. Das 
Archontenjahr des Timosthenes lief im Sommer 477 ab, als die Belagerang 
von Byzanz wahrscheinlich kaum begonnen hatte; wie kann also die 
Schätzung des Aristeides und der Eid der Bundesgenossen noch in dieses 
Jahr gefallen sein? Wir haben also hier ein falsches Datum vor uns, 
das wahrscheinlich dem Hellanikos entnommen ist. 

Entsprechendes gilt wohl auch von den Archontaten, die uns für den 
Beginn des Athenischen Flottenbaues (22, 7) und den Sturz des Areopags 
(25, 2) überliefert sind. Beide Erzählungen handeln von der Schlauheit 
des Themistokles, was auf die gleiche Quelle hinzuweisen scheint. Daß 
die zweite chronologische Unmöglichkeiten enthält, hat schon Wilamowitz 
(S. 141) nachgewiesen: er hält danach die Mitwirkung des Themistokles 
bei der Maßregel des Ephialtes für Erfindung; ebensogut aber kann 

51 



Quellenstudien zu des Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens. 303 

es die Jahreszahl sein. Denn wie mir scheint, würde die Entthronung 
des Areopag, die alle konservativen Politiker auf tiefste erbittern mußte, 
die verstandlichste Erklärung dafür bieten, warum sich das Volk zur 
Ostrakisierung des Mannes entschloß, dem es den Sieg bei Salamis und 
den Mauerbau verdankte. Das andere Datum aber kann auf einer sehr 
naheliegenden Kombination beruhen: wenn die Flotte im Perserkriege 
ihre Dienste tun sollte, war es zwei Jahre vorher allerdings die höchste 
Zeit, mit ihrem Bau anzufangen. Und daß ein irei tgitu^ schon an sich 
eine nicht unbedenkliche Zeitbestimmung ist, haben wir oben (S. 296) 
bereits dargelegt. 

Damit sind die Archontendaten des Anonymus erschöpft: denn für 
die Jahre der Schlachten bei Marathon und Salamis (22, 3. 8) braucht 
man nicht nach der Quelle zu fragen. Jene sind richtig, soweit sie aus 
Urkunden geschöpft sein können, falsch oder zweifelhaft, wo diese An- 
nahme ausgeschlossen ist. Von einer offiziellen Chronik, in der alle 
Daten gleich gut beglaubigt sein müßten, kann also nicht die Rede sein. 
Zugleich aber sehen wir, wie kritisch und besonnen Thukydides verfahren 
ist, als er die Priesterinnenjahre des Hellanikos durch seine unbestimmten 
Zeitangaben ersetzte. Den Nachweis, daß dieser ins Blaue hinein datierte, 
hat er unterlassen, wahrscheinlich weil er den achtbaren Mann, der zu 
seiner Zeit noch am Leben war, nicht persönlich verletzen wollte; aber 
er hat gezeigt, wie man es besser mache. Doch seine schonende Be- 
merkung, Hellanikos sei nicht ganz genau, genügte nicht, um dessen 
Autorität zu untergraben ; denn wahrscheinlich geht nicht nur der Anonymus 
auf sie zurück, sondern auch die ganze Reihe der Atthidenschreiber und 
am letzten Ende noch Diodor und Eusebios. 

Wenden wir uns nun den Daten des Demetrios von Phaleron zu, so 
wird die Angabe, Drakon habe eid 'AQiaraixfwv aQxovtog seine Gesetze 
gegeben (4, 1), wahrscheinlich aus diesen selbst geschöpft sein. Wir 
wissen durch Plutarch (19), daß Selon sein Amnestiegesetz auf dem drei- 
zehnten Axon in folgender Weise einleitete: attjutov oaoi atißoi iJcTcti», 
nqlv i] 26l(ava ff^Jat, emrifAovg eivat. Ebenso kann auch Drakon irgend 
einen Termin nach dem Archontat des Aristaichmos bestimmt haben, und 
dies genügte für die Datierung. 

Alle anderen Daten des Demetrios gehen allerdings auf eine Quelle 
zurück, die der attischen Chronik, wie Wilamowitz sie sich vorstellt, nicht 
ganz unähnlich war. Denn 22,5 ist wahrscheinlich, 13,1.2 sicher aus 
einer Archontenliste geschöpft, die nicht nur den Namen des jedesmaligen 
Eponymen, sondern auch die seiner Kollegen enthielt und ihnen außerdem 
Notizen hinzufügte, die sich auf die Personen bezogen oder die Amtsdauer 
bestimmten, falls diese eine außergewöhnliche war. So wird uns hier 
gesagt, daß das Archontat des Damasias zwei Jahre und zwei Monate 
währte und ein gewaltsames Ende nahm, daß seiner Nachfolger nicht, 

b'2 



304 Otto Seedc, 

wie gewöhnlich, neun, sondern zehn waren, fünf Eupatriden, drei Geomoren 
und zwei Demiurgen, daß unter Telesinos zum ersten Male die Archonten 
erlost wurden. Ganz ähnliche Notizen finden sich auch in den Capitoli- 
nischen Fasten, obgleich sie keine Chronik, sondern nur ein Beamten- 
verzeichnis sind. Da die Gesetze Drakons vollständige Magistratslisten 
nötig machten (S. 293), mögen sie seit seiner Zeit in dieser Weise geführt 
und dann von Demetrios in den Archiven aufgestöbert sein. 

Bei Damasias halten wir die Amtsdauer für gut beglaubigt; aber ist 
sie es ebenso bei jenen uralten Archonten, von denen die ersten dreizehn 
lebenslänglich, die folgenden fünfzehn je zehn Jahre regiert haben sollen? 
Ich glaube, man braucht diese Frage nur zu stellen, damit jeder, der in 
historischer Kritik nicht ganz unbewandert ist, sie ohne weiteres verneine. 
Gewiß wird ihre Amtsdauer bei Hellanikos ganz genau nach Priesterinnenjahren 
fixiert gewesen sein; aber das ist keine Quelle, und eine bessere kann es 
kaum gegeben haben. Und was bedeutet es, daß das Königtum mit dem 
Tode des Kodros abgeschafft wird, um ein Archontat an seine Stelle zu 
setzen, das lebenslänglich und in seiner Familie erblich ist? Wodurch 
unterscheidet sich denn dies von dem Königtum? Durch den Namen 
sicher nicht; denn einen ßaaikevg hat es immer gegeben, weil gewisse 
sakrale Funktionen an das Königtum geknüpft waren und von keinem 
verwaltet werden konnten, der nicht den Königstitel führte. Also vielleicht 
durch die Kollegialität? Aber diese soll ja nach Aristoteles (3, 2) schon 
lange vor Kodros begonnen haben, als der Polemarch Ion dem Basileus 
an die Seite gestellt wurde. Was bleibt also übrig? Und mit Recht 
erscheint es J. ToepfFer^) sehr zweifelhaft, „daß die ganze Reihe der 
lebenslänglichen und zehnjährigen Archonten von Medon bis auf Hippo- 
menes aus Angehörigen des Medontidengeschlechts bestanden habe: die 
bereit« unter der ersten Rubrik vorkommenden Namen des Megakles, 
Alkmeon, Ariphron, Agamestor erinnern wenigstens an bekannte Mitglieder 
ganz anderer Athenischer Adelsgeschlechter". Aber gerade dieser Wider- 
spruch führt zu dem Schlüsse, daß die Namen an sich echt sind und 
nur ihre Anknüpfung an das alte Königsgeschlecht und die Zeitdauer der 
Archen täte spätere Fabelei. Wie ich sie mir entstanden denke, habe ich 
schon an anderer Stelle dargelegt. 2) Da man aber, wie es scheint, der 
Meinung war, daß in populären Schriften nichts wissenschaftlich Brauch- 
bares stehen könne, ist dies bisher unbeachtet geblieben. So sei es denn 
an dieser Stelle wiederholt. 

„Die Athener hatten das Bestreben, aus ihrer ältesten Geschichte 
alle Spuren von Revolution und Gewaltsamkeit möglichst auszulöschen. 
Wie sie die Vereinigung der Landschaft Attika, den sogenannten Synoi- 

1) Attische Genealogie S. 241. 

2) Die Entwicklung der antiken Geschichtschreihung und andere jxypuläre Schriften. 
Berlin 1898 S.oo. 

b'd 



Quellenstudien zu des Aristoteles Verfassungsgeschiclite Athens. 305 

kismos, der gewiß nur durch Blut und Eisen zustande gekommen ist, als 
das Werk freundlicher Überredung durch ihren Helden Theseus darstellten, 
so sollte auch die Abschaffung des Königtums bei ihnen ganz friedHch 
und gemütlich vor sich gegangen sein. Angeblich waren die Dorer nach 
der Eroberung des Peloponnes auch gegen Athen herangezogen, und Kodros 
hatte, um das Land vor ihnen zu retten, freiwillig sein Leben geopfert. 
Da hatten die Athener gemeint, daß sie einen so guten König doch nicht 
wiederkriegten, und waren aus reiner Dankbarkeit und Verehrung für 
ihren verstorbenen Herrscher zur republikanischen Staatsform über- 
gegangen." Damit kann ursprünglich nichts anderes gemeint sein, als 
daß man an die Stelle des Königtums sogleich das einjährige Archontat 
setzte. Aber wer an jenes törichte Geschichtchen glaubte, mußte dadurch 
zu dem Schlüsse gelangen, daß der Tod des Kodros sich unmittelbar an 
die dorische Wanderung angeschlossen habe. Sobald man daher begann, 
mit Synchronismen zu rechnen, nahm man wahr, daß die attische 
Archontenliste viel zu kurz war, um ihren Anfang mit dem Teil der 
spartanischen Königsliste zeitlich gleichzusetzen, auf welchen das Kodros- 
märchen hinwies. Man verlängerte sie also, indem man den ersten 
28 Archonten so viel Jahre zuschrieb, wie für den Synchronismus erforderlich 
waren. Denn da das echte Verzeichnis weiter nichts bot, als die nackten 
Namen, stand auch nichts der Hypothese entgegen, daß die Anitsdauer 
anfangs noch nicht auf ein Jahr beschränkt gewesen sei. Ob schon 
Charon sie gemacht hat, ob erst Hellanikos, können wir nicht entscheiden; 
auf einen von beiden aber wird man raten müssen. 

Zur Bestätigung sei noch auf eine höchst bedeutsame Tatsache hin- 
gewiesen. Noch in später Zeit leisteten die neun Archonten alljährlich 
den Eid, ij nrjv tu btu ^Axactov oqxia noirjaeiv (3, 3). Damit ist doch 
ausgesprochen, daß mit Akastos das Archontat in der Hauptsache seine 
definitive Gestalt gewonnen hatte, zu der die einjährige Amtsdauer als 
Allerwesentlichstes gehörte. Jener war der unmittelbare Nachfolger des 
Medon, mit dem die Liste der angeblich lebenslänglichen Archonten 
beginnt. Nun liegt es in der Natur der Dinge, daß das erste Archontat, 
welches dem Sturze des Königtums folgte, noch eine revolutionäre Über- 
gangszeit darstellte und die Regelung des neuen Verfassungszustandes 
erst unter dem zweiten zum Abschluß kam. So werden auch in Rom 
die Gesetze, welche die Republik konstituierten, nicht auf Brutus und 
Collatinus, sondern auf ihren Nachfolger Publicola zurückgeführt. 

Sind die Namen der Archontenliste echt, wie ich dies glaube, und 
nur die Jahreszahlen gefälscht, so kommen wir mit der Abschaffung des 
Königtums nicht, wie die traditionelle Chronologie sie ansetzt, auf das 
Jahr 1068 v. Chr., sondern schon auf 711 oder etwas früher. Denn bei 
dem revolutionären Amte Medons wäre es allerdings nicht [^unwahr- 
scheinlich, daß seine Zeitdauer sich noch nicht in den Grenzen eines 

54 



306 Otto Seeck, 

Jahres hielt. Und jenes späte Datum paßt vortrefflich zu der Ent- 
wicklung des Athenischen Staates, wie wir sie kennen. Denn bekanntlich 
mußte das Königtum in dem stolzen Erbadel immer seinen Feind sehen 
und stützte sich gegen ihn auf die unterdrückten Volksklassen. Je länger 
es sich also erhielt, desto mehr mußten diese sich heben, desto größere 
Stärke gewinnen, um auch nach dem Sturze ihres hohen Schützers 
den Befreiungskampf fortzusetzen. Wenn in Athen die Demokratie sich 
früher durchzusetzen vermochte, als in irgend einem anderen Staate 
Griechenlands, so ist dies, wie mir scheint, ein Zeichen dafür, daß ihr 
ein längerer Zeitraum vergönnt gewesen war, um, durch die starke Hand 
eines Königs geschützt und gefördert, sich zu größerer Macht und damit 
auch zu größeren Ansprüchen zu entwickeln. 

V. 
Die Gesetze Drakons. 

Was uns Aristoteles (4) von der Gesetzgebung Drakons erhalten hat, 
zeigt in mehreren Einzelpunkten solche Übereinstimmungen mit dem 
Verfassungsentwurf vom Jahre 411, daß ein Abhängigkeitsverhältnis irgend 
welcher Art notwendig vorhanden sein muß. ^) Wilamowitz, Busolt und 
Keil haben es dahin erklärt, daß die Vierhundert den Drakon nach- 
geahmt hätten, Cauer^), Headlam^), Reinach*) imd Eduard Meyer ^), daß 
sie seine Verfassung gefälscht hätten, um damit ihre eigene an die ndtQiog 
nohrBia anknüpfen zu können. Eins von beiden muß zweifellos richtig 
sein. Um diese Alternative zu entscheiden, die für die älteste Geschichte 
Athens von grundlegender Bedeutung ist, wollen wir auf streng methodischem 
Wege vorgehen. Demnach prüfen wir zuerst die äußere Beglaubigung 
des Aktenstücks, dann seine innere Wahrscheinlichkeit. 

Wie die Übereinstimmung des Aristoteles mit Plutarch beweist, 
wußte der Anonymus von 392 nichts weiter von Drakon, als daß Selon 
seine Gesetze mit Ausnahme derjenigen über das Blutrecht aufgehoben 
habe. ^) Dies muß auf den Axones selbst gestanden haben, wahrscheinlich 
gleich in ihrem ersten Paragraphen. Es war ein Grundsatz des attischen 
Staatsrechts, daß ein Gesetzgeber sich nur dann vor der y^ayr} naqctvopLimf 
schützen könne, wenn er alle Bestimmungen früherer Gesetze, die dem 
seinigen entgegenstanden, in diesem mit ausdrücklichen Worten aufliob. 

1) G. Busolt, Die Gesetzgebung Drakons. Fhilohgus L S. 393. 

2) Hat Aristoteles die Schrift vom Staate der Athener geschrieben? Stuttgart 
1891 S.70. 

3) Classical Revieiv, April 1891 S. 166. 

4) Revm des etudes grecques IV S. 143. 

5) Forschungen zur alten Geschidite I S. 236. 

6) Flut. SoL 17: tiqwxov fjihv odv rovg J^äxorroq vhfiovq avtü.e nkt^v tcöv tpovixiör 
ccTtavtag. Arlst. pol. Ath. 7, 1: tolg St J^axorrog Oeafxotg ^nctvoavxo xQojfASvoi 
TfA/yv rwy tpovixwv. 

55 



Quellenstudien zu des Aristoteles Verfassungsge^thichte Athens. 307 

Wahrscheinlich hat schon Solon dies eingeführt, um seine Gesetze vor 
leichtsinnigen Neuerungen zu schützen, und dem Drakon gegenüber gab 
er selbst das klassische Beispiel. Dessen Blntrecht, das in Kraft geblieben 
war, hat man noch im Jahre 409 auf eine Steintafel übertragen, deren 
Fragmente erhalten sind (CIA. I 61). Im übrigen scheinen seine Gesetze 
bis auf Demetrios von Phaleron so gut wie unbekannt gewesen zu sein. 
Sonst hätte Aristoteles, als er die Politik schrieb, nicht ausdrücklich 
leugnen können, daß sie auf die Verfassung Athens irgend welchen Einfluß 
geübt hätten (S. 272). 

Der Anonymus von 392 war nicht eigentlich Oligarch, aber er 
bewunderte den Theramenes und die anderen Häupter der Vierhundert 
(32, 2. 34, 3. 28, 5) und hatte oligarchische Schriftengelesen (S. 285). Bei ihm 
müßte man also am ehesten eine Erwähnung der drakontischen Verfassung 
zu finden erwarten, wenn jene sich auf sie berufen hätten. Delin die 
Annahme, daß er scharfsichtig genug gewesen sei, um eine Fälschung 
zu durchschauen, die einen Demetrios und selbst einen Wilamowitz 
täuschen konnte, ist doch kaum wahrscheinlich. Eher könnte man dies 
dem Thukydides zutrauen; aber wenn er wußte, daß die Vierhundert mit 
Fälschungen operierten, warum verschwieg er dies, da er doch keineswegs 
zu ihren Gunsten parteiisch war? Jedenfalls besitzen wir zwei gute 
zeitgenössische Berichte über die Oligarchie der Vierhundert, aber keiner 
der beiden deutet auch nur mit einem Worte an, daß eine drakontische 
Verfassung, ob echt oder erfunden, dabei irgend eine Rolle gespielt habe. 

Aber widerspricht dies nicht auch der Annahme von Busolt, Keil und 
Wilamowitz? Wie mir scheint, doch nicht ganz. Fälschte man eine 
Urkunde, um mit ihr tendenziös zu wirken, so konnte man seinen Zweck 
nur erreichen, wenn man ihr die breiteste Öffentlichkeit gab; ahmte man 
dagegen den wirklichen Drakon nach, so hatte man vielleicht Gründe, 
dies zu verheimlichen. In der Volksversammlung, welche die Herrschaft 
der Vierhundert einleitete, wurde unter andern auch der Beschluß gefaßt, 
die Gesetze des Kleisthenes aus ihrer Vergessenheit hervorzusuchen, 
damit die Kommission, welche die neue Verfassung ausarbeiten sollte, 
von ihnen Kenntnis nehme und so besser informiert ihre Arbeit leiste 
(29, 3). Als man nach jenen verschollenen Urkunden die dunkelsten 
Winkel der Archive durchstöberte, kann man leicht auch auf die drakon- 
tischen Gesetze gestoßen sein und sie so trefflich gefunden haben, daß 
die Kommission sie statt der kleistheneischen für ihren Entwurf zum 
Muster nahm. Aber die Axones Solons waren die anerkannte Grundlage 
der naxQvog nohreta^ und sie begannen gleich mit einer Verwerfung des 
Drakon. Hätte man öffentlich zugegeben, daß man diesen in seine Rechte 
wieder einsetzen wolle, so wäre dies als unzweideutige Kriegserklärung 
gegen den Gründer der Demokratie und sein Werk aufgefaßt worden, 
und doch wünschte man jede Aufreizung des Volkes zu vermeiden. Es 

56 



308 Otto Seeck, 

ist also durchaus nicht unwahrscheinlich , daß die Kommission den 
Beschluß faßte, ihre Benutzung der drakontischen Gesetze streng geheim 
zu halten, und dies würde es genügend erklären, warum weder Thukvdides 
noch der Anonymus davon wußten. Seitdem hat man zwar in Athen 
etwas mehr von Drakon erfahren, als nur, was das Blutrecht betraft); 
aber gerade seine Verfassungsgesetze blieben nach wie vor in tiefstes 
Dunkel gehüllt. 

Es zu lüften, war erst Demetrios von Phaleron vorbehalten: es ist 
Ja wohlbekannt, mit welchem Eifer er und seine Zeitgenossen in den 
Archiven nach historischem Material gesucht haben: ich erinnere nur an 
die tprjqiiafidtayv avvaywy^ des Krateros. Doch auch jener kannte nicht die 
ganze Gesetzgebung des Drakon, sondern nur ein ärmliches Fragment 
davon, wahrscheinlich eine vereinzelte Tafel, die er aus irgend einem 
Versteck hervorgezogen hatte. Denn was Aristoteles uns bietet, ist ja 
nicht eine Verfassung, sondern nur eine kleine Zahl von Verfassungs- 
bestimmungen, teils Einzelgesetze, teils wahrscheinlich auch Schlüsse, die 
aus dem Texte der Gesetze gezogen sind. Eine ganze Anzahl von Gegen- 
ständen, die in einer vollständigen Verfassung nicht fehlen konnten, sind 
mit keinem Worte berührt, z. B. Pflichten und Rechte der Beamten, die 
Art ihrer Bestellung, der Eid, den sie zu leisten hatten, die Organisation 
der Gerichte u. dgl. m. Aber gerade diese fragmentarische Überlieferung 
scheint mir das sicherste Zeichen der Echtheit zu sein. Denn wer eine 
Verfassung fälschte, hätte sie in alle Einzelheiten ausgesponnen: wer da- 
gegen auf ein kleines Stück einer ausgedehnten Gesetzgebung angewiesen 
war, konnte nicht mehr bringen, als es ihm darbot. 

Und wie sollte man dazu gekommen sein, eine erfundene Ideal- 
verfassung gerade dem Drakon unterzuschieben, dessen Gesetze immer im 
schlechtesten Rufe standen? Aristoteles fand, als er die Politik schrieb, 
nichts an ihnen bemerkenswert außer ihrer Härte (S. 272 Anm. 3): 
Demades nannte sie unter allgemeinem Beifall nicht mit Tinte, sondern 
mit Blut geschrieben'-^): ja es bildete sich sogar eine sprichwörtliche 



1) L. Ziehen, Die drakwituche Gesetzgebung. RJtein. Museum LIV S. 331. Wenn 
sich Busolt und Ziehen (S. 335) den Kopf darüber zerbrechen, wie die gesetz- 
geberische Tätigkeit Drakons sich zu der vorhergehenden der Thesmotheten ver- 
halten habe, so ist dies ein recht überflüssiges Bemühen. Denn die Behauptung 
des Aristoteles (3,4) oder richtiger des Demetrios, die Thesmotheten seien eingesetzt 
worden, oitotg avccy^\imvte>; r« d^tofiKc tpv),aTXO}at nifiK; rtji' rwv afnpioßfizovvxwv 
x()ioiVy kann nicht echte Überlieferung sein, weil es für eine so frühe Zeit eine 
solche noch gar nicht gab. Jener angebliche Zweck des Amtes ist nur aus 
dem Worte (^eafjio^9hat geschlossen, also quellenkritisch nicht als beglaubigt zu 
betrachten. 

2) Plut. Sol. 17: Aiü Jri^mSriq varegov BvAoxlfitiOhv fiTnov, ori tW ai^uixoc, ov 
fha fxtXavoqj TOVi; ro/^or^ o Jonxiüv hy(>aii'€r. 

57 



Qtiellenstudiefi zu des Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens, 309 

Redensart: /^5to7etc unoXoivxo ol KXsia(>ei'sic xal ol jQcexovrec.^) Wenn 
hier neben Drakon auch Kleisthenes als Prototyp des schlechten Gesetz- 
gebers erscheint, so ist dies jedenfalls der oligarchischen Richtung zu 
danken, welche die Philosophie und mit ihr die öffentliche Meinung der 
Gebildeten seit Sokrates eingeschlagen hatte. Er war eben der eigentliche 
Begründer der Demokratie, die man als die Wurzel alles Übels betrachtete. 
Jener Fluchspruch hat sich also sicher erst im \ierten Jahrhundert gebildet, 
und derselben Zeit gehören auch die andern Zeugnisse an, durch die 
wir über die Verurteilung des Drakon unterrichtet sind. Aber auch im 
fünften wußte man, daß der hochgepriesene Solon seine Gesetze in Bausch 
und Bogen aufgehoben hatte, und dies genügte, um sie für schlecht zu 
halten. Was man auf seinen Namen fälschte, hätte also nur als ab- 
schreckendes Beispiel, nicht als lockendes Vorbild dienen können. 

Fassen wir kurz zusammen: die drakontische Verfassung ist den 
Quellen der Zeit noch unbekannt, in der eine Fälschung dieser Art allein 
Sinn gehabt hätte. Sie wird beglaubigt durch einen Mann, den wir als 
fleißigen Urkundenforscher kennen, und auch ihre fragmentarische Gestalt 
weist auf eine verstümmelte Urkunde hin. Zudem wäre es keinem ein- 
gefallen, eine Musterverfassung auf einen Namen zu fälschen, der sie 
notwendig diskreditieren mußte. Mithin ist die äußere Beglaubigung so 
vortrefflich, wie wir dies irgend wünschen können. 

Wenden wir uns nun der inneren Wahrscheinlichkeit zu, so hat schon 
Wilamowitz (I S. 76. 11 S. 124) darüber das Entscheidende gesagt: „Der 
Entwurf der Vierhundert schließt sich an die Verfassung Drakons an, 
aber nur so weit, daß er für uns deren Echtheit beweist, die wir bezweifeln 
würden, wenn der Anschluß enger wäre." Aber da seine Beweise von 
vielen nicht gewürdigt werden, scheint es doch nicht überflüssig, sie teils 
in etwas anderer Wendung zu wiederholen, teils ihnen neue Stützen 
hinzuzufügen. Wir gehen dabei von den „Forschungen" Eduard Meyers 
aus, der die Gründe, welche gegen die Echtheit zu sprechen scheinen, 
klar und übersichtlich zusammengestellt hat. Nur gestatten wir uns. sie 
in anderer Reihenfolge zu besprechen. 

„Aristoteles Erzählung", sagt Meyer, „ist denn auch von seinen 
Nachfolgern sofort als unhaltbar erkannt worden. Die eigene Schule hat 
sie fallen lassen. — Die Späteren wissen von der drakontischen Ver- 
fassung nichts mehr." — Wir haben schon oben (S. 280) gezeigt, daß 
diese Späteren die Politeia wahrscheinlich ohne die Einschiebsel gelesen 
haben, zu denen die drakontische Verfassung gehört. Doch das kommt 



1) Alkiphron frg. 2 bei Hercher, EpistolograpJii Graeci p. 94. Daß dies zum 
Sprichwort geworden war, ergibt sich daraus, wie der pseudoplatonische Axiochos 
(p. 365) darauf anspielt: wc oJv ^ni rijg jQctxovto^ ?/ K/.eioH^tvovg nolirsiag ovdtv 
negl ah xaxov ijv' ^^'/Jiv ya(j ovx fjg ne^i 6v av t)v. 



58 



310 Otto Seeck, 

hier nicht in Betracht; denn sie konnten sie, wenn nicht aus Aristoteles, 
so doch aus Demetrios von Phaleron kennen, dessen Autorität freilich für 
eine viel geringere galt. Aber warum ist sie von ihnen „sofort als 
unhaltbar erkannt worden"? Doch nur, weil sie der fable convenue 
über Solon widersprach, die man für unumstößliche Wahrheit hielt. Dies 
aber ist eher ein Beweis für die Echtheit, als dagegen; denn jeder 
Fälscher fälscht im Sinne der fahle convenue, weil er sehr wohl weiß, 
daß er anders keinen Glauben findet, und weil er zugleich selbst unter 
ihrem Banne steht. 

„Völlig durchschlagend ist die Tatsache, daß die Strategen (und 
Hipparchen) als die ersten Beamten erscheinen, für die zehnmal mehr 
Vermögen verlangt wird als für die Archonten. Dieser Zustand besteht 
in Athen seit den Reformen von 487 und 457, durch die das Archontat 
alle politische Bedeutung verloren hat, ist aber undenkbar im siebenten 
Jahrhundert, wo der Archen noch im Vollbesitz der königlichen Macht- 
befugnisse war und die Strategen, wenn sie überhaupt schon existierten, 
Untergebene des Oberkommandanten, des Polemarchen, waren." — Dies 
beruht auf dem Irrtum, daß der höhere Zensus notwendig auch das 
höhere Amt bezeichne. Aber auch heute wird für den unbesoldeten Stadtrat 
„mehr Vermögen verlangt" als für den besoldeten Bürgermeister, und 
doch ist diesier Vorgesetzter, jener Untergebener. Der Zensus richtet sich 
eben nicht nach der Würde des Amtes, sondern danach, was zu seiner 
Bekleidung erforderlich ist. Für den Archonten genügen 1000 Drachmen 
schuldenfreies Vermögen, d. h. das doppelte Jahreseinkommen des Penta- 
kosiomedimnen. Damit kann er sich ein Jahr ernähren, ohne seine 
Amtspflichten über dem Betrieb eines Gewerbes zu vernachlässigen, und 
behält noch ein hübsches Sümmchen übrig, so daß seine staatsbürger- 
liche Leistung ihn nicht in völlige Armut stürzt. Dagegen müssen 
Strategen und Hipparchen Pferde halten, was damals nur Sache der 
Reichsten war, bedürfen also wirklich des zehnfachen Vermögens. Doch 
wem diese Erklärung nicht genügt, der mag bei dem Archontat die 
Ziffer ändern, wie dies ja auch schon vorgeschlagen ist. Jedenfalls darf 
man auf einen Fehler hin — wenn es einer ist — , der sich durch leichte 
Konjektur beseitigen läßt, nicht die ganze Urkunde für unecht erklären. 
Und daß die Archonten tatsächlich für die höchsten Beamten gelten, die 
Strategen für ihre Untergebenen, ergibt sich aus der Reihenfolge der 
Aufzählung: fjQOvvto de rovg fiev tvv§a agxovtag xol rovg rafiCag ovüiav 
xsxtrifihovg ovx iXatra) dexa fxvwv ^Afv^^joav, rag d' alXag agxag rag 
iXdttovg ix Tcov o7T?,a naQexofiBvcov, (frQarriyovg di xal iTiTidQXOvg ovüiav 
unofpaivovtag oi»x eXatrov rj ixarov fuvmv iksvi^iqav xal naliag ix ya^erijg 
yvvaixog yvriaiovg vmq dexa bttj ye^ovoiag. Hier werden zuerst die Ober- 
ämter genannt, dann die Unterämter in genere\ endlich werden aus der 
Reihe der letzteren noch zwei hervorgehoben, für die besondere Be- 

59 



Quellenstudien zu des Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens. 311 

Stimmungen der Wählbarkeit gelten. Anders kann man, wie mir scheint, 
diese Stelle gar nicht interpretieren. 

In diesem Zusammenhange müssen wir noch bei den onla naQexofiei'ov 
etwas verweilen, weil auch sie, zwar nicht von Meyer, wohl aber von 
anderen als Beweis der Fälschung angesehen werden. Ob der Ausdruck 
als solcher schon dem siebenten Jahrhundert angehört, lassen wir dahin- 
gestellt; doch darauf kommt es nicht an, da wir ja nicht den Wortlaut 
der drakontischen Gesetze, sondern nur eine spätere Umschreibung 
desselben vor uns haben. Das Wesentliche ist jedenfalls, daß die Theten 
von allen politischen Rechten ausgeschlossen waren ^) ; dies aber läßt sich 
aus einer Quelle, die keinen Zweifel duldet, als der Zustand erweisen, 
der vor Selon herrschte. In der Elegie, welche das Elend der dv(rvofxia 
schildert (frg. 4, 32) , d. h. derjenigen Verhältnisse, welche vor seiner 
Gesetzgebung bestanden, werden zuerst die Sünden der Reichen und 
der politisch tätigen Männer aufgezählt. Dann heißt es weiter: 
tavta fiiv iv drjfxtp atQ€g)trai xaxd' rdov de nevvxQoiv 
txvovvrai yrokXol yaiav ig aXXoSanijv, 
Hier sind mit deutlichen Worten die Armen vom Demos geschieden; 
dieser umfaßte also nur Leute, die irgend welchen Besitz aufzuweisen 
hatten, was den onla naQexofievoi entsprechen würde. 

Doch lassen wir Meyer weiterreden. Ein bedenkliches Zeichen sind 
ihm auch „die Geldsätze in Minen und Drachmen für das Vermögen und 
die Strafen, während noch die Solonische Ordnung das Vermögen nach 
dem Ertrage schätzt und Selon vielleicht noch Strafen in Vieh angesetzt 
hat (Plut. Sol. 23)". Das letztere beruht auf mehr als zweifelhafter Inter- 
pretation, aber daß Drakon Strafen in Rindern auferlegt hat, steht aller- 
dings außer Zweifel. 2) Doch wie wenig dies bedeutet, ergibt sich aus 
der Tatsache, daß in Rom noch Varro das Gleiche tat. 3) In traditionellen 
Strafsätzen erhielten sich eben uralte Formeln, auch nachdem sie seit 
Jahrhunderten jeden Sinn verloren hatten. Wenn die Buße von zwanzig 
Rindern, die Drakon bestimmte, vollends gar eine sakrale war, so verbot 
schon die Scheu vor der geheiligten Überlieferung, irgend etwas an ihrem 
Wortlaut zu ändern, mochte es auch längst üblich sein, die Rinder nach 
einem festen Satze in Geld umzurechnen. Daß es attische Münzen schon 
im siebenten Jahrhundert gab, haben wir oben bewiesen. Denn mag 
man auch dabei bleiben, daß erst Selon das Tetradrachmon eingeführt 



1) 4, 2 aneS^öoTO fihv ^ noXixda tolg onXa naQExofihoiq. 

2) Poll. 9, 61 : xal piriv xav xoXq Jgaxovtog vofAoig tativ anoxivEiv Eixooäßoiov. 

3) Gell. XI 1, 4: quando igiiur nunc quoque a magisiratilma populi Bomani more 
inawrum multa dicitur vel minima vel sttprema, ohservari solet^ ut „oves"' gener e virili 
appellentur; atque ita M. Varro verba liaec legitima, quihus minima multa diceretury 
concepit : „3f . TerentiOf quando citaius neque respondit neque excusatus est, ego ei unum 
ovcni multam dico." ac nisi eo getiere diceretur, negaverunt iustam videri multam. 

60 



312 Otto SeecK 

habe. 80 ii]D.s.seD doch die Wappenmünzen mit der Enle mindestens bis auf 
Drakon zurückgehen. Und gesetzt dies wäre falsch, so hätte er trotzdem 
schon nach Minen nnd Drachmen rechnen können. Das älteste römische 
Geld ist. wie sein Knnststil beweist, erst lange nach den zwölf Tafeln 
geschlafen, trotzdem reden diese wiederholt von dem As und seinen 
Teilen. Denn ehe man Münzen prägte, hat man Gewichte reinen 
Metalls als Wertmesser benutzt.^) 

Anch dafi die solonischen Klassen in der drakontischen Verfassung 
schon vorkommen, ist für Meyer ein Beweis ihrer Unechtheit. Für mich 
wäre dies der stärkste Grund, sie für echt zu halten, denn nichts wider- 
spricht mehr der fable conventie. Doch ehe wir weitergehen, werden 
wir untersuchen müssen, wie diese entstanden ist. 

Bekanntlich hat keine Frage die antike Wissenschaft lebhafter 
beschäftigt, als quae cutusque inventa gint. Die Resultate dieses Forschens 
nach jeder Art der eigrfiixja hat Plinius (h. n. VII 1 91 ff.^ übersichtlich 
zusammengestellt und zeigt uns damit unverkennbar, nach welcher 
Methode man regelmäßig verfuhr. Wirkliche Nachrichten über die EIrfinder 
gab es natürlich in den seltensten Fällen: man knüpfte daher an den- 
jenigen, in dessen Geschichte das betreffende Ding zuerst erwähnt wurde, 
die Erfindung desselben an. So hatte Bellerophon das Reiten erfunden, 
weil vor seiner Besteigung des Pegasos kein Ritt in der Literatur vorkam. 
Danaos die Schiffahrt, weil er der erste überseeische Einwanderer 
war. von dem die griechische Urgeschichte zu erzählen wußte. Auch die 
Gesetzgeber hatten die Bedeutung von Erfindern, insofern sie nach antiker 
Anschauung Recht und Sitte der Staaten erst geschaffen hatten, und auch 
demjenigen, was auf sie zurückging, forschte man genau in der gleichen 
Weise nach. So behaupteten die Römer, die Decemvim hätten es ein- 
geführt, daß zwischen Patriziern und Plebejern kein Connbinm bestehe'-), 
offenbar aus keinem andern Grunde, als weil die Zwölf Tafeln das älteste 
Denkmal waren, das über den Mangel des Conubiums Kunde gab. Man 
kann also zu dem Satze, daß Selon die Klassenteilung erfunden habe, 
auf zwei Wegen gekommen sein: entweder man las auf den Axones das 

I; Seeck, Die Entstehung des Geldes. Die Entwicklung der antiken Geschieht- 
Schreibung und andere populäre Schriften. S. 158. Ägypten, wo man bis auf die 
Ptoleraäerzeit keine Münzen K<*«clilagen hat, bietet uns in den älteren Schatzfunden 
ein (leatliches Bild dieses wirtschaftlichen Zustandes. Sie enthalten in buntem 
Durcheinander Barren, rohe Silberkluropen, fremde Münzen jedes Gepräges und 
jedes Gewichts, die oft auch halbiert oder in noch kleinere Stücke zerhauen sind. 
H. Dressel, Altgriechischer Miinzfund aus Ägypten. Zeitschr. f. Numismatik XXII 
S. 231. Flinders Peine (Xaukratü I S. 64) hat in solch einem Schatze die Metall- 
bestande eines Silberschmiedes sehen wollen; doch ist dies durch die Entdeckung 
von mehreren ähnlichen widerlegt. Sie enthalten eben nichts andere-s als was 
im Lande an Stelle des Geldes allgemeines Tauschmittel war. 

2) R. Schoelj, Legis dvodecim talndarum reliquiae p. 159. 

61 



Quellenstudien zu des Aristoteles Verfassnngsgeschichte Athens. 313 

Einführungsgesetz, oder man kannte nur keine frühere Quelle, in der die 
Klassen erwähnt waren; jeder dritte Weg ist ausgeschlossen. Denn daß 
jenes Einführungsgesetz auf den Axones nicht stand, aber trotzdem von 
Solon schon vor seiner eigentlichen Gesetzgebung erlassen war, ist an 
sich zwar nicht unmöglich; dann aber konnten die Alten nichts davon 
wissen. Denn wie sie über die Seisachtheia nur auf unsichere Schlüsse 
angewiesen waren (S. 164), so kannten sie auch von den übrigen Ver- 
fügungen Solons nichts weiter, als was auf den Axones zu lesen war. 

Nun finden wir bei Aristoteles (7, 4) die Kontroverse erörtert, ob die 
Klasse der tnneTc danach bestimmt gewesen sei, daß ihre Angehörigen jährlich 
300 Medimnen ernteten, oder danach, daß sie Pferde unterhalten konnten. 
Er beruft sich dabei auf die Inschrift einer uralten Statue, die auf der 
Akropolis stand, aber nicht auf die Axones. Daraus folgt, daß sie eine 
Definition der Klassen nicht enthielten; denn sonst wäre ja jeder Zweifel 
ausgeschlossen gewesen. Ein Einführungsgesetz aber ist ohne eine solche 
Definition nicht denkbar. ^) Mithin beruht die Annahme der Alten, Solon 
habe jene Einteilung des Volkes geschaffen, nur auf der üblichen Schluß- 
folgerung der evQrifJiata und hat quellenkritisch gar keinen Wert, mit wie 
großer Sicherheit sie auch auftreten mag. 

Doch es gibt auch ein positives Zeugnis, daß Solon an der Klassen- 
teilung unschuldig ist. Ohne Zweifel war sie eine demokratische Maß- 
regel: denn sie ignorierte die Eupatriden und bestimmte die Rechte der 
Bürger nicht mehr nach dem erblichen Vorzuge der adligen Geburt, 
sondern nach dem wechselnden des größeren oder geringeren Vermögens. 
Solon selbst aber verwahrt sich dagegen, irgend etwas in demokratischem 
Sinne geneuert zu haben (frg. 5): 

Jijjuq) fJLfv yaq edwxa rocov yiqac^ o(f(fov dnaQxsT^ 
%if,U]C oiV d(ps?.ü)V Ovx' e7iOQ€^d(ji€^*og. 
Von dem uralten Aberglauben beherrscht, daß Solon der Begründer der 
Demokratie gewesen sei, haben auch die Modernen diese Verse umdeuten 
zu müssen geglaubt. So übersetzen sie Kaibel und Kießling: 
Ansehn hab' ich dem Volke verliehn, soviel ihm gebührte. 
Seiner Würde gemäß, mehr nicht und weniger nicht. 
Liest man sie aber ohne Vorurteil, so besagen sie nichts anderes, als 
daß Solon dem Volke von seiner Ehrung weder etwas entzogen, noch 
etwas hinzugetan habe, mit andern Worten, daß in bezug auf die Volks- 
rechte seine Gesetzgebung alles beim Alten ließ. Dies hätte der Schöpfer 
der Klassenordnung, der das erbliche Patriziat aus der Verfassung strich, 
niemals von sich sagen können. 

Die Athener des fünften Jahrhunderts hielten Solon für einen 
Demokraten, weil sie seine Elegien bewunderten und alles Edle und 



1) Dies hat schon Wilamowitz [ S. 82 gesehen. 

Boitraj/o z. alten floMchiclite IV 3. 21 

62 



314 Oito Sefck. 

Schöne för sie demokratisch war. Daß sie ihn falsch beurteilten, ergibt 
sich schon aas seinem Gebranch der Worte aja^og und i^&log. die for 
ihn ganz im Sinne der späteren Oligarchen .die Adeligen** bedeoten 
(frg. 36, 16j: 

^€<ffwvg f ofioUog r^p xmctp ic xaja^tp 

ev9eUn eU huMwonr ägtiOffag Shajw 

Daß die Gesetze f&r Gut und Böse dieselben waren. Tersteht sich tou 
selbst und brauchte daher nicht erst gesagt zu werden: einen Sinn ergibt 
die Stelle nur, wenn «p xcrxip te Moya^^ bedeutet .für Hoch und Niedrig*" 
oder „für den Adligen und den Unadligen"". 

Ähnlich das Fragment, das bei Aristoteles 12, 3 steht: 

ovie /MM TVQOWwtiog 
awiawei ßUf. u ^^e»y, otiSe jocif^g x^^^ 
natqidog MOMoUfiv ia^Xovc iooftoigiav Ix^tr. 
Dies richtet sich gegen die Zumutung, die man ihm gestellt hatte, das 
Land nach spartanischem Muster unter alle Bürger gleich zu verteilen. 
Auch in diesem Zusammenhange aber können 4<f&?joi und xaxoi nicht 
^Gute und Schlechte", sondern nur .Edle und Unedle*" bedeuten.*) Auch 
fällt in seinen El^en niemals ein Wort g^en die Eupatriden, sondern, 
wie schon Aristoteles oder richtiger der Anonymus von 392 bemerkt hat. 
er wettert immer nur gegen die Reichen.^) Eine kleine Blütenlese mag 
dies belegen: 

frg. 4, 5: avtoi Se ^^siqBiv /ce/a/i^r mhv a^pooSigüiw 

aüTol ßov}jovxai XQ^j^^oöi rr^i^ofievoi. 
frg. 4, 11: n)jov%ov€iv (T aiixoig sgy/iaai Tis^^oftsvoi. 
frg. 5, 3: oY (T elxov Hva/itv xai xQif^o(f^^ ^fio^ dyrjTOi^ 

xäi roc^ i^affafirjv firiSev aeixig Bx^tv. 
frg. 8: %ix%B^ yoQ xogog vßgiVj orctv noXvg o).ßog emitai. 
Arist. 5, 9:vfA€lg S" rjavxaüavrsg ivi ^eal xctQtsQov t^rog, 
ot noXXcSv aya^mv stg xoqov ijXdoare, 
iv fUfQioiift ri&sa&e iiiyav voov ovts yctg tifietg 
n€iü6^i€^\ ovi^' vjMV agna rair eaetat. 
Schon hier bedroht der Enpatride Solon die Reichen als seine Gegner 
und beweist damit, daß sie durchaus nicht zugleich die Adeligen waren. 
Noch deutlicher aber ist dies frg. 15 ausgesprochen: 

nokXol yoQ nXovtBvfSi xaxol, dya^d de nsvovtat. 
Erinnern wir uns, was für Solon y.axoi und äya^ot bedeutet, so werden 
wir aus dieser Stelle schließen müssen, daß zu seiner Zeit der adlige 



1) Frg. 13, 33: ^rixol 6* d^Ss votvixev ofiötq aya^bq tb xaxbg ts habeich nicht 
angefahrt, weil hier der Sinn nicht so durchsichtig ist. 

2) 5, 3: xcd o).wg ahl rt/v ahiav xr^q <naoewg avaTtrei rolq iiAovaloiq. 

63 



Qtiellenstudien zu des Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens. 315 

Grundbesitz schon von der Kapitalmacht überwuchert wurde. Diese 
betrachtet er als seinen Feind, und doch soll er es gewesen sein, der 
zuerst das timokratische Prinzip in die Verfassung einführte! 

Dies führt uns zu dem letzten und wichtigsten Punkte von Meyers 
Polemik: „Solon reserviert die Bekleidung der höheren Ämter den Penta- 
kosiomedimnen, die übrigen politischen Rechte außer der Teilnahme an 
Volksversammlung und Gericht den drei ersten Klassen. Drakon berück- 
sichtigt für seine Staatsordnung diese Klassen, die doch unter ihm existiert 
haben sollen, gar nicht, sondern verlangt für die Archonten und Schatz- 
meister ein Vermögen von zehn, für die Strategen und Hipparchen von 
hundert Minen, die niedrigen Ämter läßt er ix räv onla naqsxoßivixyv 
besetzen. Das setzt die Zustände des kapitalistisch entwickelten Staates 
der Perikleischen Zeit und des vierten Jahrhunderts voraus, wo die 
Solonischen Klassen nur als praktisch bedeutungslose Antiquität fort- 
bestanden, ist aber absurd für das siebente Jahrhundert.^ Kennt Meyer 
das siebente Jahrhundert wirklich so genau, um behaupten zu können, 
es sei „absurd", daß schon damals die kapitalistische Entwicklung 
begonnen habe? Solon (frg. 13, 43) nennt unter den Mitteln, Geld zu 
verdienen, in allererster Linie den Seehandel. Von den attischen Vasen- 
künstlem Ergotimos und Klitias, die noch der Frühzeit des sechsten 
Jahrhunderts angehören, hat sich ein Gefäß in Italien, ein zweites in 
Phrygien gefunden^); der Export Athens dehnte sich also nach Westen und 
Osten bis in ferne Barbarenländer aus. Dem entspricht es, daß Hippias, 
wie wir oben (S. 173) gesehen haben, sich scheute, das Gepräge der 
attischen Münze auffällig zu verändern, weil dies ihrem Kurse im Aus- 
lande hätte schädlich sein können. Am deutlichsten aber tritt die nicht 
erst beginnende, sondern schon sehr weit fortgeschrittene Herrschaft des 
Kapitalismus in dem folgenden Gedichte des Theognis hervor (183 ff.): 

KqiovQ (liv xal orovg di^iifAsi^a^ KvQve, xai Xjmovg 
Bvysveag^ xai rig ßovketav i^ dya&wv 

ßr}(fB(S^at' yrifiai de xaxfiv xaxov ov fieleSatvei 
ia&log ävr^Q, rjv ot xqrii.iara nokka dv3i§, 

Ovis yvvtj xaTLov avSqog dvaivstav Blvai axovtvg 
n}jovoiovj diX dfpvBov ßovXetai dvr dya&ov. 

XQrjfiata ya^ ti/ioocre, xal ix xaxov itJ&kog iyw^' 
xal xaxog i^ dya&ov' n?x>vtog Sfu^e yivog, 

wtmg dfj ravTtiv eldmg xaxonatgiv iovtfav 
elg dtxovg dystai x^r]iia(Si nei&ofXBvog 

Evdö^og xaxodo^oVj inel xQateQtj fxiv dvdyxrj 
htvev^ 1} % dvSgog tli^fiova d-Tpce voov. 
Wer wird dadurch nicht an die Verschwägerungen englischer Earls und 

1) G. und A. Körte, Gordion. Jahrb. ä. kais, dmtschen arcJiäoL Instit. 1904. 
V. Ergänzungßheft S. 140. 

21* 
64 



3>; fMy >^k. 

Lords mit am*^lkanL»ch'rn MIl^iAniar^Hi ennü^rrt? Wir s^^c^rn »i«^fi Ad»^I 
verarmf-n cnd nef>*^ ihm ein rhreh d«^a Har. i-^i re:«'-h zp'wr-ni^rc^:» BanrPTtnm 
f-r^tarkfrn. da» ihn p»>l:rla/^h znrückdrin^. aber zuzl-ieh d«x*h. wie 
Emporkömmlinge pflegen, es als hohe Ehre emptndet. duirh irsend eine 
FamilienverbindtinÄ' in seine Kr<^i^ einzüdhcg^^n. Di*^ Zeaenis ist zwar 
etwas jünger ab d:*^ S- ^.ni.'?^-he Zeit or.d bezieht sir-h nicht auf Athen, 
sondern anf Meeara. Aber daß diet^e Znstan«ie sich nieht auf die Tater- 
«tarJt des Theoenis be»f"h rankten and nicht er^i in seiner Lebenszeit 
begonnen hatten, steht fest. Erzählte die Sage doch schon Ton Kypsel»>s, 
daß er einer nnebenbürtigen Ehe ent-rprnn^ren war^i. nnd Solons Kampf 
gegen die Reichen wird nar durch das Cbennichem der Eapitalmaeht 
erkiarlich- Die Sei.^achth^-ia befreite nicht nnr arme TenfeL die in 
Kneehtr^ehaft geraten waren, sondern anch hoehadh'^e Herren wie Konon. 
Kleinias nnd Hipponikos wurden damit die Übersehaldnng ihrer Güter los 
(S. 165;. Eine allgemeine Landverteilung wies er zurück, weil sie die 
-S^rhleehten" den -Goten" gleichgestellt, d. h. den Adel vernichtet hätte, 
aber die reichen Geldverleiher zn zwicken war dem hochgeborenen 
Medontiden gerade recht. Seine Neneningen waren also nicht demokratiseh. 
sondern agrarisch-reaktionär, und wenn sie neben dem gmndbesitzenden 
Adel aach den Allerarmsten zugute kamen, so ist dies Bündnis der Vor- 
nehmen mit der besitzlosen Masse gegen den besitzenden Mittelstand durch- 
aus keine Erscheinung, die man heutzutage für undenkbar halten dürfte. 
Daß dies die Tendenz der Solonischen Politik gewesen ist. ergibt 
sich aus ihren Folgen. Die inneren Kämpfe werden nur noch erbitterter, 
und kaum ist die neue Gesetzgebung ein Jahrzehnt in Kraft, so erhebt 
sich eine Tyrannis, wie sie regelmäßig einer gar zu straffen Anspannung 
der Adelsmacht zu antworten pflegte. Denn daß das zweijährige Arehontat 
des Damasias Ü3. 2) diese Bedeutung hatte, ist unverkennbar. Nach 
kurzer Dauer wird sie gestürzt, und es folgt ein Arehontat. in dem die 
Eupatriden die Hälfte der Stellen für sich in Anspruch nehmen. Wie man 
sieht, streiten hier nicht etwa Pentakosiomedimnen und Theten. sondern 
die uralten Stande, die schon durch die Klassenteilung begraben schienen, 
sind wieder erwacht. Hatte Damasias sich gegen die Solonische Yer- 
fasHung erhoben« so darf man wohl vermuten, daß die Reaktionäre, die 
ihn vertrieben, sich zu ihr bekannten, daß sie also den Adel nicht nieder- 
gedrückt, sondern gehoben hat. Es folgt die Tyrannis des Peisistratos, 
wahrscheinlich früher, als unsere gefälschte Überlieferung angibt'^), und 

1) Herod. V 92?. Die nähere Motiviemng dieser Ehe ist selbstverständlich Fabel. 

2y Über den Schiedsspruch, den die Spartaner in dem Streite mit Megara 
fällten, Hcheint die Urknnde erhalten gewesen zu sein. Denn eine andere Quelle, 
aus der man die sonst sranz unbekannten Namen der fünf Schiedsrichter (Flut 
HoL 10; hätte schöpfen können, ist kaum denkbar. Daß Selon die Sache Athens 
führte, kann hier gestanden liabeu, braucht also nicht Erfindung zn sein. 

65 



Qtiellenstiidien zu des Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens. 317 

auch sie kennzeichnet sich als Reaktion gegen Solon und die Eupatriden. 
Denn sie entfesselt alle wirtschaftlichen Kräfte, welche diese nieder- 
gedrückt hatten, erwirbt Besitzungen oder schließt Bündnisse an allen 
Küsten des aegeischen Meeres, entfaltet so den Handel zu reichster 
Blüte und gibt zugleich dem Handwerker durch prächtige Bauten etwas 
zu verdienen. Längst hat man in Peisistratos den Vorläufer des Perikles 
erkannt; doch hätte man daraus schließen müssen, daß Solon, zu dem 
er ja in erklärtem Gegensatze stand, auch die entgegengesetzte Politik 
vertreten habe. 

Wir glauben bewiesen zu haben, daß jener „kapitalistisch entwickelte 
Staat", an dem Meyer Anstoß nimmt, zur Zeit des Drakon nicht nur 
bestanden haben kann, sondern erweislich bestanden hat, mag auch die 
ältere Macht des Grundbesitzes den Kampf gegen ihn noch fortgeführt 
haben. Es ist also ganz angemessen, daß die Wählbarkeit zu den 
Ämtern sich nicht mehr nach dem Bruttoertrag des Ackers, sondern 
nach dem schuldenfreien Kapitalvermögen bestimmt. Und daß den 
Zensussummen immer das Wort iXavOiga hinzugefügt wird, scheint mir ein 
neuer Beweis für die Echtheit der Verfassung; denn wozu wäre die Sei- 
sachthcia nötig gewesen, wenn nicht eine starke Verschuldung geherrscht 
hätte, und diese war gewiß nicht von gestern auf heute eingetreten, 
sondern hatte schon mehrere Jahrzehnte vor Solon begonnen. Wie im vierten 
Jahrhundert, so bestand schon im siebenten die Klassenteilung nur noch 
„als praktisch bedeutungslose Antiquität". Wenn Solon ihr wieder 
praktische Bedeutung gab, indem er die Bekleidung der Ämter von den 
alten Klassen, d. h. von dem Werte des Grundbesitzes, abhängig machte 
und alle, die nur bewegliches Vermögen hatten, davon ausschloß, so war 
auch dies eine reaktionäre Maßregel. Durchführbar wurde sie nur durch 
die Seisachtheia, die zur Folge hatte, daß einstweilen kein anderer als 
schuldenfreier Grundbesitz vorhanden war. Wenn später die Klassensätze 
derart in Geld umgerechnet wurden, daß für jeden Medimnos eine Drachme 
eintrat, so wird dies eine Neuerung des Peisistratos sein, der so in 
demselben Sinne wie Drakon, aber auf einem etwas anderen Wege, dem 
beweglichen Kapital wieder zu seinem Rechte verhalf. 

Wenn aber schon für Drakon die Klassenteilung veraltet war, so 
kann sie nur auf die Königszeit zurückgehen, die ja, wie wir oben (S. 305) 
gesehen haben, bis etwa zum Jahre 711 gedauert hat. Sie war der erste 



Andererseits dürfte es echte Überlieferuug sein, die wahrscheinlicli auf Hekataios 
zumckgeht (Herod. I 59), daß Peisistratos in dem Kriege um Salamis die ent- 
scheidenden Schläge führte, welche die Megarer bestimmten, sich jenem 
Schiedssprüche zu unterwerfen. Dies Zusammenwirken mit Solon legt die Ver- 
mutung nahe, daß der Altersunterschied zwischen ihnen nicht so groß gewesen 
sei, wie die vulgäre Tradition annimmt. Über Vermutungen kann man hier 
freilich nicht hinauskommen. 

66 



wur«fe: *>Hi Termo^Lt^' «t^ «^n^ Xa/^iit ni^hi soweit zb ahmen, daä er 
den Sturz d^ K^fLi^xuim n;oL: A'xrh u^-yi-h hertjeifüren k->i:iite- fc « 
It^tiao d;e«e>ie EntwifrkiüL^. wie =^Ie Äi-rb in Rom vc-lao^en haL Koni? 
Serria« idbt der nnterdr^ekten MaÄ-=e darin eine Kla^^enordnuirs. die der 
atti.vrhea naeh^eahrnc war. fc^r^erli'ihe Reehte: seine Xaehf'^Iser werden 
trotzdem rom Ade! ^e-t ^rzt: aber die P:e*>§ i?i nnienk^sen soweit e^^tarkt. 
daß «ie «ehon gieieh naeh der Vertreihan^ der Könige den Kampf 
«ei^/*tandi^ aufnehmen kann and dann aceh die Gleichbereehrl^ims aller 
Bfir^er dnrchselzt. 

^T 

Per K^Miidbe FrereL 

Wir haben bisher gesehen, daß alle EreiCTl?^. über die Hekataioe 
nrK-h nicht al« Zeitgenf/sse berichten konnte, in trübem Dimkel rer- 
jK'hwammen. 3lan besaß die Eleeien Solons. seine Gesetzgebong imd 
einige Fragmente der drakonri^ehen : acßerdem rieEeicht nodi den 
Schiedsi^pnieh der Spartaner über Salamis, da^ Psephisma des Arislian« 
durch da» Peimstratos dne Leibwache bewilligt wurde, nnd eine kleine 
Anzahl anderer Urkunden. Wo dies Material versagte, da begann die 
unsichere VoIk.«sage oder, was schlimmer ist. die gelehrte Hypothese. 
Noch die Taten und Leiden des Peisistratos sind zeitlos überliefert nnd 
zeigen durchgängig jene anekdotenhafte Form, wie sie die Geschichte im 
Volksmunde anzunehmen pflegt. Es ist etwa das. was alte Leute tou 
mäßigem Gedächtnis dem Hekataios aas ihrer Jugendzeit erzählt haben 
mögen. Doch während bis zum letzten Drittel des sechsten Jahrhunderts 
«ich allr*s öbri^^e nur in unsicherem Xebel unsem Augen darstellt, tritt 
ein EreijrniM in leorhtender Klaiiieit aus diesem Dunkel herror. Die 
(tc^j'hU'hu* fU-^, Kyloni-ichen Frevels ist bis in die kleinsten Einzelheiten 
b'rk;innt, und di<'«e tragen den Stempel der Wahrheit so unverkennbar 
Hf} *Kb, daß kein Vernünftiger an der Echtheit der rberlieferung 
z'^t'Älflu kann, 

<'iTtr\Utn wir auf die älteste Quelle zurück, so umgibt uns auch hier wieder 
i\t'r^f\Ut trübe Xebel, wie in der Geschichte des Peisistratos. Über die 
K'Mn\i\(t des Kleisthenes berichtet Herodot (\ ^^fi.) sehr gut und genau. 
Kr weiß sogar derartige Einzelheiten, wie daß der Spartanerkönig bei 
der Belagerung des Hippias im Hause des Isagoras gewohnt hatte und in 
Verdacht gekommen war. mit der Frau seines Gastfreundes ein Verhältnis 
zu unterhaltend) Dies ist Klatsch, aber jedenfalls zeitgenössischer: die 



1) V 70: ^nixa/.htxtu h/.touivtf: tov Aitx^dtuixovtov ytvl fjLivov f-uvräf ^sh'ov 
ano trjg UfiaiOTQatiAloiv :io/. io(txi'r^^' tov rJf ßü.to/Ah'ta tl/e chirf tfoirär rtcoa tov 
iaf(yo(ßtoj T//r yrvfuyfc. 



67 



Quellenstudien zti des Aristoteles Verfassiingsgeschichte Athens. 319 

spätere Volkssage hätte ebensowenig Grund gehabt, sich mit der Frau 
des Isagoras zu beschäftigen, wie mit der des Selon oder Peisistratos. 
Hekataios hatte eben gesammelt, was man sich zu seiner Zeit in den 
Gassen Athens erzählte. Doch der Kylonische Frevel, der den Anlaß zur 
Verbannung des Kleisthenes gegeben hatte, lag damals schon so weit 
zurück, daß der Geschichtschreiber nur wenig und Unsicheres darüber 
erfahren konnte. Schon daß der Olympiasieger in seinem Bericht als 
übermütiger Jüngling erscheint, der mit kecken Altersgenossen das Wagnis 
unternimmt, sich zum Herrn von Athen zu machen, ist ein sagenhafter 
Zug. Im übrigen berichtet uns Herodot weiter nichts, als daß der Hand- 
streich mißlang, daß Eylon und seine Helfer bei der Statue der Athene 
Schutz suchten, daß die Prytanen der Naukraren sie zur Übergabe 
bewogen, indem sie ihnen das Leben versprachen, das Wort aber nicht 
hielten, daß endlich den Alkmaioniden die Schuld an dem Morde zu- 
geschrieben wurde. Das ist nicht viel mehr, als was man wissen mußte, 
um die Verbannung des Kleisthenes zu verstehen, und soweit es über 
dies Notwendige und Selbstverständliche hinausgeht, wird es von Thuky- 
dides (I 126) als falsch zurückgewiesen. Denn wie er berichtet, 
wurde die Akropolis nicht von einer Schar unbesonnener Jünglinge 
besetzt, sondern Kylon erhielt dazu von seinem Schwiegervater, dem 
Tyrannen von Megara, eine Hilfsmacht, die er nur durch seine athenischen 
Freunde verstärkte; zweitens waren diejenigen, welche in erster Linie die 
Blutschuld trugen, nicht die Prytanen der Naukraren, sondern die 
Archonten; drittens hatte Kylon selbst gar nicht seinen Tod gefunden, 
sondern war mit seinem Bruder entkommen: dem Morde erlagen nur seine 
Helfershelfer. Falls Thykudides recht hat, bietet also die Erzählung des 
Herodot auch in diesem Falle nur ungenaue und vielfach entstellte 
Volkssage. 

Prüfen wir nun den Bericht seines großen Gegners, so findet sich 
auch in diesem ein Moment von entschieden sagenhaftem Charakter. 
Kylon befragt das delphische Orakel und erhält den Bescheid, er möge 
sich an dem höchsten Feste des Zeus der Akropolis bemächtigen. Als 
Olympiasieger denkt er dabei an nichts anderes als an die Olympien; der 
Gott aber hat die attischen Diasien gemeint, und wegen dieses Miß- 
verständnisses schlägt das Unternehmen fehl. Das ist ein Geschichtchen 
von echt herodoteischer oder, wie wir richtiger sagen werden, hekatäischer 
Art; ganz ähnliche Trugorakel werden ja auch dem Krösus erteilt. Wir 
dürfen vermuten, daß Thukydides eine Nachlese bei Hekataios gehalten 
und ihm die Anekdote entlehnt hat. Jedenfalls ist sie ebensowenig ernst 
zu nehmen, wie das berühmte Halysorakel, und wer auf jene Olympien 
chronologische Schlüsse baut, bekennt sich damit zu einer sehr kind- 
lichen Kritik. 

Doch von ganz anderer Art ist der Rest der Erzählung: der Olym- 

68 



320 Otto Seeck, 

pionike Kylon ist ein Mann von altem Geschlecht und großem Einfloß. 
Er hat die Tochter des Theagenes Ton Megara geheiratet und bemächtigt 
sich mit dessen Hilfe der Akropolis. um, wie sein Schwiegervater in der 
Xachbarstadt . so auch in Athen eine Tyrannis zu begründen. Die 
Bürger eilen von den Ackern herbei und belagern die Burg. Doch als 
der Erfolg zu lange auf sich warten läßt, zerstreuen sich die meisten 
wieder. Die Archonten aber bleiben mit einer ausreichenden Schar zurück, 
nachdem sie durch Volksbeschlnß Vollmacht erhalten haben, ganz nach 
freiem Ermessen gegen die Aufrührer zu verfahren. Die Belagerten leiden 
unterdessen Mangel an Nahrung und Wasser: einige von ihnen ver- 
hungern oder verdursten. Kylon und seinem Bruder gelingt es zu ent- 
kommen; die übrigen suchen am Altar der Athene Schutz. Um sie nicht 
im Heiligtum sterben zu lassen, verbürgen ihnen die Führer der Belagerer 
ihr Leben und bewegen sie so, ihr Asyl zu verlassen. Doch wird das 
Treuwort nicht gehalten, ja einzelne, die sich beim Herabsteigen von der 
Burg zu den Altaren der Eumeniden geflüchtet haben, werden sogar an 
diesem geheiligten Orte niedergestoßen. Später findet ein Gericht statt, 
nach dessen Spruch alle, die von den Frevlem oder ihrer Naclikommen- 
schaft noch leben, aus Athen verbannt und die Gebeine der Verstorbenen 
ausgegraben und über die Grenze geschafft werden. — Das ist zweifellos 
echte Geschichte und zwar solche, wie sie nur durch das schriftliche 
Zeugnis wohlunterrichteter Zeitgenossen überliefert sein kann: denn der- 
artige Einzelheiten bewahrt der Volksmund nicht. Die Tatsache z. B., 
daß Kylon selbst, der Anstifter des ganzen Aufruhrs, der blutigen Rache 
entging, hätte die Sage gewiß verwischt. Dies könnten wir behaupten, 
auch wenn die Erzählung des Herodot, die auf Sage beruht, es nicht 
beglaubigte. 

Minder umfassend, aber nicht minder trefflich ist der Bericht des 
Anonymus von 392, den Plutarch (Sol. 12) und Aristoteles (1) uns erhalten 
haben. Freilich wie sich bei Thukydides ein sagenhafter Zug findet, so 
hier einer, der ganz nach gelehrter Erfindung aussieht. Solon soll es 
nämlich gewesen sein, der die Frevler durch freundliche Überredung 
veranlaßte, sich einem Gerichte zu unterwerfen. Nun ist es wohlbekannt, 
daß die antike Geschichtsforschung bei jeder Tatsache, die ihr einer 
Erklärung bedürftig schien, viel weniger nach dem Grunde, als nach dem 
Urheber suchte. Und für eine Maßregel der Versöhnung bot sich keiner 
passender dar als der Mann, der sich in seinen Elegien immer wieder 
rühmte, zwischen den streitenden Parteien vermittelt zu haben. Ich halte 
es daher für sehr wahrscheinlich, daß Solon erst durch die spätere 
Gelehrsamkeit mit dem Kylonischen Frevel in Verbindung gebracht 
ist. Von der Rolle, die er bei dem Prozeß gespielt haben soll, hat 
Thukydides jedenfalls nichts gewußt: denn sonst hätte er den erlauchten 
Namen des großen Gesetzgebers gewiß ebensowenig verschwiegen, wie 

69 



Qttellenstudien zu des Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens. 321 

er den des Kleomenes verschweigt, der historisch doch viel weniger 
bedeutete. ^) 

Sehen wir von dieser verdächtigen Einzelheit ab, so ist auch die 
Erzählung des Anonymus echt wie Gold. Die Mitverschworenen des 
Kylon, so berichtet er, suchen ein Asyl bei der Göttin, und der Archen 
Megakles bewegt sie, es zu verlassen, indem er ihnen Recht und Gericht 
verheißt. Da binden sie einen Faden an das Bild der Athene, um die 
schützende Verbindung mit dem Heiligtume nicht ganz aufzugeben, und 
kommen so von der Burg herab. Doch als sie bei den Altären der 
Eumeniden angelangt sind, reißt der Faden. Darin sehen Megakles und 
seine Mitbeamten ein Zeichen, daß Athene den Schutz der Aufrührer von 
sich weise, und wollen sich ihrer bemächtigen. Ein Teil wird gesteinigt, 
ein anderer an jenen Altären niedergestochen. Gnade finden nur die- 
jenigen, welche bei den Frauen ihrer Verfolger Fürbitte erfleht haben. 
Nach schweren inneren Unruhen entschließen sich dann die Frevler, sich 
freiwillig einem Gericht von Dreihundert zu stellen, das aus dem Adel 
gewählt wird. Myron von Phlya tritt als Ankläger auf und erwirkt es, 
daß die Lebenden des Landes verwiesen, die Gebeine der Verstorbenen 
ausgegraben und über die Grenze gebracht werden. 

Diese beiden Berichte sind voneinander offenbar ganz unabhängig. 
Denn außer der Erwähnung der Eumenidenaltäre und dem Inhalt des 
Richterspruches, die in keiner guten Quelle fehlen konnten, haben Thuky- 
dides und der Anonymus nichts miteinander gemein. Doch widersprechen 
sie sich auch in keinem Punkte; höchstens könnte man anfüliren, daß 
nach dem einen den Belagerten versprochen wird, man werde ihnen 
nichts Übles tun, nach dem andern, man werde sie vor ein Gericht 
stellen 2); doch dies ist wohl mehr ein Unterschied des Ausdrucks als des 
Sinnes. Im übrigen bietet jede der beiden Quellen Einzelheiten, die in 
der andern zwar fehlen, deren Bericht aber auf das glücklichste ergänzen. 
Namentlich ist zu beachten, daß auch der Anonymus als Ermordete nur 
die Mitverschworenen des Kylon nennt, nicht diesen selbst, also seine 
Rettung, gleichfalls im Gegensatze zu Hcrodot, zwar nicht erzählt, aber 
doch voraussetzt. Sehr auffällig ist, daß die eine Quelle vorzugsweise 
das Belastende des Frevels hervorhebt, die andere das Entlastende. 
Thukydides betont, daß die Archonten unbeschränkte Vollmacht erhalten 
hatten, mit den Belagerten nach freiem Ermessen zu verfahren, daß sie 
also die volle Verantwortung traf. Auch daß man Bürger im Heiligtum der 

1) Thukyd. I 126; T/laaav filv o^v x(d oVA(^7jvaTot tovg ^vayeTc tovtovi;, tjkaot 
M xcd Kkeofihvtj^ o Aaxe6(uf.i6vio<; varfQov /nera *A&riv((utjy oxaaiaCjyvxiov. Aus dieser 
Art der Aufzählung scheint hervorzugehen, daß Thukydides über die erste Ver- 
treibung nichts Merkwürdiges zu sagen wußte, wie es die Mitwirkung Solons doch 
gewesen wäre. Die Notiz über Kleomenes hat er Herodot entlehnt. 

2) Thukyd. I 126: i?</>' «3 fititSlv xaxov Ttoijjaoiotr. Plut. Sol \'2: Mtyitxltjg b 
aff^wv tnl dixy xaxkki)-klv tnttati'. 

70 



rj> T*t*a#"r.^r. ^.r.^. B^ :.*r^ a-v* ^1-^ A-^Ia^^eiir- <i^r a:ii?r?- aas 

^^*fr.^*ar li^ cn* h>r ein^ Cri^r.irf^'nir^ tos h>:h5t eLje*:Ä!:l:«*r:«?r 
Art r'/f, iNrr h.^f^Xf: 7j^%*:. H«fnyiot- her>h'^ cn-^enan uüd in T-yi^en 
Klnz^ihf^tif^ jK^irar fa!.-^h. wi^ rl> V.>!k.<*a^e zu ir/^rilrf^m p?^: die 
j^rilf^rr*^ w;*^^ti Yj^lne T:*ri v:?--i^r Bfr^h^rii I>:frt- läi: v>h kaum andrer? er- 
kl^ffrit. ^\* (l^ä in zifffftAfh *pkier Zfrit «/sfrllen er^hl«:^.-?«! ward«L d:e 
j^fi^rrn nofrh ni>'ht zocränfflich war*rn oder d^xh nicht ron ihm benutzt 
*ind. Di^!^ aJ'i'rr kennen kaam hi-tori.'*^'h** Beri^rhre. s^.»ndeni nur UrkuiideB 
^frarrik/'D »^in, Di<rter .vhlnß findet «eine sichere Be^täti^-nnsr in den 
ersten Wrirten, die un-i von der Sehrlft de-? Ari.-toteies erhalten sind: 
Mti^^fPißg /.aiP ift^gifv OfiO^ktru^ a^iodwirj. Daß die dreihundert Richter 
einen Eid lei.^ten mofiten. i«t etwa-s «o Selbrtverstiindüches und Unweseot- 
Vmh^. daß ein hiatori^hcr Bericht es ^ewiß nicht erwähnt hätte: eine 
rrkanrJe dairetren. die da» Gerichte verfahren regelte, maßte anch solche 
Formalien enthalt^-n, und nur aoä ihr können sie entnommen sein. 

Vor dem Be^nn des pelofKinneftisfrhen Kriefres stellte eine spartanische 
0#*<*andt«chaft in Athen die Forderune. man solle die Nachkommen der 
Kylonirtchen Frevler, zu denen auch Perikles gehörte, aus der Stadt ver- 
bannen. Bei di^'?<er OeU'genheit muß in der Volksversammlung: der uralte 
Mordprox^-ß g^-nau erörtert worden sein, und wahrscheinlich wurden damals 
auch die l'afiicre aus den Familienarchiven aufeestöbert. die über seinen 
Tatbe-tand Kunde gaben. Denn soweit unsere Nachrichten zurückreichen. 
Ii/it rnan in Atbfn die Zeugnisse immer schriftlich aufgesetzt imd vor 
G<'ri^'lit v^'rlesen. Bei einer so wichtigen Sache konnten also die Er- 
k\'Aruuü(',n, welche die Augenzeugen in der uvaMQiaic abgegeben hatten. 
norb nach Jahrhunderten erhalten sein. Nehmen wir an. Thukydides 
habe aus den fia^vqiai der Anklage, der Anonymus aus denen der Ver- 
l<'idigijng geschöpft, so worden sich sowohl ihre merkwurdifje Genauigkeit. 
als auch ihre eigentümlichen Unterschiede gut erklären. 

Aber kann schon in der Zeit vor Solon jenes schriftliche Verfahren 
üblich gewesen sein? Darauf haben wir nur die Antwort, daß ohne 
schriftliche Quellen, die auf die Erzählungen von Augenzeugen zurück- 
gingen, diese Sicherheit und Vollständigkeit der Cbcrliefening undenkbar 

71 



Quellenstudien zu des Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens. 323 

wäre. Oder was gibt es Ähnliches für irgend eine andere Episode der 
griechischen Geschichte, die dem fünften Jahrhundert vorausliegt? Doch 
daß der Prozeß noch vorsolonisch war, halte ich allerdings für höchst 
unwahrscheinlich. Herodot kennt ihn überhaupt nicht, weil er die Akten 
nicht kennt; f ür Thukydides ist er zeitlos, offenbar weil sie nicht datierbar 
waren, und wenn der Anonymus ihn mit der Person des Selon in 
Zusammenhang bringt, so war dies, wie wir gesehen haben, eine sehr 
naheliegende Hypothese. Wie ich glaube, bietet noch unsere Überlieferung 
ein Moment, das ihn einer viel späteren Zeit zuweist. Nach Plutarch 
fand er statt MvQonfog toi 4>l.viiXiz xattjYOQOvvrogj und ohne Zweifel ist 
dies aus den Urkunden geschöpft. Nun ist ja aber die Demenverfassung 
erst durch Kleisthenes geschaffen; daß irgend jemand vorher das Demo- 
tikon zu seinem Namen gesetzt habe, halte ich für mehr als unwahr- 
scheinlich; jedenfalls ist es uns für keine einzige Persönlichkeit der 
früheren Zeit überliefert. Danach kann dieser Prozeß gar kein anderer 
gewesen sein, als derjenige, welcher auf Forderung des Kleomenes gegen 
die Freunde des Kleisthenes anhängig gemacht wurde. Doch dieser selbst 
war schon vor dem Beginn der Verhandlungen aus Athen entwichen: 
sein Name kam also in der Anklage nicht vor, und damit war für 
Thukydides und den Anonymus jeder Anhalt geraubt, nach dem sie die 
Akten hätten datieren können. 

Die Verbannten waren zurückgekehrt; das wußte Thukydides, weil 
ihre Nachkommen noch zu seiner eigenen Zeit in Athen lebten.^) Doch 
wann und wie sich ihre Rückkehr vollzogen hatte, war ihm unbekannt; 
denn jede genaue Kunde hörte für ihn auf, wo die Prozeßakten ab- 
brachen. Die Ereignisse, welche Kleisthenes und seine Genossen aus 
der Verbannung befreiten, erzählt Herodot; doch verschweigt er dabei, 
was ihm unwesentlich scheint, daß nämlich ihre Heimkehr nicht ohne 
einen Akt religiöser Sühnung möglich war. In den feierlichsten Formen 
waren sie verurteilt worden, nicht nur als Mörder, sondern auch als 
Frevler gegen ein heiliges Asyl; das Volk konnte ihnen also keine Amnestie 
erteilen, wenn sie nicht auch die Göttin versöhnten. In welcher Form 
dies geschah, darüber besitzen wir noch ein Zeugnis, das auch Thukydides 
gekannt haben muß, aber wahrscheinlich nicht in seiner Bedeutung verstand. 

Als die Spartaner das Asylrecht der Athene Chalkioikos verletzt 
hatten, indem sie den sterbenden Pausanias ihrem Schutz entzogen, befahl 
ihnen das delphische Orakel, den Frevel dadurch zu sühnen, daß sie der 
Göttin zwei Leiber für einen darbrächten. Sie erfüllten das Gebot, indem sie 
zwei Erzstatuen in dem Heiligtum aufstellten.-) Wie dies dem Aber- 

1) Thukyd. 1 126; xaTtjXd^or fiivroi vaT6(ß0Vf xal xo ytvog avzaßv Portv hi tv 

2) Thukyd. I 134; h Ah ^to<; o iv Jektpoiq xbv xe xt'ofov vaxe^ov f/jj/jae xolg 
AaxeöaifjLovloiq fxexeveyxtlv o^ne(i aniO-arty — xat ojc ayoc (xvxolg öv xb ntn^uyiikvov 

72 



324 Otto Seeck, 

glauben aller Völker gemein ist, galt das Bild als vollwertiger Vertreter 
des Mannes, und der Zorn der Athene war abgewandt, nachdem sie den 
ihr Geraubten doppelt zurückerhalten hatte. Auch in Athen stand auf 
der Akropolis, d. h. im heiligen Bezirk der Gröttin, eine Erzstatue des 
Kylon.^) Freilieh war nicht er selbst ermordet worden, aber das Bild 
des FQhrers konnte wohl auch als Sühnegabe für den Tod seiner Helfer 
gelten. Und daß es nicht etwa schon zur Feier seines Olympischen 
Sieges, sondern erst viel später errichtet war. scheint sich mir aus folgender 
Erwägung zu ergeben. 

Was Tansanias über Kylon zu berichten weiß, geht in der Haupt- 
sache auf Thukydides zurück; nur fügt er demjenigen, was diese Quelle 
ihm bot, noch selbständig hinzu, jener sei von außerordentlicher Leibes- 
schönheit gewesen (eldog xdli^nog)^ und dies kann wohl nur auf dem 
Eindruck beruhen, den seine Statue auf den Beschauer machte. Daraus 
folgt aber, daß sie nicht ausgesehen haben kann, wie der ApoU von 
Tenea oder der Kalbträger, mit andern Worten, daß sie in einer Zeit 
entstanden sein muß, die menschliche Schönheit auch im Sinne der 
römischen Kaiserzeit schon zum Ausdruck bringen konnte. Unter den 
erhaltenen Statuen ist die älteste, die diesen Anforderungen entspricht, 
der delphische Wagenlenker, um das Jahr 470 v. Chr. gebildet. Daß 
schon dreißig bis vierzig Jahre früher, als Kleisthenes aus seiner Ver- 
bannung heimkehrte, eine ähnliche Leistung möglich war, ist nicht aus- 
geschlossen; doch in der Zeit des Kylon selbst konnte man sicher noch 
keine Statue schaffen, in der Pausanias oder seine Quelle einen Mann 
von höchster Schönheit erkannt hätte. 

Also in den Prozeßakten führt uns das Deraotikon des Klägers 
frühestens an das letzte Ende des sechsten Jahrhunderts, und die Statue, 
welche den Frevel sühnte, weist auf die gleiche Zeit. Damit ist der 
Beweis geführt, daß die Anknüpfung des Prozesses an die Person Solons, 
wie wir sie bei dem Anonymus finden, nicht echte Überlieferung sein 
kann, was übrigens schon an sich zu vermuten war. 

Wie wir sahen, ist dasjenige, was uns über das Schicksal des Kylon 
und seiner Genossen berichtet wird, so genau und zuverlässig in allen 
Einzelheiten, daß es nur aus den Erzählungen von Augenzeugen geschöpft 
sein kann. Wenn aber solche in einem Prozeß, der erst im Jahre 508 
stattfand, noch ihre Aussagen machen konnten, so kann der Frevel nicht 
bis in das siebente Jahrhundert zurückgehen. Und daß er viel später 

Avo oiofutxa (tviy f-voc xij Xa}.xiotxio itno6oiV(u. o\ AI. rtoit^oafievoi y^a/jcovg avAgiaviac 
(U'o WC avz) TJavoavifw (}rhi)-f:Of(v. 

3) PaU8. 1 28, 1; Kv/.ojvr. dl ovdtv h/oj aatflg elnnv ^</)' orw yrO^ovv ccvtd'taftv 
iVQnvvlAa ofW}^ ßovlevoavxa. Tf-xfji((l(JOjnai 4J- novdt hvtxiu ort tlAog xaU.tatog xal 
Tii h Aocav hyfvero ovx (ctfavi^g, avf/.ofif-vog Ainv/.ov vixt^v 'O'/.vfiTttxi^V xal oi 
ih"/t:t/or. v:ifj(j^t ytßiai fitayh'ovgf og Mtyi({wjr hrvißarvf^ot. 

TS 



Quellenstiidien zu des Aristoteles Verfassttngsgeschichte Athens. 325 

war, wird uns ja auch durch Herodot (V 71) so gut wie ausdrücklich 
bezeugt: ravra ngo rfjg nBUSictqdtov ijAixfij^ iysvero. Diese Worte in dem 
Sinne aufzufassen, in welchem auch der Trojanische Krieg vor Peisistratos 
lag, ist jedenfalls eine höchst gewaltsame Interpretation; hätte Herodot 
das Ereignis für so früh gehalten, wie man es jetzt anzusetzen pflegt, 
80 hätte er sicher geschrieben: tiqo rtjg 26Xmvog ^hxirig. Und daß er dies 
nicht meint, ergibt sich auch aus den folgenden Worten (V70): tavra dine^nayv 
eXeye ix dtdaxijg tov 'Icayogeio' ot jufr yaQ UXxiaaiayvidai xal oi avaraaidtai 
avrcSv elxov alrirjv tov g>6vov rovrovj avtog ie ai ixatslxB oviF oi (pilot 
avtov. Dies setzt doch offenbar voraus, daß für Isagoras und seine Freunde 
die Möglichkeit gegeben war, an dem Frevel teilzunehmen, mit andern 
Worten, daß er noch bei ihren Lebzeiten stattgefunden hatte. Nun ist 
allerdings die Zeitbestimmung des Herodot so allgemein, daß man nicht 
gar zu viel Wert darauf legen kann: ein genaues Datum zu geben, wird 
er selbst nicht imstande gewesen sein. Doch darf man aus seinen 
Worten jedenfalls schließen, daß Hekataios annahm, der Mord falle noch 
in die ihm selbst unmittelbar vorhergehende Generation, und dies ist 
kein zu verachtendes Zeugnis. Jener Megakles, den die Hauptschuld traf, 
wird also kein anderer gewesen sein, als der Schwiegervater und Ver- 
bündete des Peisistratos. Ob freilich das Ereignis vor die Erhebung des 
letzteren oder in eine seiner Verbannungen zu setzen ist, möchten wir 
nach einer so unbestimmten Zeitangabe, wie die herodoteische es ist. 
nicht zu entscheiden wagen. 

Wie aber kam der Anonymus dazu, es bis ins siebente Jahrhundert 
zurückzudatieren? Zum Teil mag er durch die Rolle bestimmt worden sein, 
die er in dem Prozesse dem Selon zuwies. Denn daß die Schuldigen 
sich freiwillig dem Gericht gestellt hatten, meinte er nur durch das Ein- 
greifen eines weisen Ratgebers und Vermittlers erklären zu können, und 
eine andere Persönlichkeit, der man eine solche Einwirkung auf ihre 
Mitbürger hätte zutrauen können, war in der Frühzeit Athens nicht leicht 
zu finden. Doch dürfte noch ein zweiter Grund auf jene Zeitbestimmung 
eingewirkt haben. Die Archonten unter Führung des Megakles hatten 
die Tat befohlen oder zugelassen. Daraus folgt keineswegs, daß dieser Archen 
eponymos gewesen sei; eine viel größere Wahrscheinlichkeit spricht dafür, 
in ihm den Polemarchen zu erblicken. Denn nur in diesem Amte konnte 
er das Aufgebot der Bürger befehligen und mit ihm die Akropolis belagern. 
Ob aber dem Anonymus Listen, die alle neun Archonten verzeichneten, 
schon aus dem sechsten Jahrhundert zur Hand waren, ist mindestens 
zweifelhaft. Besaß er nur die gewöhnliche Eponymenliste, so ist es sehr 
wohl möglich, daß er nach 636 den Namen Megakles in ihr nicht mehr 
fand und danach den Frevel auf dieses Jahr datierte. Ist das richtig, 
so würde auch der Schluß, daß Selon das Gericht herbeigeführt habe, 
chronologisch wohlbegründet gewesen sein. 

74 



Ein Ij-'^t./'^ k^h^r. wir r'-^h üi.f«^r^'-k^!''fc:>t s-'_a.^^r^. In dpr 
0;}Tyjp:or,.'k^r->t*^ d*-* Eu-*'^!-^* f-L^k-t -y-h Er.tf-r der :>->. 0!j!::p:aöe- i h. 
oot^ dem Jahre •>40. d^r VenEerk: 2fm^0^ Atsrnrntt mm.6\^. xd ^iarlaw 
Er/jcvw "jiih^Ttuoc o ^Tn^Ourißc troarfiit. D'-efa die Annah.T.e :?: ke:Be*- 
wee? an-ef-^'-h^f^sen. daß d^r o:yn:pLr<he Sie« Ky;«»n5 nnr aof Grosd der 
Zf-lx^ßf^timinunz datiert i*i. dif dfr ADonyir.Tii für 5*^icen Smn ffrfcnd*^ 
zu haben elaot/te. In ein^-m eanz üb^rzeoOTid*^ Vorrraze hat Aifred 
Körte seinen Oreifswalder Freond*-n den Beweis geführt. da£ die OItid- 
pionikenlj-te nnr anf ^Ifhn^r Mache. n:rht aaf nrkundlich*^ Cberlfefeninff 
beruht, H<»ffenti:''h bleibt die« wiehtiffe Re^riiltaL das dieser Unter^uchiinÄ 
er«t ihrf'n Ab^ehiufi ^f-ben würde, aofh der <Jff**ntiiehkeit nk-ht ear zu 
lan^ vorenthalten.^) 



1, IH*-^^ MahLQLK. «H*- i<h Körte im MaLc^kript zu le^en eab. \»x die 
erfreuJi'-he Fol^e jr-hs^t, «Jai; er ^i!^e j^L'.d*: Unter*>a* hun? abze^J l->^*-rTJ nud 
irn Hfriä*^ OLXXIX .S. *:f4 T^rr.fr^i.t::. ht hat. NaTärliJi kann die Eiureih-Ts? de* 
Kyl'«n in «Jie ^»l>iDpi"fjike?)li«te nicht s^Ik-d auf Hlppia^ t^.h E*:* zurQ-.kffe*j*-n. 
mohl a>^r auf H';en der zahl^^f^hen f *iron"!'»e*-n. die ?e:!:*- rnrer^nchuDirrn in 
jkpaterer Zeit enri',zten nnd %ert?^^rten. Man k'*bnte z B. an Ari*^t«4*-!e* >eUM 
df-nk^n. der ja »:ifri' hfalK f-in Bü^h äb^r die <dympJ'>r.ikTn ^erfa-t hat. Die* 
ikän- ^»«erflü^Mg ^e«>^en. «eiju »-r ni^ht ff^-rneiLt hatte, an der Li<te *'i*^ Hippias 
^9 iijaDi-tie» l^ri« hti:f*-n zu k'»ü!ien. 



327 



Die Anfänge des Bürgerkrieges zwischen Cäsar und Pompejus. 

Von L, Holzapfel. 

n. 

Tnmaltas und bellum. 

Das decr(4um tumultus pflegte in der Zeit, wo sich die Herrschaft 
Roms bereits über ganz Italien erstreckte, vom Senat dann erlassen zu 
werden, wenn Italien oder das benachbarte Gallien von einem feindlichen 
Angriff bedroht war. ^) In der letzten Zeit der Republik, in der Italien 
vor äußeren Feinden gesichert war, konnte diese Maßregel nur beim 
Ausbruch innerer Kämpfe zur Anwendung kommen. Die als Friedens- 
tracht übliche toga wurde dann mit dem Kriegsmantel (sagum) vertauscht 
und zugleich eine allgemeine Aushebung angeordnet, wobei die im Kriege 
mit einem auswärtigen Feinde für gewisse Fälle zugelassene Befreiung 
vom Dienste wegfiel. Die in Friedenszeiten vom militärischen imperium 
ausgenommene Stadt verwandelte sich in ein Kriegslager, was die 
Sistierung des sonst in der Stadt herrschenden und das militärische 
imperium ausschließenden Rechtes (ittstitium) zur Folge hatte. 2) Man kann 



1) Cic. Phil. VIII 3. Fest. p. 355 M. Serv. Verg. Aen, VIFI 1. 

2) Daß mit dem Eintritt des tumultiut zugleich das Kriegskleid angelegt 
und das Recht sistiert wurde (über die Bedeutung des iustitium vgl. A. Nissen, 
Bas Justitium, Leipzig 1877, besonders S. 98 ff.), folgert 0. E. Schmidt (Rhein. 
Mus., Bd. 47, 1892, S. 255, Anm. 4) im Gegensatze zu H. Nissen, der in den beiden 
letzteren Maßregeln selbständige Akte erblickt (v. Sybels Eist. Zeitschr., Bd. 46, 1881, 
S. 100, vgl. S. 92), mit Recht aus Cic. Phil V 31 : tumultum decemi, iustitium edici, 
saga sumi äico oportere, dilectum Iwheri suhlatis vacationibus in t*rbe et in Italia praeter 
Qalliam tota. Ebenso wie die Befreiung vom Kriegsdienste, die nach Cic. Fhil. 
VIII 3 durch das decretum tumultus aufgehoben wurde, erscheinen hier offenbar 
auch das iustitium und die Anlegung des Kriegskleides als integrierende Teile des 
durch jenen Beschluß geschaffenen Kriegszustandes, der durch die Aufzählung 
der einzelnen Momente lediglich ausgemalt werden soll. Ganz ähnlich wird, 
nachdem bei dem Konflikt mit M. Antonius am 2. Februar 43 der tumultus 
dekretiert worden war (Fhil VIII 2), die Wirkung dieses Beschlusses in der am 
nächsten Tage gehaltenen achten Philippica (§ 6) veranschaulicht: dilectus tota 
Italia decreti suhlatis vacationibus^ saga cras s^imentur, consul se cum praesidio descen- 
surum esse dixit. 

23 



h.i^ma^h «i> B*Hleiir.i.iir «i»^ •Jerr^rf^m */4W*'*/#^ «iah a zrL*ani!neniik4:?**fi. 

M^ir^^f^i zur Ari-3r^n<i:;rijr k'';n:ra»*r.«i»* ^9*nti*'*^ 'V,«.Wr74j« '4*V«in'«jii »t^. S. 1) 

Von df^m hefTHm im ^n2:*=>-r'm- :*tAau'»r«*i*h'ii'-h«^n Sin^i»»^ an:i*r*<*Q«*iii»*t 

»Az-j^«» Ark.art- d»^r ^nmu'tfiji daj:**<!:*=^ ohn«>> ^'^nr.i.i;! p-in«*** <j»*ini'*rs »H!ifa«'ii 

ihn nl^'ht dafh ^ir.^^ b*^on«1»*rp>a Ei*=«r«-'t:lTiji zam Är:.«^ erklärte. w:e •?< 
mit Anron.'r;.^ narh d^'-r Sr'hla<*h: b^i X'i'ina ff»***4*riah •». im B*^itze $4*iii«*r 
hCr2r-'*rl:r'hKn R»=<-ht#^. Da.^ derrttjum tfi,fh'urn;§ haci«> ab<*r ic nill::an:?eh«*r 
Hin.ti'-'ht immerhin die VTirkm^ #^iner Kxiesr^erkiänin^. *) In der Spraefae 
des ta4srii^'h*^n Leh^rc.^ wird d*=T AD.-dmck Mlum im w»*iten^a Sinne 
-»r-hiefhthin eben."*o wi** an.-ser Wort -Kri*^* im ♦j»^eiL'?atze zum Frial«*a 
sr^^raof'hL !»odaß der t^mnUt^M darin inbeeriffen L*t. '*> 

H, Xi.-,."»en'*» hat an**^n«'»mn.en. dafi bei dem Aa.-bniche de< Börjrer- 
kheee?» zwi.-f'hen T^-^ar and Pompe] a-S da;? d^^-retum tnm'AuffU etwa am 
<^ Jannar eria.*sen worden s^i. Hienresren mai^ht O. E. S<^hmidt'» mit 
Ref-ht geltend, daß Cicero in einem am l:f. Jancar an seinen Frei:rp^Iasseiien 
Trio geri^'-hteteii Brief wohl de* «ena^«» cr/n^^nJrnm ultimum geilenkt"^». 
von einem d^cretnm tumulhu dafire^en nichts bemerkt. Xr^-fa ^ewiehö^er 
i.it das TWfrhf von .v-hmidt in« Feld e**ftihrte Arsrument. daß am l>. Januar 
die Feindseligkeiten von ?«eiten Cäsar?, die em am II. ivs:!. S. 2» mit 
der bf-^tzuns Ariminam.^ be^rannen. noch samicht eröffnet waren und es 
daher im Hinblirk anf die Mangelhafrii^keii d«>r eigenen Rä5tün«jen ein 
an verantwortlicher Leichtsinn gewesen wäre. Cä.^ar linrch VerhanjjxiDs: 
fl^ Krif-$f:^zn.^tande?» über Italien znm AnsTriff zu provozieren. .\nf Gnind 
d!f-»er ErwäfTunifen g^Ianirt Schmidt zu d^m Rf-^ultat. daß ds*< de^Tdum 
tHmnUm er7«t am 14. J^inuar auf die Kunde von der Einnahme Vriminums 
(refaßt w.>rdcn «ei. 

\, V; w-ipf^n f\>r**t hri'J'fT Ma-f'-ir-fln von Ci.vro in tier funf^^n Philippi«*a 

2y I/i'-i i*t iTit von A. .\i^'»**n 7>'3j» J>t^ti'f;.s„i, L»rii»zij^ I^lT. S. 84) auseinander- 
^''--^t/t *or'l*rn. An.-* d*-n Krortenn-r-n. «hV (i*\ FfiL VIII l ff. ö^er /Hrnw'/»* and 
Ufhfm ztL^i-.-iXh.M werden, fvljr^rt er mit Kr-^ht, t!au .Ant*'Diu«. wenri sich der Senat 
in d'-rn arn 2. Febniar 43 »«^-faiiren Be^hluü för heJhnik '•tatt für tu*,n*U^^ ent- 
vrii*-'len h^tle. hiermit ziira /'/j^//-* ^^rkifirt werden w'tr^*. 

3 (\e. Brut. I 3»». 

4y ("u:. Jft'f. V 32: fin*t»lf»nn deteffti. inj!f>t*>nn fiUn. sii'jn fktmi di»t> oj^rt^re 
, , . . jtfi-nff^ 'M. Antoniii^j 4»'hi h^^hft/i rum r«? puh^tca fi*f »wrep^uM. 

h) A'if die>f Wei>e crkläit "»ii-h Cicero'» Aii>,r\\Ti'x Fid. \\\\ 2 : ti*M**lttiM 
fm^f Kntf >ß*>JJo non pfjff'xt, norin \. Ni^^»»n 'a. a. 0. S- *<7 mit rnre»:ht einen Irrtum 
ffhVuW. >;; A. a. o. S. 54. 7 A. a. U. S. 113. 6 Fa»A. XV[ II. 1. 

U 



Die Anfänge des Bürgerkrieges givischen Cäsar und Ponipejus. 329 

Auffallenderweise hat jedoch Schmidt sowohl wie Nissen übersehen, 
daß diese Maßregel bei Plutarch und bei Dio Cassius ausdrücklich erwähnt 
und durch Plutarchs Angaben eine sichere Zeitbestimmung ermöglicht 
wird. Nach der von Plutarch benutzten Darstellung, die in doppelter 
Fassung überliefert ist, wurde der fragliche Beschluß unter der Einwirkung 
der durch die Kunde von der Besetzung Ariminums und durch die Flucht 
der Landbevölkerung in die Stadt erregten Panik von Pompejus ver- 
anlaßt, i) Ein anderer Sachverhalt scheint sich allerdings aus Dios 
Bericht zu ergeben. Es wird hier das decretum tumulttis unter den vom 
Senat nach dem senattis consultum tUtimum (7. Januar) gefaßten Be- 
schlüssen an erster Stelle erwähnt und der Verlauf der Begebenheiten so 
dargestellt, als ob Cäsar erst auf die Kunde von jenem Beschluß nach 
Ariminum vorgerückt wäre. 2) 

Es kann nicht schwer fallen, zwischen diesen beiden Berichten die 
Entscheidung zu treffen. Für Plutarchs Darstellung spricht zunächst die 
Erwägung, daß sie den von Schmidt geltend gemachten Gründen gerecht 
wird. Wir haben femer bereits gesehen, daß Dio in diesem Abschnitte 
einer schlechteren Quelle folgt. •^) Allem Anschein nach hat die Zurück- 
schiebung des decretum tumültus darin ihren Grund, daß der Autor, auf 
welchen Dios Erzählung zurückgeht, auf Cäsars Seite stand und im Ein- 
klänge mit der von Cäsar selbst gegebenen Darstellung (vgl. S. 14 ff.) 
bestrebt war, die Besetzung Ariminums als einen nicht bloß durch das 
senatus consultum ultimum, sondern auch noch durch weitere Heraus- 
forderungen notwendig gewordenen Schritt erscheinen zu lassen. Der 
Cäsarianische Standpunkt gibt sich auch in Dios Befremden über den 
Obertritt des von Cäsar jederzeit ausgezeichneten Labienus und in der 
Zurückführung dieses Verhaltens auf persönliche Motive zu erkennen*), 
welche Darstellung mit der günstigen Beurteilung, die diesem Manne bei 
Cicero und Plutarch zu teil wird^), in auffallender Weise kontrastiert. 

Wir haben uns demnach ausschließlich an Plutarch zu halten. Es 
verdient nun beachtet zu werden, daß Plutarch sowohl Pomp. 61 als 

1) Flut. Pomp, 61 (von Pompejus): yjri<piaafievog xaga^riv ogäv. Caes. 33: 
iptfifii^Frai lagctxtjv bgäv. Im Originalbericht stand yi6\A tumultum esse videri, 
wofür Plutarch videre gelesen zu haben scheint. 

2) Dio XL! 3, 3 flP. (vorn Senat) : varsQov 6h ?|a> rov nwfiriQiov ngoq avtbv rbv 
Uofinriiov ikS-ovteg raga^t^v ts slvai f.yv<oaav .... nvO-o/aevog ovv rctvr' &xeTvo<; 
tg re 'Agifiivov ^X^ev .... 

3) Vgl. S. 10 ff. 4) Dio XLI 4, 3 ff. 

5) Cic. Att. VII 13a, 1: Labienum tjgota iudico. VII 13b: Labienus, vir mea 
sententia tnagnuSy Teanwm venit. Plut. Caes. 34: rr^v fihv (fvyijv 01 av^gatnoi natgiSa 
6iä Uofjairiiov ijyovvxOy rtjv dh *Piofxtjv wg Kaiaagog oxgctxbnBÖov aniXeinov, onov xal 
Aaßirivbgy avi^g iv xolg fmXiaxa (piXog Kaiaagog xa) TcgBoßBvxrig yeyovwg xal avvrj» 
ytoviofjUvog iv näoi ngod^vfiOTata roTg KeXxixoig noX^^oig, tbt* ixsivov anoögäg a<pi' 
xBxo ngbg Uofjmiiiov. 

Beltrfige c. nlion Geschichte IV 3. '22 

25 



330 i. HdUapfel, 

auch Caes. 33 die Flucht der Pompejaner aus der Hauptstadt (17./18. Jan.) 
unmittelbar auf das decretum tumultus folgen läßt. ^) Andrerseits gewinnt 
man namentlich aus der Plut. Ponip. 60 ff. gegebenen Darstellung den 
Eindruck, daß jener Beschluß nicht sogleich nach dem Einlaufen der 
Nachricht von der Besetzung Ariminums gefaßt worden sein kann. Zu- 
nächst eilte auf die Kunde von diesem Ereignis der Senat mit den 
Magistraten hinaus vor die Stadt zu Pompejus. In der nunmehr an- 
beraumten Sitzung fragt Cicero nach der Stärke der vorhandenen Streit- 
kräfte und beantragt, nachdem Pompejus eine unbefriedigende Antwort 
gegeben, die Abschickung einer Gesandtschaft an Cäsar (vgl. S. 16 ff.). 
Favonius richtet seinerseits an Pompejus die Aufforderung, die ver- 
sprochenen Truppen aus dem Boden zu stampfen. Es wird hierauf ein 
von Cato gestellter Antrag erwähnt, wonach Pompejus zum Oberbefehls- 
haber mit unumschränkter Befugnis {(ftgatriyog avtoxQatwQ) ernannt 
werden sollte, und sodann eine Schilderung der in Rom herrschenden 
Panik gegeben. Das Landvolk sei aus allen Gegenden in eiliger Flucht 
nach Rom hereingeströmt, während die Einwohner dasselbe ihrerseits 
verlassen hätten. Es sei nicht möglich gewesen, der Verwirrung, bei der 
der tüchtige Bestandteil der Bevölkerung schwach, das ungehorsame 
Element dagegen stark und schwer zu behandeln gewesen sei, Einhalt zu 
tun. Niemand habe Pompejus nach eigenem Ermessen handeln lassen, 
sondern jeder vielmehr seine eigene Stimmung, mochte es Furcht oder 
Betrübnis oder Verlegenheit sein, auf ihn übertragen. An dem nämlichen 
Tage hätten die verschiedensten Ratschläge die Oberhand gewonnen und 
von den Feinden habe man nichts Zuverlässiges erfahren, weil viele Leute 
aufs Geratewohl Nachrichten verbreitet und, wenn man ihnen Mißtrauen 
bezeigte, gezürnt hätten. Da habe denn Pompejus die Erklärung des 
Tumults beantragt und am späten Abend die Stadt verlassen, indem er 
die Senatoren aufgefordert hätte, ihm zu folgen, mit der Ankündigung, 
daß er jeden Zurückbleibenden als Cäsarianer betrachten würde. 

Es liegt hiernach zwischen dem Eintreffen der Kunde von der Ein- 
nahme Ariminums und dem decretum tumultus noch ein ziemliches Intervall. 
Die erste Maßregel, welche auf die Nachricht von diesem Ereignis 
beantragt wurde, war die Abschickung einer Gesandtschaft an Cäsar, die, 
wie wir gesehen haben, trotz dem von Pompejus erhobenen Widerspruch 
auch tatsächlich um den 15. Januar abgegangen ist (vgl. S. 10, 17, 21). 
Zunächst hat also im Senat die friedliche Stimmung entschieden über- 
wogen. Es läßt sich hiermit die Annahme nicht vereinigen, daß es 
schon am 14. oder 15. Januar zu dem decretum tumultus gekommen sei. 

1) Plut. Pomp, 61: ovrw ötj \pri(piaafX€vog ra^axfjv ogäv xal xeXeiaag ^nsad^ai 
anavraq xovq anc ßovXrjg xal ngofiTiafv, ort Kaiaagoq rjyrjaeraL rbv aTtoXenpd^htOf 
Ttegl öbIXtjv btplav aniXuce rijv noliv. Caes. 33: il^ri(p!t,srai ragaxtjv oQttv xal xtiv 
noXiv iS^Xme xeXsvaag ?7t€a&ai Tfjv ysQovaiav, 

26 



Die Anfänge des Bürgerkrieges zwischen Cäsar und Pompejus. 331 

In zweiter Linie beschäftigte sieh der Senat mit der von Cato angeregten 
Übertragung des Oberbefehls an Pompejus. Das decrehim tumulius wurde 
erst gefaßt, nachdem die durch die Besetzung Ariminums erregte Panik 
durch das Hereinströmen der Landbevölkerung in die Stadt noch gesteigert 
worden war. Mithin spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, daß dieser 
Beschluß erst an demselben Tage, an welchem sich Pompejus aus Rom 
entfernte (17. Januar), zustande gekommen ist. Hierzu stimmt die Dar- 
stellung Lucans, welche den Eintritt des iustitium und die Anlegung des 
Kriegskleides mit der Flucht der Pompejaner aus Rom zusammenfallen 
läßt.^) Der Umschwung der im Senat herrschenden Stimmung, der sich 
in dem decretum tumuHm äußerte, war jedenfalls in erster Linie durch 
die Nachrichten von Cäsars weiterem Vorrücken bis nach Ancona, dessen 
Einnahme man am 17. Januar erfuhr^), herbeigeführt worden. 

Eine sehr wesentliche, auf dem decretum tumultus beruhende Ver- 
änderung wird auch von Cäsar, der über diesen Beschluß selbst hinweg- 
geht, in unmittelbarem Zusammenhang mit der Flucht der Regierung aus 
Rom erwähnt. Er sagt, die Konsuln hätten, was bisher niemals vor- 
gekommen sei 3), die Stadt verlassen und Privatleute gegen jegliches alte 
Herkommen in der Stadt und auf dem Kapitel Liktoren bei sich gehabt.*) 
Dies konnte eben nur dann geschehen, wenn das militärische imperium^ 
das die von Cäsar als privati bezeichneten Prokonsuln und Proprätoren 
unter gewöhnlichen Verhältnissen beim Betreten der Stadt verlieren mußten, 
auch auf dieses Gebiet ausgedehnt wurde, wie es bei dem Eintritt des 
durch das decretum tumultus herbeigeführten Kriegszustandes der Fall war. 

Da Cäsar durch das decretum tumultus als Landfriedensbrecher 
gebrandmarkt wurde, so hatte er natürlich, wie 0. E. Schmidt sehr richtig 
bemerkt s), alle Ursache, dasselbe in seiner Darstellung zu übergehen. 
Auf diese Weise erreichte er zugleich, daß die Erstreckung des Imperium 
auf die Stadt und das den Göttern geheiligte Kapitel als ein illegaler 
Akt erschien. 

Den auf Ernennung des Pompejus zum Oberbefehlshaber mit unum- 
schränkter Befugnis lautenden Antrag Catos hat H. Nissen ß) in dem Sinne 

1) Fhars. II 16 ff. 

Ergo ubi concipiunt, quantis sit cladibus orbi 
Constatura fides mpertim, ferale per urbem 
Justitium, latuit plebeio tectus amictu 
Omnis honos, nullos comitata est purpura fasces. 
Unter dem plebeius amidus kann nur das sagum, bei welchem die Abzeiclien 
der verschiedenen Stande in Wegfall kamen, verstanden werden. 

2) Vgl. Cic. AtL VII 11, 1 (s. dazu S. 5 Anm. 4) und fam. XVI 12, 3. 

3) Über diese Bemerkung s. S. 14 ff. 

4) Caes. 6. c. I 6, 7: lictores habmt in nrbe et Capitolio privati contra omnia 
vetustatis exempla. 

5) Der BriefwecJisel des M, Tullius Cicero, S. 107. r>) A. a. 0. S. 100. 

27 



332 L. Holtapfel, 

aufgefaßt, daß es sieh nm eine Diktatur gehandelt hätte. Aber als- 
dann wäre es doch auffallend, daß Platarch weder Fcmp. 61, noch auch 
Cot. min^ 52, wo der fragliche Antrag ebenfalls erwähnt wird^), diesen 
Ansdmck gebraucht, der sonst von ihm ebensowenig wie von den anderen 
griechischen Autoren gemieden wird.^ Cato wird sich also wohl in 
dem Sinne ausgesprochen haben, daß die übrigen mit konsularischem 
imperium ausgestatteten Beamten veranlaßt werden sollten, sich Pompejus 
unterzuordnen. 

Auf den ersten Blick könnte es scheinen, als ob dieser Antrag an- 
genommen worden wäre.^) Yellejus sagt geradezu, daß die Konsuln und 
der Senat die oberste Leitung der militärischen Angelegenheiten auf 
Pompejus fibertragen hätten.^) Im Einklang hiermit steht Dios Angabe^), 
wonach er nicht nur die Verffigung fiber das Ärar, von der auch bei 
Cäsar die Rede ist^, sondern auch das Kommando über die Truppen 
erhielt. Die gleiche Auffassung b^egnet bei Florus, wo Pompejus als 
pacis beüifue moderatcr bezeichnet wird.^ 

Von größerem Gewicht als diese Zeugnisse ist jedoch eine Angabe 
Cäsars^, woraus sich ein anderer Sachverhalt ergibt. Der Pompejanische 
Flottenffihrer Libo soll nämlich bei den Unterhandlungen, welche er bald 
nach Cäsars Überfahrt nach Griechenland mit dessen Legaten M.' Acilius 
und Statins Murcus anknfipfte, geäußert haben, er selbst sei stets für einen 
Vergleich gewesen, doch besitze er nicht die Befugnis, einen solchen 
herbeizuffihren, weil man nach einem in einer Versammlung gefaßten 
Beschluß die oberste Leitung des Krieges und aller sonstigen Angelegen- 
heiten dem Pompejus fiberlassen hätte (quod de consilii serUentia summam 
belli amniumque rerum Fdmpeio permiserint). Wie der Ausdruck cansilium 
zeigt, ist der fragliche Beschluß nicht vom Senat, der im technischen 
Sprachgebrauch niemals in dieser Weise bezeichnet wird^), sondern von 
den dem Pompejus gefolgten Senatoren, die lediglich ein cansilium der 
Feldherm waren und diesen Namen in der Tat auch führten ^% gefaßt worden. 



1) Plut Cat. min, 52: cvveßovlevtv o Kaxiov Ivl Ilo/jmrjlto ra TtQayfJKna iy^siglaat. 

2) Plut Candll 5, 25, 34, 36, 39, 40. Fab, 3, 4, 9, 10. MarcelL 5. SuU. 33. 
F&mp. 9, 54. Caes. 37, 51. 

3) Hierfür entscheidet sich Lange, Böm. Altert IIP 409, ohne jedoch Belege 
für seine Ansicht anzufahren. Auch Mommsen, Böm, Qesch, 111 3A0, Biom. 
Staater, III 926 Note 6 und Stoffel, Eist, de Jules C^ar, Querre civile I 1 nehmen 
an, daß der unbeschränkte Oberbefehl Yor der Flucht aus Rom auf Pompejus 
fibertragen worden sei, lassen jedoch Catos Votum unerwähnt Nach Stoffel soll 
der fragliche Beschluß schon am 7. Januar gefaßt worden sein. 

4) VelL II 49, 2: consules senatusque caueae nomine B[»npeio summam imperü 
detuleruwt. 

5) Dio XLI 3, 4. 6) Caes. b. c. I 6, 3. 7) Flor. II 13, 20. 
S) Caes. 6. c III 16, 4. 9) Mommsen, R&m. Staatsr. III 1028. 

10) Clc. AU, VII 15, 2. . Caes. 6. c. lU 83, 3. 

28 



Die Anfänge des Bürgerkriegea zivischen Cäsar und Pompejus. 383 

Überblickt man nun den Verlauf des Krieges in Italien, so zeigt es 
sich einesteils, daß sowohl die Konsuln ^) als auch der Prokonsul L. Domitius 
Ahenobarbus^) durchaus selbständig operierten, andernteils aber, daß 
damals ein Vergleich mit Cäsar ohne die Konsuln überhaupt nicht zu- 
stande kommen konnte.^) Bei dieser Sachlage dürfte Lucans Darstellung, 
wonach Pompejus den Oberbefehl erhalten haben soll, als das Amtsjahr 
der Konsuln im Ablaufen begriffen war*), wohl Glauben verdienen. Den 
entgegenstehenden Angaben des Vellejus, Dio und Florus (s. S. 28) liegt 
wohl die Tatsache zugrunde, daß Pompejus schon von Anfang an ein 
bedeutendes Übergewicht besaß, indem er nicht bloß über die sieben 
spanischen und die beiden von Cäsar abgetretenen Legionen, sondern 
auch über das Ärar zu verfügen und außerdem die Aushebungen in ganz 
Italien und in den Provinzen zu leiten hatte. ^) 

Wäre Catos Antrag durchgegangen, so wäre den Pompejanem die 
Kapitulation des Domitius, welchen Pompejus vergeblich zu rechtzeitigem 
Rückzug zu bestimmen suchte^), erspart geblieben. Es liegt die Ver- 
mutung nahe, daß die Konzentration des Kommandos in erster Linie 
durch die Abneigung der Konsuln, sich einem anderen Befehlshaber unter- 
zuordnen, vereitelt worden ist.^ 

Während für den Senat der tximultxis durch das Vorrücken der 
Cäsarianer bis nach Ancona gegeben war, findet sich bei Cäsar eine 
andere Auffassung. In der Mitteilung der von ihm vor dem Antritt des 
Marsches von Ravenna nach Ariminum an die Soldaten der 13. Legion 
gehaltenen Ansprache sagt er nämlich, daß er diese Legion beim Beginn 

1) Cic. Alt VII 21, 2: VII Idus Febr, Capuam C. Cassius tribunua pl venu, 
attulit mandata (Pompei) ad consules, ut Bomam venirmt, pectmiam de sanctiore aerario 
auferrent, statim exirent . . . conml (Leniulus) ei rescrijmt, ut prius ipse in Picenum, 

2) Att, VIII 12b, 2 (Schreiben des Pompejus an Domitius, etwa vom 12. Februar): 
te rogo et hortoTj id quod non deaüti superioribus litieris a te petere, ut primo quoque 
die Luceriam advenires, ante quam copiae, quas instituit Caesar amtrahere, in unum 
locum coactae vos a nobis distrahant: sed si erunty qui te impediant, ut villas suas 
servent, aequum est me a te impetrare, ut cohortis, quae ex Piceno et Camerino 
venerunt . . ., ad me missum facias. Hiernacli hatte also Pompejus zu verfügen 
über die Kohorten, welche in Picenum und Camerinnm in seinem eigenen Auf- 
trage ausgehoben worden waren (vgl. Caes. 6. c. I 15, 4 ff.), nicht dagegen über 
die Truppen, welche Domitius für sich selbst im Gebiet der Marser und Peligner 
gesammelt hatte (Caes. 6. c. I 15, 17). 

3) Caes. b. c. I 26, 5; vgl. Dio XLI 12, 2. 

4) I9iar8. V 441f. Es begegnet hier allerdings ebenso wie I 489 die irrige 
Auffassung, daß der Oberbefehl bisher den Konsuln allein zugestanden hätte. 

5) App. b. c. II 31, 34. Das tatsächliche Übergewicht des Pompejus wird 
auch hervorgehoben von Ihne, Bim. GescJu VI 560, der eine formelle Übertragung 
des Oberbefehls beim Ausbruch des Krieges ebenfalls in Abrede stellt. 

6) Cic. Att. VIII 12b, 12c, 12d. Dio XLI 11, 1. 

7) Was insbesondere Lentulus betrifft, so wird sein Ehrgeiz betont von Caes. 
b. f. I 4, 2 : seque alterum fore Sullam inter 9um gloriatur, ad quem summa imperii redeat. 

2d 



334 L. Hdeapfel, 

des Tumulte aufgeboten hätte.-) Hieraach hat Cäsar, wie Nissen richtig 
bemerkt 2), den Anfang des Tumults in eine frühere Zeit verlegt; denn 
für die Zusammenziehung der dreizehnten Legion, deren Truppen bisher 
in verschiedenen Orten des diesseitigen Galliens in Garnison gelegen 
hatten 3), bedurfte es einer längeren Frist. Nissen*) nimmt nun mit 
großer Wahrscheinlichkeit an, daß Cäsar den Tumult an dem Tage hätte 
beginnen lassen, an welchem der Konsul C. Marcellus dem Pompejus 
vor den Toren Roms unter Überreichung eines Schwertes eigenmächtig 
das Kommando über die beiden von Cäsar für den Krieg mit den Parthern 
abgetretenen, nach Beseitigung der von dort drohenden Gefahr aber nach 
Capua in Winterquartiere gelegten Legionen und zugleich die Befugnis, 
in Italien nach Belieben Truppen auszuheben, übertrug.^) 

Nach Appian und Dio geschah dies zur Zeit, wo Curios Tribunat im 
Ablaufen begriffen war^), also kurz vor dem 10. Dezember des Jahres 50. 
Eine genauere Datierung wird ermöglicht durch eine Mitteilung, welche 
Cicero von Pompejus am 10. Dezember bei einer Zusammenkunft in 
Capua ^ erhielt. Es war hiernach Hirtius, der Cäsar besonders nahe 
stand, am 6. Dezember abends nach Rom gekommen, sodann jedoch, 
ohne Pompejus besucht zu haben und ohne das Ergebnis einer Unter- 
redung des Cäsarianers Baibus mit Pompejus' Schwiegervater Metellus 
Scipio abzuwarten, die noch vor dem Anbruch des nächsten Tages statt- 
finden sollte, tief in der Nacht wieder zu Cäsar abgereist. Man wird 

n Caes. h. c. I 7, 7. 2) In v. SyheU hüt Zeitschr., Bd. 46, 1881, S. 55. 

3) Caes. 6. Gall VIII 54, 3. 4) A. a. 0. S. 72 ff. 

5) App. 6. c. II 31. Flut. Pomp, 59. Dio XL 65, 4 ff. Aus allen diesen 
Berichten geht hervor, daß der erwähnte Akt, woran Plutarcli im Gegensatze zu 
Dio und Appian aucli den Senat teilnehnaen läßt, vor den Toren Roms stattfand, 
während 0. E. Schmidt (Eh, Mu8,, Bd. 47, 1892, S. 246, Der Briefwechsel des 
M, Tullius Cicero, S. 97 ff.) ihn nach Neapel verlegt, obwohl der riclitige Sach- 
verhalt aus Nissens Darlegungen liätte entnommen werden können. Ober die 
Abtretung der beiden Legionen von Seiten Cäsars s. S. 19 Anm. 2, über ihren 
Aufenthalt in Capua App. h. c. II 29 fin. 31. 

6) App. h. c. II 31. Dio XL 66, 5. 0. E. Sclimidt a. a. 0. setzt sich auch 
mit diesen Angaben in Widerspruch, indem er die Übergabe des Kommandos erst 
am 13. Dezember stattfinden läßt. 

7) Cic. Ätt. VII 4, 2. Der Ort der Zusammenkunft ergibt sich einesteils aus 
Ciceros Reiseroute (6. Dezember in Aeculanum, südöstlich von Benevent- 
Att VII 3, 1 ; 9. Dezember auf dem Trebulanum des Pontius zwischen Benevent 
und Pompeji: ÄtL VII 3, 12, über die Lage dieses Landgutes vgL Ätt. V 2,1. 
3,1. 3,3 und 4,1), andemteils aus der Erwägung, daß das nächste Reiseziel des 
Pompejus Capua gewesen sein muß, wo sich die beiden von Cäsar abgetretenen 
Legionen befanden (vgl. App. b. c. II 29 fin. 31). Stemkoiif (Qu^estümes chronol S. 39) 
und 0. E. Schmidt (Bä. Mus. Bd. 47, 1892, S. 244) denken an Neapel, indem sie sich 
hierfür auf Att. VII 2, 5 (Ende Nov. 50) berufen, wo von einem sertno Neapolitcmus 
des Pompejus die Rede ist. Der Aufenthalt in Neapel, auf den hier Bezug 
genommen wird, fällt jedoch in eine viel frühere Zeit (Plut. Fomjp. 57). 

30 



Die Anfänge des Bürgerkrieges zwischen Cäsar und Pompejiis. 335 

kaum fehl gehen, wenn man dieses auffallende, einem diplomatischen 
Bruch gleichkommende Verhalten mit Nissen^) auf das dem Pompejus 
erteilte und ven ihm angenommene Mandat zurückführt. 

Am 6. Dezember oder kurz vorher hat also Pompejus das Kommando 
über die beiden Legionen erhalten. Auf einen etwas früheren Termin 
führt ein Schreiben des Atticus, welches Cicero auf seiner Rückreise von 
Cilicien am 6. Dezember in Äculanum (südöstlich von Benevent) vorfand 
und mit dem Briefe AtL VE 3 (9. Dezember) beantwortete. Es finden 
sich nämlich, wie Nissen 2) bemerkt hat, in Ciceros Antwort Äußerungen, 
aus denen man den Eindruck gewinnt, daß der politische Konflikt neuer- 
dings aus dem schleichenden Stadium in ein akutes getreten war. ^) Nissen 
meint, der Brief des Atticus, auf welchen an der zitierten Stelle Bezug 
genommen wird, könne am i. Dezember abends oder am 5. früh aus 
Rom abgegangen sein. Da indessen für eine rasche Reise von Rom nach 
Caudium drei Tage erforderlich waren*), so wird man für die Beförderung 
eines Schreibens nach dem erheblich weiteren Äculanum mindestens vier 
Tage zu rechnen haben. Als der späteste Termin für die Übergabe der 
beiden Legionen an Pompejus ist demnach der 2. Dezember anzunehmen. 

Am 6. Dezember befand sich Pompejus, wie aus seiner bereits er- 
wähnten Mitteilung über den von Hirtius unterlassenen Besuch erhellt, 
noch vor den Toren Roms. Er war daselbst mit den ihm übertragenen 
Aushebungen beschäftigt, zu deren Verhinderung der Tribun Curio die 
Konsuln vergeblich zu bestimmen suchte.^) Am 7. oder spätestens am 
8. Dezember muß er indessen, da er am 10. mit Cicero in Capua zu- 
sammentraft), die Hauptstadt verlassen haben, um das Kommando über 
die beiden Legionen, die sich in Capua befanden '0, zu übernehmen. 
Von dort führte er sie, statt Cäsar entgegenzutreten, wie es der Konsul 
Marcellus verlangte®), nach Apulien und liess sie daselbst Winterquartiere 
beziehen. 9) 



1) A. a. 0. S. 73. 2) A. a. 0. S. 72 Aum. 2. 

3) AtL VII 3, 5: sed qttoniam res eo deducta est (ut Pompeius Caesari resistat), 
non qvhoeram^ ut scrihis^ nov axdfpoq xb zcHv 'Atgtiticjv; mihi axdtpoq %mum est, qvcd 
a Fompeio gubemahitur . . . ipsum tarnen Ftympeiwm separatim ad concordiam hortabor; 
SIC enim sentio, maocumo in periculo rem esse. 4) Liv. IX 9, 12. 

5) Flut. Bmp. 59, App. h. c, II 31. Stoffel, Eist, de Jules C4sar. Querre ciuile, 
I 208, nach dessen Ansicht Pompejus mit den Aushebungen erst £nde Dezember 
begann, hat das lüergegen gerichtete Einschreiten Curios, das noch vor seinem 
Rücktritt vom Tribunat (9. Dezember) stattgefunden liaben muß, übersehen. 

6) Vgl. S. 30. 7) App. 6. c. II 29 fin., vgl. 31. 8) App. 6. c. II 31. 
9) Caes. h. c. I 14, 3j vgl. Cic. Ätt. VII 12, 2. Nach Oros. VI 15, an dessen 

Angabe sich Nissen a. a. 0. S. 74 hält, sollen die beiden Legionen schon.zur^Zeit, 
wo Pompejus das Kommando über sie erhielt, in Luceria gewesen sein; doch 
beruht diese Angabe, welche durch App. b. c. II 31 und Caes. b, c. II 14, 3 wider- 
legt wird, auf einer irrigen Antizipation. 

31 



336 L. Holeapfel, 

Da diese Truppen noch vor kurzem unter Cäsar gedient hatten und 
deshalb als unzuverlässig betrachtet wurden^), so konnte es allerdings 
bedenklich erscheinen, sie dem Feinde in erster Linie entgegenzustellen. 
Warum Pompejus für ihre Winterquartiere gerade Apulien ausersah, wird 
sich später, wenn wir uns mit seinem Kriegsplane beschäftigen, heraus- 
stellen. 

Gegen Ende Dezember kehrte Pompejus, dessen Reise von zahl- 
reichen Senatoren und Rittern als eine Herausforderung Cäsars aufs 
schärfste mißbilligt wurde ^), nach Rom zurück. Unterwegs traf er am 

25. Dezember bei Lavemium in der Nähe von Formiä mit Cicero noch- 
mals zusammen. Beide reisten nun zusammen nach Formiä und hatten 
daselbst eine mehrstündige geheime Unterredung.^) Aus diesem Gespräch, 
von welchem bereits die Rede gewesen ist*), gewann Cicero den Eindruck, 
daß Pompejus einen friedlichen Vergleich nicht nur nicht wünschte, 
sondern geradezu fürchtete. Die Verschlimmerung der politischen Situation 
trat sehr deutlich darin zutage, daß Curio sich nach dem Rücktritt von 
seinem Tribunat, da er für seine eigene Sicherheit fürchtete und nicht 
mehr die Hoffnung hegte, Cäsar irgendwie nützen zu können, sogleich 
zu ihm begab und die sofortige Eröffnung des Krieges anriet.^) 

Mit dem am 17. Januar gefaßten decretum tumuU'us war Cäsar wohl 
tatsächlich, jedoch noch nicht formell der Krieg erklärt. Dieser letztere Fall 
lag erst dann vor, wenn der Senat ihn durch einen weiteren Beschluß 
zum Landesfeind (hostis) erklärte, welche Maßregel bereits gegen Anfang 
Dezember 50 für den Fall, daß er die Waffen nicht niederlegte, von dem 
Konsul C. Marcellus beantragt worden war.^ 

H. Nissen '0 und 0. E. Schmidt®) sind der Ansicht, daß es im 
Jahre 49 zu dieser äußersten Maßregel, die der Senat gegen Catilina und 
im Jahre 43 nach dem Erlaß des decretum tumultus gleichfalls noch zur 
Anwendung brachte^), nicht gekommen sei. Schmidt hält einen derartigen 
Schritt schon deshalb für ausgeschlossen, weil sich die Regierung am 

1) Vgl. S. 19 Anra. 3. 2) ÄtL Vll 5, 4. 3) Att. VII 8, 4 ff. 

4) Vgl. S. 20 Anm. 1. 5) App. 6. c. II 31 ff. Die XL 66, 5. 

6) Plut. Bmp. 58. 

7) Eist Zeitschr.y 1881, S. 53. 8) Cficeros Briefwechsel, S. 112. 

9) Bei der Catilinarischen Verschwörung wurde der Tumult dekretiert^ nach- 
dem man aus anonymen Briefen an Crassus und andere angesehene Manner von 
der dem Staate drohenden Gefahr Kenntnis erhalten hatte (Dio XXXVII 31, 1; 
vgl. Plut. Cic, 15). Nach Catilinas Abgang zu dem in Etrurien von C. Manllus 
gesammelten Heere erfolgte sodann die Ächtung des Catilina und des Manlius 
(Sali. Cat. 36, 2). Im Mutinensisclien Kriege erließ der Senat am 2. Februar das 
decretum twmultvs (vgl. 0. £. Schmidt, De epistulis et a Cassio et ad Camvm post 
Caesarem occisum datü quaest. chron,, Leipzig 1877, S. 26), wagte es jedoch erst am 

26. April auf die Kunde von der Schlacht bei Mutina, Antonius zum Landesfeinde 
zu erklären (Cic. ad Brut. 1 3 b, vgl. 5, 1). 

32 



Die Anfänge des Bürgerkrieges zwischen Cäsar und Bmipejus. 337 

17. Januar mit ihrer Flucht aus Rom aufgelöst hätte. Cäsar kann in- 
dessen sehr wohl schon vorher zum Landesfeind erklärt worden sein. 
Eine genauere Untersuchung führt zu dem Resultat, daß dies tatsächlich 
geschehen ist. 

Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem mit der Regierung Krieg 
führenden, aber noch im Besitze seiner Rechtsstellung befindlichen und 
dem geächteten Bürger besteht darin, daß die von dem Ersteren an den 
Senat geschickten Gesandten zugelassen zu werden pflegen und für un- 
verletzlich gelten, während die des Landesfeindes weder auf das Eine 
noch auf das Andere Anspruch machen können. Es erhellt dies ins- 
besondere aus Ciceros achter Philippica, die am 3. Februar 43 gehalten 
wurde. Am Tage zuvor war im Senat über die Vorschläge debattiert 
worden, welche M. Antonius auf die an ihn gerichtete Aufforderung, die 
Belagerung Mutinas aufzuheben, seinerseits gemacht hatte. Da Antonius 
sich dem Verlangen des Senats widersetzt hatte und seine eigenen Be- 
dingungen unannehmbar schienen, so war man darüber einig, daß außer- 
ordentliche Maßregeln angewandt werden müßten. Die Partei des 
Antonius wußte es indessen durchzusetzen, daß man sich mit dem 
decretum tumultus begnügte, während Ciceros Antrag, ihn außerdem noch 
zum hostis zu erklären, abgelehnt wurde.*) Wenn Cicero, der schon seit 
Beginn des Jahres 43 Antonius als hostis betrachtete^), diese Auffassung 
hätte zur Geltung bringen können, so wäre sein Gesandter Cotyla weder 
in den Senat noch überhaupt in die Stadt zugelassen oder, wenn es doch 
soweit kam, wenigstens an der Rückkehr verhindert worden.^) Ebenso- 
wenig wie der Senat war der in einer Provinz das Kommando führende 
Feldherr verpflichtet, den Gesandten eines Landesfeindes Aufnahme zu 
gewähren.*) 

In dem Bürgerkriege zwischen Cäsar und Pompejus war nun schon 
gleich nach der Flucht der Pompejaner aus Rom das Verhältnis derart, 
daß Cäsars Gesandte nicht mehr auf Sicherheit ihrer Person rechnen 



1) Cic. FfUl VIII 1, Das decretum tumuUus hatte Cicero bereits am 1. Januar 
in der fünften Philippica (§ 31) befürwortet (vgl. S. 23 Anm. 2). Er war also 
natürlich auch jetzt mit dieser Maßregel einverstanden; wollte jedoch nicht, daß 
es dabei sein Bewenden hätte. 

2) Phil XIV 20 ff., vgl. XII 17. 

3) Vgl. Hiil. VIII 28: cui portcts huius urbis patere ius non eratj huic ctditus in 
senatum fuit und VIII 32 (von der dem Antonius günstigen Majorität): hvmc enim 
rediiu ad Äntonium prohiberi negabant oportere et in eodem excipiendo (indem sie 
gastliche Aufnahme für ihn erwirkten) sententiam meam corrigebant, 

4) Dieses Verhalten beobachtete Plancus als Statthalter des transalpinisclien 
Galliens nach der Ächtung des Antonius. Vgl. Plancus Cic. fam. X 23, 5: quod 
legatos (Antonii) fide Lepidi missos ad me in conspectum venire vetueram, quod C. 
Catium VesHnum, tr. mil, missum ab Antonio ad me cum litterü exegeram (so Mendels- 
sohn richtig für exceperam) numeroque hostis Iwhueram, 



338 L, Holzapfel, 

konnten. Der jüngere Baibus, der gegen Ende Februar 49 von Cäsar 
den Auftrag erhielt, den in Brundisium angelangten Konsul Lentulus zur 
Rückkehr nach Rom zu bereden, mußte seine Reise dorthin auf entlegenen 
Wegen bewerkstelligen.^) Der Besuch, den er im nächsten Jahre dem 
Lentulus im feindlichen Lager bei Dyrrhachium abstattete, um ihn auf 
Cäsars Seite zu ziehen, erscheint als eine Tat von unglaublicher Ver- 
wegenheit, die sogar zum Gegenstande einer theatralischen Aufführung 
gemacht wurde. 2) Einen weiteren Beweis für die Unsicherheit der Ge- 
sandten liefern die Verhandlungen, welche nach Cäsars Ankunft in Rom 
vom 1. bis zum 3. April 49 im Senat stattfanden. Nachdem Cäsar, um 
einen Vergleich mit Pompejus herbeizuführen, die Abschickung einer 
Gesandtschaft von Seiten des Senats beantragt hatte, erklärte sich der 
Senat dafür; doch fand sich niemand, der bereit gewesen wäre, den Auf- 
trag auszuführen, weil Pompejus vor seinem Weggang von Rom im Senat 
die Äußerung getan hatte, daß er diejenigen, die in der Stadt zurück- 
blieben, ebenso behandeln würde, wie die, welche sich in Cäsars Lager 
befänden.3) Diese Drohung konnte doch nur dann von der Übernahme 
einer Gesandtschaft zurückschrecken, wenn Cäsar und seine Anhänger 
zu Landesfeinden erklärt worden und demgemäß auch die in Rom ver- 
bliebenen Bürger als solche zu betrachten waren, und wird von Sueton 
auch geradezu in diesem Sinne interpretiert.*) Wie der soeben erwähnte 
Friedensversuch, so scheiterten auch die Verhandlungen, welche Cäsar 
nach seiner Überfahrt nach Griechenland anzuknüpfen suchte, daran, daß 
für die Sicherheit seiner Gesandten keine Btlrgschaft gegeben werden 
konnte.*) 

Wir haben mithin anzunehmen, daß der Senat am 17. Januar auf 
die Kunde von der Besetzung Anconas^ nicht nur das decretnm tumultus 
erließ, sondern zugleich Cäsar und seine Anhänger für Landesfeinde 
erklärte und so das Verfahren beobachtete, das Cicero am 2. Febniar 43 
dem Antonius gegenüber angewandt wissen wollte. Für beide Maßregeln 
war schon am 14. Januai*, als die Nachricht von der Wegnahme Ariminums 
einlief, genügender Anlaß vorhanden^; doch bewirkte damals der Wunsch, 



1) Cic. Att VIII 9, 4. 

2) VeJl. II 51, 3; vgl. PoUio Cic. fam. X 32. 3. 

3) Caes. 6. c. I 32, 8flf.; vgl. Dio XLI 6, 2. Plut. F&fnp. 61. 

4) Suet. Caes. Ib: denuntiante Pömpeio, pro hostibua se hahiturum, qui rei 
puhlicae defuissent, ipse medios et neairius partia suorum sibi numero futuros pro- 
nuntiavit 

5) Caes. b. c. III 17, 5. Die Furcht der von Cäsar auserseheuen Gesandten 
wird auch III 67, 2 als ein die Verhandlungen erschwerender Umstand hervor: 
gehoben. 6) Vgl. S. 27. 

7) Dies fühlt sehr wohl Lucan, wenn er bei Cäsars Übergang über den 
Rubico der Patria die Worte in den Mund legt (I 190 ff.): 

U 



Die Anfänge des Bürgerkrieges zwischen Cäsar und Ponipejus. 339 

zu einem Vergleich zu gelangen, noch einen Aufschub. Jetzt^ wo die 
Hauptstadt selbst in Gefahr zu sein schien, hatte man keinen Grund 
mehr, länger mit den durch die kritische Lage des Staates gerechtfertigten 
Maßregeln zu zögern. Indem man über Cäsar die Ächtung verhängte, 
hoffte man zu bewirken, daß ihm die italischen Städte ihre Tore ver- 
schlössen.^) Nachdem die Pompejaner Italien verlassen hatten, gingen 
sie sogar soweit, alle, die dort zurückgeblieben waren, als Landesfeinde 
zu betrachten. 2) Auf solche Weise wurde zugleich dem Senat, der sich 
auf Cäsars Veranlassung in Rom versammelte, die Legitimität aberkannt. ^) 

Man begreift jetzt, warum Cicero die Gesandten, die sich Anfang 
April 49 im Auftrage des Senats zu Pompejus begeben sollten, mit dem 
sonst nur auf die Boten im internationalen Verkehr angewandten Aus- 
drucke oratores^) bezeichnet. Es war hiermit klar ausgesprochen, daß 
Cäsarianer und Pompejaner sich nicht mehr wie zwei demselben Gemein- 
wesen angehörige bürgerliche Parteien, sondern wie zwei miteinander 
Krieg führende Staaten gegenüberstanden. 

Zu diesen Tatsachen, die an Cäsars Ächtung keinen Zweifel mehr 
bestehen lassen, kommen aber auch ausdrückliche Zeugnisse hinzu. In 
einer von Appian dem Pompejus in den Mund gelegten Ansprache, die 
er nach Vollendung der im Sommer 49 in Griechenland und im Orient 
veranstalteten Rüstungen an die Senatoren, die Ritter und das ganze 
Heer gehalten haben soll, wird ein Beschluß erwähnt, durch welchen 



Quo tenditis ultra? 

Quo feriia mea signa, viri? si iure vemtis, 

Si cives, huc vaque licet. 
Einen guten Kommentar hierzu bietet das lediglich zur Erklärung dieser 
Stelle ersonnene decretum RuUcmis, das zur Zeit, als Cäsar den Fluß zu über- 
schreiten gedachte, an dem Tor von Ariminuni in Marmor eingemeißelt gewesen 
und folgendermaßen gelautet haben soll: imperator sive miles sive tiro armatus 
quisquis sistito veocillum armaque deponito nee intra hunc amnem arma signave tra- 
ducito et, si quis contra fecerit, hostis diiudicabitur populi Bomanif ac si arma 
contra patriam tulerit penatesque deos abstulerit (C J. L. XI 30). 

1) Aus dem nämlichen Grunde wünschte Cicero im Februar 43, daß M. An- 
tonius zum Landesfeind erklärt würde. Vgl. Phil VIH 4: nolimus hoc bellum 
videri. quam igitur municipüs et coloniis ad excludendum Äntonium auctoritatem 
damus? und dazu A. Nissen, Das Justitium, Leipzig 1877, S. 78 und 84. 

2) Cic. Att, XI 6, 6: omnes enim, qui in Italia manserant, hostium numero 
habebantur, 

3) Dio XLI 18, 5, Att. X 1, l (3. April 49): (puto) iam actum aliquid esse in 
consessu senatorum — {senatum) enim non puto. ad. fam. lY 1, 1 fin. (April 49): 
atque ipse antea ad te scripsissem te frustra in senatum sive potius in conventum 
senatorum esse venturum, ni veritus essem .... 

4) Att. X 1, 3: mihi wnnino non venit in mentem^ qtute possit actio esse de pacc, 
.... nisi forte iste nummarius (der ältere Baibus) ei potest persuadere, ut, dum 
oratores eant et redeant, quiescat. Über die Bedeutung des Ausdruckes oratores 
vgl, Paul Diac. p. 183 M.: oratores ex Oraeco agt^r^geg dicti, quod missi ad reges 

35 



340 L. Hdzapfd, 

Cäsar zum Landesfeind erklärt worden war.O Im Einklang hiermit 
steht eine Angabe Dios, wonach Pompejns und Cäsar beide die Angehörigen 
der Gegenpartei als Vaterlandsfeinde bezeichneten. 2) Es ist demnach 
anzunehmen, daß Cäsar nach dem Scheitern des Anfang April 49 unter- 
nommenen Friedensversuches auch seinerseits einen die Gegenpartei 
ächtenden Senatsbeschluß herbeiführte. 

Diesem Sachverhalt entspricht die Tatsache, daß Cäsarianer und 
Pompejaner in der Darstellung Cäsars sowie auch bei Appian und Dio 
vom Standpunkte der Gegenpartei als hostes (nokäfiioi) bezeichnet werden.^) 
Besondere Beachtung verdient eine von Appian wiedergegebene Ansprache, 
welche Cäsar an die bei Ilerda gefangen genommenen Pompejaner 
gerichtet haben soll. Cäsar bediente sich hier nach den Worten, die ihm 
in den Mund gelegt werden, absichtlich der Anrede hostes^ um darauf 
hinzuweisen, daß die Pompejaner auf die Schonung ihres Lebens, die 
ihnen gewährt worden sei, keinerlei Anspruch gehabt hätten.^) Auch 
von Livius wird im Sinne der Cäsarianischen Partei der Pompejaner und 
von dem älteren Plinius umgekehrt Cäsar als hostis bezeichnet.^) Ebenso fehlt 
es bei Cicero nicht an Stellen, an denen dieser Ausdruck in Hinsicht auf beide 
Parteien gebraucht wird.^ Endlich mag noch bemerkt werden, daß 
auch Pompejns selbst in einem am 19. Februar 49 an die Konsuln 
gerichteten Schreiben seinen Gegner, der damals Corfinium belagerte, 
hostis nennt. ^ 

Ein Teil der soeben angezogenen Stellen könnte nun allerdings seine 
Beweiskraft verlieren, wenn der Ausdruck hostis wie unser Wort „Feind" 



nationesque deos solerent agäa^aij id est testari, und Varro bei Non. p. 529 M. s. v. 
faetiales: priusquam indicerent bellum iis, a quihus iniurias facias sciebanty faetiales 
legatos res repetitum mittebant qiMttwyr, qms oratores vocabant. Als Belege für den 
Gebrauch des Wortes in dem angegebenen Sinne mögen, abgesehen von zwei bei 
Festus p. 182 M. zitierten Stellen aus Cato, noch Cic. Jiar. resp. 34 (Gutachten der 
haruspices) und rep. II 14 (oratrices pacis ac foederis) sowie Liv. I 38, 2 fDeditions- 
formel) IX 43,21. 45,18. XXIV 33, 5 angeführt werden. 

1) App. b. C. II 50: ov vfjttig fiev iy^rfificaad^e eivai 7io?.efjiiov. 

2) Dio XLI 17, 3. 

3) Caes. 5.C, 1 72,5. III 3, 1. 72,3. App. 6. c. II 47, 67. Dio XLI 8, 1. 

4) App. h c. II 43. 

5) Vgl. Liv. fr. 32 Hertz (aus der Schilderung der Sclilacht bei Pharsalus): 
primus hostem percussit .... Gaivs Crastinus, Plin. n. ä. VII 117 (von Cicero): ut 
dictator Caesar hostis qwmdam tuw de te scripsit, omnium triumphorunt laurea maior, 

6) Cic. Att VIII 1, 4 (von Pompejus): quiy cum omnes Caesarem metuebamus, 
ipse eum diligebat; postquam ipse metttere coepit, putat amnis hostis Uli oportere esse, 
pro Mareen. 13 (von Cäsar): nam cum M, Marcellwni deprecantibus vobis rei publicae 
conservavit , , , . et item rei publicae .... reliquos amplissimos viros .... reddidit, 
• . . . tum nie hostis induodt in curiam, sed iudicavit a plerisque igtioratUme potius 
et falso atque inani metu quam cupiditate ant crudelitate bellum esse susceptun. 

7) Cic. Att. VIII 12 a, 3: non est nobis committendum, ut . . , > Iiostis decedere 
aui in itinere me consequi possit. 

30 



Die Anfänge des Bürgerkrieges etvischen Cäsar und Pampejus, 341 

auch in rein militärischem Sinne aufgefaßt werden könnte. Diese An- 
nahme wird jedoch ausgeschlossen durch die von dem Konsul Hirtius und 
dem Legaten Galba über die Ereignisse des Mutinensischen Krieges er- 
statteten Berichte, in denen jene Bezeichnung in Hinsicht auf M. Antonius, 
der damals noch nicht geächtet war, geflissentlich gemieden wird.^) 
Andrerseits tritt die rein staatsrechtliche Bedeutung des Wortes hastis 
darin klar hervor, daß Cicero dessen Anwendung auf die Antonianer in 
einem nach der Schlacht bei Mutina an M. Brutus gerichteten Schreiben 
mit ihrer soeben erfolgten Ächtung motiviert. 2) 

Unsere Untersuchung hat zu dem Ergebnis geführt, daß der Beschluß, 
durch welchen Cäsar zu einem Landesfeind erklärt wurde, an dem näm- 
lichen Tage erfolgte, an dem der Senat das decretum tumulius faßte und 
Pompejus die Stadt verließ (17. Januar). Es liegen auch Angaben vor, 
die diesen Sachverhalt bestätigen. Lucan und Orosius, die beide von 
Livius abhängen, lassen das bellum mit dem genannten Zeitpunkt be- 
ginnen. ''^) Die gleiche Auffassung findet sich in dem wahrscheinlich auf 
PoUio zurückgehenden Berichte Plutarchs, in welchem als ein Symptom 
der bei den Pompejanem herrschenden Panik die Unterlassung der von 
den Konsuln vor einem Kriege üblichen Opfer hervorgehoben wird.*) Die 
große Bedeutung des 17. Januar ist ferner daraus ersichtlich, daß Cato 
seit diesem Tage getrauert haben soU.^) Berücksichtigt man alle diese 
Momente, so kann kein Zweifel daran bestehen, daß auch bei Cicero, 

1) Über den Bericht des Hirtius, in welchem von einigen im Januar 48 über 
Antonius erlangten Vorteilen die Rede war, vgl. Cic. Phil VIII 6: nan hostis est 
iSj cuius praesidium Ciatema deiecit Hirtius; non est hostis, qui consuli armatus 
obstitit, designatum consulem (D. Brutnm) oppugnat, nee illa hostilia verba nee bellica 
quae paulo ante ex conlegae litteris Pansa recitavit: „deieci praesidium, Ciatema potitus 
suntf fugati equites; proelium commissum; occisi aliquot", quae pax potest esse mawr? 
Aus dieser Argumentation erhellt deutlich, daß Cicero den Ausdruck Jtostis in dem 
Schreiben des Hirtius nicht gefunden hat und lediglich darauf angewiesen ist, die 
in diesem Bericht mitgeteilten Tatsachen zugunsten seiner Auffassung zu ver- 
werten. Der Legat Galba gab in einem an Cicero gerichteten Schreiben (Cic. 
fam. X 30) vom 16. April 43 eine ausfuhrliche Schilderung der Schlacht bei Forum 
Gallorum, in der die feindlichen Truppen zweimal als Antoniani (§ 3), dagegen 
nirgends als host es bezeichnet werden. 

2) Cic. Brut, I 3b (27. April 43): reliquias hostium Brutus persequitur et Caesar, 
hostes autem cmnes iudicati, qui M, Äntonii sectam secuti sunt. In antizipierender 
Weise werden die Antonianer als hostes bezeichnet Cic. Biil XIV 26, doch 
geschieht dies erst, nachdem Cicero seine Auffassung mit den Worten necesse est 
eoSj qui re sunt hostes, verbis notari, sentenMis nostris hostis iudicari (§21) gerecht- 
fertigt hat. 

3) Oros. VI 16: et quidem eo die hoc bellum actum est, quo Fompäus pater ab 
urbe bellum gesturus aufugerat. Lucan. I 488 if.: sedibus exiluere patres, invisaque 
belli I consulibus fugiens numdat decreta senattM. 

4) Plut. Bon^. 61: oi 6h xmaroi /zriSh d^haavreg a vofjLiCßtai ngo nolffiotv f<fvyov. 

5) Plut. Cat, 58. 

87 



342 L. Holzapfel, 

wenn er in einem an Pompejus gerichteten Briefe den Ausbruch des 
lellum vor der Ankunft der Gesandten L. Piso und L. Roscius^) bei 
Pompejus (23. Januar) stattfinden läßt^), dieses Wort in staatsrechtlichem 
Sinne zu fassen ist. 

Nachdem einmal der Senat Cäsar und seine Anhänger für Staats- 
feinde erklärt hatte, war es formell durchaus gerechtfertigt, daß sich 
Pompejus nach dem Siege bei Dyrrhachium von seinen Soldaten als 
imperator begrüßen ließ. ^) Mit der Annahme dieses Titels war die Auf- 
fassung deutlich ausgesprochen, daß der Gegner nicht als Bürger, sondern 
als hostis zu betrachten sei.*) 

Auch in sonstiger Hinsicht machte die Ächtung, welche die beiden 
kriegführenden Parteien über einander verhängt hatten, ihre Wirkungen 
geltend. Wer zum hostis erklärt wurde, verlor mit dem Bürgerrecht auch 
den Aiispruch auf Schonung seines Lebens, sowie sein Vermögen.^) Auf 
das Zurechtbestehen dieses Grundsatzes wies Pompejus hin, als er sich 
nach dem Beginn des Feldzuges in Griechenland weigerte, auf die von 
Cäsar angeknüpften Unterhandlungen einzugehen. Er sprach hierbei die 
Besorgnis aus, daß durch seine Rückkehr nach Italien der Anschein ent- 
stände, als ob er Leben und Bürgerrecht der Gnade seines Gegners 
verdankte.^) Der Senat der Pompejaner hatte allerdings während seines 
Aufenthaltes in Thessalonica auf einen von Cato gestellten Antrag den 
Beschluß gefaßt, daß kein Römer außer in der Schlacht getötet und keine 
untertänige Stadt geplündert werden sollte.^) Labienus kümmerte sich 
jedoch nicht darum, sondern brachte das Kriegsrecht in seiner vollen 
Strenge zur Anwendung, indem er die bei Dyrrhachium gefangenen 
Veteranen Cäsars niedermetzeln ließ.^) Auf einen Frieden konnten sich 
nach seiner Ansicht die Pompejaner nur dann einlassen, wenn ihnen 
Cäsars Kopf überbracht würde. 9) Bibulus ging sogar soweit, die Insassen 
eines nicht mit Soldaten bemannten und einem Privatmanne gehörigen 
Schiffes, das von Brundisium nach Oricum gefahren war, ohne Unterschied, 
ob es Freie oder Sklaven, Erwachsene oder Kinder waren, sämtlich hin- 



1) S. S. 8. 

2) Att. VIII Ud, 7: inde suscepto hello, cum pacis condiciones ad te adferri . . . 
vid^em. 

3) Caes. 6. c. Ill 71, 3. Dio XLI 52, 1. 

4) Vgl. CiG. Fhil XIV 24 (nach 'der Schlacht bei Forum Gallorum, nacli 
welcher Hirtius, Pansa und Oetavian von ihren Soldaten als Imperatoren begrüßt 
worden waren): imperatores eos appello: hoc ipso nomine et eos, qui iam devicii sunt, 
et eo8, qui supersunty hostis iudico. 

5) Daß die Güterkonfiskation mit der Ächtung Hand in Hand ging, zeigt 
das Verfahren gegen Sulla (App. K c, I 73) und die Antonianer (Gic. fam. X 21, 4. 
Dio XLVI 39, 3). 

6) Caes. 6. c. TU 18, 4. 7) Flut. Cat. 53. Pomp. 65. 
8) Caes. b. c. III 71, 4. 9) Caes. b. c. Ill 19, 7. 



Die Anfänge des Bürgerkrieges zmschen Cäsar und Pompejiis. 343 

richten zu lassen.^) Es kam hier also der Grundsatz, daß nicht bloß 
die erklärten Anhänger Cäsars, sondern überhaupt alle in Italien Zurück- 
gebliebenen als Staatsfeinde zu betrachten seien ^), zur vollen Geltung. 

Wäre Cäsar bei Pharsalus unterlegen, so wäre seinen Anhängern auch 
die Konfiskation ihrer Güter, die die Pompejaner in der sicheren Er- 
wartung des Sieges bereits unter sich verteilten'^), nicht erspart geblieben. 
Nach seiner Rückkehr aus dem Orient hat alsdann Cäsar seinerseits die 
Besitzungen des Pompejus nnd verschiedener Anhänger desselben einziehen 
und versteigern lassen*), in welchem Verfahren Appian ganz richtig die 
Anwendung des dem Landesfeinde gegenüber zur Geltung kommenden 
Kriegsgesetzes erblickt.^) Daß Cäsar nicht schon früher das Vermögen 
seiner Gegner einzog, scheint seinen Grund in der auch während des 
Feldzuges in Griechenland immer noch festgehaltenen Hoffnung auf einen 
friedlichen Vergleich^ gehabt zu haben. In der Behandlung der in seine 
Gefangenschaft geratenen Pompejaner zeigte er, indem er ihnen sowohl 
bei Derda') wie bei Pharsalus®) Leben und Freiheit beließ, eine weit- 
gehende Milde, die mit dem Verhalten der Gegenpartei in wohltuender 
Weise kontrastiert. 

Auffallenderweise wird in Ciceros Briefen, die unmittelbar nach dem 
17. Januar geschrieben sind, weder das decretum ttimultus noch die 
Ächtung der Cäsarianer erwähnt. Dies hat wohl darin seinen Grund, daß 
seine Gedanken sich in erster Linie mit der Flucht aus Rom beschäftigten, 
die er auf das Entschiedenste mißbilligte.^) 

Mit dem Abzüge der Pompejaner nach Griechenland (17. März 49) 
war nach der Auffassung der Cäsarianischen Partei, die jetzt Italien in 
unbestrittenem Besitz hatte^ der Tumult beendigt. Demgemäß legte die 
Bürgerschaft in Rom statt des seit dem decretum tumuUtis getragenen 
Kriegsmantels ihre Friedenstracht wieder an.*^) 

Nach Nissens*^; Ansicht, der sich 0. E. Schmidt ^2) anschließt, soll 
erst mit der Verlegung des Krieges in die Provinzen das bellum im staats- 

1) Caes. 6. c. III 14, 3. 2) Vgl. S. 35 Anm. 2. 

3) Caes. h. c. ni 82, 4. 

4) Cic. Phil 11 64 ff. Flut. Äntan. 10. Suet Caes. 56. Dio XLII 50, 5. 

5) App. b. c V 79; t?jv öh zov Mayvov TCEQiOVoiav o *Avxojvtoq ia>vriTO vofjtw 
TimQaaxofjttvrjv ojg noXefiiov. 

6) Caes. h, c. Ill 10 ff., 15—18, 19, 57. 

7) Caes. 6. c. I 841f. Dio XLI 23, 1. App. 6. c. II 48. 

8) Caes. 6. c. III 98, 2. Dio XLI 62, 3. Flut Ca«. 46. 

9) Alt VII 10 (18. Januar): ita mm perturhatus temeritate nosiri amentüsimi 
consilii, 11, 3 (19. Januar): quäle tibi consilium Pömpei videtur? hoc qiioero, qmd 
urbem reliqtberiU ego enim anoQw. tum nihil absurdius, urbem tu reliitqtuis? ergo 
idem, si Galli vemrent . . . 

10) Dio XLI 17, 1. 11) Sybels hüt, Zeitschr,, Bd. 46, 1881, S. 51 flf. 

12) 0. E. Schmidt, Der Briefwechsel d^ M. Tullius Cicero, S. 21. Bh. Mus, 
Bd. 47, 1892, S. 268. 

3P 



344 L. Hdsapfel, 

rechtlichen Sinne begonnen haben. Nissen geht hierbei aus von der 
Voraassetzong, daß der Bürger unter Waffen in den Provinzen sich dem 
hastis gleichstelle und nicht als Landsmann behandelt zu werden brauche. 
Man darf hiergegen wohl die Frage aufwerfen, ob diese Erwägung nicht 
in gleichem oder noch in höherem Maße zutrifft gegenüber einer in Italien 
selbst die Regierung bekämpfenden Armee. Das entscheidende Moment 
war ohne Zweifel in beiden Fällen die Beurteilung der Sachlage von 
Seiten des Senats. So lange kein Beschluß dieser Körperschaft vorlag, 
durch welchen der sich gegen die Regierung erhebende Bürger zum hostü 
gestempelt wurde, konnte von einem bellum im staatsrechtlichen Sinne 
keine Rede sein. Was Cäsar betrifft, so ist der Senat gegen ihn in 
gleicher Weise vorgegangen, wie gegen Catilina, der nach seiner Abreise 
zu der für ihn in Etrurien gesammelten Armee dem Schicksal der Ächtung 
anheimfiel. ^) 

Nissen glaubt allerdings seine Ansicht darauf stützen zu können, 
daß nach der Auffassung der Alten am 17. März 49, an welchem Pom- 
pejus von Brundisium nach Griechenland übersetzte, das beUum civiU 
begonnen habe. Als Beleg hierfür wird eine Angabe Plutarchs angeführt, 
wonach Pompejus an diesem Tage zum Kriege ausgezogen sein soU.^) 
Es liegt aber auf der Hand, daß es sich hier nicht um das bellum in 
seiner staatsrechtlichen Bedeutung, sondern nur um den Krieg im mili- 
tärischen Sinne handeln kann, zu welchem die Ereignisse in Italien 
lediglich ein Vorspiel bildeten. Daß die Alten den Anfang des beUum 
mit der Flucht der Pompejaner aus Rom (17. Januar) zusammenfallen 
ließen, war zu entnehmen aus einer bereits (S. 37 Anm. 3) zitierten Angabe 
des Orosius, den Nissen mit Unrecht eines Irrtums beschuldigt. 

Wir lassen nunmehr noch eine Übersicht der Resultate folgen. Als 
am 17. Januar die Einnahme Anconas in Rom bekannt wurde, faßte der 
Senat auf Betreiben des Pompejus, der noch am nämlichen Tage die 
Hauptstadt verließ, das decretum tumultus (vgl. S. 25 ff.) und erklärte 
gleichzeitig Cäsar und seine Anhänger für Landesfeinde (vgl. S. 32 ff.), 
in deren Zahl man nach der Überfahrt nach Griechenland alle diejenigen 
einschloß, die in Italien zurückgeblieben waren (S. 35). Nachdem 
Cäsar sich Anfang April 49 in Rom der Regierung bemächtigt hatte und 
ein von ihm unternommener Friedensversuch an jenem Beschluß gescheitert 
war (S. 34), traf die Pompejaner das gleiche Schicksal (S. 36). Dem- 
gemäß haben beide Parteien gegen einander von dem Kriegsrecht Gebrauch 
gemacht, wobei jedoch Cäsar ungleich größere Milde walten ließ (S. 38). 

Die Kriegsvorbereitungen der Pompejaner wurden schon gegen das 
Ende des Jahres 50 dadurch eingeleitet, daß der Konsul C. Marcellus 
dem Pompejus eigenmächtig das Kommando über die beiden von Cäsar 

1) S. oben S. 32 Aum. 9. 2) Plut. Caes, 56. 

40 



Die, Anfänge des Bürgerkrieges zwischen Cäsar und Pompejus, 345 

für den Partherkrieg abgetretenen Legionen, die sich in Capua befanden, 
und zugleich die Befugnis, neue Truppen auszuheben, übertrug. Diese 
Maßregel, welche Cäsar als das initium tamultus betrachtet, muß spätestens 
Anfang Dezember getroffen worden sein. Pompejus eilte sodann von 
Rom nach Capua und fährte von doli; die Legionen nach Apulien in 
Winterquartiere (S. 29 ff.). Nachdem am 14. Januar Cäsars Ankunft 
in Ariminum nach Rom gemeldet worden war, stellte Cato im Senat den 
Antrag, daß Pompejus zum Oberbefehlshaber mit unbeschränkter Befugnis 
ernannt werden sollte, doch erhielt er diese Machtstellung erst, nachdem 
die Konsuln des Jahres 49 ihr Amt niedergelegt hatten (S. 27 ff.). 

m. 

Die Pompejaner verlassen Rom und Italien. 

Wir haben bereits (S. 25 ff.) gesehen, daß bei Plutarch {Pomp. 60 ff., 
Caes, 33) die Flucht der Pompejaner aus Rom auf eine durch Cäsars 
Vorrücken verursachte Panik zurückgeführt wird, die es Pompejus un- 
möglich gemacht haben soll, nach eigenem Ermessen zu handeln. Mit 
Plutarch stimmt Appians Bericht (6. c. H 36), der augenscheinlich aus 
der nämlichen Quelle stammt, überein. Hiernach waren es die Konsuln, 
welche Pompejus gegen seine eigene Überzeugung antrieben, Rom zu 
verlassen, weil es sogleich erobert würde, und in Italien Aushebungen 
zu veranstalten. 

Im Einklang mit diesen Berichten betrachten Nissen ^), Ihne^) und 
Stoffel 3) die Preisgabe der Hauptstadt als ein Resultat der allgemeinen 
Bestürzung. Diese Ansicht ist jedoch nicht zu vereinigen mit der sich 
aus Ciceros Korrespondenz ergebenden Tatsache, daß schon vor dem Aus- 
bruche des Bürgerkrieges von Pompejus nicht bloß der Abzug aus Rom, 
sondern auch die Räumung Italiens in Aussicht genommen worden war. 

Wir ersehen dies zunächst aus dem Anfang Mai 49 an den Cäsarianer 
M. Cälius Rufus gerichteten Briefe fam. II 16. Es heißt daselbst (§ 3): 
deinde sententiam meam tu facillime perspicere potuisti tarn ab illo tempore^ 
cum in Oumanum mihi ohviam venisti: non enim te celam sermonem 
T. Ampii; vidisti^ quam abhorrerem ab urbe relinquenda^ mm audissem. 
nonne tibi adfirmaviy quidvis me potius perpessurum quam ex Italia 
ad bellum civile eociturum? Die Zusammenkunft, von der hier die 
Rede ist, kann nur auf Ciceros Rückreise aus Cilicien stattgefunden haben, 
mit der sie auch von Drumann^) und 0. E. Schmidt^) in Verbindung 
gebracht wird. Am 9. Dezember war Cicero auf dem Trebulanum des 

1) Sybels hiat Zeitschr., Bd. 46, 1881, S. 99. 

2) Rom, Gesch., Bd. 6, S. 567 if. 

3) Eist de Jules CAar, Guerre civile, Bd. 1, S. 7, 33. 

4) Böm. Ge-sch, IP 352 ff. h) Der BHefwechsel des M. Tullius Cicero, S. 94 ff. 

PcItrÄge J5. alton Geaclilchto IV 3. 23 

41 



346 L. Holzapfel, 

Pontius^), das sich zwischen Pompeji und Benevent befunden haben muß 2), 
und hatte sodann am 10. Dezember in Capua eine Zusammenkunft mit 
Pompejus, der sich am 6. noch vor den Toren Roms aufgehalten hatte, 
nunmehr aber nach Capua gekommen war, um das Kommando über die 
beiden von Cäsar abgetretenen Legionen zu übernehmen (S. 31). Er 
wird daher auf seinem Cumanum^ wo er mit Cälius zusammentraf, wahr- 
scheinlich an einem der nächsten Tage angelangt sein. Pompejus hatte 
demnach bereits damals dem mit ihm selbst wie auch mit Cicero befreundeten 
T. Ampius Baibus 5), der ihm nach Capua gefolgt*) und dort Cicero 
begegnet zu sein scheint, von seiner Absicht, Rom und Italien aufzugeben, 
Mitteilung gemacht. Ciceros Ausdmcksweise non te celavi sermonem 
T. Ampii legt indessen den Gedanken nahe, daß dieser Plan anderen 
Personen noch geheim gehalten werden sollte. Die alsbald von Pompejus 
bewerkstelligte Überführung der beiden Legionen von Capua nach Apulien 
(S. 31) hat jedenfalls darin ihren Grund, daß der Rückzug nach Griechen- 
land schon zu jener Zeit ins Auge gefaßt war. 

Daß die Absicht, Italien preiszugeben, von vornherein bestand, sagt 
Cicero auch geradezu in dem am 27. Februar 49 an Atticus gerichteten 
Briefe VIII 11, 2: nee vero ille (Pompeius) urbem reliquit^ quod eam ttieri 
non posset, nee Baliam, quod ea pelleretur^ sed hoc a primo cogitavit^ 
omnis terrasy omnia nuxria movere^ reges barbaros nicttare, gentis feras 
armatas in Baliam adducere^ eccercitus conficere maximos. Pompejus war 
hiemach gesonnen, Italien später mit den im Osten zu sammelnden 
Truppen zurückzuerobern, auf welche Absicht von Cicero auch anderweitig 
hingewiesen wird.^) Der Gedanke, Rom aufzugeben, tritt femer noch 
Ende Dezember 50 in zwei Briefen an Atticus zutage.^) Die Annahme 



1) Äit VII 3, 12. 2) S. S. 30, Anm. 7. 

3) Vgl. Pauly- Wisse wa, RE, I 1978 ff. 

4) Im Februar 49 war er daselbst mit Aushebungen beschäftigt (Att VIII Hb, 2). 

5) Att X 8, 4 (2. Mal 49): navigahit igitur, cum erit tempus, maximis classibm 
et ad Italiam accedet. Vgl. S. 51, Anm. 4. IX 10, 3 (18. März 49): me, quem non 
nulli amservatorem istius urbiSy quem parentetn esse dixertmt, Qetarum et Armeniorum 
et Cokhorum copias ad eam adducere? 

6) In dem bereits S. 20, Anm. 1 erwähnten Berichte Ciceros über die Unter- 
redung, die er am 26. Dezember mit Pompejus in Formiä hatte {Att. VII 8, 41!*.), 
lolgt auf die abschließenden Worte quid multa? non modo non expetere istam pacem, 
8ed etiam timere vistis est die Bemerkung: ex illa autem sententia l relinquendae urbis 
movet hominem, ut puto. In der sehr verschieden gedeuteten Abkürzung t steckt 
wahrscheinlich, wie Boot vermutet, das Wort infamia. Auf diese Stelle hat bereits 
Nissen a. a. 0. S. 75 Anm. 1 hingewiesen, ohne sich jedoch von der Darstellung 
Plutarchs und Appians emanzipieren zu können. Die zweite Stelle findet sich 
in einer Betrachtung, welche Cicero In dem am 27. Dezember auf dem Formianum 
geschriebenen Brief Att. VII 9, 2 über die verschiedenen politischen und militärischen 
Eventualitäten anstellt: suscepto autem hello (cum) aut tenendn sit urhs aut ea relicta 
ille oommeatu et reliquis copiis intercludendus. 

42 



Die Anfänge des Bürgerkrieges ^mischen Cäsar und Pampejus. 347 

Mommsens (Rom. Oesch. Ell« 394), daß Pompejus ursprünglich den 
Feldzug zugleich von Italien und Spanien aus in den beiden Gallien 
offensiv habe führen wollen, muß mithin als irrtümlich bezeichnet werden. 

Der Schilderung Plutarchs und Applaus, wonach die Kunde von 
Cäsars Vorrücken in Rom Schrecken und Bestürzung verursachte, wird 
man allerdings den Glauben nicht versagen dürfen, und zwar um so 
weniger, als dies von Dio und Cäsar bestätigt wird.^) Für Pompejus' 
Vorhaben, Rom aufzugeben, konnte aber die allgemeine Panik nur förderlich 
sein. Am meisten war dies der Fall, wenn er selber davon ergriffen 
und an der Möglichkeit, die Hauptstadt länger zu halten, zu verzweifeln 
schien. 2) 

Die Angabe Appians, daß die Konsuln Rom als unhaltbar betrachtet 
und deshalb Pompejus zur Flucht veranlaßt hätten, entbehrt keineswegs 
einer tatsächlichen Unterlage. Der Konsul Lentulus soll ja durch ein 
falsches Gerücht von Cäsars Herannahen derart in Schrecken versetzt 
worden sein, daß er sich nicht einmal Zeit dazu nahm, der Anordnung 
des Senats gemäß den für Zeiten der äußersten Not aufgesparten Reserve- 
fonds des Staatsschatzes (aerarium sanctius) aus Rom zu entfernen.^) 
Bei Pompejus' Gewohnheit, andere in seinem Interesse wirken zu lassen*), 
ist es sehr wohl möglich, daß er zunächst die Konsuln, denen es zukam, 
die Verhandlungen des Senats einzuleiten, den Abzug aus Rom beantragen 
ließ. In der Debatte ist er alsdann, wie aus den Berichten Appians und 
Ciceros hervorgeht, mit großem Nachdruck dafür eingetreten. Es verlohnt 
sich, die von beiden Autoren mitgeteilten Äußerungen in ihrem Wortlaut 
wiederzugeben. 

Nach Appian spottete Favonius über Pompejus' frühere Behauptung, 
daß er nur auf den Boden zu stampfen brauche, um Legionen erstehen 
zu lassen, und erhielt hierauf die Antwort: l'j€ie, Sv inaxokov9rjr€ fxot 
xal /4^ dsivcnf Tfy^a&e r^r 'Pdfiriv dnoXmsTVj xtu ei TTpf ^IrakUtv im xg 
^PwixTß derjaeteiK ov yaq rä %mqia xal rä ohnjfxa%a tffv duvafMV rj n^v 
ilev&eQiav elvai %otg av^QaCiv^ aXXä rovg ävögag^ oTtij nor' av anfi/if^ exstv 
ravta <Svv iavtoXq' äfivvofjihovg d^ävakrjyjecd^av xal tä olxi/liAata. Bei 
der Lektüre dieser Stelle wird man sich sofort erinnern an die Worte, 
mit denen Perikles bei Thukydides (1 143, 5) die Athener zur Preisgabe 
Attikas zu bestimmen sucht: Tijr %e oXofpvqaiv fifj olxiwv xcu yijg {xQrj) 
noiela&ai, dlla jdv croo/iaTcor' ov yäq toSb xovg aviqagj aiX oi avdgeg 
tav%a xmvra^. 



1) Dio XLI 6, 6. Caes. 6. c 1 14, 1, wo irrigerweise die Flucht aus Rom 
mit der Einnahme Auximums in Verbindung gebracht wird (vgl. S. 15). 

2) Att IX 10, 2: vidi hominem XIV iKal^ Febr. plenum formidinis. 

3) Caes. b. c. I 14, 1; vgl. Dio XLI 6, 3 ff. 

4) Drumann, Rom. Qesch. IV 545 ff. 

43 



348 L. Holzapfel, 

Es wäre nun nicht ausgeschlossen, daß Appian oder der Autor, aus 
welchem er schöpft i), sich einen Thukydideischen Gedanken angeeignet 
und Pompejus in den Mund gelegt hätte. Ein anderer Sachverhalt ergibt 
sich jedoch, wenn man CicQros Mitteilungen ins Auge faßt. Wir ver- 
danken dieselben einem Briefe an Atticus (VII 11), der unter dem frischen 
Eindrucke der entscheidenden Senatsverhandlung des 17. Januar auf der 
Reise von Rom nach Forraiä am 19. Januar geschrieben ist. 2) Es wird 
hier ein Zwiegespräch wiedergegeben, das in dieser Senatssitzung zwischen 
Cicero und Pompejus stattgefunden hat: urhem tu relinquas? ergo idem, 
si Oalli venirent. „«oti e8t^\ inquit, „in parietibtis res publica^^ at in 
aris et focis. ,yfecit Themistodes, fluctiim enim totüis barbariae ferre urbs 
nna non poterafK at idem Pericles non fecit, annum post quinqttagensimum, 
cum praeter moenia nihil teneret, {et) nostri olim urbe reliqu^ capta arceni 
tarnen retinuerunU Cicero hat demnach die Preisgabe Roms im Einklang 
mit der auch sonst in seinen Briefen^) hervortretenden Anschauung auf 
das Entschiedenste mißbilligt, Pompejus jedoch diese Maßregel durch den 
Hinweis auf das Verhalten des Themistokles während der persischen 
Invasion zu rechtfertigen gesucht. Die Worte non est in parietibus res 
publica erinnnem nun einesteils an die schlagfertige Abfertigung, welche 
Themistokles nach der Räumung Athens dem ihn deshalb als einen 
änohg dv^rjQ bezeichnenden Korinthier Adeimantos widerfahren ließ*), 
enthalten aber andernteils auch den bei Appian vorkommenden Thuky- 
dideischen oder Perikleischen Gedanken ov ra x^Q^^ >^al rä olxrj^cna tf^v 
dvva^iv Tj T^v ilev&SQiav elvai rolg dvögaaiv, dkXa tovg avSgag, onri nor 
av mcw, exsiv ravta (fvv iavrolg.^) Während nun Pompejus sich eines 
Perikleischen Arguments bedient, um den Senat nicht bloß zur Flucht 
aus Rom zu bestimmen, sondern ihn auch mit dem Gedanken an eine 
eventuelle Preisgabe Italiens vertraut zu machen, beruft sich Cicero 
seinerseits darauf, daß Perikles keineswegs daran gedacht habe, Athen 
dem Feinde zu überlassen. 

Die Vergleichung der von Appian und Cicero gegebenen Berichte hat 
demnach gezeigt, daß Pompejus im Senat nicht bloß mit Energie den 



1) Komemaon, FhilologuSy 1904 S. 148 ff. 

2) Vgl. 0. E. Schmidt, Der Briefwechsel des M. Tullius Cicero, S. 114 ff. 

3) AU. VII 8, 5 (vgl. S. 42 Anm. 6). 10. 13a, 1 (=^ 13, 1). 21, 1. VIII 2, 2. 
3, 3. 8, 1. 11 d, 6. IX 2b, 2 (= IX 2a, 2). 

4) Herod. VIII 61. 

5) Noch etwas näher kommt den Worten non est in parietibus res publica eine 
Stelle aus einer anderen bei Appian (11 50) eingelegten Rede, welche Pompejus 
nach Vollendung seiner Rüstungen in Griechenland gehalten haben soll: xa} 'A^tj- 
vatoi TTjv nbkiv i^^XinoVj (J avSgsg, vnhg iXevd'eQiccg tote ^Tiiovai noXefiovvxegy oi 
xä olxfjfxara noXtVj aXXa tovg avdgag elvai vofiiCpvxBg. In Übereinstimmung mit 
diesem Gedanken behaupteten M. Brutus und C. Cassius, nachdem sie im Jahre 44 
Italien verlassen hatten, der Staat sei da, wo sie sich selber befanden (Vell. II 62. 3). 

44 



Die Anfänge des Bürgerhieges zwischen Cäsar und Pompejus. 349 

Abzug aus Rom betrieben, sondern auch diese Maßregel und ebenso die 
eventuelle Preisgabe Italiens durch den Hinweis auf das Beispiel eines 
Themistokles und Perikles und unter Benutzung der von diesen Feldherrn 
selbst ausgesprochenen Gedanken gerechtfertigt hat. Ein solches Auftreten 
ist nicht das eines Mannes, der durch die Ereignisse überrascht wurde, 
sondern läßt vielmehr die geschickte Ausnutzung einer Situation erkennen, 
die der Ausführung der eigenen Pläne förderlich war. Auch sonst 
erscheint in Ciceros Briefen die Flucht aus Rom durchaus als das Werk 
des Pompejus^), während von den Konsuln, welche nach Appian diese 
Maßregel betrieben haben sollen, nirgends die Rede ist. 

Was nun die Preisgabe Italiens betrifft, so wird dieser Plan von 
Cicero in dem die Senatsverhandlung des 17. Januar vor Augen führenden 
Briefe Att. VH 11 allerdings nicht ausdrücklich erwähnt; doch kann man 
aus anderen Briefen entnehmen, daß Pompejus an dem genannten Tage 
auch von dieser Eventualität gesprochen hat. Es erhellt dies zunächst 
aus Att IX 10, 2 (18. März 49): vidi hominem XHII (Kai) Febr. plenum 
formidinis: illo ipso die sensi quid ageret Auf die Preisgabe Roms 
kann sich diese Bemerkung nicht beziehen; denn mit diesem Gedanken 
hatte sich Cicero, wie seine Briefe an Atticus vom 25. und 27. Dezember 
des J. 50 zeigen 2), bereits hinlänglich vertraut gemacht, und es ist wohl 
auch bei seiner Zusammenkunft mit Pompejus in Formiä, unter deren 
unmittelbarem Eindruck jene beiden Briefe geschrieben sind, davon die 
Rede gewesen. Die Absicht, auch Italien aufzugeben, hielt dagegen 
Pompejus Cicero gegenüber, der hiervon nur durch Ampius Baibus Kenntnis 
erhalten hatte (S. 41 ff.), noch geheim 3), und es konnte daher noch 
zweifelhaft erscheinen, ob er wirklich zur Ausführung dieses Planes 
schreiten würde. Dagegen beweisen die nach dem 17. Januar von Cicero 
und Atticus gewechselten Briefe, daß man seit diesem Tage auch die 
Räumung Italiens ernstlich in Betracht zog*), und dienen demnach der 



1) Vgl. die S. 44 Anin. 3 zitierten Stellen. 

2) Vgl. S. 42 Anm. 6. 

3) Dies gellt hervor aus einem Schreiben Ciceros an Pompejus vom 
27. Februar 49 (Äff. VIII Ud, 8): mea quae semper fuerit sententia, primum de pace 
vel iniqua condicione reiinenday deinde de urhe — nam de Italia nihil mihi qui- 
dem umquam ostenderas — , meminisse te arbitror. 

4) Äit VII 10 (18. Januar): omneSj si (Gnaeus) in Italia consiatat, erimiM una, 
sin cedetj comilii res est, 12, 4 (22. Januar): scrihe aliquidy et maxime, si Pompeius 
Italia cedit, quid nobis agendum putes. 17, 1 (2. Februar): de pueris in Grae- 
dam transportandis tum cogitabam, cum fuga ex Italia quaeri videbatur: nos enim 
Hispaniam peteremus, womit auf 13 a, 3 (22. Januar, vgl. S. 12 Anm. 7): itaque de 
Ciceronibus nostris dubito quid agam; nam mihi interdum amandandi videntur in 
Graeciam Bezug genommen wird. Was Attikus betrifft, so hat derselbe in seinen 
vom 21. bis zum 25. Januar an Cicero gerichteten Briefen die Räumung Italiens 
nicht weniger als viermal zur Sprache gebracht (IX 10, 4 ff.). 

45 



Inntei'.zr^ ApvlAiL». woca^h PiCip<^7» in 4?r der FjKht aas Rftn tot- 

Best^i^rin^^ I» Annahme XLitäens nzid Sc^^feL«. daä der Senat erat 
!>p4ti^ Ton iK^ä^tn Plane Kenn^Ls ^riialren habest, ersefa^mt michin 
onhaithar cnd wird aherd:«» wirferi^ durch I»>5 Berirhi. wooadi <Se 
Pomp<^jaii«r r>h sehoa inr Zeil. aL? ^e Rom Terliefien. mit dem Gedanken 
Tfrtrzax mai^hteii. ihre Wohnsitze in Jtaced«jniefi and Thrarien xo nehmefL 
weil sie Pompeji»' Abeicfat wohl kannteiL-i 

P'rai^efl wir nan naeh den Gründen, weiche Pompejis dazu bestmunt 
haben miVeen. noeh ror dem Be^'nn der Feindseligkeiten nicht bloB den 
Abziur ans Rom. «ondem aach die Bäaman^ Italiens ins Auge zn 
so sind hieifor ohne Zweifel in erster Linie mllitarisehe 
maßgebend gewesen. Pompeji» hatte aiierdiaz? einige Zeit ror dem 
Anübrneh des Krieges, als man die Befärehtnne änfierte. daß bei einem 
Anigiff Cäaars auf die Stadt keine Truppen zor Abwehr zur Yerfo^mg 
.ständen, die «tolze Änßemn«^ getan, er braoehe nor an einem briiebigen 
Pankte Italien.^ auf den Boden za stampfen, am FnßToIk und Röterei 
beTT<nwatfa.«en zn lassen, ^i Bei seiner großen Popularität, die erst neuer- 
dings naeh seiner Genesung ron schwerer Krankheit an allen Orten, die 
er berfthrte, in glanzenden Freudenbczeigungen zutage getreten war^). 
durfte er wohl hoffen, daß man überall seinem Rnfe gerne Folge leisten 
wttrde: doch hatte er sich, wie sieh bereits bei den im Dezember äO 
reranstalteten Aushebungen herausstellte^), hierin getäuscht. Im uMgen 
war. auch wenn alles gfinstig ron statten ging, längere Zeit erforderlich, 
um die Rekruten zu sammeln, zu bewaffnen und zu organisieren, und 
auch dann waren sie Cäsars altgedienten Soldaten bei weitem nicht 
gewachsen. Allerdings verfugte Cäsar beim Ausbruche des Krieges zunächst 
nur Ober die 13. L^on. die zum Ersatz für die bisher im diesseitigen 
Gallien stehende, jedoch für den Krieg mit den Parthem abgegebene 
15. Legion dorthin geschickt worden war.^) Es war indessen das Ein- 
treffen ansehnlicher Verstärkungen in kurzer Zeit zu erwarten. Pompejus 
konnte hiergegen, da die spanische Armee wegen der weiten Entfernung 
einstweilen nicht in Betracht kam, Torläufig an gedienten Soldaten nur 
die beiden Ton Cäsar abgetretenen Legionen aufbieten, welche aber als 
durchaus unzuverlässig betrachtet werden mußten ^), da sie die Anhänglich- 



1) Nissen a. a. 0. S. ir>4. Stoffel a. a. 0. S. 34. 2) Die XLI 7, 3. Vgl S. 11. 

3) Flut P&n^. 57, vgl. 60 und App. h. c. II 37. 

4) Plot P&mp. 57, Die XLI 6, 3. 

5; Plut. Pomp. 59. Über den Widerwillen der Rekmten vgl. außerdem Flut. 
Cot, Min. 52. Cic. Ätt. VII 14, 2. 21, 1. 

6) 6. c. I 7, 7; vgl. 6. Gall VIII 54, 3. 

7) Auf diesen Funkt wird sowohl von Pompejus selbst (Cic. AU. VIII 12a, 2. 
I2c, 4. 12d, ly, wie auch von Cicero (Att. VII 13a, 2. 20, I) wiederholt hingewiesen. 

4ö 



Die Anfänge des Bürgerkrieges zwischen Cäsar und Pompyus. 351 

keit an ihren früheren Feldherrn, von dem sie beim Abschied bedeutende 
Geldgeschenke (250 Denare für den Mann) erhalten hatten^), noch bewahrt 
haben mochten. 2) Es war demnach bei einem energischen Vordringen, 
Cäsars wenig Aussicht auf einen erfolgreichen Widerstand in Italien vor- 
handen, und es erschien daher vollkommen gerechtfertigt, die Entscheidung 
zu vertagen, indem man sich nach Griechenland oder nach Spanien 
zurückzog. 

Nach Plutarch^) soll der Legat Appius, der die beiden von Cäsar 
abgetretenen Legionen nach Italien führte, Pompejus die Mitteilung gemacht 
haben, daß Cäsars Truppen, sobald sie die Alpen überschritten hätten, 
zu ihm übergingen. Pompejus habe dieser Versicherung Glauben geschenkt 
und deshalb die notwendigen Rüstungen unterlassen. Im Einklang hiermit 
steht Cäsars Darstellung, wonach Pompejus zu Beginn des Jahres 49 im 
Senat die Äußerung tat, er wisse bestimmt, daß Cäsars Soldaten ihrem 
Feldherrn abgeneigt seien und nicht dazu beredet werden könnten, ihn 
zu verteidigen oder ihm auch nur zu folgen.^) Nachdem wir gesehen 
haben, daß Pompejus schon vor dem Ausbruch des Bürgerkrieges die 
Räumung Italiens in Aussicht genommen hatte, können derartige Illusionen 
bei ihm selbst unmöglich vorausgesetzt werden. Dagegen ist es sehr wohl 
möglich, daß Appius bei seiner Ankunft in Rom den baldigen Abfall der 
Cäsarianischen Armee in Aussicht gestellt und hiermit in den Kreisen 
der Republikaner vielfach Glauben gefunden hat. Nach Plutarch^) soll 
er gesagt haben, Pompejus selbst kenne seine eigene Macht und sein 
Ansehen nicht {aitov de Jlofxnriiw aneiqmq i^Biv tijg avtov dwafxetog xcA 
So^rig). Ein Nachhall dieser Äußerung liegt vor in einem Briefe Ciceros 
an Atticus vom 8. Februar 49 {AU. VTI 21, 1), worin Pompejus wegen 
seines Mangels an Mut und Tatkraft aufs schärfste getadelt wird: Onaeus 
miiem naster — o rem miseram et incredibilem! — ut totus iaceti nan 
animus est, non consHiumy non copiae, non diligentia; mittam i72a, fugam 
ab urhe turpissimam^ timidissimas in oppidis contiones^ ignorationem 
non solum adversarii, sed etiam suarum copiarum. Wieland faßt in 
seiner Übersetzung die letzten Worte so auf, daß Pompejus weder von 
der überlegenen Stärke seines Gegners, noch von der Schwäche der eigenen 
Streitkräfte Kenntnis gehabt hätte, während sie im Zusammenhang mit 



)) Plut. Caes. 29, Pomp. 56, App. h. c. II 29. 

2) Später muß es Pompejus gelungen sein, diese Truppen für sich zu gewinnen; 
denn bei Pharsalus hielt sein linker Flügel, der ausschließlich aus den von Cäsar 
abgegebenen Legionen gebildet worden war, dem feindlichen Angriff tapfer stand 
(Caes. b. c. III 93, 2 ff., vgl. 88, 1). 

3) Plut. P&n^. 57, vgl. Caes. 29. 

4) Caes. b. c. I 6, 2: cognitum compertumque sibi, aUeno esse animo in 
Caesarem milües neque iis posse persuaderi, ut eum defendani aut sequantur tandem. 

6) Pomp. 57. 

47 



352 L. HoUapfd, 

dem gegen ihn erhobenen Vorwarf der Mutlosigkeit nor im umgekehrten 
Sinne verstanden werden können. Der vorher gerügte Mangel an Truppen 
hat nach Ciceros Ansieht lediglieh darin seinen Gnind, daß Pompejns in 
seiner Untätigkeit von den ihm in reichem Mafie zu Gebote stehenden 
Mitteln keinen Gebranch gemacht hat. 

So gerechtfertigt nun aber anch der Pompejanische Kriegsplan in 
seinem Grandgedanken erscheint, so kann doch die Frage aufgeworfen 
werden, ob es notwendig war. bereits am 17. Januar, wo die Verhandlungen 
des Senats mit Cäsar im Gange waren und man der baldigen Bockkehr 
der Gesandten entgegensah (vgl. S. 10), die Hauptstadt zu veriassen. 
Das falsche Gerücht, daß Cäsars Reiterei bis nach Mevania und Namia 
vorgedrungen sei '), mag wohl in Bom einen gründlichen Schrecken ver- 
breitet haben, konnte aber einen kriegserfahrenen Feldherm wie Pompejns. 
dem es durch die am 14. Januar nach Bom gelangten Gesandten (vgl. S. 10) 
bekannt sein mußte, daß Cäsar einstweilen nur über eine einzige Legion 
verfügte, schwerlich außer Fassung bringen. Eine unmittelbare Gefahr 
lag überhaupt nicht vor, so lange sich Cäsar nicht Picenums bemächtigt 
hatte. In dieser Landschaft hatte Pompejns Grundbesitz und weit reichende 
Beziehungen, durch die es ihm im Jahre 83 ermöglicht wurde, binnen 
kurzer Zeit drei Legionen für Sulla zu werben.^) Gelang es nun wiederum, 
dort rasch eine Armee zu sammeln, so mußte Cäsar zunächst von einem 
Angriff auf Bom absehen, um nicht von seinen rückwärtigen Verbindungen 
abgeschnitten zu werden.-^) So hat auch Pompejns selbst die Sachlage 
beurteilt. Den Beweis hierfür liefert nicht nur ein um den 25. Januar 
an Cicero gerichtetes Schreiben, in weichem er den Senatoren die Aussicht 
eröffnete, daß sie nach Bom zurückkehren könnten, wenn er in Picenum 
angelangt sei^; sondern auch sein Verhalten in Hinsicht auf den Staats- 
schatz. Nachdem der Konsul Lentulus am 18. Januar bei seiner in 
panischem Schrecken erfolgten Flucht aus Bom das als Beservefonds des 
StaatsschatzoH dienende aerarium sanctii^^ das er nach dem Beschlüsse 
des Senats dem bereits vorausgeeilten Pompejus überbringen sollte, zurück- 
gelassen hatte (vgl. S. 43), wäre es wohl möglich gewesen, das Ver- 
säumte an einem der nächsten Tage nachzuholen. Pompejus suchte dies 
jedoch erst Anfang Februar zu bewirken, nachdem ihm Cäsars unauf- 
haltsames Vordringen in Picenum gemeldet worden war, konnte nun 
aber die Ausführung seines Wunsches wiederum nicht erreichen, weil 

1) Lucan. 1 469 0"., vgl. Cae8. 6. c. I 14, 1. 

2) Flut iWip. 6. Äpp, h, c. I 80. VeU. H 29, I. Dio fr. 107 Dind., vgl. 
Diod. XXXVIII 9, Liv. Per. LXXXV. 

3) Auf diese Möglichkeit weist Cicero hin AH. VII 9, 2 (27. Dez. 50): sHscepto 
autem hello (cum) aut tenenda sit urbs aut ea relicta Ute commecUu et religuis copiis 
intercludendus. 

4) AU. VII 16, 2. 

48 



Die Anfänge des Bürgerkrieges zwischen Cäsar %vnd Pompejus. 353 

der zuvor so ängstliche Konsul Lentulus es noch ffir möglich hielt, einem 
weiteren Vorrücken Cäsars mit Erfolg entgegenzutreten, zu welchem Zwecke 
sich Pompejus seiner frtLheren Ankündigung gemäß nach Picenum begeben 
sollte. 1) Auch Cicero war der Ansicht, daß erst durch die Preisgabe 
Picenums der Weg nach Rom freigegeben worden sei. ^) Vorher scheint 
er einen Anmarsch Cäsars nicht befürchtet zu haben; denn es findet sich 
in den in diese Zeit fallenden Briefen an Atticus nirgends eine Anfrage, 
ob sich die Gerüchte über das Herannahen der feindlichen Reiterei (S. 48) 
bestätigt hätten. Gleichwohl hielt es Cicero nicht für angemessen, die 
Staatsgelder bis zum Eintritt der äußersten Gefahr in Rom zu belassen ^), 
was auch von Pompejus später zugegeben wurde.*) 

Da nun militärische Gründe Pompejus nicht dazu bestimmt haben 
können, Rom schon am 17. Januar aufzugeben, so müssen für seinen 
Entschluß andere Erwägungen maßgebend gewesen sein. Dies wird in 
der Tat vorausgesetzt in dem aus einer vorzüglichen Quelle geflossenen 
Bericht, welchen wir Dio verdanken. Der Abzug aus Rom steht hier 
mit Cäsars Vorrücken in keinerlei Zusammenhang, sondern es wird viel- 
mehr gesagt, Pompejus habe in der Besorgnis, bei den zwischen dem 
Senat und Cäsar geführten Verhandlungen den kürzeren zu ziehen, noch 
bevor die Gesandten zurückgekehrt seien, die Stadt verlassen und den 
Senat und die Magistrate aufgefordert, ihm zu folgen (S. 9 ff., 13). Man 
glaubt aus diesem Bericht die tiefe Enttäuschung herauszulesen, die sich 
der Republikaner bemächtigte, als sich mit der Flucht aus Rom die 
Regierung auflöste und so außer stände war, die mit Cäsar begonnenen 
Verhandlungen zu Ende zu führen. Wie der weitere Verlauf der Dinge 
zeigte, hatten jetzt Pompejus und die bisher als entschiedene Gegner Cäsars 
aufgetretenen Konsuln die Entscheidung allein in der Hand und beantworteten 
demgemäß die ihnen am 23. Januar in Teanum unterbreiteten Anerbietungen 
Cäsars sofort nach ihrem Gutdünken, ohne zuvor die in Capua versammelten 
Senatoren um ihre Meinung zu fragen (S. 4). Am 25. erhielten diese 
allerdings ebenfalls Gelegenheit, ihre Ansicht zu äußern (S.*5), doch war 
dieselbe in keiner Weise bindend, da die aus Rom geflüchteten Senatoren 
jetzt nicht mehr einen Senat, sondern ein den Feldherrn zur Seite stehendes 
consilium^) bildeten, dessen Rat wohl eingeholt werden konnte, aber nicht 
befolgt zu werden brauchte. 0) 

1) Vgl. die S. 8 Anm. 3 ziüerte SteUe AU. VII 21, 2. 

2) ÄtL VIII 3, 4 (um den 20. Febr.): non ager Ficenua amisms? non pate- 
factum iter ad urhem? 

3) Att. VII 15, 3 (25. Jau.): svmiis eaitn flagiiiose imparati cum a militibtis tum 
a pecunia, quam quidem omnem, non modo privatam, quae in urhe est, sed etiam 
puUicam, quae in aerario est, Uli reliquimu8. 

4) Att IX 2b, 2 (7. März): me putat (Pompeiua) . ... de pecunia .... plus 
vidisse quam se. 

5) Vgl. S. 28 Anm. 10. 6) Mommsen, R. Staatsr. V 293. 

49 



354 L. Holzapfel, 

Die Flucht aus Rom brachte demnach für Pompejus gerade in der 
Zeit, in der Unterhandlungen zwischen Cäsar und dem Senat geführt 
wurden, einen großen politischen Vorteil mit sich. Bei längerem Verbleiben 
in der Hauptstadt war dagegen das Zustandekommen eines für Cäsar 
günstigen Beschlusses zu befürchten, wozu weit mehr als seine eigene in 
der Minorität befindliche Partei die Sorge der Mehrheit um ihren Besitz 
und ihre persönliche Sicherheit beitragen mußte. Dieser Gesichtspunkt 
tritt auch zutage in der später an Cäsar gerichteten Aufforderung, seine 
Truppen aus den in Besitz genommenen Städten zurückzuziehen, damit 
sich der Senat ohne Furcht in Rom versammeln und über die in Frage 
kommenden Bedingungen beratschlagen könnte.^) Hatte man aber einmal 
Rom aufgegeben, so konnte leicht in der Stimmung ein Umschwung ein- 
treten, was nach Ciceros Zeugnis auch tatsächlich geschehen ist.^) Augen- 
scheinlich war Pompejus, indem er die Hauptstadt verließ, auch von der 
Absicht geleitet, die zwar republikanische, aber doch friedhch gesinnte 
Majorität des Senats zu einem entscheidenden Schritte fortzureißen. 3) 
Dieses Streben gibt sich deutlich kund in seiner Drohung, die Zurück- 
gebliebenen als Anhänger Cäsars, d. h. als Landesfeinde (vgl. S. 34), 
betrachten zu wollen. Tatsächlich hat es Pompejus erreicht, daß die 
Mehrzahl der Senatoren mit ihm die Hauptstadt verließ. Es befanden 
sich darunter sogar solche, die bisher zu den entschiedenen Anhängern 
Cäsars gezählt hatten.^) 

Als Ziel des Rückzugs war, wie die im Dezember 50 bewerkstelligte 
Überführung der beiden von Cäsar abgetretenen Legionen von Capua nach 
Apulien erkennen läßt, von vornherein Griechenland ausersehen (S. 42). 
Nachdem man jedoch Rom verlassen hatte, wurde in den Kreisen der 

1) Cic. fam, XVT 11, 3; vgl. S. 4. 

2) Att, VIT 11, 4 (19. Januar auf der Reise von Rom nach Formiä), wo nacli 
Wiedergabe der Äußerungen, mit denen Cicero am 17. Januar im Senat den von 
Pompejus gefaßten Plan bekämpft hatte (S. 44), folgendes Zugeständnis gemacht 
wird: nirsus autem ex dolore munidjxili sermonibvsque eonim, qtws conuenw, videtur 
lioc consilium exitum (einen günstigen Erfolg) hahiturum: mira hominum querel^i est 
— nesdo istic, aed fades ut aciam — , sine fnagistratihus urbem esse^ sine senatu; 
fugiens denique Pompeius mirahiliter homines movet: quid quaeris? alia 
cama facta est; nihil iam concedendum putant Caesari. 

3) Dieser Gedanke kommt auch zum Ausdruck Att, VIII 2, 3 (17. Febr.): 
vagamur egentes cum coniugihus et liheris . . . non eocpulsi, sed evocati ex patria, 
ebenso bei Lucan II 575 in den von Pompejus an Cäsar gerichteten Worten: heu 
demens! non te fugiunt, me cuncta secuntur. 

4) Plut Caes, 34. Zu den bisherigen Cäsarianem, die sich an der Flucht 
aus Rom beteiligten, gehörte Cäsars Schwiegervater L. Piso (Konsul 58). Vgl. 
Cic. fam, XIV 14, 2 (28, Jan.); Lahienus rem meliorem fecit; adiuvat etiam Piso, quod 
ab urbe discedit et sceleris condemnat generum suum. Später kehrte er jedoch zurück 
und suchte Anfang April 49 für das Zustandekommen eines Vergleichs zu wirken 
(Dio XU 16, 4). 

50 



Die Anfänge des Bürgerkrieges stoischen Cäsar und Rmpejus. 355 

Republikaner der Gedanke erwogen, ob es, ungeachtet der fflr eine weite 
Seefahrt ungünstigen Jahreszeit'), nicht rätlicher wäre, sich nach Spanien 
zu begeben^), wo sich außer einer neuerdings im Lande selbst ausgehobenen 
Legion sechs alte italische Legionen mit zahlreichen Hilfstruppen befanden^) 
und einem Angriff Cäsars mit einiger Aussicht auf Erfolg entgegengetreten 
werden konnte. Pompejus selbst vermochte sich indessen mit einem 
solchen Plane wenig zu befreunden; denn seine Absicht war vielmehr 
darauf gerichtet, vermöge der Verbindungen, die er im Osten besaß, 
daselbst umfassende Rüstungen zu veranstalten und mit einer gewaltigen 
Flotte Italien auszuhungern.^) 

Die Uneinigkeit über die weitere Kriegführung war wohl die Ursache, 
weshalb Pompejus, statt seinem ursprünglichen Vorhaben gemäß sofort 
zu den beiden in Apulien liegenden Legionen zu eilen ^), zunächst am 
22. Januar mit den Konsuln in der abseits von seiner Reiseroute^ 
gelegenen Sidicinerstadt Teanum zusammenkam, wo sich am nämlichen 
Tage auch der von Cäsar zu den Republikanern übergetretene Legat 
Labienus einfand.^ Derselbe sprach sich mit großer Bestimmtheit dahin 



1) Der 17. Januar, an welchem Pompejus Rom verließ, entsprach nach dem 
julianischen Kalender dem 30. November. 

2) AU. VII 17, 1 (2. Febr.): de ptieris in Graedam transportandis tum cogitabam, 
cum fuga ex Itälia quaeri videbatur, nos enim Sispaniam peteremus (ich hätte mich 
nach Spanien gewendet); illü hoc aeque aymmodum non erat Es wird hier Bezug 
genommen auf den am 22. Januar geschriebenen Brief VII 13 a, 3: (Cicerones) 
mihi interdum amandandi videntur in Graeciam, 

3) Caes. h. c. I 85, 6. Cic ad fam. XVI 12, 4, wo die Rekrutenlegion als 
minderwertig nicht mitgerechnet wird. 

4) Att. X 8, 4 (2. Mai 49): cuius omne consilium Themistocleum est; existimat 
enimy qui mare teneat, eumnecesse iesse} verum poiiri. itaque numquam id egit, 
ut Hispaniae per se tenerentur; navalis apparatus ei semper antiquissima cura 
fuit, navigabit igituTj cum erit tempus, maodmis classibus et ad Italiam accedet. Mommsens 
Annahme, daß Pompejus nach Spanien habe gehen wollen und hieran vielleicht 
durch das Mißtrauen der Aristokratie gegen die spanischen Truppen und die 
spanische Bevölkerung gehindert worden sei (Bäm, Gesch. III 394). wird durch 
diese Stelle widerlegt. Über die Aushungerung Italiens vgl. Att. IX 7, 4 
(13. März 49): primum consilium est suffocare urhem et Italiam fame und namentlich 
IX 9, 2 (17. März): in quo (hello) tanta vis sceleris futura est, ut . . . nostri principes 
antiquissimam et sanctissimam parentem, patriam, fame necandam putent. atque hoc 
non opinione timeOj sed interfui sermonilms: omnis haec classis Aleocandria, Coldiis, 
Tyro, Sidone, Arado, CyprOy Famphyliaf Lycia, Bhodo, Chio, Byzantio, Lesbo, Zmyma, 
Mileto, Coo ad intercludendos commeatus Italiae et ad occupandas frumentarias provincias 
compariUur. Von der Aufbietung barbarischer Truppen ist Att. VIII 11,2 (S. 42) 
und IX 10, 3 und von Pompejus' Beziehungen zu fremden Volkerschaften bei Die 
XLI 10, 3 die Rede. 

5) Att VII 12, 2 (22. Januar): ille iter Larinum; ibi enim cohortes et Luceriae 
et Team*reliquaque in Apulia. 

6) Der direkte Weg hätte über Anagnia und Casinuro nach Venafrum geführt, 
wohin Pompejus später erst von Teanum aus gelangte (Att. VII 13 b, 3). 

7) Att. VU 13 b, 8. 

51 



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Ä^^rf/.^t^r.^f-^n r>*ri *l<rn in ',-4pja vtrr^aii^riAtritijrn Strüj'.'.r*::; *T:ui.'iea hities .S. 'jy 
'.ärtar •'-tzt >/, /. I Vj. 1 irrisj^r WeL?« \vrax-. da-* PoihitJ'^ von R-m nach Lai»aa 
y<rre.«t vri '.'i. 3, 5,, «el' he Anna^x/r:'? av:L in li'rr LivianL^rhcu Tradition fc^ 
L j'^n. II 31« ff. üD«i ^^i App. ^. r. II äT K-tr-r-riTTirt- Btri Appian vcrbindrt a«-li 
hiermit «Ifrf »eit«:re Irrtum, da** »i« h «lie brrii-n vöh (.äaar aL-f?*rlret«rLtrc L^givnen 
nvJi lü Capua l^fuD«J»rn Lält*:D. Di»? lur^trLanf der g»:Laant^rn Aulonrn i^i 
f'TTj'irhin a^/^rgetraogfro iu .Nitz-H:li.^ OtJerh. d^r rötA. Repuhlik. lier*iii>^T«rel:«en von 
Thouret II 254^^, «orin Capfia aL» Haupt«iiurti'?r de» Pumj^ju- trr>-.ht:inl. 
7y il/t VII 15, 3: viri. 1»;, L'. 



Die Anfänge des Bürgerkrieges zwischen Cäsar und Pontpejus. 357 

dessen sich dieser Offizier bisher in der Cäsarianischen Armee erfreut 
hatte J), schien wohl Aussicht vorhanden zu sein, daß es ihm gelänge, 
die beiden von Cäsar abgetretenen Legionen für die Republikaner zu 
gewinnen. In dieser Erwartung schrieb Pompejus bald nach seiner 
Abreise an Cicero, er werde in wenigen Tagen ein zuverlässiges Heer 
haben, und gab der Hoffnung Raum, daß man nach Rom zurückkehren 
könnte, wenn er selbst in Picenum angelangt wäre. 2) Die Besetzung 
dieser Landschaft war schon früher von Cicero befürwortet 3), von Pompejus 
jedoch aus dem Grunde abgewiesen worden, weil ihm die dortigen Ver- 
hältnisse nicht bekannt seien.*) Wahrscheinlich setzte Pompejus auf die 
Gesinnung der Bevölkerung, die Cäsar bei seinem Einmarsch mit großem 
Entgegenkommen aufnahm^), weniger Vertrauen als seine Parteigenossen. 
Seine Bedenken traten aber jetzt zurück, da er an den beiden von 
Cäsar abgegebenen Legionen bald einen sicheren Rückhalt zu haben 
glaubte. 

Am 5. Februar erhielt Cicero in Capua die Mitteilung, Pompejus 
befände sich in Luceria und besuchte die Kohorten jener beiden Legionen, 
die nicht sonderlich zuverlässig seien. ^) Das Vertrauen auf das Ansehen 
des Labienus hatte sich hiermit als ungerechtfertigt erwiesen. "^ Da sich 



1) Cic. /bt». XVI 12, 4 (27. Januar): maximam autem plagam accepit (Caesar), 
qiwd ü, qui summam atictoritaiem in illitts exercitu habehat, Titus Labienus, socius 
sceleris esse noluit Welches Vertrauen Labienus bisher bei Cäsar genossen hatte, 
geht daraus hervor, daß er den Oberbefehl über die gesamten in Gallien befind- 
lichen Streitkräfte erhielt, so oft sich Cäsar nach Italien begab (Die XLI 4, 3; 
vgl. Caes. b. G. I 10, 3. VIII 23, 3). Im Jahre 50 wurde ihm das Kommando im 
diesseitigen Gallien übertragen (VIII 52, 2), wodurch er zu der daselbst stehenden 
15. Legion, die Cäsar bald nachher fiir den Krieg mit den Parthern abgab (6. G. 
VIII 54, 3;, in nähere Beziehnng trat. 

2) Att VII 16, 2 (28. Januar): qui quidem ad me scribit paucis diebus se finnum 
exerdtum habiturum spemque adfert, si in Picenum agrum ipse venerit, nos Bomam 
redituros esse. Wieland und Drumann (12^. Qesch, III 429) fassen firmum exerdtum 
iiTtümlich in der Bedeutung „ein zahlreiches Heer*. 

3) Att IX 2b, 2 (7. März): me putat (Pompeius) . . . de Piceno occupando 
plus vidisse quam se. 

4) Att VII 13a, l (22. Januar): dtuc quam aargatiiyriroc, tu quoquc animad- 
vertis, cui ne Picena quidem nota fuerint 

5) Caes. b. c. I 13, I. 15, Iflf.; vgl. S. 6. 

6) Att VII 20, 1: Ghnaeus autem Luceriae dicebatur esse et adire cohortis kgianum 
Appianarum, non firmissimarum, womit Pompejus' eigene spätere Äußerungen 
(Att, VIII 12a, 2. 12c, 2 und 4. 12d, 1) zusammenzuhalten sind. Der resultat- 
lose Versuch, die beiden Legionen zu gewinnen, spiegelt sich bei Lucan II 530 ff. 
wieder in einer vergeblichen Ansprache, die Pompejus nach der Kapitulation von 
Corfinium an seine Truppen richtet. Über die Bezeichnung legiones Appianae 
s. S. 52 Anm. 6. 

7) Att. VIII 2, 3 (17. Februar): Afranivm exspectabimus et Petrdum, nam in 
Lahieno parum est dignitatis. 

53 



im ißiSßx Wahrry^.ni'sr« r.'.-^ ^iinz^.rirjf^ s'/er Cäiar? ra»f:<!S V:<drir 
;fl P>«iiX2B f^selhöL «o war t:-- cia aa d5e F>f^etzs::£ des 
fsT F'^^fßt';^ hff^fil'ßSStiL^ Sa^f&^-V & -^ d^Mr d^r» dn Tois- 
trf'jcaKti C. Caasns« ö^ is Cap:2a w^Cr&in Kocsds ac?:nkra. das is 
R/jfB \m me» mimm mmctim zarädL^eiaasüt:^ G^l-i iS. 4.5 . dessa BcresBS 
jetit kfiatm Asfieh^b mdlir d:^d€te. fs Sc^^öerfe*!! za brin«em.-i In 
Capoa wiL^ ii:d€^>fi« aa dem Taee. an wei^thefn Casni« afilansie 
il, y^hnunK z^ier CI^kto. den lK>Iah€-IIa acf des Lanfesdea eriiieh. 
Boeli nfemacd. dafi Reeniisi reriomi*! und dazu ac<^h Boa se&kidei 
war. Far Pompe;:»- der dcrrli seine frahere Ankondiniie sn!>£^ 
Hofnoiumi enreria hane. war es wohl zo niederdrsfkecd. diese Tatsache 
ohne weiteres eüiziisi»tefaeii. So antwortete iLm denn der Ko!KiiI LentoLiif. 
er mdeiite usn^tM 3e-Ib<t naefa I^ee&oni eCen^i. wie er dies znror in 
AsAisiefat ve^Unlx hatte. Anf diese Weise blieben die Gelder in Bom und 
ff-Ien naefaher Cäsar al« Beme anheim.^j 

Da C^ksan Tmppen mittlerweCe dorth das Einireffen der 1^. Legion 
rerstarkt worden waren ^i. konnte es sieh für die Bep:iblikaner nur noch 
dämm handeln, ihre Streitkräfte «o raseh wie moeilch ans ItaÜen heran^ 
zuziehen. Pompejns zdeerte niehL seine Maßreeein in diesem Sinne za 
treffen. Wie ans seinen Briefen erhellt, standen am 1^. Februar von 
den beiden Legionen, (he Cäsar abgetreten hane. bloß noeh 14 Kohorten 
in Loeeria. während die nbrieen 6 Kohorten teils naeh Canusinm. teils 
naeh Bnmdisiam roranseesehiekt waren, um den Böekzoe zo siehem.^^ 
An die Konsuln hatte Pompejos bereits nm den 12. Februar den Leeaten 
D. Lälins gesandt mit d^ Anfiordenme. daß der eine zo ihm seihst 
kommen, der andere daeeeen mit den im Gebiet von Capoa gesammelten 
Tmppen and einer Ton Faostas SoLa anseehobenen Leeion sieh nadi 



I, Den Ee«*ri'* hierfür li^rrrt Af^. Vn ?». i 5. Ftbroar, wo unter dem 
Eib'lnirk der von Lii<:eria i^d^omnieneo Xa/rh richten die >e:t längerer Zeit nicht 
mehr #Tonerte Frei*4?%J;« Italiens »>«L S. ö± Anm. 4, zum er>-ten Mal nieder in 
Betra^Jit jtezozen wir-l: ^sgo a^trm im Italia x€u *?« rfrr»>(f'-rf > . . ., tim extra. 
ffifid agof In d*rm f'.i2end*^n Briefe Att. VII :?!. i i*. Febmar; htri^ es gar: 
tfnhi 4»/^/'»frn tWM 'rrnf. 'f¥>n iU^ Xae?»ary iam iatf**tu^ forft in Af^'^a. Gmaem4 moif^r 
ip nari, 

t, Aft. VFI iL i, Z, Ebenda. 

A) Ebenda. Der von Cicero nicht mit Namen genannte Konsul kann nnr 
l>rrjtula<» g*rwe«en *>ein, dem nach dem Tumos in den geraden Munaten die 
Oe^'!iaflsffnhning zakam. 

'3; Flut C4i*m. 35- App. 6. c. II 41. Dio XU 17. 1 ff. 

•;, Cae*. h. r. I 15, 2. 

1, Vgl Att. Vni 12c, 2 ^Schreiben des Pompejns an Dömitius Tom 1^ Febr. : 
Aüy/M« ex omnihM oppidis amtrahere crjpiojs czpedit, ne receptum oMittam. itaqme 
mm amptiut XIIII cohartis Luceriam coegi mit 3, 7 [am den ^». Februar : Brmm- 
dijrimm Scipicnfm cum cohoriihm» dwcbwiS praemiserat 'Pompeius und 12a. 2 iSchreiben 
lies Fomp**juft an di#f Konsuln \*jm ly. Februar. : ex q¥ihns Jeginnibusl tamm ikm 

54 



Die Anfänge des Bürgerkrieges zwischen Cäsar und Pompejus, 359 

Sicilien begeben sollte J) Bei der Verteidigung dieser Insel, deren Besitz 
für die von Pompejus geplante Aushungerung Italiens (S. 5i) von großer 
Wichtigkeit war, sollten ferner noch mitwirken 12 Kohorten unter dem 
Prokonsul L. Domitius Ahenobarbus, die von diesem selbst im Grebiet der 
Marser und Peligner und in Alba am Fuciner See ausgehoben worden 
waren und sich zur Zeit noch in dieser Gegend befanden. Alle übrigen 
Truppen sollten in Brundisium zusammengezogen und von da nach 
Dyrrhachium übergesetzt worden. 2) Die Okkupation Siciliens mußte 
jedoch aufgegeben werden infolge der Katastrophe, die die Armee des 
Domitius ereilte. 

Im ganzen verfügte Domitius über 31 Kohorten. Zu seinen eigenen 
12 Kohorten hatten sich nämUch nach dem Verluste Picenums noch 19 
weitere gesellt, von denen 14 in dieser Landschaft selbst von Vibullius 
Rufus und 5 in Camerinum von Lucilius Hirrus für Pompejus gesammelt 
worden waren. 3) Unter dem niederschmetternden Eindruck, den Cäsars 
rasches Vordringen in Picenum hervorrief, war Domitius anfänglich 
gesonnen, mit seinen eigenen 12 Kohorten und den 14 des Vibullius am 
9. Februar von Corfinium aufzubrechen und sich mit Pompejus in 
Luceria zu vereinigen, wohin später auch die vermutlich noch nicht 
herangekommenen 5 Kohorten des Hirrus folgen sollten.^) Bald ließ er 
jedoch diesen Plan wieder fallen, wozu ihn allem Anschein nach die 



ampUus XIV cohortis contrahere potui, quod < duas > Brtmdisium misi neque Camtsium 
sine praesidio, dum abessem, piitavi esse dimittendum. Auf Canusium kamen dem- 
nach 4 Eohorteo. 

1) Att VIII 12a, 3. 3, 7. Vgl. Sternkopf, quaest chron., S. 50 ff. 

2) Att. VIII 12a. 3. Ober das Gebiet, in welchem Domitius seine Truppen 
ausgehoben hatte, s. Caes. b. c. I 15, 7, wo jedoch ihre Stärke irrigerweise auf 
20 Rohorten angegeben ist. Vgl. die folgende Note. 

3) Die obigen Zahlen beruhen auf Pompejus' eigenen Angaben {Att. VIII 
12a, 1, vgl. IIa, wo nach Boots Vermutung die für die Kohorten des Domitius 
überlieferte Ziffer XI mit Wesenberg, Tyrrell und Müller der ersten Stelle gemäß 
in XII zu emendieren ist). Mit Recht gibt 0. E. Sclmiidt, Der Briefweclael des 
M. Tullius Cicero I 132 if., diesen Angaben den Vorzug vor Cäsars Darstellung, 
welche von Ihne, Böm. Gesch., VI 572, und Stoftel, Eist, de Jules C4sar, Querre 
civile I 226 ff., als maßgebend betrachtet wird. Basiner, De hello civili Caesariano, 
pars I 51 ff., bemüht sich vergebens, die beiderseitigen Angaben in Einklang zu 
bringen. Die 12 Kohorten des Domitius stecken auch Att. VII 24 (10. Februar) 
in der handschriftlichen Lesart: Domitium non habere militum vim. Man hat für 
vim eingesetzt III M, womit sich jedoch Appians Angabe, daß Domitius 4000 Mann 
gehabt habe (6. c. II 32, 38), nicht verträgt. Paläographisch liegt am nächsten 
VI M. Der Gedanke ist alsdann der, daß die 12 Kohorten die sich bei der Be- 
rechnung einer Kohorte zu 500 Mann ergebende Summe von 6000 Mann nicht 
erreichten. Appians Angabe, daß Domitius die genannten 4000 Mann schon bei 
seinem Aufbruch von Rom bei sich gehabt habe (6. c II 32), beruht auf einem 
Irrtum (s. oben AnuL 2). 

4) Att VIII IIa, vgl. 12b, I. 

55 



360 L. Holzapfel, 

Kampflust der eigenen Truppen') und die ünterschätzung der feindlichen 
Streitkräfte 2) bestimmte. Er traf nunmehr Anstalten, Cäsar auf seinem 
Vormarsch aufzuhalten, indem er Alba mit 6, Sulmo mit 7 und Corfinium 
mit 18 Kohorten besetzte.^) Dieser letzte einst von den abtrünnigen 
Italikem zur Bundeshauptstadt ausersehene Ort, der die kürzeste Ver- 
bindung zwischen Rom und dem adriatischen Meere beherrschte und 
wegen seiner durch hohe Gebirgszüge überaus geschützten Lage für einen 
Angriff große Schwierigkeiten bot^), diente ihm als Hauptquartier. Seine 
Absicht lief auf nichts Geringeres hinaus, als Cäsar einzuschließen, wozu 
ihm Pompejus behilflich sein sollte.^) 

Pompejus konnte es jedoch nicht wagen, diesem Verlangen zu ent- 
sprechen, denn er hatte in Luceria bloß noch 14 Kohorten (S. 54) und 
mußte fürchten, daß diese Truppen bei einem Zusammentreffen mit Cäsar, 
sobald sie ihres alten Feldherrn ansichtig würden, zu ihm übergingen.^) 
Er forderte daher Domitius wiederholt auf, sobald wie möglich mit allen 
seinen Truppen nach Luceria zu kommen 7), indem er darauf hinwies, 
daß Cäsar binnen kurzer Zeit überlegene Streitkräfte zusammenziehen 
und alsdann den Rückzug abschneiden würde. ^) Diese Vorstellungen 
blieben aber fruchtlos. Am 15. Februar^) langte Cäsar vor Corfinium 



1) Alt VIII 3, 7 (geschrieben um den 20. Februar im Gebiet von Cales): 
ecce litteraej Caesarem ad Corflnium, Domiiium Corfinii cum firmo exercitu et pugnare 
cupiente. 

2) Att. VIII 120, 1 (Brief des Pompejus an Domitius vom 16. Februar): tum 
enim pro tua prudentia debes illud aolum animadvertere, gvot in praesentia cohortis 
contra te Ihoheat Caesar, sed quantas hreii tempore equitum et peditum copias contrao 
turus Sit. 

3) Att.MWl 12a, 1. Die Zahl der in Sulmo und in Alba liegenden Kohorten 
ist Caes. h. c. I 18, l und 24, 3 (über Alba vgl. außerdem Cic. Att. IX 6, 1) an- 
gegeben. Für Corfinium bleiben demnach, da Domitius im ganzen 31 Kohorten 
hatte (S. 55), 18 übrig. Ihne, Rim. Gesch. VI 574 schätzt die Besatzung Corfiniums 
auf 30(J00 Mann, welche Summe sich auch dann, wenn in Corfinium 33 Kohorten 
lagen, wie es nach Caes. b. c. I 15, 6 ff. der Fall war, und die Kohorte zu 600 Mann 
gerechnet wird, bei weitem nicht ergibt. 

4) Vgl Stoffel, Eist, de Jules C4sar. Chuerre dvile I 18 ff. 

5) Caes. b.c. 117, 1. An eine Einschließung Cäsars hatten die Republikaner 
auch schon früher gedacht. Vgl. Att. VII 23, l: V Id. Febr. vespert a Fhilotimo 
(Roma) litteras accepi, Domitium exercitum firmum habere, cohortis ex Piceno . . . cum 
Domitii exercitu coniunctas esse, Caesarem intercludi posse eumque id timere. Nach 
Att. VIII 12c, 4 erhielt Pompejus die erste Aufforderung des Domitius, ihm zu 
Hilfe zu kommen, am 16. Februar. 

6) Att. VIII 12c, 2. 

7) Att. VIII 12b, 2. 12c, 2 (16. Febr.) 12d, 2 (17. Febr.). 

8) Att. VIII 12 c, 1. 

9) Das obige Datum ergibt sich daraus, daß Cäsar nach der Kapitulation 
Corfiniums an den Feralien (21. Febr.) den Vormarsch nach Apulien antrat 
{Att. VIII 14, 1), nachdem er sich im ganzen 7 Tage vor Corfinium aufgehalten 

56 



Die Anfänge des Bürgerkrieges zwischen Cäsar und Pampejtis. 361 

an, wo Domitius 18 Kohorten *) versammelt hatte, und schlug nach einem 
kurzen Gefecht, in welchem er den Übergang über den Aternus erzwang, 
ein Lager vor der Stadt auf.') Da er das Eintreffen von Verstärkungen 
erwartete, so begnügte er sich zunächst damit, sich zu verschanzen und 
mit Proviant zu versehen. Mittlerweile ging ihm die Nachricht zu, daß 
die Einwohner von Sulmo ihm günstig gesinnt seien, jedoch von dem 
Senator Q. Lucretius und dem Peligner C. Attius, die über eine Besatzung 
von 7 Kohorten verfügten, gehindert würden, sich seiner Sache anzu- 
schließen. M. Antonius ward darauf mit 5 Kohorten nach Sulmo gesandt, 
worauf nicht nur die ihm die Tore öffnenden Einwohner, sondern auch 
die Besatzungstruppen sogleich zu ihm übergingen, und kehrte noch am 
nämlichen Tage zu Cäsar zurück.*^) Während derselbe bisher nur über 
zwei Legionen (die 12. und 13.) verfügt hatte, fanden sich am dritten 
Tage nach seiner Ankunft vor Corfinium (17. Februar) noch die 8. Legion 
und 22 in Gallien frisch ausgehobene Kohorten nebst 300 von dem König 
Noricus gesandten Reitern bei ihm ein. Es wurde nunmehr auf der 
anderen Seite der Stadt ein zweites Lager errichtet und auf diese Weise 
der Feind von sämtlichen Verbindungen abgeschnitten. Um ihn völlig 
einzuschließen, begann Cäsar um die Stadt einen mit Kastellen versehenen 
Wall zu führen.*) Nachdem derselbe zum größten Teil vollendet und auf 
ein nach Cäsars Ankunft vor Corfinium nochmals an Pompejus gerichtetes 
Hilfsgesuch ein ablehnender Bescheid eingelaufen war^), suchte Domitius 
sich selbst durch heimliche Flucht zu retten.^) Die Soldaten knüpften 



hatte (Caes. b. c. I 23, 5). Fischer, R&m. Zeittafeln, S. 271, Mommsen, Rom, Gesdt. 
III 8 387 und 0. E. Schmidt, Der Briefwechsel des M. Tullius Cicero I 129, setzen 
seine Ankunft auf den 14. Febr., ohne zu beachten, daß in den genannten 7 Tagen 
sowohl der Termin der Ankunft wie der des Abmarsches inbegrift'en ist. Zum 
Beweise hierfür dient I 27, 1, wo von Cäsars Ankunft vor Brundisium (9. März: 
Alt, IX J3a, l) bis zur Rückkehr der Pompejanischen Flotte (17. März, vgl. S. 64) 
9 Tage gerechnet werden. 

1) Vgl. S. 56 Anm. 3. 

2) Caes. 6. c. I 16, 2 ff. Lucan. II 481 ff. Dio XLI 10, 2. 

3) Caes. h. c. I 18, 1 ff. Att, VIII 4, 3. Nach der letzteren Angabe soll 
C. Attius selbst den Cäsarianern die Tore geöffnet haben, während er sich nach 
Cäsars Bericht mit Lucretius zusammen durch einen Sprung von der Mauer zu 
retten suchte, jedoch gefangen genommen und von Cäsar unversehrt entlassen 
wurde. Die für die besiegte Partei sehr nahe liegende Beschuldigung des Verrats 
erscheint demnach unbegründet. 

4) Caes. 6. c. I 18, 4 ff. 

5) Derselbe liegt vor in dem Briefe Att. VIII 12 d vom 17. Febr., welchen 
Domitius am 19. erhalten haben wird. Im übrigen vgl. Caes. 6. c. I 18, 6 ff. 

6) Caes. h, c. I 19, womit App. 6. c. II 38 in der Hauptsache übereinstimmt. 
Eine andere, sehr beachtenswerte Version liegt indessen vor bei Dio XLI 11, der 
in diesem Abschnitt einem wohl unterrichteten Gewährsmann folgt (S. 11). Nach 
seiner Darstellung wollte Domitius, als er bereits in Corfinium eingeschlossen war, 
sich der von Pompejus erhaltenen Aufforderung gemäß mit ihm vereinigen und 

Bottragi* K. altiii Geschichte IV 3. '24 

57 



362 L. Hdjsapfel, 

indessen, nachdem sie von dem Vorhaben ihres Führers Kenntnis erhalten 
hatten, nnnmehr ihrerseits am 20. Febmar Unterhandlungen mit Cäsar 
an, woran! am nächsten Tage die Übergabe und die Einreibung der 
Domitianischen Tmppen in Cäsars Heer erfolgte.^) 

Am nämlichen Tage (21. Febmar) brach Cäsar nach Apnlien anf^), 
indem er seinen Weg durch das Gebiet der Marruciner, Frentaner und 
Larinaten nahm. Mittlerweile war der Prätor L. Manlius, der mit den 
noch übrigen 6 Kohorten des Domitianischen Heeres Alba besetzt gehalten 
hatte, von dort geflüchtet; doch gingen auf der via ÄEnucia seine Truppen 
bei dem Anblick einer von Vibius Curius geführten Cäsarianischen Reiter- 
abteilung zum Feinde über.^) 

Pompejus war bisher noch in Luceria geblieben, um das Eintreffen 
des Domitius abzuwarten. Als er nun aber am 19. Februar die Nachricht 
von den am 17. zur Einschließung Corfiniums getroffenen Veranstaltungen 
erhielt, zögerte er nicht mehr, seinen Rückzug nach Brundisium zu 
bewerkstelligen. Bevor dies geschah^ richtete er an die Konsuln die 
Aufforderung, mit allen Truppen, die sie zusammenziehen könnten, dort- 
hin zu kommen.*) Die Okkupation Siciliens (S. 54 ff.) wurde jetzt auf- 
traf daher Anstalten, freien Abzuf? zu erlangen (naQEOxEval^ETo oncttg rfT 
aatpaXeiag xivoq ixx<xfQriOBt). Seine Truppen verschmähten denselben jedoch, 
indem sie darin Flucht erblickten, und fielen Cäsar zu. £s ist sehr wohl möglich, 
daß Domitius anfanglich an ein Gesuch um freien Abzug gedacht und erst nach 
dem Widerstand, den die sich nur ungern von ihrer Heimat und ihrem Besitz 
trennenden und bis zum letzten Augenblick kampfbereiten Marser (Caes. 5. c. I 20, 3; 
vgl. Att VIII 12 b, 2) einem solchen Vorhaben entgegengesetzt haben mögen, die 
Rettung seiner Person ins Auge gefaßt hat. Pfannschmidt, Zur Geschichte des 
Pompejan. Bürgerkrieges, Weißenfels 1888, S. 19, faßt Dies Bericht dahin auf, daß 
Domitius einen Durchbruch geplant hätte, welche Annahme durch die oben zitierten 
Textworte ausgeschlossen wird. 

1) Caes. b. c. I 20 ff., vgl. App. 6. c. II 38. 

2) Über das Datum s. S. 56 Anm. 9. 

3) Caes. 6. c. I 23, 5 flf. Cic. Att. IX 6, 1. Die an der letzteren Stelle genannte 
VW Mintuna wird nur noch erwähnt Hör. Ep> 1 18, 20. Es ergibt sich hieraus, 
daß man auf ihr ebenso gut wie auf der Appischen Straße von Rom nach Brun- 
disium gelangen konnte. 

4) Att VIII 12 a, 4: placitum est mihi . . ., u^ Brundisium ducerem hanc copiam, 
quam mecum haheo, vos hortor, ut, quodcumque militum contrahere poteritiSy contrahatis 
et eodem veniatis quam primum. Aus diesen Worten zieht Stemkopf, quaest. chronol 
S. 54, den richtigen Schluß, daß der Brief kurze Zeit vor Pompejus' Aufbruch 
nach Brundisium geschrieben sein muß, zweifelt jedoch, ob die Abfassung auf 
den nämlichen oder den vorhergehenden Tag (19. oder 18. Febr.) zu setzen ist. 
Diese Ungewißheit wird beseitigt durch § 1 : factum est, ut Domitius implicareiur. 
Hiervon konnte nur die Rede sein, nachdem Cäsar am 17. Febr. vor Corfinium 
ein zweites Lager aufgeschlagen und so die Verbindungen abgeschnitten hatte 
(S. 57). Da Pompejus die Nachricht von Cäsars Ankunft vor Corünium, die 
am 15. Febr. erfolgte, ungeachtet der von Domitius für die Beförderung der 
Botschaft zugesagten liohen Belohnung (Caes. h. c. I 17, 1), erst am 17. erhielt 

58 



Die Anfänge des Bürgerkrieges zwischen Cäsar und Pompejus. 363 

gegeben. In dem bereits erwähnten Schreiben an die Konsuln motiviert 
Pompejus diesen Entschluß damit, daß jetzt nicht mehr die gleichen 
Streitkräfte wie vorher zur Verfügung ständen.^) 

Wie man sieht, zog Pompejus die Truppen des Domitius nicht mehr 
in Betracht von dem Augenblicke an, wo ihm nicht etwa ihre Ein- 
schließung, sondern lediglich die Abschneidung ihrer Verbindungen gemeldet 
worden war, die er bei dem Einlaufen der Nachricht von Cäsars Ankunft 
vor Corfinium bereits befilrchtet hatte. 2) Wie ungünstig er die Sach- 
lage beurteilte, zeigt die in dem Briefe an die Konsuln geäußerte Besorgnis, 
daß der Feind ihn selbst auf seinem Rückzuge nach Brundisium einholen 
könnte, worauf man es bei der Unzuverlässigkeit der zur Verfügung 
stehenden 14 Kohorten (S. 56) nicht ankommen lassen dürfe. ''^) Pompejus 
muß demnach der Ansicht gewesen sein, daß Domitius sich nicht lange 
behaupten und Cäsars weiteres Vordringen nur wenig verzögern könnte. 
Die Behauptung Stoffels*) daß er ungeachtet seiner gerechtfertigten Be- 
sorgnisse keine so rasche und vollständige Katastrophe erwartet habe, 
beruht demnach auf einem Irrtum. 

Am 19. Februar brach bereits Pompejus selbst von Luceria auf, 
während seine Truppen erst später folgten.^) Cäsar zeigt sich hier über 
die Vorgänge im feindlichen Lager nicht hinlänglich orientiert; denn nach 
seiner Darstellung verließ Pompejus Luceria erst, nachdem er bereits 
von der Übergabe Corfiniums (21. Februar) Kenntnis erhalten hatte. ^ 
Im Gegensatz hierzu bietet Dio^), dessen Gewährsmann über gute In- 
formationen aus republikanischen Kreisen verfügt haben muß, den richtigen 
Sachverhalt (vgl. S. 11). 

Am 20. Februar erreichte Pompejus Canusium.®) Die Konsuln hatten 
sich mittlerweile mit seinen Truppen vereinigt.^) Noch am 7. Februar 
war Lentulus der Ansicht gewesen, daß Pompejus Picenuni behaupten 
könnte, und hatte ihn demgemäß aufgefordert, sich dorthin zu begeben 
(S. 54). Sehr bald erfuhr man indessen, daß die ganze Landschaft 
verloren war. Die Konsuln verließen nunmehr Capua am 9. Februar 
mit den in der dortigen Gegend ausgehobenen Truppen, um sich mit 



{AU. VIII 12d, 1), so wird ihm die Errichtung des zweiten feindlichen Lagers 
ebenfalls erst nach zwei Tagen, also am 19. Febr., gemeldet worden sein. 

1) AU. VIII 12a, 3. 

2) AU. VIII 12 d, 1 (Schreiben au Domitius vom 17. Febr.); qmd putaui et 
praemonui fit, ut (Caesar) nee in praesentia commütere tecum proelium velit et omnibus 
copiis conductü te implicet. 

3) AU. VIII 12a, 3. 4) Eist, de Jules C^ar, Querre civik, I 23. 

5) Att. VIII 9, 4. 

6) Caes. b. c. I 24, 1. 7) Dio XLI 11, 1. 8) Att, VIII 11 d, 4. 



9) Att. VIII 11c. 



24* 
59 



364 L. Holzapfel, 

Pompejus zu vereinigen.^) Am 16. Februar war derselbe von ihrer 
Absicht, nach Luceria zu kommen, unterrichtet. 2) Unterwegs gedachten 
die Konsuhl alle Besatzungen an sich zu ziehen und sich sodann im 
Einklang mit dem ihnen auf ihrem Marsche durch D. Lälius übermittelten 
Wunsche des Pompejus (S. 5411.) nach Sicilien zu begeben. •'*) Ihre 
Vereinigung mit den Pompejanischen Kohorten, die ihrem Feldherm nach 
seiner Abreise von Luceria (19. Febr.) wohl alsbald gefolgt sind, hat 
wahrscheinlich in Äcä, wo sich die nach Luceria und Brundisium führenden 
Straßen kreuzten, stattgefunden. Die lange Dauer ihres Marsches 
von Capua dorthin (9. Febr. bis 19. Febr.) findet wohl im Heranziehen 
der in verschiedenen Städten liegenden Besatzungen ihre Erklärung. 

Am 21. Februar^) verließ Pompejus Canusium und langte, wie es 
Cicero richt ig vorausberechnet hatte, am 25. in Brundisium an.^) Seine 

1) Att. VII 24 (geschrieben auf dem Formianum am 10. Febr.): ecce postridie 
(10. Febr.) Cassii litterae Capua . . . scripsit Capua consulea discessisse. Daß 
die Konsuln auch die Trappen mitnahmen, die sie gesammelt hatten, versteht sich 
von selbst und wird überdies nicht bloß durch Pompejus (Att VlII 12 c, 2; vgl. 
die folgende Note), sondern auch durch Cicero (Att VIII 1, 2 vom 16. Febr.; 
sie enim parari video, ut Luceriam omnes copiae contrahantur) bezeugt. Stoffel, 
Eist, de Jules C4sar, Chierre civile, I 233, und 0. E. Schmidt, Der Briefwechsel des 
M. Tullius Cicero, l 140, gehen ihrerseits davon aus, daß die Konsuln am 20. Febr. 
die Kohorten des Pompejus erreichten, und suchen, indem sie annehmen, daß es 
sich lediglich um eine von ihnen lür ihre Person unternommene Reise handle, 
das Datum ihres Aufbruchs von Capua zu ermitteln, der nach Stoffel am 14. oder 
15. Febr., nach 0. £. Schmidt aber nach dem Empfang der durch D. Lälius über- 
brachten Aufträge des Pompejus (S. 54 ff.) oder gar erst nach dem Einlaufen der 
Kunde von der am 15. Febr. erfolgten Ankunft Cäsars vor Corfinium stattgefunden 
haben soll. Beide haben demnach die obige Angabe, die im Hinblick auf die mili- 
tärische Lage durchaus glaubwürdig erscheint, übersehen. 

2) Att VIII 12c, 2 (Brief des Pompejus an Domitius aus Luceria vom 16. Febr.): 
quam ob rem te magno opere Jiortar, ut quam primum cum omni copia huc venias, 
Consules constituerunt idem facere. 

3) Ebenda § 3: consules praesidia omnia deducturi sunt aut in Siciliam ituri. 
Es kann keinem Zweifel unterliegen, dsß aut in et geändert werden muß. Eine 
Alternative liegt überhaupt nicht vor; denn es war ja beschlossene Sache, daß 
sich die Truppen der Konsuln nach Sicilien begeben sollten (S. 54 ff.), und andrerseits 
selbstverständlich, daß man unterwegs noch so viele Besatzungen wie möglich an 
sich zu ziehen suchte. Demgemäß schreibt auch Pompejus Att, VIII 12a, 4 am 
19. Februar an die Konsuln, deren baldiges Eintreffen er noch nicht erwartete: 
vos hortorj ut, quadcumque militum contrahere poteritis, contrahatis et eodem (Brun- 
disium) veniatis quam primum. Zu deducturi sunt hat man eine nähere Bestimmung 
vermißt und daher den Ausfall von ad me oder huc oder eo (Wesenberg, Boot, 
Tyrrell) oder von Bnmdisium ifi. E. Schmidt a. a. 0. S. 138) angenommen. Das 
Wahrscheinlichste ist es aber doch wohl, daß die fraglichen Besatzungen zur 
Verstärkung des konsularischen Heeres selbst dienen sollten, in welchem Falle 
jeder weitere Zusatz entbehrt werden kann. 

4) Att VIII 14, 1. IX 1, 1. 

5) Att IX 10, 8. Hiernach war der 1. März der fünfte Tag, den Pompejus 
in Brundisium zubrachte, woraus sich bei der den Anfangs- und den Endtermin 

m 



Die Anfänge des Bürgerkrieges zwischen Cäsar und Pompejus. 365 

Truppen, deren Marsch etwas mehr Zeit erforderte, trafen nach Stoffels*) 
wahrscheinlicher Annahme wohl am 27. oder 28. dort ein. Im ganzen 
beliefen sich die Streitkräfte der Republikaner, die sich in Brundisium 
versammelten, auf fünf Legionen 2), wozu sich noch ein Reiterkorps von 
800 Mann gesellte, das aus Hirten und Sklaven des Pompejus und seiner 
Parteigenossen gebildet worden war. 2) Die Gesamtzahl dieser Truppen 
wurde anfänglich auf 30000*), später jedoch der Bestand der von den 
Konsuln zuerst nach Griechenland übergesetzten 30 Kohorten^) auf 
15000^ Mann geschätzt. Man hat wohl bei diesen beiden Berechnungen 
die Reiterei, die sehr schwach gewesen zu sein scheint^), außer Betracht 
gelassen und bei der ersten die Kohorte auf 600, bei der zweiten aber 
auf 500 Mann veranschlagt. Nach Stoffels 8) Ansicht entspricht die 
Schätzung der Pompejanischen Streitkräfte auf 30000 Mann ungefähr 
dem wirklichen Totalbestand, indem zu den 25000 Mann der 5 Legionen 
noch die Reiterei und die Hilfstruppen hinzuzurechnen seien. Das Vor- 
handensein von Hilfstruppen, die in Kohorten eingeteilt zu werden pflegten, 
wird indessen dadurch ausgeschlossen, daß die Gesamtzahl der in Brun- 
disium befindlichen Kohorten 50 9) betrug und demnach in den 5 Legionen 

einschließenden Kechnuugsweise der Römer als Datum seiner Ankunft der 25. Febr. 
ergibt. Ober Ciceros Vorausberechnung vgl. Ätt. VIII ü, 4. 
1) A. a. 0. I 245. 2) Caes. b. c. III 4, I. 

3) Vgl. Caes. b, c, I 24, 2 (Pompeius) serws, pastores artnat atque iü equos 
attribuit: ex hia circiter CCC equites conflcit mit III 4, 4: DCCC ex servis pastoribusqtie 
suis suorumque coegerat. Offenbar ist an beiden Stellen von dem nämlichen Korps 
die Rede und an der ersten vor CCC die Ziffer D ausgefallen. Mit Unrecht bezieht 
Kraner-Hofmann zu I 24, 2 die zweite Stelle auf den unmittelbar vorher in einem 
Nebensatze genannten Sohn des Pompejus, während ebenso wie weiter unten zu 
§ 6 numerum eocpleverat der die ganzen Rüstungen veranstaltende Vater als Subjekt 
zu denken ist. 

4) Att IX 6, 3. h) Plut. Pomp, 62. 

6) Über Pompejus' überfahrt nach Griechenland war zuerst in Capua ein auf 
den Mitteilungen einer Clodia beruhendes falsches Gerücht verbreitet, wonach er 
sicli am 4. März mit seinen sämtlichen Truppen in der Stärke von 30000 Mann 
eingescliift't hatte {Att IX 6, 3). Atticus bezweifelte diese Angabe, worauf Cicero 
{AtL IX 9, 2) erwidert: recte non credis de numero militum: ipso dimidio plus scripsit 
Clodia, Es liegt am nächsten, diese Stelle mit Schütz und Billerbeck so aufzu- 
fassen, daß von der von Clodia ursprünglich genannten Zahl die Hälfte in Wegfall 
kam. Nach Tyrrells Ansicht sollen die Konsuln in Wirklichkeit 20000 Mann über- 
gesetzt haben und hierzu von Clodia noch die Hälfte hinzugefügt worden sein. 

7) Man gewinnt diesen Eindruck aus der Aufzählung der verschiedenen 
Kontingente, aus denen sich die beim Beginn des Feldzuges in Griechenland auf 
7000 Mann gebrachte Reiterei zusammensetzte (Caes. b, c, III 4, 3flf.). Es wird 
hier neben zahlreichen aus Griechenland und dem Orient gekommenen Abteilungen 
keinerlei italische Reiterei außer dem aus Hirten und Sklaven gebildeten Korps 
von 800 Mann (s. oben) erwähnt. 

8) A. a. 0. I 246. 

9) Vgl. Plut. Pomp. 62 mit Caes, b. c. I 25, 2. Es wurden hiernach zunächst 

61 



366 L. Hdzapfd, 

gerade aufging. Was ferner die Reiterei betrifft, so kann dieselbe allein 
die Stärke von 5000 Mann bei weitem nicht erreicht haben.*) 

Am 11. März erhielt Cicero auf seinem Formianum von Capua aus 
die Nachricht, daß sich Pompejus am 4. März mit sämtlichen Truppen 
in der Stärke von 30000 Mann eingeschifft habe. 2) Tatsächlich hatten 
jedoch zunächst nur die Konsuln mit 30 Kohorten Brundisium verlassen.^) 
Da von dem Tage der Einschiffung an nördliche Winde wehten, während 
die Fahrt von Brundisium nach Dyrrhachium fast genau nordwärts gerichtet 
sein mußte, so vermutet Stoffel*) mit Wahrscheinlichkeit, daß sich die 
Abfahrt noch einige Tage verzögert habe. Pompejus blieb mit 20 Kohorten 
noch in Brundisium, um die Rückkehr der Schiffe, die zu einem Transport 
der ganzen Armee nicht hinreichten, abzuwarten.^) Man wird wohl mit 
Ihne^ anzunehmen haben, daß unter den von den Konsuln mitgenommenen 
Truppen sich die beiden von Cäsar herrührenden Legionen befanden, 
denen Pompejus sich allein nicht anvertrauen durfte. 

Cäsar erreichte auf seinem Vormarsch am 1. März^) Arpi im nörd- 
lichen Apulien und langte am 9. März^) vor Brundisium an, wie es Cicero 
vorausberechnet hatte. ^) Die Streitkräfte, welche er bei sich hatte, beliefen 
sich auf 6 Legionen, von denen 3 aus Veteranen bestanden und 3 neu 
ausgehoben und auf dem Marsche komplettiert worden waren. Wie Cäsar 
selbst bemerkt, zählten hierbei die (18) Kohorten des Domitius nicht mit, 
da er sie sogleich von Corfinium nach Sicilien geschickt hatte. *^) 

Stoffel") hält es für ausgeschlossen, daß Cäsar vor der Einnahme 
Brundisiums an eine Expedition dorthin habe denken können, und betrachtet 
daher jene Angabe als ein Glossem, das im Mittelalter von einem nicht 
besonders scharfsinnigen Interpreten in den Text gesetzt worden sei. Bei 
genauerer Prüfung ergibt sich jedoch ein anderer Sachverhalt, Durch 
Plutarch und Appian^^) erfahren wir, daß vor der am 23. April erfolgten 
Vertreibung Catos aus Sicilien durch Curio^^) schon Asinius Pollio von 
Cäsar zur Erobenmg der Insel abgesandt worden war. Man wird daher 
in ihm, wie schon längst vermutet worden ist^*), den Befehlshaber der 

von den Konsuln 30 Kohorten übergesetzt, während 20 unter Pompejus noch in 
Brundisium verblieben. 

1) Vgl. S. 61 Note 7. 

2) Att IX 6, 3. Über die Abfassungszeit vgl. Stemkopf, quaest. chron. S. 62. 

3) Flut Pomp. 62, vgl. Flut. Caea. 35. Caes. b. c. \ 25. 2. App. 6. c. II 38. 
Dio XLI 12, 1. Cic. Att, IX 9, 2. 

4) A. a. 0. I 27 II 423. 5) Caes. 6. c. I 25, 2flf. 6) Äöm. Ge8ch, VI 585. 
7) Att. IX 3, 2. 8) Att, IX 13 a, 1. 9) Att, IX 3, 2. 

10) Caes. h, c, I 25, 1 ff. 11) A. a. 0. I 304ff. 

12) ?l\kt Cat Min. 58. App. b. c II 40. 

13) Caes. b. c, I 30, 2 ff. Über das Datum vgl. Att. X 16, 3. 

14) Vgl. Kraner- Hofmann zu Caes. b, c I 25, 2. GlSde, über die Quellen des 
Fompej. Bürgerkrieges, I. Cäsars histor, Glaubwürdigkeit in den Kommentarien %wn 
Bürgerkrieg, Kiel 1871 S. 13. 

62 



Die Anfänge des Bürgerkrieges zunschen Cäsar und Pompejiis. 367 

Domitianischen Kohorten zu erblicken haben. Ein Gegenargument glaubt 
allerdings Basiner^) daraus entnehmen zu müssen, daß nach Appian 
Pollio erst nach Pompejus' Überfahrt nach Griechenland sich nach Sicilien 
begeben haben soll. Auf einen andern Zeitpunkt führt indessen der 
Bericht Plutarchs, wonach Cato zuerst von Pollios Ankunft in Messana 
und erst nachher von Pompejus' Überfahrt Kenntnis erhielt. Da Cäsar 
ungeachtet der bedeutenden Anforderungen, die er an die Marschfähigkeit 
seiner Truppen stellte, erst am 9. März nach Brundisium gelangte (S. 62), 
so konnte Pollio, wenn er gleichzeitig mit Cäsar (21. Februar) von Cor- 
finium abmarschierte, die viel weiter entfernte Meerenge erst etwa um 
die Zeit erreichen, als Pompejus sich nach Griechenland einschiffte 
(17. März, vgl. S. 64). Plutarchs Darstellung macht demnach, indem 
sie mit einem solchen Sachverhalt sehr wohl im Einklang steht, ent- 
schieden den Eindruck der Glaubwürdigkeit. Andrerseits wird aber die 
von Stoffel beanstandete Angabe von der Entsendung der Domitianischen 
Kohorten von Corfinium nach Sicilien auch durch Cäsars Bericht selbst 
gestützt. Er behauptet nämlich, die Verfolgung des Pompejus nach 
Griechenland deshalb aufgegeben zu haben, weil er das Eintreffen von 
Schiffen aus entfernteren Gegenden in Gallien und Picenum sowie von 
der Meerenge hätte abwarten müssen und dies wegen der (für die Schiff- 
fahrt) ungünstigen Jahreszeit zuviel Zeit in Anspruch genommen hätte. 2) 
Nun konnte aber Cäsar von der Meerenge aus bloß dann Schiffe erhalten, 
wenn seine Truppen dort bereits festen Fuß gefaßt hatten. Nach unserer 
Berechnung (S. 56 Anm. 3) hatten sich in Corfinium an Cäsar 18 Kohorten 
ergeben, die man in den beiden aus den dortigen Truppen gebildeten 
Legionen 3) leicht wieder erkennen wird. 

Nach seiner Ankunft vor Brundisium (9. März), das die Konsuln mit 
dem größten Teile des Heeres bereits verlassen hatten (S. 62), war 
Cäsar zunächst noch darüber im Unklaren, ob Pompejus dort zurück- 
geblieben sei, um diesen Punkt zu behaupten und auf diese Weise das 
ganze adriatische Meer leichter zu beherrschen, oder ob nur Mangel an 
Schiffen seine Abfahrt verzögert hätte. Indem er befürchtete, daß sein 
Gegner überhaupt nicht gesonnen sei, Italien aufzugeben, traf er nunmehr 
Anstalten, den Hafen an der engsten Stelle von beiden Seiten aus durch 
Dämme und Flösse zu sperren, in der Absicht, durch solche Vorkehrungen 
entweder Pompejus zu schleuniger Abfahrt zu zwingen oder ihn überhaupt 



1) De hello civili Caesariano, Pars I, Moskau 1883, S. 66 ff. 

2) Caes. h. c, I 29, 2. Der 17. März, an welchem Pompejus nach Griechenland 
libersetzte, entsprach dem 26. Januar des julianischen Kalenders. 

3) Vgl. Caes. 6. c. II 23, 1: C Curio in Africam jprofectm ex Sicilia . . . 
II legiones . . . tranaportabat mit 28, 1: legumesque eas traduxerat Cimo, quas 
auperiaribus temporibus Oorfinio receperat Caesar. 

63 



368 L. HoUapfel, 

daran zu hindern.^) Zugleich wurde die Stadt auf der Landseite durch 
einen Wall und einen Graben abgeschlossen. 2) Pompejus suchte seinerseits 
die Sperrung des Hafens zu hindern, indem er große Handelsschiffe mit 
dreistöckigen Türmen, die mit Wurfmaschinen und den verschieden- 
artigsten Geschossen versehen waren, gegen die feindlichen Flösse heran- 
treiben ließ, wodurch es Tag für Tag zu Kämpfen mit Schleudern, 
Pfeilen und sonstigen Geschossen kam. Immerhin gelang es Cäsar, in 
neun Tagen (9. — 17. März) seine Arbeiten nahezu zur Hälfte zu vollenden. 
Da kehrten die Schiffe, welche die Konsuln mit 30 Kohorten nach Dyr- 
rhachium gebracht hatten, von dort zurück, worauf Pompejus sofort seine 
Vorbereitungen für die Abfahrt traf. Nachdem die Tore der Stadt gesperrt 
und ihre Straßen, sowie auch zwei außerhalb der Stadt zum Hafen 
führende Zugänge unpassierbar gemacht worden waren, um ein sofortiges 
Nachdrängen des Feindes zu verhüten, ließ er die Soldaten -in aller 
Stille die Schiffe besteigen und stach noch an dem nämlichen Tage, an 
welchem die Transportflotte gekommen war (17. März), gegen den Eintritt 
der Nacht in See. 3) Nach dem julianischen Kalender entsprach dieser 
Tag dem 26. Januar und fiel mithin noch mitten in den Winter, doch 
war nach einer Äußerung Ciceros die Witterung um diese Zeit für die 
Schiffahrt günstig.*) 

Nach Plutarch soll sich Cäsar darüber gewundert haben, daß 
Pompejus Italien preisgegeben hätte, obwohl er im Besitze eines festen 
Platzes gewesen wäre und das Meer beherrscht hätte und außerdem noch 
das Eintreffen der spanischen Armee hätte abwarten können.^) Diese 
Angabe verdient keinen Glauben; denn wenn Pompejus nicht ohnehin 
gesonnen gewesen wäre, Italien zu verlassen, so wäre er durch die ihm 
drohende Einschließung dazu gezwungen worden. 

1) Caes. 6. c. I 25, 3 ff. Ober den Zweck der zur Sperrung des Hafens 
getroffenen Veranstaltungen vgl. Cäsars Brief an Q- Pedius vom 14. März Att IX 
14, 1 : Pömpeiu^ se oppido tenet; nos ad portas castra habemus, conamur opus magnum 
et multorum dierum propter altitudinem maris; sed tarnen nihil estj qmd potitis fa- 
ciamus. ah utroque parttis comu niolis iacimua, ut aut illum quam primum traicere 
quod habet Brwndisi copiarum cogamtuf aut eocitu prohibeamus, 

2) Att. IX 12, 1. 3. 

3) Caes. b. c. 1 26, 1 ff. Flut. Pomp. 62. App. b, c. II 40. Die XLI 12. Bei 
Appian und Die werden Cäsars Veranstaltungen zur Sperrung des Hafens über- 
gangen und statt dessen Sturmangriffe auf die Stadt erwähnt, die höchstens darauf 
berechnet gewesen sein könnten, die Aufmerksamkeit des Feindes vom Hafen 
abzulenken. Nach Cäsar erfolgte die Abfahrt mh ncctem, womit Appians Angabe 
negl ÖBikriv kmlgav übereinstimmt. Über das Datum vgl. Att IX 15, 6 und 
Plut. Caes. 56. 

4) Att. IX 13, 3 (24. März): fuit enim pridie Qiiinquatrus (18. März) egregia 
tempestas, qua ego illum (Pompeium) umrn puto. In Übereinstimmung hiermit 
berichtet App. 6. c. II 40, daß der Wind den Pompejanem günstig gewesen sei. 

5) Plut Ätwp. 63. 

64 



I 



Die Anfänge des Bürgerkrieges zwischen Cäsar xmd Pompejus. 369 

In politischer Hinsicht schien mit Cäsars Ankunft vor Brundisium 
insofern eine Wendung eingetreten zu sein, als Pompejus, der bisher 
einem Vergleich stets abgeneigt gewesen war (S. 19 ff.), nunmehr seinerseits 
Friedensverhandlungen eröffnete, über die uns von Cäsar außer dem in 
den Kommentarien gegebenen Bericht^) auch briefliche Mitteilungen 2) an 
seine in Rom verbliebenen Vertrauten C. Oppius und L. Cornelius Baibus 
vorliegen. Es ergibt sich hieraus folgender Sachverhalt: Auf seinem 
Marsche nach Brundisium hatte Cäsar einen Pompejanischen praefectas 
fahrwn^ Numerius Magius aus Cremona, gefangen genommen, jedoch 
wieder entlassen, in der Hoffnung, daß er Pompejus zureden würde, lieber 
ihn selbst zum Freunde zu wählen, als die Republikaner, die ihnen beiden 
stets durchaus feindlich gesinnt gewesen seien. ^) Pompejus schien diesem 
Wunsche entgegenzukommen, indem er nach Cäsars Ankunft vor Brun- 
disium Magius mit Friedensanträgen an ihn absandte, über deren Inhalt 
nichts verlautet.^) Cäsar erwiderte hierauf, indem er sich des nämlichen 
Boten bediente, daß er sich mit Pompejus über alle Punkte auf dem 
Wege einer Unterredung zu verständigen wünsche, erhielt jedoch keine 
Antwort. ^) 

Cäsar hat in seinen Kommentarien diesen Sachverhalt entstellt.^) 
Es geschieht dies zunächst durch die Angabe, daß er schon zur Zeit, als 
er den Magius aus der Gefangenschaft entUeß, das Verlangen nach einer 
Unterredung mit Pompejus geäußert habe. In dem von Cäsar selbst an 
Oppius und Baibus gerichteten Briefe Att. IX 7 c wird hiervon nichts 
gesagt, obwohl kein Anlaß vorgelegen hätte, eine solche Mitteilung zu 
unterdrücken. Noch schlimmer steht es mit der Behauptung, daß Magius 
nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft nicht zurückgeschickt 
worden sei, während aus dem zweiten Briefe an Oppius und Baibus 
Att. IX 13 a das Gegenteil hervorgeht. Cäsar hat demnach den ganzen 
Hergang in der Weise zusammengezogen, daß sich an Magius' Entlassung 
aus der Gefangenschaft sogleich seine Nichtwiederkehr von seiner zweiten 
Sendung zu Pompejus anschließt, andrerseits aber das Verlangen nach 

1) Caes. b. c. I 24, 5 ff., 26, 2. 

2) Cic. Att IX 7c 2. 13a, 1. 

3) ÄtL IX 7 c, 2; vgl. Caes. b. c. I 24, 4 ff . 

4) Att. IX 13 a, 1: a. d. VII Idus Martias Brundisium veni, ad murum castra 
posui, Pömpeius est Brundisii misit ad me N, Magium de pace: quae visa stmt respondi. 
.... cum in spem venera ^ de compositicne aliquid me conficere, statim vas certiores faciam. 

5) Caes. b. c. I 24, 5 ff.; vgl. 26, 2. 

6) Vgl. Drumann, mm. Gesch. III 438 Note 44. Eyssenhardt, Jahrb. f. Phil. 
Bd. 85, 1862, S. 763 ff. Glöde, Die Quellen des Pbmpejan. Bürgerkrieges I, Kiel 1871, 
S. 19 ff. Basiner, De belle civili Caesariano quaestiones Caesarianae. Pars I, Moskau 
1883, S. 59 ff. Pfannschtnidt, Zur Geschichte des Fwmpejan. Bürgerkrieges. Progr. 
d. Gym. zu Weißenfels, 1888, S. 8. 0. E. Schmidt, Der Briefwechsel des M. Tullius 
Cicero I 151 ff. 

65 



370 L. Holzapfd, 

einer Unterredung, das erst in der Antwort auf Pompejus' Anträge aus- 
gesprochen worden sein kann, gleich mit der Freigabe des Präfekten in 
Verbindung gebracht wird. Wie man sieht, ist Cäsars Darstellung darauf 
berechnet, sich selbst die Initiative bei den Friedensverhandlungen, Pompejus 
dagegen ein durchaus ablehnendes Verhalten zuzuschreiben.*) 

Immerhin kann aus Cäsars Mitteilngen an Oppius und Balbus 
{Att, IX 7 c, 2) über die an die Entlassung des Magius geknüpften Er- 
wartungen (S. 65) und aus der später in dem Briefe Att. IX 13 a, 1, 
geäußerten Hoffnung auf das Zustandekommen eines Vergleichs') gefolgert 
werden, daß ihm auch jetzt noch ebenso wie früher (S. 18 ff.) eine fried- 
liche Einigung erwünscht war. Der kürzeste Weg hierzu war eine Unter- 
redung mit Pompejus, die Cäsar schon beim Beginn der Feindseligkeiten 
nicht bloß nach seinem eigenen, sondern auch nach Dios ihm selbst 
keineswegs günstigen Bericht vergeblich herbeizuführen gesucht hatte 
(S. 3, 9, 16). Es erscheint daher sehr wohl glaublich, daß er auch jetzt 
wieder hiemach verlangte. Das Scheitern der Unterhandlungen ist also 
wohl auf Pompejus' Abneigung gegen eine Zusammenkunft zurückzuführen. 
Allem Anschein nach war sein Bestreben lediglich darauf gerichtet, einen 
Stillstand in den von Cäsar zur Sperrung des Hafens unternommenen 
Arbeiten herbeizuführen, den auch Cicero als eine notwendige Folge der 
Unterhandlungen betrachtete.®) 

Cäsar zeigte sich während seines Aufenthaltes vor Brundisium auch 
noch weiterhin bemüht, zu einer Verständigung mit seinem Gegner zu 
gelangen. Nach der Darstellung der Kommentarien*), die wir zunächst 
hier wiedergeben, bediente er sich zu diesem Zwecke seines Legaten 
C. Caninius Rebilus, der mit dem mit Pompejus vertrauten L. Scribonius 
Libo verwandt und befreundet war. Es kam zwischen beiden zu einer 
Unterredung, die außerhalb Brundisiums, jedoch an einem hiervon nicht 
sehr weit entfernten Orte stattgefunden haben muß. Rebilus machte dem 
ihm erteilten Auftrag gemäß Libo die Mitteilung, Cäsar wünsche eine 
Unterredung mit Pompejus zu haben und hege die Zuversicht, daß alsdann 
die Feindseligkeiten unter billigen Bedingungen eingestellt werden könnten, 
was namentlich Libo selbst zum Ruhme gereichen würde, wenn es auf 



1) Von Cäsar hängt ab Flut Bomp, 63: *Ek(ov yag (Kalaag) NovfieQiov Tlofi- 
TC^iov fplXov amoTBikEv elg BQBvziaiov inl toig Haoig a^iwv SiaXkayrjvai' Novfilgiog 
6h JIo/joiTjiia avveS^kevaev. 

2) Vgl. S. 65 Anm. 4. 

3) Att IX 13, 8 (24. März): omnia mUera, sed hoc nihil miserius: Bompäus 
N. Magium de pace misit et tarnen oppugnatur, quod ego non credehamy sed haheo 
a Balho litteras, quarum ad te eocefnplum misi. IX 14, 2 (25. März) nach Erwähnung 
der von Cäsar zur Absperrung des Hafens von Brundisium getroffenen Ver- 
anstaltungen: uhi est illa paxj de qua Balbus smpserat torqueri se? 

4) Caes. 6. c. I 26, 3 ff. 

66 



Die Anfänge des Bürgerkrieges zunschen Cäsar und Bmpej^is. 371 

seine Veranlassung geschähe. Libo reiste darauf zu Pompejus^) und 
überbrachte bald nachher von ihm den Bescheid, daß ohne die Konsuln 
über keinen Vergleich unterhandelt werden könnte. Nachdem so auch 
dieser Versuch gescheitert war, stand Cäsar endlich von weiteren Friedens- 
bemühungen ab. 

Über diese Verhandlungen 2) liegt noch ein zweiter, sehr kurz gefaßter 
Bericht bei Dio vor. 3) Hiemach schickte Pompejus die Konsuln nach 
Griechenland voraus, damit sie nicht von ihm abfielen.*) Als Cäsar nun 
erkannte, daß Brundisium schwer einzunehmen war, forderte er ihn zu 
einem Vergleich auf, erhielt jedoch lediglich den Bescheid, daß seine 
Vorschläge den Konsuln mitgeteilt werden sollten, weil man beschlossen 
hätte, mit bewaffneten Bürgern nicht in Unterhandlungen einzutreten. 

Dio und Cäsar stimmen demnach darin überein, daß Pompejus die 
Mitwirkung der Konsuln als notwendig für das Zustandekommen eines 
Vergleichs bezeichnete. Als ein neues Moment tritt uns jedoch bei Dio 
entgegen der zur Motivierung dieser Auffassung angeführte Beschluß, sich 
mit bewaffneten Bürgern in keinerlei Verhandlungen einzulassen. Es 
sollte demnach Cäsar gegenüber das nämliche Verhalten beobachtet 
werden, das im Verkehr mit den Vertretern auswärtiger, mit Rom in 
keinem Vertragsverhältnis stehender Staaten üblich war; denn ein solcher 
hatte, wenn er Unterhandlungen anzuknüpfen wünschte, sein Anliegen 
zunächst dem in erster Linie in Betracht kommenden Feldherm vorzu- 
tragen.^) Es war dies lediglich eine Konsequenz des Beschlusses, durch 
welchen Cäsar zum Landesfeind erklärt worden war (S. 33 ff.). Wie 
Pompejus, so hielt auch Cicero, der damals auf eine von dem älteren 
Baibus gegebene Anregung^ die Herbeiführung eines Vergleichs selbst 

1) 0. E. Schmidt, Der Briefwechsel des M. Tullius Cicero^ I 152, ist demnach 
im Irrtum, wenn er annimmt, daß die Unterredung zwischen Rebilus und Libo in 
Brundisium stattgefunden hätte. 

2) Nach 0. E. Schmidt a. a. 0. sollen dieselben vor dem 14. März stattgefunden 
haben, weil Cäsar erst nach dem Scheitern seiner Friedensversuche beschlossen 
hätte de hello agendwm (6. c. I 26, 6) und die zur Sperrung des Hafens dienenden 
Veranstaltungen bereits am 14. März im Gange gewesen seien (s. oben S. 64 Note 1). 
Aus h. c. I 26, 2 : atque haec Caesar ita administrabat, ut condiciones pacis dimütendas 
non eodstimaret geht jedoch ebenso wie aus Ciceros Klagen über die Fortdauer der 
Feindseligkeiten nach Magius' Ankunft bei Cäsar (S. 66 Anm. 3) hervor, daß diese 
Arbeiten mit den Verhandlungen gleichzeitig stattfanden. 

3) Dio XLI 12, 1 ff. 

4) fjLTi xal veoxjf^ioaiaai xi xata ;jw(»av vnofjiuvavxeq. Wie veoxftovv, so wird 
auch veoxfibv noi^Xv in der Bedeutung „abfallen* gebraucht. Vgl Herodot 
IX 99. 104. 

5) Mommsen, JRöm. Staaisr, III 1150. 

6) Att VIII 16a, 1 ff. (geschrieben in Rom gegen Anfang März): ohsecro te^ 
Cicero, suscipe curam et cogitationem dignissimam tuae virtutis, ut Caesarem et B[nHr 
peium perfidia hominum distractos rursus in pristinam concordiam reducas . . . 

67 



372 L. Holgapfel, 

ins Auge gefaßt hatte, eine Friedensverhandlung ohne die Konsuln für 
untunlich und bedauerte darum ihre Abwesenheit.^) Die über Cäsar 
verhängte Ächtung war jedenfalls der Grund, weshalb Rebilus sich nicht 
selbst nach Brundisium begab, wo seine persönliche Sicherheit gefährdet 
gewesen wäre (S. 33 ff.), sondern Libos Vermittlung in Anspruch nahm. 

Soviel steht jedenfalls fest, daß Pompejus sich gegen diesen Friedens- 
versuch von vornherein ablehnend verhalten hat, da dies nicht nur von 
Cäsar gemeldet, sondern auch durch Dios unabhängigen Bericht bestätigt 
wird. Von Rechtswegen war ein Vergleich mit Cäsar allerdings unzulässig 
ohne die Konsuln, denen nach der Auflösung des Senats allein die Leitung 
der politischen Angelegenheiten zustand.*) Tatsächlich beherrschte aber 
doch Pompejus die Situation; denn wenn er sich mit Cäsar einigte, so 
wäre es für die Republikaner aussichtslos gewesen, den Kampf mit den 
beiden Machthabern zusammen aufzunehmen. Seine Weigerung, sich per- 
sönlich mit Cäsar zu verständigen, kann also nur darin ihren Grund 
haben, daß er ebenso wie früher (S. 19 ff.) einem Vergleich durchaus 
abgeneigt war, was auch von Cicero angenommen wird.^) Das staats- 
rechtliche Bedenken, hinter welchem sich Pompejus jetzt verschanzte, 
gibt sich schon dadurch, daß er kurz zuvor selbst Numerius Magius zur 
Anknüpfung von Friedensverhandlungen an Cäsar gesandt hatte (S. 65 ff.), 
als eine leere Ausflucht zu erkennen. Wie wir bereits gesehen haben, 
sollte diese Sendung lediglich die Einstellung der zur Sperrung des 
Hafens dienenden Arbeiten bewirken. Nachdem Pompejus jedoch erkannt 
hatte, daß dieser Zweck durch Verhandlungen nicht zu erreichen war, 
ließ er sich auf solche überhaupt nicht mehr ein. 

Daß Cäsar im Gegensatze hierzu angelegentlich bemüht war, zu 
einer Verständigung zu gelangen, erhellt nicht bloß aus den bisher an- 
geführten Tatsachen, sondern auch aus verschiedenen Äußerungen, die er 
selbst oder seine Vertrauten in dieser Zeit taten. So erklärte der jüngere 
Baibus bei einer Zusammenkunft, die er am 24. Februar mit Cicero auf 
dessen Formianum hatte, Cäsar wünsche nichts mehr, als Pompejus ein- 
zuholen und sich mit ihm zu versöhnen. Um die nämliche Zeit schrieb 



1) Att IX 9, 2 (17. März): qtu>d consules laudas, ego quoque animum laudo, aed 
consilium reprehendo; discesm enim illorum actio de pace sublata est, quam quidem 
ego meditahar, 

2) Erst nach dem Rücktritt der Konsuln ist diese Funktion in Verbindung 
mit dem allgemeinen militärischen Oberbefehl auf Pompejus übergegangen. Vgl. 
S. 28 ff. 

3) Att. VIfl 15, 3 (3. März): recefitmima tua est epistola Kai data, in qua 
optas congressum pacetnque tum desperas; sed ego, cum haec scrihebam, nee ilhs am- 
gressuros nee, si congressi essent, Pompeium ad ullam condicionem accessurum 
putabam. Nicht viel gunstiger urteilte der ältere Baibus in dem kurz zuvor ge- 
schriebenen Briefe Att. VIII 15a, 1: (Pompeius) ut adduci tali tempore ad ullam 
condicionem possit, magis opto quam spero. 

68 



Die Anfänge des Bürgerkrieges zwischen Cäsar und Ponipejus. 373 

der ältere Baibus von Rom aus an Cicero, Cäsar hege keinen weiteren 
Wunsch, als unter dem Prinzipat des Pompejus ohne Furcht zu leben.*) 
Cicero bringt diesen Versicherungen allerdings großes Mißtrauen entgegen; 
doch scheint dasselbe keineswegs berechtigt. Was die erste Äußerung 
betrifft, so hat Cäsar durch sein Verhalten vor Brundisium ja zur Genüge 
gezeigt, daß ihm das Zustandekopimen eines Vergleichs erwünscht war. 
Ebenso wird man auch geneigt sein, der zweiten Behauptung Glauben 
zu schenken, wenn man in Erwägung zieht, daß eben nur die Furcht 
vor einer Anklage der Grund war, weshalb Cäsar bis zum Antritt seines 
zweiten Konsulats im Besitze seiner Provinzen zu verbleiben wünschte. 2) 
Das Prinzipat des Pompejus hat sich Cäsar wahrscheinlich in der Weise 
vorgestellt, daß derselbe, wie es bisher der Fall war, in Rom verbliebe 
und daselbst den Gang der politischen Angelegenheiten beherrschte, während 
er selbst entweder aufs neue die gallischen Provinzen oder vielleicht den 
Krieg mit den Parthem, an denen die Niederlage des Crassus noch gerächt 
werden mußte, zu übernehmen gedachte. Femer spricht auch Cäsar selbst 
in einem kurz vor seiner Ankunft vor Brundisium an Oppius und Baibus 
gerichteten Briefe die Absicht aus, sich mit Pompejus zu versöhnen. 3) 

Im Hinblick auf solche Äußerungen hat die von Drumann, Nitzsch 
und Basiner vertretene Annahme, daß Cäsars Friedensbemühungen vor 
Brundisium nicht ernst gemeint gewesen seien*), sehr wenig Wahrscheinlich- 
keit; denn es ist nicht einzusehen, weshalb Cäsar sogar seine Vertrauten 
über seine Absichten hätte täuschen sollen. Basiner meint, die Unter- 
handlungen hätten den Zweck gehabt, Pompejus bis zur Vollendung der 
Hafensperre in Brundisium festzuhalten, und Nitzsch scheint der gleichen 
Ansicht zu sein. Es spricht indessen nicht zugunsten dieser Annahme, 
daß Cäsar eine Unterredung mit Pompejus zu haben wünschte und sich 
so für denjenigen Weg entschied, auf welchem am raschesten eine Einigung 
zu erzielen war. Zudem fallen Cäsars Friedensversuche in eine Zeit, in 
der Pompejus die Rückkehr der zum Transport seiner Truppen bestimmten 



1) Ätt VIII 9, 4 (25. Februar): idem (Baibus) aiebat nUiil malle Caesarem, quam 
ut F&mpeium adsequeretur — id credo — et redireU in gratiam: id non credo .... 
Baibus quidem maior ad me scribit nihil malle Caesarem quam principe P&mpeio sine 
metu vivere: tu, puto, haec credis. 

2) Nach dem Ausbruch des Bürgerkrieges hat Cäsar, wie wir bereits gesehen 
haben (S. 18), auch diese Forderung fallen lassen, aber sich doch wenigstens, indem 
er verlangte, daß Pompejus sich in seine Provinzen begäbe, einen günstigen Ausgang 
des ihm als Privatmann drohenden Prozesses zu sichern gesucht. 

3) Att IX 7 c, 1: cansilio vestro utar luhenter, et hoc lubentitu, quod mea sponte 
facere constitueram, ut qtmm lenissimum me praeberem et Pompeium darem operam ut 
recondliarem. 

4) Drumann, Gesch, Borns III 438, Note 44. Nitzsch, Geschichte der rämischen 
Bepublik, herausgeg. v Thouret, Bd. IT, Leipzig 1885, S. 240. Basiner, De bello 
civili Caesariano, pai-s I 59flf. 

69 



374 L. Hdsapfd, 

Flotte noch erwartete. Basiner glaubt seine Ansicht allerdings anch anf 
ein Zeugnis stfitzen zu können, indem er Snet. Caes. 34 ins Feld fährt. 
Es heißt daselbst, Cäsar habe vor Bmndisium den vergeblichen Versuch 
gemacht, Pompejus und die Konsuln durch alle möglichen Hemmnisse 
am Auslaufen zu hindern: frustra per omnü moros exifu prohibere conaius. 
Bei unbefangener Betrachtung dieser Angabe wird man aber wohl geneigt 
sein, zunächst an die von Cäsar versuchte Sperrung des Hafens zu denken, 
in welchem Falle aUerdings die Erwähnung der schon vor Cäsars Ankunft 
in See gegangenen Konsuln auf einem Irrtum beruht. Als Beleg ffir den 
Gebrauch von mora in konkretem Sinne mag Plaut. Stich. 309: removete 
moram, wo das öffnen einer verschlossenen Tür verlangt wird, angeführt 
werden. 

Einen Beweis gegen wirkliche Friedensabsichten Cäsars wollen Drumann 
und Basiner darin finden, daß auch, nachdem Magius von Pompejus mit 
Friedensanträgen abgesandt worden war, die zur Sperrung des Hafens 
getroffenen Veranstaltungen gleichwohl ihren Fortgang nahmen (s. oben 
S. 66 Anm. 3 und 67 Anm. 2). Aber Cäsar wäre ein schlechter 
Feldherr und ein noch schlechterer Politiker gewesen, wenn er die Ein- 
stellung dieser mit ihrem Fortschreiten die eigene Position immer günstiger 
gestaltenden Arbeiten angeordnet hätte, ohne zuvor mit seinem Gegner 
wenigstens zu einer prinzipiellen Verständigung gelangt zu sein, zu deren 
Herbeiführung die von ihm gewünschte, jedoch nicht zustande gekommene 
Unterredung dienen sollte. 

Seit dem Beginn des Krieges hatte sich Cäsars Lage durch die Er- 
oberung Italiens und den Übertritt zahlreicher republikanischer Kohorten 
zur eigenen Armee wesentlich gebessert. Nichtsdestoweniger war er auch 
jetzt noch erheblich schwächer, als sein Gegner, der in Spanien eine 
kriegsgeübte Armee besaß und bald in der Lage war, im Osten ein zweites 
beträchtliches Heer und eine gewaltige Flotte aufzubieten. Pompejus 
gewann die hierfür erforderliche Zeit dadurch, daß Cäsar durch Mangel 
an Schiffen gehindert war, ihm sofort nach Griechenland zu folgen (S. 63), 
und sich so darauf angewiesen sah, seinen nächsten Angriff auf Spanien 
zu richten. Auf diese Weise mußte der Krieg sich notwendig in die 
Länge ziehen, sodaß sein Ausgang in keiner Weise abzusehen war. Cäsar 
hatte demnach triftige Gründe, auf ein Abkommen mit Pompejus bedacht 
zu sein. Die voraussichtlich lange Dauer des Krieges erscheint bereits 
in Plutarchs Bericht über die Sendung des Magius als ein Friedensmotiv') 
und wird als solches auch von Stoff eP) hervorgehoben. 

1) Vgl. S. 19 Anm. 4. 

2) Eist de Jules C^ar, Cruerre civile I 252. Daß es Cäsar auch jetzt noch 
ernstlich um einen Vergleich zu tun war, wird auch von Mommseu, BJSm, Gesch, 
III 390, Ihne, R^n. Oeack. VI 583 ff., und 0. E. Schmidt, Der Briefwechsel des 
M. Tullius Cicero I 151 ff., angenommen. 

70 



Die Anfänge des Bürgerkrieges zwischen Cäsar und Ponip^m. 375 

Wäre es Cäsar gelungen, den Hafen von Brundisium völlig abzu- 
sperren, bevor die Pompejanische Flotte zurückkehrte, so hätte allerdings 
für ihn die Möglichkeit vorgelegen, den Krieg mit einem Schlage zu 
beendigen. Gleichwohl beruht die bereits im Altertum geäußerte und 
von der überwiegenden Mehrzahl der neueren Forscher angenommene 
Ansicht, dafi es sich darum gehandelt habe, die Pompejaner an der 
Abfahrt nach Griechenland zu hindern^), auf einem Irrtum. Wie Cäsar 
selbst annahm, waren zur völligen Absperrung des Hafens viele Tage 
erforderlich'), während die feindliche Flotte bei günstigem Winde ihre 
Überfahrt in einem einzigen Tage bewerkstelligen^) und demnach sehr 
bald nach ihrer noch vor dem 9. März (vgl. S. 63) erfolgten Abfahrt 
wieder eintreffen konnte. Ungünstige Witterungsverhältnisse waren jeden- 
falls die Ursache, weshalb sich ihre Rückkehr, die man auf den 15. März 
sicher erwartete*), noch bis zum 17. verzögerte. Trotz dieser Verspätung 
waren bei ihrem Erscheinen die zur Absperrung des Hafens in Angriff 
genommenen Arbeiten erst nahezu zur Hälfte vollendet (S. 64). Unter 
solchen Umständen war die Aussicht, Pompejus in Brundisium festzu- 
halten, von vornherein sehr gering, Cäsar konnte eine solche Hoffnung 
um so weniger hegen, als er nicht einmal wußte, daß Pompejus für seine 
Überfahrt die nach Griechenland vorausgesandten Schiffe öötig hatte. ^) 

Bei dieser Sachlage erscheint die oben (S. 63) wiedergegebene Dar- 
stellung Cäsars, wonach die zur Sperrung des Hafens getroffenen Ver- 
anstaltungen in erster Linie darauf berechnet waren, den Gegner zur 
schleunigen Abfahrt zu zwingen, durchaus einleuchtend. Für den in 
Aussicht genommenen spanischen Feldzug war die baldige Vertreibung 



1) Cic. AU. IX 12, 3. Florus II 13, 19. Suet. Caes. 34 (vgl. S. 7p). Lucan. 
II 060 ff. Druraann, Gesch. Borns III 439. Moramsen, Rihn. Gesch. III« 388. Nitzsch, 
Gesdi. d. r&m. Bepublik, heraus^eg. v. Thouret II 240. Basiner, De hello cimli 
Caesariano, S. 62. Ihne, B^. Gesch. VI 585. 

2) Vgl. S. 64 Anm. 1. 

3) Einen Beleg hierfür bietet Ciceros Rückreise aus dem Exil im J. 57. Am 
4. Sextilis verließ er Dyrrhacliiam und langte am 5. bereits in Brundisium au 
{AU. IV 1^ 4). Ebenso setzte Cäsar, als er den Feldzug gegen die Pompejaner in 
Griechenland eröffnete, in einem Tage (4./5. Januar) seine Truppen von Brundisium 
nach Paläste im nördlichen Epirus über (Caes. h. c. IIT 6, 2). 

4) Aut diese Weise erklärt sich die Entstehung eines um den 24. März nach 
Capua gelangten falschen Gerüchtes, wonach Pompejus seine Überfahrt bereits 
am 15. März bewerkstelligt hatte {AU- IX 14, 3). 

5) Es ergibt sich dies nicht bloß aus Cäsars Darstellung, wonach er selbst 
in Hinsicht auf diesen Punkt im Ungewissen war (6. c. I 25, 3: neque certum 
inveniri poteratj obünendine Brundisii causa Pömpeius ibi remansisset . . . an inopia 
navium ibi restitisset\ sondern auch aus einem am 13. März aus Cäsars Lager vor 
Brundisium an Cicero gerichteten Briefe Dolabellas, nach dessen Angabe Pompejus 
bereits damals im Begriffe war, zu fliehen, und nur noch den Eintritt günstigen 
Windes abwartete {AU. IX 13, 1; s. S. 72 Anm. 1). 

71 



376 L. Holeapfel, 

der Pompejaner aus Italien jedenfalls von großer Wichtigkeit. Nachdem 
einmal der Feind vor die Alternative gestellt war, entweder Brundisium 
alsbald aufzugeben oder sich dort einschließen zu lassen, war wohl mit 
Wahrscheinlichkeit zu erwarten, daß er sich für das Erste entschiede. 
Wie man in Cäsars Lager die Dinge beurteilte, zeigt deutlich ein von 
dort am 13. März abgesandtes Schreiben Dolabellas an Cicero, worin es 
als ein glücklicher Erfolg Cäsars bezeichnet wurde, daß Pompejus im 
Begriffe sei, zu fliehen, und bei dem ersten günstigen Winde absegeln 
werde. ^) Daß Cäsar seine militärische Aufgabe lediglich in der Ver- 
treibung des Feindes aus Italien erblickte, erhellt auch aus einem Briefe, 
den sein Anfang März mit einer Truppenabteilung nach Ligurien mar- 
schierender Legat M. Cälius Rufus an Cicero richtete. 2) Hätte Cäsar 
Kenntnis davon gehabt, daß Pompejus ohnehin gesonnen war, seine 
sämtlichen Truppen aus Italien herauszuziehen (S. 54 ff.), so hätte er 
wohl darauf verzichtet, ihm nach Brundisium zu folgen, und auf solche 
Weise für den spanischen Feldzug viel Zeit gewonnen. 

Wie steht es aber nun mit Dies Angabe, daß Pompejus die Konsuln 
nach Griechenland vorausgeschickt habe, damit sie auf keinen Abfall 
sännen (S. 67)? Auf den ersten Blick wird man wenig geneigt sein, 
dieser Motivierung Glauben zu schenken, da sich beide Konsuln bisher 
als entschiedene Gegner Cäsars bewährt hatten.^) Es liegen indessen 
einige Angaben vor, welche zeigen, daß wenigstens Lentulus durchaus 
nicht als zuverlässig betrachtet werden durfte. Seine Schulden sollen so 
bedeutend gewesen sein, daß er nur von einer Zerrüttung des Staates 
Heil erwarten konnte.*) Man glaubte daher, daß er für denjenigen zu 
haben wäre, der ihm den höchsten Preis zahlte.^) Unter solchen Um- 
ständen erschien ein kurz vor dem Ausbruche des Bürgerkrieges in Umlauf 
gekommenes Gerücht, wonach Lentulus Cäsars Sache zu der seinigen 
gemacht hatte ^), keineswegs ganz unglaubwürdig. Der wahre Sachverhalt 
war wohl der, daß die Cäsarianer sich damals Hoffnungen machten, 



1) AtL IX 13, 1 : quid enim est, quod Dolahella iis littens, quas III Idtia Martias 
Brundisio dedit, hanc eviiiiBQiav quasi Caesaria scriheret, Pompeium in fuga esse 
euniqu^ primo vento navigaturum ? 

2) Cic. fam. VIII 15, 1: nam me (Caesar), cww expulisset ex Italia Pom- 
pe i um, (xmstituit ad urbem vocare, id quod iam existitno confectum, nisi si maluit 
Pompeius Brundisii circumsederi, „es müßte denn sein, daß Pompejus es vorgezogen 
liätte, sich in Braudisium einschließen zu lassen^. 

3) Caes. h. c. I 1, 2. 2, 5. Flut. Pomp. 59, Caes. 31. Dio XLI 1, 2. 

4) Vell. II 49, 3: cum . . . Lentulus . . . salva re publica salvus esse non posset, 

5) Vell. II 51, 3. 

6) Ätt VI 8, 2 (geschrieben am 1. Oktober 50 in Ephesus): iep/a etiam plura 
locutus est, spero falsa, sed certe Itorribilia . . . cum illo (Caesare) praetores designatos, 
Cassium trihumim pl, Lentulum consulem facere, Pornpeio in animo esse urbem 
relinquere. 

72 



Die Anfänge des Bürgerkrieges zwischen Cäsar und Pofnpejiis. 377 

diesen Mann für sich zu gewinnen, Pompejus jedoch bei dem Wettbewerb 
die Oberhand behielt. ^) Gleichwohl gab Cäsar das Spiel noch keineswegs 
verloren. Auf seine Veranlassung reiste gegen Ende Februar 49 der 
jüngere Baibus, dessen Onkel in Rom während des Bürgerkrieges alle 
Geschäfte des Lentulus besorgte 2), in aller Eile auf Schleichwegen von 
der Hauptstadt nach Brundisium, um den Konsul durch die Zusage einer 
Provinz zur Rückkehr nach Rom zu bewegen. 3) Durch die Anwesenheit 
eines Konsuls hoffte Cäsar jedenfalls dem Senat einen legitimeren 
Charakter zu verleihen^) und für die jetzt von dieser Körperschaft zu 
betreibende Einigung mit Pompejus günstigere Aussichten zu haben. ^) 
Welche Aufnahme Baibus bei Lentulus gefunden hat, den er bei der 
großen Eile, mit der er reiste, wohl noch in Brundisium antraf^, wissen 
wir nicht. Im folgenden Jahre verschaffte er sich, während die Pompejaner 
in Dyrrhachium eingeschlossen waren, mit großer Verwegenheit Eintritt 
ins feindliche Lager und gelangte zu wiederholten Unterredungen mit 
Lentulus ''), ohne jedoch seinen Zweck zu erreichen. Einen eigentümlichen 
Eindruck mußten die Erklärungen hervorrufen, welche Lentulus am 
1. Januar 49 im Senat bei der Beratung über die von Cäsar gestellten 
Bedingungen abgab. Indem er einesteils versicherte, sich dem Senat und 
dem Staate nicht entziehen zu wollen, wenn die Senatoren kühn und 
mutig ihre Meinung äußerten, wies er andernteils darauf hin, daß bei 

1) Welche Aussichten Lentulus nach seinem Anschluß an Pompejus zu haben 
glaubte, erhellt aus Caes. b, c. l 4, 2: Lentulus aeris älieni magnitudine et »pe 
exercitus ac provinciarum et regum ajppellandorum largitionihus movetur seque alterum 
fore Sullam inter suoa gloriaturf ad quem summa imperii redeat, 

2) Att, IX 7b, 2. 3) AU. VI 11 9, 4. 11, 5. 

4) Die Abwesenheit kurullscher Magistrate im Cä.sariauischen Senat wird als 
ein empfindlicher Übelstand vou Lucan IH 103 ff. in der Scliilderung der ersten 
nach Cäsars Ankunft in Rom gehaltenen Sitzung betont: 

Fhoebea palatia conplet 
Turba patrum, nullo cogendi iure senatus 
E latebris educta suis; non consulis sacrae 
Fulserunt sedes, non proxima lege potestaSy 
Praetor, adest, vactMieque loco cessere curules. 
Omnia Caesar erat; privatae curia vocis 
Testis adest, 

5) In diesem Sinne schreibt der ältere Baibus von Rom aus gegen Anfang 
März an Cicero {Att. VIII loa, 2: qmd si voluerit (Lentulus) . . . cmsulatum reli- 
quum Bwriae peragere, incipiam sperare etiam consilio senatus^ auctore te, illo relatore, 
Pompeium et Caesarem coniungi posse. 

6) Nach Att VIII 9, 4 besuchte Baibus unterwegs Cicero am 24. Februar 
auf seinem Formiannm. Da zu einer Reise von Rom nach Brundisium bloß fünf 
Tage erforderlich waren (Plut. Cat. Mai. 14 fin.), so konnte er sehr wohl noch vor 
der erst am 4. März (S. 62) erfolia:ten Einschiffung der Konsuln dort eintreffen. 
Ciceros Zweifel {Att. VllI 11, 5) beruhen wohl auf der Voraussetzung, daß Une 
Überfahrt früher vonstatten ginge. 

7) Vell. II 51, 3; vgl Pollio bei Cic. fam. X 32, 3. 

Beitrage z. alten Gesdücbte IV 3. 25 

73 



378 L. Holzapfel, 

einer für Cäsar günstigen Abstimmung auch ihm der Rückzug zu dessen 
Gunst und Freundschaft offen stände.^) Diese Tatsachen liefern einen 
neuen Beweis dafür, daß der von Dio benutzte Autor über die Zeit- 
verhältnisse wohl unterrichtet war (S. 11 ff., 59). 

Die Strategie des Pompejus hat im Altertum eine äußerst abfällige 
Beurteilung durch Cicero 2) und in unserer Zeit durch Nissen 3) erfahren. 
Beide mißbilligen nicht nur die Räumung Roms*), sondern sind auch der 
Ansicht, daß Pompejus auch nach dem Verlust Picenums sehr wohl noch 
in der Lage gewesen wäre, Cäsar Widerstand zu leisten, und auf keinen 
Fall Domitius hätte in Stich lassen dürfen.*) Im Gegensatze hierzu hat 
unsere Untersuchung zu dem Resultat geführt, daß der von Pompejus 
von Anfang an ins Auge gefaßte Rückzugsplan auf einer richtigen Ab- 
schätzung der beiderseitigen Streitkräfte beruhte (S. 46 ff.). Nissen meint, 
wenn Pompejus mit seinen Veteranen eine feste Stellung in der Mitte der 
Halbinsel eingenommen hätte, so würde sich eine imponierende Streitmacht 
um ihn versammelt haben. Veteranen waren aber überhaupt nicht vor- 
handen außer den beiden von Cäsar abgetretenen Legionen, deren Zu- 
verlässigkeit sehr fraglich erschien (S. 46). Was die Räumung Roms 
betrifft, so war dieselbe allerdings am 17. Januar durch die militärische 
Lage noch keineswegs geboten, brachte jedoch für Pompejus unleugbare 
politische und moralische Vorteile mit sich (S. 48 ff.). 

Eine große Unterlassungssünde der Pompejanischen Heeresleitung 
erblickt Nissen femer darin, daß die spanische Armee nicht den mindesten 
Versuch gemacht habe, Cäsar im Rücken zu bedrohen. Aber wenn auch 
Pompejus eine solche Diversion auf die Kunde von der Besetzung Ariminums 
(14. Januar) sofort angeordnet hätte, so konnte sein Befehl bei rascher 
Beförderung erst Anfang Februar nach dem diesseitigen Spanien zu 
Afranius und erst gegen den 10. Februar nach dem jenseitigen Spanien 
zu Petrejus und Varro gelangen.^) Da Afranius allein nur über drei 

1) Cic. 6. dv, I 1, 2 ff. 

2) In Hinsicht auf die Preisgabe Roms vgl. S. 44 Anm. 3; außerdem Ae^VII 
13a, 1. 21, 1 (S. 47). VIII 1, 1 ff. 2, 3, 3, 4. 

3; Sybels HisU Zeitschr., Bd. 46 1881 S. 104: „Es würde nicht zutreffen, von 
einem Verrat des Generalissimus (?) zu reden; in der Sache kommt sein Verhalten 
auf das nämliche heraus*. 

4) Über Cicero vgl. die zweitletzte Note. 

5) Nissen a. a. 0. Cic. AtL Vllf 3, 7 (um den 20. Februar): nofi puto etiam 
hoc Qnaeum nostrum commisswrum, ut Domüium relinquat, 7, 1 (23. Februar): 
tmum etiam restat amico nostro ad amne dedecus, ut Domitio non subvenicU. 8, 2 
(24. Februar auf die Kunde von der Kapitulation des Domitius): ecce subito litterae 
Domitii ad illum (Pompeium), ipsiu^ ad conmles (= VIII 6, 2): fulmse mihi videbatur 
To xakbv ad oculoa eius . . , at ille tibi, noXla ;f«i()f/v rai xalw dicenSj pergit 
Brundigium, 

6) Den besten Maßstab gewährt Cäsars Marsch von Rom nach dem jenseitigen 
Spanien gegen Ende des Jahres 46, der nach Suet. Caes. 56 in 24, nach App. b. c. 

74 



Die Anfänge des Bürgerkrieges zwischen Cäsar und Pompejus. 379 

Legionen verfügte*), die zu einem erfolgreichen Angriff auf Gallien bei 
weitem nicht ausreichten, so hätten zunächst Petrejus und Varro, die in 
Bätica und Lusitanien mit je zwei Legionen standen'), sich mit ihm ver- 
einigen müssen. Die Konzentration dieser sämtlichen Truppen an der 
gallischen Grenze, die durch die ungünstige Jahreszeit erschwert werden 
mußte, war daher vor Anfang März (nach dem julianischen Kalender 
Mitte Januar) überhaupt nicht zu bewerkstelligen. Selbst wenn es dann 
gelang, den Cäsarianischen Legaten C. Trebonius und C. Fabius, die mit 
acht Legionen im jenseitigen Gallien zurückgelassen worden waren ^), eine 
Niederlage beizubringen, so konnte dies für den Gang des Krieges in 
Italien nicht mehr von Bedeutung sein. Da die Phantasie den realen 
Verhältnissen wenig Rechnung zu tragen pflegt, so konnte sich allerdings 
in Campanien um den 20. Februar das Gerücht verbreiten, daß Afranius 
in den Pyrenäen ein feindliches Heer unter Trebonius geschlagen habe 
und mit großen Truppenmassen herannahe.'^) Tatsächlich war der nächste 
Gegner, auf den die Pompejaner auf einem Vormarsch nach Gallien 
gestoßen wären, der im Gebiet von Narbo mit drei Legionen stehende 
Legat C. Fabius, während die übrigen Legionen in größerer Entfernung 
überwinterten.^) 

Einen ganz anderen Verlauf hätte der Krieg allerdings nehmen 
können, wenn sich sein Ausbruch bis zum nächsten Sommer verzögert 
hätte; denn bei den alsdann bestehenden günstigen Schiffahrtsverhältnissen 
wäre es wohl möglich gewesen, einen Teil der spanischen Armee in kurzer 
Zeit nach Italien zu senden und so den dort auszuhebenden Rekruten 
einen starken Rückhalt zu geben. Pompejus trug indessen nicht die 
Schuld, daß der noch längeren Wartens müde Konsul Marcellus ihm zu 
ungelegener Zeit das Schwert überreichte (S. 30) und ihn so vor die 

II 103 aber in 27 Tagen ausgeführt und in Hinsicht auf seine Schnelligkeit als 
c*ine aulierordentliche Leistung betrachtet wurde (Die XLIII 32, 1; vgl. hell. Hisp, 
2, 1). Den Weg Dach Sagunt legte Cäsar in 17 Tagen zurück (Oros. VI 16). Es 
ist hierbei zu berücksichtigen, daß er Rom noch vor dem Beginn des Jahres 45 
(vgl. ad fam, XV 17, 3 und dazu 0. E. Schmidt, Der Briefwechsel des M, Tullius 
Cicei'o I 271 ff.) oder nacli dem julianischen Kalender noch vor dem 14. Oktober 46 
verließ und sein Marsch demnach noch vor dem Beginn des Winters stattfand. 
1) Caes. 6. c. 1 38, 1. 2) Ebenda. 

3) Im ganzen hatte Cäsar elf Legionen {Alt VII 7, 6. Flor. II 13, 5), wobei 
die vor dem Ausbruch des Bürgerkrieges im transalpinischen QalUen gebildete 
legio V AlaiAdae (Suet. Caes. 24) mitgerechnet ist. Wenn der Konsul C. Marcellus 
gegen das Ende des Jahres 50 Cäsars Heeresmacht auf zehn Legionen veran- 
schlagte (Plut. Pomp. 58), so erklärt sich dies dadurch, daß jene neue Legion, 
deren Soldaten kein Bürgerrecht hatten^ nicht in Betracht gezogen wurde (vgL 
A. V. Domaszewski, N. Heidelb. Jahrb. IV 1894 S. 160 ff.). Da Cäsar für den Krieg 
in Italien nur drei Legionen, die 13. (b. c. 1 7, 7), die 12. (15, 2) und die 8. (18, 5), 
verwandte, so blieben für Gallien noch acht übrig. 

4) AU. VTII 3, 7. 5) Caes. h. c. I 37, 1 flf. 

25* 
75 



380 L. Holzapfel, 

Alternative stellte, den Krieg mit Cäsar entweder sofort herbeizuführen 
oder überhaupt darauf zu verzichten. Nachdem einmal mit diesem Akt 
die Rüstungen auf selten der Republikaner ihren Anfang genommen hatten, 
gab es auch für Cäsar, nach dessen Auffassung der Tumult hiermit ein- 
getreten war (S. 30), kein Zaudern mehr. Wie die Dinge jetzt lagen, 
war sein Einbruch in ItaHen, wenn es nicht in letzter Stunde zu einem 
Vergleich kam, auch ohne das senatns consultum tdtimum und die Flucht 
der Tribunen nicht mehr abzuwenden, da er im anderen Falle verloren war. 
Wir haben bereits darauf hingewiesen, daß die Republikaner unmittelbar 
nach ihrer Flucht aus Rom eine Zeit lang daran dachten, sich nicht, wie 
es Pompejus von vornherein wollte, nach Griechenland, sondern vielmehr 
nach Spanien zu begeben (S. 50 ff.). Im Einklang mit dieser Absicht 
stand das nach Cäsars Aufbruch dorthin nicht bloß in Campanien, sondern 
auch in Cäsars Umgebung verbreitete Gerücht, daß Pompejus mit Heeres- 
macht im Anmarsch nach Spanien begriffen sei. Im Hinblick auf die 
für eine weite Seefahrt noch ungunstige Jahreszeit^) vermutete man, daß 
er seinen Weg entweder durch Illyrien und Germanien oder durch Mauri- 
tanien nähme. 2) Mommsen meint, Pompejus hätte in der Tat nichts 
Besseres tun können, als sich zu seiner spanischen Armee zu begeben. •**) 
Die gleiche Auffassung bekundet sich in dem nach einer Angabe Suetons 
von Cäsar auf dem Marsche nach Spanien getanen Ausspruche, daß er 
jetzt zu dem Heere ohne Feldherm ginge und von dort zu dem Feldherrn 
ohne Heer zurückkehren würde.*) Pompejus hat aber doch wohl gewichtige 
Gründe gehabt, dem Verbleiben in Griechenland den Vorzug zu geben. 
Die spanische Armee hätte allerdings, wenn man von den beiden von 
Cäsar abgetretenen Legionen absieht, deren Zuverlässigkeit zweifelhaft 
erschien (S. 46), durch Zuführung der drei übrigen in Italien frisch aus- 
gehobenen Legionen eine ziemHch beträchtliche Verstärkung erhalten, und 
durch Pompejus' persönliche Anwesenheit wäre jedenfalls der Abfall 
zahlreicher Staaten verhütet worden, die erst dann, als man die Hoffnung 
auf sein Erscheinen aufgegeben hatte, auf Cäsars Seite traten.^) Andrerseits 
konnte indessen für die Leitung der Rüstungen im Osten nicht leicht ein 
anderer Feldherr gefunden werden, dem ein gleiches organisatorisches 
Talent und so weitverzweigte Verbindungen zu Gebote gestanden hätten. 

1) Nach dem römischen Kalender zirkulierte das erwähnte Gerücht Ende 
April und Anfang Mai (s. die folgende Note), nach dem julianischen also in der 
ersten Hälfte des März. 

2) Att. X 6, 2 (geschrieben auf dem Cumanum in der zweiten Hälfte des 
April): Pompeium pro certo hahemu^ per lUyrkum proficisci in Galliam. X 9, 1 (ebenda 
am 3,/4. Mai): etiam iUud erat j)ersnasum, Pompeittm atm magnis copiis iter in Gei- 
maniam per Illyricum fedsse: id enim ar^evxtxwq nuntiabatur. Caes. h. c. 1 39, 3: 
audierat (Caesar) Pompeium per Mauritaniani cum leaionibus iter in Hispaniam facere 
confestimque esse centurum (vgl. 00, 5). 

3) Emn. Gesch. lll'^ 394. 4) Suet. Cava. 34. 5) Caes. L c. 1 ÜO, 5. 

76 



Die Anfänge des Bürgerkrieges zwischen Cäsar und Pompejns. 381 

Gelang es nun Afranius und Petrejus, die sich beide als tüchtige Heer- 
führer bewährt hatten, durch eine behutsame Kriegführung die Entscheidung 
so lange zu verzögern, bis Ponipejus seine Rüstungen vollendet hattet, 
so kam es zu einem Kampfe auf zwei verschiedenen Kriegsschauplätzen, 
bei welchem Cäsar nicht nur numerisch im Nachteil war, sondern auch 
sein Feldhemigenie weniger als sonst zur Geltung bringen konnte. Ab- 
gesehen hiervon sprach gegen ein Einschreiten in Spanien noch die 
Erwägimg, daß alsdann der Oberbefehl im Osten den Konsuln zugefallen 
wäre. Lentulus, dem als Ideal die Machtstellung eines Sulla vorschwebte*), 
hätte unter solchen Umständen wohl danach gestrebt, die Leitung der 
politischen Angelegenheiten allein zu tibernehmen. Ein solcher Mann 
durfte aber schon deshalb sich nicht selbst überlassen bleiben, weil 
ihm stets der Abschluß eines Abkommens mit Cäsar zuzutrauen war 
(S. 72 ff.). Die von Pompejus getroffene Entscheidung war daher in 
gleichem Maße durch politische wie durch militärische Gründe gerechtfertigt. 

Mit der Eroberung Italiens hatte Cäsar ein Gebiet in Besitz genommen, 
(las sein Gegner von vornherein nicht ernstlich zu verteidigen gedachte 
und dessen Preisgabe dem Senat bereits vor der Flucht aus Rom in 
Aussicht gestellt worden war (S. 45 ff.). Diesem Sachverhalt entspricht 
es, daß ein bei Plutareh vorliegender Bericht den eigentlichen Krieg erst 
mit Pompejus' Überfahrt nach Griechenland beginnen läßt (S. 40), ob- 
wohl das bellum im politischen Sinne bereits mit der am 17. Januar 
erfolgten Ächtung Cäsars (S. 34 ff.) seinen Anfang genommen hatte. 

Wenn aber auch der Rückzug aus Italien von Anfang an in 
Aussicht genommen war, so gestaltete sich sein Verlauf doch keineswegs 
befriedigend. Verhängnisvoll war zunächst der Optimismus, welchen 
Labienus nach seiner Ankunft in Teanum an den Tag legte (S. 51 ff.). 
Pompejus wurde hierdurch bewogen, den Gedanken an eine völlige Preis- 
gabe Italiens, mit welchem man sich schon bei der Flucht aus Rom 
vertraut gemacht hatte (S. 45 ff.), fallen zu lassen und sein baldiges Er- 
scheinen in Picenum in Aussicht zu stellen (S. 53). Nach dem alsbald 
eingetretenen Verlust dieser Landschaft wagte er es nicht, diesen Sach- 
verhalt, der den Republikanern die schlimmste Enttäuschung bereiten 
mußte, sofort einzugestehen, und mußte so die üble Folge in Kauf nehmen, 
daß die auch jetzt noch an die Verteidigung Picenums denkenden Konsuln 
die Bergung der im aerarium sandius befindlichen Staatsgelder unter- 
ließen (S. 54). 

Es zeigte sich schon hier, von welchem Nachteil es war, daß man 
darauf verzichtet hatte, Pompejus einem von Cato gestellten Antrag gemäß 
zum Oberfeldherm mit unbeschränkter Befugnis zu ernennen (S. 26, 27 ff.). 

1) Daß die Aufgabe der Legaten hierin bestand, wird richtig betont von 
Delbrück, Geschickte der Kriegskunst im Bahmen der politischen Geschichte, Bd. I, 
herlin Um, S. 482. 2) (-aes. b. c. I 4, 2. Vgl. S. 73 Anra. l. 

77 



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A'#f'a*x '•;, /^; A'rri-.^. fc.r,*r b:f!rnrT,z '*^t<k:A di-fr^^a i:: H.L^ir.t a:xf CiArs 

\%, V*:*trur, »4'.r*rf*/l •i'h nvrh m*::',er A^Ta-^^iiz ai'» Ci-ar* Aü^a^^e t.>ii der 
*;^^/^oU^ii(*'f) fn/j'rr vrin*:* Aof*rn*Ka;t^ vor «l'irüni'^fn >•- r. I ?S. .:•>, das er am 
:?J, f'-'/niar «j*^l^r s^^fti^-i ^ri': Att VIII U. 1,, im HiLMirk auf den v.>ii Cäsar 
an ^if^r acd^^D ^WifAizniii^tn >M\\h 'h.cAri. li f»w^;ba.:h**irten >prachg»^*«rau«'h ab 
(/at'«rri M?i'j«rr Arjk'jf.fl %i«lr/j»'ijr dT 1 >. Felruar -r.'ibt f^i [V S. öO Aliii. i* L. H. 



383 



Mitteilungen und Nachrichten. 

Die diesjährigen deutschen Ausgrabungen in Ägypten. 
Von Lndwig Borohardt. 

Ausgrabungen bei Abusir el meleq. 

Zwei und einen halben Monat zu Anfang des Jahres wurde unter Leitung des 
Herrn Dr. Rubensohn, dem Herr Dr. Möller zur Seite stand, in der ausgedehnten 
Nekropole bei Abusir el meleq vor dem Eingange in das Fajum für das preußische 
Papyrus-Unternehmen gegraben. Das Stück des Totenfeldes, welches durchforscht 
wurde, hat eine ungefähre Länge von l km bei einer durchschnittlichen Breite von 
V2 km. Es ist dicht mit Gräbern der verschiedensten Epochen und von allen Formen 
besetzt. Die ältesten Anlagen gehen bis ins P^nde des neuen Reiches zurück, die 
spätesten Begräbnisse dürften 3. nachchristliches Jahrhundert sein. Doch sind 
gelegentlich auch einzelne noch spätere Stücke gefunden worden. 

Der Zweck der Ausgrabungen, die Gewinnung von Papyrus aus Kartonnage- 
särgen scheint dieses Mal vollständig erreicht worden zu sein. Es wurden im 
nördlichen und zuletzt auch im südlichen Teile des Feldes Särge aus Papyrus- 
Kartonnage in beträchtlicher Anzahl und in guter Erhaltung gefunden. Diese 
Art von Särgen scheint hier von der ärmsten Klasse der Bevölkerung wohl der 
Billigkeit des Materials wegen benutzt worden zu sein. Sie lagen daher auch in 
den einfachsten Gräbern, in rohen Löchern, zu denen höchstens 2 m tiefe, gleich- 
falls sehr loh ausgeführte Schächte führten. Die Särge hier stammen aus dem 
2. nachchristlichen Jahrhundert — Grenfell und Hunt nahmen bisher an, daß 
Kartonnagesärge stets ptolemäisches oder höchstens Material aus der ersten 
Kaiserzeit ergeben. Was die hier gefundenen Papyrus-Kartonnagen enthalten, wird 
sich erst nach der sehr mühevollen Ablösung der Lagen ergeben, die zurzeit bereits 
in Berlin in Angriff genommen ist. Bei einigen der Funde sahen unter der Stuck- 
schicht bereits literarische Fragmente heraus. 

Neben den Papyrusfunden brachten die Ausgrabungen aber auch reichliche 
Ausbeute an Ägyptologischem. Das Wichtigste ist hier wolil eine große Grab- 
anlage der Harsaphis-Priester von Herakleopolis. Diese Priester scheinen sich mit 
Vorliebe hier im nördlichen „Abydos** ihre Grabstätten angelegt zu haben, trotz- 
dem diese Totenstadt an 15 km von Herakleopolis entfernt ist. Mehrere große 
Grabanlagen dieser Priester waren bereits im vergangenen Jalire gefunden worden, 
aber sämtlich ausgeraubt. In diesem Jahre wurde nun eine noch unberührte auf- 
gedeckt. Ein tiefer Schacht führte senkrecht hinab, unten öffnete sich ein langer 
Korridor, zu dessen Seiten 21 Kammern lagen, die nach den Beisetzungen ver- 
mauert worden waren. 

Der Inhalt der Kammern war aus verhältnismäßig später Zeit, jedoch sind 
Anzeichen vorhanden, daß die Funde nicht von der ersten Benutzung des Massen- 
grabes herrühren. Die Anlage scheint in saitischer Zeit schon bestanden zu haben. 

l 



384 IßUeilungen und Nachrichten. 

Die Sirge, sämtlich ans Holz, waren von den ver>»chiedeosteD, zum Teil seltenen 
Typen. 

Von den zahlreichen Einzelgräbem mag liier nur ein besonders gut aas- 
gestattetes Grab erwähnt werden: das einer Tänzerin au.«> saitischei; Zeit. Unter 
den Beigaben, die neben dem Sarge sich fanden, waren mehrere wohlerhaltene 
Masikinstmmente, eine Reihe von Geläßen ans blaner Fayence, einige Kopüstützen 
ans Holz und endlich zwei zierliche Statuetten. 

Diese kurze An^hlnng einiger der Hauptfunde wollen w^ir nicht schließen, 
ohne ein merkwürdiges Stück erwähnt zn haben, das nicht in einem Grabe, sondern 
innerhalb einer Ziegelummauerung, wenige Centimeter unter der Oberfläche gefunden 
wurde. Es ist ein siebartiges Alabastergefäß mit seitlicher Öffoung. Daneben 
wurde eine der bekannten Vogelformen aus Kalkstein, sowie mehrere rinnenformige 
knrze Hölzer gefunden. Das Stuck konnte man für ein Sieb mit Einlauf halten, 
das vielleicht irgendwie zum Gipsgießen Verwendung fand. 

Durch diese Ausgrabungen scheint die Xekropolis von Abusir el meleq noch 
nicht erschöpft zu sein. Eine Fortsetzung der Arbeiten hätte aber wohl vorerst 
eine längere Reihe von Tastversuchen zur Vorbedingung. 

Ausgrabungen in Eschmunejn. 
Im Anschluß an die oben beschriebenen Grabungen wurde noch für das 
Preußische Papyrus-Unternehmen wenige Tage in Eschmunejn gegraben. Die 
vorgerückte Jahreszeit verbot eine länger ausgedehnte Arbeit. Nennenswerte 
Resultate konnten in der kurzen Zeit der Grabungen nicht erzielt werden. 

Ausgrabungen bei Abusir. 

Die Arbeiten der Deutschen Orient-Gesellschaft bei Abusir, welche bereits 
2 Jahre gedauert haben, erstreckten sich in ihrer dritten Kampagne auf die von 
den früheren her noch zu erledigenden Punkte. Zu untersuchen waren die Pyramide 
und die noch fehlenden Teile des Totentempels des Königs Xe-woser-re*. Es blieb 
außerdem noch einige Zeit übrig, eine weitere Arbeit, di^ Ausgrabung des Ziegel- 
tempels vor der Pyramide des Nefer-er-ke-re" in Angriff zu nehmen. Auch hier 
hinderte aber die vorgerückte Jahreszeit, welche die Arbeiter zu ihrer Feldarbeit 
zurückrief, die völlige Beendigung dieses neuen Teiles von Abusir. Die Leitung 
der .Ausgrabungen führte wie bisher der Berichterstatter, dem dieses Mal Herr 
Regierungsbaumeister Dotti und die Herren Regierungsbauführer Boehden und 
Decker zur Seite standen. 

Die Öffnung der Pyramide, die nach den Vorarbeiten des letzten Jahres 
zieralicli schnell von statten ging, ergab nicht das gewünschte Resultat. Die 
Grabkammer war derart zerstört, ihre Deckenkonstruktion hing so vollständig in 
der Luft, daß jedes weitere Suchen unter den Schuttbergen die arbeitenden Leute 
gefährdet haben würde. Trotzdem ist das Ergebnis, das durch die genaue Auf- 
nahme des Innern der Pyramide erzielt wurde, die Arbeit wert gewesen. Neben 
Korrekturen der Perring-Vyseschen Aufnahmen, die leider durch diese Nach- 
prüfung viel an ihrem guten Ruf verloren haben, ergaben sich zahlreiche für den 
Bau der Pyramide wissenswerte Einzelheiten. 

Der Grundriß des Totentempels war eigentlich im Vorjahre schon völlig 
herausgeholt In diesem Jahre waren noch die Ecken des Pyramidenhofes zu 
untersuchen. Es kamen dort zwei massive Eckbauten zu der bisher frei gelegten 
Anlage hinzu. Sie scheinen beide rein architektonische Bedeutung, etwa als 
monumentale Abschlüsse der vorderen Umfassungsmauer, zu haben. Hinter dem 
südlichen dieser Eckbanten lag eine kleine, völlig zerstörte Pyramide, die bisher 



Mitteilungen und Nachrichten. 385 

auf keinem Plan angegeben war. Man daif sie wohl als die der Königin ansehen. 
Ein Statuensockel mit dem Namen der Konigin wurde im Laufe der Ansgrabungen 
— allerdings nicht bei der kleinen Pyramide — gefunden. Nach diesem Fund 
wären also von der Familie des Königs Ne-woser-re' jetzt namentlich bekannt: die 
Königin und zwei Prinzessinnen. 

Sehr wesentliche Aufschlüsse ergaben die Untersuchungen am Aufweg, der 
zum Totentempel führte und an der Stelle des nach weißen herumliegenden Scherben 
bereits vermuteten Portalbaues. Der Aufweg erwies sich noch von sehr guter 
Erhaltung. An der untersuchten Stelle stand er noch an 10 m hoch an. Er war 
beiderseitig mit sauberem Kalksteinmauerwerk gebösclit. Die Anlage muß einen 
imposanten Anblick gewährt haben. Der Aufstieg auf einer solchen Riesenrampe, 
von der man einen weiten Blick auf die Ebene neben sich und auf das Pyramiden- 
Plateau vor sich hatte, muß einen erhebenden Eindruck gemacht haben, aber die 
ägyptischen Architekten haben sich die&en Effekt verdorben, vielleicht aus religiösen 
Gründen verderben müssen, indem sie auf die Rampe einen engen, allseitig ge- 
schlossenen Gang legten. Die Zweifel, die von den Grabungen in Abu Gurab her 
hierüber noch bleiben konnten, sind durch die Funde dieses Jahres gehoben: ein 
schmaler, bedeckter, mit Reliefs geschmückter Gang führte vom Torbau im Tale 
über den Aufweg zum Tempel vor der Pyramide. 

Der Torbau selbst war bei der jetzt untersuchten Anlage vorzüglich erhalten. 
Er stand 30 m breit und 20 m tief auf einem mannshohen Sockel, den ein niedriges 
Geländer krönte. In der Ostfassade liegt eine vorn offene Vorhalle mit 8 großen 
Granitsäulen. Von dort tritt man in einen längeren Raum, in dessen Hinterwand 
drei Nischen für Statuen einschneiden. Von diesem Raum gelangt man reclits in 
denlVorraum zum Aufweg, links zu einem hinteren Ausgange. Das Portal liegt 
heute und lag wohl auch in alter Zeit gerade an der Cberschwemmungsgrenze. 
Es ist daher wohl anzunehmen, daß bei den Totenfeiern die Leiche, die Opfergaben 
und die Grabausrüstung in Booten bis au das Portal gefahren und von dort auf 
Schlitten, deren Spuren sich noch fanden, zum Tempel gezogen worden sind. Die 
Reste der Dekoration, die sich noch am und im Portalbau fanden, lassen erkennen, 
daß wir hier eines der besten Werke dieser Epoche vor uns haben. Eine fein 
ausgeführte Papyrusbündelsäule wurde fast intakt gefunden. Die Reliefs gaben 
an Feinheit'dem großen Relief aus dem ersten Grabungsjalire nichts nach. Her- 
vorzuheben ist darunter das Bild einer löwenköpligeu Göttin, die den König säugt. 

VoUständig neu für das alte Reich sind die Bilder, mit denen das untere 
Ende des Ganges auf dem Aufweg zu beiden Seiten geschmückt war. Hier war 
zu wiederholten Malen der König als Löwe dargestellt, wie er Herrscher fremder 
Völkerschaften niederwirft. Leider sind nur der untere Streifen dieser Darstellung 
und ein oder zwei Bruchstücke aus oberen Teilen erhalten. Dies genügt jedoch, 
um eine Vorstellung von der Feinheit der Arbeit zu bekommen. Der Kopf eines 
bärtigen Asiaten, den die eine Vorderpranke des Löwen niederdrückt, daneben der 
Unterkörper eines zusammensinkenden Libyers mit seinem im feinsten Detail aus- 
geführten Schmuck: diese beiden Stücke finden sich z. B. auf einem dieser Frag- 
mente. Sie zeigen uns wieder, daß die Typen, welche wir aus der späteren 
ägyptischen Kunst kennen, in der älteren bereits besser vorhanden waren. Die 
älteste Darstellung dieser Art war bisher die aus Daschur, also 500 Jahre jünger. 
Auch Bruchstücke eines Statuentypus, der bisher nur aus einem b)xemplar aus 
Rammessidenzeit bekannt war, fanden sich hier unter den Ruinen des Torbaues, 
nämlich die Reste der Statue eines Gefangenen mit rückwärts gebundenen Armen, 
wohl von einer Gruppe heiTÜhrend, die den Feinde erschlagenden König dar- 
stellte. 

3 



38B Mitteüungefh und Nachrichten. 

Die Untersuchung der nächsten Umgebung des Totenteinpels ergab noch 
einige Gräber des mittleren Reiches, auch einige unbedeutende griechische Gräber. 
Der griechische Friedhof, der vor 2 Jahren die Timotheos-Handschrift brachte und 
dem noch im vorigen Jahre eine Anzalil interessanter Särge entnommen werden 
konnte, scheint nunmehr erschöpft zu sein. 

Die Arbeiten vor der Pyramide des Königs Nefer-er-ke-re' konnten nur teil- 
weise erledigt werden, so weit jedoch, daß man das allgemeine Schema des Toten- 
terapels bereits sehen kann. Der innere- Kern des Tempels war aus Kalkstein er- 
baut, aber nicht bis zur Vollendung gediehen. Kr bestand aus einer Cella, zu 
der man auf ziemlich gewundenem Wege vom Haupteingange aus gelangte. Vor 
der Cella, aber ohne direkte Verbindung mit ihr, lag ein längerer Raum mit fünf 
Nischen. Der Kern des Tempels ist von einem Ziegelbau umhüllt, von dem 
wirklich klar bisher nur der große Hof mit den umgebenden Säulenhallen in 
Holzkonstruktion, sowie davor ein längerer Vorhof gleichfalls mit Säulenstellungen 
herausgekommen sind. Die seitlich von der Hauptachse liegenden Räume sind 
zwar klar aufnehmbar gewesen, aber wegen der vielen Einbauten noch nicht 
genügend zu erklären. 

Ausgrabungen im Giseh. 
Die im letzten Jahre von Professor Steindorff geleiteten Grabungen bei Giseh 
ruhten dieses Mal: sie werden jedoch im kommenden Jahre wieder aufgenommen 
werden. 

Deutschland war also an ;j Stellen mit Ausgrabungen in Ägypten in diesem 
Jahre tätig. Im Ganzen wurde von allen Nationen zusammen im Jahre 1903/04 
in Ägypten au 31 Stellen gegraben. 



Die angebliche Abdankung Euergetes' 1. 
Von Ulrich Wilcken. 

Kine der ans Magdola im Faijüm stammenden Bittschriften schließt nach der 
Publikation von Jouguet und l.efebvre {Btül Corr. Hell. XXVI S. 119 n. 14) mit den 
Worten: Tohov ;'rf(> ytvofihow jicuuktv, ovx (tdtxrflihtjaofict /Ji^ttag xrJ aot xal zioi 
tjoji :n:r{ii auhfijinf)^ naQb'/oiitvog. Da das Präsens ixuQByoj^itroi; w^h\iXi a^ixti^iioofnu 
nur auf die Gegenwart und Zukunft, nicht aber auf die Vergangenheit bezogen 
werden kann, so habe ich kürzlich hieraus den SchluLi gezogen, daß Euergetes I., 
der V^ater des hier angeredeten Philopator, zur Zeit der Bittschrift noch am Leben 
war, daß also Kuergetes ähnlich wie einst Soter bei Lebzeiten zugunsten seines 
Sohnes abgedankt haben müsse (Archiv für Papyrusforndtuw/ III S. 308: 318/9). 
So nötig der Schluss au sich war, so wird er doch hinfällig, da, wie ich soeben 
gesehen habe, seine Voraussetzung, die Richtigkeit der obigen Lesung, eine irrtüm- 
liche war. Von Mr. Jouguet auf das freundlichste zum Studium seiner Magdola- 
Papyri in Lille zugelassen, habe ich daselbst konstatiert, daß das Schlußwort nicht 
nttQExofitvng, sondern naino/rifiirog zu lesen ist. Damit fallen natürlich die aus 
dem Präsens gezogenen Konsequenzen. Wie die sehr verstümmelte Inschrift, die 
ich a. a. 0. zur Stütze jener Annahme heranzog, nunmehr zu interpretieren ist, 
bleibt weiter zu untersuchen. Da die .,Abdankung" des Euergetes, wie ich aus 
Zuschriften ersehe, in weiteren Kreisen Interesse erweckt hat, hielt ich es für 
meine Aufgabe, so bald wie möglich den obigen Sachverhalt klarzustellen, damit 
der Irrtum nicht weiteren Schaden bringt. 

Pari». 



Miiteilungen und Nachrichten. 387 

Aus und um Kreta. 
Von C. F. Lehmann. 

Unter den neuesten Funden auf Kreta beanspruchen die im Palaste zu 
Knossos aufgefundenen Figürchen einer Sclilangengöttiu und ihrer Begleiterin neu 
ein besonderes Interesse. Sie überraschen durch ihre selbst im Vergleich mit den 
Frauentrachten der Fresken des Palastes noch hypermoderne Toilette, wie das 
Salomon Reinach, der sie auf Grund des ihm von Evans überwiesenen Materials 
in der Gazette des Beaua>-Art8 behandelt, betont und des Näheren ausfulirt. ') 

Aber eine wichtige Erscheinung ist dabei, soweit ich sehe, unbeachtet ge- 
blieben. Der Rock der einen Begleiterin zeigt sieben übereinander fallende Volants 
oder Fallen, die wiederum in sich gefaltet erscheinen. Mir wurde sofort 
klar, daß wir hier ein wohlbekanntes altorientalisches Motiv in charakteristisch 
ägäischer Umgestaltung vor uns haben. Solche in Fallen oder Volants abgestufte 
Gewänder sind uns aus altbabylonischen und assyrischen Darstellungen wohlbekannt. 

Sie sind besonders ein charakteristisches Merkmal der fiirsprechenden Gott- 
heiten (nicht „Priester"), die den Anbetenden vor den sitzenden Hauptgott führen 
— bekanntlich eine der auf den Siegelzylindern, aber auch auf Skulpturen der 
altbabylonischen Zeit besonders häufigen Darstellungen. 

Aber nicht bloß diese Volants, sondern auch die vertikalen Fältelungen des 
Stoffes schienen mir in die gleiche Richtung zu weisen, und als ich, um mich 
dessen zu versichern, Heuzeys Abhandlung^) über den seawaxiiq genannten alt- 
babylonischen Stoff nachschlug, fand ich, daß lleuzey bereits an dem großen 
mykenischen Goldringe, der eine Göttin der Fruchtbarkeit im Kreise ihrer 
Nymphen 3) darstellt, die Andeutungen sowohl der horizontalen Volants wie der 
feineren vertikalen Fältelungen erkannt hat, und so treffe ich denn mit meiner 
Beobachtung, daß die ägäische Frauentracht nach Stoff' und Schnitt altbabylonischen 
Einfluß erfahren hat, mit einem der besten Kenner der orientalischen Archäologie 
zusammen.*) Ob dieser Einfluß über den Bereich des Kultus hinausreicht, ob 
etwa der Siebenzahl der „Fallen" eine besondere Bedeutung zukommt, muß vor- 
derhand unentschieden bleiben. 

Dieser Nachweis ergibt eine wertvolle Bereicherung der bisher wenig zahl- 
reichen gesicherten Anzeichen babylonischen Einflusses auf die ägäische Kidtur. 
Anerkannt dürfte bis jetzt nur sein, daß die Technik der für die ägäische und 
mykenische Kultur so bedeutsamen Steinschneidekunst — und vielleicht gewisse 
ihrer Motive^) — vom Zweistromlande ihren Ausgang genommen hat und ferner 

1) o6o^ LivraUon. S*" Periode. Tatne trente et unienie. l«r Juillet iy04. 

2) Une etoffe cJialdeenne (le katmakes), L. Heuzey: Les Origines Orientale» de 
Vart. I p. 120—129. 

3) Vgl. zuletzt G. Karo: ArMv f. Religiomiviss. VlI 147. 

4) Indien kann (gegen Reinach) in diesem Sinne wie stets (vgl. diese Beitr. 
II 1G6, IV 259) natürlich nur als von Babylonien beeinflußtes Gebiet, nicht als 
Ursprungsland in Betracht kommen. Vgl. schon Heuzey a. a. 0. 

5) Hier ist Vorsicht geboten. Ich wiederhole, was ich (oben Bd. 111 S. 332 
„Zu den Goldhechem von Vaphio'') schrieb: Daß die Babylonier und Assyrer in 
ihren Beziehungen zu den Nachbarvölkern keine völlige Ausnalime von der Regel 
wechselseitiger Kulturbeeinflussung gebildet haben, kann nicht oft genug 
betont werden. — (Beiläufig bemerkt, erscheint mir Bauers in der Berl FhiU 
Wochenschr. 1904 S. 1424 gebotener Einspruch gegen Kellers von mir adoptierte 
Deutung der Darstellung auf den Goldbechern von Vaphio auf einem Fehlschluß 
zu beruhen. Frische echte Kunst belauscht das Leben. Daß die Jagd und die 
Zähmung des Wildstiers in der mykenischen Periode geübt wurde, lehren die 
Darstellungen. Es ist also absolut nicht abzusehen, wanim dem Schöpfer jener 
Goldbecher die Darstellung der verschiedenen Phasen dieses Hergangs bis zur 
Domestikation fern gelegen haben soll.) 



388 Mitteilunffefi und Nachrichten. 

wird wohl Niemaud leugnen, daß die V'^erwertung der Tontafel als Schreibmaterial 
auf Kreta mittelbar babylonischer Beeinflussung zu verdanken ist. ') 

Dagegen kann ich einen Beleg für babylonische Beeinflussung in mykenischer 
Zeit nicht erblicken in dem zuletzt und am eingehendsten von Köhler^ behandelten 
keilinschriftlichen Steintäf eichen, das vor einem halben Jahrhundert auf Kythera zu- 
tage getreten ist. Selbst wenn die Inschrift, wie Köhlers Gewährsmann annimmt, aus 
der Kassitenzeit stammen sollte, die mit der mykenischen Periode im wesentlichen 
gleiclizeitig ist, könnte ich den weiteren Schluß, daß das Täfelchen gerade damals 
^mit anderem orientalischem Tand, wie die ägyptischen Skarabäen ant Rhodos und 
in der Ebene von Argos", auf Kytliera eingeführt worden sei, nicht zustimmen. 
Derlei Tand kann ja noch Jahrzehnte und Jahrhunderte lang nach seiner ersten 
Anfertigung von Hand zu Hand wandern. Mir erscheint es viel wahrscheinlicher, 
daß dieses Täfelchen durch die Phon iker, die auf Kythera' eine Station für ihre 
Pnrpurfischerei erhielten, dorthin gekommen ist, d. h. also, da ra. E. die kom- 
merzielle und kolonisatorische Ausdehnung der Phöniker erst begonnen haben 
wird, nachdem mit der mykenischen Kultur auch der meerbeherrschende Handel, 
der ihr diente, in Verfall geraten und durch die dorische Wanderung vernichtet 
worden war, ev. mehrere Jahrhunderte nach der Aufzeichnung der Inschrift. 

Die ägyptischen Skarabäen etc., deren Köhler gedenkt, sind für die chrono- 
logische Bestimmung der mykenischen Epoche bekanntlich nicht für sich allein 
bedeutsam gewesen, sondern in der Korrespondenz mit Anzeichen gleichzeitigen 
mykenischen Imports nach Ägypten. So und nur so ist klar geworden, daß die 
mykenische Knltur um die Mitte des lo. Jahrhunderts (18. Dynastie) in Blüte 
stand, während sie mit ihren älteren Ansätzen (Periode der Scliachtgräber) in die 
12. Dynastie zurückreichte. Daß wir diese Dynastie erheblich zu hoch angesetzt 
hatten, hat das neue gefundene Sothisdatum aus dem 7. Jahr Sm-Wasrefs^) 
(Segostris) IIL gezeigt, durch welches dieser Herrscher in den Anfang des 19. Jahr- 
hunderts verwiesen wird. 

Wenn schon dieses Ergebnis zur Zeit eine unschätzbare Förderung bedeutet, 
«0 muß es doch im Sinne später zu erhoffender chronologischer Genauigkeit für 
Ägypten wie für den mykenischen Kulturkreis als unerwünscht gelten, daß jenes 
Jahr und damit der Hegierungsbeginn Sefi-WosreCs III. unrichtig berechnet worden 
ist. In meinen Zwei Hauptproblemen^) habe ich unter Eduard Meyers"^) Bei- 
stfmmung darauf hingewiesen, wie unwahrscheinlich es sei, daß derartige Sothis- 
daten astronomisch beobachtet und astronomisch wieder zu errechnen wären, 
daß sie vielmehr zyklische Bedeutung haben müßten und zyklisch zu berechnen 
seien. So trilTt denn auch die bei Borchardt®) wiedergegebene astronomische 
Berechnung (Brix nach Oppolzer) des 7. Jahres Sen-Wasrefs III. auf die Tetrae- 
teris 1876—73 v. Chr. nicht zu. Vielmehr ergibt sich, je nachdem man das Jahr 
136 n. Chr. oder das Jahr 139 n. Chr. als Anfangsjahr der, eine neue Sothis-Periode 
beginnenden ersten Tetraeteris betrachtet und somit den Beginn des vorherigen 
Zyklus in das Jahr 1322 v. Chr. oder 1325 v. Chr. legt, für das 7. Jahr Seti- 
Wasrets IIL die Tetraeteris 1885-82 resp. 1882—79 v. Chr.^) 

1 ) BabyUmiens Kulturmission einst und jetzt S. 6. 

2) über Probleme der griechiscfien Vorzeit. Berliner Sitzunmber. 1897 S. 261 ft', 

3) Das ist die richtige Lesung des bisher Usey^tesen (WsT-tsn) gelesenen 
Königsnamens, wie Sethe, Unters, zur Gesch. ii. Altertumskunde Ägyptens II S. Iff. 
schlagend dargetau hat. 

4) Zwei Hauptpfvbletne der altor. Chronologie S. 55 vgl. S. 2<>6ff. 

5) Lit Centralbl 1899 Nr. 4. 

6) Zeitschr. f, äg. Spradie w. Altertumskunde XXXV II 99 ff. 

7) Die Angabe lautet dahin, daß am 16. Pharmuti (VIII) der Aufgang der 
Sothis stattgefunden habt'. Der erste Thotli (II) ist der 140. Tag nach dem 16. Phar- 



Mitteilungen und Nachrichten. 389 

Auch für das zwisrlien der 12. und der 18. Dynastie liegende Intervall ist 
bekanntlich durch Coincidenzen aus der Hyksos-Periode, deren Beginn durch 
eine eigene, 4(K) Jalire vor llamses II. anliebende Aera auf den Anfang des 17. Jahr- 
hunderts V. Chr. bestimmt wird '), der ägyptiscli-raykenische Verkehr speziell auch 
für Kreta, ebenso dessen Fortdauer bis in die 19. und den Anfang der 20. Dynastie 
bezeugt. Dagegen vermag ich Flinders Petrie's Sclüüssen aus der Auffindung vor- 
mykenischer Scherben in Gräbeni der 1. Dynastie nur mit der äußersten, schon 
das Alter der Fundschicht betreffenden Skepsis zu begegnen. 

Nicht minder charakteristisch als die Übernahme jener !)abylonischen 
Gewandung nach Stoff und Schnitt ist aber die Umformung. An Stelle des 
Steifen und Eckigen, der geraden Linien fulirung tritt auf Kreta die weiche 
Rundung und der Schwung der Wellenlinie, der sich auch in der so besonders 
modern anmutenden Glockenform des mykenischen gegenüber dem senkrechten 
Herabhängen des altbabylonischen Gewandes bemerkbar macht. Es liegt auch 
hier keine einfache Herübernahme, sondern eine Aneignung, Verarbeitung und ein 
selbständiges Umschaffen der übernommenen Motive vor. Diese große Selbst- 
ständigkeit in der Verwertung fremder Motive ist für die ägäisch-^mykenische'' 
Kultur ebenso charakteristisch wie für das Griechentum. Deshalb die Träger der 
ersteren für reine Griechen zu erklären, wäre ein Fehlschluß. Wir kommen 
darauf zurück. 

Ehe der Ton, der in der mykenischen Periode den Kypriern zur Beschreibung 
in babylonischer Schrift und Sprache diente, als Schreibmaterial nach Kreta gelangt 
war, ist viele Jahrhunderte lang in Vorderasien oft unter bedeutenden Schwierigkeiten 
in der Beschaffung des Materials, die Tontafel als Schreibmaterial verwendet worden. 
Das brachte eine sehr intensive Beschäftigung mit der Tonbereitung, der Auswahl 
des Materials, seiner Reinigung und Verfeinerung mit sich. Auf Kreta (Kamara) 
hat, wie immer klarer wird, die verfeinerte ägäischmy kenische Keramik ihren 
Ausgang genommen. Liegt auch hier eine Verwertung und Umgestaltung baby- 
lonischer Einflüsse vor, haben Errungenschaften der babylonischen Technik au4' 
die Begabung und das Geschick der kretischen Tonbildner, die alsdann der 
Keramik die neuen für das gesamte Altertum bestimmenden Bahnen wiesen, be- 
fruchtend eingewirkt? Ich frage, die Antwort steht anderen zu. Aber auch eine 
Fragestellung kann fordernd wirken. 

Bei dem schon berührten Problem, der den Trägern der mykenischen Kultur 
zukommenden Nationalität(en), sclieint mir die Fragestellung, wie sie in der Regel 
geübt wird, einer Korrektur zu bedürfen.') Man fragt: Griechen oder vorarische 
Nichtgriechen (ich bezeichne sie nach dem historischen wichtigsten und greif- 



muti (14 Tage des VIII. Monats, IX— XII = 120 Tage, dazu die 5 Epagomenen = 139), 
4 X 140 = 560 Jahren, die zu 1322 resp. 1325 Jjdiren v. Chr. zu addieren sind, um 
zyklisch das erste Jahr der für die Angabe zutreffenden Tetraeteris zu erhalten. 

1) Ed. Meyer, Gesdi. Ägyptens S. 209; meine Zwei Hauptprobl 164. 

2) Im folgenden äußere ich großenteils in thesenartiger Form mit leise an- 
gedeuteter Begründung Anschauungen, die ich mir seit Jahren, z. T. seit ich zum 
ersten Mal ältere griechische Geschichte vortrug (1897) gebildet habe und die 
in nächster Zeit ausführlicher darzulegen ich nicht hoffen kann. Einiges findet 
man an schwer zugänglicher Stelle („Aus Georgien'^ erweiterter Separatabdruck 
aus Naumanns Zeit 1902 Nr. 41/44) schon angedeutet. Die in Betracht kommende 
Literatur ist bekannt; ich nenne als mir speziell forderlich, außer Köhlers schon 
zitierter Schrift. W. Max Müller: Europa und Asien; Wilamowitz: Euripides Herakles, 
Bd. I; Ed. Meyer: O.A» II; Forschungen zur alten Geschichte I: P. Kretschmer: Ein- 
leitung in die Geschichte der griechischen Sprache; Furtwängler: Gesehichte der Stein- 
schneidehmst Bd. III. 



390 Mitteilungen und Nachrichten. 

barsten Volke der Gruppe als „Karer")?') Aber inau vergißt nur allzu häufig, daß 
der Begriff des Griechischen, wie wir ihn ethnisch und kulturell zu betrachten 
gewohnt sind, „karische" Elemente in sich schließt und daß wir nicht wissen, 
wie viel von dem, was uns als charakteristisch Griechisch erscheint, auf Rechnung 
des „karischen" Elementes kommt. 

Das Problem hat mancherlei Analogien mit der Ausscheidung des sumerischen 
Elements aus dem Babylonischen. Hier wie dort ein nichtindogermanisches Element, 
das einen wesentlichen Anteil an der Bildung der Kultur hat, die dort in 
semitischem, hier in indogermanischem Gewände erscheint. 

Und daß der Sprachwissenschaft bei der Lösung dieser Aufgabe die Haupt- 
rolle zukäme, unterliegt wie im Zweistromlande, wo sie allein das erkennende und 
entscheidende Wort gesprochen hat, so für die Inseln und Küsten des ägäischen 
Meeres, keinem Zweifel, wie das kürzlich wieder Diels mit Recht*) betont hat. 
Aber bis es gelingt, die ältesten griechischen Namen zu deutlicherem Reden zu 
bringen und das eine oder die verschiedenen ägäisch-mykenischen Schriftsysteme 
zu entziffern, wird viel, viel Zeit vergehen, und selbst dann noch wird neben der 
sprachwissenschaftlichen die kulturhistorische und mit ihr vor allem die religions- 
geschichtliche Betrachtung ihre Rechte und ihren Wert behalten. Ist doch 
beispielsweise die Verknüpfung des Labyrinths mit dem karischen kaßgvg „Beil 
Axt" und seinem Träger, dem karischen Zeus AäßQcwvöog, erst durch die Erkenntnis 
der religionsgeschichtlichen Bedeutung der Doppelaxt als eines Kultsymbols möglich 
geworden, das dem „karisch"-kleinasiatischen Wettergott eignet, der bei den 
Karern (im engeren Sinne) als Träger der Axt AaßQuwöoq genannt wurde, während 
er uns bei einer Gruppe östlicher wohnender Kleinasiaten unter dem gemeinsamen 
Namen Te^tfc (vorarmenisch-chaldisch Teishas) begegnet. 

Bei solcher kulturgeschichtlicher Betrachtung darf freilich nie vergessen 
werden, „daß der Schluß aus gemeinsamen Eigentümlichkeiten und Errungen- 
schaften nicht durchaus und ohne Weiteres bündig ist, daß sich Erfindungen und 
sonstige Errungenschaften vielfach unbekümmert um nationale und ethnologische 
Scheidegrenzen verbreiten".') Aber nicht allen Kulten noch allen kulturellen und 
technischen Errungenschaften ist die gleiche Wanderlust und Anpassungs- 
fähigkeit eigen. Sie wird sich z. B. die Vorliebe für Anlagen im lebendigen 
Felsen nicht so leicht übertragen lassen. 

^Ks ist schwerlich zu bezweifeln, daß gerade die technischen Fertigkeiten 
und Errungenschaften, die die (ägäisch-)mykenische Kultur auszeichnen, zu einem 
wesentlichen Teile auf Rechnung des vorgriechischen Elementes der Bevölkerung 
kommen.^) Mit Recht hat ferner Furtwängler betont, „daß Kultur und Wesen der 
lonier eine nahe Verwandschaft zu dem der „Mykenäer" zeigt. Das beruht m. E. zu 
einem guten Teil darauf, daß die Mischung von griechischem und „karischem" 
Blut bei den loniern allezeit lebendig und wirksam blieb. Sie brachten sie nach 
Kleinasien mit, als sie durch die dorische Wanderung dahin vertrieben wurden'), 



1) Zu ihnen rechne ich auch die Pelasger. Die Anwesenheit dieses vor- und 
nichtgriechischen Volkes halte ich namentlich überall da für erwiesen, wo die 
Tradition durch das Vorhandensein einer AaQiaa (doch wohl mit dem nicht- 
i^riechischen „kleinasiatischen" cx- Suffix, Kretschmer S. 405f.) genannten Burg oder 
Stadt unterstützt wird. Statt „karisch" hätten auch die Bezeichnungen „klein- 
asiatisch" und „pelasgisch*' ihre Berechtigung; doch vermeide ich sie im all- 
gemeinen, die eine, weil sie Europa ausschließt, die andere, weil sie schon im 
Altertum verwirrte Vorstellungen veranlaßt hat (vgl. S. 392), deren Knoten die 
moderne Kritik, an einer Lösung verzweifelnd, durchhauen hat. 

•2) Zitiert aus meiner Schrift Ana Georgien S. 13 14. 

8 



Mitteilungen und Nachrichten. 391 

und iu der neuen Heimat wurde sie duroli weitere Zuführung karischen Blutes 
(hier im engeren Sinne gesprochen) aufrechterhalten/ 

Somit ist klar, daß wir bei den Bemühungen, auf dem Wege kulturge- 
schichtlicher Betrachtung zwischen Griechischem und Vorgriechisch -Nichtgriechi- 
schem zu scheiden, nicht mit dem Begriff des „Griechischen", wie wir ihn bisher 
zu fassen gewohnt waren, operieren dürfen, weil darin die nichtgriechischen 
Elemente einen wesentlichen Bestandteil bilden. Und bestrebt man sich andererseits 
die nichtgriecliischen „karischen" Elemente zu bestimmen, so liegt hier wieder 
die Schwierigkeit vor, daß diese „karische" Kultur zum grössten Teile eine un- 
bekannte Große ist. Und man kommt ra. E. der Lösung dieser Frage nicht näher, 
wenn man, wie beispielsweise neuerdings Karo *), , Nichtgriechisch" und Orientalisch 
als gleichwertig behandelt, denn die Kärer und ilire Anverwandten sind eben 
keine Orientalen in dem landläufigen Sinne, wenn sie auch in Kleinasien vielfacli 
früh den Einfluß der spezifiscliorientalischen Kulturen erfahren haben und ihm 
unterlegen sind. Vielmehr müßte zunächst das Wesen des „Karischen*' unter 
Femhaltung aller verwischenden Begriffe und Vergleiche bestimmt werden, und 
nachdem auf kultur- und religionsgeschichtlichem Gebiete eine Anzahl ent- 
scheidender uud unterscheidender Merkmale gefunden sind, mit der Ausscheidung 
des „Karischen" aus dem Ägäisch-Mykenischen begonnen werden. 

Da ist denn die Erkenntnis von einiger Bedeutung, daß wenigstens ein 
uns historisch und kulturell durch Inschriften und Ausgrabungen neuerdings 
näher gerücktes Volk sei es der „Karer"-Gruppe, direkt zuzuordnen, sei es ihr ent- 
fernter verwandt zu erachten ist. Die Frage, ob die vorarmenischen Chalder 
mit den „Kleinasiaten", den „Karern", verwandt seien, lag von vornherein nahe. 
Kretschmer hat sie auf Grund des spärlich vorhandenen linguistischen Materials 
vorderhand verneint. Schon hier erfordert die von der armenischen Expedition 
gewonnene Erkenntnis, daß patari in den chaldischen Inschriften als ein älteres, 
anscheinend nur noch als Bestandteil von Eigennamen erscheinendes Wort für 
Stadt vorkommt, eine Revision. Denn eine Verwandtschaft mit dem aus klein- 
asiatischen Städtenamen bekannten gleichlautenden Stamme, lykisch Pntara^^ 
kilikisch Pterion^) (aut später kappadokischem Gebiet), wird schwerlich zu leugnen 
sein. Hauptsächlicl! aber bestehen, wie ich schon kurz betont habe*) und dem- 
nächst an anderem Orte ausführlicher darlegen werde, zwischen der clialdischen 
und der mykenisclien Kultur in der Technik (besonders im Felsenbau und in 
der Metallbearbeitung wie im Kultus, der u. a. auch dem Teishas (s. o) neben 
dem Hauptgotte Chaldis die zweite Stelle zuweist, eineReihe von Übereinstimmungen, 
die vereinzelt vielleicht minder bedeutsam, doch in ihrer Vereinigung schwer ins 
Gewicht fallen. Aber bei der Entfernung der Wohnsitze der Chalder im nachmals 
armenischen Hochland von den Karern und den Westklein asiaten schufen diese 
Analogien eher ein Rätsel als einen Aufschluß, wenn es auch an überbrückenden 
Bindegliedern keineswegs fehlte. Die Sache erhält erst ein anderes Gesicht und 
wird für das mykenische Problem von Bedeutung durch die Erkenntnis, daß die 
Urartäer- Chalder erst in historischer Zeit in Armenien eingewandert 
sind^), daß diese Einwanderung schwerlich anders als von Westen her erfolgt 



1) Die altkretischen Kultatütten^ Archiv für Beligiotwoissenscltaft VII S. 154. 
Vgl. oben S. 263. 2) C. F. Lehmann: Zeitschr. f. Ethnologie, S. 187 Anm. 1. 

3) Sayce, Journal of the Boyal Asiatic Society, 1901 p. 652. 

4) Am Georgien, a. a. 0. 

5) Sie treten unter A8surna§irabal (885—60 v. Chr.) zum ersten Mal in Ar- 
menien auf, um aus den assyrischen Berichten nicht wieder zu verschwinden. 
Tiplatpileser I. (um 1000 v. Chr.) dagegen, der gelegentlich seiner Kriegszüge im 
armenischen Hochlande dessen Volkerschaften aufzäjilt, kennt sie noch garnicht 

9 



392 Mitteilungen und Nachrichten. 

sein kann und wahrscheinlich mit einem Vcir.sU»ß der thraki$ch-plirygi»«chen Ein- 
wanderung zusammenhängt 

Ijiese thrakische Einwanderung in Kleinasien beginnt, wie die trojanisclien 
Siedelungen zeigen, schon in selir früher Zeit, vielleicht bereits gegen Ende des 
3. Jahrhunderts v. Chr., und das Ausweichen der thrakischen Völkerschaften nach 
Osten wird mit Recht als ein Anzeichen dafür betrachtet, daß ilmen andere Indo- 
germanen, eben die Griechen, in der Besiedlung der südlicheren Teile der Balkan- 
halbinsel zuvorgekommen sind; freilich ohne daß wir wüßten, in welcher Dichtig- 
keit und mit welchem Erfolg in der Ausbreitung über das spätere Mittel- und 
Südgriechenland. Und so wenig wie die dorische Wanderung (s. alsbald), brauchen 
sich die älteren Wanderungen der Hellenen auf das Festland beschränkt zu haben. 
So konnten auch die griechischen lusefn, wenn sie auch der Mehrzahl nach und 
im Kern der Bevölkerung bis zur dorischen Wanderung „karisch^^ blieben, könnte 
auch Kreta in vordorischer Zeit eine griechische Einwanderung erfahren liaben, und 
es wäre an sich nicht undenkbar, daß der mächtige Herrscher (oder die mächtige 
Dynastie), der seinen Sitz auf Knossos hatte, hellenischer Nationalität war, wie 
denn ja auch Minos, sein Spiegelbild und Niederschlag in der Sage, die Ur 
bevölkerung aus Kreta sowie die Karer von den Kykladen vertrieb und das Meer 
von Seeräubern reinigte. 

Aber daß in solchen Fragen urgeschichtlicber Nationalität der Tradition, die ich 
im allgemeinen erheblich höher zu bewerten geneigt bin, als es neuerdings vielfach 
geschieht, keine entscheidende Stimme zugestanden werden dari, lehrt das Beispiel 
der überwiegend indogermanischen Armenier, die die Taten und Schöpfungen 
der vorarmenischen nichtarischen Chalder, ihrem nationalen Eponymen Haik (und 
außerdem der von auswärts übernommenen Gestalt der Semiramis) zuschreiben. 

Für die Frage einer vordorisch-griechischen Besiedlung Kretas und der oder ge- 
wisserlnseln des ägäischen Meeres ist das Vorkommen der ^tgaiu^a^a unter den, Ägypten 
zur Zeit des MemeptaJi (um 1250 v. Ch.) bedrohenden Seevölkem von Bedeutung. 

Die Bewegung, die wir als die dorische Wanderung bezeichnen, hat sich zu 
Lande und zu Wasser vollzogen, und hat im ägäischen Meere Griechen wie Nicht- 
griechen betroffen und in Bewegung gesetzt. Bei allen derartigen Wanderungen wird 
die historische Betrachtung erschwert durch die, nur allzu oft unbeachtete, Möglich- 
keit, daß den Drängem und Zuwanderern Teile der Geschobenen und von dem Vorstoß 
Betroffenen vorausgehen oder sich ausschließen. So müßte gegenüber der ersten 
Äußerung solcher Völkerbewegungen immer die Frage erhoben werden: Sind es nur 
die Geschobenen oder nur die vordringenden Zuwanderer, mit denen wir zu tun haben, 
oder sind beide miteinander vermischt? Es ist das eben die Schwierigkeit, die 
für eine frühere Periode hinsichtlich der Pelasger obwaltet. Unter den Forschem, 
die ihnen überhaupt eine gewisse Realität und Greifbarkeit zugestehen, sind die 
Meinungen geteilt Die einen sehen in ihnen Vertreter einer ältesten griechischen, 
die anderen, zu denen ich mich bekenne, einer vorgriechisch-nichtarischen Völker- 
schicht (s. oben S. 390 Anm. 1). Mit Recht ist darauf hingewiesen worden, daß 
der Pelasgername an alle den Stätten von Dodona und Thessalien bis nach Kreta 
liin haftete, die für die Einwanderung wie der älteren Griechen so der Dorer ent- 
scheidende Stationen bilden. Die Folgerung, daß ein im eigentlichen und engeren 
Sinne als Pelasger zu bezeichnender Volksstamm in nordsüdlicher Richtung vor- 
gedrungen resp. verdrängt sei, wird zutreffen. Aber für die Frage, ob sie zu dem 
Vortrupp der Schiebenden, den ältesten griechischen Einwanderern, oder zur 
Nachhut der geschobenen Vor- und Nichtgriechen gehören, folgt daraus garnichts. 

Bei der dorischen Wanderung nun wären im ägäischen Meere als die Ge- 
schobenen die karischen Nichtgriechen und etwaige vordorische Griechen, als die 
Schiebenden die Dorer anzusehen. 

10 



Mitteilungen und Nachrichten, 393 

Kreta ist von diesen mehr als ein Jahrhundert umfassenden Völker- 
bewegungen verschiedentlicli betroffen worden. Die Pursta, die unter den, Ägypten 
unter Kamses 111. (ca. erstes Viertel des 12. Jahrhunderts v. Clir.) zu Laude und 
zu Wasser angreifenden See- oder Nordvölkern erschienen, sind mit den naclimals 
an der Südküste Phönikiens angesiedelten Philistern identisch. Daß sie aus 
Kreta (Kaphthor) stammen, betrachte ich mit Fui-twängler und anderen als er- 
wiesen. Ob sie „Karer* oder Griechen waren, wissen wir nicht. Daß Goliath 
sich gleich einem homerischen Helden benimmt, paßt zum einen wie zum andern 
(s.o.). Und ebensowenig wissen wir, ob Kreta die eigentliche, durch lange hindurch 
inne gehaltene Heimat der Philister gewesen ist, oder nur als eine Durchgangs- 
station zu gelten hat. 

Auch für die übrigen Seevöiker unter den uns bekannten Völkernamen im 
Sinne der Identifikation Umschau zu halten, sind wir vollauf berechtigt, soweit 
ungezwungene Entsprechung der Namen dazu einlädt. 

De Rouges Gleichung Aqaiwaka (*Aqaiiva'Sa) = * Axaiol betrachte ich als 
zweifellos, und da uns als Bewohner Kretas lusdrncklich Achäer und Dorer genannt 
werden, so wird man unter den letzten Stationen der nach Ägypten vordringenden 
AquaivaJia Kreta jedenfalls vertreten gewesen sein. 

Wer die Achäer als mit den Dorern im Grunde identisch betrachtet, muß 
dann die Äqaiwaia, sofern er nicht der Gleichung mit den Achäern ausweicht 
dem Vortrupp der Schiebenden zurechnen. Mir ist es bei dieser Identifikation 
von Dorern und Achäern und den übrigen Versuchen, die Achäer als einen großen 
Stamm der Hellenen zu eliminieren, immer sehr unbehaglich zumute gewesen und 
so begrüsse ich denn mit besonderer Freude die neue Botschaft, die mir buch- 
stäblich im letzten Moment des Abschlusses dieser Zeilen durch Meisters y^Dorer 
und AcMe7'^ *) zugeht. 

Für Kreta gipfelt Meisters Untersuchung (S. 97) in der Erkenntnis, daß „Kreta 
einmal in seinem ganzen Umfange, wie Lakedämon, Messenien und Argolls, in 
vordorischer Zeit, soweit es damals schon hellenisch war, achäisch sprach." Und 
liöchst bedeutsam (im Sinne der von Diels gestellten Forderungen) klingt die 
weitere Verheißung: „Dass dieses achäisclie Dialekt in Zentralkreta ebenso wie in 
Argos, Lakedämon und Messenien gewisse Eigentümlichkeiten eines noch älteren 
von den Landesbewohnern in vorachäischer Zeit gesprochenen Dialekts in sich 
aufgenommen hatte, wird den Gegenstand eines späteren Teiles dieser Unter- 
sucliungen bilden." 

Also auf Kreta wie im Peloponnes dieselbe Schichtung, die eine deutliche 
Scheidung der Achäer von den Dorern ermöglicht. 

Vordorisch und achäisch zu identiüzieren und die ägäisch - mykenischeu 
llerrschersitze auf dem Festland wie auf Kreta den Achäern zuzuweisen, erscheint 
somit als naheliegend und verlockend. 

Und doch wäre es m. E. übereilt. Schon für den Peloponnes mahnt der 
verheißene Nachweis einer vor achäisch -griechischen Schicht zur Vorsicht, indem 
er uns zeigt, wie mangelhaft und haltlos unsere Vorstellungen über die Verhält- 
nisse der vordorisch-grichischen Besiedelungen und somit auch über deren Beginn 
sind. Doch gehe ich darauf hier nicht ein. Für Kreta aber wäre bis auf weiteres 
derjenige nicht zu widerlegen, der behaupten wollte: „Die AqaiuaSa-AcMer sind 
erst durch den Vorstoß der dorischen Wanderung aus ihren Festlandsitzen ver- 
trieben und haben sich auf Kreta kurz, ehe sie mit den übrigen Seevolkern 
gegen Ägypten zogen oder selbst erst, nachdem sie von dort zurück- 

1) Dorer und Achäer. I. Teil. Abhandl. Sachs. Qes. d, W. PhiL-Hist.-Klasse 
XXIV No. III. 

Beltra((e x. nlten Geschieht« IV 8. *26 

n 



394 Mitteilungen und Nachrichten. 

geschlagen waren, angesiedelt. Die Dorer liingegen sind im weiteren Verlaufe 
der Bewegung erheblich, etwa 1—2 Jahrhunderte später auf Kreta und den süd- 
lichen Kykladen eingetroffen, allerdings nicht etwa vom Peloponnes her, zu 
dessen Küsten ja die Dorer, wie mit Recht u. a. von Wilamowitz betont worden, 
erst viel s[Ȋter gegen Ende des griechischen Mittelalters vorgedrungen sind. 
Für eine griechische Besiedlung Kretas in mykenischer Zeit käme dann höchstens 
jene vorachäische Schicht in Betracht, sofern die dialektische Mischung, von der 
Meister spricht, wirklich erst auf Kreta stattgefunden hat. Diese Vor-Achäer 
hätten dann mit der Verdrängung der Eteokreter und Kydonen den Anfang ge- 
macht. Daß aber die Anwesenheit dieser Vor-Achäer auf Kreta bis in die Zeit 
des Minos und der Blüte von Knossos zurückreiche, wäre damit immer noch nicht 
gesagt." Ich sage nicht, daß, wer so spräche, notwendigerweise im Rechte wäre, 
sondern nur, daß es z. Z. schwerlich gelingen würde, ihn nachdrücklich ins 
Unrecht zu setzen. — 

Die Bedeutung der dorischen Wanderung für die spätere Gestaltung der an- 
tiken Völkerverhältnisse wird in einer sehr wesentlichen Hinsicht noch vielfach völlig 
verkannt, in ihrer Wirkung auf die Besiedelung derGestade nicht bloß des ägäischen, 
sondern des mittelländischen Meeres in seinem weiteren Umkreise. 

lonier, Aeoler, Philister u. a. sind von Westen nach Osten, von Europa 
nach Asien verdrängt worden. Diejenigen Völker aber, die ihre Sitze im ägäischen 
Meere verlassen mußten, ohne an den nunmehr doppelt stark in Anspruch ge- 
nommenen Küsten des ägäischen Meeres und Phönikiens Raum zu finden, waren not- 
gedrungen darauf angewiesen, eine neue Heimat im Westen zu suchen. Diesen 
Schluß und eine Ansiedlung der bisher im Osten wohnenden Seevölker im Westen 
des Mittelmeers müßten wir, ins Auge fassen, auch wenn keinerlei direkte Zeugnisse 
vorhanden wären. In der vielfach üblichen umgekehrten Betrachtungsweise, die die 
späteren Sitze im Westen auch in die Zeit vor der und um die dorische Wanderung über- 
trägt, erblicke ich seit Langem einen fundamentalen Irrtum. Die einleuchtende evidente 
Gleichung der Tur(u)ga mit den Tyrsenem darf nicht unter dem Gesichtspunkt 
betrachtet werden, ob es möglich sei, daß die im Westen wohnenden Etrusker im 
18. und 12. Jahrh. im Westen verbündet mit Völkern sehr entfernter Sitze auf- 
träten, sondern umgekehrt das Auftreten der Tur(u)ia unter den Seevölkem 
bildet den Schlüssel zur Lösung der genannten etruskischen Frage. Die 
einst im ägäischen Meere heimischen Etrusker sind nach der 
dorischen Wanderung infolge der Vorschiebungen im Osten des 
Mittelmeeres gezwungen worden, sich eine Heimat im Westen 
zu suchen, die sie an der italischen Westküste gefunden haben. 
So müßten wir schließen, selbst wenn nicht die Anwesenheit eines den Etruskem 
nächst verwandten Stammes auf Lemnos inschriftlich bezeugt und dadurch 
die Nachricht bei Herodot über die pelasgisch - tyrsenischen Bewohner der 
Insel bestätigt würde und wenn nicht überhaupt die griechische Tradition, mit 
der Herkunft der Etrusker von den Inseln und Küsten des ägäischen Meeres 
rechnete. Die hier bekämpfte gegenteilige Anschauung ist zu dem Bekenntnis ge- 
nötigt: „Wie der italische Stamm hierher in das thrakische Meer gekommen 
ist, ist zur Zeit noch völlig rätselhaft." Der Fehler der in der Bezeichnung der 
Etrusker als eines italischen Stammes liegt, wird bedingt durch eine m. E. viel 
zu radikale Kritik an der griechischen, speziell der bei Herodot vorliegenden 
Tradition, gegen die ich mich schon häufig gewandt habe und die ich noch des 
öfteren zu bekämpfen haben werde. 

Zur Herkunft des See volkes der Etrusker von Osten her und ihrer Ansiedlung 
zunächst an und ihrer Verbreitung von der toskanischen Küste her stimmt sowohl 

12 



Mitteilungen und Nachrichten. 395 

(He ständige Beschäftigung mit dem Seeraub wie ihre eigene einheimische Tradition 
aufs beste. Diese betrachtete das in der Nähe des Meeres belegene süd-etruskische 
Tarquinii als die Metropole ihrer Zwolfstädte, und den Eponymos Tarchun als 
den Begründer ihres Volkstums und ihrer Kultur; sie bekundet, daß die Etrusker 
aus den von ihnen besiedelten Gebieten die ümbrer verdrängt haben, und sie hat 
eine Erinnerung daran erhalten, daß die erste Besiedelnng in größerem Maßstabe 
(die Gründung von Tarquinii), um die Mitte des 11. Jahrhunderts erfolgt ist. 
Der Zeitraum von ungefähr hundert Jahren, das damals seit ihrem letzten nach- 
weisbaren Auftreten im Osten unter Ramses III. verflossen war, gibt genügende 
Zeit für die Irrfahrten, die Seeräubereien und ev. die Anknüpfung friedlicher 
Handelsbeziehungen, die der Besiedelung und Eroberung im grossen voraus- 
gegangen sein müssen. Die alten Sitze, so Lemnos, wurden naturgemäß 
nicht völlig verlassen und zwischen der neuen und der alten Heimat mögen 
bis in spätere Zeit Beziehungen bestanden haben. Aus der Herkunft der 
Etrusker erklären sich die von ernsten Sprachforschern an den Zahlwörtern 
dargetanen Berührungen der etruskischen mit der Sprache der heutigen Be- 
wohner des Kaukasus, der nach Osten verdrängten Reste der einstigen 
vorarischen Bewohner Kleinasiens und Armeniens. An diesen Berührungen hat, 
wie ich gezeigt habe, auch das Ghaldische seinen Anteil.^) 

Wie die Tur(u)8a mit den Tyrsenern, so hat man die Sardana mit den unter 
den Seevolkem auftretenden und den Ägyptern alsdann fortgesetzt als Söldner 
dienenden Sarden in Verbindung gesetzt, und je nachdem man eine Beteiligung 
und einen Zusammenschluß von selbst weit von einander wohnenden Bewohnern 
des Mittelmeeres für möglich oder für ausgeschlossen hielt, die Identität anerkannt 
oder geleugnet. Auch hier der gleiche Fehler wie bei den Etruskern. Die Frage 
muß vielmehr lauten: Sprechen gewichtige Gründe gegen die Annahme, daß die 
Italien benachbarten großen Inseln von den nichtarischen Völkerschaften, nach 
denen sie benannt sind, gegen Ende oder nach der Zeit der dorischen Wanderung 
besiedelt worden seien? Ist das nicht der Fall — und mir sind dergleichen 
Gegengründe nicht ersichtlich — so steht einem Zusammenhang mit ähnlich 
benannten Völkern, die vor und um die Zeit der dorischen Wanderung im 



I) Vgl. zu der obigen Anschauung über die Herkunft der Etrusker, die ich 
mir 1897 (s. oben S. 389 Anm. 2) in nachdmcklichem Gegensatz zu der unter den 
alten Historikern herrschenden Meinung bildete, meine Bemerkungen in d. Sitzwngsber, 
d. Berl Ak. 1900 S. 633 Anm. 2 und Aus Georgien 1902. „Zwischen den Zahlwörtern 
der Georgier resp. ihren Verwandten im Kaukasus und denen der Etrusker, 
deren Urheimat ebenfalls die Inseln und Küsten des ägäischen Meeres 
gewesen zu sein scheinen und die demnach zu den „Karem" in diesem Sinne 
zu rechnen wären, sind auffällige Analogien entdeckt worden." Die gleiche Ansicht 
vertreten Pauli, Montelius und Furtwängler, und seit ich das im Text Gedruckte 
niederschrieb, sind weitere Äußerungen in gleichem Sinne erfolgt, auf die ich 
hier nachträglich noch hinweisen kann. In seinen interessanten, archäologischen 
Betrachtungen über die Tomhe archaiche diCuma (Bollettino di paleantologia itaUana 
XXX No. 1-3, 1904), kommt G. Karo (p. 28 des Ä A.) zu dem Schlüsse: Poichhwno 
convinto cliequesti (sc. i Tirreni) vennero in Italia per mare, corsari audaci che soggiogarono 
i oontadini unibri e regnavano sopra di essi da despoti potenti non solo per coraggio e 
virtu gt/terresca ma anche per quel patrimonio di scienza secolare che j^tavano dalle 
hro antiche sedi. Ferner betrachtet Bommel in seinem neuen, m der ersten 
Hälfte vorliegenden, Qrundriss der Geographie und Geschichte des alten Orients 1904 
{Handbuch der Klass. Altertumsunss. 111. Bd. 1. Abt.) die Etrusker als früh nach 
dem Westen versprengte Kleinasiaten (S. 63 it.). Den Anklängen etruskisch- 
römischer an kleinasiatische Personennamen kann ich allerdings keineswegs die 
Ur- Beweiskraft beimessen, die ihnen Hommel vindiziert; sie kommen höchstens 
als sekundäre, wenn auch ev. bedeutsame Bestätigungen in Betracht. 

26* 
13 



396 MHUnlungen und Nachrichten, 

östlichen Mitteliueer ansäßig sind* a priori nichts im Wege. So halte ich denn 
auf Grund der schlagenden Namensgleichheit, zu der archäologische Überein- 
stimmungen hinzutreten, die östliche Herkunft der Sarden für höchst wahr- 
scheinlich und komme recapitulirend zu dem Schlüsse, daß ein Teil der im 
Osten des Mittelmeerbeckens heimischen Seevölker*) infolge der mit 
der dorischen Wanderung zusammenhängenden Verschiebungen die 
Küsten und Inseln*) Italiens und seiner Meere besiedelt hat, unter ihnen 
sicher die Etrusker und höchstwahrscheinlich die Sarden. 



Sarapis contra Oserapis. 
Von G. F. Lehmann. 

Nachdem ich auf meine Ansicht über die Herkunft des Sarapis und seine 
ursprüngliche völlige Verschiedenheit vom 0«erajpw seit ihrer ersten knappen 
Darlegung') verschiedentlich zurückgekommen bin*), wäre es mir lieb gewesen, 
alles Weitere der angekündigten ausfuhrlichen Erörterung in meinen Hellenütischen 
Forschtmgen zu überlassen. Neueste Funde einer-, Irrtümer andererseits schließen 
eine solche Zurückhaltung aus. 

1. Wilcken^) hatte darauf aufmerksam gemacht, daß in dem für Alexander 
in seinen letzten Stunden befragten Sarapis der Kultbeiname eines babylonischen 
Gottes stecken müsse, den er^) gestützt auf Mitteilungen von Delitzsch in gewissem 
Beinamen des Pest- und Todesgottes Nergal zu suchen geneigt war. 

Indem ich betonte';, daß und warum Nergal ausgeschlossen sei, wies ich 
1896/7 auf Marduks V^ater, den Heilsgott Ea^ hin, dessen babylonischer Kult- 
beiname iar ap^ »König der Wassertiefe" zu Sarapis aufs beste stimmt und dessen 
Eigenschaften und Attribute der Sarapiskult namentlich der Gnostiker großenteils 
deutlich wiederspiegelt. 

1) Von den Sakaruia sehe ich ab; zwar könnten sie, selbst wenn sich ihre 
Spur in Kleinasien im pisidischen Sagalassos erhalten hätte, was mir recht 
fraglich erscheint, deshalb doch nach Westen gewandert zu sein. Aber de Roug^s 
Gleichung mit Sucekog fehlt die schlagende Beweiskraft. Namentlich ist immer 
bedenklich, wenn für einen Namen verschiedene Identifikationen möglich sind. 
Da wir bei den Namen der nichtarischen Seevölker mit Vorschlagssilben zu rechnen 
haben Cvgl. Basenna, den einheimischen Namen der Etrusker, mit Turs in Turia), 
so könnte, rein theoretisch gesprochen, neben dem wahrscheinlicheren ^Sakaru-sa 
auch die Trennung *Sa'karuia ins Auge gefaßt werden. 

2) Sizilien und Korsika luden zu solcher Besiedlung nicht minder ein, als 
Sardinien. Für eine Herkunft der Sikuler von Osten könnte man Anhaltspunkte 
in der kretischen Tradition finden, während für die Korsen die Tatsache zu denken 
gibt, daß sie mit den einst im westlicheren Kleinasien heimischen und erst in 
historischer Zeit nach der Südostküste des Pontus zu verdrängten Tibarenern die 
Sitte des Männerkindbettes gemeinsam haben. 

3) Sitzungsberichte der Berl Archäol Gesellsch. 1897 November Sitzung = WbcÄew- 
schrift für klass. Fhilologie 1898 Nr. 1 Sp. 26—29. — Vorher bereits: Zeitschrift fwr 
Assyriohgie XII (1897) S. 112. 

4) Zeitschrift für Assyriohgie XII S. 396 If. — Beiträge zur alten Geschichte 
I 2618. — III 138, 159» (vgl. 9P). — Babyloniens Kulturmissim einst und jetzt (1903) 
S. 32—84, S. 78. 

5) Philologus 53 S. 119 Anm. 83. 

6) Fhilol^pis a. 0. 126. „Diese Daten verdienen weiter verfolgt zu werden." 

7) Über die Herkunft des Ea-Kultus von der Meeresküste, seine ursprüngliche 
Bedeutung und seine spätere Stellung im babylonischen Staatspantheon s. bes. 
diese Beiträge Bd. III S. 138 f. Vgl. Babyloniens Kulturmission S. 32—39. 

8) Sitzungsber. arcJiäol Ges. a. 0. = Wochenschr. f. kl Phil. 1898 Sp. 26. 

14 



Mitteilungen und Nachrichten. 397 

£rst DeuerdiDgs ist mir klar geworden, daß man mir allen Ernstes zutraute, 
ich hätte diesen Kultbeinamen des Ea mir einfach konstruiert und ad hoc erfunden, 
so daß meine gesamte Lösung der Sarapis-Frage in der Luft schwebte. 

Dabei ist seit dem Jahre 1892, von mir veröffentlicht, ein Text Assurbanabals 
bekannt, der sich auf die Neuerrichtung der dem Ea geweihten Kultkapelle ein 
Haupttempel Esaggil zu Babylon bezieht, und in eben diesem, direkt auf 
seinen Kult bezüglichen Text führt Ea den Beinamen sar apst^). 

Keine Neuerung also, wohl aber immerhin eine erwünschte Bereicherung des 
Materials und eine Bestätigung für die Ständigkeit des Kultbeinamens bietet eine 
Ende vorigen Jahres in Babylon gefundene, ebenfalls an Ea gerichtete und von 
demselben Herrscher herrührende Inschrift, in welcher Ea gleichfalls als hir apsi 
bezeichnet wird. Nach meiner von Delitzsch wiedergegebenen Annahme^) bezieht 
sich die Inschrift auf eben jenes im Tempelkomplex Esaggil belegenen Ea- Heiligtums. 

2. Als ich bei meinem mündlichen Vortrage in der archäologischen Gesell- 
schaft 1897 die Überzeugung äußerte, daß der Sarapis-Kult von Ptolemaios I. ein- 
geführt sei und daß er nur, um den fremden Gotte Sagämg seinen ägyptischen 
Untertanen näher zu bringen, ihn für diese als den Apis des Osiris bezeichnet, 
mit dem er vom Haus absolut nichts zu tun habe und der auch im Kult 
der vorptolemäischen Zeit keineswegs die ihm später zukommende Bedeutung; 
zeige, stieß ich auf lebhaften Widerspruch. Man wies mich auf den sog. Papyrus 
der Artemisia hin, der, aus vorptolemäischer Zeit stammend, den Ooegämq 
in seiner Eigenschaft als obersten und mächtigsten aller Götter nenne. Dagegen 
wandte ich mich in dem gedruckten Bericht über meinen Vortrag a. a. 0. mit 
folgenden Worten; 

^Daß die Einfülirung des Sarapis-Kultus in Ägypten unter Ptolemaeus I. 
erfolgt ist und zwar wahrscheinlich gegen Ende von dessen Regierung ist nicht 
zu bezweifeln (Wilcken a. a. 0. 119).*) Ägyptisch ist der Oserapis, der Oairis-Äpia 
nichts weiter als der tote, zum Osiris gewordene (und damit der Auferstehung 

teilhaftige) Apis Dagegen spricht nicht die sog. „Klage der Artemisia^ 

Denn während man diesen Papyrus in dem bereits auf den Sarapis-Kultus in 
seiner entwickelten Gestalt bezug genommen wird, früher allgemein in das vierte 
Jahrhundert v. Chr. stellte, sind wir jetzt, wo wir die Flinders Petrie Papyri 
kennen, nicht mehr genötigt, ihn für älter als Anfang des 3. Jahrhunderts zu 
hallen. Das hat zuerst MahafTy (Flinders Petrie Papyri 1 54) erkannt und auch 
Thompson (Handbook of greek and latin Palaegraphy 119) stimmt zu. Wilcken, 
dem Redner diese Hinweise verdankt, glaubt ebenfalls, daß der Papyrus nicht 
älter ist. Ebenso steht fest, daß die an Sarapis anklingende ägyptische Bezeichnung 
'Oao(}ccmg, *()<jt()€mig nur gewählt ist, um den neueingeführteu Gott den Ägyptern, 
als mit dem einheimischen Gott identisch, näher zu bringen und annehmbar 
zu machen.'' 



1) Namentlich durch Küchlers Bemerkungen (in der Rec. über Babylcniens 
Kulturmissiwi) Die Christliche Welt 1893 Nr. 3 Sp. 62. 

2) C. F. Lehmann, SamaJkmmvMn, Kihiig v. Babylonien (Assyriol. BibL Bd. VIU); 
Stelen-Inschrift S. 3 (Titelblatt Tafel XVII ft*., Teil f S. 24, Teil II S. 114 flf.). Dort 
lauten Zeile 67 f.: Ina üme-hi-ma E-kar-za-gin-na W (ilu) E-a hi kirib E-sag-il 
essts viipih Ea har apsi iipir stiati hadiJs lippalisma. „In jenen Tagen baute ich 
Ekarzagima, das Heiligtum (wörtl. Haus) des Ea, das in Esaggil belegen ist, neu. 
Ea, der König des Oceans (der Wassertiefe), möge dieses Werk freundlich an- 
blicken." S. dazu bes. Tiele, ZA. VII S. 81. 

3) Mitteil, der Deutschm Orient-Gesellschaft Nr. 21 (1904) S. 7 mit Anm. 

4) Das Eingeklammerte ist Bestandteil des Zitats. 

15 



398 MiUeilungen und Nachrichte^^u 

8. Die wohbezeiigte Tatsache, daß das Kultbild des Sarapis aus Sinope ein- 
geführt wurde, — sucht Beloch *) der sich gleich Bouche-Leclerq*), auf den er Bezug 
uimmt, sehr scharf gegen die Annahme einer Einfuhrung des Serapis-Kuitus aus 
der Fremde ausspricht, — hinweg zu deuten, indem er nach Lumbroso die 
für einen Berg bei Memphis bezeugte Bezeichnung Zivwmov oqoq für denjenigen 
Hügel, auf dem das Serapeum in Memphis stand, in Anspruch nimmt und diese aus 
dem Ägyptischen erklärt: 8en-Api bedeute Wohnung des Apis, daraus hätten die 
Griechen Sivwniov gemacht u. s. f. üanz abgesehen von der Fragwnrdigkeit 
der sprachlichen^) Grundlagen dieser Gleichung, so liegt auf der Hand, wie ganz 
unzutreffend die Bezeichnung „Hügel des Apis" für die Stätte eines Heiligtums 
des Osiris- Apis gewesen wäre; es handelte sich ja nicht um den Apis schlechthin, 
sondern um den toten, zum Osiris gewordenen Apis. In einer von Haus aus 
ägyptischen Bezeichnung der Statte nach dem Osiris-Apis konnte Osiris un- 
möglich fehlen. In der Tat bezieht sich der ägyptische Ausdruck a(t) nhpj gar- 
nicht auf das Serapeum, sondern er gibt in der hieroglyphischen und der demo- 
tischen Fassung des Steines von Rosette^) das griechische ^Anttiov wieder. Um 
das Heiligtum des lebenden Apis hat sich Ptolemaios V., wie der Text meldet, 
bemüht Erwiese es sicji also in Zukunft, wofür bisher jeglicher Anhalt fehlte, 
daß die griechische Bezeichnung 2üv<omov dem Serapeum-Hügel zukommt, so wäre 
der Name nur ein weiterer Beleg dafür, daß die Einführung des Sarapis aus der 
Fremde, aus Sinope, auch den Kult von Memphis berührt hat, was ohnehin sicher 
ist. Nur der Grad dieses Einflusses kann zweifelhaft sein. 

Neben dem lebenden Apis, dessen Ansehen seit der Ramessidenzeit stetig 
gewachsen war und dem Psammetich 1. einen neuen Tempel erbaute, wurde in 
Memphis auch der verstorbene Apis verehrt Schon in den Apisgräbern der 18. 
Dynastie heißt der letztere Wsr-Hp, Osiris-Apis. Aber die Anschauung, daß der 
gestorbene und daher zum Osiris gewordene Stier, der Osiris-Apis, eigentlich 
die höchste Gottheit, der Inbegriff aller göttlichen Wesen sei, ist erst 
das Ergebnis einer späteren Entwicklung.^) So lange nicht das Bestehen und 
Vorherrschen dieser neueren Anschauung für eine zweifellos vorptolemäische 
Zeit bestimmt nachgewiesen ist, beharre ich bei meiner Ansicht, daß die an vor- 
handene Vorstellungen anknüpfende Bevorzugung und aussclüießliche 
Betonung des toten Apis gegenüber dem lebenden, des Osiris-Apis gegenüber 
dem Apis und die Verehrung des ersten oder obersten aller lebenden Gottheiten, 
auch im Kult von Memphis erst auf Veranlassung des Ptolemaios und seiner 
Berater erfolgt ist, „um den neueingefülirten Gott den Ägyptern, als mit dem 
einheimischen Gott identisch, näher zu bringen und annehmbar zu machen''.^) 

Und sollten sich im Kult von Memphis solche sicheren Beweise vorptolemä- 
ischer Ausbildung dieser neueren Anschauung und ihrer vorherrschenden Verwertung 
finden, so würde ich gleichwohl an der von Anfang an von mir betonten Ober- 
zeugung festhalten, daß die Gleichsetzung des 'Oae^mqy 'Gaogänig mit dem 
2'a(>ä^i( von vornherein als eine, ja als die wichtigste Handhabe für die 



1) Griechische Geschichte Uli S- ^^ n^t Anm. 2, 447 mit Anm. 1. 

2) Betme de Vhistoire des reUffions 46 (1902) S. Iflf. — S. jetzt Histoire des 
Lagides I S. 115. 

3) Das a von Apis wird m. W. griechisch niemals durch einen o-Laut 
wiedergegeben, sondern zu allen Zeiten und immer durch er. 

4) Dieser Passus aus dem Stein von Rosette, ist alles, was sich bei Brugsch, 
GSogr, 292, auf den Lumbroso verweist, findet. Alles übrige ist, soweit ich sehe, 
Combination und Phantasie. 

5) Ed. Heyer, Geschichte Ägyptens, S. 379. 

6) Meine Worte Ärchäol. Sitzungsbet-. a. 0. 

16 



Mitteilungeil und Nachrichten, 399 

Aufnahme des aus der Fremde eingeführten Gottes durch die Ägypter von 
Ptolemaios ins Auge gefaßt war. Die Indentifikation hat sich nicht nach- 
träglich ergeben und entwickelt, sondern war geplant und gewollt. Die 
Einführung des babylonischen Gottes, dessen Befragung für Alexander Ptole- 
maios in seiner Alexandergeschiclite im Sinne einer besonderen Betonung aus 
der chronologischen Darstellung der Ephemeriden heraushob,') hat ihre Gründe 
größtenteils auf politischem Gebiet. Meine bisherigen dahin zielenden Andeutungen*-^) 
können und wollen die Frage nicht erschöpfen, das muß der ausführlichen Dar- 
legung vorbehalten bleiben. 

4. Aber was hat Sinope, von wo das Kultbild kam, mit dem babylonischen 
Gotte zu tun? Das habe ich bisher^) so zu erklären versucht: 

„Die Einführung des Götterbildes aus Sinope wären als ein Notbehelf zu 
betrachten (daran, daß das babylonische Götterbild selbst von Seleukos hergegeben 
wäre, war natürlich nicht zu denken), sei es, daß in Sinope ein verwandter 
Kult bestand, sei es, was wahrscheinlicher ist, daß man ein fremdes altes 
Götterbild, daß notdurftig als Sarapis gelten konnte, nahm, wo man es eben be- 
kommen konnte''. In den jetzt gesperrt gedruckten Worten gab ich eine behutsame 
Andeutung, die ich jetzt in eine bestimmtere Form zu kleiden vermag. 

Die Gegend um Sinope bezeichnen die Griechen bekanntlich als *AaavQia. 
Warum, blieb bisher unerfindlich. An eine vormalige Kolonisation des Gebietes 
vom Zweistromland her, zu denken, mußte unerlaubt erscheinen. 

Jetzt liegt die Sache anders. In seiner von der deutschen Expedition nach 
Armenien gefundenen und von mir in den Berichten 3) über diese veröffentlichte 
Inschrift, die seinen Sieg über die vorarmenischen Fürsten der Na'iri-Länder im 
heutigen Armenien feiert, bezeichnet sich Tiplatpileser I. (um ca. 1000 v. CJir.) 
als Eroberer der NaM-Länder „von Tummi bis Daiaeni" und Eroberer des 
Landes Kirhi bis zum großen Meere. 

Die Inschrift ist vollständig, die Stelle vollkommen eindeutig und eine Modifika< 
tion durch irgendwelche Einschübe, an die ich vormals dachte, ist ausgeschlossen. 
Unter Kirhi ist zu verstehen*) das Gebiet westlich der eigentlichen Nairiländer und 
des nachmaligen Urartu im engeren Sinne: die breite Ebene nördlich des West-Tigris, 
sowie das westlich von Diärbekir und Euphrat sich hinziehende Gebirgsterrain. 
Eine Ausdehnung dieses Gebietes nach Westen oder Süden bis zum mittel- 
ländischen Meere ist völlig ausgeschlossen;^) es kann nur die Nord-Ausdehnung®) 
zum Schwarzen Meere gemeint sein. Dazu stimmt auch die Bezeichnung als 
„großes Meer" schlechthin, die m. W. hier zum ersten Mal erscheint; während 
sonst regelmäßig durch den Zusatz „des Sonnenaufgangs'' und „des Sonnen- 
untergangs" der persische Golf und das mittelländische Meer unterschieden werden. 
Daß aber Tiplatpileser I. nicht etwa selbst zum Pontus gelangt ist, wie Ed. Meyer 
annahm, bestätigt, wie schon mehrfach ausgeführt wurde, der Fundort dieser 
seiner Siegesinschrift. Es folgt also aus dieser Angabe Tiglatpilesers I. nur, daß 
zu dessen Zeit eine Kunde von jenem nördlichen Meere bestand.^ Aber da immer 

1) Wilcken, Fhihhgtts a. 0. S. 119. Zu den Ephemeriden vgl. C. F. Lehmann, 
Hermes 36, 319 f.; diese Beitr, I S. 261 Anm. 2. 

2) Archäol Sitzungsher. = Wochenschr. f, klass, Phil 1898 Sp. 27; Bahyhniens 
Kulturmission S. 33. 

3) Sitzungsber. Berl Ak. d. W. 1898 S. 117 und besonders 1900 S. 626 sub B. 1, 

4) Streck, Zeitschr. f. Ässyr. XIII (1898) S. 101. 

5) S. Strecks Darlegungen und Umgrenzungen a. a. 0. 

6) Nur nach Norden war die Ausdehnung bisher nicht gesichert, Streck a. 0. 
.Nördlich dehnte sich Kirhu jedenfalls" (d. h. mindestens) »bis zum Arsanias aus.* 

7) Ob die Assyrer einen Zusammenhang dieses Nordmeeres mit dem mittel- 
ländischen Meere voraussetzten, oder ob an allen Stellen, wo sie das „große Meer** 

17 



400 Mitteilungen und Nachrichten. 

deatiicher wird, daß die Termeintliclien Eroberaogszüge Tiplatpilesers I. im Nord- 
westen nur der Sicherung von Erobemngen dienten, die lange Tor ihm seine 
Vorganger, besonders Salmanassar I. um 13^0 und Tnklat-Ninib I.^ nm 
1290 ▼. Chr. gemacht hatte, so werden auch die Wurzeln dieser geographischen 
Kunde in jene frühere Zeit zurückreichen. 

Allem Anscheine nach ist Salmanassar 1. derjenige, der die Waffen Assyriens 
als der erste und mit nachhaltiger Wirkung nach Nordwesten getragen hat. In 
seiner neugefnndenen Inschrift'; berichtete er von drei Feldzngen gegen die nord- 
westlichen Völker bis nach Malatia hin. Einst bildete Malatia und die umliegende 
Landschaft Hanigalbat den Kern des mächtigen, zeitweilig auch Mesopotamien bis 
nach Ninive umfassenden Reiches Mitanni, dessen Nachfolge eben Assyrien antrat, 
das sich als selbständiges Reich erst seit dem 16. Jahrhundert T.Chr. entfaltet hat. Der 
Sieg, den Salmanassar 1. über Mattuara oder Sattuara von Hani^galbat. erfocht, hat 
vielleicht diese Entwicklung erst besiegelt. Unter den gegnerischen Verbündeten 
werden auch die weiter westlich und südwestlich, u. a. im späteren Kappadokien 
wohnenden Chetiter genannt. Der wohl schon öfters erwogene Schluß, daß die 
assyrische Kolonisation in Kappadokien, von der uns dort gefundene assyrische 
Keilschrifttafeln sowohl wie künstliche, in babylonisch -assyrischer Art und 
aus babylonisch -assyrischen Ziegeln erbaute Terrassen Kunde gebend, der Zeit 
Salmanassars I. angehöre oder eine Folge seiner Siege sei, erhält nun einen 
hohen Grad von Wahrscheinlichkeit. 

Salmanassar I. hat auch Kirhi, soweit wir wissen als der erste erobernd 
betreten. Erheblich wichtiger aber ist, daß dieser Herrscher der einzige ist, von dem 
eine energische und nachhaltige Kolonisationstätigkeit, und zwar gerade für 
Kirhi bezeugt ist. Die von ihm im Süden von Kirhi angelegten assyrischen Kolonien 
bestanden noch fast V2 «^^^ulausend später^) unter Assurna^irabal. Unter Salmanassar I. 
— und allem Anscheine nach unter ihm allein — war auch die Möglichkeit ge- 
geben, daß assyrische Kolonisten in Nordkappadokien bis ans Schwarze Meer 
vordrangen und sich in Sinope festsetzten, wo sie im Verlaufe der weiteren Ent- 
wicklung Kleinasiens vom Mutterlande vollständig abgetrennt wurden.^) 

Daß hier am Meere der Kult des ursprünglich an der Küste des persischen 
Golfes heimischen „Königs der Wassertiefe" eine besondere Pflege erfahren hätte, 



nennen, ihrer Vorstellung nach schließlich immer ein und dasselbe große Meer, 
der Ozean, ihnen gegen übertrat, steht hier nicht zur Erörterung. Die Frage würde 
auch eine chronologische Abstufung erfordern. 

1) Zu den durch Assurna^irabal vermittelten Nachrichten über Salmanassar 1. 
tritt jetzt dessen eigene in Assur neugefundene Inschrift hinzu (oben S. 112 mit 
Anm. 3), über deren chronologische Bedeutung im vorliegenden Bande mehrfach 
gehandelt worden ist. 

2) S. d. die soeben von King Becords of the rägn of Tuklat-Nihib I. heraus- 
gegebene neue Annalen-lnschrift dieses Königs, aus der hervorgeht, daß 
Tuklüt-Ninib L u. a., gerade wie Tiglatpileser I., die Bewohner von Kummuh, 
Alzi und Bu-ru-hum-zi (so mit Hommel, Verh, 13 intern. Or. Congr, S. 140, der 
sehr ansprechenderweise Beqsxvv^ioi vergleicht, statt Pti-rukuz-zi zu lesen) be- 
kämpft hat. — Es bestätigt sich, daß der von Tuklat-Ninih I. abgesetzte babylonische 
König ein Bitiliasu ist, natürlich aber nicht wie Zwei Probleme, 65 if., 140 flf., 144a, 
Tab. III eingehend dargetan, Nr. 28 der Dyu. C, sondern ein früherer als Bitiliasu IL 
zu betrachtender König, C. Nr. 20 oder 21. Dies hat King übersehen und damit 
auch die durch seinen Nachweis gewonnene mittelbare Bestätigung der Korrektur 
des Bavian-Datums (vgl. 0. S. 1 11 ff., 260 f.) verkannt. 

3) S. Huntington und Lehmann, Zeitschr. f. Ethnol 1901, S. 181, Anm. 1. 

4) S. dessen Annalen neb.st Paralleltexten ; vgl. Keilinschr. Bibl 1 S. 68 und 92. 

5) Plutarch de Iside c. 28 mit meinen Bemerkungen in den Ärchäol Sitzwngiber. 
1897 a. a. 0. Sp. 27 28. 

18 



Mitteilungen und Nachrichten, 401 

wäre ebenso erklärlich wie eine allmähliche ev. synkretis tische Gräzisieruug 
des Kaltes, die sich bis auf dasjenige Kultbild erstreckt haben muß, das in den 
Besitz des Ptolemaios gelangte. 

Das älteste Kultbild mag spätestens in den Kimmerier- Wirren zugrunde ge- 
gangen sein. Und wäre es noch vorhanden gewesen, so würde man in Sinope 
wohl für Ersatz gesorgt haben und diesen, nicht das altheilige Götterbild, dem 
Ptolemaios ausgeliefert haben. So oder so erklärt es sich, daß Ptolemaios, wie in 
unserer Oberlieferung deutlich hervortritt, enttäuscht war, weil das ihm zugefiihile 
Götterbild nicht den Vorstellungen entsprach, die Ptolemaios (von Babylon her) 
mit dem Bilde des Sarapis verband, sondern eher einem Bilde des Pluto ähnelte ^) 

5. Aus allem Vorstehenden erhellt, wie völlig unzutreffend es ist, wenn 
Wilcken ganz neuerdings Ausführungen, in denen er in Verfolg seiner früheren 
Andeutungen die urspi-üugliche Verschiedenheit von 2!c(()ämg und OaeQdnn; mit 
gewichtigen Gründen vertritt,') folgendermaßen einleitet: „Soweit ich sehe, 
sind sämtliche Gelehrte,^) die die Beziehungen zwischen dem Sarapis und 
dem Osiris-Apis erwogen haben, der Meinung, daß der Name ^aQiiniq — durch 
Verkürzung oder wie man sich das sonst vorstellt — aus ^Onogäniq entstanden 
sei", 3) wenn er dementsprechend die Unterscheidung zwischen Sarapis und 
Osiris-Apis als eine, nunmehr so gut wie zum erstenmale zur Prüfung vor- 
gelegte These behandelt und wenn er der weiteren Frage, woher der Sarapis 
eingeführt ist, wie eines gänzlich unberührten und ungelösten Problems gedenkt. *) 



(Zur Sammlung der griechischen Inschriften.) 

Paris 36 avenue Henri MaHin. 
Monsieur! 

L'interessant article de M. Hiller von Gaertringen sur les progres du grand 
recueil des Liscripiiones Chraecae me pousse a vous adresser la lettre suivante. 

La colossale entreprise de TAcademie de Berlin englobe toutes les inscriptious 
grecques de TEurope; les Tituli Asiae Min(yri^ contiendront ceux de TAsie Mineure; 
il ne reste donc ä exploiter que File de Chypre, la Syrie, TEgypte et TAfrique. 

Depuis 1897 j'ai reuni les materiaux du recueil des inscriptious de TEgypte 
de la Cyrenaique, de l'Afrique et de Chypre. J'ai dejii explore la j)lupart des 
musees de l'Europe, j'ai reuni quelques centaines d'estampages et lu la plupart des 
livres relatifs au sujet. 

J'ai pu faire entrer dans mes schedae toutes les inscriptious grefcques des 
musees d'Alexandrie et du Caire gräce aux copies et aux photographies que m'ont 
donnees M. Milne et M. Jouguet. Je projette de faire un ou plusieurs voyages en 
Egypte pour completer mon recueil, dont j'ai dejä publie quelques extraits dans 
VArchiv für Fapynt8for8chu7ig. J'ai l'intention de donner toutes les inscriptious 
en fac-similes dessines a la main. 



1) Eine Verpflanzung aufständischer Babylonier durch Darius oder Xerxes, 
die nach älterem topographischen Brauche (vgl. diese Beiträge, Bd. II S. 342) als 
Assyrer bezeichnet worden wären, wäre an sich sehr wohl denkbar. Aber wir 
hören davon nichts und daß gerade griechische Städte und ilir Bereich von einer 
solchen Maßregel betroll'en wären, erscheint ohnehin ausgeschlossen. 

2) ^Sarapis und Osiris-Apis^ Archiv für Papyrusforschung III 2 (1904) 249/.31. 

3) Von mir gesperrt. 

4) Archiv f. Papyr. S. 251. „Aut die weitere Frage, woher der Serapis 
eingeführt ist, will ich heute nicht eingehen. Ich wollte vorerst nur di« obige 
These zur Prüfung vorlegen." 

19 



402 Mitteilungen und Nachrichten. 

La präsente lettre a pour but: 

1 " D'informer les travailieurs que j'ai eutrepris ce travail et qu'il est deja 
eil bODDe voie d'achevement. 

2" De solliciter le concours de tous les possesseurs de copies inedites d^in- 
scriptions d'Egypte, d'Afrique on de Chypre. 

3° De mettre les schedae que j'ai reunies ä la disposition de quiconque 
desirerait y puiser un renseignemeDt on une copie. 

Quant aux inscriptloDs de la Syrie et de la Palestine, le recueil en a ete 
entrepris par le Pere Louis Jallabert de l'üniversite Saint-Joseph de Beyrouth. 
Je ne saurais trop recoinmander ä la bienveillance et aux encouragements de 
l'Allemagne savante son travail, entrepris sur les lieux et d^jä tres avance. 

Seymour de Ricci. 



Das neubegründete Extraordinariat für alte Geschichte au der Universität 
Rostock ist W. Kolbe übertragen worden. 

In Leipzig habilitierte sich Otto Schulz, ein Schüler Wachs muths, als 
Privatdozent für alte Geschichte. 



20 



408 



Namen- und Saehverzeiohnis. 
Von H. Thfimme]. 

(iegenstande, die, ohne ausführlicher behandelt zu werden, nur erwähnt wurden, sind meibtens weg- 
gelassen. — Die grossen Zahlen bedeuten die Seiten, die kleinen die Anmerkungen. Griechische Namen 
sind in griechischer, römische in lateinischer Form aufgenommen; orientalische, soweit sie nicht in 
klassischer Form vorkommen, in der Transskription des Autors. „Cltate", „Inschriften"*, ^Münzen" s. unter 

diesen Rubriken. 



Seite 

Abdera v. Triballern bedrängt . 266/8 
Abkürzungen b. inschriftl. Urkunden 25/7 
Achaios, Name seleukid. Satrapen 106/8 
Achilleus a. Heros verehrt . 129. 150 
aSeXtpri ßaaiXlaaa a. Titel . . 102. 106 f. 
Adlertrager a. Bote 434. 46. 51. 57. 62f. 
Adoptionsgesetz Hammurabis .. 32/41 
Ägypten, Beziehungen zu Ätliiopien 

152/63; äg. Grenzposten 154 f.; Könige 

a. Sphinxe 1598. 385; Totenfeiern 385; 

Graberfunde 383/6; Kontrs^kte d. PtoL- 

Zeit 28/31 

aerarium sanctius i. 2. Bürgerkr. 347. 
352 f. 358. 381 
Äthiopien u. Ägypt. 152/63; s. Nubien 
Agbatana u. Atlien b. Herodot 203 f. 
ayyaQeXov, persische Post 117. 119/21 
Agone b. d. olyrop. Spielen 125/51 ; Auf- 
zählung 131. 150; «ttZ/vv 131. 186; 

Dauerlauf 131, 137 f. 150; Doppellauf 

127. 131. 137/9. 150; Faustkampf 131. 

138f.; Hoplitenlauf 131. 139f ; xaXmi 

131. 136; Knabenagone 131. I36f. 

150; Pankration 131. 133f. 138f. 150; 

Pentathlon, Pferderennen 131. 133f. 

135. 150; Ringen 1344. 136. 138f.; 

Agone d. Trompeter u. Herolde 140/2. 

150; Wettlauf 126/8. 131. 137. 150; 

Zweigespann 136 

Agonistenoilder i. Olympia . . . 149 a 
ayogavofioQ a. ägypt. Urkunden 29 

Akes-Fluß = Heri-Rud .... 188 
Alexander d. Gr. a. „Messias** 111«; a. 

Ammou in Athen verelirt . . 280 
Alexandros, Satr. d. Persis 1021'.; Alex., 

Oheim d. Ant. Hierax 106; Alex., S. d. 

Pyrrhus 122 

Alkibiades Vorfahren (u. d. aeiaäx^Bia 

165; A. b. Arist. Hol. U^. 283; A. i. 

Olympia 144 f. 

Alkmaioniden . . 165. 319. 321. 325 
Amazonen b. Herodot . . . 183. 192. 
Amu-Darja Herod. unbekannt . . 188 
Analphabeten bei Freilassungsurkunden 

19f. 23f. 
Androtions Atthis 164. 166. 169. 171 f 

180 270 279 
Ankona i. 2. BOrgerkr. 331. 333. 338 
Anonymus^ de rep. Ath. v. J. 392 v. Chr. 

a. Quelle d. Aristot. 283/8. 290. 292; 



Seite 

800/3. 306 f. 320/2. 325 f.; Anon. Peri- 

plus Pont. Euxin 71 f. 

AntiochusI.v.Syrienl01f.l05f.I09f.;A.Il. 

102. 106f. 108; A. Hierax 104; A. III. 

102/4. 107/10; A. IV. Geburtstag 116f. 

M. Antonius i. 2. Bürgerkr. 78. 361; im 

mutin. Kr. . 327 f. 336/8. 339 1. 341 

Apis u. Osiris-Apis, Kult . . . 397 f. 

Appius, cäsarian. Legat . .351. 356 e 

ApoUodors Chronik 122/4 

Apries, Kg. v. Ägypten . . . 155/7 

Aquaivaia = Achäer .... 392 f. 

Araxes = Jaxartes 187; = Wolga 188 f. 

Archaischer Stil . . . 173f. 176f. 324 

aQX^hQBta d. seleukid. Königinnen 107 

Archontat, Entwicklung 1/4. 274. 277. 

304f. 310. 319, 325; Arch.-Wahl 1/4. 

276. 278f. 304; Listen 2f 2l3f. 296. 

299 f. 303/5; Arch.- Jahre a. Datierung 

25. 121/3. 290. 293/7. 300. 302f.; Arch. 

um 270/60 v. Chr. 121/3; im kylon. 

Prozeß 319. 325 

Areopag, Entwicklung 2. 5/10. 12. 16o. 
17. 273 f 280. 302 

Arcus' Tod 121 f. 

Argimpäer, Arimaspen b. Herod. 181. 185 f. 
Ariminum i. 2. Bgrkr. 328/35. 338. 345 
Aristeas v. Prokonnesos u. Herod. 190/2 
Aristionstele 177; A., ath. Demagoge 15 f 
Aristoteles a. Metrologe 169. 171. 181; 
a. Gescliichtsschreiber 288; Ilok. "A^. 
Hauptquelle 282/92; Zusätze 270/82: 
c. 3 u. 4 274/6. 279; c. 7, 3 273. 279; 
c. 8, 4 273. 279; c. 10 271. 279; c. 13, 
2 276 f. 279; c. 22, 5 276. 278 f.; c. 41, 
2 272. 279; Herausg. u. spät. Schick- 
sale 279f. 309; Aristot. geg. Androtion 
169. 171 f. 180f. 270. 287. 

Avoxalanen 189 

Arrians Periplus Ponti Euxini, Echtheit 
68/75; Zusammenliang 68 f.; A.'s Reisen 

69 f. 75 

aaxavötfc = Eilbote 121 

Asinius Pollio 366 f. 

Asklepios i. Thrakien verehrt . . 116 
Assur-Tempel d. Uspia . . 113f. 260 

Assnrbanabal 256 s 

Assurdaian 260L 

Assuma^irabal 111 113 

Assyrei- i. Sinope 399/401 



X 



404 



Namen- und Sachverzeichnis. 



Seite 

Astyages i.'d. Kyrossage . . . 195/201 
Athen: Königszeit 304/7. 3171*.; Ver- 
fassungen 1/17. 272, s. a. Theseus, 
Drakon, Solon, Kleisthenex. Klassen- 
einteilung 2. 273. 280. 311/3. 317; 
Phylenteilung If. 6f.; Kpheben 5f. 9, 
13; Gerichtshöfe 4; Beamte 2/8. 10 f. 
17; s. Archontat, Thesmotheten, Areo- 
pag, ßoiliix Heer und Flotte 8. 302 f.; 
(iroßmachtpolitik und Seebund 286. 
302; Bezieh, z. Thrakien i. IV. Jalirh. 
265/9, z. Delos 12; i. raithrid. Kriege 
4. 13/7; ath. Familien 26. lOf. 16; 
\i^. Tlok. 8. Aristoteles; z. att. Sprach- 
gebrauch 287; att. Chronik 292/306; 
Urkunden 300/3. 309 f. 322: Maße 7 f. 
Athenekopf a. Münzen 170. 172/5. 177. 
Athenion. Demagoge . . 8. I84. 14 6 

ti^ko^irtiq i. Olympia 146 

Auf bewahrungv. Urkunden 19.25«. 26 2. 30 
Aufstehen a. Ehrenbezeugung . . 249 f. 
Augustus a. Consul u. Tribun 94 f.; 
s. Arbeit am Mon. Ancyranum 88/97 
Axones a. Quellen 273. 276. 306 f. 312 f. 
Babylonische Feuerpost 1 I7f. 120f ; Babyl. 
Einfluß a. Griechenland 227/51. 387/9 
Baibus d. J., Cäsarianer 334. 338. 372. 377 

Bavian-Datam 111.113.261 

{ifßaHOTTiQ€c a. Urkunden . . . 21/6. 31 
bellum, Bedeutg. . . . 328. 343 f. 381 
Berauschung von Dämonen . . . 244 
Beronike, Gem. Antioch. IL 107; B., 

nQxikQtia 107/9 

Berossos Chronologie 111»: in späterer 

Benutzung 123 f. 

(ioxkij i. Athen 4 f. 12. 17 

ßovq a. Münzen 167 f. 179 

Brundisium i. 2. Bgrkr. 358. 360» 

362/71. 373 6 
Buchtitel, antike, i. d. Überlieferung 289 
Budiner b. Berodot .... 184/6. 189 
Bürgerkrieg, der 2.: zur Vorgeschichte 
76/87; Anlange 327 82; als tumultus u. 
bellum 327 45; Cjlsars Vormarsch 
328/35. 338. 345. 350/2. 358; Verhand- 
lungen 338. 340. 3423. 352 4. 356. 
369.72. 382; Corünium und Brun- 
disium s. d. — Flucht der Pom- 
pejaner 330. 332». 338. 341. 343/82; 
Rückzug aufgegeben . . . 356/8. 381 
Burnaburiaä, babyl. König . . . ] 15 1 
C. Cäsar: Cousulate 77. 785. 79i. 84; gall. 
Statthalterschaft, Anfang 77. 79. 86: 
Endtermin 76/87; C. i. Burgerkrieg 87. 
328/47. 350/2. 454/62. 366/82; z. hostis 
erklärt 336/44. 354. 371 f. 381; histor. 

Glaubwürdigkeit 369 

C. Cäsar, Aug. fil. i. Mou. Aue. . 92 f. 
Caninius Rebilus ...... 370/2 

Cassius Dio u. d. Vesuvausbr. . 216/8 
Catilinarische Verschwörung 386 0. 344 
Cato d. J. i. Bürgerkr. 330/3. 342. 34.5. 

366 f. 



Seite 

Cliabrias, ath. Feldherr . . . 267/9 
Chalder, Beziehgu. zu d. „Karern** 391 
Charon v. Lampsakos, Schritten 203. 
288/90. 293. 305 
ABiQoyQUipa, äg. Urkunden . . 29/31 

Chinesische Post 119 

Chremonideischer Krieg . . . . 121 f. 

XiiBihv anoxoTial 165 

Chronologie, bab. assyr. 111/5. 260f ; d. 

spartan. Könige u. d. chrem. Kriegs 121f. 

Christliche Stimmen z. Vesuvausbr. 225 f. 

Cicero vor u. i. 2. Bürgerkr. 77. 80f. 

330. 334/9. 342/9. 351. 353. 357. 366. 

370/3. 378; i. mutin. Kr. 327». 3379. 341 

Citate, griech.: Pind. Ol. 5, 8 150; Schol. 

Pind. Ol. 5, 14 146; Herod. 1, 110 195/7; 

Herod. I, 189 207«; Aristot. Pol. Ath. 

10, 2 169i, s. a. Aristoteles; Strabo C, 

759f. 98/ 1 00 ; Paus. V9, 3 133 ; lateinische : 

Cic. ep. Att. Vll 8, 4ff. 3466; Att. VII 

24 359 3 
Caes. bell, civ. I 24, 2 3658; Val. 
Flaccus Arg. IV 507/9 221»; Suet. 

Caes. 28 85 » 

Colonia Agrippinensls i. J. 69 . 46 f. 57 
congiaria d. röm. Kaiser . . . 89/91 
consilium, Senat als c. . . 332. 353 

conubium, römisches 312 

Corfinium i. 2. Bgrkr. 359/63. 364 1. 366 f. 
Crassus, Triumvir . . . 76f. 78. 86 f. 
Curio, Tribun . . • 82. 85. 834/6. 366 
Damasias, Archon . . 1. 3. 303f. 316 
Dareios u. d. Avestismus .... 204 
Daron, Stadt i. Südnubien . . . 155 
JaQüOQy JaQQa}%\ thrak. Gott . . 116 

D$rw', äg. Ort 159 

Davidsage u. Doloneia 235 f., 238/40; u. 
Kyklopeia 233 f.; u. Iliupersis 237/40; 

indische Parallele 234 f. 

decretum Uubicouis 338 7 

Delos u. Athen i. II. u. 1. Jh. v. Chr. 11/4 
Delphische Freila.ssungsurkunden 18/28; 
delphische Orakel chronologisch un- 
brauchbar 319 

Demagogen, attische 2. 13/6. 282. 284 
Demenrichter, attische .... 301 f. 
Demetrios v. Phaleron a. Quelle d. Ari- 
stoteles 270/2. 279. 281 f. 288. 303. 

307 f. 310 
Demotikon a. Zeitbestimmung . . 323 
Demochares' Archontat . . . .10 6 
Denar- u. Sesterzenrechnung . . 89 f. 

Den-, Stadt i. Wgw?t 160 

Diapsephismen, athenische ... 301 
Didrachmon, attisches . . 166 8. 178/80 

Diobolen, attische 176 1 

Dionysius v. Milet u. Herodot . . 203 
Dioskuren i. Sagen ..... 244/6 
Dirnenkinder i. Babylon . . . . 37f. 
Doloneia u. verwandte Sagen 235 f. 238/42 
L. Domitius Ahenobarbus 333. 359/62. 
378. 382; s. Truppen 359«. 360». 36?<. 

366 f. 382 



Namen- und Sachverzeichnis. 



405 



Seite 

Dorer u. Achäer verschieden 393; dor. 

Wanderung , 392/4 

Sgaifitj ZzsipavnipoQOV 8 f. 

Drakontische Verfassung 3. 271/4. 293. 

803f. 306/18; Strafen . . 167. 180. 308 

Dyrrhachium 1. 2. Bgrkr. 342. SfiB. 368. 

377 

Ea-Sarapis 396 f. 400 

ixxXfiola i. Athen 1. 17; E.-Sold . 382f. 
Elektronmünzen, attische . . . . I79f. 
Elephantine 152. 154f. 156«. 158. 161 4 
Elische Priester i. Olymp. 130. 132. 143/5. 

149; elisches Jahr 126 4 

^vaywviog novq 141 f. 

hvBBxriQiqj pythische 7 « 

Entfernungen: Rom - Hispan. ult. 379 1; 
R.-Gaudium 335; Dyrrnach. - Brundis. 
3758 • Mainz - Köln 434 ; M. - Trier 456. 
46 1 ; M.-Vindonissa 438. 668 : Trapezunt- 

Dioskurias 69 

Ephebeninschriften, E.-Jahr . . 5f. 9 

Ephorenjahr 121 

Ephoros' Chronologie . . . 124. 296 1 
Epigenes, Ratgeber Antioch. 111 . 103 
Epigraphik u. Archäologie . . . 255 
Erdbeben i. Campanien .... 210 

Erech, Hürden-E 258 

EriSu, Priesterfürst .... 113/5. 260 
Etrusker, Herkunft d. E. . . . 394 f. 
Eule a. attisch. Münzen . .170. 172/5 
Eumenes I. v. Pergamon .... 109 
Eupatriden i. Athen. . 165. 313. 316f. 
ngtifiatfc i. d. antik. Forschung 120. 172. 

312f. 

Fabius Valens 61 f. 64/7 

Feuerpost, babyl. 1 17f. 257; jüdische 256; 

griechische 12Ö 

Fremde a. Unterzeichner v. Urkunden 28 i 
Freilassungsurkunden, delphische 18/28, 

a. Ägypten 31 

Freilasser a. Urkunden 18/22. 24 f. 27 
Galba irap., Aufstand gegen G. 42/58 
Gallische Statthalterschaft Cäsars, An- 
fang 77. 79. 86; Ende . . 76/87. 373 
Gartenanlagen i. Sagen ... 231 f. 
Gellius' Zuverlässigkeit .... 289 
Generationenrechnung . . 123, 297/9 
Germanien i. Mon. Anc. . . 91. 93f. 
Gerrhos-Fiuß b. Herodot .... 182 
Geschichtsforschung, ihre Ziele 262f. 
Gewichtsreform, solonische . 164/81 
Giganten u. Vulkane .... 218f. 
Gilgamesch-Epos .... 231/3. 258 1 
Götter i. Kampfe i. Sagen ... 248 
Goldbecher v. Vaphio .... 387 6 

Goldländer b. Herodot 190 

Goliath u. homer. Gestalt . 236 f. 393 
Greife, goldhütende .... 190 f. 
Hadrianus imp. a. Pontus 68. 70. 72f. 
Halbmond a. att. Münzen 173. 175. 177 
Hammurabis Gesetz: Einteilung 33 1. 
37f.; § 157/8 39; § 165/70 40f.; § 172 
40t.; § 186/7 32/8; § 190/2 36f. 41 



Seite 

Haudeismine, att 171 f. 

Harpagos u. Harpagidentradition in der 

Kyrossage 196f. 199/202. 204. 208; 

Harpagiden i. Lykien . . 201 f. 204 

Harsaphispriester i. Herakleopolis 383 

Hegesandros, Atliener .... 265f. 

Hekataios a. Historiker 176. 20.1/7. 318; 

s. Chronologie 123. 299 f.; a. Quelle 

Herodots 193/208; d. Aristoteles 176 

Hellanikos v. Lesbos 288. 291 f. 294 f. 

299. 302 f. 305 

Hellanodiken i. Elis 138f. 138. 148. 146/8 

Hephaistos . 250 

Herapriesterinnen i. Argos 212. 295. 299. 

303 f. 
Heraion i. Olymp. . . 128. 131. 148 
Herakles i. Olympia 130. 139. 143 

Herkulaneum beimVesuvausbr. 209. 213f. 

218. 220 
Hercules invictus, dakischer Gott 116 
Hermeias, Minister Antioch. III. 103 f. 
Herodot, Buch 1, Einteilung 193f.; H.'s 
Quellen: medische u. pers. Berichte 
194. 200/2: Hekataios 193/208; Diony- 
sius V. Milet 203; Aristeas v. Prokon- 
nesos 1902.; H.'s Glaubwürdigkeit 
319. 322; Autopsie 187. 194. 202i; 
Sprachkenntnis 195 f.; Topographie, 
iran. 1 95. 206/8 : skyth. 1 82/92 ; ägy pt. 154 
Heroendienst i. Olympia 129/32. 135. 150 
Herolde i. Olympia 139/42; H. d. Areo- 

pags 7f. lle. 17 

Hipparchs Ermordung, Zeit . . 298 i 
Hippias' Tyrannis 297/9. 3(X)i. 315; finan- 
zielle Maßregeln . . . 174/7. 181 
Hirtius, Anhänger Cäsars 334 f. 341. 342 4 
Hordeonius Flaccus, Legat i. Germanien 
42. 48«. 53. 57f. 60f. 
Horus u. s. Fahrt . . . . 158. 162 f. 
hostis, rechtl.Bedeutg. 328. 337. 340/2. 344 
Hyperboräer b. Herodot . 186. 190f. 
Imperator, Bedeutg. 343; Imp.- Jahr 78 

Indische Post 119 

Inschriften, äg. d. Nes-hör 165 f. 161: 
assyrische, neue von Kalat-Schirgat 
U2f. 112i. 260f. 400i; d. Tuklat- 
Ninib I 400 1; d. Assurbanabal 118 f. 
397; griechische: Stand d. Corpus 
252 f.; neue Forschungen 253 f.; neue 
Sammlungen aus Ägypten, Cyrenaika, 
Afrika, Cypern, Syrien, Palästina 401/2; 
Inschr. v. Smyrna (CIG 3137) 104. 
106/8; CIG 3596 109f.; CIG 4677 108; 
CIA n 1, 12, 268f.: CIA II 476. 8«: 
BCH 1898 No. 87. 19, No. 94. u. 106. 21, 
No. 107 22; Ditt. Or. 221 110; Or. 224 
(V. Durdurkar) 107f.; Or. I. p. 399 
(sog. sigeische) 101/10; Baunack, delph. 
I. 2146 20i. 27; 2 unedierte ampnis- 
säische I. 19. 27; 23 f. 25. 27; delische, 
delphische, kleinasiatische . 253 f. 
Iranische Topographie b. Herodot 195. 

206/8 



406 



Namen- und Sacht^erzeichnis, 



Seitp 

Isagoras Aufstand 296. 300. 318 f. 325 
rssedonen b. Herodot 183. 185/7. 189/92 

IStar u. Artemis 228 f. 

[yrken b. Herodot . . . . 185 f. 189 

Justitium 327. 331 

Kalypso und Kirke 230 

Kapitalismus i. VI. Jh. v. Chr. 315/7 
„Karer" als JTräger der raykenischen 

Kultur 263 1. 390/2 

Kartounagesärge i. fig. Gräbern . 383 

Kasion-Berg 98/100 

Kaspi-See b. Herod. u. Hekataios 207 

xnvväxtiq, bab. Stoff 387 f. 

Kelten a. Lehrmeister d. Germanen 262 f. 
Kimmerier b. Herodot . . 188 f. 191 f. 
Kirke a. Unterweltsgöttin . . . 229 
Kleisthenes' Verfassung 276. 301. 307. 
309. 3l8f. 323 

Kodrus, ath. König 304f. 

Königsskythen 182f. 185 

Kolonien u. ihre Gründungsjahre 295 
Konfiskationen i. 2. Bürgerkr. . . 343 
Konsuln i. 2. Bürgerkr. 331/6. 340. 345/9. 
353/6. 358. 362/4. 371/6. 381 
Kotys, Kg. d. Odrysen 265/9: K., Kg. a. 

Bosponis 68. 70 f. 

KQtifivoi a. Asowschen Meer . . 182 f. 

Kreta, babyl. Einflüsse auf K. 387/90. 

392f.; Herkunft d. Pliilister aus K. 

393; griech. Siedlungen . . 392/4 

Kriegerauswanderung, äg. . . 154/62 

Kylonischer Frevel 318/26 

Kyme i. I. Jh. n. Chr. ..... 222 

Kvvüfl d. Kyrossage 195. 197/9. 202. 204 

Kyrossage: med. Volksüberlief.SOOf. ; Har- 

pagidentradition 199/202. 204. 208; 

b. Herodot 193^204. 208; bei Trogus 

Pompejus 198 f. 203 

T. Labienus . . . 329. 342. 355/7. 381 
Lahme Götter und Helden ... 250 
lafmaörjipoQut und Feuerpost . 119 f. 
Laodike, Gem. d. Antioch. IL 105/7; G. 
d. Antioch. HL 102. 107f.: d. Mithri- 

dat. II 108 

Legionen, römische: d. v. Cäsar an Pom- 
pejus abgetretenen L. 333. 335 f. 344/6. 
350 f. 354 f. 356 s. 357 1. 358. 363/66. 
378. 380; andere L. Cäs.'s XIII. 333 f. 
350. 361; XIL 358. 361; VHL 361; 
V. 366. 3794; pompej. L. 365 f. 379; 
german. L. i. J. 69, Abfall v. Galba 42/67 
Lemnos, v. Etruskem bewohnt . 394 f. 
Lentulus, Konsul i. 2. Bürgerkr. 3337. 
338. 347. 352. 359. 363. 376 f. 381 
Libo, pompej. Flottenfahrer 332. 370/2 
lex Pompeia Licinia 78f. 81/4; d. Pom- 
pejus V. J. 52 84/6; 1. Serapronia de 
prov. 84; l. Vatinia .... T6/8 

Liviusepitome, neue 261 

loyitnai i. Athen 4 

Logographen, angebl. Vielschreiberei 289 
Lykurgische Verfassung . . . 263 f. 
Mäuse i. Sagen 242 f. 



8eito 

Makkuri-SamaS. angebL bab. Kg. Uli 
M. Marcellus, cos. 51 v. Chr. 786; 83. 85 1; 

G. M., COS. 50 V. Chr. 81 f. 334/6. 344. 

3794. 380 
Marduk u. Poseidon 228; Statue nach 

Babylon zurückgeführt 1 18f. 256 f. 259; 

M.'s „Weiber" 39t. 229 

Marduk- nadin-ahe, bab. Kg. . . 111 
Marmor Pariuni, Abfassungszeit . 122 
Marschgeschwindigkeit Cäsars . . 379 1 
Martial u. d. Vesuvausbruch . . 221 
Massageten b. Herodot 185, 187, 189f., 

192 
Maßordnung, athen. i. J. 103 7/9; s. Solon 

Matiener b. Herodot 206 f. 

Medeios, Archon 100/88 v. Chr. 3f. 12f. 

16 s 
Meder = "Aqioi 206; med. Sprache 195; 

(iriSixoQ koyoq b. Herodot . . 193 f. 
Megakles d. Alkmaionide 278. 32L 325 

Meroe 154f. 161 

Misenum währ. d. Vesuvausbr. 211. 213/5 

Mitanni'Reich 400 

Mithridates VI. von Pontus . . . 13/6 

fXVft tj ^flTtOQlxil , . 8f. 

Mogontiacum i. J. 69 n. Chr. 43/8. 50/4. 57 
Molons Aufstand geg. Antioch. III. 102/4 
Molioniden u. Dioskuren .... 245 
fiovbyQatfoi; a. äg. Urkunden . . 31 
Monumentum Ancyranum, Entstehung 

88/97; Anordnung 91. 94/6; Zahlen i. 

Mon. Anc. 96 f; angebL Grabschrift 88. 97 
Münzen, athen. vor Solon 176/80. 311; 

spätere 8/10. 134. 164. 166/70. 172/9. 

311 f. 315; Gewichte ders. 169/71; 

euboische M. 168. 179; korinth. 167. 

176; raaced., kyzik. 178; röm. 312; 

Münzreform, solon. 164/81; Münz- 
. Prägung i. Athen 134. 170f. 312; erste 

doppelseitige Prägung . , 168. 177f. 

Mutinensischer Krieg 327 1. 328. 3369. 

337/9. 341. 342 4 

Mykenäer u. Jonier verwandt 390; myken. 

Kultur unt. bab. Einfluß 387/9; ihre 

Träger 263. 389/2 

Mythologische Zusammenhänge 227/51 

Napata 152f. I6O1. 161 

Neapel u. d. Vesuvausbr. . . 212. 220f. 
Neleus Bibliothek ........ 281 

Nefer-er-ke-re*, Kg. v. Ägypten . 386 
Ne-woser-re*, Kg. v. Ägypten . .384 f. 
Nil i. d. antiken Geographie . . 162 
Nisäische Stuterei d. Perserkönige 188 
Nubien, s. Äthiopien . . 152f. 158/60 
Numerius Magius, Pompej. 369/72. 374 

Oaros = Wolga 185. 189 

Odysseus u. verw. Gestalten 233/6. 239 
Oligarchie i. Athen v. 411 v. Chr. 3. 

306/9; V. 103/2. 1/17; oligarchische 

Schriftstellerei 285 

Olivenzweig a. Festschmuck 146; a. 

Siegespreis 128. 132. 14,5/9; a. Münzen 
170. 173. 175. 177 



Namen- und Sachvfirzeichnis. 



407 



Seite 

Olympisches Hochfest 125/51; älteste 
Feier 126/9; zweite Entwicklung 131 f.; 
Ordnung v. Ol. 77 132/40; endgült. 
Ordnung 150f.; Einstellung 126. 151. 
— Vorbereitung, Eide, Athletenweihe 
142t.; Siegesfeiern 132. 142/7. 149f.; 
Preise u. Preisverteilung 128. 132. 
145/50; Privatopfer 144f. — Agone, 
Heroendienst, Zeusopfer s. diese. — 
Olympionikenliste . . . . 1252. 326 
bfioXoyia, äg. Protokoll . . . . 29f. 

Opferzeit d. Griechen 127 

onXa TtaQEXofjtsvoi 311. 315 

Orion u. Polyphem 237 

Oserapis u. Sarapis 396 f. 

Ostrakismusurkunden 300 f. 

Palamedes u. d. Feuerpost . . . 120f. 
Palmzweige a. Siegeszeichen . . 147 
patari, chald. Wort = Stadt . . 391 
Peisistratos . . . 297/300. 316/8. 325 

Pelasger 392, 294 

Pelops a. Heros verehrt . 129/32. 135 
Pelusium, thj tibqI xo n. . . . 98/100 

Peplos d. Athene 10« 

Periplus Ponti Euxini d. Arrian 68/76 

Persische Post 117/120 

'PkeyQalov tcbSIov 218 

Philister, Herkunft aus Kreta . .393 f. 
Philosophenschulen, polit. Stellung 13 
Phöniker, ihre Seeherrschaft . . 388 
Picenura i. 2. B.-Krieg 352. 357 f. 363. 

378. 381 f. 

L. Piso j. J. 49 V. Chr. 354*; Piso Li- 

cinianus v. Galba adoptiert . . 44/7 

plebs urbana, plebs Romana . . 89 f. 

Plinius d. ä. b. Ve.suvausbr. 210f. 213/6; 

d. j. Plinius .... 211. 213/6. 218 

Plutarch, Sol. Quellengeraeinschaft m. 

Aristot 273/5. 277 f. 280. 285. 306. 320; 

P. Galba, Quellengemeinsch. m. Tacit. 

Hist. 155/67; P. u. Hermippos 287 f., 

u. Sibyllensprüche .... 233/5 

Pompeji während des Vesuvausbr. 209/13. 

218. 220. 226 

Porapejus i. 2. B.-Krieg 76. 78. 81/7. 

328/82, a. imp. 342. 382; a. dict. 330. 

332 f.; a. hostis 340. 342/4; Streitkräfte 

. 365 f. 379 
Pompejus Propinquus, proc. v. Belgika 

42. 44/55 
Pontusländerb.Arrian68/75;b.Herod.l82f. 

Post i. Altertum 117/21 

primi ordines Bedeutung .... 56 i 
Provinzen, consular. u. prätor. 84. 86; 

i. Mon. Ancyr 91/4 

Prytanen u. P.-Schreiber . . 4. 6. 7i. 8 
Psammetich I. 153f., P. II. ... 162 
wexadeg b. Vesuvausbruch . . 224 a 

Pseudo-Apollodor 123f. 

PtolemaiosI u. Sarapiskult 392: Pt. Euerg. 
104; angebl. Abdankung 186; Pt. Epi- 
phanes 108; Pt, S. d. Lysiraachos 109; 
Pt. Telmessios 108f. 



Seit« 

Pyramiden, neu untersuchte . 183/6 
QueHen, antike f. d. VI. J. 164. 172. 318 
Rechenschaftsablage ath. Beamten 4/6 
Republik, Anhänger d. Rep. i. d. Kaiserz. 

48f. 51 1 
Rhipäischen Berge b. Herodot 187. 191 
Rom u. Athen i. I. J. v. Chr. 12f. 17; 
R. i. 2. Bgrkr. 330f.; R. u. Vesuv- 
ausbruch 217 1 

Sakaruga, „Seevolk" .... 396 1 
Salmanassar l. . . . 112/4. 260f. 400 

SamadSumukin 256 s 

Sam§i- Adad, verschiedene Priesterfursten 

ll3f. 260f. 

Sanherib 111 

Sapardu 408 

Sarapispriester a. Delos 6: Sarapis und 

, Oserapis 396/401 

Sardana == Sarden 395 f. 

S5s-hrt, äthiop. Landschaft 1554. 155/63 
Sauromaten-Issedonen . . . 184. 191 f. 
Schiffbrüchigenerzählung, äg. . . 163 
Schmiede u. ihre soz. Stellung 250f. 
Schnelläufer, griechische . . . 136 f. 
Seele a. Vogel gedacht .... 230 
^Seevölker" der Ramses III . 393/6 
I Seisachtheia, solonische 164/6. 168. 171. 

271. 285. 316f. 

j Seleukos Nikator 101. ia5; S., S. d. An- 

tioch. I. 106; S. Kalliuikos 104. 108. 

— Seleukeia, Sekevxiq, verschiedene 

Gegenden 103/5 

Senat, röm. i. 2. B.-Krieg 330/3. 336. 

338/40. 342. 344. 350. 352/4. 372: s. 

consultum ultimum 328 f. 380; s. po- 

pulusque i. Soldateneid . . 48/55. 58 

Seneca als Erdbebenforacher . . 210 

Sen - Wosret (Senostris) III Reg.-Zeil 388 

Seuthes, Kg. d. Thraker . . . .268 f. 

Sibyllinische Spruche u. Vesuvausbr. 

222/5 
Silius Italikus u. d. Vesuvausbr. 221 f. 
Sinon u. verwandte Sagen gestalten 237 
Sinope Assyrer in S.399f.: Einfuhrung 

d. Sarapis aus S 398/401 

:£iv(imiov in Memphis 398 

Sintflutsagen u. Verwandtes . . 242/9 

Sirbonis-See 98/100 

Sizilien i. 2. Bärgerkrieg 359. 362. 364 >. 

366. 382 

Skytheneinfalle in Kleinasien 188f. 191 

Solons Verfassung 1. 3. 271/3. 276 f. 279. 

285. 296. 306 f.; reaktionär 3 13/6; angebl. 

Münz- u. Gewichtsreform 164/81; S. i. 

kylon. Prozeß 320; seine Elegien 164/6. 

168. 318 

oiaxiiQ a. Titel 102 

Sothis-Daten, chronolog. Wert . 388 
Spanien i. 2. Bürgerkrieg 355. 374/6. 

378/81 
Spartanische Königsliste .... 121 
Sphärenmusik, babylonisch . . 256/61 
Stabiä u. d. Vesuvausbnich . 213/5 



408 



Namen- und Sachvergeichnis, 



Seite 

Stater, ath. u. kyzik. 178; korinth. 167 
Statius u. d. Vesuvausbruch . 220f. 
Statuen a. Sühnebilder . . . 323 f. 
Strategen, attische If. If. 11. 310. 315 
Stratonike, Gem. Antioch. 1. 102. 105 f. 109 
Subjektswechsel i. Hammnrabis Ges. 34 
Sueton u. d. Vesuvausbruch 216 f. 
Sulnio im 2. Bürgerkrieg . . . 360f. 
Surrentum u. d. Vesuvausbruch . 212 
avyy(}a<paif attische 288; avyyQa<po<pv' 
?Mxeg a. äg. Protokollen . . 29/31 
avvtvaQ6<nfovTeq a. Freilassungsurkund. 
20/7; a. äg. Urkunden .... 31 
Tacitus Hist I 12 u. I 55/7; Verschieden- 
heiten 42/8. 51. 54 f.; Quellengemein- 
schaft m Plut. 55/67; T. u. Vesuv- 
ausbruch 2 10 f. 

fi TavQucij b. Herodot 182 

Teichoskopien i. Sagen .... 251 

Teraenos in Olympia 135 

Tempelschlaf u. Verwandtes 232 f. 

Terminologie i. Hammnrabis Ges. 36 
Tetradrachmon,att. 167/71. 173/7. 180.311 
Themistokles If. 302 f.; von Pompejus 

citiert 348 

Theodosia a. Pontus 73 f. 

Theoren in Olympia 144 f.; i^e(ü(tm nach 

Dolos 7f. 

Theramenes 285. 287 i 

Theseische Verfassang . .167. 272« 
Thesmotheten, attische . . 7i. 308^ 

Thraker i. Kleinasien 392 

thrakische Religion 116 

Thukydides u. Arist. HoL 'A^. 286 f. 
319. 321; s. Chronologie 294/6. 300; 
von Pompejus zitiert . . . 347 f. 
Thyssageten b. Herodot . . 185f. 189 
Tiberius' Anteil a. Mon. Anc. 91/3. 97 
Tiglat-Pilesar 1 111. 113 f. 391 6. 399 f. 
Timomachos, att. Feldherr . . 265 f. 
Titus imp. u. d. Vesuvausbruch 216 f. 
Tontafeln u. Tonbearbeitg. a. Kreta 388 f. 
rrajiezunt a. Kriegshafen . 68. 71/3 



, Seite 

I Trebulanum d. Cicero, Lage 345 f. 

I Triballereinfall in Tinakien . 266/8 
Triumvirat v. Luca . 76. 78. 84. 86f. 
Trompeter b. olvrap. Fest . . 140/2 
Tuklat-Ninib I ' . . . 113.261.400* 
tumultus decretum327f.332; i. 2. Bürger- 
krieg 333/8. 341. 343f. 345. 380; i. mu- 
tin. Kr. . . . 327 1. 328. 336». 337 

Turuscha-Tyrsener 394 

Überläufer in Sagen 237/40; Volk in 

Nubien 154 

Unterschritten, eigenhänd. auf Urkunden 

18/31; i. Genetiv 23 f. 

ünterweltfahrten 232f. 

Uralgebirge b. Herodot . . 185. 187 

Uspia, Priesterfurst 113 f. 

Valerius Flaccus u. d. Vesuvausbr. 221 

Vasen, rotfigurige 177 

Verginius Rufus 49 f. 53 

Vernichtung v. Heeren i. Sagen 242/4 
Versiegeln bei Urkunden . . . . 24 » 
Vestalinnen u. Verwandtes.. . . . 229 
Vesuvausbruch i. d. antik. Oberlieferung 
209/26; Datum 211/3; Verlauf 211/7. 

223; b. Dichtem 219/22 

Via Minucia 362 « 

Vieh a. Strafe 167. 811 

^Vier Flusse" i. Sagen .... 329f. 

Jul. Vindex 49 f. 53. 64 

Vindonissa i. J. 69 n. Chr. . . 43f. 46 

A. Vitellius z. imp. proklamiert 43/7. 

51/67; L. Vitellius, s. Vater . . 61 f. 

Vulkane, antike: Ätna 209f.; Vesuv s. d. 

Wanderungen, griech 392 

Wappenmünzen, sog. . . . 178f. 312 
W?w§t, äg. Landschaft . 159/61. 163 
Wolfskleidung i. Sagen .... 241 
Xenophon u. Aristoteles . . . .286 f. 

Zenon d. Stoiker 122 f. 

Zeugen auf Urkunden . . . 23/7. 30f. 

Zeus i. Olympia verehrt 125/30. 132f. 

1431. 150; sein Tempel 148f.: Z. Aa- 

ß(}avr6og 390 



Berichtigendes und Ergänzendes. 

Bd. IH 499 Z. 10 lies: „zog im Nisan". - S. 505 Abs. 2 Z. 5 von oben lies: 
Sapardu entspricht als lautlich genaue Wiedergabe in der babylonischen 
Version der Achämeniden Inschriften dem Svarda, welches in der alt- 
persischen Fassung der Inschriften des Darius in der Aufzählung der unter- 
worfenen Völkerschaften erscheint. — In einer neuerdings zu Susa gefundenen, 
babylonisch abgefaßten oder nur in der babylonisclien Version erhaltenen Keil- 
inschrift Artaxerxes' 11 wird unter den Ländern, die die Materialien zum Bau 
des dortigen königlichen Palastes geliefert haben, auch (mät) Sa-par-du genannt. 

Zu Bd. IV: S. 90 A. 3 Z. 13 lies ^(peQovuov" statt „<^f^6;rrwv«; S. 108 A. 2 Z. 8 
lies ^Sohn von dessen" statt „Sohnes seines"; S. 121/2 lies „Kleomenes"; S. 122 
Abs. 3 Z. 6 lies: „weil hei Belochs Annahme'', Z. 8 f. lies „als eigentliche Kriegs- 
jahre nur 265/4, 264/3 und 263/2, das Jahr des Friedensschlusses, in Betracht 
kämen"; S. 137 A. 2 Z. 2 lies „(468 v. Chr.)" statt „(468 n. Chr.)"; S. 185 Anm. 1 
lies „^f(>/ö>cJ6(rr«r«" statt „4^y;(Ticöd^<jr«T«"; S. 206 Z. 2 v. o. lies „Her. VII 62" statt 
^Her. VII 162"; S. 2.59 Z. 6 v. o. lies „Bel-Mardv^% der Gott der Frühsonne.« 



Druck von Julius Ab«l in tirelfswald. 
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