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KOMPENDIUM
DER
THEORETISCHEIt PHYSIK.
um
VoH
De. WOLDEMAB tOIGT,
O. Ö. PROFESSOR DER PHYSIK AN DER UNIVERSITÄT GÖTTINQEN.
IN ZWEI BÄNDEN.
EBSTEB BAND.
MECHANIK STARRER UND NICHTSTARRER KÖRPER.
WÄRMELEHRE.
LEIPZIG,
VERLAG VON VEIT & COMP.
1895.
Druck Ton Mettgor & Wittig in Leipzig.
I
Vorwort.
1
<»
Je weiter die theoretische Physik sich entwickelt, und je ge<
waltiger die Werke anschwellen , welche einzelne Teile derselben
i erschöpfend zu behandeln bestrebt sind, um so gebieterischer stellt
sich das Bedürfnis nach einer kurzen zusammenfassenden Darstellung
der gewonnenen Besultate heraus, welche dem Lernenden nach Bewäl-
tigung einiger Spezialgebiete einen Überblick über die gesamte Dis-
ziplin zu erwerben gestattet Eine solche Darstellung, die, wenn sie
die Kürze nicht auf Kosten der Strenge und Vollständigkeit erzielt,
auch dem reifen Forscher willkommen sein dürfte, fehlte bisher
in der deutschen Litteratur; das vorliegende Werk sucht diese Lücke,
- die ich in meiner Lehrthätigkeit häufig empfunden habe, auszu-
^ fallen.
^'> Was dem Lernenden die Gewinnung eines umfassenden Stand-
^ punktes auf Grund der vorliegenden Handbücher erschwert, sind nach
meiner Ansicht nur zum geringeren Teile die Schwierigkeiten der all-
gemeinen Theorieen, zum größeren die umständlichen mathematischen
Entwickelungen, welche zur Durchführung spezieller Probleme nötig
sind und häufig die allgemeinen physikalischen Überlegungen auf lange
\ Zeit fremdartig unterbrechen, ohne immer zu Eesultaten von wirk-
lich physikalischem Interesse zu führen.
^ Da nun das Verständnis der Grundlehren, der theoretischen
^ Physik bis zu einem gewissen Grade von der Fähigkeit, spezielle
Probleme analytisch zu bewältigen, unabhängig ist, so habe ich ge-
^ meint, die zur Ermöglichung eines Überblicks erforderliche Kürze
der Darstellung in erster Linie dadurch erzielen zu müssen, daß
ich auf alle Anwendungen der Theorie von speziellem und beson-
ders von. spezifisch mathematischem Charakter verzichtete. Die
(c\0 0\
I
0>
H
IV Vorwort.
Möglichkeit ihrer Lösung und der Weg zu ihrer Durchführung ist
zwar häufig angedeutet; ausfiihrliche Behandlung hahen aber nur
Probleme von allgemeiner physikalischer Bedeutung gefunden.
Bezüglich der hierbei inne zu haltenden Grenze war ein Schein
von Willkür mitunter nicht ganz zu vermeiden.
Daß spezielle Probleme, welche selbst wieder zu einer aus-
gedehnten Theorie Veranlassung geben und daneben höchste prak-
tische Bedeutung besitzen, wie die Falle der Platten und der Stabe
in der Elasticitätslehre, behandelt sind, wird allerdings nicht be-
anstandet werden. Dagegen wird^man vielleicht die Entwickelung der-
jenigen allgemeinen Integrationsmethoden, welche Analoga zu den
GEEEN'schen Funktionen yerwenden, als dem oben gegebenen Pro-
gramme entgegen ansehen, während ich sie um der Aufklärung willen,
die sie über den Anteil der einzelnen Volumen- imd Oberflächen-
elemente an dem Zustandekommen einer Erscheinung liefern, für
physikalisch interessant halte. Ebenso könnte man etwa die in der
Hydrodynamik und Optik, der ElaÄticitäts- und Elektricitätslehre
besprochenen Eeflexionserecheinungen beim Vorhandensein ebener
Grenzflächen als aus dem Bahmen des Buches fallend betrachten,
während ich sie zur Verdeutlichung der Vorgänge, welche in den
allgemeineren Fällen an jedem Oberflächenelement stattfinden, auf-
genommen habe. Und so darf ich auch versichern, daß in anderen
vielleicht strittigen Fällen Air die Entscheidung jederzeit älinliche
allgemeine Erwägimgen maßgebend gewesen sind.
Der Verzicht auf die Behandlung spezieller FäUe hat manche
Vorteile zur Folge gehabt Nicht nur rücken zusammengehörige
theoretische Entwickelungen dichter zusammen, treten die allgemeinen
Gesetze und die Beziehungen verschiedener Gebiete zu einander
schärfer hervor, es wird auch eine sonst vielfach merkliche Ungleich-
förmigkeit beseitigt, welche daraus fließt, daß Gebiete, die sich ana-
lytisch einfach darstellen, unabhängig von dem wirklichen physika-
lischen Interesse durch die Breite der Behandlung und die Zahl der
durchgefahrfcen Einzelprobteme ein Übergewicht über diejenigen er-
halten, welche der Analysis größere Schwierigkeiten bieten. Diese
Vorteile dürften in dem vorliegenden ersten Bande besonders in
dem dritten, die Wärmelehre umfassenden Teile hervortreten, der
unter Einwirkung des gesteckten Zieles umfassender Darstellung
eine gegenüber der sonst gegebenen sehr abweichende Gestalt er-
halten hat. Beispielsweise stellt sich in demselben die meist als
selbständiges Kapitel breit behandelte Wärmeleitung als ein spezieller
Fall der allgemeinen, nicht umkehrbaren Zustandsänderungen dar,
Vorwort. V
und die thermisch-chemischen Umsetzungen schließen sich den ther-
misch-mechamschen eng an.
Auch die Mechanik hat unter dem Einflüsse der allgemeinen
Tendenz des Buches eine absonderliche Grestalt gewonnen. Jene
spezieU^i Gebiete, welche wegen der Einfachheit der physikalischen
Grundlagen bereits fast zu einer Domäne der Mathematik geworden
sind, insbesondere die Mechanik starrer Körper und idealer Flüssig-
keiten, sind ftberaus kurz behandelt; dagegen nehmen einen be-
träditüchen Eaum die mechanischen Theorieen anderer Ge-
biete der Physik ein, die ich in diesen Teil, gewissermaßen als
spezielle Probleme der allgemeinen'^ Mechanik, aufgenommen habe,
um in jenen Gebieten die Grundgesetze später frei von speziellen
Vorstellungen allein aus den Resultaten der Beobachtung entwickeln
zu können. Beanspruchen auch manche dieser Theorieen, wie z. B.
die hydrodynamischen der Wärme- und Elektricitätsbewegung, nichts
anderes zu sein, als mechanische Analogieen zu den behandelten
Vorgangen, so sind sie doch zur Veranschaulichung derselben so nütz-
lich, daß sie nicht fehlen durften.
Die Theorieen exakter Beobachtungsmethoden sind nach der
Gesamtdisposition, als zu speziell, im allgemeinen bei Seite gelassen;
indessen ist doch häufig Gelegenheit genommen, auf Beobachtungs-
meihoden und ihre Resultate, soweit sie prinzipielle Bedeutung
besitzen, hinzuweisen.
In der Einleitung habe ich die Frage der physikalischen Ein-
heiten und Dimensionen etwas ausführlicher behandelt, als gewöhn-
Uch geschieht, weil ich gefunden habe, daß die allgemeinen Grund-
lagen für das numerische Rechnen in der Physik keineswegs überall
so klar erfaßt werden, als wünschenswert ist.
Obgleich das Hauptziel meiner Arbeit nur die zusammenfassende
Darstellung bereits bekannter Resultate war, so hat doch die eigen-
artige Gestaltung des Buches nicht selten die Einfügung eigner
neuer Untersuchungen nötig gemacht,^ bestimmt, bald spezielle Re-
sultate zu verallgemeinem, bald nähere Verbindungen zwischen Ver-
schiedenartigem herzustellen. Der Kundige wird diese Stücke leicht
erkennen. —
Während des Druckes dieses Bandes sind die ,,Elemente der theore-
tischen Physik", von Herrn C. Christiansen (Leipzig 1894) erschienen,
die in mancher Hinsicht dasselbe erstreben, wie das vorliegende Buch.
Indessen erreicht der Verfasser das Ziel einer kurzen Übersicht fast
auf dem entgegengesetzten Wege, wie ich, nämlich wesentlich durch
Beschränkung der Anzahl der behandelten Gebiete, während er eine
VI Voriport
große Menge spezieller Probleme durchfuhrt Charakteristisch ist^
daß bei ihm die Eigenschaften der Erystalle nur in der Optik erwähnt
werden, während sie in meiner Darstellung, ihrer großen prinzipiellen
Bedeutung entsprechend, in allen Gebieten ausfiihrlichst behandelt
sind, so daß die isotropen Körper oft nur die Stellung spezieller Fälle
einnehmen.
Was die äußere Form des Buches anlangt, so bin ich Herrn
Dr. PooKELS für vielfältige Hilfe bei der Schlußredaktion, sowie flir
die Aufstellung der Litteratumachweise zu großem Danke verpflichtet.
Letztere, die an das Ende der einzelnen Teile gestellt sind, sollen
Aufschluß darüber geben, wo sich neue Begriffe und allgemeine Sätze
zum ersten Male finden; sie beziehen sich aber nur in seltenen Fällen
auf die Form der Entwickelung, die ftir die speziellen Zwecke des
Buches oft stark verändert und nach Möglichkeit vereinfacht ist. Von
Handbüchern ist nur eine Auswahl der neueren angeführt
Korrekturen haben die Herren Prof. Riecke, Dr. Pockels und
Dr. Brodmann gelesen, und ich darf hoffen, daß bei so vielfacher
Prüfung der Satz von wesentlichen Fehlem frei sein wird.
Zu besonderem Dank bin ich dem Herrn Verleger dafür ver-
pflichtet, daß er nicht die neue Satzweise für die Formeln gewählt
hat, welche auch den kompliziertesten Ausdruck in eine Zeile zu
zwätigen sucht. Selbst wenn durch jene der Preis eines Buches um
eine Kleinigkeit herabgedrückt wird, halte ich diese Neuerung für
sehr wenig glücklich; wo man sonst den Aufbau einer Gleichung
mit einem Blick übersah, muß man jetzt zuvor ein System von
Klammem entwirren, was einen unnötigen Aufwand an Zeit und
Aufmerksamkeit erfordert Ich glaube, es ist nützlich, diese Ansicht
einmal nachdrücklich auszusprechen.
Göttingen, im September 1894.
W. Tolgt.
Inhalt.
Seite
Einleitang*.
Physikalische Gr^setze und Konstanten, Einheiten und Dimensionen. . . 1
Erster Teil. Meehanik starrer KSrper.
I. Kapitel. Bewegung eines materiellen Punktes.
§ 1. Geschwindigkeit und Beschleunigung 9
§ 2. Kxsft und Masse U
i$ 3. Die Bewegungsgleichungen 19
§ 4. Lebendige Kraft, Arbeit, Potential, Energie 21
§ 5. Beispiele konservativer Und nichtkonservativer Kräfte 28
II. Kapitel. Bewegung eines Systemes von materiellen Punkten.
§ 6. Die Schwerpunkts- imd Flächensätze; die Gleichungen der lebendigen
Kraft imd der Energie 86
§ 7. Wechselwirkungen, die nur Funktionen der Entfernung sind. Die
Gesetze von Newton und Coulomb 43
§ 8. Konservative Wechselwirkungen allgemeiner Art Das W. W£B£K*scke
Grundgesetz 48
§ 9. Der Satz vom Virial; kinetische Theorie der Gase und Lösungen . 53
§ 10. Weitere Ausbildung der kinetischen Theorie ; die mittlere Weglänge
der Moleküle. Innere Reibung, adiabatische Erwärmung, Effusion,
Diffusion 62
g 11. Weitere Ausbildung der kinetischen Theorie; das Gesetz der Ver-
teilung der Geschwindigkeiten 75
§ 12. Die Gleichungen von Hamilton und Lagranoe. Cyklische Systeme 78
UI. Kapitel. Bewegung starrer Körper,
§ 13. Starre Körper; unendlich kleine Verrfickungen, lebendige Kraft,
Trägheitsmoment, Arbeit äußerer Kräfte 93
§ 14. Bewegungsgleichungen und Gleichgewichtsbedingungen 102
§ 15. Konservative Wechselwirktmgen zwischen starren Körpern. . . . 113
§ 16. Molekulare Theorie der Elastioität 119
§ 17. Die Einflihriing der Symmetrieelemente in physikalische Gesetze,
welche sich auf Krystalle beziehen 128
§ 18. Cyklische Systeme, welche starre Körper enthalten, Maxwell^s
Theorie der Elektrodynamik 145
vm Inhalt.
TV, Kapitel. Die PotentialfunktioneiL
Seite
§ 19. Die NEWTOK'sche Potentialfunktion von stetigen Massenverteilungen 155
$$ 20. Die NEWTON'sche Potentialfunktion von neutralen Polsystemen. Mole-
kulare Theorie der diälektrischen [und magnetischen Influenz,
der Pjro- und Pi3zoelektricität 162
§ 21. Die NEWTON'sche Potentialfdnktion von Doppelflftchen ... . . . 172
§ 22. Der GiiEEN'sche Satz und die GasEK'schen Funktionen 179
§ 23. Die Zerlegung von Vektorkomponenten in potentielle und rotato-
rische Glieder; ihre Anwendung auf die Momente neutraler
Körper 188
§ 24. Die NEWT0N*8che Potentialfunktion mit zwei Unabhängigen . . . 195
§ 25. Weitere aus der NEwroN'schen abgeleitete Potentialfunktionen . . 201
Litteratur zum I. Teil 208
Zweiter TelL Meeliaiiik'iiiiAtstarrer ESrper*
I. KapiteL Die Grundgleichungen für das Gleichgewicht
und die Bewegung nichtstarrer Körper.
§ 1. Unendlich kleine stetige Verrückungen in einem nichtstarren Körper 211
§ 2. Die inneren Krfifte eines nichtstarren Körpers 219
§ 3. Die HAMiLTOM^sche Gleichung für nichtstarre^ Körper. Einfuhrung
eines rotierenden Koordinatensjstemes 227
II. Kapitel. Hydrostatik.
§ 4. Die allgemeinen Gleichgewichtsbedingungen; der Druck im Innern
einer ruhenden Flüssigkeit 233
§ 5. Zurückführung der Grenzdrucke auf Oberflächenspannungen; der
erste Hauptsatz der Kapillaritätstheorie 239
§ 6. Über die Gestalt einer unter gegebenen Ejräften im Gleichgewicht
befindlichen Flüssigkeit. Der zweite Hauptsatz der Kapillari-
tätstheorie 244
§ 7. Besultierende Komponenten und Momente de hydrostatischen Druckes
gegen starre Körper. Kapillare Ejräfte 253
§ 8. Das Gleichgewicht der Elektricität in einem Leitersystem .... 260
III. KapiteL Dynamik idealer Flüssigkeiten.
§ 9. Die £uLER*schen Gleichungen 264
§10. Potentialbewegungen^ begrenzt "^durch feste und bewegte Wände. . 272
§ 11. Allgemeinste Flüssigkeitsbewegungen ohne freie Grenzen .... 282
§ 12. Grundgleichungen für die Bewegung imponderabler Fluida innerhalb
ponderabler Körper. Strömung von Wärme oder ';Elektricität in
einem Leitersystem und verwandte Erscheinungen 289
§ 13. Die Bewegung imponderabler Fluida innerhalb ponderabler Körper;
allgemeine Sätze über den stationären Zustand 299
§ 14. Die Bewegung imponderabler Fluida innerhalb ponderabler Körper;
allgemeine^Sätze über den veränderlichen Zustand. Diffiision . 308
§ 15. Bewegungen tropfbarer Flüssigkeiten mit freier Oberfläche. Wellen-
bewegungen 818
§ 16. Andere Formen der hydrodynamischen Grundgleichungen .... 827
MmlL rr
IV. Kapitel. Elasticität und Akustik.
iselte
17. Das Gresetz der elaatiflchen Krflfte 830
16. Eindeutigkeit des elastischen Problems i840
§ 19. Elastiscbe Flüssigkeiten. Ebene und Ku^wellen im unendlichen
Baume. Refleadon und Brechung an einer ebenen Grenze . . 845
§ 20. Elasüsche Flüssigkeiten mit beliebiger Begrenzung bei beliebiger -
Erregung. Besonanzerscheinungen 866
§ 21. Isotrope elastiscbe Körper. Gleichgewicht und Bewegpii^ in einem
unendlichen Medium 879
§ 92, Gleichgewicht isotroper Medien bei beliebiger BegreMrang. Der
BBrn'selie Satz 391
§ 23. Eia durch Einwirkungen auf seine Grundfillchen gleielifönnig ge-
spannter Cylinder ans beliebiger homogener Sabstanz .... 406
§ 24. Gleichgewicht «nd Beweg^nng eines unendlich dünnen Scsbet. Der
KiBOHHOFF^dbe 6atz 412
§S5. Unendlich kleine Verrückungen ursprünglich gerader Stftbe; Saiten 418
§ 26. Gleichgewicht einer gleichförmig gespannten Platte ans beliebiger •
homogener Substanz 436
§ 27. Gleichgewicht und Bewegung einer miendlich dünnen elastischen
Platte 440
§86. Unendlich kleine Verrückungen ursprünglich ebener elastischer
Platten; Membranen 442
y. Kapitel. Innere Reibung und elastische Nachwirkung.
§ 29. Die Druckkomponenten der inneren Reibung und der elastischen
Nachwirkung * 456
§ 80. Die hydrodynamischen Gleichungen bei Berücksichtigung der inneren
Reibung - 462
§ 81. Die elastischen Gleichungen bei Berücksichtigung der inneren Reibung 467
§ 82. Ebene Wellen in einem unendlichen elastischen und absorbierenden
Medium 471
§ 33. Beziehungen zur Theorie des Lichtes 478
§ 34. Medien ohne innere Kräfte; mechanische Analogie zu den Glei-
chungen des elektromagnetischen Feldes 486
Litteratur zum II. Teil 492
Dritter Teil. Wirmelehre.
I. Kapitel. Thermisch-mechanische Umsetzungen.
§ 1. Grunddefinitionen. Die erste Hauptgleichung der mechanischen
W&rmetheorie 495
§ 2. Allgemeine Bestimmung des zu vorgeschriebenen Zustandsänderungen
erforderlichen Aufwandes von Arbeit und Wärme. Die zweite
Hauptgleichung der mechanischen Wärmetheorie 500
§ 3. Spezifische und Reaktionswärmen 509
§ 4. Mechanische Wärmetheorie für ideale . Gase. Bestimmung der
CABKOT'schen Funktion . 513
§ 5. Allgemeines über Energie und Entropie 517
X Inhalt
• . Seit
§ 6. Mechanische Wftrmetheorie für elastische Körper 523
8 7. Thermische Dilatation. Adiabatische Deformation. . hS2.
§ 8. Nicht umkehrbare Vorgänge ohne Wärmebewegung ^40
§ 9. Nicht umkehrbare Vorgänge, 4ie mit Wärmebewegung verbunden
sind. Theorie der Wärmeleitung ........... 547
§ 10. Die allgemeinen Bedingungen des thermisch>mechanischen G-leich-
gewichtes ^^^
n. Kapitel. Thermisch-chemische Umsetzungen.
§ 11. Grundyorstellungen und Definitionen . ...... 566
§12. .Allgemeine Sät^e über das thermisch-chemische Gleichgewicht . . 569
§ 13. -Eine Komponente in h Phasen. Gleichgewicht zwischen yersc^ie-
. . denen Aggregatzuständen desselben Körpers 576
§ 14. Eine Komponente in k Phasen. Eigenschaften eines Gemisches von
zwei coezistierenden Phasen. Einfluß der Oberflächenspannung
in der Grenzfläche 587
§ 15. (n + 1) Komponenten in einer Phase. Dissociation der Gase und
Lösungen 593
§ 16. Zwei Phasen mit mehreren Komponenten, deren eine beiden Phasen .
gemeinsam ist. Siede- und GeMerpunkte von Lösungen; der
Osmotische Dinick 60^
• •
Litterattir ium m. Teil. ...*... 609
EBSTLEITUNG.
Physikalische Gesetze nnd Konstanten, Einheiten
nnd Dimensionen.
Bei der Erschließung neuer Gebiete der Physik sind zwei
Stufen der Entwickelung jederzeit zu unterscheiden. Auf der ersten,
der Vorstufe, handelt es sich um die Erforschung der Qualität
der beobachteten Erscheinungen, um ihre Unterscheidung von ver-
wandten oder fremden, um die Feststellung der Umstände, unter
denen sie eintreten oder nicht eintreten, sich wandeln oder un-
geändert bleiben. Auf der zweiten, der Hauptstufe, mit deren
Erreichung das Gebiet erst als der exakten Wissenschaft gewonnen
zu betrachten ist, gilt es die Quantität der Veränderungen fest-
zustellen, deren Summe die beobachtete Erscheinung ausmacht, und
zahlenmäßige fielationen zwischen ihrer Größe und derjenigen der
die Erscheinung bedingenden Umstände zu gewinnen. Die ge-
fundenen Beziehungen werden mit oder ohne Mitwirkung theore-
tischer Betrachtungen in mathematische Formeln gefaßt und ge-
stalten sich dadurch zu physikalischen Gesetzen.
Je nach den Gebieten, denen die behandelten Erscheinungen
angehören, haben diese Gesetze wesentlich verschiedene Formen.
In einigen Gebieten ist es möglich gewesen, geschlossene Aus-
drücke zu finden, welche innerhalb des ganzen, der Beobachtung
zugänglichen Größenbereichs der Variabein die Beobachtungen an-
scheinend vollkommen darstellen; von solcher Art sind u. a. das
NBWTON'sche Gesetz der Gravitation, das FuESNBL'sche Gesetz der
Doppelbrechung, das NEUMAim'sche Gesetz für die Wechselwirkung
zweier Stromkreise. In anderen Gebieten muß man sich mit dem
Ansatz unendlicher Reihen begnügen und die Beobachtung ent-
scheiden lassen, eine wie große Zahl von Gliedern zur befriedigenden
Voigt, Theoretische Physik. 1
EifUeüung.
Wiedergabe der Thatsachen nötig ist; dies geschieht u. a. bei der
Darstellung der Erscheinungen der Elasticität, der Farbenzerstreuung,
der thermischen Dilatation. In einzelnen Fällen gewinnt man aller-
dings eine für die Praxis genügende Genauigkeit schon bei Be-
schränkung aut die ersten Beihenglieder, indesen darf dies nicht
darüber täuschen, daß das betreffende physikalische Gesetz allgemein
zu erkennen und in einen geschlossenen Ausdruck zu fassen bisher
noch nicht gelungen ist.
Die Parameter der mathematisch formulierten physikalischen
Gesetze sind die physikalischen Konstanten.
Von ihnen sind zwei Arten zu unterscheiden: universelle,
die mit gleichem Zahlwert in Geltung bleiben, wenn das betreffende
Naturgesetz auf verschiedene ihm unterworfene Körper angewandt
wird, und die daher ein für allemal angebbar sind — und indivi-
duelle, welche von der Art dieser Körper abhängen und demnach
für eine jede Substanz einzeln bestimmt werden müssen. Die Be-
schleunigung durch die Schwere an irgend einer Stelle der Erd-
oberfläche ist in diesem Sinne eine uni.verselle Konstante, der
elastische Dehnungswiderstand eines Stabes, eine der Substanz des-
selben individuelle; die Oberflächenspannung in der Grenze zweier
Flüssigkeiten ist dieser bestimmten Kombination eigen-
tümlich.
Mit der mathematischen Formulierung des physikalischen Ge-
setzes und der zahlenmäßigen Bestimmung seiner Konstanten ist
die Erforschung eines Erscheinungsgebietes zu einem gewissen Ab-
schluß gelangt, die Herrschaft über dasselbe gewonnen. —
Die erste Vorbedingung für die Erreichung dieses Zieles ist
die Entdeckung einer Methode zum zahlenmäßigen Ausdrücken oder
Messen der betreffenden physikalischen Erscheinungen.
Unter der Messung einer Größe F versteht man ihre Ver-
gleichung mit einer als Einheit gewählten Normalgröße ® derselben
Art; ihr Verhältnis zu dieser, nämlich
®
heißt ihr Zahlwert oder ihre Zahlgröße; die physikalischen
Gesetze sind daher Gleichungen zwischen den Zahlwerten ver-
schiedener physikalischer Größen.
Die vorstehende Definition führt sogleich zu dem Satz:
Der Zahlwert einer Größe ist der gewählten Einheit
indirekt proportional.
Physikalische Ossetxe und Konstanten, 8
Normalgrößen oder Etalons, welche geeignet sein sollen, als
Einheiten für die bezügliche Orößenart zu dienen, müssen sich ent-
weder unyeränderlich aufbewahren oder aber jederzeit in derselben
Größe wieder herstellen oder auf dieselbe Größe zuifückführen
lassen; sie müssen außerdem eine genaue Beobachtung und dadurch
eine scharfe Vergleichüng mit den auszumessenden gleichartigen
Größen gestatten.
Etalons dieser Art bietet uns in einigen Gebieten die Natur
Selbst in wünschenswertester Brauchbarkeit, in anderen müssen sie
künstlich hergestellt werden; ersteres findet statt bei der Zeit-
messung, für welche durch die gleichförmige Rotation der Erde ein
immer gleichmäßig abgegrenzter Normalzeitraum (der Sterntag,
oder, weniger einfach definiert, der mittlere Sonnentag) geliefert
wird; letzteres bei der Längenmessung, wo ein im wesentlichen
willkürlich gewählter Stab von möglichst sicherer Begrenzung und
Ton bekanntem Verhalten äußeren Einflüssen gegenüber die Ein-
heit, das Meter, darstellt
Für alle Arten physikalischer Größen kann man die Einheiten
willkürlich festsetzen, solange man sie ohne Beziehung aufeinander
betrachtet; eine zwischen mehreren von ihnen stattfindende mathe-
matische Beziehung läßt entweder für eine der darin auftretenden
Größen eine Verfügung geeigneter erscheinen, als alle anderen, oder
bestimmt sogar in speziellen Fällen ihre Einheit Yollständig durch
die der übrigen.
Diese Verhältnisse werden an einem höchst einfachen Beispiel
aus der Geometrie noch klarer werden.
Von der Fläche 8 eines Rechteckes läßt sich leicht beweisen,
daß sie dem Produkt der Seiten x und y proportional ist, d. h.,
daß zwischen den betreffenden Zahlgrößen eine Formel von der
Gestalt besteht
S = f.x.y^
in der f eine allen Rechtecken gemeinsame Konstante ist; ähnliche
Formeln, aber mit verschiedenen Konstanten, gelten für Flächen
von anderer Begrenzung.
Die Größe von f hängt dabei von den für Längen und Flächen
gewählten Maßeinheiten ab, die zunächst ganz willkürlich fest-
gesetzt werden können. Sind dieselben z. B. so bestimmt, daß ein
Quadrat von der Seitenlänge a gleich der Flächeneinheit gesetzt
ist, so gilt außer der obigen Formel noch
l=/'.a^
wodurch f gegeben ist.
1*
MrUeituhg.
Die erstere Formel würde sich nun aber am einfachsten ge-
stalten — und diese Bücksicht ist bei der Ausgestaltung auch sehr
vieler physikalischer Gesetze maßgebend — wenn der Faktor f gleich
Eins wäre; nach der zweiten Formel ist dies erreicht, wenn speziell
die Fläche eines Quadrates, dessen Seite der Längeneinheit gleich
ist, zur Flächeneinheit gewählt wird. Dann gilt
d. h. das Produkt der ZahlgröBen der Seiten giebt unmittelbar die
Zahlgröße der Rechtecksfläche.
Genau ebenso erhält man durch geeignete Wahl der Volumen-
einheit den Inhalt F eines rechtwinkligen Prismas von den Seiten
Xy y, z gegeben durch die Formel
JT^ x.y.z.
Diese Beispiele erläutern, wie eine Beziehung zwischen ver-
schiedenartigen Größen, welche keinerlei willkürliche Eonstanten
mehr enthält, die Einheit einer dieser Größen durch diejenigen
der anderen bestimmt; die so gewonnenen Einheiten nennt man
abgeleitete oder zusammengesetzte, die sie bestimmenden, will-
kürlich gewählten, aber fundamentale oder Grund-Einheiten.
Den Zusammenhang zwischen den fundamentalen und den aus
ihnen abgeleiteten Einheiten kann man anschaulich auf folgende Weise
durch eine Art von Erweiterung des gewöhnlichen Multiplikationsver-
fahrens hervortreten lassen. In den obigen Formeln für S und F sind
alle auftretenden Größen zunächst reine Zahlen, nämlich die Zahlwei*te
der Längen x, y, z der Fläche 5, des Volumens 7; ar, y, z er-
scheinen als unabhängige, 8 und V als abhängige Variable. Man fügt
nun auf beiden Seiten die Einheiten der unabhängigen, hier also
Meter, so oft hinzu, bis rechts alle Zahl werte in die bezüglichen
physikalischen Größen verwandelt sind; die Formeln nehmen hier-
durch die Gestalt an:
/S (Meter)» = x (Meter) .y (Meter),
r (Meter) ' = ar (Meter) . y (Meter) . z (Meter).
Die jetzt links neben 8 und V auftretenden Faktoren geben die
Einheiten (Quadratmeter, Kubikmeter) an, in welchen sich die Ab-
hängigen S und y gemäß den bestehenden Eelationen ausdrücken,
oder setzen die Benennungen fest, welche 8 und F beizulegen
sind, wenn man den Unabhängigen die gewählten Benennungen er-
teilt. Das eben skizzierte Verfahren erfährt in allen Gebieten der
Physik die größte Anwendung und Verallgemeinerung.
Einheiten*
Ist z. B., was sehr häufig yorkommt^ eine physikalische
Größe oder Funktion F einem Produkt von Potenzen verschiedener
Variabein x, y, z, . . . proportional, also
F ^ f,3i^ .y^ .sfi , , . .y I)
wobei f die Proportionalitätskonstante bezeichnet, und werden die
Einheiten von ar, y, z, . . . (welche fundamentale oder auch ab-
geleitete, teilweise einander gleich oder sämtiich verschieden sein
können) mit ;, ^, j . . . bezeichnet, so geht man aus von dem wie
oben gebildeten Ausdruck
Für seine Verwertung sind die zwei Fälle zu unterscheiden,
daß die Einheit g von F bereits festgesetzt oder aber noch un-
bestimmt ist.
Ist erstens die Einheit von F noch verfügbar, so kann man
zur Vereinfachung der Formel dem Faktor /"einen bequemen, univer-
sellen Zahlenwert beilegen. Die Formel II ergiebt dann für die
Einheit von F zunächst den Wert
s^^'-""^»'---. m)
Nun mögen die Einheiten ;, Q, ),..., soweit sie zusammen-
gesetzte sind, mit Produkten von Potenzen der Fundamentaleinheiten
a, 5, c, ... proportional sein und diese Werte in den Ausdruck
von g eingesetzt werden; die dadurch gewonnene Formel
g="°-^y---, IV)
stellt die Einheit oder die Benennung von F, in welcher der Faktor f
im allgemeinen von f verschieden ist, in ihrer Zusammensetzung
aus den Fundamentaleinheiten a, 6, c, . . . dar.
Die abgeleiteten Einheiten werden meist nicht, wie oben
,,Quadratmeter'^, „Kubikmeter^^, vollständig ausgesprochen, sondern
mit einem abgekürzten Namen belegt
Was den Zahlwert F anbetrifiPt, so ergiebt für ihn der auf
8. 2 angeführte Satz, daß derselbe bei Veränderung der Funda-
mentaleinheiten dem Aggregat a"* . f^ . C . . . indirekt, bei Änderung
der Konstanten f dieser direkt proportional bleibt Besonders
häufig und wichtig ist der schon in den obigen geometi'ischen Bei-
spielen vorliegende Fall, daß f gleich Eins ist
Ist zweitens über die Einheit g für F bereits verfügt, ent-
6 EifUeitung.
weder, weil von der Natur ein Normalwert von F bequem dar-
geboten wird, oder aber weil F noch durch eine andere Beziehung
mit Fundamentalgrößen in Verbindung steht, dann wird durch die
Gleichung II die Konstante/* bestimmt. Schreibt man diese Gleichung
nämlich in die Form
8r \ (F.%)
^ f[7:^r7) -
80 erscheint der Faktor von / als die Einheit dieser Größe; ihr
Zahlwert bestimmt sich durch ein einziges System zusammen-
gehöriger Werte von F, x, y, r, . . .
Wir schließen aus dieser Betrachtung den allgemeinen Satz:
Die Konstanten physikalischer Gesetze sind keines-
wegs stets reine und ohne weiteres ein für allemal angeb-
bare Zahlen, sondern im allgemeinen von den gewählten
Fundamentaleinheiten abhängig. —
Wir haben uns bisher nur mit solchen Funktionen F beschäftigt,
welche die Gestalt von Produkten aus Potenzen der Variabein, näm-
lich der Zahlwerte verschiedener physikalischer Größen, besitzen.
Die hier erhaltenen Resultate gelten aber fast ohne Modification
ganz allgemein. Dies rührt daher, daß die allgemeinste Form
einer physikalischen Größe durch ein Aggregat aus Gliedern von
der oben betrachteten Form und von gleicher Benennung ge-
geben ist.
Die Wahrheit dieser Bemerkung erhellt, wenn man eine be-
liebige Beziehung zwischen der Abhängigen F und den Unab-
' hängigen o:, y, z, . . . dem S. 4 erörterten Verfahren unterwirft.
Die Benennung tritt hierbei nur in der Form eines gemein-
samen Faktors aller Glieder auf und kann sich demgemäß den
Argumenten irgend welcher Funktionen nur insoweit verbinden, als
dieselben in letzteren als Faktoren auftreten.
Enthalten diese Argumente also die Zahlwerte physikalischer
Größen in anderer Weise, so kann man ihnen ihre Benennung nur
dadurch erteilen, daß man dieselbe nach dem oben angegebenen
Verfahren gleichzeitig in Nenner und Zähler zufügt und dadurch
auch die in den Argumenten vorkommenden Parameter zu be-
nannten Größen macht.
Aus der Beziehung
F = fxy^ <?« »"* cos [by + c)
folgt, wenn man, wie früher, durch den entsprechenden deutschen
Dimensionen.
Buchstaben die Einheit oder Benennung einer jeden Größe be-
zeichnet und unter f eine reine Zahl versteht, d, h.f=l setzt:
{Fl 5») = f{x j) (y 5)8 tf(« S-) (» «)-• cos [(Ä r ^) (y 9) + ^] »
also
Ähnlich folgt aus
8 = 5^, a = 5+8, b = rS c = l.
rt.,
wenn Sf gegeben ist:
und daraus die Benennung von /^ und ^ , nämlich
Mit dem Begriff der Einheit oder der Benennung steht im
nächsten Zusammenhange der etwas allgemeinere der Dimension.
Es sei wieder^ was wir jetzt als den allgemeinsten Fall er-
kannt haben, die Benennung g einer Funktion F bei Einführung
der Fundamentalgrößen a, b, c . . . gegeben durch
Vertauscht man hier rechts die Einheiten o, b, c . . . der Fundamental-
größen mit Symbolen ^, -B, C ., welche nur ihre Gattung charakteri-
sieren, aber über die zu ihrer Messung benutzten Einheiten nichts
aussagen, und beseitigt den Zahlenfaktor f, so heißt das Kesultat
Ä<'.Bß.Cr . . .
die Dimension \F] der Funktion F\ die Formel
[F] = Ä^BßCr ... VI)
nennt man die Dimensionalgleichung von F und spricht ihren In-
halt dahin aus, daß F in Bezug auf die Fundamentalgrößen
Ay By Cy . , . resp. o, /?, y, . . . -ter Dimension ist
Die Dimension [F] giebt hiemach nichts weiter an, als das
Schema, nach welchem die Größe F aus den Fundamentalgrößen
aufgebaut ist, und erscheint als einfache Erweiterung des gleich-
namigen Begriffes in der Geometrie; denn wenn man als Symbol
einer Länge den Buchstaben L anwendet, ergiebt die Anwendung
des oben erläuterten Verfahrens auf den Wert einer Fläche S oder
eines Volumens V
8 Einleihmg.
was S als Gebilde zweier, V als solches dreier Längsdimensionen
erscheinen läßt. —
Während man bei der speziellen numerischen Anwendung
physikalischer Gesetze stets nach den Einheiten oder Benennungen
der in ihnen auftretenden Größen zu fragen hat, bietet bei der
allgemeinen theoretischen Entwickelung die Beachtung ihrer
Dimensionen besondere Vorteile. Sie gestattet insbesondere die
schnelle Beurteilung, ob verschiedene Größen gleichartig sind, und
wenn sie sich unterscheiden, wodurch; beides läßt sich häufig aus
den durch die Entwickelung unmittelbar gefundenen Formeln nicht
sogleich erkennen. Daneben erlaubt aber die Kenntnis der Di-
mension auch jederzeit leicht, die Einheit oder Benennung der
untersuchten Größe zu bestimmen, wenn numerische Rechnungen
dieselbe erfordern. Man hat hierzu nach den Gleichungen IV
und VI in dem Ausdruck für die Dimension \_F] nur die Symbole
für die verschiedenen Größenarten mit deren Einheiten zu ver-
tauschen und das Resultat durch den Faktor f zu dividieren, welcher
sich nach dem oben Gesagten aus der Gleichung für F und den-
jenigen für die in ihr vorkommenden zusammengesetzten Argumente
bestimmt.
Hiernach erscheint es gerechtfertigt, wenn wir im Folgenden
für jede uns entgegentretende physikalische Funktion die Dimensional-
gleichung aufstellen.
L Teil.
Mechanik starrer Körper.
L Kapitel.
Die Bewegung eines materiellen Punktes.
§ 1. Gesohwindigkeit und Besohleunignng.
Die Aufgabe der Mechanik im weitesten Sinne des Wortes ist
die Ableitung der Gesetze für die Bewegungen der Körper. Die
Bewegung, d. h. die Ortsveränderung, welche ein Körper erleidet,
ist bestimmt, wenn zu jeder Zeit der Ort eines jeden beliebig an
oder in ihm markierten Punktes bekannt ist. Da aber von der-
gleichen Punkten an jedem Körper unendlich viele verschiedene
gewählt werden können, deren Bewegungen im allgemeinen von-
einander unabhängig sind, so würde zur Bildung des allgemeinsten
Bewegungsgesetzes eines beliebigen Körpers die Aufstellung einer
unendlichen Anzahl von Beziehungen nötig sein. Indessen be-
trachtet man in der Mechanik nur solche Bewegungen, bei denen
die einzelnen Teile der Körper durch gewisse Bedingungen in
ihrer Bewegungsfreiheit beschränkt sind; von diesen Bedingungen
kommen insbesondere zwei Arten in Betracht, nach deren Eigen-
schaften man die Körper in starre und in nichtstarre sondert.
Aber auch in einer solchen Beschränkung ist das Problem zu
kompliziert, um direkt in Angriff genommen werden zu können; wir
gewinnen einen Weg zu seiner Lösung, indem wir zunächst einen
einfachen speziellen Fall erledigen, der so gewählt ist, daB sich die
allgemeineren auf ihn zurückführen lassen.
Dies ist der Fall, in welchem der bewegte Körper als ein ma-
terieller Punkt betrachtet werden kann, d. h. in welchem seine
Bewegung nach derjenigen eines einzigen geeignet in ihm mar-
kierten Punktes beurteilt, also von der Größe, Gestalt, Zusammen-
10 /. Teil, Mechanik starrer Körper. I. Kap.
Setzung des Körpers, sowie auch von seiner Orientierung gegen irgend
welche feste oder bewegliche Richtungen durchaus abgesehen wer-
den darf.
Die umstände, unter welchen dies zulässig ist, von vom herein
scharf zu bezeichnen, ist nicht möglich; es bedarf hierzu vielmehr
der Resultate, die erst im Laufe der Entwickelung der Theorie ge-
wonnen werden. In den meisten Fällen, aber nicht immer, genügt
das eine, daß die Dimensionen des betrachteten Körpers gegen bei
seiner Bewegung sonst in Betracht kommende Längen, etwa die in
endlicher Zeit zurückgelegten Wege oder die Entfernungen von
anderen bewegten Körpern, unendlich klein sind. Wir werden später
auf diese Frage zurückkommen.
Ist der Ort des betrachteten materiellen Punktes durch seine
Koordinaten x, y, z in Bezug auf ein absolut festes Koordinaten-
system gegeben, so wird seine Bewegung durch deren Abhängigkeit
von der Zeit bestimmt, d. h. durch drei Beziehungen von der Form:
Diese Gleichungen geben durch Elimination der Zeit zwei von
t freie Formeln
2) ^/>(^,y,^) = 0, ^S[x,y,z) = Q,
die Gleichungen der Bahn, d. h. der Kurve, auf welcher der Punkt
während seiner Bewegung fortwährend bleibt, dazu noch eine dritte
t enthaltende
2') X[x, y, z, 0 = 0,
welche für jede Zeit den Ort in der Bahn bestimmt und passend
in die Form
T) s = F{t)
gebracht werden kann, in welcher s den längs der Bahnkurve ge-
messenen Abstand dieses Ortes von einem beliebig auf derselben
festgelegten Anfangspunkt bezeichnet.
Die Gleichungen (1) und (2, 2') resp. (2, 2") sind äquivalent,
aber erstere bestimmen die Bewegung des Punktes in symmetrischer,
letztere in unsymmetrischer Weise.
Unsymmetrisch wird auch die Bewegung eines Punktes be-
stimmt durch das Gesetz, nach welchem sich der Radiusvektor von
dem Koordinatenanfangspimkt aus nach Größe und Richtung ändert,
d. h. durch die Angabe der Beziehung
3) r=yü(0
§ 1. Ein materieüer Punkt 11
I
3")
und zweier von den drei
cos (r, x)^ A{t)j cos (r, y) = B{t), cos (r, z) = C(f), 3')
welche wegen
nicht voneinander unabhängig sind. Wegen
r* Ä ar* + y* + z\
cos (r, ar) : cos (r, y) : cos {r, z) ^ x:y:z
kann man Größe und Richtung des Vektors r symmetrisch durch
die Koordinaten ausdrücken, welche wir auch seine Komponenten
nennen können, weil er sich aus ihnen nach der Methode des
Parallelepipeds zusammensetzen ls£t.
Diese einfachen Bemerkungen haben eine gewisse Wichtigkeit
wegen der Anwendungen, welche von ihnen gemacht werden.
Jede physikalische Funktion, welche zu ihrer vollständigen Be-
stimmung eine Zahl und eine Richtung erfordert, bezeichnet man
nämlich im weiteren Sinne gleichfalls als Vektor, denkt sie durch
eine auf der sie charakterisierenden Richtung aufgetragene Strecke
von einer ihrer Größe proportionalen Ijänge repräsentiert und be-
stimmt sie symmetrisch durch ihre Komponenten oder Pro-
jektionen, die mit der Größe und Richtung des Vektors in derselben
Beziehung stehen, wie nach (3") x, y, z zur Größe und Richtung von r.
Während die Komponenten bald positiv, bald negativ sein
können, betrachtet man den Wert des Vektors selbst, den man
auch als die nach der Methode des Parallelepipeds aus den Kom-
ponenten erhaltenen Resultante bezeichnet, als stets positiv; aus-
genommen ist nur der Fall, daß der Vektor zufallig in eine Rich-
timg fällt, an welcher man aus irgend einem Grunde schon eine
positive und eine negative Seite unterschieden hat, — hier kann man
ihm dann nach Belieben auch das Vorzeichen der Richtung geben,
in welche er fallt
Den Vektoren oder Vektorgrößen stehen einerseits die durch
eine bloße Zahl bestimmten Größen, die Skalaren, andererseits
die komplizierteren Funktionen, welche noch mehr Bestimmungsstücke,
als die Vektoren, verlangen, gegenüber.
Zur numerischen Anwendung der Formeln (1) und der mit ihnen
äquivalenten ist die Festsetzung der Einheiten für Längen und
Zeiten nötig. In der theoretischen Physik wird als Längeneinheit
das Centimeter, als Zeiteinheit die Sekunde, d. i. der 86400. Teil
des mittleren Sonnentages, gewählt; in den verwandten Gebieten
12 /. Teil, Mechanik starrer Körper, I, Kap.
der Technik und der Astronomie werden nach Bequemlichkeit andere
Verfügungen getroffen. —
Aus den Gleichungen (1) leiten wir durch Diflferentiation ab
.^ dx , dy . dx ,
worin u, v, ir neue Bezeichnungen sind.
«, V, w betrachten wir als Komponenten eines Vektors F, den
wir die Geschwindigkeit des Punktes nennen.
Für denselben gilt, da nach (2")
dx^ + dy^ + dz^ =^ ds^^ dx:dy\dz^ cos (*, x) : cos (*.y) : cos («, z)
ist
4')
r=y«» + «« + tr« = ^,
. COs{?^a:):cos(?^y):COS(r,z) = u:v:w = cos(«,ar) : cos(Ä,y) : cos(Ä,r).
Die Geschwindigkeit V ist also gleich dem Verhältnis des m dt
zurückgelegten Weges ds zm der dazu aufgewandten Zeit und fallt
mit ihrer Eichtung jederzeit in die Tangente der Bahn. Man kann
sie nach dem Obigen sowohl als absolute Größe betrachten, als mit
einem Vorzeichen versehen; u, », w erscheinen nach ihrer Defini-
tion (4) als die Geschwindigkeiten der Projektionspunkte des be-
wegten Massenpunktes auf die Koordinatenaxen.
Wir erhalten aus (4) weiter
und fassen «', v\ uf als Komponenten eines neuen Vektors B auf,
den wir die Beschleunigung des bewegten Punktes nennen. Es
gilt dann wiederum:
g. j B^ = yir'M^'t/2~+^,
\ cos [Bj x) : cos (-B, y) : cos (-B, z) = m' : t?' : w.
Da tt, r, w nicht mit u\ v\ w proportional sind, so fällt die Rich-
tung der Beschleunigung B im allgemeinen nicht in die Richtung
der Geschwindigkeit V^ sondern ist gegen die Tangente an der
Bahn geneigt
Die während dt eintretenden Zuwachse dx^ dy, dz der Koordi-
naten kann man in Summen von Teilzuwachsen 2dx^y ^^Vk^
2dz^ zerlegen, und gleiches gilt demnach auch von den Pro-
jektionen oder Komponenten der Geschwindigkeit w, », lo. Setzt
man nun korrespondierende u^^ Vj,, w^ ebenso zu einer Resultierenden
Fj^ zusammen, wie oben m, v, w zu F^ so erkennt man, daß das
§ 1, Oesehuftndigkeit und Beschleunigung. 18
System der V^ dann in Bezug auf die Bewegung des Punktes mit
dem einen V äquivalent ist, wenn gilt:
Diese Formeln enthalten den Satz vom Parallelogramm oder Parallel-
epiped der Geschwindigkeiten.
Genau dieselbe Operation läBt sich mit den Zuwachsen der
Geschwindigkeitskomponenten oder den Beschleunigungskomponenten
du , dv , dw ,
- = „, _ = «, _ = «,
vornehmen, und man gelangt dadurch zu dem analogen Satz für die
Beschleunigungen. Ein System von Beschleunigungen B^ ist mit
einer einzigen B dann äquivalent, wenn
«' = 2uic, V = 2vj^, w = ^w]^, 6')
Da nach (4) und (4')
TP-dx j^dy j'dx
a« ' da ^ ds
ist, so kann man auch schreiben
, dV dx , Ty^d^x
dt ds ds*^
dt ds ^ ds*'
, dV d% , T^cPx
^)
dt ds ' ds^'
letzteres Formelsystem läßt die Beschleunigung B als aus zwei
Teilen zusammengesetzt erscheinen, einem ersten parallel ds oder
F gelegenen von der Größe
^"'^ dt " d^'
einem zweiten normal zur Bahn in der Oskulationsebene oder in
dem Krümmungsradius q der Bahnkurve nach deren konkaver Seite
hin gelegenen von der Größe
Wegen
wird die gesamte Beschleunigung B gegeben durch
5« = ^,» + A» =(!?)•+ ^. 7")
14 /. Teil, Mechanik starrer Körper. L Kap.
Geschwindigkeit und Beschleunigung sind die ersten zusammen-
gesetzten oder abgeleiteten Größen, denen wir in der Mechanik
begegnen. Die sie definierenden Formeln haben die einfachste Form I
ohne Parameter; sie bestimmen also, nachdem die Einheiten für
Länge und Zeit festgesetzt sind, die Einheiten von Geschwindigkeit
und Beschleimigung vollständig. Die Dimensionalgleichungen für
beide sind, falls die Dimensionen von Längen und Zeiten durch die
Buchstaben l und t bezeichnet werden,
8) [D^^^S [£] = lt-^.
§ 2. Kraft und Masse.
Die Beschleunigung eines Massenpunktes verschwindet nur,
wenn gleichzeitig
w'=0, v'=0, tt?'=0
ist; ein Punkt, dessen Koordinaten diese Bedingungen erfüllen, be-
wegt sich mit konstanter Geschwindigkeit in gerader Linie. Von
einem solchen nehmen wir nach dem Vorgang von Galilei i) an,
daß er sich selbst überlassen ist, d. h. keinen Einwirkungen unter-
liegt; die Existenz einer Beschleunigung führen wir auf die Wir-
kung einer Kraft zurück, deren Größe und Richtung wir nach der
Größe und Richtung der vorhandenen Beschleunigung beurteilen.
Und zwar setzen wir nach Newton^) die Kraft K der bewirkten
Beschleunigung parallel und bei demselben Massenpunkt ihrer Größe
proportional, was sich ausdrückt durch die Formeln
9) K=^BC, K\\B,
in denen C eine dem betrachteten Massenpunkt individuelle Konstante
bezeichnet. Projiziert man K als Vektor, wie -ß, auf die Koordinaten-
axen und bezeichnet die Projektionen oder Komponenten mit X, Z, Z,
so kann man die gemachte Annahme symmetrisch ausdrücken durch
10) X = Cu\ Y = Cv', Z = Cw.
Zerlegt man jede dieser Gleichungen in n Theile von der Form
Xfe = Ci/i, Jjk = Cvjcj Zk = Cw]c,
so stellt jedes derartige Tripel die Werte der Beschleunigungs-
komponenten «i, ri, w'jc bei Einwirkung der Teilkomponenten X^j
JT^, Zj. dar, die ebenso zu Einzelkräften Kj^ zusammengesetzt werden
können, wie X, Y Z zu K. Die gleichzeitig mrkenden K^ sind
hiemach mit dem einzigen K äquivalent, wenn
11) x=-5^x„ r=j?j;, z^:sz^.
§ 2, Kraft und Masse. 15
Diese Formeln enthalten den Satz des Parallelogramms oder Pa-
rallelepipeds der Kräfte^.
Bezüglich der in (9) und (10) enthaltenen Konstante C erkennt
man, daß sie für verschiedene materielle Punkte derselben Substanz
mit der Quantität M der in ihnen enthaltenen Materie, die durch
den erfüllten Baum gemessen wird, proportional sein muB. Denn
ein Punkt von doppelter Masse z. B. läßt sich als aus zwei ein-
fachen Punkten zusammengesetzt betrachten und muß daher zwei
gleiche Einwirkungen, welche nach (11) äquivalent sind mit einer
von doppelter Größe, zu seiner Bewegung erfordern, als der ein-
fache Punkt
Hierdurch gewinnen wir den Ansatz
K=^BMf, K\\B\ 12)
' derselbe giebt uns das erste Beispiel einer Beziehung von der
Form (I), die einen Parameter enthält, und zwar ist das Beispiel
von ganz besonders großer Bedeutung und sehr geeignet, die Rolle,
welche diese Parameter in der Physik spielen, ins rechte Licht
treten zu lassen.
Der Factor f erscheint zunächst als eine der Substanz des
materiellen Punktes individuelle Konstante; denn unsere Über-
legung hat sich nur mit der Vergleichung von Punkten gleicher
Substanz beschäftigt
Wir dürfen ihn aber dann als eine universelle Konstante be-
trachten, wenn wir über die Bedingung, unter welcher ;swei Massen von
verschiedener Substanz als gleich gelten sollen, geeignet verfügen.
Damit nämlich / für alle Substanzen den gleichen Wert habe, müssen,
was ohne Kollision mit früheren Verfügungen möglich ist, solche
Massen einander gleich gesetzt werden, an welchen dieselbe Kraft die
gleiche Beschleunigung hervorbringt In der That ergiebt sich aus
den auf zwei verschiedene Substanzen angewandten Gleichungen
K=BMf und K^BMf
durch Elimination von f die Beziehung
welche das Gesagte beweist
Diese letzte Gleichung giebt zugleich ein Mittel an, verschiedene
Massen ihrer Größe nach miteinander zu vergleichen und daher
auch, falls man die eine zur Masseneinheit wählt, sie zu messen.
16 /. Teil, Mechanik starrer Körper. L Kap.
Denn man braucht sie nur durch dieselbe Kraft; zu beschleunigen,
so wird dann
sein müssen.
Nun eine erste — freilich noch nicht flir die praktische An-
wendung geeignete — Methode der Messung von Massen gefunden
ist, tritt auch das Bedürfnis nach einer Masseneinheit auf.
Als solche gilt in der Physik die Masse eines Eubikcentimeters
Wasser im Zustand der größten Dichte bei 4^ C. unter dem Druck
von einer Atmosphäre, das Gramm, — in der Technik die Masse
eines Kubikdecimeters Wasser, das Kilogramm, — in der Astro-
nomie die Masse der Erde.
Wir werden sehen, dass mit der Verfügung über die Längen-,
Zeit- und Masseneinheit ein System von Grundeinheiten gebildet
ist, durch das sich alle physikalischen Größen messen lassen, wenn
es auch zum Zwecke kürzeren Ausdruckes häufig vorteilhafter ist,
den zusammengesetzten Größen eigene Einheiten zu erteilen. Zahl-
werte, die unter Zugrundelegung jener drei Fundamentaleinheiten
ausgedrückt sind, bezeichnet man als in absolutem Maße ge-
geben, und unterscheidet die verschiedenen benutzten Systeme durch
Symbole, welche angeben, welche Einheiten für Länge, Masse und
Zeit gewählt sind. So wird das gebräuchliche absolute Maßsystem
der theoretischen Physik durch (cm, gr, sec), das der Technik durch
(m, kg, sec) bezeichnet. —
Nunmehr ist in der Formel
rechts Dimension und Einheit der beiden variabeln Faktoren voll-
ständig bestimmt; das weitere Fortschreiten gestaltet sich ver-
schieden, je nachdem man die Einheit und Dimension der Größe
links, der Kraft nämlich, unabhängig von dieser Gleichung durch
anderweite Überlegungen festsetzen will oder nicht. Nach beiden
Richtungen hin wird der vorstehende Ansatz benutzt
In der theoretischen Physik ist man, wie schon in der Einleitung
gesagt ist, bestrebt, im Interesse der Einfachheit aus den Be-
ziehungen von vorstehender Form die Parameter, soweit nur immer
möglich, fortzuschaflfen. Dies geschieht, indem man die noch ver-
fügbaren Dimensionen und Einheiten so bestimmt, daß der Para-
meter gleich einer reinen Zahl und zwar am besten gleich der Ein-
heit wird.
Verfährt man hier demgemäß, so erhält man
§ 2. Kraft und Masse. 17
K^MB, 12')
und dadurch zugleich die Dimensionalgleichung einer Kraft in der
Form
[Z] = m/^^ 12')
worin m die Dimension einer Masse bezeichnet Femer erkennt
man, daß durch die getroffene Verfügung diejenige Kraft gleich
Eins gesetzt wird, die der Masse Eins die Beschleunigung Eins
erteilt
Die so definierte Krafteinheit, die konsequent aus der Definition
der Kraft entwickelt ist, heißt die Dyne; sie ist die in der wissen-
schaftlichen Physik fast allein gebräuchliche, ob sie gleich nicht
sehr anschaulich und leicht herstellbar ist
In der Technik und den Gebieten der Physik, die mit ihr in
besonders naher Verbindung stehen, der mechanischen Wärmetheorie
und der Elektrodynamik, wird häufig eine andere, sehr anschau-
liche und bequeme Krafteinheit angewandt, deren Einführung ein
Beispiel für die zweite mögliche Art der Verwendung des obigen
Ansatzes giebt
Die einzige Kraft, welche uns in immer gleicher Weise und
mit zeitlich unveränderlicher Stärke zur Verfügung steht, ist die
Schwerkraft Vielfältige Beobachtungen, deren genaueste von
Bessel*) geliefert sind, haben festgestellt, daß ihre Wirkung auf
einen materiellen Punkt mit dessen Masse, wie sie oben definiert
worden, proportional ist Diese Wirkung nennt man sein Ge-
wicht G, Die Beschleunigung, w^elche die Schwerkraft einem ma-
teriellen Punkte erteilt, und welche nach dem eben Gesagten und
nach der Beziehung
^=^Mf
von seiner Masse unabhängig ist, wird gebräuchlicher Weise durch
den Buchstaben g bezeichnet; das Gewicht des Massenpunktes ist
dann allgemein durch die Formel
G=^fMg 13)
oder in dem speziellen Falle, daß /*= 1 gesetzt ist, durch
G=^Mg 13')
gegeben.
Danach der Beobachtung^ auf der Erdoberfläche nicht sehr erheb-
lich variiert, so ist auch das Gewicht eines bestimmten Massenpunktes
auf derselben angenähert konstant; wo es sich um eine schärfere
Definition handelt, benutzt man diejenige Kraft, welche der Massen-
ToioT, Theoretische Physik. 2
18 /. Teil. Meckamk starrer Körper, L Kap.
punkt unter der geographischen Breite von 45 <* und in der Höhe
der Meeresoberfläche durch die Schwere erfahrt, also
13") G = fMff
46 '
als sein Gewicht im engeren Sinne des Wortes; eine eindeutige
Festsetzung ist allerdings auch hierdurch nicht geliefert
Das so definierte Gewicht der Masseneinheit, in der Regel des
Kilogrammes, führt jene zweite Verfügung über die Konstante f als
die Einheit der Kraft ein. Aus der Formel
K^BMf
wii'd dann, indem Jr=l, M=l, B = g^^ gesetzt wird,
und es ergiebt sich hierdurch als zulässig, die Konstante f nach
Größe und Dimension zu bestimmen durch die Formel
Die allgemeine Beziehung nimmt hierdurch die Gestalt an
14) jr= ^
und sie läßt erkennen, daß bei dieser Verfügung über f die Kraft
K ihrer Dimension nach eine Masse ist, wie auch ihre Einheit nur
Ton derjenigen abhängt, in welcher die Masse gerechnet wird. Die
Konstante f aber wird eine reciproke Beschleunigung, d. h.
Für den Übergang von wissenschaftlichen zu technischen Kraft-
einheiten kann die Regel von Nutzen sein, welche die obige Formel
an die Hand giebt: Vorausgesetzt, daß die Masseneinheit ungeändert
bleibt, erhält man aus der Größe K^ einer Kraft in wissenschaftlichen
Einheiten ihren Zahlwert K^ in technischen, indem man erstere
durch 981 dividiert Wird gleichzeitig, wie häufig geschieht, die
wissenschaftliche Masseneinheit g mit kg vertauscht, so wird
14') Z, = "^
9.81.10*
In der That ist die technische Krafteinheit, das Gewicht von 1 kg
in physikalischen Einheiten gleich 9-81.10*.
Auf die astronomische Masseneinheit werden wir später ein-
gehen.
§ 3. Beicegungsgkichtmgen für einen Massenpunkt, 19
§ 3. Sie Beweg^gflgleichungen.
Stellen wir uns weiterhin zunächst nur auf den Boden der
Physik, so werden wir die Gleichungen
K^BM, K\\B
oder die mit ihnen äquivalenten^)
als das Resultat der bisherigen und die Grundlage flir die weiteren
Entwickelungen, welche sich speziell auf die Bestimmung der Be-
wegung eines Massenpunktes bei gegebenen Kräften beziehen werden,
zu betrachten haben. Aus ihnen folgen unter Berücksichtigung der
Beziehungen (7) leicht die folgenden drei Sätze % welche in nächstem
Zusammenhang mit der in Formel (7") geleisteten Zerlegung der
Beschleunigung B stehen.
Die Komponente der wirkenden Kraft nach der Richtung der
Tangente an die Bahn ist gleich dem Produkt aus der Masse in
die Tangentialkomponente der Beschleunigung oder der Bahn-
beschleunigung:
P=Jlf^. 15')
Die Komponente der Kraft nach der Richtung der Haupt-
nonnale ist gleich dem Produkt aus der Masse in das Quadrat der
Geschwindigkeit dividiert durch den Krümmungsradius der Bahn:
Die Komponente der Kraft nach der Richtung der Binormale
verschwindet:
Njj = 0. 15'")
Das Aggregat MV^Iq führt auch den Namen ^ der „Centri-
fugalkraft'^ und wird anschaulich als ein Maß des Bestrebens
des Massenpunktes gedeutet, den Krümmungsmittelpunkt zu fliehen;
die Komponente Nj kompensiert gerade diese Wirkung. —
Ist der Massenpunkt an eine feste, aber beliebig bewegte Ober-
fläche gebunden, deren Gleichung
(p[x,y,z,t)^0 16')
sein mag, so sondern sich aus den Komponenten X, Z, Z die
Reaktionskräfte der Oberfläche aus, die zwar, wenn die OberflSi,che
keine tangentiale Wirkung übt, ihrer Richtung nach bekannt sind,
deren Größe iV" aber von der Inanspruchnahme durch die äußeren
20 L Teü, Mechanik starrer Körper, L Kap,
Kräfte X, T, Z abhängt und daher im allgemeinen unbekannt ist
Die obigen Gleichungen werden hiemach
M j^ = X + iVcos (n, x)y
16)
JI/^=r+J\rco8(n,y),
M^^Z+Ntos[n,z).
dt*
Ganz ebenso gilt, wenn der Massenpunkt auf einer durch die
beiden Gleichungen
17') qpj {x, y, z, t) = 0, y, {x, y, 2:, /) = ü
gegebenen Kurve zu bleiben gezwungen ist, das System
17)
-Jf ^-Tj- = X+ JVjCOs(»j, or) + -A^jjC08(nj, x),
.V^ = r+ J\'; cos(ni, y) + iV, cos(n,, y),
M -r^ == Z + N^cos{n^, z) + N^ cos (n^, z) ,
dt*
worin JV^ und iV^ die Komponenten der von der Kurve ausgeübten
gesamten Reaktion N nach den Normalen n^ und n^ auf den
beiden Oberflächen qp^ == 0 und cp^ = 0 bezeichnen. Der ver-
größerten Zahl der Unbekannten entspricht die vergrößerte Zahl
der Bedingungen.®)
Die Systeme (15), resp. (16) und (17) bestimmen bei allein von
t, Xj y, Zj Uy V, w abhängenden Kräften die Bewegung eines Massen-
punktes vollständig, wenn noch sein Anfangszustand gegeben ist,
d. h. seine Koordinaten und seine Geschwindigkeitskomponenten für
irgend einen Zeitpunkt vorgeschrieben sind, oder andere hiermit
äquivalente Nebenbedingungen vorliegen.
Gleichgewicht findet statt, wenn bei verschwindender Ge-
schwindigkeit auch die Beschleunigung verschwindet, also die Kom-
ponentensummen nach den Koordinatenaxen und damit nach allen
Richtungen gleich Null sind.
Die drei Bedingungen
18) X=-5'X, = 0, r=^7, = o, z^2:z^ = o
enthalten nach dem Gesagten bei einem frei beweglichen Massen-
punkt, welches auch im allgemeinen die Abhängigkeit der Kräfte
sei 9 nur dessen Koordinaten und bestimmen demgemäß für diese
ein oder mehrere Systeme von Werten, welche den Gleichgewichts-
lagen des Punktes entsprechen.
§ 4. Lebendige Kraft, Arbeit. 21
Ist der Massenpunkt an eine feste, ruhende Oberfläche gebunden,
80 enthalten sie, wie in den Systemen (16) und (17) hervortritt,
außerdem noch deren unbekannte Eeaktionskraft N\ man kann die-
selbe eliminieren, indem man die Formeln (18) mit den Faktoren
C08(«j, x\ cos(*j,y), C08(*j, z) und cos (5,, x), cos(*j,y), cos(*2> ^) zu-
sammenfaßt, in denen «^ und s^ die Richtungen zweier verschiedener
in der Oberfläche gelegener Linienelemente bezeichnen. Die beiden
Bedingungen
Xcos(«i, x) + rcos(*i, y) + ^cos(*2, z) = 0, |
Xcos («2, x) + Tcos (*2, y) + ^^cos («g, z) = 0 J
bestimmen mit tp (:r, y, z) = 0 zusammen die Koordinaten der Gleich-
gewichtslagen.
Gleiches gilt für einen an eine ruhende, feste Kurve gebun-
denen Punkt in Bezug auf die drei Gleichungen
Xcos [8j x) + Tcos (*, y) + ^cos (*, z) = 0, \
9i i^y Vj ^) = 0, 9?2 {xj y, z) = 0. J
§ 4. Lebendige Kraft, Arbeit, Potential, Energie.
Aus den allgemeinen Bewegungsgleichungen (15) erhält man
durch Zusammenfassung mit den Faktoren dx^udty di/ = vdt,
dz = todt die Formel
^Md{F^ = Xdx + Tdy + Zdz\ 19)
darin heißt der Ausdruck
\MV^=^^ 19')
die lebendige Kraft ^ des Massenpunktes,
Xdx + Ydy + Zdz^d'Jl 19")
die Arbeit^*^ der wirkenden Kräfte bei der Verschiebung ds. Die
Arbeit stellt sich im allgemeinen nicht in der Form eines voll-
ständigen Differentiales nach der Zeit dar, und die dafür eingeführte
kurze Bezeichnung d^ui soll demgemäß nur einen unendlich kleinen
mit dt proportionalen Betrag bedeuten; in ähnlichem Sinne wollen
wir weiterhin das Symbol öT immer verwenden.
Die Gleichung (19) oder die kürzere Form
dW^d!A 20)
heißt die Gleichung der lebendigen Kraft für den betrachteten
22 /. TeiL Mechanik starrer Körper. L Kap,
Massenpunkt Sie liefert durch Integration zwischen zwei Zeit-
punkten (1) und (2)
12)
20') %^W,^f^u4=^^,„
(1)
worin ui^^ im allgemeinen nur dann bestimmbar ist, wenn inner-
halb des Integrationsbereiches die Bewegung, d. h. x, y, z als
Funktionen von t bestimmt sind.
Die Arbeit ist im allgemeinen Ton den Komponentensummen
aller wirkenden Kräfte zu bilden. Man kann sie in Teile zer-
legen, die den einzelnen wirkenden Kräften entsprechen, und im
Anschluß an (11) schreiben
21) (TJl = JS'rf^^,
wo
21') d'Jj^ = Xj^dx + Y^dy + Z^dz
sich auch auf die Form bringen läßt
21") dAy^ = K^ cos {K^, s) ds.
Ist die Bewegung an eine ruhende Kurve oder Oberfläche gebunden,
so verschwinden nach den aus (16') und (17') durch vollständige
Difl'erentiation nach der Zeit folgenden Formeln die von den Eeaktions-
kräften herrührenden Anteile, und die Gleichung der lebendigen
Kraft enthält nur die Arbeiten der direkt gegebenen äußeren
Kräfte.
In dem Falle, daß die Arbeit dA^ einer Kraft K^ sich in der
Form eines vollständigen DiflFerentiales nach der Zeit darstellt, sagt
man, daß JTfc ein PotentiaP^) </>fc besitzt, das man durch die
Gleichung
22) d!A^ = - ^ ^fc
bis auf eine additive Konstante definiert Gilt dies von allen wir-
kenden Kräften und bezeichnet 0 =t= -2* 0^ ihr Gesamtpotential, so
nimmt die Gleichung der lebendigen Kraft die Gestalt an
22') dE^d{W+ 0) = O
oder integriert
22") E=W+ 0 = Const,
in welcher die neu eingeführte und wie 0 nur bis auf eine addi-
tive Konstante definierte Funktion £* die Energie des Massen-
punktes unter dem Einfluß aller wirkenden Kräfte^^ heißt
0 und W erscheinen als Teile von E, die während der Bewegung
§ 4. PotenHalf Energie. 23
jeder nur auf Kosten des anderen wachsen und abnehmen, und werden
auch als potentielle und kinetische Energie bezeichnet
Lebendige Kraft, Arbeit, Potential und Energie haben dieselbe
Dimension, es gilt nämlich
[«P] = [^ = [0] = [^ = m P /-2. 22"')
Ihre wissenschaftliche Einheit, nämlich das Produkt der Kraft-
einheit in die Längeneinheit, führt den Namen Erg.
Um Energien oder Arbeiten von physikalischen Einheiten
(g, cm, sec) in technische (kg, m, sec) überzuführen, hat man nach
der Gleichung
£r^
V
9.81.10'
zu verfahren; in der That ist die technische Arbeitseinheit, das
Kilogrammeter, oder die Arbeit, welche erforderlich ist, um
den Angriffspunkt der Krafteinheit (des kg) um 1 m zu heben,
gleich ^.10^
Der Wirksamkeit einer Kraftmaschine wird nach der Arbeit be-
urteilt, welche sie in der Zeiteinheit liefert, d. h. nach der Funktion
r=^, 23)
welche wir kurz ihren Effekt nennen wollen; für F gilt die Di-
mensionalgleichung
[I-^^mPir^. 23')
In dem wichtigen Falle, daß die Arbeit gegen eine konstante der
Bewegung entgegengesetzte Widerstandskraft W geleistet wird, welche
die Geschwindigkeit V konstant erhält, hat die hervorgebrachte
Leistung den Wert
r^JFF. 23")
Bei physikalischen Messungen drückt man derartige Leistungen
in Erg per Sekunde aus, wie überhaupt durch die Präposition
„per** eine Größe auf eine bestimmte Zeit oder Länge bezogen
wird. In der Technik, wo es sich häufig um sehr bedeutende Lei-
stungen handelt, hat man als Einheit für dieselben die sog. Pf er de -
kraft, nämlich 75 kg.m per sec. eingeführt Sie ist gleich
9. 81. 75. 10^ Erg per Sekunde.
Die Elektrotechnik hat aus Gründen, die später klarer hervor-
treten werden, für Arbeit und Leistung Einheiten eingeführt, die
aus den wissenschaftlichen abgeleitet sind. Eine Arbeit von 10^ Erg
nennt sie 1 Joule, eine Leistung von 10^ Erg per Sekunde 1 Watt —
24
7. Tnl. Mechanik starrer Körper. 1. Kap.
Die Bedingungen für die Existenz eines Potentiales sind in
dem allgemeinsten Falle, daß die Kraflkomponenten von der Zeit,
den Koordinaten und ihren Differentialquotienten nach der Zeit ab-
hängen, ziemlich kompliziert Man erhält sie^'), indem man die
allgemeinste Variation einer Funktion (p von ^ ar, y, z, ar', y', / . . .,
worin die oberen Jndices Differentialquotienten nach der Zeit be-
zeichnen, bildet und auf eine Form zu bringen sucht, welche der
das Potential definierenden Gleichung
24) Xdx + Ydy + Zdz = - cf 0
entspricht.
Es ist zunächst
240
Berücksichtigt man, daß nach der Definition
ist, so kann man leicht bilden
d (f
d X
d_
d
d
dx
Sx
dx^^'
hieraus folgt durch Einsetzen in (24')
24")
8x
dq> d d (p cP dtp dP ^V i
dx''dilx''^di^'dö^'''d?ds^^'''
+
Sy\...\+Sz\...\
\
4- Sx"( -* - '^ --^4- ] +
+
§ 4, PotenÜalf Energie,
25
Sind nun die Variationen Sxy Sy, Sz , . . die während der
Zeit ^^ im Laufe der Bewegung wirklich eintretenden Verände-
rungen, so ist
Sx ^==x'dty Sy ^=ydt^ 8z =^z'dtj
Sx' = x''dt, Sy = y'dt^ S z = z'dt,
und auch S(p — fp.dt\ dann hat die rechte Seite der letzten
Formel aber immer die Form eines vollständigen Differentiales nach der
Zeit, wenn rp die Zeit nicht explicit enthält, d.h. d(pldt=^Q ist
Deutet man also links die negativ genommenen Faktoren von
Sxj 8yj 8 z als die Ausdrücke für die Kraftkomponenten X, J, Z^
so läßt sich dann die rechte Seite als das negative Differential eines
allgemeinen Potentiales 0 betrachten. Es entspricht sich also
J= -
7= -
Z= -
d <p
dy
d <p
d%
, d d g>
cP dq>
dt dx' dt* dx
//
+ 4.
dg> d^ dq>
dtdy' df^ dy"
^±dg>
25)
dtdx' dt* dx''
d <p
dx" ' dt* dx
nt
q:...j+y'(., .)+/(.. .y
— X
d g> d dq> . \
T^^Ttdx'"^ '") ""•••
^fft( d q> d djp^. \
25')
und jederzeit, wenn die Kraftkomponenten sich in der voratehenden
Form (25) darstellen, ergiebt der letzte Ausdruck (25') das wirksame
Potential
Der wichtigste Fall ist der, daß die Komponenten nur von den
Koordinaten allein abhängen; dann muß gleiches von tp gelten und
es wird
0 = <jp.
Hier läßt sich also einfach schreiben
0 0 ,^ dO
X= -
7 =
Z^ -
dO
d%
26)
dx' ^ ~ dy'
und auch eine von 0 selbst unabhängige Bedingung für die Existenz
eines solchen speziellen Potentiales bilden, nämlich
ör_^ ö^^öX dX ^dY
dlö'~^y^ dx ~' dx ' dy dx
26')
26 /. Teü, Mechanik starrer Körper. L Kap.
Die Gleichung der lebendigen Kraft (22") gewinnt in diesem
Falle eine einfache und anschauliche Bedeutung.
Wenn 0 nur die Koordinaten enthält, so giebt jede Gleichung
0 = Const eine Oberfläche, und man kann mit dergleichen Poten-
tialflächen den ganzen Baum erfüllen. Die Gleichung der leben-
digen Kraft sagt in diesem Falle aus, daß, wo immer der Massen-
punkt dieselbe Potentialfiäche erreicht, er dies stets mit der gleichen
Geschwindigkeit thut; insbesondere besitzt er, wenn er einen und
denselben Punkt mehrfach passiert, daselbst immer dieselbe Ge-
schwindigkeit.
Wegen dieser Eigenschaft der Bewegung nennt man Kräfte,
welche ein nur von den Koordinaten abhängiges Potential besitzen,
konservativ und dehnt diese Bezeichnung auch auf den Fall
irgend welcher Potentiale aus.
Es möge bemerkt werden, daß die vorstehenden Entwickelungen
den allgemeinen Fall nicht umfassen, unter "welchem die Arbeit (TA
verschwindet, also auf ein konstantes Potential führt. Dieser tritt
jederzeit ein, wenn die Kraftkomponenten die Form haben
X= Cv -Btü,
26") r=^M?-(7M,
worin A, By C beliebige Funktionen der Zeit, der Koordinaten und
ihrer Differentialquotienten sein können. Betrachtet man A, B, C
als die Komponenten eines Vektors JD, wie u, v, w die Komponenten
der Geschwindigkeit Tsind, so steht die resultierende Kraft K nor-
mal auf der Ebene durch JD und F und hat die Größe
26'") K=D Fsin {D, F) . —
Faßt man die Gleichungen (15) mit den Faktoren Sx, Sy, 8 z
zusammen, welche beliebige Variationen der Koordinaten x, y, z be-
zeichnen soUen, so erhält man^^)
worin S'A die Arbeit bezeichnet, welche die Kräfte bei der durch
8x^ Sy, Sz bestimmten willkürlichen Verschiebung Ss leisten. Die-
selbe Formel gilt auch für bedingte Bewegungen, und zwar enthält
in diesem Falle S'A allein die äußeren, nicht die ßeaktionskräfte,
wenn nur die Jar, 5y, Sz und damit die Richtung und Größe der
resultierenden Verrückung 8s den Bedingungen genügen, die man
aus (17') resp. (18') durch Variation bei unveränderter Zeit erhält.
§ 4. Oleickung der virtuelien Verrückungen. 27
Derartige Yerriickungen nennt man virtuelle, und demgemäß
auch die Formel (27) die Gleichung der virtuellen Ver-
rückungen.
In diesem Sinne verstanden, gestattet die Formel (27) die Bück-
gewinnung der allgemeinen" Gleichungen für freie und bedingte Be-
wegung.
Nach der Methode von Laghange^*) wird nämlich die Bedingung
dadurch berücksichtigt, daß man die Formel
ox oy ^ ox
mit einem imbekannten Faktor X multipliziert der Gleichung (27)
zufügt und danach alle Variationen Sx^ Öy, 5 z als willkürlich be-
trachtet Man gelangt so zu dem System
ar ox '
27')
das nur der Form nach von (17) verschieden ist.
Die Bedingung des Gleichgewichts verwandelt sich aus dem
gleichen Grund in^®)
S'A = XSx + YSy + ZSz = 0; 28)
sie sagt aus, daß für einen Massenpunkt Gleichgewicht stattfindet,
wenn bei jeder virtuellen Verschiebung die an ihm geleistete Arbeit
verschwindet
Hat die wirkende Kraft ein Potential </>, welches nur die
Koordinaten enthält, so ist die Bedingung (28) identisch mit
5f/> = 0; 28')
in der Gleichgewichtslage hat im allgemeinen 0 einen größten oder
kleinsten Wert.
Wenn die Bedingung (28) nicht erfüllt ist, so tritt Bewegung
ein. Gemäß der Formel (19) gilt dann für den ersten Zeitmoment
d (m^) = du4,
WO der Ausdruck links, da die Bewegung von der Geschwindigkeit
28 /. Teil, Mechanik starrer Körper, L Kap,
Fss 0 an beginnt, jedenfalls positiv ist. Es folgt hieraus, daß für
die aus der Euhe beginnende Bewegung eines Massenpunktes stets
28") £f ^ > 0
ist, was, im Falle, daß ein Potential vorhanden ist, auf
28'") rf * < 0
führt.
EUeraus folgt weiter, daß, wenn in der Gleichgewichtslage </>
ein Maximum ist, eine unendlich kleine Ablenkung aus dieser
Position eine Bewegung veranlaßt^ welche den Massenpunkt noch
weiter von der Gleichgewichtslage entfernt; wenn ein Minimum,
dann eine solche, die ihn nach der Gleichgewichtslage zurückfuhrt.
Im ersteren Falle heißt das Gleichgewicht labil, im zweiten stabil,
auf der Grenze zwischen beiden indifferent
§ 5. Beispiele konservativer und nicht konservativer Kräfte.
Die in den vorigen Abschnitten entwickelten allgemeinen Grund-
sätze sollen nunmehr auf die wichtigsten Kräfte, für deren Ein-
wirkung die Körper unter der auf Seite 10 gegebenen Bedingung
als Massenpunkte angesehen werden können, angewandt werden.
Euer kommt in erster Linie die Schwerkraft in Betracht.
Dieselbe kann an der Erdoberfläche innerhalb erheblicher Bereiche
als von konstanter Größe und Kichtung angesehen werden; ihre
Größe ist nach Formel (13') gleich M^j ihre Richtung steht normal
zur Erdoberfläche. Legen wir also die ^-Axe des Koordinaten-
systems vertikal nach unten, so nehmen die Gleichungen (15) für
die freie Bewegung die Gestalt an
2») 3?'-». S'-O. ^-^'
woraus allgemein die Gesetze des Wurfes und, falls der Massen-
punkt seine Bewegung ohne Anfangsgeschwindigkeit beginnt, die
Gesetze des freien Falles ^^ folgen.
Die Schwerkraft erfüllt die Bedingungen (26') identisch, sie
ist also eine konservative Kraft. Ihr Potential hat den Wert — Mff z,
und die Gleichung (22") der lebendigen Kraft lautet für sie, wenn
die Bewegung frei oder an eine ruhende Kurve oder Oberfläche
gebunden ist
J^-'2ffz = Const]
die Konstante bestimmt sich zu Null, wenn man die XJ-Ebene in
§ 5. Schwerkraft. 29
diejenige Höhe legt, in welcher V verschwinden würde, wenn die
Bedingungen ihre Erreichung gestatteten.
Aus
r^ = 2gz 29')
folgt dann
-^^±dt, 29'0
eine Gleichung, welche sich direkt integrieren läßt, wenn der Punkt
an eine feste Kurve gebunden, also ds durch dz und z ausdriickbar
ist In diesem Falle liefert die Gleichung der lebendigen Kraft
allein die yollkommene Lösung des Bewegungsproblems. Das
Vorzeichen in der letzten Gleichung bestimmt sich, wenn die Be-
wegungsrichtung für einen Wert von z vorgeschrieben ist, und
kehrt sich im Laufe der Bewegung um, sowie die Höhe z = 0 er-
reicht wird.
Befindet sich der Massenpunkt auf einem Zweig der festen
Bahn, welcher an zwei Stellen die Höhe ;? = 0 erreicht und da-
zwischen durchweg tiefer liegt, so führt er eine Oscillationsbewegung
zwischen jenen beiden Stellen aus, deren Periode gleich dem Inte-
grale des Ausdrucks in Formel (29") ist, genommen von einem Um-
kehrpunkt bis zu diesem zurück.
Ist die feste Kurve eine in einer vertikalen Ebene liegende
Ki'eislinie, so erhält mau diejenige Bewegung, die man als ebene
Pendelbewegung bezeichnet, und die man einem schweren Punkte
auch dadurch erteilen kann, daß man ihn mit einem Faden von
verschwindend kleiner Masse an einem Stützpunkte aufhängt und
mit einer Anfangsgeschwindigkeit versieht, die ihn durch seine
Gleichgewichtslage hindurchführt.
Kann man das Quadrat der Schwingungsweite neben dem-
jenigen des Kreisradius R vernachlässigen, so liefert obige Formel
für die Periode T der Oscillation den Wert^®)
29'")
Die Beobachtung der Oscillationsdauer giebt ein Mittel zur
Bestimmung der Konstanten g der Schwere, deren Kenntnis von
großer Wichtigkeit ist, da zahlreiche Messungen von Kräften auf
ihrer Vergleichung mit dem Gewicht eines Körpers von gegebener
Masse beruhen und die Bestimmung des letzteren in absolutem Maße
diejenige von g voraussetzt. Indessen kann man in Praxi die Ver-
hältnisse nicht so einrichten, daß man den oscillierenden Körper
30 /. TeiL Mechanik starrer Körper. L Kap.
mit einiger Schärfe als materiellen Punkt betrachten kann, und die
strenge Theorie der Beobachtungsmethode erfordert demgemäß noch
andere, als die bisher gewonnenen Hülfsmittel. —
Nächst der Schwere erregen wegen ihrer zahlreichen Anwen-
dungen die Centralkräfte^®) besonderes Interesse. Man versteht
unter diesem Namen Kräfte, welche nach einem ruhenden oder
in gegebener Weise bewegten Punkte, dem Kraftcentrum, hin
gerichtet sind und ausschließlich von der Entfernung r des be-
wegten Massenpunktes von jenem Centrum abhängen.
Der einfachste Fall ist hier der, daß das Attraktionscentrum
ruht, und wir wollen uns auf ihn allein beschränken.
Die Bewegung muß nach Symmetrie in der Ebene bleiben,
welche durch die anfänglichen Lagen des Eadiusvektors r^ und der
Geschwindigkeit F^ bestimmt wird. Wir wählen sie zur XZ-Ebene
und legen das Kraftcentrum in den Koordinatenanfang. Die Be-
wegungsgleichungen lauten dann
30) Ki--^V^ ^r^=-A'f,
WO positive Werte K einer nach dem Centrum hin, negative einer
von dem Centrum hinweg gerichteten Kraft entsprechen; im ersten
Falle nennen wir die Wirkung anziehend, im letzteren ab-
stoßend.
Kräfte der vorausgesetzten Art befriedigen die Gleichungen (26'),
sind also konservativ; ihr Potential lautet bei Verfügung über die
willkürliche Konstante
300 ib^fKdr.
Die Gleichung der lebendigen Kraft (22") giebt bei Einftlhrung von
Polarkoordinaten r und tp
30") M^^^^+^^c„
worin c^ eine Konstante bezeichnet, dg) I dt = tp heißt die Winkel-
geschwindigkeit des Massenpunktes; ihre Dimension ist, da Winkel-
größen reine Zahlen sind,
30'") iff'l = r-i.
Gleichung (30") liefert ein erstes Integral der Bewegungs-
gleichungen (30); ein zweites erhält man, wenn man sie mit den
Faktoren — y und x zusammenfaßt in der Form
§ 5. Centralkräfte mit ruhendem Centrum. 31
dy dx ck ni\
wo unter c^ wieder eine Eonstante verstanden ist
Hierfür kann man auch schreiben
S = <'.' 31')
falls man mit cCx di^ unendlich kleine Fläche bezeichnet, welche
der Radiusvektor während dt bestreicht; (fx I ^^ "= / heißt die
Flächengeschwindigkeit des Massenpunktes und hat die Dimension
M = P^^ 31")
Sie ist nach der letzten Formel bei Centralbewegungen der be-
trachteten Art konstant. Bei Einführung von Polarkoordinaten er-
hält man aus (3r)
2 dt "''a- ^1 )
Aus (30") und (31'") läßt sich nach Belieben dt oder dq) elimi-
nieren; im ersteren Falle erhält man
oder auch
r«
(1 + (^)) + ^ = <'^ 32)
^0=T=^''9' 32'
V 2M
V
und hieraus durch Integration die Gleichung der Bahn ; im letzteren
=^-== = ±^c^dt
Ci - 0 _ 1 oJ )
und hieraus durch Integration die Bestimmung des Ortes des
Massenpuuktes in der Bahn als Funktion der Zeit
Die letztere Formel versagt, wenn der Massenpunkt unter der
Wirkung der Centralkraft einen Kreis um das Kraftcentrum als
Mittelpunkt beschreibt, — ein Fall, der bei jedem Kraftgesetz
durch geeignete Wahl des Anfangszustandes erzielt werden kann.
Hier gelangt man in einfachster Weise zu dem Gesetz, welches <p
mit t verbindet, wenn man in (31"') r konstant = R nimmt
Für die ümlaufszeit T ergiebt sich ein interessanter Satz, wenn
man den Gedanken ausdrückt, daß bei kreisförmiger Bahn jederzeit
die Centrifugalkraft die Centralkraft kompensieren muß. Dies giebt
nach (15")
32 /. Teil. Mechanik starrer Körper, I. Kap.
K^MR
m-
woraus sich für die Umlaufsdauer wegen dfpjdt=2nlT ergiebt
oder, wenn die Centralkraft mit der Masse M proportional, also
K = MK^ ist
Bei der Wirkung von Centralkräften, die von einem ruhenden
Centrum ausgehen, ist durch die Formeln (82') und (82'^ die Lö-
sung des Bewegungsproblemes allgemein auf Quadraturen zurück-
geführt.
Ist die Bahn und das Kraftcentrum gegeben, so gestattet die
Gleichung (82) die Bestimmung des wirksamen Potentiales bis
auf eine multiplikative Konstante Cg, ohne daß das Bewegungsgesetz
bekannt zu sein braucht; c^ bestimmt sich dabei, wenn die Ge-
schwindigkeit des Massenpunktes an irgend einer Stelle seiner Bahn
gegeben ist, nach Formel (81'").
Einen merkwürdigen Wert für die bei der Centralbewegung
wirkende Kraft erhält man in folgender Weise.
Bezeichnet man das Lot von dem Kraftcentrum auf die Rich-
tung des Bahnelementes ds mit n, so ist
33) / = |n|i = inr=o,,
woraus beiläufig ?^ indirekt proportional mit n folgt. Führt man den
Winkel r zwischen der Richtung von ds und der Sichtung der
X-Axe ein, von der aus tp gezählt werden mag, so ergiebt sich
88') Cj= ^rrsin(T-y)
und daher
QQffy. 2 Cj cos T __ 2 c, sin T
ÖO j M = -, — z r , V —
r sin (t — 9) ' r sin (t — 9) *
Hieraus folgt durch Differentiation nach der Zeit unter Berück-
sichtigung der Beziehung ctg(T — (p) =^ drjrdtp
Q,A\ du _^ (Px 2Cj cos <p dx dv __ cPy 2 c, sinqp dt
^ 57 "" 57» "" "" r sin« (t - (p) dt' dt ~~ dt^ ^ '" r sin« (r - <p) 'dt '
und wegen r cos qp = x, r sin qp = y nach (80)
Q4'\ r — 2cg Af dl __ MV rfjr _ 2c,r3f rfr
' "" r sin* (t — q)) d t ~' sin (t -- (p) d t ~" n* dt '
§ o, Widerstandskräfte, Gleitende Reibung, 33
worin (t — (f) der Winkel zwischen • der Bichtung von r und der
Yon ds ist, und dx j dt die Geschwindigkeit bezeichnet, mit welcher
die Bewegungsrichtung sich dreht. —
Von nicht konservativen Kräften haben besonders diejenigen
eine praktische Bedeutung, deren Richtung stets in die Bewegungs-
richtung des Massenpunktes fällt und deren Größe allein von seiner
Geschwindigkeit abhängt. Dann ist
X=i:,^, Y^K^tl Z=.K,'^, 35)
WO JTj eine Funktion der Geschwindigkeit F allein und positiv oder
negativ ist, jenachdem die Kraft antreibend oder hemmend wirkt.
Die Arbeit nimmt die Form
d!A=-K^ds^K^Vdt 35')
an und ist ersichtlich im allgemeinen kein vollständiges Differential
nach der Zeit
Hemmende Kräfte dieser Art erleidet ein Massenpunkt, der
sich in einer Flüssigkeit bewegt*^ Ihr genaues Gesetz ist unbekannt;
bei kleiner Geschwindigkeit erhält man eine angenäherte Dar-
stellung der Wirklichkeit, wenn man K^ mit V proportional,
etwa = — Ä r setzt Hier wird dann aus (35)
X=-ÄM, Y=-kv, Z=-kw' 36)
k heißt die Konstante des Flüssigkeitswiderstandes und hat die
Dimensionalgleichung
[Ä] = m^-i. 360
Ihre Größe bestimmt man am bequemsten durch die BeobacTitung
der abnehmenden Schwingungsamplitude eines Pendels, welches in
der betreffenden Flüssigkeit schwingt.
Eine antreibende Kraft dieser Art von nahe konstanter Größe
K^ erfährt eine steigende Eakete; unter Berücksichtigung des Luft-
widerstandes wirkt auf sie tangential K=Kq — K^{F), demnach
eine Kraft, die mit wachsender Geschwindigkeit ihr Vorzeichen um-
kehrt und aus einer antreibenden zu einer hemmenden wird. —
Einen wesentlich anderen Charakter, als die vorstehend be-
sprochenen, allein von der Geschwindigkeit abhängigen Widerstands-
kräfte, besitzt die gleitende Reibung*^) eines Massenpunktes an
einer festen Oberfläche oder Kurve.
Zwar ist auch ihre Richtung derjenigen der Bewegung ent-
gegengesetzt, aber ihre Größe hängt von dem Reaktionsdruck ab,
welchen die feste Oberfläche oder Kurve auf den Massenpunkt aus-
VoioT, Theoretische Physik. *•' 3
34 /. Teil. Mechanik starrer Körper. L Kap.
übt, und damit in einer meist komplizierten Weise sowohl von dem
Bewegungszustand, als von den wirkenden äußeren Kräften.
Die Beobachtung gestattet ftlr die Größe der Reibungskraft,
welche ein bewegter Massenpunkt erfährt, den Ansatz
37) K=]Srn
zu machen, wo n eine der Kombination der Substanzen des Massen-
punktes und der Oberfläche oder Kurre individuelle Konstante, der
sogenannte Reibungskoeffizient, und N der absolute Wert der
normalen Reaktion der Bahn ist Für n gilt ersichtlich
37') [n] = 1.
Auch ein ruhender Massenpunkt kann auf einer festen Ober-
fläche oder Kurve eine Reibungskraft erfahren. Um für deren Ge-
setze eine Übereinstimmung mit den allgemeinen Gleichgewichts-
bedingungen und einen stetigen Anschluß an die Werte, die bei
der Bewegung eintreten, zu erhalten, muß man sich vorteilen, daß
ihre Richtung jederzeit derjenigen der Tangentialkomponente P der
äußeren Kräfte nach der Oberfläche oder Kurve entgegengesetzt
und ihre Größe derjenigen von P gleich ist, so lange P^Nn bleibt;
für P > Nn tritt ja Bewegung ein. Es wird demnach die gleitende
Reibung im Zustand der Ruhe kleiner, als in dem der Bewegung
sein, also, wie man sagt, nur unvollständig in Anspruch ge-
nommen werden, so daß man setzen kann
38) K^^Nnß,
worin ß einen echten Bruch bedeutet.
Hieraus folgt, daß die allgemeinen Gleichgewichtsbedingungen
für einen Massenpunkt auf reibender Oberfläche oder Kurve nicht
eine einzelne Gleichgewichtslage, sondern ein endliches Bereich be-
stimmen, innerhalb dessen er an jeder Stelle ruhen kann, und
dessen Begrenzung durch den extremen Wert /9 = 1 gegeben ist;
ß = 0 bestimmt den speziellen Punkt, wo die Inanspruchnahme der
Reibung verschwindet, und wo demgemäß der Punkt ohne gleitende
Reibung im Gleichgewicht sein würde.
Wirkt von äußeren Kräften nur die Schwere, so erkennt man
leicht, daß das Gleichgewichtsbereich des Massenpunktes auf einer
reibenden Oberfläche begrenzt ist durch eine Kurve, längs deren
die Tangentialebene den Winkel v mit der horizontalen einschließt,
der bestimmt ist durch
38') tgi/ = w;
§ 5. Gleitende Reihung, 35
Analoges gilt von dem Gleichgewichtsbereich auf einer festen rei-
benden Kurve. Der durch die Gleichung (38') definierte Winkel v
heißt der Eeibungswinkel der Substanz des Massenpunktes gegen
die Substanz der festen Bahn.
Befindet sich der Massenpunkt M auf einer reibenden horizon-
talen Ebene, und wirkt außer der Schwere noch eine horizontale
Kraft K^, so ist Gleichgewicht vorhanden, so lange
K^<Mgn 39)
ist^ und die Bewegung beginnt, sowie
K^ = Mffn. 39')
Hierauf beruht die gebräuchlichste Methode zur experimentellen
Bestimoiung von n.
B^i allen Bewegungen unter der Wirkung gleitender Reibung
ist wesentlich, daß der Massenpunkt am Rotieren gehindert ist, weil
nur beL Erfüllung dieser Voraussetzung, also bei reinem Gleiten, die
obigen Resultate anwendbar sind, überhaupt der Körper als Massen-
pnnkt zu betrachten ist
8'
IL Kapitel.
Bewegung eines Systemes von materiellen Punkten.
§ 6. Schwerpunktg- und Flachensätze; Gleichung der Energie.
Unter einem Punktsystem wollen wir eine Anzahl, sagen wir
Yon n Massenpunkten von den Massen tw^ (ä = 1, 2 . . . n) verstehen,
die ihre Bewegung derartig gegenseitig beeinflussen, daß bei gleich-
zeitigem Vorhandensein aller jeder einzelne sich anders bewegt, als
wenn er bei sonst ungeänderten Umständen allein vorhanden wäre.
Nach der Grunddefinition von Kraft müssen also durch das
Vorhandensein der übrigen Massenpunkte Kräfte auftreten, die mit
den sonstigen Bedingungen des Problemes nicht gegeben sind. Wir
drücken dies dadurch aus, daß wir in den für jeden einzelnen
Punkt THj^ aufgestellten Bewegungsgleichungen (15) aus den Kraft-
komponenten Anteile aussondern, welche die Beträge darstellen, die
infolge der Anwesenheit der übrigen Punkte wirksam werden; diese
Anteile mögen, soweit sie von dem Massenpunkt rrij^ herrühren, mit
^hkj ^hkj ^hk bezeichnet werden. IBezeichnen wir den übrig blei-
benden Rest, d. h. die Komponenten, welche w^ nach Beseitigung
aller anderen Massenpunkte m^^ erfährt, und die sowohl von festen
Kraftcentren, wie von der Reaktion fester Oberflächen oder Kurven
herrühren können, mit J?^, T^, Zj^, so nehmen die Bewegungs-
gleichungen folgende Gestalt an
40)
=
X*
+
*(A)
Xhkf
m^
=
Yk
+
Yhki
m^
dt^
-
Zh
+
*(A)
Zhkt
worin der Index k{k) bedeuten soll, daß die Summen über alle
Werte von k mit Ausnahme von h auszudehnen sind. Für
A = 1, 2, . . . n genommen, bilden sie die Grundlage für die Theorie
§ 5. Wechselmrkungen xwisehen Massenpunkten. 37
der Bewegungen von Punktsystemen, deren Untersuchung um so
wichtiger ist, als sie nicht nur die Grundlage für die gesamte
Astronomie, sondern auch für die Theorie derjenigen Massensysteme
bilden, welche den Raum anscheinend kontinuierlich erfüllen.
Um aus ihnen Folgerungen zu ziehen, müssen wir den Kräften
^hki Yhki Zhicj welche man auch kurz, im Gregensatz zu den äußeren
Kräften X^, T^, Z^, die inneren Kräfte des Punktsystemes
nennt, spezielle Eigenschaften beilegen, die zum Teil durch die
vorausgeschickten Definitionen an die Hand gegeben, zum Teil will-
kürlich gewählt sind.
Wir wollen zunächst annehmen, daß die Komponenten mit den
Indices hk und kh allein von dem Zustande der Massenpunkte
m
h
und THjc und zwar speziell nur von ihrem relativen Ver-
halten abhängen; wir werden sie in diesem Fall als von den
Wechselwirkungen jener beiden Punkte herrührend bezeichnen
können. Dann dürfen wir folgern, daß die resultierenden Kräfte
A'fcfc und Kjch in der Richtung der Verbindungslinie r^t zwischen
nif^ und wijfc liegen müssen und nur von deren Größe und etwa
ihren Differentialquotienten nach der Zeit abhängen können. Denn
nach der Definition, die wir von materiellen Punkten auf Seite 9
gegeben haben, ist an jedem einzelnen keine Richtung vor der
anderen ausgezeichnet; die einzige ausgezeichnete Richtung an dem
Punktpaare w,^ und w^ ist also die ihrer Verbindungslinie, und
aus dem gleichen Grunde ist ihr relatives Verhalten nur durch die
Größe des Abstandes rnje und seiner Änderung mit der Zeit gegeben.
Weiter wollen wir annehmen, daß die Kräfte JT^^ und Kj^^ von
gleicher Größe und entgegengesetzter Richtung sind. Man kann
diese Annahme ersetzen durch die Hypothese, daß die Wechsel-
wirkung zwischen den Punkten m^ und mjc auf den E^räften beruht,
welche die Teile eines und desselben auf beiden Massenpunkten
befindlichen Agens aufeinander ausüben. Denn daß die zwischen
gleichen Mengen dieses Agens wirkenden Kräfte einander ent-
gegengesetzt sind, folgt aus der Symmetrie, und die Wechselwirkung
zwischen zwei verschiedenen Quantitäten läßt sich in eine Summe
von Wechselwirkungen zwischen gleichen zerlegen.
Die als Resultat dieser Erörterung erhaltenen Eigenschaften
der inneren Kräfte lassen sich folgendermaßen analytisch formulieren:
Xj,^ + XuH^O, YHu + run^O, Zj,u + ZuH^O, 40')
Jftk : r^fc : ^Äk = XftÄ : Ykh : ^fcÄ == (^ä - x^ : (y* — y*) : (^a — ^*); 40")
Xhk=^ Xkh = F{rkTci f'hkj ^Äfc? • • •)? 40'")
88
/. T&iL Mechanik starrer Körper. IL Kap.
wobei durch obere Indices die Differentialquotienten nach der Zeit
bezeichnet sind.
Wir können nunmehr das System (40) auch schreiben:
41)
hk
fc(A)
hk
W»A
J-^ rr 2ffc Vk
Ä — -^ A/ifc — ,
k(h)
mu
'hk
~dW = '^'^ "" -5'^Äfc— - —
positive iTj^fc entsprechen hierin anziehenden, negative abstoßenden
Wechselwirkungen.
Die gewonnene Form giebt die Möglichkeit, einige von den
inneren Kräften des Systems ganz freie Beziehungen^*) zu
gewinnen.
Summiert man die einzelnen Gleichungen (41) über alle Massen
m^ und definiert die Koordinaten |, i/, f des Schwerpunktes oder
Massenmittelpunktes des Systemes durch die Gleichungen
wobei, wie weiterhin, immer die Summen ohne Index über alle
Werte 1, 2 . . . n der Summationsvariabeln zu erstrecken sind, so
erhält man
43)
dt'
^^h^^^y
Der Schwerpunkt des Systemes bewegt sich also wie ein Massen-
punkt, in welchem alle Massen des Systems vereinigt sind und alle
äußeren Kräfte angreifen. Sind speziell die äußeren Kräfte gleich
Null, so findet die Bewegung in gerader Linie und mit gleich-
förmiger Geschwindigkeit statt.
Faßt man die Gleichungen (41) mit den Faktoren 0, — r^, y^^;
h) 0> -^ ^h'f "I/h^ ^Ä> ö zusammen, summiert die erhaltenen Re-
sultate und definiert die Flächengeschwindigkeiten cpk, i/^a, xk
des Massenpunktes m^ in Bezug auf die Koordinatenebenen YZ, ZX,
XY durch die Formeln
§ 6, Schtoerptmkts- tmd FULchensätxe.
39
1 / ^*Ä
* dt
d».
l ( dxj^ dxA
v' - 1 f ^^'^ ^"^A
44)
und die Drehungsmomente i^, il/^, iV^ der auf 7«^ wirkenden
äußeren Kräfte um die Koordinatenaxen durch die Formeln
so erhält man
^n-^^H^H-^H^H, ^-^hYh-vA 44')
2^'m
2:5^^
2^771
'^ dt
= -s^A,
= -2*3^^,
2N,.
45)
Bezeichnet man kurz ^Sm^^h, ^mj^iphj ^m^Xh als die Flächen-
momente des Systems um die Koordinatenaxen X, F, Z, so giebt
das erhaltene Formelsystem ihre Geschwindigkeiten gleich den be-
züglichen halben Summen der äußeren Drehungsmomente.
Da sich sowohl die Flächen-, als die Drehungsmomente bei
der Koordinatentransformation wie die Komponenten einer Vektor-
größe verhalten, so kann man sie zu je einer Resultierenden zu-
sammensetzen, deren Größen und Richtungen sich nach den all-
gemeinen für Vektoren gültigen Formeln (3") bestimmen. Diese Re-
sultierenden stellen die größten Werte dar, welche bei der gegebenen
Bewegung das Flächenmoment und bei den gegebenen Kräften das
Drehungsmoment um irgend eine Axe annehmen; die Richtung der
bezüglichen Axe ist dabei die der Resultierenden selbst
Fehlen äußere Ej-äfte, so sind die Flächenmomente JSmufp'h^
-S'iWfci^i, JSmj^x'h lim die Koordinatenaxen konstant, und Gleiches
gilt von Richtung und Größe des resultierenden Momentes*^
Faßt man die Gleichungen (41) mit den Faktoren dx^^ dy^ dzj^
zusammen und summiert über alle Massenpunkte, so erhält man
wegen
rhkdrHj, = {xh — ^k)[dxh — dx^ + (y^ — 2/k){dyh — dy^)
+ {Zh — Zk){dzn — dzi,)
das Resultat
40 /. TeiL Mechanik starrer Körper, U, Kap,
46) i2;mndFn^ = ^{Xndxj, + Yndy, + Zndz^) - JS' K^j^dm^,,
worin die Summe -2" über alle Kombinationen der Massenpunkte
zu je zwei zu erstrecken ist.
Hierin ist
46') \:sm,F,' = :sw,= w
die Summe der lebendigen Kräfte der einzelnen Massenpunkte oder
kurz die lebendige Kraft des Systemes,
46") ^(X, dx, + r, dy, + Z,dz^== 2d!A, = dA
die Summe der von den äußeren Kräften während dt dm dem
System geleisteten Arbeiten oder kurz die äußere Arbeit,
46'") - 2' Kn^dm^ = 2' d'A, , = d'Ai
die Arbeit der Wechselwirkungen oder kurz die innere Arbeit,
sodaß man für (46) auch schreiben kann
47) dW=d!A + d:Ai,
Besitzt die Arbeit einer Wechselwirkung cP-^ä^ die Gestalt
eines vollständigen DifFerentiales nach der Zeit, so nennt man die
Funktion 0/ik, welche durch die Gleichung
47') d:Anic^ -dibj,^
bis auf eine additive Konstante definiert ist, das Potential der
Wechselwirkung JT^k, und
47") <i> = ^'<D^fc
das innere Potential, oder das Potential des Systemes auf
sich selbst.
In diesem Falle kann man für (47) auch schreiben
48) dE^d{^+ (l>)=.d'A,
wo E die Energie des Systemes heißt, und y['und tf>, wie früher,
als Teile von E die kinetische und die potentielle Energie
genannt werden.
Die Gleichung (48) sagt aus, daß es unter den gemachten Vor-
aussetzungen fiir jedes Punktsystem eine ausschließlich von seiner
Konfiguration und seinem Bewegungszustand abhängige Funktion E
giebt, welche in jedem Zeitelement um den Betrag der äußeren
Arbeit Wächst; verschwindet die letztere, so ist die Energie kon-
stant, und die Bewegung besteht in einer wechselseitigen Umsetzung
zwischen ihren beiden Anteilen 0 und W,
Die gesamte Energie E ist durch Gleichung (48), ebenso wie
§ 6, Oleiekung der E^iergie. 41
0, nur bis auf eine additive Konstante bestimmt, über die man
verfügen kann, indem man die Energie des Systems in einem be-
liebigen Normalzustand beliebig, etwa gleich Null, festsetzt. Inte-
griert man die Gleichung von dem Normalzustand (0) aus bis zu
dem betrachteten (1), so ergiebt sich daher
(1)
E = CdA , 48')
(0)
d. h., die Energie ist gleich der Arbeit, die erforderlich ist, um
den Zustand des Systemes aus dem normalen in den gegenwärtigen
überzuführen, — oder, was hiermit identisch ist, gleich der Arbeit,
welche bei der Überführung aus dem gegenwärtigen in den Normal-
zustand aus dem System gewonnen werden kann. —
Die allgemeine Bedingung dafür, daß eine Wechselwirkung ein
Potential besitzt, d. h., unter Weglassung der Indices geschrieben
ist, erhält man leicht auf dem S. 24 eingeschlagenen Wege.**) Da K
nur eine Funktion von r und seinen Diflferentialquotienten nach der
Zeit sein darf, so geben die Formeln (25) und (25') ohne weiteres
^ ■" öT " d> ör' ^ di^ dr" ± • • • ' ^^^
^ [dr" dtdr"' ^ '") ( ^^)
n, ( d<p d_ dg> ^ \
Der wichtigste Fall ist wiederum der, daß (p und demgemäß
K und 4> nur von r allein abhängt; hier gilt einfach
0) = ^ und ^= Jy, 49")
es hat somit jede nur von der Entfernung abhängige Wechsel-
wirkung ein Potential.
Die lebendige Kraft V eines Punktsystems, und analog sein
inneres Potential 0, gestattet eine eigentümliche Zerlegung*^, die
eine entsprechende der Energie E zur Folge hat und für gewisse
Anwendungen wichtig ist.
Sei das Massensystem in mehrere Gruppen geteilt, und seien
diese Gruppen durch die oberen Indices n unterschieden, während
die unteren sich auf die Punkte derselben Gruppe beziehen.
50)
42 L Teil Mechanik starrer Körper, IL Kap.
Die lebendige Kraft der Teile einer dieser Gruppen
transformieren wir durch Einführung der absoluten Geschwindigkeits-
componenten a» /?'», y" des Schwerpunktes der Gruppe und der re-
lativen Ufc, t>l, xol der Teilchen ml gegen jenen. Setzt man dann
(a»)2 + iß-)' + ir? = (n',
80 bezeichnet -P* die resultierende Schwerpunktsgeschwindigkeit der
Gruppe, SSJ die relative Gesamtgeschwindigkeit von m% und man
erhält nach leichter Eechnung, da
oder kurz
50') ^« = ¥^ + ^r
d. L, die lebendige Kraft der Gruppe ist zerlegt in die lebendige
Kraft der Schwerpunktsbewegung und die lebendige Kraft der Be-
wegung relativ zum Schwerpunkt Genau so läßt sich die lebendige
Kraft aller Gruppen, d. h. des ganzen Systems, schreiben
50") ^=^a+2Pi.
Das Gesamtpotential 0 ist nach (47") gleich -2" tf>^j^; faßt man
unter 0^ alle Wechselwirkungen zusammen, die zwischen Massen ver-
schiedener Gruppen stattfinden, unter 0^ die zwischen Massen der-
selben Gruppe, so kann man auch zerlegen
50'") 0/= 0„+ 0..
Hieraus folgt schließlich die Zerlegung der Energie
E ^ Ea + Ei,
Wir fügen hieiran eine allgemeine Bemerkung.
Die Gleichung der Energie
ist im vorstehenden bewiesen allein für ein System von Massen-
punkten mit Wechselwirkungen spezieller Art; sie wird neuerdings
aber hypothetisch auf Massensysteme ganz beliebiger Art ausge-
dehnt.*®) Maßgebend ist dabei die Anschauung, daß die Energie
der sichtbaren Bewegung, auf welche unsere Formel zunächst be-
zogen ist, nur einen Teil der Gesämtenergie eines Körpers darstellt,
daß andere in anderen Formen existieren, einer z. B. durch die
§ 7, Wechselwirkungen, die nur van der Entfernung abhängig sifid, 43
direkt nicht wahrnehmbaren Bewegungen seiner kleinsten Teilchen
gegeben ist, und daß bei ihrer Berücksichtigung sich alle in der Natur
Torkommenden Kräfte als konservativ erweisen.
Daß in der That eine solche Vorstellung das Gültigkeitsbereich
der Energiegleichung vergrößert und scheinbare Widersprüche zum
Verschwinden zu bringen vermag, zeigt die vorstehende Zerlegung.
Denn wenn man die mit dem Index (z) versehenen Anteile an leben-
diger Xraft und Potential auf unsichtbare Bewegungen bezieht, so
erhält man bei alleiniger Einführung der auf die sichtbaren bezüg-
lichen Anteile (a) einen Widerspruch mit der Energiegleichung, den
die vervollständigte Betrachtungsweise hebt Umgekehrt giebt in
diesem Fall die Formel
(TA - d{il>a + ^a) = d{(I>i + Wi) = dE,
den Wert der Energie wandelung an, der durch unsichtbare Vor-
gänge zu erklären ist, und damit zugleich ein Mittel, um seine
Größe, die wegen der nicht direkten Wahrnehmbarkeit der die
innere Energie enthaltenden Vorgänge einer Berechnung aus dem
Bewegungszustande unzugänglich ist, quantitativ zu bestimmen, wenn
man nur zuvor äußere Merkmale festgestellt hat, welche einen be-
stimmten inneren Zustand eindeutig charakterisieren.
Für derartige Anwendungen der Energiegleichung werden die
späteren Teile mannigfaltige Beispiele liefern.
§ 7. Wechselwirkimgen, die nur Funktionen der Entfernung sind.
Die Gesetze von Ne^wtoii und CouIjOmb.
Die Bewegung eines Punktsystemes zu bestimmen ist auch in
dem relativ einfachen Falle, daß äußere Kräfte nicht wirken, also
die Gleichungen (48) und (45) sechs erste Integrale liefern, und
daß die inneren Kräfte nur Funktionen der Entfernungen sind, eine
die Kräfte der Analysis im allgemeinen übersteigende Aufgabe.
Um so bemerkenswerter ist ein spezielles Gesetz der inneren
Kräfte, welches die Reduktion des gestellten Problemes auf das ein-
fache und auf Seite 31 bereits gelöste der Bewegung eines Massen-
punktes unter der Wirkung eines festen Attraktionscentrums ge-
stattet Es ist das der Fall, wo die inneren Kräfte den Produkten
der wechselwirkenden Massen in ihre Entfernung proportional sind.
Dabei dürfen auch äußere Kräfte wirken, die konstant und den
Massen proportional sind.
Hier nehmen die Gleichungen (41) die Form an
44
1. Teil. Mechanik starrer Körper. IL Kap.
51)
dt*
dt*
dt*
k(h)
C — f 2: mj,{Zh — 2k);
leih)
dabei sind A, J5, C und f die, übrigens willkürlichen, Konstanten
der äußeren und inneren Kräfte.
Dieses System ist nun aber unter Bücksicht auf (42) identisch mit
51')
d^Xi
dt*
:=C-^f{z^-^:Smj,,
oder, da nach (43)
51")
ist, auch mit
d*S j d*fj j. d*i ^
dt*
d
dt*
f d*(Xf^ - f)
51'")
dt*
f{xj, - I) 2mu , — ;jr72 = - fil/h - v)^rnjcj
dt*
dt*
= —fi^h- S)-2'Wfc.
Die relative Bewegung jedes Massenpunktes tw^ um den Schwer-
punkt, dessen Bewegung durch (51") gegeben ist, vollzieht sich also
ebenso, als wenn letzterer ein festes Kraftcentrum wäre, welches die
Summe aller Massen enthielte und nach demselben Gesetze wirkte,
wie die einzelnen Massenpunkte.
Eine ähnliche ZurückfÜhrung und darauf gegründete Lösung
des Bewegungsproblemes ist bei inneren Kräften, welche beliebige
Funktionen der Entfernungen sind, nur möglich, wenn die Anzahl
der bewegten Punkte gleich zwei ist
Hier folgt nämlich aus den Gleichungen (42), falls die beiden
Punkte durch die Indices (1) und (2) charakterisiert werden,
52)
{
(mj + mj) {x^ - I) = Wj (ar^ - x^), {m^ + m^)[x^ - |) = »»i (^2 - ^1)
§ 7. Netptofis Öesetx, der allgemeinen Öravitation.
45
woraus die Werte der Entfernungen r^ und r^ der beiden Massen
von dem Schwerpunkte sich bestimmen zu
{m^ + wig) r^ = m^ r^g , {m^ + m^) r^ = »i^ r^^ . 52')
Setzt man noch K^^ = m^m^R, wo R eine Funktion von r^^
allein ist, so kann man die Bewegungsgleichungen (41) schreiben
dt' -^-'^2^ ^^^ .
dt^
^ Ä — m^R
X^ — Xi
IS
52")
oder wie oben
— WgÄj
^i-^
dt^
— m^Äj
«j - I
52'")
worin R^ und i?2 bezeichnen, daß in der Funktion Rir^^^) ^^ ''la
resp. der erste oder zweite der Ausdrücke aus Gleichung (52') ein-
gesetzt ist.
Die relative Bewegung jedes der beiden Massenpunkte um den
Schwerpunkt ist also dieselbe, als wäre dieser ein ruhendes Kraft-
centrum, dessen Wirkung dem aus K^^ durch die ausgeführte Sub-
stitution erhaltenen und nur von der bezüglichen Entfernung r^
resp. r^ abhängigen Gesetz folgt —
Von allen Wechselwirkungen der in diesem Abschnitt be-
trachteten Art beansprucht das weitaus größte Interesse die An-
ziehung, welche nach Newton's Hypothese ^^ zwei Massen unter den
Umständen, wo man sie als materielle Punkte betrachten kann, auf-
einander ausüben, die sogenannte allgemeine Gravitation. Für
sie ist
Khh =
r • '
53)
woraus folgt
^1>KI.= -
kmj^m^
hk
53')
k bezeichnet eine universelle Konstante, deren Dimension — immer
46 /. TfeiL Mechanik starrer Korper, IL Kap,
unter Zugrundelegung der Seite 17 getroflfenen Verfügungen über
Kraft und Masse — gegeben ist durch
53") [Ä] = wi-i/3^2.
ihr numerischer Wert ist durch die Beobachtung zu bestimmen.
Die vorstehende Form des Elementargesetzes hat — wie spä-
ter zu erweisen sein wird — zur Folge, daß für die Anziehung,
welche von kugelförmigen Massen mit in koncentrischen Schichten
homogener Verteilung auf äußere Punkte ausgeübt wird, die Gesamt-
masse im Mittelpunkt vereinigt gedacht werden kann. Da diese
Voraussetzung bei den Weltkörpem aller Wahrscheinlichkeit nach
nahezu erfüllt ist, so sind dieselben für die Berechnung ihrer fort-
schreitenden Bewegungen äußerst nahe als materielle Punkte zu
betrachten, und da die übrigen Voraussetzungen, auf welchen die
Grleichungen (43), (45) und (48) beruhen, gleichfalls bei dem Gresetz
der allgemeinen Gravitation zutreffen, so sind deren Resultate so-
gleich auf die kosmischen Bewegungen anwendbar.
In dem Falle, daß das Massensystem sich auf nur zwei Punkte
von sehr verschiedener Masse reduziert, wie bei der Betrachtung
der Sonne und eines Planeten, oder eines Planeten und eines Satel-
liten, kann der Massenmittelpunkt als mit dem Punkt von größerer
Masse nahe zusammenfallend betrachtet werden; der Punkt von
kleinerer Masse bewegt sich relativ zu dem ersteren in einem Kegel-
schnitt, dessen einen Brennpunkt jener einnimmt Bei dieser Bewegung
ist nach (31') die Flächengeschwindigkeit konstant, d. h. die Radien-
vektoren bestreichen in gleichen Zeiten gleiche Flächen. Laufen
um denselben Punkt von sehr großer Masse mehrere von sehr
kleiner, deren Wechselwirkungen vernachlässigt werden können, in
elliptischen Bahnen, so verhalten sich die Quadrate der ümlaufs-
zeiten wie die Kuben der großen Axen der Bahnellipsen ; — ein Satz,
der in nahem Zusammenhang steht mit dem aus Gleichung (32'")
geschlossenen.
Dies sind die von Kepler^®) gegebenen Gesetze der Planeten-
bewegung. —
Die Konstante k des NEWTON'schen Gesetzes läßt sich infolge
des oben citierten Satzes über die Attraktion von Kugeln leicht
durch die Beschleunigung g der Schwere an der Erdoberfläche aus-
drücken. Bezeichnet man nämlich die Masse der Erde durch M^
ihren Radius durch jß, so folgt aus (53) für die Beschleunigung
eines Massenpunktes an der Erdoberfläche
53'") i, = *ß?, alsoÄ = :^^.
§ 7, Newtons Gesetx der allgemeinen Oravitation. 47
Der numerische Wert von k ist im (cm, g, 8ec)-Sy8tem, da
M^ 6-03. 10«^ R = 6-37.108, ff = 981 ist
Ä = 6-63.10--8. -
Da die Gravitation eine allgemeine Eigenschaft der Materie
ist, 80 kann man sie zur Definition einer von der bisher benutzten
abweichenden Masseneinheit*®) verwenden. Geht man auf den ersten
Ansatz (12) zurück, durch welchen der BegriflF der Kraft eingeftLhrt
ist, nämlich die Beziehung
und wendet ihn auf einen Massenpunkt m an, der sich unter der
Wirkung der Gravitation eines im Eoordinatenanfang festgehaltenen
Massenpunktes M nach diesem hin bewegt, so giebt obige Formel
hieraus folgt
kfnid g* T)
M^i-'Br''.
k
Macht man hierin /* = A, was zulässig ist, da weder über die Kraft-,
noch die Masseneinheit bereits verfügt ist, so folgt
M^Bt\
d. h., es ist diejenige Masse als Masseneinheit definiert, welche in
der Entfernung Eins die Beschleunigung Eins bewirkt. Die Masse
hört damit auf, eine Fundamentalgröße zu sein, sie wird zu einer
abgeleiteten; demgemäß ist ihre Dimension jetzt auch
Da durch die Verfügung /*= A nur über die Masseneinheit ver-
fügt ist, so behalten wir immer noch Freiheit, die Krafteinheit
beliebig zu bestimmen, und sowohl das NEWTON'sche Gesetz, als der
obige Ansatz flir K legen es nahe, f ^k^\ zu machen. Dann ist
K = mB und also die neue Krafteinheit durch die neue Massen-
einheit ebenso definiert, wie in unserem früheren System durch das
Gramm. Die Dimension von K ist natürlich ganz verändert; es
gilt jetzt
[ü:] = ^^-4.
Die Masse der Erde bestimmt sich in diesem Maßsystem
laut (53'") gemäß
ist also gleich dem Produkt aus der Beschleunigung der Schwere
an der Erdoberfläche in das Quadrat ihres Kadius. —
48 /. Teil, Mechanik starrer Körper. IL Kap.
Das NEWTON'sche Gesetz (53) hat nicht nur in der Mechanik
Bedeutung, sondern es stellt nach den Untersuchungen von Cou-
lomb ^^ auch die Elementarwirkung der statischen Elektricität und
des Magnetismus dar; mit dem Unterschied freilich, daß hierbei die
Faktoren m^ und m^ nicht die ponderabeln Massen der aufeinander
wirkenden und als Massenpunkte betrachteten Körper bezeichnen,
sondern von ihrem magnetischen oder elektrischen Zustand abhän-
gige Funktionen, wie man kurz sagt, die Größen ihrer elektrischen
oder magnetischen Ladungen. Von diesen Ladungen giebt es laut
der Beobachtung zwei Modifikationen, so nämlich, daß gleichartig
geladene Körper einander abstoßen, ungleichartig geladene einander
anziehen.
Man drückt diese Eigenschaften in der Formulierung des Kraft-
gesetzes aus, indem man den Ladungen Vorzeichen beilegt und
sie demgemäß auch positiv oder negativ nennt, für die Kraft JT^j^
und ihr Potential 0]^^ aber den Ansatz macht
54) ÄÄk = - —-^ , 0Äfc = + -;: — ,
^hk ^hk
worin Ch und ejc die Größen der Ladungen bezeichnen, *' aber eine
positive Konstante, über die man so lange willkürlich verfügen kann,
als über die Einheit der Größen e nichts bestimmt ist, und durch
deren Bestimmung man umgekehrt über die Einheit der Ladung
verfügt
Über die Anwendung dieses Gesetzes wird im IV. Teil ausführ-
lich gehandelt werden.
§ 8. Konservative Wechselwirkungen allgemeiner Art;
das W. Weber'sche Grundgesetz.
Die allgemeine Form, in welcher konservative Wechselwirkungen
und ihre Potentiale sich darstellen, ist in den Gleichungen (49) und
(49') gegeben. Falls die Funktion (p nur r und dr j dt^r enthält,
nehmen dieselben die spezielle Gestalt an
welche zeigt, daß die nächste Verallgemeinerung, welche über eine
Funktion von r allein hinausgeht, für die wirkende Kraft eine Ab-
hängigkeit sowohl von r, als von r" liefert; ausgenommen ist nur
der Fall linearer Abhängigkeit von r', welcher Kraft und Potential
§ 8. W, Weber's Orundgeseix. 49
von r unabhängig werden läßt^ also faktisch eine Erweiterung nicht
bezeichnet
Für nur zwei Massenpunkte und die Einwirkung äußerer mit
den bezüglichen Massen proportionaler, im übrigen aber konstanter
Kräfte läßt sich auch hier das Bewegungsproblem auf das der Ein-
wirkung eines festen Kraftcentrums auf einen Massenpunkt und auf
Quadraturen zurückführen. Denn wegen der Beziehungen (52) und
(52') erhält man auch hier die Gleichungen (52"'), nur daß Ä^ und
-ffg jetzt außer den respektiven Entfernungen r^ und r^ der Massen-
punkte vom Schwerpunkt auch deren erste und zweite Differential-
quotienten nach der Zeit enthalten.
Betrachtet man nur den einen Punkt m^ und legt die XJ'- Ebene
der Ebene der relativen Bewegung um den Schwerpunkt parallel,
so erhält man die beiden Integrale durch die Gleichung der leben-
digen Kraft und den Flächensatz in der Form
155^2 + g^_g^ SR, = r 55')
geliefert, worin SS, die relative Linear-, 9?, die relative Flächen-
geschwindigkeit und gl das relative Potential für die Masse Eins,
wie es die Substitution (52') liefert, bezeichnet, S und E' aber die
Integrationskonstanten sind. Drückt man die relative Bewegung
durch die Polarkoordinaten r, und gp, aus, so kann man aus den
beiden Gleichungen (55') rfqpj eliminiren und erhält dadurch, dag, nur
r^ und ri enthält, eine Gleichung zwischen diesen beiden Größen
und damit zwischen r, und ^; drückt man endlich dt in 91^^ durch
r, und dr^ aus, so erhält man eine Gleichung zwischen r,, dr^ und
d(f^, die Differentialgleichung der Bahn. —
Unter den Wechselwirkungen der behandelten Art erregt be-
sonderes Interesse diejenige, welche dem Ausdruck
T=j(i+::) 56)
entspricht, in dem a und c Konstanten bezeichnen.
Aus ihm folgt
r
J(i-^' + =-^^), *-+?(.-?); 56^
der Wert von K läßt hervortreten, daß c diejenige relative Ge-
schwindigkeit ist, welche zwei ohne relative Beschleunigung bewegte
Massenpunkte besitzen müssen, um nach dem obigen Gesetz keine
Wirkung aufeinander zu üben.
Voigt, Theoretische Physik. 4
50 /. Teü. Mechanik starrer Körper. II. Kap.
Setzt man in (56')
CL ^~ Ä ^1 Cq •
80 erhält man die Erweiterung, welche W. Weber'^) dem Coulomb'-
schen Gresetz gegeben hat, um die Erscheinungen der Elektrostatik,
Elektrodynamik und Induktion durch eine einzige Formel zu um-
fassen; dieselbe lautet
56
T i__'A^(,_5 + ?^'), *_+?ti(,_^).
Für ihre Anwendung hat man sich die Vorstellung zu bilden,
daß ein elektrischer Strom in einem linearen Leiter a dadurch zu-
stande kommt, daß in demselben gleichzeitig gleiche Mengen posi-
tiver und negativer Elektricität mit gleichen Geschwindigkeiten nach
entgegengesetzten Richtungen strömen. Befinden sich auf der Längen-
einheit des Leiters die positive und die negative Elektricitätsmenge 6,
und besitzen sie die Geschwindigkeiten ± U, so nennt man 2eU= J
die elektrische Stromstärke in dem speziellen Maße, in dem e ge-
messen ist Wir legen der Stromstärke die Richtung bei, in welcher
sich die positive Elektricität bewegt.
Ein solcher äußerlich ruhender Strom von konstanter Stärke
übt auf ruhende elektrische Teilchen keine Einwirkung, weil für
die in ihm strömende positive und negative Elektricität (r )* und r"
die gleichen sind; dagegen zeigt er spezifische Wirkungen auf andere
ruhende Stromläufe und, äußerlich bewegt oder in seiner Strom-
stärke verändert, auch auf statische Elektricität
Um diese Kräfte abzuleiten, dient die Hypothese, daß die
Summe der Wirkungen, welche die positive und die negative Elektri-
cität in einem Teil des Leiters erfährt, die Kraft ergiebt, welche
auf die ponderable Materie dieses Teiles ausgeübt wird; daß da-
gegen die Differenz der nach der Richtung des Leiters genommenen
Komponenten dieser Wirkungen die sogenannte elektromotorische
Kraft darstellt, welche sich in einer Beschleunigung der Elektricitäts-
bewegung und damit einer Veränderung der Stromstärke äußert.
Denke man sich nun die Elemente ds^^ und ds^ zweier linearer
Leiter «^ und s^, die selbst mit den beliebigen Geschwindigkeiten
Fj und V^ in den beliebigen Richtungen /^ und l^ bewegt werden,
und innerhalb deren die elektrischen Teilchen ± «^ und ± e, mit
den veränderlichen Geschwindigkeiten ± U^ und ± U^ fließen, dann
ist allgemein
§ 8. W. Weber' 8 Chnmdgesetx,. 51
r"- — -— 1/24- ^'^«» I ^''' r» I ^'^r«
I O ^**' . I O ^*'' TT I ft Ö**" TT
57')
dsi dt ' dst dt ' dli dt ' dl^ dt '
hierin ist für ein Teilchen ± «/» resp. «^=±1^, duj^/ dt = ±dUj^ldt
zu setzen.
Bezeichnet man die Elementarwirkung, welche ein Teilchen
±e^ von einem anderen ±e^ ertährt, durch K±t^^±^ und die
Summe über alle Teilchen in ds^ resp. ds^ durch JS*^ resp. JS'^^ dann
wird nach der oben gegebenen Definition die ponderomotorische Wir-
kung Fi2 von ds^ auf ds^ in der Eichtung der Verbindungslinie r
liegen und gegeben sein durch
die elektromotorische JE{2 hingegen in ds^ fallen und lauten
^l2 = -s\-5',{jr+ .., + ..+ir+ ... _ ^- JT. ... + ^- jr_ ... _ jco8(r, «i) 58')
Diese Ausdrücke berechnen sich sehr leicht unter Kücksicht
auf (57) und (57^ und ergeben, wenn man noch die Stromstärken
/j und /j einführt und cos (iE, *j) = — ö r / ö s^ setzt , die beiden
Grundformeln
jp ik'J^J^ds^ds^l d^r .drdr\ -q.
^12 = r^ yjj^, "^dJ, dij ' ^^^
j^ Sk'e^ds^ fJ^f d*r .dr dr\dr 1 dJ^ dr d r\ -^,.
^^-+ ~'e^~\r*yd^;dl ''^d7^'dj)di,'^2^'dtd7,d7j'^^^
wo die Differentialquotienten von r nach t sich allein auf die Wirkung
der Translation von ds^ und ds^ beziehen.
Diese Gleichungen geben die Elementargesetze der Elektro-
dynamik und Induktion linearer Leiter, das erstere mit dem von
Amp£re'^ herrührenden identisch, das letztere mit dem von F. Neu-
MA2«3^*^ angegebenen wesentlich gleichwertig.
Das W. WEBER'sche Potential 0i2 der Wechselwirkung zwischen
den elektrischen Teilchen der Elemente ds^ und ds^ erhält man aus
der zweiten Formel (56") unter Rücksicht auf (57) folgendermaßen
fpi _ _ 2k'JiJtd8id8^ dr^dr . g^.
^^ rc^ ds^ dSi ' '
gehören rf*j und ds^ zwei geschlossenen linearen Stromläufen s^ und
«3 mit in ihrer ganzen Ausdehnung konstanten Stärken J^ und J^ an,
80 folgt hieraus das Gesamtpotential (P^j ihrer Wechselwirkung
52 /. Teil, Mechanik starrer Körper, IL Kap.
60') 0,, = - ^^ ff^^^^ 1^ 1^ ,
woraus durch teilweise Integration nach s^ oder s^ resultiert
Nun ist aber leicht ersichtlicher Weise d^r^lds^d8^= —2008(8^,8^), also
worin U^^ ^^^^ ^^^® Bezeichnung ist
0J3 ist das Entgegengesetzte von dem durch F. Neümann^*)
angegebenen elektrodynamischen Potential zwischen s^ und s^ , dessen
Variation die Arbeit aller Wechselwirkungen i^2 angiebt; /7i2 ist also
dieses Potential selbst für die Stromstärken /^ = /^ = 1. Es kann
dazu dienen, um die aus dem Ausdruck (59') flir £[2 durch Summation
über *j und s^ folgende elektromotorische Gesamtkraft -£12, die in s^
durch die Bewegung von s^ und s^, wie durch die Änderung von J^
induziert wird, in einlacher Weise auszudrücken.
Berücksichtigt man nämlich, daß identisch
r dt 1 ö*r 1 dr dr
Ö5g ~" r ds^dt r^ds^dt
ist, SO erhält man durch geeignete teilweise Integration des ersten
Güedes der Formel (59') nach s^ leicht
ßi\ IT _-. ^Kh rCrf r7 \^l ^^^ i^^\^ 1 dJ^ dr dr
^A;^12- c« JJ ^^ ^^\r'Vds,ds^ ^ds.dsjdt 2r dt ds.di, '
Vergleicht man hierin das erste Glied mit Formel (59) und benutzt,
daß P12 dr die Arbeit der Wechselwirkung P[2 ist, und vergleicht
man das zweite Glied mit der Formel (60'), so erhält man
61') E,, = 2., (/, ^ + 77,. "^ = 2e, '-^ •
Die Ableitung dieser wichtigen, ebenfalls von F. Necmann*^)
herrührenden und vielfach geprüften Formel setzt aber voraus, daß
dr/dt längs s^ sich stetig ändert, also der induzierende Stromlauf
keine sogenannten Gleitstellen enthält Doch läßt sie sich durch
eine spezielle Untersuchung der in diesen stattfindenden Vorgänge auch
allgemein beweisen.
Das W. WEBEEsche Grundgesetz führt also, auf lineare Strom-
läufe angewandt, zu Resultaten, welche mit der Beobachtung im Einklang
sind. Bei der Übertragung auf räumliche Strömungen bieten sich in-
dessen Schwierigkeiten, die bisher noch nicht befriedigend gehoben sind.
<^ 9. Oleiekung des ViriaU. 53
62)
(
§ 9. Der Satz vom Yirial; kinetisohe Theorie der Gase und
Lösungen.
Multipliziert man die Gleichungen (40) resp. mit x^^, y,^, Zj^ und
addiert sie, so kann man das Resultat schreiben'®)
k
wobei
den Abstand des Massenpunktes m^ vom Eoordinatenanfangspunkt
bezeichnet. Die Funktion auf der rechten Seite dieser Gleichung
heißt das Virial der auf 7w^ wirkenden Kräfte.
Ist nur ein Massenpunkt Torhanden und dieser in oscillato-
rischer Bewegung, so daß über eine angemessene Zeit genommen
der Mittelwert von <P[r^jdfi verschwindet, so wird
m -^')^ = - i {Xx + Yy + Zz)^ , 620
WO der Index fi anzeigt, daß von den Klammerausdrücken der
mittlere Wert genommen werden soll.
Sind hingegen sehr viele Massenpunkte vorhanden und in
solcher Bewegung, daß in der aus (62) durch Summation über alle
Massenpunkte erhaltenen Formel der Ausdruck 2mj^r^^ sich mit
der Zeit entweder gar nicht oder nur gleichförmig ändert, so er-
hält man nach leichter Umformung der letzten Summe:
\2mj, n^ = - i^(X,x, + Ynyu + Z^zh)
worin 2P dieselbe Bedeutung hat, wie auf Seite 40.
In beiden Fällen ist also die mittlere lebendige Kraft
gleich dem mittleren Virial.
Die letzte Formel läßt sich bei Einführung der ganzen leben-
digen Kraft Wy der resultierenden Kräfte JT^ resp. Jf)»fc und der
relativen Entfernung r^^ zwischen mj^ und ?nfc schreiben
V= -:^^'ir,rÄC0s(Ä^„r,) + i-5"Ji:,fcrfc,. 63')
jffcfc ist, wie früher, positiv im Falle der Anziehung, negativ im
Falle der Abstoßung gerechnet. Für ein System, welches nur
äußeren oder nur inneren Kräften ausgesetzt ist, reduziert sich
die rechte Seite auf das erste resp. zweite Glied.
63)
54 /. TeiL Mechanik starrer Körper. IL Kap.
Man benutzt diese Formel, um sich von dem Verhalten der
Gase Rechenschaft zu geben, welche, obwohl ihre kleinsten Teile
in anderen Aggregatzuständen gegenseitige Anziehungen zeigen, eine
Expansiykraft besitzen, die auf gegenseitige Abstoßung zu deuten
scheint.
Dazu stellt man sich nach dem Vorgang von D. BERNOuiiiJ^^
vor, daß die Atome, welche gemäß den Sätzen der Chemie sich im
allgemeinen in dem Verbände von Molekülen oder Molekülgruppen
befinden, eine Bewegung besitzen, deren Geschwindigkeit mit ge-
steigerter Temperatur wächst, und daß bei dieser Bewegung ein oft-
maliges Zusammenstoßen und Zurückprallen der Moleküle statt-
findet, welches mit steigender Temperatur ihren Zusammenhang immer
mehr lockert. Im festen Zustande sollen diB Moleküle wesentlich
um unveränderliche Euhelagen oscillieren, im flüssigen durch den
ganzen erfüllten Saum fortschreiten, dabei aber dauernd gegen-
seitigen Attraktionen ausgesetzt sein, während im gasförmigen der
Abstand der Teilchen so groß gedacht wird, daß dieselben nur selten
merklich aufeinander einwirken, im allgemeinen vielmehr mit kon-
stanter Geschwindigkeit geradlinig fortschreiten. Als ein ideales
bezeichnet man ein Gas dann, wenn seine Verdünnung so groß ist,
daß von allen Wechselwirkungen zwischen seinen Molekülen ab-
gesehen werden kann.
Ein homogener fester, flüssiger oder gasförmiger Körper, der
sich in äußerer Kühe oder in einer hinreichend langsamen äußeren
Bewegung befindet, erfüllt demnach die Bedingungen, unter welchen
die Formel (63) anwendbar ist
Betrachten wir ein von festen Wänden umgebenes Gasquantum,
dessen Moleküle als starre Punkte angesehen werden können, also
je nur aus einem Atome bestehen, in dem oben definierten idealen
Zustande, und sehen wir von der Wirkung der Schwere ab, so ist
die einzige Wirkung, welche dasselbe erfährt, die Reaktion der
festen Wand gegen die anprallenden Moleküle, die, weil sie auf
molekularen Kräften beruht, notwendig normal zu der festen Wand
gerichtet ist Dieselbe erstreckt sich, was später näher begründet
werden wird, im Mittel gleichmäßig über die ganze Fläche der
Wand und kann demgemäß für jedes Flächenelement do mit dessen
Größe proportional, nämlich =^pdo, gesetzt werden, p heißt dann
der Druck, unter welchem das Gas steht, oder welchen dasselbe
gegen die Wand ausübt; seine Dimension ist
63") |>] = m/-i^-2.
§ 9. Kinetische Theorie des Qctsdmckes, 55
Wir erhalten demgemäß
- i -S' JT, r, cos (Ä,, r J = + \Jdo r cos {n, t\ 64)
wo n die Eichtung der äußeren Normale auf do bezeichnet. Das
Integral bestimmt aber das dreifache des von dem Gase erfüllten Vo-
lumens Vy und die Formel (63') ergiebt sonach, wenn die Wechsel-
wirkungen zwischen den einzelnen Teilchen zu vernachlässigen sind:
V=|;?i;. 64')
Dieses Eesultat läßt sich auf den Fall übertragen, daß zwar
noch von den Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Molekülen
abgesehen wird, jedes Molekül jit aber mehrere Atome m^ enthält,
welche Kräfte aufeinander ausüben.
Ein solches Molekür bewegt sich nach den gemachten Grund-
annahmen und nach den Formeln (43) mit Ausnahme der sehr
kurzen Zeiträume, wo es sich in der Wirkungssphäre der Wand
befindet, so, daß sein Schwerpunkt mit konstanter Geschwindigkeit
in gerader Linie fortschreitet.
Beziehen wir also das Molekül auf ein in seinem Schwerpunkt
festes, parallel mit sich fortschreitendes Koordinatensystem, so
ändern sich die Bewegungsgleichungen dadurch nicht und geben
deshalb auch die Grundgleichung (62) in ungeänderter Form wieder;
nur tritt an Stelle der gesamten lebendigen Kraft W der Atome
jetzt die ihrer Bewegung relativ zum Schwerpunkt des Moleküls f^,-.
Da nun bei der großen Anzahl von Molekülen, innerhalb deren die
Atome sich voraussichtlich periodisch bewegen, alle überhaupt mög-
lichen Bewegungszustände stets gleichzeitig und gleichmäßig verteilt
Vorhandensein werden, so wird auch für diese relative Bewegung die
über alle Atome und Moleküle erstreckte Summe JSm^r^j in der r^
jederzeit die Entfernung von dem zugehörigen Molekülschwerpunkt
bezeichnet, sich mit der Zeit nicht ändern, also aus der Gleichung
für die relative lebendige Ejraft ebenso herausfallen, wie oben aus
der für die absolute aufgestellten.
Diese Überlegung führt zu dem Resultat, daß jedenfalls für die
Perioden, innerhalb deren die Moleküle keine äußeren Kräfte er-
fahren, die Beziehung
V,^\2'[Kj,^n^\ 65)
gültig ist, unter ^< die innere oder relative lebendige Kraft aller
Moleküle, und entsprechend, unter den K^ k die zwischen den Atomen
desselben Moleküles stattfindenden Wechselwirkungen verstanden.
56 /. Teil. Mechanik starrer Körper» IL Kap.
Zweifelhaft bleibt sonach, da wir Zusammenstöße der Moleküle
miteinander noch ausschließen, nur die Anwendung dieser Formel auf
die Zeiten, wo sich die Moleküle der Wirkung der Wand ausgesetzt
finden. Indessen ist es nicht wahrscheinlich, daß durch letztere die
innere lebendige Kraft beeinflußt wird; denn die Anzahl der Stöße
gegen die Wände hängt bei sonst ungeänderten Umständen wesent-
lich von der absoluten Größe des gaserfüllten Gefäßes ab, und es
sprechen keine Anzeichen dafür, daß diese auf die innere lebendige
Kraft der Moleküle influiert. Wir werden daher die Formel (65)
als unter den gemachten Annahmen allgemein gültig betrachten.
Setzt man nun in die Gleichung (63') die in (50") gegebene
Beziehung W = Wa+ Wt ein und berücksichtigt, daß in dem vor-
ausgesetzten Falle das erste Glied rechts mit ^pv, das zweite mit
^^^KhicThkji und nach (65) mit W. identisch ist, so erhält man
65-) ^a = ipv,
d. h. die Formel (64') mit dem einzigen Unterschiede, daß an Stelle
der gesamten lebendigen Kraft der Molekularbewegung die, bei ein-
atomigen Molekülen'damit identische der Schwerpunktsbewegung steht.
Bei ungeänderter lebendiger Kraft ^a, — d. h. nach dem
Vorausgeschickten, bei ungeänderter Temperatur — ist sonach fiir
das gegebene Gasquantum das Produkt aus Druck und Volumen
konstant, in Übereinstimmung mit dem bekannten Gesetz von Botle
und Mabiotte^®). Bei wechselndem Wärmezustand eines idealen
Gases dient aber, wie in dem, die Wärmeerscheinungen behandelnden
Teil auseinandergesetzt werden wird, der einem jeden Zustand ent-
sprechende Wert des Produktes vp zur Definition der sogenannten
absoluten Temperatur T, indem man nach Gay Lussac^^ setzt
66) pv=-MBT,
und unter M die Masse des Gases und unter JB eine seiner Qualität
individuelle Konstante versteht. Daraus folgt, daß nach der kine-
tischen Vorstellung die lebendige Kraft der Molekularbewegung
innerhalb der Masseneinheit ein Maß der absoluten Temperatur ist;
denn es gilt in der That
66') ^ = |5T.
Die erhaltene Grundformel (65') wollen wir nach zwei Richtungen
hin umformen. Erstens wollen wir die lebendige Kraft ^o durch den
arithmetischen Mittelwert der Quadrate aller Schwerpunktsgeschwin-
digkeiten ausdrücken, der nach dem Seite 52 Bemerkten mit {y\
zu bezeichnen ist; es ist dann
§ 9. Okiehung von van der WacUs. 57
«P. = i^(n^ 67)
und die Grieichung (65') wird dadurch zu
\M{J% = pv. 67')
Zweitens wollen wir das Verhältnis der Masse M des Gases zu dem
von ihm anscheinend gleichförmig erflillten Volumen v
|=C 68)
setzen und als die Dichte des Gases bezeichnen; es gilt dann für o
[(>] = m M, 68')
und die Gleichung (67') nimmt die Gestalt an
Sie gestattet yiV% , — nicht zu verwechseln mit dem arith-
metischen Mittel aller Geschwindigkeiten F^ , — für wirkliche Gase,
die dem Gesetz (66) sehr nahe folgen, zu bestimmen und dadurch
eine Vorstellung über die Schnelligkeit ihrer Molekularbewegung
zu gewinnen. Für Luft erhält man bei einer Temperatur von 0^ C.
ca. 480 m, für Wasserstoff ca. 1840 m. —
Bildet man unter Berücksichtigung der Eesultate der Chemie
bezüglich der Molekulargewichte, genauer der Molekularmassen, ju^,
die mittlere lebendige Kraft eines Moleküles für verschiedene
Gase bei gleicher Temperatur, so findet man sie merklich gleich;
es ist also
fiKinX =^fJik{n% für n = 7V 70)
Das gleiche Resultat läßt sich theoretisch dadurch gewinnen, daß
man ein Gemisch der beiden Gase als im Temperaturgleichge-
wicht befindlich betrachtet und die Bedingung dafür aufsucht, daß
die Wechselwirkungen zwischen den beiderseitigen Molekülen den
mittleren Zustand einer jeden Molekülgattung nicht ändern*^).
Ferner ergiebt die Formel (69)
Qh (?/.% = o. (/i'\ für pH^^pu, 70')
und durch die Verbindung beider Resultate folgt
-?* = A für p,^p, und n=r,; 71)
die Dichten sind also bei gleichem Druck und gleicher Temperatur
den Molekularmassen proportional (Gesetz von Gay Lüssac *^).
Nun ist aber g/fi =: cc die Anzahl der Moleküle in der Vo-
lumeneinheit, daher läßt sich die letzte Formel auch schreiben
58 /. Tßil. Mechanik starrer Körper. IL Kap.
71') cck = ofk für Th = Tu und p^ = pu
und dahin formulieren, daß gleiche Volumina verschiedener Gase
bei gleichem Druck und gleicher Temperatur die gleiche Anzahl
von Molekülen enthalten (Gesetz von Avogadro*^). —
Befinden sich in demselben Eaum gleichzeitig mehrere Gase und
genügen sie der Grundannahme, daß von den Kräften zwischen ihren
Molekülen abgesehen werden kann, so giebt Formel (65') unmittelbar
72) ■ :S{Wa\ = ipv,
wo {Va)k sich auf die Teile einer Gasart k bezieht. Wäre diese
Gasart in dem Volumen v für sich allein vorhanden, so würde sie
unter einem Drucke pj. stehen, gegeben durch
72') ('^-)* = |p.«;
hieraus folgt, daß bei gleichzeitiger Anwesenheit mehrerer Gasarten
in demselben Räume, so lange die gemachte Voraussetzung erfüllt ist,
72') P = ^P„
d. h. der aktuelle Druck p gleich der Summe der Partialdrucke p^^
ist, welchen jedes Gas für sich bei gleicher Temperatur in dem glei-
chen Volumen ausüben würde (Gesetz von Dalton**). —
Bedenklicher als die Berechnung des Einflusses, welchen die
inneren Bewegungen und Kräfte des einzelnen Moleküles in der
Virialgleichung (63) ausüben, ist die Beurteilung der Wirkung von
Kräften zwischen den Atomen verschiedener Moleküle, die um so
bedeutender werden muß, je dichter das Gas ist Hier ist man nur
auf ungefähre Schätzungen angewiesen.
Lägen die sämtlichen Moleküle in gleichförmiger Verteilung
durch das Volumen v fest und in so dichter Lagerung, daß die
Sphäre merklicher Wirkung eines jeden von ihnen eine sehr große
Anzahl der anderen umschlösse, so würde die Wirkung ihrer At-
traktion auf innere Punkte sich zerstören, dagegen auf die Ober-
flächenelemente do eine normale Resultierende p'do geben, die sich
zu dem Druck pdo der Wände addieren müßte. Da diese Resul-
tierende unter den gemachten Voraussetzungen an jeder Stelle der
Oberfläche von einer Anzahl Teilchen herrühren würde, die der Dichte
Q des Gases direkt, oder dem Volumen, welches die ganze Masse
erfüllt, indirekt proportional wäre und auch auf eine analoge Anzahl
wirkte, so wird es wahrscheinlich, daß in diesem Falle p' mit v^ in-
direkt proportional etwa gleich a/v^ ist.
Wären die Moleküle in Bewegung, und übten sie aufeinander nur
Kräfte aus, welche sich in der Undurchdringlichkeit des einen für
§ 9, Oeseix des osmotischen Druckes. 59
2
die Teile des anderen äußern, so würde vermutlich deren Wirkung
nur die sein, daß das Gesamtvolumen v in der obigen Formel (65')
durch den flir die Bewegung wirklich freien Anteil desselben [v — b)
ersetzt werden muß, wo b sich nicht streng bestimmen läßt
Durch derartige wenig befriedigende Überlegungen gelangt man
dazu, die Formel (65') für allgemeinere Fälle zu erweitem zu
1'a=[p + $){v-b), 73)
worin W„ wie oben, die lebendige Blraft der Schwerpunktsbewegung
der Moleküle bezeichnet, die nach Abzug der lebendigen Kraft der
Atome um die Molekülschwerpunkte allein übrig bleibt. Indem man
auch hierin die linke Seite als ein Maß der absoluten Temperatur
betrachtet, gelangt man zu der Gleichung von van der Waals**)
MB T=[p + 5) iy-b), ISO
welche sich dem Verhalten der Gase bis unter den Kondensations-
punkt hinab in höchst merkwürdiger Weise anschließt, wenn man
a und b als Konstanten betrachtet. Über die Natur aller dieser
Konstanten wird in einem späteren Teil zu sprechen sein. —
Ebensowenig theoretisch streng zu begründen und ebenso
überraschend in der Übereinstimmung mit der Erfahrung sind die
Anwendungen der kinetischen Vorstellungen zur Erklärung der
Eigenschaften von Lösungen, insbesondere stark verdünnten. Nach
dem Vorgang von yak 't Hoff*^) denkt man sich gewöhnlich die
Moleküle der gelösten Substanz innerhalb des Lösungsmittels in
derselben Weise in fortschreitender Bewegung begriffen, wie die
Teile eines Gases innerhalb eines sonst leeren Gefäßes; die Stelle
der Reaktion der festen Wände vertritt dabei die Attraktion der
Teile des Lösungsmittels, welche auf innere Punkte nach Symmetrie
unwirksam ist, auf Stellen nahe der Oberfläche aber eine senkrecht
zu dieser stehende Eesultierende ergiebt, welche die Moleküle hin-
dert, die Flüssigkeit zu verlassen.
Die Fundamentalerscheinung, welche diese Vorstellung nahe
legt, ist die sogenannte Osmose, die sich folgendermaßen auf-
fassen läßt
Es sei ein vertikaler Cylinder in seinem unteren Teil mit dem
reinen Lösungsmittel, in seinem oberen mit der Lösung gefüllt und
die Grenze durch eine sogenannte halbdurchlässige Wand, d. h.
durch eine poröse Platte gebildet, welche zwar dem Lösungsmittel,
nicht aber der gelösten Substanz den Durchgang gestattet. So wenig
60 /. Teil, Mechanik starrer Körper. IL Kap,
die Wirkungsweise einer solchen Platte mechanisch klargestellt ist,
so kann man doch annehmen , daß sie die aufprallenden Moleküle
der gelösten Substanz zurückwirft, während sie denen des Lösungs-
mittels den Durchgang durch die Poren gestattet.
Während nun in einem für sich allein vorhandenen Quantum
der Lösung die Stöße der Moleküle der gelösten Substanz gegen
diejenigen des Lösungsmittels nach allen Seiten hin gleichmäßig
wirken, giebt die poröse Wand, welche gewisse Stöße auffängt, der
Wirkung der entgegengesetzt gerichteten ein Übergewicht über die
anderen. Wäre Wand und Lösung beweglich, so würden dieselben
sonach in entgegengesetzter Richtung beschleunigt werden, während
ihr gemeinsamer Schwerpunkt in Ruhe bliebe. Ist dagegen, wie
bei der Anordnung des Versuches in Wirklichkeit, die poröse
Wand im Cylinder fest, dieser beiderseitig offen, und wirkt auf
die Oberflächen der Flüssigkeit der Druck der Atmosphäre, so folgt
die Lösung dem erhaltenen Antriebe und bewegt sich von der po-
rösen Wand hinweg, während reines Lösungsmittel durch dieselbe
nachdringt und sich mit der Lösung mischt. Diese Bewegung dauert,
wenn keine anderen Kräfte wirken, so lange an, bis die ganze Flüs-
sigkeit sich auf der oberen Seite befindet; sie kann aber durch eine
Kraft oder einen Druck, welcher die Lösung nach der porösen Wand
hindrückt, aufgehoben werden. Der Überdruck, welcher, wenn die
Schwere nicht w^irkt, hierzu auf die freie Oberfläche der Lösung
ausgeübt werden muß, ist gleich dem Druck, welchen die poröse
Wand durch die Molekularstöße der gelösten Substanz erfährt, und
heißt der osmotische Druck der Lösung.
In der Praxis tritt an Stelle eines solchen äußeren Druckes
zumeist die Wirkung des Gewichtes der über der porösen Wand
stehenden Lösung, abzüglich der Gegenwirkung des auf der anderen
Seite drückenden reinen Lösungsmittels.
Es mag bemerkt werden, daß es feste Wände, welche die vor-
ausgesetzte Eigenschaft der Halbdurchlässigkeit in voller Strenge
besitzen, nicht giebt, die vorstehende Schilderung der Wirklichkeit
also nicht ganz entspricht, daß vielmehr stets eine kleine Menge der ge-
lösten Substanz durch die poröse Platte dringt. Am vollständigsten kann
man die gemachten Voraussetzungen durch Schichten gewisser Flüssig-
keiten erfüllen,*^) welche man zwischen die Lösung und das reine
Lösungsmittel einschaltet, und welche ihrerseits zwar das Lösungs-
mittel, aber fast nicht die gelöste Substanz auflösen. Indessen ge-
statten dieselben nicht die Messung des osmotischen Druckes in der
oben beschriebenen Weise, da sie keine Festigkeit besitzen; über-
§ 9. Oesetx des osmotischen Druckes. 61
haupt wird dieser Druck in der Regel nicht direkt beobachtet, sondern
aus gewissen, später zu betrachtenden Eigenschaften verdünnter Lö-
sungen berechnet. —
Wenn die oben auseinandergesetzte Anschauung über das
Wesen der Osmose richtig ist, so müssen die früher für die Gase
gemachten Ansätze sich auch hier als gültig erweisen. Es ist nun sehr
merkwürdig und nahezu unverständlich, daß die Beobachtungen über
den osmotischen Druck mit der einfachsten Formel (65') resp. (66)
in welcher jetzt Wa nur die lebendige Kraft der Moleküle der ge-
lösten Substanz und p den osmotischen Druck bezeichnet, in
naher Übereinstimmung sind, obgleich dieselbe unter Vernachlässigung
aller Wechselwirkungen erhalten ist, und obgleich der Raum von den
Teilchen des Lösungsmittels anscheinend viel dichter erfüllt wird,
als bei einem der Kondensation nahen Gase von dessen Molekülen.
Der Sinn dieser Thatsache läßt sich dahin aussprechen, daß der
osmotische Druck in einer Lösung derselbe ist, welchen das gleiche
Quantum gelöster Substanz, bei derselben Temperatur innerhalb des-
selben Raumes vergast, auf dessen Wände ausüben würde.
Da die Formel (65') hier gilt, so kann man aus ihr genau wie
S. 57 auch die Folgerung
in, = '-f
ziehen, wo p die Dichte der gelösten Substanz innerhalb der Lösung
und p den osmotischen Druck bezeichnet, und mit ihrer Hilfe aus
Q und p das mittlere Quadrat der Molekulargeschwindigkeit berech-
nen. Dasselbe vermag man auch durch die Formel (70)
zu leisten, wenn man nur das Molekulargewicht fiu der gelösten Sub-
stanz kennt, indem man für ju^ das Molekulargewicht irgend eines
Gases und für {Fj^\ den ihm entsprechenden Wert setzt. Wählt
man für die Substanz h etwa WasserstojBf und bezieht die Atom-
gewichte auf Wasserstoff als Einheit, so erhält man, da Wasserstoff
zwei Atome im Molekül enthält, jtt^ = 2 , und
(^a=;,7 (18,4.10*)*.
Die Anwendung dieser Resultate wird durch den Umstand be-
einträchtigt, daß die meisten löslichen Substanzen ihre molekulare
Konstitution von einem Lösungsmittel zum anderen ändern, bald
mehrfache, bald Teilmoleküle bilden, zuweilen auch in ihre Atome
62 L TeiL Mechanik starrer Körper, IL Kap.
zerfallen. Auf diese Vorgänge , die man aus dem yerschiedenen
physikalischen und chemischen Verhalten derselben Substanz in yer-
schiedenen Lösungsmitteln erschließt, ist an dieser Stelle einzugehen
nicht der Ort.
§ 10. Weitere Ausbildung der kinetischen Theorie; die mittlere
Weglänge der Moleküle. Innere Eeibung, adiabatisohe Erwärmung,
Effoflion, Siffiision.
Wir wenden uns nunmehr zu einer genaueren Verfolgung der
Wirkungen, welche die Kräfte zwischen den einzelnen ]|J[olekülen eines
Gases ausüben, als sie oben zum Zwecke der Ableitung der van
DE» WAALs'schen Gleichung erforderlich war.
Das charakteristische dieser Wirkung ist die Ablenkung der
Moleküle von ihren ursprünglichen in anders gerichtete geradlinige
Bahnen; der im Mittel zwischen zwei solchen Ablenkungen, die man
kurz Stöße nennt, liegende geradlinige Weg, die freie mittlere
Weglänge, sowie die mit ihm im Zusammenhange stehende Anzahl
der Zusammenstöße, die ein Molekül in der Zeiteinheit erleidet,
liefern eine deutlichere Veranschaulichung der wirklich stattfinden-
den Bewegung, als es die früheren Resultate zu geben vermochten.
Mit der Bestimmung dieser Größen wollen wir uns im Anschluß
an die Untersuchungen von Claüsius*^) zunächst beschäftigen und
dabei die Geschwindigkeit aller Moleküle innerhalb des Gases der
Einfachheit halber als gleich annehmen.
Denken wir uns ein ruhendes Molekül und ein gegen dasselbe
anfliegendes, so wird sich um den Schwerpunkt des ersteren eine
Kugel von der Eigenschaft konstruieren lassen, daß, wenn die noch
geradlinige Bahn des Schwerpunktes des zweiten Moleküles dieselbe
schneidet, die Ablenkung desselben aus seiner ursprünglichen Rich-
tung infolge der Wechselwirkung eine merkliche Größe hat Der
Radius R dieser Kugel ist nicht gleich dem Radius der Wirkungs-
sphäre, von der ja oben angenommen war, daß sie eine große An-
zahl von Molekülen umschlösse, und mag daher den neuen Namen
des Stoßradius, die Kugel den der Stoßkugel empfangen. Ihre
Beträge werden wahrscheinlich von der Geschwindigkeit des stoßenden
Moleküles, also von der Temperatur des Gases abhängen.
Sei nun ein System gleichförmig verteilter und festgehaltener
Moleküle gegeben; v von ihnen mögen in der Volumeneinheit
enthalten sein, vds also in einer Schicht von der Fläche Eins und
der Dicke ds.
§ 10. Mutiere Weglänge der Moleküle. 63
Bewegen sich innerhalb dieses Systemes n Moleküle in paral-
leler Sichtung mit gleicher Geschwindigkeit F, so ist der Bruch-
teil dn/n der während dt abgelenkten bestimmt durch das Verhält-
nis der in einer ebenen Schicht von der Dicke des durchmessenen
Weges d$ = Fdt durch Stoßkugeln bedeckten, also undurchlässigen
Fläche zu der gesamten; d. h., es gilt
^ — ^nR^vVdt. 74)
Wegen der unendlichen Kleinheit von ds sind dabei die undurch-
lässigen Stellen als yon Stoßkugeln nur einfach bedeckt zu be-
trachten.
Hat das bisher ruhend angenommene gestoßene System eine
gemeinsame Bewegung, deren Geschwindigkeit V^ den Winkel (p mit
derjenigen der Bewegung jener n stoßenden Moleküle einschließt,
so gilt dieselbe Formel bei Vertauschung der absoluten Geschwin-
digkeit F mit der relativen ß, die bestimmt ist durch
ß2= ^2 + ri»-2rri cosy. 740
In dem oben bezeichneten allgemeineren Fall, daß sich alle
Moleküle in beliebigen Richtungen, aber mit konstanten Geschwin-
digkeiten durcheinander bewegen, erhält man Aufschluß über die
stattfindenden Ablenkimgen, wenn man eine gegen die Gesamtzahl
der überhaupt vorhandenen Moleküle kleine Anzahl n — die immer-
hin absolut noch sehr groß ist — von irgend einem Zeitpunkte an
als stoßend betrachtet. Der stattfindende Vorgang läßt sich dann
auf den einfacheren reduzieren, daß alle n stoßenden Moleküle mit
der Geschwindigkeit F parallel fortschreiten und von den gestoßenen,
mit den Geschwindigkeiten F^ = F behafteten, der Bruchteil
2nmiq>dq>
nn
Bewegungsrichtungen besitzt, welche mit derjenigen der ersteren
Winkel zwischen y und cp + dq> einschließen. Dann wird
dn
^ = nR^vFdt jsin 9) sin ^ 9) rf qp
0
oder ausgerechnet
^^J^^^^R2^rdt, 75)
n 8 '
Hieraus folgt durch Integration
n^n^e^ , 75^
64 /. Teil, Mechanik starrer Körper, IL Kap.
worin n^ die Anzahl der zur Zeit ^ = 0 in irgend einer Bewegung
begriffenen Moleküle, n die Anzahl der von ihnen zur Zeit t noch
nicht von ihrem Wege abgelenkten bezeichnet.
Wir haben bei der Ableitung dieser Fundamentalformel die
Geschwindigkeiten aller Moleküle des Gases als gleich angenommen.
Da die Gleichung (75), so lange man R als von V unabhängig
betrachtet, V linear enthält, so ist zu vermuten, daß bei Ausdehnung
der Betrachtung auf verschiedene Geschwindigkeiten, die, wie
später zu zeigen, prinzipielle Schwierigkeiten bietet, an Stelle von
V angenähert das arithmetische Mittel ^ aller vorhandenen Ge-
schwindigkeiten gesetzt werden kann, — welches, wie schon bemerkt,
keineswegs mit dem früher eingeführten y(^'% identisch ist.
Die erhaltenen Resultate liefern sogleich noch weitere Folge-
rungen.
Da — dn I dt die Anzahl der innerhalb der Zeiteinheit von n
bewegten Molekülen abgelenkten ausmacht, so giebt — dnj ndi
auch die Anzahl a der auf ein Molekül in der Zeiteinheit kommen-
den Stöße, VI a die mittlere freie Weglänge L zwischen zwei Stößen
an. So gelangt man von (75) ausgehend zu
' ndt 3 ' a 4n B^v
Schreibt man die letztere Formel
76')
V
R \nR^vv^
SO spricht sie den Satz aus, daß die mittlere Weglänge L sich zu
dem Stoßradius R verhält, wie das Gesamtvolumen des Gases v zu
dem von den Stoßkugeln eingenommenen Raum.
Da R jedenfalls eine außerordentlich kleine Größe ist, so er-
giebt sich stets, wenn
infolge großen Wertes v einen neben 1 merklichen Wert hat, auch für L
ein sehr kleiner Wert, und man hat Ursache, anzunehmen, daß in allen
den Verhältnissen, welche bei den Arbeiten mit Gasen in der Praxis
vorliegen, selbst bei sehr kleinen Verdünnungen, die bekannten Gase
diese Eigenschaft besitzen. Man wird sich daher vorstellen müssen,
daß die Bewegung der Gasmoleküle, obwohl in der größten Zeit
geradlinig verlaufend, sich doch nicht über irgend merkliche Räume
erstreckt, sondern in Zickzackbahnen innerhalb mikroskopischer Be-
§ 10, Kinetische Theorie der inneren Reibung, 65
reiche stattfindet In der That zeigt Formel (75'), die sich mit
Hilfe von (76) und der Beziehung Ft=:s auch schreiben läßt
daß schon den zehnfachen Betrag der mittleren Weglänge nur eine
ganz verschwindende Zahl von Molekülen unabgelenkt zurücklegt
Dies hat dann die wichtige Folge, daß die Gestalt des Gefäßes,
welches das Gas enthält, auf die Molekularbewegung nur in sehr
geringem Maße einwirken kann; von dieser Thatsache ist oben be-
reits Anwendung gemacht, als der Druck des Gases gegen die Wände
als längs derselben konstant eingeführt wurde, und wird auch weiter
noch Anwendung zu machen sein.
Die vorstehenden Eesultate kommen zur Anwendung bei Ab-
leitung der Grundgleichung für die innere Reibung eines Gases aus
der kinetischen Vorstellung*®), d. h. der wechselseitigen Beschleuni-
gung und Verzögerung, welche zwischen den Teilen eines Gases
stattfindet, das sich mit einer von Ort zu Ort wechselnden Geschwin-
digkeit bewegt, eine Untersuchung, die deshalb von grosser Bedeutung
ist, weil sie die Mittel zur numerischen Bestimmung der oben ein-
geführten Größen cc und L durch die Beobachtung liefert
Für ihre Entwickelung hat man sich vorzustellen, daß ein jedes
Volumenelement des Gases eine scheinbare Gesamtbewegung mit den
Geschwindigkeitskomponenten w, v, w besitzt, und daß zugleich seine
Moleküle mit der relativen Geschwindigkeit V gegen das Volumen-
element, die nur von der Temperatur abhängt, nach allen Seiten
hinfahren. Bringt man den Schwerpunkt des Volumenelementes
durch Zufügung der Geschwindigkeitskomponenten — « , — t?, — «?
an jedes Molekül zur Buhe, so darf man annehmen, daß die Be-
wegung nach allen Bichtungen in gleicher Weise stattfindet
Wir betrachten den einfachsten Fall, daß die Geschwindigkeiten
der Volumenelemente des Gases überall parallel gerichtet und in
parallelen Ebenen konstant sind; die Z-Axe sei die Richtung dieser
Geschwindigkeiten w, nach der ^-Axe finde allein ihre Veränderung
statt Eine Schicht von einer gegen die mittlere Weglänge großen
Dicke dz erleidet dann von den Nachbarschichten eine Beschleu-
nigung dujdtj die dadurch bewirkt ist, daß nach beiden Seiten hin
Moleküle ausfahren und dafür von beiden Seiten her Moleküle mit
anderen mittleren Geschwindigkeitskomponenten U nach der X-Axe
eintreten. Da die Dicke der Schicht groß gegen L sein soll, so
durchdringen sie von den eintretenden Teilchen, ohne abgelenkt zu
werden, nur unmerklich wenige; die übrigen erleiden im Innern eine
VoiöT, Theorotitfche Pliynik. 5
66 /. TeiL Mechanik starrer Körper, IL Kap.
Ablenkung, beginnen somit ihre neue Bewegung als der Schicht
momentan angehörige Teile.
Für die Flächeneinheit der Schicht gilt demgemäß die Formel
hierin bezeichnen die Indices e und a, daß die bezüglichen Summen
über die ein- resp. austretenden Moleküle fi zu nehmen sind, die In-
dices -j- und — , daß sie sich auf die positive oder negative Be-
grenzung der Schicht beziehen.
Beachtet man, daß ^^iiiU)^ und -5'a(^&')- einerseits, ^^ijil^^
und -5*0 (jwt/)^ andererseits nur dadurch voneinander verschieden sind,
daß sie für zwei verschiedene, um dz voneinander entfernte Flächen-
stücke gelten, so kann man statt (77) auch schreiben
wo nun beide Summen sich auf die positive Grenzfläche der Schicht
beziehen. Wir brauchen somit allein den durch diese Fläche statt-
findenden Austausch von Molekülen in Rechnung zu ziehen.
Bezeichnen wir mit n' die Anzahl der Teilchen, die, von einem
Raum Clement dk auf der positiven Seite der Grenzfläche ausgehend,
die Flächeneinheit der Grenze erreichen, so läßt sich schreiben
78) :S,fiU=fiCn'Udk,
(+)
worin das Raumintegral über den ganzen positiven Halbraum er-
streckt werden kann, obgleich nach dem Obigen nur Teilchen aus
äußerst kleiner Entfernung die Schicht erreichen. Analog ist
78') :SafiU=fiCn'Udk,
(-)
das Integral in demselben Sinne über den negativen Halbraum
ausgedehnt.
Kombiniert man miteinander stets je zwei in Bezug auf die
Grenze sich spiegelbildlich entsprechende Volumenelemente und be-
zeichnet ihre normalen Abstände von dieser mit ± c, so wird hiemach
78") XfiU^2afiU^(xJn'{U^c- U.c)dk,
denn die Anzahl n kann für die beiden korrespondierenden Elemente dk
wegen der konstanten Dichte und der gegenüber dem Gesamtwert
nur unbedeutend variierenden Molekulargeschwindigkeit als gleich
§ 10. Ktnetisehe Theorie der inneren Reibung. 67
betrachtet werden. Da faktisch nur sehr kleine Werte c in Be-
tracht kommen, so läßt sich (78") auch schreiben
2,iiU ^ 2apiU=2 lif^^^n' cdh , ' 78'")
worin das Integral über den positiven Halbraum auszudehnen ist
und dUjdz den Wert dieses Ausdruckes in der Grenzfläche selbst
bezeichnet
Es erübrigt noch die Bestimmung yon n' und von U, die mit
Strenge nicht ausgeführt zu werden braucht, weil die ganze Ent-
wickelung auf der Wirklichkeit nicht genau entsprechenden Voraus-
setzungen beruht
Um n' zu berechnen, wollen wir dem ganzen System die Ge-
schwindigkeit — u erteilt denken, wodurch die Grenzfläche selbst
zur Buhe gebracht wird, die benachbarten Raumelemente dk aber
von ihren Geschwindigkeiten nur unendlich kleine Beträge übrig
behalten. In diesem Zustande kann man die Bewegung in jedem
Volumenelement als nach allen Sichtungen in nahe gleicher Weise
stattfindend betrachten.
In einem Baumelement dk befinden sich nach der früheren
Bezeichnung fortwährend vdk, aber infolge ihrer Bewegung in ver-
schiedenen Zeitmomenten im allgemeinen verschiedene Moleküle.
Da ein jedes von ihnen in der Zeiteinheit a Stöße erfährt, so be-
ginnen in der gleichen Zeit avdk Moleküle nach einer Ablenkung
innerhalb des Volumenelementes ihre Bewegung. Von ihnen besitzt
der Bruchteil dcjl^n eine Bewegungsrichtung, die innerhalb eines
EHementarkegels von der üfPnung dca liegt, und von diesen erreicht
wiederum nur der Bruchteil
r
unabgelenkt die Entfernung r, in welcher der von dk ausgehende
Elementarkegel die Grenzfläche der Schicht treff'en möge.
Bezeichnet man den Winkel, den die nach dk hin positiv ge-
rechnete Richtung von r mit derjenigen der Z-Axe einschließt, durch
y, so ist die öröße do des Flächenelementes, welches der Ele-
mentarkegel aus der Begrenzung der Schicht ausschneidet, gegeben
durch
cos (pdomar^dd} ;
die Anzahl der während der Zeiteinheit von dk nach der Flächen-
einheit der Grenze kommenden Moleküle wird demgemäß
68 /. Teil, Mechanik starrer Korper, IL Kap,
79) „'dA = ?L!L^»Jir^,
worin n' die frühere Bedeutung hat
Die gesamte Geschwindigkeit U der Moleküle parallel der X-Axe
rührt zum Teil von der Schwerpunktsgeschwindigkeit u der Vo-
lumenelemente dk her, aus denen sie kommen, zum Teil von der
relativen Geschwindigkeit V der Moleküle gegen dk, welche viel
größer als u und dabei für alle Elemente konstant ist Den letz-
teren Anteil darf man als bei der Integration in (78'") aus dUjdz
herausfallend betrachten und demgemäß dUjdz mit du/ dz ver-
tauschen, wo sich dujdz auf die Grenzfläche selbst bezieht, also
bei der Integration über den Halbraum konstant ist
Hiemach wird, da noch c = r cos qp ist,
80)
n
du
SSefiU—^af^U^ -^-^' ~ Ccos^tp ^m (pdtpCd'ilJ Cre ^dr,
0
1 78 d«<
und durch Einsetzen dieses Wertes in (77')
80) Pä7 = *^^^^V*«-
Der Faktor
81) fj=::^avfiZ^
heißt der Koeffizient der inneren Reibung des Gases und ist
der numerischen Bestimmung durch die Beobachtung zugänglich.
Vertauscht man in dem obigen Ausdruck nach (76) aL mit F
und setzt füi- vfi, d. h. für die Summe aller Massen in der Volu-
meneinheit, die Dichte q, so erhält man auch
81') i7 = i(>rZ.
Benutzt man für /' den nach (69) berechneten Wert von '^{F\,
was zulässig ist, wenn man nur ungefähre Resultate haben wiU, so
gestattet die empirische Bestimmung von iy und q, auch Z und a= Fj L
zu berechnen. Die so gefundenen Zahlen für Z liegen für die schwer
kondensierbaren Gase bei 0^ C. Temperatur und 1 Atm. Druck in
der Nähe von 10~*cm, die für a in der Nähe von 10* bei Zugrunde-
legung der Sekunde als Zeiteinheit
Hieraus folgt, daß die Gasmoleküle bei den vorausgesetzten
Verhältnissen frei nur fast unmerkliche Wege zurücklegen, wodurch
§ 10, AdiabaMsehe Erwämumg eines Gases, 69
nachträglich nun auch die Entwickelungen, welche zu der Schluß-
formel (80') führten, gerechtfertigt sind.
Auf die Folgerungen aus jener Gleichung, wie auch auf das
Verhalten eines bewegten Gases an festen Wänden, d. h. auf die
sogenannte äußere Gasreibung*®), wollen wir nicht eingehen; un-
abhängig von der kinetischen Vorstellung werden diese Punkte im
folgenden Teile behandelt werden. —
Eine weitere Anwendung von den im Eingang dieses Ab-
schnittes erhaltenen allgemeinen Resultaten wollen wir auf die
Erklärung der sogenannten adiab a tischen Temperaturänderung ^^
eines Gases durch bloße Volumenänderung ohne thermische Ein-
wirkung machen.
Wir denken uns ein Element do der das Gas umschließenden
Gefäßwand in normaler Richtung mit der gegen die Geschwindig-
keit der Gasmoleküle sehr kleinen Geschwindigkeit tt' nach innen
verschoben und betrachten die Einwirkung dieser Bewegung auf ein
gegen do prallendes Gasmolekül; da die Dauer der Einwirkung, die
vrir kurz als Stoß bezeichnen, äußerst kurz ist, so können wir u'
während derselben als konstant betrachten.
Für ein Atom tw^ des betrachteten Moleküles gilt, falls wir
die X-Koordinatenaxe vorübergehend mit der Normalen auf do zu-
sammenfallen lassen, nach (40) das System von Bewegungsgleichungen
'«*'^? = ^» + ^^**' %^^ = -^^"' "»»tI^ = -^^»*5 (82)
<*^ kih) ®^ k(h) "^ fc(A)
X^, die Wirkung der Wand, ist eine Funktion von (j:^ — x) allein,
falls mit X die Koordinate von do bezeichnet wird. Faßt man
diese drei Gleichungen mit den Faktoren
{Uf^--u')dt=^d{Xf^'^x), Vf^dtz^dt/j^, tc^dt^dz^
zusammen und integriert von dem Zeitpunkt t^ des Eintritts in die
Wirkungssphäre bis zu dem ^ des Austritts aus derselben, so er-
hält man wegen
das Resultat
i ^, [{r^,' - {KV - 2k' ((«Ol - («Oo)]
»1
kih)J
kih)
82')
70 /. Teil. Mechanik starrer Körper, IL Kap,
Summiert man diese Formel über alle Atome m^ eines Moleküles fi
und bedenkt, daß
h k{h)
82") :S2; f{X,, dx, + r,, dy^ + Z^^ dz,) = A,
h k{h)J
die Arbeit der inneren Kräfte des Moleküles während des Stoßes
ist, so erhält man
83) e^^e^^fiu'iU^^ ü^).
Hierin bezeichnet e die gesamte Energie des Moleküles, U seine
Schwerpunktsgeschwindigkeit normal zu do; da, u' sehr klein gegen
U ist, kann man dabei den durch «' bewirkten Unterschied zwischen
— t^ und Z7j vernachlässigen und setzen
83') <?i -<?o = 2|ti«' ?7,
worin den Normalgeschwindigkeiten u' und U des Flächenelementes
und der Moleküle gleiche oder entgegengesetzte Vorzeichen beizulegen
sind, je nachdem sie vor dem Stoß entgegengesetzte oder gleiche
Richtung hatten.
Nun stoßen nach (79) gegen do während der Zeit dt
öo ) ndkdodt = 7 — 5 e l
von dem Yolumenelement dk ausgehende Moleküle; sie besitzen die
N ormalgesch windigkeit
83'") U=^Fcos(pj
und ein jedes erfährt bei dem Stoß die durch (83') gegebene Energie-
änderung. Demgemäß erleidet die Energie E des ganzen Gases durch
»•
die Verschiebung von do während cf^ die Änderung
n
00
84) } dE= — ayfiu ^jcos^ysinyrfy ldi/;le"^rfr,
I 0 00
= \ FL avfiu^dtdo,
oder wegen F= La
84') dE^^ IF^vfjiu'dtdo.
Nun ist aber u^dt die normale Verschiebung des Elementes do,
also u'dtdo die durch sie bewirkte Verkleinerung des Volumens v
des Grases; summiert man also die letzte Gleichung über alle Ober-
§ 10, Adiabatisehe Erwärmung eines Oases, 71
äächenelemente, so erhält man als gesamte Energieänderung infolge
der Yolumenänderung dv den Wert
dE= -^F^vfidv. 84")
Da nun noch
die lebendige Kraft der Schwerpunktsbewegung der Moleküle des
gesamten Gases darstellt, so ist die vorstehende Formel identisch mit
d£ ^ dv Q-v
a
Die betrachtete Energieänderung bezieht sich zunächst nur auf die
der Oberfläche unmittelbar benachbarten Teile; bei hinreichend lang-
samer Verschiebung der Oberflächenelemente wird sich aber der
Zustand im ganzen Innern ausgleichen, ohne daß dabei eine
Energieänderung eintreten könnte, und da nach Gleichung (66')
lWa = MBT 85')
ist, unter M die Gesamtmasse des Gases verstanden, und da sich Wa
mit E ändern muß, so wird als Folge der Kompression eine Ände-
rung der Temperatur des Gases eintreten.
Um dieselbe zu bestimmen, ist die Kenntnis des Zusammen-
hanges zwischen E und 4^«, der gesamten und der äußeren
kinetischen Energie der Molekularbewegung, erforderlich.
Dieser ist ohne weiteres gegeben, wenn die Molejcüle ein-
atomig sind, denn dann ist die innere Energie der. Moleküle ver-
schwindend, also E=^ Wa', hier folgt aus (85)
/*a = ^-f/v, 86)
worin / den natürlichen Logarithmus bezeichnet, oder wegen (85')
IT==IC -^llv, 86')
und
Tv^ = C, 86")
worin C und C Konstanten bezeichnen.
Im Falle mehratomiger Moleküle ist eine allgemeine Beziehung
zwischen E und Wa auf rein mechanischem Wege ohne spezielle An-
nahmen nicht zu gewinnen ; mit Hilfe von thermischen Betrachtungen
kann man aber, wie im dritten Teile gezeigt werden wird, finden
^^^MBäT^ ä^. 87)
X — 1 ^ X — 1 '
WO X eine dem Gas individuelle Konstante bezeichnet.
72 /. TeiL Mechanik starrer Körper. IL Kap.
Hiemach wird allgemein
870 1J. = ^^=-(._1)^,.
a
und daraus durch Integration
87") Tr— 1 = C\
Berücksichtigt man, daß gleichzeitig gilt
pv = MBT,
so folgt aus (87") auch
87"') pv-== C\
*
als die Beziehung zwischen Druck und Volumen, welche bei rein
mechanischer Einwirkung auf das Gas stattfindet.
Für den Wert von h giebt bei Berücksichtigung des Umstandes,
daß ^a als ein Teil von E notwendig kleiner als E sein muß, die
vorstehende Betrachtung die Ungleichung
7c-\^\, d. h. 7C^\\
der größte Wert ^/g findet bei einatomigen Gasen statt —
Außer den vorstehend erörterten Problemen kann man ins-
besondere den Vorgang der Wärmeleitung ^^) innerhalb eines Gases
auf Grund der oben benutzten Anschauungen behandeln; die Aus-
gleichung der Temperatur zwischen verschieden warmen Teilen eines
Gases stellt sich dann dar als durch den Transport lebendiger
Kraft ^^a von den wärmeren nach den kälteren Stellen bewirkt. In-
dessen ist die theoretische Verfolgung dieses Gedankens dadurch
erschwert, daß mit den Temperaturänderungen notwendig Druck-
änderungen verbunden sind, die eine Bewegung der Volumenelemente
neben derjenigen der einzelnen Moleküle bewirken, und bietet über-
dies das prinzipielle Bedenken, daß sie von der Strahlung der Wärme
von Molekül zu Molekül abstraliiert, die möglicherweise auf den gan-
zen Vorgang sehr wesentlicli einwirkt. Darum soll von derselben
abgesehen werden. —
Der Vorgang der Effusion eines Gases aus einem Reservoir
durch eine sehr kleine Öffnung in einer unendlich dünnen Wand^*)
läßt sich, wenn man annimmt, daß der Zustand in unmittelbarer
Nähe der Öffnung sich trotz der dauernden Ausströmung immer
merklich dem im Innern des Reservoirs vorhandenen gleich erhält,
leicht mit Hilfe der Gleichung (79) erledigen, denn die Masse W
des in der Zeiteinheit austretenden Gases ist gleich der auf ein
§ 10. Diffusion in verdünnten Lösungen, 73
Oberflächenelement von der Größe der Öffnung q in derselben Zeit
aufEällenden, also gegeben durch
3f'="^Ji/5?7.'"^rfÄ, 88)
die Integration über den Halbraum erstreckt Dies giebt aus-
gerechnet, da v jti = (> die Dichte des Oases ist,
M" =^\aviiqL= \qQF, 88')
worin, wie oben gesagt, F bei nicht gleichen Geschwindigkeiten der
Moleküle angenähert mit ^ vertauscht werden kann.
Die Formel wird bezüglich der Proportionalität mit q, p, Fj
nicht aber bezüglich des absoluten Wertes von JIT durch die Beob-
achtung bestätigt, was nach dem Vorausgesclückten begreitlich ist
Sie läßt sich auf die gegenseitige EfFusion zweier Reservoire, in
denen verschiedene Drucke, aber gleiche Temperaturen herrschen,
erweitem und giebt dann die von (1) nach (2) übergehende Menge
M{2=^Ml^m = \q F{(f, -(>,).- 88")
Schwierigkeiten bietet dagegen die Behandlung der Diffusion
innerhalb eines Gasgemisches von überall gleichem Druck, aber
wechselndem Mischungsverhältnis^^), weil hier Zusammenstöße außer
zwischen Molekülen gleicher Art auch zwischen solchen verschiedener
Art, und zwar alle in von Ort zu Ort wechselnder Häufigkeit, statt-
finden.
Von dieser Komplikation ist in bemerkenswerter Weise frei das
Problem der Diffusion innerhalb einer ungleichmäßig konzentrierten,
übrigens aber verdünnten Lösung"); denn hier überwiegen die
Zusammenstoße zwischen den Molekülen der gelösten Substanz und
denjenigen des Lösungsmittels so über diejenigen zwischen den
ersteren Molekülen allein, daß die letzteren außer Betracht bleiben
können.
Eine andere Vereinfachung wird dadurch bewirkt, daß, wenn
auch möglicherweise infolge des wechselnden osmotischen Druckes
die Dichte der Flüssigkeit an den Stellen verschiedener Konzen-
tration etwas verschieden ist, dieser Unterschied wegen der äußerst
geringen Kompressibilität der Flüssigkeiten außer Betracht bleiben
und demgemäß die Stoßzahl a als konstant betrachtet werden kann.
Die Formeln (75) und (76) lassen sich ohne weiteres auf unseren
Fall übertragen; nur ist natürlich jetzt unter B der Stoßradius für
das Zusammentreifen eines Moleküles der gelösten Substanz mit
einem des Lösungsmittels zu verstehen.
74 /. Teil, Mechanik starrer Körper, IL Kap,
Ist die Konzentration, also die Anzahl p der Moleküle fjL der ge-
lösten Substanz in der Volumeneinheit, und damit die Dichte q = vfi
derselben eine Funktion allein der einen Koordinate z, so ist die
Differenz AT der in positiver und negativer Bichtung während der
Zeiteinheit durch die Flächeneinheit normal zur Z-Axe gehenden
Quantitäten der gelösten Substanz, d. h. die Stärke des Diffu-
sionsstromes, nach (79) gegeben durch
worin p«« und q+c die Dichten in zwei sich spiegelbildlich ent-
sprechenden Volumenelementen in den normalen Abständen ± c
von der betrachteten Fläche bezeichnen.
Aus demselben Grunde, der für die Umformung (78") maß-
gebend war, können wir hierin
89') (._.-(>+.= -2c|?=-2rco89)^J
setzen und erhalten bei Benutzung dieses Wertes aus (89)
89") M' = -laL^l^ = -iriJ/.
Die zeitliche Änderung der Dichte q infolge der Diffusion ist dann,
wie leicht erkennbar, gegeben durch
Der Faktor 8 = \VL von d^ q/öz^ heißt der Diffusionskoeffizient
der gelösten Substanz in dem bestimmten Lösungsmittel und ist der
Beobachtung zugänglich; aus bekanntem S und aus, wie Seite 61 ge-
zeigt, berechnetem F bestimmt sich sonach L und cc. Die erhaltenen
Werte sind begreiflicherweise für L viel kleiner, ftir a größer, als
die oben für Gase angegebenen.
In dieser Entwickelung ist von Kräften, welche auf die Mole-
küle der gelösten Substanz wirken, abgesehen; sie gilt daher nur,
falls die Moleküle sich in der Lösung nicht elektrolytisch dissoziieren ;
denn im anderen Falle bewirken die elektrischen Ladungen, mit
denen nach den Vorstellungen der Elektrochemie die Teile der
Moleküle, die Ionen, behaftet sind, fem wirkende Kräfte, welche auf
die Diffusion einwirken. Doch läßt sich auch dies kompliziertere Pro-
blem, welches in engem Zusammenhang mit der Elektrolyse in Folge
eines durch die Lösung gehenden Stromes steht, im Anschluß an
die kinetische Vorstellung lösen.**) Dabei sind selbstverständlich
die Bewegungen jedes Ions für sich zu betrachten.
§ 11. MaxweWs Oesetx der Oesehtffindigkeiten, 75
§ 11. Weitere AuBbUdnng der kinetischen Theorie; das Gesetz der
Yerteilnng der Geschwindigkeiten.
Die Moleküle eines Gases können nicht dauernd sämtlich gleiche
Geschwindigkeiten besitzen, denn wenn man ihnen dergleichen fiir
einen Augenblick erteilen könnte, so würde dieser Zustand im näch-
sten Augenblick durch die Wechselwirkungen der Moleküle unter-
einander zerstört werden. Unter allen Verteilungen, welche, im
Laufe der Zeit wechselnd, sich einstellen, ist nun eine wahrschein-
licher als alle übrigen, und sie wird demgemäß das durchschnittlich
stattfindende Gesetz darstellen.**)
Sei ein Gasvolumen gegeben, welches die Schwerpunktsgeschwin-
digkeit h mit den Komponenten a, b, c parallel den Koordinaten-
axen besitzt, so läßt sich dasselbe durch Erteilung der entgegen-
gesetzten Geschwindigkeit zu äußerlicher Ruhe bringen. In diesem
Zustand hat ein Molekül, welches zuvor die absoluten Geschwindig-
keitskomponenten tt, V, w besaß, die modifizierten
it = « — a, )o = V — b, lo = t£j — c.
Von den resultierenden relativen Geschwindigkeiten
ist nach der auf S. 67 ausgesprochenen Annahme jeder bestimmte
Wert in allen Richtungen gleich oft vorhanden.
Der Bruchteil aller Moleküle, welcher bei beliebiger Geschwin-
digkeit parallel ¥ und Z eine Geschwindigkeit parallel der X-Axe
zwischen u und n + du. hat, muß, falls f{\[) eine noch unbekannte
Funktion von u bezeichnet, gegeben sein durch
f{n)d\i,
der Bruchteil mit entsprechenden Geschwindigkeiten parallel ¥ oder
Z durch
f{t))dt), f{\D)dro.
Daraus folgt, daß der Bruchteil, welcher gleichzeitig Geschwin-
digkeiten
parallel X zwischen u und u + rfu
„ ¥ „ \> „ t) + dt>
„ Z „ \x> „ \o + dto
besitzt, gegeben sein muß durch
^ =:f{n)f{\>)f{im)d\idt)d\\).
Ist 92 die Anzahl aller in dem gegebenen Volumen vorhandenen
76 /. Teü, Mechanik starrer Körper. IL Kap,
Moleküle und denkt man sich ihre Geschwindigkeiten S durch Strecken
repräsentiert^ die von einem Eoordinatenanfang aus konstruiert wer-
den, so daß ihre Projektionen gleich u, u, \o sind, so giebt
90) n = 5R » = SR/"(u)/*(d)/'OD) rfu rfö rf w
die Anzahl solcher Strecken, welche in dem Volumenelement
d\\d)Qdxo an der Stelle u, b, m endigen.
Zerlegt man andererseits den Raum um den Eoordinatenanfang
in Kugelschalen von der Dicke rf S, so ist die Anzahl der Strecken,
welche innerhalb einer solchen Schale endigen, gleich 5Ri^(S3)rf8S,
worin P{^) ebenfalls eine noch unbekannte Funktion von S be-
zeichnet. Da nun alle Richtungen gleichwertig sind, so endigt in-
nerhalb eines Volumenelementes cfOrfS jener Schicht eine Anzahl
u', gegeben durch
90') u' = ^ ^^^^^^- = SR i^; (S) rfD rfSB ,
worin F^ eine Abkürzung ist.
Ist das Volumenelement d€Xd^ an der Stelle ii, \),.\o gelegen,
und ist seine Größe gleich dndt>d\ry, so muß auch u = ii' sein;
dies ergiebt aber
90") /(u) A^) A^») = ^1 (55) = J^'i (l/u^ + b» + m») .
Diese Formel spricht eine Eigenschaft der Funktion f aus, welche
ihre Form vollständig bestimmt; ihr genügt allein der Ansatz
91) A») = o«-^'»',
in dem a und b Konstauten sind. Das negative Zeichen im Ex-
ponenten erscheint notwendig, da f nicht mit unendlichem u selbst
unendlich werden kann.
Nach der Definition von f{M)d\i als Bruchteil aUer Teilchen muß
91') rf{n)dn = 1
_ CO
sein; dies ergiebt )/^9r(a/b)= 1, also
91") /•(u) = A, -*•«•, /•(t,) = A «-*.«., /(m) = A«-b.»'.
yn yn yn
Hieraus folgt sofort
91'") ^'(JB) = -^«-6-8-,
und da F{^) = 4 « 83« /; (83) ist,
92) i^{«) = ^' *-«-*'«•.
y 71
§ 12, MaoßweWs Oeseix der Geschwindigkeiten. 77
Dies ist das MAXWELL'sche Gesetz für die Verteilung der re-
lativen Geschwindigkeiten SS gegen den Schwerpunkt des bewegten
GasTolumens; i^(95)rfSS giebt den Bruchteil aller Moleküle an, welche
in beliebiger Richtung eine Geschwindigkeit zwischen S3 und SS + ^$
besitzen.
F{^) hat ein Maximum fiir 83 = 1/0; 1/6 = ® ist also der
wahrscheinlichste Wert von SS, d. h. der, in dessen Nähe auf
gleiches J9S mehr Moleküle kommen, als irgendwo anders.
Beschränkt man sich weiterhin auf ein ruhendes Gas, so erhält
man, da nur die absoluten Geschwindigkeiten an Stelle der relativen
treten,
F{T)=^ -^^ e- <yi ^)\ 92')
Die mittlere Geschwindigkeit /^ ist gegeben durch
F^=: CFF{F)dF, 92")
0
der mittlere Wert aller Geschwindigkeitsquadrate durch
OD
{F\=^ CF^F{F)dF. 92'")
0
Die Berechnung dieser Integrale ergiebt
r^ = -Lr, (F»)^ = |r«, 93)
y n
daher
r^/l/(n; = 1^ = 0,9213. 93')
Das Verhältnis dieser beiden verschieden definierten Mittelwerte ist
also für alle Gase von gleicher Größe.
Da nach Formel (69) der Wert von {F\ = Sp j q für die ein-
zelnen Gase aus der Beobachtung bestimmbar ist, so ist für sie auch
^. = ]/f, 93")
ZU berechnen. —
Die Aufklärung, welche das MAxwELL'sche Gesetz über den
mittleren Bewegungszustand in einem Gase liefert, und der Nach-
weis, daß zwischen den mittleren Werten aller Potenzen der Ge-
schwindigkeit F für alle Gase konstante Zahlenverhältnisse bestehen,
sind die eigentiich wichtigen Resultate der obigen Entwickelung.
Eine praktische Anwendung zur Berichtigung der oben unter Vor-
aussetzung gleicher Geschwindigkeiten entwickelten Theorien der
78 /. Tßü. Mechanik starrer Korper. IL Kap.
inneren Eeibung, der Diffusion und ähnlicher gestattet das Gesetz,
wenigstens ohne gleichzeitige Einführung spezieller Hypothesen über
den Bau und die Wechselwirkung der Moleküle, nicht; denn so lange
man den Zusammenhang nicht kennt, in welchem der Stoßradius R
mit der relativen Geschwindigkeit steht, und demgemäß variierende
Geschwindigkeit und konstanten Stoßradius nebeneinander benutzt,
ist der Gewinn an Strenge illusorisch.
Doch kann man in den Fällen, wo es wahrscheinlich ist, daß
die Berücksichtigung der verschiedenen Werte der Geschwindigkeit
auf den Mittelwert /^ führen würde, den aus (93") folgenden Aus-
druck für diese Größe setzen.
So würde die Formel (88') für die Effusion eines Gases in den
leeren Raum unter seiner Anwendung die Gestalt
94) ^' = ?V^
annehmen, die für die gegenseitige Effusion zwischen zwei Beser-
voiren (88") analog
94') ^i,' = ,;^(V?iCi-}^3~P,)-
Sind die Temperaturen beiderseitig die gleichen, so ist
also
94") ^12' = ? yfl^^i - P2) = Yf^(Pi - P2) •
Die hieraus folgenden Resultate für das Verhältnis der Ausfluß-
mengen verschiedener Gase bei gleichem Druck und gleicher Tem-
peratur sind von der Beobachtung befriedigend bestätigt
§ 12. Die Gleichungen von Hamilton und Lagbanos. Cyklische
Systeme.
Bezeichnet man mit Sx^^, St/j^, Szj^ willkürliche Variationen der
Koordinaten z^, y,^, z^ des Massenpunktes wi^, faßt nach Multiplika-
tion mit ihnen die Gleichungen (40) additiv zusammen und summiert
das Resultat über alle Massenpunkte des Punktsystemes, so erhält man
§ 12, Oleiekung der virtueÜen Verrüchmgen, 79
^h
In den Ausdrücken für die Kraftkomponenten sind hier im all-
gemeinen auch die Reaktionskomponenten enthalten, welche durch
etwa die Bewegung beschränkende Nebenbedingungen geliefert wer-
den. Feste Kurven oder Oberflächen, an die ein einzelner Punkt
gebunden ist, werden ihre Reaktionen in der Form äußerer, feste
Verbindungen zwischen mehreren Massenpunkten in der Form innerer
Kräfte auftreten lassen.
Falls die Variationen 5a:^, Sy^^, 8z^ die Eigenschaft haben, mit
den Bedingungen vereinbare Verrückungen aller Massenpunkte zu
ergeben, wollen wir sie wie S. 27 virtuell nennen; an Bewegungen
dieser Art können die Reaktionskräfte, welche nur den Bedingungen
widersprechende Bewegungen verhindern, keine Arbeit leisten, bei
der Beschränkung auf virtuelle Verrückungen enthält demnach die
Formel (95) keinerlei Reaktionen, sondern nur die direkt gegebenen
äußeren und inneren Kräfte und läßt sich unter Benutzung früherer
Bezeichnungen kürzer schreiben, wie folgt '^^i
M^'»+rf?^y*+ rf?N-^^<-^^ = 0- 95')
Diese allgemeine Gleichung der virtuellen Verrückun-
gen hat den ganzen Inhalt der Bewegungsgleichungen (40) in sich
aufgenommen, so daß jene in allgemeinster Fassung aus ihr zurück-
gewonnen werden können.
Ist nämlich die Bewegung irgend welchen Nebenbedingungen
von der Form qp| = 0 unterworfen, worin die g). die Koordinaten be-
Hebiger Punkte des Systems und außerdem die Zeit enthalten kön-
nen, so hat man diese Bedingungen nur bei konstanter Zeit zu variieren
und mit willkürlichen Faktoren X^ multipliziert zu (95') hinzuzu-
fügen*®); dann kann man sämtliche 3xf^, Sy^, Sz^ als willkürlich
betrachten und demgemäß die erhaltene Gleichung in 3n zerfallen,
welche mit den Nebenbedingungen zusammen die Bestimmung der
sämtlichen Koordinaten und der Faktoren X^ gestatten.
Nach dem auf S. 41 Entwickelten besitzen die Wechselwirkungen
ein Potential im engeren Sinne des Wortes, wenn
S^A. = -ä(I) 95")
ist, wo 0 eine Funktion von den Koordinaten aller Massenpunkte,
aber nicht von deren Differentialquotienten nach der Zeit ist.
Verschvrinden bei verschwindenden Geschwindigkeiten auch die
Beschleunigungen, d. h., ist das Punktsystem im Gleichgewicht, so
muß gelten
S'J. + S'A^^O, 96)
80 /. Teü, Mechanik starrer Körper, IL Kap,
oder wenn ein Potential existiert,
96') 50-d'^ = O.
Ist diese Bedingung nicht erfüllt, so tritt aus der Ruhe eine Be-
wegung ein, für die nach Gleichung (47), falls die Bedingungen die
Zeit nicht enthalten,
97) d'A. + d:A>0,
oder bei Existenz eines Potentiales
97') di^-d'A<0
ist
In dem speziellen Falle, daß äußere Kräfte fehlen und die in-
neren ein Potential im engeren Sinne des Wortes haben, wird die
Gleichgewichtsbedingung (96') zu
98) J* = 0,
diejenige für den Beginn der Bewegung aus dem Zustand der
Ruhe (97') zu
98') d(l}<Q.
Hieraus folgt, daß der Gleichgewichtszustand dadurch charakteri-
siert ist, daß für ihn tf> ein Maximum oder ein Minimum annimmt,
und zwar zeigt (98'), daß stabiles Gleichgewicht einem kleinsten,
labiles einem größten Wert von ^ entspricht —
Die Gleichung (95) läßt sich auf die Form bringen
wo ^= \JSm^Vj^ wie früher die lebendige Kraft des Punktsystemes
bezeichnet; hieraus folgt durch Multiplikation mit dt und Integra-
tion zwischen zwei Grenzen t^ und f^, an welchen sämtliche Varia-
tionen Sxf^^ dtfj^j Szj^ verschwinden^^,
99') j{SW+S^A, + ^^ = 0,
oder, falls ein Potential existiert,
99") f{S{V- (U) + yA)dt^O.
Diese Gleichung heißt das HAMiLTON'sche Prinzip und ist von be-
sonderer Wichtigkeit für die Einführung neuer Variabein in die
Bewegungsgleichungen.
Sind dieselben mit Pi, P2 *-• Pn bezeichnet und dabei so gewählt,
§ 12, Oleichung von Hamilton find Lagrange, 81
daß sie die der Bewegung gestellten Nebenbedingungen identisch
beiriedigen, so wird
*^/^ = f ö>7*^*' *y/^ = fö|^/^^' ^^. = fäS^/^i. 100)
also die Arbeit
i^A = 2{X^ Sx^ + Y, Sy^ + Z,Sz>i^ 2P, dp, , 100')
falls
(d X dv d X \
X,jf^+Y,^^+Z,-,^]^P^ 100")
gesetzt wird.
Analog wie (100), aber nur unter der Voraussetzung, daß die
Nebenbedingungen und daher die Beziehungen, welche die p, durch
die x^ y^ ar^ definieren, die Zeit nicht enthalten, gilt
worin kurz
t: = ?* 101')
gesetzt ist. Hieraus folgt, daß unter der gemachten beschränkenden
Annahme die lebendige Kraft W eine homogene BNinktion zweiten
Grades der q, ist, deren Koeffizienten von den p. abhängen, während
das Potential 0 nur die p. enthält.
Wegen der genannten Eigenschaft der lebendigen Kraft wird in
diesem Falle die Energie E gegeben sein durch
£=«/+0=^|^y^-.^, 101")
wo Aj die sogenannte LAGKANGE'sche Funktion, definiert ist durch
y^-a> = ^. 102)
Weiter erhält man
SA==S{1f-iP) = 2: (1^^ Sp, + || Sq;j , 102-)
und die Gleichung (99") nimmt die Form an
dt^O. 102")
Da aber nach der Definition (lOl')
ddp
isty so kann man in dieser Gleichung die in die Sq. multiplizierten
Glieder durch Teile integrieren, wobei die abgesonderten Tenne
Voigt, Theoretische Fhjaik. 6
82 /. Teil. Mechanik starrer Körper. IL Kap,
an den Grenzen verschwinden, weil daselbst die Sxj^, Si/j^, Sz^ und
nach (100) auch die 8p^ gleich Null sind. Man erhält sonach
u
woraus, da alle Sp^ voneinandjer unabhängig sind, folgt
oder indem man das Moment der Koordinate p^
einführt, auch
dQ. dA,
103') -TT" ^ = ^r
* dt dp. *
Dies sind die von Lagkange gegebenen Bewegungsgleichungen ^%
Die p^ resp. </. heißen die verallgemeinerten Koordinaten resp. Ge-
schwindigkeiten, die P. die verallgemeinerten äußeren Kräfte;
letztere sind wesentlich durch die Gleichung (100") definiert und
haben, wenn die p. gewöhnliche Koordinaten sind, die Bedeutung
der gewöhnlichen Komponenten, wenn die p^ Drehungswinkel sind,
die Bedeutung von Drehungsmomenten, was sich leicht nach-
weisen läßt
Hängen die inneren Kräfte des Punktsystemes von den relativen
Geschwindigkeiten ab, so bleiben die Formeln (103) anwendbar, wenn
man nur nach (55) A = W — (p setzt
Werden die vorstehenden Formeln auf ein starres System an-
gewandt, so ist in ihnen 0 als konstant zu beti*achten, und die
HAMiLTüN'sche Gleichung wird zu
«1
103") J{8W+S'J)dt=0,
<b
die LAGRANGE*sche zu
Die vorstehenden Formeln gestatten eine Umformung®^), die
sich bei manchen Anwendungen nützlich erweist
Wir wollen annehmen, unter den Koordinaten p. wäre eine
Kategorie, die wir mit r^ — die ihnen entsprechenden Kräfte mit
Ej^ — bezeichnen wollen, für welche wir an Stelle der Geschwindigkeiten
§ 12, Gleichungen von Lagrange. 83
die Momente
dr.
K
dt
h
dA
'%
^\~
als Unabhäugige einzufuhren geeignet finden; dann können wir
mittels der der letzten Formel analogen die Sj^ durch die Ä^. und
alle r^, p. und q. ausdrücken und das Resultat in A einsetzen.
Bezeichnen wir die so erhaltene Form von A durch {A), so ist
ersichtlich, da p. explicite und implicite in Sj, vorkommt,
^Pi ^Pi 7 ^%^Pi ^Pi 7 ^^Pi'
analog auch
'^A^ = 1^ + ^sp, ^M=^-^ + ^sp, ^/f- = ^s '3. 105')
Versteht man nim die durch & bezeichnete Differentiation so,
daß dabei /?., y^ t^^ und S^ als Unabhängige behandelt werden, und
setzt kurz
, A^2lS^s^=^Ä, 105")
so erhält man
dA_^A!_ dji ^ * 4' dÄ _»A' __ _^A'
dp. '^ ^p.' dq.~ ifq^ ' ö r. " ^ r. ' '"» "" ^ 5.
106)
Daraus folgt auch, daß für die Kräfte P. die Gleichung (103)
sich schreiben läßt
woraus man auch auf dem umgekehrten Wege, wie der ist, welcher
zu (103) geführt hat, schließen kann
fdt{SrsA' + :2;p.Sp;} = o, loe")
wo die Variation «J^s die /? und q allein betrifft
Für die Kräfte R lassen sich die ursprünglichen Formeln
d (dA\ dA^
dt[dsj dr^-^^
nicht ebenso umgestalten; doch hat dies keinen praktischen Nach-
teil, da es sich bei Kräften dieser Art immer nur um die Kenntnis
der geleisteten Arbeit handelt, die sich, wie später an einem wich-
tigen Beispiel gezeigt werden soll, auf anderem Wege durch ^
ausdrücken läßt. —
6*
84 L Teil, Mechcmik starrer Körper. 11, Kap.
Wenn die lebendige Kraft W die spezielle Eigenschaft hat,
Glieder, welche mit Produkten der Geschwindigkeiten q^ und s^
proportional sind, nicht zu enthalten, kann man aus den vorstehenden
Formeln eine sehr merkwürdige allgemeine Folgerung®*) ziehen.
Aus
107) ^= ^,+ *,- 0,
worin Wq und W, die nur die q^ und nur die «^ enthaltenden Teile
von V bezeichnen, erhält man sogleich, da ^, homogen vom zweiten
Grade in den Sj^ ist,
107) ^' =*;,-*;- *
und unter Rücksicht auf (106')
V, ordnet sich hier also dem inneren Potential (P zu, und zwar nicht
nur formell, sondern auch wesenthch, da es ebenso wie jenes zwar
die Koordinaten /?j, aber nicht die Geschwindigkeiten q^ enthält
Bei Bestimmung der Kräfte P^ erscheint sonach ^, als ein
von den Geschwindigkeiten s^ abhängiger Teil eines Ge-
samtpotentiales (0) = y^", + 0, und umgekehrt kann man dabei
stets das Potential durch einen Teil der gesamten lebendigen Kraft
ersetzen, der von den Geschwindigkeiten q^ unabhängig ist.
Dies Resultat erinnert an die Tendenz der kinetischen Gas-
theorie, den Druck, welchen das Gas auf die Gefaßwandung ausübt,
durch eine Bewegung zu erklären. Wir wollen den Zusammenhang
mit jenen Betrachtungen noch etwas weiter verfolgen.
Hier bestimmen die Koordinaten p^ den äußeren, r^^ den inneren
Zustand des Gases; bei äußerer Ruhe ist Wq = 0.
Die lebendige Kraft W, ist äquivalent mit einem Anteil 0, des
Potentiales der Masse auf sich selbst. Wegen des verschwindenden
Wq ist bei einer Volumenänderung die Arbeit der äußeren Kräfte das
Entgegengesetzte von derjenigen der inneren, also
108) (TA = d{(I>) = d{W, + 0).
Wird jedes Oberflächenelement do um dn nach innen ver-
schoben, so leistet die äußere Kraft, welche den inneren Druck p
kompensieren muß, die ATheii pdndo= —pdv] hieraus folgt
108') rf^= -pdv = d{^f,+ 0).
Kombiniert man hiermit die aus dem Viiialsatz abgeleitete
Formel (65')
§ 12. Cykltsehe Systeme. 85
SO erhält man
_jl. = l<!^, .„s'i
eine Gleichung, welche mit (85) wesentlich identisch ist und die
Bedingung adiabatischer Volumenänderung enthält; dies ist auch he-
greiflich, da wir nur Kräfte der Art P. ins Spiel gebracht, also auf
den inneren Zustand des Gases direkt nicht eingewirkt haben. —
Durch die Einfuhrung gewisser spezieller Eigenschaften der
Variabein p. kann man aus den LAGEANGE'schen Gleichungen (103)
einige allgemeine Sätze ableiten, die in inniger Beziehung zu wich-
tigen Fundamentalsätzen aus dem Gebiet der Wärme- und Elek-
tricitätslehre stehen.®^)
Wir betrachten ein Punktsystem, dessen allgemeine Koordi-
naten p^ in zwei Klassen von verschiedener Natur zerfallen.
Die Koordinaten pa der ersteren Klasse, die wir aus später
zu erörternden Gründen die Positionskoordinaten des Systems
nennen wollen, sollen die Eigenschaft haben, nur sehr langsam mit
der Zeit zu variieren, so daß man ihre Geschwindigkeiten qa als un-
endlich klein erster Ordnung betrachten kann.
Die Koordinaten der zweiten Klasse p^ sollen dagegen schnell
mit der Zeit variieren, also große Geschwindigkeiten y^ ergeben,
aber die Funktion A = W — <!> soU nicht merklich von den p^ ab-
hängen. Koordinaten dieser Art haben u. a. die Punkte einer in
stationärer cyklischer Bewegung befindlichen Flüssigkeit; man nennt
daher allgemein nach dem Vorgang von v. Helmholtz die pt cy-
klische Koordinaten und ein Massensystem, dessen Bewegung durch
dergleichen gegeben ist, ein Cykel.
Über die Beschleunigungen wollen wir annehmen, daß
dqj,f dt = yi
als unendlich klein erster,
dqaldt=^ q'a
als unendlich klein zweiter Ordnung angesehen werden könne.
Enthalten die Nebenbedingungen der Bewegungen die Zeit nicht,
so ist die lebendige Kraft von der Form
W=:^\[22Qaa'qaqaf + -S" -5* Qj j/ y^ Jy + ^ JS* Q^ 6 9^« ?&)?
a a* 6 y ah
WO die Q nur die Positionskoordinaten pa enthalten, wie dies auch
von dem Potential 0 gilt, und y«' resp. q^,* Geschwindigkeiten von
der Gattung der q^ resp. q^ bezeichnen.
"86 /. Teil. Mechanik starrer Körper. IL Kap.
Es folgt
B ^ d Ä ^^ , ^^
^% ^% b' a
also
Hierin sind jedenfalls die Summen, welche die Faktoren y« oder
9a 9a' enthalten, zweiter Ordnung; es bleiben also die Glieder erster
Ordnung
[ö7r] = ^9b'Qbb'+:Sqb'^-Q-~qa'
V'%1 b' b' a ^Pa
d_/dA
dt
Diese stehen in der Gleichung (103), falls man sie auf die
Ejräfte erster Art P« anwendet, neben endlichen Gliedern von der
Form
^Qbb'
-jp-9bqb',
sind hier also zu vernachlässigen, so daß dort resultiert
109) ^-=-11'
dagegen, wenn man sie auf die Kräfte zweiter Art P^ anwendet, neben
streng verschwindenden Gliedern dA/dpi, so daß sie hier zu be-
rücksichtigen sind und liefern
Die Pi sind unendlich klein erster Ordnung; man kann sie end-
lich werden lassen, wenn man die dq^jät^gl endlich, dafür aber
die Qab unendlich klein annimmt, also in W nur Glieder von der
Form
Qa a' qa qa' Uud Qf, y qb ?6'
vorkommen läßt.
Die erhaltenen Resultate ergeben als zulässig, daß man unter
den gemachten Voraussetzungen auch für die Differentiationen der
lebendigen Kraft den Wert
§ 12. Oyklische Systeme. 87
W=^i2:^Q,yqt,qy 109")
benutzt; demgemäß kaim man auch den Aiisdruck für die Energie
schreiben:
Aus (109) folgt, daß die Kräfte erster Art einem eigentümlichen
Eeciprocitätstheorem®*) unterliegen.
Ändert man eine Koordinate der Gattung /?«? ^^ Dut paf be-
zeichnet werden möge, so entspricht dem eine Änderung von P«,
gegeben durch
ebenso erhält man für die Änderung von P«' durch Variation von p^
dPoT d*A
'^Pa "■ ^Pa'^Pa'
hieraus folgt
a ^ * a'
^Paf ^Pa
Diese Formel, welche bei der vorausgesetzten Eigenschaft der
Koordinaten erster Art immer gilt, ist ftir beliebige p^ nur dann
erfüllt, wenn der Bewegungszustand ein derartiger ist, daß
i.,m.o
(öj
ist; diesen Zustand können wir als einen stationären bezeichnen. —
Für die Arbeiten der Kräfte P^ und P^^ während dt erhält man
nach (109) und (109')
^ Pa
110')
die Arbeit der Kräfte erster Art wird also in gewöhnlicher Weise
den zeitlichen Änderungen der Koordinaten proportional, diejenige
der Kräfte zweiter Art aber der Änderung der Momente. Für
letztere wird hierdurch nahe gelegt, wie das auf S. 83 vorausgesetzt
ist, in der LAGRANGESchen Funktion A die Momente als unabhängige
Variable einzuführen. Wir können also die Koordinaten pj^ nun-
mehr, wenn wir wollen, mit den früheren r^^ identifizieren und er-
halten bei Benutzung der Bezeichnung q^^^ sj,, Q^ = /S^,
(f ^a = Padpa, d'A^ = S^dS^, 1 10")
88 I' Teil Meehanik starrer Korper. IL Kap.
wobei sich — P^ = öAjdpa und «» aus der modifizierten Lageange-
sehen Funktion A nach (106) so bestimmt:
Die Gesamtarbeit der Kräfte Ä* resp. P^ wird hierdurch zu
110'") -S-ef ^, = - -^l^rfÄfc,
und ist damit durch A so ausgedrückt wie auf S. 83 angekündigt —
Betrachten wir nun genauer den einfachsten Fall, daß von
den Variabein der zweiten Art nur eine vorhanden , das Massen-
system, wie man sagt, ein Monocykel®^) ist, dann wird
daher die Änderung von E mit der Zeit
111-) äE^,.ä[^y:E^^äp^-2^^ä,..
Läßt man gemäß den obigen Annahmen, da dqa = qadt ist, hier
noch das letzte Glied als unmerklich klein fort und setzt f&r die
übrigen ihre Werte nach (HO') ein, so gelangt man zu
111") dE=-^Aj, + 2:aAa,
oder anders geschrieben
iin rff- SdAa = ?^rf(|^) = qidq,.
Die gesamte Energieänderung, vermindert um die zur Vergrößerung
der Positionskoordinaten pa nötige äußere Arbeit, ist also gleich der
zur Vermehrung der Geschwindigkeit qi erforderlichen Arbeit
Diese Arbeit hat die Eigenschaft, durch Division mit q^ oder
mit qi, mal einer Funktion von Qi ein vollständiges Differential zu
liefern. Unter diesen integrierenden Nennern ist besonders
ausgezeichnet, weil er bei verschwindender Kleinheit der qa nach
(111) die Bedeutung der lebendigen Kraft W hat Es ist dann also
112) -^ = ^ ? = d{iql).
g 12. Monoctjkei. 89
In der mechanischen Wärmetheorie, welche die Wärme«
erscheinungen als auf den Bewegungen der kleinsten Teilchen der
Körper beruhend ansieht, und speziell in der oben besprochenen
kinetischen Gastheorie betrachtet man die Koordinaten der Orte
dieser Teilchen während ihrer Oscillationen als Variable der Gattung
Pi,, die Koordinaten, welche den Ort und das physikalische Ver-
halten, z. B. Größe und Gestalt des ganzen Körpers bestimmen,
als Variable der Gattung pa. Die Geschwindigkeiten g^ sind sehr
groß und in einem homogenen gleich temperierten Körper im Mittel
überall gleich; die Geschwindigkeiten qa sind gegen sie verschwin-
dend, in vielen FäUen sogar streng gleich Null; gleiches gilt von
allen Beschleunigungen. Die lebendige Kraft rührt dann also aus-
schließlich von der inneren Bewegung her und hat demgemäß den
oben benutzten Wert
man betrachtet denselben, wie f&r Gase oben entwickelt ist und wie
auf andere Körper hypothetisch übertragen wird, als der sogenannten
absoluten Temperatur T des Körpers proportional, etwa gleich äT.
Femer hat man die Vorstellung, daß man zwar Arbeiten der
Gattung (P^a auf mechanischem Wege leisten, nämlich den Körper
im Ganzen bewegen oder deformieren kann, aber nicht Arbeiten
der Art (P^hj welche Einwirkungen auf die einzelnen Moleküle er-
fordern würden, daß man letztere aber durch Zufuhr von Wärme
bewirken kann; demgemäß stellt in (112) 2d^Aa die gesamte
mechanisch, iA}, die kalorisch geleistete Arbeit dar, und man
erhält somit:
j — ^-^kd[iq;). 112-)
Der Zusammenhang dieser Formel mit der sogenannten zweiten
Hauptgleichung der mechanischen Wärmetheorie wird später hervor-
treten. —
Wir können die vorstehenden Betrachtungen etwas erweitem,
indem wir einen Körper betrachten, dessen Positionskoordinaten pa
endliche Geschwindigkeiten qa besitzen, dessen lebendige Kraft
aber Glieder, die mit Produkten der y. und qj, proportional sind,
nicht enthält^*) Die pj, sollen weder in der lebendigen Kraft V,
noch im Potential 0 vorkommen, dagegen soU, was auf S. 84 er-
läutert ist, (P von qj, abhängen.
90 I' TeiL Mechanik starrer Körper. II. Kap.
Dann können wir setzen
113) W^ ^a+^6,
und nach dem oben Gesagten Wj, als mit der absoluten Temperatur T
proportional betrachten, nämlich schreiben
113') Wj,^T%\
aus dem gleichen Grunde dürfen wir auch 0 statt von q^ von T
abhängig ansehen. Aus (103) erhalten wir dann wegen A = W -^ <l>
als Wert für eine der Kräfte erster Art
• "^ dt\ dq^ I dp^ op^
differentiert man dies wegen T, während /?« ^^d qa konstant bleiben,
so erhält man
Nun werde dem Körper Arbeit zugeführt, sowohl durch Ver-
mittelung der Kräfte P«» ^ö Pb] wir können dann nach Obigem 2dAa
als auf mechanischem, d^A}, als auf kalorischem Wege geleistet
betrachten. Wegen E ^ W + (l> erhält man aus (111")
114) :ScPAa + d^A^ = d{Wa + ^h) + dH^.
Es ist aber einerseits
andererseits wegen
auch
und hieraus folgt durch Subtraktion
Setzt man dies in (114) ein und bedenkt, daß allgemein cPAa = Pa^Pa
ist, so erhält man
a
Ä(a-^i^^--.<'^.+^''.+ll^'-.
§ 12, Monoeykel. 91
oder unter Benutzung von (113")
rf'^6 ^:S^dp, + dW, + II rfT. 114")
Ist (P speziell von T unabhängig, und wird die Veränderung so
geleitet, daß die lebendige Kraft Wt konstant ist, so giebt dies unter
Rücksicht auf die zweite Formel (113'")
a
Wird nur die eine Koordinate pa verändert, so reduziert sich diese
Gleichung auf
d'A,^^T^j^,dp,. 114"')
*
Auch diese Formel steht mit gewissen Eesultaten der mecha-
nischen Wärmetheorie in innerer Beziehung. —
Neueste Anwendungen der LAGBANOE'schen Formeln haben er-
geben, daß sie unter Umständen zu brauchbaren Resultaten führen,
wenn das System, auf welches sie angewandt werden, gar nicht einen
Komplex von ponderabeln Massen, oder wenigstens nicht von solchen
allein, darstellt und die Größen /?. nur irgend welche Variabein
sind, die seine augenblickliche Konfiguration bestimmen. Dann sind
naturgemäß auch die P^ keine Kraftkomponenten im mechanischen
Sinne mehr; immer aber muß das Produkt p^P^ die Dimension einer
mechanischen Arbeit haben, und dadurch bestimmt sich, wenn über
die p^ verfügt ist, die Natur der P.,
Derartige Betrachtungen liefern für die untersuchten Erschei-
nungen Theorien, die von den sonst entwickelten einigermaßen ab-
weichenden Charakter besitzen und die bezeichnend Beschrei-
bungen durch mechanische Analogie genannt werden. Sie
haben eine besonders große Bedeutung in der Elektricitätslehre er-
halten, wo wir näher auf sie eingehen werden. Indessen kann schon
hier ihr Verhältnis zu der älteren Art der Anwendung mechanischer
Grundsätze auf Vorgänge, welche nicht mechanische im engeren
Sinne sind, geschildert werden. Das ältere Verfahren legte eine mehr
oder weniger vollständige Vorstellung von dem Mechanismus jener
Vorgänge zum Grunde, betrachtete beispielsweise die Elektricität als
eine Substanz, die sich in den Leitern durch äußere Einwirkungen
gegen beträchtliche Widerstände bewegt und auf andere Elektrici-
täten femwirkende Kräfte ausübt. Die Metliode der mechanischen
Analogien enthält sich derartig detailierter Voraussetzungen und
92 /. TeiL Mechanik starrer Körper, IIL Kap,
schreibt den elektrischen Körpern nur gewisse aUgemeine, an me-
chanischen Systemen erkannte Eigenschaften zu, ohne die Frage zu
erörtern, wie jene Eigenschaften in dem nicht rein mechanischen
System möglich sind.
Liefert das ältere Verfahren eine größere Anschaulichkeit, so
ist ihm das neuere durch die größere Strenge, welche in der Be-
schränkung auf das kleinste Maß der zu einem bestimmten Zwecke
nötigen Annahmen liegt, und durch die Vielseitigkeit der gewonnenen
Resultate jedenfalls überlegen.*^ —
m. Kapitel.
Bewegung starrer Körper.
§ 13. Starre Körper; unendlich kleine Terrnokongen; lebendige
Kraft; Trägheitsmoment; Arbeit äuBerer Kräfte.
Ein System von Massenpunkten wird als ein Körper bezeichnet,
wenn seine Masse den Eaum anscheinend stetig erfüllt; es heißt starr,
wenn seine Bewegung durch Bedingungen derart beschränkt ist, daß
keiner seiner Punkte seine relative Lage gegen die übrigen yerändem
kann.
Die erste Eigenschaft wird analytisch dadurch ausgedrückt, daß
wir den vom Körper eingenommenen Raum in Volumenelemente
dk zerlegen und ein jedes als mit einer Masse 6^771 erfüllt betrach-
ten; meist kann dann jedes Volumenelement direkt als Massenpunkt
behandelt werden.
Besitzt das Verhältnis
Tk-O 116)
an irgend einer Stelle des Körpers einen von der Gestalt und Größe
von dk unabhängigen Grenzwert, so nennen wir in sinngemäßer
Erweiterung der Definition (68) q die Dichte der Massenverteilung
an der betrachteten Stelle, wobei wie in (68') gilt
[p]«m/-3. llö')
Ist ^ innerhalb des Körpers konstant, so nennen wir ihn homogen,
im anderen Falle inhomogen. Man kann den Fall, daß q inner-
halb des Körpers längs einzelner Flächenstücke unstetig wird, ftir
die Betrachtung dadurch ausschließen, daß man jene Flächen als Teile
der Oberfläche des Körpers ansieht; weil ferner in der Wirklichkeit
sich in einem unendlich kleinen Räume stets nur unendlich wenig
Masse befindet, so kann man q in der Physik als innerhalb der
Körper endlich und stetig betrachten.
Da das Gewicht des Massenelementes dm^ nämlich dGy gleich
gdm ist, so nennt man
dk dk ' '
94 /. Teil, Mechanik starrer Körper, III. Kap,
das spezifische Gewicht des Körpers an der betrachteten Stelle;
wegen der Veränderliclikeit von ff an der Erdoberfläche ist y nicht
streng der Substanz individuell und kommt daher überhaupt weniger
zur Verwendung als p. Seine Dimension ist gegeben durch
[y] = m/-2^-2.— 115'")
Die zweite Eigenschaft drückt man analytisch aus, indem man
festsetzt, daß die Koordinaten a, b, c aller Massenelemente dm gcg;on
ein mit dreien von ihnen, welche nicht in einer Geraden liegen, fest
verbundenes Koordinatensystem J, J5, C sich mit der Zeit nicht ändern.
Behalten wir für ihre Koordinaten gegen ein absolut festes
System X, Y, Z die Bezeichnung x, y, z bei, so können wir den Zu-
sammenhang der beiden Koordinatensysteme durch das Schema aus-
drücken:
a b c
116) •'■ ^
«1 «2 «3
/*! 1^2 ßa
- -h \ri Vi 73
worin f, l;, 5 die Koordinaten des Anfangspunktes des Systemcs
A, B, Cy und a,j, ßj^, y^^ gewisse Richtungscosinus sind, j, ^, g und drei
voneinander unal)hängige Winkel bestimmen vollständig die Lage
des Systems A^ B, C und daher auch diejenige des starren Körpers
gegen das absolut feste System A^, Y, Z,
Für beliebige unendlich kleineVerrückungen Sx^ äy, Sz gilt hiemach
dx = Si + aöa^ + bSa^ + c S a^ ,
116') ^ Sij=^St) + adß, +bSß^ +cSß^,
I dz ^ Si + aÖy^ +b8y^ + cSy^,
wobei wegen der Orthogonalitätsbedingungen nur drei der neun Va-
riationen Sa^^y Sßj^, dy^ voneinander unabhängig sind.
Führt man die Abkürzungen ein
116") J y^Sa^ + yja^ + y^Sa^ = - {a^Sy^ + a^Sy^ + «3^/3) = ^m ,
l a^Sß, + a,dß, + a,Sß, = -{ßja,+ ß,Sa^^ ß,Sa,) = ^11 ,
wobei d'I, ^m, S* n nicht Variationen von Funktionen I, m, 11, son-
dern allein unendlich kleine Größen bezeichnen, so wird
/ Sa^=y^S*m-' ß^S'n, Sß^ = u^S'n — y^S'{, Sy^=ß^S*l — a^3'm,
116'") Sa^ = y,d^m-ß,d\ äß.^a.S'u^y.S'l, Sy,=ß,yi-a^3'm,
\ 3^3='r3^ta-ß^S'n, J/?3 =«3^11-^3^1, Sy^=ß^y{-a^S'mj
§ 13. Unendlich kleine Verriiekungen. 95
und das System (116') reduziert sich unter Berücksichtigung von
(116") auf«^
*x = d^y + (z - ä) (T m - (y - ^) J'n, |
Diese Formeln zeigen bei genauer Analyse, daß die allgemeinste
unendlich kleine Verrückung eines starren Körpers gegeben ist durch die
Superposition dreier Verschiebungen parallel den Koordinatenaxen
^j, S\), 5i, welche äquivalent sind mit einer einzigen Verschiebung
^ \ = Y{W+ "w"-rw
in einer Kichtung S, bestimmt durch
cos (gar) : cos {^y) : cos {^z) = S^ : S\) : d^,
und mit drei Drehungen von der Größe S'i, ^m, ^n um zu den Axen
X, F, Z parallele Axen durch den Punkt y, 9, j, welche äquivalent
sind mit einer einzigen Drehung von der Größe
um eine Axe b durch denselben Punkt J, tj, 5, deren Kichtung ge-
geben ist durch
cos (b, ar) : COS (b,y) : COS (b, z) = S'l : S'm : S'n .
Nimmt man hinzu, daß nach geometiischer Anschauung par-
allele Verschiebungen, wie auch Drehungen um dieselbe Axe sich
zu Resultierenden zusammensetzen, deren Größe je gleich der Summe
der Komponenten ist, so ergiebt sich aus Vorstehendem, daß für die
Zusammensetzung von beliebigen Verschiebungen und von Drehungen
um beliebige durch einen Punkt gehende Axen bei entsprechender
Kleinheit ganz allgemein die Methode des Parallelepipeds gilt, falls man
die Drehungen durch Vektoren repräsentiert, welche auf der Drehungs-
axe nach der Seite hin aufgetragen werden, von der aus betrachtet
sich die Drehung als im positiven Sinne stattfindend darstellt
Hieraus folgt für den Zusammenhang zwischen den um die
Axen Aj JB, C stattfindenden Drehungen S'\>, S* q, S'x und den um
Parallele zu den Axen X, T, Z durch den Anfang von Aj B, C wir-
kenden 5*1, S'm, S*n das (116) entsprechende Schema
I 3'\> 3'q S'x
^^ «1 «2 «8 117)
ßi ßi ß%
Yi n Yz
96
/. TeiL Meehamk starrer Körper. III, Kap,
Zwischen den Drehimgskomponenten (J* p, d'q, «J*! und den Bich-
tungscosinus a^, ß^, y^ finden dabei die Beziehungen statt:
i ^p = u^Sa^ + ß^Sß^ + y^Sy^ = -{cc^Sa^+ß^Sß^ + y^Sy^),
117') I ^(\ = a^Sa^ + ß^8ß^+y,Sy^^^{a^8a^+ß^Sß,+y^8y^),
femer
¥i=Ä^t-/93^q, 8ß,^ß,S'\>-'ß,S'x, 5/93=/9,/q-/9,yp,
Die Formehl (116"") lassen sich auf eine neue wichtige Form
bringen, indem man die Verschiebungskomponenten S'xqj S^y^, 8* z^
einführt, welche der ursprünglich im Eoordinatenanfang ar = y = z = 0
stehende Punkt erfährt; man erhält so
# 8x = S'xq + z 8*m ^ y8>n j
118) 8y^8'yQ + xSn -zS'l ,
8z ^ S'Zq + y8*l — X S^m \
die zu der Verschiebung hinzukommende Drehung erscheint hier um
die Axen X, Z, Z selbst ausgeführt, und es ist daher
gesetzt Für parallele Axen j&nden sich sonach die Drehungen als gleich.
Ein diesem System entsprechendes kann man für die beweg-
lichen Axen A, jB, C aufstellen. Bezeichnet man nämlich mit 5*«,
(S* &, S* c die nach den Axen Ä, B^ C genommenen Komponenten der
Verschiebung eines beliebigen Punktes mit ^Ta, ^5, ^c, diejenigen
des Punktes 0 = 0, & = 0, c = 0, so erhält man aus (118) leicht
/ ^a = ^a + c5'q-*J'r,
118') . ^* = d'6 + a^r-cJ'p,
«Tc = 5'c + * J'p - a J'q . —
Giebt man den willkürlichen Verrückungen die speziellen Werte,
welche sie bei der Bewegung während des Zeitelementes dt annehmen,
so erhält man, indem man durch die oberen Indices Geschwindig-
keiten bezeichnet,
119)
8x = X 8tj
8i=^l'8t,
8'\ =V8t,
3'p = p'5^
8y =^y'8t,
8\i =t(8t,
S'n\= vx' 8t^
^q =q'^^.
8 z = z' 8tj
8i ^h'St,
^'r = r St u.s.f.
§ 13, Lebendige Kraft.
97
119')
119")
Hierin haben zwar x, . . , ^'^ . . . zugleich die Bedeutung von
Differentialquotienten der Abhängigen x,,., ;, . . nach der Zeit,
nicht aber gilt analoges von T, m', n', p', q', r'.
Durch die vorstehende Substitution nimmt beispielsweise das
System (116"") die Form an
^' = J' + (^-ä)m'-(y-l|)n'»
y' = ^'+(:r-j)n'-(^-i)r,
/ = ä' + (y-tj)r -(;r--y)m';
ebenso wird aus (118')
a = a' + cq'— Ar ,
*' = 5' + ar'-cp',
c = c' + Ä p' — a q' ,
wo nun a, b\ c resp. a', V, c' die Geschwindigkeitskomponenten nach
der augenblicklichen Richtung der Axen Ay B, C bezeichnen, aber
nicht die Differentialquotienten von a, b, c resp. a, b, c nach der
Zeit, die ja nach S. 94 verschwinden.
Diese Formeln kommen bei der Bestimmung der lebendigen
Kraft W eines starren Körpers, deren Definition nach (46') lautet:
2W=fdm{x^ + y'*+z^, 120)
zur Anwendung. Der Wert, der sich unmittelbar durch Einsetzen
der Ausdrücke (119') ergiebt, schreibt sich einfacher, wenn man
folgende Bezeichnungen einführt:
fdm=^m, f{x-^i)dm=^^'mj f(y-^t))dm=fj'm,
f{z--i)dm = ^m,
- /(y - 9) (^ - b)dm = =' , - f{z - J) (:r - ^)dm = H' ,
f[Lv-^? + \^-i)'^dm = E, f[{z--if + (x^mdm^H,
Hierin bezeichnen |' = | — y, ^/ = ^ — 9> S* = ? — ä ^i^ Schwer-
punktskoordinaten des Körpers in Bezug auf ein Axensystem X, % 3>
welches parallel zu X, ¥, Z durch die Stelle y, t), j gelegt ist, und es
heißen E, H, Z die Trägheitsmomente, =.\ H\ Z' die Devia-
tionsmomente des Körpers um dieselben Axen, — Definitionen, die
man sinngemäß auf beliebige Axen überträgt®^
Bei Benutzung dieser Abkürzungen schreibt sich
2«f'=m(j'2 + t|'2 + j'2)
+ 2m[i (m' r - u v') + t)' (n |' - l' ^) + j' (f rj' - m' r)] \ 120")
+ PE -I- m'«H + n*Z + 2m'n'='+ 2n'rH'+ 2rni'Z\
Voigt, TheoretiBche Physik. 7
120')
98 /. Teä. Mechanik starrer Körper. 111. Kap.
120"')
Nach der Definition (120') lauten die Trägheits- und Deviations-
momente um die Axen X, Y, Z selbst
(Ho =Ai/' + z^dm, Ho =f{z^ + x^dm, Z^ ^ f{x^ + y^dm ,
<
Ho' = -fyzdm, Hq' = -fzxdm, Zq' ^—fxydm.
Das Trägheitsmoment M um eine beliebige durch den Anfangs-
punkt des Systemes X, D, 3 gehende Axe, deren Richtung durch
die Cosinus «o» ßo^ To bestimmt ist, aber wird, falls e den Abstand
des Massenelementes dm von der Axe bezeichnet, nach der allge-
meinen Definition (120')
120"") M=^fe^dm
oder nach Einsetzen des leicht zu erhaltenden Wertes von e
121) M = = «0» + Hß,'+Zr,'+ 2='Äy„ + 2HVo«o + ^Z'aJ,.
Also ist das Trägheitsmoment um jede Axe durch den Anfangspunkt
des Systems X, S, 3 durch die Trägheits- und Deviationsmomente um
die Axen X, % 3 bestimmt, und zwar wird X = l/j/M^ durch den
Radiusvektor parallel der Drehungsaxe in einem gewissen EUipsoid,
dem Trägheitsellipsoid, um den Koordinatenanfang als Centrum re-
präsentiert/^ Das Trägheitsmoment M nimmt seine größten und klein-
sten Werte an, wenn die Drehungsaxe in eine der Hauptaxen des
Ellipsoides fallt Wählen wir diese Hauptträgheitsaxen zu Koordi-
natenaxen A^ B, C, so werden die hierauf bezogenen Deviationsmomente
121') A'=-/a*c?m = 0, B'=-/*crfm = 0, r'= -/carfwi = 0,
die entsprechenden Trägheitsmomente A, B, f werden die Haupt-
trägheitsmomente, und die Gleichung (121) nimmt die Form an
121") M = Aao' + B/3o*+r?'o''
Die Trägheits- und Deviationsmomente E, H, Z, Z', H', 2' um
die Axen X, % 3 drücken sich nach ihren Definitionen und bei
Benutzung des Schemas (116), in welchem nur, da die Anfangspunkte
der Systeme A, B, C, und X, % 3 zusammenfallen, jetzt j = ^ = 5 = 0
zu setzen ist, durch die Hauptträgheitsmomente A, B, f folgender-
maßen aus:
(£=^Aa,^ + Ba^^ + ra,\ £' = Ai9,/i + B/S^r, + T/?,/,,
121"') H=kß,' + Bß,' + rß,\ H' = Ay,a, + Br,«, + r7',a3,
l Z = Ay,2 + By,2 + pyj«, Z' = Aa,ß, + Ba^ß^ + Va^ß^.
Das erste Tripel dieses Systemes ergiebt
121"") Z + H + Z = A + B-f-r.
Vergleicht man das Trägheitsmoment M um eine beliebige Axe
(z. B. um eine durch den willkürlichen Koordinatenanfangspunkt) mit
§ 13. TrägheitS' und Deviatumsmomenie. 99
demjenigen M, um eine zu ihr parallele durch den Schwerpunkt des
Körpers, so giebt die einfache Rechnung den Zusammenhang^^)
M = M, + mi3P, 122)
worin d die senkrechte Entfernung der beiden Axen bezeichnet.
Aus Vorstehendem folgt, daß die Tr&gheits- und Deviations-
momente eines Körpers um beliebig gerichtete und durch einen be-
liebigen Punkt gehende Axen bestimmt sind durch sechs Größen,
nämlich die Trägheits- und Deviationsmomente um drei zu einander
normale Axen durch den Schwerpunkt des Körpers, oder, anders
ausgedrückt, durch die Hauptträgheitsmomente für den Schwerpunkt
und die drei Winkelgrößen, welche die Lage der Hauptträgheitsaxen
bestimmen.
In manchen Fällen ist es bequem, ein Trägheitsmoment durch
denjenigen Abstand Xa von der bezüglichen Axe a auszudrücken, in
welchem die ganze Masse m des Körpers vereinigt werden müßte,
um das gleiche Trägheitsmoment Ma zu geben, d. h.
M«=m;f«2 122')
zu setzen; x« heißt dann der Trägheitsradius des Körpers in
Bezug auf die Axe a»
Schließlich bemerken wir noch, daß fiir Trägheitsmomente M
und Deviationsmomente A die Dimensionalgleichung lautet
[M] = [A] = mP._ 122")
Unter Berücksichtigung dieser Sätze läßt sich nun der Aus-
druck (120') für die lebendige Kraft eines starren Körpers noch ver-
einfachen.
Ist der Körper frei beweglich, so kann man ohne Beschränkung
den Koordinatenanfang des Axensystems Ay B, C in den Schwerpunkt
legen, also
J = I, ^ = ^, i = ? daher |' = 17' = ^ = 0
und zugleich der Übereinstimmung halber
r = k\ m' = fi\ n' = V
setzen. Führt man noch die resultierende Verschiebungsgeschwindig-
keit ft>', die resultierende Rotationsgeschwindigkeit t durch die
Gleichungen
I' + ^'2 4. ^2 ^ ^'2 ^ l'i ^ ^'2 ^ y'2 ^ ^'2 123)
ein, und bezeichnet das Trägheitsmoment um die momentane Kota-
tionsaxe mit M, so gUt nach (121):
7*
100 /. Teil. Mechanik starrer K&rper, IIL Kap.
123') EA'» + Hfi'^ + Zv'^ + 2 =>'i/' + 2 \KvX + 22' i>' = Mr'*,
123") 2y>'=m6>'2 + MT'«
Ist der Körper um einen festgehaltenen Punkt drehbar, so legt
man in diesen die Anfangspunkte der beiden Systeme Z, T, Z und
Ä^ B, Cj setzt also y = ^ = j = 0 und daher 5' = 5' = j' = 0, und erhält jetzt :
123"0 2'f^=MT^ —
Statt Yon der Formel (120) für die lebendige Kraft kann man
von der äquivalenten ausgehen
124) 2 W = fdm{a'^ + *'» + c'%
worin a', ä', c' die Geschwindigkeitskomponenten nach den Sichtungen
der Axen -4, -B, C bezeichnen. Unter Benutzung der Formeln (119")
erhält man dann, falls man die Koordinaten des Schwerpunktes in
Bezug auf das System A, B, C mit a, /9, y, die Trägheits- und Devia-
tionsmomente wie früher mit A, B, f, A', B', f bezeichnet
124') j + 2m[a'(q> - r'/S) + 5'(r'a - p» + c'(p'/9 - q'a)]
I +P'*A + q'2B + r'*r + 2q'r'A'+2r'p'B' + 2p'q'r.
Dieser Ausdruck hat gegenüber (120") den Vorteil, daß Schwerpunkts-
koordinaten, Trägheits- und Deviationsmomente sich während der
Bewegung nicht mit der Zeit ändern; dafür sind allerdings Linear-
und Winkelgeschwindigkeiten auf mit der Zeit wechsehide Richtungen
bezogen. —
Eine analoge Umformung, wie mit der lebendigen Kraft W^ kann
man auch mit der virtuellen Arbeit S^A äußerer Elräfte an einem
starren Körper vornehmen, die nach (46") definiert ist durch
125) ^A = 2[XJx^ + Y^Sy^ + Z^Sz^;
wirken die Kräfte nicht in endlicher Stärke auf einzehie Punkte,
sondern in unendlich geringer auf jedes Volumenelement dk, sind sie,
wie wir sagen, körperliche Kräfte, so kann man hierfür schreiben
125') d^A==fdk{?liSx + ^Sy + SSz),
wo nunmehr de, ^, 3 auf die Volumeneinheit bezogen sind. Es
gilt dann für sie, wie für ihre Resultierende fi die Dimensional-
gleichung
125") [S] = m/-2^-2.
Die Anwendung der Formeln (118) fiihrt unter Rücksicht auf
die Definitionen (44') sogleich auf die Beziehung
§ 13, Arbeit an einem starren Körper,
101
S^A =^X,ö^x, + Y.S^y, + Z^Sz^ + L,Sl -V MJm + N^Sn, 126)
wo 2^, 1^, ^Q die Summen aller Komponenten nach den festen Axen
X, J", Z und i^, J^, iVJj die Summen aller Drehungsmomente um
dieselben bezeichnen. Ebenso folgt durch Benutzung von (116"")
S A=^ X8i + Y8\i + ZSi + ZS'i + MS'm + NS'n, 126')
worin Komponenten und Momente sich auf die zu den X, Y, Z parallelen
Axen 3£, D, 8 durch den Punkt ar = 5, y = \), ^ = i beziehen.
Dabei ist übrigens, wie leicht zu erkennen,
Z^Z,^tfZ+iY, M^M,-^iX+iZ, N^N,-^iY+\iX,
Endlich gelangt man, wenn man in (125) das Koordinatensystem Ä^ B, C
einftlhrt, mit Hilfe von (118') auch zu dem Werte
S'A=:^AS'a + BS'b + CS'c + PS'\>+QS'q + BS'x, 126")
worin A, By C die Komponenten, P, Q, R die Momente in Bezug auf
jenes Axensystem bezeichnen.
Da die beiden Koordinatensysteme X, ?), 3 ^nd A, Bj C einen
gemeinsamen Anfangspunkt haben, gilt, wie leicht erkennbar, für die
Beziehungen zwischen den auf beide bezogenen Größen das Schema:
A
B
c
P
Q
R
X
«1
«2
«3
L
«1
«8
«s
Y
Ä
Ä
ß.
M
ßx
Ä
ß.
Z
n
n
n
N
rx
72
Vi
126"')
Haben die auf alle Punkte des starren Körpers wirkenden Kräfte
ein nur von den Koordinaten abhängiges Potential §, so daß die auf
die Volumeneinheit bezogenen Kräfte X, % 3 gegeben sind durch
1
dx
?)=-
3=-
dx
127)
so nimmt auch die negative virtuelle Arbeit die Form einer Varia-
tion an von der Funktion
0 = /5rfÄ,
127')
welche das Gesamtpotential der auf den Körper ausgeübten Wirkung
ist. Da aber eine Veränderung der Lage des starren Körpers nur
durch Parallelverschiebung und Drehung zu erzielen ist, so ist bei
Beziehung auf das System X, Y, Z
102 /. Teü. Meehanik starrer Körpar. III. Kap.
127")
Vergleicht man diese Formel mit der oben für d'A erhaltenen (126),
so ergiebt sich, daß für einen Körper, der körperlichen Kräften unter-
liegt, welche ein Potential haben, die Gesamtkomponenten und Mo-
mente, welche er erfährt, gegeben sind durch
Gleicherweise erhält man bei Beziehung auf das System X» % 3
durch Vergleichung mit (126')
128')
Y ^^ V- ^^ 7- ^^
r ^^ TU ^^ \r ^^
a I ' am' du'
oder bei Anwendung des Systemes A, B, C nach (126") auch
128')
, 8 0 j. 6 0 ., 6 0
^ " " "öT ' ^ " "■ T^ ' ^^ - "■ ö r '
§ 14. Bewegungsgleichungen und Gleichgewiohtsbedingnngen.
Da die Lage eines starren Körpers nach dem im Eingang des
vorigen Paragraphen Gesagten durch sechs Unabhängige gegeben ist,
so genügen auch sechs Gleichungen zur Bestimmung seiner Bewegung,
wenn dieselben keine weiteren Unbekannten enthalten. Die sechs
Formeln (43) und (45), welche die Schwerpunkts- und Flächensätze
für ein Punktsystem aussprechen und daher auch ftlr einen starren
Körper gelten, besitzen diese Eigenschaft, falls die inneren Kräfte
des Systemes, über alle Maßen summiert, verschwindende Komponenten-
summen und Drehungsmomente ergeben. Wir dürfen nach den auf
S. 37 angestellten Betrachtungen annehmen, daß dies in Wirklich-
keit stets stattfindet; denn entweder kann man die Volumenelemente
selbst als Massenpunkte ansehen und daher ihren Wechselwirkungen
die Eigenschaften beilegen, welche die Vorbedingungen för ihr Ver-
schwinden aus jenen Gleichungen bilden, oder man kann sie wenig-
stens als Punktsysteme betrachten, deren einzelne Punkte dann
Wechselwirkungen von jenem Charakter liefern.
§ 14, Bewegy/ng eines starren Körpers, 103
Indessen kann man sich auch ohne derartige Überlegungen die
Notwendigkeit der Gültigkeit jener Gleichungen klar machen. Ent-
hielten sie nämlich, auf einen starren Körper angewandt, die Kompo-
mentensummen und Momente der inneren Kräfte, so müßte der Körper,
wenn er weder Anfangsgeschwindigkeiten, noch äußeren Kräften aus-
gesetzt ist, von selbst eine Bewegung beginnen. Dies würde aber,
wie sich unten noch weiter ausgeführt findet, mit der Gleichung der
Energie in Widerspruch treten ; denn in einem starren Körper ist
die nur von den relativen Verhältnissen des Systemes abhängende
innere Kräftefunktion konstant, es kann sich bei einem solchen also
die lebendige Kraft nur infolge äußerer Arbeit vermehren.
Die Formeln (43) und (45) Uefem hiemach unmittelbar die
Bewegungsgleichungen für einen starren Körper. Führt man in ihnen
die Beziehungen (119') ein, so nehmen sie die Gestalt an:
m
d_
ii
d
'"ä7(y' + (^-*)'"'-(^-^)«') = ^o,
i7(9' + (|-j)n'-(?-ä)I') = ^o.
d
m
129)
"^d
129')
+ 57^^o + nt'Zo'+n'Ho'] = i;o.
^ [er ?- i'l) - m'dj + 17 9 + f J) + 9(|I' + i?ni' + ^0]
+ ^[m'Ho + n'=; + fZo'] = -«fo»
'«Ä [(^'^ - ^''^) - "'(^^ + ^9 + ^h) + i(|l'+ ^;m' + f uO]
In diesen Gleichungen sind alle, die Bewegungen etwa be-
schränkenden Bedingungen, wie das Festhalten eines einzelnen Punktes
oder einer Drehungsaxe, durch eingeführte Reaktionskräfte berück-
sichtigt zu denken.
Diese zunächst sich bietende Gestalt der Bewegungsgleichungen
hat noch den Ubelstand, daß L^j M^, Nq, E^, H,,, Zq, Eq\ Hq, Zq' sich auf
die absolut festen Axen beziehen, dagegen T, m', n' auf zu ihnen pa-
rallele durch den Punkt jr = y, y = ^, ^ = J. Man kann aber leicht
die nötige Umgestaltung erhalten, wenn man benutzt, daß nach den
oben gegebenen Definitionen
104
/. Teil. Meehanik starrer Kärper. III. Kap.
129")
t ^o — ^> ^0 — ^> ^0 — ^>
Zo^L + t)Z-ir,...
=0 = H + »I (9» + j* + 2(H' + jO), . . .
ist, wobei wie oben | — X = |' , • • . gesetzt ist.
Zieht man noch den Wert (120") der lebendigen Kraft heran,
der in denselben Größen ausgedrückt ist, so erhält man
130)
Ä (4?) + "» ['' ^'' 9' + ^ i') - I' ("•' ^' + "' *')] = ^ '
Ä (If) + *" ["'(^'^ + '''^') - ^(''3?' + "«'9')] = ^.
Diese Formeln vereinfachen sich noch weiter, wenn man, was
stets zulässig, aber nicht immer vorteilhaft ist, fiir den Anfangspunkt
des Koordinatensystemes Ä, B, C den Schwerpunkt des Körpers
wählt, also J = |, 9 = 17, i = S und daher ' |' = iy' = i;* = 0 setzt,
wobei man dann wie Seite 99, auch T, m, n' mit A', fjL, v ver-
tauschen kann. Hierdurch erhält man dann
130")
dt
{bW\ y d ldW\ y d (d^\ „
d
d
wobei fiir ^ der Ausdruck (123") zu setzen ist; die linken Seiten
der drei ersten Gleichungen werden dahei mit m cP ^ j di^j mcPtjjdf^y
md^^jdfi identisch.
Diese Gleichungen liefern direkt sechs erste Integrale des Be-
wegungsproblemes, wenn die X, . . . iV konstant oder nur von der
Zeit abhängig sind. Sie sind u. a. brauchbar für die Behandlung der Be-
wegung eines freien Körpers und ergeben hier das Resultat, daß die-
jenigen Parameter eines Körpers, welche allein in die Bewegungs-
gleichungen eingehen, seine Masse m und die drei Hauptträgheits-
momente um den Schwerpunkt A, B, V sind; denn die E, H, Z, E', H', Z'
lassen sich, wie oben gezeigt, durch jene ausdrücken. Verschiedene
Körper, welchen gleiche Werte m und A, B, V entsprechen, welche in
gleichen Anfangslagen gleiche Anfangsgeschwindigkeiten besitzen und
§ 14, Bewegung eines starren Körpers, 105
gleichen äußeren Gesamt -Komponenten X, Y^ Z und -Drehungs-
momenten L^ M, N unterliegen, bewegen sich identisch. Hierbei sind
als gleiche Lagen und gleiche Bewegungen diejenigen bezeichnet, bei
welchen das Koordinatensystem Äy By C sich gleichmäßig verhält —
Da zwei auf denselben starren Körper ausgeübte Kraftsysteme
in Bezug auf jede Art von Bewegung äquivalent sind, wenn sie gleiche
Eomponentensummen X, T, Z und gleiche Gesamtmomente L, J/, N
liefern, so ist auch ein beliebiges Kraftsystem K^ mit einer einzigen
Kraft K* mit den Komponenten X', T^ Z\ die in einem Punkt x\ y\ z'
angreift, dann gleichwertig, wenn
r = X, r = r, ^ = ^, 131)
y'Z'-^z'T^L, z'T^x'Z'^M, xT-^T^JV 131')
ist Hieraus folgt, daß das gegebene Kraftsystem durch eine Kraft
nur dann ersetzbar ist, wenn die Bedingung
LX+MT+NZ=^Q 131")
erfüllt ist; findet dies statt, so bestimmt (131) Größe und Sichtung
von X' vollständig.
Der Angriffspunkt x% y\ z' wird dagegen durch (131') nicht voll-
ständig gegeben, sondern nur eine Gerade, welche X' enthalten
muß; denn es gelten die Formeln
x'Z+y'M+ z'N^O, 131'")
x'{rN^ ZM) + y'i.ZL - XN) + z\XM - TL) = i« + JK» + N^.
Dies Resultat sagt aus, daß jede auf einen Punkt wirkende Kraft
innerhalb des starren Körpers beliebig in ihrer Richtung verschoben
werden kann, ohne ihre Wirkung zu ändern.
Die Bedingung (131") ist stets erfüllt, wenn die wirkenden
Kräfte X^ sämtlich parallel sind; in diesem Fall ist dann auch X'
den X^ parallel.
Sind die Kräfte X^ überdies den Massen proportional, die auf
die Masseneinheit bezogenen Komponenten also konstant, wie dies bei
der Schwerkraft stattfindet, so geht die Richtung der Resultierenden X'
bei jeder Lage des Körpers durch seinen Schwerpunkt
Denn nehmen wir z. B. die Z-Axe den X^ parallel, so ist
x=r=o, z=:sK„
also wird aus (131'")
a:'i?-y'| = 0, x'l + y' »/ = !* + »/*,
woraus folgt x' = |, y' = ij.
106
/. Teil. Mechanik starrer Körper. IIL Kap.
Diese Eigenschaft ist der Grund, aus welchem der Massenmittel-
punkt auch Schwerpunkt genannt wird. —
Die allgemeinen Bewegungsgleichungen (130) und (130') lassen
sich leicht auf das Koordinatensystem A, JB, C transformieren, wenn
man nur bedenkt, daß sich die j', t)\ j' in die a', 5', c', und die T, m', n'
in die p', q', r ebenso wie Kraftkomponenten transformieren.
Dabei ist es vorteilhaft zhx benutzen, daß sich die Ausdrücke
(l'j + V't)' + C'hl und (r j' + m'9' + u'ä'), direkt in {aa + ßV + yO
und (p'a'+ (\V + r'c') überführen lassen.
Bedenkt man noch, daß nach dem Wert (124') von W
a (p'a' + q'b' + r'c') - p' («a' + ß\S + yc')l
ist, und daß noch zwei ähnliche Formeln gelten, so gelangt man
bei Berücksichtigung der Definitionen von p', q', r' leicht zu folgendem
System ^•^):
132)
d {bW\ . ,b'^ ,bW j
dt
A.
dt
bt'
bb'
(b^\,.b^ .bW j.
ba'
bt'
132'j
d (bW\ , rb^ rb^ , eb^
bt' ^ öq' "^ ^ de' bb' " '
^-dt[-b7) + ^^-^-''^
bx
,bW
ba'
,b^
bc
,b^
bq'
öp ob ba '
Diese Gleichungen stellen die Schwerpunkts- imd Flächensätze
in Bezug auf das bewegliche Koordinatensystem A, B, C dar. Man
kann sie direkt aus der HAMiLTON'schen Gleichung ableiten, die,
weil für einen starren Körper das innere Potential konstant ist, nach
(103") die Form
132")
besitzt; man hat hierzu für S^A den durch die Variationen ^'a, ^'b, J'c,
^'p, d'^q, S^ gegebenen Wert (126") zu benutzen und nach (124')
§ 14, Rotation um einen festen Punkt 107
ZU setzen, worin nun die Variationen Ja', ... Sx' durch J'a, . . . J'r und
ihre Differentialquotienten nach der Zeit auszudrücken sind. Es ist
dabei keineswegs So! = dSajdt u. s. f., weil die Richtungen, auf welche
sich diese Größen beziehen, mit der Zeit wechseln; der Zusammen-
hang ist vielmehr nur zu gewinnen, indem man a', . . . r' durch auf
das feste System bezügliche Größen ausdrückt, diese Werte variiert
und in die Resultate dann Ja, . . . Sx einführt —
Von den vorstehenden allgemeinen Gleichungen machen wir
nun Anwendungen auf speziellere Fälle. Ist der starre Körper um
einen festen Punkt drehbar, so legt man in diesen passend den
Anfangspunkt sowohl des festen Systemes Xj ¥j Z, als des beweglichen
S, % S resp. A, By C, setzt also in (130) und (130'), — was y^ betrifft,
selbstverständlich erst nach ausgeführter Differentiation — , j' = 5' = j' = 0.
Wird von einer Reibung an der Befestigungsstelle abgesehen, so
bewirkt die Befestigung nur Reaktionskomponenten und keine Mo-
mente; von den Gleichungen
Ä(4f)-^. i^m-'' Mw)-'' '=»'
i(^)=^. im-"' im-)-''- "'1
sind aJso die letzten drei von Reaktionen frei und als die eigent-
lichen Bewegungsgleichungen zu bezeichnen. In ihnen kann man
für V^ nach (120") spezieller setzen
2 W=^£V^ + Hm'»+ Zn'» + 2 E'tn'n' + 2 H'n'I' + 2Z'I'm'. 133")
Die Gleichungen (133') sind mit dem System (130'") formal
identisch; die Rotation eines frei beweglichen Körpers um seinen
Schwerpunkt findet also ebenso statt, als wenn der Körper in dem-
selben unterstützt und den gleichen Kräften und Anfangsgeschwindig-
keiten ausgesetzt wäre.^*)
Die Formeln (1 32'), nehmen in unserem Falle wegen 0'= b'= c'= 0
die Gestalt an
d
dt
dt
133")
worin für W die aus (124') folgende spezielle Form
2«^:=Ap'2 + Bq'2 + rr'2+2A'q'r'-h2B'r'p'+2rp'q' 133
gesetzt werden kann.
ffff\
108 7. TeiL Meehanik starrer Körper. III. Kap,
Legt man die Axen Ä, B, C in die Hauptträgheitsaxen durch
den festen Punkt, so sind die Deviationsmomente A'=B'=r' = 0
und das vorstehende System reduziert sich auf^*)
134)
B^' + (A-.r)rV = e,
r^ + (B-A)pY = Ä.
dt
Von besonderem Interesse ist der, allerdings nur unter der Vor-
aussetzung, daß zwei von den A, B, V einander gleich sind, durch-
fuhrbare Fall, daß als einzige äußere Kraft die Schwere wirkt ^*)
Dann ist, falls man die ^-Axe vertikal nach unten legt, das Ge-
wicht des Körpers mit G bezeichnet und wieder unter a, ß, y die
Koordinaten des Schwerpunktes in Bezug auf das System Ä^ B, C
der Hauptträgheitsaxen versteht,
134') P^G ißrs - rr^) Q==G {yy, - ay,), R^G {ay, - ßy,).
Liegt spezieller der Schwerpunkt auf der C-Koordinatenaxe im Ab-
stand s vom Drehpunkt, so ist a = ^ = 0, y = s, also
134") P=^-^Gsy^, Q^Gsy^, Ä = 0.
Die allgemeine HAMiLTONsche Gleichung (132") nimmt hier die
Gestalt an
134"') f{SW+GsSy,) = 0,
worin für W der Wert (133"") zu setzen ist. —
Ist der Körper um eine feste Axe drehbar, so wählen wir
diese zur Z- und C-Axe und haben demgemäß in den Gleichungen
(130) und (130') sowohl y', t)\ j' als m' und V gleich Null zu setzen;
hieraus folgt, daß man in dem ersten Tripel von dem Wert (120")
für 2W nur das Glied 2n'(|'5'- t/j'), in dem letzten nur
Zn'»+2tn'n'E'+2fn'H'
zu berücksichtigen braucht
Man erhält demgemäß
135) l
Hierin enthalten X, Y, Z, L, M Eeaktionen, welche die feste Axe
|--^r^ = ^. +'»^^ = ^' 0 = ^,
§ 14, Rotation um eine feste Axe. 109
aof den Körper ausübt, N dagegen, wenn von Axenreibung ab-
gesehen wird, nicht; für die Bewegung ist somit nur die letzte
Gleichung maßgebend, welche, da das Trägheitsmoment um die
Z-Axe bei der Botation um diese nicht variiert, durch Einführung des
Yon einer beliebigen Anfangslage aus gerechneten Drehungswinkels /
die Form gewinnt
2 j;^ = N. ISSO
Von besonderer Wichtigkeit ist der Fall, daß das Drehungs-
moment N dem Drehungswinkel x proportional ist, wo dann die
letzte Formel auf die Gestalt
2 ^ii = - ^X 135")
gebracht werden kann. Ist D positiv, so tritt eine Oscillation
mit der Periode
r=2;.|/|
135'")
ein, deren Beobachtung bei bekanntem D zur experimentellen Be-
stimmung von Z, bei bekanntem Z zur Bestimmung von D dienen
kann.
Bei negativem i> tritt eine Rotation mit immer beschleunigter,
bei verschwindendem eine solche mit konstanter Geschwindigkeit ein.
Liegt die Drehungsaxe horizontal, und ist N das von der Schwere
auf den starren Körper ausgeübte Moment, also gleich — Gs sm Xy
worin G und s die frühere Bedeutung haben und / den Winkel
zwischen s und dem nach unten gerichteten Lot bezeichnet, so hefert
die Formel (ISö') die Theorie des zusammengesetzten Pendels, dessen
Schwingungsdauer sich äußerst scharf bestimmen und zur Berechnung
der Schwerekonstanten ff benutzen läßt^^ —
Die ersten fünf Gleichungen (135) geben interessante Aufschlüsse
auch über die Bewegung freier, sowie nur in einem Punkte unter-
stützter Körper, wenn man berücksichtigt, daß in den Fällen, wo
die Reaktionen verschwinden, der Körper die vorgeschriebene Be-
wegung auch ohne die betreffende Unterstützung ausführt.
Ist die C-Axe eine Hauptträgheitsaxe des Körpers, so ist wegen
^3 = 1 und y^ = y, = ^3 = /Jg = 0 nach (121'") E* und H' gleich
Null, also nach der vierten und fünften Gleichung (135) auch L und
M, Wirken keine äußeren Kräfte, so sind Z und M mit den Ee-
aktionsmomenten der Befestigung identisch, diese verschwinden daher
unter der gemachten Annahme gleichfalls. Es genügt in diesem
110 /. Teil, Mechanik starrer Körper, III, Kap.
Falle also, den Körper in dem beliebigen , zum Eoordinatenanfang
gewählten Punkte der C-Axe zu unterstützen, um die Rotation um
dieselbe mit konstanter Geschwindigkeit dauernd zu erhalten. Wegen
dieser Eigenschaft heißen die Hauptträgheitsaxen durch einen be-
liebigen Punkt des starren Körpers die ihm entsprechenden perma-
nenten Drehungsaxen.
Geht die C-Axe überdies durch den Schwerpunkt des Körpers,
so ist I und rj dauernd Null und gleiches gilt nach den beiden ersten
Gleichungen (135) von X und Y, also, wenn äußere Kräfte nicht
wirken, auch von allen Reaktionskomponenten. Hier ist also gar keine
Unterstützung nötig, um die Rotation um die (7-Axe gleichförmig zu
erhalten. Die Hauptträgheitsaxen durch den Schwerpunkt heißen
deshalb die natürlichen Drehungsaxen eines freien starren
Körpers. —
Wir woUen schließlich aus den allgemeinen Formeln (130), in
denen, wie oben gesagt, alle, die Bewegungsfreiheit einschränkenden
Umstände durch Reaktionskräfte ausgedrückt zu denken sind, die
Bedingung dafür ableiten, daß ein starrer Körper als ein materieller
Punkt zu betrachten ist, oder anders ausgedrückt, dafür, daß seine
Schwerpunktsbewegung von seiner Gestalt, Massenverteilung und
Orientierung unabhängig ist Die Gleichungen (130) beantworten die
Frage dahin, daß hierzu die Komponentensummen X, Y, Zy welche
sowohl über die direkt gegebenen als über die Reaktionskräfte zu
erstrecken sind, ausschließlich von dem Verhalten des Schwer-
punktes des Körpers abhängig sein müssen.
Die ersteren Kräfte liefern im allgemeinen dann von anderen
Umständen abhängige Gesamtkomponenten, wenn sie nach Größe
und Richtung Funktionen des Ortes und der Geschwindigkeit ihres
Angriffspunktes sind. Stetige Veränderlichkeit vorausgesetzt, läßt sich
hier aber immer durch Verkleinerung der Dimensionen des Körpers ein
Zustand erreichen, wo diese Abhängigkeit innerhalb einer festgesetzten
Grenze bleibt, d. h. analytisch ausgedrückt, wo bei Entwickelung
der Koraponenteusummen nach den Koordinaten relativ zum Schwer-
punkt des Körpers die folgenden Glieder neben dem ersten, innerhalb
des Körpers konstanten vernachlässigt werden können. Es werden
dann die Komponentensummen nur Funktionen von dem Verhalten
des Schwerpunktes, und damit wird der Körper zum materiellen Punkt.
Ein Beispiel für das entgegengesetzte Verhalten liefern solche
Reaktionskräfte, deren Komponenten sich nicht mit alleiniger Hilfe
der Bedingungsgleichung, auf Grund welcher sie eingeführt sind,
bestimmen lassen, sondern auch in den Flächensätzen (ISO') auf-
§ 14, Oleichgewichtsbedingungen. 111
treten, also von der Rotation des Körpers abhängen. Dies findet
z. B. bei dem Rollen eines Körpers auf einer mit gleitender Rei-
bung behafteten Unterlage statt. Hier wird also auch bei Dimensionen,
die gegen alle sonst in Betracht kommenden unendlich klein sind,
der Körper niemals als ein materieller Punkt zu betrachten sein. —
Setzt man in dem System der Bewegungsgleichungen (1 30) und
(130') die sämtlichen Geschwindigkeiten gleich Null, so werden die
Unken Seiten aller Gleichungen homogen linear in den sechs Be-
schleunigungen d^' Idt, d\)' /dt, dil Idt, dV f dtj dm' fdt, dv! jdt.
Hieraus folgt, daß diese Beschleunigungen gleichzeitig nur dann ver-
schwinden können, wenn die auf den rechten Seiten jener Gleichungen
stehenden Komponenten- und Momentensummen verschwinden. Da
nun die Komponenten- und Momentensummen in Bezug auf beliebige
rechtwinkelige Axen nach dem oben entwickelten homogene lineare
Funktionen von den dort auftretenden sind, so ergiebt sich als not-
wendige imd hinreichende Bedingung des Gleichgewichtes, daß in
Bezug auf ein beliebiges Axensystem^^
Z= r=^=i; = JIf=iV^=0 136)
sein muß. Dabei sind, wie oben, Bedingungen, welche die Beweglich-
keit des Körpers vermindern, durch geeignete Reaktionskräfte aus-
gedrückt zu denken. Die Formeln (136) bilden die Grundlage der
gesamten Statik starrer Körper*.
Wir knüpfen hieran eine Bemerkung über die inneren Kräfte
eines starren Körpers.
Wären die Momenten- und Komponentensummen der inneren
Kräfte nicht gleich Null, so würden im Zustand der Ruhe und bei
verschwindenden äußeren Kräften die Beschleunigungen rfj'/d^,
d)^' /dt, di' Idt, dV /dt, dm' /dt, du' j dt nicht gleich Null sein,
es würde also auch nach (120") die lebendige Kraft zunehmen. Hierin
würde, wie schon auf S. 103 hervorgehoben ist, ein Widerspruch mit
der Energiegleichung liegen. —
Nach den Entwickelungen auf S. 79 und 80 kann man die
sämtlichen Bedingungen des Gleichgewichtes durch die einzige Formel
^^ = 0 137)
umfassen, wo SA die Arbeit der äußeren, Kräfte bei einer virtuellen
Verrückung bezeichnet Führt man die Bedingungen, denen die Be-
weglichkeit des starren Körpers unterliegt, nach der Methode von
Laobanoe ein, so kann man jedes System von Verschiebungen Jj,
S\^j 8^ und von Drehungen 9\, d'nt, S'w als virtuell betrachten und
gelangt hierdurch zu Bedingungen, welche mit (136) äquivalent sind.
112 /. Teü, Mechanik starrer Körper. IIL Kap,
Haben die äußeren Kräfte ein Potential 0, so ergiebt die
Formel (137)
137') (J0 = O,
und da, wenn kein Gleichgewicht vorhanden ist, beim Beginn der
Bewegung aus der Ruhe nach (98')
137") rf0<O
ist, so ist nach den Betrachtungen auf S. 28 die Bedingung (137)
äquivalent damit, daß im Fall stabilen Gleichgewichtes 0 ein Mini-
mum, in demjenigen labilen Gleichgewichtes 0 ein Maximum ist —
Die Beobachtung der Gleichgewichtslage eines um eine feste
Axe, sagen wir die C- resp. Z-Axe, drehbaren Körpers wird in der
Praxis bei der sogenannten Drehwage zur Messung von Drehungs-
momenten benutzt
Sei N{x) ein in seiner Abhängigkeit vom Drehungswinkel ;^ be-
kanntes Moment, so nimmt der Körper bei dessen alleiniger Ein-
wirkung eine Ruhelage ein, gegeben durch
Wird jetzt außer JV noch ein zweites Moment N^ ausgeübt, und ruht
der Körper nun in einer durch Xi gegebenen Lage, so muß
sein, und diese Beziehung drückt iV' durch bekannte Größen aus.
Das bekannte Drehimgsmoment N wird in der Praxis entweder
durch Aufhängung des Körpers an einem Draht oder an zwei sehr
dünnen nahezu widerstandslosen Fäden hervorgebracht
Rührt das zu messende Moment JV' von einer einzigen Kraft
K^ her, deren Angriffspunkt im Abstand A von der Drehungsaxe
liegt, und steht Ä' normal zur Axe und zu A, so ist iV^' = A K\ wo
A der Hebelarm der Kraft heißt. In diesem Falle liefert die Be-
stimmung von N^ zugleich die von K\
Bei der gewöhnlichen Wage geschieht die Messung von Kräften
dadurch, daß man neben einem unbekannten Moment N{x) zwei zu
vergleichende N^ und JVg anbringt; diese sind entgegengesetzt gleich,
wenn die Ruhelage des starren Körpers dieselbe ist, wie bei alleiniger
Einwirkung von N{x)' Die Momente ä\ und A^ werden durch die
Gewichte G^ und G^ von Massen m^ und m^ geliefert, die an glei-
chen Hebelarmen angreifen; Gleichheit von N^ und N^ bedingt also
die von G\ und G^, oder wegen ff,, =^ ^hff ^^^^ ^^® ^^^ ^\ ^^^ ^2'
Hierauf beruht die Bestimmung von Massen mittels der Wage.
§ 15, Wechselwirkungen xwischen starren Körpern, 118
§ 15. Konservative Wechselwirkungen zwischen starren
Körpern.
Nach der Definition (126') ist die virtuelle Arbeit der Wechsel-
wirkung zweier Körper iw^ und mj^
worin die Xj^j^ . . . , Xjch ... die Komponenten, die X^^k • • • 9 J^th • • •
die Momente der Wechselwirkungen, J|fe . . . , ^^^ . . , die Verschiebungen
der Schwerpunkte parallel den festen Axen X, Y, Z, und ä'Xj^..,,
S'Xjc,,. die Drehungen um Parallele zu diesen Axen durch die be-
züglichen Schwerpunkte bezeichnen.
Wir wollen untersuchen, welche Bedingungen die Kräfte und
Momente erfüllen müssen, damit ^'-^^ = — S(I>kkj d. h. die voll-
standige Variation einer nur von der relativen Lage abhängigen
Funktion 0^^^ = 0^^ ist ^^
Das Problem hat eine ganz spezielle physikalische Bedeutung,
weil die Wechselwirkungen zwischen den Molekülen fester Körper
aller Wahrscheinlichkeit nach zu der allgemeineren Art gehören, auf
die uns die Betrachtimg der starren Körper geführt hat, so daß näm-
lich das eine Molekül auf das andere nicht nur Komponenten, son-
dern auch Drehungsmomente ausübt Daß dabei trotz aller Ver-
änderungen, welche durch die relative Bewegung der Atome eines
Moleküls bewirkt werden, gewisse Richtungen dauernd ausgezeichnete
bleiben, zeigt das Verhalten der Krystalle.
Die relative Lage der beiden Körper m^ und tw^ ist durch sechs
Variable vollständig bestimmt, z. B. durch den Abstand J?;^» ihrer
Schwerpunkte und die fünf Winkel, welche die Orientierung zweier
in den Körpern festen Axensysteme Aj^, B^y C^ und A^ By, C» gegeur
einander und gegen die Sichtung von E festlegen. Es handelt sich
darum, ^-^^^ auf eine solche Form zu bringen, daß darin, statt der in
(138) enthaltenen zwölf, nur sechs voneinander unabhängige Varia-
tionen auftreten. Dazu benutzen wir, daß SA^it bei Variationen,
welöhe die relative Lage der beiden Körper nij^ und mi^ nicht ändern,
verschwinden muß, und demgemäß <^^ sich dabei nicht ändern darf.
Eine gemeinsame Verschiebung J er von wi;^ und wi* ist durch -
Voigt, Tbeoretiache Physik. 8
114 J. TnL Mechamk starrer Körper, IIL Kap.
gegeben; soll für beliebige Eichtung und Größe von Sa stets S*^kk = 0
sein, so muß gelten
138') Xfck + Xjth = Yhk + ^hh = ^hh+^kh = 0 .
Eine gemeinsame Drehung Sr um eine beliebige Axe durch
den willkürlichen Anfangspunkt des Systemes X, ¥j Z ist ebenso ge-
geben durch
sik^ CkS'fi — VkS'^, 3vk==ikS'v - ^s'x, ä^^fjj.yx- iiS^fij
Sollen diese Werte ebenfalls S^n^ zu Null machen, so muß
gelten:
I^k + -^kh + ZkJtflhic — ^hk^hk — 0,
^hk + ^kh + ^hkikk— ^hkVhk = 0,
worin die relativen Koordinaten
|a — 1* = ^hk7 Vh — ^fc = Vhkj Sa "■ öfc = S*t
gesetzt sind.
Aus den Formeln (138") folgt unter anderem, daß, wenn die
Resultante der Wechselwirkung zwischen m^ und mjc mit der Ver-
bindungslinie Eh]c ihrer Schwerpunkte parallel ist, die Drehungsmomente,
welche mJ^ und niu um parallele Axen erfahren, entgegengesetzt gleich
sind, und dasselbe gilt umgekehrt
Sind speziell die Körper wi^ und wi^ identisch und symmetrisch
gegen eine Ebene gelegen, so muß nach Symmetrie das Moment um
die Normale zu dieser Ebene verschwinden, dagegen das Moment um
jede Axe, die jener Ebene parallel ist, für »1^ und wijk gleich groß
und entgegengesetzt gerichtet sein; hieraus folgt nach (138"), daß
die Resultante der Wechselwirkung der Verbindungslinie der beiden
Schwerpunkte parallel sein muß.
Sind dagegen die Körper identisch imd mit allen entsprechenden
Axen einander parallel, so müssen nach Symmetrie die Momente um
parallele Axen für m^ imd m^ gleiche Größe und gleiches Vor-
zeichen besitzen.
Die Benutzung von (138") ergiebt
S'^.u = Jifc {Sink + \Vkk[yvH + S'vk) - \Skk{^tJik + S'pL^))
+ rkk iSfi,^ + iCkki^n + n,) - ii,k (^n + ^'n))
138"-) ] +Z„,{S^j, + \tnk {^fik + S^lik) -\nkk {^n + d'X,))
+ \{Lnj,-LkKWh-S^h) + \[Mnk---Mj,n)[S^lin^Sr(ik)
+ \[NHk'-NkH){Sfißn-9vu).
§ 15, Wechselwirkungen xwischen starren Körpern* 115
Diese Formel läßt b^Ahk in der That nur von sechs Aggregaten
der zwölf Variationen abhängig erscheinen, die man durch Yer-
gleichung mit den Formeln [W^'") geometrisch deuten kann.
Existiert ein Potential 0^^ der Wechselwirkung zwischen m^ und
mit, so kann man nach (188'") wegen S*A},it » — <¥ <^^ die Kompo-
nenten und Momente auf folgende Weise bestimmen.
Man unterwirft beide Körper beliebigen Verschiebungen und
Drehungen, die nur der Bedingung genügen, daß
nn + ^A* = 9^1^ + ^iii» = ^n + ^n = 0
ist; dann bestehen die Beziehungen
r r ^^ftfc M M ^^^t
ö-.
138"")
Aus diesen Werten folgen mit Hilfe von (138') und (138") alle ge-
suchten Größen; es folgen aus ihnen auch durch Elimination von
4^1; die Bedingungen, denen die Komponenten und Momente zu ge-
nügen haben, damit ein Potential der Wechselwirkung existiert —
Eine durch Symmetrie ausgezeichnete Darstellung flir die Arbeit
der Wechselwirkung zwischen zwei Körpern erhält man durch die
Überlegung, daß, wenn man durch den Anfangspunkt des absolut
festen Koordinatensystemes zwei Axensysteme Ä^y J3^, (^ resp. ^t,
-Bij 0\t legt, welche bei allen Bewegungen der Körper m^ und m^
je den drei in diesen festgelegten Axensystemen A^y -B^j Cn resp.
^ky ^ki Qc9 z. B. den Hauptträgheitsaxen durch die bezüglichen
Schwerpunkte, parallel bleiben, dann die relative Lage der beiden
Schwerpunkte durch die zwei Systeme relativer Koordinaten Ä^jk? hk, Chk
und ajtn, bkkj <?kA9 ^on denen das erste sich auf die Axen A'^, j5^, C|^,
das letzte auf die Axen A^, Bit, C^ bezieht, voUständig bestimmt ist
Es muß demgemäß möglich sein, d^Aj^j^ auf die Form zu bringen
y-^hk = ^hkSaf^ic + BUSbhk+ OlkSckk \
+ ^kh^^kh + BihSbjtj^ + Cij^Sc^j^j J
wo die S die durch Verschiebung und Drehung bewirkten Änderungen
der relativen Koordinaten und die Af^j^, ... zu bestimmende Funk-
tionen sind.
Um letztere zu finden, geht man am besten von der gesuchten
8*
116 /. Tetl. Mechanik starrer Körper. III, Kap,
Form (139) aus und bringt sie durch Eoordinatentransformation auf
die. primäre Gestalt (138).
Bezeichnet man die Änderung von a;^jt, . . . durch bloße Ver-
schiebung mit ^flÄfc, und die Drehungswinkel des Körpers m^ um die
Axen Aj^, B^, Cj^ mit S'p^, S*qj^y S^Vj^j so wird
Sbhu = S'bkk + Ckk yph — CLhkS'rf,,
und ganz analoge Formeln folgen für ^aj^A» • • • durch Vertauschung
von h mit k und umgekehrt
^flAfc, (J'Äfck, ^Cfck sind dabei ersichtlich die Komponenten der-
selben relativen Verschiebung von m^ gegen m^ nach den Axen A^j
-Bfc, Cfc, deren Komponenten nach X, J", Z mit #1^*, ^i^Ak» S^^ be-
zeichnet sind. Faßt man also Alj^ ^hki ^Ik ^ Komponenten eines
Vektors JT^ nach ^4^, J9i, Ci auf und bezeichnet dessen Komponenten
nach X, Z, Z mit Z,^ Y^ Zj^y so ist ersichtlich
139") AUä^anu + £Ui'bHk+ClkS'c,u = XnS^nk+yKSfjf,j, + Z^dC,k.
Femer stehen die Komponenten S'p^, S'gj^, J^r^ der Drehung
des Körpers m^ um die Axen A^^, B^, C^ in analoger Beziehung zu
den Drehungen d^A^, J*^^, 9v^ um Parallele zu X, F, Z, und dem-
gemäß erhält man leicht
I(*AkCAfc — ChJcBhk) S^Ph + (^Afc^Afc — «AkCXk) ^Vä
+ («Ak^;:k-*Ak^^k)5'r,
H'lkkZn -&klA)^AA+ (?AkX, -l^k^A) S^fiK + {ikk Tn - r/AkX^)3'n.
Dabei besteht ebenso, wie zwischen den resp. Verschiebungs- und
Drehungskomponenten, auch zwischen den Komponenten A^^j Bi^^j
Chk und Xhj Yh, Zh ein System linearer Gleichungen mit den Kon-
stanten
139"")
Ak
A»
Chk
\
<
<
«,*
Y,
ßr"
A*
A*
Zu
n*
y,*
n"
worin die c^, /9*, y'* die Eichtungscosinus des Systems A^, B^y C^
gegen das System X, Y, Z bezeichnen.
Stellt man die entsprechenden Formeln nun auch f&r die Glieder
mit den Indices kh auf, so erhält man schließlich, da |;^j^ = |^ — |^,
IkA = Ik ■" Ia> ••• ^^*
§ 15. Wechselwirkungen ^(Wtsehen starren Körpern, 117
y^KM ^{^H -^ic) Sin + {n - Yu) Sf!n+{Zn--Zj,) S^
+(X,-X,)*|,+ (7, - rn)Sfi, + {Zj, - Zn)SZ^
HnfcnZ^-^hYu)SfhHU^i^-hnZj)S^l^i^+{iuKYu-ri^^
Die Vergleichung mit (138) ergiebt
140)
1400
dies Wertsystem erfüllt die Bedingungen (138') und (138") identisch,
rechtfertigt somit auch indirekt den gemachten Ansatz (139).
Die vorstehenden Formeln gestatten, wenn S A^^y^ in der voraus-
gesetzten Gestalt erhalten ist — etwa durch ein Potential 0^^, welches
in den a^^ h^^ c^^^ und a^^ h^^ c^^ ausgedrückt ist — aus den^j^^, . . .
und urffc*, ... die Komponenten und Momente der Wechselwirkungen
zu berechnen und ebenso das umgekehrte Problem, wenngleich minder
einfach, zu behandeln. In dem Falle, daß die Körper identisch und
parallel gelegen sind, also Ln% = A&, M^y, = AT^ä, JVJ^i = N^^ ist,
wird Xä = — Xfc, Tä = — Ji, ^^ = ^ Z^ und Al^ ... wie Aln^ . . .
nehmen direkt die Bedeutung der Hälfte der Komponenten An^^ . . .
resp. -^tAj • • • d^r ausgeübten Kräfte nach den Axen A^^ B^j C{, an,
die ja nun mit Ai^ JS^', Oi, parallel sind.
Die vorstehenden Formeln führen dann auf
SA = AnicSünu + BhkSbuu + CnicSc^k
und
''**^""^^' ^''^^^k;.' ^''^'^t^
140")
Ein sehr allgemeiner und wichtiger Fall der Wechselwirkung
zwischen zwei Körpern m^ und m^ ist der, daß die einzelnen Raum-
elemente beider als materielle Punkte betrachtet werden können, also
körperliche Elräfte aufeinander ausüben, die den wirkenden Massen
proportional und im übrigen nur Funktionen der wechselseitigen
Entfernung sind, demgemäß nach S. 41 jedenfalls ein Elementar-
potential von der Form F{r^^dm^dm^ besitzen. Hier nimmt dann
das Potential der gesamten Wechselwirkung die Form
^12= ff d^i^^2^ir,^) 141)
an.
Auch die Teile eines und desselben Körpers üben aufeinander
Wirkungen, welche ein Gesamtpotential liefern; schreibt man dasselbe
aber als ein Doppelintegral in der Form (141), so ist der Faktor y,
118 /. TeiL Mechanik starrer Körper. IIL Kap,
beizufügen, weil bei dieser Darstellung jede Kombination von zwei
Massenelementen zweimal berücksichtigt ist Bezeichnen daher dm
und drrC Elemente desselben Körpers, so erhält man für sein
Potential auf sich selbst
141') ([>' = \ffdmdm'F{r).
0 resp. 0' lassen sich nur in wenigen Fällen in geschlossener
Form berechnen, doch bieten mitunter auch Reihenentwicke-
lungen anschauliche Resultate. So z. B. in dem wichtigen Falle,
daß die Gestalten beider Körper beliebig, aber ihre Dimensionen
sehr klein gegen ihre Entfernung sind, so daß man F{rj^^) nach Po-
tenzen der Koordinaten (jTj — |j), (y^ — tj^), (Zj — fj) resp. (t, — |,),
(y» "^ ^s)> (^2 ^ ^) ^®^ Massenelemente dm^ resp. dm^ relativ zu den
beiden Schwerpunkten entwickeln kann.
Wir wollen zunächst nur wegen ar,, y,, z^ entwickeln, also die
Wechselwirkung zwischen einem Element dm^^ und dem Körper m^
berechnen. Versteht man unter e die Entfernung des Schwerpunktes
l2> ^2' ^2 ^^^ rfmj, so erhält man bei Beschränkung auf die Glieder
zweiter Ordnung und bei Rücksicht auf die Definitionen (120')
(I>'=^dfn,fdm^F{r,,),
= dm, [m,F{e) + \{H, + Z, - H,)^^^'^ +.. + ..
dies läßt sich, wenn M, das Trägheitsmoment des Körpers m, um
die Richtung von e bezeichnet, nach (121) auch schreiben
141')
<P = dm, [m,F{e) + i(E, + H, + Z,)^
-iM.ra=!-i^')].
Beschränkt man sich auf dieselbe Annäherung in Bezug auf
den Körper m, , so betriflFt die Entwickelung in Bezug auf ar^ , y^ , z^
in (141') nur das erste Glied, und man erhält ohne Rechnung, wenn
man gleichzeitig durch (121"") die Hauptträgheitsmomente einfahrt,
141")
0 = mj wi, F{E)
+ i^^h(^ + Bt + r,) + ^(A, + B, + r,)]
, (d^F{E) 1 dF(E)\f ^ . ^ .
§ 16, Molekulare Theorie der Elastieität. 119
Hierin bezeichnet E die Entfernung der Schwerpunkte und M^
resp. M, das Trägheitsmoment von m^ resp. m^ um die Richtung von K
Die ersten beiden Glieder dieser Formel sind Funktionen von
B allein, das letzte enthält auBerdem noch seine Richtungscosinus
gegen die absolut festen Axen. Indessen ist die letztere Abhängig-
keit natürlich nur scheinbar yorhanden.
Drückt man nämlich M/k durch die Hauptträgheitsmomente Aa,
B/k, fh und die Richtungscosinus a^, ßhj Yn ^on E gegen die Haupt-
trägheitsaxen von m^ aus, setzt also
so erkennt man, daß alles auf das absolut feste Koordinatensystem
bezügliche hinwegfaüt Dabei hat Ea^j ^ßiy ^Yi resp. die Bedeu-
tung von «12, Äi2, Cj, und Eo^, Eß^y Ey^ die von a^y \^j c,j in
den obigen Formeln (139) bis (140"), und es ist zugleich
^ = «!,' + *. ,* + ''i,* = «31* + *m' + c^j«;
0i2 also in der Seite 115 u. f. vorausgesetzten Gestalt erhalten.
Man kann demgemäß nun auch die Gleichungen (139'"') und
(HO') zur Berechnung der Komponenten und Momente der Wechsel-
wirkung anwenden. Die Resultate sind sehr kompliziert; dagegen
läßt sich aus den Formeln (137') und (137") ohne alle Rechnung ein
einfacher Satz über die Gleichgewichtslage eines jeden der beiden
Körper ableiten, wenn man dieselben je im Schwei^unkt unterstützt,
aber übrigens frei bewegUch denkt
Ein jeder der beiden Körper ist nämlich dann im stabilen resp.
labilen Gleichgewicht, wenn er mit der Hauptträgheitsaxe größten
resp. kleinsten Momentes in der Richtung der Verbindungslinie E
der beiden Schwerpunkte liegt, und zwar entsprechen sich die beiden
Angaben direkt, wenn der Faktor von (w^Mj + mjMi) positiv,
indirekt, wenn er negativ ist
In dem Falle, daß die wechselwirkende Kraft die Gravitation
ist, hat F{E) den Wert —fjEy der bezügliche Faktor wird daher
'-\fjE^j und demgemäß giebt hier die Axe kleinsten Trägheits-
momentes stabiles Gleichgewicht
§ 16. Molekniare Theorie der Elastieität.
Mit den Entwickelungen des vorigen Abschnittes steht eine
Theorie im nächsten Zusammenhang, deren Ziel ist^ die in elastischen
deformierten Körpern herrschenden Druckkräfte aus Wechsel-
wirkungen zwischen ihren Molekülen zu erklären. ^^)
120 /. TetL Mechanik starrer Körper, III. Kap.
Dieselbe geht von der Vorstellimg aus, daß ein elastischer Ery-
stall, der den allgemeinsten Fall eines homogenen elastischen Körpers
repräsentiert, im natürlichen oder undeformierten Zustand, d. h^
wenn er weder körperliche, noch Oberflächendruckkräfte erfährt
und überall dieselbe Temperatur besitzt, gebildet ist durch eine sehr
große Zahl gleicher, regelmäßig yerteilter und mit ihren korrespon-
dierenden Axen parallel gelegener Elementarteile, die man fiir die
Zwecke dieser Entwickelung als starre Körperchen denken kann,
und die sich unter ihrer Wechselwirkung im Gleichgewicht befinden.
Ob diese Elementarteile direkt Moleküle der Substanz oder Gebilde
höherer Ordnung sind, ist ohne Belang.
Im deformierten Zustand ist jedes von ihnen yerschoben und
gedreht, und wir nehmen an, daß diese Änderungen unendlich klein
und stetige Funktionen der Koordinaten sind.
Wir konstruieren nun an der Stelle x, y, z ein Flächenelement
und über demselben einen normalen Cylinder vom Querschnitt q;
die Richtung der Cylinderaxe bezeichnen wir durch n und rechnen
sie nach Innen positiv, die Komponenten aller Wirkungen, welche
die Teilchen jenseits des Flächenelementes auf die Teilchen inner-
halb des Cylinders ausüben, bezogen auf die Einheit des Quer-
schnittes, nennen wir die Komponenten des molekularen
Druckes gegen das an der Stelle x, y, z gelegene und durch die
Normale n definierte Flächenelement ®^
Wir können sonach in leicht verständlicher Bezeichnung schreiben
142) j; = i-^^j*«, j„ = -i^^i;.., ^, = 1^^^,,,
9 i a 9 i a ^ i a
worin mit i die Teilchen innerhalb des Cylinders, mit a die Teilchen
jenseits des Flächenelementes bezeichnet werden. Da die Wirkungen
molekulare sind, so erstrecken sie sich in merklicher Stärke nur auf
unmerkliche Entfernung; innerhalb der Sphäre ihrer Wirkung soll
aber trotzdem eine sehr große Anzahl von Teilchen liegen. Ihre
Koordinaten mögen, da die Teilchen unendlich klein sind, und eine
Unterscheidung verschiedener Punkte, z. B. des Schwerpunktes, in
ihnen demgemäß keinen Sinn hat, wie bei einzelnen Massenpunkten
durch x^ y^ z^ und jr«, y«, Za bezeichnet und ihre relativen Koordinaten
^i — ^o = Xiay Vi—ya^ Via^ ^i — Za =^ Zia
gesetzt werden.
Die in (142) auftretenden, eigentlich sechsfachen Summen, die f6r
uns zunächst nur den Sinn von ßechnungsgrößen haben und erst später
physikalische Bedeutung gewinnen werden, lassen sich auf dreifache
§ 16, Molekulare Theorie der Elastieität 121
reduzieren. Bezeichnet v die Anzahl der Elementarteilchen inner-
halb der Yolumeneinheit, so kommt in jedem der Ausdrücke (142)
eine Kombination m« 77ia in bestimmter relativer Lage so oft vor, als
in dem Abschnitt des Cylinders vom Querschnitt q und einer Höhe
gleich der parallel n gemessenen relativen Koordinate n' von m,- gegen
nia Teilchen liegen, also vqn^ mal. Demgemäß können wir schreiben
X^^^v^n'T, Y^^v2'iiT, Z^^v^'n'Z', 142^
wo nun die Summation 2^ über alle möglichen Kombinationen von
Teilchen m^ und ma auszudehnen ist, doch so, daß jede einer be-
stimmten relativen Lage entsprechende Kombination nur einmal zu
nehmen ist Dies kommt darauf hinaus, daß ein in der Grenzfläche
gelegenes Teilchen mi mit allen auf der negativen Seite von q ge-
legenen rria kombiniert werden soll.
Die Summen (142') lassen sich noch umgestalten. Da jedes
Elementarteilchen in gleicher Weise von den anderen innerhalb der
Wirkungssphäre liegenden umgeben sein soll, so muß auch jeder
Kombination mit den relativen Koordinaten x\ y\ z' und n' sich eine
entsprechende mit den Koordinaten —x\ —y', — z' und — n' zuordnen,
welche nach der Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung ent-
gegengesetzt gleiche Komponenten —X\ —Y\ ^Z^ liefern muß.
Daher kann man auch setzen
und die Summen über alle auf ein an der Stelle x, y, z liegendes
Teüchen ausgeübten Molekularwirkungen erstrecken.
Die Größe dieser Druckkomponenten hängt außer von der Lage
des Punktes x, y, z und der Richtung der Normalen n von der An-
ordnung der Elementarteilchen des Krystalles ab, die bei jeder De-
formation im allgemeinen verschieden sein wird. Im natürlichen
Zustand setzen wir diese Summen für jede Stelle und jede Normalen-
richtung gleich Null, eine Annahme, die im Eingang des nächsten
Teiles ausführlicher begründet werden wird.
Wählt man für die Richtung n successive die Richtung der
+X-, +Y'j -h^Axe, so erhält man neun spezielle Druckkomponenten
^Xi ^«> ^«J ^y^ YyJ ^y> -^.> ^,> ^«J
dabei ist zum Beispiel
worin x\ y\ £ die relativen Koordinaten des einen angezogenen
122 /. TeiL Mechanik starrer Körper. IIL Kap.
gegen alle die anziehenden Teilchen und X\ Y\ Z^ den die letzteren
entsprechenden Komponenten bezeichnen.
Aus den gegebenen Definitionen folgen sogleich die Formeln
X^ = X^ cos (n, x) + Xy cos (7i,y) + X, cos (w, z),
143') . r^ = r„co8(n,x) + ryCOs(n,y) + i;co8(«,z),
.^« = ^„<^s(»i,ar) + ^j^C08(«,y) + ^,co8(n,z),
und aus ihnen als spezieller Fall für zwei entgegengesetzte Bich-
tungen Ton n
143") ^ =5 — X»„, 1^ = — JT-^, ^„ s=s — ^_„.
Für die weitere Entwickelung denken wir den Körper im defor-
mierten Zustande befindlich und mit u, v, w die Verschiebungen, mit
ly m, n die Drehungen seiner Teilchen bezeichnet^ beide auf das System
Xj Y, Z bezogen. Die «, v, tr, welche, so lange der Zusammenhang des
Körpers nicht gestört ist, notwendig stetige Funktionen der Koordi-
naten sein müssen, entwickeln wir innerhalb des Bereiches der Mole«
kularwirkung nach Potenzen der relativen Koordinaten und erhalten,
indem wir, wie oben kurz
Xi —Xa — x\ yi-^y^ ^ y\ z^^ z^^ z\
auch
144) Mi -- Ua ==: u\ t?| — »a = v\ tOi --- Wa ^ to'
setzen, als erste Annäherung
,/ V ^** J- •/ ^** _L ^' ^**
1440 I « ^^d^ + yäiT + '^äü:'
ox ^ oy d%
Auch /, m, n betrachten wir als stetige Funktionen der Koordinaten
und dürfen uns hier, wie die Folge zeigt, mit dem niedrigsten
Grad der Annäherung begnügen xmd /, m, n innerhalb des Bereiches
der Wirkungssphäre konstant setzen.
Demgemäß legen wir durch den Anfangspunkt des absolut festen
Systemes X, JT, Z ein zweites Koordinatensystem Ä^ 5, (7, welches im
ursprünglichen Zustand mit X, Y^ Z zusammenfällt, aber bei der De-
formation sich mit den Elementarteilchen dreht
Die auf dies System bezogenen Koordinaten von m,- und m^ seien
cLij biy Ci und fla, Äfl, c«; wir setzen wie oben
144") H^-^ aa== Oiaj *< — *a = *<a> <^« -^ <?« = Cj«,
§ 16. Malekuiare Theorie der Eaastieität 128
und in dem spezidilen Falle, dafi nur ein angezogenes Teilchen mi
mit allen m« kombiniert wird,
CLia = a', bia = b\ Cia = c\ 144'")
IEa ist dann das Potential ^> der Wechselwirkung nach dem Inhalt
des vorigen Abschnittes nur eine Funktion von a\ b\ c\ und es gilt
fbr die parallel Äj B, C genommenen Komponenten
^•--1?. ■»•=-!?. '^--I?. •«)
und weiter einerseits
a' = ar' + y*n — s^m^ ar' » a' — Vn + c'wi, \
c' = z' + x'm — y'ly z' =^c' -- <£m + ä7, j
andererseits ein gleiches System Formeln fllr die Komponenten A\ B\
C und X\ r, Z\
Diese Werte mögen sich auf den deformierten Zustand be-
ziehen^ f&r den natürlichen mögen dieselben Buchstaben mit dem
Index 0 versehen werden; es ist dann zugleich
«i = x\ Vq = y\ cj> s= / und /^ = m^ « w^ = 0.
Bezeichnen wir die Komponenten der Verschiebungen na^^h dem
System Äy By C mit fy g^ A, die relativen Verschiebungen mit /!«, gi^y Ka
oder in dem oben erörterten speziellen Falle mit f\ g\ h\ so wird
außerdem, da 0, und somit Ä\ By CP nur von a\ b\ c' abhängen,
1460
zugleich ist unter Vernachlässigung der Glieder zweiter Ordnung
y :=ü' +4/ ~«o», [ 146")
A' = tr' + fltowi — *o^, J
oder unter Bücksicht auf (144^)
^-4(U-«) + %U + c|,(|j + /), I 146'")
ÖX
124 /. TeiL Mechanik starrer Körper. IIL Kap,
Setzt man die Werte (146'") in (146) und das Resultat in das
zweite System (145') ein, so erhält man:
147)
Femer giebt die Kombination der unter Benutzung von (146'") be-
rechneten Ausdrücke (146') flir J!, ff C" mit dem auf die Eraft-
komponenten bezogenen zweiten System von (145') die definitiven
Werte von Z', F, ZT.
Endlich findet man durch eine einfache geometrische Betrach-
tung die Beziehung zwischen der Anzahl v^ der Teilchen in der
Volumeneinheit vor der Deformation und der v nach derselben:
Damit sind alle zur Berechnung der Druckkomponenten X^, ..., ^,
nach (143) nötigen Größen erhalten.
Bei der Bildung dieser Werte hat man zu berücksichtigen,
daß l^nij n und die Differentialquotienten von Uj Vj w innerhalb des
Summationsbereiches konstant, überdies unendlich klein erster Ord-
nung angenommen sind. Man gelangt dann auf zwei Gattungen
von Summen.
Die erste Gattung hat die Form
2 O^O^O? 2
^ b '^o ^0 ? "a" b ^*o > ^' ^* ^* >
die Summen in dem Sinne genommen, wie in (142') festgestellt ist;
sie stellen, da der Index ^ auf den ursprünglichen Zustand hinweist,
und da in diesem die Axen ^, J?, C mit den Axen J, Z, Z zusammen-
fallen, die Werte der Molekularkomponenten X^, . . . Z^ im natür-
lichen Zustand dar und sind demgemäß gleich Null. Durch diese
Überlegung reduziert sich die Anzahl der Glieder in den allgemeinen
Werten X , ..., ^, erheblich.
X' 'S
Die zweite Gattung von Summen hat die Form
2 ö öa'o 0 ' 2 ö ö6i ^0^0 > ^- 8- 1-,
welche sich nach Einfuhrung des Potentials auch schreiben läßt:
_^QÖ^q^»2 __?^LQ_?!_^q_J'c' USf
2 O da»^t ^0 J 2 O öai ÖÄi 0 0 ' ^- ^' ^•
Diese Summen sind von der hervorgebrachten Deformation ganz
§ 16. Molekulare Theorie der Elasticität
125
unabhängig und bestimmen sich allein durch das Gesetz der Wechsel-
wirkung und die Anordnung der Elementarteilchen der Substanz:
sie sind also dem Medium individuelle Konstante. Wir bezeichnen
sie mit CÜ, wobei die unteren Indices auf den Nenner des Differen-
tialquotienten, die oberen auf seine Faktoren hinweisen; z. B.
ist hiemach
6*0
— ^81 —
^81
1470
Die neun Komponenten X^ ... Z^ stellen sich als homogene
lineare Funktionen der neun Argumente
du
dx '
du
+ n,
du
dx.
— m,
dv
dx
— w,
dv dv
dy ' d%
+ 1,
dv)
dx
+ wi,
dw
dy
-i,
dw
1^
dar, die sich aus den Verschiebungen u, v, w und den Drehungen
^ m, n an der betrachteten Stelle ableiten.
Das System von Faktoren dieser Funktionen stellt sich in der
obigen Bezeichnung folgendermaßen dar.
du(du , \(du \\(dv \dv(dv , j\\[dw ^ \(dy> ,\
dw
di:
~K
cv
\ c\\
c\\
<^\\
^12
o\\
o\\
G\\
C\\
-^
c\,
\ c\\
G\\
c\\
/T2 2
c\\
C\\
C\\
c\\
-^,
o\\
1 c\\
C\\
o\\
^12
^12
c\\
o\\
0\\
-Y,
<^i,
\ G\\
o\\
o\\
QX1
^22
^22
o\\
^28
c\\
-^,
c\\
\ c\\
C\\
c\\
^22
^28
^22
c\\
/T22
^28
c\\
-Y,
c\\
1 nt%
1 ^i\
c\\
c\\
^22
A>88
^22
G\\
^78
o\\
-K
c\\
9\\ .
c\\
/Tri 2
^82
^82
^ii
^88
o\\
-^.
c\\
' G\\
c\\
c\\
/nr2 2
^82
/>28
^82
c\\
^22
^^88
o\\
-2,
o\\
\ o\\
c\\
c\\
/^8 2
^82
'^82
c\\
/T82
^88
c\\
148)
Zu diesem Schema ist zu bemerken, daß es sich nur auf die
Abhängigkeit der X^...Z^ von den du/dx ... dw/dz imd nicht
auch auf die umgekehrte bezieht
Da nach (147') das System der C^n zu der Diagonalen des
vorstehenden Schemas symmetrisch angeordnet ist, so giebt es eine
homogene Funktion I" zweiten Qrades der oben stehenden neun
Argumente, welche die Eigenschaft hat, daß
126 /. Teil Meehamk starrer Körper. IIL Kap.
Y dF' Y BF' Y ^^'
Durch ganz analoge Ausdrücke, wie sie in (142") ftlr die Kom-
ponenten der Molekulardrucke aufgestellt sind, kann man nun auch
molekulare Momente Z^, M^j iV^ definieren; nach den Formehi
(138") sind aber, wenn die Entfernungen, in welche die Elementar-
teilchen überhaupt wirken, nur unmerklich klein sind, die Momente
um eine Ordnung höher unendlich klein, als die Komponenten, und
ihr Einfluß im allgemeinen — die nicht wahrscheinlichen Fälle aus-
geschlossen, wo in den Summen die Komponenten sich gegenseitig
zum größten Teil zerstören — neben dem jener zu vernachlässigen.
Sind diese Momente unendlich klein und wirken äußere Kräfte
nicht drehend auf die Elementarteile ein, was der gewöhnliche Fall
ist, dann besteht, wie später aus allgemeinen mechanischen Sätzen
abgeleitet werden wird, zwischen sechs der neun Druckkomponenten
ganz allgemein das Formelsystem
148') Y^^z. z^^x. x„=r.
Dieses System kann dazu dienen, die Drehungskomponenten
/, m, n der Elementarteilchen, als direkt nicht wahrnehmbare Größen,
aus den Resultaten, welche das Schema (148) enthält, zu eliminieren,
und X^, . . . Xy — andererseits aber auch die Molekulardrehungen
/, TW, » selbst — nur durch die äußerlich am deformierten Körper
wahrnehmbaren Verrückungen u, r, w auszudrücken.
Diese Elimination ist zwar umständlich, aber ohne alle prin-
zipielle Schwierigkeit, und liefert folgende wichtige Resultate.
Die sechs unabhängigen Druckkomponenten X^ Y ^ Z , Y . Z , X
werden homogene lineare Funktionen nur allein der sechs Argumente
r*-"^«' ä^-y»' a*-^"
dx'^dy'^y^' Wi'^dl^^^^ di'^'di^^v'
welche die Deformationsgrößen an der Stelle ar, y, z heißen,
und sie genügen den Formeln
148'") ^A'.^^.^y ^ = ^
' dx.. dx^^ dx. dx ^
welche die Bedingungen dafür sind, daß sich die X^, . . . X als par-
tielle DiiTerentialquotienten einer Funktion F von diesen sechs Ar-
gumenten ausdrücken lassen, gemäß den Beziehungen
148'") ^.= -||, ^,= -||-
§ 16. Molekulare Theorie der EiasHeäät
127
Bezeichnen wir die 21 Eonstanten dieser homogenen Funktion zwei-
ten Grades mit e^jt » Cf^Ky so gilt folgendes System von Faktoren fttr
die Abhängigkeit der X,, . . . X^ Ton den ar . . . . :r , aber nicht um-
gekehrt.
*.
y»
*.
y.
',
'y
-^.
«^u
«1.
«'ij
«14
«If
«16
-^.
«M
''m
S»
«84
«86
«86
-^.
«^»X
«"ss
«^8»
«84
«8«
«86
-^.
C«
c«
C«
«44
«46
«46
-z>
«81
«.»
<^63
««4
«66
«66
-^.
«^61
«"as
«68
«84
«66
«66
149)
Die Drehungskomponenten ly m^ n werden lineare Funktionen
von allen neun partiellen Differentialquotienten der «, Vy w, oder
anders ausgedrückt, sie enthalten außer den sechs Argumenten
x'
. . X auch noch die Kombinationen
welche, wie leicht direkt nachzuweisen ist und später noch besonders
gezeigt werden wird, die Drehungskomponenten des Yolumenelementes
an der Stelle or, y, z im ganzen bezeichnen und von seiner Defor-
mation unabhängig sind.
Von den höchst allgemeinen, durch das Schema (148) angedeu-
teten Formeln gelangt man zu einem spezielleren System, wenn man
die beschränkende Annahme macht, daß die Wechselwirkungen zwi-
schen den Elementarteilchen nur Funktionen ihrer Entfernungen
sind, also nach allen Seiten hin gleichmäßig stattfinden. Dann ist,
wie sich leicht durch Rechnung zeigen läßt:
ö« <P a« <P
d*0
V : . . . = a'* : a' Ä' : a' c' . . . ;
150)
öa*« • da'db' ' da' de
in Folge dieser Beziehungen wird in dem Schema (148)
(t\ = C^i = er*" = . . . 150')
d. h^ man darf, ohne den Wert von C zu ändern, die Tier Indices
untereinander beliebig yertanschen.
Diese Eigenschaft Ycreinfacht das System (148) außerordentlich;
es Tersdiwinden aus ihm von selbst die Drehungskomponenten /, m,
n der Elementarteilchen, die hierin derThat auf die Wechselwirkungen
keinen Einfluß haben können, und die neun Differentialquotienten der
128 /. TßiL Mechanik starrer Körper. IIL Kap,
», Vy w verbinden sich zu den sechs Aggregaten x^j , , , x in (148"),
zugleich werden von selbst die Formeln (14&') und (148'") erfüllt;
außerdem aber wird in X^ der Faktor Yon y, gleich demjenigen Yon
X in X, u. s. f., was sich auch so ausdrücken läßt, daß die
zweiten Difierentialquotienten yon F nach den Deformationsgrößen
stets das gleiche Resultat liefern, wenn die vier im Nenner auftreten-
den Buchstaben die gleichen sind, so daß also gilt
150 ) 5 5— = ^ 5— U. 8. f.
Das so entstehende System von Molekulardrucken stimmt mit
dem Schema (149) überein, wenn man dort
setzt, hat also nur 15 unabhängige Faktoren und gilt, wie gesagt,
nur dann, wenn die Elementarwirkungen nicht mit der Sichtung
variieren, die Elementarteilchen also den Charakter von materiellen
Punkten haben. ®^)
Die Systeme (148) und (149) stellen die allgemeinsten, aus den
gemachten Annahmen ableitbaren Resultate dar; sie gelten f&r Kry-
stalle jedes Systemes, nehmen aber für bestimmte von ihnen, und
gar für isotrope Medien, erheblich einfachere Formen an. Für die
Gewinnung derselben kommen gewisse allgemeine Grundsätze in Be-
tracht, deren Darlegung nunmehr vorgenommen werden soll.
§17. Die Einfahnmg der Symmetrieelement^ in physikalische Oe-
setse, welche sich auf Krystalle besiehen.
Überall, wo, wie in dem vorigen Paragraphen, eine allgemeine
Entwickelung zu Resultaten geführt hat, die f&r jeden homogenen
Körper in gleicher Weise gültig sind, bietet sich die Aufgabe, die-
selben für die einzelnen ErystaUgruppen nach den diese auszeichnen-
den Eigenschaften zu spezialisieren.
Für diese Aufgabe wird stets die auf die Erfahrung gegründete
fundamentale Hypothese benutzt, daß die Symmetrie des physika-
lischen Verhaltens nie geringer ist, als die Symmetrie der Wachs-
tumserscheinungen, die sich meist in derjenigen der Ery stall-
form ausdrückt, so daß also krystallographisch gleichwertige
Richtungen jedenfalls auch physikalisch gleichwertig sind.
§ 17. KrystctUographische Sf^mmeirieelemente, 129
Die krystaUographischen Symmetrieelemente sind Symmetrie-
centrum, Symmetrie- oder Spiegelungsebene, Symmetrieaxe, Spiegel-
dreh- oder kurz Spiegelaxe.
Ein Symmetriecentrum ist ein Punkt von der Eigenschaft^
daß die Vertauschung aller Yon ihm ausgehenden Eichtungen mit
den entgegengesetzten (Inversion) das Erystallpolyeder mit sich selbst
zur Deckung bringt
Eüne Symmetrieebene ist eine Ebene, in Bezug auf welche
gespiegelt das Polyeder mit sich zur Deckung kommt
Eine Symmetrieaxe ist eine Axe Yon der Eigenschaft, daß
eine Drehung um dieselbe das Erystallpolyeder mit sich zur Deckung
bringt Ist 2 9r/n der kleinste der Axe entsprechende Drehungs-
winkel, so haben alle Drehungswinkel 2nhl rijwo h = 1, 2, ...n— l,n
ist, die gleiche Eigenschaft, und die Axe heißt n-zählig. Krystallo-
graphisch möglich sind nur die Fälle n » 2, 3, 4 und 6.
Eine Spiegeldrehaxe ist eine Axe Ton der Eigenschaft, daß
durch eine Drehung um dieselbe und eine folgende Spiegelung in
Bezug auf eine zu der Axe normale Ebene das Polyeder mit seiner ersten
Position zur Deckung gelangt Ist n / n der kleinste Drehungswinkel,
welcher dieses leistet, so haben Drehungen um (2A+ l)7r/2n für
A = 1, 2 . . . n — 1 dieselbe Eigenschaft, und die Axe heißt n-zählig.
Krystallographisch möglich sind, was hier zu beweisen nicht nötig
ist, nur die Fälle n=^2 und 3.
Zwei Symmetrieaxen oder zwei Spiegeldrehaxen sind gleich-
wertig, wenn es gelingt, das Polyeder dadurch mit sich zur Deckung
zu bringen, daß man die eine dieser Axen in die Richtung bringt,
in der ursprünglich die andere Axe lag. Symmetrieebenen sind
gleichwertig, wenn man das Polyeder dadurch mit sich zur Deckung
bringen kann, daß man es mit der einen Symmetrieebene in die-
jenige Ebene legt, welche ursprünglich die andere Symmetrieebene
enthielt
Drei zueinander normale gleichwertige Axen heißen cyklisch
Ter tauschbar, wenn man das Erystallpolyeder dadurch mit sich
zur Deckung bringen kann, daß man die Sichtung der drei Axen,
die in gewöhnlicher Reihenfolge gerechnet mit X, T, Z bezeichnet
werden mögen, so verändert, daß T, Z, X oder Z, X^ T in die ur-
sprünglichen X, r, Z fällt
Die an einem Erystallpolyeder überhaupt möglichen Symmetrie-
elemente sind keineswegs sämtlich voneinander unabhängig. Schon
in dem Torstehend Angegebenen tritt dies hervor; denn offenbar ist
eine sechszählige Symmetrieaxe zugleich auch zwei- und dreizälilig,
VoiuT, Theoretische Physik. 9
180 L TeiL Meehanik starrer Korper. IIL Kap,
eine zwei- oder dreizählige Spiegelaxe zugleich auch zwei- oder drei-
zählige Symmetrieaxe. Während aber diese Eigenschaften als in
der Definition eingeschlossen zu betrachten sind, treten durch gleich-
zeitiges Vorhandensein zweier unabhängiger Symmetrieelemente mit-
unter dritte auf, die von der Existenz jeder einzelnen von ihnen
unabhängig sind.
Die hierauf bezüglichen, durc}i einfache geometrische Über-
legungen abzuleitenden Gesetze haben nur zum Teil physikalische
Bedeutung. Die wichtigsten sind die folgenden.
Steht eine p-zählige Symmetrieaxe normal zu einer n-zähligen,
so giebt es notwendig noch (n — 1) p-zählige gleichwertige; dieselben
lieg^i in der Ebene normal zu der p-zähligen Axe, und die Nachbar-
axen schließen gleiche Winkel ein. Hieraus folgt, daß p notwendig
eine gerade Zahl sein muß, wenn n > 2 ist Ist n eine gerade Zahl,
etwa = 2 m, so sind die bezüglichen Axen paarweise entgegengesetzt
gerichtet; ihre Winkel werden durch 2 m gleichfalls unter sich gleich-
wertige Symmetrieaxen halbiert
Mit zwei zu einander normalen yierzähligen Symmetrieaxen werden
hiemach notwendig noch weitere vier verbunden sein, die mit jenen
Winkel Yon 7r/2 und n einschließen; alle sechs aber sind gleichwertig.
Mit ihnen treten femer auf zwölf gleichwertige zweizählige Axen
Yon paarweise entgegengesetzter Richtung, welche die zwischen den
yierzähligen Axen liegenden rechten Winkel halbieren, sowie acht
gleichwertige dreizählige von paarweise entgegengesetzter Richtung,
welche durch die Mitte der Oktanten gehen, die durch je drei vier-
zählige Axen bestimmt werden.
Drei Yertauschbare, zu einander normale zweizählige Axen sind
notwendig Yerbunden mit drei entgegengesetzt gerichteten, gleich-
wertigen, zweizähligen Axen; je drei einen Oktanten umgebende
von diesen sechs sind cyklisch vertauschbar. Durch die Mitten der
Oktanten gehen acht dreizählige Axen, von denen die vier um eine
zweizählige Axe liegenden abwechselnd gleichwertig sind.
Geht durch eine n- zählige Symmetrieaxe eine Symmetrieebene,
so giebt es, je nachdem n gerade oder ungerade ist, noch n/2 — 1
oder n — 1 gleichwertige Symmetrieebenen, welche ebenfalls durch
jene Axe gehen.
Steht eine Symmetrieaxe oder eine Spiegeldrehungsaxe nonnal
zu einer m- zähligen Spiegeldrehungsaxe, so giebt es noch weitere
2771 — 1 gleichwertige Axen, die auf der letzteren senkrecht stehen
und paarweise entgegengesetzte Richtung haben; ihre Winkel werden
durch m gleichwertige Symmetrieebenen halbiert.
§ 17. Krystaüograpkisehe Ortippen. 131
Zwei zu einander normale zweiz&hUge Spiegeldrehungsazen
ziehen die Existenz von noch weiteren vier nach sich, die mit ihnen
die Winkel n und di/2 einschließen; alle sechs sind gleichwertig und
einander paarweise entgegengesetzt Mit ihnen ist notwendig yer-
bunden das Auftreten Ton acht dreizähligen Symmetrieaxen, welche
durch die Mitten der durch die ersteren bestimmten Octanten gehen,
und Ton denen die rings um eine Spiegelaxe liegenden abwechselnd
paarweise gleichwertig sind.
Ist ein Centrum der Symmetrie vorhanden, so bedingen eine
Symmetrieebene und eine senkrecht zu ihr stehende geradzahlige
Symmetrieaxe sich gegenseitig. —
Wir wollen nunmehr die 82 Erystallgruppen zusammenstellen
und durch je ein System voneinander unabhängiger Symmetrie-
elemente charakterisieren. Dies kann nach dem soeben Gesagten
auf sehr yerschiedene Weise geschehen; ftlr die Zwecke der An-
wendung in der theoretischen Physik ist es am rationellsten, solche
Symmetrieelemente zu bevorzugen, welche zu einem rechtwinkeligen
Koordinatensystem, das wir alsHauptaxensystem mit demErystall-
polySder verbinden, in direkter Beziehung stehen. Von diesem
Axensystem soll jederzeit die Z-Axe mit der ausgezeichneten Sym-
metrie- oder Spiegelaxe zusammenfaUen, wenn die Krystallgruppe
eine solche besitzt; von der X- und T-Axe soll, wenn die Symmetrie
nicht gestattet, beide in Symmetrieaxen zu legen, die X-Axe jeder-
zeit bevorzugt werden. Der Buchstabe C bezeichne das Vorhanden-
sein eines Symmetriecentrums,- Sa das einer Symmetrieebene normal
zur Richtung a; J^ weise auf eine m- zählige Symmetrieaxe in der
Richtung ft, ST auf eine n-zählige Spiegeldrehungsaxe parallel c hin.
Drei Axen, welche cyklisch vertauschbar sind, seien durch die
Zeichen «%« verbunden.
Bezüglich der Anordnung und Bezeichnung der Krystallgruppen
schließe ich mich an die Vorschläge von Schönelies ^^ an.
Die Erystallgruppen werden in sieben Systeme verteilt; in
jedem System kehren mehr oder weniger vollständig dieselben Unter-
abteilungen wieder.
Die holoedrische Gruppe enthält die Gesamtheit der in
dem System vorkommenden Formelemente. Die übrigen Gruppen
werden als hemiödrische und als tetartoedrische bezeichnet,
je nachdem sie im Maximum die Hälfte oder ein Viertel der Maximal-
zahl von Flächen der holoedrischen Gruppe aufweisen können. Bei
den meisten Sjystallsystemen sind mehrere HemiSdrien und Tetar-
9*
132 /. Teil. Mechanik starrer Körper. III. Kap.
toedrien möglich, welche dann durch besondere Bezeichnungen charak-
terisiert werden müssen.
Im monoklinen und rhombischen System werden diejenigen
Halbäächner, welche beide Seiten der ausgezeichneten Axe gleich-
wertig belassen, kurz als hemi^drisch, diejenigen, welche dieselben
ungleichwertig werden lassen, spezieller als hemimorph-hemiedrisch
oder kurz als hemimorph bezeichnet
Das rhomboedrische, das tetragonale oder quadratische
und das hexagonale System zeigen in ihren Unterabteilungen die
größte Analogie.
Bleiben aUe Symmetrieaxen erhalten, aber verschwinden das
Centrum der Symmetrie und die Symmetrieebenen, so entstehen, je
nachdem die eine oder die andere Hälfte der ursprünglichen Flächen
beibehalten wird, zwei Halbflächner, die sich gegenseitig nicht zur
Deckung bringen lassen; man nennt sie enantiomorph und be-
zeichnet mit demselben Namen die Hemiedrie der Gruppe.
Fallen mit dem Symmetriecentrum die zur ausgezeichneten
Z'Axe normalen zweizähligen Symmetrieaxen weg, so werden da-
durch die beiden Seiten der Hauptaxe ungleichwertig und die Hemi-
edrie nach dem Vorstehenden hemimorph.
Verschwinden endlich die Nebenaxen und die durch die Hauptaxe
gehenden Symmetrieebenen, während die Hauptaxe ihre Natur behält
und das Symmetriecentrum bestehen bleibt, so sind die beiden Seiten der
Hauptaxe spiegelbildlich gleich und die Hemiedrie heißt paramorph.
Das tetragonale und das hexagonale System gestatten je
noch eine vierte Hemiedrie, bei der die Hauptaxe ihre Natur ändert ;
sie wird nach dem Charakter der Hauptaxe bezeichnet
Viertelflächner erhält man einmal, indem man als einziges Sym-
metrieelement die Hauptsymmetrieaxe mit dem durch die Holoedrie
gegebenen Charakter beibehält; sie sind als die normalen durch kein
Beiwort charakterisiert.
Im tetragonalen und hexagonalen System ist außerdem noch
eine Tetartoedrie mit geändertem Charakter der Hauptaxe möglich,
welche durch diesen definiert ist
Im regulären System sind drei Hemiedrien möglich, welche
trotz der abweichenden Symmetrieverhältnisse des Systemes den
eben besprochenen so analog sind, daß sie durch dieselben Bei-
worte bezeichnet werden können. Die einzige Tetartoedrie ist eine
mit verändertem Charakter der Hauptaxen.
Nach diesen Vorbemerkungen wird die folgende Zusammen-
stellung verständlich sein.
§ 17, Kryatallographische Gruppen, 133
Triklines System.
1. Holoödrie C
2. Hemiedrie —
Monoklines System.
3. Holoedrie C^ « oder CE^
4. Hemiedrie E^
5. Hemimorphie A*
Bhombisches System.
6. Holoedrie CA^^AJ oder CA^^E^
7. Hemiedrie A} A^
M X
8. Hemimorphie ^»^^x
Bhomboedrisches System.
9. Holoedrie OA^^AJ oder CA^E^
Z X t X
10. Enantiomorphe Hemiedrie A^ A}
11. Hemimorphe Hemiedrie ^><
12. Paramorphe Hemiedrie C A^
13. Tetartoedrie A^
Tetragonales System.
14. Holoedrie C A^^ A^ oder CA^E^
Z X t X
15. Enantiomorphe Hemiedrie ^% ^^x
16. Hemimorphe Hemiedrie ^z^x
17. Paramorphe Hemiedrie C A^
18. Tetartoedrie A^
19. Hemiedrie mit Spiegeldrehungsaxe ^^ ^x
20. Tetartoedrie mit Spiegeldrehimgsaxe 8^
Hexagonales System.
21. Holoedrie 0 A^ A^ oder CA^E^
m X S X
22. Enantiomorphe Hemiödrie ^z ^x
23. Hemimorphe Hemiedrie -^Z-®»
24. Paramorphe Hemiedrie G A^
25. Tetartoedrie . A^
26. Hemiedrie mit dreizähliger Symmetrieaxe A^E^A^
27. Tetartoedrie mit dreizähliger Symmetrieaxe A^ E^
Reguläres System.
28. Holoedrie OA^AJ^
X ff
29. Enantiomorphe Hemiedrie ^^ "^^
30. Hemimorphe Hemiedrie 8^8^
31. Paramorphe Hemiedrie CA^ »^ A^ »^ A^
32. Tetartoedrie A^ -* ^ * - A^ .
134 L Tbü, Mechanik starret Körper, IIL Kap.
Die Anwendung dieser Tabelle zum Zwecke der Spezialisierung
allgemeiner physikalischer Gesetze für die B^rystalle irgend einer Gruppe
geschieht so, daß man den Erystall nacheinander auf gleichwertige
Koordinatensysteme bezieht und ftir jedes das allgemeine Gesetz
bildet Da für gleichwertige Koordinatensysteme der Zusammenhang
zwischen Abhängigen und Unabhängigen sich durch dieselben Glei-
chungen mit denselben Konstanten ausdrücken muß, so giebt die
Kombination der verschiedenen Formeln eine Reihe von Beziehungen
zwischen den Konstanten, welche das ursprüngliche Gesetz speziali-
sieren, eventuell vereinfachen. E^ mag dabei daran erinnert werden,
daß die Existenz eines Symmetriecentrums die Äquivalenz von Ko-
ordinatensystemen mit entgegengesetzten Axenrichtungen ausspricht^
die Existenz einer Symmetrieebene aber die Äquivalenz von zwei
Systemen, von denen nur die normal zur Symmetrieebene stehende
Koordinatenaxe die entgegengesetzte Richtung besitzt, die anderen
beiden aber gleiche.
Die vorstehende Tabelle enthält die im allgemeinsten Falle zur
Geltung kommenden Symmetrieeigenschaften der 32 Krystallgruppen.
Es giebt aber viele Fälle, wo die Verhältnisse sich vereinfachen und
die Anzahl physikalisch verschiedener Gruppen sich reduziert, weil
nach dem physikalischen Gesetz, um dessen Spezialisierung es sich
handelt, der behandelte Vorgang selbst eine Symmetrieeigenschaft
besitzt
Der häufigste Fall ist der, daß jener Vorgang ein Symmetrie-
centrum hat Dies findet zum Beispiel immer dann statt, wenn
die Unabhängigen und die Abhängigen die Komponenten je einer
Vektorgröße, z. B. einer Kraft oder einer Geschwindigkeit nach den
Koordinatenaxen, und die Beziehungen zwischen ihnen homogen linear
sind; denn in diesem Falle ändert die Vertauschung der Koordi-
natenaxen mit den entgegengesetzten die Formeln durchaus nicht
In allen diesen Fällen ist also die Symmetrie des physikalischen
Vorganges um das Element C höher, als diejenige der Krystallform;
es resultiert hier die folgende Tabelle.
Triklines System.
Gruppe 1 und 2 C.
Monoklines System.
Gruppe 3, 4, 5 CÄ^K
Rhombisches System.
Gruppe 6, 7, 8 C'^ >^A
§ 17. Konaiantensysieme der Krystaüpkysik. 135
Ehomboedrisches System.
Gruppe 9, 10, 11 <?^.'^.*-
Gruppe 12, 13 CÄ^\
Tetragonales System.
Gruppe 14, 15, 16, 19 C^^/^,*-
Gruppe 17, 18, 20 CÄ^\
Hexagonales System.
Gruppe 21, 22, 23, 26 C'J/^^».
Gruppe 24, 25, 27 CÄ^\
Reguläres System.
Gruppe 28, 29, 30 ^^.H*-
Gruppe 31, 32 CA^'^A^'^A^.
Die 32 Gruppen ordnen sich also in Bezug auf physikalische
Vorgänge, welche ein Centrum der Symmetrie besitzen, in 11 Klassen;
aber auch von diesen fallen in speziellen Fällen noch mehrere
zusammen.
Ein zweiter spezieller Fall ist der, daß der Vorgang die Un-
gleichwertigkeit entgegengesetzter Richtungen Yerlangt, also mit einem
Symmetriecentrum unvereinbar ist Dies tritt z.B. ein, wenn
ein System von Vektorkomponenten durch homogene Funktionen
zweiten Grades von einem anderen System Vektorkomponenten ge-
geben ist Denn hier kehrt bei der Vertauschung eines Koordinaten-
systems mit den entgegengesetzten die eine Seite dieser Beziehungen
ihr Vorzeichen um, aber die andere nicht
Eine solche Eigenschaft hat zur Folge, daß bei allen Krystall-
gruppen, welche ein Symmetriecenixum b^Len, nämüch bei
den Gruppen 1, 3, 6, 9, 12, 14, 17, 21, 24, 28, 31,
sowie bei isotropen Medien Vorgänge der genannten Art unmöglich
sind, also die Konstanten, welche ihre Größe messen, verschwinden
müssen. —
Wir wollen nun einige der wichtigsteii in der theoretischen
Physik vorkommenden allgemeinen Beziehungen zusammenstellen
und flir die 32 krystallographischen Gruppen spezialisieren.
Es empfiehlt sich dabei, dieselben auf die spezielle Form zu
bringen, daß eine physikalische Größe F^ welche den Charakter
eines Skalares besitzt und die demgemäß vom Koordinatensystem
unabhängig ist, einer Funktion von Vektorkomponenten oder ihnen
verwandten Argumenten gleich gesetzt wird. Eine solche Größe
muß dann, auf verschiedene physikalisch gleichwertige Koordinaten-
136 /. Teil, Mechanik starrer Körper. IIL Kap,
Systeme bezogen, die gleiche Form mit gleichen numerischen Werten
der Eonstanten erhalten.
Mitunter werden die physikalischen Gesetze durch die Theorie
direkt in der oben erörterten Form geliefert; das im vorigen Ab-
schnitt abgeleitete elastische Potential bietet hierfür ein Beispiel
und die Funktion F hat hier unmittelbar eine physikalische Be-
deutung. Wo man die gewünschte Form erst künstlich hersteUen
muß, fehlt dagegen der Funktion F häufig eine solche. Sie wird
dann z. B. nur durch die Werte ihrer Differentialquotienten nach
gewissen auxiliären Argumenten definiert, wie das unten an einem
Beispiele gezeigt werden soll.
Wir betrachten zunächst Funktionen F von Vektorkompo-
nenten und bemerken dazu im voraus, daß die DifferentialquotienteD
von F nach diesen Argumenten wieder Vektorkomponenten sind.
L Es sei F eine lineare Funktion der Vektorkomponenten
X, r, Z, etwa
151) F^a^X+a^r+a^Z,
so ist mit dieser Form ein Centrum der Synmietrie unvereinbar.
Die Differentialquotienten werden
1K1'\ dF[ _ dF _ dF _
101 ) dX " ^1' äT " ^3' dZ ~ ^3*
Wir erhalten demgemäß die folgende Zusammenstellung.
Schema I.
Triklines System.
Gruppe 1 a^ = flj = flj = 0.
Gruppe 2 01,0^, Og.
Monoklines System.
Gruppe 3 a^ = a, = Oj = 0.
Gruppe 4 Qj, a^, 0
Gruppe 5 0, 0, a,.
Rhombisches System.
Gruppe 6, 7 a^ = a, = a, = 0.
Gruppe 8 0, 0, Oj.
Rhomboedrisches System.
Gruppe 9, 10, 12 a^z= a^^a^zz^ ©•
Gruppe 11, 13 0, 0, a,.
Tetragonales System.
Gruppe 14, 15, 17, 19, 20 01=03 = 03 = 0.
Gruppe 16, 18 0, 0, O3.
§ 17. KonsUnüensysteme der KrystdUpkysik, 137
Hexagonales System.
Gruppe 21, 22, 24, 26, 27 0^ = 0^ = 03 = 0.
Gruppe 23, 25 0, 0, a^.
Beguläres System und isotrope Körper.
Gruppe 28 bis 32 0^ = 03 = 03 = 0.
n. Es sei F eine büineare Funktion der sechs Vektorkomponen-
ten X, Yj Z und Vy V, W und zwar gesetzt
F^ ?/(Oii Jf + 0,3 Y+ 0,3^+ r{a3iX+ti33 r+ 0,3^
+ ^(«31^+032^+033^.
I
152)
Die durch einen solchen Ansatz gegebenen Vorgänge besitzen
ein Centrum der Symmetrie, es tritt sonach hier die vereinfachte
Einteilung der Gruppen von S. 134 in Kraft. Die Differentialquo-
tienten von F nach U, F^ W liefern die Gleichungen
M = ^-^ = Oll X -I- Qu r 4- 0,3 Z,
dF V V //
r = g^ = 0,1 X + O33 r + 0,3 Z,
BF *
1520
worin «, ü, w Abkürzungen sind, welche Vektorkomponenten bezeich-
nen, falls gleiches von Uj F^ W gilt und F eine skalare Funktion ist
Das Vorstehende zeigt, daß, wenn der Ansatz (162') die direkt
gegebene Beziehung zwischen den Vektorkomponenten u, v, to und
X, Y, Z ist, durch (162) eine Funktion F geliefert wird, an welche
man bequemer, als an (152'), die Symmetriebetrachtungen anknüpfen
kann.
Das Besultat der Spezialisierung giebt die folgende Tabelle. ^^
Schema 11.
Triklines System.
Gruppe 1, 2 o^i, 0^, a^^\ Oj^, o,,, O33; 031, O33, O33.
Monoklines System.
Gruppe 3, 4, 6 Ou, a^, 0; a.i, o,,, 0; 0, 0, 033.
Rhombisches System.
Gruppe 6, 7,. 8 a^, 0, 0; 0, a,,, 0; 0, 0, 033.
EhomboSdrisches System.
Gruppe 9, 10, 11 Ou, 0, 0; 0, a,i, 0; 0, O,^,,.
Gruppe 12, 13 On, a^, 0; - o„, Oi^, 0; 0, 0,. Q33.
138 L Teil Meekanik starrer Körper. IIL Kap.
TetragonaJes System.
Gruppe 14, 16, 16, 19 0^, 0, 0; 0, 0^, 0; 0, 0, O33.
Gruppe 17, 18, 20 0^1, o^,, 0; - Oi,, o^, 0; 0, 0, 0,3,
Hexagonales System.
Gruppe 21, 22, 23, 26 a^, 0, 0; 0, o^, 0; 0, 0, 033.
Gruppe 24, 26, 27 q^^, Qj,, 0; - Oi,, a^i, 0; 0, 0, 033.
Reguläres System und isotrope Körper.
Gruppe 28, 29, 30, 31, 32 o^, 0, 0; 0, o^, 0; 0, 0, n^y
Die Anzahl der verschiedenen Klassen reduziert sich hier also
auf sechs. —
Ein wichtiger spezieller FaU ist der, daß X= [7, 7= T, ^= F
ist; dann treten die a^k immer nur in den Kombinationen o^k + ^a
auf, woraus folgt, daß man ihnen ohne Beschränkung der Allgemein-
heit die Bedingung a^k = dkh auferlegen kann. Dann nimmt das
Schema II für die sechs unabhängigen Konstanten die folgende ver-
einfachte Form an.
Schema 11'.
Triklines System.
^11 > *^22' ^88' ^28» ^81' ^12'
Monoklines System.
«UJ Ö33, O33; 0, 0, Qij.
Rhombisches System.
^11» öjj, a,,; 0, 0, 0.
Rhomboedrisches, tetragonales, hexagonales System.
^\\y «11» ^88 5 0> 0> 0.
Reguläres System und isotrope Körper.
^11» ^\v h\^ 0, 0, 0.
Ein weiterer Spezialfall ist der, daß die sechs Variabein nur in
den Verbindungen TW-^ZV, ZU-^XW, J T- 7 £/^ vorkommen;
dann erscheint a^^, Q33, 033 gar nicht, und die übrigen nur in den
Gliedern O33— Ö33, Og^ — 0^3, 0^3 — a,,.
Hier kann man ohne Beschränkung
«28 *= - «82 = «1% «81 = - «18 = «2'» «12 = - «21 = «8'
setzen und erhält für letztere Größen die folgende Zusammenstellung.
Schema H".
Triklines System. Monoklines System. Rhombisches System.
«/, fl2'i «s'- 0, 0, Q3' a/ = 0,' = 03' = 0.
§ 17, Konstantensysteme der KrystaÜphysik. 139
BhomboSdrisches System.
Gruppe 9, 10, 11 a,' = a,' « Oj' « 0.
Gruppe 12, 13 0, 0, Oj'.
Tetragonales System.
Grappe 14, 15, 16, 19 o/ = a^' = Og' = 0.
Gruppe 17, 18, 20 0, 0, o,'.
Hexagonales System.
Gruppe 21, 22, 23, 26 a^' = o/ = Og' = 0.
Gruppe 24, 26, 27 0, 0, a^\
Reguläres System und isotrope Körper,
a/ = a; « 03' = 0. -
In verschiedenen Gebieten der Physik spielen gewisse Funktio-
nen eine Bolle, welche zwar nicht selbst Vektorkomponenten sind,
sich ihnen aber insofern verwandt erweisdb, als sie sich ebenso, wie
Potenzen und Produkte von solchen, auf wechselnde Koordinaten-
systeme transformieren. Wir wollen solche jetzt auch in den Kreis
unserer Betrachtungen ziehen und mit
Z, M, iV, P, e, E
im folgenden Funktionen bezeichnen, die sich orthogonal transfor-
mieren, wie X», P, ^, rzy2, Ziy2, XZ}^; U, T, W mögen
die frühere Bedeutung behalten.
m. Es sei F eine bilineare Funktion der neun Argumente Z,
My Nj P, Q, -B, U, r, W^ und zwar von der speziellen Form
P= U{\^L + b„ Jlf + bi3iV + 6,,P+ b„ q + \^E)
+ 7 (b,i i -f. b„ Jf + b,3 J\^+ b,^P+ b,, q + \^B)
+ W{\^L + \^M+ h^N+ b3,P+ b,5 q + \^IC).
Die Differentialquotienten von F nach U^ Fy W sind wieder
Vektorkomponenten, die nach L^ M . » . B haben denselben Charakter
wie die letzteren Größen. Es gilt
|f=b,,i/+b,,r+b3,r 153")
153)
Diese Annahme giebt ein zweites Beispiel ftir den oben schon er-
wähnten Fall, daß das physikalische Gesetz mit der Existenz eines
Symmetriecentrums am Krystall unvereinbar ist.
140
L Teil Mechanik starrer Körper, UL Kap,
Die Anwendung des S, 134 entwickelten Verfahrens führt hier
auf die folgenden Systeme von Konstanten.®*)
Schema III.
Triklines System.
Gruppe 1
alle &»fc =
= 0.
Gruppe 2
^1 ^11
»18
6.8
"88
^84 ^8
*8«
6,6
Monoklines System.
Gruppe 3
alle b»k =
= 0.
Gruppe 4
^11 ^s
0 0
6l8
«»88
0
0 0
0 0
^84 Ki
6,8
6«,
0
Gruppe 5
0 0
0 0
^81 ^8»
0
0
^88
^24 6,5
0 0
0
0
^88
Bhombisches System.
Gruppe 6
alle hi =
= 0.
Gruppe 7
0 0
0 0
0
0
6i4 0
0 ^85
0
0
0 0
0
0 0
*8e
Gruppe 8
0 0
0 0
0
0
0 \s
K 0
0
0
^81 ^8
»88
0 0
0
BhomboSdrisches Syste
m.
Gruppe 9
alle b»» =
= 0.
Gruppe 10
0 0
0 0
0
0
0
6i4 0
0-6i4-
0 0
0
.6„y2
0
Gruppe 11
0 0
- '>88 ^88
^81 '»81
0
0
^88
0 K-
6i. 0
0 0
0
0
Gruppe 12
alle bftfc =
= 0.
■
Gruppe 13
6., 6.,
0
0
b..
6i4 \i ■
^16-6,4-
0 0
-b„y2
-6„y2
0
§ 17. Konstantensytteme der Krystaüphyaik.
141
Gruppe 14
Tetragonales System,
alle hkt = 0.
Gruppe 15
0
0
0
0
0
0
0
0
0
^4
0
0
0
0 .
0
0
0
Gruppe 16
0
0
0
0
6,1
0
0
*88
0
0
61,
0
0
0
0
0
Gruppe 17
aUe
5»* =
= 0.
•
Gruppe 18
0
0
0
0
081
0
0
6,«
fl5
0
-t>14
0
0
0
0
Gruppe 19
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0'
0
0
0
6,«
Gruppe 20
0
0
081
0
0
0
0
0
f>14
0
6l8
0
0
0
Gruppe 21
Hexagonalea System,
alle bkh = 0.
Gruppe 22
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
Gruppe 23
0
0
0
0
hl
0
0
^88
0
6»
0
0
0
0
0
0
Gruppe 24
alle bj» =
.0.
Gruppe 25
0
0
^81
0
0
081
0
0
^88
6u
0
6i«
-6u
0
0
0
0
Gruppe 26
^1
0
0
-in
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0 -
0
0
0
142 I. IM. Mechanik starrer Körper. IIL Kap.
Gruppe 27
-
hl
-bat
0
-b„ 0 0 0-b„y2
b„ 0 0 0-b„}^
0 0 0 0 0
Eegniäres System.
Gruppe 28, 29,
Gruppe 30, 32
31
alle bfci = 0.
0 0 0 bi4 0 0
0 0 0 0 bi4 0
0 0 0 0 0 bi4
Isotrope Körper.
Alle bfc» = 0.
154)
IV. Es sei neben L, Af, N, P, Q, B das System Variabler
A, B, C, D, E, G
gegeben, das sieb orthogonal transformiert, wie
V*, F*, w*, rwß, wu-ß, ur\2
und es sei die bilineare Funktion F gegeben durch
i?= J(c„Z + Ci, Jf + c„iV+ C14P+ c„Q + Ci.i?)
+ J(c,i Z + c„ilf+ c„iV+ c,^P+ c„e + c„i2)
+ C (c„ L + c,3 il/ + c„iV+ c,^ P + c,j <? + c,e 1?)
+ i>(c„ i + c«>/+ c^iV+ c^P+ c„ Q + c^Ä)
+ -S(c„i + c„^+ c„7V^+ Cg4P + c„ e + c,,iZ)
+ e(c„Z + c„^ + c„iV+ Ce,P+ c„ Q + c,gi?).
Die Differentialquotienten von F nach ^, B,... oder nach
Z, M, . . . haben den Charakter dieser Größen. Es gilt
154') TT = "^i ''' + '" "^ + "^i» ^+ fu -P + «1« <2 + «18 -K»
154") ^ = '^n^ + ^i^ + <:sif^+ c« -» + c« ^ + c„ G.
Die durch diesen Ansatz gegebenen Vorgänge sind wiedemm
centrisch symmetrisch; die Spezialisierung ist also unter Benutzung
der Tabelle auf S. 134 auszuführen. Die Resultate enthält das nach-
stehende Schema. **)
§ 17, KansiantwuystBme der KrystaUphystk.
143
Schema lY.
Triklines System.
Gruppe 1 und 2
^11
hl
^2 ^8
^2
^82
^42
^62
'62
^28
^88
^48
^68
'es
Cl4
^24
^84
C44
C54
^64
^1«
'26
'86
'48
^65
'86
^16
'26
'se
^46
^66
^66
Gruppe 3 bis 5
Monoklines System.
«11
«1»
«18
0
0
«16
fjl
c»
«38
0
0
«86
«81
c»
«88
ü
0
«86
0
0
0
«44
«4«
0
0
0
0
C.^
c„
0
'61
"62
^68
0 0
66
Bhombisches System.
Gruppe 6 bis 8
Gruppe 9 bis 11
Gruppe 12, 13
«11
«18
«18
0
0
0
«81
«88
«88
0
0
0
«81
«88
«88
0
0
0
0
0
0
«44
0
0
0
0
0
0
«68
0
0
0
0
0
0
«66
mbc
»Sdriflc
shes
System
■
«11
«18
«18
«14
0
0
«18
«11
«18
-«14
0
0
«81
«81
«88
0
0
0
«41-
-«41
0
«44
0
0
0
0
0
0
«44
«4iy2
0
0
0
0 1
fl4y2(«ll-«18)
«11
«18
«18
«14-
■«2«
0
«18
«11
«18
-«14
«88
0
«81
«81
«S8
0
0
0
«41
-«41
0
«44
«46
«68y2
«58
«68
0
-«45
«44
_ «4,^2
0
0
0
C,.V2
c.Vs
!(c,,— c„1
144
/. TeiL Mechanik starrer Körper, III, Kap,
Gruppe 14, 15, 16, 19
Gruppe 17, 18, 20
Gruppe 21 bis 27
Gruppe 28 bis 32
TetragonaJes System.
tu
«12
«18
0
0
0
«H
«11
«13
0
0
0
Csi
«81
«38
0
0
0
0
0
0
«44
0
0
0
0
0
0
«44
0
0
0
0
0
0
«66
«11
«12
«18
0
0
«18
«1»
«11
«18
0
0-
«16
«31
«81
«SS
0
0
0
0
0
0
«44
0
0
i
0
0
0
0
«44
0
«61-
-«61
0
0
0
«66
Hexagonales Syst
em.
«11
«12
«13
0
0
0
«12
«11
«18
0
0
0
«81
«81
«33
0
0
0
0
0
0
«44
0
0
0
0
0
0
«44
0
0
0
0
0
0 (c
11 —«12)
Beguläres
1 System.
«11
«12
«12
0
0
0
«12
«11
«12
0
0
0
«12
«12
«11
0
0
0
0
0
0
«44
0
0
0
0
0
0
«44
0
0
0
0
0
0
«44
Isotrope
Körper.
c
«1
«1
0
0
0
«1
c
«1
0
0
0
«1
«1
c
0
0
0
0
0
0
«2
0
0
0
0
0
0
«2
0
0
0
0
0
0
c
worin c — Cj = c^ gesetzt ist.
Von dem Ansatz (154) sind zwei spezielle Formen von be-
sonderem Interesse, die den Seite 138 betrachteten von (152) durch-
aus entsprechen. Ist
§ 18. Siromläufe als eykHsche Systeme, 145
^«Z, jB = Jf, C^N, 1)^P, E^Qy O^B,
so kommen die Eonstanten tkk und Ckh i^^^ ^ der Kombination
(Cftk + Cfcfc) vor; man kann also ohne Beschränkung der Allgemeinheit
Cfck = Cjkfc setzen, woraus für die wenigen speziellen Fälle, wo die vor-
stehenden Systeme c^k = — c^h ergeben, Cä* = CjkÄ = 0 folgt Der
Vergleich mit dem Schema (149) zeigt, daß das elastische Potential
die Form (154), die elastischen Drucke die Form (154') mit der
angegebenen Vereinfachung besitzen und demgemäß zu behandeln
sind. Man kann übrigens die Spezialisierung statt an ihnen, auch
an den S, 125 definierten Summen 6?** ausführen: doch geben hierzu
die obigen Schemas nicht die Mittel.®^
Die zweite spezielle Form des Ansatzes tritt dann ein, wenn F
die Produkte ^ X , JBM, CN, DP, EQ, GR gar nicht, die übrigen
nur in Differenzen von der Art AM— BL, Ä N -^ C L , . , . enthält.
Dann treten die Eonstanten nur in den Kombinationen Cä* — Ck^ auf,
und man darf, außer 0/^^ = 0, auch Cä* = — c^ä setzen. Wo die
vorstehenden Eonstantensysteme die Beziehung c^k = Ck^ zeigen, folgt
hieraus c^k = ^kh == 0.
Bei der Einfachheit der Verhältnisse und dem großen Umfang
von Schema IV mag die Aufstellung der diesen beiden speziellen
Formen von F entsprechenden Schemata unterbleiben.
§ 18. Cyklisohe Systeme, welche starre Körper enthalten.
MaxwelIi's Theorie der Elektrodynamik.
Am Ende des zweiten Eapitels ist der Betrachtung ein Massen-
system unterworfen worden, dessen allgemeine LAGBANGE'sche Eoordi-
naten p in zwei Gruppen zerfallen: langsam veränderliche oder
Positionskoordinaten /?«> deren Geschwindigkeiten y« als unend-
lich klein erster Ordnimg betrachtet wurden, und schnell veränder-
liche oder cyklische Eoordinaten pi,, die aber in der Lagrange'-
schen Funktion A=W — 0 nicht auftreten sollten.
Unter der Annahme, daß beide Arten von Beschleunigungen
unendlich klein wären, erhielt man dann aus den allgemeinen For-
mehi (103) die speziellen (109) und (109') für die Eräfte P« und P^,
welche die beiden Arten von Eoordinaten zu vergrößern streben:
Finden zwischen den Massen des Cykels keine Wechselwirkungen
statt, sind also etwa auftretende innere Eräfte ausschließlich kineti-
schen Ursprunges, so wird A mit der lebendigen Eraft W identisch,
Voigt, TlieoretfBche Physik. 10
146 /. TeiL Mechanik starrer Körper. JJL Kap,
die sich nach den gemachten Annahmen gemäß der Formel (109")
als eine homogene Funktion zweiten Grades der cyklischen Ge-
schwindigkeiten qb darstellt, deren Koeffizienten allein von den Po-
sitionskoordinaten pa abhängen.
Enthält das Cykel nach seinem äußeren Verhalten, d. h. nach seinen
Positionskoordinaten pa beurteilt, nur starre Körper, so kommen für
die Kräfte, die sie ausüben und erfahren, die in diesem Kapitel ent-
wickelten allgemeinen Grundsätze zur Anwendung, und daher mag
ein Beispiel dieser Art von hervorragendem physikalischen Interesse
hier eingefügt werden. —
Die MAXWELL'sche Theorie ®^ der Elektrodynamik beruht darauf,
daß man die wahrnehmbaren Vorgänge dieser Art zurückführt auf
das Bestehen cyklischer Bewegungen, welche das Wesen der so-
genannten galvanischen Ströme ausmachen sollen. Diese Be-
wegungen, über deren speziellere Eigenschaften nach dem S. 90 Ge-
sagten Annahmen nicht gemacht zu werden brauchen, müssen sich,
um die scheinbaren Femwirkungen zwischen Stromleitern hervor-
zubringen, nicht nur in diesen selbst abspielen — wo man die Ströme
in der alten Theorie ausschließlich verlaufend annahm — sondern
auch in dem zwischen ihnen ausgebreiteten nichtleitenden Medium.
Betrachtet man nur Uneäre geschlossene Stromleiter, so ist deren
elektrodynamisches Verhalten, abgesehen von ihrer geometrischen
Konfiguration, die sich in den Koordinaten pa ausdrückt, je nur von
einer elektrischen Variabein abhängig, die man die Stärke 4 des in
einem jeden cirkulierenden Stromes nennt und durch seine Fem-
wirkungen, z. B. elektromagnetischer Art mißt. Man wird daher flir
jeden linearen Stromlauf auch nur eine cyklische Geschwindigkeit y^
als charakteristisch betrachten und kann dieselbe hypothetisch direkt
mit der Stromstärke proportional setzen. Identifiziert man gar direkt
qi, mit 4, so verfügt man dadurch nur über die Einheiten, in denen
man die Kräfte Pj, welche die cyklischen Geschwindigkeiten qi zu
vergrößern streben, und die man im allgemeinen Sinne die elektro-
motorischen nennt, messen wiU.
Ist nur ein linearer Stromlauf* upid außerdem kein elektrodyna-
misch wirksames System, z. B. auch kein konstanter Magnet oder
kein Stück weiches Eisen vorhanden, so stellt derselbe nach der Be-
zeichnung von S. 87 ein Monocykel dar;- die lebendige Kraft V
nimmt für ihn die einfachste Form
155') W=-\i^A
an, worin A nur die Positionskoordinaten pa des Cykels enthält.
§ 18. Siromläufe als cyklisehe Systems, 147
Als wirksame äußere Kräfte P^ sind hier einerseits die von der
gahanischen Kette ausgeübte autreibende, elektromotorische
Kraft im engeren Sinne S, andererseits die verzögernde Kraft
— R des Leitungswiderstandes einzusetzen, so daß die zweite
Formel (155) geschrieben werden kann
Ihren Inhalt können wir dahin aussprechen, daß die elektromoto-
rische Kraft ü zwei Gegenkräfte zu überwinden hat, eine von der
Zeit abhängige, die verschwindet, wenn alle Teile des Leiters ihre
relative Lage beibehalten und die Stromstärke i konstant ist, und
eine zweite, in diesem Fall allein übrige, deren Natur aus experimental
festgestellten Thatsachen zu erschließen ist. Hierzu eignet sich das
OHM'sche Gesetz, wonach die Stromstärke unter den letztgenannten
Umständen der elektromotorischen Kraft der Kette direkt propor-
tional ist, während deren Faktor nur von den Dimensionen und der
Substanz des Leiters abhängt. Es ist sonach R =s iW zu setzen,
wo JF den Namen des Widerstandes des linearen Leiters führt; die
Formel (155") verwandelt sich dadurch bei Berücksichtigung von
(155') in
E^^ + iW. 155'")
dt '
Bringt man hierin das erste Glied rechts auf die linke Seite^
so stellt sich
^^^E' 155"")
als eine zu E hinzukommende elektromotorische Kraft dar, welche
von der zeitUchen Änderung der Konfiguration und Intensität des
Stromlaufes abhängt und als induziert bezeichnet wird. —
Wir erweitern nun die Betrachtung auf ein von zwei cyklischen
Koordinaten abhängiges System, oder ein Dicykel, welches nach
dem Gesagten als das Bild eines aus zwei linearen Stromläufen s^
und *2 bestehenden Systemes zu betrachten ist®®); von weiteren elektro-
dynamisch wirkenden Systemen sei auch jetzt abgesehen. Hier sind
zwei Stromstärken ij, i,, zwei Widerstände äTj, ^ und zwei elektro-
motorische Kräfte E^^ E^ zu unterscheiden, und W ist eine quadratische
Form von \ und ij. Bezeichnet wieder p eine der Positionskoordi-
naten des Systems und P die äußere Kraft, welche ihre Vergröße-
rung bewirkt, so folgt allgemein
10*
148 /. Teii, Mechanik starrer Korper. IIL Kap.
oder, wenn man spezieller einführt
auch
156') P= _ ^(»^«^ + 2i,«,^' + ^«^).
P reduziert sich auf das erste oder letzte Glied, wenn man ent-
weder in dem zweiten oder dem ersten Stromlauf die Stromstärke
verschwinden läßt Da aher nur der Strom die Ursache der statt-
findenden Kräfte P ist, so kann die Position des stromlosen Kreises,
d. h., können die Werte seiner Positionskoordinaten in diesem Falle
auf P keinen Einfluß haben; hieraus folgt, daß A^^ nur Koordinaten p
enthält, welche dem ersten, J^^^ nur solche, welche dem zweiten
Stromlauf entsprechen; A^^ kann dagegen von beiden Gattungen
abhängen.
Hieraus folgt in Übereinstimmung mit (155""), daß
^^^ ' dT ^^^' Tt ^12' ^"^"^ Sr" ^"' — Tt — ^"
die in s^ und s^ durch Selbst- und Wechselinduktion hervor-
gerufenen elektromotorischen Kräfte darstellen.
Bisher ist die Betrachtung noch ganz allgemein, also auf beliebig
deformierbare Stromläufe anwendbar.
Wir denken uns nun aber spezieller beide Stromläufe starr,
z. B. durch aufgewickelte Drahtspulen gegeben; dann ist die Lage
eines jeden durch sechs Positionskoordinaten bestimmt, die aber
jetzt weder in A^^^ noch in A^^ auftreten können. Denn nach dem
EInergieprinzip kann ein starrer Körper durch bloße innere Wir-
kungen keine Komponenten oder Momente erfahren; solche würden
aber vorausgesetzt werden, wenn, nachdem t^ = 0, resp. i^^O gesetzt,
der erste, resp. zweite Stromlauf also faktisch beseitigt ist, bei den
gemachten Annahmen ein P von Null verschieden wäre. Demgemäß
ist dA^^ jdp =^ dA^^I dp ^ 0 zu setzen und die Gleichung (156') für
starre Stromläufe einfacher zu schreiben
156") P= -
1 1 —
12 dp
Diese Formel zeigt, daß die Richtung der Kraft P sich umkehrt,
wenn man eine der Stromrichtungen umkehrt, also eines der i\ mit
— 4 vertauscht; man darf dies dahin deuten, daß auch die Wirkung
jedes beliebigen Stückes des geschlossenen Stromlaufes mit der
Richtung des in ihm fließenden Stromes sein Zeichen wechselt
§ 18. Stromläufe ah eykUaeke Systeme, 149
Versteht man speziell unter 1^^ t;^ f^ die Schwerpunktskoordinaten
der beiden Stromläufe, unter Xhj (J''hj ^h ihre Drehungswinkel um die
Eoordinatenaxen, so ergiebt sich für die Komponenten und Momente
der äußeren Kräfte, welche nötig sind, um die qa unendlich klein,
d. h. die Stromläufe im Gleichgewicht zu erhalten:
A=-h^äÄ,' ^"^-hhj^^ N,^-hhQ
. 156'")
V
h
Ihnen entgegengesetzt gleich sind daher die Komponenten und
Momente, welche die beiden Stromläufe aufeinander ausüben;
— -4j2 kann also als der Wert des Potentiales 11^^ ihrer Wechsel-
wirkung für i^ =* lg = 1 aufgefaßt werden.
Nachdem so die Bedeutung von Ä^^ entwickelt ist, gewinnt man
die von A^^ und A^^ durch die Betrachtung der beiden Formeln (156).
Sie erscheinen dort nämlich als die Werte, welche A^^ annimmt, wenn
der zweite Stromlauf mit dem ersten oder der erste mit dem zweiten
identisch ist und mit ihm zur Deckung gebracht wird. — A^^ und
— -ij2 sind also die Potentiale /Z^j und 11^^ der Stromläufe «jund s^
auf sich selbst. Hieraus folgt, daß, wenn die Abhängigkeit des Po-
tentiales n^^ von Gestalt und Lage der beiden Stromläufe gewonnen
ist, dann die Werte von 77^^ und 11^^ ohne weiteres aus jenem folgen.
Um nun 11^^ zu bestimmen, betrachten wir die Wechselwirkung
zwischen zwei ebenen Stromläufen, die vom Strom 1 durchflössen
werden und unendlich klein gegen ihre Entfernung sind. Diese
Wirkung muß dem Produkt der umlaufenen Flächen proportional
sein, denn man kann jene in gleich große und gleichwertige Flächen-
elemente zerlegen und statt allein die ganze Fläche ein jedes Ele-
ment im gleichen Sinne von dem Strom Eins umlaufen denken, ohne
nach der zu (156") gemachten Bemerkung die Wirkung zu beein-
trächtigen. Das Potential der Wechselwirkung muß sich also in.
der Form
schreiben lassen, wo y nur von der relativen Lage von df^ gegen
rf^, d. h. von der Entfernung r und den drei Winkeln zwischen
den Richtungen von r und den Normalen ti^, n^ auf s^^ s^ abhängt.
Hieraus folgt für das Potential der Wechselwirkung zwischen
einem beliebigen endlichen Stromlauf *i und dem unendlich kleinen «2
der Ausdruck
n,, = df,fcf„,^df„ 157')
150 L Teil Mechanik starrer Körper, IIL Kap.
worin das Integral über alle Elemente einer durch den Stromlauf
begrenzten, aber sonst völlig beliebigen Fläche zu erstrecken ist
Da der Wert des Integrales von der Gestalt der willkürlich ein-
geführten Oberfläche unabhängig ist, so darf man auch statt eines
Flächenelementes rf/J von geeigneter dreieckiger Form die drei
Flächen normal zu den Koordinatenaxen setzen, welche mit df^ zu-
sammen ein Elementartetraeder begrenzen. Es muß also auch sein
157") y«>m =" qP«!«. cos (nj, x) + qpy.n, cos {n^,y) + y,,«. cos (14, z),
worin die Funktionen qpxin,? ^y^ntj ^x^n^ das bezeichnen, was aus y>nint
wird, wenn man n^ resp. in die X-, J-, Z-Axe legt, und außer von der
Entfernung r nur noch von der Lage von n^ gegen r abhängen können.
Durch Wiederholung dieser Operation in Bezug auf die zweite
stromumfiossene Fläche gelangt man dazu, das Potential der Wechsel-
wirkung zwischen zwei unendlich kleinen, ebenen, je von der Strom-
stärke Eins durchlaufenen geschlossenen linearen Leitern bei Reduktion
auf die Flächeneinheiten zu schreiben
157'")
+ [9zxC0s(w2,a:) + »'.yC0s(w2,y) + (p,,cos{n^,2)]cos{n^yZ),
worin die rechts stehenden Funktionen (p sämtlich nur noch von der
Entfernung r abhängen können.
Nun ist aber die gegenseitige Lage der beiden Normalen //^
und «2 und der Verbindungslinie r vollständig bestimmbar durch
die drei Wi^el {ti^, n^), (Wj, r) und (n^, r), wobei r immer in dem
Sinne von (1) nach (2) hin gerechnet werden mag, imd es ist
cos(ni, Wg) = cos(7ij, ar)cos(w2>^)+ co8(7ij,y)cos(w2,y) -|- cos(nj, z)cos{n^, r),
cos (Wj , r) = cos (r, x) cos{n^, x) + cos (r, y) cos (n^, y) + cos (r, z) cos (n^, z) ,
cos (Wj , r) = cos (r, x) cos (w^, x) + cos (r, y) cos (w^, y) + cos (r, z) cos (w,, z) .
Die Funktion y„^„, in (157'") kann daher, da sie linear in den
cos{n^,x\ cos (71^, y), cos(Wj,z) und den cos(w2,x), cos(w2,y), cos(w2, z)
ist, nur die Form haben
1 58) y ^ ^ = 'U; cos (Wj, Wg) + / cos (wj, r) cos {n^, r) ,
worin 1/; und/ Funktionen von r allein sind; ein Resultat, das noch
ganz ohne Benutzung spezieller empirischer Gesetze gefunden ist.
Es scheint aber, daß man ohne Zuhilfenahme einer experimen-
tellen Thatsache die Funktionen 1/; und / nicht bestimmen kann.
§ 18. Stromläufe als eyklüehe Systeme. 151
Die einfachste zu diesem Ziele führende Erfahrungsthatsache dürfte
die sein, daß, wenn man zwei zunächst in einer Ebene liegende unend-
lich kleine Stromläufe «i und 4 betrachtet und dann si um seinen
Mittelpunkt so dreht, daß seine Normale mit der Verbindungslinie
r zusammenfällt, in dieser Lage die Komponente seiner Wirkung
auf siy normal zur Ebene genommen, ebenso groß ist, wie zuTor die
in der Verbindungslinie liegende war. Dies kommt darauf hinaus,
daß, wenn sl im Eoordinatenanfang und n^ in der Z-Axe, 82 aber
auf der X-Axe liegt, bei ungeändertem r der Wert von -I^^, wenn
n^ parallel Y liegt, ebenso groß ist, wie der von Y^^y wenn n^ paral-
lel X liegt Wir wollen diese Eraftkomponenten aus (158) be-
rechnen.
Legt man r, ri^ , n^ in die X Z-Ebene, setzt L.ryX^yy L.n^yX^u^
L^n^yX ^ a^y so ist
y»i»4 = ^ cos («1 ^a^j^x cos (6fi - y) cos (a, - y),
also nach leichter Rechnung allgemein
^12 = - %^ =• -^^ cos y - f sin K + «, - 2y) sin y,
^1» = -"Tif = -if- «° y + 7 sin («, + a, - 2y) cos y.
Nun ist in beiden Formeln y « 0 zu setzen, in der ersten
c^j r= c^g as« ^ , in der zweiten c^j = 0, a^^ ^ -, dann resultiert
und dies ergiebt nach dem eben Gesagten, wegen (X^i^^ (Y^i)iij
sogleich '
X^^rd^ffldr 158')
und, indem man dies in (158) einsetzt,
9«,m = '^f cos {n^y n^ + r -^ cos (n^, r) cos (w,, r) . 158")
Berücksichtigt man, daß
/ \ d^r ^ dr dr ira\
— cos(7i,,n,) = r^— . H ^ — 5 — , 159)
-cos(ni,r) = ^, +cos(w„r)«^ 159')
ist, so findet sich
ÖV /^ , dw\ dr dr d* R 1 ea"\
152 /. Teil, Meekanik starrer Körper. IIL Kap.
wenn ^ryj^ dRjdr gesetzt wird, worin R eine Funktion von r allein
bezeichnet
Für die Wirkung eines endlichen Stromlaufes s^ auf einen un-
endlich kleinen 4 erhält man hiemach das Potential:
1 60) U, = df,j^ df, = df, ^/|| df, .
Dies Integral soll nun allein von der Gestalt der EandkurTe,
nicht von der Form der hindurchgelegten Hilfsfläche abhängen. Dies
wollen wir zur Bestimmung von R benutzen, indem wir durch Be-
trachtung eines speziellen Falles einen Wert von R ableiten und uns
danach überzeugen, daß derselbe ganz allgemein der gestellten For-
derung genügt
Unterwirft man der Berechnung einen Ereisstrom, auf dessen
Axe df^ liegt, und wählt als Oberfläche /J eine Kugelfläche von be-
liebigem Badius, so kann man leicht erhalten:
160') fl^rf/; = 2^ p<'^'-' + '--?- t'""^"'^ ^rfr ;
' J Ol»! '* J Ti* - V dr '
hierin ist e die Entfernung des Kreisstromes s^ von der durch s^
gelegten Ebene, r^ die von einem Randpunkte von s^, r^ die von
dem Axenpunkt der Oberfläche. SoU das Integral von dem Radius
der Kugeloberfläche unabhängig sein, so kann es auch von r^ nicht
abhängen, welche Größe von den unter dem Integral stehenden
allein mit jenem Radius variiert.
Durch teilweise Integration kann man für R oder besser für
{rR)r:sro leicht eine Differentialgleichung bilden; da dieselbe sich
von erstem Grade und erster Ordnung findet, so ist eine jede Lösung
mit einer Konstante die vollständige.
Die Formel (160') macht wahrscheinlich, daß R eine rationale
Funktion von r ist; nimmt man probeweise den einfachsten Ansatz
so findet sich w = — 1 , also
100") Ä = Ä/r.
In der That giebt die Einführung dieses Wertes
/
^^df^ = - 2^Ä(1 -cosi9-).
dfii
wenn & den Winkel zwischen r^ und r^ bezeichnet, also eine von r^
und daher dem Radius der Kugelfläche unabhängige Größe.
§ 18. Stromläufe als eykliaehe Systeme, 153
Man erkennt nun auch leicht, daß die Funktion R^ kjr diese
Eigenschaft, die Verwandlung des Oberäächenintegrales in ein Rand-
integral zu gestatten, für jede Gestalt der Oberfläche besitzt. Denn
das Integral
i^'^/i
bat die Bedeutung der Öfihung des von df^ nach der Begrenzungs-
kurve von f^ konstruierten Kegels, und zwar positiv oder negativ
genommen, je nachdem die Normale n innerhalb des Kegels dem
Element df^ abgewandt oder zugewandt ist
Hiemach ist der definitive Wert des Potentiales zwischen zwei
endlichen Stromläufen mit der Stromstärke Eins
n,,^-Ä,,^kjdf,jdf,^. 161)
Derselbe läßt sich natürlich auch in ein Doppelintegral über beide
Bandkurven s^ imd s^ verwandeln; das Resultat dieser Umformung,
welche im nächsten Kapitel ausführlicher besprochen werden wird, ist
^. = - ^» = - kjds,jd*, ^(^ , 161')
falls «j und s^ in positivem Sinne um n^ und n^ gerechnet werden.
Dabei bleibt naturgemäß eine zum Argument des Integrales additiv
hinzutretende Funktion, die bei Integration über einen der Kreise
identisch verschwindet, willkürlich.
Die Konstante k bestimmt sich, wenn die Einheit festgesetzt ist,
in welcher die Stromstärken gerechnet werden, und ihre Festsetzung
dient umgekehrt dazu, um bestimmte Stromeinheiten zu definieren.
Setzt man A = 1, so ist dadurch die sogenannte elektrodyna-
mische Stromeinheit festgestellt.
Nach dem auf S. 149 Gesagten unterscheidet sich nun iZj^ und
/Zgj von i7j2 nur dadurch, daß in dem Ausdruck für iZj^ *, mit *j,
resp. «j mit s^ zur Deckung gebracht wird. Infolgedessen gilt
J J »• I 161")
n.. = - X. =. - Aj'rf.Jrf^^^^^JiiL^
'22 "" -"22
und es ist nunmehr das Formelsystem (156) in allen seinen Teilen
vollkommen bestimmt —
Die vorstehenden Resultate, welche mit den auf Seite 52 ab-
geleiteten sachlich durchaus übereinstimmen, sind unter spezieller
Voraussetzung starrer linearer Stromläufe abgeleitet und haben zu-
154 /. Teil. Meehamk starrer Körper. IIL Kap,
nächst nur für solche Gültigkeit; sie lassen sich aber auf Grund der
Bemerkung Yon S. 149, daß jeder lineare Strom durch ein System von
Elementarströmen ersetzbar ist, welche die Elemente einer beliebigen
durch den Stromlauf begrenzten Fläche umlaufen, sogleich auf beliebig
deformierbare übertragen. Denn nach dieser Auffassung kann man
jede Deformation durch einen Transport von Elementen dieser Fläche
ohne Deformation derselben bewirken. Die Formeln (156) geben
hiemach auch die bei Gestalt- und Größenänderungen beider Leiter
vorkommenden ponderomotorischen und elektromotorischen Kräfte an.
Femer kann man im Anschluß an die Formeln (156) leicht
den Fall erledigen, daß außer den Stromläufen andere elektrodyna-
misch wirkende Systeme von unveränderlicher Stärke vorhanden sind,
d. h. konstante Magnete.
In dem einfachsten Fall, daß außer. ihnen nur ein linearer
Strom gegeben ist, nimmt die lebendige Kraft den Wert
162) ^^=^\i^A + ^Ä + Ä"
an, worin Ä linear, Ä' quadratisch homogen in den cyklischen Ge-
schwindigkeiten der unveränderlichen Systeme ist
Sind diese Geschwindigkeiten gleich Null, so bleibt von V nur
das erste Glied; in diesem Falle kann man, ohne die Wirkung zu
ändern, das konstante System verrücken, woraus folgt, daß Ä die
Positionskoordinaten /?' desselben nicht enthält. Ä ist also ebenso,
wie in (155"), das Potential des Stromlaufes auf sich selbst
Femer kann Ä' die Positionskoordinaten p des Stromlaufes
nicht enthalten, weil sonst auch bei verschwindender Stromstärke
eine ponderomotorische Kraft auf den Leiter ausgeübt werden würde,
was den Grundannahmen widerspricht
Wir erhalten sonach bei Benutzung der Bezeichnungen aus
(156) einfach
162') i>=_(m + f^), E^^^{iÄ + Ä'),
und dies läßt erkennen, daß die von den p und ;>' abhängende
Funktion —Ä als das Potential der Wechselwiricung zwischen dem
unveränderlichen System und dem vom Strome Eins durchfiossenen
Leiter aufgefaßt werden kann, welches in den Formeln für P und
E dieselbe Stelle einnimmt, wie das Potential der Wechselwirkung
zwischen den beiden Stromläufen in (156) und (156').
Die Ausdehnung der vorstehenden Behandlimgsweise auf andere
als lineare Leiter läßt sich gleichfalls durchführen®^; wir kommen
auf diese Erweiterung der Theorie an geeigneter Stelle zurück.
IV. Kapitel
Die Potentialfonktionen.
§ 19. Die HEiT^TON'sohe Potentialfanktion von stetigen Massen-
verteilungen.
Das Potential 0 der nach dem NEWTON'schen Gesetz statt-
findenden Wechselwirkung zwischen zwei Massenpunkten m und m^
ist nach Formel (53')
^.. km nii
r
WO r die Entfernung zwischen m. und m^ bezeichnet, und Dimension
und Zahl wert der Eonstante k auf S. 47 festgestellt ist
Das auf die Masse Eins des einen, als angezogen betrachteten
Massenpunktes m angewandte Potential
<P r-
nennt man die Potentialfunktion des Massenpunktes m^^^] ihr
hierdurch definierter Wert bildet den Ausgangspunkt der folgenden
Entwickelungen. Da indessen das NEwroN'sche Gesetz mit anderer
Bedeutung sowohl der Massen tr^, als der Eonstanten k, in anderen
Gebieten der Physik, als der Mechanik Anwendung findet, so wollen
wir den dem Sinn nach allgemeineren Ausdruck
in welchem f eine beliebige Eonstante, und m^ nicht nur eine
ponderable Masse, sondern irgend eine die Größe der Wirkung des
Punktes charakterisierende Quantität bezeichnet, weiterhin benutzen.
Um zu den Gravitationswirkungen zurückzukehren, haben wir
dann bloß /"= — A zu setzen und m^ mit einer ponderabeln Masse
zu identifizieren, um zu elektrischen oder magnetischen Wirkungen
zu gelangen, ist nach S. 48 /*= + A' zu wählen und »i^ mit einer
elektrischen oder magnetischen Quantität zu vertauschen.
156 L Teil, Mechanik starrer Körper, IV, Kap,
^Ä?
Die Potentialfunktion eines Systemes diskreter Massen-
punkte m^ folgt aus obiger Definition in der Form
163) Vf^T^
h
WO Vj^ die Entfernung des Einheitspoles von wi^ bezeichnet.
Wir betrachten weiterhin die Koordinaten x,^, y^, z^ der wir-
kenden Punkte 171^ als unveränderlich gegeben, die Potentialfunktion
also als nur von den Koordinaten x, y, z a-bhängig, welche den Ort
der angezogenen Masseneinheit bestimmen. Als Funktion von x, y, z
besitzt nun die Potentialfunktion eines Punktsystemes offenbar fol-
gende Eigenschaften.
q> ist eindeutig und stetig, d. h. regulär, im ganzen Raum,
giebt in dem Punkt m^ den Grenzwert
163') hm{r,(p)=fm,
und erfüllt, falls alle Massenpunkte im Endlichen liegen, im unend-
lichen die Gleichungen
163") liin(r„9,)=/-^«,„ lim (v|f ) = - /"-S
worin Tq die Entfernung vom Koordinatenanfang bezeichnet; letzteres
können wir kürzer dahin ausdrücken, daß die Funktion (p in m^^
unendlich groß erster, im Unendlichen unendlich klein erster und
zugleich ihre Derivierten unendlich klein zweiter Ordnung werden.
Endlich befolgt (p überall die Beziehung®^)
Diese Summe der drei zweiten Differentialquotienten nach den
Koordinaten werden wir weiterhin kurz durch
A(p,
oder, wo es der Deutlichkeit wegen wünschenswert erscheint, durch
A,y,y oder A,?»
bezeichnen; während das Aggregat
in dem i// eine Funktion von x und y allein bedeutet, in
Aajyt/; oder l^^ip
abgekürzt werden soll. —
§ 19, Die Potantialfunkttan stetiger MassenverteUtmgen. 157
Sind wirksame Punkte in unendlich großer Zahl längs einer
stetig gekrümmten Kurve s^ verteilt, die ganz im Endlichen liegen
mag, so daß auf dem Linienelement ds^ die Masse dm^ ausgebreitet
ist, so heißt dm^j ds^^ r^, vorausgesetzt, daß der Grenzwert von
der Größe von ds^ unabhängig ist, die Dichte der Kurvenbelegung
oder die lineare Dichte an der Stelle arj, y^, Zj, und nimmt die
Potentialfunktion (168) die Form an
in der wir r^ als eine stetige Funktion von s^ ansehen wollen.
Diese Funktion verhält sich in endlicher Entfernung von der
Kurve und im Unendlichen, analog wie die Potentialfunktion (163),
regulär, erfüllt auch die Bedingungen (163") und (163"'), wird aber
bei Annäherung an die Kurve derart unendlich, daß die Formeln gelten
worin n die senkrechte Entfernung von der Kurve und r die lineare
Dichte im Fußpunkt von n bezeichnet*^).
Dies kann man beweisen, indem man die belegte Kurve zer-
legt in ein dem genäherten Punkte unendlich nahes Sttick, welches
als eine mit homogener Dichte r belegte Gerade betrachtet werden
kann, und den Rest, der zu dem ünendlichwerden der Potential-
funktion nur einen Beitrag von niedrigerer Ordnung liefern kann.
Die Potentialfunktion y' einer homogenen Geraden von der
Länge 2L und der linearen Dichte t auf einen Punkt im normalen Ab-
stand n von ihrer Mitte bestimmt sich durch eine einfache Rechnung zu
164"')
daher wird
B(p' 2ftL
Wird n unendlich klein gegen X, so wird
und dasselbe gilt nach dem Obigen für die Potentialfunktion cp einer
beliebigen stetig gekrümmten Kurve mit stetig wechselnder Dichte. —
Erfüllen die wirkenden Massenpunkte in unendlich großer Zahl
eine stetig gekrümmte Oberflächeoj, welche wiederum ganz im End-
lichen liegen mag, und befindet sich auf dem Flächenelement do^
158 L Teil. Mechanik starrer Körper, IIL Kap,
die Masse dm^j bo heißt dm^fdo^^ a^, vorausgesetzt, daß sein Wert
von der Gestalt und Größe von do^ unabhängig ist, die Flächen-
dichte der Belegung an der Stelle x^, y^, Zj von Oj, und lautet
die Potentialfunktion dieser Massenverteilung
165) ^^ff^,
worin wir or^ als auf o^ stetig annehmen.
Diese Funktion verhält sich in endlicher, wie in unendlich großer
Entfernung von der Fläche o^ regulär und erfüllt daselbst die Glei-
chungen (163") und (163'"); sie ist in der Oberfläche endlich und
geht stetig durch sie hindurch; aber ihre Ableitungen nach den Nor-
malen Wj und iig auf den beiden Seiten von o^ erfüllen die Gleichungen
•"O") (0), - (01 --■""••' (i+i>).
worin o" die Dichte und Ä' und Ä" die Hauptkrümmungsradien der
Oberfläche an der Stelle n = 0 bezeichnen; letztere sind positiv ge-
rechnet, wenn sie in die Normale n^ fallen*'). Der horizontale Strich
über einem Ausdruck bedeutet hier und später, daß sein Wert in
der Oberfläche genommen ist
IJie Endlichkeit von tp in der Oberfläche erkennt man ohne
Kechnung, wenn man Polarkoordinaten vom Einheitspol aus einführt
Die übrigen Sätze beweist man, indem man um die Stelle n = 0
eine unendlich kleine Kugel konstruiert und durch dieselbe ein Bereich
ß aus der Oberfläche ausschneidet, auf dem <t^ als konstant gleich ir
angesehen werden kann, und dieses der Betrachtung unterwirft; der
Teil von o außerhalb ß kann keine Unstetigkeit verursachen, darf also
außer Betracht bleiben. Zerlegt man ß durch ein System von durch
die Normale n gelegten Ebenen in unendlich schmale Sektoren und
faßt dieselben paarweise zusammen, so ist ersichtlich, daß ein zwischen
denselben Ebenen gelegenes Sektorenpaar zu den Werten von
den gleichen Anteil geben muß, wie der zwischen denselben Ebenen
liegende Doppelsektor einer mit der konstanten Dichte tr belegten
Eugelfläche vom Eadius i2, falls R den mittleren Krümmungsradius
der beiden Kurven darstellt, in welchen die Oberfläche o innerhalb ß
von den beiden unendlich nahen Ebenen geschnitten wird.
Nun ist aber, wie eine einfache Rechnung ergiebt, die Potential-
funktion qp' einer homogenen Kugelfläche vom Radius B, der Dichte c
§ 19. Die PotenHalfunkHon stetiger Massenverteilungen. 159
und der Gesamtmasse M für einen äußeren Punkt, falls e den Ab-
stand desselben vom Kugelcentrum bezeichnet,
fUr einen inneren Punkt
9>i = 4 «/-Ä «r = /-^ ; 166)
also wird fiir einen Doppelsektor, welcher von zwei, im Winkel dx
durch die Bichtung von e gelegte Ebenen begrenzt ist,
rfy;=iZ^^, d<p\^AfRadx.
e
Für Punkte unendlich nahe der Kugelfiäche erhält man
dtf)\^ AfRadx, dtp\^ AfRadx^
ö (d (p'^ d (d (p'^
de^ "" "^ B ' de« "* '
wobei das Differentialzeichen d nur zum Unterschied von dem dx
entsprechenden d gesetzt ist.
Nun sind nach dem Vorstehenden flir unendlich nahe Punkte
die Unterschiede der Werte von <p und seiner Differentialquotienten
auf beiden Seiten der Oberfläche identisch mit denjenigen der
Funktionen
fdip'a und fd(p\,
die Integrale über alle Doppelsektoren ausgedehnt.
Benutzt man bei der Berechnung, daß
fdx = n,. f^^^{± + l.;j
ist, und ftthrt wieder die Normalen n^ und n^ auf beiden Seiten der
Oberfläche nach Außen gerichtet ein, so erhält man
Vi ^ ^2 = Ö ?
wo -B' und J?" in dem oben festgesetzten Sinne positiv zu rechnen
sind. Dies sind aber die zu beweisenden Formeln. —
Erfüllen endlich die wirksamen Punkte einen ganz im Endlichen
160 Z TW/. Mechanik starrer Körper. IV. Kap,
liegenden Baum k^ und bezeichnet, wie früher dm^jd^^^s p^, die
stetig gedachte Dichte der räumlichen Verteilung an der Stelle x^,^iyZ^,
so nimmt die Potentialfunktion den Wert
167) y=//-
r
an. Diese Funktion verhält sich mit ihren ersten Deri vierten im
ganzen Räume regulär und erfüllt im unendlichen die Glei-
chungen (163"), im ganzen äußeren Raum die Gleichung (163'");
ihre zweiten Differentialquotienten springen beim Durchgang durch
die Grenze, falls q die dort vorhandene Dichte, und n die in be-
liebigem Sinn gerechnete Normale bezeichnet, gemäß den Formeln
167')
Hiermit steht im Zusammenhang, daß in dem von Masse er-
füllten Raum die Beziehung gilt
167") Jy,.= -4;r/'p,
wo Q die Dichte an der Stelle j:, y, z bezeichnet**).
Daß (p im ganzen Innern des Körpers endlich ist, ergiebt sich
wiederum ohne Rechnung durch Einführung von Polarkoordinaten.
Zum Beweise der übrigen Sätze schneiden wir durch eine un-
endlich kleine Eugelfläche um irgend einen Punkt der Oberfläche
von k^ ein nahezu halbkugeliges Bereich ß von konstanter Dichte q
aus dem Körper aus, welches den Einheitspol enthält, und schließen
wie oben, daß der äußere Teil von Aj zu etwaigen Sprüngen, die (p
und seine Derivierten beim Durchgang durch die Grenze erleiden,
keinen Anteil geben kann.
ß zerfallen wir durch Meridianebenen, durch die Normale auf
der Oberfläche als Polaxe gelegt, in Doppelsektoren von der Winkel-
öffnung dx, deren jeden wir als das Stück eines analogen Doppel-
sektors aus einer VoU- oder Hohlkugel von bestimmtem Radius an-
sehen können. Jeder Doppelsektor von ß giebt also zu den Unstetig-
keiten von cp den gleichen Anteil, wie ein Doppelsektor gleicher
Winkelöffittung aus einer gewissen homogenen Voll- oder Hohlkugel.
Nun kann man aber leicht berechnen, daß die Potentialfunktion
(p^ einer Hohlkugel von den Radien B^ und iZ,-, der Dichte q und
19, Die PotentialfunkHon stetiger Massenverteilungen.
161
der Gesamtmasse M auf einen Punkt im Abstand e yom Centrum,
je nachdem derselbe sich im Außenraum, innerhalb der Masse oder
im Hohlraum befindet, gegeben ist durch
Ti--s?W--»fl-/'T'
,i_l;A(3^.._.._£^),
Für eine Vollkugel ist i?j = 0, Ra^ R zu setzen, woraus folgt
168)
-/■^,
^« - Ve
168')
Diese Werte zeigen, daß qp' und seine erste Derivierte nach der
Nonnalen stetig durch die sämtlichen Grenzen gehen, gleiches gilt
somit auch von dem allgemeinen qp. Femer springt der zweite
Dififerentialquotient nach der Normalen beim Austritt aus der Masse
um —iTifQ, also einen von dem Badius imabhängigen Betrag;
gleiches gilt sonach auch von q), so daß wir zunächst die Resultate
haben
dn,
ön.
168")
Hieraus lassen sich aber leicht die Formeln (167') gewinnen.
Aus den drei ersten von ihnen folgt weiter
A qc,- — A y« = — ^^fQj
also wegen A ^a = 0 ,
A qp,= —^nfQ.
Nun zerlege man den Körper durch eine stetig gekrümmte
Fläche in zwei Teile; im ersteren hege der Punkt x, y, z, und zwar
unendlich nahe an der Trennungsfläche. Ebenso zerlege man y
in (p^ und y^, die von den beiden Teilen herrühren. Dann ist
nach der letzten Formel
A ^1 = - 4;r/'(>,
wo Q die Dichte an der inneren Stelle ar, y, z bezeichnet; zugleich
gilt daselbst
A % = 0,
Voigt, TheoretiBche Phjeik. 1 \
162 /. Teil. Mechanik starrer Körper, IV, Kap,
also folgt, als für alle inneren Punkte gültig,
Im vorstehenden sind überall stetige Dichtigkeiten r, or, q voraus-
gesetzt, aber es ist leicht zu erkennen, welche der erhaltenen Re-
sultate auch bei unstetigen gültig bleiben. Von praktischem Interesse
ist nur der Fall, daß die räumliche Dichte g längs einer Fläche
unstetig ist, wo wir dann nach S. 93 diese Fläche passend als zu
der Begrenzung des Körpers gehörig betrachten. Auch in ihr
bleibt <p mit seinen ersten Differentialquotienten endlich und stetig,
während die zweiten springen, imd zwar in der durch die Formeln
(167') gegebenen Weise, falls man in ihnen an die Stelle von q die
Differenz der Dichten zu beiden Seiten der Unstetigkeitsfläche setzt —
§ 20. Die NBWTON'sche Potentialfimktion von neutralen FoLBystemen.
Molekulare Theorie der dielektrlBchen und magnetischen Influens,
der Fyro- und Fiezoelektricitat.
Bei den Anwendungen der Potentialfunktion auf die Lehre von
der Elektricität und dem Magnetismus wird man, wie schon auf
S. 48 gesagt ist, veranlaßt^ Wechselwirkungen in Betracht zu ziehen,
bei denen die wirkenden Massen 7nf^ bald positiv, bald negativ, also
die Kräfte bald abstoßend, bald anziehend sind.
Die Sätze des vorigen Abschnittes sind für positive und nega-
tive Massen durchaus gleichmäßig gültig, nur ist der angezogene
Einheitspimkt immer positiv vorausgesetzt; soll er negativ sein, so
ist f mit — /* zu vertauschen.
Zu neuen Verhältnissen gelangt man, wenn man negative und
positive Massen, je in gleichen Quantitäten einander unendlich nahe
angeordnet, zu einem System vereinigt, welches als neutral be-
zeichnet werden mag, und dessen Potentialfunktion bestimmt
Hier kommen zunächst die Systeme von diskreten Massen-
punkten oder Polen in Betracht, die mit einiger Wahrscheinlichkeit
als Analoga zu den Atomgruppen gelten können, welche die pon-
derabeln Körper bilden.
Ist yj die Potentialfunktion irgend eines Massensystemes, so ist
169) »-»^ly.
WO / eine beliebige Sichtung und A eine auf derselben abgegrenzte
unendlich kleine Strecke bezeichnet, die Potentialfunktion eines
gewissen neutralen Systemes, das aus zwei dem obigen kongruenten
§ 20. Die Poienüalfunktion neutraler Punktsysteme, 163
eiDfachen Systemen besteht, von denen das eine/ mit den gleichen
Massen behaftete, um Xj2 in der Richtung +/, das andere, mit
den entgegengesetzten Massen behaftete, um Xj2 in der Rich-
tung — / aus der ersten Position verschoben ist; die Formel gilt
indessen nur solange, als X unendlich klein ist gegenüber der Ent-
fernung des angezogenen Elinheitspoles von aUen Punkten des Systemes.
So giebt
^^^fmX-^ 169')
die Potentialfunktion eines Punktepaares, welches durch das Mo-
ment jKj = mX und die Richtung der Axe /, Ton — m nach + m
positiv gerechnet, charakterisiert ist;
dasjenige eines neutralen Doppelpaares, dessen Punkte ± wi in
den Ecken des Parallelogrammes mit den Seiten A und X parallel /
und V liegen und für welches /, l und ju, = mXX charakteristisch ist.
Durch Wiederholung dieser Operation, die wir kurz Multi-
plikation nach bestimmten Richtungen nennen woUen, gelangen
wir zu immer höheren Potentialen**), deren allgemeinster Ausdruck
die Funktion
ist, wenn v == a + ß + y . , .
a^ ß, y . . , mag der Grad der einzelnen Multiplikation,
V der Gesamtgrad des Potentiales und auch des zugehörigen Punkt-
systemes heißen. Ein Potential vom Grad v entspricht im allge-
meinen einem neutralen Punktsystem von iV=2»' Polen; indessen
können sich von diesen in bestimmten Fallen sehr viele zu mehr-
fachen Punkten summieren oder wegen ihres entgegengesetzten
Zeichens in ihrer Wirkung zerstören.
Es ist bemerkenswert, daß die absoluten Beträge der parallel
a, 3, c . . . stattgefundenen Verschiebungen in dem Ausdruck (169'")
für q)y gar nicht auftreten; daher kann man über sie ganz beliebig
verf&gen. Dies zeigt, daß dieselbe Potentialfunküon <p einer unend-
lichen Vielheit von Punktsystemen entspricht und unter Umständen
ganz andere Symmetrieeigenschaften besitzen kann, als das zugehörige
Punktsystem.
11*
164 /. Teil, Mechanik starrer Körper, IV. Kap.
Die Polsysteme, welche dem Potential (169'") entsprechen und
somit durch successive Multiplikation aus einem Pol abgeleitet werden
können, wollen wir einfache nennen; ihnen treten gegenüber die
zusammengesetzten, welche durch Ineinanderstellen mehrerer
einfacher erhalten werden. Ihre Potentialfunktionen werden durch
Summen von Gliedern der Form (169'") dargestellt.
Ein Hauptvorzug der Potentialfunktionen einfacher neutraler
Polsysteme gegenüber denjenigen zusammengesetzter ist, daß man
ihre Symmetrieeigenschaften außerordentlich bequem beurteilen und
demgemäß leicht spezielle Ausdrücke bilden kann, welche gewünschte
Symmetrieelemente besitzen. Die letztere Aufgabe bietet sich, wenn
es sich, wie zum Zweck der Erklärung gewisser elektrischer und mag-
netischer Erscheinungen, darum handelt, Punktsysteme aufzufinden,
die geeignet scheinen könnten, Moleküle von krystallisierten Sub-
stanzen zu bilden, also ein Potential auszuüben, welches die Sym-
metrie der betreflfenden Krystallform hat.
Das Gleiche, wie von der Symmetrie der Potentialfunktion, gilt
auch von der Symmetrie der nach irgend einer Richtung ausgeübten
Komponenten, sowie von dem Potential und den Komponenten der
Wechselwirkung zwischen zwei derartigen Systemen.
Es kommen hierfür folgende äußerst leicht nachweisbare Sätze
in Betracht®^
Die Symmetrie der Potentialfunktion (p^ ändert sich nicht,
wenn man irgend welche von ihren Multiplikationsrichtungen mit
den entgegengesetzten vertauscht
Der Wert der Potentialfunktion (py bleibt ungeändert, wenn man
eine Multiplikationsrichtung von geradem Grade oder aber zwei von
ungeradem Grade gleichzeitig umkehrt.
Die Potentialfunktion <py besitzt ein Centrum C der Symmetrie,
wenn ihr Gesamtgrad v eine gerade Zahl ist
Sie besitzt eine Symmetrieebene E, wenn die Multiplikations-
richtungen (auch ihrem Grade nach) zu dieser Ebene symmetrisch
liegen oder mit Hilfe des ersten Satzes so gelegt werden können.
Sie hat eine w-zählige Symmetrieaxe A, wenn die Multiplikations-
richtungen zu je n von gleichem Grade auf einem Kreiskegel um -/
in gleichem Winkelabstand angeordnet werden können.
Außerdem ist A spezieller eine zweizählige Symmetrieaxe auch
dann, wenn die Summe der Grade aller normal zu A liegenden Multi-
plikationsrichtungen eine gerade Zahl ist.
Beliebige Multiplikationen nach der Sichtung von Ä stören diese
Symmetrie nicht, wie überhaupt verschiedene Multiplikationsgruppen,
§ 20. Die PotenHalfunktion neutraler Punktsysteme. 165
welche A je denselben Charakter erteilen, sich in ihrer Wirkung
nicht beeinträchtigen.
Endlich besitzt die Potentialfunktion eine m- zählige Spiegel-
drehungsaxe 8, wenn normal zm S m Multiplikationshchtungen von
gleichem, aber ungeradem Grade liegen, von denen die benachbarten
den Winkel n/m einschließen, während parallel S eine Multipli-
kation von beliebigem ungeraden Grade stattfindet.
Multiplikationen, welche die Eichtung S zu einer 2 m -zähligen
Symmetrieaxe machen, stören jene Symmetrie nicht.
Mit Hilfe dieser Sätze kann man leicht Potentialfunktionen tp^
bilden, welche die Symmetrie irgend einer der 32 Krystallgruppen
besitzen, also auch die neutralen Polgruppen ableiten, welche jene
Potentiale ausüben; hierbei wird man, um letztere von mögUchst
übersichtlichem Bau und möglichst hoher Symmetrie zu erhalten, die
Verschiebungen X für gleichwertige Multiplikationsrichtungen auch
gleich groß wählen. —
Für das Verständnis der insbesondere von krystaUinischen Nicht-
leitern gezeigten elektrischen Erscheinungen kann man sich einen
Krystall als ein regelmäßig angeordnetes System derartiger Polgruppen
mit elektrischen Ladungen denken, deren einzelne Punkte sich unter
der Gesamtheit der auf sie ausgeübten Kräfte im Gleichgewicht be-
finden oder wenigstens, was für viele Wirkungen keinen unterschied
macht, um eine Ruhelage osciUieren. Die Anordnung der Pole im
Molekül, und damit die direkt beobachtbare elektrische Wirkung
des ganzen Körpers auf äußere Punkte, wird sich ändern können in-
folge der Einwirkung äußerer elektrischer Kräfte, infolge einer Tem-
peraturänderung, die den Bewegungszustand beeinflußt, und infolge
einer Deformation des KrystaUes, welche die Anordnung und Orien-
tierung der einzelnen Moleküle verändert
Die Verfolgung dieser Vorstellung liefert eine molekulare Theo-
rie der vorgenannten, an elektrischen Nichtleitern beobachtbaren
Erscheinungen, welche man resp. dielektrische Polarisation, Pyro-
und Piezoelektricität nennt; der ersteren entspricht bei magnetisier-
baren Körpern der Vorgang der Influenzierung durch magnetische
Kräfte.
Für diese Theorie ist zu erwägen, daß die Potentialfunktionen der
durch successive Multiplikation aus einem Punkt erhaltenen Pol-
systeme außerordentlich schnell mit der Entfernung abnehmen, so
daß ihre Wirkungen bei einigermaßen großer Polzahl nahezu als
molekulare im gewöhnlichen Sinn des Wortes, nämlich als in jeder
merklichen Entfernung unmerklich, betrachtet werden können. Durch
166 /. Teil* Meehanik starrer Körper. IV, Kap,
die erwähnten Umgestaltungen können sie aber zu Femwirkungen
von viel größerer Intensität gebracht werden.
Um dies zu erkennen, wollen wir die Potentialfimktion des
Volumenelementes rfA^ eines aus Molekülen der betrachteten Art zu-
sammengesetzten neutralen Körpers berechnen; dieselbe ist zunächst
gegeben durch
m
h
170) ^'^f2-^,
^h
wo wift die Masse des einzelnen Atomes oder Poles bezeichnet. Ver-
stehen wir unter ar^, y^, z^ einen beliebig innerhalb des Volumen-
elementes gelegenen Punkt, unter r seine endliche Entfernung von
dem Enheitspunkt an der Stelle x, y, z, unter ah, bk, c^ die rela-
tiven Koordinaten von nih gegen ihn, so kann man schreiben
1700
8^ ö-i ö^
+ i Q—i -2" »ift flft* + ....
Hierin ist ^m^ nach der Annahme gleich Null; die drei Sum-
men ^m^a^y ^m^bk, Sm^Ch kann man bei stetig mit dem Ort
wechselnder Verteilung und bei einer Dichte, die innerhalb dk^ eine
sehr große Anzahl von Polen Platz finden läßt, als mit dk^ propor-
tional betrachten und daher setzen
170") -2'wia Ca = cfj rfÄj , Sm^ bh = ß^dk^, -5*m/^ c^ = ^j rf A^ .
Man versteht nun allgemein unter den Momenten ^, B, C
eines neutralen Körpers nach den Koordinatenaxen die
Aggregate
171) 2mt,Xh — Ä, ^rriht/h — B, SSmj,Zf,=^C,
summiert über alle in dem Körper enthaltenen Pole.
Die Ay JS, C transformieren sich wie Kraftkomponenten, sind auch,
wie sie, von der Lage des Koordinatenanfangspunktes unabhängig,
lassen sich also als Komponenten eines Vektors M betrachten, dessen
Größe durch
171-) JP=^Ä^ + B^ + C^,
dessen Richtung durch
171") cos {L,x) : cos {L^y) : {L,z) = Ä: B : C
gegeben ist®^
Der Vektor jlf heißt das Gesamtmoment des neutralen Kör-
pers, seine Richtung L dessen Axe.
§ 20, Die Potentialfunktion neutraler Punktsysteme, 167
Diese Definitionen finden in gleicher Weise bei magnetisch, wie
bei dielektrisch erregten Körpern Anwendung.
Das Moment D nach einer beliebigen Richtung ist nach den
allgemeinen Eigenschi^en der Vektoren durch
J)^Mcos{D,Z) 171'")
gegeben; M stellt sich also als der absolut größte Wert dar, den D
für irgend eine Richtung annehmen kann.
Berücksichtigt man dies, sowie, daß eine Verlegung des Koordi-
natenanfangs die Momente nicht verändert, so erkennt man, daß in
Gleichung (170") a^, /Sj, y^ die Momente der Volumeneinheit
darstellen. Die Potentialfunktion qp' ist bei Beschränkung auf die
niedrigsten Glieder eine lineare Funktion von ihnen und lautet nun-
mehr für Punkte in endlicher Entfernung von dk^
wofür man bei Einfilhrung des Gesamtmomentes jttj der Volumen-
einheit und der Richtung l^ der Axe auch schreiben kann
if'^fti,^dh,. 172-)
Vergleichen wir dies mit der Formel (169'), so erkennen wir,
daß, wenn die a^, /Sj, y^ nicht verschwinden, das Volumenelement
rfÄj sich wie ein einfaches Polpaar verhält Verschwinden sie aber,
so muß man die Entwickelung von 1 /r^ nach Potenzen von «ä, &a> <?*
weiter fiihren und erhält dann die Potentialfunktion (p dargestellt
durch ein Aggregat höherer Potentiale der oben besprochenen Art
mit speziellen Multiplikationsrichtungen. —
Haben die Moleküle in irgend einem Zustande des Körpers, den
wir den normalen nennen woUen, die Eigenschaften jener durch suc-
sessive Multiplikation aus einem Punkt abgeleiteten Polsysteme, so
ist, was die unmittelbare Anschauung lehrt, ihr Moment stets gleich
NuU, sowie ihr Grad höher ist als zwei; das Gleiche gilt, da die
Momente cfj , /9j , y^ des Volumenelementes in Bezug auf die Koordi-
natenaxen nach ihrer Definition mit den Summen der bezüglichen
Momente aller in demselben enthaltenen Moleküle identisch sind,
auch für jene.
Nun erfordert aber auch die niedrigste Symmetrie einen Grad
der molekularen Potentialfunktion, der mindestens gleich drei ist,
höhere Symmetrie Grade, die selbst zwölf übersteigen; daraus folgte
168 /. TeiL Mechanik starrer Körper, IV, Kap.
daß, wenn das Volumenelement eines Körpers merkliche femwirkende
Kräfte ausübt, seine Moleküle sich nicht in jenem normalen Zu-
stande befinden können.
Man kann nun jeden elektrisierten Nichtleiter und jeden magnetisch
erregten Körper, welcher klein ist gegen seine Entfernung von dem
angezogenen Einheitspunkt, als ein Volumenelement betrachten, über-
dies kann man die' Formel (172) sofort auf endliche Körper anwenden,
indem man sie über deren Volumen integriert; es sind also Mittel
vorhanden, um zu prüfen, ob ein Körper sich wie ein neutrales Pol-
system mit von Null verschiedenen Momenten cc^, ß^, y^ verhält
Letzteres ist in der That der Fall, und es bietet sich daher
die Aufgabe, das Gesetz, welches die erregten Momente aj, /S^, y^
mit den erregenden Ursachen verbindet, aufzusuchen.
Eine strenge Analyse würde von bestimmten Annahmen über die
Konstitution der einzelnen Moleküle und über ihre Anordnung im Körper
ausgehen müssen und dadurch sowohl prekär in den Grundlagen, als
kompliziert im Aufbau werden. Aus diesem Grunde ist eine solche
bisher noch nicht' versucht worden; man hat sich vielmehr mit
einem Ansatz geholfen, der jene Schwierigkeiten umgeht, und hat
die Momente cc^, ß^, y^ an irgend einer Stelle des betrachteten
Körpers in erster Annäherung linearen Funktionen gleich gesetzt
von denjenigen Argumenten, welche erfahrungsgemäß das Entstehen
von Momenten bewirken: bei der dielektrischen oder magnetischen
Influenz von den Komponenten der wirkenden elektrischen oder
magnetischen Kräfte, bei der Pyroelektricität von der Temperatur-
änderung gegen den normalen Zustand, bei der Piezoelektricität von
den Parametern, welche die Deformation des Volumenelementes
bestimmen.
Die Verfolgung dieses Weges ist indessen von der molekularen
Vorstellung unabhängig und gehört demgemäß nicht an diese Stelle. —
Von der allgemeinen Potentialfunktion g/' eines neutralen
Volumenelementes können wir, wie schon oben erwähnt, zu der
Potentialfunktion eines endlichen neutralen Körpers von analoger
Konstitution übergehen, indem wir die Formel (172) über sein ganzes
Volumen integrieren. Der resultierende Ausdruck ®®)
173)
^=^il"^^
in welchem cc^, ß^, y^ als im allgemeinen stetige Funktionen der
Koordinaten anzusehen sind, gilt für endliche, imendlich dichte Pol-
§ 20, Die PotentialfunkHon endlicher neutraler Körper, 169
Systeme, gleichyiel, ob dieselben elektrische oder magnetische Ladung
haben, und ist für die Theorie der sogenannten Dielektrika, wie der
Magnete von fundamentaler Bedeutung; er giebt, da er auf
Wechselwirkungen beruht, ebensowohl das Potential des Körpers
auf den Pol, als dasjenige des Poles auf den Körper an.
(p ist im ganzen äußeren Baume endlich und stetig, erfüllt
dort die Gleichung A y = 0 und wird, wenn das System ganz im
Endlichen üegt, im Unendlichen derart unendlich klein, daB auch
lim (r^ (p) verschwindet, also, nach unserem kurzen Ausdrucke, unend-
lich klein zweiter Ordnung. Seine Differentialquotienten nach den
Koordinaten x, y, z des Einheitspoles sind im äußeren Baume iden-
tisch mit den negativen, auf jenen Pol ausgeübten Kraftkomponenten.
Ist der Körper homogen erregt, d. h., sind «j, ft, 7i in seinem
Innern konstant, so kann man q) unter Einführung einer sehr kleinen
Größe Aj auf die Form bringen
das Integral ist die NEWTON'sche Potentialfunktion des mit der Dichte
^/Aj erfüllten Volumens h^\ q> entspricht also nach (169) dem dar-
aus durch einfache Multiplikation nach der Bichtung der Axe \
gebildeten neutralen System.
Für innere Punkte verliert (p zunächst vollständig seine Be-
deutung, denn die Ausgangsformel (172") setzt ausdrücklich eine
endliche Entfernung r^ voraus, da sonst die Entwickelung nicht mit
dem niedrigsten Glied abgebrochen werden kann. Es ist demgemäß
über den Sinn, den (p und seine Differentialquotienten im Innern des
Systemes annehmen, eine besondere Untersuchung anzustellen nötig;
bei derselben sehen wir aber, um nicht in jedem Volumenelemente
unendlich viele verschiedene Werte von (p zu erhalten, von der Art,
wie die Formel (173) abgeleitet ist, d. h. von der früheren Annahme
diskreter Pole, gänzlich ab und halten uns nur an die analytische
Definition, operieren dadurch gewissermaßen mit lauter Mittel-
werten.
Daß ip auch im Innern des erregten neutralen Körpers endlich
ist, erkennt man, wenn man Polarkoordinaten vom Einheitspol aus
einführt Um zu untersuchen, ob die unendlich nahen Teile über-
haupt einen endlichen Beitrag zu seinem Wert geben, schließt man
den Punkt a:, y, z passend durch eine unendlich kleine Kugel mit
dem ihm benachbarten Mittelpunkt a, i, c ein, innerhalb deren a^, /9j, y^
als konstant angesehen werden können. Indem man dann mit der
170 /. Teil. Mechanik starrer Körper, IV. Kap.
Gleichung (173') den Wert (168') der NEwroN'schen Potentialfunktion (jpj
einer homogenen Kugel auf innere Punkte yerbindet und bildet
»'^-ö^^i + TrÄ + ^^ri,
erhält man leicht als Potentialfunktion der kleinen Kugel
1 73") cp = *ff{a, {z-a) + ß,{y-b) + y,{z- c)).
Dieser Wert wird mit unendlich kleinem Radius selbst unendlich
klein, da (^ — «), (y — *), (^ — c) notwendig kleiner, als dieser sind.
Hieraus folgt, daß die unendlich nahen Teile des Systemes
keinen merklichen Anteil zu der Potentialfunktion ergeben, der
Punkt also im Innern eines neutralen Körpers dasselbe Potential
erfährt, wie in einem unendüch kleinen Hohkaum von beHebiger Ge-
stalt In diesem Sinne ist also der obige Ausdruck für qp, wie auf
äußere, auch auf innere, und selbstverständlich ebenso auch auf
der Grenzfläche beliebig nahe Punkte anwendbar.
Die Potentialfimktion (173) gestattet eine wichtige Umformung
durch teilweise Integration, welche jedenfalls zulässig ist, so lange der
Einheitspol außerhalb des Systemes liegt Man erhält nämlich, falls
man unter n^ die innere Normale auf dem Oberflächenelement rfo^
versteht und
— (a^ cos (rtj, x) + /Sj cos {n^,y) + y^ cos (n^, ;?)) = a^ ,
setzt,
173'") (p=f C^^ + f C-^y^J^
wodurch sich (p als die Summe eines gewöhnlichen NEwroN'schen
Flächen- imd eines Körperpotentiales darstellt; a^ ist die Flächen-,
(>j die Raumdichte der äquivalenten Verteilung.
Bei homogener Erregung verschwindet das Raumintegral, und
man erhält spezieller bei Einfährung des resultierenden Momentes /l^
und der Axe l^ desselben
co8(n,,/|)(/0|
>
V = fl^ij
eine Formel, deren Beziehung zu der früheren (173') leicht erkennbar ist
Ist speziell die Gestalt des Systemes die eines Fadens von
wechselnden, aber gegen die Länge unendlich kleinen Querdimensionen,
und liegt die magnetische, resp. elektrische Axe überall der Faden-
axe parallel, so kann man die Formel (173) schreiben
§ 20, Die Potentialfunktion endlicher neutraler Körper, 171
r al
anter g den Querschnitt des Fadens verstanden; hieraus folgt auch
worin das mit ' bezeichnete Glied sich auf das positive, das mit "
sich auf das negative Fadenende bezieht
Ist fji^q^, d. h. das Moment der Längeneinheit, längs des Fadens
konstant, so ist das Integral gleich NuU, und die Potentialfunktion (p
reduziert sich auf die Anteile der beiden Endquerschnitte; schreibt
man fi^q^^ = m^, so wird für das Solenoid, wie man derartige
Fäden nennt,
worin r die Entfernung des Einheitspoles vom positiven, r" die vom
negativen Pole des Solenoides bezeichnet.
Liegt der Einheitspol im Innern des neutralen Körpers, so läßt
sich die Umformung (173'") gleichfalls als zulässig erweisen.
Denn schließen wir ein unendlich kleines Bereich um ihn herum
aus, so wird nach dem Obigen dadurch (p nicht geändert, das Ober-
flächenintegral in (173'") ist aber nunmehr auch über die Grenz-
fläche dieses Bereiches zu erstrecken. Führt man aber Polarkoordi-
naten von dem Einheitspol aus ein, so erkennt man leicht, daß
mit abnehmendem Bereich und demgemäß abnehmender Grenz-
fläche der darauf bezügliche Anteil des Oberflächenintegrales ver-
schwindet. —
Während hiemach der Übertragung des Wertes (173) und (173'")
der Potentialfunktion auf innere Punkte kein Hindernis entgegen-
steht, wird diejenige der durch sie gegebenen Ausdrücke fl\r die
Kraftkomponenten dadurch unmöglich, daß in ihnen die unendlich
nahen Elemente einen endlichen Anteil zu dem Werte geben.
Hiermit hängt zusammen, daß die Kraft, welche ein in einem un-
endlich kleinen Hohlraum befindlicher Punkt erfährt, von der Gestalt
dieses Hohlraumes abhängt®^ Eine einfache Überlegung zeigt, daß
durch den Wert
Z=— öy/öar, Y= -- d(p I dy, Z = — dff / dz
speziell diejenige Kraft gegeben ist, welche der Punkt in einem
röhrenförmigen Hohlraum erfährt, dessen Axe parallel der elektrischen.
172
/. Teil. Mechanik starrer Körper. IV. Kap.
resp. magnetischen Axe l^ an der betreffenden Stelle liegt, und dessen
Querdimension unendlich klein gegen seine Länge ist Denn ein
fadenförmiges Element, welches den Hohlraum ausfüllen würde, ist
nach (173"") äquivalent mit zwei auf seinen Endflächen liegenden
Polen, deren Massen unendlich klein vierter Ordnung sind, also in
Entfernungen, die unendlich klein erster Ordnung sind, keine
endliche Wirkung üben.
Die zweimalige Anwendung der Überlegung, welche zu der
Formel (172) für die Potentialfunktion eines Volumenelementes
führte, liefert als das Potential der Wechselwirkung zwischen zwei
in endlicher Entfernung voneinander liegenden Volumenelementen
die Formel
. 1
174)
7 =f
a
8^
a.-^ + ß.
- d
1
öa? \ ^ ^x^
+ ß
dy
«i^ + A
. 1
+ r
a
1 dx.
+ ßi
r
r
dy,
+ ri
+ ri
+ ri
r
al
r
dkdk^,
oder unter Einführung der Axen /, l^ und der Gesamtmomente ju, /Uj
für beide Volumenelemente
174')
r
^J^" = ^''^i eJdT, "^^ "^^
Durch Integration über die beiden Volumina k und A^ folgt
hieraus das Potential der Wechselwirkung zwischen zwei endlichen
neutralen Polsystemen. Die Kraftkomponenten und Drehungsmomente
der Wechselwirkung folgen hieraus gemäß den auf S. 102 ange-
gebenen Regeln.
§ 21. Die NE^wTON'sche Fotentialfanktion von Doppelflächen.
Ein ganz ähnlich weittragendes Interesse, wie die im vorstehenden
behandelten neutralen Systeme von diskreten Massenpunkten, besitzen
die Gebilde, welche man erhält, wenn man entgegengesetzt gleiche
Massen auf zwei unendlich nahen parallelen Flächen derart stetig
ausgebreitet denkt, daß durch Normalen aufeinander zu beziehende
Flächenstücke entgegengesetzt gleiche Massen tragen.
Jedes Flächenelement einer solchen Doppelfläche ^^^ kann als
ein Punktpaar der in (169') vorausgesetzten Art behandelt werden,
§ 21, Die PotenHalfunkÜon vofi Doppelflächen, 173
dessen Axe in die Normale auf der Fläche fällt, und man erhält so,
wenn v sein auf die Flächeneinheit bezogenes Moment nach der be-
liebig positiv gerechneten Normale bezeichnet, für die Potentialfiinktion
der Doppelfläche auf Punkte in endlicher Entfernung den Wert
" - '•/''
^do^. 175)
Ist V, auf der Fläche o. konstant, so läßt sich dies Integral
allgemein bestimmen und giebt, wenn co^ die Ofihung des von dem Ein-
heitspol nach der Eandkurve von o^ konstruierten Kegels bezeichnet,
?P= ±fv,(o„ 175')
wo das positive oder negative Zeichen zu nehmen ist, je nachdem
das von der Bandkurve begrenzte Stück der Fläche dem Einheitspol
die Seite der positiven oder der negativen Normalen zuwendet ^®^) Die
Potentialfunktion einer homogenen Doppelfläche ist also nicht von
deren Oestalt, sondern allein vom Verlauf der Eandkurve abhängig.
Dies Resultat giebt das Mittel an die Hand, die Definition (1 75)
der Potentialfunktion einer Doppelfläche mit stetig wechselndem Mo-
ment widerspruchslos auch auf unendlich nahe Punkte zu über-
tragen. Denn begrenzt man ihr dem Punkt imendlich nahes Bereich /9,
innerhalb dessen Vj als konstant angesehen werden darf, durch eine
Randkurve (t, so kann man, indem man (t festhält, ß jederzeit so
ausbauchen, daß die Entfernung aller seiner Teile von dem be-
trachteten Punkt unendUch groß gegen die Dicke der Doppelfläche
ist, ohne die Potentialfunktion zu ändern. Nur am Rande der
Doppelfläche versagt das Verfahren, dort verliert der obige Ausdruck
(175) also seine Bedeutung.
Für eine geschlossene homogene Doppelfläche vom Mo-
ment V giebt die Formel (175') auf innere {i) oder äußere (a) Punkte
angewandt
(Pi=±^^f^^ y« = 0, 175")
worin das obere oder untere Vorzeichen gilt, jenachdem die innere
Seite der Doppelfläche die der positiven oder der negativen Normalen ist.
Die Potentialfunktion qp einer Doppelfläche mit stetig wechseln-
dem Moment ist im ganzen Räume stetig, wird im Unendlichen unend-
Uch klein vom zweiten Grade und springt beim Durchgang durch die
Doppelfläche um 4tnfvj falls v das Moment an der Stelle des Durch-
ganges ist, während ihre Dififerentialquotienten stetig hindurchgehen.
Den Beweis kann man ähnlich, wie denjenigen der entsprechenden
Sätze über Flächenpotentiale, führen.
174 /. Teil, Mechanik starrer Körper, IV, Kap.
Man schneidet aus einer der beiden parallelen Flächen, etwa
durch eine Kugel um denjenigen Oberflächenpunkt, in welchem man
das Verhalten der Potentialfunktion untersuchen will, ein unendlich
kleines Bereich ß von konstantem Moment v aus, errichtet in seinen
Randpunkten Normalen und grenzt dadurch auf der Parallelfläche
ein Stück ab, welches gleiche und entgegengesetzte Gesamtmasse ent-
hält, wie ß.
Die Unstetigkeit der Potentialfunktion der ganzen Fläche und
die ihrer Differentialquotienten in dem betrachteten Punkte können
nur von dieser unendlich kleinen homogenen Doppelfläche herrühren.
Sie muß also dieselbe sein, wie die einer beliebigen homogenen, ge-
schlossenen Doppelfläche, welche jenes ausgeschnittene Bereich ent-
hält. Nun zeigt Formel (175"), daß für eine solche die Potential-
funktion auch in unendlicher Nähe endlich ist, beim Durchgang von
der negativen zur positiven Seite um 4nfv springt, ihre Differential-
quotienten sich aber stetig anschließen; dasselbe gilt sonach auch
für die gegebene Doppelfläche mit stetig wechselnder Dichte, falls
man unter v das Moment der Flächeneinheit an der untersuchten
Stelle versteht.
Wir schreiben daher
176)
y+ — qp- = 47t fv,
176')
ftM
.+(^!) -«, (r.t).
Da die Potentialfunktion einer Doppelfläche mit konstantem
Moment nach dem zu der Formel (175') Gesagten von der Gestalt
der Fläche unabhängig und nur durch den Verlauf der Randkurve
bestimmt ist, so muß sich ihr Wert in ein Randintegral verwandeln
lassen, aus dem jede Beziehung auf die Gestalt der Fläche ver-
schwunden ist. Eine additive Funktion, welche bei der Integration
über die geschlossene Kurve identisch verschwindet, bleibt bei dieser
Umformung unter dem Randintegral willkürlich.
Man erhält eine solche Umwandelung leicht auf geometrischem
Wege.
2n '- [a + ß + y) ist die Fläche eines sphärischen Dreieckes
auf der Kugel vom Radius Eins mit den Außenwinkeln a, ß^ y\ daraus
leitet sich ab
als der Wert der Fläche eines sphärischen Polygons mit den Außen-
winkeln a^. Geht man zu einer stetig gekrümmten Kurve über, be-
zeiclinet den unendlich kleinen Winkel zwischen zwei aufeinander
§ 21, Die PotenHcdftmktion von Doppelflächen. 175
folgenden Linienelementen mit (Ca und führt die Länge des Linien-
elementes rfo"j, sowie den Wert P des Krümmungsradius der Kurve auf
der Kugel durch die Beziehung (ta ^ da^jP ein, so gelangt man zu
«1 = 2«-/^'-, 177)
wofUr man auch schreiben kann
a>, = 2 ;i ^ J^"> y "'\ 177')
falls ds^ das Element der Randkurve von öj, r seine Entfernung von
dem betrachteten Punkte und R den Krümmungsradius der Kurve
bezeichnet, in welcher eine in ^f« zu r normale Ebene durch den
Kegel coj geschnitten wird.
Auch die Komponenten der Wirkung, welche der angezogene
Punkt seitens der Doppelfläche erleidet, lassen sich durch Rand-
integrale darstellen.
Hierbei kommt ein wichtiger, von Stokbs gegebener Satz über
die Verwandelung eines gewissen Oberflächenintegrales in ein Rand-
integral zur Anwendung. ^^*)
Sei A eine auf der Oberfläche o stetig veränderliche Funktion
des Ortes, und bezeichne n diejenige Richtung der Normalen auf
der Oberfläche o, welche von der beliebig positiv gerechneten Rand-
kurve s in positivem Sinne umlaufen wird, so ist
^1 =/(4rC0s(n, y) - -M.cos(n, z)) do ^JA-^ds. 178)
Für den Beweis wollen wir der Bequemlichkeit halber an-
nehmen, daß auf der ganzen Oberfläche o die positive Normale einen
spitzen Winkel mit der Y- und ^-Axe einschließe. Ist dies nicht
der Fall, so hat man o in Stücke zu teilen, auf denen cos(n, y)
und cos(7i, z) ihr Zeichen nicht wechseln, diese gesondert zu be-
handeln und schließlich die für sie erhaltenen Resultate zu addieren.
Gleiches gilt, wenn die Oberfläche mehr als eine Randkurve besitzt.
Bezeichnet man mit dxdz und dxdy die Projektionen von do
auf die XZ- und ZT-Ebene, so erhält man zunächst
Führt man nun ein
als Gleichung der gegebenen Oberfläche,
176 /. Teil, Mechanik starrer Körper, IV. Kap.
als die Gleichungen zweier Oberflächen, welche mit der ersteren
zusammen einen Punkt Xj y, z der Oberfläche bestimmen, so kann
man umgekehrt auch schreiben
Setzt man noch fest, daß dcc, dß und dn drei Linienelemente
bestimmen, die zu einander liegen, wie X zu T zu Z, so erhält man
j __ rn/dxdx dxdx\dÄ_^(Bxdy dxdy\dÄ'\j -.n
und fügt man unter dem Integral den verschwindenden Ausdruck
j d X d X d X dx\ dA
hinzu, so giebt dies
Nimmt man nun an, die F^ und ^g seien so gewählt, daß die
Oberfläche o durch ringförmige und durchmesserartige Kurven in
Elemente zerlegt wird, so ist in Bezug auf a von dem centralen
Wert Uq bis zum Randwert a^ zu integrieren, in Bezug auf ß von
einem beliebigen Anfangswert ß^ bis zu einem Endwert ß^, w^elcher
der gleichen Kurve a und somit auch gleichen A und x entspricht.
Man erhält dann aus (178') durch teilweise Integration, bei der
sich das Flächenintegral forthebt.
«1 ^ ßi
d X
178") J,=J[Alf^dß^f\A
da
da.
Das zweite Glied verschwindet nach dem Gesagten wegen der Ein-
wertigkeit von A und dx/dcc, das erste giebt an der unteren Grenze
den Wert Null, da dort, für den innersten, unendlich kleinen King.
Adxjdß konstant ist Sonach bleibt allein der Wert an der oberen
Grenze, der sich auf die Randkurve bezieht, und in dem man
[dxjd ß) dß mit dx oder {dxjd8)ds vertauschen kann. Dies giebt
aber die zu beweisende Formel (178).
Stellt man ihr entsprechende für mit A gleichartige Funktionen B
und C auf, in denen die Y- und Z-Axe dieselbe Rolle spielen, wie
vorstehend die X-Axe, und summiert die bezüglichen Integrale Z^, /,, Jy
so erhält man den allgemeinen Ausdruck des STOKEs'schen Satzes,
nämlich die Gleichung
§ 21. Die Potenüat/unktion von Doppelfläehen.
177
+
as ds ds
\ds..
178'")
Mit Hilfe dieses Satzes wollen wir nun die Z-Komponente der
Wirkung der homogenen Doppelfläche auf den Einheitspol berechnen.
Man erhält zunächst, weil r die Koordinaten x und x^ nur in
der Verbindung x -- x^ enthält,
a«
= +fi>
^C08(ni,:r) + ^^^C08(ni,y)
a»
und wenn man benutzt, daß A (1 /r) = 0 ist,
1
179)
^=+/'v iWirfe
ö«
C08(nj,y)-g-^C08(ni,x)
r
1
do.
+ \rx;h ^^' ^'^ ' "^^ ~ ö^v cos K , X) j
Die Anwendung der Beziehung (178'") liefert hieraus sofort,
wenn man die entsprechenden Ausdrücke für Y und Z hinzufügt,
das System von Werten:
1790
hierin bezeichnen dx^, dy^, dz^ die Projektionen des Linienelementes
(f«j auf die Koordinatenaxen.
Man kann also die Wirkung der Doppelfläche ersetzen durch
die ihrer Bandkurren «^ , falls man von den einzehien Linienelementen
VoiOT, Tbeontiaeha Physik. 12
178 /. Ttä. Mechanik starrer Körper. IV. Kap.
ds^ eine Kraft ausgeübt denkt, deren Komponenten — je bis auf
eine willkürliche additive Funktion von der Form rf|/rf«^, . . . —
gegeben sind durch
Y'=f^{[x-x,)dz,-[z-z,)dx,),
179")
f".
z' =- '^ ((y - yi) ''^1 - (' - *i) ^vi) ■
Diese Ausdrücke geben eine Resultierende K' von der Stärke
179'") Jr = ^*sin(r,*0^*i.
wo r nach dem Einheitspol hin positiv gerechnet ist, deren Richtung
normal steht auf der Ebene durch r und ds^ und zwar in dem Sinne,
der einer positiven Drehung um die positive Richtung ds^ entspricht^
falls v^ positiv ist, was man bei homogenen Doppelflächen durch
Verfügung über die positiv genannte Richtung der Normalen n^ stets
erreichen kann.
Dies Gesetz stimmt mit dem nach Biot und Savabt ^^^ benannten
für die Wirkung eines in ds^ fließenden, mit Vj proportionalen gal-
vanischen Stromes auf einen nordmagnetischen Einheitspol durchaus
überein; eine homogene magnetische Doppelfläche ist somit bezüg-
lich ihrer magnetischen Wirkung einem in ihrer Randkurve krei-
senden Strom vollkommen äquivalent —
Das Potential der Wechselwirkung zwischen zwei Doppelflächen
o und Oj mit den konstanten Momenten v und v^ schreibt sich unter
Benutzung der auf S. 173 angestellten Überlegungen
180) '^-f'^JS^'x^o^JT^-
Dieser Ausdruck gilt jederzeit, wenn die beiden Doppelflächen
entweder direkt keine einander unendlich nahen Flächenelemente
besitzen oder doch ohne Veränderung der Randkurven in eine solche
Form gebracht werden können. Er gilt also jedenfalls nicht, wenn
die beiden Randkurven durcheinander geschlungen sind.
Die Gleichung (180) läßt sich unter Benutzung des Satzes (178'")
leicht in ein Doppelintegral über die Randkurven s und s^ beider
Doppelflächen umformen.
Denn man kann zunächst nach (175) und (180) schreiben
§ 22. Der Green' sehe Sah,. 179
=+/',»»jd*jrfo[jjiy ' "
0 = + vjdoi^^ cos («, *) + 1^ cos («, y) + |^ cos (», z) j
+ 5? \a^ '^^ ("' "^^ - öi *'*'" ("' '\
hierauf den Satz (178''') dreimal anwenden und dadurch erhalten
r/>= - fvv^ rrdxdx, + dydy, + dxdx, ^ ^fpp^ rCcoBedsda,^ jg^.^
worin € den Winkel zwischen den Linienelementen ds und ds^ be-
zeichnet.
Dieser Ausdruck stimmt mit dem von Neumann gegebenen und
schon Seite 52 und 153 benutzten Potential der Wechselwirkung
zwischen zwei in s und s^ fließenden, ihrer Stärke nach mit v und v^
proportionalen, galvanischen Strömen überein.
§ 22. Der 0BEEK*8che Satz und die OiiEEK*8chen Funktionen.
Ist dk das Element eines beliebig begrenzten Raumes A, do das
Element seiner Begrenzungsfläche, und sind ?7und Fzwei Punktionen
von X, y, z, welche die Bedingung erfüllen, daß £/, dVjdx, dVjdy^
dVjdz innerhalb des betrachteten Raumes eindeutig und stetig
sind, so gilt, wie durch Rechnung leicht zu erweisen ist.
Hierin bezeichnet n die Richtung der inneren Normale auf der
Oberfläche von ä. Diese Gleichung führt den Namen des Green'-
schen Satzes.^®*)
Ist auch r und dUjdx, dUjdyj dUjdz innerhalb k einwertig
und stetig, so läßt sich die vorstehende Gleichung auch unter Ver-
tauschung von U und V aufstellen, und aus beiden folgt durch
Subtraktion
S^UAr-rAU)dk=-j[uf^-T':^do. 181')
12»
180 /. Teil. Mechanik starrer Körper. IV. Kap.
Wählt man speziell J/^= V, so ergiebt die Gleichung (181)
181") fvA^dk^ ^Jy^^Ldo-^feFdk,
wonn
(Zh K-)*+ m'= « '
gesetzt ist; nimmt man U= l, so folgt aus (181)
181'") fAFdk^-ff-do.
Die vorstehenden, gleichfalls von Gbeen gegebenen Gleichungen
erweisen sich nach vielen Richtungen hin überaus fruchtbar.
Zunächst wollen wir sie anwenden, um zu beweisen, daß die
in den vorigen Paragraphen untersuchten Potentialfunktionen tf'
vollständig charakterisiert sind durch ihr reguläres Verhalten, durch
die Erfüllung der Gleichung A(p = 0 außerhalb der wirksamen
Massenverteilungen und durch die Art ihres Verschwindens im
Unendlichen; ferner bei Punkt- und Linienpotentialen durch
die Stellen und die Art des Unendlichwerdens, bei Flächen- und
Doppelflächenpotentialen durch das Verhalten der Funktion
und ihres ersten Differentialquotienten nach der Normalen an den
mit Masse belegten Flächen, bei Raumpotentialen durch die
überall stattfindende Stetigkeit der Funktion und ihrer ersten
Differentialciuotienten und die Gültigkeit der Gleichung
Die Potentialfunktion (173) eines endlichen neutralen Körpers
ist nach (173'") auf solche der vorstehenden Art zurückführbar,
bietet sonach nichts Neues.
Den angekündigten Beweis führen wir in der Weise, daß wir
annehmen, es seien zwei Funktionen y^ und (p^ mit den gleichen
Eigenschaften, also auch gleichen Unstetigkeiten und gleichen Para-
metern m, T, ö", Q, V möglich, und zeigen, daß ihre Differenz
qpj — qp^ = qp' notwendig im ganzen Räume verschwinden muß.
Die Funktion qo' verhält sich nach ihrer Definition mit ihren
ersten Differentialquotienten überall regulär und erfüllt die Gleichung
^qt)'=:0; sie wird im Unendlichen selbst von mindestens erster, ihre
ersten Differentialquotienten werden von mindestens zweiter Ordnung
unendlich klein. Bildet man also für cp' die Gleichung (181") imd
bezieht dieselbe auf den ganzen von einer unendlich fernen Fläche
begrenzten Raum, so verschwindet in ihr sowohl das Raumintegral
links, als das Oberflächenintegral rechts, und man erhält
§ 22, Der O rem' sehe Satx, 181
Q = fQ(p'dk\
hieraus folgt die Konstanz, und da qp' im Unendlichen gleich Null
ist, auch das Verschwinden von (p\ womit der angegebene Beweis
geliefert ist —
Die Gleichung (181") gestattet auch zu beurteilen, welcherlei
Randbedingungen neben den für jede Stelle eines endlichen Rau-
mes k vorgeschriebenen Werten A V erforderlich sind, um eine stetige
und eindeutige Funktion V innerhalb k vollständig zu bestimmen.
Diese Bedingungen müssen nämlich jedenfalls zur Folge haben,
daß für die Diflferenz f\ — T\ = V^ von zwei Funktionen, welche
das gleiche A ?^ ergeben und den gleichen Randbedingungen genügen,
das Oberflächenintegral in (181") entweder verschwindet oder zu
einer Summe von stets positiven Gliedern wird. Ersteres findet statt
für Teile der Oberfläche, wo entweder Toder dVfdn vorgeschriebene
Werte annimmt, letzteres für Teile, wo das Gleiche für
{F^^T^^-i^dVldn) oder {i\^V - {dTjdnf^-^)
stattfindet, falls I\ und F^ längs der Oberfläche beliebig wechselnde
Größen bezeichnen. Somit wird in allen Fällen, wo längs der
Oberfläche zum Teil das eine, zum Teil das andere, zum Teil das
dritte stattfindet, fQF^dk = 0, also V^ konstant sein müssen, und
diese Konstante bestimmt sich durch die Oberflächenbedingungen selbst
in allen Fällen zu Null, ausgenommen den einen, daß längs der
ganzen Oberfläche dVjdn gegeben ist. In diesem Falle ist also V
nur bis auf eine additive Konstante, in allen übrigen aber voll-
ständig bestimmt
Es ist_zu bemerken, daß F, dVjdn und {F^^f^-^-^-dVjdn)
resp. (^F^^ r^ {d F I dnf^-^'^), so weit sie nicht der Forderung der
Stetigkeit widersprechen, willkürlich vorgeschrieben werden können;
nur in dem obigen speziellen Falle, daß dV jdn auf der ganzen
Begrenzung gegeben ist, wird eine Beschränkung der freien Verfügung
durch die Formel (181"') geliefert
Es mag schon hier hervorgehoben werden, daß vorgeschriebene
OberHächenwerte von
i^F/f^^-^-dfldn) oder (F^^T- {d'FI dnf^-^)
hervorragendes Interesse nur bieten, wenn A = ä = 1 ist, wo sich beide
Ausdrücke auf {F^V ^ dVj dri) reduzieren; auf diesen Fall wollen
wir uns weiterhin auch beschränken. —
Eine überaus wichtige Formel, die unter anderem auch dazu
benutzt werden kann, um V aus längs der ganzen Oberfläche von k
182 J. Tsü, Mechanik starrer Körper. IV. Kap.
gegebenem T resp. dVjdn oder (F^V — dVjdri) wirklich zu be-
rechnen, erhält man aus (IST), indem man
r
setzt, wo r die Entfernung der Stelle ar, y, z von einem beliebig
innerhalb k festgelegten Punkt a, b, c bezeichnet.
Durch eine kleine Kugelfläche ist dann der Punkt a, ä, c aus-
zuschließen, um einen Raum zu erhalten, innerhalb dessen U die
vorausgesetzte Stetigkeit besitzt Das Oberflächenintegral
bI-
^^ -T^JLUo
dn dn
liefert über die kleine Kugel ausgedehnt im ersten Glied Null, im
zweiten —inVabe] man erhält also in Bücksicht auf A(l/»') = 0
182) r...--i/(x.|J-F.'J:)«.-^/^^.,
wo das Flächenintegral nur über die ursprüngliche Begrenzung,
und das Baumintegral zwar zunächst über den Baum k mit Aus-
schluß der kleinen Kugel zu nehmen ist, aber beliebig auch über
diese erstreckt werden kann, da der ihr entsprechende Anteil un-
endlich klein ist^®^)
F drückt sich also im allgemeinsten Falle aus als NBwroN'sche
Potentialfunktion einer Oberflächenbelegung von der Dichte
ö- = — dr/ 4nfdn,
einer Doppelbelegung von dem Momente
v=: + Vj^nf
und einer räumlichen Verteilung von der Dichte
p = - Ar/4;r/.
Letztere verschwindet, wenn der gegebene Wert von A F gleich
Null ist
Wird Firn Unendlichen von beliebigem, dFjdn von höherem
als erstem Grade unendlich klein, so kann man für k den unend-
lichen Baum nehmen und das über die unendliche Kugelfläche er-
streckte Integral vernachlässigen.
Ist dann weder F noch dF/dn längs irgend einer im End-
lichen gelegenen Fläche unstetig, so giebt das erste Integral in (182)
den Wert Null, und F bestimmt sich als die Potentialfunktion einer
räumlichen Massenverteilung, denn es wird unter Benutzung von (167")
§ 22. Der Green' sehe SaH. 183
'-••--i/^-/-/
qdk
Speziell wird hier F= 0, wenn noch A '^= 0 ist
Ist dagegen zwar A ^ tiberall gleich Null, aber F oder dFjdn
längs einer Fläche unstetig, so ist diese Fläche als Begrenzung
des Kaumes anzusehen und unter BUcksicht auf (165') und (170)
zu bilden
'■-=+ :rrj «-''.) TS- "— 0 • T^
do,
wo «j nach der Seite des Wertes }\ positiv gerechnet ist
V bestimmt sich hier in der That als Potentialfunktion einer
einfachen oder Doppelfläche. —
Bei den vorstehenden Betrachtungen war das Verhalten von F
im unendlichen vorgeschrieben; es giebt Fälle, wo dasselbe nicht
gegeben ist, aber aus den für das Endliche geltenden Bedingungen
erschlossen werden kann.^^®)
Sei A^nur im Endlichen von Null verschieden und — / A Fdh
über den ganzen Raum k integriert endlich, und zwar gleich 4^^;
sei ferner dFjdn nur an im Endlichen liegenden geschlossenen
Oberflächen o^ vorgeschrieben, und -- 2 f{ß FldrC^do^^ über sie alle
summiert endlich, und zwar = + ^nM^^ Wir erstrecken Formel
(182) auf den Raum zwischen den o^ und der unendlich großen
Kugelfläche 0 und erhalten, wenn wir den Radius der letzteren
mit R bezeichnen, _
47iJ r
Es gut aber nach (181'")
/H^^ = ""/^ '"^^ "/II^^ = + ^ ""(^^ + ^'^^ '
also ist das Integral links endlich und wird durch R dividiert unendlich
klein. Bezeichnen wir noch die Eonstante / Fd 0 1 4nR^ durch C,
so erhalten virir
r„,^.C=-±lki^-T'3do-^lAV'-^. 182')
^"^ 47iJ \r an an/ 47iJ r *
184 /. TeH. Mechanik starrer Körper. IV, Kap.
Diese Formel zeigt, daß, wenn man den Punkt o, &, c ins Un-
endliche rückt, F— C gleich {M^ + M^j R, also unendlich klein
wird, wie 1/-Ä, daher dVjdn, wie 1/Ä^ Schreiben wir daher die
Formel (181") für F-C, statt für F, so ergiebt die frühere Schluß-
weise, daß F bis auf eine additive Eonstante durch die aufgestellten
Bedingungen bestimmt ist
Erfüllt F die Bedingung A i^= 0, so ist JW^ = 0; ist außerdem
noch —JSf{dFjdn)do^ und demgemäß Mo gleich Null, so wird F
im Unendlichen erst um eine Größe zweiter Ordnung von C ver-
schieden sein.
Diese Eesultate bleiben auch dann gültig, wenn von den Ober-
flächen ö^ Teile ins Unendliche reichen, die eine z. B. eine unend-
liche Ebene ist, falls nur längs jener Teile F von mindestens erster,
d F jdn von zweiter Ordnung unendlich klein wird. —
Man kann die vorstehenden Betrachtungen leicht auf den Fall
erweitem, daß die Funktion F in dem Raum k mehrdeutig ist,
aber ihre Differentialquotienten eindeutig sind.^^^ Die Mehrwertigkeit
von F kann nur eintreten, wenn der Eaum k mehrfach zusammen-
hängend ist.
Man kann ihn dann einfach zusammenhängend machen durch
gewisse Querschnitte, die zu den direkt gegebenen als weitere Be-
grenzungsliächen hinzutreten; aus der gemachten Voraussetzung der
Eindeutigkeit der Differentialquotienten folgt, daß F beim Übergang
über jeden Querschnitt um einen konstanten Wert springt
Die Größe dieses Sprunges ist bekannt, wenn die Oberflächen-
werte F gegeben sind, die ja natürlich die Eigenschaft der Funktion
F im Innern von k bezüglich der Mehrwertigkeit teilen müssen; sie
ist unbekannt, wenn dFjdn gegeben ist. Bezeichnet man das Ele-
ment der Hilfsquerschnitte mit do\ so liefert hier die Formel (182)
182")
'^«*"~ 47rJ \r dn
die Normale n' nach der Seite des Wertes F^ positiv gerechnet;
sind mehrere Querschnitte o^ vorhanden, so hat längs eines jeden
im allgemeinen ^i — ^ einen verschiedenen Wert Jedes der Inte-
grale über einen Querschnitt o' stellt sich als die Potentialfunktion
einer darauf befindlichen homogenen Doppelbelegung vom Moment
(/j — /a)/^^ dar.
§ 22, Die öreen^schen Funktionen.
185
Bezeichnet man das letzte Integral durch — W, so ist
r+ r= u
im ganzen Räume A, auch beim Durchgang durch die Hilfsquer-
schnitte, eindeutig und stetig, und man kann statt der Torigen For-
mel auch schreiben
^^^ ^nJ \r dn dnj ^nJ r
182'")
Versteht man unter 6^ eine Funktion, die innerhalb k überall
eindeutig und stetig ist und speziell der Gleichung a & = 0 genügt,
so folgt für sie aus (1810
*
Multipliziert man diese Formel mit 1 1 47t und addiert sie zu (182),
so erhält man
ahe
=-JI(-i)i!-^(^)l
do
-^'J(^n)^'^^*-
183)
Wir wollen nun G noch verschiedenen Bandbedingungen unter-
werfen, welche diese Funktion vollständig oder bis auf eine additive
Eonstante bestimmen.
Ist erstens 6r= — 1/r vorgeschrieben (erste GBBEN'sche
Funktion^®®) G^ oder GREEN'sche Funktion im engeren Sinne), so
wird aus (183)
ab
-l-ß'-^^^ä.-l,f.r{a,.l)ä.,
183^)
ist zweitens dGjdn = c^d{\jr)jdn (zweite Green'sche Funk-
tion*^*) G^y wo c eine Konstante bezeichnet, deren Wert aus (181'")
folgt, wenn man dort V ^ G setzt, so wird
worin C eine andere Konstante bedeutet; ist drittens
ö((?+i)/ö« = ^»(G + l),
186 1, Teil. Mechanik starrer Körper. IV. Kap.
(dritte GBBEN'sche Funktion"") Ö3), so wird
183'") r,.. = 1-J[f^ V- %) (^ + 1) ./. - i-/A r((?3 + i) rf* .
Diese drei Formeln zeigen, daß, wenn für einen Raum k die
drei GßEEN'schen Funktionen G^^ ffg, G^ gefunden sind, die Be-
stimmung von Taus gegebenen inneren Werten von A ^ und gegebenen
Bandwerten T, d F/dn, [F^ F ^ d F/dn) auf Quadraturen zurück-
geführt ist Bei gegebenen d Vjdn bleibt eine additive Konstante
erst in G^ und sodann in F nach dem Früheren unbestimmt Daß
es für jeden Baum drei Funktionen von den Eigenschaften von (?,,
^2' ^'3 gi^^^ kann man dabei am einfachsten aus der physikalischen
Bedeutung folgern, welche diese Funktionen besitzen und welche
uns später beschäftigen wird.
Die Ausdehnung dieses Verfahrens auf mehrwertige Funktionen
F bietet nach dem auf S. 184 Gesagten keine Schwierigkeit —
Unter allen Funktionen U oder F^ auf welche die vorstehenden
Entwickelungen anwendbar sind, beanspruchen diejenigen das größte
Interesse, für welche innerhalb k speziell überall gilt
A?7= Ar=0;
für sie vereinfacht sich eine Reihe der vorstehenden Gleichungen in
bemerkenswerter, allenthalben leicht ersichtlicher Weise.
Nur auf einige spezielle Resultate soll besonders aufmerksam
gemacht werden.
Zunächst folgt aus (181') und (181'"), wenn ?/und T mit ihren
ersten Ableitungen innerhalb k regulär sind.
Sind U und F in (181') zwar innerhalb k im übrigen regulär,
werden sie aber je in einem Punkte a^jh^^c^ resp. «g, ä^, c^ wie
I/tj resp. l/rg unendlich, so giebt die Betrachtungsweise, welche
zu der Formel (182) führte,
also in allen Fällen, wo das Obcrflächenintegral verschwindet,
184') r,.»... = u^^^
Hieraus folgt der Reciprocitätssatz ^^^), daß von zwei Funktionen
U und F der vorausgesetzten Art, welche an der Oberfläche von k
entweder den Bedingungen U r=F = Const oder
§ 22. Die Green' 8chen Funktionen. 187
F^V^dUldn^F^r^d F/dn = 0
genügen, diejenige, welche in einem Punkt (1) unendlich wird, in
dem Punkte (2) denselben Wert annimmt, wie diejenige, welche im
Punkte (2) unendlich wird, im Punkte (1).
Die Bedingungen d F/dn = d U /dn = 0 kann man den Funk-
tionen U und F, wenn sie nur in einem Punkte unendlich werden,
nach früher Gesagtem nicht auferlegen, wohl aber dann, wenn jede
an einer Stelle a^, b^, c^ resp. a^, b^, c^ sich wie 1/r, an einer zweiten
a[, b[, c. resp. a^, Ä^, c^ sich wie — 1/r' verhält Dann giebt die obige
Betrachtungsweise
^, 6i c, — Fa^' i^f c' = ^0,6, c, — £^a,' 6,' c,' • 1 84")
Diese Resultate gestatten die Anwendung auf die in (183) ein-
geführten GsEEN'schen Funktionen G^.
Leitet n^an aus G^ und G^ zwei neue Funktionen F^^ und F^
durch die Beziehungen
ab, so verhalten diese sich wie U und F in Gleichung (184'), sind
also symmetrisch in Bezug auf die beiden Punkte mit den Ko-
ordinaten a, b, c und x, y, z.
Leitet man hingegen aus G^ eine Funktion
ab, wo r die Entfernung der Stelle x^y^z von a, b, c, r die von
a'j b\ c bezeichnet, so hat F^ die Eigenschaft von U und F in
Gleichung (184"> —
Da nach dem S. 186 Gesagten sich zeigen läßt, daß für jeden
Baum GEEEN'sche Funktionen G^ resp. Fj^ existieren, welche den
S. 185 gestellten Bedingungen genügen, so kann man die Formeln (183')
und (183") zur Ableitung gewisser allgemeiner Sätze benutzen.
Versteht man nämlich unter r^ die Entfernung von einem
außerhalb des Baumes k gelegenen Punkte a^j b^, c^, so ist inner-
halb k 1
Af = 0,
und man erhält aus (183') resp. (183"), wenn man Fs= Ijr^ setzt,
^-~ 185)
4nJ dn Vq ^ r^ 4nJ dn
Hierin kann man l/r^ auffassen als die Potentialfunktion einer
188 /. Teil. Mechanik starrer Körper. IV. Kap.
in a, b, c befindlichen Masse Eins auf den Punkt a^, b^, c^, und die
Formeln zeigen dann, daß diese Potentialfunktion stets durch die-
jenige einer einfachen oder doppelten Belegung der Oberfläche o von k
zu ersetzen ist, deren Dichte resp. deren Moment sich durch /\
resp. 7^2 ausdrücken läßt
Daraus folgt nun auch, daß die Wirkung einer beliebigen,
innerhalb k gelegenen Massenverteilung auf Punkte außerhalb k
durch eine einfache oder doppelte Belegung von o hervorgebracht
werden kann.
Erstreckt sich k ins Unendliche, und liegt a^, b^, Cq innerhalb
einer k im Endlichen begrenzenden Oberfläche, so erfordert die im
Unendlichen liegende Begrenzung eine spezielle Betrachtung. Wir
werden diesen Gegenstand im vierten Teile auf eine andere Weise
der Untersuchung unterziehen. —
Wendet man die Gleichung (182) auf eine Kugel vom Radius R
um die Stelle a, b, c an, so erhält man unter Benutzung von (184)
186) ^-=lir/^rf'',
also den Wert von F im Centrum gleich dem arithmetischen Mittel
der auf der Oberfläche der Kugel liegenden Werte, gleichviel,
welche Größe ihr Kadius R besitzen möge.^^*)
Dieser Gauss' sehe Satz ergiebt unter anderem, daß innerlialb
des Raumes k die Funktion V weder Maxima, noch Minima an-
nehmen kann, sondern mit ihrem Werte immer zwischen dem
kleinsten und größten in der Grenze liegenden bleiben muß. Ist
auf der ganzen Oberfläche F konstant, z. B. gleich Null, so gilt das
Gleiche auch im ganzen Innern, gleichviel ob der Raum endlich
oder unendlich ist
Femer folgt aus (186), daß T überall innerhalb k verschwindet,
wenn es innerhalb eines endlichen räumlichen Bereiches gleich Null
ist. Denn wäre dies nicht der Fall, so müßte man eine Kugel kon-
struieren können, in deren Centrum F= 0 wäre, während auf der
Oberfläche / zum Teil verschwindet, zum Teil gleiches Vorzeichen
besitzt, und dies würde der vorstehenden Gleichung widersprechen.
§ 23. Die Zerlegung von Vektorkomponenten in potentielle und rota-
torische Glieder; ihre Anwendung auf die Momente neutraler Körper.
Von den im vorigen Abschnitt abgeleiteten allgemeinen Resul-
taten, welche in vielen Gebieten der theoretischen Physik zur Lösung
§ 23. JZerlegtmg von Vektorkomponenten, 189
187)
spezieller Probleme nützliche Hilfe bieten, wollen wir hier nur eine
Anwendung auf die wichtige Aufgabe machen, für einen gegebenen
Saum k beliebig als reguläre Funktionen der Koordinaten Xj y, z
gegebene Komponenten X, Y, Z eines Vektors Ä", z. B. die Kom-
ponenten körperlicher Kräfte, in einer gewissen Weise in Aggregate
von Differentialquotienten zu zerlegen.
Wir setzen"^
\ ax dy dx 1^
Y= - i^^- 4- - - ---^
\ dy dx dx ) ^
\ dx dx oy 1^
dx "^ dy "^'dx '
und suchen 0, Aj M, N diesen Bedingungen gemäß zu bestimmen.
Man erhält zunächst
-A^-L^-If. -A«-|Mf, -A/V---|{; i
worin U eine neue Bezeichnung ist
Liegt man der Funktion 0 noch eine geeignete OberHächen-
bedingung auf, so wird sie durch die ei-ste der vorstehenden Glei-
chungen vollständig oder bis auf eine additive belanglose Konstante
bestimmt.
Indem wir die Komponente von K nach der inneren Normale
Jf cos(n, x) + 7co8(w, y) + ^cos(n, z) = P 188)
setzen, wollen wir die Oberflächenbedingung fQr </> schreiben
|^+P=(2, 188')
wobei wir uns die Verfügung über Q zunächst vorbehalten.
Ks läßt sich dann setzen
wo fpQ durch die Gleichung
A0o=ö 188'")
und die Oberflächenbedingung (188') bis auf eine Konstante be*
stimmt ist
190
/. Teil. Mecfianik starrer Körper, IV. Kap.
Es sind hierdurch auch die Werte der Ausdrücke
189)
BN BM
By B
BA BN
Bx
BM
Bx
^=._(x+4^^
Bx ]'
B0
BN _ (y B0\
"■ "ä^ " " r "^ ~bv) '
d
BA
By
B0
-^--(^+4?)
By y ' Bx
bekannt.
Differentiiert man diese Formeln nach x,yj z, addiert sie und
integriert das Resultat über den Baum A, so erhält man
189')
S[^^''^Vo=h^o-^^
wodurch eine die Willkürlichkeit der Wahl von Q beschränkende
Bedingung gegeben ist
Wir fuhren nun drei neue Funktionen A, JB, F ein, die wir zu-
nächst nur den Bedingungen
189")
\^A-[X^%^], AB-(r+||). A/--(.+lf),
BA_
Bx
+!'^t^=o
unterwerfen. Die letztere gestattet, die drei ersten auf die Formen zu
bringen
B IBJ. __ BJB\ _ _B_ (Br_ BA\ _ _ /^ B0\
By\By Bx) Bx[Bx Bx)"' [ '^Bx)^
x[Bx By) Bx[By Bx)'" [ "^dy)'
\Bx Bx) By\Bx By) \ ' Bx)^
B
J_
Bx
deren Yergleichung mit (189) ergiebt, daß man
BF
A Bn BB
Bx
Bx
BT
By Bx
jy^Bn^BA
By'
BA
Bx '
BB
Bx
By Bx
setzen kann; hierin bezeichnet 11 eine willkürliche Funktion, die
man aber ohne Beschränkung mit NuU vertauschen kann, da sie bei
Einsetzung der vorstehenden Werte von A, M, N in (187) herausfallt,
also an einer eigentlichen Zerlegung von X, T, Z keinen Anteil hat
§ 23. Zerlegung von Vektorkomponenten, 191
Sonach wird
. dB dr T^ er ba
^=ö^ By^^'-Bx Bx>
By Bx '
189'")
und man kann den Bedingungen (189") fQr A, B, I" genügen,
indem man
setzt, worin die Funktionen A^, B^, /J, den Bedingungen
190)
und
4- AÄ J- lio = J_ HTa- ±^)^t _ _L CQi do,
"^ By '^ Bx 47iJ V Bn)ir 4nJ r
190')
da;
genügen müssen.
Es ist zu bemerken, daß ^q, Bq, Fq zu A, M, iV Anteile Aq, Mq, N^
geben, welche nach (189'") die Gleichungen
BJS^ _ BM^ ^ BA^ _ IN^ ^ IM, _ B_A^ ^ ^
By Bx Bx Bx Bx By
befriedigen, also, wie oben die von 11 abhängigen, zur Zerlegung
keinen Anteil geben, falls nur Q für alle Punkte von k der Bedingung
Qido,
/
= 0 190")
genügt; ist diese Gleichung erfüllt, so kann man sie ebenfalls gleich
Null setzen.
Die Bedingung (190") ist aber bei endlichem A mit (189') nur
dann vereinbar, wenn auf der ganzen Oberfläche 0 = 0 ist; verfügt
man demgemäß über Q, so ist die Zerlegung eindeutig bestimmt
Ist der Baum k unendlich, wird er etwa durch im Endlichen
hegende geschlossene Flächen o^ und eine Eugelfläche 0 von dem
unendlich großen Badius R begrenzt, so ist an ersteren Q = 0 zu
setzen, wälirend es an letzterer willkürlich bleibt; denn für die
unendliche Kugel nimmt die Gleichung (190") die Form an
-i-/(2rf. = o
und ist nach (189') stets erfüllt
Man kann in diesem Falle also auch ^^ = 5^ = JJ^ = 0 setzen,
aber da die Gleichung (188') als Grenzbedingung in Wegfall kommt,
ist die Zerlegung (187) im allgemeinen nicht eindeutig.
192 /. TeiL Mechanik starrer Körper. IV. Kap.
Doch ist 0, und damit auch A, M, N, nach S. 183 bis auf
eine irrelevante Konstante bestimmt, wenn H nur im Endlichen
von Null verschieden und fHdk, über den ganzen Raum, sowie
JSfPj^dOf^, über alle Oberflächen o^ erstreckt, endlich ist. Fehlen
die Oberflächen ö^, so ist speziell 0^ = 0; ist überall
so ist 0 = 0, und die allgemeinste Zerlegung lautet:
191")
"" ö* öy' "" dx dx^ dy dx
und
BÄ , dM . öiV ^
öa? öy ö»
Gleiches gilt bei endlichem ä, wenn noch an der Oberfläche
P = 0 ist —
Die im vorstehenden bewirkte Zerlegung der Vektorkomponenten
X, r, Z zerfällt dieselben in zwei Teile, die resp. nur von 0 oder
nur von A^ M, N abhängen, von wesentlich verschiedenen Eigen-
schaften. Letztere ergeben sich am deutlichsten, wenn man Z, Yj Z
als. Komponenten einer körperlichen Kraft auffaßt und die Drehungs-
momente i, M^ N berechnet, welche ein sehr kleines, am einfachsten
kugelförmiges Bereich des homogen gedachten Körpers, auf welchen
sie wirken, um Parallele zu den Koordinatenaxen durch das Kugel-
centrum erleidet Entwickelt man innerhalb desselben X, Y, Z nach
Potenzen der relativen Koordinaten x, y, z gegen den Kugelmittel-
punkt, so erhält man nach (lg?') leicht
191'")
M^f{zX^xZ)dm = i^^ A M,
N=f{xY^yX)dm^^^^AJV.
Es geben also die von 0 abhängigen potentiellen Glieder in
(187) keinen Anteil zu den Drehungsmomenten und die von A, M, TV
abhängigen solche, die mit AA, AM, A ^ proportional sind; wir
können demgemäß die letzteren Glieder rotatorische nennen. Die
Anteile A^, M^, N^ liefern keine Beiträge zu i, Mj Nj charakteri-
sieren sich also auch hierdurch als fremdartig. —
Der Vollständigkeit halber fügen wir hier noch eine zweite
§ 23. Zerlegung der Momente neutraler Körper. 193
Zerlegung von Vektorkomponenten an, obgleich dieselbe nicht allein
auf Potentialbetrachtungen beruht.^^*)
Sei entsprechend (187)
x=H_s^, r=if_^/, z^z-^,^-
gesetzt, aber 4> beliebig gelassen; dann kann man S, H^ Z noch
einer willkürlichen Bedingung unterwerfen. Wählt man dafür die
Gleichung
so drückt dies aus, daß
Sdx + Hdy + Zdz
einen integrierenden Faktor besitzt; nennt man denselben 1 / P,
so kann man setzen
S=-P'-f, H=-P'J'-, Z=-P'-f
ÖX ^ dy ^ ax
und daher auch
Die Drehungsmomente Z, My iV^ bestimmen sich daraus nach (191'") zu
15 \dx dy dy dx )^ ]
15 \dx dx dx dx )'
~ 15 \dy dx dx dy )^
1920
es erweisen sich hier also die von F und II abhängenden Glieder
in (192) als die rotatorischen. —
Von den beiden Zerlegungen (187) und (192) machen wir eine
Anwendung auf die Momente a, ß, y der Volumeneinheit in der
Potentialfunktion (173) oder (173")
el- aJL e'
— /• r ^i ^^t i r r Qt ^*i
^/^ + ff
eines neutralen, d. h. magnetisch oder dielektrisch polarisierten
Körpers, worin ist
Voigt, Theoretiache Physik. X3
194 /. TeiL Mechanik starrer Körper. IV. Kap.
^1 = - i^i ^^8 K> ^) + ßi ^^ K> y) + ri ^^s (»j, z)) ,
Nach der ersten Zerlegungsart (185) können wir setzen a = a+a\
/9 = /9'+/S", y = /+/' und
193)
^ " dy dx ^ P d% dx ' ^ '^ dx öy '
dx dy dx
Die potentiellen Glieder a', /9', y geben ein Gesamtmoment von
der Größe /tt'= ög/ön', wo n' die Normale auf der Fläche % = Const
bezeichnet; seine Axe fällt mit n' zusammen.
Zerlegt man also durch Flächen % = Const, die um gleiche
Inkremente 8^' fortschreitenden Konstanten entsprechen, den Körper
in Schichten, so ist /tt'd'n' = ^£', daher das Produkt aus Dicke
und Gesamtmoment fär alle Schichten konstant Jede Schicht laßt
sich also als eine Doppelfläche mit konstantem Moment v = ^'^n'
auffassen. Eine Polarisierung von dieser Eigenschaft nennt man
lamellar. Für sie nimmt die Potentialfunktion den Wert an
,93-) ^.= _fJ-^f^_/-J-^ga.
Die rotatorischen Glieder a", /9", /' haben die Eigenschaft,
die äquivalente Raumdichte
tf
"" \dx ^ dy ^ dx )
zu Null zu machen. Zerlegt man also den Körper in Fäden, deren
Seitenwände ausschließlich durch Kurven von der Gleichung
dx \ dy i dz = a" : /9" : ;'"
gebildet werden, so ist für jeden einzelnen der Anteil d<p' der
Potentialfunktion gegeben durch
193") d<p" = - /•[(/*" cosK, /*")^)„+ (^"cobK, jtt")^)^
WO die beiden Glieder mit a und b sich auf die Flächenelemento
do^ beziehen, die von dem Faden aus der Oberfläche des Körpers
ausgeschnitten werden. Der Faden ist demnach vollkommen durch
die Wirkung seiner Endflächen ersetzbar, nach S. 171 also ein So-
lenoid; der ganzö Körper läßt sich in ein System von Solenoiden
§ 24. Die logaritkmiache Potentialfunktion. 195
zerlegen, und man nennt daher die durch a\ ß", y" gegebene Er-
regung solenoidal. Bildet man die ihr entsprechende Potential-
funktion des ganzen Körpers, so erhält man
Gemäß dem Vorstehenden kann man also die allgemeinste
Erregung eines neutralen Körpers jederzeit in eine lamellare und
eine solenoidale zerlegen. —
Nach (192) können wir aber auch schreiben
Diese Werte ergeben die Axen tiberall parallel der Normalen
n" auf den Flächen $ß = Const und die Momente jtt" gleich 9t ö $ / ö n".
Zerlegt man also, wie oben, durch Flächen ^ = Const, die um
gleiche Inkremente 8^" fortschreitenden Konstantenwerten ent-
sprechen, den Körper in Schichten, so wird fi' Sn" = K JC"; man
kann diese Schichten also als Doppelflächen mit yariablem Moment
auffassen. Eine solche Erregung heißt komplex-lamellar.
Die allgemeinste Polarisierung läßt sich also auch als die Super-
position einer einfach und einer komplex lamellaren aufhssen.^^^
§ 24. Sie HBWTON'sche Potentialfonktion mit iwei unabhängigen.
Sind die Massen, deren Potentialfunktion mit 9) bezeichnet ist,
parallel der Z-Axe mit konstanter Dichtigkeit q unendlich aus-
gedehnt, so ist (p eine Funktion nur von x und y, und die Unter-
suchung seiner Eigenschaften kann sich auf die X T-Ebene beschränken.
Um die Form zu bestimmen, welche tp unter dieser Voraus-
setzung annimmt, gehen wir von dem Fall aus, der alle übrigen
als spezielle abzuleiten gestattet, daß die ganze Masse einen Cy linder
von endlichem Querschnitt mit in der Xr-Ebene beliebig wechselnder,
aber yon z unabhängiger Dichte erfüllt Dann bestimmt sich für
alle Punkte der XY-Ehene, deren normale Entfernungen vom Cylinder
klein gegen dessen Länge sind, durch einfache Rechnung
y=-2/'//pi/(^)rf:r,rfy,, 194)
worin e = y{x — z^)^ + (y — yj)* den Abstand des Flächenelementes
dx^ dy^ von der betrachteten Stelle x, y bezeichnet Eüne bei der Inte-
13»
196 L Teil. Mechanik starrer Körper. IV. Kap.
gration auftretende (im allgemeinen unendlich große) Eonstante ist
in <p hineingezogen.
Ist Q^ nur längs eines unendlich dünnen Fadens vom Quer-
schnitt q^ von Null verschieden, und setzt man Pj ^i = »^i j so wird
bedeckt die wirkende Masse eine Cy linderfläche mit der Dichte a^,
und bezeichnet ds^ ein Element ihrer Schnittkurve mit derX F-Ebene,
so gilt
194") 9P=-2/-/cr,/Wrf*,;
hat die Cylinderfläche eine Doppelbelegung von dem auf die Flächen-
einheit reduzierten Moment v^ nach der Richtung der Normalen »j,
so ist
194'") ^^^2ffv,^lds,.
Die Stetigkeitseigenschaften dieser Funktionen folgen unmittelbar
aus den in den §§19 und 21 gegebenen Sätzen und stimmen mit
denjenigen der gewöhnlichen NEWTON'schen Potentialfunktionen voll-
ständig überein; nur im Unendlichen macht sich die fortgelassene
unendliche Konstante, sowie die jetzt vorausgesetzte Erstreckung der
Masse in's Unendliche geltend, und demgemäß wird dort (p, falls
nicht f Qidx^dy^ verschwindet, logarithmisch unendlich; zugleich
werden die ersten DiflFerentialquotienten nach den Koordinaten un-
endlich klein vom ersten Grade. —
Statt den vorstehend angegebenen Übergang von dem Newton'-
schen Potential zu machen, kann man auch direkt von dem Elementar-
gesetz
und daher dem Potential <i> = — 2fmm^ le für die Wechselwirkung
zwischen zwei Massenpunkten ausgehen und die Entwicklung der
im Anfang von § 19 parallel gestalten, muß dabei aber alle Massen
ausschließlich in der AT- Ebene verteilt annehmen; die dieser
Elementarwirkung zugehörige Potentialfunktion
195) y = -'2fm^l[e)
führt den Namen der logarithmischen.^^®)
Es spielen bei diesen Betrachtungen die Potentialfunktionen
einer homogenen Kreislinie und einer ebensolchen Kreisfläche
dieselbe Rolle, wie oben diejenigen der homogenen Kugelfläche und
Vollkugel.
§ 24. Die logarithmiscke PotenÜalfunktion. 197
Man erhält durch einfache Rechnung die Potentialfunktion (p*
der Kreislinie von dem Eadius R, der Lineardichte a, der Masse M
auf äußere und innere Punkte, falls H die Entfernung des Einheits-
poles vom Kreiscentrum bezeichnet, folgendermaßen:
,p\=^-AnfR<rl{E)=-2fMl{E), 1
Analog findet man für die PotentialfTinktion der Kreisfläche
von dem Radius R, der Flächendichte q, der Masse M
y; = - 2 7tfR^Ql[E) = - 2fMl{E), 1
Daraus ergeben sich die folgenden Differentialeigenschaften der
logarithmischen Potentialfunktionen.
Wie auch immer die Masse verteilt sei, in den Bereichen, wo
keine Masse liegt, gilt die Gleichung
an Kurven, welche eine stetig veränderliche Lineardichte tragen, ist
[dn^ji U^Va" R" '
196')
wo die Indices (1) und (2) sich auf die beiden Seiten der Fläche
beziehen, (t die Dichte, R den Krümmungsradius der Kurve an der
Durchgangsstelle bezeichnet, und R nach der Seite der Normalen «j
positiv gerechnet ist; an Doppelkurven mit stetig veränderlichem
Moment v^ springt die Potentialfunktion beim Durchgang von der
Seite der negativen zu derjenigen der positiven Normale, so daß
9)+ — y. = Anfv 196")
wird, worin v das Moment der Längeneinheit an der Durchgangs-
stelle bezeichnet, während die Differentialquotienten stetig bleiben;
an der Grenze von Flächenstücken mit stetig veräüderlicher Dichte p^
verhält sich (p mit seinen ersten Differentialquotienten stetig, während
die zweiten springen gemäß den Formeln
-äjr - -äl^ = - 4 « /•? cos» (n, :r) ,
d^ q> d^ <p —
-J^ - -J^ = - 4 ?!/•(> C08»(n,y) ,
ä^ - ä^ = - ^ ^/-p cos(n, y) cos (n, x) ,
196'")
198 /. Teil. Mechanik starrer Körper. IV. Kap.
in denen q die Flächendichte an der Durchgangsstelle bezeichnet;
hiermit hängt zusammen, daß im Innern derartiger Bereiche die
Beziehung
196"") A,9> = 4^+0=-4«/'(,
gültig ist
Die Verallgemeinerung dieser Sätze auf unstetige Dichtigkeiten
bietet keine Schwierigkeiten, aber auch kein hervorragendes physi-
kalisches Interesse. —
Ist dg das Element eines beliebig begrenzten Flächenstückes g
der XZ-Ebene, ds das Element seiner Randkurve, n die Richtung
der inneren Normale auf dsy und bezeichnen U und F zwei Funk-
tionen Yon X und y, die der Bedingung genügen, daß
^' dx ' dy
auf g einwertig und stetig sind, so gilt der (181) analoge
GREEN*sche Satz
Findet gleiches in Bezug auf F, dU/dx, dUjdy statt, so
gilt die vorstehende Formel auch bei Vertauschung von U und F^
und die Diflferenz beider führt auf
197') /(J^A.r- TA.JOrf?» -/(F-fJ-F-fJ)rf..
Wenn speziell U= T ist, folgt aus (197)
197") fFA,rdq = - fr^ds-fe^Fdq,
worin kurz
gesetzt ist; ist U= l, so ergiebt sich
197'") • fA,rdq=-f^ds.
An diese Formeln können genau dieselben Betrachtungen ge-
knüpft werden, wie an die entsprechenden (181) bis (181'") für die
NEWTON^sche Potentialfunktion. Speziell ergiebt sich aus ihnen, daß
eine einwertige und stetige Funktion von x und y innerhalb g voll-
kommen bestimmt ist, wenn an jeder Stelle A2^> ^^^ »^ der Ober-
fläche F oder {F^F— df /dn) einen gegebenen Wert hat Gleiches
§ 24. Die logarithmische PotenticUfunktion. 199
gilt, wenn für einen beliebigen Teil der Oberfläche F, für einen an-
deren ö r/ön, für den Rest {F^ V— d Vjdn) vorgeschrieben ist Ist
aber überall dF/dn selbst gegeben, wobei die Bedingung (197'")
zu berücksichtigen ist, so bleibt in F eine additive Eonstante
willkürlich.
Die Ausdehnung dieser Betrachtungen auf den Fall, daß das
Bereich q sich bis ins Unendliche erstreckt, bietet keine Schwierig-
keiten, wenn, über die im Unendlichen liegende Grenzkurve aus-
gedehnt, das Linienintegral in (197") verschwindet; indessen findet
dies bei der logarithmischen Potentialfunktion von im Endlichen lie-
genden Massen nur statt, wenn die Summe derselben gleich Null ist.
Hieraus folgt, daß die auf S. 198 angegebenen Eigenschafken die
logarithmischen Potentiale auch nur in diesem Falle eindeutig be-
bestimmen ; in anderen Fällen ist noch die Angabe des Grenzwertes
nötig, dem sich <p im Unendlichen nähert, d. h., da derselbe bei
ganz im Endlichen liegenden Massen mit — 2fl{e^^m^ identisch
wird, wo e^ die Entfernung vom Eoordinatenanfang bezeichnet, die
Angabe der Größe von 2m^. —
Setzt man in die Gleichung (197') U = — 2/(tf), wo e die Ent-
fernung des Elementes dq^ von einem Punkte a, b des Bereiches q
bezeichnet, so erhält man durch eine der auf S. 182 ausgeführten
analoge Operation
^- = i/(^(«) '-^-^'-B^'^ ^/'W A. Vd, 198)
und damit die Bestimmung von F an der Stelle a, b durch eine
(182) genau entsprechende Formel, die auch dieselben Folgerungen
gestattet, wie jene.
Endlich kann man auch der GKEEN'schen Funktion G im Baume
eine analoge Funktion ff' in der Ebene zuordnen, welche inner-
halb q eindeutig und stetig ist, die Gleichung A2Ö'=0 erfüllt
und demgemäß liefert
'^-»=^/(('W+ö')|J- r^^±^ds+^m+G^)^^rdq. 198')
Unterwirft man noch C der Bedingung, am Bande entweder
l{e)+G^ zu Null oder ö (/(<?) + C)/ö» zu einer Konstanten oder end-
Hch F^{l{e)+G')''d{l{e)+G')jdn zu Null zu machen, so ist, faUs G'
den Bedingungen gemäß bestimmt ist, die Berechnung von F auf
Quadraturen zurückgeführt.
Auch der GAuss'sche Satz des arithmetischen Mittels läßt sich
auf die logarithmischen Potentialfunktionen übertragen und als Aus-
200 /. Teil. Mechanik starrer Körpßr, IV. Kap,
gangspunkt für dieselben Schlußreihen benutzen, die auf S. 188
daran geknüpft sind. —
Eine Anwendung der erhaltenen Resultate machen wir auf die
Zerlegung der innerhalb eines Flächenstückes q der Xi^- Ebene
regulären Komponenten X und Y eines Vektors K in Teile nach
dem Schema
Man erhält zunächst
199') - A,a> = l^- + ^^L = Jf, _ ^^JV = -^f - l-J ,
worin H eine neue Bezeichnung ist Setzt man
200) X cos (n, x) + Ycos {n, y) = P,
so kann man tf> durch die erste Gleichung (199') und die Rand-
bedingung
200') «^^ + 7> = Q
bis auf eine belanglose Eonstante bestimmen; Q bleibt zunächst
verfügbar, muß aber jedenfalls der Bedingung
200") / e rf* = 0
genügen.
Es läßt sich dann setzen
200"') 'l'=''t>,-^^fn,l{e)dq„
worin 0^ durch die Gleichung A tf^o = ^ ^^^ ^^® Bedingung (200^)
bestimmt ist.
Führt man zwei Funktionen ^ und B ein, welche den Be-
dingungen
201)
dAdB^Q
dx dy ~'
genügen, so kann man auf demselben Wege, der zu Formel (189'")
führt, schließen, daß
2010 ^=1^-11
' oy öx
sein muß.
Für A und B erhält man die Werte
^ 25. Die »weite Potentialftmktion. 201
201")
worin Aq und B^ den Bedingungen
AA = 0, Aßo = 0. 4# + -öF = - i/«i'W''*i 201'")
genügen müssen. ^^ und i?^ sind ohne Einfluß auf die Zerlegung,
können also gleich Null gesetzt werden, wenn / Q^ l[e)ds^ für alle Punkte
innerhalb q^ verschwindet; dies erfordert aber im allgemeinen, daß Q
am ganzen Bande gleich Null ist.
Erstreckt sich q ins Unendliche, so ergiebt sich dieselbe
Schwierigkeit, die S. 191 besprochen ist. Die Zerlegung (199) ist
nur dann eindeutig, wenn // im Unendlichen verschwindet und so-
wohl flldqy über die ganze Ebene, als ^\fFf^dSj^, über etwaige im
Endlichen liegende Begrenzungen erstreckt, endlich ist.
Fehlen jene Begrenzungen, so ist </>^ = 0; gilt überall
80 ist 0 = 0, und die allgemeinste Zerlegung lautet hier:
^=-4f-' ^= + 4f-- 201"")
Gleiches gilt bei endlichem y, wenn noch am Eande P ver-
schwindet
Die in (192) gegebene zweite Zerlegungsart von Vektorkompo-
nenten bietet bei Übertragung auf Funktionen von nur zwei Koordi-
naten keine speziellen Vorteile.
§ 25. Weitere aus der HEWTON*8chen abgeleitete Potentialfanktionen.
Neben dem NEWTON'schen und dem daraus gewissermaßen ge-
wonnenen logarithmischen Potential spielt in der Physik noch das-
jenige eine besonders hervorragende Rolle, dessen Potentialfunktion
(zweite Potentialfunktion ^^^ nach Mathibü) die Form hat
^ = Z^. 202)
x\uch dieses besitzt eine Verwandtschaft mit dem NEwroN'schen
Potential, da, wie leicht durch Rechnung zu zeigen, die Relation
besteht:
202 /. Teil. Mechanik starrer Körper, IV. Kap.
202') At/; = ^ = 9),
woraus auch folgt:
202") A A i/' = 0.
Dieser Zusammenhang gestattet, eine Beihe von Eigenschaften der
neuen Potentialfunktion, wenn sie von irgend welchen Massen-
yerteilungen genommen ist, fast ohne Rechnung abzuleiten.
Es genügt, nur die wichtigsten anzuführen.
Die Potentialfunktion
203) V'^^ff^irdo,,
Ton einer flächenhaften Masse von der Dichte Cj gebildet, ist samt
ihren ersten und zweiten Differentialquotienten stetig und endlich; an
der Fläche gilt
^»■) (-M+(t^).--^'"'""
203'")
203-) (.«■|v)__(?.;aj.)_._4,^,(.^. + ^,),
wo (T die Dichte an der betrachteten Stelle der Oberfläche und Ä',
Ä" das Paar der Hauptkrümmungsradien, nach der Seite von ti^
positiv gerechnet, bezeichnet.
Eine homogene Eugelfläche vom Radius M^ liefert für innere
resp. äußere Punkte
falls e die Mittelpunktsdistanz des Einheitspoles bezeichnet.
Ist
204) V^ = \ffQirdk,
die zweite Potentialfunktion einer räumlichen Verteilung von der
Dichte pj, so ist im Endlichen i/; mit seinen drei ersten Differential-
quotienten einwertig, endlich und stetig und erfüllt die Gleichung
204') AAi//= -^.nfQ.
Eine homogene Vollkugel vom Radius Ä^ giebt für innere und
äußere Punkte
204") , , ^ ps/ , Ä,»\
Liegen die wirkenden Massen sämtlich im Endlichen, so werden
§ 26. Die xweite PotenUalfunktion. 203
beide Funktionen im Unendlichen selbst unendlich groß, wie die
Entfernung von jenen, während ihre ersten Differentialquotienten
nach den Koordinaten endlich bleiben.
Die zweite Potentialfunktion
v = i//
*i|:/«i 205)
einer Doppel fläche von dem Moment v^ der Flächeneinheit verhält
sich mit ihren beiden ersten Differentialquotienten im Endlichen
überall regulär, dagegen springt AV ^^^^ Durchgang durch die
Fläche, so daß gilt
( A 1/^)+ - ( A V')- = ^'Jtfv. — 205')
Wie früher die NEWTON'sche Potentialfunktion die Mittel bot,
Funktionen V zu konstruieren, welche innerhalb eines gegebenen
Raumes den Ausdruck A V einer gegebenen Funktion der Koordinaten
gleich machen und an der Oberfläche entweder selbst oder in ihrem
Differentialquotienten nach der Nonnalen oder in einer linearen
Funktion beider gegebene Werte annehmen, so leistet die zweite
Potentialfunktion ähnliches bezüglich des Ausdruckes AA?^.
Um dies zu zeigen, gehen wir von der Gleichung (181') aus und
vertauschen in derselben U mit A ^; sie lautet dann
/(ArAr-rAAr)rfÄ = -/(Ar|^-r-^^^)rfo 206)
und ist gültig für alle V und A ^, die sich mit ihren ersten Differen-
tialquotienten innerhalb k regulär verhalten.
Setzt man speziell V= W^ so erhält man aus (206)
/M'AA»^rfÄ=/(Ar^^^-/^^^)rf(^+J(Ar)>rfÄ, 206')
setzt man r= 1, so folgt
Ja A Wdk = ^jl^-do. 206")
Aus der Gleichung (206') kann man Folgerungen ziehen über
die Oberflächenbedingungen, welche neben inneAalb k vorgeschrie-
benem A A ^ eine mit ihren ersten drei Differentialquotienten da-
selbst reguläre Funktion eindeutig bestimmen. Nimmt man nämlich
an, daß zwei Lösungen W^ und fV^ mit den gleichen Bedingungen
vereinbar wären, so würde, für die Differenz W^ — W\ = W^ gebildet,
die Gleichung lauten
0 = /( A /r' ^^ - r ' ^ J-) do+fiAfyydh. (206'")
204 /. Teil. Meehamk starrer Körper. IV. Kap,
Jede» System von Oberflächenbedingungen fllr W^ welches dieses
OberHächenintegral zu Null oder zu einer Summe von Quadraten
macht, giebt
A /^' = 0;
haben dann weiter die Oberflächenbedingungen die spezielle Eigen-
schaft, daß für einen Teil der Oberfläche W^ für einen zweiten
ö/r/ön, für einen dritten [F^W^diridn) vorgeschrieben, also
W resp. ö"7r / d n oder {F^lr - WW' / d n) ebenda gleich Null sind,
so ist nach den Entwickelungen auf S. 181 JP überall gleich Null, also
W eindeutig bestimmt Ausgenommen ist nur der Fall, daß längs
der ganzen Oberfläche d IV j d n vorgeschrieben ist, in welchem Falle
eine additive Konstante willkürlich bleibt
Zieht man diese Resultate in Betracht, so giebt die Überlegung
der Bedingungen, unter denen das Oberflächenintegral in (206'") ver-
schwindet, daß flir jedes Oberflächenstück mit vorgeschriebenem ff^
vorgeschriebenes d ^Vjdn oder A^^ kombiniert werden kann, mit
vorgeschriebenem dfi'ldn vorgeschriebenes ^ oder dÄ^Vjdnj
mit vorgeschriebenem F^fF^dH'ldn vorgeschriebenes F^ /s. W
— ÖA^/ön. Die letztere Bedingung scheint ohne Interesse; bei
überall gegebenem d A^Vj dn ist die Bedingung (206") in Betracht
zu ziehen. —
Vertauscht man in (206) W und F und zieht das Resultat von
(206) ab, so erhält man
/(rAAT- FAAfrjd^
do.
Diese Formel gilt unter der Voraussetzung, daß sich V und W
mit ihren ersten drei Differentialquotienten innerhalb k regulär ver-
halten.
Setzt man für F den Wert r ein, wobei r die Entfernung von
einer Stelle aj b, c des Raumes k bezeichnet, so muß man diese
Stelle durch eine kleine geschlossene Fläche aussondern, da dort
A F unendlich wird. Das hierüber genommene Oberflächenintegral
liefert wegen AF= 2/r nur in seinem letzten Teile einen endlichen
Wert, und zwar +S7ifFabc\ das Raumintegral kann auch über
den ausgesonderten Teil erstreckt werden, ohne seinen Wert zu
ändern.
Die letzte Gleichung liefert daher
§ 25, Die xfceits PotentialfunkHon. 205
»■-'. - - iJir^t^- ^»t + f *a? - ^'^ ä
do
-Ä/'-^^'^^*-
207')
ff^abe drückt sich also als ein Aggregat von Potentialfunktionen erster
und zweiter Art aus; diejenigen zweiter Art rühren her von räum-
lichen Verteilungen und einfachen oder doppelten Flächenbelegungen,
diejenigen erster nur von den letzteren beiden.
Man wird hieraus schließen dürfen, daß das vollständige Inte-
gral der Gleichung A A'^ = S(ar,y,z), worin g eine gegebene Funk-
tion ist, durch eine Summe von Potentialfunktionen erster und
zweiter Art erhalten wird. —
Bezeichnet F eine mit ihren ersten drei Differentialquotienten
überall in k reguläre Funktion, welche ebenda die Gleichung
AA-^=0
erfüllt, so giebt diese statt F eingesetzt:
208)
87rJ\ an on an an J
und die Addition beider Formeln liefert:
Die Funktion F kann man ähnlich wie die GnEEN'sche Funk-
tion 6 in (183) benutzen, doch hat man Sorge zu tragen, daß sie
durch die ihr auferlegten Eandbedingungen eindeutig bestimmt ist.
Hat F z. B. die Eigenschaft, an der Oberfläche den Bedingungen
zu genügen,
» - dF Fr
' an an
so wird ^ durch AA^j /^ und d^Fjdn gegeben sein nach
8nt/ \\ r] on on
do
-^-J(F+r)AAirdk;
2080
206
/. TßiL Mechanik starrer Körper. IV. Kap,
ist hingegen vorgeschrieben
F—^-T und Ai^=— =,
r
SO wird W durch A A ^, ^ und A ^ ausgedrückt
208") '
r.
abe
^ 1 / b(F+ r)
Ar +
dn
do
-^/(^+r)AAr(/Ä,
Durch vorgeschriebene d Fj dn und ö A F j dn ist -P nur bis
auf eine additive Konstante bestimmt, und gleiches gilt somit auch
in Bezug auf W. —
Setzt man auch bei dieser zweiten Potentialfunktion, wie in
§ 24 bezüglich der ersten, Massen voraus, deren Dichte von z nicht
abhängt, so hat man das Elementarpotential (202), in welchem
r* = tf* + z* ist, in Bezug auf z von — oo bis + oo zu integrieren.
Das Resultat, die zweite elementare logarithmische Poten-
tialfunktion, lautet bis auf eine belanglose unendliche Konstante
209) ip= -i/'wiic» /(««).
Diese Funktion giebt in der That
209') Ag 1/^ = - /'wii / (tf ») = ()K> ,
also die erste logarithmische Potentialfunktion, und hieraus folgt
leicht eine ganze Reihe von Stetigkeits- und Dififerentialeigenschaften
dieser neuen Funktion.
Der GBEEN'sche Satz läßt sich genau (207) entsprechend auf-
stellen und an die daraus folgende Formel
210)
f{jrA^A,r^rA2A^^)dq
J \ * an an * dn an }
die analoge Schlußreihe anknüpfen wie an (207).
Setzt man hierin
F^e^l{e),
worin e die Entfernung des Punktes x, y von einem willkürlich in-
nerhalb q festgelegten a, h bezeichnet, so muß man diesen durch
eine unendlich kleine Kurve ausschließen und erhält, da f&r deren
Verlauf - ö(A r)/ön = 4/^ ist,
§ 25. Die xteeite Potentialfunktüm in der Ebene. 207
^'^ =-8^J r^W-ä^i ^«^ -ön- + ^^Wä^ - ^^-b\T'
Wah findet sich also durch Potentiale erster und zweiter Art aus-
gedrückt^ woraus zu folgern, daß das allgemeine Integral der Glei-
chung A2A2^= ^{^jV) die Form einer Summe von logarithmi-
schen Potentialfunktionen erster und zweiter Art besitzen wird, unter
sinngemäßer Übertragung der Flächenintegrale in Eurvenintegrale.
Auch die Aufstellung einer Art von GsEEN'scher Funktion,
welche dazu dient, um W aus vorgeschriebenen fV und dff^ldn,
oder H^ und A ^, oder ÖÄ f^jdn und d H^jdn zu berechnen, ist
ebenso möglich, wie das auf S. 205 für die räumliche Betrachtung
erwiesen ist —
Noch mögen zwei andere aus der NEwroN'schen Potential-
funktion abgeleitete Funktionen erwähnt werden, die,- wie jene,
außerhalb wirkender Massen die Gleichung Ay = 0 erfüllen. ^^®)
Da
/-/((.,-z)+r)=-^/((.,-.) + r) = l
ist, wo wie früher
ist, so giebt
yi = /y^((^i-^) + 0^"*i 211)
eine Potentialfunktion, welche als die erste abgeleitete bezeichnet
werden mag, da
ist Ihre Eigenschaften sind leicht aus denen der NEWTON'schen
Potentialfunktion zu finden.
Weiter legt die Beziehung
^]^^z,-z)l{[z,-z) + r)-r\=-^[{z,-z)l{{z,-z) + r)-T]
nahe,
<Pn = fj [(^1 - ') i ({'i -z) + r)-r] dm, 212)
als eine zweite abgeleitete Poteutialfunktion einzuführen; für
--0^ = 9'»' -ö^» -dT-f- 212)
Litteratur zum I. Teil.
Meehanik. Rausenbergeb, Analytische Mechanik. 1893. — Buddb, All-
gemeine Mechanik der Punkte und starren Systeme. Berlin 1890. — Schell,
Theorie der Bewegung und der Kräfte. Leipzig 1879. — Despetroüs-Darboux,
Cours de mecanique. Paris 1884. — Souoff, Theoretische Mechanik, übers, von
2jIWet. Leipzig 1878. — Ball, Theoretische Mechanik starrer Systeme, herausgeg.
von GRAVELiirs. Berlin 1889. — Poinsot, £l6ments de statique. 12. edition.
Paris 1877. — Roüth, Treatise on analytical statics. Cambridge 1891. — Mathieu,
Dynamique analytique. 3. edit Paris 1878. — Routh, Dynamics of a System
of rigid bodies. London 1891. — Jacobi, Vorlesungen über Dynamik, herausgeg.
von Clebsch. Berlin 1884. — Voigt, Elementare Mechanik. Leipzig 1889. —
Thomsok und Tait, Treatise on natural philosophy. Cambridge 1883, 1886. —
KiBCHHOFF, Mechanik. Leipzig 1877. — Everett, Units and Physical Constants.
London 1879. — Herwig, Physikal. Begriffe und absolute Maße. Leipzig 1880.
Potentialtheorie« Lejeune-Diriohlet, Vorlesungen über die im umge-
kehrten Verhältnis des Quadrates der Entfernung wirkenden EJräfte. Herausgeg.
von Grube. Leipzig 1876. — Riemakn, Schwere, Elektricitftt und Magnetismus.
2. Ausg. von Hattendorf. Hannover 1880. — Clausiüs, Die Potentialfunktion
und das Potential. Leipzig 1877. — F. Neumann, Vorlesungen über die Theorie
des Potentiales und der Kugelfunktionen. Leipzig 1887. — C. Neümann, Unter-
suchungen über das NEwroN'sche und logarithmische Potential. Leipzig 1877.
— Betti, Teorica delle forze Newtoniane. Pisa 1879. Übers, von Franz Meyer.
Stuttgart 1885. — Harnack, Grundlagen der Theorie des logarithmischen
Potentiales. Leipzig lö87. — Mathieu, Theorie des Potentiales. Paris 1890.
I. Kapitel. ^) Galilei, Discorsi e dimostrazioni matematiche intomo
a due nuove scienze attenenti alla meccanica ed ai movimenti locali. Leida
1638. 8. giornata. Auch Ostwald's Klassiker der exakten Wissenschaften,
Nr. 24, S. 57. — ') Newton, Philosophiae naturalis principia mathematica,
Liber I : Leges motus. Lex. U. — •) Newton, Phil. nat. principia math. Liber I.
CoroUarium I u. II. — *) Bessel, Versuche über die Kraft, mit welcher die
Erde Körper von verschiedener Beschaffenheit anzieht. Abhandl. d. Berl. Akad.
1830. — ^) Lagrange, Mecanique analytique. Paris 1788. II. partie (Dynamik),
Sect. III. Art. 1. Eüler, Theoria motus corporum solidorum. Introductio,
Cap. III, § 175. 1765. — ^ Euler, Mechanica sive motus scientia analytice
exposita. Petersburg 1736. Tom. I. Cap. V. Propositio 98. — ^) Hutqhens,
Horologium oscillatorium. Pars V. 1678. De motu et vi centrifiiga. (Opuscula
posthuma). 1703. ^ 'j Poisson, Trait6 de mecanique. 1811. Tome I. Nr. 249 — 50.
S. 374. — •) CoRioLis, Trait^ de mecanique. Paris 1829. Nr. 24, S. 37. — ^«) Coriolis,
Traite de mecanique. Paris 1829. Nr. 26, S. 38. — ") Gauss, Allgemeine Lehr-
sätze in Bezug auf die im verkehrten Verhältnisse des Quadrates der Entfernung
wirkenden Anziehungs- und Abstoßungskräfte. Artikel 3. Resultate aus den
Beob. des magnet. Vereins. Leipzig 1840. (Klassiker- Ausgabe Nr. 2, S. 6. Gauss'
Werke. Bd. V. S. 200.) — "j Th. Young, A course of lectures on natural
philosophy. London 1807. Vol. I. Lect. 8, S. 75. Rankine, On the general law
of the transformation of energy. Phil. Magazine (4) V. S. 106. 1853. —
**) E. ScHERiNo, Hamilton- JACOBi'sche Theorie für Kräfte, deren Maß von der
Bewegung der Körper abhängt Abhandl. d. K. Ges. d. Wiss. Göttingen. 18,
S. 32. 1873. W. Voigt, Elementare Mechanik. S. 86. 1889. — **) Laqranoe,
M6c. analyt. Partie 11. Sect II. Art 5. S. 251. — **) Lagrange, Mecanique
analytique. Partie 1. Sect. IV. — ") Jon. Bernoulli, Brief an Varignoh. 1717.
— *^ Euler, Theoria motus corporum solidorum. Introductio, Cap. FV. § 185.
1765. — ") HuTOHENs, Horologium oscillatorium. 1673. S. 57, 58. — *•) Newton,
Phil, nat principia math. Liber I. Sect 2 (De inventione virium centripetarum).
— *^) Newton, 1. c. Liber II. Sect. 1 — 3. — •*) Amontons, M^moires Acad. des
Sciences. Paris 1699.
Jjitieraiur zum I. Teil. 209
II. Kapitel. ") Laorange, M<^canique analytique. II. partie, Sect III,
Art. 1 u. 2. — •■) d'Arct, M^moires de l'Acad. r. des Sciences. 1752. S. 344
—62; Laplace, Oeuvres. T. I. Livre I. Nr. 21. — "*) E. Scherinq, Abhandl.
d. K. Ges. d. Wiss. Göttingen. 18, S. 32. 1873. — *") F. Nbuuakn, Einleitung
in die theoretische Physik. 1883. S. 201. — ^) R. Mateb, Die organische Be-
wegung in ihrem Zusammenhange mit dem Stoffwechsel. Heiloronn 1845.
Helmholtz, Über die Erhaltung der Kraft 1847. (Klassiker- Ausgabe Nr. 1.) —
*^) Newton, Phil, nat principia math. Liber III. Theorema VII. — '•) Kepler,
Astronom ia nova 1609. Harmonices mundi 1619. — '*) Gauss, Allgemeine Lehr-
sätze in Beziehung auf die im verkehrten Verhältnisse des Quadrates der Ent-
fernung wirkenden Anziehungs- und AbstoBungskräfte, Art 1. Evebett, Physi-
kalische Einheiten und Konstanten. Kap. VI. § 73 — 75. — ^°) Coulomb, M^moires
de TAcad. r. des Sciences. Paris 1785. S. 569—611. (Klassiker- Ausgabe Nr. 18. j
— '^) W. Weber, Elektrodynamische Maßbestimmungen, Art. 19. Abhandl. der
konigl. Sachs. Ges. d. Wiss. 1846. Werke, Bd. 3, S. 142. — **) AuptRE, M^m.
de PAcad. des Sciences VI. 1823. S. 204, 232, 252. — •») F. Neümank, Abhandl.
der Berl. Akad. 1845. § 1. S. 15. (Klassiker Nr. 10. S. 17.) — »*) F. Neumann,
Abhandl. der Bcrl. Akad. 1845. § 11. S. 67. (Klassiker Nr. 10. S. 10.) —
'^) F. Neümann, Abhandl. der Berl. Akad. 1848. S. 1—5. (Klassiker- Ausgabe
Nr. 36. S. 3—6.) — ••) Clausius, Pogo. Ann. 141, S. 125. 1870. Jubelbd. S.411.
1874. — '^) D. Bernoulu, Hydrodynamica seu de viribus et motibus fiuidorum
common tarii. 1788. Sect X. S. 200. — **) Botle, A defense of the doctrine
touching spring and weight of the air. London 1662. Mariotte, Essai sur la
nature de l'air. Paris 1676. — ■•) Gay-Lussac, Ann. de chim. et de phys. XLIII.
8. 137. 1802. Gilbbrt's Ann. 12. S. 257. (Klassiker -Ausgabe Nr. 44.) —
**) Clausius, Pooo. Ann. 100, S. 370. 1857. — *') Gay-Lussac, Mem. de la soc.
d'Arcueil. 1609. II. S. 207. Gilbert's Ann. 36, S. 6. 1870. — ^') Avooadro, Essai
d'une manidre de d^terminer les masses relatives des mol<^cules ^l^mentaircs
des Corps et les proportions selon lesqnelles elles entrent dans les combinaisons.
Joum. de phys. par Delam^therie. LaXIII. S. 58—76. 1811. (Klassiker- Ausgabe
Xr. 8.) — **) Daltok, Gilbert's Ann. 27, S. 388—399. 1807. (Klassiker- Ausgabe
Nr. 44). — **) Van der Waals, Kontinuität des gasformigen und flüssigen Zu-
standes. London 1873. Übers. Leipzig 1881. Kap. VII. — *•) Van t'Hopf, Lois
de r^quilibre chimique dans Tetat diluä ou dissous. Stockholm 1886. Zeit-
schrift f. physikal. Chemie 1, S. 481. 1887. -~ *•) Lhermite, Compt. Rend. 39,
S. 1179. 1854. Nernsi, Zeitschrift f. physikal. Chemie 6, S. 37. 1890. ~
*') Clausius, Mechanische Wärmetheorie, Bd. 3, Abschnitt 11. Pooo. Ann. 106,
S. 289. 1858. — ^') Maxwell, Illustrations of the dynamical theory of gases.
Phil. Mag. (4) XIX. S. 31. 1860. Scientific papers. I. S. 391. '— ") O.E. Meyer,
Kinetische Theorie der Gase. 1877. S. 146—152 u. 326. — ^) W. Voigt, Nachr.
d. K. Ges. d. Wiss. Göttingen 1885. S. 228. — ^^) Maxwell, Phil. Mag. (4)
XX. S. 31. 1860. Scientific papers. I. S. 403. — "j 0. E. Meter, Kinetische
Theorie der Gase. S. 49—52. 1877. — *») Majcwell, Phil. Mag. (4) XX. S. 28.
1860. Scientific papers. I. S. 394, 400—403. — ^) Riecke, Zeitschr. f. physikal.
Chemie. 0. S. 564. 1890. — ") Riecke, Zeitschr. f. physikal. Chemie. 6.
S. 571. 1890. — *«) Maxweix, Phil. Mag. (4) XIX. S. 22. 1860. Scientific papers,
I. S. 380—381. — ") Laqranoe, M6c. analyt. Part. II. Sect. II. Art. 5 (S. 251).
1788. — «») Laoranoe, M6c. analyt. Part IL Sect. IV. Art 11 (S. 314—315). —
*•) Hamilton, Philosophical Transactions. 1834. S. 251, 807. 1835. S. 99. —
*^) Laoranoe, M^canique analytique. IL partie. Sect. IV. Art. 10. Tome I.
S. 318. 1811. — •*) RouTH, Stability of motion. 1877. S. 61. Dynamics of a
System of rigid bodies. I. S. 337. 1891. — ") Thomson-Tait, Natural philosophy.
I. section. S. 318, 319. — ^) v. Helmholtz, Crelles's Journal 87, S. 111. § 2.
1884- — •*) V. Helmholtz, Crelle's Journal 100, S. 137. § 4. 1887. — «) v. Helm-
holtz, Crelle's Journal 97, S. 111. § 3. 1884. — ••) J. J. Thomson, Anwendungen
der E^namik auf Physik und Chemie. Übers. Leipzig 1890. S. 14—15. — *^) Boltz-
mann, Katalog math. u. math.- phys. Modelle etc. München 1892. S. 89 — 98.
HL Kapitel. •») Laoranoe, M6c. analyt H. part Sect IX. S. 212. —
Voigt, Theoretische Physik. 14
210 Litteratur xum L Teil
**) Euler, Theoria motus corporum solidorum. 1765. Cap. Y. Nr. 422. S. 166.
— ^®) Euler, 1. c. Nr. 433, 452. 8. 169, 177. Deutsche Ausgabe von Wolfkrs.
1853. S. 211—212. — ") Euler, 1. c. Nr. 430 S. 168 bezw. S. 210. — ") Laqranqe,
Mec. analyt U. part Sect. IX. Art 22. — ") Euler, M^moires de TAcad. r.
des Sciences. Berlin, 1758. S. 15b; Laoranoe, 1. c. Art 24. — '*) Euler, Mem.
Acad. Berlin, 1758. S. 167, 170. — '*) I^grange. Mec. analyt T. II. S. 244. —
'•) HuYGHENS, Horologium oscillatorium. ParslVprop.XXV 1673. — '^Laqranqe,
Mec. analyt T. I. Sect. V. Art 62. — '*) Voigt, Theoretische Studien über die
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34, S. 6. 1887. — ") W. Voigt, 1. c. Abschnitt 1. — ^) Cauchy, Bull, de la
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1829. — "^) PoissoN, 1. c. — Na vier, Resistance des corps solides. 3. Edition
par B. DE Saint-Venant. 1854. Tome I. S. 556—560. 716—718. — »*j Schön-
flies. Krystallsysteme und Krystallstruktur. 1891. S. 146 — 147. — ^) Lieribch,
Physikalische Krystallographie. 1891. S. 139—142. — **) Voigt, Allgemeine
Theorie der piSzo- und pyroelektrischen Erscheinungen an Krystallen. S. 14 — 16.
28—26. Abhandl. d. Ges. d. Wiss. Göttingen. 36. 1890. — ") Voigt, Über die
innere Reibung der festen Körper, insbesondere der Krystalle. S. 11 — 17. Ab-
haudl. d. Ges. d. Wiss. Göttingen. 36. 1890. — ^) Voigt, Elasticitätsverhältnisse
der Krystalle. I. Nr. 4. Abhandl. d. Ges. d. Wiss. Göttinnen. 34. 1887. —
^^) Maxwell, A dynamical theory of the electromagnetic field. 1864. Scientific
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Cap. VI u. VU. — **) BoLTZKAKN, Vorlesungen über Maxwell's Theorie der
Elektricität und des Lichtes. I. Teil. 1891. 4. Vorlesung. S. 24, 29—31. —
®®) BoLTZHANN, 1. c. 9. Vorlesung.
IV. Kapitel. •**) Lagrange, Nouv. m6m. de TAcad. de Berlin. 1777.
S. 155 — 174. Greek, Essay on the application of math. analysis on the theories
of electricity and magnetism. 1828. Art. 1. — ^') Laplace, M^m. de TAcad.
Paris. 1781. S. 249— 267. — ") Christoppel, Crelle's Journal 64, S. 321— 369.
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Beltrami, Annali di Mat (2j X. S. 59. 1880. — •*) Poisson, BulL soc. philo-
matique. III. S. 388—392. 1813. — •*) Maxwell, Treatise on Electricity and
Magnetism. I. Teil. Kap. IX. Art 129b u. 129c. — »•) Voigt, Beiträge zur
molekularen Theorie der Pi6zoelektricität. Nachr. d. Ges. d. Wiss. Göttingen.
1893. S. 659—661. — »'^ PoissoN, M^moires de l'Acad. Paris. V. 1822. S. 267—
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Mt^. 3. Teil. Kap. II. Art 398—400. — '*<^) v. Helmholtz, Pogg. Ann. d. Phys.
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Einl. u. § 2. C. Neumann, Untersuchungen . . . Kap. IV. — *°*) G. Neumanm, Unter-
suchungen . . . Kap. IV. § 2. — **^*) Stokes, Smith's Prize Examination. 1854. Cam-
bridge IJniversity Calendar. — ***') Biot u. Savart, Annales de chim. et phys. XV.
1820. p. 222— 223. — 1") Green, Essay . . . Art 3. — "*) C. Neumann, Unter-
suchungen ... S. 119— 123. KiRCHHOPP, Mechanik, 16. Vorlesung. § 4. — ^'^•jKirch-
HOPP, Alechanik. 16. Vorlesung. § 7. — "^Kirchhopp, Mechanik. 16. Vorlesung. § 8.
— 1*8) Green, Essay . . . Art. 5. — "») F. Neumann, Potential. Kap. 11. $$ 5.
S. 270. DiNi, Atti d. Acad. dei Lincei (2) III. S. 129—132. 1876. — "«) Pockels,
Über die partielle Differentialgleichung £^u -{■ k^ u ^ 0. Leipzig 1891. S. 255.
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Soc. IX. 1. 1849 und Math.-Phys. Papers. IL S. 258— 259; Clebsch, Crelle*s Joom.
61, S. 195 ff. § 1. 1863. — "*) Clebsch, Crelle's Joum. 66, S. 1. § 1. 1859. —
*"j Maxwell, Treatise on Electr. and Magn. 3. Teil. Kap. III. — "•) C. Neu-
mann, Crelle's Joum. 59. 1861. S. 335. — *") Mathieu, Liouville's Joum. XIV.
1869. S. 378—406. Potentialtheorie. Kap. IIL S. 70—77. — "«) Boussikesq,
Application des potentiels k l'c^tude de requilibre et du mouvement des solides
elastiques. Paris 1885. § II, S. 59—60.
n. Teü.
Mechanik nichtstarrer Körper.
*
L KapiteL
Die Grnndgleichungen für das Gleichgewicht und die
Bewegung nichtstarrer Körper,
§ 1. Unendlich kleine, stetige Verrüclnmgen in einem nichtstarren
Körper.
Als nichtstarre Körper bezeichnen wir solche, deren Teilchen
gegenseitige Verschiebungen gestatten, also unabhängig Toneinander
veränderliche Koordinaten besitzen. Bedeuten ar, y, r die Anfangs-
werte der letzteren, x + u, y + t?, z + to ihre zu beliebiger Zeit
geltenden Beträge, so sind u, v, to, die Komponenten der Ge-
samtverrückung eines Teilchens, im allgemeinsten Falle Funk-
tionen der Anfangswerte der Koordinaten x, y, z und der Zeit t
Erfüllt der betrachtete Körper anfänglich einen Eaum k stetig,
so entsprechen auch allen Punkten von k bewegte Massen und dem-
gemäß Yerrückungen u, v, w. Letztere müssen dabei stetige
Funktionen der Koordinaten sein, wenn bei der Bewegung weder
mehrere Massen an dieselbe Stelle gelangen sollen, was mit der
Undurchdringlichkeit der Materie in Widerspruch kommen würde,
noch neue Begrenzungsflächen am Körper entstehen oder gar Zer-
faUungen desselben in mehrere Teile eintreten sollen, was die Be-
dingungen der Bewegung vollständig verändern würde. Wir schließen
weiterhin derartige Singularitäten prinzipiell aus.
Sind aber u, v, w stetige Funktionen der Koordinaten, so können
wir sie in der Umgebung oder, wie wir sagen wollen, dem Bereich B
einer beliebigen Stelle x, y, z nach dem TAYLOE'schen Lehrsatz ent-
wickeln und für einen Punkt mit den Koordinaten ar^ == a: -|- 1,
yj = y + 1?, Zj = z + f schreiben
14*
212
II. Teil. Mechanik niehtstarrer Körper. L Kap.
1)
. ydu , du . ydu . S^d^u , u B^u , yy d^u
dx
By
dx
2 Bx^
dxdy
, udv , dv , ydv . f* d*r , ^ ö*» , uy
10
dx
di€
dx
2 dx^
dw
dw , P d^w
dxdy
d^w
dxdx
d*r
dxdx
d^w
I •••?
I •••?
1 * ^ dx dy ^ dx 2 dx^ ^ ' dxdy ^^ dxdx '
WO nun rechts u, v, w und ihre Differentialquotienten sich auf die
Stelle I = i;/ « f s=s 0, d. h. den Punkt x, y, z beziehen.
Wir konstruieren um x, y, z eine Kugel ä' mit beliebigem Badius,
doch so, daß sie vollsl&ndig in dem betrachteten Bereiche liegt, und
bestimmen für sie, indem wir die Verrückungskomponenten Mj, r^, tr^
analog wie Geschwindigkeitskomponenten behandeln, die ihnen ent-
sprechenden Schwerpunktsverschiebungen und Flächenmomente in
Bezug auf die Koordinatenaxen gemäß S. 38 und 39.
Bezeichnet man die ersteren als mittlere Verschiebungskom-
ponenten mit «^, t?^, tr^, so geschieht ihre Berechnung nach dem
Schema u^^h! = ftt^dK u. s. f. und ergiebt
i
2)
u.
= M + Xj* A« + *2* ^ ^" + ••• j
Vfj, =v +Xi^Av +Xa*AAv +...,
w^^w + Xi* A«? + V A A*^ + ....
Hierin ist gesetzt
es ist dann zugleich
2-)
2")
/^ ^f^ =/^ = 2A'x,* u. 8. f.
Versteht man femer unter /^, w^, n^^ mittlere Drehungen um
die Koordinatenaxen bei gegebenen Flächenmomenten, so ist die
Berechnung der letzteren auszuführen nach dem Schema:
4/^Ä'xi* = /(^;wj — ^v^)dk! u. s. f.,
woraus folgt
2"')
/.
m.
1 (^^
Fx
dtc^
dx
du
+
+
\ A (1^
-^' +
A
A
_ dj\
dx)
/du ^ dio\
[di dx)
^dv du\
^dx dy)
■f" • • •>
'^" 1 1 • t
§ 1, Homogene Deformation, 213
Zieht man von den in (1) gegebenen Werten der m^, üj, w^ die-
jenigen Beträge ab, welche den Verrückungen bei einer gleich-
förmigen Verschiebung imd Drehung des ganzen Bereiches B um
die oben bestimmten mittleren Werte entsprechen, bildet also
m' = Mj — M^ + rif^t} -m^f, I
t?'= v^- Vf,+ l^^^n^^j I 3)
w' = M?! — Wf, + wi^l — lf,ri, )
so kann man die resultierenden u\ v\ «?' als die einer reinen
Deformation des Bereiches entsprechenden Verriickungskomponenten
bezeichnen. Zieht man sie allein in Betracht, wie weiterhin zu-
nächst geschehen mag, so bezieht man damit das betrachtete Bereich
des nichtstarren Körpers auf ein gemäß den Werten w^, v^, w^ ver-
schobenes und gemäß /^, th^, n^ gedrehtes Koordinatensystem.
Es mag bemerkt werden, daß es nicht angängig ist, statt der ein-
gefährten /^, m^, n^ die — vielleicht näher liegenden — arithmetischen
Mittelwerte (i, wij^, «J« der Drehungen innerhalb k\ definiert durch
^;A'=/^^'-^rf*',
zu benutzen, da dieselben sich nicht wie Vektorkomponenten ver-
halten. —
Die Ausdrücke (3) sind im allgemeinen sehr kompliziert; sie
nehmen aber eine überaus einfache Gestalt an, wenn man das
Bereich B des Punktes x, ^, z so klein wählt, daß innerhalb einer
festgesetzten Genauigkeit die Entwdckelung (1) mit dem linearen
Glied abgebrochen werden kann. Dann gilt nämlich, wenn man
wieder die schon S. 126 benutzten Abkürzungen
du _ dv^ dtc ^ .
dv j^ dtc __ _ dw I ö** ^ _ ^** ^ ^^ _ I
einführt:
«' = ily« + w, + iCy,, 3")
Die Funktionen ar , . . . ar , deren Werte mit der Orientierung
des Koordinatensystems variieren, nennt man die Deformations-
größen des betrachteten Gebietes oder an der Stelle ar, y, z; ihre
Dimension ist
214 II, Teil, Mechanik nichtstarrer Körper, L Kap.
3'") [xj [xj = l;
sie sind also reine Zahlen.
Wenn, wie in unserem Falle, innerhalb des Bereiches die De-
formationsgrößen Konstanten sind, nennt man die Deformation eine
homogene.^) —
Setzen wir
I* + ^* + ?* = ?*, i = Qcc, ri^Qß, f = QY,
so bezeichnet q den Eadiusvektor von x, y^ z nach der Stelle
^ + 1> y + ^> ^ + f j ^i^<i ^> ßi 7 siii^i seine Richtungskosinus, u', t?', «?'
können wir als Komponenten einer relativen Gesamtverschiebung ^
auffassen und setzen
worin nun «', /?', y' die Richtungskosinus von s bezeichnen und g
eine neue Bezeichnung ist Die Formeln (3") geben dann
ö'/^ = iyx« + y/ + iy.r,
und zeigen, daß im allgemeinen s nicht mit q parallel ist Dies wird
jedoch der Fall sein, wenn die Bedingungen erfüllt sind:
wobei 1 = a^ + /?* + ^'^ ist
Diese Gleichungen bestimmen sowohl die Richtungskosinus der
speziellen Radienvektoren (>, denen parallel die Verschiebungen ihrer
Punkte stattfinden, als auch den Wert des ihnen entsprechenden o-,
welches hier offenbar die Bedeutung der Verlängerung ihrer Längen-
einheit, ihrer sogenannten linearen Dilatation hat
Durch Elimination von a, /?, y folgt aus (4)
<^'- K+yy+ ^.)^*+ (yy^,+ ^.^x + ^«yj, - i(y/+ ^«*+ V))^
eine der Wurzeln o-j, o-g, (T3 dieser, wie jeder kubischen Gleichung ist
stets reell, wir wollen sie mit (Tj, den ihr entsprechenden Vektor mit
Q^ bezeichnen.
Drehen wir nun das Koordinatensystem X, Y, ^ so, daß die
X-Axe mit p^ zusammenfällt, so muß in (3") | = Pi, «? = ?=0 zur
Folge haben «'= pj o-^ , 1?'= 0, tr'= 0, d. h. es muß für diese Lage
der Axen sein
4") ^x=^i^ yx=^x=o.
.(
§ 1, Homogene Deformation. 215
Hiernach wird aus (4)
ein Gleichungssystem, das durch die Wurzel o-j und die ihr ent-
sprechenden Werte «^ = 1, jS^ = y^ = 0 identisch befriedigt wird.
Für die beiden anderen Wurzeln folgt aus der ersten dieser
Formeln, daß sie entweder gleich a^ sein oder aber Richtungen pj
und (>3 normal zu q^^ entsprechen müssen. Ersteres ist im allgemeinen
mit (4) imvereinbar, es muß also letzteres gelten.
Legt man demgemäß die noch willkürliche Axe ¥ in die Eichtung
von (>j, so folgt in derselben Weise wie oben, daß dadurch
wird, während pg mit der Z-Axq zusammenfällt
Wir erhalten sonach das Resultat, daß im allgemeinen nur die
Punkte dreier zu einander normaler Axen, der Hauptdilatations-
axen, die wir weiter mit Xq, T^, Zq bezeichnen wollen, in der
Richtung der Radienvektoren verschoben werden, und daß die diesen
Axen entsprechenden Deformationsgrößen nach (4") und (4"') die
Werte haben
^x'=^i. yv'=^2. ^.'-<^3. y,'=^/ = <=o, 5)
worin die (t^ die Hauptdilatationen heißen.^
Für diese erhält man aus (4') die Beziehungen
aus denen zugleich folgt, daß die drei Aggregate rechts die einzigen
aus den Deformationsgrößen zu bildenden Invarianten sind. ^ —
Die relativen Koordinaten |, 17, f nehmen infolge der Deforma-
tion die Werte
an, durch deren Diskussion man leicht die Bedeutung der allgemeinen
Deformationsgrößen ^3. , . . . a: erhält
Bei Einführung der Hauptdilatationsaxen wird ein&tcher
lo = 10(1 + ^1). ^0 = ^0(1 + ^2)» S(; = So(i + s)- 6')
Nach den Formeln (6) resp. (6') bleiben im Innern des Be-
reiches B bei der Deformation Gerade gerade, Ebenen eben, über-
216 //. Teil. Mechanik nichtstarrer Körper, L Kap.
haupt behält jede Oberfläche iliren Grad. Parallele Gerade und
parallele Ebenen bleiben parallel.
Ein spezielles Interesse bietet die Deformation einer Kugel
innerhalb des gewählten Bereiches, weil sie eine deutliche An-
schauung von der Verteilung der Verrückungen um einen Punkt
gewährt. Aus ihrer ursprünglichen Gleichung |* + r/* + f ^ = ^' ^ird
bei Voraussetzung des Hauptaxensystemes nach den Gleichungen (6')
also die Gleichung eines Ellipsoides, des sogenannten Dilatations-
ellipsoides, dessen Mittelpunkt von demselben Massenteilchen ge-
bildet wird, das ursprünglich im Eugelcentrum lag, und dessen
Hauptaxen in die Hauptdilatationsaxen fallen und sich je durch die
entsprechenden Hauptdilatationen bestimmen.
Verbindet man mit diesem ein koncentrisches und gleichliegendes
Hülfsellipsoid, dessen Gleichung ist
a'"\ io I Vo i io — 7? 2
^ ^ 1 + a» ^ 1 + a, ^ 1"+"^ - ^1 '
SO giebt (6') den Satz, daß ein Punkt |, rj, f der Kugelfläche nach
der Deformation diejenige Stelle des Dilatationsellipsoides einnimmt,
in welcher letzteres geschnitten wird von dem Radiusvektor nach
der Bertihrungsstelle einer normal zum Strahl durch |, t;, f an das
Hülfsellipsoid gelegten Tangentenebene.*) —
Wird der durch die erste Deformation hervorgerufene Zustand
einer neuen Deformation unterworfen, welche durch die Größen x^,... x^
bezeichnet werden mag, so nehmen die relativen Koordinaten die
Werte an
r= r (1 + ^x) + \v'^i + ir ^:, «. s. f.,
aus denen hervorgeht, daß sich im allgemeinen nacheinander hervor-
gebrachte Deformationen nicht einfach summieren. Dies geschieht
indessen, wenn die Deformationen unendlich klein sind. Dann
gilt einfach:
r = 1(1 + x, + ari) + -lrj{xy + xi) + \^{x, + xl), u. S. w.
Diesen wichtigsten Fall wollen wir weiter allein vor-
aussetzen.
Dann gewinnen die sechs Deformationsgrößen x^ , , , x des
Bereiches B eine vereinfachte und anschauliche Bedeutung.*)
x^, ^y» ^t sind die linearen Dilatationen parallel den willkür-
lichen Koordinatenaxen X^ Y, Z.
§ 1. Unendlich kleine Verrückungen. 217
*»—— - ■ -~
y«> ^«» 'y ^^^ ^® Verkleinerungen der Winkel zwischen Richtungen,
Welche ursprünglich der Z- und Z-, der Z- und JC-, der X- und J-Axe
parallel waren.
Femer erhält man nunmehr leicht den Wert der linearen
Dilatation einer in beliebiger Richtung gelegenen Strecke; es wird
nämlich, wenn Uj ß, y ihre Richtungscosinus bezeichnen, nach den
Fonneln (6)
X = x^€€^ + yyß^ + z^r^-^yjr + ^zr^ + ^y^ß- ')
Parallel den drei Hauptdilatationsaxen wird X resp. mit <t^, a^, a^
in (5) identisch.
Die kubische Dilatation oder die Dilatation der Volumeneinheit &
aber wird
* = ^x + yy + ^s» 7')
ist also identisch mit der ersten der in (5') angegebenen Invarianten.
Für die Einführung neuer Koordinatensysteme in die Ausdrücke
der Deformationsgrößen ist zu bemerken, daß, wie eine einfache
Rechnung zeigt,
^»J Vyi ^«> y,> ^x» ^y
sich genau in derselben Weise transformieren, wie die Produkte
X\ P, ^, 2YZ, 2ZX, 2XY
Ton Vektorkomponenten. —
Die sechs Größen x^j , , , x bestimmen nach dem Vorstehenden
Yollständig die Deformation des betrachteten Bereiches und sind für
jede einzelne Stelle voneinander unabhängig; dagegen können sie
innerhalb des deformierten Körpers als Funktionen der Koordi-
naten nicht durchaus willkürlich vorgeschrieben werden, vielmehr
müssen ihre Differentialquotienten gewissen Bedingungen genügen,
welche daraus entspringen, daß die sechs Größen x^, . . . :r von nur
drei willkürlichen Funktionen u, v, to der Koordinaten abgeleitet
sind ®).
Man erhält diese Gleichungen, indem man die Bedingungen
dafür aufstellt, daß von den folgenden Ausdrücken:
dx\dy)^ dy' dy\dy)''dy dx' dx[dy) ''^[dx'^ dy dx)'
dx^dx)" dx' dy[dx)'^^[dx'^ dy dx)' 'dx[dx)''dx dx'
218
n. Teil. Mechanik nichtstarrer Körper, L Kap.
je die drei in einer Linie stehenden die Differentialquotienten einer
und derselben Funktion sein müssen. Sie lauten demgemäß
8)
dx^ ^
*«
S^«""
dydx'
d^x^
dx^ "^
d
d^x^
dxdx'
d^x
dy^ ^
di
dxdy'
2
dydx
+
d'y,
dxdx
+
dydx'
dxdx
+
dxdy
+
d*x^
dxdy'
dxdy
+
d^x
2
dydx,
+
ö'y.
dxdx'
Genügen die Gesamtverrückungen u^ v, w der Bedingung der
Stetigkeit, so muß die Begrenzungsääche eines nichtstarren Körpers
stets von denselben Teilchen gebildet sein; denn um jedes der Ober-
fläche beliebig nahe Teilchen als Mittelpunkt kann man eine ganz
im Innern des Körpers liegende Kugel konstruieren, die sich nach
(6") in ein Ellipsoid um dasselbe Teilchen als Centrum deformiert
Nur bei unendlich starker Deformation kann daher der Abstand
des Punktes von der Grenzfläche unendlich klein höherer Ordnung
werden.
Man kann dies Resultat anschaulicher dahin aussprechen, daß
die Grenzschicht des Körpers sich bei der Deformation zwar
außerordentiich stark vergrößern und dabei verdünnen oder verklei-
nem und dabei verdicken kann, aber immer dieselben Teilchen
enthält.
Die Gleichung der Grenzfläche, welche zu irgend einer Zeit t
von einem System Koordinaten x, y, z erfüllt wird, muß hiemach,
wenn während der unendlich kleinen Zeit r die Verrückungen «,
V, w eintreten, zur Zeit t + r von den Koordinaten x + u^ y + ^j
z + to befidedigt werden. D. h., es muß nebeneinander bestehen
und
9)
F{x,y,z,t)^0
dF , dF , dF , dF ^
dt ox dy dx
Sind u^ v^ w als Funktionen von :r, y, z und t gegeben, so muß
jede Fläche jP, welche geeignet sein soll, den nichtstarren Körper
§ L Grenxbedingungen für die Verrückungen, 219
ZU begrenzen, dieser Gleichung genügen. Ist hingegen F als Funk-
tion von Xy y, z und t gegeben, so liefert die Gleichung (9) eine
Bedingung für die Geschwindigkeiten
oder im speziellen Falle des Gleichgewichts für die Verrückungen
M, Vy w an der Grenzfläche^.
Trennt die Fläche zwei Körper, von denen mindestens der eine
nicht starr ist, so kann man die Gleichung (9) ftir beide Körper
aufstellen und sodann d Fj dt eliminieren. Man erhält dadurch die
Bedingung
die ebenso für w', v\ w' aufgestellt werden kann, oder, indem man
die Bichtung der Normalen auf der Grenze, nach einer beliebigen
Seite positiv gerechnet, mit n bezeichnet,
("i — «2) ^^ ^ ^) + K "~ "2) cös ^y) + ("'i — ^^2) ^^s («, 2^) = 0 , 9")
was anschaulich die Bedingung dafür ausspricht, daß die Grenzfläche
auch bei der Deformation Grenze bleibt
Hängen beide Körper in der Grenze fest zusammen, so muß
noch spezieller gelten
Mj = ttj , Vi = Ü2 , «^1 = ti?3 . 9'")
§ 2. Die inneren Kräfte eines niohtstarren Körpers.
Ein beliebiger Teil eines nichtstarren Körpers stellt ein Massen-
system unter der Wirkung innerer und äußerer Kräfte dar. In
betreff der inneren Kräfte können wir auf dem, S. 102 bei der
analogen Frage für starre Körper eingeschlagenen Wege schließen,
daß sie die Eigenschaft haben, über den ganzen betrachteten Teil
summiert, verschwindende Komponentensummen und Drehungs-
momente zu liefern.
Auch die Schlußweise auf S. 103 ist anwendbar, wenn wir die
Annahme benutzen, es ließe sich jeder Teil eines nichtstarren Kör-
pers in einem beliebigen Zustand zu einem starren machen, ohne
seine inneren Kräfte zu verändern.
Dies hat zur Folge, daß, wenn man für irgend einen Teil eines
220 //. Teil, Mechanik niehMarrer Körper. L Kap.
nichtstarren Körpers nach Maßgabe des S. 38 und 39 Angegebenen die
Schwerpunkts- und Flächengleichungen bildet, aus denselben die
inneren Kräfte des Teiles vollständig herausfallen, so daß die For-
meln die in den Systemen (43) und (45) des vorigen Teiles gegebene
Gestalt annehmen, in welcher allein die Komponenten- und Mo-
mentensummen der äußeren Kräfte auftreten, die der betrachtete
Teil erfährt.
Letztere zerfallen in zwei Gruppen, nämlich einerseits in solche,
welche, etwa femwirkend nach Art der Schwere, auf innere Punkte
ausgeübt werden, andererseits in solche, welche von den umlagernden
Teilen desselben oder eines anderen Körpers nur auf die an der
Grenzfläche liegenden Massen wirken. Erstere beziehen wir auf die Vo-
lumeneinheit und setzen ihre Komponenten gleich X*, r*, Z^; letztere
beziehen wir auf die Flächeneinheit der Begrenzung und be-
zeichnen ihre Komponenten mit X^, Y^, Z^, wobei der Index n auf
die Eichtung der inneren Normale des Oberflächenelementes hin-
weist, gegen welches sie wirken.
Die durch diese Komponenten bewirkten Drehungsmomente
drücken wir wie früher (S. 39) aus, lassen aber die Möglichkeit zu,
daß die kleinsten Teile des Körpers auch noch direkt Drehungs-
momente erfahren durch Kräfte, welche sich in den Komponenten-
summen nicht geltend machen, etwa weil unendlich benachbarte
Punkte entgegengesetzt gleiche Kräfte erfahren. Letztere Momente
bezeichnen wir, soweit sie den Charakter von Femwirkungen haben,
mit Z\ M\ iV, soweit sie von den direkt anlagernden Teilen aus-
geübt werden, mit i^, M^, N^ und beziehen wie oben die ersteren
auf die Volumen-, die letzteren auf die Flächeneinheit Diese
Momente haben nach S. 101 für alle parallelen Axen die gleichen
Werte.
Der Kürze halber sollen weiterhin die Kräfte und Momente
X\ r, Z', L\ JT, N' körperliche, die A;, r„, Z^, L^, M^, 3;
innere oder molekulare genannt werden; wirken die letzteren
gegen die äußere Grenzfläche des aus einem oder mehreren Körpern
gebildeten Systems, so mögen sie oberflächliche heißen und mit
Xj Y, Zj Lj M^ N bezeichnet werden; wirken sie gegen die Grenze
zwischen zwei durch (A) und [k) charakterisierten Körpern, so mag
für sie die Bezeichnung X^uj ^Äfc> Z^^^ Lhuj ^»j A^k angewandt
werden.
Unter Berücksichtigung dieser Festsetzungen nehmen die Glei-
chungen (43) und (45) des vorigen Teiles die Form an®):
§ 2. Innere Kräfte niehtttarrer Körper.
221
j^^dk^jZ'dk+jZ^do,
10)
10')
+ j{M^ + zX,-xZ^do,
Die körperlichen Kräfte und Momente sind oben auf die Vo-
lumeneinheit bezogen, weil diese Festsetzung keinerlei Gesetz
ihrer Wirkung voraussetzt; sind sie aber speziell den Massen pro-
portional, so ist es vorteilhaft, sie auf die Masseneinheit zu beziehen
und daher
X'=pX, r=(>7, Z" ^qZ, r =^qZ, AT =-gM, i\^ = p^ 10")
zu setzen.
Die Dimensionalgleichungen der verschiedenen Arten von Kräf-
ten und Momente sind folgende:
[JE] = [7] = [^ = ltr-\ [L] = [M] = [iV] = p^2, iq..)
Wendet man die sechs Gleichungen (10) und (10') auf ein
cylindrisches Yolumenelement von gegen die Querdimensionen un-
endlich kleiner Höhe an, so verschwinden aus ihnen alle Raum-
integrale und auch die über die Mantelfläche erstreckten Flächen-
integrale als unendlich klein höherer Ordnung, und das erste Tripel
liefert *
j; + x.„ = r, + 7.« ^Zn + z^n = 0; ii)
die Berücksichtigung dieses Resultates läßt im zweiten Tripel auch
noch die mit JT^, ¥^, Z^ multiplizierten Glieder verschwinden und
ergiebt
222
IL Teil, Mechanik niehtstarrer Körper. I. Kap.
Ist die eine Grundfläche des Cylinders eine Begrenzung des Körpers,
in welcher die Komponenten und Momente direkt gleich X, Z, Z,
resp. L, Mj N gegeben sind, so nehmen diese Gleichungen die
Gestalt an
L^ + I^M^ + M^Y^ + N^O,
11")
in denen n als äußere Normale auf der Grenzfläche des Körpers
betrachtet werden kann.
Die Formeln (11) und (ll') können auch auf den Fall ange-
wandt werden, daß der Cy linder über einem Element der Grenze
zwischen zwei verschiedenen Körpern h und k konstruiert ist; er-
fährt die Grenzfläche selbst Kräfte imd Momente, wie dergleichen
z. B. durch eine ihr mitgeteilte elektrische Ladung oder durch längs
der Grenze stattfindende Molekularkräfte bewirkt werden könnten,
so ergeben sie in sofort verständlicher Bezeichnung
11'") <
die Normalen sind nach der Ableitung der Formeln je die äußeren
auf dem durch den Index h resp. h bezeichneten Teil des Körper-
systemes.
Wählen wir femer als das Integrationsgebiet ein Tetraeder von
unendlich kleinen Kanten, dessen Flächen resp. normal zur X-, T-j
Z'Axe und einer beliebigen Richtung n liegen — letztere positiv
aus dem Tetraeder heraus gerechnet — , so ergiebt sich unt^r Be-
nutzung von (11) und (IT)
' ^n = ^x cos {n, x) + -Xy cos (n,y) + X, cos (n, z),
12) ' ^n = ^x Cös (n, x) + Jy cos (w,y) + 7, cos (n, z),
^n = K COS (w, x) + Z^ COS (n,y) -|- Z^ cos {n, z),
/ i;„ = i^ COS (n, x) + Ly cos (n,y) -f- L^ cos (n, z),
12') \m^ = M^ cos (n, x) + My cos {n,y) + M^ cos («, z),
l iV;^ = iV^^ cos (71, x) -h Ny cos (7i,y) + N^ cos (n, z).
Endlich erhält man durch Anwendung der Formeln (10) auf
ein unendlich kleines Prisma, dessen Flächen den Koordinaten-
ebenen parallel sind:
§ 2, Innere Kräfte nichtstarrer Körper,
223
^^ = Z' — ^^'^
öX dX
y a
dt^
dx
dy
dx
^ = 7'---=^-—»-^^
^ dfi
dx
dy
dZ dZ
= ^' - ^r^ - -^ -
dx
ÖL
dx
dM
dx
dN
00/
dL
y
dy
dy
dL^
~dt
'dt'
dZ^
'dt'
13)
+ ^«-^.»
ÖJf„ ÖJlf
y z
dy
dN
^ y
dy
dx
dN^
~dt
+ ^«-^.,
+ ^."-^x-
13')
Für die Ableitung der letzten drei Formeln sind die ersten drei
zu benutzen und ist außerdem in Betracht zu ziehen, daß sich
innerhalb des Integrationsgebietes die x, y, z nur unendlich wenig
Ton Konstanten unterscheiden.
Die Gleichimgen (11) bis (13) haben den ganzen Inhalt der
Formeln (10) in sich aufgenommen, so daß letztere aus ihnen zurück-
gewonnen werden können, und zwar auch für den allgemeinsten
Fall eines Systemes von verschiedenen Körpern.
In der That führt die erste Gleichung (13), über das ganze
System integriert, sofort auf
-Z J(> ^ rf Ä == ^JZ' rfÄ - ^ Jdö ( J^cos (n,ar) + Jy cos (n,y^
wo die Summe 2 sich auf die verschiedenen homogenen Teile des
Systemes bezieht, und n die äußere Normale auf der Grenzfläche
eines homogenen Teiles des Systemes bezeichnet Die Oberflächen-
integrale reduzieren sich nach (12) auf 2fdoX^ und ergeben
nach (IT") den Wert — -2"/X^j^rfo^j^, soweit sie Grenzflächen zwischen
zwei Körpern h und k des Systemes betreffen, dagegen, soweit sie
sich auf äußere Begrenzungen des Systemes beziehen, nach (11")
den Wert — -Z/X^rfö^, so daß man schließlich erhält
^/*s«
^2fx'dk + 2JXdo,
in Übereinstimmung mit der ersten Gleichung (10),
Integriert man hingegen die erste Formel (13') über das ganze
körperliche System, so erhält man
0 = 2fL'dk
— 2fdo (L^ cos (71, x) + Jy cos (n, y) + L^ cos (n, z)) + 2f{Y^ - Z^) dk.
224
//. Teil. Mechanik nichtstarrer Körper, I. Kap.
Hiervon behandelt man das Oberflächenintegral genau wie das
Yorige, das letzte Eaumintegral hingegen schreibe man
/■
= 1 do {z i; cos («, z) - yZ^ cos (n,y))
dY dY-\
und dies giebt leicht
dt^
-^S)]
dky
wodurch man wie früher erhält
2SQ[y%-'^S]dk=2J{F+yZ^-zT)dk+2Jß+JZ-lf)do.
Dies ist aber die vierte Gleichung (10) in allgemeinster Fassung. —
Die vorstehenden allgemeinsten Resultate sind für die An-
wendungen zu vereinfachen, da wir in Wirklichkeit, wie es scheint,
keine Mittel haben, durch Oberflächenkräfte direkt auf die kleinsten
Teilchen der Körper Momente auszuüben; hiemach ist
zu setzen. Das hat dann zur Folge, daß nach (11") zunächst in
den Oberflächen der Körper die inneren Momente i^, Jf^, jS\ sämt-
lich verschwinden, und man gelangt zu keinen Widersprüchen mit
der Erfahrung, wenn man nun auch überall und für beliebige n
L = .if = a; = 0
« » n
nimmt Die körperlichen Momente L\ M\ N^ sind durch mecha-
nische Mittel zwar nicht hervorzubringen, es liegt aber jedenfalls
die Möglichkeit vor, sie durch elektrische Kräfte ?u bewirken; man
würde hiemach also das System (13) zunächst zu schreiben haben®):
14)
d»a; ^ ^, _ ^\
dX.. dX
d^x
dx
dy
BT.
14')
dY
dx dy
dZ dZ^
_. ^> X y_
dx dy
0 = i' + r, - z^.
dx '
0 7
~dx^
BZ
§ 2, Innere Kräfte niehtstarrer Körper. 225
Schließt man aber solche Mittel aus und setzt i' = JT = iV^ = 0,
so wird aus den letzten drei Qleichungen noch einfacher
Diese Annahme wird in der Praxis meistens gemacht; das aus ihr
folgende Resultat (14") ist bereits auf Seite 126 benutzt worden. •)
Unter seiner Berücksichtigung ist der Spannungszustand an
irgend einem Punkte eines beliebigen nicht starren Körpers durch
die sechs Komponenten
^x^ ^y> ^z^ ^zJ ^xy V
die für eine einzelne Stelle willkürlich vorgeschrieben werden
können, vollständig bestimmt. Als Funktionen der Koordinaten
und der Zeit unterliegen sie aber den drei Gleichungen (14), zu
denen als Bedingungen für die Grenze zwischen zwei Körpern {h)
und (Ä) drei Formeln treten, die wir in der allgemeinsten Fassung,
unter Berücksichtigung äußerer auf die Grenzfläche wirkender
Drucke mit den Komponenten X^^^, }\j., Zj^j^, nach (IT") schreiben
Ä)* + {XX +_x,, = 0, (7j, + (7^ + r;, = 0, .
Die Bichtungen n^ resp. w^ sind dabei die der äußeren Normalen
auf der Oberfläche von (A) resp. (A).
Die Formeln vereinfachen sich, wenn entweder die Drucke
gegen die Grenzfläche, oder die Spannungen im Nachbarkörper
Null sind oder vorgeschriebene Größe haben. —
Die Druckkomponenten -i'^. . . . X sind vom Koordinatensystem
abhängig und ändern ihre Werte bei Einführung anderer Axen-
richtungen. Für die Ausführung der Transformation ist die Be-
merkung von Wichtigkeit, daß sich die sechs Druckkomponenten
hierbei vollständig wie die sechs Komponentenprodukte
X2, P, Z^, rZ, ZX, XY
verhalten.
Bezeichnet man die Resultante aus X,,, Y^y Z^ mit P^, und führt
man ihre Richtungscosinus mit der Bezeichnung a\ /?', y* ein, während
man cos (w, x), cos (n, y), cos (n, z) in of, /?, y abkürzt, so wird aus
dem System (12)
P^a^^X^a + X^ß + X^Y,
P^ß'^Y^a+Y^li+Y^r,
P,y=^z^a + z^ß + z^r.
Voigt, Theoretische Physik. 15
22b //. Teil Mechanik nichtstarrer Körper, I. Kap.
P^ fällt im allgemeineii nicht in die Richtung von n; aus-
genommen sind die speziellen Werte a, /?, y, für welche gilt
15) o=7,« + (i;-P)/9+7.y,
wobei mit P der spezielle Wert von P^ bezeichnet ist, der normal
zu dem entsprechenden Flächenelement wirkt.
Dieses Formelsystem stimmt vollständig mit (4) überein und ge-
stattet die gleichen Folgerungen. Insbesondere ergiebt dasselbe,
daB im allgemeinen nur drei zu einander normale Richtungen, die
Hauptdruckaxen, existieren, in denen dieDrucke, die Hauptdrucke
Pj, Pg, Pg, normal gegen das zugehörige Flächenelement wirken.
Wählt man die Hauptdruckaxen zu Koordinatenaxen JP, J^, ^,
so nehmen die bezüglichen Druckkomponenten die Werte an ^^
15') x/= p, , r/= p, , zj>= p, , i;«= zj>= x;= o .
Zwischen ihnen und den auf ein beliebiges Axensystem X, Y, Z
bezogenen Werten bestehen die Beziehungen
, p,+p,+p,=x^+r^+z^,
i5'')}p,p,+p,p,+p,p,=r^z^+z,x^+x^r^-{r^^+zj+x^'),
\ PrP,Ps=x^ry2.+2rA^,-{xj,'+r^z,*+z,x^*); ■
die Ausdrücke rechts sind die einzigen von einander unabhängigen
aus den Druckkomponenten zu bildenden Invarianten.
Bei Einfuhrung der Hauptdmckaxen -P, 7*^, Z^ nimmt das
System (12) die Form an
16) X„^= P,cos(n, x), 7„«= P2C0s(n,y), ^„o= PjCOsC«, z),
woraus durch Elimination der Richtung von n die Beziehung folgt
/Xn2 IY''\^ (Z^\^
Da X^, Y^j Z^ die Komponenten nach den Hauptdruckaxen von
der Druckkraft P^ sind, welche gegen das durch die Richtung von n
charakterisierte Flächenelement wirkt, so stellen sie auch die Ko-
ordinaten i, f], C ^^8 Endpunktes eines mit P^ proportionalen Vek-
tors vom Koordinatenanfang aus dar, und die Gleichung
-■1 iih (*)■+ i-k)'- ■
zeigt, daß die allen möglichen Richtungen von n entsprechenden
Endpunkte ein dreiaxiges EUipsoid — das Druckellipsoid — er-
§ 3. Hamilton' 8 Öleichung für nichtstarre Körper.
227
fallen, dessen Hauptaxen nach Bichtung und Größe durch die
Hauptdrucke Pj, Pj, Pj bestimmt sind.
Kombiniert man mit diesem Ellipsoid die concentrische und
gleicbliegende Hilfsfl&che zweiten Grades, deren Gleichung lautet
+
+
= 1,
16'")
Pi ' n • P.
80 ergiebt das Formelsystem (16) das Eesultat, daß, wenn man an
die Hilfsfläche (16'") eine Tangentenebene normal zu n, d. h. parallel
zu dem Flächenelement legt, gegen welches P^ wirkt, die Richtung
des Radiusvektors nach der Berührungsstelle mit derjenigen von P^
identisch ist
Dieser Satz gestattet, zu jedem n das zugehörige P^ zu kon-
struieren, und umgekehrt ^^) —
§ 3. Die EAMiLTON'sohe Olelohung für niohtstarre Körper.
Kinfinhnmg eines rotierenden Koordinatensystemes.
Die Gleichungen (14) sind bei Annahme der Beziehungen (14")
und (14"') in eine einzige zusammenzufassen, welche den Vorteil
des leichten Überganges zu anderen Koordinatensystemen bietet ^*)
Man erhält nämlich durch Multiplikation mit den virtuellen Ver-
rückungen Sxy Sy^ Sz und Integration über das ganze System in
Berührung stehender Körper:
(
-T+ '
+ C
dt*
-r+
-^+
dx
dx
dx
ex^ ex,
"I" "äT! f"
+
+
dy
d Y
y
dy
BZ.
^)
+
8x
y
dy
+
d
dZ.
i)*.]_0.
Sind die Variationen Sx^ Sy, Sz im Innern des ganzen
Systems, auch beim Durchgang durch die Grenze zweier verschiedener
Körper, stetig, so ergiebt diese Formel durch teilweise Integration,
da sich die auf die Zwischengrenzen bezüglichen Glieder nach (14'")
zusammenfassen :
- X
+ r,{
6 dy d dx
dx
+
dy
) H- ^. (
ddx y döy „ ddx
* dx '^ y dy "*" * dx
dö X ddx
-r
)^^(
d öx . d dy
"T
dx * dx ) ^ y\ dy * dx
--Jdo{Xdx + rSy + ZS7) = 0.
%
17)
15'
228 //. Teil. Mechanik nichtstarrer Körper, L Kap.
Dieselbe Formel gilt auch, wenn die Variationen in der Grenze
unstetig sind, falls nur ihre Komponente normal zur Grenze nicht
springt und der Druck senkrecht gegen die Grenzfläche wirkt
Vergleicht man diese Formel mit (95') des ersten Teiles und
berücksichtigt, daß
17') rSx + TSy + Z'Sz = S'aa
die auf die Volumeneinheit bezogene virtuelle Arbeit der körper-
lichen Kräfte,
1 7") XSlc + TSy + ZSl=^ S'ao
die auf die Flächeneinheit bezogene der Oberflächendrucke gegen
eine äußere oder eine Zwischengrenze ist, so erkennt man, daß
17'")
dx
+^.(^+^)+^-.(^+^)-*''"
die auf die Volumeneinheit bezogene Arbeit der inneren
Kräfte sein muß; denn andere als diese drei Arten von Kräften
treten nach der Annahme nicht ins Spiel.
Die Gleichung (17) läßt sich daher schreiben
woraus bei Einführung der gesamten virtuellen Arbeit S*A für
den Fall des Gleichgewichtes spezieller folgt
18') S"^ =fdk{S'aa + dVf) + fdoSrao = 0.
Sind die virtuellen Verrückungen die in der Zeit dt wirklich
eintretenden, d. h., ist
Sx = -=-dt, Sy = -j^dt, Sz = -^dt,
dt ^ dt ^ dt
SO giebt die Formel (18)
18") dW=d^,
die Gleichung der lebendigen Kraft, welche auch zeigt, daß im
Falle, wo kein Gleichgewicht stattfindet, das nichtstarre System die
Bewegung aus der Ruhe so beginnt, daß
18'") d'ui > 0
ist.
Benutzt man die Umformung von Seite 80 und integriert die
Formel (18) nach der Zeit ZTsdschen zwei Grenzen, an denen die
Variationen Sx, Sy, Sz verschwinden, so erhält man
§ 3. Hamilton' 8 Gleichung für niektstarre Körper, 229
h
fdt{SW+S'A):=:0 19)
und damit die Gestalt, welche das HAMiLTON'sche Prinzip flir nicht-
starre Körper annimmt
Ein sehr wichtiger Fall ist der, daß die Arbeit der inneren
Kräfte 5*«« die Gestalt der vollständigen Variation Ton einer Funk-
tion besitzt, die nur von dem augenblicklichen Zustand abhängt, also
S'ai = — S(p
ist, wo man (p die auf die Volumeneinheit bezogene Potentialfunk-
tion der inneren Ejräfte nennen kann; setzt man dann f (pdk = 4>,
d. h. gleich dem Gesamtpotential, und fdkS'ua+ fdoS*ao= SA^t
d. h. gleich der gesamten äußeren Arbeit, so wird die Bedingung des
Gleichgewichtes (18') zu
J'^a-^0 = O, 19')
die Gleichung der lebendigen Kraft zu
rf(«^+ a>)^dE^d!Aa, 19")
wo E die Energie des nichtstarren Systemes heißt. Ebenso ver-
wandelt sich die Ungleichung (18'") in
d'Aa-d0>O 19'")
und die Formel (19) des HAMiLTON'schen Prinzipes in
Jdt{S{W^ 0) + S'Aa) = 0. 19"")
Wenn äußere Kräfte nicht wirken, wird aus (19') und (19"')
<y0 = O, resp. d(p< 0,
was in der S. 28 ausgeführten Weise dahin gedeutet werden kann,
daß im Zustande stabilen Gleichgewichtes <P ein Minimum wird. —
Eine Anwendung der Formel (19) wollen wir auf die Trans-
formation der allgemeinen Bewegungsgleichungen (14) auf ein um
die Z'Axe mit gleichförmiger Geschwindigkeit rotierendes Koordinaten-
system Sy Hj Z machen ^^.
Wir bezeichnen die Rotationsgeschwindigkeit mit (o und setzen
demgemäß, indem wir t von einem beliebigen Zeitpunkt aus
rechnen,
.r = I cos ö) ^ — 7; sin (ö^ ^
y = Isino)^ + lycosw^, z = f. )
230 //. Teil. Mechanik niohtstarrer Kärper, L Kap.
Hieraus folgt, wenn man kurz die Differentialquotienten nach der
Zeit durch einen oberen Index bezeichnet:
20')
X = ^ cos CO t — f/ sin 0) t '— ^ 0} sin CD t — fj o) cos (o t ,
y = I' sin w ^ + v' cos (üt + ^(o cos mt — ricosiucotj
/ = r.
Die Variation der lebendigen Kraft \fj der Volumeneinheit nimmt
demgemäß die Grestalt an
20") d^ = ||<y| + ||5, + ||5|' + ||^V + ||dT,
aber die geleistete Arbeit
SA = /{Sa. + S'aa)dk + fSa^do
behält in den |, 17, f dieselbe Form, wie in den x, y, z, was aus ihrer
Definition leicht zu ersehen ist.
Setzt man 3^^ = f Sxpdk, nach (20") berechnet, in das Hamil-
TON'sche Integral ein, integriert die mit S^, Stj', S^ multiplizierten
Glieder durch Teile nach der Zeit, indem man ^|, Srjy Sy an den
Grenzen verschwinden läßt, und integriert die mit
multiplizierten Glieder durch Teile nach den Koordinaten, die sich
in den bezüglichen Nennern befinden, so erhält man
21).
-Jdo \^(S + S„)H+ (H+H„) äV, + (Z+ Zjä;]) =0.
Da die ^|, Stj, S^ willkürlich sind, zerfällt die obige Gleichung
in drei für jeden inneren Punkt und drei für jeden Oberflächen-
punkt gültige.
Wir bilden sie, nachdem wir die Werte der Differentialquotien-
ten von 'ip wie folgt eingesetzt haben:
21')
I Äg|)-*.(r-v»), Äd?)-^^^^, Ä(^?) -or.
§ 3. Rotierendes Axensystem, 231
Sie lauten dann:
p(r-2//cü-|fü») = s'-
d=; ds^ ds^ X
öl ö// d^ '
(>(V' + 2|'a>-i7ö*)=:lf «
dH^ dH^ BHf,
d$ drj di '
Q^'^r^
dZ^ dZ^ dZ^
dS dri ÖC '
S'^S.-^H-h Ä =2
r+z_ = o.
21")
Bringt man die in den beiden ersten Oleichungen links neben
pI" und Qfj*' stehenden Glieder auf die rechte Seite, so kann man
sie mit S^ und IT vereinigen und als die scheinbaren körper-
üchen Komponenten deuten, welche neben den wirklichen infolge
der Botation des Eoordinatensystemes als auf das Yolumenelement
dk ausgeübt einzuführen sind..
Die Anteile
sind die auf die Volumeneinheit bezogenen Komponenten der Centri-
fugalkraft, die Anteile
welche verschwinden, wenn der Körper relativ zu dem System S, H
ruht, sind die Komponenten einer Kraft, welche parallel der SH-
Ebene senkrecht gegen die Projektion der relativen Bewegungs-
richtung von dk auf diese Ebene mit der Stärke 2 ^ <ü )/ 1'* + rj'^
wirkt
Von den Formeln (21") geht man leicht zu denen über, welche
die Bewegung auf ein mit seinem Anfangspunkt an der Erdober-
fläche befindliches und mit der Erde rotierendes Koordinatensystem
beziehen.
Sei JR der Erdradius, und & die nördliche geographische Breite
des Koordinatenanfanges für das zu S, H, Z parallele System S^,
jffi, Zj, dessen Ebene S^ Z^ außerdem mit der Ebene SZ zu-
sammenfallen möge, dann ist
| = Äco8t9--f-|i, «7 = ^1, f =Äsint9- + fi.
Führt man endlich noch ein Axensystem A, B, C ein, dessen C-
Axe normal zur Erdoberfläche und dessen ^-Axe nach Süden ge-
richtet ist, so wird
Ij = a sin ??• + c cos &, <7i = ^» ^^ = — « cos i?- + c sin i?-,
oder
a = li sin i9* — ^^ cos ^, ^ == i?i , c = ^^ cos & + Ci siii ^'
232 //. Teil, Mechanik niehtstarrer Körper, L Kap,
Man erhält demgemäß leicht, indem man die erste und letzte Glei-
chung (21") mit den Faktoren sini9", — C08i9-, resp. cos^, sind- zu-
sammenfaßt und berücksichtigt, daß die rechten Seiten jener Formeln
für alle rechtwinkligen Koordinatensysteme ihre Gestalt beibehalten:
Q [a" - 2 ^' Q> sin !?• - ((Ä + c)cos& + a sin &) ö>» sin &\
21'")
da db de
()[*" + 2(a'sint9- + c'cosi?-)« - Acö*]
^ff^^^a ^^l Ö^c
da db de
Q [c" — 2 ä'q> cos 19- — [{B + c) cos i9" + a sin &j w* cos &\
_ dC^ da da
9a Öfc Ö C '
Diese Gleichungen kommen mit speziellen Werten der auf den
rechten Seiten stehenden Kraft- und Druckkomponenten u. a. zur
Anwendung bei der Theorie der Bewegungen, die in der Atmo-
sphäre der Erde (oder eines anderen Weltkörpers) unter Mitwirkung
der Botation auftreten.
Ueber einen unendlich kleinen Körper integriert, wobei die in-
neren Kräfte verschwinden, geben sie die Gesetze der Bewegung
eines Massenpunktes relativ zur rotierenden Erde.
IL Kapitel.
Hydrostatik.
^meinen Oleiehgewiehtsbedingnngeni
Innem einer ruhenden
Ein nichtstarrer Körper, in welchem im Zustand der Ruhe
tangentiale Drucke niemals auftreten, heißt eine Flüssigkeit, und
wenn er diese Eigenschaft auch bei der Bewegung beibehält, eine
ideale Flüssigkeit.
Die Komponenten T^, Z^j X wirken tangential gegen die Ko-
ordinatenebenen, sie müssen also bei allen Flüssigkeiten im Zustand
der Ruhe verschwinden. Führt man dies ein, so ergiebt das Sy-
stem (12)
^» = ^x <^ös (n, x), r, = Ty cos (n,y) , Z^^Z^ cos (n, z),
und da die Resultierende P. von X., IT, Z^ nach der Annahme in
die Richtung von » fallen soll, so folgt für jedes n
den gemeinsamen Wert dieser Größen nennen wir kurz den Druck
an der Stelle x, y, z und bezeichnen ihn durch den Buchstaben/?.
Bei Einfahrung dieser Resultate und unter Voraussetzung des
Gleichgewichts nehmen die Gleichungen (14) die Form an^*)
r = |^, r = J?, ^ = J^, 22)
ox' öy' ö*' '
worin die -T, y, Z^ die Komponenten der körperlichen Bj-äfte be-
zeichnen und auf die Volumeneinheit bezogen sind, während das
System (14'") liefert
Pu-Pu+Pku-^^^ 22')
worin p^j^ die auf die Flächeneinheit der Grenze zwischen den Flüs-
sigkeiten (A) und (Ä) wirkende, von ersterer nach letzterer hin po-
234 //. Teil. Mecfianik nichtstarrer Körper. IL Kap,
sitiv gerechnete Kraft bezeichnet, über deren Natur auf S. 222 ge-
sprochen ist Daß sie normal zur Grenze wirken muß, folgt aus
(14'''), wenn man berücksichtigt, daß die tangentialen Komponenten
von {Pn\ und {Pn\ verschwinden. Wir wollen /?^j^ den in o^^ wir-
kenden Grenzdruck nennen.
Die Gleichungen (22) und (22') bilden die Grundlage für die
Lehre vom Gleichgewicht der Flüssigkeiten. Sie sprechen bei ge-
gebenen -T, Y^, Z* zunächst Eigenschaften des Druckes f aus, liefern
aber auch nach dessen Elimination Bedingungen, welche die Kräfte
allein erfüllen müssen, wenn anders Gleichgewicht unter ihrer Ein-
wirkung möglich sein soll; beide Fragen hängen also aufs Engste
zusammen.
Durch Elimination von p erhält man aus (22)
2T\ bY^^bZ^ i^l^^ djr^dT_
' dx dy ^ dx dx ^ dy dx ^
und dies sagt aus, daß zum Gleichgewicht erforderlich ist, daß die
auf die Volumeneinheit bezogenen körperlichen Kräfte ein Potential
haben müssen.
Bezeichnet man dasselbe mit 0\ so giebt die Integration von (22)
22'") 0'+;? = Const,
und damit die Bestimmung des Druckes an jeder Stelle der Flüssig-
keit, für welche die Funktion 0' gilt, wenn er für eine Stelle vor-
geschrieben ist
Besteht das System aus mehreren in Berührung befindlichen
Flüssigkeiten, und ist für die Grenzflächen, falls ein solcher statt-
findet, der Sprung von (b^ und von p gegeben, so kann man die
Formeln (22) auch über diese Grenzen hinweg integrieren und erhält
beispielsweise, wenn die Indices h und k sich auf zwei beliebig ge-
wählte Punkte im Innern der beiden Flüssigkeiten beziehen, und
wenn, ebenso wie p^k den durch (22') definierten Sprung des Druckes
bezeichnet, auch
23) a>;, = 0i - «>[
gesetzt wird,
23') {01 + pu) - (0; + Pk) = 0it + Phu^
Da die DiflPerenz links vom Integrationsweg, und somit von der
SteUe, wo derselbe die Grenzfläche passiert, unabhängig sein muß,
so ergiebt sich, daß für alle Punkte der Grenze ö^^ zwischen den-
selben zwei Flüssigkeiten
23") 0i,. + p,, = Cnu,
§ 4. Qnmdgleichungen der Hydrostatik. 235
d. h. konstant sein muß; diese Beziehung giebt in dem voraus-
gesetzten Fall eine charakteristische Eigenschaft jener Grenz-
fläche an.
Die bisher gemachte Annahme, daß die auf die Volumeneinheit
bezogenen Kräfte oder Potentiale als Funktionen des Ortes ge-
geben wären, ist in der Praxis ziemlich häutig erfüllt Der wichtigste
und zugleich einfachste Fall ist der der Einwirkung der Schwere
auf eine Flüssigkeit von unveränderlicher Dichte p, wo bei senk-
recht nach unten positiv gerechneter iT-Axe J'= r' = 0, Z" = gg
ist; hier ist dann
il>'^^gQz und *;, = - g~z{s^ - (>,). 23'")
Ein anderer tritt bei einer gleichförmig rotierenden Flüssigkeit ein,
die man für die Anwendung der Formeln (22) nach dem S. 231 Ab-
geleiteten in Bezug auf ein mit ihr rotierendes Koordinatensystem
als ruhend ansehen kann, wenn man außer den wirklich ausgeübten
Kräften die Centrifugalkraft in Rechnung zieht Deren Potential ist,
falls man die ^-Axe zur Rotationsaxe wählt,
0'= -^^«2(^2+^2). * 23"")
Komplizierter sind die Fälle, wo die wirkenden körperlichen
Kräfte und die Grenzdrucke /?Ajt von der Gestalt und der Massen-
verteilung der Körper abhängen; sie ergeben sich, wenn zwischen
den Teilen der Flüssigkeit von unveränderlicher Dichte Fem-
wirkungen — z. B. die allgemeine Gravitation — oder molekulare
Wirkungen — z. B. KapiUarkräfte — bestehen; sie treten auch
ein, wenn magnetisch oder dielektrisch polarisierbare Flüssigkeiten
in ein magnetisches oder elektrisches Feld gebracht werden.
Alle diese Kräfte haben, auf die Volumeneinheit bezogen,
Potentiale und genügen daher der Bedingung (22"); dies findet dagegen
z. B. nicht statt bei den Wirkungen, welche eine vom galvanischen
Strom durchflossene Flüssigkeit von konstanter Dichte im magne-
tischen Felde erfährt, und bei ihnen kann sonach die Flüssigkeit
im Gleichgewicht nicht verharren. —
In vielen Fällen sind durch die Stellung des Problemes nicht
die auf die Volumen-, sondern die auf die Masseneinheit be-
zogenen Kräfte direkt, z. B. als Funktionen der Koordinaten, ge-
geben. Setzen wir dann wie S. 221
T^qX, T^qY, Z'=qZ,
so wird aus (22)
236 IL TeiL Mechanik nichtsiarrer Körper, IL Kap.
24) ,X=||,,F=|J, ,^=|J,
während (22') ungeändert bleibt.
Bezüglich ihrer Dichte q verhalten sich die tropfbaren und
gasförmigen Flüssigkeiten verschieden.
Die Dichte der ersteren ist nur wenig mit Druck und Tem-
peratur veränderlich, die der letzteren sehr bedeutend, und zwar in
der Weise, daß sie bei konstanter Temperatur mit unendlich ab-
nehmendem Drucke, bei konstantem Drucke mit unbegrenzt wachsen-
der Temperatur unendlich klein wird.
Die Abhängigkeit der Dichte vom Druck können wir direkt in
Rechnung ziehen, da der Druck in unseren Gleichungen bereits als
Unbekannte auftritt, und wir setzen demgemäß
Q = fiP)'
Die Abhängigkeit von der Temperatur kann dagegen nicht in
derselben Weise eingeführt werden, da die Gresetze, nach welchen
die Temperatur während des thermischen Gleichgewichts innerhalb
eines Körpers variiert, durch besondere Gleichungen gegeben sind,
die erst später abgeleitet werden können. Wir repräsentieren des-
halb die Einwirkung der Temperatur dadurch, daß wir q außer
von p im allgemeinen auch von den Koordinaten x, y, z direkt ab-
hängig denken.
Ein wichtiger Fall ist der bei tropfbaren Flüssigkeiten vor-
komn^ende, daß die Dichte mit dem Druck sehr wenig, mit der
Temperatur beträchtlicher variiert; hier ist dann q eine Funktion
der Koordinaten allein.
Dasselbe tritt ein, wenn verschiedene Flüssigkeiten in demselben
Eaume vereinigt, etwa bei verschiedener Dichte in einem Gefäß
übereinander geschichtet sind. Mischen sie sich, so ist dabei die
Dichte mit dem Ort stetig veränderlich, im anderen Falle — den
man indessen bequem als einen Grenzfall des ersteren betrachtet —
springt sie beim Durchgang durch die Trennungsfläche. Es möge
übrigens bemerkt werden, daß das Gleichgewicht von in Berührung
befindlichen mischbaren Flüssigkeiten ein unvollkommenes ist,
solange noch Konzentrationsdifferenzen vorhanden sind; doch geht
der Ausgleich im allgemeinen so langsam von statten, daß man
während desselben angenähert die hydrostatischen Gleichungen (24)
anwenden kann.
Alle Fälle, wo die Dichte eine Funktion allein der Koordinaten
ist, führen im Grunde auf die im Eingang gemachte Voraussetzung,
§ 4. Grundgleichungen der Hydrostatik. 237
daß X\ Y\ Z^ Funktionen der Koordinaten sind, zurück; indessen
ist es doch nicht ohne Interesse, sie von einer anderen Seite zu be-
leuchten, welche über das Verhalten der Dichte p Aufschluß giebt —
Wie allgemein auch immer das Gesetz der Dichtigkeit und der
Kraft gewählt werde, stets folgt aus den Grundgleichungen (24)
die Formel
X:y:^ = |^:|^:|^, 24')
ox oy ox '
oder der Satz, daß die Eesultierende aller wirksamen Kräfte an der
Stelle x^ yj z normal gegen die hindurchgelegte Fläche p = Const
steht. Hieraus folgt, daß, wenn diese Kräfte ein Potential — oder
genauer gesprochen, da sie sich auf die Masseneinheit beziehen,
eine Potentialfunktion <J> — haben, stets die Flächen konstanten
Potentiales und konstanten Druckes zusammenfallen müssen, oder daß
p die Koordinaten or, y, z nur in der Kombination 4> enthalten kann.
Die Formeln (24) ergeben dann
d0__dp d0_dp^ d0_dp « , ,.
■^^öar"ö^' ^^J^^dy' -^^-^äT» ^'^ )
60
dp
d* '
dp .
und hieraus folgt
- Qd(p = dp oder (> = - -^ ; 24' ')
letztere Beziehung zeigt, daß, wenn die wirkenden Kräfte ein
Potential haben, die Dichte, wie allgemein ihre Abhängigkeit auch
gedacht werden mag, notwendig in Flächen konstanten Potentiales
und konstanten Druckes selbst konstant sein muß. Die Grenze
zwischen zwei nicht mischbaren Flüssigkeiten muß also, vorausgesetzt,
daß der Druck stetig durch sie hindurchgeht also p^k verschwindet,
in diesem Falle gleichfalls durch eine Potential- und Druckfläche
gebildet sein.
Gehen wir nun zu spezielleren Annahmen über das Gesetz für
die Dichte über.
Ist erstens q nur von p abhängig, so setzen wir kurz
^ = dn, 25)
wo n eine ebenfalls nur von p abhängende Funktion bezeichnet,
und erhalten aus (24)
X=:|^, F=^^, Z=^, 25)
ax ^ oy ox ^ '
woraus sich, analog wie aus (22), ergiebt, daß unter der gemachten
Voraussetzung die notwendige Bedingung des Gleichgewichtes ist.
238 //. Teü. Meehanik nichtstarrtr Körper. II. Kap.
daß die auf die Masseneinheit bezogenen Kräfte X, Y, Z eine Potential-
funktion 0 haben.
Durch Integration erhält man aus (25')
25") /7+0 = Const.,
wobei die Integrationskonstante bestimmt ist, wenn filr eine Stelle
x„, y^, Zq der Druck gleich p^ gegeben ist. Die Auflösung dieser
Formel nach p beantwortet die fVage nach dem Druck an einer
beliebigen Stelle der Flüssigkeit, wenn deren Dichte nur vom
Drucke abhängt.
Für den zweiten speziellen Fall, daß die Dichte q eine stetige
Funktion der Koordinaten allein, also vom Drucke unabhängig ist,
folgt aus (24) durch Elimination von p
dx dy ' dx dx ^ dy dx ^
26) — ä7 '^.. f jj^ ~ ;i. >
26')
hieraus kann man durch Elimination von q noch bilden
'(g-if)+-(ii-©+^(if-ii)-«
und
\dx dy ) ' \dx dx j ' \dy dx )
wobei natürlich die drei Grleichungen nicht voneinander unab-
hängig sind.
Die erste Formel (26') enthält eine Bedingung, welche die
Kraftkomponenten X, F, Z bei ganz beliebiger Abhängigkeit der
Dichte von den Koordinaten befriedigen müssen, damit Gleichgewicht
möglich sei; dieselbe ist z. B. stets erfüllt, wenn die Kräfte ein
Potential haben. Im übrigen kommt dieser Fall, wie gesagt, auf
den im Eingang behandelten zurück. —
Die Gleichung (18') der virtuellen Verrückungen für das Gleich-
gewicht eines nichtstarren Körpers nimmt nach S. 233 für eine
Flüssigkeit die spezielle Form an
Ist die Flüssigkeit inkompressibel, so verschwindet nach (7') der
Faktor von p und damit die Arbeit S^cci der inneren Kräfte, so
daß nur
w
27') fdk 9aa + fdo S'a^ = 0
§ 5. Orenxdrucke und Oberfläehenspannungen. 239
übrig bleibt Um aus letzterem Ausdruck die Gleichungen (22) und
(22^) abzuleiten, hat man die Bedingung der Inkompressibilität
^ + ^ + ^ = 0 27")
mit einer willkürlichen Funktion l der Koordinaten und dem Ele-
ment dk multipliziert und über das ganze System integriert zu (27')
zu addieren und wie gewöhnlich zu yerfahren ; man erhält dann die
früheren Gleichgewichtsbedingungen zurück mit X an Stelle von p. —
§ 5. Zurüokfühnmg der Chrenzdnicke auf Oberfläohenspaimiuigen;
der erste Hauptsatz der Kapillaritatstheorie.
Wir haben bei Aufstellung der hydrostatischen Gleichungen
den Fall zugelassen, daß der Druck p beim Durchgang durch die
Grenze zweier Flüssigkeiten oder einer Flüssigkeit und eines festen
Körpers sich sprungweise ändert, und haben gezeigt, daß dies eine
gegen die Grenzfläche selbst wirkende Kraft voraussetzt, die den
Sprung des hydrostatischen Druckes kompensiert. Sie muß dem-
gemäß normal gegen die Grenze wirken, und ihr auf die Flächen-
einheit bezogener Betrag, der Grenzdruck pj^j^ — in der Sichtung
von der Flüssigkeit (A) zur Flüssigkeit {k) positiv gerechnet — der
Bedingung p^^ p^ + p^^ = 0 genügen.
Mit diesem Grenzdruck wollen wir uns jetzt näher beschäftigen.
Da er normal zur Grenze steht, so wird die -^-Komponente
seiner Wirkung gegen ein beliebiges Stück o der Grenzfläche o,^^
gegeben sein durch
^o = SPhj, cos (n, z) d Oj^j^, 28)
wobei auch n von (A) nach (k) hin positiv gerechnet ist
doj^j^cos{ny z) kann, je nachdem die Normale einen spitzen oder
stumpfen Winkel mit der Z-Axe bildet, gleich ±dxdy gesetzt
werden; wir wollen der Einfachheit halber das betrachtete Stück der
Grenzfläche so wählen, daß ersteres stattfindet, und erhalten dem-
gemäß
^0=" ffPh\dxdy = /pM^dG), 28')
wo das Integral über die Projektion oo von o auf die XT- Ebene
auszudehnen und p^j^ als eine Funktion von x und y allein zu be-
trachten ist, die sich innerhalb (o regulär verhält
Ähnlich wie S. 200 kann man aber jederzeit setzen
P^^="-J^+-d^'^ 28")
240 //. Teil. Mechanik niehtstarrer Körper, IL Kap,
wo Ä und B Funktionen von x und y sind, denen man noch die
Bedingung
auferlegen kann, in der /J^^ eine willkürliche Funktion von x und
y bezeichnet.
Aus (28') folgt dann nach der Gleichung (178'") des ersten Teiles
29) Zo=-f(Ädx + Bdy),
worin dx und dy die Projektionen des Eandelementes d(T von w,
somit auch des Eandelementes ds von o bezeichnen^ und die Inte-
gration in positivem Sinne rings um o zu führen ist Hierfür kann
man auch setzen
29') Zo== f{Ä cos {s, x) + B cos («, y)) rf« ,
d. h., man kann die Wirkung des Grenzdruckes p^^ auf das Flächen-
stück 0 zurückführen auf die von Kräften oder Spannungen, welche
die Elemente ds seiner Kandkurve erfahren. Bezeichnet man ihre
Größe pro Längeneinheit durch 5^^ und charakterisiert ihre Rich-
tung durch den Buchstaben 8, so muß also gelten
29") Zo^fSHjcCOs{S,z)ds.
Bis hierher ist die Umformung eine rein mathematische Operation.
Legt man aber nunmehr den Spannungen S wirkliche Existenz
bei, so kann man über sie in ähnlicher Weise, wie S. 222 u. f.
über die Druckkomponenten der inneren Kräfte, einige Sätze er-
halten, indem man die Formel (29') resp. (29") und die ihnen ent-
sprechenden für die Komponenten parallel zu X und Y auf ver-
schieden gestaltete, unendlich kleine Flächenstücke anwendet und
berücksichtigt, daß, wenn die Lineardimensionen derselben unendlich
klein erster Ordnung sind, die Komponenten, welche sie erfahren,
nach (28) zweiter Ordnung, die Momente um beliebige durch das
Flächenstück gehende Axen aber dritter Ordnung sein müssen.
So erhält man bei Betrachtung eines streifenförmigen Flächen-
elementes das Besultat, daß gegenüberliegende Seiten gleiche und
entgegengesetzt gerichtete Spannungen erfahren, und daß diese
Spannungen in der Ebene des Elementes selbst liegen müssen.
Der Grundeigenschaft der Flüssigkeiten, im Gleichgewichtszustand
keinen tangentialen Druck zuzulassen, entspricht es dabei, daß
auch Anormal gegen ds wirkend angenommen wird. Die Anwendung
der Formel (29') auf ein dreieckiges Flächenstück liefert dann so-
gleich das Resultat, daß S zwar vom Orte auf der Grenzfläche,
§ 5, Grenxdrucke und Oberfläehenspannungen, 241
nicht aber von der Kichtung des Elementes ds abhängt, gegen
welches es wirkt
Um die Resultate dieser Überlegungen in (29") einzuführen,
legen wir normal zu den Richtungen von s und von n, deren gegen-
seitige Beziehung bereits festgelegt ist, und zwar in den Außenraum
von ©Äfc hinein positiv gerechnet, die Richtung von S, Dann liegt
^ zu n zu Sj wie X zu Z zu Z, und man kann nach bekannten
Futidamentalformeln sogleich schließen, daß
cos {S, z) = cos (n, t/) cos {s, x) — cos {n, x) cos (ä, y) 29'")
ist Die Einsetzung dieses Wertes in (29") und die Vergleichung
des Resultates mit (29') ergiebt
A = Shic cos (n, y) , 5 = — S^j, cos {n, x), 30)
oder wenn man die Gleichung der Oberfläche z = F{xyp) einführt und
^" - A.i/M||f7(||f
setzt,
^ = ^--ö7' ^=-^-K' 30')
worin P^k ^^^ ^hk nur Funktionen des Ortes auf der Oberliäche sind.
Damit diese Substitution erlaubt sei, muß in Gleichung (28"')
_/• _^^^hk dF ^Phk dF__^{SHjc <^o« (^> y)) ^ i^hk C08 (^> ^)) o^,/x
'^*"" da? dy dy dx'^ dx dy ^
sein, was eine durchaus zulässige Verfugung darstellt.
Durch die Oberflächenspannung Äa^ drückt sich nach (28") der
Grenzdruck p^jc dann aus gemäß den Formeln
öy öy dx dx \ ^
^ d{Sj,j,coB{n,y)) d{Sf^j^ cos (w , »)) i ^
" dy "^ dsc ' ^
andererseits bestimmt sich erstere durch letzteren vermittelst der
Beziehung
S,^^sm^{n,z)^A^ + JB^
worin A und B gemäß den allgemeinen Regeln in § 24 des ersten
Teiles bestimmt gedacht sind.
Die Oberflächenspannung Äi^^ an einer beliebigen Stelle von Of^|,
kann im allgemeinen stetig mit dem Ort variieren, und wird dies
auch thun, wenn äußere Ursachen, wie elektrische oder magnetische
Kräfte, den Grenzdruck p^k bewirken; rührt letzterer hingegen nur von
VoioT, Theoretische Physik. jg
242 //. Tßü. Mechanik niehtstarrer ITörper, ZT Kap,
molekularen Wirkungen her, so erscheint es als das nächstliegende,
die Oberflächenspannung 5^^ als längs der ganzen Oberfläche o^k kon-
stant anzunehmen. Denn Einfluß auf ilire Größe könnte, so lange
nicht andere Begrenzungsstücke unendlich nahe sind, wie bei sehr
dünnen Lamellen, bei gegebenen Flüssigkeiten {h) und (A) nur die
Gestalt von o^jc in der Nachbarschaft des betrachteten Punktes haben;
da aber die Richtung von /Sj^^^ unveränderlich in die Tangential-
ebene fällt, erscheint es sehr unwahrscheinlich, daß ihre Größe von
der Krümmung der Grenzfläche abhängen sollte.
In der That gelangt man zu einer der Beobachtung vollkommen
entsprechenden Theorie der Kapillaritätserscheinungen, wenn man
die Oberflächenspannung 5^^ als eine, der KomBination der zwei
Körper (A) und (A) individuelle Konstante einfuhrt
In diesem Falle wird aus (30'") einfacher
31) ;,,,»_ 5,» (15^|l£I + Ü?|^)
was, falls man unter R^ und Ä, die beiden Hauptkrümmungsradien
der Oberfläche 0^^ an der betrachteten Stelle versteht, — diese,
wie 71, von der Flüssigkeit (A) nach (A) hin positiv gerechnet —
identisch ist mit
31') p^^ = + *** (ir "^ i") •
Die Gleichung (31) resp. (31'), mit anderer Bedeutung der Kon-
stanten Äfcfc zuerst von Laplace ^^) angegeben, heißt der erste Haupt-
satz der Kapillaritätstheorie, S^k die Kapillaritätskon-
stante für die Kombination der Flüssigkeiten (A) und (A), ihr
Faktor in der letzten Gleichung die mittlere Krümmung der
Oberfläche an dem Punkte, auf den sich R^ und 7?^ bezieht
Die Dimension der Oberflächenspannung Sj^k ist aus der Formel
(31') leicht zu
31") [iS] = m^-2
zu erschließen. Über ihr Vorzeichen kann man aussagen, daß es
für zwei Flüssigkeiten, die in Berührung miteinander im stabilen
Gleichgewicht verharren können, positiv sein muß: bei negativem
Shk giebt eine Vergrößerung der mittleren Krümmung eine Ver-
kleinerung von phkj also eine Kraft, welche nicht eine Bückkehr in
die ursprüngliche Lage, sondern eine Bewegung von derselben hinweg
hervorruft, die schließlich eine Mischung beider Flüssigkeiten bewirkt
An der Grenze zwischen einer Flüssigkeit und einem festen
Körper kann Sj^k sowohl positiv als negativ sein.
§ 5. Grenxdrurke und Oberfläehenspannungen, 243
Die Gleichung
Ph— Pk+ Phk = 0
gestattet noch eine andere Deutung, wenn man die Vorstellung zu
Grunde legt, daß weder der Druck p noch das Potential <f>' der auf
die Volumeneinheit bezogenen Kräfte beim Durchgang durch die
Grenzfläche unstetig wird, sondern beide sich daselbst nur sehr
schnell ändern.
Wendet man dann die Gleichung (22'") auf zwei dem Element
dojij^ der Grenzfläche diesseits und jenseits sehr nahe Punkte an,
so wird
Äußere köi*perliclie Kräfte, nach Art der Schwere, geben demgemäß
zu der Potentialdifferenz rechts keinen endlichen Anteil, wohl aber
bei ausreichender Intensität die Molekularwirkungen, die nahe der
Grenze, der unsymmetrischen M^^senverteilung wegen, wirksam wer-
den müssen, während sie im Innern eines homogenen Körpers sich
zerstören. Der Wert des Grenzdruckes
Phk = Pk — Ph
wird also in der auf Molekularkräfte basirten Theorie durch die
Potentialdifierenz <t>h — c/>i dargestellt, die sich in der That auf die
Form (31') zurückführen läßt
Dies ist die Grundlage der LAPLACE'schen Theorie der Kapil-
laritätserscheinungen ^•). —
Betrachtet man ein Stück der Trennungsfläche, das durch eine
Kurve « begrenzt ist, und verschiebt man jedes Randelement ds um
eine willkürliche Strecke Sn, die sich längs s stetig ändert, in der
Tangentialebene normal nach außen, so leistet dabei die Oberflächen-
spannung Skk eine Arbeit
S'a,= — SnufSnds = — S,,jcSoi,u, 32)
worin Sohk die durch die Verschiebung bewirkte Vergrößerung der
innerhalb s liegenden Grenzfläche bezeichnet Verechiebt man da-
gegen jedes Eandelement ds in einer Richtung normal zu ä^^^, so
ist die dabei geleistete Arbeit gleich Null.
Da man jede Vergrößerung der Grenzfläche, auch durch aus-
schließliche Änderung der Krümmung bei festgehaltener Grenzkurve,
durch analoge mit den einzelnen Flächenelementen vor-
genommene Prozesse bewirken kann, so giebt die Gleichung (32)
den allgemeinen Wert für die bei diesem Vorgang durch die Span-
nung Ä/kfc geleistete Arbeit
16*
244 //. Teil, Mechanik nichlHarrer Körper, IL Kap.
So lange die Veränderung in den Grenzen bleibt, innerhalb deren
die Spannung ^1^* konstant ist, hat die einer einzelnen Grenz-
fläche 0^^ entsprechende Arbeit S'a, ein Potential qp„ welches lautet
32') ^»= ShuOhk-
Nachdem die Arbeit der Oberflächenspannung bestimmt ist,
kann man auch die Gleichung der virtuellen Verrückungen für eine
ruhende Flüssigkeit unter Berücksichtigung der Oberflächenspannung
bilden. In dem gewöhnlichen Falle inkompressibler Flüssigkeiten
lautet sie, wenn S*^ay S'Ao und S'^s die gesamten Arbeiten der
körperlichen Kräfte, der Oberflächendrucke und der Oberflächen-
spannungen bezeichnen,
32") SAa + SAo -I- <r^, = 0 ;
dazu tritt als Nebenbedingung die Konstanz des von jedem Flüssig-
keitsteilchen eingenommenen Volumens oder die Inkompressibilitäts-
bedinguiig (27").
Haben die wirkenden Kräfte Gesamtpotentiale </>«> ^i^o> ^»j
wie dies für die Oberflächenspannung eben gezeigt ist, so ist die vor-
stehende Gleichung äquivalent mit der Bedingung
32'") <l>a + *o + tf^ = Minimum.
Diese Formel kann man, wie das von Gauss ^^) geschehen ist,
als Ausgangspunkt für die Theorie der Kapillarität wählen und 4*,
darin aus der Annahme von Molekularwirkungen zwischen den Flüs-
sigkeitsteilchen bestimmen. Wir haben einen anderen Weg einge-
schlagen, da die GAUSs'sche Theorie als eine streng molekulare nicht
zu betrachten ist, insofern die einzelnen Teilchen nicht unter allei-
niger Wirkung von Molekularkräften im Gleichgewicht befindlich
gedacht sind, sondern die molekulare Attraktion durch die Inkom-
pressibilität der Flüssigkeit kompensirt wird.
Eine rein molekulare Theorie wird anscheinend nur so zu ge-
winnen sein, daß man sich auf den Boden der kinetischen Gastheorie
stellt und der Attraktion die Zusammenstöße der bewegt gedachten
Teile entgegenwirken läßt
§ 6. Über die Gestalt einer unter gegebenen Kräften im Gleich-
gewicht befindlichen Flüssigkeit.
Eine gegebene Menge einer gasförmigen Flüssigkeit wird, wenn
sie nicht in ein festes Gefäß eingeschlossen ist, nach der S. 236
erörterten Eigenschaft, auch bei beliebig verkleinerter Dichte immer
noch einen Druck auszuüben, sich unbegrenzt ausdehnen, und ihre
Dichte wird, wenn sie auch in gewissen Bereichen infolge wirkender
§ 6. Grenzflächen tropfbarer Flüssigkeiten. 245
Kräfte eine endliche sein kann, sich nach außen hin im aligemeinen
asymptotisch der Null nähern.
Von einer Gestalt, welche das Gas unter den gegebenen Kräften
annimmt, kann in diesen Fällen nicht die Rede sein; ein Bild seiner
Ausbreitung wird aber durch das Gesetz, nach welchem seine Dichte
mit dem Ort wechselt, speziell durch die Gestalt der Oberflächen
konstanter Dichte geboten werden.
Anders verhält es sich mit tropfbaren Flüssigkeiten. Wenn
wir von ihrer Verdampfung absehen, so nehmen sie auch im unbe-
grenzten leeren Raum bei endlicher Quantität nur ein endliches
Volumen ein und eine bestimmte Gestalt an. Ihre Oberfläche in
diesem Zustande nennt man in aller Strenge eine freie Ober-
fläche, insofern auf sie kein äußerer Druck wirkt Man spricht
aber im weiteren Sinne von einer freien Oberfläche auch dann, wenn
eine Flüssigkeit durch diese Fläche gegen ihren Dampf oder gegen
ein Gas abgegrenzt ist, vorausgesetzt, daß letztere gegenüber der
Flüssigkeit eine verschwindend kleine Dichte besitzen.
In diesem Falle ist nämlich nach (24") die Änderung des Druckes
innerhalb des Gases oder des Dampfes verschwindend klein gegen-
über derjenigen, welche auf gleichen Strecken innerhalb der tropf-
baren Flüssigkeit stattfindet, und demgemäß ist der gegen die Ober-
fläche der Flüssigkeit wirkende Druck als konstant zu betrachten.
Gegen die freie Oberfläche im engeren Sinne wirkt also der Druck
Null, gegen die im weiteren Sinne überhaupt ein konstanter Druck.
Hiemach reduziert sich die Aufgabe der Bestimmung der freien
Oberfläche einer Flüssigkeit auf diejenige der Auffindung einer be-
stimmten Fläche konstanten Druckes, und ist in den Fällen, daß
die Dichte q nur vom Druck oder nur von den Koordinaten ab-
hängt, durch die Formeln (25") und (22"') überall da bereits voll-
ständig gelöst, wo die Kräfte X, T, Z von der Gestalt der Flüssig-
keit unabhängig und Grenzdrucke p^^^ nicht wirksam sind^^. Die
in diesen Gleichungen auftretenden Integrationakonstanten bestimmen
sich hierbei in der Regel durch die gegeben gedachte Menge der
von der Fläche konstanten Druckes und von der etwa noch vor-
handenen Gefäßwand begrenzten Flüssigkeit
Wenn die wirkenden Kräfte aber von der Gestalt der Flüssig-
keit abhängen, so ist die Aufgabe schwieriger, und es giebt, auch
bei fehlenden Grenzdrucken, keine allgemeine Methode, sie zu lösen.
Für den praktisch wichtigen Fall, daß die Kräfte aus der Centri-
fugalkraft der gleichförmig rotierenden inkompressibeln Flüssigkeit
und ihrer gegenseitigen Gravitation bestehen, geht die Aufgabe
246 //. Teä. Mechanik niehtatarrer Körper. IL Kap,
dahin, eine Oberfläche von gegebenem Inhalt zu finden, längs welcher
die Summe der Potentialfunktionen der Gravitation aller Massen und
der Centrifugalkraft konstant sind. —
Ein besonderes Interesse nehmen bei der Frage nach der Ge-
stalt einer tropfbaren Flüssigkeit die Molekularwirkungen in An-
spruch, welche durch den Grenzdruck p^u die Erscheinungen der
Kapillarität verursachen.
Nach (23") ist bei Existenz eines Potentiales 0' der auf die
Volumeneinheit bezogenen äuSeren Kräfte an der Grenze zweier
Flüssigkeiten {h) und (A), in welcher das Potential um 0«]^, der
Druck um p^u springt, die Summe
^hk + Phk = Cäh,
d. h. konstant Diese Bedingung giebt bei Berücksichtigung der
Kapillarkräfte
33) 0;^, + ÄÄk(-l- + -l-) = (7Afc,
und damit, wenn 0' als Funktion der Koordinaten vorgeschrieben
ist, die Differentialgleichung der Trennungsfläche OAt^*).
Die Konstanten C^jt bestimmen sich, wenn die Gesamtmassen
der Flüssigkeiten gegeben sind, durch diese, in anderen Fällen durch
die festgesetzten Koordinaten eines Punktes der betreffenden Oberfläche.
Eine mitunter besonders bequeme Verfügung beruht auf folgen-
der Überlegung.
Hat an irgend einer Stelle a die Fläche o^jc eine verschwin-
dende mittlere Krümmung, also einen verschwindenden Grenzdruck
PJ^Jc, so kann man, da W>\ und 0i^ nur bis auf eine additive Kon-
stante definiert sind, ebenda 0^» zu Null machen und erhält hier-
durch Cj^j^ = 0.
Solche Stellen haben aber die Grenzflächen zwischen zwei
Flüssigkeiten immer dann, wenn sie Teile besitzen, die sich ins
Unendliche erstrecken, falls dort die Potentialflächen die Gestalt
von Ebenen annehmen. Nimmt man also daselbst sowohl Wi als
0i gleich Null, so folgt gleiches für 6^^.
Erstrecken sich die gegebenen Flüssigkeiten nicht ins Unend-
liche, so kann man sie in den Fällen, wo sie mit festen Körpern
in Berührung sind, mittels durch jene gefiihrte Kanäle immer mit
je einer unendlichen Flüssigkeit 'gleicher Art kommunizieren lassen,
ohne dadurch die Bedingungen des Problemes zu ändern. Auch hier
bestimmt sich, wenn man an einer ebenen Stelle von deren Grenz-
fläche die Potentiale 0i und 0i verschwinden läßt, Cj^* zu Null. —
§ 6, Kapillare Qrenxfiäckm, 2 AI
Ist die wirkende körperliche Kraft der Masse proportional, also
0; = 0^^, 0i = 0pt, so schreibt sich die Formel (33)
^{Qu - Qh) + Snu [-^ + -^) = Ck,\ 33')
bei gleichen Dichtigkeiten (»% und q^ yerschwindet die Wirkung der
äußeren Kräfte Yollständig und die Bedingung wird zu
:^ + :^ = ^**- ^^")
Diesen Fall kann man realisieren, indem man eine Flüssigkeit in
einer anderen von gleicher Dichte, mit welcher sie sich nicht mischt,
suspendiert.
Ist die eine (A) der beiden Flüssigkeiten ein 'Gas, z. B. die
atmosphärische Luft, so kann man Q}^ neben qx vernachlässigen;
zugleich sei q^ mit q und Sj^^ mit S vertauscht Die Formel (33')
lautet dann
^(i + i)-^«»"^- 33'")
Ist die wirkende Kraft die Schwere und ist die Z-Axe positiv nach
oben gerechnet, so nimmt die Gleichung die Form an
'{-k + i)-^^~'-^-^ 33"")
die Krümmungsradien B^ und ß^ sind dabei aus der l^lüssigkeit
heraas positiv gerechnet
Denkt man sich die Flüssigkeit mit einem unendliclien Reservoir
kommunizierend, dessen Oberfläche an dieselbe Gasatmosphäre grenzt,
wie die eigentlich betrachtete, so kann die Flüssigkeitsoberfläche
in dem Eeservoir als eben angesehen werden; rechnet man z von
deren Niveau aus, so ist (7=0.
Hat die Flüssigkeit die Form einer sehr dünnen Lamelle zwi-
schen zwei Lufträumen, so kann man die Formel (33'") auf die eine
Seite a derselben anwenden und, da die Krümmungsradien auf der
zweiten Seite b überall denen auf der ersten Seite nahezu entgegen-
gesetzt gleich sind, für die zweite bilden
Die Differenz beider Formeln giebt
oder, da die linke Seite nach dem oben Entwickelten gleich dem
248 IL Teil. Mechanik niehtstarrer Körper. TL Kap.
Sprung ist, den der Druck beim Durchgang durch die Lamelle
erleidet,
Die Krümmungsradien sind von der Seite b nach der Seite a positiv
gerechnet
Kommunizieren die beiderseitigen Lufträume miteinander, so
ist pa = pb, und die vorstehende Gleichung wird zu
34'") _1_ + 1 = 0;
dies ist die für Minimalflächen charakteristische Bedingung, was
sich auch aus der Gleichung (32'") in Verbindung mit (32') ab-
leiten läßt
Beobachtungen an Lamellen sind sehr geeignet, die Existenz
der Oberflächenspannung S zu veranschaulichen, und auch, indem
man die Kraft mißt, die erforderlich ist, um ein bewegliches Stück
ihrer Begrenzung festzuhalten, ihre Größe zu bestimmen; dabei ist
zu bemerken, daß, so lange die Dicke der Lamelle nicht unter eine
gewisse Grenze sinkt, ihre Spannung das doppelte von derjenigen in
einer einfachen Grenzfläche beträgt Allerdings gestatten nur ver-
hältnismäßig wenig Flüssigkeiten die Herstellung von Lamellen in
zu Messungen geeigneten Dimensionen. —
Die Grenzbedingungen, welche neben den vorstehenden
Differentialgleichungen (33) und (34) zur Bestimmung der Trennungs-
fläche zwischen zwei Flüssigkeiten erforderlich sind, erhält man
durch Formulierung der Bedingung dafür, daß die sie begrenzenden
Linienelemente unter der Wirkung der auf sie ausgeübten Kräfte
im Gleichgewicht sein müssen. Äußere und Oberflächendruckkräfte
liefern hier einen verschwindenden Beitrag, es kommen sonach aus-
schließlich die auf die Randkurve wirkenden Oberflächenspannungen
in Betracht.
Treffen längs einer Kurve drei Flüssigkeiten (1), (2), (3) zusammen,
und sind ^S'^g, Sjj, S^^ die in den Grenzflächen wirkenden Spannungen,
V'v Vif 7'3 ^^® Winkel, welche die Begrenzungen der Flüssigkeiten
(1), (2), (3) an dem betrachteten Linienelement einschließen und welche
wir ihre ßandwinkel nennen wollen, so ist die Bedingung dafUr,
daß die Komponentensummen der drei Spannungen nach allen
Richtungen verschwinden,
35^ — •• = _ •'. =- "..
sin (pi sin <p^ siu gp.
§ 6. Ztceiier Hauptsatz der Kapülarttätslehre. 249
Diese Formel stellt den zweiten Hauptsatz der Eapillaritätslehre
dar und ist zuerst von F. Neümann*^ angegeben; sie bestimmt zu-
sammen mit der Beziehung <Pi+fp2 + g>s=^^ alle drei Winkel qp^
vollständig.
Man ersieht aus (35), daß drei Flüssigkeiten längs einer Kurve
nur dann im Gleichgewicht sein können, wenn die drei Ungleichungen
bestehen
^28 < ^12 + ^81 > ^31 < '^83 + ^l%9 ^18 < ^81 + ^88' ^^1
Ist eine von ihnen nicht erfüllt, so wird sich die eine Flüssigkeit
als eine Schicht zwischen die beiden anderen hineinschieben und
sie trennen.
Sind sie aber erfüllt, so ist das Gleichgewicht stabil, denn bei
einer Verschiebung der Grenzkurve wird eine Kraft erregt, die sie
in die frühere Iiage zurückfuhrt.
In der That, betrachtet man die Gesamtkomponente N der drei
Spannungen nach einer beliebigen Richtung n normal zu einem
Linienelement der Grenzkurve, so ist zunächst nach (36):
iV = Äjg cos v^ + Äjj cos v^ + üSjjj cos v^ = 0,
falls i'j, Vj, V3 die Winkel zwischen Ä33, S^^, S^^ und n bezeichnen.
Hält man alle drei Grenzflächen von einer beliebigen endlichen
Entfernung a von der Schnittkurve aus fest und verschiebt das be-
trachtete Linieneleraent in der Richtung n um Sn aus seiner Gleich-
gewichtslage, so wird eine Kraft SN entstehen, gegeben durch
SN = — (aSj3 sin v^ Sv^ + S^^ sin v^ Sv^ + S^^ ^i^ ^3 ^^s)
oder, da Svj^ = — sin i/^ ist, durch
SN== ---^ (5,3 sin« v^ + 8^^ sin» v^ + 8^^ sin« v^).
Die Kraft ist also negativ, da nach der Voraussetzung alle <Sa* > 0
sind; das Gleichgewicht ist somit stabil. —
Stoßen in einer Grenzkurve mehr als drei Flüssigkeiten zu-
sammen, so ist die Gleichgewichtslage nicht bestimmt, da für vier
Winkel nur drei Bedingungen vorhanden sind, und das Gleich-
gewicht selbst im allgemeinen labil.
Dies erkennt man in dem Falle, daß vier Flüssigkeiten (1), (2,) (8),
(4) vorhanden sind, einfach so, daß man an dem betrachteten Linien-
element zwei der vier Grenzflächen [z. B. (2, 3) und (3, 4)] unge-
ändert läßt und die beiden anderen [(1, 2) und (1, 4)] parallel mit
sich in einer beliebigen Richtung n fortschiebt, so daß parallel 71
250 //. Teil. Mechanik nichtetarrer Körper. IL Kap.
ein Stück einer neuen Grenze zwischen den Flüssigkeiten (2) und (4)
entsteht, die zuvor sich noch nicht längs einer Fläche berührten.
Parallel mit n wirkt nun auf das Linienelement, in dem jetzt (2), (3\ (4)
zusammenhängen, in leicht verständlicher Bezeichnung
^24 + ^23 cos V,3 + ^3^ COS ^3^ = A\ ,
auf dasjenige, in welchem (1), (2), (4) zusammenhängen,
- ^24 + ^12 cos Via + *i4 cos ^14 = N^.
Da die ursprüngliche Lage eine Gleichgewichtslage sein sollte, muß
^12 cos Via + ^23 cos Vas + *34 cos V34 + 5^1 cos v^i = 0
sein, es ist also A\ + N^ = 0, aber je nach den Werten der Äj^» und
der Richtung von n kann N^ und N^ ebenso wohl positiv als negativ
sein, während zum stabilen Gleichgewicht N^>i) und N^<0 er-
forderlich wäre. Damit ist aber die Labilität des Gleichgewichtes
erwiesen. —
Läuft die Grenzfläche zwischen zwei Flüssigkeiten (1) und (2)
gegen einen stetig gekrümmten starren Körper (0), so wird die Kom-
ponente der Oberflächenspannungen normal zu dessen Oberfläche
durch seine Festigkeit zerstört, und die Gleichgewichtsbedingung
betrifll nur die tangentiale. Sie lautet hier, falls man die Rand-
winkel der Flüssigkeiten (1) und (2), welche sich zu ;r ergänzen,
resp. mit q)^ und (p^ bezeichnet:
Ä,a cos ijpi + iSoi = ^02
oder
Ä,a cos 9>a + S^^ = Ä^i •
Sq^ und 5Jja bezeichnen die Oberflächenspannungen in den Grenzen
zwischen der Flüssigkeit (1) oder (2) und dem Körper (0); sie sind
positiv oder negativ, je nachdem die Flüssigkeiten das Bestreben
haben, ihre Berührungsfläche mit dem festen Körper zu verkleinem
oder zu vergrößern.
Man erhält somit für die Randwinkel die Beziehungen
35") co8 9>i = -'^<"-7-A.-, cos y, = -^' - -^'«i .
Es scheint hiernach, als ob bei geeigneten Werten von S^^ und
fij,a der absolute Wert von cos qpj resp. cos tp^ größer als Eins, der Rand-
winkel also imaginär werden könnte. Die Beobachtungen zeigen
indessen, daß, wenn die eine der beiden Flüssigkeiten, z.B. (2),
gegen den festen Körper eine negative Oberflächenspannung besitzt,
sie ihn bei stattflndender Berührung in einer dünnen Schicht über-
§ 6. Satz von Ijophce. 251
zieht, d. h. benetzt, so daß der feste Körper dadurch gewissermaßen
die Eonstante der Flüssigkeit (2) erhält
Demgemäß wird dann Ä^g = 0, S^^ == -Sj^ und wir erhalten
cos qpi = — 1 , cos ^2 = + 1 ,
d. h. die Grenzfläche (1, 2) tangiert die Oberfläche des festen Kör-
pers nach der Seite der Flüssigkeit (1) hin.
Der an sich denkbare Fall, daß sowohl S^^, als 8^^ positiv, und
die Ausdrücke (35") ihrem absoluten Werte nach größer als Eins
sind, scheint in der Natur überhaupt nicht vorzukommen; es bleibt
vielmehr bei allen bekannten Kombinationen 8^^ — 8^^ erheblich
kleiner als das entsprechende 8^^. —
Ein besonders wichtiger Fall ist der, daß die eine der beiden
Flüssigkeiten (1) und (2), z. B. (2), ein Gas ist; dann ist 8^^ ver-
schwindend, 8^^ = 8, 8^Q = 8^ und die Bedingung (33) wird zu
cos 9^1 = - ^ ; 35'")
über sie gilt dasselbe, was zu der allgemeineren Formel gesagt ist
Hat die Flüssigkeit die Gestalt einer im Luftraum ausgespann-
ten Lamelle, die gegen einen starren von ihr benetzten Körper läuft,
so wird wegen 8^^ = 8^^ die Grenzbedingung zu cos qp^ = cos^j, = 0;
die Lamelle muß also überall normal auf dem festen Körper stehen.
Treffen mehrere Lamellen derselben Flüssigkeit in einer Kurve
zusammen, so befinden sie sich nach (35) u. f. nur dann im stabilen
Gleichgewicht, wenn ihre Anzahl gleich drei ist, und wenn sie die
Winkel von 120^ miteinander einschließen. —
Aus der allgemeinen Differentialgleichung (33) für die kapillare
Oberfläche
tl)? Q M _L_ M Q l^ COS {n, x) d C08(w, y)\
*** = - \i: (ä^ + jij = ^A. [ ex +- dy ~) '
in welcher die Konstante C^j^ nach S. 246 gleich Null gesetzt und
die Normale n von der Flüssigkeit h nach der Flüssigkeit k hin
positiv gerechnet ist, kann man einen einfachen und allgemeinen Satz
ableiten, wenn man dieselbe über die Projektion cj eines beliebigen
Bereiches o der Fläche o^^ auf die X 7- Ebene integriert Der Ein-
fachheit halber sei angenommen, daß diese Projektion g> die X Y-
Ebene überall nur einfach überdeckt, so daß in der Formel
dxdy = (/cö = ± f/ocos(n,z)
immer dasselbe Vorzeichen — etwa das positive — gilt; in dem
allgemeineren Falle hat man das Integrationsbereich to in ange-
messene Teile zu zerlegen.
252 //. Teil. Mechanik niehtstarrer Körper. IL Kap.
Unter Anwendung der Betrachtungsweise, welche zu der Formel
(29") gefuhrt hat, erhält man dann, wenn man die Randkurre von
o mit s, ihre Projektion auf die XZ- Ebene mit (t und deren äußere
Normale mit v bezeichnet:
36) / 0ikCOs(n,z)£/o = Sj^^f d(T cos {n,v) = Sf^j^fdscos(S,2).
Konstruiert man nun durch die Randkurve s einen geraden Cylinder
parallel der Z-Axe bis zu der Oberfläche <f> = 0, über deren Lage
wie oben so verfügt ist, daß sie durch eine Stelle verschwindender
mittlerer Krümmung auf o^^ hindurchgeht, und setzt man wie S. 247
0]^]^ = {Qj^ — (ij 0, so kann man das Integral links auch schreiben
(('fc-eA)/*C0S(71,z)(/0,
wo die Integration über die ganze Begrenzung 0 des konstruierten
cylindrischen Stückes ausgedehnt ist Dies giebt aber auch
((>k-Pfc)J|^£/Ä oder --{Qj,^Q^)jZdk,
wo Z die auf die Masseneinheit bezogene Komponente der wirken-
den körperlichen Kraft bezeichnet, und das Integral über den Inhalt
des Cylinders erstreckt ist.
Diskutiert man die verschiedenen nach den Umständen mög-
lichen Vorzeichen, so ergiebt die ganz allgemeine schließliche Formel
36') ^ {Qu - Qh)fZdk = Snufd.^cos{S,z)
das Resultat, daß die in der Randkurve s angreifende Oberflächen-
spannung der Differenz der auf den Cylinder wirkenden körperlichen
Kräfte bei Erfüllung mit der Flüssigkeit (A) oder (Ä) das Gleich-
gewicht hält. Dies kann man auch dahin aussprechen, daß diese
Spannung jenen Cylinder, gefüllt mit der einen Flüssigkeit, innerhalb
der anderen trägt.
Im Falle, daß die Schwere die einzige wirkende körperliche Kraft
ist, entspricht die Oberfläche 0 = 0 nach S. 247 dem unendlichen
Niveau. Ist in dasselbe ein vertikaler Cylinder oder ein vertikales
cylindrisclies Rohr von ringsum gleicher OberflächenbeschaflFenheit
eingetaucht, so ist, wenn man für s die Randlinie der Oberfläche öai
wählt, daselbst l_ S^z konstant und zwar gleich dem Randwinkel
qp/,, falls (A) die untere Flüssigkeit bezeichnet und die ^Axe ver-
tikal nach unten gerichtet ist. Es gilt dann
36") (pfc •- Qk)ff^= ShkS cos (fh j
worin /' das über das unendliche Niveau gehobene Volumen bedeutet
§ 7. Wirkungen des Dntekes gegen starre Körper, 253
Ist (ph> ^1^7 80 ist r< 0, und es findet demgemäß eine Depression
der Oberfläche o^^j. unter das unendliche Niveau der FlQssigkeit statt
Ist die Flüssigkeit k ein Gas, so gilt nach früheren Bezeich-
nungen
Qgr=G = Sscosfp, 36'")
wo G das gehobene Gewicht bezeichnet Dieser spezielle Satz ist
von Laplace^') gegeben und liefert bei benetzenden Flüssigkeiten,
wo y = 0, also G = 8s ist, die Theorie einer bequemen Bestim-
muDgsmethode für S. Hängt man nämlich eine, etwa aus dünnem
Blech gefertigte, Cy linderfläche über einem großen Flüssigkeitsreser-
voir mit zunächst horizontaler Oberfläche so auf, daß ihre Axe ver-
tikal steht, und die untere horizontale Begrenzung fast die Ober-
fläche berührt, so ist die Kraft, welche nötig ist, um den Cylinder
nach erfolgter Benetzung in dieser Position zu erhalten, gleich 2Ssj
wenn * die Länge der Grundlinie des Cylinders ist
• Bei nicht benetzenden Flüssigkeiten leiden alle Methoden, bei
welchen der Randwinkel in Betracht gezogen werden muß, an ün-
genauigkeiten, welche daraus fließen, daß der Einstellung einer
Flüssigkeit an einer nicht benetzten Wand eine starke gleitende
Reibung entgegenwirkt
Die sicherste Methode ist hier die Messung des Krümmungs-
radius jB in der Kuppe einer Rotationsfläche und des hydrostatischen
Druckes, welcher ebenda wirkt und welcher aus der Höhe der Kuppe
über dem unendlichen Niveau folgt Aus (33"") erhält man dann
, 2S
Andere Beobachtungsmethoden, welche die gleichzeitige Be-
stimmung des Randwinkels und hierdurch der Difi'erenz der Ober-
flächenspannungen 5^j — 5^3 der Flüssigkeiten gegen die feste Wand,
— bei nur einer Flüssigkeit und einem Gas von S allein — , zum Ziele
haben, beruhen auf der Messung von Dimensionen an theoretisch
nach ihrer Gestalt bestimmbaren Grenzflächen, z. B. an Tropfen
auf ebenen Unterlagen, an Flüssigkeitssäulen in engen Röhren oder
zwischen parallelen Platten.
ff 7. Besultierende Komponenten und Momente des hydrostatischen
Dmckes gegen starre Körper. Kapillare Kräfte.
Die Kräfte und Momente, welche durch die Wirkung des Druckes/?
gegen einen festen Körper k\ z. B. gegen ein Stück des die Flüssig-
254
//. Tct/. Mechanik nirhfstarrer Körper, IL Kap,
37)
keit enthaltenden Gefäßes entstehen, sind durch die folgenden For-
meln gegeben:
X' = fp cos {n\ x) d o\
T = fpGO^{n,y)do,
Z' = f p cos (n, z)do ^
L' = f p (y cos (w', z) — z cos (?//, y)) r/ r/ ,
M ^ f p{z cos (n', x) — j: cos (n', z)) (fo' ,
N = f p {x cos (n ,y) — y cos (n', ar)) do .
In ihnen ist das Integral über die gesamte von der Flüssigkeit be-
deckte Oberfläche o von k' auszudehnen; die Normale v! ist aus der
Flüssigkeit heraus positiv gezählt.
Ist die Oberfläche geschlossen, und ist die Flüssigkeit in ihrem
Innern vorhanden, so kann man die Oberflächenintegrale in Raum-
integrale über das von der Plüssigkeit erftülte Bereich k verwandeln,
da p nach Annahme stetig ist; es folgt dann unter Rücksicht auf (22)
37')
Die Gesamtkomponenten und Momente, welche das Gefäß er-
fährt, sind also dieselben, welche die Flüssigkeit seitens der ausge-
übten Kräfte X\ JT, Z^ erleiden würde, wenn sie in einen starren
Körper verwandelt werden könnte.
Ist die geschlossene starre Fläche rings von der Flüssigkeit
umgeben, läßt sich /?, das nur für den äußeren Raum definiert ist,
in den Innenraum K stetig analytisch fortsetzen, und gilt gleiches
demgemäß von X', T und Z\ so erhält man die obigen Resultate,
nur mit entgegengesetztem Vorzeichen und mit Vertauschung von A
mit Ä'. Die auf den starren Körper ausgeübten Komponenten und
Momente sind also hier denjenigen entgegengesetzt gleich, welche
sich mit den in sein Inneres analytisch fortgesetzten Kraftkompo-
nenten X*, T, Z^ berechnen würden.
Ist die Flüssigkeit homogen, so sind sie denjenigen Komponenten
und Momenten entgegengesetzt gleich, die ein Hohlraum von gleicher
Größe wie der Körper, mit derselben Flüssigkeit erfüllt, durch die
gleichen körperlichen Kräften erfahren würde.
Dies ist die allgemeine Fassung des sogenannten Archimedischen
§ 7. KapiÜare Kräfte gegen starre Körper, 255
Prinzipes **), auf dem die bekannteste Methode zur Bestimmung der
Dichte fester Körper beruht
Sind unter den auf die Flüssigkeit ausgeübten Kräften solche,
die, ähnlich wie Gravitationswirkungen, von dem betrachteten festen
Körper ausgehen, und die S. 37 zusammengestellten Eigenschaften
besitzen, so geben diese gleichfalls ihren Anteil zu den berechneten
X', ... Z'; es ist aber zu bedenken, daß die Gegenwirkung, welche
die Flüssigkeit auf den festen Körper ausübt, diesen Teil kom-
pensiert
In der That läßt sich dann z, B. die erste Gleichung (37') schreiben,
indem man X* als von allen Elementen dk' des festen Körpers auf das
Element dk der Flüssigkeit ausgeübt gleich fdk'Xijff einfuhrt:
X'=/rfÄ/rfÄ'12fc.;
die Gesamtkomponente X[ , welche die Attraktion der Flüssigkeit auf
den Körper ergiebt, ist aber
X[ = fdkfdkXl'^j
also der oberen entgegengesetzt gleich.
Ebenso erhält man dem ersten Moment in (37)
L'^fdkfdk\Zl^yu-'H^z^)
entsprechend die Reaktion
Z'i = fdKfdk{Zl^j,iji^ — ywk^ie)y
welche ersteres gerade aufhebt
Demgemäß kann also auch die Molekularattraktion zwischen
Flüssigkeit und Körper, oder die OherHächenspannung in der Grenze
zwischen beiden keine resultierenden Kräfte und Momente auf den
Körper ausüben.
Anders verhält es sich dagegen mit der Wirkung der kapillaren
Oberflächenspannung, welche zur Geltung kommt, wenn die Grenze 0^^
zweier Flüssigkeiten (A) und {k) gegen die Oberfläche des Körpers
läuft, und welche die Tendenz hat, diese Oberfläche zu verkleinem.
Wird die Oberflächenspannung wieder mit Sj^^ bezeichnet, so
nehmen die Werte X, Y, Z bei ihrer Berücksichtigung die Ge-
stalt an
X'= /;?cos(n', ar)r/o'+ AS)ik/cos(5, x)d8\ j
r= fpcoH{n% y)do + Sn,fcos(S, f/)d/, \ 38)
ir'=: /;7cos(n', z)do'+ /SÄ*/cos(fi', z)ds\ )
Hierin bezeichnet ds das Element der Bandkurve s, normal
zu welcher die Spannung Sf^j^ wirkt
256 //. Teil, Mechanik nichtstarrer Körper. IL Kap.
Bestimmt man die Integrationskonstante wie auf S. 246 durch
Einführung einer Stelle a der Grenzfläche o^jt, für welche die
mittlere Krümmung verschwindet, der Druck /?« beim Durchgaog
durch die Fläche also nicht springt, und für welche beiderseits
der Potentialwert gleich Null gesetzt ist, so wird nach (22'")
Führt man diese Werte in die erste Gleichung (38) ein, so
erhält man, weil fcos{n'jx)do' über eine geschlossene Fläche ge-
nommen verschwindet,
j r = - / (c/>' cos («', x)do\ - /(Ö? cos («', x) do%
\ +Äj,»/cos(Ä,x)rf/;
das erste Integral bezieht sich auf den mit (A), das zweite auf den
mit (Ä) bedeckten Teil der Oberfläche o des Körpers k\
Begrenzt man einen Teil o der Trennungsfläche o^jt vollständig
einerseits durch die Grenzlinie s\ andererseits durch eine beliebige
auf oi^ji gezogene Kurve ä, und wendet auf diesen Teil die Glei-
chung (36) an, indem man nur z mit x vertauscht, und addiert man das
Resultat zu (38'), indem man bedenkt, daß in (36) die Spannung S
von außen, in (38) von innen her gegen die Bandkurve s' wirkend
eingeführt ist, so erhält man nach leichten Reduktionen
^g,,^ I X' = - / ('0' cos {N, X) dO\^f (0' cos {N, X) d 0)^
Hierin bezieht sich das erste Integral auf das ganze von s be-
grenzte Stück Oi^=ol+o der Oberfläche von (A), das zweite auf
das ganze von s begrenzte Stück Ojt = oi + ö der Oberfläche von (A),
welche zum Teil an die andere Flüssigkeit, zum Teil an den festen
Körper grenzen; JV ist die aus der betreffenden Flüssigkeit heraus
positiv gerechnete Normale auf 0; das Bandintegral bezieht sich auf
die willkürlich gezogene Grenzkurve s, und die Spannung S^k ist
von außerhalb o gegen sie wirkend eingeführt
Für manche Anwendungen ist es bequem, das Bandintegral zu
schreiben
38'") / cos (S,x)d8 = f cos (n, v)d(T,
worin o* die Projektion von s auf die J^^- Ebene und v ihre Nor-
male bezeichnet, welche zu (t und X liegen muß wie n zn s zu S.
Die Oberflächenintegrale lassen sich nach dem S. 252 an-
gewandten Verfahren häufig anschaulich deuten.
Vergleicht man die Schlußformel (38") mit der Ausgangs-
formel (38'), so erkennt man den Satz, daß man zum Zwecke der
§ 7. Kapillare Kräfte gegen starre Körper, 257
Berechnung der Komponenten X, T, Z', welche der betrachtete feste
Körper erfährt, seiner Oberfläche o' ein beliebiges benachbartes
Stück o der gegen ihn laufenden Trennungsfläche o^u der beiden
Flüssigkeiten (A) und {k) zufügen kann, wenn man nur die gegen
dasselbe beiderseitig wirkenden hydrostatischen Drucke ebenfalls in
Rechnung zieht und die Oberflächenspannung 8^]^ nicht gegen die
wirkliche Randkurve 9 der Grenzfläche o^j^ am starren Körper,
sondern gegen die zweite Begrenzung s von o wirken läßt. Dieser
■ ■
fruchtbare Satz läßt sich direkt durch die Überlegung plausibel
machen, daß man im Gleichgewichtszustand das Stück o der
Trennungsfläche starr werden und fest am Körper haften lassen
kann, ohne das Gleichgewicht zu stören. —
Ist die wirkende Kraft die Schwere, und liegt die positive Z-Axe
vertikal nach oben, so ist (li = Qffz also
+ ÄÄfc/cos(S, ar)rf*, j
worin z die if-Koordinate von d 0 bezeichnet Ist endlich die obere
Flüssigkeit {k) ein Gas oder der leere Raum, so gilt noch einfacher,
indem man die Indices jetzt fortläßt,
r== -- ff Q f^ cos{N, x)d 0 + S f coQ{Sf x)ds . 39')
Diese Gleichungen, denen analoge für T' und Z' zuzufügen
sind, gestatten viele interessante Resultate ohne alle Rechnung ab-
zuleiten. *^)
Befindet sich ein beliebiger Körper, dessen Oberfläche von Ort
zu Ort beliebig wechselnde Natur hat, so daß die Grenzwinkel der
Flüssigkeiten ruigsum stetig variieren, schwimmend in einem unend-
lichen Bassin, in welchem zwei verschieden schwere Flüssigkeiten
übereinander geschichtet sind, so daß sein oberer Teil ganz in der
oberen, der untere in der unteren Flüssigkeit liegt, so rücken wir
die Grenzkurve s ins Unendliche; dort liegt die Grenzfläche o^j,
beider Flüssigkeiten und demgemäß S^k in der XJ- Ebene, und in-
folge dessen sind hier die Randintegrale in den Formeln (39) für X\ F
und Z' gleich Null. Die Oberflächenintegrale in dem Ausdruck für
X und y verschwinden gleichfalls, denn die Projektionen der Ober-
flächen 0^ und Ok überdecken die TZ- und i/X-Ebene überall ein
geradzahliges Mal. Demgemäß erfahrt ein schwimmender Körper
unter den vorausgesetzten Umständen keine horizontale Kraftwirkung.
Dagegen geben die Oberflächenintegrale in dem Werte von Z'
die Gewichte der Flüssigkeiten, welche zwischen den Flächen 0^
VüiCKT, Theoretliiche Physik. 17
258 //. Tnl. Mechanik niehtstarrer Korper, 77. Kap,
resp. Ofc und der Ebene des unendlichen Niveaus liegen, und zwar
mit verschiedenem Vorzeichen, je nachdem sich die begrenzenden
Stücke unterhalb oder oberhalb der Ebene r = 0 befinden. In dem
auf die untere Flüssigkeit (ä) bezogenen Integral erscheinen die
unterhalb dieser Ebene gelegenen Volumina mit negativem, die ober-
halb gelegenen mit positivem Zeichen, in dem auf die obere
Flüssigkeit {k) bezüglichen, wegen des entgegengesetzten Sinnes der
Normalen, umgekehrt Demgemäß ergiebt sich folgendes Resultat.
Bezeichnen Fj^ und Fj, die Volumina der Teile, in welche die Ebene
z = 0 den festen Körper zerlegt, und bezeichnet F das Volumen der
unteren Flüssigkeit, welches aus dem Niveau herausgeschoben ist,
positiv, wenn es gehoben, negativ, wenn es gesenkt ist, dann gilt
39") -Z'=i7(?*^»+Pt^* +(?»-('»)?').
Die ersten beiden Glieder geben die Größe des Auftriebes, wie
er dem archimedischen Prinzip entspricht, das letzte den Einfluß
der Kapillaritätskräfbe. Die Gleichung (39") stellt eine Ver-
allgemeinerung des LAPLACE'schen Satzes (36'") dar. —
Schwimmen in dem vorausgesetzten Bassin zwei in Bezug auf
die r^-Ebene spiegelbildlich gleichgestaltete und gleichgelegene, im
übrigen beliebige Körper, so wird die Grenzfläche Oä* der Flüssig-
keiten durch die Z^-Ebene normal geschnitten. Die Schnittkurve *i
wählen wir neben einem unendlich großen Halbkreis s^ zur Be-
grenzungskurve s und betrachten zunächst die X- Komponente der
Kraft, welche auf den nach -f X zu gelegenen Körper wirkt
Die Projektion von s auf die YZ-Ehene besteht aus der T-Axe
und der Kurve s^, die umschlossene Fläche sei mit q bezeichnet,
die Neigung der Kurve s^ gegen die J^-Axe mit v. Dann giebt
Formel (39)
+ 00
40) X'=-ff{Qh- ^o/l z\dq- 5a» j ^ ~^^ " dy.
— 00
Von z ist der absolute Wert \z\ genommen, weil, wie man leicht
erkennt, das Integral stets positiv sein muß.
Haben die Körper die Gestalt von Cylindem, deren Axen der
7-Axe parallel liegen, so verschwindet das zweite Integral; das erste,
welches den hydrostatischen Druck gegen die Fläche q angiebt, aber
von der Form und Entfernung der Cylinder im übrigen ganz unab-
hängig ist, bleibt allein übrig; die auf die Cylinder ausgeübte Krall
findet stets im Sinne einer gegenseitigen Anziehung statt
Für die T- Komponente der wirkenden Kraft ergiebt sich der
§ 7. Kapillare Kräfte gegm starre Körper. 259
Wert Null; die ^-Komponente bestimmt sich nach Formel (39"),
nur ist unter V ausschließlich das verschobene Flüssigkeitsquantum
auf der einen Seite der Z^- Ebene zu verstehen. —
Ahnlich kann man den Anteil, welchen die Eapillaritätskräfte
an der ^-Komponente geben, überall da leicht anschaulich be-
stimmen, wo sich um den untersuchten Körper auf der Flüssigkeits-
oberfläche eine Kurve s von der Eigenschaft ziehen läßt, daß in
ihr die Oberflächenspannung Sj^j^ horizontal liegt In allen diesen
Fällen gilt die Formel (39"), wenn man das in ihr auftretende
Volumen seitlich begrenzt durch den vertikalen Cylinder durch s.
Ein einfaches Beispiel giebt ein Rotationskörper, der in einem gleich-
falls als Rotationskörper gestalteten Gefäß koaxial schwimmt
Wenn in dem unendlichen Bassin zwei Körper verschiedener
Oberflächenbeschaffenheit schwimmen, so daß zwischen ihnen auf
der Oberfläche o^j^ eine Kurve «, zu ziehen möglich ist, die durchaus
in der Höhe des unendlichen Niveaus liegt und sich nach beiden
Seiten ins Unendliche erstreckt, so kann man sie durch einen
gleichfalls im Unendlichen liegenden Ejreisbogen s^ zu einer ge-
schlossenen Kurve s vervollständigen.
Über den umschlossenen Teil von 0^ und Oj, integriert ver-
schwinden in Formel (39) die Oberflächenintegrale und es bleibt
X' = + 8^^ /cos (Ä, x) ds, 40')
d. h. die Gesamtkomponente aller von außen gegen s wirkenden
Oberflächenspannungen nach der Richtung von X.
Sind die beiden Körper Cylinder von der gegen ihren Abstand
bedeutenden Länge Z, deren Axen der F-Axe parallel liegen, und
schneidet die Oberfläche die A' 7- Ebene unter dem Winkel r, so
giebt die Formel
^' = ± 5^, / (1 - cos T)rfy =±Sn,L{l^ cos r), 40")
wo sich das obere Zeichen auf den nach + X, das negative auf
den nach — X gelegenen Cylinder bezieht
Die ausgeübte Kraft wirkt also im Sinne einer Abstoßung
der beiden Körper. —
Eine der auf S. 256 ausgeführten Umformung analoge gestatten
auch die unter Berücksichtigung der Oberflächenspannung gebildeten
Drehungsmomente Z', M\ N\ welche ein starrer Körper in einer
Flüssigkeit erfährt; aber die Resultate geben nicht Veranlassung zu
ähnlich allgemeinen und anschaulichen Sätzen, wie sie vorstehend
abgeleitet sind.
17*
262 //. Teil, Mechanik nichtstarrer Körper. IL Kap,
und demgemäß
41'") A * = -',1' + 4{«- + \^ = - 4nk^Q,
worin Q die freie Raumdichte bezeichnet Wir wollen indessen Ton
diesem Fall weiterhin absehen.
Der Wert der freien Flächendichte a bestimmt sich aus der
Potentialfunktion 0 der gesamten Verteilung gemäß Gleichung (165')
des ersten Teiles; da aber 0 innerhalb eines jeden homogenen
Konduktors konstant ist, so liefert sie für die Grenzen gegen
Nichtleiter
hingegen für die Grenzen Of^j^ zwischen zwei Leitern (A) und(k) fr^k^ 0;
dies zeigt, daß wohl auf ersteren, nicht aber auf letzteren eine
Flächenbelegung vorhanden ist
Indessen müssen jene Zwischengrenzen eine Ladung anderer
Art zeigen; denn die in ihnen wirkende elektromotorische Kraft
verlangt zum Gleichgewicht als Kompensation ein Gefälle der
Potentialfunktion 0, das sich, wenn die elektromotorische Kraft
nur in einer unendlich dünnen Schicht wirkt, durch eine ünstetig-
keit von 0 beim Durchgang durch die Grenze äußern muß.
Setzt man
42) *^-*^=:0,„
so kann nach den obigen Annahmen 0/^^ nur von der Beschaffen-
heit der beiden Leiter (A) und (A) abhängen, muß also längs der
Grenze Ohk zwischen zwei homogenen Leitern konstant sein.
Ein solcher Potentialsprung verlangt aber zu seiner Entstehung,
daß die Grenzfläche O^u als Doppelschicht mit konstantem Moment v^t
geladen ist, dessen Größe sich nach Formel (176) bestimmt zu
wobei das Moment positiv gerechnet ist in der Richtung von (A)
nach (A).
An äußeren Grenzflächen des Leitersystemes findet nach den
gemachten Annahmen eine solche Ladung nicht statt.
Im äußeren Raum muß 0 der Bedingung
42'") A <»= -4i;rA>o
genügen, falls Qq die Dichte der gegebenen elektrischen Verteilung
bezeichnet, und, wenn letztere, wie auch die Leiter sämtlich im End-
lichen liegen, sich im Unendlichen so verhalten, daß lim {r^ 0) und
§ 8. Gleichgewicht der Mektricität. 263
lim {tq^ö ^P/dr^) endlich sind, wobei r^ die Entfernung vom Ko-
ordinatenanfang bezeichnet.
Hiermit sind die Fundamentalgesetze des elektrischen Gleich-
gewichtes in Leitern, nämlich die charakteristischen Eigenschaften
der Potentialfunktion aus den vorausgeschickten Hypothesen ab-
geleitet Eine Ableitung auf anderer Grundlage und, daran an-
schließend, die speziellen Anwendungen der vorstehenden Formeln
sollen an einer anderen Stelle Platz finden. —
Auch Nichtleiter für Elektricität oder Dielektrika erhalten
durch die Wirkung elektrischer Kräfte scheinbar freie Ladungen.
Man hat versucht ^^)y diese Thatsache dadurch zu erklären, daß man
sich die Vorstellung bildete, die Isolatoren enthielten unzählige lei-
tende Köri^erchen in eine kontinuierliche nichtleitende Substanz ein-
gebettet, und auf erstere die Betrachtungen dieses Paragraphen
anwandte.
Die gleiche Behandlung, wie die Dielektrika, gestatten die magne-
tisch erregbaren Körper bei Annahme zweier magnetischer Fluida,
die sich innerhalb der kleinsten Teile, aber nicht zwischen ihnen
bewegen können.
Nach der Seite der Qualität vermag man auf diese Weise die
genannten Erscheinungen darzustellen; bezüglich der Quantität
sind aber gegen diese Auffassung Bedenken erhoben, welche darauf
beruhen, daß die bei Nichtleitern aus der Beobachtung zu schließen-
den scheinbaren Ladungen unter Umständen stärker sind, als sie aus
der angedeuteten Theorie, auch unter Annahme günstiger Struktur-
verhältnisse, folgen. Diese Fragen sind noch nicht abgeschlossen.
Endlich hat man noch eine Erweiterung der erörterten Vor-
stellung in dem Sinne vorgenommen, daß man die kleinsten Teile
der Dielektrika je mit Systemen permanenter elektrischer Pole fest
verbunden dachte, die ihrerseits eine elektromotorische Kraft
ausüben. Da dieser Effekt sich bei einer Deformation des Dielek-
trikums ändern muß, so giebt die erwähnte Anschauung die Grund-
lage für eine Theorie der Piezolektricität, die auch bis zu For-
meln, welche die Prüfung durch die Beobachtung gestatten, durch-
geführt worden ist*")
Wir werden in dem Kapitel über Elektrostatik eine von spe-
ziellen Annahmen über die Struktur der Dielektrika freie Ableitung
der Grundgesetze für ihre elektrische Erregung mitteilen.
III. Kapitel.
Dynamik idealer Flüssigkeiten.
§ 9. Die EuiiEB'sclieii Gleiclituigen.
Eine ideale Flüssigkeit ist nach § 4 eine solche, in der auch
bei der Bewegung tangentiale Druckkomponenten nicht zu stände
kommen. Für diese gilt dann, wie auf S. 233, wegen
i; = ^, = j; = o,
auch
und die allgemeinen Bewegungsgleichungen (14) nehmen, wenn man
in ihnen die Geschwindigkeitskomponenten
dx , dy t dx ,
als Funktionen der Koordinaten und der Zeit betrachtet, die von
EuLEB^^ angegebene Form an
43)
du' (du' , ,du' , ,du' ,du'\ ,r, dp
^'-Ji = nöT + « öl^ + " öy + '" ö^J = -^ - öl'
dv' (dv' ,dv', ,dv', ,dv'\ t^ dp
<^ dT = ? i^ + « ö^ + " ö7 + '" ötJ = -^ - d y '
dw' (dw' . ,dw' , ,dw' , ,dw'\ rwi dp
Die körperlichen Kräfte X*, T^ Z" sind dabei, wie in den Grund-
formeln (10) aus den dort angegebenen Gründen, auf die Volumen-
einheit bezogen; indessen hat es keine Bedenken, durch die For-
meln Z' = () X, T ^ Q 1\ Z" ^ Q Z die für die Masseneinheit gelten-
den Komponenten A', F, Z einzuführen, weil bei Bewegungsvorgängen
in der Praxis Kräfte, welche nicht mit den Massen proportional
sind, wie z. B. elektromagnetische Wirkungen auf Stromleiter, nur bei
nahezu inkompressibeln Flüssigkeiten in Betracht kommen; wo dann die
§ 9. Die Euler^sehen hydrodynamisehen Oleiekungen, 265
Dichte Q als konstanter Faktor geführt werden kann; wir werden
demgemäß auch bei den allgemeinen Sätzen die Eraftkomponenten
X, 7, Z und eventuell deren Potentialfunktion 0 benutzen.
Die Dichte q wird meist als gegebene Funktion des Druckes p
betrachtet, und wir setzen allgemein
i = ^, n=f^P; 43')
bei inkompressibeln Flüssigkeiten ist q konstant, also 11 = pJq + (7,
worin die Konstante C beliebig gleich Null gesetzt werden kann.
Eine letzte Beziehung zwischen den fünf Unbekannten u, v, w\
/?, Q erhält man durch die Überlegung, daß für jedes Volumen-
element die Differenz der Massen der in einem Zeitelement ein- -und
ausströmenden Flüssigkeitsmengen der in derselben Zeit eintretenden
Vermehrung der Masse des Elementes gleich sein muß; dies liefert
die sogenannte Kontinuitätsgleichung
«l«' + ^' + ^^ + f! = 0 43")
ox ay o X a i '
oder
An der Grenze zwischen zwei Flüssigkeiten (A) und (A) gilt nach
(9") und (14'")
(wi — MiO cos (v, x) + {li — vj,) cos (v,y) + {^Ch — »4) cos {v, z) = 0 , 44)
Ph — Pk+Phk = 0, 44')
unter v die Richtung einer Normalen auf der Grenzfläche und unter
Phk den in der Richtung von (A) nach (A) positiv gerechneten Grenz-
druck verstanden; Pf^j^ wird in der Hydrodynamik meist gleich Null
gesetzt.
Die Grenzbedingungen (44) und (44') bleiben gültig in einer
Unstetigkeitsfläche im Innern einer einzigen Flüssigkeit, an der
Grenze zwischen einer Flüssigkeit und einem festen Körper, endlich
auch längs einer sogenannten Eintrittsfläche, durch welche hin-
durch gegebene Zuströmungen stattfinden; sie liefern aber in den
beiden letzten Fällen keine Bedingungen für den Druck p.
An einer freien Oberfläche, d. h. einer Fläche, welche die Flüs-
sigkeit gegen den leeren Raum abgrenzt, ist der äußere Druck /?' = 0;
dasselbe muß dort, falls der Grenzdruck verschwindet, auch für den
inneren Druck/? gelten. Grenzt die Oberfläche die Flüssigkeit gegen ein
Gas ab, dessen Dichte verschwindend ist gegen diejenige der Flüssig-
266 //. TetL Mechanik nichtstarrer Körper. IL Kap,
keit, in dem also p als konstant betrachtet werden darf, so folgte
daß an dieser Oberfläche auch p konstant sein muß.
Im Innern einer tropfbaren Flüssigkeit können mit den Ko-
ordinaten stetig variierende Geschwindigkeiten nur eintreten, so
lange die Größe von p nicht unter einen gewissen kleinsten nega-
tiven Wert herabsinkt; unterschreitet p diesen Wert, so tritt ein
Zerreißen der Flüssigkeit und demgemäß eine unstetige Bewegung
ein; da indessen in den Hauptgleichungen nur die Differential-
quotienten des Druckes nach den Koordinaten auftreten, so kann
man bei inkompressibeln Flüssigkeiten, ohne die Art der Bewegung
zu ändern, jederzeit durch Vergrößerung aller äußeren Drucke um
denselben Betrag das Untersclireiten jenes Grenzwertes von p inner-
halb der Flüssigkeit unmöglich machen und dadurch jene Grenzfälle,
wo die Lösungen ihre Geltung verlieren, ausschließen. —
Da wir u, v\ w als Funktionen der Koordinaten und der Zeit
betrachten, so ist durch
45) dx:dy:dz = u:v:tD
eine Kurve gegeben, welche durch ihre Tangente an jeder Stelle und
zu jeder Zeit die Sichtung der eben stattfindenden Geschwindigkeit
angiebt; sie heißt eine Stromlinie. Ist «', v, w\ o, p von der Zeit
unabhängig, also die Bewegung, wie man sagt, stationär, so ruhen
alle Stromlinien und sind mit den Bahnkurven der Teilchen iden-
tisch, was im allgemeinen Falle nicht stattfindet
Ein von lauter Stromlinien begrenzter Faden heißt ein Strom -
faden; ist die Bewegung stationär, so muß das durch jeden beliebig
gelegten Querschnitt q desselben Stromfadens in der Zeiteinheit
gehende Flüssigkeitsquantum
Q q {u' cos (v, x) + V cos (v, y) + w cos (f , z)) = Qq Fcos ( r, v),
wo V die Normale auf q und
45') V = ^u^ + ü 2 + Mj'ä
die resultierende Geschwindigkeit bezeichnet, denselben Wert haben.
Hieraus folgt, daß ein Stromfaden bei verschwindender Geschwindig-
keit sich über alle Grenzen ausbreitet, bei unendlicher Geschwindig-
keit sich zu einer Linie zusammenzieht, aber nicht innerhalb der
Flüssigkeit aufhören kann. —
Wie die Geschwindigkeitskomponenten u\ v\ w\ so sind auch
die Rotations- oder Wirbelkomponenten
^^^ ^=*te""ölj' '"=*(ä7-ä^J' ^=i(ä^-ö^J
§ 9, Stromlinien und Wirbellinien. 267
im allgememen Funktionen des Ortes und der Zeit; demgemäß ist
durch
dx\dy\dzr=il:mxn' 45'")
eine Kurve gegeben, deren Tangente an jeder Stelle in die daselbst
stattfindende Rotations- oder Wifbelaxe Mit; eine solche Kurve heißt
eine Wirbellinie. Die Wirbellinien behalten ihre Lage unverändert
nur dann bei, wenn die Flüssigkeitsströmung stationär ist. Ein
Faden, dessen Oberfläche von Wirbellinien erfüllt ist, wird ein
Wirbelfaden genannt
Aus der Definition (45') der Wirbelkomponenten folgt die iden-
tische Gleichung
dV ■ dm' , Bn' rx ^«v
multipliziert man dieselbe mit dem Raumelement dk und integriert
über einen beliebigen Raum, innerhalb dessen sich T, m', vi regulär
verhalten, so erhält man
/(/cos(v,x) + m'c08(if,y) + n'co8(v,2:))rfo = 0, 46')
wo do das Element der Oberfläche von k, und v die Richtung
seiner Normalen bezeichnet
Bei Einführung der resultierenden Wirbelgeschwindigkeit
D = yP + m'2 + n'2 * 46")
kann man dafür auch schreiben
/J9cos(i?,i/)rfö = 0. 46'")
Wendet man diese Formel auf einen beliebigen Abschnitt eines
Wirbelfadens an, so wird, weil die Mantelfläche keinen Anteil zu dem
Integral giebt, nur das auf die Endquerschnitte bezügliche übrig
bleiben. Das Resultat spricht den Satz aus, daß längs desselben
Wirbelfadens das Produkt q JD cos (2^, v) aus der Größe eines beliebig
gelegten Querschnittes und der Komponente der Wirbelgeschwindig-
keit normal zu ihm konstant ist
Hieraus folgt, daß ein Wirbelfaden innerhalb der Flüssigkeit
nicht aufhören kann, sondern entweder von Oberfläche zu Oberfläche,
oder in sich zurück verlaufen muß.
Erstreckt man die Integrale über den von einem geschlossenen
Wirbelfaden eingenommenen Raum, so wird
fldk = fm'dk =.fn'dk==0', 46"")
denn man kann z. B. das erste schreiben
f DcoB{D,x)qd8 == Dqfoos{8,x)d8,
woraus die Richtigkeit der gemachten Bemerkung sofort erhellt —
268 IL Teil, Mechanik mcktstarrer Körper, III, Kap,
Zwischen den Strömungs- und ßotationskomponenten ergiebt
sich ein bemerkenswerter rein kinematischer Zusammenhang durch
Anwendung des wiederholt benützten STOKEs'schen Satzes von S. 177
auf das Integral der Geschwindigkeitskomponente nach einer ge-
schlossenen Kurve <t, welches man die Cirkulation der Flüssigkeit
längs dieser Kurve nennt ^^).
Man erhält sogleich
{/ (jl cos (<T, X) + V cos {fT, y) + W cos (<T, Z)) d (T
= 2 f (J cos [Vj x) + m cos [v, y) + .n' cos (v, zfjdm,
worin (o eine beliebige durch die Kurve a begrenzte Fläche und v
die Richtung ihrer positiven Normalen bezeichnet.
Auf eine Kurve und eine Fläche angewendet, die in der XT-
Ebene liegen, folgt daraus
47') / {u cos ((T, x) + V cos (<T,y)) cf o* = 2 // n' dx dy, —
Mechanische Beziehungen zwischen Strom- und Wirbell inien
erhält man folgendermaßen*®).
Fügt man zu der ersten Gleichung (43) auf der linken Seite
additiv und subtraktiv das Aggregat
dx dx
hinzu, so nimmt die Gleichung bei Einführung der resultierenden
Geschwindigkeit V aus (45') die Form an:
oder anders geordnet und bei Einführung der auf die Masseneinheit
bezogenen Kraftkomponenten X, Z, Z
48') ?i*^ + 2(«'m' - «'«') = X- A(/7+ ^V^.
Haben die äußeren Kräfte eine Potentialfunktion </>, so kann man
das ganze System (43) schreiben
^--- + 2(wm-rn')=--^,
48")
— + 2{vl-um)=-j^,
worin <U.+ 11+ \V = ii gesetzt ist.
Im Falle stationärer Bewegung ist
du ldt = dv' jdt^dw jdt=Q
§ 9. Wirbelbewegungen. 269
und die Gleichungen (48") ergeben dann durch Zusammenfassung mit
den Faktoren «', v, w resp. T, m', ri
oa? öy ö* '
49)
Diese Formeln sagen aus, daß bei stationärer Bewegung die
Oberflächen fl = Const. von einem Netz aus Stromlinien und
Wirbellinien überzogen sind. Ferner ergeben sie, wenn v die Rich-
tung der Normalen auf diesen Flächen, positir von kleineren zu
größeren ß gerechnet, und 0 den Winkel zwischen Strom- und
Wirbellinien an einer Stelle einer Fläche £i = Const bezeichnet:
~==2FDsm0. 490
Das erstere Resultat läßt sich auch so aussprechen, daß längs
jeder Strom- und jeder Wirbellinie fl konstant ist, der konstante
Wert aber im allgemeinen von Linie zu Linie variiert, und daß nur
diejenigen Stromlinien gleichen Werten Ü entsprechen, welche durch
eine Wirbellinie verbunden sind, und umgekehrt
Der schon von Daihiil BEBNOUiiLi^^ abgeleitete Satz, daß bei
stationärer Bewegung längs einer Stromlinie 0 + ZT + ^ F* konstant
ist, ist hierin enthalten und bildet die Grundlage für viele An-
wendungen. So liefert er für eine schwere, aus einem Gefäß aus-
fließende Flüssigkeit das ToKiCELLi'sche Theorem '^), indem man ihn
auf eine Stelle der freien Oberfläche im Reservoir und auf die Ober-
fläche des Strahles an der Austrittsstelle anwendet Sind dort die
äußeren Drucke gleich, sind die Geschwindigkeiten resp. gleich V^
und F^ , und ist die Tiefe der Öffnung unter dem Spiegel im Ge-
fäß gleich h, so folgt
2ffh= Fl«- ?;^ 49")
wo nun Fq^ meist neben F^^ vernachlässigt werden kann. —
Über Wirbelbewegungen existieren einige allgemeine Sätze, die
man von Helmholtz^^ verdankt
Aus den Gleichungen (43) kann man durch Elimination der
durch (43') definierten Funktion 77 drei neue bilden, die sich unter
Rücksicht auf (43'") folgendermaßen schreiben lassen:
V 7/ , i/öY dZ\ ydu' , ,du' , ,du'
^dt' + ^[-Bx-dy)^^Fi + *« ö-y + '^ "ä^ } 50)
y du' , , d v' , , bvf /»
270 //. na. Mechanik niehtstarrer Körper, ni. Kap.
Benatzt man die auf S. 189 gegebene Zerlegung der Eraft-
komponenten und setzt nach den Formeln (187')
SO erhält man statt des Systems (50), indem man nur den ersten
der rechts stehenden Werte benutzt,
50")
(7)
dl-]
dt ^ '~^ dx^ dy ^ dx
Haben die wirkenden Kräfte eine Potentialfunktion, so ist
^ = M = iV=0
und die vorstehenden Gleichungen ergeben in diesem Falle, daß für
ein Flüssigkeitsteilchen, welches zu irgend einer Zeit nicht rotiert
d. h. verschwindende /', m\ ii besitzt, /'/(>, »i'/Pj '^Vp konstant, also
gleichfalls dauernd Null sind.
Man darf daher behaupten, daß bei Einwirkung konservaÜTer
Kräfte innerhalb einer idealen Flüssigkeit Wirbelbewegungen weder
entstehen noch vergehen können.
Ist die Bewegung eine ebene, etwa ti und v von z unab-
hängig und w = 0, so ergeben die Formeln (50") spezieller, daß dabei
für jedes Flüssigkeitsteilchen n\^ sich mit der Zeit nicht ändert —
Wir betrachten nun zwei Flüssigkeitsteilchen, die zur Zeit t die
Koordinaten a:, y, z und x -\- Sx^ y + 8y, z -\- Sz besitzen und auf
einem Wirbelfaden im Abstand Ss liegen; dann muß zu dieser Zeit
gelten :
-^. ^ V bs ^ m! bs ^ n' ÖS
51) ^^ = -D"' ^y^~D~' *^==~Ö~-
Die Geschwindigkeitskomponenten u, v, w und «'+ Su^ »'+ Sx>\
tu'-j- Sw stehen dabei in der Beziehung, daß
D \ ox dy axj '
ist, woraus nach (50") auch folgt
§ 9. Wirbelbewegungen, 271
51')
Wirken nur konservative Kräfte, so giebt dies wegen
«./ i^ dx d ö X /*
O M = d —TT = --TT- 11« S. I.
dt dt
äS. = ,'^-ä[L), äSy^e'iä{"^j, äS.= ,'-±ä{^), 51")
und hieraus folgt flir die Werte
(^:r)j= Sx + dSx, [dy\=z Sy + dSy , (Sz\=^ Sz + ddZj
welche öx^ Sy, Sz zur Zeit t+ dt besitzen, das System Formehi:
(*4-^('.'+<.^(:-))-<.4.'(7),'
worin der Index 1 wiederum bezeichnet, daß der Wert der be-
treffenden Größen zur Zeit t + dt zu nehmen ist.
Vorstehende Gleichungen geben das Resultat
welches aussagt, daß die betrachteten beiden Flüssigkeitsteilchen auch
zur Zeit t +dt noch auf einer Wirbellinie liegen, und daß ihr Ab-
stand sich in demselben Verhältnis geändert hat, wie i^/(>, oder
aber, daß das Produkt qSsjD konstant geblieben ist
Hieraus folgt auch, daß ein Wirbelfaden während der Be-
wegung seinen Charakter beibehält; ein Abschnitt desselben von der
Länge Ss und dem Querschnitt q verwandelt sich also während dt in
einen eben solchen von der Länge {S8\ und dem Querschnitt q^ Seine
Masse bleibt dabei ungeändert, d. h. es ist qQSs^{qQSs\, und
da gleichzeitig qSs/D ^^^ {qSsID\ ist, so folgt, daß das Pro-
dukt qJD aus Querschnitt und Rotationsgeschwindigkeit f)ir einen
Abschnitt eines Wirbelfadens bei dessen Bewegung konstant ist.
Da überdies nach S. 267 das Produkt qJD längs desselben
Wirbelfadens stets konstant ist, so kann man dasselbe als einen Para-
meter betrachten, der einen bestimmten Wirbelfaden ein für allemal
charakterisiert
272 IL TeiL Mechanik ni^chtstarrer Körper . III, Kap.
§ 10. Fotentialbeweg^geii, begrenzt durch feste und bewegte Wände.
Haben die äußeren Kräfte X, f, Z eine Potentialfunktion 0,
so ist eine partikuläre Lösung der allgemeinen Gleichungen (43)
gegeben durch ^^
wo F, das öeschwindigkeitspotential, eine stetige Funktion der
Zeit und der Koordinaten sein muß, aber in mehrfach zusammen-
hängenden Räumen vieldeutig sein darf, wenn nur seine Differential-
quotienten eindeutig sind.
Diese Lösung ist die vollständige, wenn die Geschwindigkeiten
so klein sind, daß man in (43) die Glieder, welche die Produkte der
Geschwindigkeitskomponenten enthalten, neben den übrigen vernach-
lässigen kann. Hier ist dann speziell dFjdt^ T — {}U + IT), wo
T eine Funktion von t allein bedeutet, also, falls F* eine Funktion
der Koordinaten allein bezeichnet,
52') F = f{T-^(t}-n)dt + r.
Die Formeln (52) stellen eine Bewegung dar, welche stets und
überall parallel der Normale JV auf den Oberflächen F= Const statt-
findet und zwar mit einer Geschwindigkeit
Die Bedingungen für die Existenz eines Geschwindigkeits-
potentiales sind
dfp' dv' ^ dti dw'___dv' ^ ^' _ n
dy d X d X d X d x d y
d. h.
r=m'=?i'=0;
sie zeigen, daß eine wirbellose Bewegung eine Potentialbewegung
ist, und umgekehrt
Unter Berücksichtigung dieser Resultate folgt allgemein aus den
drei Gleichungen (48"), daß
52") ^f^+ii=T
d. h. eine Funktion der Zeit allein, im Falle stationärer Bewegung
aber spezieller, daß
52"') ß= 0 + n+\r''=c
§ 10. PotetUiaibewegungen oßme freie Ober fläche. 273
d. h. im ganzen Ton der Flüssigkeit erfüllten Baum konstant
sein muß.
Die Formeln (52") resp. (52'") enthalten neben dem Geschwindig-
keitspotential noch die Funktion 11 und durch sie den Druck /?; wo
p vorgeschrieben ist, liefern sie also eine Bedingung für F, wo das
nicht der Fall ist, eine solche für p. Ersteres findet an sogenannten
freien Oberflächen statt, letzteres an Flächen, wo dFjdv gegeben
ist, z. B. an festen Körpern. Wir beschränken uns zunächst auf den
letzteren Fall, es kommen also jene Formeln bei der Bestimmung
von F für uns zunächst nicht in Betracht. —
Die Kontinuitätsgleichung (43") wird bei Einführung der Lösungen
(49) zu
^^+7^ = 0 53)
oder
d(dF\,d(dF\,d(dF\^dQ ^ .„ .
und die Bedingung an den Oberflächen, wo die Geschwindigkeits-
k'omponente v nach der Normalen v vorgeschrieben ist, zu
^ = v' . 53")
Diese Oberflächen können durch starre, aber irgendwie bewegte
Wände gebildet werden, sie können aber auch beliebige Ausströmungs-
oder Einströmungsfiächen sein, die nur für die Betrachtung gezogen
werden, weil in ihnen die Normalgeschwindigkeit gegeben ist, die
aber die Flüssigkeit nicht wirklich begrenzen.
Ändert sich die Dichte jedes Flüssigkeitsteilchens während der
Bewegung nicht, d. h., ist dgldt=0, etwa weil die Flüssigkeit
überhaupt inkompressibel ist, so lautet die Gleichung (53)
Ai'=0, 53"')
und sie bestimmt mit (53") nach S. 181 die Funktion F in ihrer
Abhängigkeit von x, t/, z und t bis auf eine additive Funktion der
Zeit vollständig, falls v' für die ganze Umgrenzung der Flüssigkeit
gegeben ist und letztere vollständig im Endlichen liegt.
Gleiches gilt nach S. 183 für eine unendliche Flüssigkeit, wenn
die Oberflächen, längs deren dFjdv gegeben ist, vollständig im
Endlichen liegen; gleiches auch, wenn sie, wie etwa eine unendliche
Ebene, sich zwar ins Unendliche erstrecken, dort aber dFjdv von
mindestens zweiter Ordnung unendlich klein wird, so daß jedenfalls
das Integral fdo{dFjdv), über sie alle ausgedehnt, endlich ist.
VoiOT, Theoretische Phjrnik. 18
274 IL Teil. Mechanik niehtsiarrer Körper, IIL- Kap.
Die Bestimmung von F kann dann nach 8. 185 mit Hilfe der
zweiten ÖREEN'schen Funktion G^ geschehen.
Versteht man nämlich unter G^ eine innerhalb des zunächst
als einfach zusammenhängend gedachten Raumes k eindeutige und
stetige Funktion, welche der Hauptgleichung A G^^ 0 genügt und
an der Oberfläche die Bedingung
7^
6 Ö, , r
= c —
d y d y
erfüllt, wo r die Entfernung von einem Punkte o, b, c der Flüssig-
keit, V die innere Normale bezeichnet, so ist jederzeit
54) /-.,.= __L/4f(ö,+ ^)rf. + C.
Ist dabei die Flüssigkeit von den Wänden, längs deren d Fjdv
gegeben ist, vollständig begrenzt, so muß für sie gelten
■
ist dies nicht der Fall, sondern erstreckt sich die Flüssigkeit ias
Unendliche, so kommt diese Bedingung in Wegfall.
Ist der von der Flüssigkeit begrenzte Raum mehrfach zusam-
menhängend, z. B. von ringförmiger Gestalt, so genügen die bis-
herigen Angaben nicht mehr, um F zu bestimmen, da in diesem
Falle daQ Potential mehrwertig sein kann; sie sind dann durch die
Festsetzung der Potentialsprünge zu ergänzen, die an den Hilfs-
querschnitten stattfinden, durch welche der Raum in einen einfach
zusammenhängenden verwandelt werden kann. Diese Potentialsprünge
entsprechen Cirkulationen in den bezüglichen ringförmigen Bereichen,
welche unabhängig von der Bewegung der Oberflächenelemente von
k vorgeschrieben werden können. Die Methode zur Bestimmung von
F giebt in diesen FäUen die Formel (182") des ersten Teiles an. —
Ein spezieller Fall ist der, daß die Begrenzung der Flüssigkeit
durch ruhende feste Wände gebildet wird und nur durch ge^en
deren Gesamtdimensionen kleine Öffnungen y,^ in den Wänden, die
wir Quellen nennen wollen, Flüssigkeit zu- oder abströmt^).
In diesem Falle ist G^ + (1 /r) längs jeder dieser Offiiungen als
konstant anzusehen, so lange der betrachtete Punkt a, &, c sich in
endlicher Entfernung von ihr befindet; die Formel (54) nimmt hier
also die Gestalt an
54V F=--]^^2:q,[G, + \)+2:c,,
§ 10, Potentialbewegungen ohne freie Oberfläche. 275
wonn
die in der Zeiteinheit durch die Oifiiung q^ zuströmende Flüssig-
keitsmenge die Ergiebigkeit der Quelle bezeichnet
Für den Halbraum ist G^ gleich der reziproken Entfernung 1/r'
von dem Spiegelpunkt der untersuchten Stelle in Bezug auf die
begrenzende Ebene; daher wird in der Oberfläche (zg = 1/r und
demgemäß bei beliebigem dFjdv
2nJ dv r ^ ^
was sich in dem zuletzt betrachteten speziellen Falle verwandelt in
Von besonderem — allerdings mehr theoretischen als prak-
tischen — Interesse sind weiter die Fälle, daß die Zuströmung und
Abströmung von Flüssigkeit durch unendlich kleine geschlossene
Oberflächen o^ im Innern des erfüllten Raumes, je von den Er-
giebigkeiten Qj^, stattfindet; wenn dabei im übrigen die Begrenzung
nur durch feste Wände gebildet ist, so muß -SQ^^O, d. h. die
durch diese Quellen zu- und abströmende Flüssigkeitsmenge, gleich
groß sein; dies ist nicht erforderlich, wenn sich die Flüssigkeit ins
Unendliche erstreckt.
Ist die Flüssigkeit nach aUen Seiten unbegrenzt, und liegen
alle Quellen im Endlichen, so ist G^ = Const, denn der Ansatz
p - .^_ s;Sh
^0- 4nQ-r^
gentigt hier für sich allein schon allen Bedingungen; ist dagegen
eine feste Begrenzung gegeben, so kann man
F^F, + F,
und
^i = + Ä/W(^« + 7)'''' + ^ 5^'")
setzen, um mit Hilfe von G^ die Grenzbedingung dF j dv ^Q zu
erfüllen.
In den FäUen, wo die Begrenzung nur diLrch feste Ebenen ge-
bildet wird, kann man die Funktion /\ als NEWTON'sches Potential
von mit Q,JA:nQ gleichen oder entgegengesetzten und in den Spiegel-
punkten der Quellen angebrachten Massen immer dann erhalten,
18*
276 IL Teü. Mechanik nichtstarrer Körper. III. Kap.
wenn diejenigen Spiegelpunkte, welche in den von Flüssigkeit er-
füllten Raum k fallen, ausschließlich in den Quellen selbst liegen.
Dies findet u. a. statt beim Halbraum, bei einer von parallelen Ebeneu
begrenzten Schicht, bei dem rechteckigen oder gleichseitig drei-
eckigen Prisma, bei dem Keil von der Öffnung nja, wo cc eine
ganze Zahl ist. In ähnlicher Weise kann für diese Räume G^ ge-
bildet werden.
Die Betrachtung gestattet die Ausdehnung auf ebene Bewegungen,
und es lassen sich hier auch Begrenzungen in Kreisbogen durch
die Methode der Spiegelpunkte behandeln.
Ebene Strömungen sind im allgemeinen leichter zu behandeln,
als räumliche, weil partikuläre Integrale der Hauptgleichung für das
Geschwindigkeitspotential
sowohl durch den reellen, als den imaginären Teil einer jeden
Funktion von x + iy geliefert werden.
Setzt man F + iS = f{x + iy), so ist wegen
ÖF^ d_S dF^ _d_S
d X d y ^ dy d x
die Gleichung der Stromkurven
dF dF , j
ox dy ^
allgemein integrabel und liefert
55') S = Const. ;
S führt deshalb den Namen der Strömungsfunktion. Längs fester
Grenzen muß die Strömungsfunktion konstant sein. —
Vorstehendes liefert eine erste physikalische Deutung der Funk-
tion 6^3 oder, noch bequemer, der S. 187 aus ihr abgeleiteten
^3 = ^'2 + 7 - 7
für einen allseitig begrenzten Raum k. Denn da im Innern von k
Ar^ = 0 und da an der Oberfläche dF^ldv == 0 sein soll, so läßt
r^ sich jederzeit auffassen als das Geschwindigkeitspotential der
stationären Bewegung, welche, von zwei Quellen in a, b, c und a\ b\ c
von den Ergiebigkeiten ±4;r(> ausgehend, in dem mit inkompres-
sibler, reibungsloser Flüssigkeit erfüllten und von festen ruhenden
Wänden begrenzten Raum k stattfindet.
Da eine solche Bewegung innerhalb jedes beliebig gestalteten
Bereiches möglich ist, so kann man daraus schließen, daß sich 8t«tä
eine Funktion F^ diesen Bedingungen entsprechend bestimmen lassen
§ 10, Poientialhewegungen ohne freie Oberfläche,
277
muß. Dieselbe Schlußweise läßt sich in Bezug auf ebene Bewegungen
und die ihnen entsprechende zweite GnEEN'sche Funktion CP^ resp.
die daraus abgeleitete /^ = (?!, + l{e) — l{e) anwenden. —
Besitzt die Flüssigkeit keine freie Oberfläche, so sind alle zur
Bestimmung von F dienenden Gleichungen in dieser Größe linear;
hierauf beruht, daß man in dem speziellen Falle, daß die Begren-
zung der Flüssigkeit durch die Oberfläche eines starren, beliebig
bewegten Körpers gebildet wird, das Geschwindigkeitspotential in
einer bemerkenswerten Weise in Teile zerlegen kann.**) Wir be-
schicken uns bei dieser Betrachtung wieder auf unveränderliche
Dichte p, resp. inkompressible Flüssigkeiten.
Sind j', ^', 5' die Komponenten der Lineargeschwindigkeit eines
in dem starren Körper festen Punktes f, ^, j, und sind T, m', n' die-
jenigen seiner Rotationsgeschwindigkeit um Parallele 3E, ^, 3 zu den
absolut festen Axen X, Y^ Z durch diesen Punkt, so kann man setzen
F-i^F^ + ti'F^ + j;F^ + {'P^ + m'F, + n'F^,
wo nun wegen /S^^y^F^O und
J^— (j' + (^- J) m' - (y - 9) n') cos (n, x)
+ (9' + (^- J)n - (z - j)r) cos(n,y)
+ (j' + (y — 9) 1' - (* - 1)^') cos (n, z)
die F^ sämtlich der Hauptgleichung
A.,. ^» = 0
und aoBerdem den speziellen Bandbedingungen
56)
56')
57)
U =C08(n,a:),
g^ = cos(n,y),
a ri
:ö^ = (y - 9)cos(n,z) - (r - a)cos(n,y),
bF,
5^' == (^ - J) cos(n,a:) - (x - f)cos (n,z).
^ = (ar - j)cos(7i,y) - (y- 9)cos(n, jr)
570
--—■ =s cos(n,z),
genügen müssen.
Da die Lage der Oberfläche gegen das absolut feste System
X, y, Z wechselt, und da die Bedingungen (57') an dieser Oberfläche
erfüllt sein müssen, so sind die Fy^ Funktionen außer von den Koordi-
naten X, y, X der betrachteten Stelle in der Flüssigkeit noch von der
Gestalt und der Lage des Körpers abhängig; sie sind aber unab-
hängig von seinen Translations- und Botationsgeschwindigkeiten.
Die vorstehende Zerlegung läßt sich ohne Abänderung auch
auf den Fall übertragen, daß sich mehrere starre Körper in der
Flüssigkeit bewegen, und jederzeit sind die F^^ dann eindeutig be-
278 //. Teil, Mechanik nichtstarrer Körper, II I. Kap.
Stimmt, wenn man sie den obigen Bedingungen unterwirft und
außerdem noch festsetzt, daß sie eindeutige und stetige Funktionen
der Koordinaten sind, die im Unendlichen verschwinden.
Wird nur ein starrer Körper, innerhalb der Flüssigkeit bewegt,
so kann man den ganzen Vorgang auch auf ein in ihm festes
Koordinatensystem A, B, C beziehen. Für eine Stelle o, b, c der
Flüssigkeit sind dann dFjda, dF/db, dFjdc nach wie vor die
absoluten Geschwindigkeitskomponenten, nur genommen nach den
bewegten Axen, und die Funktion F folgt noch derselben Gleichung
58) Aa6c^=0,
da sie Differentialquotienten nach der Zeit nicht enthält
Bezeichnet man mit a', 5', c' die Geschwindigkeitskomponenten
des im Anfang des Systems A, B, C befindlichen Punktes des Kör-
pers, mit p', q', r' die Rotationskomponenten des Körpers, beide auf
das System A, B, C bezogen, so sind (a' + cq' — Ar'), (b' + ar' — c\)%
(c' + Äp' — aq') die absoluten Geschwindigkeitskomponenten des Punk-
tes a, b, c des Körpers nach den Axen A, B, C, und die Oberflächen-
bedingung lautet
iß -p
— = (a'H- cq'- ^r')cos(n,a) + (b'-f- a r' — c p') cos (n, *)
-h (c' -f Ä p' — a q') cos (w, c) .
Man kann daher auch hier zerlegen
58") i^= a'g, + b'5, + c'53 + p'g, -f q'S, + r'g,
und für die g^ analoge Formeln aufstellen, wie (57) und (57'); diese
Funktionen g^ sind hier aber, da die Lage des starren Körpers
gegen das System A, B, C unveränderlich ist, nur von der Gestalt des
Körpers abhängig. —
Nach den vorstehenden Entwickelungen ist die lebendige Kraft
W eines Systems von starren Körpern und der Flüssigkeit, innerhalb
deren sie sich bewegen, eine homogene Funktion zweiten Grades der
Geschwindigkeiten j , xf, 5', T, m', 11' resp. a', b', c', p', q', r' dieser
Körper, welche vollständig, bekannt ist, wenn die vorstehenden Glei-
chungen für das betrachtete System integriert sind. Hierauf beruht
die Möglichkeit, die Gesetze der Bewegung eines solchen zusammen-
gesetzten Systems unter der Wirkung gegebener äußerer Kräfte aus
der HAMiLTON'schen Gleichung abzuleiten.^®)
Nach der Gleichung (99) des ersten Teiles ergiebt sich hier
§10, Bewegimg st irrer Körper in einer Flüssigkeit 279
' ■ — ■
wobei das Integral links über Körper und Flüssigkeit ausgedehnt ist
Für die starren Körper kann man die virtuellen Verrückungen be-
liebig vorschreiben, auch so, daß sie für ^ = f^ und t^ t^ verschwinden.
Durch sie bestimmen sich die virtuellen Verrückungen für alle Teile
der Flüssigkeit, wenn man denselben noch die Bedingungen auf-
erlegt, daß sie für t = t^ verschwinden, und daß die durch sie mo-
difizierte Bewegung der Flüssigkeit wieder eine Potentialbewegung
ist. Damit sind dann jene Variationen auch für t ^ t^ bestimmt,
aber nicht notwendig gleich Null.
Trotzdem verschwindet an der oberen Grenze der auf die
Flüssigkeit bezogeue Teil des Integrals auf der linken Seite der
Gleichung (59); denn er läßt sich schreiben
= e/^(
Sx cos (n, x) + Sy cos (n, y) + Sz cos (n, z)) do
/■al ddx , ddp . ddx \ ,,
und beide Integrale verschwinden: das Raumintegral wegen der
Inkompressibilitätsbedingung; das Oberflächenintegral, soweit es sich
auf die Grenzen der starren Körper bezieht, weil sich durch die
für sie zur Zeit t =^ t^ geltenden Werte Sx =^ Sy =^ dz ^ 0 die
Normalkomponente der Verrückung der anliegenden Flüssigkeitsteil-
chen ebenfalls zu Null bestimmt; soweit es sich auf die unendlich
fernen Teile bezieht, weil nach den Betrachtungen auf Seite 184
durch Bewegungen der betrachteten Art im EndUchen für unendlich
ferne Punkte nur solche von zweiter Ordnung hervorgerufen werden.
Demgemäß gilt auch im vorliegenden Fall
f{SW+S'jrjdt=:0. 59')
Co
Die Arbeit S'A wird teils an den starren Körpern, teils an der
Flüssigkeit geleistet und möge daher in S'Ajc + S^Af zerlegt werden.
SoU ein Geschwindigkeitspotential existieren, so müssen die auf die
Flüssigkeit wirkenden Kräfte konservativ sein. Die Arbeit solcher
Kräfte würde, wenn der ganze Raum von homogener Flüssigkeit
erfüllt wäre, bei jeder Bewegung, welche die äußere Begrenzung
nicht verändert, verschwinden. Hieraus folgt, daß die faktisch an
der Flüssigkeit geleistete Arbeit S'Af das Entgegengesetzte ist von
der S^A'icj welche an den starren Körpern durch dieselben Kräfte
280 //. Tnl, Mechanik ndehUtarrer Korper. III. Kap.
geleistet werden würde, wenn ihre Dichte gleich derjenigen der
Flüssigkeit wäre. Man kann demgemäß
setzen und behaupten, daß sowohl S V, wie S^A nur von der Gestalt,
Massenverteilung, Lage und Bewegung der starren Körper abhängen.
Bezeichnet man die Potentialfunktion der wirkenden Kraft mit
4>, so ist nach dem Gesagten
worin (>k, die Dichte der festen Körper, mit dk yariieren kann, Qf, die
Dichte der Flüssigkeit, aber konstant ist •
Die HAMiLTON'sche Gleichung läßt sich weiter vollständig so
entwickeln, wie das auf S. 107 angedeutet ist, und filhrt, wenn es
sich um die Bewegung nur eines Körpers in einer unendlichen und
im unendlichen ruhenden Flüssigkeit handelt, bei Benutzung des
im Körper festen Systemes J, B, C auf die Formeln (182) und (132')
des ersten Teiles zurück.
Den Wert der lebendigen Ejraft W zu bestimmen muß man,
wie oben gesagt, im allgemeinen das Strömungsproblem, das durch
die Formeln (53) und (53") definiert ist, gelöst haben; in dem Fall,
daß ein einziger Körper vorhanden ist, welcher Symmetrieelemente
besitzt, kann man, wenn die Bewegung auf ein in ihm festes System
Jj S, C bezogen wird, wenigstens die Form von W bestimmen, ohne
jene Vorbedingung zu erfüllen.
Den allgemeinen Wert W der lebendigen Kraft können wir
nämlich definieren durch
+ c'(a3ia'+ «336'+ . . .)
+
worin die a^jc, welche beiläufig der Beziehung 0^^ = 0^^ genügen,
nur von der Gestalt und der Massenverteilung des Körpers abhängen.
Denn V^ setzt sich zusammen aus der lebendigen Kraft des starren
Körpers, welche von dessen Parametern nur solche enthält, die sich
durch seine Massenverteilung bestimmen (nach S. 100 nämlich m,
a, ß, y, Aj B, F, A\ B\ /") und aus derjenigen der Flüssigkeit,
deren Parameter nach dem zu (58") Gesagten nur von der Gestalt
des Körpers abhängen.
Fallen nun die Symmetrieelemente beider zusammen, was z. B.
stets stattfindet, wenn der starre Körper homogen ist, so kann man
60)
§ 10, Bewegung eiarrer Körper in einer Fliiesigkeit, 281
schließen, daS nach gleichwertigen Richtungen gleiche Translations-
oder Sotationsgeschwindigkeiten des Körpers auch gleiche Werte
der gesamten lebendigen Ejraft ergeben. Hiemach muß W eine
skalare Funktion der zweimal drei Yektorkomponenten q', b', c' und
p', q\ x' sein, welche die Symmetrie des starren Körpers besitzt und
nach den in § 17 des ersten Teiles gegebenen allgemeinen Grund-
sätzen für spezielle Fälle spezialisiert werden kann'^.
Um dies auszuführen, zerlegen wir den Ausdruck (60) nach
dem Schema
2«P= «Pi + 2«P,+ V3,
worin
*i = ö'Kitt' + a^^^'+ OisO + 6' Kitt' + a„b' + o^jC')
+ c'(a5i0'+a„b'+a33 0,
% = tt'(a,,p' + a^^d + a,er') + b'(fl^p' + a,,q' + o^^rO
+ c'Coj^p'+OBjq'+ajer'),
+ r'{fle4p'+ae6<^'+«660-
Jede dieser drei I\mktionen hat den Typus 11, der auf Seite 137
behandelt ist
Ist die Z'Axe in Bezug auf die Gestalt und Massenverteilung
des Körpers eine Symmetrieaxe Ton höherer Zähligkeit, als zwei,
so reduzieren sich hiemach diese Ausdrücke auf
60')
Ist femer die positiTe und die negative Drehungsrichtung um die
Eoordinatenaxen oder die positive und negative Yerschiebungsrichtung
ihnen parallel gleichwertig, so muß V^ verschwinden, und es
resultiert
W=a,^ (a'« + V) + a„ c'' + a^{p'* + q'*) + a^ t'». 60")
Dieser Ausdruck gilt unter anderem für eine vier- oder sechsseitige
Pyramide, für ein analoges Prisma, für einen beliebigen Botations-
körper, sämtlich mit homogener Dichte erfüllt gedacht
Sind alle drei Koordinatenaxen gleichwertig, so wird noch
spezieller a^ = a^^ , a^^ = a^.
282 IL Teil, Mechanik niehisiarrer Körper, III. Kap.
§11. Allgemeinste Flnssigkeitsbewegnngen ohne freie Oberfläche.
Wendet man die Resultate der in § 23 des I. Teiles allgemein
durchgefiihrten Zerlegung von Yektorkomponenten auf die Geschwin-
digkeitskomponenten u', V, u! an, so erhält man folgendes Resultat
Innerhalb eines beliebig begrenzten Raumes k lassen sich stetige
Geschwindigkeitskomponenten jederzeit darstellen in der Form
61)
wobei
~' bx by ö* '
. _bF BU dW
^ "" dy "^ dx dx '
fy= — + — — -~
"" dx dx dy ^
^ dU , dV , dW
Diese Zerlegung ist, vorausgesetzt, daß man Anteile an F, V] F, W\
welche sich in dem obigen System rechts herausheben, außer Be-
tracht läßt, eindeutig bestimmt, wenn man F die Oberflächen-
bedingung auferlegt, daß
fxjp
61') -^— = m'cos (v, x) + V cos (v,y) + tr'cos [vj z) =* v\
Aus dem Ansatz (61) folgt unter Benutzung von (43'")
außerdem
61'") A?7=-2/', Ar=-2m', A^'=-2n'.
Man kann daher für F, U, T, W folgende Werte bilden:
worin F^ durch die Gleichung
62') Ai^o = 0
und die Bedingung (61') bestimmt ist;
^^> ^--d^--d^^ '-TF'TT' '*'~~SV~'d^'
worin
ß2'"\ J ^^^ \ ox )i r ^ 4nJ \ oy ji r
4nJ \ ax Ji r
§ 11, Allgemeinste Strömungen ohne freie- Oberfläcke, 283
Erstreckt sich die Flüssigkeit ins unendliche, so kommt nach
S. 191 für die unendlich ferne Begrenzung die Gleichung (61') als
Bedingung für F resp. Fq in Wegfall, und die Bestimmung der
Funktionen F^ U, F, W hört auf, eindeutig zu sein, ausgenommen
den Fall, daß dgjodt im Unendlichen verschwindet und f(dQlQdt)dk,
über den ganzen Raum, ^fvj^dOf^, über etwaige im Endlichen
liegende geschlossene Begrenzungsflächen o^^ erstreckt, endlich ist.
Fehlen die Grenzflächen o^, was wir weiter zunächst voraussetzen
wollen, so ist F^ gleich Null; ändert sich überdies für das einzelne
Teilchen die Dichte o mit der Zeit nicht, ist etwa die Flüssigkeit
inkompressibel, so ist auch F=0, und man kann ohne Beschränkung
der Allgemeinheit setzen
. dW dV . du dW , dV du ßQ,
dy ox ' ox o X ^ ox oy '
wobei
dx dy^ " d X dx ^ '~ dy dx
und
dkl
^j^_ 1 f<dk, ^^ 1 rv{dk, j.^ 1 ru;iä
ist
Man erhält hier durch Kombination der letzten Gleichungen
63')
U
= 4^J («"i cos (vj, y) - »i cos (»1, z)) -^
1 Cldtc, dv,\ dk, p
63")
worin v^ die innere Normale auf do^^ bezeichnet, und, wenn das auf die
unendliche Begrenzung bezogene Oberflächenintegral verschwindet, ^®)
2nJ r ' 2nJ r ^ 2nJ r ' '
Es ist von Interesse, daß eine der vorstehenden analoge Zer-
legung auch bei Bewegungen mit wechselnden Dichtigkeiten an-
wendbar ist, soweit jene stationär sind.
Denn die Gleichung (43") lautet in diesem Falle
!^ + öl^ + ^' = 0, 64)
dx dy dx ' '
man kann also für Strömungen in einer unbegrenzten Flüssigkeit
setzen
284 //. Teil. Meehamk niehtstarrer Körper. IIL Kap.
^ ox oy
und für U, SS, S3 ähnliche Ausdrücke bilden, wie sie in (63'") dar-
gestellt sind. —
Die Formeln (68) und (63'") gestatten, die (Jeschwindigkeits-
komponenten an jeder Stelle der Flüssigkeit zu irgend einer 2^it
als die Wirkung der Wirbel aufzufassen, welche gleichzeitig in der-
selben irgendwo stattfinden. Jedes Yolumenelement Sk^ giebt zu
u, v\ w Anteile Su, Sv\ Sto\ welche sich in Bezug auf Stellen
in endlicher Entfernung von Sk^ folgendermaßen ausdrücken:
du = — — \ Tii -ä mi
271 \ oy
65)
Sv'=^\ h^ '
2n \ ^ dx
Diese Anteile kann man als Komponenten einer Geschwindig-
keit Ss ansehen, deren Richtung sich dadiLrch bestimmt, daß nach
Vorstehendem
r l[Su'+m[Sv + n[dw'^Q
650 \ dr j. r , dr j. , . dr^ , ^
ist; 88 steht also normal auf der Ebene durch die Botationsaxe in
8\ und durch die Verbindungslinie r; die Seite, nach welcher S»
liegt, folgt aus der Rotationsrichtung in S\,
Die Größe Ton Ss findet sich zu
65") 88^ l/*M'H<yö'*+^t^'*= iAj^L«?^
2 71 r
worin D^ die Rotationsgeschwindigkeit und x ^^^ Winkel zwischen
der Rotationsaxe und r bezeichnet.
Gleiche Richtung und Größe mit 8s besitzt die Kraft, welche
nach dem sogenannten BiOT-SAVABT'schen Gesetze ein in x, y, r be-
findlicher magnetischer Einheitspol seitens eines in dk^ parallel J)^
fließenden galyanischen Stromes von mit D^ proportionaler Stärke
erleidet. —
§ IL Allgemeinste Strömungen ohne freie Oberfläche. 285
Die erhaltenen Resultate über die Größe und die Richtung von
Ss genügen in einfachen Fällen — z. B. wenn ein einziger oder
zwei parallele und coaxiale kreisförmige Wirbelfäden vorhanden
sind — um über die Bewegung der Flüssigkeit und demgemäß der
Wirbelfäden, die nach S. 271, falls nur konservative körperliche
Kräfte wirken, mit jener fortschwimmen, eine Vorstellung zu geben,
Summiert man Su, Sv, 8w' über einen geschlossenen Wirbel-
faden, vom normalen Querschnitt q^ , so ist zu berücksichtigen, daß
längs desselben nach S. 267 q^Di konstant ist; bezeichnet man die
Projektionen des Axenelementes ds^^ des Fadens durch dx^^ dy^^
dz^, so erhält man fiir Punkte, die keinem Teil des Wirbelfadens
unendlich nahe liegen.
(^«')=^/(-i-''^.-'i
{Sv') =
_ Ji».
65'")
Vergleicht man diese Resultate mit dem System (179') des
vorigen Teiles, so erkennt man, daß die Geschvdndigkeit {Ss) nach
Richtung und Größe übereinstimmt mit der Kraft, welche eine
magnetische Doppelfläche von dem konstanten Moment +q^D^I27tf,
welche durch den Wirbelfaden begrenzt ist, auf einen Einheitspol
an der Stelle x, y,'z ausübt.
Da jene Kraft ein Potential besitzt, so hat auch die Ge-
schwindigkeit {Ss) ein Geschwindigkeitspotential, was begreiflich ist,
da die Stelle, auf welche sich die Formeln beziehen, außerhalb des
Wirbelfadens liegt. —
Für ebene Flüssigkeitsbewegungen kann man nach S. 200, wenn
die XZ- Ebene der Bewegungsebene parallel gelegt wird, allgemein
die Zerlegung anwenden:
, dF.dW , dF dW ^,..
ox dy oy ox ^ '
aus der folgt
und
Aj/r=-2n'. 66")
286 U. TeU. Mechanik niektstarrer Körper, IIL Kap.
unterwirft man F noch längs der Grenze s des Flächenstückes,
für welches die Zerlegung gelten soll, der Bedingung
66'") I7 = "' ^^^ (^'j ^) + '^' ^^^ (*'' y) = *^''
80 ist es dadurch vollständig bestimmt; außerdem gilt
' dy dx
und
Erstreckt sich die Flüssigkeit über die ganze unendliche Ebene,
und genügt die Bewegung der Bedingung
so kann man nach S. 201 Z' konstant setzen und erhält
68 ) M = "ä— , t? = 5— ,
^ 1 rl ,dl{e) .dl(e)\.
68") \ = - 2l^/(^^^^ (^1' ^^ ~" ^1 ^^® (*'i'y)) 'W ^*i
Wenn das Bandintegral unendlich klein ist, so giebt dies^^
68'") W=-:^jn\l(e)dq„ .
eine Formel, die sich genau so deuten und verwerten läßt, wie (63'");
^ ist nach S. 276 mit der Strömungsfunktion S identisch, und
die Formel JF = Const bestimmt daher die Stromkurven. —
Ist n! zu der betrachteten Zeit nur in diskreten, unendlich kleinen
Flächen y^, die in endlichen Entfernungen von einander liegen, von
Null verschieden, d. h., ist nur in einzelnen parallel der Z-Axe
liegenden Fäden Wirbelbewegung vorhanden, und setzt man für ein
jedes derselben den Wert von
69) /^ = ^„
SO wird
69') W^-2NJ{e>),
WO nun e^ die Entfernung der betrachteten Stelle von dem Aten
§ IL Aligemeinste Strömungen ohne freie Oberfläeke, 287
Wirbelfaden bezeichnet JT ergiebt sich hier gleich dem logarithmi-
schen Potential eines Systemes von in der XT-Ebene verteilten Massen-
punkten Nj^. Da nach dem auf S. 270 Gesagten bei ebenen Be-
wegungen unter der Wirkung konservativer Kräfte n' für jedes
Flüssigkeitsteilchen konstant ist, so ist auch iVJ^ eine den Wirbel-
faden (A) charakterisierende Konstante.
Die dieser Strömungsfunktion W entsprechenden Werte der
Geschwindigkeiten u und v an einer beliebigen Stelle x, y sind
nach (68')
jeder Wirbelfaden giebt also einen Anteil ä^ zur Gesamtgeschwindig-
keit, welcher normal zu e^ steht und die Größe iVJ^/tf^ hat
Dieser Anteil ist, wie oben gesagt, unabhängig davon, ob in .r, y
sich etwa ein Wirbelfaden befindet; ein solcher wird also ebenso in
Bewegung gesetzt, wie ein wirbelloses Flüssigkeitsteilchen. Für den
Äten Faden gilt somit
oder anders geschrieben
i\r,«i=-iv,^ivriizif*, J^^„i=^.i^r^^^'^^pi er-)
die Summen sind über alle Fäden mit Ausnahme des Aten zu er-
strecken, da dieser sich selbst eine Translationsbewegung nicht
erteilt
Diese Formeln haben eine gewisse Ähnlichkeit mit denen, welche
die Gesetze der ebenen Bewegung eines Punktsystemes unter alleiniger
Wirkung innerer Kräfte, die proportional sind mit N•^^J^^ und l/^^jy
aussprechen; nur stehen hier die Geschwindigkeiten der Massen-
punkte N^ an Stelle der Beschleunigungen dort, und die
inneren Kräfte liegen hier normal, dort parallel der Verbindungs-
linie der Punkte.
Infolge dieser Analogie haben einige aus dem System (69"') zu
ziehende Folgerungen Verwandtschaft mit den für Punktsysteme der
genannten Art geltenden Sätzen.
Es gilt ein Schwerpunktssatz
^iV;,Mi = 0, ^iV;ri = 0, 70)
ein Flächensatz
ein Satz über das innere Potential des Punktsystemes
288 IL TeU. Mechanik nidtUtarrer Körper. IIL Kap.
70") 2rA\N,le^,^C,
endlich ein Satz über das Trägheitsmoment um den Eoordinaten-
anfang
70'") 2N^el^C\
die alle durch geeignete Zusammenfassungen der Formeln (69")
leicht erhalten werden können; C und C" bezeichnen in den letzten
beiden Formeln Eonstanten und die Summen 2 sind über alle K
die Summen JS'' über alle Kombinationen von h und k zu erstrecken.
Die allgemeinen Sätze (70) bis (70'") liefern jederzeit Integrale für
das Problem der Bewegung eines Systemes von geradlinigen, parallelen
Wirbelf&den in einer unendlichen Flüssigkeit, die aber nur in den
einfachsten Fallen flir sich allein ausreichen, um das Problem zu
Ende zu führen. Die Bewegung wird durch äußere Kräfte, welche
ein Potential haben, nicht beeinflußt, sondern nur der herrschende
Druck; im allgemeinen Falle ist auf die Formeln (48) zurück-
zugreifen. —
Sind Begrenzungen vorhanden, so kann man bei inkompres-
sibeln Flüssigkeiten nichtsdestoweniger die Wirbelbewegungen zu
einer beliebigen Zeit willkürlich vorschreiben, so weit dabei kein
Widerspruch mit der identischen Formel
a /_' dm' ön; ^ Q
dx dy dx "~
entsteht.
Wendet man dann für U^ F, IF die Gleichungen (68'") an, so
erfüllen die nach (63) hieraus folgenden u\ v, w die Grenzbedin-
gungen nicht; letztere lassen sich aber, so weit sie für die Oberfläche
nur die Normalgeschwindigkeit v vorschreiben, jederzeit durch Zu-
fügung einer Potentialbewegung, d. h. durch Benutzung des allge-
meinen Ansatzes (61), befiiedigen, wo nun jP außer der Hauptgleichung
A -^ = 0 noch die Bedingung zu erfüllen hat
+
(IJ-|f)^^«(^'^))-
Die so erhaltenen m', t?', w gelten aber nur für den Moment,
für welchen die T, m', n vorgeschrieben sind; damit sie immer
gelten, die Bewegung also stationär sei, müssen körperliche Kräfte
spezieller Art wirken, deren Komponenten aus (48') folgen, falls man
dort du Idt, dv jdt, dto jdt gleich Null setzt. Wendet man auf
sie die Zerlegung (187) des ersten Teiles an, so erkennt man,
§ 12. Imponderable Fhtida innerhalb ponderahkr Körper, 289
die Potentialfunktion 0 von p I q = 11 untrennbar ist, so daß nur
die Summe beider Ausdrücke sich bestimmen läßt
Bei vorgeschriebenen Kräften ist die Bewegung im allgemeinen
veränderlich und bietet dann der analytischen Behandlung selir große
Schwierigkeit.
§ 12. Ghmndgleichimgen für die Bewegung imponderabler Fluida
innerhalb ponderabler Körper. Strömung von W&rme oder Elek-
tricitat in einem Leitersystam und verwandte Ersclieinungen.
Wir wollen uns nunmehr den Raum, innerhalb dessen die strö-
mende Flüssigkeit sich befindet, von einem feinen Netzwerk von
regelmäßigem und gleichförmigem Gefüge erfüllt denken, welches
der Bewegung einen Widerstand entgegensetzt Die auf die Massen-
einheit bezogenen Komponenten X^, Y^, Z^ dieses Widerstandes
setzen wir an jeder Stelle einerseits der Dichte der strömenden
Flüssigkeit proportional und denken sie andererseits von der Größe
und Eichtung ihrer Geschwindigkeit abhängig; in erster Annäherung
können wir sie dann als lineare Funktionen der Geschwindigkeits-
komponenten u, V, w' einführen. Endlich machen wir, wie in § 8,
die Annahme, daß die inneren Kräfte der Flüssigkeit vernach-
lässigt werden können.
Dann erhalten wir aus (48), indem wir für die auf die Massen-
einheit bezogenen körperlichen Kräfte, ausschließlich der Wider-
standskomponenten Xq, Yqj Zq, die Bezeichnungen X, T, Z beibehalten
und unter x^^^ ein System von Konstanten verstehen,
dazu
~dx "^ öy "^ dx '^ dl ""
Da die innem Kräfte der Flüssigkeit verschwinden, kann in der
Grenze zweier Körper (A) und {k) eine unendliche Kondensation und
demgemäß eine Flächendichte rr^j^ entstehen, deren Anwachsen gegeben
ist durch
i^h («A C08 K, x) + v^ cos (n^,y) + w^ cos («^, z))
— .- — — . d <r
+ PikK^ö^K»^) + Vk^^^(%^!/) + «^fcCOsCwjtjz)) + -g^ = 0,
worin «^ und w^ die inneren Normalen auf den bezüglichen Ober-
flächenelementen bezeichnen.
Voigt, Theoretiaclie Phjrilk. 19
290
IL TeiJL Mechanik niehtstarrer Körper, III, Kap,
Hierin wollen wir abgekürzt
()u = u, p r' = 0, Q %o = lü,
Q {v! cos (n, jt) + V cos {n^y) + w cos (n, z)) = n
setzen und u, ü, m die Strömungskomponenten nennen; sie stallen
die Menge Flüssigkeit dar, welche an der Stelle j:, y, z in der Zeit-
einheit durch ein Flächenelement dq normal zur X-, Z-, ^Axe resp.
zur Richtung von n hindurchtritt, durch dies Element dividiert Es
ist also
[M] = [ö] = [,u] = [«] = m /-2 ^-i .
Endlich nehmen wir an, daß — etwa wegen der sehr bedeutenden
Größe der Eonstanten x^^ — die Beschleunigungen du' jdtj dv' jdtj
dfß jdt neben den übrigen Gliedern vemachlässigt werden können.
Dies wird stets dann stattfinden, wenn mit dem Verschwinden der
äußeren Kräfte auch die Geschwindigkeit eines jeden Flüssigkeits-
teilchens in unmerklich kurzer Zeit verschwindet, also das Fluidum
sich so verhält, als besäße es keine Trägheit, als wäre es, wie man
sagt, imponderabel.
Dann erhalten wir
71)
I
x„ u + Xjj t) + Xj3 m = 7,
71')
dx^'dy^ dx ^ d t '^ ^ '
"* + "* + ^ = 0.
Die Koeffizienten x^^^, welche in homogenen Körpern konstant, in
inhomogenen stetig mit dem Ort veränderlich sind und in den
Grenzen springen, heißen die Widerstandskoeffizienten des Me-
diums und spezialisieren sich eventuell nach dessen Symmetrie-
elementen gemäß den früher hierfür angegebenen Regeln und nach
Schema II auf S. 137.
Die drei Gleichungen (71) können wir nach u, ö, ro auflösen
und also das ganze System schreiben
71")
§ 12, Impimderable Fluida innerhalb ponderabler Körper, 291
ö u ÖJD , Ott I ^ ? _ I)
dx"^ dy'^ dx '^ dt " '
71")
Die Faktoren A^^ heißen die Leitfähigkeitskoeffizienten der
Substanz und lassen sich ähnlich behandeln, wie die x^^j^.
Bei isotropen Körpern wird
und analog
- - - - -o' - -. -1.
^23 — *32 — ^31 ~ *13"~ ^12 ~" *21 ~" ^» ^11 — ^22 — ^33 ~" 1 >
daraus folgt, daß hier die Strömung der treibenden Kraft stets par-
allel verläuft.
Es mag hervorgehoben werden, daß die letzten Formeln un-
geändert bleiben, wenn wir, etwa weil die Trägheit der betrachteten
Flüssigkeit gegen die sonst bekannter unmerklich ist, die bisherige
mechanische Definition der Masse und die daraus fließende der
Dichtigkeit aufgeben und irgend eine andere, z. B., wie bei den elek-
trischen Massen, die durch ihre Femwirkimgen gegebene, an ihrer
Stelle einfahren. Nur die x^^ und A^^^ verändern dabei ihre Dimen-
sionen und ihre numerischen Werte.
Die Formeln (71) bis (71") sind geeignet zur Ableitung der
Gesetze, nach welchen die Strömung der als Fluida aufgefaßten
Wärme und Elektricität in Leitern stattfindet n, t), \\) bedeuten
■
auch dann die in der Zeiteinheit parallel den Koordinatenaxen durch
eine dazu normale Flächeneinheit strömenden Mengen, X, Yj Z die
auf die Masseneinheit bezogenen treibenden Kräfte, die im Falle der
Wärmeströmung Temperaturdifferenzen, im Falle elektrischer Strö-
mung meist elektrostatischen Ladungen ihren Ursprung verdanken.
Bei den elektrischen Vorgängen kann man dabei, wie in § 8 des
ersten Teiles schon benutzt ist, zwei Fluida mit entgegengesetzten
Dichtigkeiten in voneinander unabhängiger Bewegung befindlich
denken.
Femer sind die Formeln in etwas speziellerer Fassung auf den
Vorgang der Diffusion einer gelösten Substanz innerhalb eines Lö-
sungsmittels oder derjenigen zweier mischbarer Flüssigkeiten ineinander
anwendbar und bieten auch Vorteile zur anschaulichen Deutung der
Gesetze der magnetischen und dielektrischen Polarisation. —
Charakteristische Eigenschaften der allgemeinsten thermischen
und elektrischen Strömungen erhält man durch Diskussion der For-
meln (71"), diq noch keinerlei beschränkende Annahmen enthalten.*)
19*
292 //. T&a. Mechanik niehistarrer Körper. IIL Kap.
Die durch sie dargestellten Strömungskomponenten lassen sich
in zwei Teile zerlegen nach dem Schema
U = 14 + Ug, 0 = Uj + Dg, tu = iDj + lUg,
Uj = AjX + ;.; J^ + ;.; ^, Ug = - T3 Y + Tj if,
72) \ \^}:^X+i^^Y+l\Z, 1)2= -^i^+^8^J
wobei
72')
außerdem kurz
^83 ^^ ^1 ^1 » '''■32 ^^ "1 '•" ^1 >
^31 ^^ ^"2 ^2 ' ^18 ^^ '"2 "T" ^2 '
^12 = ^"8 "" ^8 ' ^1 = ^3 "^" ^3 '
gesetzt ist.
Die Komponenten Uj, Uj, mj geben zusammengesetzt eine Strö-
mung ®j, welche gegen die Kraftrichtung ebenso liegt, wie die Nor-
male auf einer Tangentenebene an dem Ellipsoid
72") 1 = Aj-r» + l^y^ + A3Z« + 2;v\yz + 2l\zx + 2;;, xy
gegen den Radiusvektor nach der Berührungsstelle.
Das Ellipsoid (72") heißt, weil seine Axen mit den Wurzeln aus
den Leitfähigkeitskoeftizienten A^^ indirekt proportional wachsen,
das Widerstandsellipsoid.
Die Komponenten u^, ü^, vo^ geben zusammengesetzt eine Strö-
mung Sj, welche senkrecht steht auf der Richtung der Bj'aft K imd
der Richtung des Vektors T, den man erhält, wenn man r^, t^, t^ als
Strecken aufdenKoordinatenaxen aufträgt und zu einer Resultierenden
zusammensetzt Die Gesamtströmung SS, ist gegeben durch
72'") S, = Z fsin (Z, 7) ;
sie hat, wenn K nach einem festen Punkte gerichtet ist, den Charakter
einer Rotation, und man nennt demgemäß die Konstanten Tj^,
welche für ihre Größe maßgebend sind, die rotatorischen. SS, ver-
schwindet, wenn die Bedingimgen X^^ = A^^ bestehen.
Dasselbe Verfahren kann man auf das Formelsystem (71) an-
wenden und erhält bei mit (72') korrespondierenden Bezeichnungen
X =i X^ -{• X^^ 1^ = Ij + y, , ^ Ä ^j + ifj ,
A'j = Xj u + X3 1) + Xg tu , Ag = — TT, ü + TTj m ,
73)
ii = xi m- Xgt) + x; lü , i^i = - ^, w + JTj u ,
^1 =x;u + x;D + X3m, ^2 = - ^jU + TTib,
§ 12, Imponderabfe Fluida innerhalb pmiderabler Körper, 293
WO der Zusammenhang zwischen S3 und der Resultierenden K^ von
Zj, JTj, Z^ durch ein zweites EUipsoid
1 = x^x^ + x^y* + XjZ* + 2x\yz + 2x\zx + 2x\xy U')
bestimmt wird, welches man das EUipsoid der Leitfähigkeiten
nennt *^)
Die Axen der beiden Ellipsoide fallen im allgemeinen nicht
zusammen, sondern nur in dem Falle, daß die rotatorischen Kon-
stanten Xy^ resp. n^ verschwinden. In diesem speziellen Falle sind
die gleichgelegenen Axen für beide Ellipsoide einander indirekt
proportional.
Dem EUipsoid der Leitungsfähigkeiten kann man eine sehr
anschauliche Bedeutung geben, wenn man aus den allgemeinen For-
meln (71) die Komponente S der wirkenden Kraft nach der Strö-
mungsrichtung, aus den Formeln (71") die Komponente \ der Strö-
mung nach der Richtung der Kraft bildet Man erhält, wenn durch
0, 6, c die Richtungscosinus der Strömung 93, durch a^h^c diejenigen
der treibenden Kraft K bezeichnet werden,
f = ir(Aja« + A3i2-hA3C« + 2A;ic + 2A;ca +2A^ai), J ^
oder wenn 91 den Radiusvektor im EUipsoid (73') in der Richtung von
95, R denjenigen im EUipsoid (72") in der Richtung von K bezeichnet
» = 581*, K^\m. 740
Die erstere Formel gestattet unmittelbar die Anwendung auf einen
linearen Leiter, und 9%^, das Quadrat des Radiusvektors im Leitfähig-
keitseUipsoid, erscheint hier als seine spezifische Leitungsfähigkeit
Bezieht man den KrystaU auf die Hauptaxen -X®, 7®, Z^ des
WiderstandseUipsoides als Koordinatenaxen, so wird
i'j = Ag = Ag =s 0 , Aft Ä A^ , Tft s= ta,
und das System (71") ergiebt
u« = -h AJX<> - xi r« + x\ z\
ü^ = + r» Jf « + II Y^ - tJ ^^ 74")
tt)« = - xlX^ + xl ro + II Z\
Dies System kann man geometrisch deuten, indem man beide
Seiten der Formeln mit einer unendlich kleinen Zahl e multipUziert
und B u®, « t)^, € m° als die Komponenten einer sehr kleinen Verrtickung
<$ an einer SteUe mit den Koordinaten X®, Y% Z^ in einem nicht-
starren Körper betrachtet
Die Verrtickung dieses Punktes ist dann nach dem System (74")
bewirkt durch eine gleichförmige Dilatation des Körpers nach den
294 //. TeiL Mechanik nichtatarrer Körper. IIL Kap,
drei Axen Jk?*, Y^, Z^ um die Beträge cA,^, «AJ, 6 A3 und eine gleich-
zeitige Drehung des Körpers um die Richtung des Vektors T und
um den Betrag e T.
Diese Deutung zeigt beiläufig, daß der Vektor T nach Größe
und Bichtung unabhängig vom Koordinatensystem und allein durch
die Natur des Krystalles bestimmt sein muß, auf den sich die For-
meln beziehen. —
Ist die Strömung eine ebene, ist etwa lü == 0, so wird durch
Elimination von Z aus (71") erhalten
hz ^'81
I 1) =3 ^*1 ^8 -" ^81 ''1Z X4- *83 ~ ^ ? ^-«3 Y
*88 ^88
ein System, an welches ähnliche Betrachtungen geknüpft werden
können, wie oben an (71").
Noch wichtiger ist der Fall, daß die eine Kraftkomponente
verschwindet, und die beiden anderen, sowie alle für die Strömung
gültigen Grenzbedingungen, von der jener entsprechenden Koordinate
unabhängig sind, etwa ^=0 ist und X und Y die i?- Koordinate
nicht enthalten. Dann sind auch u, D, ID Funktionen von x und y
allein, und der Vorgang kann, obwohl die Strömung parallel Z nicht
verschwindet, ganz in der X7- Ebene verfolgt werden, da die Grenz-
bedingungen die Komponente \o nicht enthalten. Man kann dann u
und t) älinlich wie oben zerlegen und setzen
75')
I 11 = ;.
u = x^^x+i^^Y= A,x+ >t;r- TgT,
auch eine Widerstandsellipse
1 = X^x^ + A,y« + 2X\xy,
die Schnittellipse des EUipsoides (72") mit der AT- Ebene, einfuhren,
auf deren Hauptaxen bezogen A^ = AJ, T3 = Tg und A3 = 0 ^ard, und
das letzte Formelsystem lautet
Fällt die ^-Axe mit der Richtung des Vektors T auf S. 292
zusammen, so ist in den wichtigsten Fällen, wo die rotatorischen
Glieder in der Natur vorkommen, nämlich bei gewissen Gruppen
des rhomboedrischen, des tetragonalen und des hexagonalen KrystaU-
systemes, zugleich die X- und T-Axe gleichwertig, \o mit Z gleich Null,
und die Formeln (75) und (75') nehmen die gleiche Gestalt an:
75") ii = AX-Tr, ü = Ar-fTX.
§ 12. Strömung bei teirkendem Potential, 295
Aus derselben folgt, daß, wenn man t/A = tgor setzt und den Winkel
der Strömungsrichtung mit der JT-Axe i9", den der Kraftrichtung
mit der X-Axe 0 nennt, jederzeit
,V^ = 0 + «
ist, also die beiden Richtungen um eine konstante Größe gegen-
einander geneigt sind. —
Im Vorstehenden sind keinerlei Annahmen über das Gesetz,
nach welchem die treibenden Kräfte wirken, eingeführt. Der wich-
tigste hierfür in Betracht kommende Fall ist der, daß sie eine
Potentialfunktion besitzen. Bei der Wärmeströmung ist dieselbe
eine Funktion der Temperatur und in erster Näherung ihr pro-
portional, kann aber, da die A^^ schon Proportionalitätsfaktoren dar-
stellen, auch der Temperatur an der Stelle x, y, z einfach gleich
gesetzt werden. Gleiches gilt bei dem Vorgang der Diffusion in
Bezug auf die Konzentration der Lösung.
Bei Existenz einer Potentialfunktion 0 werden die ersten drei
Gleichungen (71") zu
11
= ).,,
d0
dx
+ ^u
80
dy
+ ^18
80
8x '
\>
80
dx
60
80
8y
80
80
8x '
80
Z f" ^«8 "^7. h ^
81 8x ^ " dy ^ 8« 8x '
76)
0 betrachten wir innerhalb der Körper mit stetig wechselnder Be-
schaffenheit als selber stetig, lassen aber zu, daß beim Durchgang
durch Flächen, wo jene springt, die wir also passend als Grenz-
flächen ö^^ zwischen zwei Körpern (A) und {k) ansehen, auch 0 un-
stetig wird. Wir setzen, wie S. 284,
0, - 0, = 0,, 76')
und betrachten dabei 0;,^ als gegeben.
Ein Sprung des Potentiales läßt sich nach dem auf S. 261 Ge-
sagten durch die Molekular Wirkung der diesseits und jenseits der
Grenzfläche ö^^ verschiedenen Substanz der Körper (Ä) und (k) er-
klären; bei elektrischen Vorgängen ist nach der Beobachtung 0^,^
eine der Kombination der Körper (A) und {k) und der Temperatur
der Grenzfläche individuelle Konstante, deren elektromotorische
Kraft.
Die beiden Formeln (71'")
29ö //. Teil. Mechanik niehtstarrer Körper. lU. Kap,
76")
j dx '^ dy
i
dx ^ dt
da.
erfordern, um zur Bestimmung von <U verwertet zu werden, noch
Festsetzungen über die Funktionen q und /r, die, wenn die Teilchen
der Flüssigkeit, etwa nach Ai:t der elektrischen Fluida, auf einander
Femwirkungen ausüben, mit 0 im Zusammenhang stehen müssen.
Der einfachste Zusammenhang ist der, daß q mit 0, und (Tj^j^
mit dem Mittelwert von 0 in der Grenze o^j^ proportional, etwa
76"') (, = ^0, ,.,, = 1^,^(0, + aii)
ist, worin fi und v sich mit dem Orte stetig ändern können. Man
kennt übrigens kein Beispiel far von Null verschiedenes o-^^, wenn
die Körper {h) und (A) beide Leiter sind, und kann daher an
Zwischengrenzen auch rx^^ = 0 setzen:
An den äußeren Grenzflächen des stromdurchflossenen Systemes
können je nach deren Natur verschiedene Bedingungen bestehen.
Grenzt in ihnen das System an einen Nichtleiter, so wird dort
76"") n + ^ = 0,
wobei (7 s= f 0 ist Werden sie als Eintrittstiächen für die Strö-
mung betrachtet, so kann daselbst 0 oder n selbst vorgeschrieben
gedacht werden, es kommen auch Fälle vor, wo das Aggregat
5*0+11, in welchem 5 eine Funktion des Ortes bezeichnet, ge-
geben ist Die erste und letzte Größe kann, soweit die Bedingung
der Stetigkeit nicht verletzt wird, als willkürliche Funktion von Ort
und Zeit gewählt werden; die Wahl der n ist durch eine aus (76")
folgende Bedingung beschränkt, welche für einen Körper lautet
J ixdo^J -q]
^ dk.
Die vorstehenden, aus der Vorstellung einer gegen Widerstände
stattfindenden Flüssigkeitsbewegung abgeleiteten Formeln können
umgekehrt benutzt werden, um physikalische Vorgänge, welche durch
eine Funktion 0 der Koordinaten und der Zeit bestimmt sind, die
den vorstehenden analoge Bedingungen erfüllt, als Strömungs-
vorgänge zu interpretieren. —
Die Kombination der ersten Formel (76") mit den Werten (76)
und (76"') giebt der Hauptgleichung der Potentialfunktion für einen
homogenen Leiter die Gestalt
§ 12, Strämung bei wirkendem PotenHoL 297
+ (^23 + ^82) J^Ji + (^81 + ^is) g^^^ + (^12 + ^21) 5^ '
wofür man nach (72') auch schreiben kann
+ 2 A; ^— ^ + 2 A^ ^— ^ + 2 A^
77)
dydx ^dxdx ^dxdy^
sie ist also von den rotatorischen Gliedern gänzlich frei. Auf einen
isotropen Körper bezogen nimmt die rechte Seite die Gestalt A A <f^ an.
Bei ElinfÜhrung der Widerstandsaxen erhält man hieraus
Die gleiche Form kann man bei Einführung von schiefwinkligen
Koordinatenaxen X, ©, 3 auf unendlich viele Weise erhalten**).
Denn setzt man
y = <^aiJ + «229 + «23ä«
^==«31? + «829+^83*»
SO ergiebt sich als Bedingung fhr die Beziehung
das System Formeln
^1 ^21^81 + k <^22«82 + h ^28^33 = ^^
woraus man auch folgern kann
"11* . ««1* , ^31* _ 1
A*^ A^ jo /, '
Aj Aj *3 *
^'U"l8 I "88 "«8 ■ "'«4"
"18 _i_ "88 "«8 i_ "88 "88 l\
k■^ Aq A3
Die letzteren Gleichungen geben aber die Bedingung dafür an, daß
^- + y\ + ^ = ?•_ + .«)i + ii
298 //. Teil, Mechanik nichtstarrer Körper. III. Kap.
ist, und damit auch dafür, daß die Axen X, % 3 in dem sogenannten
Hauptellipsoid **)
A| ^2 Ag
ein System konjugierter Durchmesser bilden. Das Hauptellipsoid
wird in dem speziellen Falle, daß die rotatorischen Glieder ver-
schwinden, mit dem EUipsoid der Leitfähigkeiten identisch. —
Macht man die Substitution**)
78) aryÄ=iyÄ?, y}/x^fimy zvr=fyx|,
so bildet man dadurch den von dem homogenen Leiter mit den
Eonstanten A^, A^, A3 eingenommenen Raum k auf einen anderen
X ab; dem Hauptellipsoid in k entspricht dabei in x eine Kugel^
welche den gleichen Inhalt besitzt, falls speziell
78') A» = AJ A* XI
gesetzt wird. Zugleich nimmt die Hauptgleichung (77) die Gestalt an
78") /'^öT = ^^*'f*'
wie sie fiir isotrope Leiter gilt.
Hat das Medium, welches der Behandlung unterworfen wird,
speziell die Eigenschaft, daß für dasselbe die rotatorischen Kon-
stanten verschwinden, so folgt aus den Werten
4Ö J U = — /" -^ -, t) =—/"—-- , tu = — ^J - -
' ^ ox^ ^ dy ^ ax
die innerhalb des homogenen Leiters durch ein beliebiges Flächen-
stück o gehende Strömung
Jxido^ ^ j\).l ^^ cos {n,x) + II 1^ cos [n,y) + A3« ~ cos (n, 2:)) rfö ,
also
78"") jwdo = - xf^dcü ,
worin [das Integral über das durch Abbildung aus 0 gewonnene
Flächenstück co zu erstrecken ist, und v die Normale auf dem Flächen-
element d<D, — A(ö<i>/öi/) die normale Strömung durch dasselbe
bezeichnet.
Diese Betrachtungen ergeben das Resultat, daß man für die
Behandlung der Strömung an Stelle eines homogenen krystalli-
§ 12, Strömung bei wirkendem Poteniial. 299
nischen Leiters jederzeit einen durch die Substitution (78) aus
ihm transformirten isotropen Körper substituieren kann. Dabei
bleiben die Grenzbedingungen, soweit sie die Werte <l> vorschreiben,
stets ungeändert; soweit sie aber u oder §* 0 + n vorschreiben,
nur dann, wenn das Medium rotatorische Eonstanten nicht besitzt.
Eine Ausdehnung dieser Behandlungsweise auf ein System kry-
stallinischer Leiter ist deshalb nicht möglich, weil die Widerstands-
axen für die verschiedenen Teile im allgemeinen verschiedene Größe
und Richtung haben. —
Schließlich mag noch auf eine wichtige geometrische Eigenschaft
der Substitution (78) aufmerksam gemacht werden. Da sie linear
ist, so führt sie Gerade wieder in Gerade, Ebenen in Ebenen über
und beläßt Abschnitten von gleicher Länge auf einer Geraden auch
diese Eigenschaft. Hieraus folgt sogleich, daß konjugierten Diame-
tralebenen und konjugierten Durchmessern des Hauptellipsoides im
Räume k zueinander normale Diametralebenen und zueinander nor-
male Durchmesser im Räume x entsprechen, und umgekehrt.
Das Gleiche giebt die Berechnung mit Hilfe der auf S. 297
aufgestellten Formelsysteme. —
Ist 0 nur von zwei Koordinaten, etwa x und y, abhängig, so
tritt der S. 294 charakterisierte Fall ein, und man kann den Vor-
gang ganz in der Zr« Ebene darstellen. Dies gilt zwar immer, wenn
alle Verhältnisse des Problems längs der Z-Axe konstant sind, also
z. B. für cylindrische Körper bei längs der Axenrichtung konstanten
Anfangs- und Oberflächenbedingungen, nicht aber auch stets bei
unendlich dünnen Platten parallel der Xr- Ebene; sind diese z. B.
nach beiden Seiten hin durch Nichtleiter begrenzt, so wird die
Z-Komponente der Strömung, also m, verschwinden müssen, und es
kommen für u und ö die Formeln (75) zur Geltung. Noch anders
gestalten sich die Verhältnisse, wenn längs der Seitenflächen etwa
S*0+ n gegeben ist, ein Fall, auf den wir bei Gelegenheit der
Wärmeleitung eingehen wollen, wo er besonderes Interesse gewinnt.
§13. Sie Bewegung imponderabler Plnida innerhalb ponderabler
Körper; allgemeine Sätze über den stationären Zustand.
Wir gehen nunmehr zu spezielleren Anwendungen der im vo-
rigen Abschnitt abgeleiteten allgemeinen Grundbedingungen über
und wenden dieselben zunächst auf den stationären Zustand an,
wo der ganze Vorgang von der Zeit unabhängig ist.
300 //. TnL Mechanik nichtstarrer Körper» HL Kap.
Hier reduzieren sich die Formeln (76") auf
l "A + "k = 0,
während die Gleichungen (76) und (76') ungeändert bleiben, die
Bedingungen an den äußeren Grenzen des Systems aber die Gestalt
annehmen, daß entweder 0, oder n, oder g^ 0 + n als Funktion
des Ortes vorgeschrieben ist.
Man kann die Betrachtung noch etwas Terallgemeinem, indem
man in den Gleichungen (79) die Null auf der rechten Seite je durch
eine gegebene Funktion der Koordinaten ersetzt, die resp. mit r und
\j^^ bezeichnet werden mag; man erhält dann
( öji 9ü öro _
Diese Gleichungen entsprechen nach der Bedeutung der n, ü, m
und n dem Falle, daß jedes Volumenelement dk eine Quelle von
der Ergiebigkeit rrfÄ, jedes Grenzelement rfö^^ eine solche von der
Ergiebigkeit f^j^rfö^j^ enthält
Wir werden nun zunächst beweisen, daß die Gleichungen (79)
resp. (79') mit den dabei angegebenen Neben- und Grenzbedingungen
0 vollständig bestimmen, indem wir uns der S. 181 in einem spe-
zielleren Falle angewandten Methode bedienen und zeigen, daß, wenn
zwei Lösungen tfK^) und 0^) j^ii^ gegebenen r, f^^, 0^^ und 0
resp. n, oder 5* ^ + » vereinbar wären, deren Dififerenz 0' eine
Konstante, und zwar im allgemeinen gleich Null sein müßte.**)
0' genügt, falls wir die, statt aus 0, aus 0' gebildeten Größeij^
gleichfalls durch den Index ' bezeichnen, nach (79') und (76') den
Gleichungen
I— 4- — -I- — = 0
ni + iTi = 0, 0;=0i;
außerdem muß an den äußeren Grenzen des körperlichen Systeme»,
je nachdem dort 0, n, oder 5^ 0 + n vorgeschrieben ist, 0', n',
oder 32 cp» ^ „» gleich Null werden.
Wir bilden nun aus der ersten Formel (79")
^/*'(i^
dy dx)
§ 13. Stationäre Strümung imponderabler Fluida. 301
WO das Integral je über ein Bereich auszudehnen ist, innerhalb
dessen die Beschaffenheit des Mediums stetig variiert, — wie man
kurz sagen kann, über einen Körper — die Summe JS über alle,
und erhalten
Die Oberflächenintegrale verschwinden, soweit sie sich auf
Zwischengrenzen beziehen, nach den beiden letzten Formeln (79");
soweit sie sich auf die äußere Begrenzung des Systems beziehen,
überall da, wo 0' oder n' verschwinden, und ergeben
wo _ _ _
ga0' + n' = O
ist.
Setzt man noch abgekürzt die quadratische Form
so erhält man
-S'/S« W^do + JSf fl'rfA = 0.
Ist ii eine definite Form, wie da3 bei isotropen Medien aus
der Definition folgt, und wie wir auch bei anderen auf Grund aller
Erfahrungen über die Werte der Eonstanten A^j^ bei den verschie-
denen physikalischen Phänomenen annehmen dürfen, so folgt aus
dieser Gleichung in Verbindung mit 0^ = 0i, daß 0' im ganzen
Systeme konstant sein muß, und diese Eonstante bestimmt sich stets
zu Null mit Ausnahme des einen Falles, daß an der ganzen äußeren
Grenze n vorgeschrieben ist, wo sie willkürlich bleibt In diesem
Ausnahmefall ist also noch eine weitere Angabe, etwa diejenige
des Wertes von 0 für einen Punkt, nötig, um das Problem voll-
ständig zu bestimmen.
Sind Quellen nicht vorhanden, und ist an der äußeren Be-
grenzung überall n gleich Null, so ist die Lösung des Problemes
allgemein stets angebbar, wenn die Potentialsprünge 0;^^^, unter
Berücksichtigung der Durchgangsrichtung durch die Zwischen-
grenzen über jede innerhalb des Systems zu ziehende geschlossene
Eurve summiert, sich zu Null ergänzen. Dann ist für jeden homo-
genen Teil 0^ konstant, wobei die relativen Werte der Eonstanten
durch die Bedingungen
bestimmt sind.
<^» - *^* = <«»**
302 IL Teil. Mechanik nichtstarrer Körper. III. Kap,
Diese Lösung entspricht verschwindenden u, to, m, also nicht
einem Strömungs-, sondern einem Gleichgewichtszustand, wie der-
selbe in § 8 näher untersucht ist
Da alle Bedingungsgleichungen für <U in dieser Größe linear
sind, so kann man 0 jederzeit in eine Summe von Teilen zerlegen,
deren jeder Oberflächenbedingungen unterworfen werden kann, welche
von den für (p gegebenen abweichen, etwa vereinfacht sind, wenn
nur diese Bedingungen, über alle Teile von <P summiert, die direkt
vorgeschriebenen liefern. Jeder Teil wird dann vollständig bestimmt
sein, wenn die für ihn geltenden Bedingungen den aus dem Vor-
stehenden ersichtlichen Charakter haben.
Diese Zerlegungen haben einmal einen praktischen Nutzen, in-
dem sie ein kompliziertes Problem auf eine Anzahl einfacherer re-
duzieren; sie besitzen aber auch theoretisches Interesse, weil bei der
Zerlegung der Einfluß der einzelnen, <i> bestimmenden Umstände
sich anschaulich sondert —
Für einen homogenen krystallinischen Leiter ist nach dem am
Ende des vorigen Paragraphen Gesagten und imter den dort an-
gegebenen Bedingungen das Problem der Bestimmung der Strömung
zurückführbar auf dasjenige der Ableitung einer Funktion 0 aus
der Hauptgleichung
und aus gegebenen Oberflächenwerten von
0, d(Dldv, d^U^-^dd^ldv.
Diese Aufgabe, welche eine Erweiterung des in § 10 erörterten
Problemes der stationären Potentialbewegung einer inkompressibeln
Flüssigkeit darstellt, ist in § 22 des I. Teiles allgemein behandelt
0 erscheint dort als die Potentialfunktion von nach ge-
wissen, durch die GREEN'schen Funktionen ausgedrückten Gesetzen
in die Ferne wirkenden räumlichen und flächenhaften Massen-
verteilungen: hier bestimmt es sich durch die von den einzelnen
Punkten des Raumes und der Oberfläche ausgehenden Strömungen.
Man sieht daraus, daß man dieselben Formeln auf zwei durchaus
verschiedene Weisen deuten kann; ein Umstand, der für die Auf-
fassung gewisser, später zu behandelnder Erscheinungen bedeutungs-
voll geworden ist
Ist der homogene Leiter unbegrenzt, und ist allein an der
Stelle a, b, c des Raumes ä, also im Punkte a, ß, y des Raumes %
im Abstand p von |, //, f eine Quelle von der Ergiebigkeit Q vor-
handen, so wird
§ 13. Stationäre Strömung imponderabler Fluida. 303
0=._O_ ^__0
471 A ^ 4 71 A V (I - «)* + (I? - |9j« + (C - yj«
Q
1/ l A? + AS + AS
80)
Die Flächen konstanten Potentiales in k sind also EUipsoide,
die dem Hauptellipsoid (77'") ähnlich und homothetisch sind.
Für eine Anzahl von Quellen gilt analog
1 Q
0^-—Y^-\ 80')
4 7iA ^^' '
worin Q^ die Ergiebigkeit, und q^ die Entfernung der Aten im
Räume x befindlichen Quelle von der Stelle |, ^, J bezeichnet
Befinden sich die Quellen in einem endlichen homogenen
Körper ä, so kann man jederzeit setzen
wo nun <pQ innerhalb k regulär ist, der Bedingung A^tfC^o'^ ^ 6®"
nügt und an der Oberfläche die Wirkung der Summe -2* so kom-
pensieren muß, daß die dort geltenden Bedingungen erfüllt sind.
Ist nur eine Quelle im Punkte a^ b, c vorhanden, und ist an
der ganzen Oberfläche 0 konstant oder g^0 — Aö<i>/öv gleich Null
vorgeschrieben, so gilt für 0 der Reciprocitätssatz (184) auf S. 186;
sind zwei Quellen von entgegengesetzt gleicher Ergiebigkeit an den
Stellen a, b, c und a\ b\ c vorhanden, und ist längs der ganzen
Oberfläche d 0/0 v = 0, so gilt der Reciprocitätssatz (184").
0^j kann in diesen Fällen zur physikalischen Deutung der Gbeen'-
schen Punktionen G^ auf S. 185 dienen; 0 ist dabei wesentlich iden-
tisch mit den auf S. 187 aus ihnen abgeleiteten resp. Funktionen 7"^.
Ist der Raum k durch eine Ebene e begrenzt, so gilt Gleiches
vom Raum x und einer Ebene £, und man kann bei gegebenen
Quellen leicht 0 so bestimmen, daß in der Grenze entweder 0 oder
ö 0/öf verschwindet; man hat zu diesem Zwecke nur in den Spiegel-
punkten der Quellen in Bezug auf e Quellen mit der entgegen-
gesetzten oder der gleichen Ergiebigkeit anzubringen. Hierdurch sind
dann auch die GREEN'schen Funktionen G^j G^ resp. F^, F^ für den
Halbraum gegeben.
Die Lage der, diesen Spiegelpunkten im Räume k entsprechen-
den kann man ohne Rechnung finden, wenn man den oben ange-
gebenen Satz benutzt, daß normalen Durchmessern einer Kugel im
Räume x konjugierte Durchmesser des Hauptellipsoides im Räume k
304 //. Teil Mechanik nichtsiarrer Körper. IIL Kap,
entsprechen. Die Verbindungslinie jeder Quelle mit der korrespon-
dierenden ist sonach dem Durchmesser parallel, welcher der zur
Grenze parallelen Centralebene des Hauptellipsoides konjugiert ist;
die Abstände beider Quellen Ton der Grenzebene sind gleich.
Durch das Verfahren der wiederholten Spiegelung läßt sich die
Stromverzweigung in einer Reihe von endlichen, nur von Ebenen be-
grenzten Körpern behandeln; doch haben diese Probleme für Kr}'-
stalle geringeres praktisches Interesse, weil die Größe der erforder-
lichen Flächenwinkel jener Körper im Räume k von den Leitungs-
fähigkeitskonstanten des Mediums selbst abhängen.
Gleiches gilt von der Anwendung des Spiegelungsverfahrens in
Bezug auf eine Kugelfläche vom Radius P im Räume x\ hier kann
man bei beliebigen Quellen auf der KugelAäche 0 zu Null machen,
indem man zu jeder, im Abstand a, vom Centrum befindHchen, eine
auf demselben Radiusvektor im Abstand a^ = P^/cCf^ gelegene hinzu-
fügt, deren Ergiebigkeit Q^ bestimmt ist durch die Beziehung
Qk = QHi^klP^QkPI(^n oder <2Ä/a.= «iV^i-
Hierdurch ist also auch die GREEN'sche Funktion Cj resp. F^
für die Vollkugel gegeben.
Der Kugel im Räume x entspricht im Räume k ein, dem
Hauptellipsoid ähnliches Ellipsoid.
Bei unkrystallinischen Medien haben diese Methoden eine große
Wichtigkeit und gestatten dort auch die Anwendung auf gewisse
Systeme von homogenen Leitern, die durch Ebenen gegeneinander
abgegrenzt sind.*®) —
Das Strömungsproblem kann nach dem auf S. 294 Gesagten auf
zwei verschiedene Weisen zu einem ebenen werden, entweder in-
dem ID gleich Null, oder indem 0 von z unabhängig wird.
In beiden Fällen kann man schließlich schreiben
du , dt) — , — r
d"7+ö7=='^' "A + "k = Uif
Hat der betrachtete Körper keine rotatorische Eigenschaft, ist
also A^^ = ^21 ' ^^ kann man durch Einführung eines Hauptaxen-
systemes X^, Y^ aus (81) erhalten
81') -««=^?||, -"" = ^211
und hierauf die (78) analoge Substitution
81") xfÄ^^^Ä\, yyT=i?VJö, A^^A\Al
anwenden, welche die gleichen Folgerungen gestattet, wie jene.
§ 13, Ebene Strömung mit Rotation. 305
Ist nur eine Quelle von der Ebrgiebigkeit Q an der Stelle ar=a, y =i
vorhanden, so erhält man den (80) entsprechenden Wert
Q
0= -
dem für eine beliebige Anzahl von Quellen mit den Ergiebigkeiten Qj^
in den Punkten a^^, i^ der durch Erweiterung erhaltene Ausdruck
"f^-^h^^^nh), 81"")
entspricht; c resp. e^ bezeichnet die Entfernung des betrachteten
Punktes |, tj von der betreffenden Quelle im Räume x.
Bei beliebiger Begrenzung ist das auf S. 303 auseinandergesetzte
Verfahren anwendbar und gestattet bezüglich gewisser Beciprocitäts-
sätze, sowie bezüglich der physikalischen Interpretation der Gbebn'-
schen ebenen Funktionen (?i analoge Polgerungen, als dort bezüg-
lich der räumlichen G^^ gezogen sind.
Die Methode der Spiegelpunkte gilt hier in der Ebene, wenn
die Begrenzungen durch Gerade und Kreisbögen gegeben sind, ähn-
lich wie früher im Räume bei ebenen und kugeligen. Grenzen. —
Von besonderem Interesse sind bei dem ebenen Problem die
Medien, für welche die rotatorischen Glieder nicht verschwinden.
Legt man die ^Axe in die Richtung des Vektors T, so nehmen in
den wichtigsten ersten beiden auf S. 294 angegebenen Fällen die
Gleichungen (81) die mit (76") gleichwertige Gestalt an:
^d0 8 0 ^ ^ö0, 8 0 ooN
^u = Ä^-r-^-, -t) = A^ + r^. 82)
Die Kauptgleichung lautet hier, soweit man von räumlichen
Quellen absieht,
A,/i> = 0; 82')
die Komponente n der Strömung nach der Richtung der Normalen n
auf einem Kurvenelement ds wird zu
^80 , 80 QO"\
8n ds ^ *
falls man cos(n, ar) = — cos(ä, y), cos(n, y) = + cos(*, :r) setzt.
Ist das Bereich der XZ- Ebene, in dem die Strömung statt-
findet, gar nicht oder aber durch Kurven begrenzt, längs deren 0
vorgeschriebene Werte annimmt, so kommen die rotatorischen Glie-
der für das Problem der Aufsuchung von 0 nicht in Betracht;
anders natürlich, wenn längs der Grenzen n oder 3*0H-n vor-
geschrieben ist, die selbst r enthalten. Dies ist von Belang, wenn
es sich um den experimentellen Nachweis der Ebdstenz der rotato-
rischen Konstanten für ein Medium, eventuell um ihre Bestimmung
Voigt, Theoretische Physik. 20
306 //. Teil. Mechanik nichtstarrer Körper, III, Kap.
handelt, und die Beobachtung nur an die Werte von 0, nicht aber
an die Größe und Richtung der resultierenden Strömung an-
knüpfen kann.
Die durch (82) dargestellte Strömung läßt sich jederzeit als
eine Potentialbewegung auffassen, deren Potential im allgemeinen
mehrwertig ist; hierin, und in dem eigentümlichen Zusammenhang,
der zwischen jener Strömung und der bei verschwindender Rotations-
konstante T stattfindenden besteht, liegt das besondere Interesse,
welches diese Vorgänge besitzen.
Setzt man t = 0, also
wo sich — A^ als Strömungspotential darstellt, so kann man nach
S. 276 für 0 den reellen Teil einer Funktion f{x + iy) wählen; gleich-
zeitig giebt dann der imaginäre Teil eine Strömungsfunktion JSy
deren Konstantsetzen die Gleichimg der Stromkurven liefert.
Bei nicht verschwindendem r bilden wir aus dieser Funktion
f{x + iy) = (0 + i2),
indem wir wie auf S. 295 rll = tga setzen,
831 ! ^^"^ "*" '^^ " ^^ ~ '■*« «) A^ + iy) = (1 - «'tg «) (^ + i^h
' \ ={(li + 2tga) + i{2- 0iga)= <lf+i:S',
worin 0'
und 2!^ neue Bezeichnungen sind.
Wegen
80 8Z 80 8Z
dx "^ 8y ' 8y ~ 8x
gilt dann
.8 0' ^ .8 0' .8 0'
83')
8x ^ 8y ^ 8n
sowie
83")
.8Z' ^ , 8Z'
ri^i ' rinr.
Demgemäß stellt sich 0' als das Potential, -2" als die Strö-
mungsfunktion der rotatorischen Bewegung dar, und es gilt
83-) <2> = 4=:f^-^, ^=4±:^.
' ^ l+tg^a' l+tg"o
Ergiebt die dritte Formel ^ mehrwertig, während seine
physikalische Bedeutung Einwertigkeit verlangt, so ist die bez. Lö-
sung nur in einem angemessen begrenzten Bereich der Ebene an-
wendbar.
§ 13. Ebene Strömung mit Rotation, 307
Die vorstehenden Eesultate gestatten ohne Eechnung wichtige
Folgerungen abzuleiten.
Ist 0' = ax^ JS* = ay, so verlaufen die Stromlinien parallel
der X-Axe, und es wird
0 ist also konstant, wenn gleiches für x -— y ig cc gilt Diese Be-
wegung läßt sich durch zwei Gerade parallel zur X-Axe begrenzen,
falls in ihnen das Medium an Nichtleiter stößt; ist die Breite des
so erhaltenen Streifens gleich b, so ist die Differenz ^^j der
Potentialwerte in gegenüberliegenden Punkten
^j2 = ab sin a cos a; 84')
ihre Beobachtung gestattet die Bestimmung von a und somit die-
jenige der rotatorischen Konstanten t.
Ganz analog läßt sich die radiale Strömung in einem schmalen
Ejreissektor verwenden, wenn letzterer von Nichtleitern begrenzt ist.
Für eine Quelle in der unendlichen Ebene ist nach (81'")
0=-^/W, 85)
worin Q die Ergiebigkeit der Quelle und e ihren Abstand von dem
betrachteten Punkt bezeichnet Hieraus folgt bis auf eine irrelevante
Eonstante
^=--^i>, 85')
falls & den Winkel zwischen dem von der Quelle hinweg positiv
gerechneten e und der X-Axe bezeichnet, und
*^=-2&('W + **8«), ^=-2fi(*-/Wtg«). 85")
Es sind in diesem Falle also die Kurven sowohl konstanter 0' als
konstanter JS^ logarithmische Spiralen mit der Quelle als Pol;
erstere schließen mit den Eadienvektoren die Winkel (3r/2) + a,
letztere, die Stromkurven, mit ihnen die Winkel a ein. Durch Ver-
gleichung mit S. 286 erkennt man, daß in dem vorliegenden Fall
die Quelle zugleich die Rolle eines Wirbelfadens spielt
Ist parallel der X-Axe eine geradlinige Grenze vorhanden,
längs welcher n verschwindet, so kann man der dadurch gelieferten
Bedingung genügen, indem man
20*
308 //. Teil. Mechanik niehtstarrer Körper, UL Kap.
setzt, worin e die Entfernung des in Bezug auf die Grrenzgerade ge-
nommenen Spiegelpunktes der Quelle und &' den Winkel von e gegen
die X-Axe bezeichnet
Diese Formeln ergeben um den Spiegelpunkt eine entgegen-
gesetzte Rotation, wie um den QueUpunkt; der ihnen entsprechende
Ausdruck für 0 ist in der stromdurchflossenen Halbebene ein-
wertig.
Das Spiegelungsverfahren ist bei der Grenzbedingung n = 0
mitunter auch anzuwenden, wenn mehrere geradlinige Grenzen vor-
handen sind, und läßt sich mit einer der S. 304 erwähnten Ab-
änderung analoger auch auf kreisförmige Grenzen tibertragen.
§ 14. Die Bewegung imponderabler Fluida innerhalb ponderabler
Körper; allgemeine Sätze über den yeränderliohen Zustand. Biffiuiion.
Wenden wir uns nunmehr zur Behandlung des veränderlichen
Zustandes, so sollen auch hier zunächst die Bedingungen untersucht
werden, welche neben den Formeln (76") das Strömungsproblem
vollständig bestimmen*^. Wir fügen zu den oben benutzten, daß
an den Zwischengrenzen 0^ — 0^^ = (^^^ und an den äußeren Grenzen
des Systemes entweder 0 oder n oder 3^0 + n vorgeschrieben ist,
noch die weitere, daß zu irgend einem Zeitpunkt, von welchem aus
wir t rechnen wollen, 0 für das ganze System gegeben ist.
Wären zwei Lösungen </>j und <i>2 mit diesen Bedingungen
vereinbar, so müßte ihre Differenz 0^ — 0^ = c/>' den beiden
Gleichungen (76") analoge befriedigen, es müßte an den Zwischen-
grenzen 0' stetig sein, an der äußeren Begrenzung des Systemes 0
oder n' oder g* 0' + n' verschwinden, desgleichen zur Zeit f = 0 im
ganzen System 0' selbst.
Hieraus folgt aber, wie sich zeigen läßt, daß 0' in dem ganzen
System verschwinden muß. Denn bezeichnet man wieder alle statt
aus 0 aus 0' gebildeten Funktionen durch den Index ', so folgt
aus der ersten Formel (76"), die wir nach (76"') schreiben
««) fe + S + lr + '-l?-».
sei ^//«,.(«+^ + « + ,^).,«_o,
WO die 2fdk sich auf das ganze System erstreckt und die Inte-
gration nach der Zeit von ^ = 0 bis zu einem beliebigen t — t^ ge-
nommen wird; hieraus erhält man aber leicht
§ 14. Veränderliehe Strömungen imponderabler Fluida. 309
2'JJ(tfn'dtdo
-^If {'■'-£ +.-?^+»'^).*..+t^/.|<.'
2
rfÄ = 0.
86")
Das Oberflächenintegral verschwindet an den äußeren Grenzen,
soweit daselbst 0 oder n vorgeschrieben ist, und giebt, soweit gleiches
flir 5*0 + n gilt, + JSff^^^^dodt Wo die Bedingung (76"")
gilt, also n + vd(Pldt =: 0 ist, wird aus dem Oberflächenintegral
Für die Zwischengrenzen folgt durch Zusammenfassung der auf
dasselbe Flächenelement doj^j^ bezüglichen Teile, falls man das
gelegentlich der Gleichung (76"') über cr^^ Gesagte benutzt, daß sich
die bezüglichen Tenne sämtlich hinwegheben. Führt man noch die
durch (79"') definierte Abkürzung ß ein und berücksichtigt, daß 0'
für ^ = 0 überall verschwindet, so erhält man aus (86') schließhch
:sff^^(l>'^dodt + 2^Jsi'dkdt
+ ^:sfv{W\do + \:sffjL{0'\dk^O, .
86"')
und dies ergiebt, daß, wenn fl eine definite quadratische Form und
fji und V positiv ist, 0' zu jeder Zeit innerhalb des ganzen Systemes
gleich Null sein muß. Damit ist auch erwiesen, daß 0 durch die
oben zusammengestellten Bedingungen vollständig bestimmt ist. —
Wie früher für den stationären, so bietet auch hier für den ver-
änderlichen Zustand die Zerlegung der Potentialfunktion </> und dem-
gemäß diejenige der in ihr linearen Bedingungsgleichungen praktisclie
und theoretische Vorteile.
Wir wollen von diesem Hilfsmittel eine Anwendung auf den
Fall machen, daß die Bedingungen für die äußere Grenzfläche des
körperlichen Systemes die Zeit nicht explicit enthalten, also 0
resp. n oder g^ 0 + n als Funktionen des Ortes allein gegeben sind,
worein verschwindendes a einbegriffen sein mag. Dann bestimmen
dieselben mit den Gleichungen (79) und den Bedingungen (76) und
(76') zusammen eine Funktion 0^ welche den mit den Bedingungen
vereinbaren stationären Zustand charakterisiert Ist dabei an der
ganzen Oberfläche u vorgeschrieben, so muß /nrfö = 0 sein.
Setzen wir nun
0= 00+01, 87),
810 //. Teil. Mechanik nichtstarrer Körper. III. Kap.
80 muß (p^ die unter Rücksicht auf (76) gebildete Hauptgleichung
erfüllen, in den Zwischengrenzen
87") *Ä = 0i? und ujj + iii? = 0
und an den äußeren Grenzen des Systemes, je nach den dort für 0
vorgeschriebenen Bedingungen, 0^, n® oder g* 0® + n® gleich Null
ergeben. Ist zur Zeit ^ = 0 der Wert von 0 gleich F {z, y, z) vor-
geschrieben, der natürlich den Bedingungen 0^ — 0,^ = 0^* genügen
muß, so gilt ebenda für 0*^
Multipliziert man die Gleichung (87') mit 0^dk und integriert
über das ganze körperliche System, so erhält man unter Benutzung
der Bezeichnung (79'")
\~:sffjL{0^)^dk = :sfWnUo'^:sfn^dk.
Das Oberflächenintegral verschwindet, soweit es sich auf Zwischen-
grenzen bezieht, und giebt an den äußeren Grenzen den von Null
verschiedenen Wert — -2'/g*(0^ do nur, soweit g* 0ö + n^ = 0
vorgeschrieben ist. Man erhält sonach*®)
d
87'") ^-^:sffi{0ydk = - :sfd\0ydo - 2fSi^dh.
Diese Formel zeigt, daß der Mittelwert von [0^ in dem ganzen
System dauernd abnimmt; diese Abnahme muß indessen mit der Zeit
immer langsamer werden, da 2fii[0ydk jedenfalls nicht kleiner
als Null werden kann, und sie verschwindet ganz, wenn die rechte
Seite der Gleichung (87'") verschwindet Im allgemeinen ist hierzu
erforderlich, daß auch 0® im ganzen System verschwindet, nur in
dem speziellen Falle, daß längs dessen gesamter Außengrenze n
vorgeschrieben, also n® = 0 ist, geschieht dies schon, wenn 0® inner-
halb des Systemes konstant ist.
Hieraus ist zu folgern, daß unter den gemachten Voraussetzungen
mit wachsender Zeit endlich ein stationärer Zustand eintritt, der
im allgemeinen gar nicht, in dem speziellen Falle, daß an der
ganzen äußeren Fläche n gegeben ist, aber nur in einer additiven
Konstante von dem Anfangswert 0 = jP abhängt.
Diese Konstante C, die, wie S. 301 gesagt, bei dieser letzteren
Form der Oberflächenbedingung durch alleinige Betrachtimg des
§ 14. Veränderliche Strömungen imponderabler Fluida. 311
definitiven Zustandes ohne eine spezielle auf sie bezügliche Angabe
nicht bestimmbar ist, findet sich bei Rücksicht auf die Anfangswerte,
aus welchen jener Zustand sich entwickelt hat, und auf die Be-
dingung JSfn rfo = 0 folgendermaßen.
Aus (86) erhält man durch Integration über das körperliche
System
somit also
:Sffi0dk=: Const.,
oder da zur Zeit ^ = 0 gilt 0 =^ F, zur Zeit des stationären Zu-
standes 0 =i Cj auch
C ist somit das in einem gewissen Sinne berechnete arithmetische
Mittel aus den Anfangswerten von 0. —
Über die Art der zeitlichen Veränderung von 0® erhält man
für Medien ohne rotatorische Qualität eine merkwürdige Fprmel,
indem man durch Integration über dSi^jdt bildet
A^Jfl.« = 2^/'^„.i.
woraus gemäß der Hauptgleichung und den Grenzbedingungen von
S. 301 für a>^ folgt
-jj\2JnUk + 2fvWYdo =-^22ffil^Ydk. 88)
Setzt man hier den Wert der EQammer links aus (87'") ein, so
erhält man
d
oder, was hiermit identiscli ist,
^ft^m'^-^dk = 0, 88')
eine Formel, die gar nichts auf die örtliche Veränderlichkeit von 0^
bezügliches mehr enthält
Beim Eintritt des stationären Zustandes ist 0^ im ganzen
System konstant und zwar, wenn längs der ganzen Oberfläche n von
312 //. T&ü, Mechanik nichtstarrer Körper, IIL Kap.
der Zeit unabhängig ist, im allgemeinen von Null yerschieden; hier
wird dann noch einfacher
88") . 2:j^^;
Zum Zwecke der Ableitung allgemeiner Sätze über den ver-
änderlichen Zustand in einem homogenen krystallinischen Körper
kann man die erste Gleichung (76") durch Einfuhrung der schon
oben benutzten Substitution (78) auf die Form
89) AAf,^*-^-!?"^
reduzieren. Führt man eine Funktion X ein, welche der Gleichung
890 ÄAf,fX+,u^ = 0
genügt, so erhält man fiir 0 und X eine dem GBEEN'schen Satze
ähnliche Gleichung, indem man die erste Gleichung mit Xdxdt, die
zweite mit (Pdxdt multipliziert und die Differenz über einen Kaum x
im Ä-fifZ- System, innerhalb dessen 0, X und ihre ersten Derivierten
sich regulär verhalten, sowie über die Zeit von ^ =: 0 bis zu dem
betrachteten Moment, der ^ = f^ gesetzt werden mag, integriert Der
Raum X entspricht dabei einem Kaum k in dem eigentlichen Körper,
wie er durch die Substitution (78) sich aus x ergiebt**).
Man erhält
89")
- fifdx{H)X\ + fxfdxid^X), « 0.
Hierin bezeichnet (o die Oberfläche von x, und v die nach innen
positiv gerechnete Normale auf dw.
Wir wollen nun annehmen, X werde zu dem Zeitpunkt t=t^
an einer Stelle Uj ß, y des Raumes x unendlich und gleichzeitig im
übrigen Eaume x gleich Null, so muß man in den auf die Zeit f = /^
bezüglichen Teüen der vorstehenden Integrale den Punkt a^ ß^ y
durch eine kleine Oberfläche (o\ sagen wir durch eine Kugel vom
Radius (), ausschließen und das Raumintegral nur auf den in Bezug
auf sie äußeren Teil x — x' von x ausdehnen, das Oberflächen-
integral aber auch auf die Oberfläche (J von x\ Das erste Raum-
integral über X — 7i verschwindet dabei nach der Annahme ; das
fragliche Oberflächenintegral, welches zu dem in (89") vorhandenen
§ 14. VeränderUeke Strömungen unponderabler FhMa, 313
hinzutritt, lautet, da nur die unmittelbar t^ benachbarten Elemente
des Zeitintegrales einen Wert geben,
J^-xfdtfd.'{x^-i^%), 90)
worin r eine sehr kleine Zeit bezeichnet
Nun wollen wir spezieller annehmen, daß X in der Nähe von
^ = ^ sich verhält, wie die der Gleichung (89'] genügende Funktion
y = -^ «" ^ 90')
worin r = ^ — #, p^ = (| — «)* + (i? — /?)* + (f — y)^ und C eine Kon-
stante ist
Es ist dann
und man kann schreiben
Läßt man hierin q und r zugleich unendlich klein werden und
zwar so, daß q^/t an der unteren Grenze verschwindet, an der
oberen aber unendlich wird, so läßt sich das Integral berechnen.
Setzt man nämlich
so wird
y II J q J \Bq q I
0
und es verschwindet wegen (o^ ^ Ang^ das erste Glied der Klammer
mit verschwindendem (>, das zweite giebt, da 0 stetig ist,
Verfugt man noch über die willkürliche Konstante so, daß
so folgt schließhch
/= ^fl(Paßy 90'")
und die Gleichung (89") nimmt die Gestalt an
814 //. Teä, Mechanik niehistarrer Körper, IIL Kap,
91) f^0aßy = - kjdtjdm (x ^ - 0 ^) + (ifdx (0X)o,
0
drückt also den Wert von 0 zur Zeit ^ an einer beliebigen Stelle
von X mit Hilfe der Funktion X durch die Randwerte von 0 und
d0jdv zu jeder Zeit zwischen 0 und t^ und den Anfangswert 0^
von 0 im ganzen Innern von x aus.
X ist indessen durch die bisherigen Festsetzungen noch nicht
vollständig bestimmt
Legt man ihm die Bedingung auf, daß es an der Oberfläche
von X verschwindet, so fällt d0/dv aus der letzten Gleichung heraus,
und 0aßY bestimmt sich allein durch 0 und 0q\ legt man ihm die
Bedingimg dX/dv = Const auf, so wird 0a ßy his auf eine additive
Eonstante durch 00/ dv und 0q ausgedrückt; setzt man endlich
8*X — ÄöX/öfrsO, worin g auf der Oberfläche variieren kann, so
wird 0aßy durch das Aggregat ^^0 — kd0ldv und 0^ gegeben.
Daß durch diese Festsetzungen X jedesmal völlig bestimmt ist,
folgt aus den Betrachtungen auf S. 809, in denen nur die Zeit f=^
an Stelle von ^ = 0 zu setzen ist.
In der That, vertauscht man in der Hilfsfunktion X das Argu-
ment t mit ^1 — f und bezeichnet das Resultat als Funktion von t
durch 0^, 80 erfüllt 0' nach (89') die Gleichung
91-) AA0'-/i^' = O
und verhält sich in a, ß, y zur Zeit ^ = 0 nach (90') und (90") wie
die Funktion
91") ^' = 1/(4^)
8 -'*^
4a
ist aber im übrigen mit seinen ersten Derivierten endlich und stetig.
Diese Funktion 0 hat dann eine einfache Bedeutung.
Sei über die Oberflächenwerte von 0 resp. d0\dv so verfugt,
daß das Oberflächenintegral verschwindet, und sei 0^ überall gleich
Null mit Ausnahme eines Volumenelementes x an der Stelle |, 17, f,
wo es gleich Eins ist, so wird aus (91)
0«^y = x'(X),«o = ^'(*')r = ..;
also ist 0^ identisch mit dem Potentialwert 0, welcher unter diesen
Bedingungen zur Zeit t^ in a, /9, y eintritt, dividiert durch x.
Setzt man in (89") für X den früheren Wert und zugleich
für 0 die Funktion 0 mit dem Pol in a, /9', / statt in a, /9, y ein.
§ 14. Veränderliche Strömungen imponderabler Fluida. 315
was durch 0'' bezeichnet werden mag, so muß für die Zeit t^t^
der Punkt a, ß, y, für ^ = 0 der Punkt a , /9', y ausgeschlossen
werden. Die Baumintegrale, welche über den äußeren Baum zu
erstrecken sind, yerschwinden beide; Ton den Oberflächenintegralen
bleiben, wenn, wie vorher, die auf die äußeren Begrenzungen bezüg-
lichen durch die Verfügungen über X und 0' zu Null gemacht
werden, nur die über die Hilfsfiächen erstreckten und liefern
Da nun aber X [t) = 0' (^ "~ 0 ist, so giebt dies auch
^-Vyt. = 'K'ß^yi. 91'")
und damit den Satz:
Wird an der ganzen Oberfläche co entweder 0, oder 00/ dv
oder 5*<J> — AÖ0/ÖV dauernd gleich NuU erhalten und wird <J> zur
Zeit ^=0 einmal in cc, ß, y, das andere Mal in a', ß", y in gleicher
Weise unendlich, im übrigen Null, so hat 4> zur Zeit t^t^ das erste
Mal in «', ß!^ /, das zweite Mal in a, /9, y den gleichen Wert. —
Ist der Baum A unbegrenzt, so genügt man allen für ^ ge-
stellten Bedingungen, indem man X = ;^ setzt *^; hierdurch erhält
man dann aus (91)
worin e» = (I - a)* + (1? -/?)* + (? - y)^ ist.
Es trägt also jedes Baumelement dx einen mit dem Anfangs-
wert 0Q proportionalen Teil zu dem in a, /9, y zur Zeit t^ statt-
findenden Wert 4> bei, gemäß der räumlichen und zeitlichen Ent-
fernung in der Weise geschwächt, wie es der Faktor von ^^dx
im obigen Ausdruck angiebt
Ist 0Q nur in einem Baumelement von Null verschieden, und
zwar <i>^d^ == Vo» so erhält man flir aUe endlichen Werte p
Hieraus folgt, daß zu einer Zeit
y « -^ 92")
0 einen Maximalwert erreicht von dem Betrage
— 9o M
92"')
Dieser Maximalwert nimmt also indirekt der dritten Potenz der
316 //. Teü. Mechanik nicktstarrer Körper. III, Kap,
Entfernung ab, und die Zeit, welche bis zu seinem Eintritt verläuft,
ist mit dem Quadrat der Entfernung proportional; die Fortpflanzung
geschieht also nicht gleichförmig.
Ist 00 längs Gerader parallel zur Z-Axe konstant YOi^eschrieben,
so giebt Formel (92)
worin «2 -- (I _ ^Y -j- (^ _ ^a ist; gilt gleiches fiir Ebenen parallel
zur Ä-fif- Ebene, so erhält man
Diese Formeln lassen sich ähnlich, wie (92), auf die Fälle
spezialisieren, daß <J>^ entweder nur längs einer Geraden, oder nur
längs einer Ebene von NuU verschieden ist, und ergeben ähnliche,
aber abweichende Gesetze für die Fortpflanzung von 0^. —
Ist der Raum k irgendwie begrenzt, so kann man X = ;if + X^
setzen, wo X^ der Gleichung (89') genügt, sich in k regulär ver-
hält imd dazu dient, um die Wirkung von x ii^ der Grenze so zu
kompensieren, daß die dort geltenden Bedingungen erfüllt werden.
Für eine Ebene kann man die Bedingung, daß X oder dXjdv
längs derselben verschwindet, dadurch erfiillen, daß man X^ resp.
gleich ^x' oder +x' setzt, wo x diejenige Funktion bezeichnet,
welche aus x wird, wenn man darin die Stelle or, ß, y mit ihrem
Spiegelpunkt a', /9', / in Bezug auf die Grenzebene vertauscht.
Um die Wirkung allein der in der Grenzebene vorgeschriebenen
Werte von <J> oder d^bjdv zur Geltung kommen zu lassen, kann
man den Anfangswert </>o überall gleich Null setzen und erhält so,
da x' ^ der Grenze gleich Xj dx'jdv ebenda gleich -^dx/dv wird,
die beiden Formeln
94)
0
f,0,^^ = + 2xjdrj^[ib\,^^^^d^',
0
Ist im Baume x die Grenze die S-ff- Ebene und ist längs der-
selben <J> oder dU^jdv örtlich konstant, obwohl zeitlich variabel, so
ergiebt dies wegen
§ 14. Diffuium.
317
und
=i/(S
8
l^-|i--2,K-,)p/{ji-y
94')
die Resultate
h
*.--l/^/(^L.;
0
4Jlr
dl
VT
(p.
(A^
aßY
= + ^|/^/w<'-)^"^"7f
94")
welche angesehen werden können als die Fundamentalgesetze für
die Fortpflanzung ebener Wellen des imponderabeln
Fluidums")._
Ist z. B. 0 als periodische Funktion der Zeit mit der Periode T
gegeben, so pflanzen sich, wie die Ausrechnung des letzten Inte-
grales lehrt, in großer Entfernung y die Maxima und Minima mit
der Geschwindigkeit VAnXjiiT parallel der Z-Axe fort, während
ihre Größen in geometrischer Progression abnehmen. —
Von den speziellen Vorgängen, auf welche die in diesem Para-
graphen angestellten allgemeinen Überlegungen Anwendung gestatten,
werden die wichtigsten in späteren Abschnitten Besprechung finden.
In näherer Verbindung mit den in diesem Teil behandelten Be-
wegungen ponderabler Massen steht von ihnen nur die Diffusion
einer gelösten Substanz in einem Lösungsmittel, falls man die bei
der Lösung stattfindende Volumenänderung yemachlässigen darf.
Damit ist verwandt die Diffusion zweier Flüssigkeiten, die sich in
allen Verhältnissen und ohne Kontraktion mischen**).
Hier liegen die Verhältnisse insofern besonders ein&ch, als bei
einer Flüssigkeit alle Richtungen unterschiedslos, und die Formeln
(76) daher mit den ein&cheren
u = — A-^
3 ö<P ^ ,00)
da? ' ' äy ' " dx
zu vertauschen sind.
Die Potentialfunktion, welche die Diffusion bewirkt, wird, wenn
man von der Schwere absehen kann, nur von der Konzentration der
Lösung oder auch der Dichte (>' der gelösten Substanz innerhalb der
Lösung abhängen und kann nach der Beobachtung, welche die aus
318 //. Teil. Mechanik niefästarrer Korper. III. Kap.
dieser Annahme gezogenen Folgerungen befriedigend bestätigt, der
Dichte proportional, oder bei geeigneter Definition des Faktors k
ihr gleich gesetzt werden.
Man erhält so
95) u^-l^^, t, = -X^, to = -X^, n = -X^,
und aus (86) wegen ft = 1
95-) ^Ae' = ^;
l ist der Di£fusionskoe£&zient, über dessen kinetische Deutung S. 74
gesprochen ist; hängt p' nur von der ^-Koordinate ab, so ergiebt
(Oö') die dort erhaltene spezielle Form
^ ö»» "~ di '
An festen Wänden ist dg' /dn^s^O, dagegen an Stücken der lös-
baren Substanz (>' = p', d. h. gleich der Dichte in konzentrierter
Lösung. Flächen letzterer Art sind also als Eintrittsflächen zu
betrachten, und zwar streng genommen als mit der Zeit veränder-
liche, da die Herstellung der vom Oberflächenelement do während dt
abströmenden Menge dm=^ ^ o'ndodt die Auflösung einer Schicht
von der Dicke dn erfordert, gegeben durch rfm= —Q^dudo, worin
Qq die Dichte der festen Substanz bezeichnet Es gilt sonach für
die Verschiebung der Grenzfläche
indessen kompliziert ihre Berücksichtigung das Problem überaus, da
sie neben der Bewegung der gelösten Substanz auch noch eine
solche des Lösungsmittels veranlaßt; man trifit deshalb in Praxis
Vorkehrungen, dieselbe bei Beobachtungen zum Zweck der Bestim-
mung von X zu vermeiden.
§ 15. Bewegungen tropfbarer Flüssigkeiten mit freier Oberfläche.
Die Strömung von Elektricität und Wärme erstreckt sich in
einem unendlichen Leiter jederzeit, wenn auch eventuell mit un-
endlich abnehmender Intensität, nach aUen Seiten bis ins Unend-
liche; dagegen sind in wirklichen Flüssigkeiten, welche bis ins Un-
endliche reichen, Bewegungen möglich, die sich auf endliche Bezirke
beschränken und durch eine Unstetigkeitsfläche gegen den äußeren
ruhenden Teil abgegrenzt werden, so lange nur die Grundeigenschaft
§ 16. Bewegungen mit freier Ober flocke, 319
der idealen Flüssigkeiten, keine tangentialen Druckkomponenten zu-
zulassen, vorhanden ist
Längs solcher Flächen muß dann also
u' cos (n, x) + v' cos (n,y) + w' cos (n, z) = 0
und
d. h. gleich derjenigen Funktion der Koordinaten sein, welche den
Druck in dem ruhenden Teile der Flüssigkeit nach den in § 4
dieses Teiles entwickelten Gesetzen angiebt Wirken keine Kräfte,
so giebt die zweite Bedingung/? = Const Dasselbe gilt angenähert,
wenn die ünstetigkeitsfläche die Grenze zwischen einer bewegten
tropfbaren Flüssigkeit und einem ruhenden Gas, also eine freie Ober-
fläche im weiteren Sinne des Wortes ist.
Bei tropfbaren Flüssigkeiten kann der Druck in der ünstetigkeits-
fläche auch verschwinden, ohne daß der Vorgang unmöglich wird,
und dann kann man ohne Änderung der Bewegung die ruhende
äußere Flüssigkeit vollständig beseitigen und dadurch die Grenze
im strengen Sinne zu einer freien Oberfläche machen.
In diesem FaUe ist auch die Voraussetzung, daß die ünstetig-
keitsfläche ruht, nicht mehr nötig, jede Fläche /? = 0 wird eine freie
Oberfläche darstellen können, wenn nur die Bedingung
erfüllt ist.
um die neue Bedingungsgleichung p = f{xyy,z) oder p = Const
auch durch die Geschwindigkeiten auszudrücken, müßte aus den
Hauptgleichungen (43) erst ein Wert für p durch einmalige Inte-
gration gewonnen werden. Dies ist aber weder auf Grund der
Gleichungen (43) direkt, noch auch mit Hilfe der allgemeinen Sub-
stitution (61) möglich. Man gelangt dazu aber^^) mit Hilfe jener
zweiten Zerlegung von u, r', to, die S. 193 angegeben ist, und gemäß
welcher man setzen kann
Hieraus folgt sogleich für die Wirbelkomponenten
dHdG öGdH
2r =
2m' =
271'==
dy dx dy dx^
dHdG ÖGdH
dx dx dx dx^
dHdG dG dH
dx dy dx dy'
970
320
IL TSeiL Meekamk niekUtarrer Särpmr. UL Kap.
und dies giebt
97")
ox dy 0% '
d. h. die Wirbellinien sind die SchnitÜnirven der Oberflächen G = Const
und JS = Const
Durch eine ein£Gu;he Rechnung findet man weiter
öHdG öQdH
d
dy
dt
t '^ dx\dt'^ dt) '
dt dx dt dx
dV^ dB da dG dB
dx di dx dt dx
u. 8. f. und die Gleichungen (43) nehmen, falls man ein Kräfte-
Potential 0 voraussetzt und
dt
97'")
abkürzt^ die Gestalt an
dBdG _dQdB
dt dx dt dx
dBdG dGdE
98)
dt dy dt dy
dBdG dGdE
dt dx dt dz
di
dSl'
dx '
dSl'
dy '
dSl'
dx '
Nun bewegen sich aber nach S. 271 die Flüssigkeitsteilchen bei
Einwirkung konserrativer körperlicher Eräfte mit den Wirbellinien«
und hieraus folgt, daß unter den gemachten Voraussetzungen
98')
und
dB _ dG _^
dt ~~ dt "^
fl' = r,
d. h. gleich einer Funktion von t allein sein muß. Diese Gleichung
liefert allgemein das Gewünschte, denn sie ergiebt
98")
oder auch, da nach (98')
rrdG ö-/ 'öö^ , 'öö , ,dG
d x
dy
und dies nach (97)
dx
,dF
)
ist, auch
jrn . , d F . , d F ,
§ 15, Bewegungen mit freier Oberfläche. 321
- 77= 0 - 1^8 + g - T. 98'")
Für die stationäre Bewegung einer inkompressibeln Flüssigkeit
folgt aus (98")
;? = (>(C-*-|F2), 98'"')
worin C eine Konstante bezeichnet; dies giebt, wenn äußere Kräfte
nicht wirken und an irgend einer Stelle der Flüssigkeit p == p^,
V^Vq vorgeschrieben ist,
also die kleinsten Drucke an den Stellen größter Geschwindigkeit.
Verbinden wir mit diesen Formeln die auf S. 266 gemachte
Bemerkung, daß innerhalb tropfbarer Flüssigkeiten der Zusammen-
hang zerreißt, wenn der Druck einen gewissen negativen Grenzwert
erreicht, so können wir schließen, daß stets diskontinuierliche Be*
wegungen einsetzen werden, wenn die Geschwindigkeit eine gewisse
Größe überschreitet
Ein hierher gehöriger besonders einfacher Fall ist derjenige
einer ebenen stationären Potentialbewegung, welche durch eine feste
Wand begrenzt wird, die irgendwo eine einspringende scharfe
Kante besitzt An ihr würden, wenn man das Geschwindigkeits-
potential nach den früher gegebenen Eegeln berechnet, die Potential-
j3ächen unendlich nahe zusammenrücken; es würde also die Ge-
schwindigkeit imendHch groß werden und der Druck unter jede
negative Grenze herabsinken, d. h., die so gefundene Bewegung würde
unmöglich sein.
In Wirklichkeit verlassen daher die bisher längs der Wand
verlaufenden Stromlinien an jener Kante in zunächst tangentialer
Richtung die Wand und erfüllen weiterhin eine Fläche, längs deren
die Bewegung diskontinuierlich ist Der zwischen ihr und der Wand
liegende Baum kann im einfachsten Fall mit ruhender Flüssig-
keit angefQUt sein, er kann auch unabhängige Strömungen ent-
halten; jedenfallB aber müssen in der Diskontinuitätsfläche die Be-
dingungen (44) und (44') erfüllt sein.
Auch bei der Strömung gasförmiger Flüssigkeiten würde eine
ähnliche Anordnung eine Diskontinuitätsfläche hervorrufen; denn an
der Kante würde eine unendlich kleine Dichte und demgemäß eine
faktische Trennung des Gases von der Wand eintreten. Dagegen
würde sie bei einem imponderabeln Fluidum keinerlei Singularitäten
bewirken. -
Beschränken wir uns weiterhin auf Grenzen, in denen p = Const.
Voigt, Theoretische Physik. 21
322 IL Teü, Mechanik mehtstarrer Körper. III. Kap.
ist, 80 gilt dort nach (98"), da man die Konstante mit T vereinigen
kann, ganz aUgemein
oder
dF
99') 0-^^'a + -_^y.
bei einer Potentialbewegung wird spezieller, wegen G^ = 0,
99") 0 + |r* + ||'=r,
bei reiner Wirbelbewegung, wo dFjdt = 0 ist, gilt nach {99')
Im Falle des stationären Zustandes folgt aus (98") allgemein
99'") • "Öi + \1^ = Const.
Die Kontinuitätsgleichung (43") lautet bei Einfuhrung der obigen
Substitution und unter der Annahme, daß jedes Flüssigkeitsteilchen
seine Dichte unverändert beibehält,
100) A^+^A(?+(^^ + ^^ + ^^)=0;
sie giebt mit den zwei Gleichungen (98'), die ausführlich lauten:
100')
dB ldF_ dB dFdH dFdH
dt "^ [dx dx "^ dy dy ^ dx dx
'^ \dx dx '^'dy dy "^ dx dx)" '
dO IdF ö_^ , ö^ ö_^ , ö^ ö_Ö\
\dx dx dy dy dx dx)
dt
^«liW^mhm)'"'
die drei Hauptgleichungen des Problems, denen zu genügen indessen
große Schwierigkeit bietet Demgemäß sind Probleme, welche
Wirbelbewegungen mit freier Oberfläche betreffen, streng überhaupt
noch nicht behandelt, und auch bei Potentialbewegungen, für welche
die letzten beiden Gleichungen identisch erfüllt sind, ist nur die
Durchführung gewisser ebener Probleme gelungen, noch dazu be-
schränkt auf stationäre Strömungen.
Hier giebt nach S. 276 der reelle Teil einer beliebigen Funktion
von X + iy, z. B. F + iS = f{x + ly), eine partikuläre Lösung für
F, und die Grenzbedingungen lassen sich, falls äußere Kräfte fehlen,
dahin formulieren, daß zugleich mit S auch J' konstant sein muß.
§ 15, Bewegungen mit freier Oberfläche. 323
Diese Umstände haben gestattet, eine Reihe von ebenen Bewegungen
zu finden, die, von Unendlich nach Unendlich verlaufend, teils von
freien Randkurven, teils von festen Wänden begrenzt sind und als
ebene Flüssigkeitsstrahlen bezeichnet werden können.") In dem
Falle, daß mehrere solcher Flüssigkeitsstrahlen zusammenstoßen,
können dann die festen Wände ganz in Wegfall kommen.**)
Weicht die freie ObeVfläche der bewegten Flüssigkeit, deren
Gleichung nach (99'") durch
gegeben ist, nur wenig von einer Potentialääche '
ab, welche dieselbe Flüssigkeit im Zustand der Ruhe zu begrenzen
vermöchte, so kann man die Aufgabe, eine ihr entsprechende statio-
näre Potentialbewegung zu finden, durch successive Annäherung
lösen.") _
Hierzu kann man zuerst die Fläche </> = C als feste Wand
betrachten und ein ihr entsprechendes Geschwindigkeitspotential I\
nach früheren Methoden aufsuchen, aus demselben P^ in erster An-
näherung = P\ berechnen und die Oberfläche
bestimmen. Diese korrigierte Oberfläche wird flir ein neues Problem
als feste Wand behandelt, eine zw^eite Annäherung F^ für F aufge-
sucht und mit dieser eine zweite korrigierte Grenzfläche von der
Gleichung
itj + ^ri^c
bestimmt u. s. f.
Es gelingt auf diesem Wege leicht, Bewegungen spezieller Art
innerhalb einer unendlichen oder geeignet begrenzten schweren Flüs-
sigkeit mit freier Oberfläche zu linden. —
Beschränkt man sich von vornherein auf so kleine Geschwin-
digkeiten, daß man überall die in ihnen quadratischen Glieder neben
den linearen vernachlässigen kann, so gelingt es auch, Fälle nicht
stationärer Bewegung mit freien Oberflächen aufzufinden, die man
allgemein als Wellen bezeichnen kann.^^
Unter der gemachten Voraussetzung gilt zunächst der S. 272
bewiesene Satz, daß körperliche Kräfte, die eine Potentialfunktion
haben, stets eine Potentialbewegung veranlassen; gs ist also im
obigen Ansatz (97) G = 0 zu setzen, das Geschwindigkeitspotential F
21»
324 //. TetL Mechanik nichtstarrer Körper, III. Kap,
aber als eine Größe erster Ordnung zu betrachten, welche bei Vor-
aussetzung einer inkompressibeln Flüssigkeit die Gleichung erfüllt
101) aJ^=o.
Femer nehmen hier die Bedingungen
p = Const. und dp I dt ^ 0
relativ einfache Gestalten an. Denn au» (98") folgt, falls man die
willkürliche Funktion T der Zeit in F hineinzieht,
Q ^^ dt'
also als erste Grenzbedingung
101') 0 + ^ = Const. ;
dies giebt direkt die Gleichung der freien Oberfläche. Die zweite
Bedingung aber lautet, wenn 0 die Zeit nicht explicite enthält
wegen dx / dt = ÖF/ dx, .,..
d^F dFd0 dFd0dFd0_^
dt^'^ dx dx ^ dy dy '^ dx dx "
imd muß gelten für Punkte, welche der vorigen Gleichimg genügen.
Da aber alle Glieder der letzteren Formel bereits erster Ordnung
sind, muß sie bei Vernachlässigung der Glieder zweiter Ordnung für
Punkte erfüllt sein, welche tf> = Const machen; das sind die Punkte
einer freien Oberfläche, welche die Flüssigkeit im Gleichgevrichts-
zustande zu begrenzen vermag.
Die letzte Formel kann man, wenn man mit v die Nonnale
auf der Oberfläche </> = Const bezeichnet, auch einfacher schreiben:
101") j^+4^4^=,o.
Ist die wirkende äußere Kraft die Schwere, und ist die ^-Axe
vertikal nach unten gelegt, so wird (t> = — ^r, die letzte Gleichung
wird also für ein bestimmtes z, etwa für z = 0 gelten und lauten
ini'"\ ^^F ÖF f.
101 ) T7r-^Tr = Ö'
dazu kommt für die, die Flüssigkeit sonst noch begrenzenden festen
Wände
lOr") 4^ = 0.
o n
Im Falle periodischer Bew^egungen ist jP= Äsina(^+ t^) zu
setzen, worin q und t^ Konstanten bezeichnen, deren erste mit der
Periode r der Bewegung durch die Beziehung czr = 2w zusammen-
§ 15, Beilegungen mit freier Oberfläche,
325
hängt, während R eine Funktion der Koordinaten allein ist, fär die
folgende Beziehungen gelten
AH = 0 für alle Punkte,
dR
a^R + g^ =0 für z = 0,
Fr
dn
= 0 an begrenzenden festen Wänden. ,
102)
Diese Bedingungen haben die größte Ähnlichkeit mit denen,
durch welche 8. 181' u. f. eine Funktion Fäer Koordinaten bestimmt
worden ist Doch sind zwei Unterschiede zu beachten.
Erstens ist a hier nicht durch das Problem direkt gegeben,
sondern ist selbst erst aus den Bedingungen (102) zu bestimmen.
Zweitens ist in der zweiten Formel (102) das Vorzeichen, welches
die beiden Glieder verbindet, das entgegengesetzte von demjenigen
in der Grenzbedingung JPF— dF/ dn ^ Oj welche in der allge-
meinen, auf S. 181 behandelten enthalten ist Hieraus folgt, daß
auch bei gegebenem cc das System (102) die Aufgabe nicht eindeutig
bestimmt
Ein wichtiger spezieller, aber immerhin noch ziemlich allge-
meiner Fall ist der, daß die Begrenzung der Flüssigkeit nach unten,
d. h. für r = Ä, durch eine horizontale Ebene, nach den Seiten
durch einen vertikalen Cylinder gebildet wird. Hier erhält man
eine Lösung durch den Ansatz
R^ZÜ,
in dem Z nur z, U nur x und y enthält Die Gleichungen (102)
nehmen dabei die Form an
z dx* - u ^^y '
dZ
a^Z+g^ =0 für z = 0,
^=-0 für z=-A,
dx
FD
1020
« =0 längs des Cylinders. ,
Aus der ersten Formel folgt, daß sowohl der rechts-, als der
linksstehende Ausdruck konstant sein muß; wählt man diese Kon-
stante positiv gleich x^ so erhält man
d'Z
^^,=x2^, A^U^^x^U,
102")
326 IL T^L Mechanik fitchtstarrer Körper. IIL Kap.
Z bestimmt sich bis auf einen konstanten Faktor A zu
102'") Z = ^(^(^-*) + tf-^C—«)),
während als Beziehung zwischen cc und x folgt
102"") xg[&'^ - e-^^\ = a\(^^ + 6-*^^*),
Die Bedingungen für U nehmen eine Gestalt an, die uns bei der
Behandlung der Schwingungen innerhalb einer elastischen Flüssig-
keit beschäftigen wird, wo überhaupt die allgemeinen Eigenschaften
der Wellenbewegungen ausführlich zur Sprache kommen werden.
Fehlt die seitliche Begrenzung der Flüssigkeit durch den Cylin-
der, so bleibt x willkürlich, im anderen Falle werden durch die
Grenzbedingung dU jdn ^0 unendlich viele diskrete Werte als mit
dem Problem vereinbar bestimmt; jedem x entspricht nach (102"")
eine Bewegung mit anderer Periode.
Eine interessante partikuläre Lösung erhält man, wenn man die
Gleichung (101"') statt nur für z = 0, für alle z gültig annimmt*^
Man kann sie dann auch nach z differentiieren und unter Benutzung
von A J^ = 0 aus ihr büden
eine Gleichung, die neben A -P = 0 für alle Punkte gelten kann,
weil die eine nicht t, die andere nicht z enthält. Als Grenz-
bedingung für z = 0 bleibt die Formel (101'") bestehen; hinzu
kommt, wenn die Flüssigkeit unendlich tief ist, noch die, daß
F ^ 0 sein muß für r == oo. —
Bei diesen Betrachtungen ist von der durch kapillare "Wirkung
erzeugten Oberflächenspannung abgesehen. Berücksichtigt man die-
selbe, so ist p nicht konstant, sondern nach (22') um eine Kon-
stante von dem Kapillardruck /?Q verschieden zu setzen; daher lautet
die erste Grenzbedingung (1 Ol'), falls H^undU^ die Hauptkrümmungs-
radien der Oberfläche bezeichnen, unter Berücksichtigung von (31')
103) 0 + ^^ + f (^ + i-) = Const
In dem Falle, daß die einzige äußere Kraft die Schwere, also
il),=i —gz ist, weicht die freie Oberfläche unendlich wenig von einer
horizontalen Ebene ab, es ist also
103') ^^=_Ä(-g- + -|l^);
dies giebt, wenn man die Gleichung (103) nach t difi'erentiiert und
berücksichtigt, daß
§ 16, Die Lagrange' sehen Oleichwigen. 327
''* ^^ und AF=0 ist,
dt dx
die Fundamentalgleicbung für die Behandlung derKapillarwellen^%
die eine der obigen analoge Behandlung gestattet.
§ 16. Andere Formen der kydrodynamiaolLen Gnindgleiolinngen.
sVon den allgemeinen Bewegungsgleichungen (14) für nichtstarre
Körper gelangt man durch Einführung der Fundamentaleigenschaft
der idealen Flüssigkeiten
7 = ^=X = 0, X = r = ^ = ü
z X y ' sc y x r
und unter der Voraussetzung, daß die wirkenden körperlichen Kräfte
der Masse proportional sind, zunächst zu
Die in § 9 benutzte Betrachtungsweise behandelt weiterhin die
Geschwindigkeitskomponenten dx/dt == u, dyfdx^Vy dzjdt == to
als Funktionen der Koordinaten und der Zeit, untersucht also, was
an beliebigen Stellen zu wechselnden Zeiten stattfindet, ohne Rück-
sicht darauf, welche Teilchen der Flüssigkeit dabei ins Spiel kommen.
Umgekehrt kann man die Betrachtung auf die wechselnden Zu-
stände richten, welche ein und dasselbe Flüssigkeitsteilchen mit der
Zeit annimmt. Bezeichnen a, b, c irgend welche Parameter, welche
ein bestimmtes Flüssigkeitsteilchen definieren, so werden seine Ko-
ordinaten zu beliebiger Zeit x, y, z, seine Dichte q und der ihm zu-
gehörige Druck p Funktionen von (z^ b, c und t sein.
Multipliziert man nun die Gleichungen (104) mit dxida, dt/jöa,
dz/da oder dx/db, dyjdb, dz/db oder dx/dc, di/ldc, dzjdc
und addiert, so ergiebt sich das System
Idp (d^x Y\^^x(^y Y\^yA.i^ 7\^^(\
~^F'a^\rt^''^lda'^\dl^'^'^)~da'^\dt^ ^jda"^
\^Bp_
qdb
1 dp
104')
q de
welches in dem Falle, daß ein Kräftepotential 0 existiert und die
Dichte Q nur vom Druck p abhängt, wenn man wieder
^=^dn 104")
328
IL Teil. Meehantk niohistarrer Körper. III, Kap.
setzt, die Fonn annimmt
104'")
d(II+0) . d*xdx , cPydy , cPxdx
da
dt^ da^ dt^ da^ dt* da
d(II+0) , d^xdx , d^ydy , d^xdx
d&
rf/« db^ dt* db^ dt* db
8(11-^0) , d^xdx , d^ydy , d*xdx
— — r TIS äT + t:5 ä-r +
de
dt* de ^ dt* de ^ dt* de
0,
0,
0.
Diese Gleicfanngen rühren , wie die früheren Grundgleichongen {4S\
von EüLEB®^ her, werden aber gewöhnlich nach Lagbangb*^) ge-
nannt, der sie unabhängig von Euleb gefunden hat
Die Eontinuitätsbedingung, welche aussagt, daß die Masse ein^
beliebig abgegrenzten Bereiches von Flüssigkeitsteilchen während der
Bewegung sich nicht ändert, läßt sich allgemein schreiben
105)
d(Qdk) r.
dt "'
worin dk ein Volumenelement der Flüssigkeit bezeichnet Bei Ein-
führung von Oj by c läßt sich schreiben
105')
dk^
dx dy dx
d ad a da
dx dy dx
WbdlbJb
dx dy dx
de de de
da dbdc iss 0 da db de ;
die Eonstanz von gdk kommt sonach auf die Gleichung
105") e 0 = Const (^),
oder, wenn q konstant ist, auf
105'") 0 = Const(^)
heraus. Der Fall 0 := 0 ist hierbei ausgeschlossen.
Die Begrenzung der Flüssigkeit enthält nach S. 218 immer die-
selben Teilchen; denkt man also ihre Gleichung in x, y, z und t aus-
gedrückt, so muß bei Einführung der Werte von Xj y, z ia a^ b, c
und t letzteres aus der Formel für die Oberfläche der Flüssigkeit
herausfallen, und diese sich in eine Gleichung zwischen a, b und c ver-
wandeln. Daher ist es vorteilhaft, über die Größen a, d, c so zu
verfügen, daß das Eonstantsetzen einer von ihnen die Gleichung
der Begrenzung giebt
Neben dieser Bedingung ist in der Grenze zwischen zwei Flüssig-
keiten h und k noch die weitere zu erfiillen, daß dort Pj^ — Pj^==Pjti
§ 16, Die H. Weber'sehen Gleichungen,
329
sein muß; gleiches gilt fUr etwaige Unstetigkeitsflächen und für freie
Oberflächen.
Die vorstehenden Formeln, welche anscheinend in allen den
Fällen Vorteile bieten, wo die Oberfläche der Flüssigkeit veränder-
lich ist, sind erst in sehr wenig Fällen integriert worden, von denen
der interessanteste Wellen von endlicher Höhe an der Oberfläche
einer schweren Flüssigkeit liefert®*). Auch für die Gewinnung all-
gemeiner Sätze, wie sie S. 268 bis 271 abgeleitet sind, bieten sie
gegenüber den dort benutzten Formeln (43) besondere Vorteile nicht —
Multipliziert man die Gleichungen (104''') mit dt und integriert
sie zwischen Grenzen ^=0 und t=^t^, so erhält man nach geeigneter
Umformung des zweiten Gliedes durch teilweise Integration,
wenn man
/(/7+ ib^^r^dt^S
106)
setzt:
da
+
dxdx . dydy,dxdx
H da '^ dt da "^ 'dt da
= 0,
1060
ü
Verfügt man über a, i, c spezieller so, daß sie den Anfangswerten
von ar, y, z gleich werden, und nennt die korrespondierenden Anfangs-
werte der Geschwindigkeitskomponenten resp. t£^, ü^, to^, so erhält
man für die untere Grenze
dx
= u
di-'^oy
dx
~di
= tr.
dt 0' di ~ "0^ dt 0' da~ *' db
und für die Gleichungen (106') daher die Form:
dx « d X fx d X f^ ff
^ = 1) 5i: = 0, g^ = 0 u.s.f.
«0 =
^0==
M?0 =
Ta~ '^'didä^'didä'^'didä^
dSl' ^dx d_x dy dy dx dx
'W '^Ti db '^dtdb'^dtdb^
dSl'dxdxdydydx dx
~de' '^didc'^'didc'^'dide'
106")
Zu diesen Formeln, welche wie die EuLEE^schen (43) vom zweiten
Grade und der ersten Ordnung sind, kommen die Gleichungen (104")
und (105") hinzu, um das Problem vollständig zu bestimmen; sie
sind von H. Weber **) gegeben, aber zu speziellen Folgerungen
noch nicht benutzt worden.
IV. Kapitel.
Elasticität nnd AkustiL
§ 17. Das GtesetE der elastisclien Kräfte.
Ein Körper heißt elastisch, wenn in ihm eine von einem be-
liebigen Anfangszustand ausgehende Deformation Spannungen erregt
welche diese Deformation rückgängig zu machen streben; er heißt
vollkommen elastisch, wenn bei konstanter Temperatur der
Spannungszustand allein von dem augenblicklichen Deformations-
zustand abhängt und die Spannungen nur mit den Deformationen
verschwinden. .
Bedeuten, wie in § 1, tz, v, to die Komponenten der ilie De-
formation bewirkenden Verschiebung eines Punktes mit den Anfangs-
koordinaten X, y, Zj so ist nach S. 213 der Deformationszustand
eines geeignet um den Punkt x, y, z abgegrenzten Bereiches B voll-
kommen bestimmt durch die sechs Deformationsgrößen
107)
du df> duf
^x-Q^y Vy-ey ^«"ä^'
^dv Bic ^dw du du _.dv
dx dy^ * dx ö»' v dy dx
Von diesen stellen, wie S. 216 gesagt, die drei ersten die linearen
Dilatationen, die drei letzten die Winkeländerungen für drei zu de«
Axen X, Y, Z parallele Eichtungen innerhalb des Bereiches B dar.
Bezeichnen wir, wie in § 2, die Komponenten der gegen ein
Flächenelement mit der inneren Normale n wirkenden Druckkraft
P^ mit X^j ¥^, Z^, so ist nach S. 225, bei Ausschluß von auf die
kleinsten Teile wirkenden Drehungsmomenten, der Spannungszustand
des Bereiches B vollständig bestimmt durch die sechs Druck-
komponenten
107') X,, i;, Z,, Y^, Z^, X,,
welche gegen Flächenelemente normal zu den Koordinatenaxen
wirken.
§ 17, Das Gesetz der elastischen Kräfte. 331
Soll also der Spannungszustand des Körpers nur von dem augen-
blicklichen Deformationszustand abhängen, so müssen die sechs
Druckkompcgnenten (107') an jeder Stelle im allgemeinsten Falle
Funktionen der sechs DeformatiousgröBen (107) im ganzen Körper sein.
Die denkbar einfachste Annahme ist nun offenbar, daß der
Spannungszustand innerhalb B Ton der Deformation allein des
Bereiches B abhängt, und weiter, daß die Beziehungen zwischen
den Druckkomponenten und den Deformationsgrößen lineare sind.
Demgemäß machen wir als erste Annähenmg den Ansatz
- ^y = ^21 ^x + ^22yy + ^28^. + ^24^. + ^26 ^x + ^26 ^y » i ^^'^")
Die Koeffizienten c^j^ heißen die Elasticitätskonstanten der
Substanz ; fn nicht homogenen Körpern betrachten wir sie als stetige
Funktionen der Koordinaten.
Löst man die vorstehenden Gleichungen nach den ar^p . . . auf,
so erhält man
-^« = *ll^x + *12^y + *18^.+ ^14^".+ *M^x + *16^y/
~yy = *21^x + ^22i; + ^23^. + *24^« + ^25^x + *2eA;, 107-)
•••"••••••• ••••••••••••••• j
worin die Koeffizienten ^^j^, weil sie die hauptsächlichsten der beobacht-
baren elastischen Veränderungen messen, die Elasticitätsmoduln
genannt werden.
Diese Formeln gelten, wie vorausgeschickt, nur dann, wenn die
Temperatur bei der Deformation sich nicht ändert. Die Drucke
X^j ' - ' ^y sind dabei die durch die Deformationen jt^., . . . ^
erregten, aber nicht immer die gesamten vorhandenen;
bei Gasen z. B. ist notwendig vor der Deformation bereits ein von
Null verschiedener Anfangswert XJ^ = YJ^ = ZJ^ = p^ vorhanden, zu
dem sich die obigen Größen addieren.
Die Anzahl der Konstanten und Moduln reduziert sich ganz
allgemein, wenn man die Annahme einführt, daß auch auf die
elastischen Körper die Energiegleichung anwendbar ist.
Nach den auf S. 228 und 229 abgeleiteten Formeln wird der
Zuwachs der Energie eines elastischen Körpers in der Zeiteinheit
gegeben durch den Ausdruck
-dt =J^*[*^ dt - (^^Tt + ^y öl + ^' Ti
108)
332 //. Teil. Mechanik nichtstarrer Körper, IV. Kap,
Damit der Ausdruck rechts ein Di£ferential einer nur Tom
augenblicklichen Zustand abhängigen Funktion, eben der Energie,
nach der Zeit sei, ist erforderlich, daß die Druckkomponenten
Differentialquotienten einer Funktion der sechs Deformationsgrößen,
nämlich des elastischen Potentiales (p der Volumeneinheit^
nach ihren Argumenten sind, also die Formeln gelten
108')
y ^^ ^y TP- _ ^y
woraus folgt, daß sein muß
108") -^ = 1^ i^'^^^Ix öA, ^ öl^ dY, ^BX^
ö*. dyy dx^ dxg dtfy dx^ dx^ dy^ '
Setzt man in (108) die Werte (107'") der Deformationsgrößen
und die Werte (107") der Druckkomponenten ein, so kann man den
Zuwachs der Energie in der Zeiteinheit auch schreiben
109) ^ =^ J^*I*P^ - V'-ef + yy-jf + ^.-äf
+ y«-# + ^«-öf + ^y^JJ 5
vergleicht man dies mit der Formel (108), so erkennt man, daß,
falls y' den Wert von (p bezeichnet, wenn darin die Deformations-
größen nach (107'") durch die Druckkomponenten ausgedrückt sind, auch
109')
sein muß, woraus dann folgt
109") ^ = -^ -^ = ^ ^ = ^ ^L — ^
dZ, dYy BX^ dZ,' dYy dXj dX^ dY^'"'
Diese je fünfzehn Gleichungen (108") und (109") ergeben, mit
den obigen Ansätzen (107") und (107"') verbunden, je fünfzehn Be-
ziehungen von der Form
und reduzieren so die Anzahl der unabhängigen Elasticitätskonstanten
und -moduln im allgemeinsten Falle je von 36 auf 21.
§ 17, Das Gesetz^ der elasiisehm Kräfte, 333
Für das Potential tp der Volumeneinheit erhält man zugleich
die allgemeine Beziehung
-2cp^X^x^+ Y^^ + Z,z^ + r,y, + Z,z, + X^x^, 1 10')
für die Energie a der Volumeneinheit, falls ^\) die lebendige Kraft
derselben bezeichnet,
e = i/; + 9P. 110")
Weitere Reduktionen treten ein, wenn der elastische Körper
ein homogener Krystall ist, welcher Symmetrien besitzt, und ein
spezielles, das Hauptaxensystem, eingeführt wird. Eier kommen
die auf S. 217 und S. 225 angegebenen Eigenschaften der Defor-
mationsgrößen und der Druckkomponenten zur Geltung , daß resp.
*«. y,. ^., ,y./y2> ^./y2". ^,/V2
und
^x, Yy, ^.. Y.f^, Z,-^, ^,f2
sich bei Einführung anderer Koordinatensysteme transformieren, wie
die Aggregate von Yektorkomponenten
x», r«, ^«, rzy2", zxf2, xrY2.
Daraus folgt dann, daß man die aus (107") gebildeten Formeln
-r.y2=e,,y2a:,+ c,,y2y^+c,3y2z.+ c,,2^+c,,2^
111)
ohne weiteres nach dem Schema IV auf S. 143 für die verschiedenen
Krystallgruppen spezialisieren kann; es steht nur beispielweise c^
an Stelle von c^, c^^Y2 an Stelle von q^, 2c^ an Stelle von c^^.
Analoges gilt für die aus (107'") gebildeten Formeln
-a-.-.„J. + ,„r, + .„«, + i|J',V2+^2.y2+Ä^y2,
jÄ= ^^. + ^'-. + ^^. + 7 ^.V^+T^-l^+'f^.'^'
iir)
in denen beispielsweise s^^ an Stelle von c^, s^^jY2 an Stelle von
^4> ^44/ 2 ^^ Stelle von c^^ steht
334 IL Teil. Mechanik nichtstarrer Körper. IV. Kap.
Wir werden im folgenden fast alle auf Krystalle bezüglichen
Untersuchungen an die allgemeinsten Formelsysteme (107") resp. (107'")
anknüpfen, also die speziellen Gestalten, welche jene annehmen
können, nicht benutzen.
Doch ist die eine Bemerkung mehrfach von Interesse, daß, wenn
die ^-Koordinatenaxe eine zweizählige Symmetrieaxe ist, von den
Konstanten c^^^ und von den Moduln Sj^j^ die mit den Indices
111") (14), (24), (34), (64) und (15), (25), (35), (65)
verschwinden, und daß, wenn die Zähligkeit der Axe höher ist, als
zwei, außer anderen Belationen jederzeit die gelten, daß
iirn 1 ^^* ^ ^"' ^^^ ^ ^^*' ^** ~ ^"' ^*^ ~
Häufig macht es das spezielle Problem wünschenswert^ neben
dem Hauptkoordinatensystem X, Y, Z noch ein anderes S^ H, Z ein-
zuführen; dann handelt es sich um die Transformation des elasti-
schen Potentiales in die neuen Koordinaten. Seien die Koeffizienten
der Transformation durch das Schema
I I V ?
X
112)
z
«1 ßi n
«8 ßt Vi
^ ß» y»
gegeben, und seien die Deformationsgrößen x^...x kurz mit p^j • • »ft?
die analogen 1^) * •* ^n ^^ ^^ . • . tt^ bezeichnet^ dann ist das elastische
Potential in der ursprünglichen Form (p gegeben durch
h k
in der transformierten durch
m n
wobei alle Summen -2* von 1 bis 6 zu erstrecken sind.
Ist dabei
m k
worin 5^^ und dj^^ die nach der Regel auf S. 333 sogleich angeb-
baren Transformationskoeffizienten für die Deformationsgrößen be-
zeichnen, so findet sich
h k tn n
m n nk nm kn '
m n h k
§ 17, Deutung der Ela^tidtätsmoduln, 335
woraus der Wert der abgeleiteten Elasticitatskonstante y sich er-
giebt zu
Y„n-- ^^<=UuKJ,n^ 112-)
h k
dem entspricht umgekehrt
nK ' mn Am kn
m n
Ganz ebenso läßt sich die Transformation der Moduln ausführen.
Man hat, falls X.,...^ kurz durch Pj, ...P^, analog S^j...S
durch II^,...ITq bezeichnet wird,
h k m n
dabei gilt, wie nach S. 333 leicht zu erkennen,
m k
und hieraus folgt
h k m n
m n hk hm kn'
. m n h Jlc
also
'^., = -2:-^«»»rf*.rf»„, «benso *,, = ^•^«T„„5,„5,„. - 112")
Die Elasticitätsmoduln 5^^ lassen sich anschaulich deuten, wenn
man die Gleichungen (14) und (14'") für das Gleichgewicht nicht-
starrer Körper benutzt, wo sie lauten:
_ dX ÖZ„ dX
X+ X„ = 7+ 7„ = if + if„= 0. 113')
Man kann aus ihnen nämlich schließen, daß für ein rechteckiges
Prisma, dessen Flächen den Koordinatenebenen parallel sind, und
das keinen körperlichen Kräften, sondern nur Oberflächendrucken
von für jede Fläche konstanter Größe und Richtung ausgesetzt ist,
die inneren Spannungen X^,...X sämtlich konstant sind und sich
nach den Gleichungen (113') durch die Oberflächendrucke bestimmen.
Man kann über diese jederzeit so verfügen, daß von allen sechs
Spannungen X^, . . . X^ nur je eine von Null verschieden ist, und daher
in den Gleichungen (107"') für die Deformationen je nur ein Glied
übrig bleibt
So liefert ein normaler Zug ± J, auf die Einheit der beiden
Prismenflächen, welche normal zur X-Axe stehen, ausgeübt, X^^ — A
und demgemäß
386 //. Teil. Mechanik nichtstarrer Körper. IV. Kap.
113")
woraus also sogleich die «^^ sich als die Moduln der linearen Dila-
tationen und der Winkeländerungen bei dem Zug parallel der Z-Axe
ergeben. Gleicher Weise deuten sich die s^^^ und ^3^.
Für die Interpretation der übrigen muß man auf je zwei
Flächenpaare tangentiale Kräfte wirken lassen, so auf die, deren
äußere Normale die ± Z-Axe ist, eine Kraft F pro Flächeneinheit
parallel der ^ 7-Axe und umgekehrt Dann ist Y^^ Z =^ ^ F
und es wird
113'")
ly.=
*44^. ^x = *46^» ^, = ^46^;
daher stellen sich die «^^ als die Moduln der Axendilatationen und
Axenwinkeländerungen bei tangentialen Drucken F heraus.
Dabei ist erkennbar, daß die Moduln der Axenwinkeländerungen
bei normalen Drucken und die Moduln der Axendilatationen bei
tangentialen Drucken in engster Beziehung stehen.
Wirken parallel der X-, Y- und Z-Axe gleichzeitig gleiche
Drucke von der auf die Flächeneinheit bezogenen Größe py so wird
die räumliche Dilatation
113"") * « {x^+y^ + z^i = ^p{s^^ + s^^ + ^33 + 2(*„ + ^31 + *„)).
Da & eine Invariante ist, so muß gleiches von dem Aggregat der
Moduln 5^^ rechts gelten; dasselbe giebt den Modul der iä.umlichen
Kx)mpression bei allseitig gleichem Druck an und behält, ebenso wie
die ganze Formel (113""), ihre Bedeutung, wie weiter unten gezeigt
werden wird, auch bei beliebiger Form des dem allseitigen Druck p
ausgesetzten Körpers.
Die Elasticitätskonstanten gestatten im Anschluß an die Formeln
(107") gleichfalls eine Deutung, nämlich durch die Gesamtheit der
äußeren Drucke, welche erforderlich sind, um eine einzige Axen-
dilatation oder Axenwinkeländerung hervorzubringen; aber diese
Interpretation ist minder anschaulich, als die f&r die Moduln nach
obigem mögliche. —
Die Dimensionen der Elasticitätskonstanten sind gegeben durch
114) K*] = '«/-^'-^
die der Moduln durch
114') Wi^-'rn-Ht^
Beide werden seltener im (cm, gr, sec) System angegeben,
sondern, da sie meist durch Beobachtungen gefunden werden, bei
§ 17, Elasfisehe Kräfte in isotropen Medien,
337
denen- Gewichte die wirkenden Kräfte repräsentieren, in einem
eignen System, in welchem das Kilogramm die Krafteinheit, das
Millimeter die Längeneinheit ist Es gelit dann der Zahlwert c^
resp. 8tp in physikalischen Einheiten aus dem c^ resp. s^ in diesen
technischen hervor gemäß der Beziehung
8.
c^ = 98,1. 10« c,, ^^ = -^^-.10-«.—
114")
Wenn nun auch, wie oben gesagt, die folgenden Entwickelungen
bezüglich der Krystallgruppeu meist durchaus al. gemein gehalten,
also keine speziellen vereinfachenden Annahmen über ihre Symmetrie-
verhältnisse eingeführt werden sollen, so erscheint doch mitunter
rlie Anwendung oder Beschränkung der Betrachtungen auf isotrope
Körper erwünscht
Für diese nehmen die Formeln (107") und (107"') nach dem
Schema auf S. 144 die spezielle Gestalt an:
- X^ = cx^ + c^i/y + ^1^, = Cjo:^ + ^119-,
- -^t = ^\^x + hVy + ^^z = ^«^. + <^1 * J
- ^, = - ^y =* i(c - ^i)y« = i^2y.»
- ^x = - ^^, = i{<^- ^l)^x = i^S^x»
und
- -Y„ = - ^x = \iP - Cx)\ == i^8
115)
y
115')
- ^, = *j; + *1 ^y + h^n = h^x + \^^
-yy = *l-Yx + *^y +h^z'^h^y + h^y
-"y.--^y-2(*-*i)Jf;-2.,7.,
-^x=-^x = 2(5-,.,)Z, = 252^^,
- ^y = - yx = 2(« - .^)^y = 2s^X^.
Hierin ist kurz A'^ + 1^ + Z^ = 0 gesetzt
Diese Formeln zeigen, daß bei isotropen Medien die tangen-
tialen Druckkomponenten 1\. Z^, X^ mit den Wiukeländerungen
y*> ^x> *y gleichzeitig verschwinden; bei ihnen fallen also auch nach
s! 215 und S. 226 die Hauptdruckaxen X^ 7«, Z^ und die Haupt-
dilatationsaxen X^, Y^, Zq zusammen, was bei krystallinischen Medien
im allgemeinen keineswegs stattfindet
Aus den Systemen (115) und (115') folgt sogleich der Wert des
elastischen Potentiales (p der Volumeneinheit
Voigt, Thcoreti^cbe Physik. 22
338 IL Teil, Mechanik ntchtstarrer Körper, IV, Kap.
oder kürzer
115") 2y = Cii9-2 + Cj,i?';
ähnlich bei Einführung der Druckkomponenten
2<p'= s^ 02 + ., (X,* + 7/ + Z/ + 2(7/ + ZJ + X^')),
oder kurz
115'") 2(p'=s^0^ + s^&.
Diese Resultate stehen in Übereinstimmung mit der Forderung,
daß (f vom Koordinatensystem unabhängig sein muß ; denn & resp. (^
ist die erste, -^(»'^^ — i9') resp. -|-{ö^ — ö') die zweite der in den
Formeln (5') resp. (15") angegebenen Invarianten.
Für ideale Flüssigkeiten ist nach S. 233
116) i; = ^^ = a; = o, x^=r^ = z,=p,
also
HC) c = c^, p = -^c&; 2ff =- - p{h =^ + c&^',
für Gase wird noch spezieller w^egen der Gültigkeit des BoYLE'schen
Gesetzes, welches aussagt, daß bei konstanter Temperatur das Pro-
dukt aus Druck und Volumen konstant ist. die einzige Konstante
116") c =/><>,
■
d. h. gleich dem Anfangsdruck, unter dem das Gas vor der Defor-
mation stand.
Die vorstehenden Entwickelungen gelten, wie ausdrücklich her-
vorgehoben, nur, wenn die Deformation ohne Temperaturänderung
vor sich geht, ein Fall, der bei Problemen des Gleichgewichtes meist
nahe realisiert ist, weil hier die infolge der Deformationen immer
auftretenden Temperaturdifferenzen Zeit haben, sich auszugleichen.
Ist dies nicht der Fall, so kompliziert das Problem sich erheb-
lich und ist überhaupt nicht ohne Rücksicht auf Wärmeleitung und
Strahlung zu behandeln; wir werden uns im nächsten Teile damit
beschäftigen.
Nur in einem speziellen Falle ist von jenen Wirkungen abzu-
sehen, nämlich dann, wenn die Deformationen so schnell, etwa
periodisch, wechseln, daß ein Temperaturausgleich von irgend welchem
Belang nicht eintreten kann. Dann gelten, \rie die späteren Ent-
wickelungen zeigen werden, Formeln von genau derselben Gestalt,
wie (107'') und (107"'), aber mit anderen Werten der Konstanten und
Modulen. Man nennt im Gegensatz zu den früheren isothernii-
schen dieselben adiabatische.
§ 17, Elastische Kräfte in isotropen Medien. 339
Der Unterschied beider Arten von Konstanten, der im nächsten
Teil theoretisch bestimmt werden wird, ist bei festen und tropf bar-
liilssigeu Körpern kaum merklich, hingegen bei Gasen sehr beträcht-
lich; wir werden ihn demgemäß hier auch nur bei letzteren aus-
drücklich berücksichtigen. —
Der Ansatz (107") für die Komponenten der inneren oder
elastischen Drucke ist, wie gesagt, nur als eine erste Annäherung
zu betrachten, die allerdings in den bei weitem meisten und wich-
tigsten Fällen die Beobachtungen mit genügender Genauigkeit
darstellt Indessen ist in einzelnen Fällen eine weitere Annäherung
dadurch gefordert, daß die Krfalirung Abweichungen von der Pro-
portionalität zwischen den Drucken und den Deformationsgrößen
erwiesen hat; um ihnen Rechnung zu tragen, hat man den Ansatz
(107") durch Glieder, welche Potenzen und Produkte der Defor-
mationsgrößen enthalten, zu erweitem. Die ganze Betrf^chtung
kompliziert sich hierdurch bedeutend und die strenge Durchführung
spezieller Probleme stößt auf nahezu unüberw^indliche Schwierig-
keiten.
Kelativ einfach gestaltet sich die Erweiterung der Theorie in
dem angedeuteten Sinne bei isotropen Körpern®*), weil, wie auf
Seite 215 bewiesen ist, nur drei voneinander unabhängige Inva-
rianten der Deformationsgrößen existieren, nämlich außer den oben
schon benutzten & und iV noch
Will man also das elastische Potential isotroper Körper (115")
durch Glieder höheren Grades erweitem, so können dieselben nur
ganze Funktionen von i9-, ß-\ iV-" sein.
Beschränkt man sich auf Glieder dritten Grades und bezeichnet
mit Cj, Cg, Cg drei Ergänzungskonstanten, so wird tp gegeben
sein durch
2(p = Cj ,?•* + cj &' + c\ &^ + c^ x9 &' + 4 ,r. 117')
Auch die Gestalt, welche das elastische Potential (p in der an-
gegebenen Erweiterung bei Einführung der Druckkomponenten an-
nimmt, läßt sich leicht angeben, weil, wie S. 226 bewiesen,
0" = X^ YZ^ + 2YZX - X^ 17 - r if 2 _ zX^ 117")
X y z ' X X y x t V ^ ^ V *
für sie die einzige Invariante dritten Grades ist. Man kann daher
schreiben
22*
340 //. Teil. Mechanik nichtstarrer Körper. IV, Kap,
WO sich die Ergänzungsmoduln Sy^j s^', s^' leicht durch Annähe-
rung aus den Elasticitatskonstanten berechnen lassen.
Diese Erweiterung betrifft die eine der Seite 329 gemachten
Annahmen, nämlich den linearen Zusammenhang zwischen Druck-
komponenten und DeformationsgröBen ; aber auch bezüglich der
anderen wäre denkbar, daß die Erfahrung eine Korrektion verlangte^
dahingehend, daß nicht nur der Deformationszustand in der nächsten
Umgebung B eines Punktes die dort stattfindenden Spannungen be»
stimmte, sondern ein größeres Bereich in Betracht zu ziehen wäre.
Dies würde darauf hinauskommen, daß in den Gleichungen (3) noch
höhere, wie die in |, ?;, ^ linearen Glieder als für die Deformation
maßgebend zu betrachten wären.
Eine Ausdehnung der Theorie nach dieser Eichtung hin ist
allgemein noch nicht Yorgenommen worden.
§ 18. Eindeutigkeit des elasÜBohen ProblesLB.
Mit den vorstehend abgeleiteten Formeln für die elastischen
Drucke sind, um das Problem des Gleichgewichtes oder der Be-
wegung eines Systemes elastischer Körper zu umfassen, die allge-
meinen Gleichungen (14) und (14'") für die Abhängigkeit dieser
Drucke von körperlichen und Oberflächenkräften und die allgemeinen
Bedingungen (9") resp. (9'") für die Verrückungen in der Grenze
zweier nichtstarrer Körper zu verbinden.
Das System der Hauptgleichungen (14), welches für jeden
inneren Punkt des körperlichen Systems gilt, nimmt, wenn man
wegen der Kleinheit der Verrückungen in den ausführlichen Werten
von d^u/dt^, d^v/dt^, d^wjdt^ die Glieder zweiter Ordnung ver-
nachlässigt, die Gestalt an
^ dt*
118)
^ dt*
d*w
dx dy
ÖX,
dx
_y, Ö5; ÖY^
dx dy
ÖY,
dx
_ r ^^' ^^y
az.
"^dt* dx dy dx'
in ihm bezeichnen die X\ T', Z^ die auf die Volumeneinheit be-
zogenen Komponenten der wirkenden körperlichen Kräfte, die, falls
letztere mit den Massen proportional sind, wie S. 221 gezeigt, mit
gX, g¥, qZ vertauscht werden können.
Die Bedingungen für die äußere Begrenzung des Systems
lauten verschieden je nach den dort obwaltenden Umständen.
§ J8, Eindeutigkeit des elasHachen Probleme. 341
Eine erste Klasse von Oberfläcbenelementen bilden diejenigen,
längs deren alle Verrückungskomponenten (etwa gleich Null) vorge-
schrieben sind; hier setzen wir
indem wir mit m^, w^, w^ gegebene stetige Funktionen des Ortes und
der Zeit bezeichnen.
Andere Oberflächenelemente mögen nach Bichtung und Größe
gegebene Drucke erleiden; hier gilt also
^ + Z= 7„ + F= ^ + F= 0, 118")
worin X, /, Z als Funktionen des Ortes und der Zeit gegebene Größen
bezeichnen. Ist die gesamte äußere Begrenzung des Systemes von
dieser Art, so müssen im Falle des Gleichgewichts die gewöhnlichen
sechs Gleichgewichtsbedingungen durch die X\ Y\ Z^ und X, 7, Z
zusammen erfüllt werden.
Weiter kann, wie beim Andrücken eines starren Körpers an
einen elastischen, nur die normale Komponente der Verschiebung
u cos (n, a?) + V cos (n,y) + «? cos (w, z) ^ n^ 1 18'")
gegeben sein; gleichzeitig sind dann, wenn äußere Beibung fehlt,
die tangentialen Komponenten der Druckkraft gleich NuU, d. h., es gilt
X^\Y^iZ^^ cos (n, x) : cos (n, y) : cos (n, z). 1 1 8"")
Erstreckt sich das System ins Unendliche, so kann es dort mitunter
absolut festgehalten, also u, v, w von beliebiger Ordnung unendlich
klein angenommen werden; in anderen Fällen ist das Verhalten der
Verrückungen im Unendlichen aus demjenigen im Endlichen zu
erschließen.
Weiter betrachten wir die Flächen, welche zwei elastische
Körper gegeneinander scheiden, sehen aber dabei von den auf
S. 222 eingeführten Grenzdrucken mit den Komponenten X^j^, Y^^^y Z^^^
von vornherein ab.
Hängen die Körper in der Grenze fest zusammen, so ist
««Ä - ^ = »A - Vfc = W^A - «^fc = 0
_ * _ [ 119)
berQhren sie dagegen einander nur, und zwar ohne Reibung, so ist
K — «Ö «'OS (n, ar) + (»^ — v^ cos (», y) + (to^ — w^ cos (n, z) - 0,
ißX + (^)k) cos (B, X) + {{YX + (XX) cos (n,y) } 1 19')
+ ((^A + (O*) «08 («, ') = 0,
342
IL Teil, Mechanik niehtstarrer Körper, IV. Kap,
und zugleich auch
1 1 9") [XX : (XX : (ßX = W* • (XnX • (ßX = C08(n, x) : C08(n,y) : C08(^^, r).
Handelt es sich um ein Bewegungsproblem, so muß noch für irgend
eine Zeit, z. B. für ^ = 0, der Anfangszustand des Systems gegeben
sein, etwa
120)
120')
M = «o> »"=^o> <^ = ^o>
du _ ,
dt ~ **o>
ö7 = "o'
dw ,
worin die m^, r^J,, ... stetige Funktionen der Koordinaten bezeichnen.
Alle vorstehenden Gleichungen können ebenso wie auf ein absolut
festes, auch auf ein parallel mit sich gleichförmig bewegtes Koor-
dinatensystem bezogen werden.
Um die Eindeutigkeit zunächst des Gleichgewichtsproblems
zu untersuchen, nehmen wir an, es seien zwei Systeme von Ver-
rückungen mit den vorstehenden Gleichungen bei gleichen Werten der
vorgeschriebenen Funktionen vereinbar, und setzen deren Differenzen
gleich u\ v\ w\ die Differenzen der ihnen entsprechenden Drucke
analog gleich X^y ... Xy. Dann gelten für u\ v\ mj' in jedem inneren
Punkte die Formeln
121)
0 =
dX: dXl
+
dx
dy
0 = ^^« . ^^;
0 =
dx
ezi
+
dy
+
+
dZ' dz;
1 1 J 1
dx dy dx
ferner an den verschiedenen Arten von Oberflächenelementen resp.
121')
oder
121")
oder
121'")
u == V = W = \Jy
-3^ = ^ = ^n = 0,
und
m' cos (/i, x) + v' cos (w,y) + w' cos (n, 2:) = 0
Xni Yn'Zn = COS (u, x) i COS (w,y) : cos (n, z);
endlich an den verschiedenen Zwischengrenzen dieselben Bedingungen
(119) bis (119"), denen die u, v, w selbst genügen müssen.
Multipliziert man die drei Gleichungen (121) resp. mit u^dk^
v'dk, w'dk, addiert sie, integriert das Eesultat über jeden Körper,
§ 18, Eindeutigkeit des elaetiseken Problems, 343
d. h. über jeden Teil des elastischen Systems, innerhalb dessen das
elastische Verhalten stetig ist, und summiert danach über alle, so
ergiebt sich nach Ausführung einer teilweisen Integration
Q ^ 2 \ do\ (XjJ cos (w, x) + Xy cos [n^y) + XI cos (n, z)) u
+ (Yx cos {riyx) + Y^ cos (n,y) + 7,' cos (w, zfj v
+ (ZI cos [rij x) + Z'y cos (n. y) + ZI cos (n, z)) w
oder nach (12) und (110")
0=-2'/rfo(^i?"+7^t;^+^t?)+ 2f2(p'dk, 122
wo ^' das elastische Potential der Volumeneinheit bezeichnet, ge-
bildet von dem Verrückungssystem u\ v\ w\
Die Oberilächenintegrale verschwinden einzeln an den äußeren
Grenzen und zerstören sich gegenseitig in den Zwischengrenzen, es
bleibt daher nur
0 = :sf2(p'dk. 122')
<jp' ist nun nach S. 333 eine quadratische Form der sechs Argu-
mente Xxy'X'y] ist diese definit, was wir auf Grund aller bisherigen
Beobachtungen über die Werte der Elasticitätskonstanten annehmen
dürfen, so kann das Integral nur verschwinden, wenn überall in
dem ganzen System
^i = J^y = ^« = yi = ^i = 4 = 0
ist Dies ergiebt für u\ v\ m?' durch Integration die Werte
m' = a + ^z — Äy, A
v' ^b + hx^fzA 122")
M?' = c + /"y - ^j:, j
welche nach den Grenzbedingungen mit denselben Konstanten
^ ^9 Cj fi ff9 Ä ^^ ^^1^ Teile des elastischen Systems gelten und nach
den Formeln (118) des L Teiles die Werte der Verriickungskompo-
nenten bei einer beliebigen Parallelverschiebung und Drehung des
Systems im ganzen angeben.
Uy V, w sind demnach durch die aufgestellten Bedingungen bis
auf Glieder von der Form (122") bestimmt; die gemachten Annahmen
344 //. Teil. Mechanik nichtstarrer Körper. IV, Kap,
ergeben also stets die Deformation des Systemes, bestimmen
aber im allgemeinen nicht zugleich seine Lage.
Auch letztere ist vollständig gegeben, falls die Gleichungen (121')
oder (121"') genügen, um die sechs Konstanten o, b, c, /J p, h als der
Null gleich zu bestimmen; oder anders ausgedrückt, falls jene Be-
dingungen, in denen man u\ v\ to' als die Verrückungskomponenten
auffaBt, dem elastischen System eine Bewegung ohne Deformation
unmöglich machen. Dies findet z. B. statt, wenn in dem ursprüng-
lichen Problem «, r, w für drei oder mehr nicht in einer Geraden
liegende Punkte gegeben waren, u\ v\ w^ sich also für dieselben zu
Null bestimmen.
Reichen diese Bedingungen zur Befestigung des Körpers nicht
aus, so kann man deren willkürliche zufügen, welche aber natürlich
nur die Lage, nicht die Deformation des elastischen Systems beein-
flussen dürfen« Fehlen Bedingungen von der Art (118') oder (118'")
gänzlich, so ist auch die Lage des Systemes gänzlich unbestimmt;
sie wird in diesem Falle ohne Beeinflussung der Deformation am ein-
fachsten dadurch bestimmt, daß man für ein einzelnes Volumen-
element die Lage im deformierten Zustand, d. h. also die Verschie-
bung und die Drehung aus der ursprünglichen Position heraus,
vollständig vorschreibt, nämlich die Werthe von
(dtc dv\ (du dw\ Idv _ du\
angiebt.
Die im vorstehenden durchgeführte Betrachtung liefert eine
notwendige Ergänzung zu der auf S. 835 u. f. gegebenen Deutung der
Elasticitätsmoduln, denn sie erweist unsere Berechtigung, bei fehlen-
den körperlichen Kräften die Drucke X^, . . . X innerhalb eines mit
seinen Flächen den Koordinatenebeneh parallelen Prismas konstant
zu setzen, wenn dessen Flächen konstante äußere Drucke erfahren.
In der That sind die Deformationsgrößen und demgemäß die Kom-
ponenten X , . . . X durch die aufgestellten Bedingungen (113) und
(113'), wie wir gezeigt haben, eindeutig bestimmt.
Auch die allgemeine Bedeutung des in (113"") angegebenen
Modul der kubischen Kompression ist dadurch bewiesen; denn all-
seitig gleicher normaler Druck p gegen einen beliebig gestalteten
Körper hat für sein ganzes Innere die Beziehimg
X y z /
zur Folge. —
Für das Bewegungsproblem treten an Stelle der Haupt-
gleichungen (121) die folgenden
§ 19. FAasHsehe Flüssigketten. 345
a»«' öx^ dx; dx;
^ ^ dt* ^ dx ^ by ^ d%
^ dr üx By ox
123)
außerdem ordnen sich den Nebenbedingungen noch die aus der
Festsetzung des Anfangszustandes fließenden zu, daß für ^ = 0
^ dt dt dt ^
sein muß. Die Gleichungen (121') bis (121'") bleiben ungeändert
bestehen, selbst wenn in (118') und (118") die tio, Vo, w?o ^nd X, Y, Z
als Funktionen der Zeit gegeben sind.
Multipliziert man dann die Gleichungen (123) resp. mit
{dt£ Idtjdkdt, {dv^ /dfjdkdtf {dw^ / dt)dkdt, integriert und summiert,
wie oben, über das ganze elastische System und integriert schließlich
noch über die Zeit Ton ^ = 0 bis t^ so erhält man durch ähnliche
Behandlung wie oben
und hieraus folgt, wenn qj eine definite quadratische Form ist, daß
u\ v\ vi von t unabhängig und von der Gestalt (122") sein müssen.
Die Bedingungen (123') bestimmen aber sämtliche Eonstanten dieses
Ansatzes und damit u', v\ tr' selbst dauernd und überall zu Null. Dies
liegt daran, daß mit gegebenem Anfangszustande jene Festsetzungen,
die beim Gleichgewichtsproblem mitunter erst zugefügt werden
mußten, um das Problem zu bestimmen, jederzeit implicite ge-
geben sind.
Die Voraussetzung der Gültigkeit dieser Untersuchung ist die
Kleinheit der Verrückungen gegen ein absolut festes oder aber
gleichförmig parallel mit sich bewegtes Koordinatensystem. Auf
endliche Verschiebungen, wie sie in der Praxis bei sehr dünnen
Stäben oder Platten vorkommen, sind die Resultate nicht anwendbar.®*)
§ 19. Elastische Flüssigkeiten. Ebene und Kugelwellen im
unendlichen Baume.
Die Erscheinungen der Elasticität sind bei festen und bei
flüssigen Körpern in so vielfältiger Weise verschieden., daß es sich
346 IL TeiL Mechanik nickistarrer Körper, IV» Kap.
empfiehlt, für die Behandlung eine Sonderung derselben gemäß der
Natur der betrachteten Medien eintreten zu lassen.
Wir wenden uns zunächst zu denjenigen Körpern, in denen die
elastischen Vorgänge die einfachste Gestalt annehmen, zu den
elastischen Flüssigkeiten. Unter ihnen nehmen wiederum die
Gase deshalb eine ausgezeichnete Stellung ein, weil ihnen gegenüber
die festen elastischen Körper, z. B. die Gefaßwände, in großer
Annäherung als starr angesehen werden können; dies hat nämlich
zur Folge, daß man deren eventuelle Beteiligung an den elastischen
Erscheinungen innerhalb eines mit ihnen in Berührung stehenden
Gases ganz ignorieren kann, was eine bedeutende Vereinfachung der
Aufgabe bewirkt Bei tropfbaren Flüssigkeiten ist dies im allge-
meinen nicht zulässig, da deren elastische Widerstandskräfte nur
unbedeutend geringer sind, als diejenigen fester Körper.
Die Hauptgleichungen für eine homogene elastische Flüssigkeit
lauten nach (14) und (116)
124) p_=X+c^-, (,^ = 1 +cg^, p__ = Z+c^;
an den äußeren Begrenzungen kann der Druck oder die Normal-
komponente der Verschiebung vorgeschrieben sein, an den Zwischen-
grenzen ist, wenn man von Grenzdrucken ;?^^ absieht und die Rich-
tung der Normalen mit v bezeichnet:
124')
K — ^^fc) ^ös (r, .r) -t- (ü^ — v^) cos (v, y) + (w?^ — irj cos (v, z) = 0,
Gleichgewicht ist wegen der Bedingungen
124") T^^c^-^, r^-c^-^, ^'=^c|^
nur möglich unter der Wirkung von konservativen Kräften, und
zwar gilt für deren Potential einfach
124'") *'=ci9' + c',
wo c eine belanglose Konstante bezeichnet.
Fehlen äußere Kräfte, so ist die räumliche Dilatation konstant
und durch den sie bewirkenden Oberflächendruck p gegeben nach
der Formel
p = ^c&.
Diese Beziehung zeigt, daß man die einzige Elasticitätskon-
stante c einer Flüssigkeit durch die Beobachtung der einer gegebenen
Druckzunahme p entsprechenden Kompression — & bestimmen kann.
§ 19. Elastische Flüssigkeiten. 347
Geschieht die Kompression so, daß eine Temperatursteigerung aus-
geschlossen ist, so liefert die Methode die S. 338 definierte iso-
thermische Konstante Cp bei Gasen hat c^ speziell den Wert des
Anfangsdruckes p^. —
Für den Fall der Bewegung kann man von der Wirkung
körperlicher Kräfte, soweit sie die Zeit nicht enthalten, absehen, da
deren Wirkung sich einfach über die der Bewegung lagert; man
kann also ausgehen von den Hauptgleichungen
PöF-^ö^' ^W'^J^' ^^^""''ör- ^^^^
Diese Formeln ergeben
(>^ = cAi^ 125')
d
d
woraus folgt, daß die räumliche Dilatation sich mit Zeit und Ort
ändert, während die Eotation an jeder Stelle in der einmal erregten,
natürlich unendlich kleinen Intensität imgeändert fortbesteht
Dies zeigt, daß, wenn die Verrückungen u, r, w Anteile be-
sitzen, welche eine Botation geben, diese keine eigentiich elastischen
Erscheinungen bewirken, wie sie denn nach (116) und (116') auch
keine elastischen Kräfte erregen; wir können sie daher weiterhin
immer von der Betrachtung ausschließen.
Setzen wir demgemäß
dtp dv du dto dv du
dy dx ^ dx dx ^ dx öy '
SO bestimmen wir hierdurch die Verrückungskomponenten als die
partiellen Differentialquotienten einer und derselben Funktion F der
Koordinaten und der Zeit, des Deformationspotentiales, so
daß gilt
dF dF dF .oft\
dx ^ dy ^ dx '
und
x^^AJP. 126')
Eine durch Formeln von der Gestalt von (126) gegebene De-
formationwollen wir weiterhin eine Potentialdeformation nennen;
bei Flüssigkeiten kann sie als die allgemeinste Form einer Defor-
mation gelten. Sie hat das Eigentümliche, daß in jedem Moment
eine Schar von Flächen F = Const. existiert, senkrecht zu welchen
an jeder Stelle die Verrückung 5, d. h. die Verbindungslinie der
momentanen mit der ursprünglichen Lage des dort befindlichen
348 //. Teil. Mechanik nichtstarrer Körper. IV. Kap.
Massenteilchens steht; außerdem ist der normale Abstand benach-
barter und gleichen Zuwachsen der Eonstanten entsprechender
Flächen an jeder Stelle der Größe der Verrückimg S indirekt
proportional.
Hieraus folgt indessen keineswegs, daß die Bewegung der ein-
zelnen Punkte der Flüssigkeit eine geradlinige ist, denn sonst
müßte aus dem Verhältnis uiviw die Zeit ganz herausfallen, was
im allgemeinen nicht stattfindet.
Aus den drei Gleichungen (125) können wir nunmehr schließen
126") p^ = cA^',
wobei eine belanglose additive Funktion der Zeit allein in F hinein-
gezogen ist.
Die Bedingungen für eine starre, beliebig bewegte Wand redu-
zieren sich darauf, daß dFjdn als beliebige, aber stetige Funktion
des Ortes und der Zeit vorgeschrieben ist; für eine Oberfläche, längs
deren der Druck p gegeben ist, muß wegen p = ^cj^F= — gd^Fjöt*
das Potential F die Form
1 26'") F^r+ F" t - ^ffp{dt)^
haben, worin F^ und jF"* Funktionen der Koordinaten allein be-
zeichnen, über die man mitunter, z. B., wenn ein gleichförmiges
Wachsen oder Abnehmen von F mit der Zeit durch die übrigen
Bedingungen des Problemes ausgeschlossen ist, einfach verfügen kann.
Aus gegebenen Anfangsverrückungen u, v, w und Gesch^nndig-
keiten u\ v', to kann man nach den in § 23 des I. Teiles gegebenen
Begeln die zur Zeit ^ = 0 stattfindenden Werte F^ von F und F^ von
dFjdt berechnen.
Wenn es sich nur um die Bestimmung der räumlichen Dilatation
ß- handelt, nicht auch um die der Verrückungen w, v, tr, und wenn
an den Grenzen O- und zur Zeit t = Q -d- und d&fdt vorgeschrieben
ist, kann man auch von der Gleichung (125') ausgehen; im allge-
meinen ist es stets praktischer, direkt das Deformationspotential /
aufzusuchen.
Von den Gestalten, in denen dieses sich findet, und welche je
nach der Gestalt des von Flüssigkeit erfüllten Baumes und den an
den Grenzen und zur Zeit ^ = 0 geltenden Bedingungen verschieden
sind, haben zwei eine besondere Wichtigkeit, die durch die Art der
Abhängigkeit von der Zeit charakterisiert sind.
Eine erste spezielle Bewegungsform ist gegeben durch ein
Potential von der Form
§ 19, Elastische FHissf'pkeiten. Stehende Schwingungen, 349
F^R{x,y,z)T\(). 127)
Wegen der hieraus folgenden Beziehungen
« = rw||, r = rw|f, tr = rw|^ 127')
werden dabei die gröBten Elongationen , wie die Euhelagen
tissrsstrssOy im ganzen Räume gleichzeitig erreicht; derartige
Bewegungen nennt man stehende Schwingungen.
Femer finden die Bewegungen überall geradlinig statt, und ihre
Richtungen stehen tiberall normal zu der Schar fester Flächen
R = Const, welche man die Wellenflächen der stehenden
Scliwingungen nennen kann. Wo R ein Maximum oder ein Mini-
mum besitzt, ist die Verrückung dauernd gleich Null, befindet sich
also, wie man sagt, ein Schwingungsknoten; wo A -B gleich Null
ist, verschwindet dauernd die räumliche Dilatation ß-j befindet sich,
wie man sagt, ein Schwingungsbauch.
Setzt man den Wert (127) in die Hauptgleichung (126") für F
ein, so erhält man
T dt* "■ QU '
woraus folgt, daß jedes Glied dieser Gleichung einer Eonstanten
gleich sein muß.
Der wichtigste Fall ist der, daß diese Konstante negativ, sagen
wir gleich — a* ist, weil er wegen
f_| + ^2y^0 127")
auf periodische Schwingungen führt; die Periode r hängt dabei
mit u durch die Beziehung a^2n\T zusammen, und die allgemeine
Losung für T lautet, da eine multiplikatire Eonstante in R gezogen
werden kann,
y=sin(a^ + /S).
Für R gilt gleichzeitig im Inneni der Flüssigkeit die Formel
CAÄ+ (^«2^ = 0; 127'")
an der Oberfläche ist dRjdn oder R vorgeschrieben, je nachdem
dort die Verrückung oder der Druck als periodische Funktion der
Zeit gegeben ist
Die Werte von a resp. r werden dabei durch die Nebenbedingungou
des Problems bestimmt, bleiben also willkürlich, wenn solche nicLt
existieren; im ersteren Fall findet sich je nach umständen für sie
bald nur ein einziger Wert, bald eine unendliche Anzahl diskreter
Werte, z. B. Wurzeln transcendenter Gleichungen, und beides s;jj:t
350 //. Teil, Mechanik 7vcktstarrer Körper, IV, Kap,
aus, daß unter den gestellten Bedingungen stehende periodische
Schwingungen nur von bestimmten Schwingungsdauem möglich sind.
Bei dem einer stehenden periodischen Schwingung entsprechen-
den Deformationspotential
127"") F = R{x,y, z) sin {at + ß)
heißt dann
ve^ - i/(iHiF(ir - if •
falls n die Normale auf der Fläche R = Const. bezeichnet, die Am-
plitude, und das Argument des Sinus die Phase der Schwingung.
Der zweite spezielle Bewegungstypus ist durch das Potential
128) F^ P{x,y, z)Q(t^ f[x,y, z))
gegeben.
Hier findet eine Übereinstimmung der Bewegungen in verschie-
denen Teilen des Raumes in der Hinsicht statt, daß der Faktor Q
in verschiedenen Oberflächen von der Gleichung
f{x,y,z) = C^,
welche man die Wellenflächen der fortschreitenden Schwin-
gungen nennt, zu den Zeiten t = Cj^ den gleichen Wert annimmt
Jeder Wert von Q schreitet also von Wellenfläche zu Wellenfläche
fort, und daher heißen die durch (128) gegebenen Bewegungen
fortschreitende Schwingungen.
Bringt man f auf die Form
/•(.r,y,z) = Ä/i;(|,7;),
wo I = Const. und i] = Const. die Gleichungen einer normalen
Trajektorie aller Oberflächen /*= Cj^ darstellen, und s die auf ilu*
von einer beliebigen dieser Flächen aus abgegrenzte Länge bezeichnet
so heißt V — nicht zu verwechseln mit der Verrückung v — die
Fortpflanzungsgeschwindigkeit längs jener Trajektorie.
Die Funktion F verhält sich wegen des Faktors P komplizierter
als Qj ihr absoluter Wert ändert sich von einer Oberfläche f zur
anderen; ihre wesentliche Eigenschaft stimmt aber mit der von Q
überein.
Ein Wert
128') F==P'(x,y,z)Q{t+f{T,y,z))
stellt eine Bewegung dar, die sich mit der gleichen Geschwindigkeit,
in den gleichen Wellen, aber in der entgegengesetzten Richtung fort-
pflanzt, wie die durch (128) gegebene.
§ 19. Elastische Flüssigkeiten, Fortsehreitende Schwingungen. 351
Die aus (128) folgenden Ausdrücke für u, v, tc werden ziemlic'.i
kompliziert; bezeichnet maai mit Q' den Diflferentialquotienten von Q
nach t oder nach dem ganzen Argument, so erhält man
128')
die Werte lassen sich in zwei Teile zerlegen, welche je eine gerad-
linige Bewegung normal zu einer Fläche Q = Const. resp. f = Const.,
oder, anders ausgedrückt, normal zu einer Fläche konstanter Ampli-
tude und einer Fläche konstanter Phase von F darstellen. Enthält
Q die Koordinaten nur in der Kombination /', so sind beide Teile
parallel.
Der wichtigste Fall ist wieder der einer periodischen Be-
wegung. Setzt man Q = sina{( — f), also
F^Fsma{t-^f), 128")
so erhält man
u = y^-sin e^(^ -f) - aP |/cos e^(^- /'), 128")
Bringt man (128'") auf die Form
F = Pcos af^m at — Psin ce f cos at
und vergleicht dies Resultat mit der Formel (127""), so erkennt
man, daß eine fortschreitende periodische Schwingung als die Super-
position zweier stehender, mit gleicher Periode, aber verschiedener
Phase und Amplitude betrachtet werden kann.
Andererseits zeigt die Beziehung
P (sin cc[t — f) + sin a (^ + /*)) = 2 Pcos afsina i,
daß eine stehende periodische Schwingung sich jederzeit auffassen
läßt als die Superposition zweier durch dieselben Wellentiächen mit
der gleichen Geschwindigkeit in entgegengesetzter Richtung fort-
schreitender Schwingungen gleicher Periode. —
Unser Ohr hat die Fähigkeit, periodische Schwingungen der
umgebenden Atmosphäre als Töne aufzufassen, und zwar solche, für
w^elche das Deformationspotential durch eine einzige trigonometrische
Funktion der Zeit gegeben ist, als einfache, solche, für welche es
durch eine Summe derartiger Glieder dargestellt ist, im allgemeinen
als zusammengesetzte Töne. Die empfundene Tonhöhe hängt
von der Größe der Periode r oder von der sogenannten Schwin-
gungszahl f = 1/t ab, die empfundene Intensität wahrscheinlich
352 //. TeiL Mechanik ntchtstarrer Körper. IV. Kap,
von der mittieren Energie der stattfindenden Luftbewegung in der
Nähe des Ohres.
Die augenblickliche Energie 6 der Volumeneinheit ist nach
(110") und (116')
129) 6 = |(()r» + ci9-^.
Daraus folgt die mittlere Energie e^ gemäß der Formel
129) $^ = ^J{QF* + c&*)dt,
t
worin t eine beliebige Zeit und r die Dauer einer Periode der
Schwingung bezeichnet.
Sind die Schwingungen stehende, so ist nach (127)
129") r2 = (^j*GÄ, &^TAli;
entsprechen sie einem einfachen Ton mit der Periode r, so ist
nach (127")
4/(^)*^-T/''^'-i«'.
also
oder wegen (127'") und, weil c/q — r* ist, auch
l--'9"') a^ = ^p„»(eÄ + ^) .
Hieraus folgt, daß in Schwingungsknoten gilt
in Schwingungsbäuchen
Für fortschreitende Schwingungen eines einfachen Tones
erhält man ähnlich allgemeine Eelationen, wenn man sie, wie S. 351
gezeigt, als Superposition von zwei stehenden Schwingungen ansieht.
Es folgt dann nach leichter Rechnung
€/. = i(('«^[Ö(P cos af) + Q{P sin af)]
-f c[A\P cos af) + a\P sin af')]).
Ist die Bewegung eine Superposition verschiedener einfacher
Töne, so ist die Energie gleich der Summe der Energien, welche
jeder einzelne Ton für sich besitzen würde; denn die bei der
1 29"")
§ 19. Elaaidsehe Flüssigkeiten. Ebene Wellen. 353
Berechnung von 6^ auftretenden Glieder, die sich auf zwei Töne
beziehen, verschwinden bei der Integration über die gemeinsame
Periode. —
Von besonderer Einfachheit und von großer Wichtigkeit ist
der Fall, daß die Bedingungen des Problems derart sind, daß F
nur von einer Koordinate abhängt, sagen wir von
s = Ix + my + nZj
worin l, m, n die Richtungscosinus der Wellennormalen s gegen
die Eoordinatenaxen bezeichnen. Dann wird die Hauptgleichung zu
und ihre allgemeine Lösung besitzt die Form®^)
F^f,{s + vt) + ^2 (^ - ^^)^ 130')
worin
ist
Ist die elastische Flüssigkeit unbegrenzt, und ist für ^ = 0
SO erhält man durch eine einfache Rechnung den allgemeinen Wert
F=\{F,{s+vt) + F,{s- vt)) + -^JF^ {&) da, 1 80'")
9 — Vt
der sich auch schreiben läßt
■^ = i [^^/^oC«^)*^«^ +/^i(<r)rf<^] 130"")
» — vt a — vt
und aussagt, daß sich nach der Seite von +8 der halbe Wert
eines Deformationspotentiales
F,-l-JF,{<T)da,
nach der Seite von —s der halbe Wert eines Potentiales
^O+^/^lH*^«^
mit der Geschwindigkeit v in ebenen Wellen fortpflanzt.
Wenn die unendliche Flüssigkeit durch eine Ebene ä = 0 be-
grenzt ist, die als Ganzes in gegebener Bewegung erhalten wird,
d. h., längs deren die Verrückungen als Funktionen der Zeit allein
Voigt, Theoretische Physik. 23
354 //. TeiL Mechanik nichtstarrer Körper, IV. Kap.
vorgeschrieben sind, so pflanzen sich nach dem S. 347 Gesagton
die tangentialen Komponenten nicht fort, und die Grenzbedingnng
lautet für « = 0
Beginnt diese Bewegung zur Zeit ^ = 0, und ist im ganzen Ton
der Flüssigkeit erfüllt gedachten Halbraume ä > 0 sowohl F^, als
J^j gleich Null, so erhält man durch eine einfache Rechnung
131)
woraus folgt
131')
< — » / V
F= -V Cs\a)da für ^>-^,
0
F=-0 für t^ — ,
— V
^ ds — V
Ist beispielsweise S\t) — A sin ut, so wird für .9>0und^>f/y
F = cos a ^
Die erzeugte Bewegung ist also eine mit der Geschwindigkeit v
fortschreitende Schwingung. Führt man die Periode r ein und
bezeichnet das Produkt vt, die Wellenlänge, durch l, so giebt dies
131") i^=-4^cos2jr(----f).
Ist dagegen F^ und F^^ zur Zeit ^ = 0 nicht gleich NuD, son-
dern je gleich einer gegebenen Funktion Ton ä, und ist die Ebene
5 = 0 festgehalten, dF jds dort also gleich Null, so kann man fiir
den positiven Halbraum die Formel (ISO'") anwenden, wenn man
nur die Funktionen Fq und F^ in dem negativen Halbraume so
definiert, daß sie für s = — s^ denselben Wert annehmen, wie er
für s = + s, vorgeschrieben ist —
Wenn auch, der Übereinstimmung mit dem allgemeinen Fall
wegen, oben die Untersuchung ebener Wellen an das Deformations-
potential angeknüpft ist, so empfiehlt es sich doch bei dem vor-
liegenden speziellen Fall mehr, von der Betrachtung der resultieren-
den Verrückung
OS
§ 19, Elastische Flüssigkeiten, Ebene Wellen, 855
132")
auszugehen, welche normal zur Wellenebene, also longitudinal,
stattfindet, und für welche nach (125) dieselbe Hauptgleichung
gültig ist, wie für F, Die bisherigen Resultate sind auf S direkt
tibertragbar. So schreibt sich die Formel (130'") für die Wirkung
einer AnfangSTerrückung Sq und einer Anfangsgeschwindigkeit S^
S = :k(S,{s + vt) + S,{s- vt)) + ^fs, (<7) da ; 1 32')
s — vt
für die Fortpflanzung der normalen Verschiebung der Ebene s = 0
gilt nach (131')
5=5'(.-A) furo-:, 1
5 = 0 für ^< — ; 1
für die normale Reflexion an der festen Wand « = 0 hat man den
Anfangszustand in den negativen Halbraum so fortzusetzen, daß
entgegengesetzten Argumenten s auch entgegengesetzte Funktions-
werte Sq und Äj entsprechen, und dann die Formel (132') zu benutzen.
Außerdem bietet die Einführung von S aber besondere Vorteile,
wenn es sich um die Wirkung einer Begrenzung handelt, an welcher
der Druck, und daher wegen jt? = — ci?* = — cdS I ds auch dS / ds
als Funktion der Zeit vorgeschrieben, oder aber dauernd gleich
Null ist, wie letzteres an der freien Oberfläche einer tropfbaren
Flüssigkeit stattfindet
Ist zunächst im positiven Halbraume iS^ = Ä^ = 0, und ist für
s = 0 und ^ > 0 vorgeschrieben dS j ds = S"{t), so wird
S=-v fS"{<T)d(T für f > — , ]
i " 132'")
V
Ist dagegen für den positiven Halbraum Sq und S^ als Funktion
von s vorgeschrieben und dSlds = 0 für ^ = 0, so hat man Sq und
iS'i in den negativen Halbraum einfach spiegelbildlich fortzusetzen
und die Grundformel (132') anzuwenden.
Die Superposition der beiden Resultate, die sich auf in der
Grenzebene gegebenes S, sowie derjenigen, die sich auf ebenda ge-
gebenes dS/ds beziehen, gestattet dann gleichzeitig vorgeschriebenes
23*
356 //. Teil. Mechanik nichtstarrer Kärper, IV, Kap.
Sq und Äj einerseits, gegebenes ä' resp. 5" andererseits zu berück-
sichtigen.
Dabei tritt hervor, daß die Reflexion normal auffallender
ebener Wellen an einer Ebene in derselben Weise stattfindet, ob
S daselbst beliebig wechselnd gegeben ist, oder dauernd verschwindet;
ebenso ergiebt beliebig wechselnd vorgeschriebenes dS/ds dieselbe
Reflexion, wie dauernd verschwindendes. Im ersten Falle werden
die auffallenden Verrückungen mit umgekehrtem, im letzteren
mit gleichem Zeichen reflektiert.
Man kann leicht die Betrachtung auf den Fall erweitem, daß
an zwei parallelen Ebenen ä = 0 und s = Z entweder S oder dSlÖJf
auf Null erhalten wird, indem man den zwischen ihnen gegebenen
Anfangszustand durch wiederholte geeignete Spiegelung an den beiden
Grenzebenen in den äußeren Raum fortsetzt. —
Größeres Interesse, als diese Probleme fortschreitender
Schwingungen, besitzen diejenigen, welche sich aufstehende Sch^vin-
gungen zwischen den Ebenen ä = 0 imd s = Z beziehen.
Die speziellen nach dem Typus (127"") gebildeten Werte
133)
as
V
resp.
Si = Äsin sin a{t + ^^),
Sil = ^ cos — sin a{t + t^),
worin
aZ = nhv, ä =» 1,2, 3, ...,
entsprechen den Fällen, daß S resp. dSJds für s = 0 und s= L
verschwinden; die Sch^dngungsdauern r und die Wellenlängen /
folgen dabei dem Gesetz
T = 2i;/At;, A = 2Z/Ä.
Dagegen entspricht
1 33') 5ui = ^ sin "- sin a{t + t^),
as
V
worin
aZ = — -—7iv, Ä = 0,1,2,...
ist, dem Falle, daß 5 für ä = 0 und öS/ö* für 8 = Z verschwindet;
zugleich gilt
T = 4Z/(2A+ l)v, ^=- 4ZI{2h+ 1).
Die Schwingungszahlen f = 1/ r schreiten in den ersten beiden Fällen
wie die natürlichen, in dem dritten wie die ungeraden Zahlen fort,
Sch^vingungsknoten entsprechen den Stellen, wo 5, Sch^iugimgs-
bäuche denen, wo dS/ds verschwindet; die Entfernung benachbarter
§ 19. Elastische Fiüsstgkeiten. Ebene Wellen, 357
beträgt A/2, und ihre Messung liefert wegen k = TV ein wichtiges
Mittel zur Bestimmung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit v.
Diese Verhältnisse liegen angenähert bei den Pfeifen vor, d. h.
bei cylindrischen, mit Luft erfüllten Röhren, welche an den Enden
entweder durch feste Böden geschlossen sind oder sich in den Luft-
raum öfl&ien; wenn der Querschnitt der Pfeife klein ist, kann am
offenen Ende eine merkliche Verdichtung oder Verdünnung nicht ein-
treten, ist also näherungsweise die Bedingung # = 0, d. h. ö5/Öä = 0
ei-föllt. Eine strenge Analyse muß allerdings die von dem Rohr aus
im umgebenden Lufträume fortgepflanzten Schwingungen mit in Be-
tracht ziehen*^); auch der Einfluß der Reibung und des Wärmeaus-
tausches mit den Seitenwänden giebt zu Abweichungen von den
obigen Formeln Veranlassung. ®®) —
Ist 5 = 0 für 5 = 0, und ist Ä = ^ sin a^ für « = i, so erhält man
. . as ,
A 8in — Binnt
S= "—f — . 133")
8in
V
S wird also unendlich, wenn ccZ=^k7tv ist, und hieraus ist zu
schließen, daß, falls die Ebene s = Z eine nur unendlich schwache
Bewegung ausführt, welche die Superposition sehr vieler Schwin-
gungen mit verschiedenen Perioden bildet, nur diejenigen stehenden
Schwingungen innerhalb der Flüssigkeit merklich erregt werden, für
welche die Bedingung uL = hnv erfüllt ist; dies sind dieselben
Schwingungen, welche bei beiderseitig festgehaltener Begrenzung
allein bestehen können.
Ahnliche Formeln wie (133") gelten, wenn für * = 0 nicht 5,
sondern & verschwindet, und auch, wenn für s ^ L, statt S, & vor-
geschrieben ist
Die Erregung von stehenden Schwingungen in Pfeifen bei Ein-
wirkung auf deren Endquerschnitte kann man als Resonanz im
weiteren Sinne bezeichnen; ist die Einwirkung eine periodische
Dinickänderung, die durch über ein offenes Ende ziehende Wellen
im äußeren Luftraum bewirkt wird, so giebt dies eine Resonanz im
engeren Sinne. Wir gehen weiter unten auf allgemeinere Vor-
gänge dieser Art ausführlicher ein. —
Der Wert der mittleren Energie c^ nimmt bei Schwingungen,
die in ebenen Wellen stattfinden, eine besonders einfache Gestalt an.
Für stehende Schwingungen, die einem einfachen Ton ent-
si^rechen, ist nach (127"") allgemein
i^ = a cos -- (s + Sq) sin ce{t + t^),
358 //. Teil. Mechanik nichlstarrer Körper, IV. Kap,
und daraus folgt nach (129'")
6^ = ^ (sin*
worin das erste Glied der Klammer den kinetischen, das zweite
den potentiellen Anteil der Gesamtenergie angiebt. Diese Teile
wechseln also von Stelle zu Stelle, während ihre Summe überall
konstant ist.
Führt man die größte Amplitude Ä = aujv der resultierenden
Verrückung S=dF/ds ein, so giebt dies auch
133") 8,,= ^^^.
Für fortschreitende Schwingungen mit dem Potential
F=^ a sin a[t + t^ — —
ist das Resultat bezüglich der Gesamtenergie €^ das gleiche; aber
die zeitlichen Mittelwerte des kinetischen und des potentiellen Teiles
sind hier im ganzen Saum konstant, und zwar einander gleich. —
Fallen fortschreitende ebene Wellen auf eine ebene Grenze
zwischen zwei verschiedenen Flüssigkeiten auf, so werden sie zum
Teil zurückgeworfen, zum Teil in die zweite Flüssigkeit hinein fort-
gepflanzt®^. Nach Symmetrie müssen alle die entstehenden Be-
wegungen wieder in ebenen Wellen stattfinden, deren Normalen der
Ebene durch das Ijot auf der Grenze und durch das Lot auf der
einfallenden Welle, der sogenannten Einfallsebene, parallel liegen.
Wählt man die XY- zur Grenzebene, die XZ- zur Einfalls-
ebene und rechnet die ^-Axe von dem ersten ins zweite Medium
positiv, so sind ebene fortschreitende Wellen, welche bei dem be-
trachteten Vorgang auftreten können, gegeben durch das Defor-
mationspotential
I = asm — [t+tQ'--j=asm27( \^—^ - yj ,
worin s == Ix + nz ist, und /, 0 und n die Richtungscosinus der in
der Richtung der Fortpflanzung positiv gerechneten Wellennonnale s
bezeichnen.
Die Bedingungen für die Grenzfläche, d. h. für z = 0, gehen
nach (124') dahin, daß
§ 19. Elastische Flüssigkeiten. Ebene Wellen. 859
sein muß; letztere Formel ist nach (126") identisch mit
Bezeichnet man die einfallende, die reflektierte und die durch-
gehende Welle resp. durch die Indices «, r und rf, so ist zu setzen
/ / Lx ■{■ nx
'i + t l X + n x""
^
134")
P = F 4- F F ^ F
Kombiniert man diese Werte mit den Grenzbedingungen (134)
resp. (134'), so erhält man zunächst, da nach den letzteren für z = 0
die mit Ort und Zeit veränderlichen Faktoren stets gleich sein müssen,
^r = ^d = 0, Te == T^ = Tj = T, 135)
worin t die allen Wellen gemeinsame Periode bezeichnet; femer
/ / /
*e *'r ''d
was das Gesetz der Eefiexion und der Brechung der Wellennormalen
ausspricht. Wegen A = tv und v^ = v^ kann man nämlich hierfür
auch schreiben
/,= /„ A = jk, 135")
« d
woraus die Richtigkeit der gemachten Bemerkung erheUt.
So lange /^, d. h. lj^^\v^ < 1 ist, bleibt der zu dem Richtungs-
cosinus l^ gehörige Winkel und somit die Lösung F^ reell.
An und für sich können den durch (135') definierten l^ und /^
je zwei Werte n^ und n^ entsprechen, gemäß den Gleichungen
n,= ±ynrxs n^= ±yi^^jr
und die Betrachtung des durch (134") gegebenen, gewissermaßen
stationären Zustandes allein gestattet nicht die Entscheidung
darüber, welche von ihnen den wirklichen Fortpfianzungsrichtungen
entsprechen, lassen vielmehr alle vier Möglichkeiten gleichmäßig zu.
Man kann zu dieser Entscheidung das Resultat der Anschauung
heranziehen, daß die durch die einfallende Welle erregten Wellen
von der Grenze r = 0 hinweggehen müssen ; noch befriedigender
360 //. Teil. Mechanik nichtstarrer Körper. IV, Kap,
erscheint die Anwendung der Überlegung, daß bei stetiger Änderung
der Konstanten Qj^ und c^ die Fortpflanzungsrichtungen dieser Wellen
sich gleichfalls stetig ändern müssen.
Läßt man nämlich c im zweiten Medium unendlich werden, so
verwandelt sich dieses dadurch in einen — bezüglich der Fortpflanzung
longitudinaler Wellen — starren Körper; die erste Bedingung
(134) liefert {dFjdz\ = 0 für z = 0, die zweite verliert die Bedeu-
tung einer Grenzbedingung, da die rechte Seite die Form O.oo
annimmt Wir erhalten dadurch den Fall der Reflexion von einer
festen Wand, der im folgenden Paragraphen ganz allgemein behan-
delt werden wird und darauf führt, daß w^ = — yi — /^, d. h.
= — n ist
Läßt man dagegen c und q in beiden Medien gleich werden, so
verschwindet die Grenze überhaupt und damit jede Unterbrechung
der regelmäßigen Fortpflanzung; hier ist demgemäß
Indem wir dies benutzen, erhalten wir
oder indem wir die auf die beiden Flüssigkeiten (1) und (2) direkter
hinweisenden Indices 1 und 2 einführen:
Unter Benutzung dieser Resultate und der Beziehungen
Ag = A^ = Aj , A^ = Ag , ^1*^2^ k'h
geben die Grenzbedingungen
136) « « 2^.^._ !^^h^Jb?L,
Diese Formeln bestimmen die reflektierte und gebrochene Am-
plitude, zunächst des Deformationspotentiales und, wegen der Be-
ziehungen
d'F BF BF
dx ay dx
auch diejenigen der Verschiebimgen.
Nach der Ableitung ist ersichtlich, daß die Summe der Energien
der so bestimmten reflektierten und gebrochenen Wellen gleich der
Energie der einfallenden Welle sein muß, wenn man nur die Be-
rechnung auf Volumina bezieht welche dieselbe Bewegung in ver-
schiedenen Stadien der Fortpflanzung, nämlich erst als einfallende,
§ 19, Ekutiüeke FHissigkeitm. Ebene Wellen, 361
dann als retiektierte und gebrochene 'enthält Solche Volumina
werden nach der geometrischen Anschauung geliefert durch recht-
winkelige Prismen, deren Kanten |, ?/, f resp. parallel der Wellen-
normalen, normal zur Einfallsebene, und parallel der Einfallsebene
liegen, falls die | sich verhalten wie die Wellenlängen oder die Fort-
pH anzungsgesch windigkeiten V, die 7] die gleichen sind, und die ^
sich verhalten wie die Eichtungscosinus n.
Hiemach muß also bei Berücksichtigung von Formel (185') gelten
(a| - a?) /j Wj (^j = flj /g fig Q^ , 136')
was in der That erfüllt ist.
Wegen der auf S. 358 entwickelten Beziehung zwischen der
kinetischen und der potentiellen Energie fortschreitender ebener
Wellen ist bei der obigen Begrenzung der sich entsprechenden
Volumina auch die lebendige Kraft in der einfallenden Welle für
sich gleich der Summe derjenigen in der gebrochenen und re-
flektierten.
Die Formeln (136) zeigen, daß wegen des Auftretens der Dich-
ten ()j und ^2 ^^8 einem Gas jederzeit nur sehr wenig Bewegung
in eine tropfbare Flüssigkeit übergeht. Ist p^ grofli gegen p^ und
nicht gleichzeitig l^ gegen /j? ^o kann man in erster Näherung
schreiben
und erhält für das Verhältnis der einfallenden zur gebrochenen
Energie
Findet sich durch die Bedingungen (134) l^, d. h. l^{v^lvj)>lj
so wird der Ansatz für F^ imaginär, es kann also dann eine Be-
wegung der durch denselben dargestellten Art im zweiten Medium
nicht stattfinden.
Diesen Fall erledigt man durch die Bemerkung, daß die Haupt-
gleichung für F, nämlich
unter der Voraussetzung ebener Wellen normal zur Z^- Ebene in-
tegriert wird durch den reellen oder imaginären Teil von
2.-Ti / __ Ia;4-lti\
5 = a/''^ " \ 137)
worin a, I, n, D komplexe Größen sind, falls nur ist
()O^=c((»+n'0. 137')
362 IL Teil, Mechanik niehtatarrer Körper. IV, Kap,
Setzt man
137") I = / - il\ n = n - in\ ö = — ^-^ ,
SO erhält man
137'") ' ^^V
I ^^^?^ = c(/r + ««');
diese Gleichungen bestimmen v und x bei gegebenen Z, /' und lun,
um den speziellen vorliegenden Grenzbedingungen zu genügen,
muß sich jP für z = 0 auf die Form
asin2;r I -r-
reduzieren. Wir erreichen dies, indem wir setzen
138) r=0, n = 0, /2_„»2^i^
woraus dann folgt, daß
1380 « = 0, vV = c
ist, und daß F^ sich auf die Form bringen läßt
138") F^^e'^^.' Lsin 25r(f - -f^ + a'^cos2n (f - -f^] ;
zugleich schreiben «är auch
ZOO ; \ \ ^
i^^ = a^sin2;r(-^^ ^ ^ M + a;cos2;rf^ "^ i )'
TT r r
Die Anwendung der Grenzbedingungen (134) liefert zunächst
für die reflektierte Welle folgt, wie früher, n^ = — »*«> filr die durch-
gehende, da die Bewegung nicht mit wachsendem z unendlich
werden darf, wi = + ]//J — 1.
Vertauschen wir wieder /^, /^, l^ mit ^j ^, ^3 und n^, «^, «^ mit
7?j, — Tij und Wg, so resultiert
2w, n\ /, /j^j ßj
139')
nUiai+n['liQl'
§ 19. Elastische Flüssigkeiten, Kugelwellen. 363
woraus folgt
a; + a;2=a^ 139")
Die letzte Formel zeigt, daß bei dieser Art der Keüexion die
gesamte Energie der einfallenden in der reflektierten Welle ent-
halten ist; die Beflexion wird deshalb eine totale genannt. Eine
Bewegung im zweiten Medium fehlt allerdings nicht vollständig,
aber sie pflanzt sich nicht mit gleicher Stärke in dasselbe fort, son-
dern nimmt mit wachsendem Abstand von der Grenze schnell an
Intensität ab. Übrigens hat sie wesentlich andere Eigenschaften, als
die in das erste Medium reflektierte; ihre Wellenebenen liegen nor-
mal zur X-Axe und pflanzen sich mit einer Geschwindigkeit v^/l^ der
A'-Axe parallel fort, während die Ebenen gleicher Amplitude der
Grenzfläche parallel sind; ersteres erklärt, daß diese Schwingungen
dem ersten Medium Energie nicht entziehen.
Die reflektierte Bewegung unterscheidet sich von der bei der
gewöhnlichen Reflexion erhaltenen, abgesehen von der Intensität,
nur dadurch, daß die Phase um eine vom Einfallswinkel abhängige
Größe geändert ist, was deutlich hervortritt, wenn man in dem An-
satz (138'") schreibt
^,= yflr+aTsin2;r(^^-^^). ~
Neben den ebenen Wellen besitzen eine hervorragende Wichtig-
keit die kugelförmigen. Man gelangt zu ihnen, indem man in die
Gleichung (126") die Annahme einführt, daß F außer von t nur von
der Entfernung r von einem beliebigen Punkt, etwa von dem Koordi-
natenanfang, abhängt; die Gleichung nimmt dadurch die Form an
welche zeigt, daß rF bei kugelförmigen Wellen dieselbe Rolle spielt,
w^ie F selbst bei ebenen.
Die allgemeine Lösung
^ = jr {fiir + vt) + f,{r - vt)) HOO
stellt zwei in entgegengesetzter Richtung mit wechselnder Stärke
sich längs der Radien fortpflanzende Bewegungen dar; spezieller giebt
F=^sma(t--^] 140")
eine fortschreitende,
F=^ sin-;- (r + r J sin a{t + Q 1 40'")
eine stehende periodische Bewegung mit Kugel wellen.
364 IL Teil. Mechanik nichtstarrer Körper. IV. Kap.
Die resultierenden Verrückungen S liegen bei den kugeligen,
wie bei den ebenen Wellen normal zur Wellenfläche, sind also
longitudinal und besitzen den Wert
dr
Für eine fortschreitende Welle von der Form (140") giebt dies
er a ' (, r\ an (. r\
o = rSmaU cos ult ,
r* \ V I rv \ V / '
für eine stehende von der Form (l40"')
5 = - amia{t + g (^sin« (r + rj - -^ cos cf(r + r^)) ;
in beiden Fällen setzt sich die Verrückung aus zwei Gliedern zu-
sammen, die mit wachsendem r verschieden schnell abnehmen.
In großer Entfernung von dem Centrum der Bewegung r = 0
übenviegt je das zweite Glied, und dort erhält man daher, wenn
man wieder aa I v = Ä setzt,
Ä i r \ A
5=— -cos<^(^ 1, resp. 5= —sin a(^ 4- ^ cos a{r + rj.
Analoges gilt für die mittlere Energie c^; bei der Beschränkung
auf das Glied niedrigster Ordnung erhält man aus (129'") resp. (129"")
Fortschreitende cylindrische Wellen mit konstanter Ge-
schwindigkeit v, die den oben betrachteten ebenen und kugeligen
zugeordnet werden könnten, existieren nicht Es ist nämlich nicht
möglich, der Fundamentalgleichung
welche wegen c/(» = r* die Übertragung von (126") auf die Ebene
darstellt, durch einen Ansatz von der Form
F=F{e)q{e±vt),
worin
e"^ =^ [x - x^f + [y - y>,^,
zu genügen; denn die resultierende Gleichung
Q [P" +
^"^ + Q'(2P' + ^]=0,
e j " \ e
in welcher die oberen Indices die Differentialquotienten nach den
ganzen Argumenten bezeichnen, ist bei willkürlich vorgeschriebenem
Q überhaupt nicht zu befriedigen. Läßt man Q verfügbar, so muß.
§ 19. ElasHsche Flüssigkeiten, Oylindrische Wellen. 365
weil in P die Zeit nicht vorkommt, Q' = Q. Const sein, also einem
ganz speziellen Gesetz entsprechen.
Dagegen sind stehende cylindrische Wellen möglich; denn
aus dem Ansatz
P= A{e)sijia{t+ t^)
folgt für A die Gleichung
öc* e de v^
welche, wenn man die Bedingung hinzunimmt, daß Ä für e = 0
logarithmisch unendlich wird,
ergiebt, worin m und n Konstanten, Y^ und J^ die BESSEL'schen
Funktionen bezeichnen. Es wird sonach hier
F =
m r, (^') + «/„ (^)] sia cc{t+t,); 141')
für sehr große e reduziert sich dies auf
ff« . , . ae
a cos h ö sin —
F'. --=. ^^-sina(^+g, 141")
unter a und b Konstanten verstanden, und zeigt, daß v bei großem e
wieder die Eolle der Fortpflanzungsgeschwindigkeit spielt.
Die Ausdrücke für die potentielle und die kinetische Energie
derartiger cylin drischer Wellen lassen sich e^nso ableiten, wie
oben diejenigen für die Energien kugeliger. — ^^
Bezüglich der bei ebenen und bei Kugelwellen stets auftretenden
Fortpflanzungsgeschwindigkeit v = "^Q ist daran zu erinnern, daß
nach S. 338 bei einigermaßen großer Schwingungszahl des erregten
Tones für die Elasticitätskonstante c der speziell als adiabatisch
bezeichnete Wert c zu setzen ist und nicht der durch statische
Methoden nach S. 346 bestimmbare isothermische c^.
Bei tropfbaren Flüssigkeiten sind beide Werte nur unmerklich
verschieden; bei gasformigen, wo das isothermische c^ nach S. 338
gleich dem Anfangsdruck p^ ist, den das Medium vor Beginn der
Bewegung erfuhr, findet sich die adiabatische Konstante
c, = p'^x, UV")
WO X die schon auf S. 71 eingeführte und im folgenden Teile
näher zu bestimmende, der Substanz des Gases individuelle Kon-
stante bezeichnet, welche sich für die verschiedenen Gase zwischen
|. und 1 bewegt.
366 //. Teil. Mechanik nichtstarrer Körper, IV, Kap,
Die Formel
.2 _ r*
141"") v^ =
giebt, beiläufig gesagt, die bequemste Methode zu ihrer numerischen
Bestimmung an die Hand, da v, p^ und q der Beobachtung leicht
zugänglich sind. —
Die Grundformeln der Elasticitätslehre sind unter der speziellen
Annahme abgeleitet, daß die elastischen Drucke lineare Funktionen
der Deformationen, also diese selbst, wie auch die Verrückungen
und Geschwindigkeiten, sehr klein sind.
Dies ist in der Praxis auch bei Flüssigkeiten meist soweit er-
füllt, daß die auf dieser Grundlage abgeleiteten Formeln mit der
Erfahrung befriedigend stimmen ; doch kommen bei der Fortptlanzang
sehr starker Töne oder Schalle in Gasen auch Fälle merklicher
Abweichung vor. Diese erfordern also eine ergänzte Theorie, die
man auf der Grundlage der, wie S. 337 angegeben, erweiterten
Elasticitätstheorie, oder aber auf der Grundlage der strengen hydro-
dynamischen Gleichungen (48) aufbauen kann.^^)
Bei dem sehr speziellen Interesse, welches diese Untersuchungen
besitzen, kann hier auf dieselben nicht eingegangen werden.
§ 20. ElastiBche Flüssigkeiten mit beliebiger Begrenzung bei
beliebiger Erregung. Eesonanzerscheinungen.
Um die allgemeine Aufgabe der Bewegung einer beliebig be-
grenzten Flüssigkeit bei beliebigen Oberflächenbedingungen und b^.-
liebigen Anfangswerten F=Fq und öFjdt^ F^ vorzunehmen, ziehen
wir außer dem Defomiationspotential F noch eine Funktion G heran,
welche ebenfalls die Hauptgleichung (126") erflillt und, wie F^ inner-
halb des von der Flüssigkeit eingenommenen Raumes k sich regulär
verhält, und bilden, indem wir cjq = v^ setzen,
dabei ist die räumliche Integration über das gesamte k auszudehnen,
die zeitliche von ^=0 bis zu einem zunächst beliebigen t=T,
Dies giebt sogleich
1.2 , /; .■ If - ,^iu + „>/.,/(<7 II - j-l^) ... 0,
0 Ü
und damit ein Analogon zu der aus dem GKEEN'schen Satz abge-
leiteten Gleichung (181') auf S. ITO.^^)
1
§ 20, Elastische Flüssigkeiien bei beliehiger Begreniung, 367
Wir wollen nun für G eine Funktion wählen, die zwar im
übrigen innerhalb k regulär ist, aber an einer Stelle a, b, c un-
endlich wird, wie
^^^frj-^)^ • 143)
worin r die Entfernung von jenem Punkte und x eine Funktion von
folgenden speziellen Eigenschaften bezeichnet xi^) verhält sich mit
seinen Differentialquotienten regulär, verschwindet aber für alle
positiven und negativen Argumente s mit Ausnahme derjenigen,
welche einem speziellen endlichen positiven Werte * = *j unendlich
nahe sind; letzteres wollen wir dadurch ausdrücken, daß wir
X{s) = 0
setzen, wenn nicht
5j— €<*<«!+€ 143')
ist, unter a eine unendlich kleine Größe verstanden. Innerhalb des
vorstehend umgrenzten Bereiches soll ;^ > 0 und
Jx{s)ds=::l 143")
«0
sein, sowie Sq um eine endliche Größe kleiner, s^ größer ist, als Sy
Eine Funktion von diesen Eigenschaften ist u. a.
;^(ä)= J*^e-/'^*-'w« 143'")
für sehr große Werte von fi.
Weiter können wir die Funktion G noch geeigneten Anfangs-
und Oberflächenbedingungen unterwerfen. In ersterer Hinsicht
setzen wir fest, daß zur Zeit T, welche um einen endlichen Betrag
größer als t^^s^jv sein mag, G und dGjdt innerhalb k überall
verschwinden; über das Verhalten von G an der Oberfläche o von k
behalten wir uns die Verfügung zunächst vor.
Um die Gleichung (142') auf ein G von obigen Eigenschaften
anzuwenden, muß man den Punkt a, ä, c durch eine Fläche, z. B.
eine kleine Kugelfläche vom Eadius R mit dem Centrum in a, ä, c,
aasschließen. Der auf sie bezügliche Anteil des Oberflächeninte-
grales in (142') lautet bei Einfühnmg der Kegelöffnung dco
v'fdtf [ßx {ß + f ^) 1^ - (Ji/ (E + vt)-x{ß + vt)] F
ü
und reduziert sich bei unendlich kleinem R auf
da)
368 //. Teil. Mecßianik nichtstarrer Körper. IV, Kap.
T
0
worin, wie oben, t[ für s^^jv gesetzt ist
Von dem Raumintegral in (142') giebt der Anteil, welcher der
Grenze t=T entspricht, den Wert Null, da G und dGjdt für jenen
Zeitpunkt verschwinden; der Anteil für die Grenze ^=0 kann über
den ganzen Baum k mit Einschluß der kleinen Kugel erstreckt
werden, da diese nur einen unendlich kleinen Betrag liefert
Daher erhalten wir schließlich
T
144) AnvF^^Xt.) =f(0l^- - ^'~e^)äk - v^fätJ(G^ - jf) do.
Unterwirft man G der Bedingung, daß dGjdn an der ganzen
Oberfläche von k verschwindet, so ist es damit vollständig be-
stimmt Denn vertauscht man darin t mit T—t, so kann man das
Resultat G(T—t) auffassen als das Deformationspotential, welches
einer zur Zeit / = T— t^ an der Stelle a, b, c hervorgebrachten starken
Verdichtung entspricht, falls die Begrenzung, von k starr ist und
die Flüssigkeit im ganzen Räume k zur Zeit ^ = 0 ruht In diesem
Falle hat man noch einfacher
T
144-) ^nvF^jA) =/(^^ - F'^^)dk-v^jdtJG^do,
eine Formel, die F an jeder Stelle durch die Anfangswerte von /'
und dF/dt und die Oberflächenwerte von dFjdn bestimmt
Setzt man, wie früher, für ^ = 0,
F — F ^^ -- F
und entsprechend auch
welch letztere Werte aus den über G gemachten Festsetzungen
bestimmbar sind, so wird (144') kürzer
T
144") ^itvF„,Xh) = /(<^o^, - Gl K) dk - v^fdtfG |^ do.
0
Ist Äj kleiner, als der kleinste der von a, b, c nach der Ober-
•fläche 0 gezogenen Radien vektoren r, der mit r' bezeichnet werde,
80 kann man''*)
§ 20. Elastiaehe Flüssigkeiten bei beliebiger Begrenzung, 369
setzen, denn für alle Oberflächenelemente do ist dann das Argument
Ton ;^ größer, wie s^, dort also 6^ = 0 und dGjdn = 0.
Hier wird aus (144"):
^nvFai,,{t,) = J^[F^x{r) - vF^x'ir)\Tdrdcü,
was durch teilweise Integration liefert
r
= -rj I F^rx[r) d(o +Jj \r F^ + v-^jx{r)drd(o.
u
Das erste Glied ist nach den vorausgesetzten Eigenschaften von x
gleich Null, das zweite liefert
4nvFa,,(t,) ^f{rF, + v^'^^-^^dro. 145')
r = «,
Die Integration über co ist über die ganze Eegelöffnung, also bei
Einführung von s^^doo = dO über eine Kugelfläche vom Eadius s^
zu erstrecken; fuhrt man die arithmetischen Mittelwerte von Fq
und F^ auf einer Kugel vom Eadius s^ um die Stelle a, b, c ein,
indem man
^J(ro)fO^ = I F, I.. , ,„^.,/(^xWO = ! F, : . 1 45")
setzt, so erhält man
oder wegen ä^ = v^^ auch
F„,,{t,) = <J ii |„, + ^^^^ . 145'")
Diese wichtige, zuerst von Poisson^') abgeleitete Formel zeigt
an, daß der durch Anfangswerte F^ und F^ erregte Zustand inner-
halb der Flüssigkeit aufgefaßt werden kann als die Superposition
von Zuständen, die von allen Teilen der Flüssigkeit mit der kon-
stanten Geschwindigkeit v gleichmäßig nach allen Seiten hin fort-
gepflanzt werden. Ihre Gültigkeit ist bei begrenzten Bäumen k be-
stimmt durch die Ungleichung s^ < r\ wo r' oben definiert ist, oder
durch ^j < r'/ v; für den unendlichen Raum gilt sie ohne Beschränkung. —
Für beliebig begrenzte Bereiche Funktionen G, den oben ge-
gebenen Bedingungen entsprechend, zu finden, bietet im allgemeinen
Voigt, Theoretlache PhyBik. 24
370 //. Teil. Mechanik nichtstarrer Körper. IV. Kap.
große Schwierigkeit, doch gelingt es mit Hilfe der Spiegelungsmethode
leicht, ein G zu konstruieren, welches längs einer Ebene die Be-
dingung dG/dn = 0 erfüllt
Setzt man nämlich
146) G=^.^.'l^ + '-^':-y-^=ff+g,
worin r die Entfernung vom Spiegelpunkt von a, b, c in Bezug auf
die Ebene bezeichnet, so kann nach der Bedeutung von G in jener
Ebene eine normale Verrückung, also ein von Null verschiedener
Wert von dG-dn nicht eintreten.
Ist die begrenzende Ebene starr, so ergiebt die Formel (144 )
zunächst
146') iTtvF^Uti) =S{{ffo + /o)^; - (^1 + ^'i)^;) A
wo das Integral über den nach der Seite der positiven Normale n
gelegenen, oder kurz, über den positiven Halbraum ausgedehnt ist,
für welchen allein F^ und F^ gegeben sind.
Nun unterscheidet sich aber ^ von g nur dadurch, daß in ihm
der normale Abstand des Punktes a, i, c von der Grenzebene negativ,
statt positiv auftritt; definiert man daher F^ und F^ für den negativen
Halbraum so, daß ihre Werte den im positiven Halbraum liegenden
spiegelbildlich entsprechen, so kann man statt der letzten Formel
auch schreiben
146") 4t«/;,.(^i) = j\oK-ff,I\,)dk,
das Integral über den ganzen Raum erstreckt
Die feste Wand wirkt also ebenso, als wäre jenseits der An-
fangszustand des positiven Halbraumes spiegelbildlich wiederholt
und die Wand danach beseitigt. Jedes Element des positiven
Halbraumes wirkt daher in a, i, c zweimal, einmal direkt, einmal
durch Reflexion, und zwar, wie leicht nachzuweisen, nach einer
solchen Zeit, als hätte sich die Wirkung, wie einem Lichtstrahle
nach a, b, c hin folgend, mit der Geschwindigkeit v fortgepflanzt
Dasselbe Verfahren der Fortsetzung der Fimktionen F^ und
F^ über die Grenzen von k hinaus läßt sich auf eine Reihe von
durch Ebenen begrenzten Räumen übertragen. Auch sieht man leicht
daß es nicht nur auf die Wirkung von Anfangszustanden beschränkt
ist, sondern sich ebenso auf eine von irgend welchen Quellen aus-
gehende dauernde Erregung übertragen läßt; z.B. auf die Schwingun-
gen einer fernen Ebene, welche ebene Wellen gegen die Grenzfläche
§ 20, Elastische Flüssigkeiten bei beliebiger Begrenzung. 371
hinsendet Damit ist denn das Resultat beiläufig erhalten, auf wel-
ches schon S. 358 Bezug genommen wurde. —
Ist die die -Flüssigkeit begrenzende Wand nicht fest, sondern
\¥ird sie in von Stelle zu Stelle wechselnder Weise bewegt, ver-
schwindet dafür aber anfänglich sowohl F, als dF/dt innerhalb k
überall, so bleibt von (144') nur
T
4^^a6c(^i) = - vJdtjG^^do. 147)
0
Bei einer unendlichen Ebene als einziger Begrenzung der Flüssigkeit
ist für G der Wert (146) zu benutzen, aus dem leicht folgt
r _
0
Hierin kann man die Integrationsfolge umkehren und erhält nach
(143")
< = <i — r V
diese Formel bestimmt vollständig die in dem positiven Halbraum
durch beliebige Bewegungen in der Grenzebene hervorgerufenen Vor-
gänge. —
Eine zweite spezielle Verfügung über G bietet die Festsetzung,
da£ an der Oberfläche G verschwindet. Dann nimmt (144) die Ge-
stalt an
T
^nvFa^c{t^) =f{G,F, - G,F,)dk + v^fdifj^ldo 147")
0
und gestattet, F aus gegebenen F^, F^ und F zu bestimmen.
Nun ist zwar an der Ober däche einer elastischen Flüssigkeit
in Praxis F nicht direkt vorgeschrieben, aber man kann es aus dort
gegebenem & oder gegebenem /? = — ci9" bestimmen, weil nach (126'")
( t
F^F\ + F\t + v^JJd'[dif 147'")
ü ü
ist, Indessen ist es hier im allgemeinen bequemer, die Untersuchung
von vom herein auf die Auffindung von 0- zuzuspitzen, welches ja
derselben Hauptgleichung folgt, wie F, und erst aus dem für x)- ge-
fundenen Endresultat das zugehörige F" nach der letzten Formel zu
berechnen.
24'
372 //. Teil. Mechanik nichtstarrer Körper. IV» Kap.
Wir bilden demgemäB
r
148) 47tv&auc{t,) ^f{G,&, - G,&,)dk + v^fdtj&^^do,
0
worin &q den Anfangswert von &, und r^^ denjenigen Ton d&jöt
bezeichnet. Die Vensertung des ersten Integrales bei unbegrenztem
k ist dieselbe, wie oben für F gezeigt ist.
Für den Fall, daß der Raum k nur durch eine Ebene begreDzt
ist, in welcher & verschwindet, wie das etwa "bei einem großen Teicli.
der an den Luftraum grenzt, nahe erfüllt ist, wird
148') G^g-g
und
1 48") », , It,) = -^J ((^„ - g\) &, -{ff,- g\) .>,) dk.
Setzt man nun \h^ und \>^ in den negativen Halbraum derartig fort.
daß die Werte an jeder Stelle die entgegengesetzten von denjenigen
sind, welche für die spiegelbildlich entsprechende Stelle vorgeschrieben
waren, so erhält man
1 48'") {K » o(<i) = j^-/(<7o *i - 9, ^«) dk,
das Integral über den unendlichen Raum ausgedehnt
Es tritt also auch hier eine Reflexion ein, aber die Dilatationen
kehren bei der Reflexion ihr Vorzeichen um.
Ist i?-^ = i^j = 0 und 0- gegeben, so folgt aus (148). da
dg jdn = — dgjdn
T
149) I % _ _
0
Kehrt man die Integrationsfolge um, so erhält man bei ttil-
weiser Integration des ersten Gliedes
T
149')
= -J_ r' ^^ "t^L^j ^-d
2 TT J ^ dn
0
i>/(ff+7*)s^(' +■"""■
Ü
§ 20, Elastische Flüssigkeiten hei beHebiger Begrenxwig. 373
Hier ist wieder das erste Glied . gleich Null, das zweite giebt
">
Diese Formel bestimmt & innerhalb des positiven Halbraumes
durch seinen mit der Zeit und dem Ort beliebig, aber stetig wech-
selnden Wert längs der ebenen Begrenzung; durch Kombination mit
(148'") kann man eine gleichzeitige Wirkung gegebener anfänglicher
Dilatation und Dilatationsgeschwindigkeit mit berücksichtigen. —
Wir gehen nun zu der allgemeinen Formel (144) zurück und
setzen in ihr G ^ ff, während wir gleichzeitig die Zeit t^ so groß
wählen, daß s^ = vt^ größer, als der größte von a, b, c aus nach
der Oberfläche von k gezogene EÄdiusvektor r' ist Dann verschwindet
nach dem S. 367 Gesagten das Baumintegral, was besagt, daß die
gesamte Einwirkung des innerhalb k zur Zeit ^ == 0 vorhanden ge-
wesenen Zustandes über die Stelle a, b, c hinweggegangen ist, das
Oberflächenintegral gestattet die in (147') resp. (149") ausgeführte
Umformung, und man erhält
^...w— i/[ilf+(i4^ + i>^^^'
dt r* I dn_
do. 150)
Wir wollen uns hierin F und dFjdn als Funktionen der Zeit
für jedes Oberflächenelement vorgeschrieben denken, setzen also
wendet man dann die Spezialisierung von t auf die einzelnen Glie-
der der Klammer in (150) an und bedenkt, daß
Bf[t.-'-) Bf[t,-^)
s= — V
^K dr
ist, wo der partielle Dififerentialquotient nach r sich nur auf das,
durch den speziellen Wert von t m f eingeführte r bezieht, so
erhält man^*)
Diese Formel läßt sich sogleich auf den Fall übertragen, daß
der Kaum k unendlich und einerseits von beliebigen im Endlichen
liegenden geschlossenen Flächen o^, andererseits von der unendlichen
Kugel begrenzt ist; man braucht dazu nur anzunehmen, daß einer-
■^ahM — 4y,
do, 150')
374 IL Teil. Mechanik nichtstarrer Körper, IV, Kap.
seits Fq und I\ innerhalb k überall gleich Null sind, und anderer-
seits die Zeit t^, zu welcher der Zustand in k untersucht vnrä,
endlich ist, so daß von den durch die Flächen o^ eintretenden
Bewegungen kein Anteil ins Unendliche gelangt ist
Infolge der ersteren Annahme verschwindet in (144) das Raum-
integral, infolge der letzteren das Oberflächenintegral über die un-
endliche Kugel.
Die somit in ihrer Bedeutung verallgemeinerte Gleichung (150';
lehrt den Zustand an einer beliebigen Stelle a, b, c eines beliebig
abgegrenzten Teiles einer unendlichen Flüssigkeit kennen, wenn die
durch seine Begrenzung eintretenden Bewegungen, d. h. die in ihr
stattfindenden Werte von F und dFIdn, gegeben sind. Sie dis-
pensiert von der Bestimmung der für jede Gestalt von k besonders
zu findenden Funktion G, dafür verlangt sie aber die Kenntnis der
Oberfiächenwerte von F und dFIdn, die nicht unabhängig von-
einander willkürlich vorgeschrieben werden können.
Man kann diese Größen insbesondere aber dann angeben, wenn
die Bewegung nur von einer Quelle außerhalb k herrührt, deren Wir-
kung sich bis zu der Oberfläche von k theoretisch verfolgen laßt; in
diesem Falle kann man die Bewegung innerhalb A, statt durch die
Quellen direkt, durch Bewegung der Oberfläche o erregt betrachten.
Diese Auffassung erhält eine ganz besondere Wichtigkeit in
der Optik, wo man ihren Grundgedanken als das HuYGHENs'sche
Prinzip bezeichnet; aber sie ist auch in der Akustik überall da
nützlich zu verwenden, wo es sich um die Fortpflanzung von Wellen
innerhalb einer Flüssigkeit handelt, die von einer oder mehreren
Quellen ausgehen und in ihrer Ausbreitung durch irgend welche
gegebene, als Schirme wirkende Körper behindert werden. Um die
Verhältnisse möglichst zu vereinfachen, kann man von den letzteren
annehmen, daß sie nichts von der auffallenden Bewegung durch-
lassen oder zurückwerfen, was voraussetzt, daß sie die Natur von
Flüssigkeiten haben, die gleiche Werte v, wie die betrachteten,
und außerdem ein sehr starkes Absorptionsvermögen besitzen.
Schließt man dann die Schallquelle in eine — etwa kugel-
förmige — Hülle von der beschriebenen Beschaffenheit ein, deren
Innenraum mit dem äußeren nur durch irgend welche kleine Otf-
nungen kommuniziert, so gestattet die Formel (150') bei Einsetzung
der durch die Quelle in den Offnungen erregten Bewegungen, die
im Außenraum erregten zu berechnen.
Die Diskussion der allgemeinen Formel oder ihre Anwendung
auf die einfachsten Fälle zeigt, daß hierbei der undurchlässige
§ 20. Reaonanxeracheinungen. 375
Schirm keinen Schallschatten wirft, sondern die in der Öffnung
erregte Bewegung sich nach allen Richtungen hin fortpflanzt.
Das analoge Resultat kann man übrigens ohne Benutzung der
Gleichung (150') in dem speziellen Falle, daß im unendlichen Räume
eine punktförmige Schallquelle und eine starre oder in gegebener
Weise oberflächlich bewegte Kugel vorhanden ist, aus der all-
gemeinen Formel (144') erhalten, da sich für diesen Fall die
Funktion G bestimmen läßt —
Die Entwickelungen dieses Paragraphen gestatten keine Über-
tragung aus dem Raum in die Ebene, da eine dem oben benutzten g
entsprechende Hilfsfunktion, welche nur von zwei Koordinaten ab-
hängt, nach S. 3G5 nicht existiert.
Demgemäß sind räumliche Probleme, in denen eine Koordinate,
etwa z, nicht vorkommt, trotzdem noch als räumliche zu behandeln,
und auch in dem Fall einer dünnen ebenen Flüssigkeitsschicht
zwischen festen, der XJ"- Ebene parallelen Wänden erhält man die
Lösung am einfachsten, indem man die Schicht zu einer unend-
lichen Flüssigkeit mit von z unabhängigen Grenz- und Anfangs-
bedingungen ergänzt.
Man kann so z. B., wenn die Schicht seitlich unbegrenzt ist,
die Wirkung eines Anfangszustandes nach dem PoissoN'schen Satz
beurteilen und erkennt auf diese Weise leicht, daß Anfangsver-
rtickungen, die ursprünglich auf einem Kreiscylinder konstant waren,
zwar stets auf koaxialen Kreiscylindern konstant bleiben, aber sich
allmählich über den ganzen Raum ausbreiten und an jeder Stelle
erst nach unendlich langer^ Zeit verschwinden; hierdurch erklärt
sich beiläufig auch, daß etwas den ebenen und den kugeligen fort-
schreitenden Wellen Entsprechendes nicht zu stände kommt.
Dagegen kann man die speziellen Sätze, welche gelten, wenn der
Vorgang nur von einer Koordinate und der Zeit abhängt, und welche
S. 353 u. f. direkt erhalten sind, durch eine einfache Rechnung aus
den allgemeinen Resultaten dieses Abschnittes zurückgewinnen. —
Wir wollen schließlich noch eine Anwendung von der allge-
meinen Formel (142') machen, welche Licht auf die Gesetze der
Erregung von Schwingungen innerhalb einer beliebig begrenzten
elastischen Flüssigkeit durch Einwirkungen auf Teile ihrer Ober-
fläche wirft, — Vorgänge, die man, wie schon S. 357 erwähnt ist,
im allgemeineren Sinne als Resonanzerscheinungen bezeichnen kann.
Dazu wollen wir annehmen, es sei G eine Lösung der Gleichung
376 //. Teil. Mechanik nichtstarrer Körper. IV. Kap.
welche den stehenden Schwingungen eines einfachen Tones inner-
halb k entspricht, wie dieselben" eintreten, wenn ein Teil o^ der
Begrenzung o von k durch eine feste Wand, ein anderer o, durch
eine freie Oberfläche gebildet ist
Wir setzen demgemäß
151) G = Rsma{t+tQ),
wo nun Ä eine Funktion der Koordinaten allein bezeichnet, die im
ganzen Innern von k der Gleichung
151') ßf^Ä + t/^AÄ^O
und längs Oj der Bedingung öi2/ö« = 0, längs o^ der Bedingung
Ä = 0 gentigt.
Für denselben ßaum k sind bei denselben Grenzbedingungen
unendlich viele diskrete Werte von a, und somit auch von B, mög-
lich, die den Eigentönen der Flüssigkeit unter den gegebenen
Bedingungen entsprechen.
Wir wählen eine dieser möglichen Lösungen und setzen zu-
gleich die obere Grenze T des Zeitintegrales gleich einem ganzen
Vielfachen von deren Periode r =^2nla\ nehmen wir dann noch F
und dFjdt zur Zeit f=0 selbst gleich Null, so erhalten wir
aus (142')
151")
j [ccFt cos at^ — (-^j sin atA Rdk
T T
= v^Jr doj^^ sin a(t + Q dt -- v^J^-^ do^fFsin a {t + t^) dt.
0 0
worin das erste Integral rechts über o^, das zweite über o^ zu er-
strecken ist.
Von dieser allgemeinen Gleichung wollen wir nun Anwendungen
machen.
Sei zunächst o^ = 0, also für die stehende Schwingung G der
Kaum k rings von festen Wänden umgeben, dann verschwindet in
der Formel (151") das letzte Integral. Eine vorgeschriebene Be-
wegung dFjdn der zuvor festen Wand erregt dann eine innere
Bewegung der Flüssigkeit, die zur Zeit t = T durch gewisse Werte
von {F)^ und {dFjdt)T an jeder Stelle charakterisiert ist; über deren
Zusammenhang mit den von ^ = 0 bis t = T auf die Oberfläche aus-
geübten Einwirkungen erkennt man leicht folgendes.
Ist dFjdn eine endliche periodische Funktion der Zeit, so wird
der Wert des Zeitintegrales rechts bei beliebig großem T immer end-
§ 20. Resonanxerscheinungen. 377
lieh sein, es sei denn, daß die Periode von dFjdn der von G gleich
ist; in diesem Falle wird der Ausdruck rechts mit wachsender Zeit
über alle Grenzen zunehmen können. Gleiches gilt sonach von dem
Integral links, und zwar wird, da t^ völlig willkürlich ist, im ersten
Falle sowohl das Integral über Ft, wie über {dFjdt)T endlich, im
zweiten unendlich sein.
Werden also Teile der Wände, welche ein Flüssigkeitsquantum
umschließen, so bewegt, daß die normale Komponente der Verschiebung
durch eine Summe von unendlich kleinen Gliedern von allen mög-
lichen Perioden dargestellt wird, dann können in endlicher Stärke
nur die Eigentöne, welche die Flüssigkeit bei ringsum festen Wänden
besitzt, ansprechen.
Damit sie wirklich ansprechen, ist noch erforderlich, daß die
Teile des Oberflächenintegrales weder einzeln durch den Faktor R
verschwinden, noch sich gegenseitig zerstören.
Am einfachsten werden die . Verhältnisse, wenn nur innerhalb
eines sehr kleinen Flächenstückes q der Oberfläche die Verrückung,
und somit dFIdrij von Null verschieden ist; hier kann man dann R
als konstant ansehen und erhält für das Integral rechts den Wert
T
v^^^qj y- sin a{t + t^) dt.
0
Derselbe ergiebt, daß eine Erregung am wirksamsten ist an Orten,
wo der absolute Wert von R ein Maximum, am unwirksamsten, wo
er ein Minimum besitzt; ersteres entspricht den Schwingungsknoten,
letzteres den Schwingungsbäuchen. Durch Bewegung eines Flächen-
elementes q werden also Schwingungen, welche in q einen Schwin-
gungsbauch besitzen, auch dann nicht erregt werden, wenn sie die-
selbe Periode, wie dFjdny besitzen.
Man kann die Voraussetzungen dieser Entwickelungen angenähert
realisieren, indem man ein kleines Stück der Wand von der Um-
gebung trennt und an einer schwingenden Stimmgabel befestigt —
Ein zweiter spezieller Fall ist der, daß o^ = 0 ist, daß also für
die stehende Schwingung die — natürlich tropfbare — Flüssigkeit
ringsum durch eine freie Oberfläche begrenzt ist; dann verschwindet
in (151") das erste Integral rechts. Im zweiten können wir nach
(147'"), da -P und d F j dt nsic^h Xun^übm^ für^=0 überall verschwinden,
( t
0 0
378 //. TeiL Mechanik niehtstarrer Körper, IV, Kap,
setzen und darin nach (124"") {)• mit —pjc vertauschen, wo /? den
Wert des äußeren Druckes bezeichnet; hierdurch nimmt das zweite
Integral die Gestalt an
T t t
0 0 0
Periodische Druckänderungen an der Oberfläche können also die
Eigentöne wecken, die der Flüssigkeit mit ringsum freier Oberfläche
zugehören.
Dieser Fall hat kein praktisches Interesse.
Dagegen eignet ein solches in hohem Maße dem Falle, daß die
Flüssigkeit, — etwa ein Gas — von einer festen Wand umschlossen
ist, die eine oder mehrere kleine Offnungen besitzt, durch welche
die Flüssigkeit mit einer gleichen, den Äußenraum erfüllenden, kom-
muniziert Bei stehenden Schwingungen darf man diese Öffnungen
als freie Oberflächen betrachten, da an ihnen merkliche räumliche
Dilatationen nicht zu Stande kommen können. Es wird hier also
in (151") das erste Integral rechts über die ganze feste Wand, das
zweite allein über die Offnungen zu erstrecken sein.
Denkt man sich nun das System der Wirkung von Wellen
ausgesetzt, die außen über die eine Öffnung hinziehen, so wird das
erste Integral verschwinden, weil auf o^ jetzt öi^/öw = 0 ist; in dem
zweiten kann man p als durch die über die Ofihung ziehenden
Wellen immer dann vorgeschrieben betrachten, wenn deren Wellen-
länge groß gegen die Dimensionen der Öffnung ist; denn dann liegen
dieselben Umstände vor, wie zuvor bei den stehenden Wellen, und ^^
kann in der Ofinung von dem im Außenraum vorhandenen nicht
merklich verschieden sein.
Demgemäß erhält man jetzt
151'") { _ T tt
0 0 0
eine Formel, welche zur Ableitung der Gesetze der Resonanz im
engeren Wortsinne benutzt werden kann und analoge Eesultate aus-
spricht, wie auf S. 377 formuliert sind.
Eine genaue Analyse würde die in Folge der inneren Bewe-
gungen im Außenraum erregten Schwingungen mit in Betracht ziehen
müssen und dann passend nicht die Entstehung der Bewegung, son-
dern den schließlich eintretenden stationären Zustand betreffen.
§ 21. Oletehgewtcht in einem unendlich isotropen Körper. 379
Als nahe verwandt mit der Erregung stehender Wellen in einem
Luftraum durch Eesonanz betrachtet man diejenige, welche durch
Anblasen einer Öffnung in der begrenzenden festen Wand erfolgt;
man denkt sich, daß hierbei in der Öffnung der Druck in einer
Weise variiert, die der Superposition unendlich vieler, unendlich
schwacher Töne entspricht, und kann demgemäß sofort die vorstehen-
den Betrachtungen zur Anwendung bringen. Die Beobachtung be-
stätigt diese Auffassung, indem sie zeigt, daß die durch Anblasen
erregten Töne stehenden Schwingungen entsprechen, bei denen die
Öffnung die Rolle einer freien Oberfläche spielt.
§ 21. Isotrope elastische feste Körper. Oleiohgewicht und Beweg^uig
in einem unendlichen Medium.
Den Flüssigkeiten stehen bezüglich ihrer elastischen Eigen-
schaften am nächsten die isotropen festen Körper, auf welche sich
einige der im vorstehenden erhaltenen Resultate ohne weiteres über-
tragen lassen. Wir schließen daher ihre Betrachtung derjenigen der
Flüssigkeiten unmittelbar an.
Die Gleichungen für einen homogenen isotropen Körper sind
folgende. Für innere Punkte muß gelten
(1^ - ^) -
2 '-' ' 2 dx
c " c. ^ , c -h c, d &
-2--^^ + — 2~öy'
152)
2 '-' ' 2 dx'
für die Oberflächenpunkte müssen entweder die Verrückungen
«, Vj w oder die Drucke
Ä^= -X = (ca ^+ Cj ^[cos {v, x) + \c^ [x^ cos (i^,y) + x^ cos(v,z)]
T = -X = (Ca Vy+c^^ cos (y, y)+\c^ [j^cos [v, z) + y^ cos ( v, .r)] 1152')
Z^ - X= (cg ^ + ^1 ^) cos (y, z)-\-\c^ [^ cos (i/, x) + V50s(v,y)] ,i
worin v die äußere Normale bezeichnet, und c ^ c^ kurz = c^ gesetzt
ist, gegebene Werte haben; es kann auch bloß die Normalkomponente
der Verrückung und die Tangentialkomponente des äußeren Druckes
vorgeschrieben sein, was wir der Einfachheit halber ausschließen
wollen. Hierzu kommen die allgemeinen Bedingungen für den An-
fangszustand, wie dieselben in § 18 auseinandergesetzt sind.
Alle Gleichungen sind in m, r, %o und den äußeren Kräften
linear, darum kann man die allgemeinen Lösungen durch Superposition
380
//. Teil. Mechanik nickietarrer Körper. IV. Kap.
von partikulären bilden, die je nur einem Teil der wirkenden Kräfte
entsprechen, wenn nur je die Summen der so eingeführten den auf-
gestellten Bedingungen genügen.
Sind innerhalb des homogenen Körpers k die Komponenten
Xj ¥, Z der körperlichen Kräfte stetige Funktionen der Koordinateiu
so kann man nach S. 189 schreiben:
153)
"(
8 0 , BN
+
X
d X
80
Z= -
d
dM
8 0
dx *^ dx
y dx)'
dx) '
dÄ\
~ dy)'
worm
dÄ ^ BM ^ dN ^
dx
dy
dx
ist, und die ^, A, M, N vollständig bestimmt sind, wenn an der
Oberfläche gilt
153')
a /|)
^ h Xco%{vjx) + rcos(v,y) + i/Cos(v,2:) = 0.
Dasselbe Verfahren kann man auch auf gegebene Verrückungskom-
ponenten m, ü, w anwenden und bilden
154)
dF dw dV
u = -.— +
dy
d X
dy dx
w =z-^ 4- —
d X dx
dx'
d W
dx
dU
dy'
wenn
dx dy
ist, und an der Oberfläche gilt
du ^ dV , d\V ^
dx
154')
Q Jp
y^ = M cos [v, x) + V COS (i/,y) + w cos {v, z).
Die in (154) gegebene Zerlegung läßt die Verrückungen aus
einer Potentialdeformation mit dem Potential F und einer
Drillungsdeformation mit den Drillungsfunktionen Uj V, W zu-
sammengesetzt erscheinen; beide Teile stehen in nahem Zusammen-
hang einerseits mit der räumlichen Dilatation ß-^ andererseits mit
den Drillungskomponenten /, w, »; denn es ist
154") AF^ß, A^=-2/, Ar=-27M, A/^'=-2n.
§ 2L Potential' und Drillungsdefonnationwi.
381
Die Potentialdeformationen geben also keine Drillungen /, m, n, die
Drillungsdeformationen keine Dilatation &.
Beide Zerlegungen (153) resp. (154) bebalten ihre Bedeutung
nach S. 191 auch bei einem unendlichen Medium, wenn nur
X, Yj Z resp. u, v, w im Unendlichen verschwinden, und wenn
dX ^ dY , dZ
du 1^ ör dw
über den ganzen Raum integriert, und
Zcos(w,ar) + Zcos(w,y) + ^C08(n,z)
resp.
u cos (n, x) + V cos (n, t/) + to cos (n, z),
über etwaige im Endlichen liegende Grenzflächen des Mediums
integriert, endlich sind.
Die Werte von (l>, Ay M, N resp. F^ U, F, W sind in diesem Falle
auf S. 189 und 191 allgemein angegeben. Bei dem vorliegenden
Problem sind zwar in der Regel X, Z, Z gegeben und u^ v, w ge-
sucht; die Zerlegung ist aber natürlich auch dann noch auf letztere
Größen anwendbar.
Durch die Zerlegung (154) werden auch die Druckkomponenten
X^, ... X in potentielle imd rotatorische Teile zerfällt; man erhält
nämlich, wenn man sich vorübergehend der Abkürzungen
dy dx ^ dx dx ' dx dy
bedient, die Formeln
dG
dÄ
+ i{-=- +
dx
d
))■
- ^y = ^2
d*F_
ßxdy
+ i
dx
dB
d
dÄ
dx dy
155)
Die potentiellen Glieder nehmen in dem Falle, daß das Defor-
mationspotential F die Gleichung aF=0 erfüllt, eine hervorragend
382
//. Teil. Mechanik mehtstarrer Körper. IV. Kap.
einfache Form an und ergeben fiir die Drucke gegen ein Flächeu-
element mit der Normalen v sogleich
o^F
"Yl^c.
d^F
-Zl^c
^ dxdv'
155') - Ji;'- Cg^^^^, - -y-iQyQ^j
Hieraus folgt für die Gesamtkomponenten der Wirkung, welche
ein beliebiges Bereich ä, innerhalb dessen die Ableitungen von F
sich regulär verhalten, von außen erfährt,
155")
(T) = Jx'rf^ = ^2/a|^^ä = 0,
und analog auch {T) = [Z") = 0.
Die rotatorischen Glieder werden besonders einfach, wenn
nur eine der drei Funktionen U, F, fF, z. B. U, von Null ver-
schieden ist Hier gilt dann
156)
-jr; = o, -r;= + c,S:, -^,"=-03-^
y
d^U
und gegen ein Flächenelement mit der Normale v wirkt
dW
156')
öxdy
i^,^)).
-j;=+ic,^^^:^cos(t.,y)-^
- 1; = + \c, (_.- cos(t.,x) + 2g^^co8(i.,y)
-^. =-i^2tä^cos(i;,x) + (-^--y,---^Jco8(i.,y)
+ 2 :5— ^ cos
(«'j ^)) •
Summiert man diese Werte über eine geschlossene Fläche o,
innerhalb deren die Ableitungen von U sich regulär verhalten, so
erhält man
156") (.r') = 0, (n = + ic,/AgrfA, (-?") = -ic,/A|^rf*;
alle Gesamtkomponenten verschwinden sonach, wenn A^ =0 ist. —
Setzt man die Werte (153) und (154) in die Hauptgleichungeu
(152) ein, so nehmen sie für den Fall des Gleichgewichtes die
Form an
§ 21, Gleichgewicht in einem unendlich isotropen Körper. 383
(0 0 , BN dM\ , ^ (dW dr\ , ^ dF
(0 0 , dÄ dN\ , , (du dW\ . , dF
(60 , ajf d^\ , ^ /ÖF Ö^JN , ^ öi^
157)
Diese Gleichungen kann man befriedigen durch
d. h. durch
.}
1570
4ncJ r '
. 157")
27rCjJ r ' 27iCiJ r ' 2nc^J r
Ist der Körper unbegrenzt, und verschwinden die körperlichen
Kräfte, wie auch die Verrückungen, im Unendlichen, und verhalten
sie sich im Endlichen, wie oben erörtert, so stellen diese Formeln die
vollständige Lösung des Problems dar und zeigen, daß unter den
gemachten Voraussetzungen konservative Kräfte nur Potentialdefor-
mationen, rotatorische nur Drillungsdeformationen bewirken.
Sind 0, A^ Mf N nur innerhalb eines sehr kleinen Bereiches k^
von Null verschieden, so kann man für Punkte in angemessener
Entfernung bilden
_^ H/" _^8
r r
worin
r '
r
^ ^ib.d
k. = r?.
gesetzt ist.
Ist Aj unendlich klein, und sind die C^ trotzdem endlich, so
werden F^ U, V, W in k^ unendlich, dies Element muß dann also
durch eine geschlossene Oberfläche o^ ausgesondert werden, und die
resultierende Deformation ist als durch Drucke bewirkt zu betrachten,
welche von innen her gegen o^ ausgeübt werden und sich nach den
Formeln auf S. 382 berechnen lassen.
Wir wollen k^ an der SteUe a, b, c liegend und durch eine
Kugel mit dem Centrum in a, ft, c ausgeschlossen denken.
384 //. TeiL Mechanik nichtstarrer Körper. IV. Kap.
Bezeichnet man die Richtung von r positiv im Sinne vom
Punkte a, ä, c hinweg und fuhrt durch
X — a = ra, y ^ b ^ rßj z — c ^ ry
ihre ßichtungscosinus «, ß^ y ein, so erhält man leicht Folgendes.
Der Potentialdeformation, die durch
r
gegeben ist, entspricht
158) X^X=--'^-, Y=Y^-^^, Z^Z=-^'l^-^,
der Drillungsdeformation, gegeben durch
r
entspricht
158') x= Jt^ = 0, r^r^^ -^ l^»r-s ^= ^ = + -4S^ ;
analoges giebt Toder ^'gleich C^/r, resp. (7g /r. Das erstere System
entspricht einem nach innen gerichteten Zug von der auf der Kugel-
fläche konstanten Größe 2c^Cjr^, das letztere einem Drehungsmoment
um die X-Axe von dem Betrag
158") (iV^ = \c^C^j{ß^ + y^dm = inc^C^.
Die Gesamtkomponenten sind für beide gleich Null. —
Die in (157") enthaltenen Resultate sind wegen der Werte von
0, Aj Mf N durch drei- und sechsfache Integrale gegeben, und daher
zum Teil wenig tibersichtlich. Man kann sie auf einem indirekten
Wege aber sehr leicht durchaus in der Form dreifacher Integrale
erhalten. ''5)
Hierzu gehen wir aus sron den partikulären Lösungen
159) i^=i?, c^=-^, r=+^, r=o,
worin r^ = x^ + y^ + z^ ist, und welche den Hauptgleichungen (152'
resp. (157) bei verschwindenden X, }\ Z genügen, wenn nur
159') 2cf/ = c^p = {c-c^)p
ist Sie liefern die Verrückungen
1 KQ"\ i^ + ^i) ^* (^ + Ci)yz {c + r,) A» + (3r - e. Ir*
159 ) U = P— „ 4 , V =P—^ -a - > ^ —P iT-i ^ •
die im Unendlichen verschwinden, aber im Koordinatenanfang un-
endlich werden; letzterer Punkt muß daher außerhalb des Mediums
§ 21, Gleichgewicht in einem unendlichen isotropen Körper. 385
liegen. Wir schließen ihn durch eine Kugel um den Koordinaten-
anfang aus und erhalten für die Druckkomponenten gegen ein
Flächenelement derselben
160)
^r- 2cr* ' *•"" 2cr* '
^ __ 3p (c» - Ci») x^ p{e-c{f
*■"" 2cr* "^ 2cr« '
welche nach den Grenzbedingungen
durch von innen gegen die Wand der Höhlung ausgeübte Druck-
komponenten Xj Tj Z hervorgebracht sein müssen. Diese letzteren
geben über die Fläche der Kugel summiert die Resultate
(X) = 0, (F) = 0, [Z)^i7ip{c'- Cj). 160')
Ist der Hohlraum unendlich klein, so können in endlicher
Entfernung von ihm die Verrückungen nicht von der Gestalt des
Hohlraumes und der Verteilung der gegen seine Wandung wirken-
den Drucke abhängen, sondern nur von der Größe und der Rich-
tung ihrer Resultanten. Sie müssen also z. B. auch dann durch die
Formeln (159) resp. (159") gegeben sein, wenn der Hohlraum aus-
gefüllt ist und auf seinen Inhalt eine äußere körperliche Kraft von
der Größe jener Resultanten ausgeübt wird. Es ist dann nur {Z) mit
(>j Z^ dk^ zu vertauschen, wenn dk^ das Volumen, q^ die Dichte der
den Hohlraum erfüllenden Masse bezeichnet, und Z^ wie sonst auf
die Masseneinheit bezogen wird. •
Es wird in diesem Falle also
^ _ 9\Zx{c '\-c;)xxdk^ ^ ^ Qy Z^[c + c^) y X dk^
^nc{p — c^)r^ ' Sti c (e — Cj) r*
^ ^ gt ^ ((c + c,) »« + (3c - cQ r») dky ^
161)
Befindet sich das Volumenelement dk^ nicht im Koordinaten-
anfang, sondern an der Stelle ^i,yi,^i, so ist nur x mit ;r — ar^,
y mit y — yi, z mit z — z^ zu vertauschen.
Von diesen Formeln ist nun sogleich der Übergang zur Lösung
unseres allgemeinen Problemes möglich; denn wegen der linearen
Form der elastischen Gleichungen finden sich, wenn an allen Vo-
lumenelementen beliebig gerichtete Kräfte angreifen, die Verrückungen
durch Erweiterung der obigen Ausdrücke durch ZufÜgung der von
Xj und Jj abhängigen Glieder und Integration über alle Volumen-
elemente. So gelangt man zu den Werten
Voigt, Theoretiitche Physik. 25
386 IL Teil. Mechanik niehtstarrer Körper. IV. Kap.
dkt
1 61-) r " 8^"c c^/ 1*^ + '^i^^y - yi) t^i (^ - *i) + ^1 (y - yi) + ^1 (^ - ^i):
+ {3c-Cj)j;r«
+ (3c-c,)^,r^]^,
welche, wie oben gesagt, nur noch dreifache Integrale enthalten.^*) —
Ist der Körper endlich, so genügen die Lösungen (157") resp.
(161') nicht den Grenzbedingungen, sie stellen aber nach dem oben
Gesagten immer noch einen Teil der allgemeinen Lösung dar. Eüi
zweiter u\ v\ w^ muß dann den Bedingungen (152) mit verschwinden-
den äußeren Kräften genügen und außerdem bewirken, daß an der
Oberfläche entweder die Verrüekungen u\ v\ w\ oder die Drucke
Xii, Yn, Zn den gegebenen Werten, vermindert um die aus m, t?, tr
3ich ergebenden Beträge, gleich werden. —
Auch für die Behandlung des Bewegungszustandes in unend-
lichen isotropen Medien erweist sich die oben gegebene Zerlegung
der Verrückungen geeignet Nach S. 338 gelten hier bei hinlänglich
schnell wechselnden Deformationen ebenfalls die Formeln (152), nur
stehen die adiabatischen Konstanten an Stelle der isothemüschen.
Die Gleichungen (152) nehmen »durch Einführung der in (154) ge-
gebenen Werte die Form an
162)
d^ (dF , dW dV\ , ^ (dW dV\ , ^
dF
d^ (dF au dW\ , ^ (dU dW\ . ^ dF
dt^\dy dx dx I ^^ \dx dxj dy^
d' (dF ^ dV dü\ , ^ (dV dU\ , ^dF
- ' ' 1 — i/. AI \ _j.cAg— ;
^ dt^yd^"^ 'dx dy )'~'^^^^[dx dy)
von den körperlichen Kräften und Oberflächendrucken kann hierbei,
wenn sie nicht mit der Zeit veränderlich sind, abgesehen werden,
da sie nur eine dauernde Deformation geben, über die sich die
Schwingungen lagern, ohne von ihr beeinflußt zu werden.
Zu diesen Hauptgleichungen kommen noch Bedingungen fär
den Anfangszustand und, wenn eine dauernde Erregung an den
Grenzflächen wirkt, solche, welche die Art, wie diese stattfindet,
ausdrücken.
§ 21, Schwingungen in einem unendlichen isotropen Medium, 387
Ist das Medium unbegrenzt und zeitlich wechselnden körperlichen
Kräften nicht ausgesetzt, so können Bewegungen nur in Folge an-
fänglicher Verrückungen oder Geschwindigkeiten eintreten.
Wir setzen fest, daß zu der (beliebigen) Zeit ^ = 0
du dv dw ifio'x
u = u^, v = »o» «^ = «^0» ~dt^'^^' Ö7""^i' yf^^^i ^^^^
*ist, und daß sowohl
dx "^ dy ■*" d% dx'^ dy'^ dx
im Unendlichen verschwinden und über den ganzen Raum integriert
einen endlichen Wert ergeben.
Dann können wir die Zerlegung (154) auf die Anfangswerte
anwenden und schreiben
"*'~ dx '^ dy
dx '
dFi dW^
"i ~ dx "^ dy
~'dx'
■ • •
162")
die F, Uj Fj W werden dabei durch die gegebenen Größen vollständig
bestimmt sein, und man wird auch umgekehrt jede einzelne von
ihnen willkürlich vorschreiben können.
Infolgedessen müssen die allgemeinen F^ Uj F, fF in den
Formeln (162) gleichfalls voneinander unabhängig sein, und jene
Gleichungen in solche zerfallen, die sich nur auf je eine dieser
Größen beziehen.
Die Gleichung für F lautet bis auf eine irrelevante Funktion
der Zeit allein, die mit F verbunden werden kann,
ß-a^ = cA/; 163)
diejenigen für U, Fj JF, bis auf gleichfalls irrelevante Funktionen
von X, resp. von y oder z und t
Q^^^ = \c,AU, (>^^ = ic,AF; p^J = ^c,Ar. 163')
Diese Formeln sind mit der Gleichung (126"), welche für elastische
Flüssigkeiten gilt, der Form nach identisch, und gestatten, da bei
einem unbegrenzten Medium die Fj U, F, JF voneinander unabhängig
sind, genau dieselbe Behandlung, wie jene, insbesondere auch die
Anwendung der PoissoN'schen Gleichung (145'"), welche ihre Werte
25*
388 //. Teil Mechanik niehtstarrer Korper. IV, Kap,
ZU beliebiger Zeit direkt durch die Anfangswerte ausdrückt Einen
Unterschied bedingt allein der Wert der Fortpflanzungsgeschwindig-
keit V resp. w, der für F gegeben ist durch
163") 1/^ =
für ü, Vy W durch
163"0 «* = |^.
Hieraus folgt, daß in einem elastischen festen Körper Anfangs-
verrückungen und Anfangsgeschwindigkeiten, welche die voraus-
geschickten Bedingungen erfüllen, sich in je zwei Teile von dein
Charakter der Potential- und der Drillungsdeformation sondern, und
daß ihre Wirkungen sich mit verschiedener Geschwindigkeit fort-
pflanzen, sich also räumlich sondern.
Die Berechnung der einzelnen Teile ^^,, ^j, tZ^^, i/^, . , . ist meist
umständlich, überaus einfach aber in dem Fall, daß der Anfangs-
zustand nur von einer Koordinate, z. B. von r, abhängig ist Dann
reduziert sich nämlich das System (162") auf
und man kann daher die Formel (163) auf w statt auf P^ die For-
meln (163') auf u und v statt auf (7, T, W anwenden.
Hieraus folgt, daß unter den gemachten Voraussetzungen die
normal zu der Wellenebene stehenden, also longitudinalen, Ter-
rückungen Potentialdeformationen, die ihr parallel liegenden, also
transversalen, Drillungsdeformationen bewirken.
Die Resultate bezüglich der Einwirkung des Anfangszustandes
sind in der Gleichung (132') auf S. 355 enthalten bei Berücksich-
tigung der hier stattfindenden Werte der Fortpflanzungsgeschwindig-
keiten und der an Stelle von S tretenden m, r, w.
Etwas Ahnliches findet statt, wenn das Medium durch die un-
endliche Ebene z = 0 begrenzt ist, welche parallel mit sich, aber
sonst beliebig, bewegt wird. Sind dabei die Anfangsverrückungen
und Geschwindigkeiten im positiven Halbraum gleich Null, so muß
nach Symmetrie die fortgepflanzte Bewegung auch in W^ellenebenen
parallel der A'^Z- Ebene stattfinden, wodurch sich wieder t< und r als
Drillungs-, w als Potentialverrückung ergiebt
Hier gewinnen die Resultate (132") von S. 355 bei entsprechen-
der Bestimmung der Geschwindigkeiten Geltung.
§ 2L Ebene Wellen in einem unendlichen isotropen Medium. 889
Wird die Ebene r = 0 absolut festgehalten, und ist der Anfange-
zustand von x und y unabhängig, so ist das Verfahren der entgegen-
gesetzt-spiegelbildlichen Fortsetzung des Anfangszustandes in den
negativen Halbraum hinein anwendbar.
Sind in der Ebene z = 0 die äußeren Drucke und hierdurch
nach (152^) X^, J^, Z^j die mit dufdz, dv/dz, dw/dz proportional
sind, als Funktionen der Zeit allein vorgeschrieben, so wird Formel
(132"') anwendbar.
Ist endlich die Ebene z=0 frei, also nach (152') bei den ge-
machten Annahmen dujdz, dvjdz, dwjdz daselbst gleich Null, so
ist die einfache spiegelbildliche Fortsetzung der Anfangswerte in
den negativen Halbraum vorzunehmen.
Daraus ergeben sich dann die Regeln für die Behandlung einer
planparallelen Schicht eines festen elastischen Körpers, deren
Grenzen fest oder frei sind, oder gegebene Verrückungen oder ge-
gebene Drucke erfahren; auf ihre Wiedergabe darf bei der großen
Ein&chheit des Problemes verzichtet werden.
Komplizierter gestalten sich die Probleme der Reflexion und der
Brechung schief auffallender ebener Wellen an der ebenen Grenze
zwischen zwei elastischen Medien. Hier wird eine wesentliche
Vereinfachung durch die Annahme der Isotropie der Medien nicht
bewirkt, sondern nur eine formale, und daher mag dies Problem
erst bei Behandlung krystaUinischer Medien — und aus gewissen
Gründen erst im nächsten Kapitel, — in Angriff genommen werden.
Die mittlere Energie einer ebenen Welle berechnet sich genau
so, wie auf S. 358 für longitudinale Wellen gezeigt ist, auch für
transversale; bei Einführung der größten Amplitude A der Ver-
rückung erhält man in beiden Fällen übereinstimmend
Neben den ebenen beanspruchen auch im festen elastischen
Körper die Kugelwellen ein besonderes Interesse, welche auftreten,
wenn jF, i7, T, W die Koordinaten nur in der Kombination enthalten,
welche die Entfernung r des betrachteten Punktes von einem be-
liebigen festen, etwa dem Koordinatenanfang ausdrückt
Die Gleichungen flir jene Fimktionen nehmen dann die Gestalt an
d^rF __ d^rF
d^rU _ 1 d^rU d^rV _ ^ d^rV d^rW _ , d^rW ' ^
390 //. TeiL Mechanik niehtstarrer Körper. IV, Kap,
und gestatten dieselbe Behandlung, wie S. 363 die entsprechende
für F allein. Die dort erhaltenen Resultate über die Potential-
verrückungen, welche longitudinal stattfinden, sind sogar unge<
ändert auf unseren Fall zu übertragen, es braucht also nur auf die
UriUungsverrückungen, die sich durch U, Fj W bestimmen und
deren Komponenten wir mit u\ v\ l^?' bezeichnen wollen, etwas näher
eingegangen zu werden.
Aus
164-)
'^ dr r
dV X
dr r
,_ dÜ X
dr r
dW X
dr r
,_ dV X
dr r
du y
dr r
u
w =
folgt
u^x + ü'y + w'z = 0;
die resultierende Verrückung S^ ist also normal zu r oder trans-
versal, analog wie bei ebenen Wellen.
Einen genaueren Einblick in ihre Natur erhält man, wenn man
alle Teilchen betrachtet, welche auf einer Kugelfläche um den An-
fangspunkt liegen; für diese sind mit r auch Uy Fy fT die gleichen,
das System (164') nimmt also, wenn wir mit Z, M, A^ jenen Teilchen
gemeinsame Funktionen von t allein bezeichnen, die Form
y! = Ny — Mzj v^ ^ Lz — Nx^ tr' = Mx — Ly
an, deren Vergleichung mit den Formeln (118) auf S. 96 zeigte
daß die Kugelfläche in dem Augenblick, wo die Werte w', t?', \t
gelten, eine Gesamtdrehung vom Betrage
um eine Axe durch ihr Centrum, deren ßichtungscosinus resp. LjB,
MjDj Njl) sind, erlitten hat.
Die Rotationsaxe fällt mit einer Koordinatenaxe zusammen^
wenn zwei von den drei Funktionen ?7, F, JF verschwinden.
Der einfachste Ansatz für eine fortschreitende, transversale
Kugelwelle wird hiemach durch
164")
erhalten.
, dW y , dW jc , ..
dr r ^ dr r
JF
a . ( r
= — SinaU + <L
r V " w
§ 21. Kugelwellen in einem unendlichen isotropen Medium. 391
Die resultierende Verriickung besteht wieder aus mehreren
Grliedem, die nach verschiedenen Gesetzen mit wachsender Ent-
fernung r abnehmen. In großen Entfernungen bleiben nur diejenigen
merklich, bei welchen die Differentiationen nach den Koordinaten
sich ausschließlich auf das unter dem Sinus vorkommende Glied
beziehen, so daß man setzen kann, indem man dWjdt in W
abkürzt,
«'=- — ^, t;'=+ — -, tt;'=0, 164'")
und ähnlich für die lebendige Kraft t/;' der Volumeneinheit
2V' = ^'^-^^'. 165)
G)'
Das Potential qp' der Volumeneinheit folgt nach (115") wegen
iV* = 0 und tt? = 0 in der Form
^^•-^[(fc")'+(S)'+t(i)'+(if)'+i+ii)')i.
oder bei gleicher Beschränkung auf die höchsten Glieder
Hieraus folgt wegen c^I^q = «^
und
6 = ^ — r^ = -^T^^-smVsm^a ^^ + ^, - — J , 165")
wobei y den Winkel zwischen r und der +^-Axe bezeichnet.
Daraus ergiebt sich der Mittelwert
'^ 2r*(jjr ' '
und bei Einfuhrung von acc/o)= A und a =^2n/r schließlich
«;=-S^8inV. 165'")
Die Fortpflanzung geschieht also nach verschiedener Richtung
mit verschiedener Intensität, normal zur Rotationsaxe mit der
größten, ihr parallel mit verschwindender.
§ 22. Gleichgewicht iflotroper Medien bei beliebiger Begrenzung.
Satz von Betti.
Wenn auf einen beliebig begrenzten isotropen elastischen Körper
körperliche Kräfte wirken, so ist es nach dem vorigen Paragraphen
392 //. T(dL Mechanik nichtstarrer Körper. IV, Kap.
immer möglich, ein Yerrüclningssystem zu finden, welches den jene
enthaltenden Hauptgleichungen genügt, aber den Oberflächen-
bedingungen nicht entspricht Man kann dies System als einen
Teil der allgemeinen Lösung ansehen, und das Problem ist voll-
ständig gelöst, wenn es gelingt, ein zweites System Verrückungen
zu finden, welches den Hauptgleichungen bei verschwindenden
körperlichen Kräften genügt und an der Oberfläche die gegebeneu
Werte der Verrückungen oder Drucke, vermindert um die von dem
ersten System herrührenden Anteile, ergiebt Dies soll jetzt aus-
geführt werden ; weil aber das Problem auch selbständige Bedeutung
hat, wollen wir die bezüglichen Verrückungen wieder mit u, v, v,
die Oberflächendrucke mit X, Y, Z, die Oberflächenverrückungen
mit Uj V, w bezeichnen imd von dem Zusammenhang mit der oben
gelösten Aufgabe absehen.
Bei verschwindenden körperlichen Kräften lassen sich die Haupt-
gleichungen schreiben
^«^) 0^=-^:+«;-^«' ö7=-c-t4^''' 0^=-^^^^""-
die Grenzbedingungen lauten, wenn die Verrückungen in der Ober-
fläche vorgeschrieben sind,
166') w = «o' ^ = ^o> ^^ = w^a»
wenn aber die Drucke gegeben sind, kann man sie nach (152') bei
Einführung der Drillungen /, w, n leicht in der Form schreiben:
^ = -?- X - ^ i9- cos (i/, ;r) - n cos(v,y) + mcos{v,z).
166")
g^ = ^ T- ^ T> cos {i/,y) - / cos (i/, z) + n cos {if,x),
o tc 1 — c — — —
j— = —Z ^-& cos {vy z) — m cos {v, x) + l cos {vjv),
0 V Ca c»
worin v die äußere Normale bezeichnet und, wie schon oben, c — fj
in Cj abgekürzt ist
Diese Formeln weisen darauf hin, daß bei gegebenen Ober-
flächenverrückungen zunächst auf die Bestimmung von & aus-
zugehen ist; aus dessen Werte allein findet sich dann m, r, tr nach
den in § 22 des ersten Teiles entwickelten Methoden fiir die Be-
stimmung einer Funktion yj aus gegebenem A'^ und i//. Bei ge-
gebenen Oberflächendrucken muß aber &, l, m, n gefunden sein.
um jene Methoden, und zwar für gegebenes A V^ und dxpjdvj anzu-
w
167)
§ 22, Der Beüi'si^ ScUx. 393
wenden; es bleibt in diesem Falle, wie begreiflich, in Uj v, w je
eine additive Eonstante unbestimmt
Für die Lösung der Aufgabe, & und l, m, n zu finden, erweist
sich eine Beziehung nützlich, welche den Namen des BETTi'schen
Satzes fiihrt^^ Sind nämlich zwei Systeme von körperlichen Kräften
X, Y, Z und 3£, % 3> sowie von Oberfiächendrucken X, ¥y Z und dij% S
gegeben, und bezeichnen u, v, w und u, D, m zwei Systeme mit ihnen
verträglicher Verrückungen in demselben homogenen elastischen
Körper ä, so ist
/«"'*[(^-s?)"+(^-s)''+(^-w)"
+ Jdo{X\i + Fi + Zto)
Diese Gleichung wird bewiesen, indem man die Werte von
aus den Hauptgleichungen (118) einsetzt und das Raumintegral so
durch teilweise Integration umformt, daß alle Oberfiächenintegrale
verschwinden.
Man erhält aus ihr einfachere Eeciprocitätssätze, indem man
Verfügungen trifft, welche eine größere oder geringere x\nzahl von
Gliedern verschwinden lassen. Dabei ist indessen zu beachten, daß
die damit eingeführten Annahmen über Kräfte und Verrückungen
miteinander vereinbar sein müssen.
Betrachtet man z. B. zwei Gleichgewichtszustände, bei welchen
die Oberäächenpunkte sämtlich festgehalten sind, und läßt körper-
liche Kräfte nur auf zwei sehr kleine Bereiche ä' resp. F wirken,
so erhält man
k' (Xu + ro + Zro) = r {diu + ©t; + 3tr); 167')
dies läßt sich, indem man von den Komponenten einige gleich Null
setzt, noch weiter vereinfachen und ergiebt einen leicht in Worte
zu fassenden Satz.
Befindet sich der elastische Körper unter alleiniger Wirkimg
von Oberflächendrucken im Gleichgewicht, so nimmt die Formel
(167) die speziellere Gestalt an
. fdo(Xü + Tt> + Z^) =-fdo{iü +fv + 3^), 167")
394 IL Teil, Mechanik nichtstarrer Körper. IV, Kap.
welche die Grundlage für die weitere Entwickelung dieses Ab-
schnittes bildet
Bei derselben soll u, t?, w jederzeit das gesuchte System Ton
Verrückungen und X, T, Z das ihm entsprechende System von Ober-
Üächendrucken bezeichnen, welches mit dem der inneren Drucke
durch die Beziehungen
x+ x,= r+ r, = z+z,=^o
verbunden ist
u, t), \v soll hingegen ein System von Hilfsverrückungen be-
zeichnen, X, I), 3 das ihm entsprechende System von Drucken,
und zwar wollen wir so über sie verfugt denken, daß Verrückungen
und Spannungen an einer Stelle a, b, c des Körpers k unendlich
werden, so daß dieselbe also durch eine unendlich kleine Ober-
fläche, etwa eine Kugelfläche ä' um a, b, c als Centrum, ausgeschlossen
werden muß, um die Formel (167") anwenden zu können.
Außer über die gegebene Oberfläche o von k sind dann dit
Integrale in (167") noch über diejenige o' von ä' zu erstrecken; dit
auf letztere bezüglichen Werte mögen aber, als für das Innere von k
geltend, nicht durch einen Strich ausgezeichnet werden.
Führt man, wie auf S. 384, die Richtungscosinus a, ß, y de?
Radiusvektors von a, b, c aus ein, so werden nach (152') die in
dem Integral links in Formel (167") auftretenden Drucke an der
kleinen Kugel die Werte erhalten:
168) r==rr=^{c,i/^ + c,&)ß-ic,{2/^r + i/.cc),
Da die wirklichen Verrückungen m, v, w innerhalb k stetig sind
so kann man hierin die Werte der Deformationsgrößen statt ftr
die Kugelfläche o' für ihr Centrum, d. h. für den Punkt a, b, c selbst
nehmen.
Was die Verrückungen w, v, w in dem Integral rechts in
Gleichung (167") angeht, so kann man auf o' für sie die Entwickelung
setzen
168')
, (du . du a . du \
— , (dtc , die ^ , dw \
r = 17 + r
§ 22. Oleichgewieht eines beliebig begrenzten isotropen Körpers. 395
wo sich nunmelir die Größen rechts ebenfalls auf die Stelle a, &, c
beziehen.
Nach diesen Vorbereitungen wählen wir zunächst fiir die Hilfs-
größen u, ö, xo die Komponenten einer Verrückung, die innerhalb k
regulär ist, aber an der Stelle a, J, c sich verhält wie diejenige der
S. 384 betrachteten Potentialdeformation mit dem Potential
?=•
nämlich wie
u' =
Setzen wir in der Formel (167") diese Ausdrücke neben den
Werten (168) in das Integral links über die kleine Kugelfläche
ein und bemerken, daß
/$'«" = /$>' = /^V'=^, 169')
aber
j'-^ßy-S'-^yu-j^-ß-^ 169")
ist, so reduziert sich dasselbe auf
In das Integral rechts ist neben den Werten (168') das g' ent-
sprechende System der Potentialdrucke einzusetzen, das nach (158)
lautet:
I=-2c,^, ^)=-2c,^, 3=_2c,^, 169'")
woraus unter Rücksicht auf (169') folgt
g ''3 ^'a h c •
Führt man diese Werte in (167") ein, so erhält man wegen c^ + c^ = c
das Resultat
4nc&abc = Jdo [(Xw +^^+ Sic) - (Xu +Tö + Zio)] , 1 70)
wo sich das Integral über die gegebene Oberfläche des elastischen
Körpers erstreckt
Kann man nun für den gegebenen Körper ein System Hilfs-
größen u, ö, tu finden, welches die Hauptgleichungen (166) und die
Nebenbedingungen (169) befriedigt, und überdies an der Oberfläche
des Körpers verschwindet, so ist
396 //. Teil. Mechamk nichtstarrer Körper. IV. Kap.
170') ^nc»abc = Jdo{£ii+^+Si^);
es ist in diesem Falle also & durch die vorgeschriebenen Oberflächen-
werte u, V, w mit Hilfe der aus den u, ö, to folgenden Oberflächen-
drucke 3£, ^, 3 vollständig bestimmt und durch eine einfache
Quadratur zu finden.
Ist hingegen das Hilfssystem u, t>, tt) so bestimmt^ daß an der
Oberfläche de, % S verschwindet, so wird
170") i7ic&abc= -fdoiJ^i+Ti+Ziö)]
hier ist also & durch die Werte der Oberflächendrucke und die
Oberflächenwerte der u, ö, ttJ bestimmt.
Diese Resultate haben große Verwandtschaft mit der S. 185u.f.
auseinandergesetzten Methode der GEEEN'schen Funktionen zur Lo-
sung von Randwertaufgaben flir Funktionen F, die der Gleichung
A ^= 0 genügen.
Für den Fall gegebener w., r, w ist durch Vorstehendes alles
erreicht, was zur allgemeinen Bestimmung von «, r, w nötig ist.
Für den Fall gegebener X, Y, Z muß dagegen erst, wie hier ß-^ auch
noch /, m, n gewonnen werden.
Zu diesem Zwecke wählen wir für u, ö, xo ein System von Ver-
rückungen Uj, Dj, »1, das sich im übrigen innerhalb k regulär ver-
hält, aber an der Stelle a, ä, c übereinstimmt mit demjenigen, welches
einer Drillungsdeformation mit der S. 384 eingeführten Drillungs-
funktion
entspricht, also mit
U' = -
r
ai 5^
r w ' - ^ß
171) «', = 0, t,',=-^=-^, „', = _^»+^.
Führt man in der Gleichung (167") diese Werte in den An-
teil des Integrales links ein, welchen die unendlich kleine Kugel-
fläche d liefert, so erhält man nach (169") den Wert Null
Die dem obigen U^ entsprechenden DriUungsdrucke werden
nach (158')
171') X' = 0, t=-|c3f, 3'=+|c,-^;
setzt man sie neben (168') in den auf die Kugelfläche bezüglichen
Anteil des Integrales rechts ein, so erhält man
und somit das Gesamtresultat
§ 22. Oleiehgewieht eines beliebig begrenzten isotropen Körpers, 397
^^c^laic = fdo [(Xuj + Yt)^ + Zro^) - [k^u + ^^v + Siw)] , 171")
worin Xj , Di , S^ die dem oben definierten System % , ö^ , Wj ent-
sprechenden Drucke an der Oberfläche des elastischen Körpers be-
zeichnen.
Führt man Hilfsgrößen u,, t>^j tP] ein, die in a, &, c mit den
durch die Drillungsfunktion
bestimmten
»' = -
r
öl öi
übereinstimmen, so folgt analog
4nc^ma^c = Jdo[{X}i^ + Tö^ + ^2) — (V + ^^ + 3a^)]- 172')
Endlich liefert ein System U3, D3, rOj, welches in a, i, c über-
einstimmt mit den aus der Drillungsfunktion
1
folgenden
r
(üe Formel
4nc^naj,c = /rfo [(Xi^ + fS; + ^3) - {X^ü + f 3^ 4- 3,^)] . 173')
Werden die u^, ü^; ft);^ überdies den Bedingungen unterworfen,
daß sie an der Oberfläche o verschwinden, so erhält man
^nc^laic = fdo{XÜ^ + 5^1 + ^1), 173")
werden sie so bestimmt, daß daselbst die ihnen entsprechenden
Drucke gleich Null sind, so ergiebt sich
4^c,/a5c = - fdo{l^u + %i+ äT^); 173'")
Diese Formeln entsprechen genau den für t'^ahc abgeleiteten (170')
und (170") und gestatten, wenn für einen Eaum k die zugehörigen
"a> ^hi ^h göfttiiden sind, die Bestimmung der Drillungskomponenten
/, m, n für eine jede Stelle aus gegebenen Werten der Oberflächen-
verrückungen oder Oberflächendrucke.
Beide Systeme können, abgesehen von der Bedingung der Stetig-
keit, im allgemeinen beliebig vorgeschrieben werden; nur in dem
398 //. Teil, Mechanik nicktstarrer Korper, IV, Kap,
Falle, daß auf der ganzen Oberfläche X, 1", Z vorgeschrieben sind,
müssen diese mit den X, Y, Z zusammen die allgemeinen mechanischen
Q-leichgewichtsbedingungen erfüllen.
Wie aus gefundenem i^- allein bei gegebenen m, v, Wj aus ge-
fundenen iV-, /, m, n bei vorgeschriebenen X^ Y, Z sich schheßlich
die Verrückungen w, r, w für jede Stelle bestimmen lassen, ist bereits
auf S. 392 erörtert worden. —
Die Bestimmung geeigneter Hilfsfunktionen u^, ö^, m^ ist im aD-
gemeinen schwierig, läßt sich aber für den Halbraum, den wir
durch die Bedingung z > 0 definieren wollen, verhältnismäßig leicbt
durchführen.^®)
Bei gegebenen Oberflächenverrückungen m, r, tr handelt
es sich zunächst nur um die Berechnung von &^ nicht auch voii
/, m, n. Für dieselbe ordnen wir dem Punkte a^b,c seinen Spiegel-
l)unkt a, by — c in Bezug auf die Ebene z = 0 zu und bezeichneu
die Entfernung von ihm mit r .
Setzen wir dann
_ _r r ^ ^ r'
~ bx bx ^ bxbx"*
174)
b- b-, ö»-,
vt *" *■ O *■
by by * bybi
öl ai b^\
bx • bx *""» bx* '
so genügt dies System den Hauptgleichungen (166), wenn
174-) r,= rtj^_!^^?
ist Stimmt für r = 0 überein mit u\ t)\ id' in (169X verhält sich im
übrigen filr z > 0 regulär und verschwindet für z = 0.
Das in der Formel (170') für * vorkommende Integral ist hier
über die Ebene r = 0 zu erstrecken, die X, % 3 sind daher mit
X,, ?)., 3a identisch.
Ihre Werte findet man leicht zu
r' e'- e* -
174*^ .\\ = — 4rr. i . . '^l. = — 4rr. ^^ — ^. i = — 4rr. -r-^.
wonn
174 ^ . _ — M _ M
§ 22, Der Halbraum bei gegebenen Oberfläehenverrüekungen, 399
Vertauscht man weiterhin a, ä, c mit x, y, 2 und bezeichnet die Ko-
ordinaten von do mit ar^, y^, um & sogleich als Funktion von x, y, z
zu erhalten, wie es weiter gebraucht wird, so wird aus Formel (170')
r^ I I \ r — . r — . r -
wofür man auch setzen kann
oder, wenn man
JJ^ dx, dy, =A, JJ-^ dx^ dy, = B, JJ^ dz, dy,=C 1 75')
setzt,
wo P eine gegebene Größe bezeichnet
A, Bj C sind nach S. 158 NEWTON'sche Potentialfunktionen mit
der Konstante /"= 1 von Belegungen der XT-Ebene mit den Dichtig-
keiten Uj V, 10 ; sie erfüllen demgemäß die Gleichungen
A^= AB= AC=0 176)
und, da sie symmetrisch zur Xr- Ebene sind, nach Gleichung (165')
auf S. 158 auch die anderen
-— -=— 2;rM, -^~=—27tv, -5— =— 2;r«7. 176)
ox ' o* l ax '
Auch P erfüllt die Gleichung A i^ = 0, giebt aber für z = 0 auch
dP/ör = 0.
Diese Eigenschaften zusammen mit der allgemeinen Beziehung,
daß für eine Funktion y, welche die Gleichung a y = 0 erfüllt,
Azq>^2d(pldz 176")
ist, kommen nun bei der Bestimmung von u, v, w aus dem gefun-
denen i^ zur Anwendung.
Die Hauptgleichungen (166) für w, r, w nehmen jetzt die
Form an
dy dx^
a»p
71 A V =^ c^
?rA»f =^3^^, ,
177)
400
//. TeiL Mechanik nichtsiarrer Körper. IV, Knp,
die Grenzbedingungen lauten für z = 0,
177') M = w, » = 17, «? = «?.
Aus ihnen kann man nach dem Vorstehenden schließen
177")
» dy
o ÖP
dA
dx'
wodurch alle Bedingungen befriedigt sind.
Die Gleichungen (177") stellen also die Lösung des Problemes
der Deformation des positiven Halbraumes durch in der Grenz-
ebene z = 0 ausgeübte Verrückungen dar.
Das Resultat drückt sich aus in Summen über die Wirkungen,
welche die einzelnen Oberflächenelemente ausüben. Für ein einziges
do := q im Koordinatenanfang und einen in endlicher Entfernung
davon befindlichen Punkt x, y, z erhält man leicht, falls
.2 _
2
^a
r^ = ar^ + y^ + jr
177'")
2nu Cj/
q r
f («(3a* - 1) + vaß + toar)+ufi.
2nto c^if
r
= -^(«ya + »y/9 + «.{3y*-l)) +
w
ein Resultat, das sich noch vereinfacht, wenn man nur eine der
Komponenten w, w, w von Null verschieden annimmt
Es ist bemerkenswert, daß die im Innern des Körpers erregten
Verrückungen ein Glied enthalten, das von dessen elastischen Kon-
stanten vollkommen unabhängig ist —
Nicht so einfach ist der Fall gegebener Oberflächendrucke.
Zur Bestimmung von & hat man zu setzen
. 178)
öl
u = -.-^ + -'--/+2z
^^
dx
d X
oy Cf äff
- + 2z
_ »• 1 »■ , o
dxdx'
"h
dydx'
"h
§ 22, Der HaUbraum bei gegebenen Oberflächendnteken, 401
worin der zweite Teil sich nur durch den konstanten Faktor — .l/c,
von demjenigen des Ansatzes (174) unterscheidet, also den Haupt-
gleichungen genügt, da es jener thut; der Ansatz verhält sich für
r = 0 wie u', ö', »' in Formel (169), ist im übrigen für z > 0
regulär und macht f&r z = 0 auch
3E. = II. = 3. = 0.
Für die Ebene z = 0 giebt er, da
1 + 1= *"
ist,
i = -^^, ^=^-/, » = ^/, 178-)
c + Cjöaj' c + Ol oy^ c +Ci dx^ '
und man erhält aus (17U'') sogleich, indem man, wie oben, a^bjc
nunmehr mit x, y, z vertauscht
*=;i^)iiU^
178")
Führen wir die erste abgeleitete Potentialfunktion tp^ eines Massen-
punktes Eins im negativen Halbraume von S. 207 mit der Kon-
stante /*= 1 unter der Bezeichnung ein
/' = /(Zj + z + O 179)
worin r'* == (a: — x^^ + (y — yi)* + (^ + ^i)* ist, beachten, daß die
Beziehung gilt
1^ = 1^ = 1, 179-)
und setzen kurz
ffX^'dx,dy,^Ä\ ffr^^dx,dy,^F, ffzJ'dx,dy,^C,
ö^' (9^ öa^_p, ^179")
80 erhalten wir
1 SP*
&= , \ ,^- 179'")
n(c + Cj) ax *
A\ B\ C sind nach der Definition* Potentialfunktionen der
Art X Von Belegungen der Ebene z = 0 mit den Flächendichten
X, r, Z und sie genügen demzufolge den Gleichungen
A^'= A5' = AC'^O; 180)
ebenso gilt ersichtlich
AP' = 0. 1800
Voier, TbeoretiBche Physik. 26
402
U, TdL Meohawik niehUtarrer Körper, IV. Kap,
Femer sind dA'/dzj dB" /dz, dC jdz die NBwroN'schen Plächen-
potentiale von den gleichen Verteilungen, wie Ä\ B\ C, und es gilt
demgemäß wie in (176') för 2: =:= 0
180")
^•^; = _2„j. ?5=-2«i; 4^- -2«^-
dx^
dx'
dx'
Diese Eigenschaften kommen bei der Fortführung unseres Pro-
blemes zur Anwendung.
Zur Bestimmung von / ist ein System u^, D^, id^ zu finden, das
den Hauptgleichungen (166) genügt, sich ftir r = 0 verhält wie
Uj, bj, Xo\ in (171), im Halbraum z > 0 übrigens regulär ist und in
der Ebene z = 0 die Drucke
werden läßt. Man erhält ein solches mit Hilfe der Ton einer im
Spiegelpunkt ti,b,—c befindlichen Masse Eins genommenen Potentiiil-
fiinktion
in der Form
181)
"1 =
2z
»'i=+^ + 2^
dxdydx
p, dx
dy'
«y , 2«.
8y*dx c + c,
ay
dy*
ay
9y
2c,
ay
ay
dx
al
^ ~" dy *" dydx* e -hCi dydx dydx^
welches, wie die Berechnung zeigt, allen gestellten Bedingungen
genügt
Da in der Grenze z = 0
öl
r
' dx dx
ist, so erhält man
dx
9 7
ö — d-j .j, ,
— ^ = — = 4- ^^
öy öy dydx
^ c + Ci dxdy dxd\
181")
t)i== +
40
4(?
öy
öa?"
^1 = ; — ä-1- •
Dies ist nun in die erste Gleichung (173") einzusetzen, wobei,
§ 22, Der BaXbraum bei gegebenen Oberflächendnteken, 403
wie S. 399, x, y, z mit x^, y^, z^ und a^ b, c mit x, y, z vertauscht
werden mag, um / für den Punkt x, y, z zu berechnen.
So erhält man zunächst
oder wegen des Wertes von /j der d^/ /dzy^dy^ mit d^/jdxdy
und d^xj^z^djfy^ mit ^d^z'ldzdy zu vertauschen gestattet, bei
Einführung der Abkürzungen (179")
Die Berechnung von m ist nicht erforderlich, sondern das Re-
sultat ist aus dem vorstehenden durch Yertauschung von x mit y
und von y mit — jt sogleich zu erhalten wie folgt:
e dP'
m s=s —
1 ö /OB' _ 3A'\ -go'^
n Ä
71 (c" — Ci"J dx
Zur Bestimmung von n ist zu setzen
woraus durch leichte Rechnung folgt
27pr, ö» \ öa? öy / * '
Hiermit sind die ü'j lyfn,n durch die gegebenen Z, 7, i? voll-
ständig bestimmt und es erübrigt nur noch die Ableitung der ihnen
entsprechenden u, Vj w aus den Hauptgleichungen (166) und den
Oberflächenbedingimgen (1 66").
Letztere nehmen in unserem Falle, wo die XZ- Ebene die
Grenze büdet, die einfachere Form an
dt* 1 ^ — dv 1 V , 7 \
fix C, Cg
Die Grenzbedingung für tr enthält also keine Drillungskomponente
und ist deshalb die einfachste. Für w gelten bei Benutzung des
Wertes (179'") von d^ die beiden Formeln
26*
404
IL Teil. Mechanik nichtstarrer Körper, IV. Kap.
d^P'
183')
-= - Aw,
dP'
c, 7r(c* — Cj*) dx
denen man wegen der Eigenschaften (180) bis (180") der A\ Jffj C
und P\ sowie wegen der allgemeinen Beziehung (176") genügt durch
183")
2Ätr = r— — r H -= z-^ — .
(c + Ci) ' r, \d» " dx
Für t£ und t7 lauten die Bedingungen
184)
1 d^P'
nc^dxdx
= — Att,
1 d»P'
ne^dydx
= — Av,
c, 7p(c* — Cj*) 005 2nc^ dy \dx dy ) dx ^
1 ^
«P'
1 9 /aB^ dA'\ ^ _d
c, 7i(c* — Ci*) öy 27IC, dx \ dx dy I dx '
)
Den Hauptgleichungen genügt man durch die partikulären Lösungeo
tt' und v\ gegeben durch
1840
o » dA' dP'
dx
o , dB' ÖP'
welche in den Grenzbedingungen die Glieder X/c, und l'/^i hinweg
heben; können also zwei Funktionen k" und v" so gefunden wer-
den, daß
Att"==0, Ar" = 0,
184")
dP'
1 ÖP'
ö /öjy
+
23ie, dy \ dx
1 ä
27iCg öa;
— ^\ _ du''
dy)" dx'
Idß _ dA'\ ^ §^
V öa? öy / ö«
27i(c + Ci) 3y
wird, so giebt
die vollständige Lösung.
Dazu definieren wir drei neue Funktionen A^\ B^\ (T da-
durch, daß
185) ^'=^, Ä'=.i^\ 6^'=^^"
also auch
185') P' =
ap"
ö»
wird, wo P" aus J", B", C' ebenso gebildet ist, wie F aus i^', J,C\
und nehmen die Gleichungen (184") als fUr alle z gültig, so daß
wir sie integrieren können. Es folgt dann
§ 22, Der Halbraum bei gegebenen Oberfläehendrueken, 405
„ 1 aP" . 1 d IdE' dÄ"
M = —
27i(c + Oi) dx 2ne^dy\dx öy / ' • iqr"\
„^ 1 dP" 1 d IdW' dA''\ ^ ^
^ 2n(c + Ci) dy 27ic, öaj V ö» öy / '
wobei je eine additive Funktion von x und y unbestimmt bleibt, die
gleich Null gesetzt werden kann, wenn die w", t?" den Haupt-
gleichungen genügen.
Nun sind aber nach der Definition (179") ^',^',_C'_Potential-
funktionen ebener Verteilungen von den Dichten X, Z, Zj wie sie
S. 207 als erste abgeleitete bezeichnet sind; danach sind J^\E'\ C"
die entsprechenden Potentialfanktionen zweiter Art, genügen nach
der Formel (212') auf S. 207 auch der Gleichung Aqp^O, und
gleiches gut somit von «" und »".
Es wird hiemach allen Bedingungen genügt durch die defini-
tiven Werte
^ '^ dx dx e + c^ dx By \ dx dy j^ \ -loc/'^
2nc v^ — -z— ^ ^— 6 /ag" dA''\ ^
* dx dy ß + e^ dy dx \ dx dy ]* ^
Die Ausdrücke für u, v, to nehmen eine besonders einfache
Gestalt an, wenn an der Oberfläche nur normale Drucke wirken,
also
X= 7=0
und daher
J' = 5' = 0, P'=:-^^-,
^"=J?»'=0, P"=^- = (7'
dx
3C'
dx
186)
ist; sie lauten dann:
* dxdx c + Cj o»
2 . öyo» c + Ci öy '
o ö»0' , 2<T dC
1860
und C" ist definiert durch
C'^jJZ'x'dx^dy^.
Die gefundenen Resultate stellen sich dar als die Summen der
Wirkungen, welche die einzelnen Flächenelemente der Grenzebene
z = 0 infolge der erlittenen Drucke X, F, Z fortpflanzen. Ist die
406 U, Teil. Mechanik niehiatarrer Korper, IV. Kap.
ganze Ebene mit Ausnahme eines einzigen Elementes q im Eoordi-
natenanfang frei, so wird für Punkte, die in endlicher Entfernung
von q liegen, das letzte System die Gestalt annehmen
186")
^Z
af c, «1
q ir c4-<?i x + r\ '
[r ^c + Ci r J'
worin r* = ar* + y2 + z^ und a = x/r, ß = y/r, y = z/r ist
Das Gesetz der Ausbreitimg der Wirkung ist auch in diesem
einfachsten Fall ziemlich kompliziert
Analoge Behandlung, wie vorstehend für den Halbraum gezeigt
ist, gestattet eine planparallele Schicht und eine Voll- oder Hohl-
kugel/^
Zu neuen interessanten Verhältnissen gelangt man, wenn mau
die Oberflächendrucke als nicht direkt gegeben, sondern durch einen
ohne Reibung gegen die Oberfläche gedrückten zweiten elastischen
Körper bewirkt denkt Auf diese Fälle kann hier indessen nicht
eingegangen werden.
§ 23. Ein durch Einwirkungen auf die Grundflächen g^leichförmig
gespannter Cylinder aus beliebiger homogener Substanz.
Es sei ein Cylinder aus beliebiger homogener Substanz ge-
geben, und es seien in ihm die Deformationeu x^, ,,, x , und dem-
gemäß auch die Spannungen X^, • • • -^y längs der Axenrichtung
konstant angenommen. In diesem Zustand wollen wir den Cylinder
gleichförmig gespannt nennen.®^
Wählt man die Cylinderaxe zur ^-Axe, so ergiebt sich ans
dieser Annahme durch eine einfache Rechnung für die Ver-
rückungskomponenten u, v, w die allgemeiuste Form
u = U + z[f[ ^^g^Z'-hy),
187) t; =r + z(/3-i(7,z + Är),
w=-W+z{g^x+g^y-\-g^),
worin die fj g, h Konstanten und Z7, V, W Funktionen von x und y
allein sind.
Setzt man fest, daß für ar = y = z = 0
iQ«,x t\ j öw dv dv du ^
187) w = ü = ?r = 0 und 3— = ä— = ä ^- = 0
ox ox ox oy
§ 23. Ein gleichförmig gespannter Oylinder,
407
ist, (L h. daß das Teilchen im Koordinatenanfang keine Verschiebung
und keine Drehung um die Z-Axe erleidet, und daß das benach-
barte, ursprünglich in die ^-Axe fallende Linienelement seine Rich-
tung beibehält, so ergeben sich für U, F, W die Bedingungen
U=^r^W= (g) - (1^) = 0 für . = 0; 187")
außerdem wird f^ = f^ ^ 0.
Die vier Eonstanten y^, y,, ff^ und A lassen sich leicht deuten,
denn es ist
- (^\ - V
___ , ö idtc du\ __ dm _ ,
A =i
187'")
also bezeichnet ^3 = c die lineare Dilatation der Axenfaser des
Stabes, ff^ = /', — ^j = wi', ä = n' die resp. Änderungen der Drillungs-
komponenten Z, TU, n nach der Axenrichtung.
Infolge der Deformation nimmt die Faser des Cylinders, welche
ursprünglich in die ^T-Axe fiel, eine geänderte Gestalt an.
Führt man den längs dieser Axenkurve gemessenen Abstand s
eines ursprünglich der Koordinate z entsprechenden Querschnittes ein,
so ist wegen der Kleinheit der Deformation Z' mit dl/ds, vri mit
dm/ds, ii mit dnjds zu vertauschen, m und — /' sind daher zu-
gleich auch die reciproken Krümmungsradien der beiden Kurven,
welche die Projektion der deformierten Axenfaser auf die XZ- und
die 7^- Ebene liefert, beide nach der Seite der positiven X- resp.
JT-Axe hin positiv gezählt; da ihre Werte von z unabhängig sind,
so sind beide Kurven Kreisbögen, w' ist die gegenseitige Drehung
zweier um die Längeneinheit voneinander entfernter Querschnitte
z = Const des Cylinders. Wir können daher die Größen m, V weiter
kurz die spezifischen Biegungen, v! die spezifische Drillung
des Cylinders nennen, während c seine spezifische Dehnung ist.
Nach (187'") läßt sich nun (187) auch schreiben
u = U+ z{\mz — n'i/),
V = r — z (^ /' 2: — nx),
w ^ H + z (— m'x + Vy + c'), ,
188)
408 II, Teü. Mechanik niehtsiarrer Körper. IV. Kap.
und dies ergiebt für die Deformationsgrößen die Werte
/ du dV ' , 7/ , '
^ ^ dW r . dW du . dV
I ,
+ -^:ry ^x= -»'y + -^»:rj ^u^'^ +
öy ' * ^ ^ dx ^ y dy ^ dx '
Für die Spannungen gelten im Falle des Gleichgewichtes
wegen ihrer Unabhängigkeit von z die Formeln
dX ex^ dT dY„ dZ dZ^
^ öx oy ' dx dy ' dx dy ^
und für Punkte des Cylindermantels, der als frei gedacht sein mag.
1890
I
189") <
0 = X^ cos (n, *) + X^ cos (n, y), 0=7, cos (n, ar) + T^ cos (b, y),
— — •
0 = Z^cos{nyx) + Z cos{n,y).
Aus diesen Formeln folgen für die Integrale über irgend einen nor-
malen Querschnitt des Cjlinders die Beziehungen
{ f^.dq = / Yydq = / TJq = f ZJq = f X^dq = 0,
fX^xdq = / T^xdq = fZ^xdq = fX^xdq = 0,
/^,y rf? = / Y^ydq = / I^i^rfy = fX^ydq = 0,
fZ^ydq=^ ^ fY^xdq,
welche u. a. aussagen, daß ein Cylinder die vorausgesetzte, län^
seiner Axe gleichförmige Spannung nur besitzen kann imter der
Einwirkung von Kräften auf die Grundflächen, welche über diese
summiert, keine Komponenten normal zur Stabaze, sondern nur
eine solche C parallel zu ihr und außerdem Momente i, Jf, N nm
die Koordinatenaxen ergeben. Es gilt nämlich
(-/^.rfy=C, -•JZ^xdq^-^M, -fZ^ydq^+L,
189'") { . .
l S^.ydq^-Jr^xdq^iN,
wobei C, Zf M, N auf die am positiven, —C^ — L, — M, — N auf
die am negativen Ende liegenden Grundflächen wirken.
Die Gleichungen (189") und (189'") können dazu dienen, die
Konstanten der Dehnung und Biegung c\ /', rn! ganz allgemein
für beliebigen Querschnitt und beliebige Orientierung des Cylinders
gegen die Krystallaxen zu bestimmen. Die dritte Gleichung (107'")
liefert nämlich unter Rücksicht auf (188')
1 90) m x^ry^c= s^^ X^ + s^^ Y^ + s^^ Z^ + j?,^ 7, + ^35 Z^ + s^ X^ ,
und hieraus folgt, wenn die Z-Axe durch die Schwerpunkte der
§ 23, Eüi gleichförmig gespcmnter Cylinder, 409
Querschnitte des Cylinders geht und die X- und F-Axe deren Haupt-
trägheitsaxen parallel sind, durch Integration über den Querschnitt
nach Multiplikation mit 1, resp. x oder y
qxlm':=s^^M^\s^^N, 1900
worin x^ und x die Hauptträgheitsradien des Querschnittes q be-
zeichneiL
Diese Formeln zeigen, daß bei Cylindem aus krystallinischer
Substanz ein Drehungsmoment um die Längsaxe im allgemeinen
neben der Drillung noch eine gleichförmige Biegung bewirkt, deren
Betrag nach den Hauptebenen XZ und TZ durch die Moduln s^^
und «3g gemessen wird.
Die Bestimmung der spezifischen Drillung n' ist nicht in gleicher
Weise allgemein durchführbar.
Aus der vierten und fünften Gleichung (107'")
' 190")
folgt zwar auf dieselbe Weise nach Multiplikation mit x resp. y und
Integration
qxin'+J^xdq = - 8^^M+ \8^^2f,
qxlri-j^ydq = - «^3 i + ^s^^N,
19O"0
aber die weitere Entwickelung verlangt die Kenntnis der Funktion Wy
für welche, wie auch für U und F, die Bedingungen sich durch
Einsetzen der Werte (188') für die Deformationsgrößen in die Glei-
chungen (189) und (189') ergeben.
In dem speziellen Fall, daß ein Moment N um die Z-Axe nicht
stattfindet, kann man diesen Formeln sämtlich genügen, indem man
X,= 7^=7. = ^, = X^ = 0 191)
setzt; aus (190) folgt dann
^, = -L (TO'ar _ /> - cO, 191')
und dies verlangt, in die Gleichungen (190"), sowie die analogen für
410 //. TßiL Mechanik mchtstarrer Körper. IV, Kap,
die anderen Deformationsgrößen eingesetzt, für U, F, W Funktionen
zweiten Grades von x und y, deren Konstanten sich sämtlich durch
die Gleichungen bestimmen, welche die fünf Deformationsgrößen
x^j y j y^, z^, X durch Z^ ausdrücken. Setzt man speziell
191") r = ax + by + \cx^ + dxy + \ey^,
so wird
/dW CdW
-^xdq = qxld, J^^ydq = q)4d,
und (190'") giebt nach Elimination von d
192) 2qn' = - (^^ + ?^y,
C tritt hierin nicht auf; ein longitudinaler Zug bewirkt also bei der
vorausgesetzten Befestigungsart weder eine Biegung noch eine
Drillung.
Ist N von Null verschieden, so kommt zu obigem noch ein mit
N proportionales Glied hinzu, das sich aber nicht allgemein angeben
läßt, sondern für jeden Querschnitt besonders bestimmt werden muß.
Wir schreiben allgemein kurz
192') 2 y«' = - («-^ + ^) + (^ + ^.) .V,
worin die Parameter x^^ und x^^ sich leicht durch die beiden in
(190'") auftretenden Integrale ausdrücken lassen.
Man bemerkt, wie die Nebenänderungen — Drillung bei
biegenden und Biegung bei drillenden Momenten — von denselben
Moduln *43 = Äg^ und «53 = s^^ abhängen; sie verschwinden mit diesen
nach S. 334, sowie die CyHnderaxe in irgend eine elastische Sym-
metrieaxe fällt. —
Die Vergleichung der obigen Formeln (190') und (192^ zeigt
daß man setzen kann
i\9ö) ^ - dC ^~ÖL' '"""öS' "^"FN'
worin
2p'^Ä^C^ und
193') 2p ^ A,,L^ + A,^}P + A^^N^
+ 2Ä,,ZN+2A^,MN
ist, und die Ä aus dem Vorstehenden sich ablesen lassen. Ebenso
muß dann auch geschrieben werden können, was für später notiert
werden möge
194) C=^-7, L = ^jr, -^=ä— 7? ^=3-7>
§ 23, Em gkiehßrmig gespannter Cylinder.
411 ^
wonn
2P' = a^c'2 und
2P = Oji /'« + a,,m'» + «33«'« J 194')
ist; die Xoefficienten a hängen mit den Ä zusammen durch die
Formeln:
S ~ T > -^^1 ^ -^22 -^88 "" ^33? -^^22 ~ ^11 ^88 ~ ^18'
"^^S ~ -^11 -^22» "^^8 ~ "" ^11 -^28> -^^81 ^ "■ -^22 -^18'
-ö«12 = ^28 ^18
und
i> =
0
11
0
A^
-i,.
^28
^.
-^8
194")
T8
Wenn die Moduhi s^^ und ^35 und damit die Nebenänderungen ver-
schwinden, folgt aus (190')
qc=8^^C, qxlm'^s^^M, qxlV ^ s^^L 195)
und aus (192')
und in (193') wird
in (194')
4^4 — rt
23
^3 = «18 = «12 = 0.
Hieraus erhält man die für isotrope Körper gültigen Formeln,
indem man nach S. 337 setzt
*88 "" *'
8
44
= *56=2ä3 = 2(*-äJ. —
Die vorstehenden Betrachtungen liefern strenge Lösungen des
Gleichgewichts-Problemes eines nur auf den Grundflächen von
Oberflächendrucken beeinflußten Cylinders, wenn letztere eben die-
jenige Verteilung über die Grundflächen besitzen, welche die spe-
ziellen Werte von ?7, V^ W verlangen. In Wirklichkeit fehlen die
Mittel, über die Verteilung dieser Drucke willkürlich zu verfügen, und
man kann nur ihre Komponenten- und Momentensummen über die
ganze Grundfläche vorschreiben. Trotzdem giebt die obige Ent-
wickelung praktisch brauchbare Lösungen des genannten Problemes
überall da, wo die Länge z^ des Cylinders groß gegen seine Quer-
dimensionen ist; denn man kann annehmen, daß in einiger Ent-
fernung von den Grundflächen die Art der Verteilung der äußeren
Drucke über jene keinen Einfluß mehr übt, sondern nur die durch
sie bewirkten Gesamtkomponenten und -momente.®^)
412 IL Teil, Meehamk mchtsta/rrer Körper. IV. Kap.
Die erhaltenen Lösungen gestatten auch eine Anwendung auf
den Bewegungszustand, wenn die äußeren Bedingungen derartige
sind^ daß sie überhaupt eine Deformation der behandelten Art zu-
lassen, und die Bewegung eine so langsame ist, daß in den allge-
meinen Bewegungsgleichungen (118) die Beschleunigungen neben ein-
zelnen der übrigen Glieder vernachlässigt werden können. Dies
findet in dem wichtigsten Falle periodischer Bewegungen immer
dann statt, wenn die Länge X der Welle gleicher Periode, welche
die vorausgesetzte Bewegungsart bei einem unendlichen Cylinder
gleicher Natur erregen würde, sehr viel größer ist, als die Länge z^
des betrachteten Cylinders selbst
Teilt man nämlich dann den unendlichen Cylinder in Abschnitte
von der Länge r^, so ist jeder einzelne als gleichförmig gespannt
anzusehen und die hier räumlich aufeinander folgenden Zustände
sind dieselben, welche bei dem betrachteten Cylinder von der Länge
Zj zeitlich nacheinander eintreten. Veränderlich mit der Zeit sind
in diesem Falle in obigen Formeln nur die vier Parameter c', /', m', n
der Deformation.
§ 24. Gleichgewicht und Bewegung eines unendlich dünnen
cylindrischen Stabes.
Es sei nunmehr ein gegen seine Länge unendlich dünner Stab
gegeben, der, obwohl ursprünglich gerade, durch die Einwirkung von
körperlichen Kräften, die auf seine Elemente, und von Oberflächen-
drucken, die auf seine Endquerschnitte wirken, beliebige endliche
Gestaltsänderungen erlitten hat, doch so, daß die Deformations-
größen überall unendlich klein sind.
Wir betrachten ein Element des Stabes, welches ursprünglich
von zwei Querschnitten q und q' im Abstand ds begrenzt ist Da
die Deformationsgrößen stetige Funktionen der Axenrichtungen sein
müssen, so läßt sich ds stets so klein wählen, daß ihre Veränder-
lichkeit parallel der Axe innerhalb des betrachteten Elementes be-
liebig klein ist und vernachlässigt werden kann, ohne daß dabei ds
klein gegen die Querdimensionen des Cylinders zu werden braucht.
Das Stabelement ist dann gleichförmig gespannt, und wir können
auf dasselbe die Resultate des vorigen Paragraphen anwenden.
Wir beziehen es zu dem Zwecke einmal auf ein in dem Schwer-
punkt des Querschnittes q angebrachtes Koordinatensystem -I, i\ Z.
dessen Axen gemäß den Formeln (187') mit dem Element verbunden
sind, und außerdem auf ein absolut festes System 5", jff, Z. Die
§ 24. Ein unendlieh dünner eiastiaeher Oy linder. 418
Orientierung des Systemes JT, Y^ Z gegen Ai H, Z soll gegeben sein
durch das Schema
X
Y
Z
M
«1
«»
«8
H
A
Ä
A
Z
Vi
Yt
Yi
I, f}j ^ mögen dabei die Koordinaten eines Punktes der Stabaxe nach
der Deformation sein, der vor der Deformation die Koordinaten
1 = 0, 17 = 0, f=8« besaß.
Die HAMiLTON'sche Gleichung läßt sich dann nach S. 228 und
229 schreiben
Jdtjdq[fds (Syj - *9> + S\) + 8'aQ + S'a^] = 0, 196)
worin Stfß die Variation der lebendigen Kraft, Stp diejenige des
elastischen Potentiales der Volumeneinheit, S^a^ die virtuelle Arbeit
der auf die Volumeneinheit bezogenen körperlichen Kräfte bezeichnet,
und S^cCq, 8^a^ die virtuellen Arbeiten der auf die Endquerschnitte
8 == s^ und s = 8^ ausgeübten und auf die Flächeneinheit bezogenen
Oberflächendrucke bedeuten.
Zur Berechnung der lebendigen Kraft d8f\pdq eines Abschnittes
des Stabes von der Länge d8 setzen wir voraus, daß die lebendige
Kraft der Deformation verschwindend gegen diejenige der Translation
und Botation ist, d. h. daß wir das Element als undeformiert bewegt
ansehen können. Dann ist nach Formel (123") des ersten Teües
+«(!!)■+ «.■te)'+«(i-:)'l»*.
worin k^ A , k^ die unendlich kleinen Trägheitsradien des Volumen-
elementes um die Hauptträgheitsaxen durch seinen Schwerpunkt,
welche mit den Koordinatenaxen Xj F, Z parallel sind, bezeichnen;
hl ist dabei, wie leicht ersichtlich, = xj + x^, wo x^^ und x die
frühere Bedeutung haben.
Hierin können die Glieder hl{dljdff und ky{dmjdt)^ nur
dann endliche Werte haben, wenn ö|/ö^, dfijdt, d^/dt unendlich
schnell mit 8 wechseln, und können daher fortbleiben, wenn dieses
ausgeschlossen wird; dnjdt steht mit jenen Größen in keinem Zu-
sammenhang. Daher reduziert sich die obige Gleichung auf
414 //. TeiL Mechanik niehUtarrer Körper. IV. Kap.
ds l rüdcf =^ Tds
iseo
t j rpdq =^
worin T nunmehr die lebendige Kraft der Längeneinheit des Stabes
bezeichnet.
Analog machen wir für die Berechnung der virtuellen Arbeiten
d^cc^j S'uq, S'a^ der körperlichen Elräfte und der Oberflächendrucke
die Annahme, daß die Arbeit der Deformation jener Ejrafte neben
derjenigen der Translation vernachlässigt werden könne.
Bezeichnen wir die Komponenten der auf die Yolumeneinheit
des Stabes bezogenen körperlichen Kräfte nach den absolut festen
Axen mit ^, IT, Z' und nehmen an, daß die körperlichen Kräfte um
Parallele zu diesen Axen durch das betrachtete Yolumenelement
keine endlichen Momente ergeben, so ist
196") dsfdqS'a = ySds =^ giS^Si+STSv + Z'S^ds.
Ebenso findet sich, wenn man die auf die Endquerschnitte y^, wo
k gleich 0 oder 1 ist, ausgeübten Gesamtkomponenten und Mo-
mente mit
u4„ B„ I\, A„ M„ iV,
und die virtuellen Drehungen um die Parallelen zu den festen Axen
S, H, Z durch die Schwerpunkte der Endquerschnitte mit ^'A^, S'ftff
S^Vj^ bezeichnet,
( fdg 8'a^ = S'8^
196'") J ^ ^ ^
S^S und S'Sj^ sind neue Bezeichnungen.
Die Variationen des elastischen Potentiales für das Volumen q ds
können wir nach (17"') schreiben, da Sa.= — Jqp ist,
, xr (ddw . ddv\ , „ (ddu . döw\ , ^ fdÖv , ddu\]
Nun ist aber nach (189) und (189') für jeden Querschnitt
zwischen q^ und 7^, wie sich durch eine teilweise Integration leicht
zeigen läßt,
J ^ l ' dx y dy ' dy ' *öx ' 9\dx dff }\
und man erhält durch Addition der letzten beiden Formeln
j
§ 24, Ein unendliöh dünner elasHaeh^r Oy linder, 415
äsfs^d, = - äs Ja, [Zj-^ + Z/-^ + Z,^^] . 197)
Hierein sind die Werte (188) von u, v, tr zu setzen und in ihnen die
Variationen auf c, l%m',7i zu beziehen; nach Ausführung der Differen-
tiation nach z darf man in denselben r =s 0 setzen, da jeder Quer-
schnitt zwischen q^ . und q^ beliebig zum Querschnitt ar = 0 gemacht
werden kann.
So erhält man
^-^^-ySn', ^^+xdn', ^ = - xSm' + ydl' + de', 19T)
und durch Einsetzen der Werte in Formel (197) und Ausführung
der Integration unter Bücksicht auf die Gleichungen (189'")
dsfS(pdq « (Z3l' + MSm' + IfSn + CSc')ds, 197")
Bei der Ableitung dieser Formel ist bezüglich der Verrückungen
UjVyW nur allein benutzt, daß die Deformationsgrößen TOn z unab-
hängig sind, bezüglich der Druckkomponenten, daß sie den Formeln
(189) und (189') genügen; dagegen ist von den speziellen Werten,
welche die X^, ... X„ in der Elasticitätstheorie besitzen, kein
Gebrauch gemacht, — die Resultate haben also sehr allgemeine
Bedeutung.
Nach (194) und (194^) ist aber in dem speziellen Falle, daß die
Ansätze (107") resp. (107"') der Elasticitätstheorie gelten
^ aP' r dP ji^ dP 1^ dP
worin 2F ^ a^c'\
2P=aiiZ'*+aj,m'«+a33 7i'*+ 2a^mn + 2a^^nl' + 2a^^l'm
ist, und die a^j^ durch die Elasticitätsmoduln der Substanz und die
Gestalt des Querschnittes bestimmt sind.
Sonach nimmt die Formel (197") in unserem speziellen Falle
die einfache Gestalt an:
dsf8(p dq = (Z SV + MSm' + Ndn' + CSc) ds = {ßP+ SF) ds. 197"')
Dabei ist es nützlich, hervorzuheben, daß nach der Ableitung
auf S. 411 a^ in Bezug auf die Querdimensionen des Stabes vom
zweiten, die Hj^j^ aber vom vierten Grade sind.
unter B^ücksichtigung der vorstehenden Resultate nimmt die
HAHiLTON'sche Gleichung (196) die Form an:
ti «1
fdt[Jds(dT^ 8F^ SP+ d"Ä) + J'5o + <yÄi] = 0. 198)
416 27. Tßil Mechanik niohtatarrer Körper, IV, Kap,
Ist der Stab bei gegebenen Positionen der Endquerschnitte und
ohne die Einwirkung körperlicher Kräfte im Gleichgewicht, so
reduziert sich die Gleichung einfach auf
»I
198') fds{dF + 8P)=^0.
Hierin enthält 8P nur 81% Sm, Sn'] wir woUen für SF = CSc
einen entsprechenden von Sl, Sniy Sn abhängigen Wert bilden.
Dazu beachten wir, daß, wenn A, B, F die gegen einen Quer-
schnitt q wirkenden Gesamtkomponenten parallel den absolut festen
Axen bezeichnen, dann die Gleichungen (189), auf ein zwischen
zwei Querschnitten q^ und q\ liegendes Stück des Stabes angewandt,
ergeben, daß A, B und F längs des ganzen Stabes konstant sein,
also auf beide Endquerschnitte q^ und q^ entgegengesetzt gleiche
Kräfte wirken müssen. Gleiches gut beiläufig yon den Momenten
Aj M, N um die festen Axen.
Nun sei die Z-Axe in die Richtung der auf den Endquerschnitt
ji wirkenden Kraft gelegt, also ^ = 5 = 0, dann ist C = ryy,
falls ^3 den Cosinus des Winkels zwischen der Z-Axe und ds an
der betrachteten SteUe bezeichnet, imd es ist F längs s konstant
Um dann die virtuelle Änderung von c' zu bestimmen, hat man
zu bedenken, daß die virtuelle Verrückung die Stabaze nicht zer-
reißen darf, also eine stetige Funktion von s sein muß, im übrigen
aber beliebig ist Man erhält sogleich das veränderliche Produkt
y^Sc', durch Sl, Sniy Sn ausgedrückt, wenn man die virtuelle Ver-
rückung so vornimmt, daß alle Punkte der Stabaxe um beliebige
Beträge normal zur Z-Axe verschoben werden; dann wird, wie eine
einfache geometrische Betrachtung zeigt
/3 Sc = S/s = Ä *^ - ^3 ^^y
also die Gleichung (198^) zu
198") Jd8{SP+FSrs) = 0,
wo F längs s konstant ist
Diese Formel vergleichen wir mit der im § 14 des ersten
Teiles für die Rotation eines schweren starren Korpers lun einen
festen Punkt ebenfalls aus dem HAMiLTOK'schen Prinzip abgeleiteten
Gleichung (134"'), welche lautet
k
198'") Jdt{SW + GsSy^) = 0;
<0
§ 24, Ein tmendlich dünner etastiseher Cy linder. 417
hierin ist V die lebendige Kraft des starren Körpers, G sein Ge-
wicht, s der Abstand seines Schwerpunktes vom festen Punkte und
yg der Cosinus des Winkels zwischen der Richtung von s und der
Richtung der Schwerkraft.
Führt man ein im Körper festes Koordinatensystem J, ¥, Z ein,
dessen Anfang in dem festen Punkt und dessen Z^Axe in s liegt, so
ist W nach S. 107 eine quadratische Form der Botationsgeschwin-
digkeiten /', m', n' um die Axen Z, Yj Z, und zwar gilt
worin £, H, Z die Trägheitsmomente, E', H', Z* die Deviations-
momente um die Axen X, Yj Z bezeichnen.
Hält man hiermit zusammen, daß nach (194')
2P = «11 r 2 + aj2 m'^ + «33 n 2 + 20^3 mn + 203^ »7' + 2a^^ l'm
ist, so erkennt man, daß die formale Übereinstimmung der Glei-
chungen (198") und (198"') eine vollständige ist.
Es entspricht daher jedem Stab von gegebener Substanz und
gegebenem Querschnitt ein starrer Körper von bestimmten Trägheits-
und Deviationsmomenten; es entspricht der längs 9 wechselnden
Lage der im Querschnitt des Stabes festen Axen Z, JJ Z gegen das
absolut feste System S, H^ 2 die mit der Zeit veränderliche Lage
der im starren Körper festen Richtungen -I, Z, Z\ es entsprechen
den für das Ende ä = 0 geltenden Richtungen der im Stabquer-
schnitt festen Z, 7,^- Axen, sowie den dort stattfindenden spezifi-
schen Biegungen und Drillungen dl/ dz, dmjdz, dnjdz eine
Anfangsposition des starren Körpers und Anfangsrotationsgeschwindig-
keiten dl/dt, dmjdt, dnjdt
Ein Unterschied liegt aber darin, daß bei dem Rotationsproblem
die letzteren Größen direkt gegeben sind, bei dem elastischen hin-
gegen die auf den letzten Querschnitt wirkenden Momente Z^, M^, i\^,
aus denen sich zunächst die A, M, N um die absolut festen Axen be-
stimmen, und da diese längs des Stabes konstant sind, auch die auf
die vorgeschriebenen Axenrichtungen X, J", Z bezogenen Z^, M^, Nq,
die im ersten Querschnitt y^ wirken. Aus ihnen folgen aber die
/^, m^, n; für jenes Ende gemäß den Formehi (190') und (192').
Hiernach kann man behaupten, daß das elastische Problem auf das
rein mechanische zurückgeführt ist, und daß jeder spezielle Fall, für
welchen das Rotationsproblem eines schweren starren Körpers um
einen festen Punkt gelöst ist, zugleich die Lösung eines elastischen
Problemes liefert, das mit ihm, wie oben gezeigt, zusammenhängt.®*) —
Voigt, Theoretische Physik. 27
418 IL Teil, Mechanik niehUtarrer Körper, IV. Kap.
Die allgememe Gleichung (198) giebt, wie für die endlichen
Deformationen unendlich dünner ursprünglich gerader Stabe,
auch die Mittel für die Behandlung derjeniger ursprünglich ge-
krümmter, wenn man nur die Überlegung zu Hilfe nimmt, daß
die Momente L^ M, N, welche nötig sind, um aus der ursprünglich
gekrümmten Gestalt (a) den Stab in die neue {b) zu bringen , für
jedes Element durch die Differenzen derjenigen gegeben sein müssen,
welche das Element aus der geradlinigen Form einmal in die
Form (Ä), das andere Mal in die Form (a) überfuhren.
Der Fall eines nicht isotropen Körpers, der wegen der von
Element zu Element wechselnden Orientierung der Äxen XfT^Z
gegen die Hauptaxen der Substanz große Schwierigkeiten bieten
würde, darf hierbei ausgeschlossen werden. Für isotrope besteht
die Erweiterung darin, daß an Stelle der Funktion 2P auf der
Torigen Seite die neue tritt
worin /«, m^j ria die dem ursprünglichen Zustande des Stabes ent-
sprechenden Werte von /', m', n bezeichnen.
Die Gleichgewichtsbedingungen werden dann in derselben Weise
durch Benutzung der HAMiLTON'schen Gleichung erhalten, wie in dem
Fall des ursprünglich geraden Stabes.®'*)
§ 25. unendlich kleine Verrückangen ursprünglich gerader Stabe; Saiten.
Wir wollen nun annehmen, was der praktisch wichtigste Fall
ist, daß die Verrückungen aller Punkte des ursprünglich geraden
Cylinders aus ihren Ruhelagen nur unendlich klein sind; hier
sind dann auch die Axen X, J, Z an jeder Stelle nur um unendlich
kleine Winkel gegen die Axen ä, H, Z geneigt.
Für einen beliebigen Punkt der ursprünglich in die Z^Axe fallen-
den Stabaxe darf man jetzt in erster Näherung setzen:
199) i'^u, rj = v, C^ z + u>,
wo nun w, v, w Funktionen von z und t allein sind. Gleichfalls in
erster Näherung ist dann nach (188)
worin n den Drehungswinkel des Querschnittes um die Z- oder
Z-Axe bezeichnet. Da femer /'= dl\dz^ m'= dm jdz gesetzt war,
so ist auch
199") l^-ll, .= +||,
§ 26, Unendlich kleine Verrüehmgen ektsHacher Stäbe.
419
199'")
wobei die Integrationskonstanten als weiterhin irrelevant unter-
drückt sind.
Unter Berücksichtigung dieser Werte wird nun das System der
Formeln (196'), (197'"), (196") und (196"')
"-i'^ Kr:)'+ *(l7)'+ *('.")'+ w + «.v(li)'].
Wir setzen diese Werte in die HAMiLTON'sche Gleichung (198) ein
und zerlegen sie, indem wir je nur u, nur r, nur ir, nur n variieren.
Wir erhalten auf diese Weise:
fdt{Jds [^qgSl^^J- CS^^ + qZ'Su>'\+r,Su>^ + r,8w,\ = 0,
Hierin, wie im folgenden, sind die Integrale nach t zwischen zwei
beliebigen Grenzen t^ und ^, diejenigen nach z über die ganze Länge
des Stabes, d. h. von z = 0 bis 2: = z^ |zu nehmen; in der letzten
Gleichung ist xj + x^ in x^ abgekürzt
Entwickelt man diese Formeln in bekannter Weise, so ergiebt
200)
sich für alle Punkte der Z-Axe
d^v
d*w , ö(7 , „, id*n .
9
dN
ö«'
200')
fiir die Grundfläche z = 0
dM
dx
-^0=0,
ÖL
dx
+ ^0 = 0;
200")
27'
420 IL Teü, Mechanik niehtstarrer Körper. IV, Kap,
für die Grundfläche r = z^
Im Falle des Gleichgewichtes muß zugleich nach allgemeinen
mechanischen Grundsätzen gelten, da sich dabei die äußeren Wir-
kungen zerstören sollen,
lA^-^A^ + qfSdz^B^ + B^+qflTdz^r^+r^ + qfTdz
200"") = ^^ + iVj = 0.
yM^ + M^ + z^A^ + qfzS'dz^A^ + A^-^z^B^-qfzH'dz^^,
Hierzu kommen unter den S. 344 angegebenen Umständen noch
die Bedingungen der Befestigung, auf die wir unten näher eingehen
werden.
Alle diese Formeln sind, wie Gleichung (197"'), von den spe-
ziellen Gesetzen, welche die Komponenten und Momente mit den
Deformationsgrößen verbinden, unabhängig, besitzen also eine sehr
allgemeine Anwendbarkeit.
Auf die uns hier speziell beschäftigenden elastischen Erschei-
nungen wendet man sie an, indem man für Cy Lj M, N die Werte
(194) unter Berücksichtigung von (194') und (199') einführt.
Wir wollen zunächst die Frage erledigen, welche Grenzbedin-
gungen nötig sind, um mit den Hauptgleichungen (200') zusammen
die Deformationen vollständig zu bestimmen.
Zur Behandlung des Gleichgewichtszustandes fassen wir die
Formeln (200'), nachdem die Beschleunigungen darin gleich Null
gesetzt sind, mit den Faktoren «, i?, «?, n zusammen und integrieren
das Resultat über z von z = 0 bis z ^ z^\ wir erhalten dann unter
Benutzung der Grenzbedingungen (200") und (200"')
+ ?/(£" M + ff' t; + Z' w) dz.
Führt man noch die Beziehungen (200"") und die durch (194) und
(194') definierten Funktionen P und P' ein, so erhält man
201)
§ 25. UnendHeh kleine Verrüekungen elastischer Stäbe. 421
0 = [«1 - «0 - ^1 (öl) J A + [»1 - »0 - •^i (^^) J ^1 + K - «'o) ^1
[(r:).-(äl«.-[(r.l-(älA+!».-».)'^.
+
201')
-2/(P+Pyz+,/{F[«-«o- . g|)J +if
+ Z^w — WQudz,
Hierin können wir den von den anderen Gliedern unabhängigen,
nämlich allein w enthaltenden Teil
0 = («?i - w,)r^ - 2frdz + qfZ'(w - w^)dz
zuerst für sich betrachten.
Da 2P^ = aQ{dw I dz)^ ist, so kann man aus dem Verschwinden
dieses Ausdruckes in der auf S. 181 und 342 angewandten Weise
folgern, daß bei gegebenem Z' und (w?j — w^) oder /\ die longitu-
dinale Verrückung bis auf eine additive Konstante bestimmt ist.
Die übrigen Glieder ergeben, daß, wenn P eine definite qua-
dratische Form ist, bei vorgeschriebenem H' und FT und zugleich
gegebenem
?^i-«^-^i(-|^)^ oder ^1, Vi-v^-^Tj^llj^oder B^, n^-n^oder N^,
n stets bis auf eine additive Konstante, u und v bald bis auf eine
Konstante, bald bis auf eine lineare Funktion von z bestimmt ist.
Hierbei hat w^ — Wq die Bedeutung der Gesamtdehnung, n^ — n^
die der Gesamtdrillung des Stabes ; {dujdz\ — (dujdz\ und
{dv / dz\'- (dv I d z)q geben die gegenseitige Neigung des letzten
und ersten Elementes der Stabaxe, also etwa die Gesamtkrümmung;
u^ — Uq— z^[dujd z\ und v^ — v^ — 2:^ (ö t? / ö z\ die Ausweichung des
Endes z = z^ aus der Tangente an dem Ende z = 0 der Stabaxe,
also etwa die Gesamtbiegung.
Diese Größen stehen auf der einen, die auf das Ende z = z^
ausgeübten Kräfte und Momente auf der anderen Seite und beide
können sich paarweise bei der Bestimmung des Problemes vertreten.
Nimmt man als Befestigungsbedingungen hinzu, daß an einem
Ende z. B. für 2r = 0, m, v, w, n und dujdz und dv/dz vorgeschrieben
sind, so sind sämtliche Verrückungen vollständig bestimmt.
Genau dieselbe Überlegung kann man für den Bewegungs-
zustand anstellen; man hat dabei nur statt der oben benutzten
422 //. Teil. Mechanik mchtstarrer Körper, IV. Kap.
Faktoren u, v, w, n jetzt du /dt, dv / dt, dwj dt, dn/ dt in An-
Wendung zu bringen und außer über die Länge des Stabes auch in
Bezug auf die Zeit zu integrieren, und zwar das letztere von dem
Zeitpunkt ^ = 0, fllr welchen die antänglichen Verrückungen und
Geschwindigkeiten gegeben sind, bis zu einem willkürlichen t = t^.
Das Resultat ist die Formel:
+[(r.l«.-(i:Ul+[ßi).^.-(KlA])
201")
- J|P'+ P dz + qfdtf{S'u+irv+Z'w')dz,
0 0
in welcher die Geschwindigkeiten kurz durch obere Indices be-
zeichnet sind.
Diese Formel läßt sich nicht weiter reduzieren, da für den Be-
wegungszustand die Beziehungen (200'"') nicht gelten, und man er-
sieht daraus, daß fär jedes Ende u oder ^, w' oder ß, u/ oder F.
n' oder N, dujdz oder M, dvjdz oder A Torgeschrieben sein
muß, um M, r, w, n allgemein zu bestimmen. Unbestimmte additive
Konstanten oder lineare Funktionen von z kommen dabei nicht vor,
da für die Zeit ^ = 0 alle Größen m, v, m?, n als gegebene ange-
nommen sind. —
Wir wenden uns nunmehr spezielleren Problemen zu und be-
trachten zunächst einen Stab von solcher Substanz, daß für ihn die
Moduln «34 und s^^ und damit die Nebenänderungen verschwin-
den; hier erhält man aus (195) u. f.
202) (7=-l|^,i; = -^f-:, ^=+'-^S, ^^=-^^4:
und somit das System der Hauptgleichungen (200') in der Form
202) p_ + _.^_ = M, ^_+__^if,
In ihnen, wie in den Grenzbedingungen, erscheinen hier die Variabehi
Uj V, w, n völlig gesondert.®*)
§ 25. Oleiehgewicht eines elastischen Stabes. 423
Aus diesen Formeln folgen die für isotrope Körper gültigen,
wenn man noch setzt
die letzte Spezialisierung liefert also keine formale Vereinfachung
der Gleichungen und eine wesentliche Vereinfachung nur dadurch,
daß bei isotropen Körpern die Bestimmung der Parameter x^ und x^
geringere Schwierigkeiten bietet, als bei krystallinischen.
In dem allgemeinsten Falle beliebiger Orientierung des Cylin-
ders und nicht verschwindender Nebenänderungen ist die Bestim-
mung der Xj und x^ bisher nur für einen elliptischen Querschnitt
möglich gewesen. —
Wenden wir uns zunächst zu der speziellen Gestalt, welche die
Formeln (202') im Falle des Gleichgewichtes annehmen, so können
wir dabei auch von der Wirkung körperlicher Kräfte 5^, ET, Z\
deren Behandlung kein theoretisches Interesse bietet, absehen und
uns allein auf die Einwirkung von Kräften und Momenten auf die
Endquerschnitte beschränken. Man erkennt, daß hierbei u und
V Funktionen dritten, w und n Funktionen ersten Grades von z
werden, deren Konstanten sich aus den Bedingungen für den End-
querschnitt bestimmen. Biegung und Längsdehnung werden allein
von dem Modul ^33 resp. *, Drillung von den Moduln s^^ und s^^
resp. 8^ abhängig, und die Beobachtung der betreffenden Defor-
mationen liefert die klassischen Methoden zu deren Bestimmung,
Hierbei wird in der Regel das eine Ende [z = 0) des Stabes
befestigt, das andere (z = z^ einer Kraft oder einem Moment aus-
gesetzt.
Man hat so für z = 0 bei Dehnung und Drillung zu setzen
w = 0, 71 = 0; , 202")
bei Biegung, wenn das Ende eingeklemmt, also vollkommen be-
festigt ist, und dadurch Verschiebung und Drehung verhindert wird,
tt = i; = 0, |!* = J^ = 0, 202")
dagegen, wenn das Ende auf einer Unterlage liegt, die eine Ver-
schiebung unmöglich macht und ein Moment nicht ausübt, also wenn
es unvollkommen befestigt ist,
w = v = 0, ^ = ^-", = 0. 202"")
Ein an beiden Enden unterstützter, in einem mittleren Punkte
belasteter Stab wird in seinen beiden Teilen gesondert behandelt;
424 IL TeiL Mechanik niehtstarrer Körper, IV. Kap,
an den äußeren Enden gelten die Bedingungen (202'"'), an den
inneren ist die ausgeübte transversale Kraft vorgeschrieben und muß
außerdem «, r, du I dz, dv / dz für beide Teile übereinstinmien. —
Alle Moduln Sj^j^ sind nach den Formeln (112") von der
Orientierung des Axensystems X, Y, Z gegen die Krystallaxen ab-
hängig und dabei lineare Punktionen der 21 Hauptmoduln f^,
die man erhält, wenn man das Hauptaxensystem zu Grunde
legt Ihre allgemeinen Werte lauten, falls man für die Kichtungs-
Cosinus der Axen X, ¥, Z gegen die Hauptaxen J^, T^, Z^ dasselbe
Schema benutzt, das S. 413 für diejenigen gegen die willkürlichen
Axen S, H, Z aufgestellt ist:
203) ] + 2 a,» [(*', + »!,) /?, Y, + s^ y» «s + *?« «3 ß»1
+ 2/?s* ['« ßs n + («^ + *^ n «8 + »^ «3 Ä]
+ 2^3* K Ä n + *^ yj «8 + (*ä. + '«) «3 ft].
*44 = 4 Wi «,» «,« + .», /9, V3' + *^ ^3* y»*)
+ *« (/?3 r» + ^3 ft)' + «M (^3 «a + «8 y«)* + C («8 ß% + Ä «3)'-
+ 8 (4 /?2 ^2 /'s ^3 + *31 ra «3 7% «8 + *1°2 «8 A «8 A)
+ 4 0?, ^3 + y, /?,) W, «, a, + *», /?, /9, + «^ y, y,)
203') I + 4 (y, «3 + «3 y*) («i"6 «8 «8 + «Js Ä Ä + *M n r^
+ 4 («3 /?, + /?j a,) («i'e a, a, + »^ /9, ß^ + «^ y, y,)
+ 2 K 0'8 «^8 + «8 y») («8 Ä + ß% «s)
+ *M («8 Ä + A «2) (/?8 ^8 + ^3 Ä)
+ *« O^a ri + r% ß%) (^8 «2 + «8 J'a)] ;
*jj geht aus »^^ durch Yertauschung von a,, /9j, y, mitccj, /?, , y,
hervor.**)
Man erkennt leicht, daß wegen der Beziehungen, die zwischen
den neun Bichtungscosinus stattfinden, die 21 Hauptmoduln in den
vorstehenden Ausdrücken nur in je 15 unabhängigen Kombinationen
auftreten, so daß also die Beobachtung von Biegung resp. Dehnung
allein oder von Drillung allein auch bei vielseitigster Veränderung
der Orientierung immer nur 15 Aggregate der «» abzuleiten gestattet
um sie alle zu erhalten, ist also stets die Kombination der Unter-
suchung von Biegung und von DriUung nötig; auch ist es im allge-
meinen unumgänglich, Stäbe in Orientierungen zu benutzen, für
§ 25, Oleickgewidht eines elastischen Stabes. 425
welche die Nebenänderungen nicht verschwinden, und die daher
theoretisch und praktisch erhöhte Schwierigkeiten bieten.
Aus den gefundenen Hauptmoduln s^k folgen die Hauptkonstan-
ten gemäß den aus (107") und (107"') sich ergebenden Beziehungen
Ihre numerische Bestimmung hat ein hohes Interesse wegen
der eigentümlichen Beziehungen, welche eine gewisse molekulare
Theorie der elastischen Kräfte zwischen ihnen aufstellt.
Geht man nämlich von der Auffassung aus, daß die zwischen
den kleinsten Teilchen eines elastischen Körpers wirkenden Kräfte
nur Funktionen von deren gegenseitigen Entfernungen sind, so ge-
langt man nach S. 128 zu den Gleichungen (150'")
die sich nicht ergeben, wenn man die Kräfte auch noch von der
Richtung der Verbindungslinie abhängig, sagen wir kurz polar
wirkend, annimmt.
Die Beobachtung hat entschieden, daß bei Krystallen diese Be-
ziehungen mitunter angenähert, mitunter aber auch gar nicht erfüllt
sind, und man gelangt dadurch zu der Auffassung, daß polar wir-
kende Moleküle die Regel, solche mit verschwindender Polarität
die Ausnahme darstellen. Ein eigentümlicher Zusammenhang
zwischen elastischen und elektrischen Wirkungen wird dadurch an-
gedeutet, daß, soweit die Beobachtungen reichen, anscheinend die
Krystalle, deren Konstanten die Gleichungen (204) nicht erfüllen,
piezoelektrisch erregbar sind, die übrigen nicht. —
Eine gewisse Schwierigkeit bieten die isotropen Körper, für
welche die aus den Formeln (204) folgende Beziehung
^1 = i <^2 oder c = 3 c^ 204')
Geltung behält, gleichviel ob man die Moleküle als polar wirkend
annimmt oder nicht, wenn man nur die physikalische Gleichwertig-
keit aller Richtungen dadurch bewirkt denkt, daß jede Orientierung
des einzelnen Moleküles gleich häufig ist Denn offenbar wird die
polare Wirkung der Moleküle dann nicht zur Geltung kommen,
sondern nur ein mittlerer Wert der Kraft, der mit der Richtung
nicht variiert
Nun zeigt die Beobachtung, daß bei isotropen Körpern die Be-
ziehung (204') nur selten angenähert, meistens sehr wenig erfüllt
426 //. Teil Mechanik nichtstarrer Korper, IV. Kap,
ist, und fordert sonach eine von der zunächst liegenden und eben
skizzierten abweichende Auffassung der Konstitution isotroper Körper.
Eine solche wird unmittelbar nahe gelegt durch die Wahr-
nehmung, daß eine große Zahl sogenannter isotroper Körper, insbe-
sondere alle Metalle, nur Anhäufungen von verschieden orientierten
Krystallbrocken darstellen, deren einzelne Teile gegenüber der Mole-
kularwirkungssphäre sehr groß sind, und man kann die Annahme
plausibel machen, daß diese nur quasiisotrope Struktur bei schein-
bar isotropen Körpern die Regel bildet
Das elastische Potential für solche Körper kann demgemäß aus
dem für den KrystaU geltenden erhalten werden, indem man Ton
dem letzteren den Mittelwert für alle möglichen Lagen des Krystalles
gegen die Koordinatenaxen bildet Der so gefundene Ausdruck be-
sitzt die Konstanten
1") I
worin
^11 + ^22 + ^33== 3^1 > ^23 + ^31 + ^12 = ^^2> ^44 + ^66 + ^66 = ^^3
gesestzt ist, imd erfüUt demnach die Beziehung (204') nicht, wenn
die Konstanten c^ des EjrystaUes die ersten drei Formeln (204) nicht
befriedigen.®^ —
Das Problem der Bewegung cylindrischer Stäbe, bei welchem
wiederum von der Einwirkung körperlicher Kräfte abgesehen und
nur anfängliche Verrückungen und Geschwindigkeiten, sowie zeitlich
wechselnde Einwirkungen auf die Endquerschnitte in Betracht ge-
zogen werden mögen, hat praktisches Interesse allein im Fall end-
licher Länge und isotroper Substanz.
Die Formeln für Dehnung und Drillung nehmen die Ge-
stalt an
worin bedeutet
von den Bedingungen für die Enden kommen besonders die in Be-
tracht, daß die Verrückung, d. h. W vorgeschrieben, an festen
Endpunkten speziell gleich NuU ist, oder daß die äußere Kraft, d. h.
dfFjdz vorgeschrieben, an freien Endpunkten speziell gleich
Null ist.
Dies alles stimmt vollständig mit dem System der Bedingungen
§ 25, Bewegung eines elastischen Stabes, 427
tiberein, welches für Schwingungen einer elastischen Flüssigkeit in
ebenen Wellen gilt und S. 356 behandelt ist Für begrenzte Stäbe
geschieht im Falle einfacher Töne die Integration durch trigono-
metrische Funktionen von z, womit zusammenhängt, daß bei stehenden
Schwingungen die Stäbe im allgemeinen in eine Anzahl gleichartig
bewegter Teile zerfallen, deren Grenzen Schwingungsknoten bilden.
Die Gleichungen (202') für die Biegungen haben die Form
T-? + '"*?:? = 0 2«5")
worin
«» = -^ resp. • = — 205'")
ist, sind also Yon den früher behandelten verschieden.
Die Grenzbedingungen bieten eine wesentlich größere Mannig-
faltigkeit als bei dem Problem der Dehnung und Drillung.
Gegebenes U bezeichnet vorgeschriebene Verrückung, gegebenes
dUjdz vorgeschriebene Drehung des Stabendes um eine Queraxe;
gegebenes d^üjdz^ entspricht vorgeschriebenem Drehungsmoment
um eine Queraxe, gegebenes ö'?//ö 2^ gegebener transversaler KrafL
Welche Kombinationen dieser Angaben die Bewegung vollstän-
dig bestimmen, ist aus den Betrachtungen auf S. 422 zu erschließen.
Man erkennt aus ihnen, daß, neben zur Zeit ^ = 0 vorgeschrie-
benem U und d Uj dt, für jedes Ende
zugleich U und d Uj d z
oder «7 und d^U/dz^
oder d^Ujdz^ und dUjdz
oder d^U/dz^ und d^U/dz^
gegeben sein müssen, damit die Bewegung bestimmt sei. Von diesen
Möglichkeiten besitzen die drei besondere Wichtigkeit, daß entweder
U und dUjdzj oder C/^ und d^U/dz^, oder endlich d^U/dz^ und
d^Ujdz^ verschwinden; sie entsprechen den Fällen, daß das be-
treffende Stabende vollkommen befestigt, unvollkommen befestigt und
vollkommen frei ist
Die Integration der Gleichung (205") geschieht bei endlichen
Stäben im Falle einfacher Töne durch Exponentialgrößen und trigo-
nometrische Funktionen von zr, womit zusammenhängt, daß bei stehen-
den Schwingungen die Stäbe nicht in gleichwertige Teile zerfallen. —
Ein rein theoretisches Interesse weckt der FaU der Fortpflan-
zung einer Bewegung längs eines unendlichen Stabes, sei sie nun
428 //. Teil. Mechanik nirktstarrer Körper. IV. Kap.
durch dauernde Einwirkung auf einen Punkt, etwa einen Endpimkt,
oder durch eine AnfangSYerrückung und -geschwindigkeit erregt
Für Dehnung und Drillung gelten hier die auf S. 353 und 355
abgeleiteten Formeln mit entsprechender Bedeutung von v; eine be-
sondere Untersuchung erfordert dagegen der Fall der Biegung.
Zur Integration gehen wir aus von dem Ansatz®^
OD
206) ^=Ir{p^±iM&)^-
0
und bilden, indem wir mit t/;'(?) den Differentialquotienten nach dem
ganzen Argument f bezeichnen,
00
d
0
F-//(.<±^>-(ä).$,
was sich durch die Substitution
a *
überführen läßt in
0
Hieraus folgt auch
00
d
d
0
S-±/r(..±$)y(f)^^,
oder bei Berücksichtigung von zjß= a
00
206") S=±//"(/"±T)v''(ä)''«-
0
Man erhält ebenso
CD
^.^^r{p>±^)r{^)äß,
0
cx>
2»') S-+/r(.'±T>"(S)^'«.
0
während auch gilt
207-) '-^T-Pif"[pt±^)^[^)da.
§ 25, Bewegung eines eHasHschen Stabes.
429
Sonach ist obiger Ansatz ein Integral unserer Gleichung ^ falls
nur p == m und
nt) + ^(S) = 0, 207")
also
\f) ^ a cos ^ + Ä sin f ist
Ein zweites Integral wird nahe gelegt durch den Wert (206')
von dF/dz, der offenbar dieselbe Behandlung gestattet, wie F selbst,
und für den wir schreiben wollen
00
'-fr(p'±^M^]'"'-
207'")
wo ip*{C) == ö' cos ^ + V sin ^ ist
Mit Hilfe dieser Lösungen kann man nun leicht die Fort-
pflanzung der auf ein Ende des nach der anderen Seite unendlichen
Stabes ausgeübten Erregungen bestimmen; dabei kommen wieder
die vier auf S. 427 angegebenen Kombinationen von Grenzbedingungen
in Betracht®^
Ist für r = 0 Ü^F{t), dUjdz = F^[t), so wird
''" = ^/l^(' - 2-«^) ^'^ T + ^' (' - Ä) '"^ 2^] '-• 208)
0
Ist für z = 0 V=F{t), d^Ujdz^ = F[{t), so wird
^■-^/>'('-i^»)H^+-°T)
Ist far z = 0 d'Ujdz^ = F{t), dU/dz = F^{t), so wird
2080
— F,\t— ^A (cos ~ — sin ^]
^\ 20)/ V 2«e» 2«'/
dcc.
208")
Ist für z = 0 d^Ujdz^ = i?'(0, d'Ujdz* = /';(*), so wird
""= i^/[^('- Ä) ''^^Ä + ^»('- 2-ä;) «««-?] ''«• 208'")
0
Haben die Punktionen F und Fy^ die Eigenschaft, für ein negativ
unendliches Argument zu verschwinden, so gilt gleiches von den
430 U. Teil, Mechanik mehtgiarrer E&rper. /F. Kap,
Werten U. Diese Resultate lassen sich leicht yerifizieren, wenn
man die Gleichungen (206) u. fl zu Hilfe nimmt.
Komplizierter ist die Fortpflanzung einer anfanglichen Ver-
rückung und Geschwindigkeit *auf einem beiderseitig ins unendliche
reichenden Stab auszudrücken.®*)
Setzt man
für < = 0 ü= V^, dU/dt= U^ und Jdz fU^{^)d^^W^,
— OD — OC
SO erhält man
209)
— <
+ W^{z+ lafiäi) (sina» _ cosof2)Jrfa,
wofür man auch schreiben kann
+ 0D
JJ^^—. rr?7^(2r + 2ay^)(sina* + cosa«)
1/271*/ *-
— OD
2090
Ist nur eine Anfangs verrückung, und zwar diese nur an einer
Stelle z =i z^ von Null verschieden gegeben, so wird hieraus
209") U = — ^ (sin ^^^^ + cos ^^^\ ,
2l/2^a)A 4w^ 4«^ y
worin
Co-«
ist, und e eine kleine Größe bedeutet
Diese Lösung zeigt, daß an jeder Stelle die Wirkung der an-
fänglichen Verrtickung eine Schwingung mit abnehmender Amplitude
und zunehmender Periode bewirkt. —
Schließlich wollen wir noch die dem GnEKN'schen Satz für den
Stab entsprechenden Formeln aufstellen und wie auf S. 376 u. £ daraus
Folgerungen ziehen, die sich auf die Erregung von Schwingungen
durch Resonanz beziehen.
Wir gehen aus von der allgemeinen für die Dehnungs- und
Drillungsschwingungen eines Stabes gültigen Formel, die wir schreiben
210^ f.^_^,s3'^_ ^^Q
§ 25, Resonanx in elastischen Stäben»
431
worin A eine gegebene Funktion von z und t bezeichnet und v eine
je nach dem Problem yerschiedene durch (205') gegebene Konstante ist
Sei nun F eine Lösung der Gleichung
dt^
dx'
2100
faßt man dann beide Gleichungen mit den Faktoren F und — W
zusammen, integriert das Resultat in Bezug auf z von 0 bis z^, in
Bezug auf t von 0 bis ^, wo z^ die Länge des Stabes und ^ eine
beliebige Zeit bezeichnet, so erhält man leicht
ß^ew^^.ev
dt
dt
dz
ö
«1
dx dx
ii «j
dt + Jf{AF''Bir)dtdz.
00
21O'0
Wir wollen nun F speziell so wählen, daß es den stehenden
Schwingungen eines einfachen Tones ohne Einwirkung äußerer
Kräfte entspricht, also setzen
r=^sina(^ + g, 211)
worin Z der Gleichung
211')
c.«Z+.«fJ = 0
genügt Isif zugleich ^ ein Vielfaches einer Periode T = 2;r/a, und
verschwindet ^und dJFjdt für ^=0, dann nimmt die vorstehende
Gleichung die Form an:
J [("öt) ^^^ ^^0 "■ ^ ^^ ^^^ ^^0
0
Zdz
<i«i
^y^j\z'-^^w^-^
dx
dx
sma{t+tQ)dt+jjAZsma{t+tQ)dtdz.
0 0
211")
Dies Resultat vereinfacht sich noch dadurch, daß je nach den
Umständen, unter denen die stehende Schwingung F stattfindet, für
2r = 0 und z = z^ entweder ^selbst oder dZjdz verschwinden muß.
Nimmt man für beide Enden Z = 0 an, so wird
-Z'=sin— z, az.^hvn. cos^^=±l>
und die vorstehende Formel nimmt die Gestalt an
432 IL Teil. Mechanik nichtstarrer Kbrper, IV, Kap.
j [(^)t^ ^^ ^^0 - a ^^ COS at^
211'")
sm — zdz
V
= avJiJF^ ^ r,,) sin a{t+ t^) dt
0
+ M ^ sin — * sin a{t + ^q) dt dz.
0 0
Sie sagt aus, daß, wenn die Enden r = 0 resp. z = Zj gegebene
Verrückungen Wq resp. F,^, beliebige Punkte zwischen ihnen mit Ä
proportionale Kräfte erfahren, welche Anteile mit der Periode t
Yon F enthalten, dann mit wachsender Zeit das Integral links und
damit die durch JF gegebene Schwingung über alle Grenzen wächst
Dies Resultat gilt für jedes a und jede Periode r, welche mit den
Bedingungen des Problemes vereinbar ist; ausgenommen ist nur der
Fall, daß die äußere Einwirkung A sich ausschließlich auf eine
Stelle erstreckt, wo bei der stehenden Schwingung von der gleichen
Periode ein Knoten liegt, also sin(az/t;) verschwindet.
Ganz analoge Formeln wie (211'") lassen sich für die FäUe aul-
stellen, daß die Enden nicht befestigt, sondern frei sind, d. h., daß
daselbst nicht F sondern d Fj d z verschwindet, oder daß an einem
Ende F^ am anderen d Fj dz gleich Null ist
Aus ihnen allen folgt in der auf S. 377 ausführlicher be-
sprochenen Weise, daß bei auf mittleren oder Endpunkten ausge-
übten Erregungen die Eigentöne der Stäbe stärker als alle anderen
ansprechen; und zwar werden die betrefiFenden Eigentöne bei Er-
regung mittlerer Punkte durch die gegebenen Bedingungen fftrAe
Endpunkte direkt bestimmt, bei der Ausübung von Verschiebungen
auf einen Endpunkt treten diejenigen auf, welche festgehaltenem
Ende, bei Ausübung von Kräften diejenigen, welche freiem Ende
entsprechen. —
Genau dieselbe Behandlung gestatten die Formeln für die Bie-
gungsschwingungen von Stäben, die wir in der Form schreiben
worin A eine gegebene Funktion von z und t bezeichnet und w durch
die Gleichung (205'") gegeben ist.
Wir ziehen eine zweite Funktion T heran, welche der Gleichung
212') •; l, + ««-, \ -B = Q
§ 25, Resonanx in elastischen Stäben,
433
genügt, multiplizieren die Formel (212) mit F, die Formel (212') mit
Uj subtrahieren und integrieren* in Bezug auf z über die ganze Stab-
länge Zj, in Bezug auf t über eine beliebige Zeit t^, und erhalten
nach ausgeführter teilweiser Integration
0
«1 »1
/' ^^t-^It dz-Jj{Är-BV)dtdz
00
+ ^ JrT^^^Ö^-
dx dx^ dx dx^
dt=0.
212")
ö
Setzt man liier für F den Wert
r=^sina(^+g 213)
ein, der den stehenden Schwingungen eines einfachen Tones ohne
äußere Kraft entspricht, wenn
«2^+fü2J^f =0 213')
ist, so erhält man wie oben, wenn C^ und dU/dt für ^ = 0 ver-
schwinden, und t^ ein Vielfaches einer Periode von F ist:
«1 ti z,
J M-g--) sin utQ — aUt^coscctQ
Zdz— \\ AZ%ma[t+Qdtdz
0 0
0
dx* öx
dx^
sma{t+Qdt=^0,
213")
0
Diese Formel gestattet dieselbe Behandlung wie (211"); durch Ein-
fiihrung der Grenzbedingungen für F nach einem der auf S. 427
gegebenen Schemas verschwinden vier von den acht Gliedern des dritten
Integrales und es bleiben sonach im ganzen fünf Glieder unter den
Integralen nach t stehen, die fünf verschiedene Erregungsarten des
Stabes repräsentieren. Enthalten die ausgeübten Wirkungen Anteile
mit einer der flir F durch die Grenzbedingungen zugelassenen Periode,
so wird das erste Integral und damit die Intensität der erregten
Schwingung von dieser Periode mit wachsender Zeit über alle Gren-
zen wachsen.
Eine nähere Erörterung dieser Verhältnisse ist nach dem früher
Gegebenen nicht nötig. —
Die am Anfang dieses Paragraphen vorgenommene Entwickelung
der HAMiLTON'schen Gleichung hört auf, streng zu sein, wenn die
Querdimensionen des Stabes so klein und zugleich die auf ihn aus-
VoiOT, Theoretiache Physik. 28
434 //. Teii. Mechanik nichtstarrer Körper. IV. Kap.
geübte Längsspannung /' so groß ist, daß in dem Wert (199") für
<yP+ SF das Glied CSc die übrigen weitaus übertrifft»®)
In diesem Falle darf* man sich bezüglich des Wertes der line-
aren Dilatation c' nicht auf die erste Annäherung (199') beschränken.
Man erhält eine zweite, wenn man berücksichtigt, daß die relativen
Koordinaten der Endpunkte eines Axenelementes ds nach der De-
formation resp. gleich
sind; daraus folgt
V— ds. -ä- ds. - ' ds
was man nach (199) leicht in
überführen kann, da man ds mit dz identifizieren darf.
Benutzt man diesen Wert in der HAMiLTON'schen Gleichung
(198) und nimmt den Stab so dünn an, daß die in SP enthaltenen,
von M und v abhängigen Glieder ganz vernachlässigt werden können,
und variiert man nur wegen u und v, während diese Größen an den
beiden Enden z = 0 und z = zr^ gegebene Werte haben, z. B. gleicb
Null sind, so erhält man statt der ersten beiden Formeln (200)
214')
p,/..(i,,*(?')'-iM(|l)* + ,H-).0,
während die beiden letzten sich wie früher finden lassen.
Daraus folgt aber in bekannter Weise
214")
ö««> dC , „, , ö'n dK
Fehlen longitudinale Bewegungen und ebensolche körperlicht'
Kräfte, so ist nach der dritten Formel innerhalb der benutzten An-
näherung C konstant, nämlich gleich der auf die Enden wirkenden
Spannung F, und es wird aus den zwei ersten Gleichungen (21 4'"!:
§ 25, Theorie dtr Saiden, 435
214'")
Zur vollständigen Bestimmung des Problems treten hinzu für die
Enden z = 0 und z=^z^ vorgeschriebene Werte von u und v, sowie für
irgend eine Zeit, etwa ^=0, vorgeschriebene m, r und du /dt, dv/dt; für
die Enden der Saite gegebene du /dz und dv/dz, die ähnliches leisten
würden, wie dort gegebene u und v, kommen in der Praxis nicht vor.
Dagegen sind Fälle denkbar, wo die Grenzbedingungen die
Aggregate F^u ±du/dz und F^v ±dv / dz bestimmen, etwa gleich
Null; dieselben werden dann eintreten, wenn die Enden der Saite
nicht völlig unverrückbar fest sind, sondern transversalen Zugkräften
etwas folgen können.*^) Solche Kräfte übt während der Bewegung
die Spannung F der Saite selbst aus, und zwar ist der Betrag ihrer
Komponenten parallel der X- und T-Axe resp. gleich ± Fd u/ dz,
± Fdv / dz. Tritt nun in jedem Augenblick eine Verschiebung des
Befestigungspunktes ein, welche der wirkenden Kraft proportional ist,
und versteht man unter F* eine geeignet bestimmte Konstante, so
wird in der That F^u — du/dz und F^v — dv/dz am Ende z = 0,
F^u + du/dz und F^v + dv/dz am Ende z = z^ verschwinden müssen.
Diese Haupt- und Nebenbedingungen enthalten die vollständige
Grundlage der Theorie des Gleichgewichts und der Schwingungen
von Saiten. Ihre Form stimmt überein mit derjenigen der für
ebene Wellen in einer Flüssigkeit und der für Dehnung imd Dril-
lung eines Stabes geltenden Formeln; ihre Behandlung ist also mit
der auf S. 353 u. f. gegebenen identisch, doch haben hier andere
spezielle Fälle praktische Bedeutung als dort
Für die Fortpflanzungsgeschwindigkeit a> erhält man die Beziehung
(o^^F/qQ;
r ist darin die gesamte die Saite spannende Kraft, F] q der auf
die Flächeneinheit bezogene Wert.
Das Problem der Saite fällt im Grunde aus dem Gebiete der
elastischen Erscheinungen heraus, da die Elasticität bei ihrer Be-
wegung keine Rolle spielt; ihr Interesse ist besonders in dem Um-
stand begründet, daß sie hervorragend geeignet ist, auf verschiedene
Erregungsarten anzusprechen und ihre Wirkung zu zeigen.
Benutzt man neben den von der Längsspannung jT abhängigen
Gliedern die in (202') enthaltenen, welche von den Elasticitätsmoduln
abhängen, so erhält man allgemeinere Formeln, welche, wie man sagt,
die Steifigkeit der Saite berücksichtigen.
28*
436 //. Teil. Mechanik niehistarrer Körper, IV. Kap.
§ 26. Gleichgewicht einer gleichförmig geBpannten Platte von
beliebiger homogener Snbstanz.
Es sei nunmehr eine planparallele Platte aus homogenem Ma-
terial gegeben, und es seien in ihr die Deformationsgrößen x^, , , , x
und daher auch die Spannungen X^, ... X in zu den Seitenflächen
parallelen Ebenen konstant angenommen. In diesem Zustand wollen
wir die Platte gleichförmig gespannt nennen.
Legt man die Xl'^Ebene in die Mittelfläche der Platte, so er-
giebt sich für die Verrückungen m, r, w aus der gemachten Annahme
folgende allgemeinste Form:
u = U+ x{f^ + g^z) +y(f+ hz\
215) ' v=^V+x[g + hz)+y{f^+(f^z).
w = r + xg\ + yg^ - \g^ x^- - \g^y^ - Äxy,
in der C', V, W Funktionen von z allein, die /*, g^ h abei% Konstanten
bezeichnen. Verbindet man das Koordinatensystem so mit der Platte,
daß für ar=y = 2 = 0
215 ) M = ü = tu = 0, 3^- = ^— = 3 = 0
' ox ay ox dy
ist, was aussagt, daß der Koordinatenanfang an seiner Stelle, das
benachbarte Element der Xr-Ebene in seiner Ebene bleibt und keine
Drehung um die Z-Axe erfährt, so ist
215") ?7= r= r= 0 für z = 0, und auch g[ ^g'^^f^g^ 0.
Die übrigen Konstanten /, ^, h lassen sich leicht deuten.
Es ist nämlich
f' - ^A-j' '- - (§-;)-/■• 'f-iü^ ^fi-f-
215'")
= +wi'.
_^ i d (dv dw\ _ ö^ __ ]'
^dy\dx dyj dy
~' ^dy\dx dxj^^dxydx dy)~ dy'~ dx"^ '
d. h., es ist f\ = a die lineare Dilatation parallel der X, /i == *'
diejenige parallel der T-Axe, 2f=d' die Winkeländerung zwischen
der X- und T-Axe, — dies alles in der Mittelfläche der Platte ge-
messen; -\-g^ = m ist die Änderung der Drillung m nach der X-,
— ^2 =/' diejenige der Drillung l nach der 7-Axe, während ä = Jä'
sowohl durch die Änderung von m mit y als von l mit x ge-
geben wird.
§ 26, Gleichgewicht einer gleiehßrmig gespannten Platte, 437
Die Verrückungen werden unter Einführung der neuen Ab-
kürzungen
u = U+ x{a + mz) + \y{d'+ k' z), \
v=F + ^x{d'+k'z)+y[b'^rz\ 216)
und die Deformationen lauten:
y^=d{^ ^«^rfT' ^y-d + kz. J
Die Hauptgleichungen werden nach den gemachten Annahmen
.^/. = ^^. = ^. = 0, 217)
ox ox ox ^ '
die Bedingungen für die Plattenflächen
:^=j; = ^ = 0, 217')
woraus für alle Stellen
A>J>^. = 0 217")
folgt.
Denken wir uns die Platte seitlich durch einen Cylindermantel
begrenzt, und bezeichnen die äußere Normale auf einem seiner
Elemente mit n, so muß dort
Ä'+ ä; = f +"i; = i;+ i^„ = 0 217'"}
sein; da Z^ nach (217") gleich Null ist, kann die gleichförmige
Deformation der betrachteten Platte nur durch gegen den Rand
wirkende Zugkräfte, die in der Xl'- Ebene liegen, und durch
Drehungsmomente bewirkt werden.
Begrenzen wir die Platte durch zur XZ- und zur TZ- Ebene
parallele Seitenflächen, so sind auf diese pro Längeneinheit des Randes
der Mittelfläche folgende Komponenten und Momente auszuüben
-^XJz^A, -[Y^dz^B, -fX^dz^D, I
" 217""^
— fX^z dz = M, +fr^zdz = Z, - fX^z dz = Ä". — J
Von den Gleichungen (107"') lauten nunmehr die erste, zweite
und letzte unter Benutzung der vorstehenden Resultate
- (a' + m'z) = «11 J, + «12 i; + «le Jj,, 1
- (6' -l'z)= *,i A; + «,, r^ + s„X^, 218)
- (<f + Ä'Z) = »gl A'^ + »83 Ij, + »85 Xj,. J
438 //. Teil. Mechanik nichtstarrer Korper, IV, Kap.
Integriert man sie über die Dicke 2h der Platte, so findet sich:
218') 2AÄ' = 5,,yi + ^2,^ + ^3,2?,
integriert man sie nach Multiplikation mit 2:, so erhält man:
218") f Ä'Z' = - s,,M+ s,,Z - s,,K,
Hieraus folgt, daß gesetzt werden kann:
219) 1 worin
bedeutet, und
' ""ÖL' '^ ""öi/' '^ " dK'
219) worin
^ *A';^3 == *ii ^^+h2^^ + *«6^'- 2*,3ZJIf + 2*j,ilfr-2*,,iir.
Umgekehrt ist auch
220)
wo Pj und Pg quadratische Formen von a, ä', rf' resp. von /', m\ k'
bezeichnen, die aus den Umkehrungen der Formeln (218') und (218")
. ebenso zu bilden sind, wie p^ und p^ aus diesen selbst.
Wir schreiben sie
^~ da" ^ ~ 'db '
■"öd"
l -L- Qi., ^- ö^>,
220')
^*- = yxi'w'H ^,2^'*+ /«6*'* - 2y„/'m'+ 2y,,in'Ä' - 2y„/'A':
dabei ist von Wichtigkeit zu beachten, daß P, den Faktor h, da-
gegen P3 den Faktor h^ hat, daß beide also in Bezug auf die Dicke
der Platte verschiedene Größenordnung besitzen. —
Nunmehr können auch die noch in den Werten von u, p, tr
unbekannten Funktionen ü, V, Jf von z allein leicht bestimmt werden.
Denn aus der dritten, vierten und fünften Gleichung (107'") folgt bei
Benutzung der Werte (216') von z,, y^, z^
§ 26, Gleichgewicht einer gleichförmig gespannten Platte. 439
dV
dx
= h\^x + h% ^y + *4e^^i/»
^ = *61^x + *52 ^y + he^y'
220")
Setzt man für X , ¥ , X die aus (218) folgenden Werte ein und
berücksichtigt die Bedingungen (215"), so erhält man für U, V, W
Funktionen zweiten Grades von z mit vöUig bestimmten Konstanten;
das Problem ist also allgemein gelöst.
Wir bemerken, daß bei ausschließlicher Wirkung von Zugkräften
A^ jB, I) die von den Drehungen abhängigen /', m', K und die
quadratischen Glieder in U,F, ^ verschwinden, bei alleiniger Wirkung
der Momente Z, M, K die a, b\ d' und die linearen Glieder in ?7, F, W
gleich Null sind.
Von den Moduln haben die
*88> *43' *63' *44J *66' *4«
keinen Einfluß auf das gestellte Problem; die Deformation der
Mittelfläche, welche durch a, ä', cT, /', m', K bestimmt wird, hängt
ausschließlich ab von
*11> *12' *22' *16> *28' *66'
Von spezielleren Fällen kommt hier besonders der in Be-
tracht, daß
*16 = ^26 ~ ^
ist, wie das z. B. stets stattfindet, wenn die Z- oder T-Axe eine
mindestens zweizählige, die Z-Axe eine drei- oder sechszählige
elastische Symmetrieaxe ist.
Dann ist
2Aa'=;?ii^ + Äij5, 2kb'=8^^A + g^^B, 2hd' = s^^B, \ ^
also wenn man abkürzt
^11 -- y ^M — y ?13 — — y =— y
- « __ o »"'/22> , o _o «—/ll» 9 o _c a~ /12 fiV
*6S
~* Vae
9
440 U, Teä. Mechanik nichtsta/nrer Körper. IV. Kap.
Für isotrope Körper ist spezieller
221'")
«1
^11 "" ^22 ~ ^ "~ ^« _ 5 2 ' ^12 "" ^1 ~ 58 _ ^9 «
/'eo = ?'2 = orÄ^:^^ = i(/ — J'i)'
2U-5i)
worin ä, äj, ^2 die früheren, y, y^, y^ neue Bezeichnungen sind.
Bezüglich der Tragweite der im vorstehenden abgeleiteten Se-
sultate und ihrer Anwendbarkeit auf die Praxis einerseits, auf Be-
wegungszustände andererseits sei auf das S. 411 Gesagte verwiesen.
§ 27. Gleichgewicht und Bewegung einer unendlich dünnen Platte.
Das Problem einer beliebig gespannten unendlich dünnen Platte
läßt sich ebenso auf dasjenige einer gleichförmig gespannten von end-
licher Dicke zurückführen, wie das Problem des unendlich dünnen
Cylinders auf dasjenige des endlichen, aber gleichförmig gespannten.
Denken wir uns die Mitt^lfläche der Platte vor der Deformation
mit der Äi?- Ebene eines absolut festen Koordinatensystemes zu-
sammenfallend und die Platte in diesem Zustande durch Ebenen
parallel zu den anderen Koordinatenebenen in parallelopipedische
Elemente zerlegt; denken wir uns femer in der der — ä und
— H'Axe zugewandten Ecke jedes Elementes ein Koordinatensystem
X, r, Z, wie in (215') festgesetzt ist, mit dem Element verbunden,
so kann man die Volumenelemente jederzeit so klein annehmen, daß
bei stetiger Deformation der ganzen Platte in einem jeden Element
die Deformationsgrößen nicht merklich von x und y abhängen, ohne
daß dabei die Querdimensionen der Volumenelemente verschwindend
gegen ihre Dicke wären. In diesem Falle kann man also auf das
Volumenelement sofort die im vorigen Paragraphen abgeleiteten
Formeln anwenden. Dabei mögen die absoluten Koordinaten eines
Punktes der Mittelfiäche nach der Deformation mit |, 1], ^ bezeichnet
werden; 2A sei wieder die Dicke der Platte, dq ein Element seiner
Mittelüäche, ds ein Element von deren Randkurve.
Die HAMiLTON'sche Gleichung lautet hier
ti +/»
222) JdtJdz[fdq{S^P'^S(f + S'a^)+fdsS'a^'\==0,
to —h
und zwar bezeichnet darin S'ip und S(f die Variation der lebendigen
Kraft und des Potentials der Volumeneinheit, S^u^ die gleichfalls
auf die Volumeneinheit bezogene Arbeit der körperlichen Kräfte, S'a^
§ 27, Oleiekgewieht und Bewegung einer unendlich dünnen Platte. 441
die auf die Flächeneinheit bezogene Arbeit der auf die Randfläche
wirkenden äußeren Drucke. An den Integralen nach z mögen der
Kürze halber weiter die Grenzen — h und + h fortbleiben.
Die lebendige Kraft eines Volumenelementes 2hdq drückt sich,
wenn man wieder das einzelne Volumenelement als Ganzes bewegt
denkt, analog wie in (196') aus; da aber alle Trägheiteradien un-
endlich klein sind, so reduziert sich, wenn die d^jdt, dt}/ dt, d^/dt
nicht unendlich schnell mit dem Ort auf der Mittelfläche der Platte
wechseln, der Wert auf
ä,f^äz =Tä, = e (df )V (||)V %f) Ä ä,. 2220
Die Arbeit der körperüchen Kräfte an demselben Volumen
wird, wenn diese Kräfte keine Momente um zu den festen Axen
parallele durch den Schwerpunkt des Elementes liefern,
dqfS'aJz = S'Sdq=:2h{S'S^+irdr]+Z'd^)dq, 222")
worin ff, IT, Z' auf die Volumeneinheit der Platte bezogen sind.
EndUch wird die Arbeit der Oberflächendrucke an dem Rand-
element 2 k ds, falls S% S^fi, S^v die Drehungswinkel angeben,
dsfS'adz^S'Sds \
^{4a^ + B8r] + rö^+AS'X + MS'ii + N8'v)d8, J
worin A, B, F, A, M, N, die Komponenten und Momente nach den
festen Axen, sich auf ein Stück der Randfläche von der Länge
Eins beziehen. T, S'S und S^S^ sind neue Bezeichnungen.
Die Variation des elastischen Potentiales des Volumenelementes
2 h dg wird hier wegen X^ = J^ = if^ = 0 einfach
ä,fä. S^=- ä,fä. [Z. ^^ -H 7/^ -H X, {^'^ +
döv^
223)
dx
Hier hinein sind die Werte (216') zu setzen und das Resultat
== - dqjdz [X^{Sa' + z Sm) + ^ (^Ä'~ z SV) + X^{dd' + z dk')]
nach z zu integrieren; dadurch erhält man nach (217"")
= + [{A8a' + BSb' + BSd') + [LSV + MSm + K8K)\ dq, 223')
oder wegen (220) auch
dq JdzStp^ {SP^ + SP^) dq. 223")
442 //. TeiL Meehanik mehtstarrer Körper. IV, Kap.
Die HAMiLTON'sche Gleichung (222) lautet somit
223'") fdt[^dq{ST- SP^ - SP^ 4- S'S) + JdsS'S^ = 0.
Die vorstehenden Formeln gestatten leicht die Erweiterung auf
den Fall ursprünglich gekrümmter Platten, wenn man sich dabei
auf den allein in Betracht kommenden Fall isotropen Materiales
beschränkt Indem man die auf S. 418 angewandte Schlußweise
wieder benutzt, kommt man zu dem Resultat, daß P^ für den Fall
daß die Änfangswerte von Z', m', K die Beträge Z«, iWa, ä« besaßen,
den durch
gegebenen Wert annimmt, das übrige sich aber nicht ändert
Auf Folgerungen aus den vorstehenden allgemeinen Gleichungen,
die sich auf endliche Formänderungen ebener oder ursprünglich
gekrümmter Platten beziehen, gehen wir, weil sie zugleich nur
umständlich zu erhalten und von geringerem praktischen Interesse
sind, nicht ein.
§ 28. unendlich kleine Verrückungen ursprünglich ebener
elastischer Platten; Membranen.
In dem wichtigsten Fall, daß die Platte nur unendlich wenig
von der ursprünglichen ebenen Gestalt abweicht und auch in ihrer
Ebene nur unendlich kleine Verrückungen erfahren hat, bilden die
in jedem Volumenelement konstruierten X, Y, Z-Axen nur unendlich
kleine Winkel mit den absolut festen ä, H, Z-Äxen.
Es kann demnach hier
224) | = ar + M, rj = j/ + v, ^ = w
gesetzt werden, wo u, v, w sich auf die Mittelfläche r = 0 beziehen
und nur von ar, y und t abhängen; es ist dann weiter in erster
Näherung
, _^ du »/_ öt' ^'__^" I ^^
also nach (215'")> his auf zwei irrelevante Konstanten,
224") l=i^, m=-^.
' ay ^ ox
§ 28. ünendlieh kleine Verrückungen elastischer Platten,
443
Demgemäß wird, wenn wir nur Momente um die Randlinie der Platte
zulassen, also N in dem Wert von S^S gleich NuU setzen,
SP,
8'S
= LS
8'S =
/du , dv\
\oxj \oyi \dtf dx)'
2Ä {S'Su + irSv + Z'Sw),
ASu + B8v + rSto + A~- mI**
oy ox
224'")
Führt man diese Werte in die HAMiLTON'sche Gleichung (228'")
ein und variiert darin successive nur u, nur v, nur w, so erhält man:
MI "9 M^)'-^» m -^»(^) + 2*^'«
+ fB'S^ds\ = 0,
+ 2hZ
'H +/[
rdw +
''^©-«(ai'"}-»-.
225)
Die Entwickelung dieser Formeln durch teilweise Integration
giebt, soweit man das resultierende Flächenintegral in Betracht zieht,
i/_ + ^ + 2hS',
dx oy '
da;* oy' oxoy
225')
Für Punkte der Eandkurven giebt das Nullsetzen der Faktoren
von Su und Sv unter den Kurvenintegralen sogleich, falls man unter n
die äußere Normale versteht:
444
//. Teil. Mechanik nichtstarrer Körper. IV. Kap.
225")
A cos (n, x) + D cos {n,y) = ^,
icoQ{n,x) + Bcos{njy) = B;
außerdem folgt für den Fall des Gleichgewichts aus allgemeinen
mechanischen Bedingungen
J^ds + 2hJS'dq = fBds + 2hjirdq = 0,
J(xB-^^^ds + 2hJ[xir-yS)dq = 0.
225'")
Hingegen sind die Glieder mit S{dwldx), S(dtcldi/) und Sw erst
umzuformen. Wir haben zunächst
Jds \(KcoQ(n,x) - i;cos(7i,y) + ^) ^(^f )
+ {Mcos (n, x) + äTcos (n,y) - M) J (^^)
'öS
-[(
+ -^^ I cos
dx dy
) cos{n,x) + (II - ||j cos(7i,y) - F^dtc] = 0.
Liegt s zu n^ wie die J- zur X-Axe, so ist cos(n, ar) = cosf^yy).
cos(7i,y) = — cos(ä, ar) und
femer wird, da nach der Annahme das resultierende Moment A um
das Randelement ds wirkt,
— -^cos(7^,y) + Mco8(w,a:) = J,
^cos(n,ar) + Mcos(n,y) = 0;
daraus folgt für das obige Integral, falls man kurz cos(7i,x) = cosy
setzt.
/rf,{(2
Ä'cos qp sin qp — i sin^ qp + Jlf cos^ qp — J)
+ (Ä' (cos* (f — sin* qp) — (i/ + M) cos qp sin qp)
-((
bM . BK
+
K\ , IdK dL\ .
-Jcos9P + (^--g^)sin(^
-rj^tr}.
dx dy)^^^^ ' \dx dy
Formt man das zweite Glied durch teilweise Integration über die
ganze Randkurve um, wobei das abgesonderte Glied verschwindeu
so ergiebt sich durch NuUsetzen der Faktoren von ^?r und Sidwjdn^
§ 28, Longitudinale Verriickungen in elastischen Platten, 445
d r-^.
Y- T-ff (cos ^(f — sin ^<f) — (Z + M) cos tp sin qpl
226)
, (dM , dK\ , /öJT öZ;\ . y, ^
2 JTcos 9? sin qp — i sin^ (p + Mcos^ qp — J = 0. 226')
Zugleich muß im Falle des Gleichgewichts gelten
Jrd8 + 2hJZ'dq = 0,
f{A+ yT) ds + 2hjyrdq = 0, \ 226")
J{M-^xr)ds — 2hJxZ'dq==0.
Außer diesen Bedingungen für die Kräfte und die Momente
existieren noch solche für die Verrückungen, auf die wir weiter
unten eingehen werden.
Alle die vorstehenden Bedingungen (225') bis (226") sind unab-
hängig von dem speziellen Gesetz, welches die Funktionen A, JB, JD
und Z, Mj K mit den Verrückungen m, t?, w verbindet; sie haben
also eine bemerkenswerte Allgemeinheit.
Auf das spezielle elastische Problem werden sie durch Ein-
führung der Werte Ä^ Bj I) und i, JKJ K, welche aus den Formeln
(220) und (220') folgen, angewandt. —
Wir wenden uns zunächst zur Behandlung der longitudinalen
Verschiebungen innerhalb einer Platte und bemerken dazu, daß
wegen jener Werte geschrieben werden kann
A:=-^2hA^, B=-2hBy, i>= -2ÄJj^== -2A5^, 227)
worin nun
ist; zugleich nehmen die zwei ersten Gleichungen (225') die Form an
\ 22T\
die Randbedingungen (225") die andere
Z^+^'=:b;^+JB'=0, 227
worin gesetzt ist
^^cos(n,ar) + J^cos(n,y) = A^, A = 2hA\
jB cos(n,a:) + ^ cos(n,y) = B^, B = 2 kB,
446 //. Teil. Mechanik nichtstarrer Körper. IV. Kap.
Diese interessante Form zeigt, daß die für die ebenen Defor-
mationen einer ebenen Platte maßgebenden Formeln aus den allge-
meinen fiir räumliche Probleme gültigen auf S. 331, 340 u. f. durch
eine einfache Übertragung auf die XJ"-Ebene, d. h. durch Nullsetzen
der Komponenten und Verrückungen parallel der ^-Axe, sowie aller
DiflFerentialquotienten nach Zj — allerdings unter gleichzeitiger Ver-
änderung der Elasticitätskonstanten c^^ in die y^^j, — erhalten werden.
Hieraus folgt, daß man für eine ganze Reihe von räumlichen
elastischen Vorgängen Analoga für die ebene Platte ohne alle Sech-
nung behandeln kann; z. B. ist die Untersuchung über die Bestimmt-
heit des elastischen Problems von S. 342 u. f. direkt auf den vor-
liegenden Fall anwendbar.
Für spezielle Probleme kommen besonders solche Platten in
Betracht, die sich für longitudinale Verrückungen wie isotrope
verhalten, wozu eine bestimmte Symmetrie des Erjstalles, aus dem
sie hergestellt sind, und eine bestimmte Orientierung der Platte
gegen die Krystallaxen erforderlich ist.®^
Hier wird nach den ersten drei Formeln (221")
und die Gleichungen (227") lauten, wenn man
228)
setzt,
228')
du . dv CL — > — m Ti
y
Macht man hier die korrespondierenden Zerlegungen
d0 BN „ 80 , dN
^ = — 3t: +
228")
^ dx d y^ dy dx
und
_dF dW _dF dW
"■"öi "^ öy ' ^Ty "JJ'
SO zerfällt die letztere die Deformation in eine durch F bestimmte
Potential- und eine durch H^ bestimmte Drillungsdeformation.
Für die Potentialdeformation ist
^^^) I d^F
'^^dxdy'
^ M r.
§ 28. Longitudinale Verrücktingen in eiasiiachen Platten. 447
also in dem speziellen Falle, daß /^^F =0 ist,
daher
- < = ^3 /'f- , ~ Ä = n -/-f - , 229")
und falls wieder cos(n,a:) = cos(«,y),cos(n,y) = — cos(*, ar) ist, und
^ und 8 die Komponenten nach den Richtungen von n und a be-
zeichnen,
-^«=y2?-i» -*«=r2/^- 229"')
»» ' ^ a w' •* ' * OSO« '
Für eine Drillungsdeformation ist
230)
231)
daher also
^«- t/2\öydn ^ öicösj' «""^■'^aVdyd« dxdn)'
Die Grundgleichungen (228') nehmen infolge der Substitu-
tion (228") flir den Fall des Gleichgewichtes die Gestalt an
(80 dm , A OTT , ^ öi^
eine partikuläre Lösung ist gegeben durch
Q<lJ = rAF, e^^i/aA//; 231')
woraus man schließen kann
^= r'^/**! '(*Vyi, '^'^ 2n'^/^i'(«V^r 231")
Diese Lösungen sind für eine unendliche Platte, die im Unendlichen
fest ist, die vollständigen; sie geben in dem speziellen Falle, daß
€p^ und N^ nur auf einem kleinen Flächeusttick q^ von Null ver-
schieden sind, für Punkte in endlicher Entfernung von y^
F=Hl{e^), W=^Jl{e%
worin ^^
gesetzt ist
448 //. Teil. Mechanik niehtstarrer Körper. IV. Kap.
Wenn q^ unendlich klein, aber H wie / trotzdem endlich ist,
wird F und JT in q^ unendlich und dessen Ort muß demnach für
die Betrachtung durch eine q^ umschließende Kurve *j ausgeschlossen
werden. In diesem Falle sind die Deformationen als durch Drucke,
welche gegen s^ wirken und sich nach (229") und (230') berechnen
lassen, hervorgerufen zu betrachten.
Ist die Kurve s^ ein Kreis vom Radius e um q^ als Mittel-
punkt, so wird die obige Potentialdeformation durch einen normal
gegen s^ wirkenden Druck von der Größe 2y^ffle^, die DriUungs-
deformation durch einen tangentialen von der Größe y^Jie'
bewirkt —
Die allgemeinen Lösungen (231"), die in Wirklichkeit vierfache
Integrale enthalten, kann man auf eine einfachere Form bringen
durch Betrachtung der kombinierten Deformation, die gegeben
ist durch
232) F= --qx l{e% W= -pt/ l{e%
und die den Hauptgleichungen genügt, wenn gilt
232') 2qr = pr2=pir-rir
Es wird dabei
die Verrückungen sind also im Unendlichen nicht gleich NuU, u ist
dort sogar unendlich.
Begrenzt man die Platte durch eine kleine geschlossene Kurve
um den Koordinatenanfangspunkt, so sind gegen dieselbe Drucke
auszuüben, deren Gesamtkomponenten sind
Hiernach kann man, analog wie auf S. 385 und 386, sogleich bilden,
wenn alle Elemente der Platte Komponenten S, H erfahren
-='i(y+yO(x-xO(y-y,)]''''
232")
233)
«= - *
e»
§ 28. Transversale Verrückungen m einer ehisHsehen Platte, 449
Wirken Kräfte S und H nur im Endlichen, und ist
fS,dq,^fH^dq,=^0, 233')
so ergeben diese Lösungen im Unendlichen « = r = 0 und lassen
sich überdies auf die mit (161') übereinstimmende Form bringen
233")
Auch die in § 22 gegebenen Entwickelungen über Gleichge-
wichtsdeformationen beliebig begrenzter isotroper Körper infolge von
Oberflächendrucken und -verrückungen gestatten eine teilweise Über-
tragung auf den Fall der Platte; doch mag deren Umständlichkeit
wegen von der Auseinandersetzung abgesehen werden.
In gleicher Weise mag es an dem Hinweis genügen, daß die
Fortpflanzung von longitudinalen geradlinigen Wellen innerhalb der
Platte nach ganz analogen Gesetzen geschieht, wie die von ebenen Wellen
im Baume; bezüglich der Kreiswellen gilt das auf S. 364 Gesagte. —
Wir wenden uns nun zu dem wichtigeren Problem der trans-
versalen Verrückungen einer Platte und betrachten zunächst die
Bedingungen des Gleichgewichtes.®')
Die Hauptgleichung lautet nach (225')
0 = ??-?| + 2^T. + 2AZ'; 234)
mit ihr sind die allgemeinen, aus (220) und (220') folgenden Werte
von Lj Mj K zu kombinieren.
Multiplizieren wir sie mit w und integrieren über die ganze
Ausdehnung der Platte, so erhalten wir zunächst, falls n die äußere
Normale bezeichnet,
- f [(i¥cos {n,x) + K cos (w, t/)) |j
+ (ü:cos(n,a:) - i;cos(n,y)) ^ ds
Voigt, Theoretische Physik. 29
wds
234')
450 //. Teil. Meckamh nicMstarrer Körper. IV. Kap.
durch teilweise Integration des zweiten Integrales und Benutzung der
Formeln (226) und (226') ergiebt dies bei Berücksichtigung des Wertes
von Pg
234") Q=J(rw - j|^W5-2j(P2-AZ'M?)rf9.
Hieraus folgt, falls P^ eine definite quadratische Form ist, was
wir voraussetzen wollen, in mehrfach benutzter Weise, daß w bis
auf eine additive lineare Funktion von x und y vollständig bestimmt
ist, wenn, neben der äußeren Kraft Z' für alle Stellen der Platte,
noch r und J,
oder r und dw j dn,
oder w und J,
oder w und dwjdn
für alle Bandpunkte — F und J natürlich im Einklang mit den
Bedingungen (226") — vorgeschrieben sind.
Von besonderem Interesse sind die zwei Grenzfälle, daß P und
J oder w und dwjdn ringsum gleich NuU sind; im ersten Falle
ist der Band der Platte frei, im letzteren vollkommen befestigt.
Man kann die Gleichung (234") auf eine mit (201') korrespondie-
rende Form bringen, indem man die erste Formel (226"), mit
— t«?Q, die zweite, mit — (dw / dt/)^, die dritte, mit + (ötr/ÖJr\,
multipliziert, zu ihr addiert, wobei durch den Index ^ der Wert in
dem auf der Platte liegend gedachten Koordinatenanfang bezeiclmet
werden mag. Das Besultat lautet
(»-/{4-«'«-'(l?).-»(lll
234'")
+
^fö-dfll-^K-di).])^'
-2fp,ä, + ,,fr[u,-.,-,m-,m]ä,.
bietet indessen hier keine besonderen Vorteile dar.
Dieselbe Betrachtung läßt sich für den Fall der Bewegung an-
stellen, wie dies auf S. 422 gezeigt ist; statt mit todq ist dabei die
Hauptgleichung mit {dwjdi)dqdt zu multiplizieren und sowohl
über die Mittelfläche der Platte, als über die Zeit von ^ = 0 bis zu
einem willkürlichen t =^ t^ tm integrieren. Die Resultate bezüglich
der zur Bestimmung des Problems erforderlichen Randbedingungen
sind mit den früheren identisch. — •
§ 28, Transversale Verrückungen in einer elasiisehen Platte. 451
In dem auf S. 439 besprochenen speziellen Fall, daß s^^ == «^^ = 0
ist, wird
^ Ua?'^" Öy«^lV' //--hy/l (^3^.1^2+ Öy9/22J>
235)
und die Hauptgleichung (234) für w nimmt die Form an
P TT + * * ( Ji* ''" + 2 5^^-. ^^ (Xi, + 2rJ + j^ y,,) = Z\ 2350
Für isotrope Körper erhält man noch einfacher wegen
^11 ~ ^22 ~ y» ^12 ~ ^1 > ^66 = ^2 ~ Tu 1 " /)
(>|\v + iAVAaA3t^ = ^^ 235")
Im Falle des Gleichgewichts bei gegebenen Randwerten von w
und dw/dn treten die auf S. 207 angegebenen Regeln in Kraft;
die übrigen dort angegebenen FäUe von Randbedingungen haben
kein physikalisches Interesse. —
Das Problem der stehenden transversalen Schwingungen
einer begrenzten ebenen Platte ohne äußere Kräfte bietet im allge-
meinen der Behandlung große Schwierigkeiten.
Setzt man w ^ Ssma{t + t^), so gut für B die Gleichung
- a^R + (o'^Ai A^JR = 0, 235'")
wo (M}^^=^ h^Y I^Q 18*5 die Randbedingungen sind dem Schema auf
S. 450 bei Berücksichtigung der für isotrope Medien vereinfachten
Werte von F und A aus (226) und (226') zu entnehmen.
Bei rings freiem Rande ist bisher die Lösung nur für die Kreis-
scheibe gefunden, bei teilweise freiem Rande für das Rechteck,
hier nämlich in dem Fall, daß für ein Seitenpaar F und J, für
das andere w und A gleich Null sind. Bei ringsum festem Rande
sind die Schwierigkeiten geringer.'*)
Im allgemeinen findet sich, wie bei dem Stab, für a und damit
für die Periode r der Schwingung eine unendliche Anzahl diskreter
Werte; in speziellen Fällen können zwei oder mehrere zusammen-
fallen, so daß also mehrere Lösungen R oder mehrere Schwingungs-
formen demselben Ton entsprechen. Solche Töne heißen doppelte
oder mehrfache.
Die Schwingungsknoten sind bei einfachen Tönen gegeben durch
Ä = 0,
bei mehrfachen, falls Äj , Ä^ . . . demselben a entsprechen, durch
Äj + i?3+ . . . = 0;
29*
452 IL TeiL Mechanik nichtstarrer Körper. IV. Kap.
da die i2^ nur Funktionen von x und y sind, so erfüllen die Knoten-
punkte im allgemeinen gewisse Kurven, die Knotenlinien, stetig.
Einfachen Tönen entspricht nur ein einzelnes System von Knoten-
linien, n-fachen ein (n -— l)fach unendliches; die speziellen Formen
hängen in letzterem Falle von der relativen Intensität ab, welche
die einzelnen einfachen Schwingungen, d. h. von der relativen Größe,
welche die einzelnen Funktionen Ä^ in der allgemeinen Lösung
besitzen.
über die Erregung von transversalen Schwingungen in endlichen
Platten durch Resonanz kann man einen allgemeinen Satz auf dem
auf S. 433 für die transversalen Schwingungen endlicher Stäbe ein-
geschlagenen Wege erhalten, der jenem genau entspricht und hier
daher ausgelassen werden kann.
Die allgemeinen Gesetze für die Fortpflanzimg einer anfang-
lichen Verrückung und Geschwindigkeit auf einer unbegrenzten
isotropen Platte sind noch nicht gefunden. —
Wenn in den Werten (224'") von 8P^ und SP^ zugleich wegen
sehr geringer Dicke der Platte SP^ sehr klein und wegen sehr großer
Aj JBj D auch SP^ sehr groß ist, so muß in den Ausdrücken für die
Faktoren Sa, Sb\ 8d' der letzteren in SP^ noch die zweite Ordnung
berücksichtigt werden. Bedenkt man die Bedeutung von a , b'j c
und berücksichtigt, daß die relativen Koordinaten der Endpunkte
eines Linienelementes, welches ursprünglich der f-Axe parallel lag,
H''*' IJ''^' rJ"'
diejenigen eines Linienelementes, das ursprünglich der JBT-Axe
parallel lag,
ry^y^ di'^y' ry'^y'
sind, so erhält man leicht, indem man schließlich
setzt,
236)
2 /a._\a\
'■-^^i((^;^(lf''
Benutzt man diese Werte bei der Entwickelung der HAMiLTON^schen
Gleichung (223'") und variiert allein w, während man zugleich die
§ 28. Theorie der Membranen, 453
von 8P^ herrührenden Glieder vernachlässigt, so erhält man
zunächst
«1
P,P, [*,. (|^)>_ ^^,(U)'_ j BSI^^)'- L, (If I-;)
+ 2A T 8v3
= 0.
2360
Führt man die Variation bei gegebenen Randwerten Ton to, also ver-
schwindendem Sw aus, so giebt dies**)
dabei muß, wenn Bewegungen und körperhche Kräfte parallel der
Platte fehlen, nach (225')
0 = 1^ + 1^, 0 = 1^ + 1^, 237)
außerdem am Eande nach (225")
Ä cos (n, x) + I) cos(7i,y) = A, D cos (n, x) + B cos [n,y)^ B 237')
sein.
Hier kann man, da t in diesen Gleichungen'^nicht auftritt,
Aj JB, D als von der Zeit unabhängig ansehen, was nur aussagt,
daß der Einfluß der transversalen Schwingungen auf diese Größen
höherer Ordnung ist
Der wichtigste spezielle Fall ist der, daß auf die Eandkurve
eine konstante normale Zugkraft 11 wirkt; dann ist
u4 = neos (w, ar), jß = iZcos (n,y)
und n konstant; hieraus folgt
A== B = n, i> = 0
und
2Ä(> Jj = /lAa«' + 2AZ'. 237")
Dazu kommen für den Rand vorgeschriebene Werte von w, und
für die Zeit ^ == 0 vorgeschriebene Werte von w? und dw / dt, um
das Problem vollständig zu bestimmen; am Kand gegebene dwjdn
kommen in der Praxis nicht vor, doch kann man, ähnlich
wie S. 435 geschehen, den Fall konstruieren, daß am Rande
F^w ^ dw I dn gegeben, etwa gleich Null ist, ohne daß derselbe
eine praktische Bedeutung besäße.
Diese Formeln enthalten die Theorie des Gleichgewichts und
der Bewegung einer Membran und sind die gleichen, ob jene von
454 //. Teil. Mechanik nichtstarrer Körper. IV. Kap.
isotroper oder anisotroper Substanz ist, was damit zusammenhängt
daß die Elasticität der Membran bei der Erscheinung überhaupt
keine Rolle spielt.
Ihre Gestalt stimmt überein mit derjenigen der Gleichungen
für die nur Ton zwei Koordinaten abhängigen Verrückungen inner-
halb einer elastischen Flüssigkeit; sie gestatten demgemäß die genau
gleiche Behandlung, doch sind hier andere spezielle Fälle von
praktischer Bedeutung, wie dort.
Im Falle des Gleichgewichts lautet die Hauptgleichung
238) 0 = /7AaM? + 2AZ';
sie läßt sich also bei gegebenem w nach S. 199 mit Hilfe der ersten
GnEBN'schen Funktion behandeln.
Im FaUe der Bewegung ohne körperliche Kräfte erhält man
238') 2A(>^ = /7A3t^,
woraus sich der Wert der Fortpflanzungsgeschwindigkeit a> gerad-
liniger Wellen ergiebt gemäß
238") «»^=2?^,;
n ist darin die gegen die Längeneinheit des Randes wirkende Zug-
kraft, nj2h also ihr auf die Flächeneinheit bezogener Wert
Eine eigentliche Fortpflanzung von Kreiswellen auf einer
Membran findet nicht statt, wie das schon auf S. 364 erwähnt und
S. 375 näher begründet ist, sondern statt dessen eine Ausbreitung,
welche die ergriffenen Punkte erst nach unendlich langer Zeit in
die Ruhelage zurückkehren läßt.
Hiermit hängt zusammen, daß die Erregung einer transversalen
Bewegung durch ebensolche Anfangsverrückungen und Geschwindig-
keiten auf einer unendlichen Membran nach viel komplizierteren
Gesetzen geschieht, als die einer Bewegung in einer unendlichen
elastischen Flüssigkeit, obgleich die Bedingungen für erst^re aus
denen für letztere durch die Vereinfachung hervorgehen, daß in
ihnen jede Abhängigkeit von der z-Koordinate beseitigt wird. Wie
man das räumliche Problem für das vorliegende ebene nutzbar
machen kann, ist auf S. 375 erörtert worden.
Für die Erregung stehender Kxeiswellen durch die periodische
Bewegung eines sehr kleinen Bereiches innerhalb einer sonst unbe-
grenzten Membran folgen die Gesetze aus der Formel (141').
Von praktischer Wichtigkeit sind allein die Fälle stehender
§ 28. Theorie der Membranen. 455
Schwingungen in ringsbegrenzten Membranen. Hier erhält man
durch die Substitution
«7 = Äsina(^+ ^^), 239)
welche einem einfachen Ton entspricht aus (238')
cr«Ä + «2AjÄ = 0, 239')
wo nun für a durch die Randbedingung ein System diskreter Werte
bestimmt wird; unter bestimmten Umständen, z. B. bei Membranen
von quadratischer Form, fallen mehrere dieser Werte zusammen
und liefern dann, wie S. 451 schon ausgeführt, doppelte und mehr-
fache Töne. -2*72^, über die demselben a entsprechenden Lösungen
ausgedehnt und gleich Null gesetzt, giebt die Gleichung der Knoten-
linien für den durch a definierten mehrfachen Ton.
Membranen mit ringsum festen Grenzen können in der Praxis nur
durch Resonanz in Schwingungen gesetzt werden, und eben deshalb
wollen wir schließlich noch die Grundformel der Resonanz für die
Membran, die ebenso leicht, wie S. 431 für den Stab gezeigt worden,
zu bilden ist, angeben; sie lautet, wenn ^ ein ganzes Vielfaches
einer Periode bezeichnet:
h
I (utot^cosatQ— l-^j sinatQjRdq-] — / dt j Z'-B sin a(^ + ^j,)rfy
0
+ a^^JdtJ(R^£-w^^)sma{t+t,)ds^O.
239")
0
Ist der Rand der Membran festgehalten, also sowohl w als £ gleich
NuU, so wird noch einfacher
h
j (atot^cosat^ - (^] smat^ Rdq =-— Rdq / Z' sin a[t+ Q dt, 239'")
0
und diese Formel gestattet dieselben Schlüsse, die S. 432 an die
entsprechende Formel für den Stab geknüpft sind.
V. KapiteL
Innere Beibnng nnd elastische Nachwirkung.
§ 29, Die Druokkomponenten der inneren Beibnng nnd der
elastischen Nachwirknng.
Die in den beiden vorhergehenden Kapiteln aufgestellten Gesetze
für die Bewegung von Flüssigkeiten und von elastischen Körpern werden
von der Beobachtung zwar angenähert bestätigt, bewähren sich aber
keineswegs streng. Am auffälligsten von den obigen Resultaten
abweichend ist die Erscheinung, daß ein in innerer, z. B. in
Schwingungsbewegung begriffener, aber äußeren Einwirkungen nicht
unterworfener, nichtstarrer Körper seine Energie nicht, wie oben
entwickelt ist, unverändert beibehält, sondern anscheinend teilweise
verliert Man hat aus ihr zu schließen, daß die bisher in nicht-
starren Körpern wirksam angenommenen Druckkräfte nicht die
einzigen in Wirklichkeit vorhandenen sind, und wo die Gleich ge-
Wichtsphänomene mit der Theorie übereinstimmen, wie das jedenfalls
vielfach anscheinend geschieht, wird man schließen müssen, daß
die als Korrektionen zu den früher benutzten zuzufügenden Kräfte
von der Bewegung, und zwar, nach dem oben Gesagten, von der
inneren, d. h. der Deformationsbewegung jener Körper abhängen.
Um eine Verallgemeinerung der oben benutzten Ansätze zu
erhalten, ist der einfachste Weg der, die Druckkomponenten durch
Summen von Gliedern in der fiir die Elasticitätstheorie benuteten
Form (107"), genommen über die Differentialquotienten der Defor-
mationsgrößen nach der Zeit, auszudrücken, also zu setzen"*)
r X ^ - V ic''^ ^'^^ 4- c'^"^ -i^^ 4- c^^'^ ^' 4- r^^'> -^»-
^^x)-^[^UQ^j ■t-Ci2 Q^j -^■^l3 QfJ -+-^14 Q^J
240)
. (i) ^^x . (i) ^^\ ^ c
§29, Innere Reibung und elastische Nachwirkung, 457
wobei in den c^^i der Exponent j einen Index bedeutet, und
J = 0, 1,2, . . . ist
Setzt man
(jy = Z, + ^,, . . . (j; = Z^ + A^, 240')
worin die X^, ... X die Bedeutung der gewöbnlichen elastischen
Druckkomponenten haben, so sind Ä^, B , . . . A die zu den früheren
Ansätzen gefügten Korrektionen. Für manche Zwecke ist es bequem,
(240) abzukürzen in
(XJ = 2 ^^'» • • • (^») = 2 ^'A 240")
wo dann der obere Index J sich auf die Ordnung der in -^■'^ . . Xy-^^
vorkommenden Differentialquotienten nach der Zeit bezieht, und X^,
. . . Xy identisch mit X^, ... X ist.
Bei einem solchen Ansatz berührt also die Erweiterung nicht
die früher gemachte Grundannahme, daß die Drucke in irgend
einem Volumenelement ausschließlich von der Deformation desselben
Volumenelementes, und zwar linear, abhängen; sie läßt aber die
Drucke nicht mit den Deformationsgrößen verschwinden, sondern
ergiebt sie nur dann stets gleich Null, wenn gleichzeitig auch alle
in dem Ansatz (240) vorkommenden Differentialquotienten der Defor-
mationsgrößen nach der Zeit gleich NuU sind; dies wird aber bei
jeder Veränderung der Deformationen im allgemeinen erst nach
unendlich langer Zeit eintreten.
Die zu den früheren elastischen Drucken X^,...X neu hinzu-
gekommenen Summen A^, • • • -^« mögen die Komponenten der
inneren Reibung im allgemeinsten Sinne heißen.
Für die Gesamtkomponenten (XJ, . . . (X^) müssen die allgemeinen
Gleichungen gelten, welche in § 2 dieses Teiles ganz ohne spezielle
Annahmen über die Natur der inneren Drucke abgeleitet sind;
auch die Grenzbedingungen für die Verrückungen bleiben die
gleichen. Dagegen bedürfen die für letztere geltenden Anfangs-
bedingungen einer Erweiterung, weil die Gleichungen (14) für die
Bewegung des nichtstarren Systemes durch die verallgemeinerten
Werte der Drucke höhere Differentialquotienten nach der Zeit, als
die zweiten enthalten. Sind die höchsten vorkommenden von Äter
Ordnung, so erfordert die Bestimmung des Problems die Angabe
der Anfangswerte für die Oten bis {h — l)ten Differentialquotienten
der Verrückungskomponenten nach der Zeit, oder, mit anderen
Worten, die Angabe eines Teiles der Vorgeschichte des elastischen
Systemes bis zur Zeit ^ = 0.
458 //. Teil, Mechanik nichtstarrer Körper. V. Ka^.
Diese Überlegung steht in engem Zusammenhang mit einer
eigentümlichen Deutung, welche man dem Ansatz (240) geben kann.
Schreibt man die Konstanten desselben
ac
241) c',^l = (- iyJ-^—-.f^^id-)d»
0
und bezeichnet mit ^{t) irgend eine der Deformationsgrößen x , ...x ,
SO wird
CO . .
-t^** ~J^^i ^"^*^ ''*• 2 1727^7 -dir
•^ 0 -^
Dies ist aber, falls die Reihe konvergiert,
0
oder, wenn man t — d- ^ r setzt,
t
241') ^cUl^f-=fi(T)f,,{t-r)dr.
— OD
Dann wird, wenn man x^, , . . x als Funktionszeichen benutzt,
t
- iK + ^:i = J dr ifn {t - r) x^ (r) + /i, {t - r) « (t)
— OD
241")
d. h., es wird die Druckkraft zur Zeit t nicht nur abhängig von den
Werten, welche die Deformationsgrößen zur gleichen Zeit besitzen,
sondern auch von aUen Werten, die sie in früheren Zeiten t be-
saßen; die Funktionen f^j^it — r) stellen die Wirkungsgrade jeder
einzelnen Deformationsgröße über die Zeit {t — r) hinweg dar.
In dieser Deutung nennt man die Zusatzglieder A , , , , A die
Druckkomponenten der elastischen Nachwirkung.*^ Innere
Reibung und elastische Nachwirkung sind also bei dieser allgemeinen
Auffassung im Wesen nicht verschieden.
Beide Ansätze (240) und (241") haben etwas unbefriedigendes,
denn der eine enthält unendlich viele Konstanten, der andere unbe-
kannte Funktionen, welche mit Hilfe der Beobachtung zu bestimmen
sind. Da gemäß der Form (240) die Einwirkung einer vergangenen
Deformation nach unendlicher Zeit verschwindet, so liegt es nahe,
für die /J^j^(^— t) wiederum Reihen von Exponentialgrößen einzu-
führen, was man auch unter Benutzung plausibler Hypothesen
näher begründen kann.*®)
§ 29, Konservative und absorbierende Kräfte, 459
Sieht man von dem Wege ab, auf welchem die Formeln (241")
gefunden sind, und betrachtet sie als einen frei gebildeten Ansatz,
so könnte man yersuchen, ihn dahin zu erweitem, daß er auch den
in Wirklichkeit sehr häufigen Fall, wo durch eine frühere Defor-
mation dauernde Veränderungen bewirkt werden, mit umfaßt Hierzu
müßten die /J^j^ für unendlich großes Argument von Null verschieden
angenommen werden. Indessen erweist sich eine solche Annahme
als unzulässig, da sie bei zeitlich konstanten Deformationen eine
allmählich über alle Grenzen wachsende Wirkung ergeben würde.
Der Ansatz (241") kann also dauernde Deformationen nicht mit
umfassen. Praktisch bringt dies keine Nachteile, weil durch die
Beobachtung sichergestellt ist, daß die d^^uemden Deformationen
dem Gesetz der Proportionalität mit den Druckkräften, welches
durch (241") statuiert wird, nicht folgen. —
Die ursprünglichen Gleichungen (240) sind in allen den Fällen
vorzuziehen, wo die in ihnen enthaltenen Reihen stark konvergieren,
und man für die Anwendung auf Beobachtungen mit einer endlichen
Anzahl von Gliedern auskommt Für solche Zwecke ist es nützlich,
die in (240") definierten Summen -2'X0'\ . . . -2* J^'> in Gruppen von
Gliedern verschiedener Eigenschaften zu zerlegen. •*)
Zunächst unterscheiden wir solche mit geraden und solche
mit ungeraden Differentialquotienten nach der Zeit, und darauf
zerlegen wir jedes dieser Systeme von Druckkomponenten in zwei,
(X<JJ)^ und {X^\ u. 8. f., mit den Koeffizienten «^^ und i^^^, von denen
hk kh' hk kh^ hh
ist Von jedem Anteil der Komponenten {X^^\ und {X^\ u. s. f.
bilden wir danach die Arbeit J[^ resp. ^^J> während der Zeitein-
heit, welche nach (17"') lautet, falls man dxjdt in / abkürzt,
^.<+ w+ ^«<+ ^.y;+ ^«<+ ^,<-
Jeder der so erhaltenen Ausdrücke' besteht aus einer Reihe
von Aggregaten von der Form
welche sich auch schreiben läßt
dt
qp ... — (— l)'»(y(»»)t/;0*-n) -f t^f*») y(i- «))
+ (— l)'»(y(« + i)yi-n) + yA« + i)yO-«)),
460 IL Teil» Mechanik niektstarrer Körper. V, Kap.
oder kürzer
Ol V
worin &xldf = ;^^''' gesetzt ist, und 0 < w < j sein muß.
Dies ergiebt
für gerades j, d. h. j = 2?«, falls n = 2m — 1 gesetzt wird,
242) 2 (9>'t//'~> + V 9><'"») = '^^^^'y"'"'^ ,
und
242-) 0 = '<'^-(W^-») ;
für ungerades J, d. h. j = 2?« + 1, falls n=^ m gesetzt wird,
242")
aber
242'") y' t//2m + 1) _ ^/ y(2« + 1) = :^J^^±1»!^ .
Hieraus folgt, daß die Arbeiten ^^2«) ^^^ ^^»« + i) vollständige
Differentialquotienten nach der Zeit sind, die sie liefernden Druck-
komponenten also die Energie erhalten; sie erweisen sich daher
als Ergänzungen des in (107") gemachten Ansatzes für die elasti-
schen Kräfte, welche, wie jene, konservative Natur besitzen.
Die Arbeiten ^i2m + i) setzen sich aus zwei Teilen zusammeu.
a
aus einem Differentialquotienten nach der Zeit und einer quadrati-
schen Form der [m + l)ten Differentialquotienten der Deformations-
größen. Ist die letztere wesentlich negativ, so wird durch die Arbeit
der betreffenden Kräfte die Energie des bewegten elastischen Körpers
jederzeit vermindert, nie vermehrt; legt man also den ^^" + ^
die genannte Eigenschaft bei, so kommt dadurch der Ansatz (240;
in Einklang mit der allgemeinen Beobachtung, daß die Energie der
Deformations-Bewegung eines sich selbst überlassenen Körpers stets
abnimmt, niemals wächst Wir nennen derartige Kräfte absor-
bierende.
Die letzte der vier Arten innerer Arbeit A^^^ hat keine der
beiden an den drei anderen nachgewiesenen Eigenschaften; sie kann
vielmehr je nach dem zeitlichen Verlauf der Deformation bald die
Energie derselben vergrößern, bald verkleinem; da ersteres der
Beobachtung widerspricht, so wird man annehmen dürfen, daß die
Koeffizienten der Drucke [X^^"*\ . . . [X^^'^\ in Wirklichkeit ver-
schwinden.
§ 29, Konservative und absorbierende Kräfte, 461
Um die allgemeinen Ansätze für die verschiedenen Krystall-
systeme zu spezialisieren, hat man die in § 17 des ersten Teües
gegebenen Kegeln einfach auf die Arbeiten der einzelnen Anteüe
JCi), . . . Xü)
anzuwenden, die vom Koordinatensystem unabhängig sein müssen.
Diese Arbeiten fallen unter die auf S. 142 angegebene Form (154) und
ist darin A,B,C,D,E,G mit x^, y^, z^, yj y2, zj y2, xj}f2, L, M,
N,P,Q,R mit d^xJdtJ, d^yJdP, d^zJdP, d^yJ-ßdVj d'zj-ßdt^,
d^'x /y2dPj wo j beliebig ist, zu identifizieren. Dabei kann man
auch noch die beiden Teile der Arbeiten, welche oben mit ^^ und
^, bezeichnet sind, gesondert behandeln, da sie ganz verschiedenen
Charakter besitzen. Die Konstanten werte für eine jede Krystall-
gruppe sind daher aus dem Schema IV auf S. 143 unmittelbar ab-
zulesen, wenn man darin nur für die Kräfte der Gattung (a) die
Beziehung c^^ = Cj^^, für die Kräfte der Gattung (ä) aber die Be-
ziehungen C;y^ = 0 und c^ = — Cjy, einführt Die Konstanten jeder
Beihe der betreffenden Zusammenstellimg geben dann sehr leicht
die Koeffizienten' der Komponenten X^"), . . . X<J). —
Um die für die Anwendungen nötigen Formeln beisammen zu
haben, setzen wir schließlich noch die Hauptgleichungen und die
Grenzbedingungen in den verallgemeinerten Druckkomponenten
hierher.
Es gilt für alle iiineren Punkte
PT?==^ ""l"ö^ + -öir"^"öT /' 243)
fiir die äußeren Grenzen
X+[XJ= Y+ (!]) = Z + {ZJ = 0, 243'
ftlr die Zwischengrenzen bei Ausschluß von Grenzdrucken
{^1 + W» = (^A + (^J* = (^A + {K\ = 0 ; 243")
dazu kommen die Bedingungen für die Verrückungen oder Geschwin-
digkeiten, die je nach den Umständen verschieden lauten.
462 U. Teil. Mechanik ntchtstarrer Körper. V, Kap,
§ 30. Die hydrodynamiflchen Oleiohnngen bei Beriicksichtigiuig der
inneren Eeibung.
Nach den Darlegungen am Ende des vorigen Paragraphen sind
absorbierende Kräfte bestimmten Charakters in nichtstarren Körpern
durch einen Ansatz von der Form (240) gegeben, wenn in demselben
nur ungerade Diflferentialquotienten nach der Zeit vorkommen, und
die Koeffizienten den Beziehungen cO^ == ^j/l entsprechen. Für iso-
trope Körper spezialisieren sie sich nach dem letzten System in
Schema IV, welches sich auf S. 144 findet.
Den vorhandenen Beobachtungen an Flüssigkeiten wird indessen
beMedigend schon genügt, wenn man sich auf die Einführung des
niedrigsten derartigen Gliedes der Summen (240) in die hydrodyna-
mischen Gleichungen beschränkt; dasselbe entspricht dem Wert j — 1.
Hiemach nehmen die Druckkomponenten der inneren Reibung
in einer Flüssigkeit die folgende einfache Form an, in der die
Konstanten kurz durch a^ bezeichnet sind, und, wie bei den elasti-
schen Drucken c — Cj = Cg , auch a — a^ = a^ gesetzt ist, ^^
- c; = «1 x^ + «1 y/ + fl < = «a < + «1 ^'y
— <^x = — ^, = 2-02 ^« >
-^y= -5«,= KV
a und a^ resp. a^ und Oj sind die beiden Konstanten der
inneren Reibung der Flüssigkeit; ihre Dimensionalgleichung ist
{a;\^ml'U-\
Eine Relation zwischen a und Oj würde sich ergeben, wenn
man, wie dies ausgesprochen ist, annehmen dürfte, baß bei einer
nach allen Seiten gleichförmigen Dilatation die Kräfte der inneren
Reibung verschwänden. Hierzu ist indessen gar keine innere Veran-
lassung gegeben und die durchgeführten Bestimmungen der a^ bei
festen Körpern stehen damit in vollkommenem Widerspruch. Es
sind also im allgemeinen zwei Reibungskonstanten beizubehalten.
Die Bewegungsgleichungen (243) erhalten in Rücksicht auf
allgemein die Form
244)
§ 30. FUiangkeiten mit innerer Reibung.
463
du'
^1t
dtd
^-di
= Z'-
ö^ + i(a-ai)Att?'+i(a + ai)-^,
244')
worin X\ T, Z* wie früher die auf die Volumeneinheit bezogenen
körperlichen Kräfte bezeichnen; hierzu kommt die Kontinuitäts-
gleichung
Q dt " dx dy
du/ 1 dQ_^
244")
dx ^
und zumeist noch eine Bedingung für (>, z. B.
e = F{p); 244'")
indessen ist eine solche Gleichung nicht unbedenklich, da das Yo-
lumenelement von der Dichte q bei Berücksichtigung der inneren
Reibung gar keinen allseitig gleichen Druck von der Größe p, son-
dern vielmehr parallel den Koordinatenaxen die verschiedenen Drucke
erleidet
Daher beschränken wir uns auf die Betrachtung inkompres-
sibler Flüssigkeiten und gehen, indem wir zugleich die körperlichen
Kräfte auf die Masseneinheit beziehen, aus von dem System
du' ^ ^P \ \ A '
dw' n d P , 1 A '
dx dy dx ~^
Zu diesen Hauptgleichungen kommen noch folgende Grenzbe-
dingungen. Für die Geschwindigkeitskomponenten gilt in der Grenz-
fläche zwischen zwei Körpern (A) und (A) mit der Normalen n, von
denen der eine oder auch beide flüssig sein können,
(< — O Cös (n, x) + {v^; - tT;) cos (n,y) + {w^; - t^^) cos (n, z) = 0, 2450
für die Drucke
245)
(J„+ JJ,+ X,,= 0, {r^+JBX+ 4= 0,(^+ CJ,+ i^^= 0,1
iK+^Jk+^jcH-Oy (^„+ ^n)*+ ^*.= 0,(i^„+ 6'A+ 4= 0,J
245")
464 IL Teil, Mechanik nichtstarrer Korper. V. Kap,
worin X^, . . , die von (ä) auf (ä), und Jjy^, . . . die von (A) auf (ä) aus-
geübten Druckkomponenten bezeichnen, für die also gelten muß
245'") ^^+x^=f^+ r^= 4 + 4= 0.
Diese Komponenten rühren einmal von einem normalen Druck
Phk r^sp. pj^j^ in der Grenze her, sodann von einem tangentialen Wider-
stand J?^j^ resp. Rj^j^ welcher der Verschiebung der beiderseitigen Grenz-
teile aneinander hin entgegenwirkt und nach Symmetrie der relativen
Geschwindigkeit V^ resp. V^ entgegengesetzt parallel sein wird.
Wir erhalten demnach
246) J ^ ^ ^
Ä + ^Jä - Pick cos K, x) - R^ ""^^ = 0, u.8.f.;
hierin sind p^ und p^^ Ä^ und R^^ F^ und Fj^ dem Werte nach
gleich, aber von entgegengesetzter Richtung; n,^ und n^ bezeichnen
die resp. äußeren Normalen. R^ resp. Ä^ verschwindet, wenn /^^
gleich Null ist, man wird also in erster Annäherung
246') _ Ä^=«^«.
setzen können, worin a der Koeffizient der äußeren Reibung
zwischen den Körpern (A) und [k) heißt Es ist ersichtlich
[ä] = ml'^t-K
Wenn a über aUe Grenzen wächst, so muß notwendig F^^ unendlich
abnehmen, und im Grenzfall, wo die eine Flüssigkeit die andere oder
den festen Körper, wie man sagt, benetzt, muß ^^ verschwin-
den, d. h.
246") «Ä — Wfc = üA — «fc = wa — ^k = 0
sein. Hier verliert wegen der Unbestimmtheit der Größe und Rich-
tung von Rj^ das System (246) seine Bedeutung als Grenzbedingung
und giebt vielmehr nur die Größe der Inanspruchnahme der Adhä-
sion zwischen (A) und (A); es treten an seiner Stelle die drei For-
meln (246"). —
Die Bewegungsgleichungen (245) werden fiir den Fall, daß die
körperlichen Kräfte ein Potential haben, durch dieselbe Potential-
bewegung befriedigt, die ihnen bei verschwindender Reibung genügt;
denn wegen der Inkompressibilitätsbedingung, die für das Geschwin-
digkeitspotential F die Bedingung A ^ = 0 ergiebt, verschwinden
die mit a^ behafteten Glieder A w', A v, A to\ So lange also keine
§ 30. Flüssigkeiten mit innerer Reibung.
465
Grenzbedingungen zu erfüllen sind, hat die innere Reibung auf die
Potentialbewegung durchaus keinen Einfluß.
An den Begrenzungen kann aber durch das Geschwindigkeits-
potential im allgemeinen nur einer Bedingung, z. B. (245'), genügt
werden; daraus folgt, daß Bewegungen mit irgend welchen Begren-
zungen in reibenden Flüssigkeiten keine reinen Potentialbewegungen
sein können.
Für die Wirbelkomponenten /', m', n folgt bei Existenz einer
Potentialfunktion der körperlichen Kräfte aus (245), analog wie (50"),
dV jrdu' , rdu' , ,öt*'
-TT = t -^ h ^ "ä r n -5—
ox ay ax
dt
dm'
~dt
dn'
= * — h vfi -5-^ -f- n
dx
dy
dx
= l — 1- m -5^ + n
+
AI',
+
2q
Am',
+
<h
0 »
An'.
246'")
dt ' dx ^ '" dy ^ " dx
Dies zeigt, daß der Fundamentalsatz für Wirbelbewegungen in
reibenden Flüssigkeiten seine Gültigkeit verliert, daß nämlich die
einzelnen Teilchen Wirbelbewegungen erhalten und verlieren können.
Die Hauptgleichungen (245) lassen sich auch filr den einfach-
sten Fall stationärer Bewegungen nur in sehr wenigen Fällen streng
integrieren, so für die Strömung zwischen zwei koaxialen Kreis-
cylindern parallel deren Axe und parallel deren Grundlinie, — zwei
Probleme, welche mit wichtigen Methoden zur Bestimmung der
Reibungskonstanten o, und a in Zusammenhang stehen. Die Schwie-
rigkeit liegt besonders in den in u, r', w quadratischen Gliedern
und fällt zum Teil hinweg, wenn man sich auf so kleine Ge-
schwindigkeiten beschränkt, daß jene Glieder neben den linearen
vernachlässigt werden können. Man erhält dann aus (245), falls man
p I Q = n und a^ I 2q = cc setzt,
du' yr dH . . ,
Ör' yr dir . . r
dt dy ^
dw' y dH . . ,
dt
du'
+ |^' + 4^ = 0.
247)
in
dx ' dy ' dx
Wegen der linearen Gestalt dieser Gleichungen kann man wie
der Elasticitätslehre verfahren, die Abhängigen, hier also
77, tt', ü, tt?', in je zwei Teile zerlegen und den ersten nur der Ein-
wirkung der körperlichen Kräfte gemäß bestimmen, mittels des
YoiQT, TheoretUehe Phjsik. 80
466 IL TeiL Mechanik niekUtarrer Körper, V, Kap.
zweiten aber die Oberflächenbedingungen erfüllen. Sind die körper-
lichen Kräfte zeitlich konstant, so können wir für ihre Behandlang
die Bewegung als stationär betrachten.
Die Hauptgleichungen nehmen aber bei stationärer Bewegung,
falls man die Komponenten von Kraft und Geschwindigkeit wie toher
zerlegt, die folgende Gestalt an:
248)
8(0 + 11) ,dN_ ÖM _ (dF dW
dx '^ dy dx " ^^ \dx "*" ö
W dV\
y dx)'
dy '^ dx dx^^^[dy'^dx dx)'
dx '^ dx dy "^^[dx"^ dx dy)'
A F n dU.dV.dW ^
woraus die partikulären Lösungen
( (* + /7) = Const
folgen; filr letztere Formeln kann man nach (61'") auch schreiben:
248") -2aZ'=^, -2am'=M, -2an'=iV.
Die erste Gleichung (248') bestimmt 11 vollständig, wenn dasselbe
für eine Stelle gegeben ist; die übrigen drei lassen sich nach be-
kannten Methoden integrieren und liefern in einer unendlichen Flüssig-
keit, wenn überdies nach S. 283 JP = 0 ist, die vollständige Lösung.
Sind aber Begrenzungen vorhanden, so geben diese Ausdrücke
nur den einen Teil der Geschwindigkeiten «', »', w und der l!\uik-
tion 77; der zweite hat den Gleichungen
^ dx dy ' dx ^ dx dy ^ dx
und dazu den Grenzbedingungen unter Rücksicht auf die von den
ersten Teilen gelieferten Beiträge zu genügen. Die Grenzbedingungen
nehmen ihre einfachste Form an, wenn die Begrenzung durch irgend-
wie bewegte und von der Flüssigkeit benetzte Wände gebildet wird;
hier schreiben sie direkt die Werte der drei Geschwindigkeitskom-
ponenten für die Flüssigkeit vor.
Daß sie neben den Hauptgleichungen (249) zur Bestimmung
der Uf V, w genügen, ergiebt sich leicht; multipliziert man die
Formeln (249) resp. mit «' , v\ w', integriert sie über den von der
Flüssigkeit erfüllten Raum und addiert die Resultate, so erhält man,
falls V die innere Normale bezeichnet, wegen 19- = 0
§ 3L Feste Körper mit innerer Reibung, 467
j \u'cos{v,x) + t;'co8(i',y) + M?'cos(f^,z) Udo
= ^ J r TTT + ^ ö7 + "^ -dV) ^' f 249')
- aC{eu + 0V + 0w')dk.
Hieraus kann man aber nach früheren Methoden schließen, daß bei
gegebenen Randwerten von «', »', w' durch die vorstehenden Gleichungen
u, V, w für alle Stellen der Flüssigkeit bestimmt sind.
Ist tt', t?', w gefunden, so folgt 77 aus (249) durch eine Quadratur
bis auf eine additive Konstante, und diese bestimmt sich, wenn sein
Wert für irgend eine Stelle vorgeschrieben ist
Eliminiert man 77, so giebt (249) bei Einführung von 7^, U, V, W
aJ^=o, AA «7= aa ?"= AA »^=0,
ÖO- ÖF ÖJ^_^ 249")
und die Grenzbedingungen schreiben die Werte von
«'=— 4-^-— r'=— 4- — -— vi^^—-^ — — — 249'"^
bx by dx^ dy dx dx^ dx dx dy '
vor; es existiert keine allgemeine Methode, die Unbekannten ihnen
gemäß zu bestimmen.
Sehr einfach wird dagegen das Problem in dem Falle ebener
Bewegungen, in welchem C7= F= 0, F und W von z unabhängig
sind, und die Formeln (249") die Gestalt annehmen:
Aj ^' = 0, Aa Aa ^ = 0. 249"")
Hier kann man nämlich die Oberflächenbedingungen auch bei der
Vereinfachimg F =0 befriedigen. Denn aus vorgeschriebenen
u imd V resp. dH^'/dy und dlVjdx folgt auch gegebenes dWjdn
und dlFjdsj falls s das Element der Randkurve bezeichnet; statt
des letzteren auch bis auf eine additive Eonstante gegebenes /T.
Um aber aus Aa Aj ^, ^ und d Wj dn für alle Punkte W zu finden,
ist S. 207 eine allgemeine Methode angegeben; das Problem ist hier-
durch also auf ein früheres zurückgeführt.
§ 31. Die elasÜBchen Oleichungen unter Bernoksiohtig^nng der
inneren Eeibung.
Zur Bestimmung der Bewegungen elastischer Körper unter
Wirkung der inneren Reibung ist der allgemeine Ansatz (240) mit
den in § 2 gegebenen Sätzen über die Druckkräfte in nichtstarren
30*
470 //. Tetl. Meckamk niehtatarrer Körper. V, Kap.
ist, was u. a. dann gilt; wenn seine Axe eine zwei- oder mehr-
zählige Symmetrieaxe ist. Dann sind die drei durch /', m und n
gegebenen Bewegtingen Ton einander völlig unabhängig, und man
kann die träge Masse jedesmal um eine bestimmte feste Axe drehbar
anbringen. Ist sie z. B. mit dem Ende z = z^ des Stabes fest ver-
bunden und um die ^-Axe drehbar, so ist ihr Drehungswinkel n^
gegeben durch Zj n' = n^ , und es gilt
251") gK.^=-iV,
worin 9K^ das Trägheitsmoment der Masse SK um die Z-Axe bezeichnet.
Die Elimination von N aus der letzten Gleichung (250'") kann also
in derselben Weise stattfinden, wie oben diejenige von C, Dasselbe
Verfahren ist auf L und M anwendbar. —
Um beliebige Schwingungen eines unendlich dünnen cylindrischen
Stabes unter Berücksichtigung der inneren Eeibung zu behandeliL
kann man, wie in § 24, jedes Längselement als gleichförmig gespannt
betrachten und auf dasselbe die Formeln (250") und (250"') an-
wenden, in denen nun c', /', m, n Funktionen der Zeit und des
Ortes auf der Stabaxe sind.
In dem wichtigsten speziellen Falle, daß die Verrückungen und
Drillungen der einzelnen Stabelemente unendlich klein sind, ist, wie
in (199') gezeigt,
252) ' = -ä^, '»=äl?' "=äi' ' = Ji^
und da nach (200') außerdem, wenn körperliche Kräfte nicht wirken.
252')
d^w Bö oö«n BN
ist, so kann man nach geeigneter Differentiation nach z in (250")
statt Lj M, C, N überall u, Vy. lo, n einflihren und so die allgemeinen
Bewegungsgleichungen für einen unendlich dünnen Stab bei Rück-
sicht auf die innere Reibung bilden.
Dieselben nehmen für isotrope Stäbe relativ einfache Formen
an und lauten dort:
^ _ ^s^ cO)^!^ ö^» _ ^ / 1 \\ ^^ a^' + ^n
Die Summen sind hier, wie früher, von j = 0 bis j = cx) zu nehmen.
252")
§ 32, Ebene Wellen fW einem unendHohen Medium. 471
aber fbr die Anwendung nach einer endlichen Anzahl von Gliedern
abzubrechen.
Für den Fall einer Saite kommen zu den beiden ersten For-
mehi(2520 rechts nur noch die Glieder r{d*u)l{dz^ und r{d^v)l{dz^
hinzu, wo F die Längsspannung bezeichnet.
Die Theorie der gedämpften Schwingungen von Platten läßt
sich in ähnlicher Weise entwickeln, bietet aber geringeres Interesse.
§ 32. Ebene Wellen in einem unendlichen elastisohen und
absorbierenden Medium.
Die im allgemeinen sehr komplizierten Gleichungen, die den
Einfluß der inneren Eeibung auf die Bewegung elastischer Medien
darstellen, nehmen eine relativ einfache Form an, wenn es sich um
rein periodische Bewegungen handelt. Hier kann man für ti,v,w
den reellen Teil von Ausdrücken von der Form
2nit
u = e "^ f(^>y;^) 253)
setzen, oder, da aUe Gleichungen linear sind, mit diesen Ausdrücken
selbst rechnen, wenn man nur am Schluß sich auf den reellen Teil
beschränkt Dabei mögen hier und weiterhin komplexe Größen
durch deutsche Buchstaben bezeichnet werden.
Es gilt dann
afu^/2^y ^^/2^y, öitt,^/2^y
und man kann statt des Ansatzes (240) schreiben, indem man die
von u, \), m statt von u, v, w gebildeten Deformationsgrößen und
Drucke angemessen bezeichnet und die Dichte q als Faktor vorzieht,
- (XJ = P(«iiJ«+ ^12^.+ ®i8Sz+ S:,,l,.+ (£1,8,+ ©lefy); , ^^^,,,
1
hierin sind die S^,^ komplexe Größen, die wir nach der Formel
S:ä*=C« + 'C\» 253'")
in den reellen und imaginären TeU zerlegen, und die definiert sind
durch
CeA*=5;'^l(^T' 253"")
worin J = 0, 1, 2, . . . ist
472
II. TdL Mechanik niehistarrer Körper. V. Kap.
Für ein beliebiges krystallinisches Medium nehmen dann, wenn
man wieder von körperlichen Kräften absieht, die Hauptgleichungen
(243) die folgende Form an:
254)
+ (®14 + ^66)
+ (ex,+ ea.)älT,
+(®«+®«*)ä?fe+(®«.+®«)ä?^
+ ®:
66 ö
''". + e,X" + <^«S^ + (<^.8+eJä7£
a;'
öy
+ (®e3+eJä^ + (<5e.+ eJä^,'
ö«m
+ (©,1 + e„)^, + (©., + (£„), -^
+ e,
6« ÖX
öy'
s*a»
''Uieas+Sj''"
dy d»
Wir woUen sie benutzen, um die Fortpflanzung ebener Wellen
zu untersuchen, und zwar zimächst in einem allseitig unbegrenz-
ten elastischen Körper. Da hier die Koordinatenaxen vollständig
§ 32, Ebene Wellen in einem unendlichen Meditmi.
473
willkürlich sind, so kann man die Z-Axe in die Wellennormale legen
und erhält hierdurch sogleich yiel einfacher:
44 ß^2 +®43 ö^. J
254')
Setzt man nun zur Integration
u = a8(^--j), ü = bg(^-^), w = cS(^--^), 255)
worin
0 =
Ct)
1 -»JC'
a = a + la*, b = /9 + i/?', c = y + if
ist» so giebt (253)
255')
255")
Dieser Ansatz stellt eine in ebenen Wellen mit der Geschwindig-
keit a> längs der ^Axe fortschreitende Bewegung dar, deren Ampli-
tude mit
2nx»
proportional ist; x führt darin den Namen des Absorptions-
koeffizienten.
Aus den Gleichungen (254') wird durch das Einsetzen dieser
Werte
o = a(e:56-o^ + b(ä:,, + c®„, j
0 = a®« + b(e,, - 0^ + c (£43, 256)
o = ae3, + be3, + c(e33-o^J
Diese Formeln bestimmen a : b : c und 0.
In dem speziellen FaUe, daß die Eonstanten ^ der Bedingung
®** = e»*
genügen, stimmt das System (256) mit demjenigen überein, welches
die Lage und Größe der Maxima und Minima der Funktion
o*=e66ö'+®44«>*+®33c'+2e,3bc + 2e:3,ca + 2®3,ab 256')
bestimmt.
474 II, Teil Mechanik mehtstarrer Körper, V. Kap,
I/o kann hiemach als der Eadiusvektor r in einem gewissen
komplexen dreiaxigen Ellipsoid aufgefaßt werden, welches durch die
Konstanten des elastischen Mediums, durch die Periode der fort-
gepflanzten Schwingungen und durch die Richtung der Wellen-
normalen bestimmt ist; a, 6, c stellen die komplexen £ichtungs-
kosinus von r dar.
Dies komplexe Ellipsoid wird zu einem reellen, wenn in den
Eonstanten ®^j^ die imaginären Theile C^k verschwinden, also 6jkk= C^jt
wird; dies ist der Fall, wenn die Konstanten K^^^ ^^ ungerades r
gleich Null sind, also nach S. 460 nur Energie erhaltende Kräfte
wirken. Hier kann man nämlich den Gleichungen (256) durch reeUe
a, b, c und o genügen und daher a = a, b = ß, c = y, o = « und
X = 0 setzen. Zugleich werden die Verrückungskomponenten UjV,tp
mit a, ß, y proportional, und, da letztere von der Zeit nicht abhängen,
so finden in diesem Fall die Schwingungen in geraden Linien statte
sind, wie man sagt, geradlinig polarisiert; die Schwingungs-
richtung, wie auch die Größe der Fortpflanzungsgeschwindigkeit ro
ist von den Konstanten des Mediums, der Scliwingungsdauer und der
Lage der Wellennormalen abhängig. ^^^
Die Existenz des hier aus (256^) resultierenden reellen EUlipsoides
256") «*= C,,a2-H C,,/9*+ (733^2+ 2C,3/9y+ 2(73,/«.}. 2C,^aß
spricht dabei den Satz aus, daß jeder Wellenebene drei im all.
gemeinen verschiedene Fortpflanzungsgeschwindigkeiten und drei zu
einander normale Schwingungsrichtungen zugehören.
Die eine dieser Schwingungsrichtungen ist streng longitudinal,
die anderen streng transversal, wenn eine Axe des Ellipsoides in die
^-Axe fällt, d. h.,
ist
Dies findet jedenfalls — aber nicht allein — dann statt, wenn
die ^Axe eine irgendwie vielzählige Symmetrieaxe des Krystalles ist.
Die beiden transversalen Wellen besitzen gleiche Fortpflanzungs-
geschwindigkeiten, wenn zugleich das Ellipsoid ein Botationsellipsoid
um die iT-Axe ist, d. h., wenn gilt
q^,= c,, und c;,= o.
Dies findet immer — aber nicht allein — dann statt, wenn die
Zähligkeit der ^Axe eine höhere, als zwei ist. In diesem Falle
sondern sich also die beiden transversalen Schwingungen nicht bei
der Fortpflanzung, woraus folgt, dass jede beliebige transversale
Schwingung sich parallel jenen Eichtungen ungeändert fortpflanzt.
§ 32, Ein Medium ohne Absorption, 475
Wegen dieser Eigenschaft könnte man die elastischen Symmetrie-
axen von höherer Zähligkeit, als zwei, und die Eichtungen, welche
etwa sonst noch die obigen Erscheinungen zeigen, um eine in der
Optik gebräuchliche Bezeichnimg zu übertragen, Schwingungsaxen
nennen.
Das Hilfsellipsoid (256") kann auch über die Abhängigkeit der
Geschwindigkeiten und der Schwingungsrichtungen von der Richtung
der Wellennormalen Aufschluß geben, wenn man die C^^^ durch die
auf irgend ein absolut festes Koordinatensystem bezogenen Haupt-
konstanten C^jt ausdrückt, wie dies auf S. 334 gezeigt ist Noch
einfacher erhält man jenen Zusammenhang, wenn man statt des
obigen Wertes (255") für g mit x = 0 den allgemeineren
g = ^e"^n'"^>', 256")
worin r = Ix + fiy + vz ist und A, fi, v die Eichtungskosinus der
Wellennormale r bezeichnen, in die Hauptgleichungen (254) einführt
Das allgemeine dadurch erhaltene Resultat ist außerordentlich kom-
pliziert und nur bei den höchstsymmetrischen Bj7stallsystemen zu
übersehen. Wir wollen uns darauf beschränken, das Verhalten von (o
und a, ß, y in der Nähe gewisser Schwingungsaxen, welche
mit der Z-Axe zusammenfallen mögen, zu untersuchen.
Damit die Z-Axe eine Symmetrieaxe von höherer Zähligkeit,
als zwei sei, ist jedenfalls erforderlich, daß gilt
^11 = ^32 J ^13 = ^28 y ^44 = ^ß6 5
ist die Zähligkeit höher, als drei, so muß auch noch C^^, C^^, C^^,
Cgg, C^j C^Q verschwinden.
Femer ist, wenn die Wellennormale der iZ'-Axe unendlich nahe
liegt, X und fi von erster Ordnung, v bis auf zweite Ordnung
gleich Eins.
Schließt man Größen zweiter Ordnung aus, so erhält man hier-
nach aus (254)
+ y(^i3+^44)^.
0^(^{{C,e+C,,)fi + {C\^+CJk)+ß{C^+2C,,fi + 2C,,X--co^
0 = («A + ßfi){C,, + CJ + y{C,, - co^) .
476 //. Teil Mechanik nichtstarrer Körper. V. Kap.
Für die transversalen Wellen ist y eine Größe erster Ordnimg
denn die Schwingungsrichtung liegt der Xr-Ebene unendlich nahe;
das letzte Glied in den ersten beiden Gleichungen ist für sie also
zweiter Ordnung und deshalb zu vernachlässigen.
Wendet man das Resultat auf eine vier- oder sechszählige Axe
an, so erhält man sehr einfach
was für beide transversale Wellen
ergiebt Hieraus folgt, daß die beiden Flächen, welche man erhält,
wenn man cj auf der Sichtung der Wellennormalen aufträgt, in der
Z'Axe eine der ZZ-Ebene parallele Tangentenebene haben, sich dort
also berühren, wenn die Zähligkeit der Z-Axe vier oder sechs ist
Dies findet ersichtlich nicht statt, wenn die Axe dreizäJilig ist,
dort schneiden sich also die beiden Flächen.
Die dreizähligen Schwingungsaxen haben also einen merklich
anderen Charakter, als die vier- oder sechszälüigen; eine Ver-
schiedenheit, die sich in der Optik bei den Axen der einaxigen und
der zweiaxigen Medien ähnlich wiederfindet —
Gehen wir mm zu dem allgemeinen Falle komplexer (J^^^ zurück,
so resultieren dort auch komplexe n, D, c und o; daraus folgt, daß
hier die Bewegung in jeder Welle nicht geradlinig, sondern ellip-
tisch ist. Wir können nämlich setzen
257) a = ae»v, b == be'^ , c = cc*'^,
worin a, ä, c, y, yj, x reelle Konstanten sind, und dadurch die Kom-
ponenten Uy V, w auf die Form periodischer Funktionen mit um
gewisse Konstanten verschiedenen Phasen bringen; solche setzen sich
aber jederzeit zu elliptischen Bewegungen zusammen, deren Bahn-
gleichungen man durch Elimination der Zeit leicht bilden kami.
Femer erhalten wir hier gedämpfte Schwingungen, insofern die
Amplituden mit wachsendem z in geometrischer Progression abnehmen.
Für den reellen und den imaginären Teil von o^, d. h. für
fa)«(l-x») j 2g)»x
(1 + X«)« (1 + 7(Y '
liefern die Gleichungen (256) nach Elimination von aißiy zwei
kubische Gleichungen, die aus
§ 32. Reflexion und Brechung ebener Wellen, All
0 =
2^35 ^Z, (K33-0')
257')
durch Sonderung des Beeilen und des Imaginären erhalten werden.
Diese Formeln sind im allgemeinen überaus kompliziert und
geben im allgemeinen mehr als drei Wurzeln für co^, also auch mehr
als drei in einer jeden Eichtung sich fortpflanzende Wellen. Eelativ
einfache Gestalt nehmen sie an, wenn die imaginären Teile der
Konstanten ^j^j^ klein gegen die reellen, und demgemäß x klein
neben Eins ist Dann wird nämlich der reelle Teil bis auf Glieder
zweiter Ordnung dieselbe Gestalt annehmen, als wenn gar keine Ab-
sorption stattfände, es gelten also für die Fortpflanzungsgeschwindig-
keiten die oben angegebenen Sätze. ^^^ —
Die im Vorstehenden behandelten Lösungen für u, ö, xo lassen
sich leicht in der Eichtung erweitern, daß der reelle und der imaginäre
Teil des Exponenten von e verschiedene lineare Funktionen der
Koordinaten enthält, indem man setzt
8 = ^«v['('-^) --<„-], 257")
wo nun r ^ Xx + iiy -\- vz^ r^ z== V x + ^jü y + v* z und sowohl
A*+ ju^+ 1^*= 1, als X^+ jia'*+ 1^'^= 1 ist. Hier ist dann also in
den Ebenen r = Const. die Phase, in den Ebenen r'=Const die
Amplitude die gleiche.
Derartige Lösungen kommen u. a. zur Geltung, wenn eine
ebene Welle mit konstanter Amplitude, in einem nicht absorbieren-
den Medium fortgepflanzt, auf die ebene Grenze fallt, welche dies
Medium von einem absorbierenden trennt. Die in dem zweiten
Medium erregten Wellen haben dann notwendig jene allgemeinere
Form.
Die Grenzbedingungen, welche den Vorgang der Eeflexion und
Brechung an der Grenze zweier elastischer, ev. mit innerer Eeibung
behafteter Medien (1) und (2) regeln, sind in § 30 allgemein angegeben.
Legen wir die XJT-Ebene in die Grenze, so lauten dieselben
Ui^Ug, t),=:02, lüi^m^, 2
(x.)i=(3y«, C)i=(f:)2, (3:)i=(s:)2-
Ihre allgemeine Verwertung liefert ungemein komplizierte For-
meliiy die bisher noch geringes Interesse erwecken. Einige wichtige
Eesultate sind aber ohne alle Eechnung zu erhalten.
478 //. Teil. Mechanik nichtstarrer Körper. V. Kap.
Die Grenzbedingungen sind BärnÜich linear, daher kann man
auch bei dem Problem der Eeilexion und Brechung mit den kom-
plexen Ansätzen (257) rechnen und braucht nur am Ende den
imaginären Teil zu beseitigen.
Die für die reflektierten und gebrochenen ebenen Wellen neben
der für die einfallende in die Grenzbedingungen einzusetzenden
partikulären Lösungen müssen jene Gleichungen zu jeder Zeit und an
jeder Stelle der Grenze z = 0 erfüllen. Hieraus folgt aber, daß in
ihren Exponentialgrößen t^ x und y allenthalben denselben Faktor
haben, daß also
1 X fi xX* xju'
T ' CJ ' Ol ' ft) ' Ol
für alle Wellen den gleichen Wert besitzen müssen.
Aus der ersten Beziehung folgt, daß die Schwingungsdauer
durch Reflexion und Brechung auch in dem hier vorliegenden, so
allgemeinen Falle nicht geändert wird; die beiden folgenden ent-
halten das Brechungsgesetz für die Ebenen gleicher Phase, die
beiden letzten ein analoges für die Ebene gleicher Amplitude. Hier-
bei ist nicht zu übersehen, daß die Nenner co selbst im allgemeinen
Funktionen der Sichtungen der Normalen auf den betr. Ebenen sind
und von der Schwingungsdauer t abhängen; letzteres bewirkt Erschei-
nungen, welche der Dispersion in der Optik entprechen.
In dem speziellen Fall, daß die Wellennormale der einfallenden
Welle in die X^-Ebene fällt, ist für alle Wellen des Systemes
jti = 0, liegen also alle Wellennormalen in der Z^-Ebene.
Ist noch spezieller das erste Medium frei von Absorption, so
ist in ihm x = 0, es muß also für das zweite Medium, wenn wegen
dort vorhandener Absorption x nicht verschwinden kann, notwendig
r = jit' = 0 und r' = 1 sein; d. h., die Ebenen konstanter Amphtude
müssen daselbst parallel der Grenze liegen.
§ 33. Benehungen zur Theorie des LiohtoB.
Die im vorigen Paragraphen beschriebenen Vorgänge haben so
große Ähnlichkeit mit den bei der Fortpflanzung des Lichtes
innerhalb krystallinischer Körper beobachteten, daß es nahe liegt,
die letzteren als in Schwingungen eines Mediums bestehend anzu-
sehen, welches sich im Krystall befindet und sich der Erystallsub-
stanz ähnlich verhält, indessen nicht mit ihr identisch sein kamu
weil die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes unvergleichlich
§ 33. Beziehungen zur Theorie des Lichtes, 479
viel größer ist, als sie sich für nicht absorbierende Medien aus der
Dichte und den Elasticitatskonstanten des Erystalles nach den
Eesultaten des vorigen Abschnittes berechnet. Dieses hypothetische
Medium bezeichnet man als den Lichtäther.
Da nach dem Obengesagten flir den Äther Gleichungen von
der Form der in (254) gegebenen gelten sollen, und da diese
Gleichungen für das Quadrat der Fortpflanzungsgeschwindigkeit co
Werte liefern, welche gegeben sind durch lineare Funktionen der
allgemeinen elastischen Konstanten, dividiert durch die Dichte des
Mediums, so wird man aus den beobachteten enormen Lichtgeschwin-
digkeiten in allen bekannten Körpern auf eine sehr geringe Dichte
und eine sehr große elastische Widerstandskraft des Äthers schließen
müssen.
Außerdem wird man dem Äther eine Eigenschaft beilegen
müssen, die das Zustandekommen gewisser Wellen verhindert, welche
von den obigen allgemeinen Formeln gefordert werden, aber der
Beobachtung nicht entsprechen.
Beobachtungen verschiedener Art haben mit großer Schärfe den
Nachweis dafür geliefert, daß ebene Lichtwellen mit konstanten Am-
plituden in isotropen Medien nur transversale Schwingungen ent-
halten können, und machen es wahrscheinlich, daß sie in krystallini-
schen Medien streng oder wenigstens nahe transversale Bewegungen
ausführen. Da nun die longitudinalen Schwingungen jederzeit von
Kompressionen und Dilatationen begleitet sind, so werden erstere
nicht zu Stande kommen, wenn die letzteren durch irgend einen
umstand unmöglich gemacht werden. Dies drückt man, ohne sich
über die Ursache der Erscheinung zu äußern, analytisch dadurch
aus, daß man die Verrückungskomponenten u, v, to der Bedingung
^=fl^ + ä^ + ä^ = 0 258)
unterwirft ^^) Diese Bedingung kann natürlich neben den drei all-
gemeinen Bewegungsgleichungen (243) durch die drei Funktionen
M, V, w nur dann erfüllt sein, wenn von den letzteren drei Formeln
die eine mit Hilfe der Gleichung & = 0 aus den beiden anderen
folgt, d. h., wenn die Koeffizienten der Kräfte (ZJ, . . . (X) gewisse
Bedingungen erfüllen.
Diese Bedingungen folgen aus (243), wenn man die drei Formeln,
in denen man nach dem Früheren die körperlichen Kräfte X, T, Z
gleich Null setzen kann, nach x, y, z differentiiert und addiert und
in dem so resultierenden Ausdrucke:
480
//. TeiL Mechanik niektstarrer Kärper. V. Kap.
2580
I»-äC
da;
+
d KZ,)
X
dy
Bx
P(^x) , «(^v)
+
+
^M]
dx\ dx ' dy ' ö* / '
die Faktoren der unabhängigen Diflferentialquotienten der Ver-
rückungen fiir sich gleich Null setzt ^^^) Dabei ist zu berücksich-
tigen, daß wegen der Willkürlichkeit des Gesetzes der fortgepflanzten
Schwingungen verschieden hohe Differentialquotienten der Ver-
rückungen u, V, w nach der Zeit Toneinander unabhängig sind,
von den gleichen Differentialquotienten nach der Zeit aber eine
größere Zahl durch die Bedingungen verknüpft ist, w^elche aus
& = 0 durch Differentiation nach den Koordinaten und nach der
Zeit hervorgehen. Es sind dies, wenn der Kürze halber
gesetzt wird, allgemein die Formeln:
' dx^ öy* "~ dx^ ~~ dydx dxdx ~ dxdy
sie ergeben, daß von den 30 dritten Differentialquotienten von u'J',
t?0"), ifyCO nur 24 voneinander unabhängig sind, woraus folgt, daß für
jedes System von Konstanten c^J^ sich 24 Bedingungen aus der
Gleichung i^* = 0 ergeben müssen.
Diese führen auf folgendes System von Werten der Koeffizienten
ö" &^^'^ ö« &^'^
= 0;
259)
'
d\
^Vy
dh.
d'y.
dh^
d^x^
dfi
ö^'
et^
dfi
di^
dt^
-X0-)
X
0
-2cü)
66
- 2c<-i)
66
-2d})
66
0
0
— Y(J)
y
66
0
-2cO")
44
0
-2cO0
64
0
s
_2c<A
66
-2cO')
44
0
0
0
45
— 7(y)
s
66
0
0
44
46
•4
X
0
-2cO-)
64
0
46
66
SS
'■ y
0
0
_2c<Ä
46
64
66
66
Es ist bemerkenswert, daß für die allein übrigen Koefiicienten
die Beziehung
kh hk
gilt, daß sonach Kräfte der auf S. 460 als vierte bezeichneten Art
§ 33. Bezeichnungen xur Theorie des Lichtes. 481
durch die Einführung der Inkompressibilitätsbedingung unmöglich
gemacht werden.
Die Bewegungsgleichungen (243) oder (254) nehmen bei Ein-
führung dieser Vereinfachungen und unter Benutzung der Ab-
kürzungen
I
_ , /Ott) öö\ ^_i(Bvi dto\ ^ ,/öö du\
in welchen u, ö, W die schon S. 471 eingeführten komplexen Ver-
rückungskomponenten bezeichnen, die Gestalt an^^^;
dt*^dx[dm) dy\dn)' dt^^öxydn) dx\dl)'\
worin
ffi = ©44 1^+ e„m*+ ©ee"'- 2(6:56««» + ©64«^ + ®45tnO 259")
ist, und die S^^^ die in (253"") definierten komplexen Funktionen der
Schwingungsdauer t bezeichnen.
Für jedes t, d. h. für jede Farbe, läßt sich ein Koordinaten-
system angeben, auf welches bezogen der reelle, und eines, für welches
der imaginäre Teil von (E^g, ©^4, ©4^ yerschwindet; diese Axen wird
man als die Symmetrieaxen der konservativen und der absorbierenden
Kräfte für das bestimmte t bezeichnen können. Verschwinden die
absorbierenden Kräfte, oder fallen nach den allgemeinen Symmetrie-
verhältnissen des Krystalles beide Axensysteme zusammen, so müssen
die Erscheinimgen der Fortpflanzung von Schwingungen symmetrisch
in Bezug auf die durch jene gegebenen Koordinatenebenen verlaufen,
wenn die Erregungen symmetrisch zu ihnen stattfinden. Im allge-
meinen Falle hingegen besitzen sie derartige Symmetrieebenen nicht.
Die Formeln (259') und (259"), welche das Eesultat der Ein-
führung der Bedingung i?* == 0 in die allgemeinen Gleichungen (254)
sind, gestatten die Ableitung aller bekannten Erscheinungen, welche
die Fortpflanzung von Lichtwellen innerhalb durchsichtiger oder
absorbierender, z. B. farbiger, Krystalle begleiten, und verbinden
daher diese Vorgänge nahe mit denen der Elasticität und der
inneren Beibung. Ihre Behandlung wird in dem letzten Teil dieses
Buches vorgenommen werden. —
Während die Ableitung der obigen Hauptgleichimgen der Optik
aus den Vorstellungen dieses Teiles überaus glatt und einfach möglich
war, bietet diejenige der Grenzbedingungen eine eigentümliche
Schwierigkeit
Voigt, Theoretische Physik. 31
482 //. Teil. Mechanik nicktstarrer Korper, F. Kap,
^ Nachdem durch die Einführung der Bedingrung d* = 0 die An-
zahl der in einer Richtung fortgepflanzten Wellen reduziert ist, so
daß sie in durchsichtigen krystallinischen Medien nunmehr zwei betragt
ist es nämlich nicht mehr möglich, den für die Grenze zwischen zwei
zusammenhängenden nichtstarren Körpern geltenden aUgemeinen Be-
dingungen ______
260) Wi = t£2, üi = Va, iri=tt?a,
2600 {X\ + (X)2= (XX + (Y:\ = {X\ + (^)a = 0
durch sie zu genügen; denn mit den vier Konstanten der beiden
reflektierten und der beiden gebrochenen Wellen, die zu einer ein-
fallenden gehören, kann man nicht sechs Gleichungen befriedigen.
Daß die Grenzbedingungen fQr die im Äther fortgepflanzten
Bewegungen mit den für die Schwingungen der ponderablen Körper
gültigen nicht übereinstimmen, kann an sich allerdings nicht Wunder
nehmen, da der in der Trennungsfläche stattfindende Vorgang in
beiden Fällen ein ganz yerschiedener ist.
Mit den schwingenden ponderabeln Körpern bew^egt sich auch
die Grenzfläche selbst, bei Ätherschwingungen steht infolge des
Ruhens der ponderabeln Teile die Grenzfläche zwischen zwei hetero-
genen Bereichen fest, und die Bewegung fuhrt wechselweise Äther
in der einen und der anderen Richtung durch sie hindurch.
Daher kann man zwar die beiden ersten Bedingungen (260)
für optische Probleme ungeändert beibehalten, wenn man einen
festen Zusammenhang zwischen dem in beiden ponderabeln Körpern
befindlichen Äther annimmt; statt der letzten aber wird, wenn die
Dichte Q in beiden Körpern verschieden ist, d. h., der Äther sich
in verschieden komprimiertem Zustande befindet, die Gleichung
I ■ Qi[ui00s{v,x) + v^cos{v,y) + w^cos{v,z]
l = e« [^3 cos (i;, ar) + v^cos{v,y) + w^cos{Vjz\
einzusetzen sein, welche ausdrückt, daß in der Grenzfläche das auf
der einen Seite eintretende Quantum dem auf der anderen aus-
tretenden gleich sein muß.
Auch die Bedingungen fftr die Drucke (260') nehmen unter
den Vorliegenden Verhältnissen andere Gestalt an. Denn der Äther
wird hier nicht nur unter der Wirkung innerer Kräfte stehen, sondern
auch unter der Wirkung solcher, die von der ponderabeln Masse
ausgehen, und wenu die letzteren sich auch nach Symmetrie im
Innern eines homogenen Körpers zerstören, so werden sie doch in der
Grenze, entsprechend der Unsymmetrie der diesseits und jenseits
§ 33. Die Qrenxbedingungen der Optik.
483
verschiedenen Masse, einen Grenzdruck erzeugen, dem verwandt,
der auf S. 222 eingeführt ist.
Hiemach werden an die Stelle der Gleichungen (260") die all-
gemeinen (14'") zu setzen sein, welche lauten:
(a;), + (^), + x,^ = (i;)i + (7,), + 1^3 = {z;), + {Z\\ + ^, = o. 2m")
In ihnen sind allerdings die Xj^, Y^^, Z^^ unbekannt und erfordern
zu ihrer Bestimmung spezielle Annahmen, die als einigermaßen
willkürlich am besten vermieden würden.
Man umgeht dergleichen, indem man als Erfahrungsthatsache
benutzt, daß in der Grenztiäche selbst, auch zwischen zwei absor-
bierenden Medien, Energie der fortgepflanzten Scliwingungen nicht
verloren geht. ^^^ Dies kann man einerseits aus optischen Messungen
schließen, sicherer noch aus der Beobachtung, daß in der Grenze
keine Wärmeentwickelung stattfindet, die zu erwarten sein würde,
wenn daselbst optische Energie verschwände, ein Umsatz, der im
Innern absorbierender Körper in der That stattfindet.
Um diesen Gedanken analytisch zu formulieren, bilden wir die
Gleichung der lebendigen Kraft für ein System von Körpern, welche
Äther enthalten. Wir erhalten dieselbe einmal, indem wir die
Gleichungen (243) mit den Faktoren
dx ,1 dy jy dx j,
dt^^^ rf7''*' rfV''*
zusammenfassen und das ßesultat über das System integrieren, in
der Form:
^ = - 2/ ^^) «' + ^y;) V + {z;) w'
do
+
2/ [W'i + (2;)y;+ (^.)^;+ {r.)y;+(4)4+ (X,)x^
dk.
261)
Sodann können wir sie auch erhalten, indem >\'ir das System (259')
nach Zufügung des Faktors q analog hehandeln und von dem Resultat
den reellen Teil nehmen; in der komplexen Form schreiht sie sich
ä7 = ^P
J[(^,,-C08K^)--^--C0S
+
^.,-cos(»',ar)
öl
+ _cos(i.,y)-g-^co8
[v, 2) j V
(V, :r) j to
do
-2 2(,/(
31
261')
484 n, TeiL Mechanik niohtatarrer Körper, V, Kap.
V bezeichnet hierin die äußere Normale auf der Begrenzung des
betrefifenden homogenen Teils des Systemes; von den unter dem
Summenzeichen stehenden Oberflächenintegralen beziehen sich immer
zwei Anteile auf dasselbe Flächenstück.
Diese beiden Zerlegungen in ein Kaum- und ein Oberflächen-
integral sind im allgemeinen verschieden; die Oberflächenintegrale
sind aber gleich, wenn u, v, w in der Grenze Funktionen derselben Funk-
tion von t, X und y sind, wie dies nach S. 478 bei den Problemen der
Reflexion und Brechung der Fall sein muß. Die Eaumintegrale sind
beide von der Form, welche S. 459 betrachtet ist, und werden durch
die angenommenen Kräfte, soweit sie konservativ sind, zu vollstän-
digen Diflferentialquotienten nach der Zeit, soweit jene absorbierend
sind, zu wesentlich negativen quadratischen Formen gemacht
In betreff der Form (261) ist dies unmittelbar aus den Ent-
wickelungen in § 29 evident; in betreff der Form (261') erkennt
man es leicht, wenn man den Wert (259") von ® benutzt und be-
rücksichtigt, daß die imaginären Teile von I, m, n den ersten Diffe-
rentialquotienten von /, m, n nach der Zeit proportional sind.
Soll nun in den Grenzflächen bei den Schwingungen Energie
nicht verloren gehen, so müssen die Oberflächenintegrale entweder
die Form vollständiger Differentialquotienten nach der Zeit haben,
oder, da dies ersichtlich nicht möglich ist, verschwinden, und
zwar, da erfahrungsgemäß die einzelnen Oberflächenelemente von-
einander unabhängig sind, in ihren auf die einzelnen Elemente
bezüglichen Teilen für sich.
Betrachten wir also wie oben zwei Medien (1) und (2), die durch
die XZ-Ebene geschieden werden, so ergiebt dies
oder wegen i£/= u^% rj'== v^' auch
Bedenkt man, daß u, t?, w voneinander unabhängig sind, und ® alle
drei Größen enthält, so kann man hieraus schließen
Formeln, welche vereinbar sind mit der aus der dritten Gleichung
(259^) — bei Anwendung auf die Grenze und bei Berücksichtigung
von (260") — folgenden Gleichung
§ 33, Die Orenxbedmgtmgen der Optik. 485
Die Verhältnisse yereinfachen sich noch dadurch, daß die Verglei-
chung der aus diesen Gleichungen folgenden Resultate mit der
Beobachtung auf die Relation q^ = q^ fahrt, die sich mit der Grund-
vorsteDung eines innerhalb der verschiedenen Körper befindlichen
Fluidums von konstanter Dichte aufs beste verträgt Hierdurch er-
hält man das System von Grenzbedingungen ^®®)
aus ihnen folgt w^ = w^y was mitunter praktisch statt einer der
letzten beiden Formeln benutzt wird.
Diese Bedingungen sind höchst allgemein; sie gelten für isotrope,
wie für krystallinische, für durchsichtige, wie für absorbierende Körper
und fuhren auf der Erfahrung durchaus entsprechende Resultate. —
Die vorstehenden Betrachtungen gestatten noch eine Erweiterung,
indem man die von den ponderablen Massen auf den Äther in ihrem
Innern ausgeübten Kräfte nicht nur in die Grenzbedingungen, son-
dern auch in die Hauptgleichungen einführt; sie fallen dann unter die
in den allgemeinen Bewegungsgleichungen (243) auftretenden äußeren,
auf die Volumeneinheit bezogenen Komponenten Z*, T', Z^. Diese
Kräfte brauchen nämlich nicht allein von den Deformationsgrößen
x^, . . . X abzuhängen, sondern können Funktionen der Verschiebun-
gen M, v, w und aller ihrer Differentialquotienten sein. ^^®)
Beschränkt man sich, um nicht in durchsichtigen Körpern mehr
als zwei Wellen zu erhalten, auf nullte, erste und zweite Differential-
quotienten nach den Koordinaten und beliebige nach der Zeit, so
kann man diese sehr allgemeinen Ansätze, genau wie oben den
spezielleren, zunächst in absorbierende und in konservative Teile
zerlegen und sodann durch die Einführung der Bedingung t^* = 0
spezialisieren. Unter den so erhaltenen Resultaten befindet sich
naturgemäß das System (259) als spezieller Fall, außerdem geben
sie aber noch Formeln, welche die Ableitung der Erscheinungen
der natürlichen und der magnetischen Girkularpolarisation gestatten.
Wir wollen auf diese Betrachtungsweise nicht eingehen, sondern
eine andere anwenden, welche die gleichen Resultate auf einem
wesentlich einfacheren und anschaulicheren Wege liefert, überdies
mit früheren Entwickelungen in engem Zusammenhange steht
486
//. Teil. Mechanik nichUtarrer Körper. V. Kap.
§ 34. Medien ohne innere Kräfte; mechaniBche Analogie zn den
Gesetzen des elektromagnetischen Feldes.
Die allgemeinen Gleichungen (13) und (IS') auf S. 223 fiir nicht-
starre Körper, welche die Wirkungen von Drehungsmomenten L\ M*y N"
noch nicht ausschließen, lassen sich folgendermaßen schreiben:
262)
= Z'-
dx
-f
dy dx
dy
+
dx
0 = i'-
dL
X
dx
ÖL ÖL 1
worin
Y + Z
g ^ y yf y/
9 — ^« — ^yj
« y Y"
-Z''
gesetzt ist
Denken wir uns nun ein nichtstarres Medium, in dem Moment^n-
drucke L, . . . N, nicht wirken, so ist für dieses
262') 2 7,"= - r, 1Z';= - M\ . 2 j;'= - iV ;
sind auch noch die X,,, Yy, Z,, X^, X', . . . gleich Null, so ist
['>* dfi
262")
~ l~ dy ~ dx '
dx
Von einem solchen Medium dürfen wir sagen, daß in ihm innere
Kräfte überhaupt nicht wirken, denn Y!^\ Z'^^ Xy haben nach den
Gleichungen (262') den Charakter äußerer Kräfte (genauer äußerer
Momente). Ein solches Medium würde, in freiem Zustand betrachtet,
keiner Deformation irgend einen Widerstand leisten. ^^^
Wir wollen dasselbe nun innerhalb eines Raumes betindlich
denken, wo es, etwa seitens einer sehr großen Zahl regelmäßig ver-
teilter Ej'aftcentren, unter denen wir uns ponderable Moleküle vor-
stellen können, Kräfte und Drehungsmomente erfährt, sowie es aus
einem ursprünglichen Normalzustande verschoben wird. JT, T*, Z^
sind dann die auf die Yolumeneinheit bezogenen Kräfte,
262") Z'=2^= -27, ^=2X=-2^. 3^=27= -2T
' y Z ' t X' X m
die auf die Volumeneinheit bezogenen Momente.
§ 34, Ein Medium ohne innere Kräfte. 487
Führt man noch die Geschwindigkeiten
dx f dy , dx
Ti"'^' 'di'^^' ~di
ein, so erhält man bei Beschränkung auf unendlich kleine Werte
derselben
Ott' _ ^ dN^ __ ÖAT
^'dt ^ ^ 2dy 2dz '
du/ », , SM' dU
263)
dt ^ 2dx 2dy ' )
Zu diesen Hauptgleichungen kommen Oberfiächenbedingungen
für die Grenze zwischen zwei Medien, die wir nur für den speziellen
Fall aufstellen, daß die Grenze durch die AT-Ebene gebildet wird.
Setzt man voraus, daß die beiden Medien in der Grenzfläche
zusammenhängen, so muß jedenfalls daselbst
< = «2> ^1 = ^2 ' 263')
sein, während bezüglich derKomponente to Gleiches nicht auszusagen ist.
Denn einerseits ist bei einem Fluidum ohne innere Kräfte, wie schon
S. 260 bemerkt, eine Kondensation in der Grenze nicht ausgeschlossen,
also die Bedingung ^^tc^':=t q^w^ keineswegs notwendig; andererseits
würde dieselbe, solange über das Verhalten von q keine spezielle
Annahme notwendig ist, dies also als unbekannt gelten muß, keine
Bedingung für u\ v\ to liefern.
Die allgemeinen Bedingungen für die Drucke
(^.)l=(^.),. mi=(^.)». (^.)l=(^z).
nehmen hier, da nach S. 486
2 X= M\ 2 7= - L\ Z=0
ist, die spezielle Form an:
L\=L\, MI=M;. 263")
Bildet man aus dem System (263) die Gleichung der lebendigen
Kraft, so ergiebt sich für die Volumeneinheit
und über ein beliebiges endliches Volumen integriert.
488
//. TßiL Mechanik ntefUstarrer Körper, F. Kap.
dW
dt
= I r[(JVco8(f;^) - M'cos{vyz)) u + (X'cos (f/, z) - iVcos {v.x") v
263'")] + ( jlf 'cos {v,x) - Z' cos(f;,y)) tc'] rfo
+J[(jrtt'+ !'«'+ ^M?') + {rV+ 3rm'+ iV'nOJrfÄ,
worin fr die äußere Normale auf das Oberflächenelement bezeichnet
Das Oberflächenintegral verschwindet, soweit es sich auf Zwischen-
grenzen bezieht, nach den Grenzbedingungen (263') und (263"), resp
den ihnen bei beliebiger Lage des Grenzelementes entsprechenden.
Die Funktion unter dem Baumintegral ist die Arbeit der wirken-
den Kräfte ftir die Kaum- und Zeiteinheit. Man kann sie denselben
Betrachtungen unterwerfen, wie die Arbeit der inneren Kräfte eines
elastischen Mediums auf 8. 459, und für die Komponenten und
Momente solche lineare Ausdrücke bilden, welche die Energie stets
erhalten, und solche, welche sie stets verzehren.
Ein System ersterer Art ist u. a.
— 27 = flu tt -1- Oja V -f- Ojj M7 ,
264) - r = flgi m" -f- fljg t?" -f. 0,3 !£?",
l — ^ = «31 M + «82 ^ + «83 "^ »
— i' = &11 / + Äj3 m -J- Äi3 n,
264') -^=*21^+*23"» + *2S«.
eines der letzteren
- Z' = Cum'+ Cjgü'-t- Cjjtr ,
264") -1"= ^21 ^'+^22 «'+^23«^'.
- ^' = ^31«*'+ ^32^'+ ^33«^'-
Für ihre Konstanten müssen dabei die Beziehungen a^^^ a^^*
*/ik= Ku^ ^Afc= ^kÄ gelten-
Das System (264') wollen wir nach l, ntj n auflösen und
schreiben
- 4/ = ^iiZ' + e^^AT + e^^N\
264'") - 4in = e,,L' + e^^AT + e,,N%
- 4» = ^31 Z' -f e^^M' + e^^N\
Betrachtet man endlich die Dichte q als unendlich klein, oder
zieht sie in die Faktoren a^^, a^^, a^^ hinein, um eine symmetrische
Endform zu erhalten, so nehmen die Formeln (263) und (264'")
folgende Gestalt an
§ 34, Em Medium ohne innere Kräfte.
489
ä7Kl«'+ «31»'+ «88«»') = - ('^31«'+ <'S«'''+ «SS«»')
dazu kommt wegen der Werte von l, m', n'
265)
iT?(^3i^' + ^sa^' + ^8s^')= ^"'
öi;'
2650
dy dx
Diese Systeme von Hauptgleichungen (265) und (265^), von Ober-
flächengleichungen (263^) und (263"), gehen in die von Hebtz^")
formulierten Grundgleichungen der MAXWELL'schen Theorie der
Elektrodynamik über, wenn man
mit den Komponenten der elektrischen,
mit den Komponenten der magnetischen Kraft identifiziert
Nichtleiter für Elektricität sind dann solche Körper, in welchen
nur Energie erhaltende, Leiter solche, in denen auch absorbierende
Kräfte auf den Äther wirken.
Wir machen die obige Einführung nur für isotrope Körper, wo
in den Systemen (264) bis (264'") sich die rechten Seiten auf die
Diagonalglieder reduzieren, deren Konstanten gleich werden und weiter
ohne Index geführt werden mögen.
Man erhält hier
dS ^ , dN dM
dZ ^ r dM dA
dt dx oy \
266)
490
//. leiL Mechanik niehtstarrer Körper, F. Kap.
266')
e —^ - Ä.
e
dA dH
dt ' dx
dZ
dy^
dM dZ
dA-
dt " dx
dx '
dN __ dS
dt "^ dy
dH
dx '
und außerdem an einer der Xr-Ebene parallelen Grenze zwischen
zwei Körpern (1) und (2)
266") \-\. H,^H^, A=A^ M,^M^.
Folgerungen aus diesen Gleichungen werdet im IV. Teil ge-
zogen werden, wo sich auch eine Ableitung aus der Erfahnmg ohne
Zuhilfenahme spezieller Vorstellungen finden wird. —
Die obigen linearen Ansätze (264) sind ganz spezielle und nur aus-
gewählt, um eine spezielle Gestalt der Endformeln zu erhalten. Die
allgemeinst möglichen, welche für die Zwecke der Optik Bedeutung
gewinnen, sind nach den allgemeinen Angaben auf S. 460 zu bilden.
Wir können demgemäß folgende Zusammenstellung geben.
267)
Konservative Kräfte.
;j/2j ^ 11 12 13 ''
wobei ci^J}= c^^l*
hk kh
267')
wobei a^Jl= dj}*
hk kh
267")
3. Art.
dt
ö2i
2. Art - r= ~ ^ .- (aOV + a(j')m + d^^n ) ,
^^J ^ 11 ' 12 ' 13 ^'
Ö2i
Qf3 Ml ^ 12 ' 13 "
und zugleich
'■>-•
- 7v' =
-^(iiO*'M + qS^)v + dJhü)y
ßpj Ml 21 31 ''
Hier ist nicht notwendig a|^^
ith
267'")
4. Art. - Z' =
S2j + i
^^»j+1 ^12 • *^13 ''
worin m =-m.
kh
§ 34, Bexiehungen xur Optik, 491
5. Art. - i' = -^^-TT (*^^*> m + b^^'^n) , 267'")
worin UJl==^ — it^J.
In die Gleichungen (263) bis (263") eingesetzt, führt die erste
oder zweite Art auf die Gesetze der Doppelbrechung, die dritte auf
diejenigen der natürlichen, die vierte oder fünfte auf diejenigen
der magnetischen Zirkularpolarisation.
Absorbierende Kräfte.
1. Art - r = ~^(yV?« + J'l^ + r?,"^)^ 268)
worin M = yU).
2. Art - r = -^.^ (c<i)/ + cO-)m + d^^n ) , 268')
worin c^J. = c(.-5.
Sie geben, neben den konservativen eingeführt, die Modi-
fikationen, welche die genannten optischen Erscheinungen in absor-
bierenden Körpern erfahren.
Endlich sei noch ein spezieller Ansatz von abweichendem
Charakter erwähnt
Setzt man
^r = ^4^, _r==e4^,. -^ = ^4-. 268")
as o» ö« ' '
worin s eine willkürliche Richtung bezeichnet, so laßt sich für die
Arbeit schreiben
fdk{Tv:+ Tv + Z'w) = - ef(^'^+^^+w'^QO%[n,s)do,
woraus hervorgeht, daß sie als ganz in der Oberfläche geleistet auf-
gefaßt werden kann.
Dieser Ansatz erweist sich geeignet, um die optischen Er-
scheinungen in bewegten Medien abzuleiten.
Die Grenzbedingungen behalten in allen Fällen die in (263')
und (263") gegebene Gestalt
Auf die Behandlung spezieller hierher gehöriger Probleme wird
im V. Teil eingegangen werden; hier handelt es sich nur um die
Herstellung der Verbindung zwischen der Dynamik gewisser nicht-
starrer Körper und den Grundformeln der Optik.
Litteratnr zum H. Teil.
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494 Litteraiur xum IL TßiL
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schnitt II u. IV. — »«0 Voigt, 1. c. Abschn. III. — >««) Kirchhopp, 1. c S. 74
—75 bezw. S. 366-67. — "») Voigt, 1. c. Abschn. I. — »") Voigt, Wied.
Ann. 62, S. 665. 1894. — "») Hertz, Wied. Ann. 40, S. 577, 1890.
IIL Teil,
Wärmelehre.
L Kapitel.
Thermiscli-nieclianisclie Umsetzungen.
§ 1. Onmddeflnitionen. Die erste Hauptgleichnng der meohaniBchen
Wäimetheorie.
Die Beobachtung, welche der ganzen Wärmelehre zur Grundlage
dient, ist die Wahrnehmung unseres Temperatursinnes, daß ver-
schiedene Körper sich im allgemeinen in verschiedenen Wärme-
zuständen befinden, oder, wie man sagt, verschiedene Temperaturen
besitzen, und daß mit den Änderungen der Temperaturen Ver-
änderungen in dem sonstigen Verhalten der Körper zusammenhängen.
Um den Wärmezustand eines Körpers konstant zu erhalten,
muß man ihn durch Hüllen aus Substanzen, welche für Wärme in
jeder Weise undurchdringlich sind, adiathermane Nichtleiter,
von anderen Körpern trennen, ein Prozess, der in Wirklichkeit nur
angenähert möglich ist, den wir aber zum Zwecke der Feststellung
fundamentaler Definitionen voUkpmmen realisiert denken dürfen.
Bringt man innerhalb einer solchen Hülle zwei verschiedene
Körper zur Berührung, so verändern sie im allgemeinen ihren Wärme-
zustand und nehmen schließlich einen konstanten neuen Zustand an,
von welchem wir aussagen, daß in ihm Temperaturgleichgewicht
herrscht, oder daß beide Körper gleiche Temperatur besitzen. Der-
selbe Vorgang tritt ein, wenn wir mehrere beliebig temperierte
Körper in dieselbe isolierende Hülle bringen.
Auf diesem Vorgang und der darangeknüpften Festsetzung be-
ruhen die gewöhnlichen Methoden der Temperaturmessung, bei denen
als Maß der Temperatur eines Körpers gewisse erfahrungsmäßig vom
Wärmezustande abhängige Eigenschaften eines mit ihm in Temperatur-
496 IIL 2bt/. WärmelehrB, L Kap.
gleichgewicht gelangten Normalkörpers oder Thermometers benutzt
werden.
Sind die Normalkörper feste, so wird ihre Länge, sind sie
flüssige, so ihr Volumen, sind sie gasförmig, so der yon ihnen auf das
sie einschließende Oefäß ausgeübte Druck als Maß der Temperatur r
benutzt, indem man die Änderungen der ersteren Größen denen der
letzteren proportional setzt
Indessen geben verschiedene Normalkörper, nach dieser Kegel
benutzt und durch Anwendung auf dieselben zwei Normaltempera-
turen graduiert, im allgemeinen verschiedene Temperaturangaben;
nur die Gase liefern stets nahezu, und je weiter ihr Zustand von
ihrem Kondensationspunkt entfernt liegt, d. h. je verdünnter und je
wärmer sie sind, um so genauer übereinstimmende Skalen. Daher
ist man übereingekommen, Gase, die sich in diesem sogenannten
idealen Zustande befinden, als Normalkörper für die Festlegung
einer Temperaturskala zu benutzen, so daß man also, indem man
den Druck, welchen ein in einem unveränderlichen Volumen ein-
geschlossenes ideales Gas ausübt, mit P bezeichnet, zu setzen hat
P= a + br.
Die Konstanten a und b werden durch zwei willkürlich als
0 und 100 festgesetzte Temperaturgrade — Schmelzpunkt und Siede-
punkt des Wassers unter 76 cm Quecksilberdruck im Meeresniveau
auf 45^ Breite — bestimmt, so daß also durch die Beobachtungen der
zugehörigen Drucke P^^undP^Q^ das Thermometer vollständig graduiert
ist. Es gilt nämlich:
oder
Die vorstehende Definition der Temperatur läßt scheinbar im
Stiche, wenn es sich um Körper mit zeitlich und räumlich variabler
Temperatur handelt Hier muß man sich ein Volumenelement des
betrachteten Körpers in äußere und innere Euhe versetzt^ mit einer
isolierenden Hülle umgeben, aus dem Zusammenhang der übrigen
getrennt und mit dem Thermometer in Berührung gebracht denken;
ist die Temperatur des letzteren der des Volumenelementes gleich,
so verharren beide im Wärmegleichgewicht. Dieser Prozeß ist prak-
tisch nicht ausfuhrbar, kann aber zur Definition ebensowohl heran-
gezogen werden, wie ähnliche in anderen Gebieten der Physik.
§ 1. Kalorische und mechanische Einwirkungen. 497
Die Temperatur t eines Körpers betrachten wir als eine neue
Fundamentalgröße und setzen ihre Dimension
M = «;
sie als reine Zahl zu führen, wie mitunter geschieht, empfiehlt sich
wegen daraus folgender Mißstände nicht —
Um die Temperatur eines Körpers zu ändern, ist das ein-
fachste Mittel, ihn mit einem kälteren oder einem wärmeren Körper in
Berührung zu bringen, wodurch, wie man sagt, ein Wärmeübergang
von dem wärmeren nach dem kälteren eingeleitet wird. Die Quantität
der übergegangenen Wärme beurteilt man nach der Wirkung, d. h.
der Temperaturänderung, die sie hervorbringt. Als Wärmeeinheit
kann man dabei, so lange es sich nur um thermische Vorgänge
handelt, eine ganz belieljige Wärmemenge wählen und auch deren
Dimension willkürlich lassen, also die Wärmemenge als neue Funda-
mentalgröße betrachten. In der theoretischen Physik dient als
W^ärmeeinheit die Grammkalorie, d. h. diejenige Wärmemenge, die
bei Ausschluß aller anderen Einwirkungen erforderlich ist, um 1 g
Wasser unter Atmosphärendruck von 0^ auf l^C. zu erwärmen; in
der Technik die (Kilogramm-) Kalorie, welche sich ebenso auf das
Kilogramm bezieht, und mitunter für 15^ statt für 0^ definiert wird.
Diese Einheiten sind theoretisch nicht sehr glücklich gewählt,
weil sie zur Definition den Begriff der Temperatureinheit voraus-
setzen, sie sind aber praktisch sehr bequem. So geschieht es, daß,
obwohl eine absolute Einheit der Wärme vorhanden und im Ge-
brauch ist, die Kalorie mehr, als irgend eine andere spezielle Ein-
heit, noch neben der absoluten benutzt wird. Wir wollen Wärme-
mengen, die in Kalorien ausgedrückt sind, durch den Buchstaben ^,
ihre Dimension durch w bezeichnen. —
Eine zweite besonders einfache Art, die Temperatur eines Körpers
zu (erhöhen, ist die, daß man auf ihn gar nicht kalorisch, sondern
nur mechanisch einwirkt, ihn z. B. komprimiert oder seine Teile
gegeneinander reibt. Dieselbe wird in Praxi bald absichtlich aus-
geübt, wie bei den angeführten Beispielen, bald stellt sie sich als
Begleitung ausgeübter kalorischer Wirkungen infolge der veränderten
Temperatur von selbst ein und ist nur durch besondere Kunstgriffe
zu verhindern.
Die Beobachtung hat gezeigt, daß, wenn diese mechanische Ein-
wirkung nur zur Erhöhung der Temperatur dient, also z. B. dem
betrachteten Körper keinerlei Geschwindigkeit erteilt, die zugeflihrte
Arbeit ^ hinsichtlich der bewirkten Temperaturänderung jederzeit
Voigt, TheoretiBche Physik. 32
498 IIL Teü, Wärmelehre. L Kap.
mit einer ihr proportionalen Wärmemenge W äquivalent ist, so daß
1) ^ = « r.
Der Proportionalitätsfaktor % der numerisch gegeben ist durch
die Arbeitsmenge, welche mit der Wärmeeinheit, also z. B. mit
einer Grammkalorie, äquivalent ist, hat nach vielfachen und genauen
Messungen für alle benutzten Körper und für jede Art mechanischer
Arbeit denselben Wert und heißt das mechanische Wärme-
äquivalent Seine Bestimmung nach einer Reihe von sehr ver-
schiedenen Methoden und der dadurch erbrachte Nachweis seiner
Unabhängigkeit von der Art und Weise der Arbeitszufährung ist
hauptsächlich von Joule geliefert. ^) Für die Dimension von Ä gilt
Der aus den zuverlässigsten Beobachtungen geschlossene Zahlen-
wert von St ist im [cm sec g] System bei Voraussetzung von Gramm-
kalorien
« = 4,22.10%
bei Voraussetzung von Kilogrammkalorien und der technischen Arbeits-
einheit aber 91 = 430.
Diese Resultate legen eine andere Wärmeeinheit nahe, als die
oben benutzte, welche von der Temperatureinheit unabhängig ist
und demzufolge theoretisch den Vorzug verdient, nämlich die Wärme-
menge, die mit der Arbeitseinheit äquivalent ist; dieselbe ist dar-
gestellt durch
n /r=l/9l,
sie ist also der 4,22 .10^ Teil von einer Grammkalorie.
Der Zahlwert einer in dieser Einheit angegebenen Wärmemenge
mag mit il bezeichnet werden, dann ist
1'") ß = 91 IV und [ß] ^ TW ? ^-2. _
Hält man zusammen, daß nach §*6 des ersten Teiles bei rein
mechanischen Einwirkungen und bei rein mechanischer Energie, wio
sie durch die kinetische Energie der sichtbaren Bewegung und die
potentielle Energie der Wechselwirkung zwischen allen Volumenelemen-
ten bestimmt ist, der Zuwachs dE der Energie eines körperlichen
Systemes der zugeflihrten Arbeit (VA gleich ist, daß aber zugeftlhrte
Arbeit nach dem eben Gesagten noch eine andere Wirkung üben kann.
als eine Vergrößerung dieser rein mechanischen oder sichtbsui^n
Energie, nämlich eine Steigerung der Temperatur, so wird man zu-
nächst zu dem Schluß geführt, daß eine Temperaturerhöhung ebenfalls
eine Energievermehrung repräsentiert, daß also neben der äußeren
§ 1. Erste Bauptgleickimg, 499
sichtbaren oder mechanischen noch eine unsichtbare oder
thermische Energie in einem jeden körperlichen System in Betracht
zu ziehen ist
So gelangt man zu der Erweiterung der Energiegleichung (48)
des ersten Teiles in
die auf ganz andere Weise bereits S. 42 plausibel gemacht ist.
Nimmt man noch hinzu, daß bezüglich der Vermehrung dieser
inneren Energie auch eine Wärmemenge statt einer Arbeit wirksam
sein kann, so erscheint eine zweite Erweiterung wahrscheinlich durch
ZufÜgung der etwa zugefiihrten Wärme in mechanischem Maße rf'fl
auf der rechten Seite der Gleichung, welche dadurch die Form an-
nimmt *)
rf£*= d£.+ dE^^ d'A + rf'fl. 2)
Diese Oleichung, welche wir als hypothetische Erweiterung der
früher abgeleiteten Formel der Mechanik betrachten, sagt aus, daß,
wenn einem System Wärme und Arbeit zugeführt wird, und zugleich ein
Austausch von innerer und äußerer Energie stattfindet, die Änderung
der Gesamtenergie stets gleich der Summe aller gemachten Auf-
wendungen ist Man bezeichnet sie wohl als die erste Haupt-
gleichung der mechanischen Wärmetheorie.
Sie darf aber nicht etwa in dem Sinne aufgefaßt werden, als
ob die in ihr angedeuteten und in Zusammenhang gebrachten Um-
setzungen stets im ganzen Umfang physikalisch möglich wären; als
ob wir beispielsweise, wenn wir d^A + d^i2 = 0, also die Summe der
äußeren Einwirkungen verschwindend nehmen, beliebig viel der
inneren Energie in äußere überführen könnten; oder als ob, wenn
wir dE^+ dE^= 0, also den Anfangs- und Endzustand gleichwertig
annehmen, es möglich wäre, beliebige zugeführte Wärme d'i} als
Arbeit d^A wieder zu gewinnen. Die Formel spricht nur eine Be-
ziehung aus, die, wenn alle vier Änderungen dE^, ^^o» ^-^ ^^^
d'ii möglich sind, jederzeit erfüllt sein muß.
Bei den Problemen der Wärmelehre ist häufig eine andere Zer-
legung der Energie von Nutzen, als die im vorstehenden eingeführte
E = E.+ E^j nämlich die durch Absonderung der lebendigen Kraft V
der sichtbaren Bewegung erhaltene E = E^+ W. Hier kann £*', da
femwirkende Kräfte im allgemeinen ausgeschlossen sein werden, in
einem anderen Sinne als die innere Energie des Systems be-
zeichnet werden. Gleichung (2) nimmt dadurch die Gestalt an
dE + dW=:^d'A + d'il. 2')
32*
500 III. mi, Wärmelehre. L Kap.
In unserer Grundformel (2) ist E eine Funktion nur des augen-
blicklichen Zustandes, dE ihre Änderung in einem beliebigen Zeit-
raum; cVA und d^Sl sind aber keine Differentiale, sondern nur will-
kürlich gegebene, unendlich kleine Beträge von Wärme und Arbeit
Dies hat zur Folge, daß angewandt auf den Übergang zwischen
zwei verschiedenen Zuständen (1) und (2) die obige Formel ergiebt
(2) (2)
T) £,- E^^Jd'A + Jd'ü =^A,, + ß,„
(1) (1)
wo die Werte der Integrale rechts von dem Integrationsweg, d, h.
den zwischen (1) und (2) passierten Zwischenzuständen, abhängen,
^j, und ßjj aber Abkürzungen bezeichnen, die auch weiter in
gleicher Bedeutung benutzt werden sollen.
Ist speziell der Anfangs- und Endzustand der gleiche, die Ver-
änderung ein sogenannter Kreisprozeß, so folgt hieraus
n 0 = (.^ + (ß) ,
worin die Klammer () die bei dem Kreisprozeß im ganzen zu-
geführten Beträge andeutet Bei einem Kreisprozeß ist also die er-
forderliche Arbeit und die erforderliche Wärme für sich je von Null
verschieden, ihre Summe aber verschwindet
Es mag im voraus darauf hingewiesen werden, daß, weil d'*u4
und d^ii positiv oder negativ sein können, {A) und (fl) keineswegs
die ganzen in Bewegung gesetzten Beträge bedeuten, sondern nur
die Differenzen der zu- und der abgeführten Mengen. Dies ist ins-
besondere von Bedeutung bei der zugefuhrten Wärme (fl), die wir
nach S. 497 geeignet temperierten Wärmereservoiren entnommen
denken müssen; dieselbe wird bei ganz verschiedenen Temperaturen
zu- und abgeführt werden, und es ist daher ersichtlich, daß am
Schluß des Kreisprozesses zwar das, wie man sagt, arbeitende
System, nämlich der Körper, der den Kreisprozeß durchläuft, und
auch das Arbeitsreservoir, aus dem (A) bestritten wird, wieder in
den Anfangszustand zurückgeführt ist, nicht aber die beteiligten
Wärmereservoire.
§ 2. Allgemeine Bestimmung des zu vorgeschriebenen Zustands-
ändenmgen erforderlichen Aufwandes von Arbeit und Warme. Die
zweite Hauptgleichung der mechanischen Wärmetheorie.
Während im vorigen Abschnitt d^A und d^£i imendlich kleine,
aber willkürlich zu wälilende Beträge von zuzuführender Arbeit und
§ 2. Zugefährie Arbeit 501
Wärme bezeichneten, sollen dieselben jetzt nicht mehr als direkt
gegeben betrachtet, sondern aus der durch sie zu bewirkenden
Zustandsänderung des gegebenen Körpers berechnet werden.
Der Zustand des in Ruhe befindlichen homogenen Körpers sei
durch eine Anzahl von n unabhängigen Variabebi a, b, c , , , bestimmt,
eine Zustandsänderung ist dann durch ein System von Variationen
düj dbj de . , ,
dargestellt, und es ist die Aufgabe, d*^ und rf'fl als Funktionen
dieser Größen zu finden.
Die Zustandsänderungen teilt man in zwei Klassen: umkehr-
bare und nicht umkehrbare, je nachdem man sie in den beiden,
durch entgegengesetzt gleiche Werte der Variationen da, db, de,,..
gegebenen Eichtungen unter entgegengesetzt gleichen Aufwendungen
von Arbeit und Wärme bewirken kann oder nicht. Zu den um-
kehrbaren gehören unter anderen die isothermischen Deformationen
vollkommen elastischer Körper, die erhalten werden, wenn man den Kör-
per in Berührung mit einem unendlichen Wärmereservoir von gleicher
Temperatur unendlich langsam anwachsenden äußereren Kräften
aussetzt Zu den nicht umkehrbaren gehören u. a. die mechanischen
Vorgänge, bei welchen durch Reibungskräfte Arbeit in Wärme über-
geführt wird.
Da rf'^ und rf'fl Funktionen der unendlich kleinen Variationen
da, db, de, . . . sind, so kann man durch Entwickelung bilden
d'A ^ A^da+u4j^db + ui^dc + . . .,]
d'n== n^da+ i2j^db+ QJe + ...;] ^^
bei umkehrbaren Zustandsänderungen sind dann die A^,*.. ß«,..
nur Funktionen — und zwar naturgemäß eindeutige — der Ausgangs-
werte a, b, e . . ., welche als solche zu bestimmen unsere Aufgabe ist.
Die Anzahl der Variabein a, b, c . . . ist je nach der Natur des
betrachteten Körpers verschieden. Für eine homogene gasförmige
oder tropfbare Flüssigkeit braucht man zur Festlegung des Zustandes
nur zwei Variabein, — etwa das Volumen, welches die Flüssigkeit ein-
nimmt, und die Temperatur, welche sie besitzt; flir homogene feste Körper
bedarf man deren im allgemeinsten Falle sieben, nämlich außer der
Temperatur etwa die sechs Deformationsgrößen, die, wenn der Körper
homogen deformiert sein soll, in seiner ganzen Ausdehnung konstant
sein müssen. Bei besonderer Form des festen Körpers und bei beson-
derer Verteilung der äußeren Einwirkungen genügt auch wohl eine
kleinere Anzahl. —
502 IIl. Teil. Wärmelehre. I. Kap.
Der Wert der Arbeit d^^ berechnet sich in allen Fällen voll-
ständig nach der S. 40 gegebenen Definition
f d'ui = 2 (X, dx, + r, rfy, + Z,dz^
' \ =:SK,ds,coH{K,ds,);
er nimmt z. B. für einen kontinuierlichen Körper den Wert an
[ d'^ = J dk{r dx + r dy + Z' dz)
3") { .
I +Jdo{X„dx+r;dy + Z„dz),
worin X*, P, Z^ die Komponenten der auf die Volumeneinheit be-
zogenen körperlichen Kräfte, X^, Y^, Z^ die Komponenten der auf
die Flächeneinheit bezogenen Oberflächendrucke und x, y, z die Ko-
ordinaten ihrer Angriffspunkte bedeuten.
Für eine im Gleichgewicht befindliche Flüssigkeit reduziert sich
dieser Ausdruck bei verschwindenden X\ T ZP^ da hier nur eine
normal wirkende Druckkraft P von überall konstanter Größe übrig
bleibt, wie schon auf S. 238 benutzt, auf
3"') d'A ^ -PdF,
worin d V die die Zustandsänderung begleitende Volumenvergrößerung
bezeichnet. —
Der zu einer gegebenen Zustandsänderung aufzuwendende
Wärmebetrag rf'fl läßt sich allgemein nicht ebenso vollständig
angeben; doch gelingt es ohne irgend eine Voraussetzung über die
Natur des betrachteten Körpers immerhin, ganz allgemein die ana-
lytische Form zu finden, in welcher sich d^Q, darstellen muß.
Zur Erreichung dieses Zieles ist eine Vorbereitung nötig.
Ist der Zustand des betrachteten Körpers von n Variabein ab-
hängig, die man bequem als die Koordinaten eines Punktes in
einem n dimensionalen Räume auffassen kann, so ergiebt^ da die
Energie eine Funktion dieser Variabein ist, die aus der Gleichung
(2') für <f' ß = 0 und d^=0 hervorgehende Formel
dB' = d'A
die Differentialgleichung einer einfach unendlichen Schar räumUcher
Gebilde von (n — 1) Dimensionen, die wir kurz Flächen nennen
wollen. Ihr Integral sei
4) f{aj Ä, c . . .) = <ö,
und o> bezeichne den Parameter dieser Schar.
Jede dieser Flächen ist der geometrische Ort aller derjenigen
Zustände, die man von einem auf ihr liegenden Anfangszustand ohne
thermische, durch alleinige mechanische Einwirkung erreichen kann:
§ 2, Zugeführte Wärme, 503
man nennt sie kalorische oder adiabatische Flächen. Ist der
Zustand des Körpers durch nur zwei Variabein bestimmt, so wird
der oben betrachtete Raum von n Dimensionen zu einer Ebene;
die kalorischen Flächen verwandeln sich in kalorische Kurven.
Drückt man nun einen beliebigen Anfangszustand durch n neue
voneinander unabhängige Koordinaten aus, unter denen auch co ist,
z. B. durch
(p (a, bj Cj . , .), xp[a, b, Cj . . .)j . . . a> (o, &, c . . .),
und demgemäß eine Zustandsänderung durch die n Differentiale
dtp, dxfj, . . . dü)y
so muß sich nach (3) die zu dieser Änderung aufzuwendende Wärme-
menge d^ii als Funktion von d(p, drp, , . , don schreiben lassen:
d'i2 = n^d(p + Ily^d^ß + . . . n^ dm. AT)
Hierin muß aber, da bei verschwindendem doa die Veränderung auf
einer kalorischen Fläche liegt, d^ü mit dco verschwinden; d. h., es
müssen alle 11^ mit Ausnahme des letzten gleich Null sein, so daß
resultiert
d'i2=ndo), 4")
worin 77, der Kürze halber für 77^, gesetzt, eine Funktion der
n Variabein qp, i/;, . . . tu ist, die ohne Beschränkung der Allgemein-
heit als stets positiv betrachtet werden kann.
Dies ist die Form, in der man allgemein d^ ii darstellen kann;
in welcher Weise die Funktionen 77 und od von den direkt gegebenen
Variabein abhängen, ist in jedem einzelnen Falle aufzusuchen. Die
erste dieser beiden Aufgaben läßt sich aber ganz allgemein noch
eine Strecke weit durchführen.
Außer den kalorischen Flächen
ü) = Const.
sind hierfür noch die Temperaturiiächen
r = Const.
von Nutzen.
Wenn nämlich die Variabein a, &, c, . . . den Zustand eines homo-
genen Körpers vollständig angeben, so müssen sie auch seine Tem-
peratur eindeutig bestimmen, und daraus folgt, daß durch konstantes t
ein geometrischer Ort, eine Fläche im n-dimensionalen Räume, eine
Kurve in der Ebene, gegeben ist Wir können also auch r als eine
der neu eingeführten Unabhängigen (p, i/v . . . betrachten.
Von allen Veränderungen sind nun diejenigen die wichtigsten,
welche ganz auf Temperatur- oder ganz auf kalorischen Flächen
504 IlL Teil. Wärmelehre, L Kap,
verlaufen; solche sind auch praktisch in ziemlicher Annäherung zi
erhalten, indem man den zu ändernden Körper mit einem sekr
großen Wärmereservoir von konstanter Temperatur in Berühnng
erhält oder mit nicht für die Wärme durchlässigen Hüllen umgfebt
und das eine, wie das andere Mal mechanisch auf ihn einwirkt
Kreisprozesse, welche aus zwei auf verschiedenen kalorüschen
und zwei auf verschiedenen isothermischen Flächen liegenden Wegen
zusammengesetzt sind, heißen CARNOT'sche Kreisprozesse^; sind
die Parameter dieser Flächen resp. r^, Zg und ot^, (o^, wobei r, > Tj
und cöj > (öj gesetzt sein mag, so ist ein CARNOT'scher Kreisprozeß
durch ein Kurvenviereck mit den festgelegten Eckpunkten auf den
Kurven (tj, (o^), (r^, cj^), (r,, ro^), (r^, (o^) charakterisiert, welche mit
1), 2), 3), 4) bezeichnet werden mögen.
Es ist dann bei einem Umlauf im Sinne wachsender Zahlen
die für jede Seite des Kurven Vierecks aufzuwendende Wärme ge-
geben durch
CO,
5)
worin der Zusatz r = r^ resp. r = Tg den Integrationsweg zwar
nicht erschöpfend, aber doch für das Verständnis ausreichend charak-
terisiert; ferner ist nach (2") und (2'")
5') (ß) = fl„ + ß,, = /(/7(x = r.) - i7„ = ,.,) dcj
und
5") (ß) + (^ = 0.
Hieraus folgt, daß, wenn die Klammer in dem Integral (5') positiv
ist, der Kreisprozeß Wärme in Arbeit verwandelt, wenn negaüV.
Arbeit in Wärme; bei entgegengesetzter Umlaufung findet das Um-
gekehrte statt.
Mittels zweier Wärmereservoire kann man mehrere beliebige
Körper gleichzeitig CARNox'sche Kreisprozesse durchlaufen lassen,
deren adiabatische Strecken ganz beliebig sind, während die iso-
thermischen gleichen Temperaturen, z. B. r^ und r^, entsprechen
müssen. Wir wollen zunächst annehmen, daß alle diese Kreispro-
zesse umkehrbar, d. h. in beiden Richtungen ausführbar sind.
Seien nur zwei arbeitende Körper ä' und k" vorhanden und
für beide die dem obigen (o^ — ro^ entsprechenden Änderungen der
§ 2» Camofsehe Kreisprozesse, 505
Parameter w' und w" unendlich klein, resp. gleich dw' und da)'\
80 wird nach dem Vorsteheaden die während der durch da)' und
da/' charakterisierten Veränderungen von ihnen aus dem höheren
und tieferen Reservoir aufgenommene Wärme resp. sein
diii' = n[da}', d[ii'' = zr; do)
;l
•6)
wohei ohne Beschränkung der Allgemeinheit sämtliche /7 > 0 ge-
nommen werden können.
Läßt man nun k' hei der höheren Temperatur Wärme auf-
nehmen, Ä" bei der tieferen, so ist bei n- maligem, resp. n"- maligem
Umlauf der Kreise die Summe aller zugeführten Wärmemengen
aus dem oberen Reservoir
aus dem unteren i 6')
din = - n'n[da)'+ n"n{'da)", )
also die Gesamtsumme
(ß) = n'(/7^ - /Z;) rfco' - »" (77^' - n[') d(o". 7)
Unter Rücksicht auf die Gleichung (2'") folgt hieraus die ganze
zugeflihrte Arbeit
(^ = - (fl) = - n' (77^ - 770 ^«>' + «" (^2' - ^1') ^ß^"- '^0
Bei umgekehrter Richtung der Umlaufung beider Kreisprozesse
kehren alle fl und ^ die Vorzeichen um.
Diese Formeln können zur Auffindung einer allgemeinen
Eigenschaft der Funktionen 77 benutzt werden durch Einführung
der von Claüsius*) aus der Erfahrung, daß Wärme von selbst jeder-
zeit vom wärmeren zum kälteren Körper übergeht, abgeleiteten fun
dameutalen Hypothese, daß es nicht möglich ist, durch irgend
einen Kreisprozeß ohne Arbeitsaufwand Wärme von einem
niedriger temperierten Reservoir nach einem höher tem-
perierten überzuführen. Denn wenn durch geeignet gewählte
Werte von n und n" (^ zu Null gemacht wird, soll hiemach sowohl
bei der ersten, wie bei der zweiten Richtung des Umlaufs rf^ ß ^ 0,
also dlQ^O sein, was nur möglich ist, wenn beide Größen gleich
Null sind, d. h., wenn gilt
n'n'^dfü'=n''n;;dfü'',\
7fL n[ d(ü = n' JJ'^ da)'\
daraus ergiebt sich
8)
506 ///. TeiL Wärmelehre. L Kap.
n\ "" n'{ '
oder ausführlicher geschrieben, um die in jedem Ausdrucke statte
findenden Werte der Argumente (p, ip,'*. r, (o hervortreten zu lassen,
^,. jg'(y;, ya, . . .Tj^üO ^ II" (q)'i, rff'j, . , . u,ia")
Hieraus folgt aber notwendig, daß die Funktionen 11 die Form
haben müssen eines Produktes aus einer universellen Funktion
der Temperatur, die mit T bezeichnet werden mag, und einer der
Substanz individuellen Funktion von o), die n heißen mag, so
daß also
8") /7'=r^'(«'), /7"= T;i"(ö>")
wird. Setzt man dieses Resultat in die Beziehung d'Sl ^ Ildo} ein,
so erhält man
9) d'fl= Tn[Gi)d(a,
worin n{po)d(ü als ein vollständiges Differential in dH abgekürzt
werden mag. Es ist dann H eine Funktion, die konstant ist, wenn
(o sich nicht ändert, und die also ebensowohl als Parameter der
adiabatischen Flächen betrachtet werden kann, wie (o selbst
Sonach sind wir zu dem allgemein gültigen Besultat gelangt, daß
9') rf'fl = TdH
ist, d. h., daß die zu einer bestimmten, umkehrbaren Zustandsände-
rung aufzuwendende Wärmemenge gegeben wird durch eine universelle
Funktion der Temperatur, multipliziert in die Variation einer, jeder
Substanz individuellen Funktion H der den augenblicklichen Zu-
stand bestimmenden Variabeln, welche auf jeder kalorischen Fläche
konstant ist
Die Gleichung (9) resp. (9') wird die zweite Hauptgleichung
der mechanischen Wärmetheorie genannt*)
Integriert man die Gleichung (91) nach Division durch T über
einen beliebigen umkehrbaren Kreisprozeß und bezeichnet die In-
tegration über eine geschlossene Bahn hier und weiterhin durch
Klammern um das Integralzeichen, so erhält man
9") (/)4^ = 0,
eine Formel, die sich der Formel (2'") für Kreisprozesse zuordnet
Verläuft der Kreisprozeß durchaus auf derselben Temperatur-
fläche, so ist die Funktion T konstant und nach (9") (ß) und somit
auch {A) gleich Null.
§ 2. Zweite Hauptgleiehtmg, 507
Dies ergiebt den Satz, daß die durch einen umkehrbaren iso-
thermen Kreisprozeß zu gewinnende Arbeit stets gleich Null ist. —
Die oben eingeführte Funktion H nennt man die Entropie des
betrachteten Körpers im augenblicklichen Zustand®), die vorläufig noch
unbekannte Funktion Tder Temperatur r die CABNOT*sche Funktion.
Letztere steht in enger Beziehung zu dem CARNOT'schen Satz
über das Verhältnis der bei einem CABNOx'schen Kreisprozeß in
Arbeit umgewandelten zu der überhaupt in Bewegung gesetzten
Wärmemenge, ein Verhältnis, welches man den Wirkungsgrad v des
Prozesses nennt Verläuft der Kreisprozeß zwischen den Temperaturen
Tj und Tg, wobei Tg > r^ sein möge, und zwischen den Entropien H^
und H^, wobei ^2 > ^i s®^ möge, so ist die aus dem Reservoir
von der Temperatur r^ entnommene Wärmemenge nach (9')
die an das Reservoir von der Temperatur r^ abgegebene
die in Arbeit umgesetzte also
(fl) = fl, - ß, = (r, - T,){H, - H,),
wofür man wegen (2'") auch schreiben kann
(ß) = - (^ = fl, ^«^ = ß, ^i^' . 9'")
Hieraus folgt für die Größe des Wirkungsgrades
Diese Gleichung spricht den CAENOT'schen Satz aus, wonach
der Wirkungsgrad eines CAENOT'schen Prozesses nicht von der
arbeitenden Substanz, sondern nur von den Temperaturen abhängt,
zwischen denen er verläuft.^) —
Die ganze vorstehende Entwickelung ruht auf der Annahme,
daß die beiden auf S. 504 eingeführten und kombinierten Kreis-
prozesse in beiden Richtungen ausführbar sind. Indessen ist schon
früher bemerkt, daß es Zustandsänderungen giebt, die eine Umkeh-
rung nicht gestatten.
Enthält einer der beiden S. 505 benutzten Kreisprozesse einen
Teil von diesem Charakter, so führt die dort angestellte Betraclitung,
statt auf die Gleichungen (8), auf die Ungleichung
während aus (^ = 0 sich wie früher
508 ///. Ibü. Wärmelehre. L Kap.
ergiebt Hieraus folgt also
i?; — //;' '
oder
Ist der Kreisprozeß Q umkehrbar, so gilt für ihn nach (8")
man erhält also
oder nach (6) auch
10)
TT// rp
T, - T,
Diese Ungleichung gewinnt erst dann an Wert, wenn man weiß,
ob der nicht umkehrbare Kreisprozeß, den wir weiterhin ohne den
Index (") lassen wollen, Wärme in Arbeit oder Arbeit in Wärme
verwandelt Gewöhnlich nimmt man als Eesultat der Erfahrung an,
daß alle nicht umkehrbaren Kreisprozesse das letztere leisten. In
diesem Falle würde also (— rf^fl) die aus dem oberen, (+ djß) die
aus dem unteren Reservoir entnommene Wärmemenge sein, und die
Ungleichung (10) in der Form
10') ^^ + ^^0
aussagen, daß bei dem nicht umkehrbaren CABNOT'schen Prozeß die
Summe der aufgenommenen Wärmen durch den entsprechenden
Wert der CABNOT*schen Funktion dividiert nicht notwendig gleich
Null ist, sondern auch kleiner, als Null, sein kann.
Diese Gleichung läßt sich leicht auf einen beliebigen Kreis-
prozeß erweitern; denn einen solchen kann man durch eine Zick-
zackkurve ersetzen, deren Wegelemente abwechselnd adiabatisch und
isothermisch sind, und zwar können die letzteren so gewählt werden,
daß sie überall durch ein und dasselbe System adiabatischer Flächen
begrenzt werden. In diesem Falle giebt es zu jedem isothermischen
Linienelement ein zweites mit demselben do), das im Kreisprozeß
in entgegengesetzter Richtung durchlaufen wird, und fiir beide gilt
demgemäß die Ungleichung (10'). Summiert man dieselbe über den
ganzen Kreisprozeß, und berücksichtigt, daß auf den adiabatischen
Linienelementen Wärme nicht aufgenommen wird, so erhält man
für denselben
§ 3, Spezifische und Beakiumstoärmen. 509
(/)-#^0, 10")
wo nun d^ ii in demselben Sinne, wie in Formel (9"), positiv ist,
wenn eine Wärmezufuhr, negativ, wenn eine Wärmeentnahme für
den Körper stattfindet, und das Integral alle auf dem Kreisprozeß
stattfindenden Wärmezufuhren umfaßt®)
Der hier eingeschlagene Weg hat den Ubelstand, eine Eigen-
schaft nicht umkehrbarer Kreisprozesse zu benutzen, die in deren
Definition nicht liegt, sondern als Besultat der Beobachtung anzu-
sehen ist Wir werden analoge und noch weitergehende Resultate
später auf einem befriedigenderen Wege gewinnen.
§ 3. Spesiflflche und Beaktionswärmen.
Ehe wir in der Bestimmung des Wertes der zu einer gegebenen
Zustandsänderung notwendigen Wärme d'fl weiter fortschreiten
können, müssen wir den dazu nötigen Begriff der spezifischen
Wärme erörtern.
Wenn ein homogener, gleich temperierter Körper von der Massel
infolge der Zufuhrung der Quantität d' JF von Wärme in kalorischem
Maße eine Temperaturänderung dr erfährt, so bezeichnet man das
Verhältnis
als die spezifische Wärme der Substanz des Körpers bei dem
beschriebenen Vorgang^). Dabei ist ersichtlich
[C] == 7D m-^ u-\ 11')
Da nun aber 9id^fr=:d^£2 die zugefugte Wärmemenge in ab-
solutem Maße war, so stellt
die gleiche spezifische Wärme in absolutem Maße dar. Es gilt dafür
Die spezifische Wärme ist keineswegs, wie der Mame anzudeuten
scheint, eine der Substanz des betrachteten Körpers allgemein oder
auch nur in einem speziellen Zustande, d. h. für spezielle Werte
der diesen bestimmenden Variabein, individuelle Konstante, sondern
eine Funktion der Verhältnisse der Variationen, welche diese Variabein
während der Zuführung der Wärmemenge d^i2, eventuell unter gleich-
zeitiger mechanischer Einwirkung, erleiden.
510 ///. Tea, Wärmelehre. L Kap,
Man erkennt dies, wenn man der letzteren Formel unter Be-
nutzung von (9) oder (9') die Gestalt giebt
-^^ „_ Tn{(o)d(o __ TdH
^ Mdx ^ Mdx
und sich erinnert, daß r und co voneinander unabhängig sind, also
das Verhältnis dcofdr völlig unbestimmt ist, so lange nicht in den
durch die ursprünglichen Variabein a, b, c . . , ausgedrückten Zu-
wachsen
12')
dco = -^da + j-^db + ^dc+..
das Verhältnis
daidb: de: . . .
und damit die Richtung der gesamten, die Erwärmung begleitenden
Zustandsänderung vorgeschrieben ist. Außerdem erfordert aber, wie
gesagt, die Bestimmung von F noch die Festsetzung der Änfangs-
werte a, b^ c , . ., von denen aus die Veränderung stattfindet
Dieselbe Betrachtung, wie an die Gleichung (12), kann man auch
in für das Folgende noch geeigneterer Weise an die Formel
1 Q\ j^ du'- d'A
anknüpfen, die man aus (11") durch Einsetzen des Wertes von
(ti2 gemäß (2') bei verschwindendem d W erhält In der That kann
man 'unter Rücksicht darauf, daß d^^ kein vollständiges Differential
ist, auch schreiben
und gelangt zu der gleichen Folgerung, wie oben.
Unter den unendlich vielen spezifischen Wärmen, die ein Körper
in einem bestimmten Zustand besitzt, erwecken diejenigen ein be-
sonderes Interesse, welche Zustandsänderungen entsprechen, bei denen
alle Variabein a, ä, c . . . bis auf eine konstant bleiben. Wir wollen
dieselben durch einen oberen Index bezeichnen, welcher diejenige
Variable enthält, die sich allein ändert
Sonach würde
da da
die spezifische Wärme bei konstantem &, c, . . . bezeichnen, und man
§ 3, Spexd fische und Reaktionstcärmen, 511
und
kann unter Bücksicht hierauf den allgemeinen Wert (12) auch
schreiben
^ — aa -{• VT" » ö + . . .
da ob
Diese Resultate vereinfachen sich erheblich flir homogene Körper,
welche, wie die meisten, mit denen man thermisch operiert, unter all-
seitig gleichem Druck sich im Gleichgewicht befinden, also in ihrem
Zustande durch nur zwei Unabhängige bestimmt sind. Wählt man
für letztere Druck P und Volumen F, so wird aus Formel (13)
r=-^-^— 5l^-V- -15)
/^-J=^ = /;, /Tn=,iZ__^/;, 15-)
worin F^ und F^ neue, dem eingebürgerten Gebrauch entsprechende,
im allgemeinen Falle aber nicht so praktische Bezeichnungen sind.
Die allgemeine spezifische Wärme (14') nimmt die Form an
r^-^ «£ — ._ 15")
äT'^^ + äp'*^
Die gewöhnlichen Beobachtungen über die Temperaturwirkung
von Wärmeaufnahme oder -abgäbe finden in der Weise statt, daß
sich die betreffenden Körper dauernd unter dem Atmosphärendruck
befinden und ungehindert ausdehnen können; sie liefern also /^^J
oder Fp, Die gewöhnlichste der angewandten Messungsmethoden
ist die der Mischung, bei welcher die Menge der yon einem festen
Körper während des Temperaturausgleiches an einen umgebenden
flüssigen abgegebenen Wärme aus der Temperaturerhöhung geschlossen
wird, welche dieser erfährt. Es gilt dabei das Gesetz
T t"
M fr^dr = M'fr;dr, 16)
in welchem die oberen Indices sich auf die beiden im Wärme-
austausch befindlichen Körper beziehen, r', r", die resp. Anfangs-
temperaturen und r die erreichte Mischungstemperatur bezeichnet.
512 III. Teil Wärmelehre. I. Kap.
Ist für die eine Substanz F^ als Funktion von r YöUig bekannt, so
liefert diese Methode die mittlere spezifische Wärme des anderen
Körpers innerhalb der benutzten Temperaturgrenzen, und, wenn man
für diese betr. spezifische Wärme selbst einen Ansatz von der Form
einführt, bei geeigneter Veränderung der Grenztemperaturen auch
die Zahlwerte der einzelnen Koeffizienten F^, F^, F^, . . .
Ijetztere sind im allgemeinen Funktionen des Druckes P, unter
welchem der Körper bei der Temperaturänderung steht, ändern sich
aber meist nur wenig mit P. Bei Gasen ist F^, als Funktion von V
und T dargestellt, mit r nur mäßig, mit F aber anscheinend gar
nicht veränderlich.^^)
^ F^ gestattet keine direkte Beobachtung, da in jedem Falle die
Vorrichtungen, die erforderlich sind, um das Volumen des Körpers
bei der . Erwärmung konstant zu erhalten, sich an dem Wärme-
austausch so stark beteiligen, daß die Messungen unsicher werden.
Dagegen giebt es Hilfemittel, auf die wir im nächsten Para-
graphen eingehen werden, um, wenigstens für Gase, mit ziemlicher
Genauigkeit das Verhältnis
P« ^«
16") -^^ J-=.x
V V
zu bestimmen, wodurch also indirekt auch F^ geliefert wird.
Zahlreiche Beobachtungen haben gezeigt, daß x, und somit auch
F^, ähnlich wie jT^, bei Gasen von der Temperatur nur wenig, vom
Volumen aber anscheinend gar nicht abhängig ist ^^); eine Thatsache,
die, wie sich zeigen wird, große theoretische Bedeutung besitzt —
Es giebt für Körper der betrachteten Art Zustände, für welche
bei konstantem Druck eine zugeführte Wärmemenge keine Temperatur-
änderung bewirkt, F^ also = oo wird. Dies findet dann statt, wenn
die Körper die dem vorhandenen Druck entsprechende Temperatur
besitzen, bei welcher sie eine Umwandlung aus einer Modifikation
(z. B. einem Aggregatzustande) in eine andere erleiden, und dem-
gemäß beide Modifikationen nebeneinander im Gleichgewicht sind.
Hier verliert C^ resp. P^ seinen Sinn, die zugefügte Wärme dient
nicht mehr zur Temperaturerhöhung, sondern zur Umwandlung einer
bestimmten Quantität dM der Substanz in die durch Wärmezufuhr
entstehende zweite Modifikation.
Das Verhältnis
l7^ ^'^-/
*') dM - ^
§ 4, Wärmetheorie für ideale Oase. 513
heißt die spezifische Beaktioniswärme in kalorischem, das
Verhältnis
diejenige in absolutem Maße; beide sind ersichtlich Funktionen
des Druckes oder der mit ihm eindeutig verbundenen Reaktions-
temperatur allein.^*) Ihre Dimensionalgleichungen lauten:
[2;] = M7m-i, [A\^Ptr\
In dem speziellen Falle, daß die Umwandlung den Übergang
aus dem festen in den flüssigen oder aus dem flüssigen in den dampf-
förmigen Zustand betrifft, heißt L resp. -^1 die spezifische Schmelz-
wärme oder die spezifische Verdampfungswärme. Alle diese
Größen werden uns weiterhin noch vielfach beschäftigen.
§ 4. Mechanische Wärmetheorie far ideale Oase. Bestimmung der
CASiroT'Bchen Funktion.
Da T eine universelle Funktion der Temperatur allein ist, so
ist sie für alle Substanzen gefunden, wenn es gelingt, sie für eine
zu bestimmen. Körper, für welche das Problem durchführbar ist,
sind die sogenannten idealen Gase.
Unter einem idealen Gase versteht man in der Wärmelehre speziell
eine gasförmige Flüssigkeit, welche die drei Eigenschaften besitzt:
1) Das BoYLE'sche Gesetz über den Zusammenhang zwischen
Volumen V und Druck P zu befolgen;
2) die spezifische Wärme bei konstantem Druck F^ und
3) die spezifische Wärme bei konstantem Volumen F^ mit dem
Volumen gar nicht, mit der Temperatur nur wenig zu ändern.
Die wirklichen Gase erfüllen diese Voraussetzungen nicht genau,
aber um so strenger, je weiter entfernt sie sich vom Kondensations-
punkt befinden; deshalb erscheint die Ann^me von Körpern, die
ihnen völlig entsprechen, physikalisch unbedenklich.
Die erste Eigenschaft führt zusammen mit der auf S. 496 ge-
gebenen Definition der Temperatur zu der Formel
-f-r=.^^M£, 18)
in der S eine für alle Gase gleiche Konstante, JB aber der ge-
gebenen Gasart individuell ist; man nennt diese Gleichung, wie schon
S. 56 erwähnt, das Gesetz von Boyle und Gay Lussac.
Weil bei der Temperatur r = — J die idealen Gase in jedem
Volumen den Druck Null auf die Gefaßwände ausüben und dement-
VoiOT, Theoretlflche Physik. 83
514 lU. T&il Wärmelehre, L Kap.
sprechend durch einen beliebig kleinen Druck auf ein unendlich
kleines Volumen gebracht werden würden, so betrachtet man diese
Temperatur als besonders geeignet zum Nullpunkt einer allgemeinen
Temperaturskala und nennt
S + t
die absolute Temperatur des Körpers, dessen Temperatur nach
der CELSius'schen Skala r beträgt.
Der Zustand eines ruhenden Gases wird, wie schon S. 501 ge-
sagt, durch nur zwei Unabhängige yollständig bestimmt, läßt sich
also durch einen Punkt in einer Ebene repräsentieren, t = Const
gesetzt definiert eine Kurve in dieser Ebene, co = Const oder JEZ"=ConsL
eine andere; diese Temperatur- und kalorischen Kurven treten^ wie
oben gesagt, an Stelle der im allgemeineren Falle betrachteten (» — 1)-
dimensionalen räumlichen Gebilde analogen Charakters. In der
rP-Ebene sind die Temperaturkurven für ein ideales Gas nach (18)
gleichseitige Hyperbeln, welche die Koordinatenaxen zu Asymptoten
haben.
Um die zweite und dritte der für ideale Gase charakteristischen
Eigenschaften zu verwerten, führen wir zunächst das spezielle
Gesetz (18) für r, welches
IS') MB^==P, M£^=^r, MBdx^PdV+rdP
ergiebt, in die Gleichungen (15') für die spezifischen Wärmen F^ und
r^ bei konstantem Druck und konstantem Volumen ein.
Wir erhalten so
18") T-^^^J-—- + ij, r^ = j___,
woraus nach leichten Reduktionen für dE^ der Wert folgt
19) rf^ = ^[(r^-r„-5)(* + r)^ + /;rfr].
Da hierin rechts ein vollständiges Differential stehen muß, so ergiebt
sich, wenn, wie angenommen, für ideale Gase F^ und F^ vom Volu-
men unabhängig sind, und wenn ein Unendlichwerden der Energie
mit unendlichem Volumen ausgeschlossen wird, zunächst die Bedingung
190 -T, - /; = B,
Welche eine wichtige Beziehung zwischen der BoYLE'schen Konstante
und den spezifischen Wärmen F^ und F^ darstellt Zugleich nimmt
(19') die Form an
19") d£r=-MF^dr,
welche zeigt, daß die innere Energie eines idealen Gases eine f\ink-
tion von dessen Temperatur allein ist. ^')
§ 4, Bestimmung der Camot* sehen Funktion, 515
Setzt man die erhaltenen Werte (3'"), (90 und (19") für d'A,
(TSi und dF in die Energiegleichung (2^ und zugleich d W wie bis-
her gleich Null, so erhält man
Mr^dr^ - Pdr+ TdH
oder
dH^^[r^dT + B{S + T)^-y 20)
Da dieser Ausdruck ein yollständiges Differential sein muss, so be-
stimmt sich hieraus bis auf einen konstanten Faktor, der nach (9')
in die Funktion H hineingezogen werden kann,
T=S + T, 20')
wodurch die Gleichung (21) die Form annimmt
dH=Ml^r^^ + B^-y 20")
Die gesuchte universelle CABNOT*sche Funktion der
Temperatur ist hiernach die absolute Temperatur selbst^*),
für welche weiterhin nun auch der Buchstabe T beibehalten werden
mag, so daß die Gleichung (9') ihre Form
d'n^TdH 21)
bewahrt; das BoYLE'sche Gesetz aber geschrieben werden kann:
F r= M£ 1\ 21')
oder bei Einführung der Dichte () ^ M/F auch
P^BTq, 21")
BeschrSLnkt man sich, wie meist zulässig ist, auf solche Fälle,
in denen man F^ als konstant betrachten kann^^), so folgt aus (19"),
wenn man £^ f&r r = — ^ gleich Null setzt,
E = Mr^ T 22)
aus (20"), indem man eine irrelevante Konstante unterdrückt,
H^M(rj(T) + £l{F)), 22')
oder nach (19') und wegen /^//^^ = x
H^Mrj[r—^T). 22")
Bei Absonderung einer anderen Konstanten erhält man nach (22')
hierftlr auch
ir^Mrj{r'<P) oder ir'^MrjiT-iP^"^). 22"')
Diese Formeln liefern die Gleichung der kalorischen Kurven in den
drei Gestalten
r«-ir=^o^ r^'/p^-i^^i, v-p^a^, 23)
worin die A^ Konstanten bezeichnen; die letzte Gleichung läßt er-
kennen, daß diese Kurven eine den Temperaturkurven PV = Const.
33*
i
516 IIL Teil. Wärmelehre. L Kap,
ähnliche Gestalt besitzen, aber, falls die P-Axe vertikal steht, starker
fallen, als jene. Zugleich giebt sie ein Mittel zur experimentellen
Bestimmung von x fiir ein ideales Gas an; denn jede Beobachtung
über den Zusammenhang von Druck und Volumen bei adiabatischen
Zustandsänderungen wird von dieser Größe abhängig. Adiabatische
Vorgänge spielen sich aber am vollkommensten bei raschen Schwin-
gungen ab, die den erzeugten Temperaturdifferenzen keine Zeit zur
Ausgleichung lassen; demgemäß ist auch die genaueste Methode zur
Bestimmung von x auf die Messung der Fortpflanzungsgeschwindig-
keit von Schallwellen gegründet. Wir kommen hierauf weiter unten
zurück. —
Nachdem oben die CABNOT'sche Funktion T der absoluten
Temperatur S + t gleich gefunden ist, gewinnen die am Ende von
§ 2 erhaltenen allgemeinen Resultate anschaulichere Bedeutung. Dies
gilt insbesondere von den Formeln (9") und (9'").
Aus (9") folgt bei Anwendung auf den CAENOT'schen Kreispro-
zeß von S, 504:
d. h., die absoluten Werte der bei einem umkehrbaren CAENOT'schen
Prozesse aus dem oberen und unteren Reservoir entnommenen
Wärmemengen sind deren absoluten Temperaturen proportional.
Dieses Resultat kann man zur Feststellung einer absoluten Temperatur-
skala benutzen, welche den Vorteil hat, sich nicht auf das Ver-
halten spezieller (bis zu einem gewissen Grade hypothetischer) Körper
zu stützen; die so erhaltene Skala stinmit natürlich mit der des Luft-
thermometers überein, soweit das dieses letztere füllende Gas als im
Idealzustande befindlich betrachtet werden kann.
Aus (9'") folgt für den Wirkungsgrad
T — T
23") v= 'y >
was aussagt, daß eine vollständige Umwandlung der in Bewegung
gesetzen Wärme nur möglich wäre, wenn das untere Reservoir auf
die Temperatur des absoluten Nullpunktes gebracht werden könnte.
Schließlich sei noch auf die mechanische Deutung aufinerksam
gemacht, welche die zweite Hauptgleichung der mechanischen
Wärmetheorie (21) durch die Vergleichung mit der Formel (112^
auf S. 89 erfährt; ebenso auch auf die Beziehungen, die zwischen
den Entwickelungen auf der vorigen Seite und den auf S. 71 und 72
mitgeteilten Resultaten der kinetischen Gastheorie bestehen.
§ 5, Energie und Entropie. 517
§ 5. Allgemeines über Energie nnd Entropie.
Wie die erste Hauptgleiöhung (2) der mechanischen Wärme-
theorie
eine Definition der Energie enthält, so liefert die zweite (22) in
der Form
dH =
T
eine Definition der Entropie. Beide bestimmen die betreffende
Funktion nur bis auf eine additive Konstante, über die man ver-
fugen kann, indem man für einen gewissen Zustand des Systemes,
den Normalzustand (0), Entropie und Energie gleich Null setzt
Dann ist für jeden anderen Zustand (1) Energie und Entropie ge-
geben durch die beiden Formeln
■
(1) (1)
E = j{dCA + <ni), H^J-^; (24)
(0) . (0)
in Bezug auf die letztere ist nur Sorge zu tragen, daß der Zustand (1)
aus dem Zustande (0) auf umkehrbarem Wege erreichbar sei, da
nur in diesem Falle das Integral eine eindeutige Bestimmung von H
ergiebt
Es ist nützlich, darauf hinzuweisen, daß, wenn für alle Teile
eines körperlichen Systems, z. B. für die Elemente eines Systems
von chemischen Verbindungen, die Normalzustände festgesetzt
sind, dann die Energie und die Entropie jenes Systems in allen
beliebigen Zuständen, in welche dasselbe durch Zufuhr oder Ent-
ziehung von Wärme und Arbeit versetzt werden kann, gleichfalls
vollständig bestimmt sind. —
Die oben speziell für ideale Gase gefundenen Werte der
Energie (22) und Entropie (22^ haben sich mit der Masse des be-
trachteten Gases proportional ergeben; es bietet sich demgemäß
die Frage, unter welchen Umständen dies bei beliebigen anderen
Körpern gleichfalls stattfindet Diese Frage ist ein spezieller Fall
der allgemeinen und fundamentalen, unter welchen Bedingungen die
Energie eines körperlichen Systems gleich der Summe der Energien
seiner Teile ist, wenn man die Zerlegung in beliebiger Weise be-
wirkt Wir wollen letztere Frage jetzt in Angriff nehmen.'®)
518 UL Teil Wärmelehre. L Kap,
Was zunächst die Energie des ganzen Systems angeht, so ist
dieselbe nach (24) in der Form zu schreiben
h
worin
(1) (i)
(0) (0)
ist, und die Summe 2 sich auf alle Zufuhren von Wärme und Arbeit
bezieht, welche die einzelnen Teile von Quellen außerhalb des Systems
erhalten. Dagegen wird die Energie eines einzelnen Teiles (Ä) gegeben
sein durch
worin die Summe -2* die seitens der anderen Teile {k) des Systemes
an {h) stattfindenden Abgaben darstellt.
Hieraus folgt
h h h k
oder auch
24') ^=2^»-22(^** + ßJ,
h h k
was bedeutet, daß die Gesamtenergie der Summe der Teilenei^een
nur dann gleich ist, wenn bei der ganzen Überfuhrung aus dem
Normal- in den betrachteten Endzustand die Summe der inneren
Austausche gleich Null ist.
Dieses ganz allgemeine Besultat läßt sich in speziellen Fällen
noch anschaulicher und einfacher darstellen.
Wir wollen zunächst voraussetzen, daß die Teile des Körpers
aus dem Ganzen durch Zerlegung seines Volumens hergestellt
sind, — im Grenzfall die Teile die Raumelemente eines endlichen,
homogenen oder stetig veränderlichen Körpers darstellen.
Haben dann die zwischen den Teilen stattfindenden Wechsel-
wirkungen Potentiale <J>^, so erhält man durch eine leichte Eeduktion
h k
und dies zeigt, daß, wenn irgend welche Femwirkungen von der Art
der Gravitation in Betracht gezogen werden, die Summe links im
allgemeinen nicht verschwindet; es sei denn, daß die beiden Zu-
stände (0) und (1) derselben äußeren Konfiguration des körperlichen
Systems, also gleicher Gestalt und gleicher Massen Verteilung ent-
sprechen.
§ 5, Energie und Entropie, 519
Finden keine Femwirkungen, sondern nur Druckkräfte in den
Grenzflächen zwischen den Teilen statt, so ist
^hk = /(^^« + y'dv + Zdw\do^,
Aj^ = j (Xdu + Ydv + Zdw\do^\
hierin gilt längs desselben Flächenelementes
^* + ^=^* + i'» = ^* + ^» = o,
und es wird daher also stets
sein, wenn die Körper fest zusammenhängen, und die Drucke beliebig
gerichtet sind, oder wenn die Körper aneinander hingleiten, und die
Drucke normal zur Grenze stehen.
Bezüglich des zwischen den Teilen (h) und (A) des vorausgesetzten
Systems stattfindenden Wärmeaustausches ß^^^ und ß^^ können wir
auf Grund der bisherigen Eesultate nur wenig behaupten. Erst in
§ 9 werden wir Mittel erhalten, zu zeigen, da:i, gewisse Grenzfälle
ausgenommen, die zwischen räumlich getrennten Teilen eines Systems
stattfindende thermische Wechselwirkung immer der Bedingung
genügt.
Demgemäß können wir für den FaU, daß von fernwirkenden
Kräften zwischen den Teilen des Systems abgesehen werden könne
die Beziehung
E=^E, 24")
anwenden, die bei einem homogenen Körper die Gestalt
£' = jtf 6 = r«! 24'")
annimmt, in welcher £ die Energie der Massen-, £^ diejenige der
Volumeneinheit bezeichnet
Diese Eesultate sind im Grunde stillschweigend bereits in den
früheren Abschnitten benutzt worden, wo mit homogenen Körpern
operiert wurde; denn die jenen zugeführte Arbeit und Wärme wird
in Wirklichkeit direkt nur den an der Oberfläche liegenden Kaum-
elementen mitgeteilt und pflanzt sich zu den inneren fort; die ganzen
Überlegungen der §§ 2 und 4 sind also nur haltbar, wenn
ist.
Sind di^ Teile des Systems nicht in verschiedenen Räumen
liegende Massen, sondern Bestandteile, welche in demselben Volumen
520 UI, Teü, Wärmelehre. L Kap,
nebeneinander existieren, etwa die Elemente einer chemischen Ver-
bindung, so liegen die Verhältnisse total anders und werden im
folgenden Kapitel genauer untersucht werden.
Was dann weiter die Entropie eines Systems angeht, so setzt
die Definition (24) voraus, daß die Wärmezufulir dSi ausschließlich
auf umkehrbarem V7ege, also durch Abgabe von einem gleich-
temperierten Körper, stattfindet. Dies ist angenähert erfüllt auch
innerhalb eines Systems von stetig mit dem Ort wechselnder Temperatur,
falls der Austausch nur zwischen unendlich benachbarten
Elementen, wie man sagt durch Leitung, nicht durch Strahlung
stattfindet Zerlegt man ein solches System durch beliebige Flächen
in unendlich kleine Teile, innerhalb deren die Temperatur als kon-
stant betrachtet werden kann, und stellt die frühere Überlegung an,
so erhält man
U vT*^^* TT C^3l^
also
h h k J ^h
worin das letzte Integral verschwindet, wenn der Austausch nur
zwischen den benachbarten Elementen stattfindet, und die frühere
Beziehung cF£ikjc + fmkh = 0 gültig ist
Für einen Körper mit stetig wechselnder Temperatur, der für
Wärmestrahlung undurchlässig ist, kann man daher setzen
25') H=^^H^,
woraus für einen homogenen und gleichförmig temperierten bei mit
(24"') übereinstimmender Bezeichnung auch folgt
25") H^Mfi^Ffi,.-^
Die Energiegleichung (2') wird für ^ = 0 bei Einfiihrung des
Wertes von (Tii zu
26) dE'=d'A+ TdH
und stellt in dieser Form ein wichtiges Hilfsmittel dar zur Be-
stimmung der Funktionen E^ oder H für eine bestimmte Substanz
aus empirischen Gesetzen über deren Verhalten thermischen und
mechanischen Einwirkungen gegenüber.
Sei z. B., was die Resultate besonders symmetrisch werden läßt,
der Zustand des Körpers durch die Temperatur x oder T und be-
Uebige (» — 1) unabhängige Variable a, ä, c, . . . bestimmt, so wird
§ 6, Allgemeine Orundformeln,
521
26')
dT '^ ^ ' o da
d'A ^ At dT + ^ Aa d a ,
wobei die Summen über die von allen Variabein a, b, c , . , her-
rührenden Anteile zu erstrecken sind.
Setzt man dies in (26) eii^ und berücksichtigt, daß die Di£Ferentiale
samtlich voneinander unabhängig sind, so erhält man
dT
dE'
da
dT
« ' da ^
26")
oder bei Einf&hrung der Abkürzung
worin S den Namen der freien Energie trägt *^, auch
dS
-Q-ji == At — Hf
dS
da
-A -^-A.
27)
27')
Die Verbindung dieser Werte mit der dritten Gleichung (26') ergiebt
d'A=-HdT+dS, 27")
worin dS die gesamte Änderung von S mit a^b^c,.., und T bezeichnet.
Für isothermische Vorgänge erhält man noch einfacher
dA^drS, 27'")
was eine wichtige Eigenschaft der freien Energie ausdrückt
Aus (27') folgen Beziehungen zwischen den Aj^ und H, indem
man S eliminiert, z. B.
28)
dAj,
dA^ dH
dAj, dA^ dH
da
dT ~ da '
db dT ~ db
und auch
dA dA^
db " da '
dA dA
a _ e
de - da '•••'
28')
die Verbindung der Werte (27") mit der zweiten Gleichung (26')
führt dann auf
was man auch schreiben kann
diH-Aj.) c\ ^^a
dH=^ j^ dT + dAr — ^-Öji-da^
wobei dAr die gesamte Änderung von At mit T, a, b, c
zeichnet.
28'")
. be-
522 ///. Teü, Wärmelehre, L Kap.
In dem wichtigsten speziellen Falle, daß die Arbeit verschwindet,
wenn da = db = ... = 0 ist, d.h., daß At^O ist, giebt dies
einfacher
28"") dH^^dT-%^-^da.
Nun ist allgemein bei umkehrbaren Zustandsänderungen
29) rf'fl = MrdT= TdH,
worin r die aUg^emeine spezifische Wärme bezeichnet. Benutzt man
dies, und versteht unter JT^ denjenigen speziellen Wert von JT, der
da = db = ...0 entspricht, so wird
29') ^-^^^^
29") d'ü = MF" d T.+ TS (-^ .^ -^) da ,
oder in dem speziellen Falle Ar = 0 auch
29'") d'ii = Mr'^d T-^T^^ da.
Diese Gleichung wird für den Fall dT ^ 0 identisch mit der
Formel (114'") auf S. 91 und deshalb durch die Vorstellungen, die
zu jener geführt haben, mechanisch interpretiert. —
Von den obigen Eesultaten wollen wir eine Anwendung auf den
wichtigen Fall machen, daß es sich um einen Körper handelt, der
unter allseitig gleichem Druck P im Gleichgewicht ist; hier ist
außer T nur noch eine Unabhängige einzuführen. *®)
Wählen wir hierfür das Volumen, setzen also a = /', so ist
r^= /; und
30) dA = -PdV, daher A^= - P, ^r = 0 ,
und wir erhalten sofort aus (27') und (27")
qri/x öS __ p BS __ JT öS __ dP
^ f dV ' dT ' dV^öT'
30") rf'ß = y¥/; d T +T^dF; r,= -J ^ .
Wählt man dagegen als zweite Unabhängige den Druck, setzt
also a = P, so ist r^= F und
31)
d'A=- P[^dP + l^d 7') , ^Iso
und man erhält analog
^ dP^ dP^ dT~ BT ' öP~ dT^
§ 6, Wärmeikeorie für elasiisoke Körper, 523
d^ü = ]i/r^dT-T^^dP, r^=~^^. 31")
Beachtet man, daß
ist, worin a der Eoef&sient der thermischen kubischen Dilatation,
ß derjenige der elastischen kubischen Kompression ist, — ersterer
bei konstantem Druck, letzterer bei konstanter Temperatur ge-
nommen, — so erkennt man, daß Beobachtungen über die Abhängig-
keit dieser Größen, sowie der spezifischen Wärme F von Druck
und Temperatur die Bestimmung von H und ä, und wegen (27),
auch von f gestatten.
lü der Regel wird man a, /9, F^ dabei durch Konstanten oder
durch lineare Funktionen hinreichend genau darstellen, auch die
Änderung von T häufig neben • seinem Gesamtwert vernachlässigen
können; dadurch erhält man dann für HunA S resp. f Funktionen
von ziemlich einfacher Gestalt
§ 6. MechanlBche Wärmetheorie für elastische Körper.
Die im vorigen Paragraphen entwickelten Grundsätze wenden
wir nunmehr auf umkehrbare Zustandsänderungen eines elastischen,
beliebig deformierten und temperierten Körpers an. ^®) Wir können
dabei, weil die obigen Betrachtungen sich zum Teil nur auf homo-
gene Körper beziehen, nicht den gesamten Körper mit einem Male,
sondern nur seine einzelnen Volumenelemente, in denen die Defor-
mationen \ind die Temperatur als konstant angesehen werden dürfen,
der Behandlung unterwerfen. Warum und inwieweit in diesem Fall
die Wärmezufuhr zu jedem Volumenelement als auf umkehrbarem
Wege stattfindend angesehen werden kann, ist oben angedeutet und
wird später noch genauer erörtert werden.
Als ursprünglichen oder normalen Zustand betrachten wir
denjenigen, der sich bei überall gleicher Temperatur T^ einstellt,
falls auf den Körper entweder keinerlei oder aber bestimmt gegebene
äußere Kräfte wirken; der deformierte Zustand ist dann für jede
Stelle gegeben durch die sechs Deformationsgrößen x^, . , . x und
die von Ort zu Ort wechselnde Temperatur T; erstere werden als
neben 1 sehr kleine Größen angesehen, während T, und auch die
relative Temperatur T — Tq= r, wo t eine allgemeinere Bedeutung
hat, als in den früheren Paragraphen, zunächst beliebige Größen
haben können.
524 ///. rni. Wärmelehre. L Kap.
Die Deformationsgrößen sollen innerhalb eines homogenen oder
in seiner Natur stetig veränderlichen Körpers stetige FunktioneD
der Koordinaten sein, sie können aber in der Grenze zwischen zwei
dergleichen Körpern springen; die Temperatur soll indessen überall
stetig sein, da auch in der Grenze zweier Körper, welche ursprüng-
lich verschieden temperiert zur Berührung gebracht werden, sich
nach der Erfahrung augenblicklich ein stetiges Temperaturgefalle
bildet
Die Verrückungskomponenten mögen, wie im IV. Kapitel des
n. Teiles, mit «, r, w bezeichnet werden, die Komponenten der
körperlichen, auf die Volumeneinheit bezogenen Kräfte mit X\ ¥^, iT,
diejenigen der auf die Flächeneinheit bezogenen äußeren Drucke
mit Xy r, Z] dagegen mögen die Komponenten der inneren Drucke
als von den früher betrachteten, rein mechanischen, durch Berück-
sichtigung des Einflusses der Temperatur verschieden, gleich
Äj., H^y Z^, . . . gesetzt werden; sie gestatten indessen die unge-
änderte Anwendung der auf S. 221 u. f. angestellten Überlegungen.
Demgemäß haben sie in jedem Punkte des körperlichen Systemes
den Hauptgleichungen
32)
an der äußeren Begrenzung den Bedingungen
32') Ä,+ 2: = /f„+r=z„+^ = o,
an der Grenze zwischen zwei Körpern (ä) und (A) den Formeln
32") {SS + (5A = {HX + (HX = (ZX + {ZX = 0 •
ZU genügen, in denen
32'") H^Z, Z^S, S^H
und
32"") K = ^x cos (n, x) + Sy cos (n, y) + S, cos (n, z),
ist.
Die einem beliebigen Volumen k zugeführte unendlich kleine
äußere Arbeit ist definiert durch
d'J[ = f{Tdu + Tdv + 2rdw)dk
33) { •"._..__
-f / {Xdu + Ydv + Zdw)do,
und läßt sich durch Berücksichtigung von (32') und (32""), sowie
durch eine teilweise Integration leicht auf die Form bringen
§ 6, Wärmetkeorie für elastische Körper,
525
d'A =fdk{Tdu + rdv + iPdw)
+ -^-^{H^du + H^dv+H^dw)
+ ^^{Z^du + Zydv + Z^dw)
33')
Für ein unendlich kleines Volumen dk benutzt, giebt diese Formel
nach Division mit dk den Wert der auf die Volumeneinheit be-
zogenen Arbeit d^A I dk ^ d^a^
d'a^ = {rdu+ Tdv + Z'dw)
d
33")
— -^[Z^du + Zydv + Z.rfti?),
oder unter Berücksichtigung von (32)
d'a^^-'{S^dx^-^-H/y^+Z^dz^+H^dy^+ZJz^+S^dx^)+d^lf^, 34)
worin ^ifj^ die lebendige Kraft der Volumeneinheit an der betrach-
teten Stelle ist.
Hierzu fügen wir, indem wir unter t^ die auf die Volumenein-
heit bezogene Energie verstehen:
dt, = -f-?'- dx, + ^ •l rfy + !_*.. dz^ + I *»- dy^ + J*' dz.
1 dx » dy ^y dx ' dy '^'^ dx *
34')
ebenso giebt sich für die Entropie tj^ der Volumeneinheit, welche
nach ihrer Definition von der Bewegung unabhängig sein muß:
'^^/i -V^<^-,+ i^äy.+ i^'i^.+ '^äy.+ p^dz
dx
dy "^y
y
d%
dy
dx ""«
X
^ dx "^""y^ dT^^'
y
34")
Da zwischen den vorstehend definierten Größen die Beziehung
rf«! = d'a^ + d'm^ = d'a^ + Tdri^ 34'")
besteht, in welcher sich das von der Geschwindigkeit abhängige
Glied d'kfß^ heraushebt, so sind die hier vorliegenden Verhältnisse
526 IIL TeU. Wärmelehre. L Kap.
den am Eude des yorigen Paragraphen vorausgesetzten gleich, auch
ist der Wert rf*«^ von der einfachsten Gestalt, bei veelcher ^t ver-
schwindet
Demgemäß können wir alle dort allgemein erhaltenen Resultate
auf unser Problem einfach übertragen.
Setzen wir abgekürzt
35) e^^Tfj,-yj, = el- T.?, = |„
worin 1^ als die freie Energie der Volumeneinheit zu be-
zeichnen ist, so erhält man aus (27')
aus (28)
35") ^^ _ ^'^* ^ly. — ^^y
und aus (28')
35'")
dx ~ BT'' " dx " BT
X ' y
«5 ^.BH^ 3^ ^ «5
dy dx ^ dx dx ^
y X t X
Mit der Formel (28") korrespondiert wegen der Beziehung (29)
r
und wenn man nach (29') die spezifische Wärme /"^ bei konstanter
Deformation, welche durch dx^= ^Vy^ . . . = dx = 0 definiert
ist und der Größe F^ auf S. 522 entspricht, mittelst der Beziehung
Qft/\ r -^ —^^ — — ^*
einführt, giebt dies auch
36") dn^=^-^dT+ i^^dx^+ . . . + ^^'^^ dx^.
Hierdurch ist di]^ mit Hilfe von wohldefinierten und direkter oder
indirekter Bestimmung durch die Beobachtung zugänglichen Großen
ausgedrückt.
Weitere reciproke Beziehungen erhält man durch Kombination
von (35") und (36') in der Form
^^ f T dx "dT^^"' T dx r öT« '
sie sprechen einen merkwürdigen Zusammenhang zwischen der spe-
§ 6. Wärtnethearie für elasUseke Körper. 527
ziiischen Wärme /'^ und den Gesanitdruckea 5'a.;...S aus, auf
den wir bei gewissen speziellen Fällen noch zurückkommen.
Eine zweite wichtige spezifische Wärme, nämlich diejenige F^
bei konstanten Spannungen S^, . . . S , erhält man, indem man
in der Formel (36) die Veränderungen dx , . . , dx so bestimmt,
daß sie die dS^. . . . dS,, zu Null machen; man kann das Resul-
tat schreiben
w^enn man sich in den ersten Faktoren der Ausdrücke in der Klammer
die Drucke durch die Deformationsgrößen und die Temperatur, in
den zweiten die Deformationsgrößen durch die Drucke und die
Temperatur ausgedrückt denkt —
Bis hierher sind die Entwickelungen yoUständig allgemein;
nunmehr wollen wir zu speziellen Ansätzen übergehen und nehmen
dazu an, daß die Abweichungen der vorkommenden Temperaturen T
von der normalen T^, also T— To = t als eine Größe erster Ordnung
neben T^ betrachtet werden können, wie gleiches für die Deformations-
größen gegenüber Eins gilt Wir können dann 1^ nach Potenzen
von x^y . . . X und t entwickeln und mit dem niedrigsten Glied ab-
brechen. Macht man die beiden* speziellen Annähmen, daß im
Normalzustande, d. h. mit verschwindendem x^, . . . a: und r, sowohl
die Drucke, als die Entropie verschwinden — von denen nach dem
oben Gesagten die erstere wesentliche, die zweite nur formale
Bedeutung besitzt — , so stellt sich |j als eine homogene Funktion
zweiten Grades dar, die wir bei Einführung der Konstanten c^^
qj^ und r schreiben woUen*^:
+ ^22y/+2ca3V«+2e24yyy. + 2c3,yy2r^+2c2^yya:y
Für die Größe von r folgt aus (36')
betrachtet man hierin, gemäß der eingeführten Beschränkung auf
Glieder zweiter Ordnung, q und T als die konstanten Normalwerte
^Q und Tq, wie dies weiterhin geschehen soll, so findet sich in
gleicher Annäherung F^ konstant
Aus (37) erhält man gemäß den Beziehungen (35')
37)
370
528 IlL TeiL Wärmelehre. I. Kap.
( -5x=^ii** + --- + ^ie^y-yi^= -{^x + 9i^)y
87")
- '^^ = ^«1 ^« + • • • + ^66 *y - ?€ '^ = - (-^y + ?« ^) >
(fo^ä^
die Größen X., . . . X stellen sich also als die elastisrfb^n isothermischen
Drucke des Ansatzes (107") auf S. 331 dar, die Produkte y^r als
die Zuwachse, welche sie infolge der Temperaturänderungen erhal-
ten, und die man kurz die thermischen Drucke nennt. '^)
Die isothermischen Elasticitätskonstanten o^^ und die Eon-
stanten qj^ der thermischen Drucke folgen aus |^ durch zweimalige
DiiFerentiation; denn es ist
Die freie Energie 1^ läßt sich unter Einführung des elastischen
Potentials y^ der Volumeneinheit schreiben
und für die gesamte Energie e^ der Volumeneinheit findet man
nach (35)
37'") «1 = (91 + V'i) + ^;(yi ^« + . • . + y«^y) + i'-cr»- '^),
worin (y^ + t//j) den rein mechanischen Anteil derselben darstellt;
die innere Energie e\ wird daraus durch Beseitigung des Glie-
des i//j , der lebendigen Kraft, erhalten. Da die Deformationsgrößeii,
sowie die Differenz T — T^, = t, als Größen erster Ordnung gelten^
so enthält s[ Glieder erster und zweiter Ordnung nebeneinander;
bei Beschränkung auf die ersteren wird unter Bücksicht auf (37')
sehr einfach
37'"') b\ = To (?i ^x + • • • + 96^y) + Po r^r.
Die elastische Energie ist hieraus vollständig verschwunden, und der
übrigbleibende Teil ist mit i?, Tq identisch. —
Bezeichnet man die isotiiermischen Elasticitätsmoduln, wie im
IV. Kapitel des 11. Teiles, mit Sj^j^ und setzt abgekürzt
38) 9ihi + 9%'ia + '*' + 9b ^fs = ^h>
so gilt auch umgekehrt
36') «1 ^Äi + «« ^Ä2 + • • • + «6 *Aa = 7fc-
Unter Berücksichtigung dieser Beziehungen kann man die ersten
sechs Gleichungen (37 ') leicht nach x^j . . . x^ auflösen, indem man
sie mit den Faktoren .9^^, ^/^^ • • • ^m zusammenfaßt; setzt man noch
§ 6. Wärmetheorie für elaetiscke Körper.
529
die erhaltenen Werte in die letzte Gleichung (37") ein, so erhält
man das (37") entsprechende System
- ^x = *ii Ä, + . . . + *ie Ä - «1 T,
- ^« = *fli A« + . . . + «ae S„ — a- T,
66
+ ^1 = V (^1 Ä + . . . + öfl Äy),
worin nach Formel (36"")
38")
T,
^.= ^d + T^(7i«i+--- + y6«6>
9o
38'")
Es ist also in der eingeführten Annäherung, sowie F^, auch F^ von
Xx, . . . ^y und r unabhängig.
Weiter gut bei Vernachlässigung der Glieder zweiter Ord-
nung auch
«; = (j.F^T ^T,{a,S. + ... + a,S,) = f], T,. 38'"')
Für krystallinische Körper, welche Symmetrieen besitzen, spe-
zialisieren sich die Teile des Ansatzes (37) nach den Schemas IV
und n auf S. 137 imd 143. Für isotrope Körper wird speziell
- 2yT(xa, + yy+z«) —
T«
39)
39')
oder bei Benutzung der Abkürzungen & und &^ von S. 336
2|i = c, 19-« + c^&' - 2yT,^ - "^-V,
und hieraus folgt
— Hy^c^yy + c^d-^-qr, — Z^=-\c^z^,
— Z^ = c^z^ + c^& — qr, — 5y = iCjOTy,
— ^y = «1 Ab + * Äy + *1 2, — a T , — ZjB =■ 2 «3, Za ,
— 2r, = «1 Sb + 'i ^ + * 2g — a T , — ^y = 2 *3, ^ ,
Vo
wobei wie früher c — Cj = c,, * — «^ = ä^ gesetzt ist. Für Flüssig-
keiten wird speziell
39")
c = Cj , Cg = 0 , also y = 3 a c.
39'")
Voigt, Theoretische Physik.
84
530 lU. Teil. Wärmelehre, L Kap.
Bei isotropen Körpern hat, wie man sieht, der thermische Druck
die Natur eines hydrostatischen Druckes; er ist normal gegen
das Flächenelement gerichtet und von dessen Orientierung unab-
hängig. Die Entropie enthält die Deformationsgrößen nur in der
Kombination &^ und hieraus folgt bei Rttcksicht auf (36), daß auf
die spezifischen Wärmen auch nur das .Verhalten der räumlichen
Dilatation Einfluß hat Demgemäß muß hier die spezifische Wärme bei
konstanter Deformation mit der bei konstantem Volumen identisch
sein, und da nach der vorletzten Gleichung (39") auch nur eine
spezifische Wärme bei konstanter Spannung existiert, muß diese mit
derjenigen bei konstantem allseitig gleichen Druck übereinstimmen.
Wir wollen demgemäß, um die Verbindung mit der früheren
Bezeichnung herzustellen, für isotrope Körper setzen
39"") ^. = ^., r, = r^.-
Diese Resultate bedürfen einer Ergänzung, wenn im Normal-
zustande die äußeren Kräfte, und daher die inneren Spannungen,
nicht verschwinden, sondern beliebig vorgeschriebene Werte 5^, . . . rj
besitzen, ein Fall, der fast nur bei Gasen ein Interesse hat und
daher durch einen Zusatz erledigt werden mag. Hier ist zu dem
Werte von |j in (37) noch. das Glied
hinzuzufügen, welches bewirkt, daß in den Formeln (37"), wie denen
des Systems (38) bis (38""), B^- Sl= SL, . . . Sy S'y = 5y an SteUe
der Sxi i ' ' Sy tritt, und daß sich in (37"") auf der rechten Seite
d. h. die Arbeit, welche die Deformation bei konstanten Anfangs-
spannungen erfordert, den übrigen Gliedern zuordnet, so daß
€^ = c^j + rj^ T^ wird.
Die Notwendigkeit dieser '^Ergänzung erkennt man deutlich,
wenn man die Energie eines idealen Gases berechnet, das im Normal-
zustande unter dem Druck P^ stehen mag. Hier wird die ergänzte
Formel (37"") zu
40) €l=Toyi^-|-(>or/;-P,*;
zugleich folgt aus (39')
(40') BL=^Hy^Z,=p^ --c^ + qx.
Nun giebt aber das Boyle-Gay LussAC'sche Gesetz bei vollständiger
Dififerentiation
PdV+VdP^MBdT,
^ 6. Wännetheorie für elastische Körper. 531
und hieraus folgt in der jetzt benutzten Bezeichnung
p^^P,ß' + BQ,T^^P,» + 4^. 40")
Die Vergleichung mit (40') zeigt, daß bei idealen Gasen einer-
seits c = Pq sein muß, was schon früher benutzt ist, andererseits
q^BQ,^^; 40'")
letzteres führt, in (40) eingesetzt, sogleich auf
«'i = n?o^. 40"")
in Übereinstimmung mit Formel (20), wenn man berücksichtigt,
daß wir bei der jetzigen Betrachtung die Energie von dem Normal-
zustande r = 0, nicht von T= 0 aus rechnen. —
Der Ansatz (37), welcher für sehr kleine Temperaturintervalle
T= T— 7{j gilt, muß für größere verallgemeinert werden, und es
vnrd der nächste Grad der Genauigkeit erreicht, wenn man die
Konstanten Cj^j^, q^ und r mit linearen Funktionen der Temperatur
vertauscht; eine Berücksichtigung höherer Potenzen der Deformations-
größen ist dabei noch nicht nötig, da diese in praxi immer sehr
klein sind.*^
Dieser verallgemeinerte Ansatz führt auf dieselben Formeln für
die Druckkomponenten S^,, . . . Sy, nur ist die Bedeutung der c^,^ imd qj^
eine andere geworden; dagegen ist der Ausdruck für rj^ viel kom-
plizierter, denn es tritt zu den in (37") aufgefiihrten Gliedern noch
der negative Wert von 1^ selbst, nachdem in demselben die c^^, qj^
und r mit öc^^/ör, öy^/ör und drjdr vertauscht sind.
Wir wollen ihn daher nicht aufstellen, sondern nur hervorheben,
dass nach (36') unter der geraachten Voraussetzung, falls man
dfpjdr in (p abkürzt, folgt
^d = y [yi^* + ••• + ?i^y -h r + 2r'r] . 41)
[Es wird hier also I^ sowohl von der Temperatur, als von den
Deformationsgrößen abhängig.
Die Formeln (36'") aber lauten hier
0 y
bei isotropen Körpern enthält F^ = F^ die Deformationsgrößen nur
in der Kombination 0- = x^ + y + z^, und es gilt
34*
532 UL Teil. Wärmelehre. L Kap.
wodurch eine merkwürdige Beziehung zwischen der Wärmekapacitat
der Volumeneinheit qF^ und dem Koeffizienten q des thermischen
Druckes ausgesprochen ist.
§ 7. ThermiBche Dilatation. Adiabatische Deformation.
Die oben gefundenen Formehi (37") für die in einem elastischen,
beliebig temperierten Körper wirkenden Gresamtdrucke, welche
allerdings kleine Abweichungen r der Temperatur T von der An-
fangstemperatur Tq voraussetzen, bieten die Grundlage f&r die Ent-
wickelung der allgemeinen Gesetze der thermischen Dilatation bei
mäßiger Temperaturänderung. *^
Wir betrachten zunächst nur Körper mit in der ganzen Aus-
dehnung konstanter Temperatur ohne Einwirkung äußerer Kräfte.
Man genügt in diesem speziellen Falle den Haupt- und Oberfiächen-
bedingungen (32) und (32') zugleich, indem man überall
setzt Es folgt dann aus (38")
42) j:, = «1 r, y^ = a, r, z^ = a^ t, y, = a^ t, z^ = a^ t, x^ = a^ t,
und hierdurch werden die Konstanten a^, a^, o, als die Konstanten
der thermischen linearen Dilatationen parallel den Koordinaten-
axen, a^, a^, a^ als diejenigen der thermischen Axenwinkel-
änderungen definiert; sie sind sämtlich reine Zahlen, es gilt also
42') W = 1 .
Die räumliche thermische Dilatation findet sich nach (42)
42") i9- = («1 + flg + a^)T = ar ,
der Faktor von r ist also der kubische thermische Dila-
tationskoeffizient
Die lineare thermische Dilatation X in einer beliebigen, durch
die Eichtungskosinus a^, ß^, y^ gegebenen Richtung s ist nach For-
mel (7) auf S. 217
42"') A = a.r = [a^a] + a^ß\ + a^y] + a^ß^y^ + a^y.^. + a«a,/!.)T,
woraus folgt, daß aus einer Kugel, die aus einem beliebigen Krystall
hergestellt ist, durch gleichförmige Erwärmung jederzeit ein Ellip-
soid wird.
Von erheblichem praktischen Interesse ist femer die thermische
Änderung des Winkels zwischen zwei in oder an einem Krystali
§ 7, Thermische Dilatation. 533
bezeichneten Ebenen , welche der Beobachtung fast noch leichter
zugänglich ist, als die lineare Dilatation einer an ihm markierten
Strecke.*^)
Seien die Gleichungen der beiden Ebenen vor der Deformation
^^+yßh + ^rh^r'h für Ä= 1 und A = 2, 43)
so sind
r r r
t _Ä M __A ;• h
bA •"■ a ' ^'Ä "~ o » bA — "IT
die Abschnitte, welche dieselben auf den Koordinatenaxen markieren.
Infolge der Deformation erhalten die Schnittpunkte die folgenden
Koordinaten
du (■{ _i^^\ ^^
t, Bu u, Bv y 1-% \ ^^\
^* ölt' ^*ö^' ^^y "^ 'dlj'
und wenn man die Gleichungen der Ebenen nach der Deformation
schreibt
xan+yß'n + zn^rn, 43')
so läßt sich cChlr^j ßhl^hj Yhlfh dadurch bestimmen, daß die
Gleichungen (43') durch die Koordinaten des vorstehenden Systems
befidedigt werden müssen.
Man erhält, da u^ v, w unendlich klein sind, durch Annäherung
sehr leicht
f* =, f» _ /^l-« + Aö!« + A^) u. s. f., 43")
oder, da r» und r^ sich auch nur um eine Größe erster Ordnung
r A — r^ = Q^ unterscheiden,
„;=«,|i + ^)- (-4-: +/?.!-:+..£) u.s.f. 48'")
Nun sind zwar die Strecken, welche bei der Deformation aus
den Loten r^ und r^ werden, nicht mit r^ und r^ identisch; sie
unterscheiden sich aber, wie die bloße Anschauung lehrt, nur um
eine Größe zweiter Ordnung von ihnen; daher dürfen wir Qj^Jt^^ mit
der linearen Dilatation A^ in der Richtung von r^ identifizieren.
Ist weiter x ^^r ursprüngliche, x der durch Deformation er*
534 ///. TeU, Wärmelehre. L Kap.
44)
44')
haltene Winkel zwischen den beiden Ebenen und ;^' — ;^ = v, so er-
hält man wegen
cos/ = «j «3 + ß^ ß^ + riri7 cos;ir' = «;«; + /?; ß'i + r\ r^
sogleich
cos x — cos / = — t^ sin ;jf
- [ySßiYt + Yißi) + ^^{ri^2 + <^iY2) + ^Kft + ft «!)]•
Setzt man in diesen allgemeinen Wert die Ausdrücke (42)
und (42"'), so ergiebt dies schließlich:
vsin;ir = «12 T sin;jr = \2[a^ a^ a^ + a^ ß^ ß^ + a^ Yi Y^)
+ «4(A Y2 + ßiYi) + «6 (/l ^2 + Y2^) + «eK Ä + ^ißl)]^
- [«1 W + ^1) + «2 0?? + ßl) + «3 (r? + ^1)
+ ^^{ßiYi + ß2Y2) + «öO'i 0^1 + YtCC2) + «e(ö^i A + «^2ft)]^c<>8/-
Die Formel vereinfacht sich erheblich, wenn die beiden Flächen
ursprünglich zu einander normal waren.
Bei regulären Krystallen und isotropen Körpern wird
44") & = 3aT = ar, X = ar, v = 0;
bei idealen Gasen ist überdies
44'") 3fl = a=l/r;
denn aus dem BoYLE-GAY-LussAc'schen Gesetze folgt
i dV _ Bq
VdT "" P '
und die linke Seite ist gleich a, die rechte gleich 1 / T. —
Die Hauptgleichungen (32) werden im Falle des Gleichgewichtes
auch durch beliebige konstante, aber von Null verschiedene
Werte der Druckkomponenten H^, ...5 befriedigt Bestimmt man
deren Größe dadurch, daß man die Deformationsgrößen sämtlich
gleich Null setzt, so geben die Gleichungen (37")
und aus den Formeln (32') und (32"") kann man dann diejenigen
Werte der äußeren Drucke bestimmen, welche notwendig sind, um
die Wirkung der konstÄuten Temperaturänderung t gerade zu kom-
pensieren.
Für ein rechteckiges Prisma, dessen Flächen den Koordinaten-
ebenen parallel sind, erhält man die Werte (45) selbst als die Be-
§ 7. AdiabaUsche Deformation. 535
träge der Komponenten der äußeren Drucke. Sie drücken sich in
den der direkten Beobachtung zugänglichen thermischen Deformations-
koeffizienten a^ und den iso thermischen Elasticitätskonstanten c^j^ aus
gemäß der Formel (38')
9/» = «1 ^h\ + S Cäs'+ • • • «6 ^fcö • — ^^T
Das allgemeine Problem der Deformation eines verschieden tem-
perierten Körpers ist bei gegebener Temperatur auf dasjenige der
Deformation eines Körpers unter der Wirkung körperlicher Kräfte
und oberflächlicher Drucke zurückführbar. Denn in den Haupt-
gleichungen (32) lassen sich die Anteile, welche die thermischen
Drucke zu den S^,**.S liefern, als körperliche Kraftkomponenten
deuten, in den Oberflächenbedingungen (32') als die Komponenten
von Oberflächendrucken.
In praxi komplizieren sich die Verhältnisse dadurch, daß die
Temperaturverteilung nicht direkt gegeben, sondern aus gewissen
Bedingungen, welche ihrerseits die Deformation des Körpers ent-
halten, zu bestimmen ist Die Gleichungen dieses Problems werden
in § 9 abgeleitet werden. —
Adiabatische Zustandsänderungen eines elastischen Körpers
sind solche, bei denen keinerlei Wärmeaustausch zwischen den
einzelnen Volumenelementen des Körpers, wie auch zwischen dem
Körper und seiner Umgebung stattfindet. Sie treten bei homogenen
Deformationen stets dann ein, wenn der Körper von adiather-
manen Hüllen umgeben ist, bei nicht homogenen allein im Falle
von schnellen Schwingungen, bei welchen der Wärmeübergang zwischen
Nachbarelementen der Kürze der Zeit halber, welche ein jeder Zu-
stand andauert, nicht merklich ist. Letzteres ist bei allen tönenden
Schwingungen sehr nahe erfüllt; für sie gelten daher in erster
Linie die folgenden Gesetze. ^^
Da die Entropie ri^ im natürlichen Zustande des Körpers gleich
Null gesetzt war, so sind adiabatische Zustandsänderungen solche,
bei welchen ly^ = 0 bleibt. Dies ergiebt nach (37") und (38") zwei
Formen der daraus folgenden Beziehungen, nämlich
jT- = q^x^ + ... + q^Xy 46)
und
^rp' =a^S^+ ,,. + a^By', 46')
die erstere bestimmt die bewirkte Temperaturänderung r durch die
hervorgebrachten Deformationen, die letztere durch die erregten
536 lU. Teü. Wärmelehre. I. Kap,
Druckkomponenten. Das Verhältnis beider Formeln bei gleichem r,
nämlich:
46")
T^ aiA^ + .,. -^ a^Sjf
drückt das Verhältnis der beiden spezifischen Wärmen r^/Fd durch
die bei einer adiabatischen Deformation einander entsprechenden
Drucke und Deformationsgrößen aus.
Für isotrope Körper liefert (46) unter Berücksichtigung, daß
hier /^ = /i ist,
Da T„t a&
wobei 3 a nach Formel (44") die^Bedeutung des kubischen thermischen
Dilatationskoefficienten a und 3(« + 2s{) nach Formel (1 1 3"") auf S. 336
diejenige des kubischen Kompressions moduls ß besitzt; (46*) ergiebt
wegen T, = F^
47') SlIpl^a{S. + Hy+Z,),
also bei allseitig gleicher Druckänderung /?. = P — P^,
47") ^p=3ap.
■'■0
a, der thermische lineare Ausdehnungskoeftizient, ist je nach der
Substanz meist größer, in vereinzelten Fällen auch kleiner, als NuU;
in dem ersteren Falle bewirkt nach der letzten Formel ein allseitig
gleicher Druck eine Steigerung, in letzterem eine Erniedrigung der
Temperatur. Dies Resultat ist durch Beobachtungen bestätigt
Durch Elimination von r folgt aus (47) und (47")
48) -/ = x= 5^ ,
V
eine Beziehung, die eine experimentelle Bestimmung von x ermöglicht»
Bedenkt man nämlich, daß bei isothermischer Deformation
48') 19«, = - 3 (5 + 2 s^)p
ist, so kann man, indem man die demselben Druck entsprechende
adiabatische Dilatation, durch &^ bezeichnet, auch schreiben
48") ^ = 1^'
woraus die Richtigkeit der gemachten Bemerkung erhellt.
Für ideale Gase ist nach (44'") 3a= l/T^, also wird für sie
aus (47")
48'") Qor.r^p.
§ 7. Adiahatisehe MasHcitätskonstanten, 537
Hierin bezeichnen r und p nur die einander entsprechenden Zu-
wachse von Druck und Temperatur, sind also, um zu den Formehi
von § 4 zurück zu leiten, durch d T und dP zu ersetzen. Es wird
dann wegen Fq ^ M
Mr^dT= FdP,
oder, da
MBT=FP,B = r^- /; und /;//; = x
ist, auch
dT , ..dP
Dies giebt durch Integration
T" = A^ i^-i oder F** P = A^,
worin A^ und A^ Konstante bezeichnen, in Übereinstimmung mit den
Formeln (28'") flir adiabatische Zustandsänderungen idealer Gase. —
Entnimmt man den Formeln (46) und (46') den Wert der adia-
batischen Temperaturänderung r und setzt ihn resp. in die Gleichungen
(37") und (38") ein, so resultiert ein System von Beziehungen zwischen
den Druckkomponenten Sxj^'Sy und den Deformationsgrößen Xa^,...Xy,
wie es speziell den adiabatischen Deformationen entspricht^^
Es wird
- Ä = cJi ar, + cl^i/y + c[^ z, + c'i^y. + c\^ z^ + c\q Xy ,
worin
49)
50)
4. = c,, + -Yr^ 49')
ist; analog wird
— X^ = Äj^ ÄJC + Äj3 Hy + *J3 Zg + S^^Hg + *jg Zg. + 5jg ^y ,
— Xy = Ägj ^a; + Ägg Hy + Äg3 Zj -[- SQ^Hg + Ägg ^a, + *gg Äy,
worin
«. ö, ^0
Berücksichtigt man das auf S. 338 über Deformationen ohne
Wärmebewegung Gesagte, so erkennt man, daß die Faktoren clk mit
den dort erwähnten adiabatischen Elastizitätskonstanten,
die sj^jt mit den adiabatischen Elastizitätsmoduln des Körpers
identisch sind; ihr Zusammenhang mit den isothermischen Kon-
stanten und Moduln c^^ und Sj^j^ ist nach (49') und (50') in sehr
538 IIL Teil, Wärmelehre. L Kap.
einfacher Weise durch die Koeffizienten der thermischen Drucke
und der thermischen Deformationen vermittelt.
Eine besonders einfache Bedeutung haben die Formeln für die
Elasticitätsmoduln, weil diese Größen, wie im IV. Elapitel des
II. Teiles gezeigt ist, das Maß einer Reihe von wichtigen Defor-
mationen bilden.
Der isothermische Modul Sj^ der räumlichen Kompression bei all-
seitig gleichem Drucke ist nach Formel (113"") auf S. 336
h = *11 + h2 + *38 + 2(*23 + «31 + 5i2),
für den adiabatischen sj^ erhält man nach (50')
51) sl = s,--^^^{a,+a, + a,)'^s,-^^,
worin a nach (42") die Bedeutung des kubischen thermischen Dila-
tationskoeffizienten hat.
Der isothermische Modul der linearen longitudinalen Dilatation
bei einseitiger Dehnung eines Cylinders ist, wenn die zunächst beliebige
Z'Axe in die Richtung der Cylinderaxe gelegt wird, nach der ersten
Formel (190') auf S. 409 gleich s^^; für den adiabatischen giebt (50')
WO «3 nach (42) der lineare thermische Dilatationskoeffizient nach
der Cylinderaxe ist
Die isothermischen Moduln der Drillung eines Cylinders durch
ein Moment um seine Axe, sind, wenn man wieder die ^-Koordinaten-
axe in die Cylinderaxe legt, nach Formel (192') auf S. 410 gleich j^
und Ägg, die adiabatischen werden nach (50')
darin haben a^ und a^ nach (42) die Bedeutung der Koeffizienten
der thermischen Winkeländerungen der Y- und Z-, resp. der J-
und ^Axe. Die isothermischen und adiabatischen Moduln sind hier
also gleich, wenn die Cylinderaxe sich durch die Erwärmung nicht
gegen die Ebene des Querschnittes neigt Dies ist immer der
Fall, wenn die Cylinderaxe in eine krystallographische Symmetrie-
axe fällt
Für isotrope Körper vereinfachen sich die Formeln (49), da
(49') hier speziell die drei Beziehungen
52) e = c + -t^^-, c\ = c,+ ^, c,^c,
liefert, zu
§ 7. Adiahaiiache EhsHcttätskonstanten. 539
-s;=^2^.+ (^i + ^r;)'9', -J^. = i^2y.
52')
ebenso ergiebt (50') hier
S ^ S — , Äj— ^j — -— -- , ^2 — <^2 > ^^ J
und wird demgemäß aus (50)
• .' I
Bei Flüssigkeiten wird c^== 0, c = c^, also auch 0^= 0, c'= Cj-,
c ist dabei identisch mit dem auf S. 347 eingeführten c^, c* mit dem
S. 365 benutzten c.
Es ist bemerkenswert, daß bei allen isotropen Körpern der
unterschied zwischen isothermischen und adiabatischen Konstanten
oder Moduln sich nur bei solchen Deformationen geltend macht, die
von einer kubischen Dilatation begleitet sind. —
Bei allen festen und tropfbar flüssigen Körpern ist der Unter-
schied der adiabatischen von den isothermischen Konstanten und
Moduln sehr klein; bei den gasförmigen dagegen wird er außer-
ordentlich bedeutend.
Wir wollen c' für ein ideales Gas bestimmen.
Hier ist c = P^, d. h. gleich dem Druck im Normalzustande,
q = PqITq, worin T^ die Normaltemperatur bezeichnet; es folgt aus
der ersten Formel (52)
p *
worin Qq den Werten P^ und Tq entspricht Da nun femer
^Q == B =T - r
Vo -'^o ^
ist, so wird auch
c^^:P,^^^P,^, 52-")
eine Beziehung, die unter etwas abweichender Bezeichnung schon auf
S. 365 erwähnt und benutzt worden ist.
I
I
540 m. Teü. Wärmelehre. L Kap.
§ 8. Hicht umkehrbare Vorgänge ohne Wärmebewegnng.
Im vorstehenden sind ausschließlich umkehrbare Zustands-
änderungen eines körperlichen Systemes, oder wenigstens solche, die
sich nur unendlich wenig von dergleichen unterscheiden, der Be-
trachtung unterworfen worden. Auf nicht umkehrbare ist ein großer
Teil der erhaltenen Resultate, nämlich alles, was sich auf die zweite
Hauptgleichung der mechanischen Wärmetheorie, d. h. auf die
Formel d^ii = TdH gründet, nicht mehr anwendbar. Trotzdem
kann man diese Vorgänge der Theorie bis zu einem gewissen Grade
unterwerfen, weil die Energiegleichung für alle Arten von Vor-
gängen gültig ist, und der analytische Ausdruck der Energie eines
Systemes flir jeden Zustand, der überhaupt aus dem Normalzustand
auf umkekrbarem Wege zu erhalten ist, — und es scheint, als ob
alle Zustände diese Eigenschaft besäßen — jederzeit nach früheren
Methoden angebbar ist Demgemäß giebt die Formel
53) dE^dlA + dia,
wenn d\A und rfjß die auf dem nicht umkehrbaren Wege gemachten
Aufwendungen von Arbeit und Wärme bedeuten, und dE die
Differenz der den beiden Endzuständen entsprechenden Energieen
angiebt, eine jederzeit gültige und fruchtbare Beziehung.
Nehmen wir z. B. den wichtigsten speziellen Fall an, daß das
körperliche System aus einem Anfangszustand (1) der Buhe, welcher
kein Gleichgewichtszustand war, in Bewegung gekommen und unter
der Wirkung innerer Widerstände nach einiger Zeit in einen stabilen
Gleichgewichtszustand (2) gelangt ist, ohne daß während des Über-
gangs äußere Einwirkungen stattgefunden hätten, so giebt die letzte
Formel das Resultat, daß sich dabei die innere Energie nicht ge-
ändert hat, also
53') El = E[
sein muß. Für homogene Körper reduziert sich diese Formel auf
53") («0, = W, .
Der Anfangszustand ist dabei vollständig gegeben zu denken,
der Endzustand nur bis auf den Wert einer der Unabhängigen,
meistens der Temperatur, der dann durch vorstehende Formel be-
stimmt wird. —
Wir betrachten einen elastischen Körper, der ursprünglich
bei normaler Temperatur T^ irgendwie homogen auf das Potential <p\
§ 8. Nicht umkehrbare Vorgänge. 541
der Volumeneinheit gespannt gewesen ist und nun ohne Arbeits- und
Wärmeaufnahme diese Spannungen verliert
Hier ist, da wir von den extremen Fällen, in denen die Glieder
zweiter Ordnung Bedeutung erhalten könnten, absehen, von dem
Wert (38"") der inneren Energie e\ der Volumeneinheit
auszugehen. Im ersten Zustand ist nach Annahme r gleich Null,
dadurch 51 mit X, , . . . ä„ mit X, identisch und somit
sc « ' y y
im zweiten Zustande ist
daher
Die Formel (53") ergiebt also in unserem Falle für die ein-
tretende Temperaturänderung
^=-^K^.+ --- + «eJ;)- 53'")
Die aus (37"") analog zu gewinnende Formel
r- +
^^(?i^2 + --- + ?6 4)
wtLrde dem Falle entsprechen, daß in dem zweiten Zustande die
Deformationen, welche an und für sich durch die Temperaturände-
rung bewirkt worden wären, durch äußere Kräfte rückgängig gemacht
würden, deren Arbeit wiederum durch eine Wärmeentnahme kompen-
siert wäre — ein Fall, der kein praktisches Interesse hat
Ist der Körper beliebig gestaltet und war er ursprünglich einem
allseitig gleichen normalen Gesamtdrucke P ausgesetzt, so ist
-5c = ^ = ^* =* -P> Ji = ^jB = -^ = 0,
also
ToP^ . n^«
«0
worin a den kubischen thermischen Dilatationskoeffizienten bezeichnet
Ist der Körper ein Cylinder, dessen Axe in die Z-Axe fällt, und
war er ursprünglich durch einen longitudinalen Zug von der Größe Z
pro Flächeneinheit gestreckt, so ist
^,= -^, x,= r^=r. = ^, = x^ = o,
also
^0
542 ///. TeiL WärfruUhre. I. Kap.
worin ^3 den thermischen longitudinalen Ausdehnungskoeffizienten
des Cylinders bezeichnet
Diese speziellen Formeln nehmen für isotrope Körper einfachere
Gestalten nicht an; die allgemeine Gleichung (53") hingegen lautet
53"") x: = _ i]>^ (z. + r, + ^.)- -
Po -*p
Von dem betrachteten Falle gänzlich fehlender kann man
leicht zu dem unvollständiger Arbeitszufuhr oder Arbeitsleistung
übergehen, der überall da stattfindet, wo beim Beginn des nicht
umkehrbaren Prozesses die inneren Spannimgen des betrachteten
Körpers durch die äußeren Drucke und Kräfte nicht vollständig im
Gleichgewicht gehalten werden. Sind die äußeren Kräfte und Drucke
konstant, so ist es bequemer, den ihnen entsprechenden Zustand
des Körpers als den normalen einzuführen, und von ihm aus
Spannungen und Deformationen zu rechnen. Dann ist also von
dem nach S. 530 vervollständigten Ausdruck für die Energie
«1 = Po ^.^ - '^o(«i -X + . . . + «flS;)
auszugehen und dieser in die allgemeine Formel
54) {e\\ - {%\\ =^a. + (ü.
einzusetzen, in der ct^ und co^ die zu der Überführung aus dem
Zustand (1) in den Zustand (2) auf irreversibelm Wege erforderliche
Wärme und Arbeit bezeichnen. Man erhält dadurch
54^) Qo^.T + r,{a,SL + . . . + a,Sy) + (S:r, +. . . + ^ x,)
= a. + ö).,
wobei rechts für a. nur der Anteil der äußeren Arbeit zu setzen
ist, welcher der Steigerung der inneren Energie zu gute kommt,
d. h. derjenige, welcher im Zustande des Gleichgewichtes die inneren
Spannungen Si, . . • 5J bewirken würde, also nach (34) der Anteil
derselbe ist hier mit dem positiven Zeichen zu nehmen, weil die
Arbeit das Verschwinden, nicht das Entstehen der durch
jrjB, . . . Xy gegebenen Deformation begleitet.
Sonach gilt in dem betrachteten allgemeineren Falle einfach
54") Q^r^T + T,(a,5; + . . . + a^S;,) = «..
Für die Ausdehnung eines Gases mit unvollkommener Arbtit
benutzt man am einfachsten den Wert der Energie aus (40"") und
erhält so ohne weiteres
54"') (>^ /; r = a. + (o.. —
§ 8. Verhalten der wirkliehen Gase. 543
Die Formeln (53"') bis (54'") setzen wesentlich den Ansatz (37)
für die freie Energie |j voraus und verlangen daher im allgemeinen,
um verwendbar zu sein, unendlich kleine Änderungen der Tem-
peratur und der Deformationsgrößen. Nur für ideale Gase gilt, wie
der Wert der Energie (40""), auch die Formel (54"') allgemein; dagegen
würde für die wirklichen Gase und für Dämpfe das Verfahren die
Anwendbarkeit verlieren, sowie die Druckänderung p mit dem Gesamt-
druck Pq vergleichbar ist Denn für diese Körper, wie für alle
Flüssigkeiten, ist der Parameter c des Potentiales mit Pq identisch,
darf also nicht mehr als konstant angesehen werden, sowie der
Gesamtdruck im Laufe des Vorganges um eine endliche Größe variiert.
Da aber die nicht umkehrbaren Veränderungen dieser Körper ein
hohes Interesse besitzen, so soll ihre Theorie nunmehr unabhängig
von dem Ansatz (37) allgemein entwickelt werden.
Der Grundgedanke des einzuschlagenden Weges, der auch für
beliebige feste und tropfbarflüssige Körper anwendbar ist, besteht
darin, daß in die Grundformel (53)
dE^dl^ + dlii
links der Wert der Energieänderung eingesetzt wird, wie er sich
aus dem Betrage cTA an Arbeit und ^ i} an Wärme berechnet, die
auf umkehrbarem Wege die Energieänderung dE hervorzubringen
vermögen; die hierdurch erhaltene Formel
(f^-h^ß = (/I^-t-cfiß 55)
bildet die Grundlage des folgenden.
Wir betrachten nun speziell einen Körper, der, wie eine ruhende
Flüssigkeit, unter allseitig gleichem normalen Druck im Gleich-
gewichte ist
Wählen wir als unabhängige Variabein F und T, so ist nach
(30) und (30")
d'^^-PdF, d!il=^Ml\dT+T^,dV,
also giebt (55)
Mr^dT+ (t| f - P) ^ r= rfl^ -t- rfjß; 55')
wählen wir P und T, so ist nach (31) und (31")
also nach einfacher Umformung
-d{VF) + Mr^dT+[^ r- t|^) dF=d,A + d[,9.. 55")
544 ///. Tfnl. Wärmelehre. L Kap.
Hieraus erhält man durch Integratiou zwischen zwei Endzustanden
(1) und (2) (2)
55-) {FP),^{Fi\ +f[Mr^dT+ (r-r|^)dp] =^,+ fi,
(i)
Die letzte Formel kann zur Berechnung der fundamentalen Beob-
achtungen von W. Thomson und Joule*') über die Dilatation einiger
Gase bei unvollständiger Arbeitsleistung benutzt werden. Die Ge-
nannten unterzogen der Messung die Temperaturändenmg, welche
ein Gas beim Ausströmen aus einem Gasometer erlitt, während
seine. Geschwindigkeit durch einen im Ausflußrohr eingeschalteten
Widerstand — einen porösen Pfropfen — auf eine solche Größe
herabgedrückt wurde, daß seine lebendige Kraft vernachlässigt
werden konnte.
Bezeichnet P^ den Druck im Gasometer, Pg den im äußeren
Lufträume, und begrenzt man durch eine diesseits und eine jenseits
des Pfropfens normal zu der Bewegungsrichtung konstruierte Fläche,
etwa durch zwei normale Querschnitte durch das cylindrische Aus-
flußrohr, ein Volumen U, so wird der darin enthaltenen Masse, die
zusammengesetzt ist aus dem umschlossenen Gasquantum und dem
Pfropfen, während dt eine Arbeit zugeführt, welche gegeben wird durch
d'i^ = Pi qi ds^ — Pj q^ ds^ ,
worin die y^ die Querschnitte und die dsj^ die während dt von den
in ihnen befindlichen Gasteilchen zurückgelegten Wege bezeichnen.
Es ist dann also q^ds^=^dU^ das Volumen, welches das während dt
austretende Gasquantum innerhalb des Gasometers, q^ds^^ dl\
dasjenige, welche es im äußeren Lufträume einnimmt Ist P^ und Pj
konstant, so läßt sich die Formel auf eine beliebige endliche Zeit
anwenden und ergiebt
als den Betrag der beim Ausströmen einer Masse ^iPi = '^P3=-^
aufgewandten äußeren Arbeit; hierin bezeichnet q^ und q^ die Dichte
des Gases innerhalb und außerhalb des Gasometers.
Ist während des Ausströmens ein stationärer Zustand erreicht
also die Wandung allenthalben von gleicher Temperatur, wie das
Gas, so ist fi^ gleich Null, und die Formel (55'") nimmt bei Be-
nutzung des obigen Wertes von A^, in dem man U^ mit /^, U^ mit Tj
identifizieren kann, die Gestalt an
(2)
55"") j^Mr^dT+(v^T^^dP
= 0;
CD
§ 8, Verhalten der wirklichen Gase, 545'
sie gestattet, wenn F und /'^ als Funktionen von P und T bekannt
sind, die einer gegebenen Druckänderung P^ — Pj entsprechende
Temperaturänderung T, — T^ zu berechnen.
Bei idealen Gasen ist dVjdT^ F/T und F^ konstant, also
T3 - r, = 0.
Für kleines t = T^ — Tj und kleines » « P^ — P, kann man
schreiben
und aus beobachteten Wertpaaren r und n den Differentialquotienten
ör/öT berechnen; indessen ist dies Verfahren wegen der starken
thermischen Änderung von V bedenklich.
Legt man die Van der WAALs'sche Gleichung (78') auf S. 59
fiir Gase und Dämpfe zu Grunde, setzt also
p MBT a .^.
80 wird
dT j _ 2a(K-*)«
Der ganze Ausdruck rechts kann, da er bei idealen Gasen ver-
schwindet, bei den wirklichen als eine Größe erster Ordnung an-
gesehen werden. Betrachtet man noch ä/T als von erster Ordnung^
so erhält man bis auf zweite Ordnung exklusive
2g
dT 2a
MB TV
und wenn man auch a so klein annimmt, daß das Glied im Nenner
neben 1 vernachlässigt werden kann.
Setzt man dies in (55"") ein und bedenkt, daß der Ausdruck unter
dem Integral ein vollständiges Differential sein muß, so findet sich
also
er
dP
2a
^ M'
\BT^ '
^.
2aP
-+nT),
worin die Funktion f von T allein durch Anwendung der Formel
Yoier, TheoretlBChe Physik. 35
'546 III. TnL Wärmelehre. L Kap.
auf yerschwindende Drucke, wo die Eigenschaften idealer Gase ein-
treten, sich zu einer Eonstante /^ bestimmt, so daß folgt:
56 j ^j» ~ M^BT* "^ ^ '
Integriert man unter Rtcksicht hierauf den Ausdruck (55"")
zwischen den Grenzzuständen (1) und (2), so erhält man
Da Tj — Tj = T immer sehr klein neben T^ oder 7', ist, so kann
man, indem man wieder P^ — P, = :t setzt, das Resultat auch schreiben
56'") Mr,T=-^[-^^-^r-l>).
Nach den Beobachtungen über die Abhängigkeit des Volumens
von Druck und Temperatur ist für die von Joule und Thomson
untersuchten Gase (Luft und Eohlensäur'^) a und b positiv und das
erste Glied der Klammer größer, als das zweite; in der That
lieferten die Messungen eine Temperaturemiedrigung beim Aus-
strömen, welche mit steigender absoluter Temperatur abnahm und
der Größe nach befriedigend mit der obigen Formel übereinstimmt
Da positives a nach S. 58 einer wechselseitigen Anziehung
der Gasteile entspricht, so ist eine solche auch durch die genannten
Beobachtungen festgestellt.
Dasselbe Resultat giebt auch 'Formel (55'), wenn man darin
nach (56)
setzt; r^ muß hier konstant sein, und man erhält
57') ^^ + ß^=^/;r + «(-l--J--),
also bei Ausdehnung ohne Wärme- und Arbeitsaufnahme
57") ,if/;r=+a(-^--l).
Einer Abkühlung bei Volumenvergrößerung entspricht a > 0, einer
Erwärmung a < 0. —
Die am Anfang dieses Abschnittes eingeführte Annahme, daß
alle Zustände eines Systemes auf umkehrbarem Wege aus dem
Normalzustand erhalten werden können, gestattet aus der Ungleichung
() - rj. ^0,
die nach Seite 509 für nicht umkehrbare Kreisprozesse unter ge-
§ 9. Wärmeleittmg und DefarmaHov. 547
wissen Voraussetzungen zu erhalten war, eine interessante Folgerung
zu gewinnen.*®)
Wir wollen annehmen, daß der Kreisprozeß nur auf einem Teil
zwischen den Zuständen (0) und (1) nichtumkehrbare Änderungen
enthalte, und daß diese ohne äußere Wärmezufuhr vor sich gingen.
Dann fällt jener Teil aus dem obigen Integral wegen des ver-
schwindenden d^ii fort, und es bleibt nur
(0)
jT-^^O, 58)
(1)
oder, da für die Zustände auf dem umkehrbaren Teil des Kreises
rf'ß= TdH
//,-/f,^0, H,^H,. 58)
Dies sagt aus, daß unter den gemachten Voraussetzungen auf
dem nicht umkehrbaren Teil bei mangelnder Wärmezufuhr die En-
tropie des Körpers stets zunimmt.
Fügt man die plausible Annahme hinzu, daß die Zustands-
änderungen, welche in der Natur in abgeschlossenen Systemen sich
von selbst abspielen, niclitumkehrbare sind, so erhält man das
Resultat, daß diese Vorgänge jederzeit von einem Wachstum der
Entropie begleitet sind.
Wir werden ein diesem Resultat nahe verwandtes im nächsten Ab-
schnitt auf einem anderen Wege beiläufig noch einmal ableiten, der
die S. 508 gemachte Annahme über nicht umkehrbare Vorgänge
nicht voraussetzt.
§ 9. IFicht umkehrbare Vorgänge, die mit Wärmebewegung
verbunden sind. Theorie der Wärmeleitung.
Einer der wichtigsten nicht umkehrbaren Vorgänge ist die inner-
halb eines körperlichen Systemes infolge von Temperaturdiflferenzen
stattfindende Wärmebewegung; auch für sie und die sie be-
gleitenden Vorgänge bietet die Energiegleichung in der Form (53),
wie sie den Ausgangspunkt der Entwickelungen des vorigen Para-
graphen bildete, die geeignete theoretische Grundlage.
Wir schreiben dieselbe zunächst, indem wir die BezeichnuDgen
€j, ti, V, w, X\ y, Z^ und X, Y, Z in demselben Sinne benutzen,
wie S. 524 u. f.
35*
648 m. Teä, Wärmdehre. L Kap.
69)
f{dB^)dk ==f{Tdu + rdv + Z'dw)dk
+ f(Xd'v + Yd~i+Zdw)d& + dlii.
Hierin sind, solange die Wärmezufuhr völlig willkürlich ge-
lassen wird, Beziehungen zwischen den äußeren und den inneren Elräften
nicht vorhanden, und die in § 6 hierfür benutzten Gleichungen haben
deshalb zunächst keine Gültigkeit
In der That, könnte man einem beliebig abgegrenzten Volumen k
des Körpers für sich allein in unendlich kleiner Zeit eine endUche
Wärmemenge zufuhren, so würde dessen Temperatur sich augen-
blicklich um einen endlichen Betrag erhöhen, und in gleicher Weise
würden seine inneren Drucke variieren, während in seiner Umgebung
aUes konstant bliebe, und daher auch die gegen seine Oberfläche
wirkenden Drucke die früheren Werte behalten müßten; dies würde
dann einen Fall geben, welcher der Ausdehnung eines Gases bei un-
voUkommener Arbeitsleistung analog wäre und an gewissen Stellen
auf unendliche Beschleunigungen führte.
Anders in der Wirklichkeit; die stets langsame Wärmeeinstromung,
welche nie ein Volumenelement allein trifft, und die große Fort-
pflanzungsgeschwindigkeit von Deformationen innerhalb elastischer
Körper wirken übereinstimmend daMn, daß in letzteren auch bei
Wärmebewegungen in jedem Augenblick die verallgemeinerten elasti-
schen Fundamentalgleichungen (32) und (32') äußerst nahe gültig
^nd. Ist dies aber der Fall, so kann man die Gleichung (69) imter
Benutzung von (32) und (32') umformen und bei Einführung der
inneren Energie b\ der Volumeneinheit erst schreiben
590 J{d e; -1- S^ dx^+ ...B^dx^)dk^ din ,
und sodann bei Berücksichtigung von (35) und (35') auch folgern
59") J[Tdfi^)dk^dlSi.
Letzteres giebt, auf ein Volumenelement angewandt, die Gleichung
Tdri.= ^^=-dlio
^ dk
und somit dieselbe Formel, als wenn die Wärmezufuhr in umkehr-
barer Weise stattfände; wir wollen deshalb auch weiterhin an
d^Q und d^m den Index ^ nicht mehr anbringen.
Durch Vorstehendes ist die auf S. 623 eingeführte Annahme
begründet und ihr Gültigkeitsbereich begrenzt
Zerlegt man den Körper durch eine beliebige Fläche in zwei
Teile (l) und (2) und bezeichnet die Wärmemenge, die (1) von (2)
§ 9. Wärmeteitung und Deformation. 549
erhält, mit d^ii^^j die umgekehrte mit d^ii^ij so folgt aus (59") er-
sichtlich
denn wenn man das Integral über den ganzen Körper erstreckt,
darf nur die von außen zugefiihrte Wärme übrig bleiben. Gleiches
gilt offenbar bei beliebiger Zerlegung des Korpers für den Wärme-
austausch zwischen beliebigen Teilen (Ä) und (A), sodaß aus den
obigen Voraussetzungen nunmehr auch die Beziehung
d'ii,,+ d'ii,,= 0
folgte welche auf S. 519 erwähnt und benutzt ist. —
Nimmt man an, daß die ganze Wärmezufuhr direkt nur einer
unendlich dünnen Oberflächenschicht zukommt, der Körper also, wie
man sagt, absolut adiatherman ist, so kann man statt (59'') schreiben
JT^^dk^jSlJo, . 59'")
worin ß^ die durch da eintretende, auf die Einheit von Zeit und
Fläche reduzierte Wärmemenge in absolutem Maße bezeichnet, deren
Dimensionalgleichung lautet
[ßj = »i^3. . 59"")
Hierin ist dfj^jdt ein totaler Differential quotient, insofern er
die ganze durch TjX^, • • • ^w vermittelte Änderung von ly^ darstellt;
er ist zugleich ein partieller, insofern er sich auf eine einzige
Stelle X, y, z des Körpers bezieht —
Bei der vorstehenden Entwickelung ist in Übereinstimmung mit
dem Inhalt von § 6 stillschweigend angenommen, daß die Druck-
komponenten Sg^j ' ' ' ^y 1^611^6 absorbierenden Anteile enthalten,
also durchaus konservativ sind. Ist dies nicht der Fall, enthalten
sie vielmehr noch Glieder H«, • • • Äy in sich, welche, wie die Kom-
ponenten der inneren Reibung im engeren Sinne des Wortes, von
den Deformationsgeschwindigkeiten abhängen, so fällt deren
Anteil in dem Raumintegral auf der linken Seite von (59') nicht fort,
es bleibt vielmehr, wenn wir
{Sxdx^+ ... + S^dxy)^ d'aj 60)
setzen, d^aj in den weiteren Formeln bestehen, sodaß (59") lautet •
J{Tdf]^ + d'aj)dk = d'i2, 60')
und analog (59"), falls d'aj/dt — aj gesetzt wird,
f^T-^ + aijdk^fn^do. 60")
550 ///. Teil. Wärmelehre. L Kap,
Ganz ähnliche Entwickelungen sind in den Fällen anzuwenden,
daß noch Kräfte von der Art der höheren Glieder des allgemeinen
Ansatzes (240) auf S. 456 eingeführt werden.
Indessen kompliziert sich hier die Betrachtung dadurch, daß
dann |j und ^\ noch von mehr, als den früheren sieben Argumenten
abhängen, und sie mag daher umsomehr unterbleiben, als die Resultate
praktische Bedeutung zunächst noch nicht haben. —
Wendet man die Gleichung (59'") oder (60") auf ein unendlich
kleines Yolumenelement an, so müssen in dem Oberflächenintegrale
die endlichen Glieder sich gegenseitig zerstören, weil das Volumen
um eine Ordnung höher unendlich klein ist, als die Oberfläche des
Elementes.
Man erhält, indem man für das Volumen k zunächst einen un-
endlich niedrigen Cylinder wählt, dessen Grundflächen die inneren
Normalen + n und — n haben,
61) ß+„ + ß-„ = 0,
eine Formel, die auch gilt, wenn der Cylinder über der Grenzfläche
zwischen zwei verschiedenen Körpern h und k errichtet ist, und die
sich hier anschaulicher schreibt
Wählt man für k ein Elementartetraeder, dessen Flächen normal
zur X-, T-, Z'kxe und einer beliebigen nach außen positiv gerech-
neten Richtung n sind, so folgt
61") ß^= fl^ cos [tIj x) + ßy cos (n,y) + fi, cos(n, z) ,
ß^, ß , ß^ sind hierin die speziellen Werte, die ß^^ annimmt
wenn die Normale n auf dfo in die X-, J-, Z-Axe fällt; sie sind
innerhalb k als Funktionen der Temperatur zu betrachten und dürfen
mit dieser selbst stetig gesetzt werden.
Betrachtet man ß^^, ß , ß^ als die Komponenten eines Vektors
ß^, dessen Richtung {s) sei, so ist nach (61")
61"') ß^= ß,cos(n,5).
Auf der Geltung der Beziehungen (61) bis (6r") beruht die
Berechtigung, für die Vorgänge des Wärmeaustausches zwischen sich
berührenden Volumenelementen die Wärme als eine Flüssigkeit zu
betrachten; ß^, ß , ß^ sind dann die Strömungskomponenten, ß,
die resultierende Strömung, die parallel mit s stattfindet
Setzt man ß„ aus Formel (61") in (60") ein, so erhält man,
da nach der gemachten Annahme die teilweise Integration er-
laubt ist.
§ 9. Wärmeleifung und Deformation. 551
62')
J (ß^ cos (n, x) + £i cos {n,y) + ii^ cos (n, z)) do
Diese Formel gilt für jede Gestalt des Volumens A, also folgt
auch für jede Stelle
und damit das Gesetz, nach welchem sich die Entropie f}^ der
Yolumeneinheit unter den gemachten Voraussetzungen mit der Zeit
ändert.
Entnimmt man der Formel (36") den allgemeinen Wert für
dfi^jdt, der Formel (60) den für a^, so erhält man schießlich
dT dSl^ dSiy dSl^
hier erscheint die Temperatursteigerung gegeben durch den Wärme-
strom und durch die mechanische Wirkung der konservativen, wie
der absorbierenden Kräfte; das letzte Glied stellt die S. 460 er-
wähnte, in der Volumeneinheit während der Zeiteinheit absorbierte
Arbeit dar.
Die Gleichung (62') ist — abgesehen von der Beschränkung auf
sieben Argumente — noch ganz allgemein, setzt z. B. nichts über
den Grad voraus, in welchem die Druckkomponenten die Temperatur
und die Deformationsgrößen enthalten; ebensowenig ist über das
Gesetz der ii etwas angenommen. Nun erst wollen wir hierüber
besondere Verfügungen treffen.
Für die Behandlung spezieller Probleme beschränkt man sich
in Bezug auf ii^j ^yj Um stets auf einen Ansatz, der, etwa wie der
Ansatz (37) für |., als eine erste Annäherung zu betrachten ist Man
setzt nämlich, da die Wärmeströmungen unzweifelhaft von der Ände-
rung der Temperatur mit dem Orte abhängen, die Strömungs-
komponenten gleich linearen Funktionen der Temperaturgefälle nach
den Eoordinatenaxen, nimmt also
63)
552 UI. Teil Wärmelehre, L Kap.
Hierin sind die A^j^ die Wärmeleitungskoeffizienten in mecha-
nischem Maße, /^j = Kkl^ diejenigen in calorischem Maße; und
zwar gilt offenbar
dagegen
63") [/^J=M?/-^r-itt-i.
Die Formeln (63) stimmen mit den auf S. 295 u. £. behandelten
Ansätzen für die Strömungskomponenten einer imponderabeln Flüssig-
keit Yollständig überein, gestatten also ohne weiteres die Übertragung
der dort aus ihnen gezogenen Folgerungen.
Was die Druckkomponenten angeht, so wollen wir uns zunächst
auf konseryative Kräfte beschränken, die S^, ... S^ also gleich
Null setzen; sodann wollen wir, als in der Praxis meis^ genügend,
den Ansatz (37) einführen, welcher für ^^ eine Funktion zweiten Grades
von Xgsy . . . Xy uud T giebt, und aus welchem das System der
Druckkomponenten (37") folgt.
Benutzt man gleichzeitig die obigen Werte von ß«» ßy» fit>
so erhält man aus (62')
64)
^^^ ÖT ^ ^1 Öi« +^2y^ + ^83 ä^ + (^23 + ^82) Qydx
+ (^31 + ^13) Ö^CÖX + ^^12 + ^2l)-ö^ö^
•3
- ^-ßjiai ^x + 92!/y + ?3 ^* + y^y« + 95^' + ye^y)»
oder unter Rücksicht auf (38") auch
^'^Tt^^^Wx*^^^ di/ ■*" '^33 a j^l T- l^Ajj, -t A33J ^^^^
64')
+ (^1 + ^is) "ä^ö ^ +(^2+^1) öa?9y
Hierin ist innerhalb der durch den Ansatz (37) eingeführten
Annäherung q und T als konstant, etwa gleich q^ und 7^ anzusehen.
Für isotrope Körper giebt (64) unter Rücksicht auf (39"")
65) /'.(>«47=^AT-'roy-|f-,
oder, da nach der vorletzten Formel (39")
61') r r - Hkl"
ist, auch
§ 9, WärmeleUung und Deformation, 553
/;?oT/-=^Ar-p,i^3^^; 65")
die Deformationen haben hier also nur dann Einfluß auf r, wenn
sie mit der Zeit veränderliche räumliche Dilatationen i^ bewirken.*^
Die Formeln (64) resp. (65) bilden mit den Gleichungen (32)
nach Einsetzen der Werte (37") flir die Drucke Sx, ... Äy die
Hauptgleichungen für das ganz allgemein und streng gefaßte Problem
des Gleichgewichts und der Bewegung elastischer Körper ohne innere
Reibung, bei Berücksichtigung der thermisch-mechanischen Umsetzungen,
oder, anders ausgedrückt, für das Problem der Wärmeleitung bei Ein-
führung der mechanisch-thermischen Wirkungen; dazu kommen die
Grenzbedingungen der Elasticität für äußere und Zwischengrenzen,
in den Sb> • • • Äy statt in den X^^ . , . Xy ausgedrückt, und die
thermischen Grenzbedingungen, welche an Zwischengrenzen lauten:
und an Außengrenzen entweder r oder ß^ oder ein Aggregat von der
Form jPt + ß^ vorschreiben; endlich auch noch die Angaben über
die Anfangswerte von m, v, m?, r und dujdt ^u, dvjdt^v'j
Sie bilden zusammengenommen ein System, welches nur in
seltenen Fällen analytischer Behandlung zuganglich ist.
um zu untersuchen, ob es das Problem eindeutig bestimmt,
hat man ähnlich, wie auf S. 308 und S. 345 zu verfahren. Man
nimmt an, daß zwei Systeme von Lösungen für u, v, w und r mög-
lich wären, bezeichnet ihre Differenzen mit u\ v\ vf und t', bildet
die Haupt- und! Grenzgleichungen für letztere Größen und faßt die
den Gleichungen (32) entsprechenden mit den Faktoren
{du'ldt)dkdt, {dv'ldt)dkdt, {drc' fd t)dkdt
zusammen, addiert hierzu die der Gleichung (64) entsprechende mit dem
Faktor r'dk dtj T^, integriert und summiert über das System und inte-
griert nach t von 0 bis ty Man erkennt leicht, daß in dem so erhal-
tenen Aggregat die Glieder, welche in die q^^ multipliziert sind, sich
herausheben und dadurch das Eesultat sich als einfache Superposition
der S. 308 und S. 345 erhaltenen darstellt; es gestattet somit auch die
früheren Schlüsse, daß nämlich das Problem eindeutig bestimmt ist,
wenn das elastische isothermische Potential und die Wärmeleitungs-
funktion (79"') auf S. 301 definite quadratische Formen sind. —
Der einfachste und zugleich wichtigste spezielle Fall ist derjenige
der Fortpflanzung von Schwingungen in einer unendlichen Flüssigkeit.
554 ///. T«Y. Wärmelehre. L Kap.
Die dafür geltenden Hauptgleichungen (124) von S. 346 nehmen
jetzt^ falls man von körperlichen Kräften absieht^ die Gestalt an
Id^u __ d^d^ dj_ d^ _ ^ ^ ^ ^
zu ihnen kommt die thermische Gleichung (65") von S. 553.
Wenn es sich nur um die Bestimmung von & handelt, kann
man statt der vorstehenden drei die eine Formel benutzen
66') ^^.^^ = cAr')--qAT,
während man für (65") kurz schreiben kann:
66") 4}=^'^^-*'4f-
Durch Elimination von r erhält man hieraus ftir i9- die Gleichung
66'") Qo"^, + ^'A (^At^-P^f) -{x'q + c)A || = 0,
welche durch Exponentialgrößen und trigonometrische Funktionen
integriert werden kann. Sie zeigt u. a., daß fortschreitende ebene
Schwingungen mit wachsender Entfemimg von der Erregungsstelle,
stehende Schwingungen, welche durch einen Anfangszustand bewirkt
sind, mit wachsender Zeit schwächer werden, während die mittlere
Temperatur an jeder Stelle sich nicht ändert
Dieses Eesultat ist offenbar unrichtig, denn es steht mit der
Energiegleichung im Widerspruch. Verursacht ist die Ungenauigkeit
dadurch, daß die ganze vorstehende Betrachtung nur die niedrigsten
Korrektionsglieder berücksichtigt
Man erkennt dies am einfachsten, wenn man den Ansatz (37)
als streng richtig betrachtet und bei seiner Anwendung keine Ver-
nachlässigungen eintreten läßt Dies kommt darauf hinaus, daß man
im Endresultate (64) resp. (65) T, und damit qF^^tT^ worin r
eine Konstante ist, nicht mehr als konstant ansieht Führt man den
Wert r= T^ + T ein, so findet man an Stelle der Formel (66")
eine von der Gestalt
dx va /»i •> \^^ X dx
_ = A Ar - (x + xir)^ - ^^-^ ,
welche in der That dauernde Temperaturänderungen infolge von
Bewegungen ergiebt —
Auch für die absorbierenden Kräfte wollen wir uns mit der
einfachsten Annahme begnügen. Wählt man für sie den der inneren
§ 9, Beine Wärmeleitung.
555
Reibung entsprechenden Ansatz (244) von S. 462, so tritt an Stelle
von (66) folgendes System
d*u d» , , , \ „ ÖM , , , , , 8*» dt
dy
67)
670
und an Stelle von (65)
worin a, o^ oder Oj , o, = a — o^ die Beibungskonstanten der Flüssig-
keit sind.
Beschränkt man sich in der letzten Formel, wie früher, auf die
niedrigsten Glieder, so reduziert sie sich auf ^^)
^f^o^ = ^ Ar- T^q-jjy 67")
wozu aus (67) tritt
Po -Q^ = cA* + aA-^-yAT.
67"')
Aus ihnen kann man r eliminieren und erhält eine (66"') ähnliche
Gleichung, die die analogen Folgerungen gestattet, wie jene; sie
führt auch auf den gleichen Widerspruch mit dem Energieprinzip,
der sich ähnlich, wie dort, aus der Vernachlässigung der Glieder
zweiter Ordnung erklärt. —
Bei der Untersuchung der Wärmeleitung in festen und flüssigen
Körpern spielt erfahrungsgemäß die Wirkung der Deformationen auf
die Temperatur nur eine untergeordnete Rolle, und man kann sie in
den meisten Fällen der Praxis vernachlässigen. In gleicher An-
nälierung kann man auch den Unterschied zwischen der spezifischen
Wärme F^ und der, direkter Beobachtung zugänglichen F^ ignorieren.
Dann nehmen die Formeln (62^) und (64) die Gestalt an*^)
P dt
^^ P dt "^ "da?
+ -,17- + -p / = 0^ o^ör
dx * dy * dx
68)
dU
+ (^81 + ^s) ölTdJ' "^ ^^> "*" ^1^ dxdy '
68')
556 /ZT. Teü. Wärmelehre. L Kap,
welche letztere sich bei isotropen Körpeni reduziert auf
68") ,,^/;^ = AAT.
Die Formel (68') ist identisch mit der allgemeinen, in § 13 und
§14 des II. Teiles behandelten Hauptgleichung der Bewegung im-
ponderabler Fluida, und gleiches gilt bezüglich der Grenz- und
Oberüächenbedingungen für r, die auf S. 553 angegeben sind.
Wir wollen die Umstände erörtern, unter denen die eine oder
die andere Form der letzteren in praxi Geltung gewinnt
Die erste der für Zwischengrenzen gültigen Bedingungen
gilt stets, wenn die Körper in der Grenze relativ zu einander ruhen,
die zweite immer dann, wenn die Grenzfläche keine Quellen enthält,
was wir hier voraussetzen wollen, was aber, wie im folgenden Teüe
sich zeigen wird, nicht immer stattfindet.
An einer Außengrenze ist die Temperatur dann konstant vor-
geschrieben, wenn die Oberfläche mit einem Körper in Berührung
ist, der sich auf derjenigen Temperatur befindet, bei welcher er
seinen Aggregatzustand ändert, z. B. mit Wasserdampf im Sättigungs-
zustande oder mit Eis bei Schmelztemperatur. Ist Sorge getragen,
das Umwandlungsprodukt — hier Wasser — dauernd zu beseitigen
und die Berührung zu erhalten, so vermag die bei der Umwandlung
in Aktion tretende Wärme jederzeit^ die durch Leitung abgeführte
zu ersetzen und die Oberflächentemperatur konstant zu erhalten.
Wird die Quantität umgewandelter Masse der Messung unter-
worfen, so giebt dieselbe bei stationärem Zustande nach Gleichung (17')
zugleich die Größe von ß,^ an.
Zwei Fälle von besonderer praktischer Bedeutung führen auf die
Oberflächenbedingung, welche den Wert von F^r + ii^ vorschreibt
Der erste ist der, daß die betreffende Oberfläche des Körpere
von einer stark umgerührten Flüssigkeit bespült wird, innerhalb
deren man daher die Temperatur r' als konstant ansehen kann.
Faßt man die betreffende Oberfläche als eine Zwischengrenze
auf, so handelt es sich darum, in einer, der zweiten Gleichung (69)
entsprechenden Bedingung die in die Flüssigkeit übergehende Wärme-
menge ii' zu bestimmen; diese wird, falls der Übergang nur durch
Leitung stattfindet, eine Funktion der Oberflächentemperatur r
des Körpers und der Temperatur r' dgr Flüssigkeit sein, die nach
S. 495 verschwinden muß, wenn r = r' ist. Infolgedessen wird man
setzen können
§ 9. Reine Wärmeleittmg, 557
fl»= X\t - O + X\ (t - ry + . . . ,
worin die AJ Konstanten sind, welche von der Natur der Grenzfläche
nnd etwa noch von dem Bewegungszustande der Flüssigkeit ab-
hängen. Setzt man kleine Temperaturdifferenzen voraus, so kann
man sich auf das erste Glied der Reihe beschränken und erhält
nach der zweiten Gleichung (69)
ß„+r(7-T') = 0, 69')
also wenn r' gegeben, etwa durch die direkte Beobachtung bestimmt
ist, eine Grenzbedingung, welche der oben angegebenen entspricht.
Eine ähnliche Formel, in analoger Weise begründet, wird auch
in dem Falle angewandt, daß der Wärme abgebende oder empfangende
Körper vom leeren Baum oder einem Gase umgeben ist, und die
Wärmebewegung, wie man sagt, weniger durch Leitung, als durch
Strahlung bewirkt wird; nur steht dann an Stelle von V eine andere
Konstante A, die sogenannte äußere Leitfähigkeit, an SteUe von r'
die Temperatur r^ welche ein Thermometer, in bedeutender Ent-
fernung von dem Körper oder durch einen Schirm gegen dessen
Wirkung geschützt, anzeigt, und welche man als die Temperatur
der Umgebung bezeichnet, während t in dem Falle, daß der
Körper selbst adiatherman ist, beibehalten werden kann. Man kann
hier also schreiben'*)
fl„ + l(r-rj = 0. 69")
Nach der Ableitung werden die beiden Gleichungen (69') und (69")
nur im Falle sehr kleiner Temperaturdifferenzen der Wirklichkeit
entsprechen. Die Dimensionen der Konstanten T und l sind
[A'] =. [I] « mr-3tt-i. — 69"')
Wegen der im Vorstehenden nachgewiesenen Übereinstimmung
zwischen den für die Wärmeleitung, ohne Bücksicht auf die mechar
nischen Wirkungen, gültigen Gleichungen und denjenigen, die wir
der Theorie der Bewegung eines imponderabeln Fluidums innerhalb
eines Leiters zu Grunde gelegt haben, sind alle bei dem ftüheren
Problem gewonnenen Besultate auf das neue einfach übertragbar,
mögen sie nun den stationären oder den veränderlichen Zustand
betreffen. Es genügt daher, hier auf einige Punkte hinzuweisen, die
von besonderem Interesse fllr das thermische Problem sind.
Hier kommt in erster Linie der Umstand in Betracht, daß wir
in praxi ein System thermisch zu isolieren nicht vermögen, daß also
die in anderen Gtebieten vorkommende Oberflächenbedingung ß^ = 0
in der Wärmelehre keine Anwendung findet, sondern überall durch
558 UI. Teü. Wärmelehre, L Kap.
eine Bedingung von der Form (69") ersetzt wird. Hierdurch erhalten
die für die Beobachtung so wichtigen Probleme der Wärmebewegung
in Platten und Stäben ihr eigentümliches Gepräge.'^
Handelt es sich um eine planparallele Platte von der Dicke 2A,
die so dünn gegen ihre Länge und Breite ist, daß man r als in der
Dickenrichtung merklich konstant ansehen kann, so wollen wir die
ZT- Ebene in die Mittelfläche der Platte legen und die Haupt-
gleichung (68) dadurch umformen, daß wir sie nach Multiplikation
mit dz von 2:=— Abi8z=+Ä integrieren. Dann wird nach (63)
/^■'''--2*5l('..r>^=li).
+ A
+ h
/
- h
wobei schon die Bedingung (69") benutzt ist Durch Einsetzen er-
hält man die Hauptgleichung für homogene ebene Platten:
Sie läßt sich durch Wahl eines geeigneten Koordinatensjstemes
Xq, Yq auf die Form
and bei konstantem r„ durch Einführung von
und durch die Substitution
r - r„ = r
70") *o y^ = I y^. yoV^ = »? vk> ^' = K K
auf die andere _
bringen. Eine partikuläre Lösung von der Form
läßt sich dem Fall anpassen, daß sich an der Stelle | = ?/ = 0 der
unbegrenzten und anfänglich auf konstanter Temperatur beiindlichen
Platte eine Quelle befindet; in demselben sind die Kurven konstanter
Temperatur gegeben durch die Gleichung
§ 9, Wärmeleit«ng in Platten und Stäben. 559
^" + lJ = Const,
welche Ellipsen darstellt, die der Schnittkurve des Hauptellipsoides
(77'") auf S. 298 mit der X^Y^-lSh^nQ ähnlich und gleichliegend sind.
Auf diesem Resultate beruht eine bekannte Methode, die Lage
und das Größenverhältnis der Hauptaxen jener Kurven experimentell
angenähert zu bestimmen.
Ist die Platte seitlich begrenzt, so wird am Hände entweder die
Temperatur r vorgeschrieben sein, oder es wird freie Ausstrahlung
stattfinden; im letzteren Falle gilt daselbst die Bedingung (69"). —
Für einen geraden Cylinder, dessen Dicke gegen seine Länge
so gering ist, daß man die Temperatur als auf jedem Querschnitt
merklich konstant ansehen darf, ist ähnlich zu verfahren; wir legen
die ^-Axe in eine beliebige, etwa die Axenfaser des Cylinders und
integrieren die Formel (68) über den Querschnitt q. Dann wird
falls Xq die mittlere äußere Leitfähigkeit und s die Länge der Peri-
pherie des Querschnittes q bezeichnet; außerdem ist
also nimmt die Hauptgleichung die Gestalt an
oder bei konstantem t„ und bei Einführung von t — r^ = r' auch
An den Enden wird entweder die Temperatur r vorgeschrieben sein,
oder es wird freie Ausstrahlung stattfinden; im letzteren Falle gilt
daselbst die Bedingung
±^3f^ + Mr-r„) = 0, 71')
wobei das obere Zeichen dem negativen, das untere dem positiven
Ende des Cylinders entspricht.
Diese Formeln, welche durch Exponentialgrößen und trigono-
metrische Funktionen integriert werden, enthalten die Grundlage
wichtiger Beobachtungsmethoden zur Bestimmung der Leitfähigkeits-
konstanten A^j^; handelt es sich um krystallinische Körper, so müssen
mehrere, verschieden gegen die Krystallaxen orientierte Stäbe der
/■
560 ///. Teil Wärmeiehre, L Kap.
71")
Untersuchung unterworfen werden, um alle Konstanten zu finden.
Benutzt man das Schema der Eichtungskosinus auf S. 418 und be-
trachtet darin die Axen S, H^ Z sls die krystallographischen Haupt-
axen, auf welche bezogen das System der Hauptkonstanten mit
l^ic bezeichnet werden mag, so ergiebt sich leicht aus den Grund-
formeln (63)
dies Resultat zeigt, daß man überhaupt mit Hilfe von Stäben nur
sechs Aggregate der neun Eonstanten lHj^ bestimmen und speziell
die rotatorischen Glieder (A^ — k^^) u. s. f. nicht erhalten kann.
Die Gleichungen für den stationären Zustand, die man aus
^68), (70) und (71) erhält, indem man in denselben dr jdt gleich
Null setzt, enthalten ebenso, wie die zugehörigen Grenzbedingungen,
von den Leitungskoeffizienten A und A^^ nur die Verhältnisse,-
woraus folgt, daß absolute Werte durch die Beobachtungen des
stationären Zustandes nicht gewonnen werden können. Diese liefert
die vorhergegangene Bestimmung des Produktes /^ q^ vorausgesetzt
nur die Untersuchung des veränderlichen Zustandes, welche sowohl
bei Kugeln und Parallelepipeden, als bei cylindrischen Stäben theore-
tisch und praktisch durchgeführt ist.
Für den stationären, wie für den veränderlichen Zustand kommt
dabei die folgende Bemerkung in Betracht.
Alle Methoden zur Bestimmung der A^^ , bei denen Oberflächen-
bedingungen von der Form (69') oder (69") einen wesentlichen Ein-
fluß auf das Resultat besitzen, sind nach dem S. 556 und 557 Gesagten
prinzipiell bedenklich. Demgemäß wird insbesondere die Anwendung
von dünnen Stäben und Platten nur dann zuverlässige Werte der
Konstanten durch die Beobachtung abzuleiten gestatten, wenn Mittel
vorhanden sind, die Gültigkeit dieser Bedingungen durch das Experi-
ment zu prüfen. Theoretisch am vollkommensten wird jederzeit eine
Methode sein, welche den veränderlichen Zustand innerhalb eines
homogenen Mediums beobachtet, das in erster Annäherung als un-
endlich betrachtet werden kann; angenähert realisieren läßt sich
z. B. der Fall des Halbraumes von anfänglich konstanter Temperatur,
dessen Grenzebene von einem bestimmten Zeitpunkt an auf einer
abweichenden konstanten Temperatur erhalten wird. —
Eine Schwierigkeit wird in der Praxis dadurch hervorgebracht, daß
das Thermometer, welches zur Beobachtung der Temperatur mit dem
zu untersuchenden Körper in Verbindung gebracht werden muß, sich
§ 10. Allgemeine Olmehgewiektsbedingtmgen. 561
an der Wärmebewegung beteiligt und sonach bei der Theorie in
das System mit einbezogen werden muß. Um seinen Einfluß mög-
lichst klein und möglichst leicht auswertbar zu machen, wählt man
als Thermometer zumeist ein Thermoelement, aus zwei Drähten ge-
bildet, welche als lineare Leiter von unendlicher Länge betrachtet
werden können. —
Rotatorische Qualitäten können in Bezug auf die Wärmeleitung
bei Krystallen gewisser Gruppen vorkommen, die aus dem Schema 11"
auf S. 138 zu ersehen sind; sie können in isotropen Körpern auftreten,
wenn dieselben während der Wärmebewegung einer magnetischen Kraft
ausgesetzt werden, wie dies im nächsten Teile erörtert werden wird.
liber den experimentellen Nachweis dieser Eigenschaften ist auf
S. 305 u. f. in dem Falle gesprochen worden, daß die Strömung in einer
beiderseitig isolierten Platte stattfindet; das Verfahren ist im wesent-
lichen auch noch anwendbar, wenn auf den Seitenflächen das Aus-
strahlungsgesetz (69") gilt, nur ist die Theorie der Methode dann
natürlich komplizierter. —
Eine besondere Erwähnung verdient schließlich noch der in den
früheren allgemeinen Entwickelungen nicht enthaltene und praktisch
wichtige Fall, daß die Zwischengrenze zwei Körper von derselben
Zusammensetzung, aber in verschiedenem Aggregatzustande
scheidet, z. B. Wasser und Eis. Hier hat die Wärmebewegung die
Umwandlung von Masse aus der einen in die andere Modifikation
und damit zugleich eine Verlegung der Grenzfläche zur Folge; sieht
man von der Verschiedenheit der Dichte der beiden Modifikationen
ab, so kann man das System im übrigen als ruhend betrachten.
Bezeichnet hierbei dn die während dt stattfindende Verschiebung
der Zwischengrenze in der Richtung der Normalen in diejenige
Modifikation hinein, die durch Wärmezufuhr aus der anderen ent-
steht, und bezeichnet, wie in (17'), A die spezifische Reaktionswärme
in mechanischem Maße, so erhält man leicht die Bedingung ^^)
(ßA + (^J» + ^P^ = 0. 72)
ZU welcher noch hinzuzimehmen ist, daß die Temperatur in der
Grenze der ümwandlungstemperatur gleich sein muß.
§ 10. Sie allgemeinen Bedingungen fiir das thermisch -mechanische
Gleichgewicht.
In der reinen Mechanik haben wir gefunden, daß alle Bedingungen
für das Gleichgewicht eines beliebigen materiellen Systemes unter
Voigt, Theorettecho Physik. 3g
562 lU, TeiL Wärmelehre. L Kap,
der Wirkung konservativer innerer und beliebiger äußerer Kräfte in
das eine Symbol
73) 5 0 - 5!^ = 0 .
zusammengefaßt werden können, in dem S 0 eine virtuelle Variation
des Potentiales der inneren, und S^A die virtuelle Arbeit der äußeren
Kräfte bezeichnet.
Kann dagegen das System in der gegebenen Konfiguration nicht
im Gleichgewicht verharren, so folgt die im ersten Moment eintretende
Bewegung der Ungleichung
73') d(l>^d'A <0.
Letztere Bedingung hat zur Folge, daß bei mangelnden äußeren
Kräften die Bedingung des Gleichgewichts auf die Form
73") 0 = Minimum
gebracht werden kann.
Diese Resultate gestatten auch die Anwendung auf nicht kon-
servative Kräfte, wenn dieselben mit den Geschyrindigkeiten selbst
verschwinden; denn da in beiden Formeln (73) und (73') Ruhe oder
unendlich kleine Geschwindigkeit vorausgesetzt ist, so können die
Arbeiten solcher Kräfte in ihnen nicht auftreten. —
Es liegt nun nahe, durch analoge Schlüsse, wie sie auf S. 499
den Übergang von der rein mechanischen Gleichung der Energie
(48) |auf S. 40 zu der durch Heranziehung der thermischen Vor-
gänge erweiterten Gleichung der Energie (2) auf S. 499 vermittelten,
auch die vorstehenden mit der Gleichung der mechanischen Energie
in Zusammenhang stehenden Bedingungen zu erweitem, das Potential
durch die gesamte innere Energie £"' des Körpers, die Arbeit durch
die Summe von zugeflihrter Arbeit und Wärme zu ersetzen. Man
gewinnt dadurch als Bedingung des Gleichgewichts die Formel
74) 5J?'-^'ß- J!^ = 0,
und als charakteristische Eigenschaft des Beginnens der Bewegung
aus der Ruhe die andere
74') rf£"-rf'ß-rf!^<0.
Daß die erste Bedingung im Falle des Gleichgewichts erfölli
also notwendig ist, ergiebt ihre Vergleichung mit der Energie-
gleichung (2'), indem man in derselben die lebendige Kraft V der
äußeren Bewegung gleich Null setzt Daß sie aber auch die hin-
reichende Bedingung ftir den Eintritt des mechanischen Gleich-
gewichtes bildet, läßt sich für den oben betrachteten Fall eines
beliebigen elastischen Mediums auf folgende Weise zeigen.
§ 10, Attgemeine Gleiehgewiehishedmgungen. 568
Wir nehmen an, die Wärmebewegung finde auf eine Weise statt,
die sich nur unendlich wenig von einer umkehrbaren unterscheidet,
eine Annahme, über die S. 548 gesprochen ist, setzen also
unter Benutzung der Bezeichnungen aus § 6 lautet dann die Gleich-
gewichtsbedingung (74) ausführlich
J{Se\ - T5^i- S\)dk - fS\do = 0.
Führt man wieder die freie Energie. |j der Volumeneinheit
durch die Beziehung
ein, so erhält man
Entwickelt man ferner
* y
und bedenkt, daß nach (35')
ist, so fällt S T unter dem Raumintegral ganz heraus, und es bleiben
nur die sechs unabhängigen Variationen Sx^, . . . Sx übrig.
Da nach (35') femer
öx '"*' * * ' dx '"y
* y
ist, so erhält man durch Umformung des Raumintegrales und Be-
rücksichtigung der Werte:
S\ = TSu + r8v + 2PSw ,
S'a^^X8ü+~r8^ + ZSw
leicht die Gleichungen
ö*HL dS' dS
dx dy d% '
• ' • ^ • • • . -.
Dies sind aber die Bedingungen (32) und (32') des mechanischen
Gleichgewichtes bei Berücksichtigung der thermisch-mechanischen Wir-
kungen, wie sie auf S, 524 aufgestellt sind; die Gleichung (74) ist also
die hinreichende Bedingung des mechanischen Gleichgewichtes.
J^6*
564 ni Teü. Wärmelehrt. L Kap,
Soll gleichzeitig auch thermisches Gleichgewicht stattfinden, so
muß die Temperatur im Innern des Systemes konstant sein.
Die Formel (74') lä&t sich in dem betrachteten Falle noch ein-
facher nachweisen. Denn da IP die Gesamtenergie E minus der
lebendigen Kraft W bezeichnet, so ist nach (2') der Ausdruck links der
negative Zuwachs der lebendigen Kraft während dt, also beim Be-
ginn der Bewegung stets kleiner als Null. —
Wir haben früher aus der nur filr spezielle Probleme der
Mechanik direkt bewiesenen Energiegleichung ein allgemeines Prinzip
von größter Fruchtbarkeit gewonnen, indem wir sie hypothetisch auf
jede Art von Vorgängen erweiterten. Es Hegt nahe, die obigen zwei
Formehl, die Ji der Energiegleichung so nahe v;rwandt sind, in
ähnlicher Weise zu verallgemeinem und die erstere als stets gültige
Gleichgewichtsbedingung, die letztere als stets gültige Regel für den
Sinn einer aus der Ruhe bei fehlendem Gleichgewicht eintretenden
Veränderung anzusehen. Dies wird wahrscheinlich gemacht durch die
Vorstellung, daß alle Umsetzungen in letzter Instanz mechanische
sind. Die Erfahrung hat die Richtigkeit der so gewonnenen Bedingungen
bisher in allen Fällen, auf welche sie angewandt wurden, und welche
hauptsächlich thermochemische Probleme darstellen, bestätigt
Deren Zahl ist allerdings noch nicht sehr groß, da es in praxi meist
große Schwierigkeiten macht, für körperliche Systeme, namentlich für
Mischungen, Lösungen und Verbindungen, die Ausdrücke für die Energie
und die Entropie zu gewinnen. Immerhin genügen sie, um die allge-
meine Gültigkeit der neuen Prinzipe sehr wahrscheinlich zu machen. —
Die Gleichungen (74) und (74^), die wir nun in der Form
schreiben **)
76) SE"-- TSH-^S'A^Qj
75') rf£"- TrfÄ- d'A < 0,
gestatten verschiedene Deutungen.
Setzt man nur isothermische Änderungen voraus, so kann man,
indem man wieder die freie Energie
76) F-TH^S
einführt, schreiben:
760 JÄ-^'^^O, dS-d'A<Q,
woraus folgt, daß bei isothermischen umkehrbaren Zustandsändenmgen
die freie Energie genau dieselbe Rolle spielt, wie bei rein mecha-
nischen Vorgängen nach (73) und (73') das innere Potential; man
nennt daher £ auch das thermodynamische Potential bei kon-
stanter Temperatur.
§ 10, Allgemeine Qleiehgewiehtsbedingungen. 665
Steht das System unter allseitig gleichem Druck, und wird
außer diesem auch die Temperatur konstant erhalten, so kann man
wegen <J'^ = --PSF
JT- TH+PF=^Z 77)
setzen und die beiden Gleichungen schreiben
3Z =0y resp. dZ<0. 77')
Z nennt man das thermodynamische Potential bei kon-
stantem Druck und konstanter Temperatur; es spielt bei
diesen Vorgängen dieselbe ßoUe, wie das innere Potential bei äußeren
Kräften nicht unterworfenen mechanischen Systemen.
Nimmt man an, daß äußere Kräfte nicht vorhanden sind, oder
daß die Bedingungen des Problems ihre Arbeit zu Null machen, so
ist J!/^ = 0, d^^=sOy und die Gleichungen geben als spezielle
Folgerungen:
fiir konstante Entropie
J£'=0, d£r<Oy 78)
für konstante Energie
Jigr=0, dH>0. 780
Der letztere Fall findet bei einem mechanisch und thermisch
isolierten System statt Die letzte Gleichung besitzt eine gewisse
Verwandtschaft mit dem auf S. 549 angegebenen, allerdings nicht
völlig sicher basierten Resultat über die Zunahme der Entropie bei
natürlichen Vorgängen. Dort war gezeigt, daß bei einem beliebigen
nicht umkehrbaren Vorgang, der ohne Wärmezufuhr, aber bei be-
liebiger Arbeitsleistung stattfindet, die Entropie zunimmt; hier ergiebt
sich das Gleiche nur, wenn das körperliche System nach außen völlig
isoliert ist, und die Veränderung aus einem Ruhezustand beginnt,
welcher kein Gleichgewichtszustand ist
Aus den Gleichungen (78) und (78') ergiebt sich in früherer
Weise, daß im Zustand stabilen Gleichgewichtes bei vorgeschriebener
Entropie die Energie ein Minimum, bei vorgeschriebener Energie
die Entropie ein Maximum ist
Die vorstehenden Betrachtungen werden in dem nächsten Teil
wichtige Anwendung finden.
n. Kapitel.
Thermisch-chemische Umsetzungen.
§ 11. Gmndvontellimg^n und Befinitioiien.
In dem vorigen Kapitel sind ausschließlich Umsetzungen be-
handelt worden, bei denen die Substanz des veränderten Körpers
ungeändert blieb. Wir wenden uns nunmehr denjenigen zu, welche
die Substanz in Mitleidenschaft ziehen, sei es nun, daß sie den
Aggregatzustand oder die Modifikation eines Körpers bei ungeänder-
ter chemischer Zusammensetzung wandeln, sei es, daß sie die Zu-
sammensetzung selbst verändern. Alle diese Umsetzungen haben so
viel Gemeinsames, daß wir sie unter dem Namen der allgemein-
sten von ihnen, der chemischen, zusammenfassen wollen.
Für letztere können wir uns folgendes allgemeine Schema
bilden.
In einem Räume sind verschiedene chemisch aufeinander wir-
kende Substanzen vereinigt und werden, während sie nach außen
thermisch und mechanisch isoliert bleiben, in irgend welchem fein
verteilten Zustande andauernd durcheinander gerührt, bis sich alle
Umsetzungen , die ohne äußere Einwirkungen eiutreten können, ab-
gespielt haben. Es wird sich schließlich ein Gleichgewichtszustand
einstellen, bei welchem die Temperatur und der Druck in dem
ganzen Baume konstante Werte haben.
Die Produkte der chemischen Prozesse sind dann entweder feste,
oder flüssige, oder gasförmige Körper. Die festen — etwa in Form
von Krystallen erhalten — sind stets in gesonderten Räumen Tor-
banden, die flüssigen nur, wenn sie nicht mischbar sind, die gas-
förmigen dagegen nie, denn sie durchdringen sich, wenn man von
der Schwere absieht, jederzeit vollkommen.
Die voneinander unabhängigen chemischen Bestandteile des
§ 11. Komponenten und Phasen. 567
Systems, seien sie nun chemische Elemente oder Verbindungen, die
bei den stattfindenden Umsetzungen nicht zerlegt werden, nennen
wir nach Gibbs seine Komponenten, die räumlich gesonderten
Körper, welche sich aus ihnen bilden, seine Phasen. 3®)
Die Anzahl der festen und flüssigen Phasen ist beliebig, die
Anzahl der gasförmigen stets gleich Eins. In einer Phase können
alle Komponenten vereinigt sein, sie kann aber auch deren nur eine
einzige enthalten. Es ist nicht ausgeschlossen, daß gleichzeitig
mehrere, ja alle Phasen dieselben Komponenten in dem gleichen
Verhältnis enthalten, also dieselbe chemische Zusammensetzung be-
sitzen; dies kommt z. B. bei den verschiedenen Aggregatzuständen
einer und derselben Substanz vor. —
Nachdem die Chemie festgestellt hat, in welchen einzelnen Phasen
unter irgend beliebigen Umständen gegebene Komponenten be-
stehen können, eröffnet sich für die Wärmetheorie die Aufgabe, die
charakteristischen Eigenschaften der Phasen eines Systemes aufzu-
finden, welche dieselben befähigen, bei gegebenen Umständen einzeln
oder nebeneinander im Gleichgewicht zu verharren; damit steht
die weitere Aufgabe im nächsten Zusammenhang, die infolge geän-
derter äußerer Umstände, d. h, gegebener dP und dT, sowie infolge
gegebener äußerer Einwirkungen, d. h. gegebener d^A und ^'ß, ein-
tretenden Veränderungen innerhalb des Systems zu bestimmen.
Für die Inangriflhahme dieser Aufgabe hat man sich des
Fundamentalgesetzes der Chemie zu erinnern, nach welchem die
Umsetzungen nach konstanten, für die einzelnen Stoffe charakteristi-
schen Massenverhältnissen, den ganzzahligen Vielfachen der sogenann-
ten Aquivalentgewichte, stattfinden^^; die Aquivalentgewichte
sind hiemach, selbst wenn eines von ihnen willkürlich gewählt ist,
zunächst nur bis auf einen willkürlichen ganzzahligen Faktor defi-
niert, und es steht frei, über letzteren für die verschiedenen Stoße
so zu verfügen, daß die erhaltenen Zahlen irgend welche spezielle
Bequemlichkeit bieten.
Für den idealen Gaszustand ist dabei maßgebend die Beobach-
tung von Gay Lussao^®), daß sich ideale Gase nicht nur nach
ganzzahligen Vielfachen der Aquivalentgewichte, sondern auch nach
ganzzahligen Vielfachen der ursprünglichen Volumina verbinden,
wenn man die Substanzen bei gleichem Druck und gleicher Tem-
peratur voraussetzt
Man definiert nämlich für die Zwecke der Thermochemie nach
AvooADBo'**) diejenigen Äquivalentgewichte als Molekularge-
wichte |Lt, welche die Anzahl der Moleküle v =^ q j ^ in der
568 UL Teil Wärmelehre. IL Kap.
Volumeneinheit bei gleichem Druck und gleicher Temperatur für
alle idealen Grase gleich werden lassen. Die Massen fA sind hier-
durch bis auf einen, allen gemeinsamen, konstanten Faktor yollstandig
definiert; letzteren bestimmt man, indem man fi filr Wasserstoff
gleich 2 Gramm setzt Die hierdurch festgestellte Quantität fi eines
Gases — und analog eines beliebigen anderen Körpers — bezeichnet
man auch wohl als ein Grammmolekül seiner Substanz.
Es ist nützlich, darauf hinzuweisen, daß diese Definitionen und
Festsetzungen von einer speziellen Vorstellung über die Konstitution
der Materie vollkommen unabhängig sind und keineswegs etwa die
atomistische voraussetzen.
Bei Gasen oder Dämpfen, die sich nicht im idealen Zustand
befinden, ebenso bei flüssigen und festen Körpern, existiert eine ähn-
lich vollständige Definition des Molekulargewichtes nicht, und man
muß sich vielfach damit behelfen, den Wert vom gasförmigen Zu-
stand derselben Substanz zu übernehmen, oder ihn gemäß der che-
mischen Konstitutionsformel zu berechnen.
Nur bei verdünnten Lösungen hat man auf Grund von Beobach-
tungen, auf die wir weiter unten zurückkommen, eine der Avogadbo'-
schen analoge Definition des Molekulargewichtes für die gelösten
Substanzen aufgestellt, die zu widerspruchsfreien Resultaten fuhrt *^
Als das Atomgewicht eines chemischen Elementes definiert
man die kleinste Masse dieses Stoffes, welche in den Molekülen seiner
Verbindungen auftritt. Ist die Einheit des Molekulargewichtes wie
oben festgestellt, so bleibt doch bei den Atomgewichten ein ganz-
zahliger Faktor unbestimmt, weil man nicht sicher sein kann, alle
Verbindungen des betreffenden Elementes zu kennen. Die Zahlwerte,
welche sich durch diese Definition ergeben, sind also gewissermaßen
vorläufige; indessen besitzen die gegenwärtig angenommenen eine
bedeutende innere Wahrscheinlichkeit, wegen einer Reihe von Gesetz-
mäßigkeiten, welche sie zeigen. Unter diesen kommt für uns be-
sonders das von Dulong und Petit ^^) gegebene Gesetz von der an-
genäherten Konstanz der Atomwärmen, d. h. der Produkte aus
spezifischer Wärme F^ und Atomgewicht, in Betracht, ein Gesetz,
welches sich auf Grund der Virialgleichung, welche den Ausgangs-
punkt für die Betrachtungen in § 9 des ersten Teiles bildete, auch
mechanisch plausibel machen läßt^^
§ 12. Tßiermodynamisehe Potential. 569
§ 12. Allgemeine Sätse über das thermiBch-chemiBche Gleichgewicht
Die Grundlage für die Bearbeitung der im vorigen Abschnitt
formulierten Aufgaben bieten die S. 564 abgeleiteten Bedingungen,
nach welchen in einem durchweg gleichtemperierten System mecha-
nisches Gleichgewicht vorhanden ist, falls bei allen virtuellen Ände-
rungen
sir^ TJigr-^^ = o 79)
ist, und daß bei nicht vorhandenem Gleichgewicht die Veränderung
aus der Ruhe in dem Sinne eintritt, daß
dE'-- TdH-'d'A<0. 79')
In unserem speziellen FaUe allseitig gleichen Druckes ist S'A^ —FSV
und d^A^-^Pdr.
Wir bezeichnen allgemein die Phasen durch obere Indices,
die Komponenten durch untere, verstehen also unter w^^ die
Masse der Komponente (ä), welche in der Phase (i) vorhanden ist;
weiter setzen vnr kurz
2K'^=»»k, 80)
wo ntj^ die Gesamtmasse der Komponente k in allen Phasen, und
mjf = m(0 ^ 30')
h
WO rd^ die Gesamtmasse der Phase {i) ist
Da die Phasen räumlich getrennt sind, so ist das Gesamtvolumen
unter ü^*^ das Volumen der Masseneinheit oder das spezifische
Volumen der Phase («) verstanden. Femer dürfen wir mit Rück-
sicht auf die S. 518 u. f. angestellten Betrachtungen auch setzen
i:=.^E^^^^m^^^^% H^ 2^*"^= 2^^'^V*^ 81'^
wo nun «'(») und rf^ Energie und Entropie der Masseneinheit oder
spezifische Energie und spezifische Entropie der Phase [%)
bezeichnen und Funktionen von Druck, Temperatur und der Zu-
sammensetzung der Phase, d, h. der Verhältnisse der m^) für das-
selbe 2, sind.
Da weiter F, £", H bei proportionaler Zunahme aller m^^ in
gleichem Verhältnis zunehmen, so sind alle drei homogene Funktionen
ersten Grades der iw^O, was wir durch die Ansätze
570 UI. Teü. Wärmelekre. II. Kap.
' i k i k i k
ausdrücken, in denen nun die Koeffizienten rj.*), «'[•), ^J['> gleichfalls
außer von P und T im allgemeinen noch von den Verhältnissen der
gleichen Werten i entsprechenden mj^') abhängen.
Es mag beiläufig bemerkt werden, daß die in (ST') enthaltenen
Zerlegungen von F, IP, H keineswegs mit denen identisch sind,
welche aus (81') durch Einführung der Substitution (80') resultieren.
In der Gleichgewichtsbedingung (79) betreffen die Variationen
sowohl Pund Tals die Mengen der Komponenten in den verschiedenen
Phasen, also die Zusammensetzung des Systems; aber die Variation
wegen P und T liefert keine neuen Gesetze, da sie aus der obigen
Formel die bekannte Bedingung des thermisch-mechanischen Gleich-
gewichtes macht, welche wegen der Konstanz von P und T identisch
erfüllt ist. Für uns haben also nur die Variationen der m'**' eine
k
Bedeutung, und daher können wir für unsere Zwecke, indem wir,
wie S. 565,
82) £'^ TH+ Pr=Z
setzen, die obige Bedingung in
82') 3ptZ = 0
abkürzen, wo die Indices die Konstanz von P und T bei der
Variation aussprechen. Z beißt, wie gesagt, das thermodynamische
Potential des System es bei konstantem Druck und konstanter Tem-
peratur.
Wie F, £*' und H, so ist auch Z eine homogene Funktion
ersten Grades der m^^^; es kann also gesetzt werden
83) ^ = 22SI''<
i k
worin
83') 51" = /4 '
das Potential*^) der Komponente k in der Phase i, außer
von P und 7', im allgemeinen auch von den Verhältnissen der m^i^ ,
welche gleichen Werten i entsprechen, oder was damit äquivalent
ist, von den Dichtigkeiten (>j^^ = mjj^ / 1?^*> abhängig ist
Die Gleichgewichtsbedingung (82') nimmt hiemach die Form an
83'-) 0^^:^ifSmf.
i k
Die Wahl der in den vorstehenden Gleichungen auftretenden
Komponenten mj*^ ist bis zu einem gewissen Grade beliebig. Dnter
§ 12, Thermodynamiscke Potentiale. 571
Umstanden kann man sie^mit den Elementen der das System bil-
denden chemischen Verbindungen identifizieren, wobei natürlich,
wenn in derselben Phase ein Element in mehreren Verbindungen
auftritt, demselben auch mehrere m^*) mit gleichem i und verschie-
denem Ä entsprechen; doch ist diese Wahl keineswegs stets vorteil-
haft Die hier vorliegende Willkür wird ausgeglichen durch den
Umstand, daß jeder getrofi'enen Verfügung andere Formen der für
die virtuellen Variationen dwjj^ geltenden Nebenbedingungen ent-
sprechen. Man wird die äußere Gestaltung des Problems am meisten
vereinfachen, wenn man über die Komponenten so verfugt, daß die
Anzahl der Nebenbedingungen möglichst klein ist
Handelt es sich beispielsweise um ein System, welches nur
eine chemische Verbindung in verschiedenen Phasen enthält, etwa
eine Substanz in verschiedenen Aggregatzuständen, so wird man diese
Substanz selbst als einzige Komponente wählen und hierdurch die
Gleichungen (83) und (83") auf
t l
reduzieren. Überhaupt wird man mehrere Elemente, die stets nur
in derselben chemischen Verbindung vorkommen, passend zu einer
Komponente zusammenfassen.
Auch wenn nur eine Phase vorhanden ist, und in ihr eine An-
zahl von h chemischen Elementen in mehreren, z. B. in n Ver-
bindungen vorkommen, wird man praktisch nicht die Elemente,
sondern diese Verbindungen als Komponenten einfahren, weil man
dadurch deren Zahl möglichst klein macht. Es wird dann
Z-^C,m„ 0 = 2?*^'«»- 84')
k k
Die Bedingungen, welche für die Jm^'> bestehen und nach der
Methode der Lagrange' sehen Multiplikatoren mit der Haupt-
gleichung (83") zu kombinieren sind, fließen zum Teil aus den
chemischen Konstitutionsformeln der Komponenten und hängen daher
von den speziellen Problemen ab. Außerdem müssen aber stets die
Gleichungen erfüllt sein, welche aussprechen, daß die Gesamtmengen
eines jeden chemischen Elementes vorgeschrieben sind, ohne daß sie
in allen Fällen direkt die Nebenbedingungen des Problems dar-
stellen.
Wählt man z. B. als Komponenten beliebige Verbindungen,
welche nur die Eigenschaft haben, daß innerhalb des betrachteten
Systems ein Austausch zwischen ihnen nicht stattfindet, so treten an
Stelle dieser letzteren Bedingungen diejenigen, daß die Gesamt-
572 UL Teil. Wärmelehre, U. Kap.
masse jeder Komponente gegeben und imreränderlich ist, d* h. die
Fonneln
woraus folgt
85) '^Sml^ = 0, für Ä = 1, 2 ...» und I = 1, 2 ... Ä.
Bestehen keinerlei andere Bedingungen, so erhält man
in der angegebenen Weise die Formel
85-) ^^(^^-l^Smf = Q,
i k
welche in die h,n Gleichungen
85") ^^ - A, = 0
zerfällt; dieselben enthalten den von W. Gibbs entdeckten Satz, daß
unter den gemachten Voraussetzungen das Gleichgewicht nur dann
stattfindet, wenn die Potentiale jeder Komponente in aUen Phasen
gleich sind.**)
Durch Elimination der X^ erhält man aus (85")
85'") £<;) = Si') = . . . = ^), für Ä = 1, 2, . . . n,
also ein System von w(ä — 1) Gleichungen zwischen den nÄ + 2
Variabein, nämlich P, T und den n,h Massen rd^ oder den n.h
Dichtigkeiten q^^ , Zu ihnen kommen noch die Zustands-
gieichungen flür die einzelnen h Phasen, nämlich die Beziehungen,
welche die Verhältnisse der mjj) und das Volumen t/'), oder sym-
metrischer die Dichten q^^, der Komponenten einer Phase i mit f
und T verbinden, so daß also nh + 2 Variabein n(A — 1) + A
Gleichungen gegenüberstehen.
Ist die Anzahl n der Komponenten gegeben, so kann man aus
diesem Verhältnis Schlüsse ziehen über die Anzahl der Phasen, die
nebeneinander im Gleichgewicht verharren köimen.
Das Problem wird im allgemeinen unmöglich, wenn die An-
zahl der Gleichungen größer ist, als die der Variabein. Wir schüeßen
daher, daß jedenfalls
A^n + 2
sein muß, d. h. daß die Anzahl der Phasen höchstens um zwei großer
sein kann, als die Anzahl der Komponenten.*^)
Ist A = n -f 2, so bestimmt das Gleichungssystem alle Variabein
vollständig, und damit auch ein bestimmtes Wertpaar P und %
welchem allein jene höchste Zahl koexistierender Phasen entspricht
Ist A = 71 + 1 , so folgt aus dem Gleichungssystem nach der
§ 12. Die Begren'X/ung der Phaaengebieie. 578
Elimination der q^^ eine Beziehung zwischen P und 7', also eine
zusammengehörige Wertreihe dieser Größen. Ist A<n+1, so
bleiben P und T beliebig verfügbar.
Diese Resultate kann man sich so veranschaulichen, daß man
über einer PT-Ebene soviel Blätter auüschichtet, als Phasen über-
haupt möglich sind, und jedes Blatt einer Phase zuordnet.
Die Anzahl der überhaupt möglichen Phasen, und somit der
Blätter, sei gleich J, und j^n + 2, worin n wie früher die Anzahl
der Komponenten bedeutet. Jede einzelne Phase ist im allgemeinen
in isoliertem Zustande nur innerhalb eines gewissen Wertbereiches
von P und T beständig; es wird also auf jedem Blatt eine Fläche
das Beständigkeitsbereich der entsprechenden Phase darstellen.
Ein Bereich, wo mehrere, etwa h Phasen nebeneinander existieren
können, muß auf eine Fläche fallen, welche von den Beständigkeits-
bereichen aller der betreffenden A Phasen bedeckt wird.
Je Ä = n + 2 Phasen können nach dem Vorstehenden nur in
einem Punkte der P T- Ebene nebeneinander bestehen, den wir einen
(« + 2) fachen Punkt nennen wollen. Ist j > n + 2, so giebt es
deren mehrere, ist J = « + 2, so nur einen einzigen. Je A = w + 1
Phasen können nebeneinander nur längs einer Kurve existieren,
welche von einem (n + 2) fachen Punkte ausgehen und entweder
nach einem anderen oder ins Unendliche verlaufen muß.
Diese Kurven begrenzen Flächenstücke, längs deren je
n Phasen zusammen existieren können, und aus diesen setzen sich
wiederum Flächenkomplexe zusammen, die dem Gleichgewichte
von je n — 1, n — 2, . . ., schließlich von je einer Phase entsprechen.
Die übrigen Bereiche geben für jede Kombination labile oder un-
mögliche Zustände.
Jene (n + l)fachen Kurven haben für die Theorie besondere
Bedeutung, denn sie geben die Grenzen an, über welche hinüber
die Umsetzungen zwischen den beiderseits verschiedenen Phasen
stattfinden; in den durch sie getrennten Gebieten sind stets (n — 1)
Phasen gleich, während eine verschieden ist. Die Umsetzungen
betreffen sonach immer die letztere.
Haben diese benachbarten verschiedenen I^asen dieselbe
Zusammensetzung, so kann eine Umwandlung zwischen ihnen allein
stattfinden; im anderen Falle ändert sich dabei gleichzeitig auch
die Quantität der beiderseitig gleichen Phasen.
Für diese Umwandlung läßt sich ein höchst allgemeiner Satz
durch Anwendung der auf die Masseneinheit bezogenen Gleichung (9"),
also der Beziehung
574 ///. Teil Wärmelehre. II, Kap.
auf eine geschlossene Kurve erhalten, welche ein Element der Grenz-
kurve rings umschlingt Die beiden Seiten der Grenzkurve mögen
nach den dort vorhandenen verschiedenen Phasen mit a und ß be-
zeichnet, die Enden des Kurvenelementes durch die Wertpaare Pj , Tj
und Pj, Tj definiert werden. Führt man mit der Masse Eins diesen
KreisproceB aus, so erhält man
j T -^ T, J T 2\ -'''
wo {coaß)2 resp. {fOaß\ die der Masseneinheit zuzuführende Umwandlungs-
wärme {—{(Oaß\ und —{(i)aß)i die sogenannte Wärmetönung) für
den XJbergang a->ß bei der Temperatur 7\ resp. T^ bezeichnet,
und jH«) resp. /^> die spezifischen Wärmen in absolutem Maße für
die Zustandsänderungen längs der Grenzkurve sind.
Rückt man T^ unendlich nahe an T^, so erhält man
d
m
86) r(ß) - rt«) = T ^ y ,
wo der Difi'erentialquotient längs der Grenzkurve zu nehmen ist*^
Die in diesen Formeln auftretenden spezifischen Wärmen /^**>
und r^fi^ lassen sich näher bestimmen mit Hilfe der allgemeinen
Beziehung (31"), die, auf die Masseneinheit der Phase (a) oder (/?)
angewandt und bei Einführung der Bezeichnung Vj M =^v^ lautet
Setzt man nämlich ftir dPfdT den speziellen Wert ein, der der
Grenzkurve entspricht, so erhält man sogleich
86') r=r^_T|4,^;
hierin hat dv jd T die Bedeutung der spezifischen thermischen
Volumenänderung bei konstantem Druck, ist also bei festen und
flüssigen Körpern eine so kleine Größe, daß für letztere angenähert F mit
dem durch Messung direkt zu erhaltenden /"^ zu vertauschen ist
Ist sonach F für die eine Phase, z. B. (a\ bekannt, und ist das
Gesetz, welches maß mit T verbindet, gegeben, so liefert die Glei-
chung (86) T für die andere Phase iß). —
§ 12. Umtpandlungsufännen und -dilatatümen. 576
Wir stellen nunmehr die wichtigen DiiFerentialeigenschaften zu-
sammen, welche das Potential Z besitzt.
Aus seiner Definition
ergiebt sich unter Rücksicht darauf, daß bei Änderungen, die nur P
und T betreffen,
dr+PdF^TdH^O
ist*0;
d Z jj- ^ ^ _^ TT Qß"\
^=-lf, ^=-^. 8b)
Femer gilt aus demselben Grunde
d (z\ ir-^- pv Q^,,^
Wendet man die letzten beiden Formeln auf zwei Zustande (1)
und (2) desselben Systemes an, welche gleicher Temperatur und
gleichem Druck, aber verschiedenen rd^ entsprechen, so erhält man*®)
gp(^a — -^i) = ^2 — ^1 =^ ^\% y
(Z^-ZA ^ _ (^-+PF)«-(-g^ + Pni ^ _ -^
86"")
wo fl^j die mechanisch gemessene Wärmemenge bezeichnet, welche
zur Überführung des Systems aus dem Zustand (1) in den Zu-
stand (2) bei konstantem Druck und konstanter Temperatur erforder-
lich ist —
Endlich sei noch bemerkt, daß die aus der Energiegleichung (2)
für einen beliebigen Kreisprozeß gezogene Folgerung
[A) + (fl) = 0 87)
unter Umständen dazu dienen kann, die Umwandlungswärme ßj^
oder die Wärme tönung — ßi2 ^^ ^®^ direkten Übergang aus
einem Zustand (1) in einen Zustand (2), die sich direkter Beobach-
tung entzieht, aus dem Betrag Q\^ zu berechnen, der bei der auf
Umwegen bewirkten Umwandlung erforderlich ist Denn da die
beiden Umwandlungen sich zu einem Kreisprozeß kombinieren lassen,
so kann man die obige Formel schreiben
Findet die Umwandlung beide Male bei konstantem Volumen
statt, was sich leicht bewirken läßt, wenn die eine Komponente bei
beiden Überführungen gasformig ist» so gilt streng
576 ///. TeU. Wärmelehre, IL Kap.
dieselbe Formel wird als sehr nahe richtig zu benutzen sein, wenn
die Reaktion in flüssigem Zustande stattfindet, und die sie begleitende
Volumenänderung unbedeutend ist Die Gleichung (87") ist durch
eine große Zahl von Messungen bestätigt worden.^^)
§ 13. Eine Komponente in h Phasen. Gleichgewicht zwischen rer-
schiedenen Aggregatznstanden desselben Körpers.
Die denkbar einfachste Anwendung der allgemeinen Resultate
des vorigen Abschnittes betrifft den Fall eines Systemes mit nur einer
Komponente. Ein solches wird geliefert durch eine Substanz, die
bei Ycrschiedenen Temperaturen und Drucken verschiedene Modifi-
kationen oder Aggregatzustände besitzt, falls von diesen Modifika-
tionen nur eine gasförmig ist, und die tropfbarflüssigen sich nicht
mischen.
Hier gilt dann nach (84)
* •
und die einzige Nebenbedingung hat die Form
2m(0 = w, d. h. ^Sfd^ = 0,
woraus sogleich folgt
2(f<0-A)^ni^o = o, oder
Dies giebt in Übereinstimmung mit dem allgemeinen GiBBs'schen Satx
S. 572 als Bedingung des Gleichgewichts zwischen verschiedenen
Phasen die Gleichheit ihrer Potentiale; zugleich nehmen die Folge-
rungen aus diesem Satze wegen n = 1 hier die spezielle Form an,
daß mehr wie drei Phasen niemals, drei nur in einzelnen Punkten
und zwei nur in einzelnen Kurven der P T-Ebene nebeneinander im
Gleichgewicht sein können.
Die S. 573 besprochene Veranschaulichung wird demgemäß sehr
einfach.^^
In der P T-Ebene liegen je nach Umstanden ein oder mehrere
dreifache Punkte, gegeben durch
für beliebige (or), (/?), (/); zwischen ihnen oder von ihnen ins Unend-
liche erstrecken sich die Doppelkiu'ven mit den Gleichungen
§ 13. Eine Komponente in h Phasen. 577
welche so liegen müssen, daß sie sich nur in den dreifachen Punkten
schneiden, und begrenzen Flächengebiete, in denen nur je eine Phase
im Gleichgewicht verharren kann. Wenn wir also jeder Phase ein
über die PT-Ebene gelegtes Blatt zuordnen, so stellen nur die inner-
halb dieser Grenzen gelegenen Bereiche stabile Gleichgewichtszustände
dar, die darüber hinausliegenden Zustände labilen oder aber fehlenden
Gleichgewichts. Die Verlängerungen der Grenzkurven über die drei-
fachen Punkte hinaus müssen dann dem labilen Gleichgewicht zwi-
schen zwei labilen Phasen entsprechen.
Man kann bei den vorliegenden einfachen Verhältnissen die
Veranschaulichung noch weiter treiben.
Man hebe an jeder Stelle der horizontal gedachten PT-Ebene
das dort liegende Phasenblatt um eine Höhe, welche proportional
ist mit dem Volumen v^>\ welches die Masseneinheit der Phase bei
dem obwaltenden P und T einnimmt, dann erhält man statt ebener
Blätter soviel Oberflächen von der Gleichung
i/»)=P«)(P, T),
als Phasen vorhanden sind; wir wollen diese Flächen kurz PhaseD-
flächen nennen und mit P^*) bezeichnen.
Über den Grenzkurven ^"> = ^ errichte man vertikale Cylinder-
flächen Caß, so begrenzen ihre Schnittkurven mit den Phasenflächen
PW auf den letzteren die Gebiete stabilen Gleichgewichts, und die
zwischen zwei Schnittkurven liegenden Teile der Cylinderflächen C««
repräsentieren die Zustände des Überganges von einer Phase zur
anderen, während dessen die Substanz nicht homogen, sondern aus
zwei verschiedenen Phasen gemischt ist.
Die über die Grenzkurven hinausragenden Teile der Flächen F^^
werden labile Gleichgewichtszustände darstellen.
Gewisse Beobachtungen^^) machen es nun wahrscheinlich, daß
diese Flächenstücke zwischen den Phasenblättem P^**) und F^^ der
benachbarten Bereiche (a) und {ß) eine vollständige Verbindung her-
stellen, die eben deshalb sich im allgemeinen der erschöpfenden ex-
perimentellen Untersuchung entzieht, weil sie labile Gleichgewichts-
zustände enthält. Diese Verbindungsstücke müssen dann, wie die
unmittelbare Anschauung ergiebt, um sich an zwei in verschiedener
Höhe liegende Phasenblätter stetig anzuschließen, S-formig gekrümmt
sein, also die Cylinderfläche einmal durchsetzen.
In diesem Falle wird eine Zustandsgieichung v = F{Pj T) das
Verhalten der Substanz in den beiden zusammenhängenden Phasen
Voigt, Theoreüache Phjrilk. 37
678 ///. !Zfet7. Wärmelehre. IL Kap,
darstellen. Die Gleichgewichtsbedingung ^«^ = ^fi) gewinnt hier eine
besonders einfache und anschauliche Bedeutung.
Legen wir durch die Flächen F und C einen der FP- Ebene
parallelen ebenen Schnitt T = Const, so schneidet derselbe die Ober-
fläche F in der Nähe der Grenzkurve {aß) nach dem Gesagten in
einer S-förmigen Kurve, auf der ebenfalls T konstant Ist, die Cylinder-
Üäche C in einer vertikalen Geraden, in der sowohl P, als T
sich nicht ändert; diese Gerade schneidet die genannte Kurve in
drei Punkten. Bezeichnen wir diese Punkte von unten nach oben
fortschreitend mit 1), 2), 3), so umschließen beide Kurven zwischen
1) und 2) und zwischen 2) und 3) Flächenstticke f^ und ^, deren
Größen nach der Anschauung resp. gegeben sind durch
2 8
f,= ±J{P-P,)dv, f,^±J{P,-P)dv,
1 2
WO P den auf der gekrümmten Bandkurve variabeln, P^ den auf
der geradlinigen konstanten Druck bezeichnet; von den doppelten
Vorzeichen gehören die beiden oberen oder die beiden unteren zu-
sammen.
Integrieren wir die Energiegleichung
dB = Tdfj - Pdv
längs der S-förmigen Kurve, für welche T konstant^ P aber variabel
ist, zwischen den Grenzen 1) und 3), so ergiebt sie
8
1
hiermit kombinieren wir die Gleichung S^=^«^, die sich ersichtlich
auf die Punkte 1) und 3) anwenden läßt und dann die Form an-
nimmt
«3 - «1 = '^(^3 - ^i) - ^1 K - «'i)»
und erhalten
8
/(P-Pi)^r = 0 oder
1
2 8
J{P^P^)dv^f{P^^F)dv und somit
1 2
Die Lage der Grenzkurven {ccß) ist also dadurch, daß sie die oben
definierten Flächenstücke gleich machen muß, anschaulich fest-
gelegt")
§ 13, ümtpandlungstcämie and -dilatation, 579
Nachdem wir somit an der Hand der GiBss'schen Phasenregel
eine deutliche Anschauung von dem Verhalten unseres speziellen
materiellen Systemes in dem PTT-Koordinatensysteme gewonnen
haben, wollen wir nun auch die weiteren allgemeinen Sätze auf den
vorliegenden speziellen Fall tibertragen.
Die Gleichung (86)
r(ß)— jf^«) = T
BT
gewinnt bei unserem Beispiel eine besonders einfache Bedeutung,
weil beim Überschreiten der Qrenzkurve {cc ß) keine anderen Phasen,
als eben {u) und {ß) in Betracht kommen, coaß also direkt die Um-
wandlungswärme der Masseneinheit aus dem Zustand {ci) in den Zu-
stand {ß) bedeutet.
Nach der zweiten Formel (86'") ist weiter in unserem Falle
denn die Zustände diesseits und jenseits der Qrenzkurve entsprechen
der gemachten Voraussetzung, daß Druck und Temperatur für sie
übereinstimmen.
Nun ist aber längs der Grenzkurve (aß) die Beziehung ^*) =f^^
erfüllt, daher ist die letztere Formel identisch mit
j(fe"^ - s'-)) = - -^''- • 88')
d
Femer folgt aus der ersten Gleichung (86'")
-^{^l^-^''>)^v„ß, 88")
falls Vaß = »^ — t?^"^ die Änderung des spezifischen Volumens be-
zeichnet, welche den Übergang (a) -> {ß) begleitet
Verbindet man mit diesen Beziehungen die Gleichung
^(^/?)^^«))^T+A(^y^^^«))rfP:^0,
welche daraus folgt, daß die Bedingung ^") = 5*Ä für jede Stelle der
Grenzkurve gültig ist, so erhält man die überaus wichtige Gleichung ••)
'^=^vaß[~-nr\ , 88-)
aß
welche den Zusammenhang zwischen Umwandlungswärme, Volmmen-
änderung und dem für die Grenzkurve {aß) oharakteristiscben
87*
580 ///. Teü, Wärmelehre. IL Kap.
Differentialverhältnis Yon Umwandlungsdruck und -temperatur aus-
spricht
Da {dTjdPjaß zugleich die Tangente des Winkels ist, den in
der PT-Ehene die Grenzkurve (ccß) mit der P-Axe einschließt, so
giebt die Gleichung (88'") auch für diesen Winkel eine Beziehung.
Stellt man sie für die in einem dreifachen Punkt {a ß y) zusammen-
kommenden drei Kurven {aß), {ßy)j (/^) ^^^ ^^^ berücksichtigt,
daß im dreifachen Punkt identisch sowohl
88"")
Vaß+ Vßr + Vya = 0, als
ist, so erhält man leicht einfache Beziehungen zwischen den Winkeln,
unter denen die Kurven von dem dreifachen Punkt ausgehen, die
wir aber allgemein nicht aufstellen woUen. —
Der wichtigste spezielle Fall, welcher sich auch zur experi-
mentellen Prüfung der Resultate der vorstehenden Entwickelungen
hervorragend eignet, ist derjenige, daß die Phasen des Systemes
durch die verschiedenen Aggregatzustände des betrachteten Körpers
geliefert werden; in anderen Fällen werden die theoretisch not-
wendigen Reaktionen häufig durch Widerstände so verzögert, daß
der Moment ihres Eintrittes nur sehr ungenau zu beobachten ist.
Die Phasen der drei Aggregatzustände seien durch die oberen Indices
s (starr), f (flüssig), d (dampfförmig) bezeichnet
Hier giebt es nur einen dreifachen Punkt, definiert durch die
Gleichimg
89) ^•) = ^n = ^i);
von ihm aus gehen drei Doppelkurven (sf), {fd), {ds)j welche die
Grenzen zwischen den Gebieten der bezüglichen drei Phasen büden
und durch die Gleichungen
89') ^'^=^^\ ^^=^^, frcD^jf.)
definiert sind, ins Unendliche.
Nach der Natur der Vorgänge, welche die Übergänge über diese
Kurven im Sinne steigender Temperatur bedeuten, nennt man sie
anschaulich Schmelzkurve, «Verdampfungskurve, Sublimier-
kurve, und mit den analogen Namen bezeichnet man die Bereiche
auf den Cylinderflächen (7, welche die Verbindungen zwischen den,
wie oben erörtert, in verschiedenen Höhen über der P T-Ebene
liegenden Phasenblättern herstellen und Übergänge durch inhomogene
Zustände repräsentieren. Analog bezeichnet man femer die resp.
auf die Masseneinheit bezogenen oder spezifischen Uberfuhrungs-
§ 13. Verschiedene Aggregatx/ustWnde desselben Körpers. 581
wärmen m,f, aofa, (o^d als Schmelzungs-, Verdampfungs- und
Sublimierwärmen; sie sind Gegenstände der exakten Messung und
sind sämtlich bei Übergängen, die im Sinne der Beihenfolge der
Indices {s)->{f) u. s. f. stattfinden, positiv gefunden.
Auch die die Überführung begleitenden Volumenänderungen der
Masseneinheit v,^, Vfa, Vtd sind meßbar; aber während die letzten
beiden, im Sinne der Reihenfolge der Indices stattfindend, sich
stets positiv ergeben, ist die erstere, die Volum enänderung beim
Schmelzen, bei einigen wenigen Substanzen, unter denen sich das
Wasser befindet, negativ. —
Was nun die Prüfung der oben abgeleiteten Gesetze angeht^
so ist die in den Gleichgewichtsbedingungen (89') ausgesprochene
Thatsache, daß ein Gemisch von zwei Aggregatzuständen, so lange
der Druck konstant ist, seine Temperatur nicht ändert und um-
gekehrt, vollständig sichergestellt und bildet eine Hauptstütze der
Theorie.
Weiter kann die Formel (86), angewandt auf die Grenze zwischen
der flüssigen und dampfförmigen Phase, die Gelegenheit zu einer
Prüfung der Theorie liefern.**) Wir schreiben sie
= f^ I ^fA\ d^fÄ ^fA /^rvv
I^ä^^nn + T-^[-^] = /V)+ -^ - _^ 90)
und bemerken, daß sie die spezifische Wärme des Dampfes an der
Grenzkurve (/, d\ d. h. des gesättigten und bei der Temperatur-
änderung gesättigt bleibenden Dampfes, aus der spezifischen Wärme
der Flüssigkeit längs derselben Kurve und aus dem Verhalten der Ver-
dampfungswärme zu berechnen gestattet Indessen ist eine direkte
Beobachtung der spezifischen Wärme I^^ und I^f^ kaum möglich,
und die Prüfung der obigen Formel geschieht deshalb besser auf
einem indirekten Wege, den wir weiter unten besprechen werden.
Endlich gestattet die Formel (88'") eine sehr feine Vergleichung
mit der Wirklichkeit, denn sie enthält einen Zusammenhang zwischen
drei der genauen Beobachtung zugänglichen Größen.
Auf den üebergang (/"— v d) und [s-^ d) angewandt ergiebt sie
also, da nach Obigem hier sowohl die co als die v positiv sind, für
dPIdT positive Werte, d. h. mit dem Druck wachsende Verdampfungs-
und Sublimiertemperaturen. Bei dem Übergang {s-^f) ist v bald
positiv, bald negativ, daher liefert die Formel
582 IlL TeU. Wärmelehre. IL Kap.
unter Umständen, z. B. im Falle des Eises, mit wachsendem Druck
fallende Schmelztemperaturen. Die Beobachtungen haben diese
Resultate qualitativ und quantitativ vollständig bestätigt. ^^)
Wir wollen weiterhin die Körper mit positivem v^f normale, die
mit negativem anormale nennen, bemerken aber zugleich, daß an
sich möglich, wenn gleich noch nicht beobachtet, auch der allgemeiiie
Fall ist, daß eine Substanz sich bei gewissen Temperaturen normal,
bei anderen anormal verhält.
Berücksichtigt man die für jeden dreifachen Punkt gültigen
Beziehungen (88""), so erhält man aus den Gleichungen (90') und
(90") leicht
diese noch strenge Formel, der sich zwei ähnliche zuordnen, verein-
facht sich durch die Überlegung, daß bei den Umständen, welche
für den dreifachen Punkt charakteristisch sind, das spezifische Vo-
lumen iK*^ der dampfförmigen Phase vielemale größer ist, als das-
jenige der flüssigen resp. festen. Infolge dessen kann man sie näm-
lich schreiben
^ Tv^^^ \dTj,a \dTJfd
und erhält damit einen Aufschluß über die gegenseitige Neigung
der Kurven {sd) und [fd) im dreifachen Punkt. —
Durch da& oben Entwickelte sind wir nun auch in den Stand
gesetzt, die Lage der drei Doppelkurven deutlich zu übersehen.
Wählen wir die P-Axe als Abscissen-, die T-Axe als Ordinaten-
axe, so steigt die Kurve [fd) bei allen bekannten Körpern vom drei-
fachen Punkt aus nach rechts an, die Kurve {sd) fällt nach links
hin ab; die Kurve («, f) hingegen steigt nach rechts hin nur bei
normalen, sie fällt nach rechts hin bei anormalen Körpern. Ton
den drei Gebieten (*), (/^, {d) liegt (ft) oben links, (/) oben rechts,
{s) unten. Die Phasenfläche {d) liegt bei allen Körpern längs der
Grenzkurven (fd) und {sd) höher als die Phasenfläche {f) resp. (*)t
aber längs der Grenze (*, f) ist bei normalen Körpern die Fläche
{f\ bei anormalen die Fläche {s) die höhere.
Folgen wir von dem dreifachen Punkt aus der Grenzkurve {fd),
so wird nach der Beobachtung der Unterschied in Volumen oder
Dichte beider Phasen immer geringer, der Höhenunterschied der an-
§ 13. Orenxkurven xwtsehen verschiedenen Äggregatxuständefi. 583
grenzenden Phasenflächen {f) und {d) mit wachsendem P und T
also immer kleiner, und für eine Reibe von Körpern ist mit dem
Experiment*®) ein Zustand erreicht worden, wo die Dichte der flüs-
sigen und der dampfförmigen Phase gleich und damit überhaupt'
jeder Unterschied zwischen den beiden Phasen verschwunden ist;
diese Eigentümlichkeit bleibt auch bei weiter gesteigertem P und T
erhalten. Unter diesen Umständen verläuft also die Grenzkurve [fd)
nicht ins Unendliche, sondern endigt in Wirklichkeit bei einem be-
stimmten Punkt, den man den kritischen Punkt nennt.
Da einem Wachsen von P und T prinzipiell keine Grenze ge-
setzt werden kann, so darf man sich vorstellen, daß die nach der
Seite wachsender P und T verlaufende Kurve {fd) für alle Körper
mit einem kritischen Punkt der betrachteten Art endigt. Gleiches
gilt von der Grenzkurve {sf) für normale Körper.
Anders verhält es sich mit der Kurve {s d), die vom dreifachen
Punkte aus nach kleineren Werten P und T verläuft; hier ist durch
die Werte P = 0 und T = 0, die in Praxis nicht zu überschreiten
sind, eine Begrenzung der Kurve im Endlichen gegeben, und dem-
nach ist ein diese Kurve abschließender kritischer Punkt nur aus-
nahmsweise zu erwarten.
Ähnliches wird für die Grenzkurve {sf) bei anormalen Körpern
gelten, wenn dieselbe dauernd und in genügendem Grade fällt, um
die P-Axe im Endlichen zu erreichen. —
Der Umstand, daß die Phasenblätter {f) und {d) oberhalb des
kritischen Punktes über die Grenze {fd) hinweg zusammenhängen,
legt von neuem die Vorstellung nahe, daß auch längs der ganzen
übrigen Strecke der Kurve {fd) eine stetige Verbindung zwischen
ihnen möglich ist, welche homogenen, aber instabilen Zuständen ent-
spricht Ist diese Vorstellung richtig, so muß es nach dem S. 577
Gesagten möglich sein, das Verhalten beider Phasen {f) und {d)
durch ein einziges Gesetz darzustellen.
Dies ist in einer bemerkenswerten Weise durch die van der
WAALs'sche Zustandsgieichung '^^) geleistet, die wir schon früher bei-
läufig benutzt haben, die aber erst bei dem hier vorliegenden Pro-
blem des stetigen Überganges aus dem flüssigen in den gasförmigen
Zustand ihre volle Bedeutung erhält. Daß man sie durch theo-
retische Überlegungen ableiten kann, ist S. 58 u. f. gezeigt worden;
bei der geringen Strenge, welche jene Entwickelungen besitzen, be-
trachtet man sie indessen besser als eine zur Darstellung der Be-
obachtungen gebildete Interpolationsformel.
Wir wollen sie jetzt speziell auf die Masseneinheit beziehen
584 HL Teü, Wärmelehre, IL Kap.
und daher schreiben
91) (p+5)(«-*) = i?T;
hierin bezeichnet v das Volumen der Masseneinheit oder das spezi-
fische Volumen der Substanz. Die Dimensionen der Konstanten
dieser Gleichung sind
Die Gleichung ist in Bezug auf das spezifische Volumen v vom
dritten Grade, so daß sich also zu gegebenem P und T drei Wur-
zeln V ergeben, die unter gewissen Voraussetzungen sämtlich reell
sind; sie entsprechen den S. 578 erwähnten Schnittpunkten einer
Normalen auf der P T-Ebene mit der Volumenfläche. Der kritische
Punkt ist nach dem soeben Entwickelten dadurch definiert, daß in
ihm die drei Wurzeln für v zusammenfallen.
Bezeichnet man die diesem Punkte entsprechenden Werte der
Variabein, welche man die kritischen nennt, mit P, ü, T, so erhält
man als Bedingungen dafür, daß die Gleichung (91) die Form
{v — »)• s= 0 annimmt^
p p p
Hieraus folgen die kritischen Daten, durch die Eonstanten ausgedrückt:
91') v = 3b, P=^, T= '^
276»' 2765'
und umgekehrt die Konstanten, durch diese ausgedrückt:
91") a = 3Pir8, * = |, B = ^.
8 ST
Kombiniert man mit der van deb WAAiiS'schen Formel die
allgemeine Gleichung (30") für d'i2 bei Benutzung der Unabhängigen
T und F, die, auf die Masseneinheit bezogen, lautet:
so erhält man leicht
92) d'07 ^rjT+^^dv,
da außerdem die, ebenso auf die Masseneinheit bezogene Formel tiir
die Arbeit lautet
92') d'a = - Pdv ,
so findet man
92") de'^r^dT+^dv,
§ 13. Folgerungen aus dem van der Waals'sehen Oesetx, 585
also
e'^c + fr^dT^^, 93)
während zugleich
rTdT
ri^c'+j^^+BHv^b) 93')
wird; c und c' bezeichnen hierin Integrationskonstanten. Das Po-
tential ^ berechnet sich daraus zu
f = e - c'T+fr^dT^ '^f^^ - ? -BTlip^b) + Pv
oder nach Elimination Ton P zu
^=c-c'T+fr„dT- Tf^^-^-BT[l{v-b)-^^. 93")
Da nach den Formeln (92) und (92") F^ nur eine Funktion von
T Bein kann, so haben die drei Gleichungen für e', tj, ^ die Formen
«' = 0.--^, 94)
1? = 0, + Bl{v - b), 94')
;=e,-^--BT{l{v-b)-^^, 94")
in denen die 0 Funktionen von T allein bezeichnen. Führt man
die durch die Beobachtung nahegelegte Annahme ein, daß F^ merk-
lich konstant ist, so lassen sich die drei Funktionen 0 allgemein
angeben.
Aus der Formel (94) folgt für zwei Zustände (1) und (2), die
gleicher Temperatur entsprechen,
.;_.;=«(1_1); 95)
berücksichtigt man die 'Gleichung (2^) der Energie, so erhält man
die zur Überführung nötige Wärmemenge
(2)
(1)
Sind die Zustände (1) und (2) mit den oben betrachteten der koexistie-
renden flüssigen und dampfförmigen Phase identisch, so ist bei iso-
■ ■
thermischer Überführung auf dem Wege über lauter stabile Zustande
auch P konstant und die letzte Formel identisch mit
'^f^ - « (^ - ,-^) + ^(«^"^ - '^)- ö5")
«12
586 lU, Teil. Wärmelehre, IL Kap,
Dies Gesetz wird durch die Beobachtung sehr unvollständig
bestätigt, woraus folgt, daß die van beb WAALs'sche Formel selbst
nur angenähert richtig sein kann.*^) —
Wir wollen nun einige der vorstehenden Formeln dadurch um-
gestalten, daß wir die Konstanten a, b, B nach (91'^ durch die
kritischen Daten ausdrücken und dann
96) y = ^^ j = <P> | = *
setzen, also die Verhältnisse von Druck, Volumen und Temperatur
zu den kritischen Werten einfahren, welche man die reduzierten
Größen dieser Variabein nennt
Wir erhalten dann aus (91)
96') (,« + 1.) (3 9 - 1) = 8 *,
die reduzierte Form der van dee WAAia'schen Formel**); femer
aus (94") __
96") f=0,_^-lfl*(/(39,-l)--^^).
Diese Resultate schreiben wir kürzer
worin zwar 0^ noch der Substanz individuelle Parameter enthält,
nicht aber ^ und ^; die letzteren Größen sind also universelle
Funktionen.
Hieraus folgt einerseits, daß in einem n & ^-Koordinatensystem
die möglichen Zustände aller Körper durch die Punkte einer und
derselben Oberfläche /j(9?,:;r)=i9' dargestellt werden; es folgt auch
andererseits, daß die Grenzkurve, welche auf dieser Fläche die Be-
reiche labiler Zustände gegen diejenigen stabiler Zustände scheidet,
filr alle Körper, welche die Gleichung (91) befolgen, gleich liegt
Denn sie ist die Schnittkurve der genannten Oberfläche mit dem
Cylinder, dessen Gleichung allgemein f (<») = f CA ist, und diese
Gleichung lautet in unserem Falle
ist also gleichfalls für alle Körper die gleiche. Auch dies Besultat
wird durch die Beobachtung nur unvollkommen bestätigt,®^
Führen wir endlich die reduzierten Variabein in die Formel (95")
ein, so nimmt dieselbe die Gestalt
96"') «,,, = i^; [ (^ _ -^) + „ (5,(^ _ y(.))]
§ 14. mn Gemisch von %^ koexisHerendm Phasen. 587
an. In ihr hat die Klammer bei gegebenem ß- für alle Körper den-
selben Wert; (»fd wird also bei gleichen reduzierten Temperaturen
für verschiedene Substanzen den Produkten aus dem kritischen Druck
und dem kritischen Volumen proportional sein.
§14. Eise Komponente in h Phasen. Eigensohaften eines Oemisohes
zweier koexistierender Phasen. EinfloTs der Oberflächenspannimg in
der Grenzfläche.
Die Umwandlung einer Masse von einer Phase (cc) in eine
andere [ß) mit ihr zusammen bestehende findet, wie oben gesagt,
in Wirklichkeit so statt, daß ein Massenteilchen nach dem anderen
sprungweise die neue Natur annimmt, so daß also während des
Überganges die Masse ein Gemisch von beiden koexistierenden
Phasen bildet. Die Untersuchung der Eigenschaften eines solchen
Gemisches ist sonach gleichwertig mit der Entwickelung der Gesetze
des Überganges selbst.®^)
Für die Behandlung des Ubergangszustandes sind die bisher
benutzten Unabhängigen P und T nicht mehr anwendbar, da ja der
ganze Zustand durch die Beziehung
definiert ist, welche P und T miteinander verbindet Wir wählen
vorläufig als Unabhängige T, die Umwandlungstemperatur, und die
Masse rd^ der einen Phase, welche dadurch eine ausgezeichnete
Stellung erhält Zwischen ihr und der Masse m<«) der anderen
Phase besteht die Beziehung
,„(«) ^ ^)ß) ^ My 97)
wobei My die Gesamtmasse der Substanz, konstant ist; mit dem
Volumen V ist m^ verbunden durch die Formel
V = ?n(«) t?f«) + m^ v^ =: M^^) + m^ v^ß , 97')
worin wie früher t?(«) und vl^ die spezifischen Volumina der beiden
Phasen (a) und Q9), v^ß aber die Volumenänderung xß^ — 1;(«) bei der
Umwandlung in der Richtung {p^-^iß) bezeichnet »("> und v>^^ also
auch v^ß^ hängen bei dem betrachteten Problem nur von der Tem-
peratur ab.
In den Variabein T und m^ drückt sich unter Benutzung
von (3) die zugeführte Wärmemenge sehr einfach aus. Schreibt man
588 ///. 7c»;. Wärmelehre. IL Kap,
SO sieht man, daß Üt einer Erwärmung ohne Umwandlung und ä^
einer Umwandlung ohne Temperaturänderung entspricht
Es muß daher gelten
98) d'ü = (7w^«)r(«) + m^i^) dT+ (Oaßdmfß)-,
die spezifischen Wärmen in der Klammer sind mit den früher so
bezeichneten identisch, denn sowohl die Phase {a\ wie die Phase (ß)^
befindet sich in dem der Grenzkurve (a ß) entsprechenden Zustande.
Drückt man hierin JT^ mit Hilfe der Gleichung (86) aus, so
erhält man nach leichter Umformung
980 ^ß = ^^"^ ^ ^ + Tdy — ^j ,
wobei, wie weiterhin immer, bei einer Abhängigen 0 der Aus-
druck d0 das Yollständige Differential bezeichnet
Femer folgt aus der Definition cf^= --P«fr unter Benutzung
von (97')
\ d:A=- -P]^Mdv^<^) + d{m^Vaß)\
= - PMdv^^^ - d{m(ß) Pvaß) + rdß) v^ßäP,
oder unter Benutzung der Beziehung (88'") auch
98'") d!A^ ^ PMdvi<^) + — ^ dT-- d{m^Pvaß\
Die Werte von d£i und d*A können zur Bestimmung der
Funktionen E\ H und Z dienen.
Man hat nämlich zunächst nach (2') wegen V' = 0
99) rf£"= Jlf ( r(«) - P~^-] dT+ d[m^(paß - Pv^ß)] ,
also, falls C eine Eonstante bezeichnet,
99) E'= M^C + J[r^-)^ P^)dT^ + m^>{p^ß ~ Pvaß)\
femer nach (22)
98")
_ dT f m^
9r) dH^Ml\^>-^ + d
also, wenn C eine andere Konstante bedeutet,
99'") H=m[c+ J -" P-] + —^ ;
endlich erhält man nach (82) durch eine einfache Umformung
§ 14. Ein Gemisch von xw&i koexistierenden Phasen, 589
Z^M
C^CT+P^-)+j ^/^(a)_ p__J^7^_ Tj ^—Y^\ . 99"")
Daß Z hier wirklich, wie Gleichung (99"") zeigt, eine Funktion
Ton T allein und mit M proportional sein muß, ergiebt sich durch
die Überlegung, daß das allgemeine
für die Grenzkurve {aß) wegen der dort geltenden Bedingung S^"^ = f^^^
die Form
Z^Ml
annehmen muß, worin ^ nur T enthalten kann.
Um diese Formeln anzuwenden, muß P,t?(«), /"■(«) und cu«^ oder
Vaß als Funktion von T durch die Beobachtung gegeben sein.
Ein besonders wichtiger spezieller Fall ist der, daß die Phase («)
flüssig oder starr, die Phase {ß) gasformig ist. Hier kann man
nämlich /"(«> und t?(«) als nahezu von der Temperatur unabhängig,
also als absolut konstant betrachten und erhält, indem man gleich-
zeitig (Oaß durch Anwendung der Beziehung (88"') eliminiert und
m^ nach (97') durch F ausdrückt, die einfacheren Formeln
/f=M(c'+r^«)/(7o) + (r-.if/Xa);(l^,)^^,
100)
Diese Gleichungen sind u. a. für die Entwickelung der Theorie
der Dampfmaschine, die ja mit einem Gemisch von Wasser und
Wasserdampf arbeitet, von Wichtigkeit.
Femer gestatten sie die Anwendung zur Bestimmung der bei
nicht umkehrbaren Vorgängen eintretenden Veränderungen, wozu in
§ 8 die allgemeinen Regeln angegeben sind.
Beschränken wir uns auf den FaU der Ausdehnung ohne Arbeits-
und Wärmezufuhr und bezeichnen die beiden Grenzzustände mit
(1) und (2), so erhalten wir, indem wir den Wert der Energie in
£"== MF{'r) + Ff{T) 100')
abkürzen,
m[f{ i\) - F{ T,)] = r, /•( i\) - V, f{ r,) , i oo")
was Tj aus gegebenem 1\, }\ und V^ zu berechnen gestattet.
590 ///. Teil. Wärmelehre. U. Kap.
während (97') den beiden Zuständen zugehörigen Wert {rdß\ und
{rd^\ angiebt. —
Wir wollen endlich noch die Wirkung bestimmen, die eine
adiabatische umkehrbare Yolumenänderung auf das Gemisch ausübt.
Hierzu ist in der Formel (98) cCSi gleich Null, also auch
101) (wi(«) r(«) + rn^ rßy) d T +(o^ßdm^=^0
zu setzen und durch Benutzung von (97') dF au Stelle von dT
einzuführen. Aus letzterer Gleichung folgt
und man erhält daher aus (101) allgemein
101') (7n(«)r(«)+ m^P)r^) {dV^ v^ßdra^) + ui^Ä oj^ß-^dm^ = 0.
Wir wollen uns nun auf den Fall beschränken, daß nahezu die
ganze Masse M sich in der Phase {ß) befindet, also gasförmig ist;
dann ist 7w(«>=s0, m^^:= M zu setzen, und die letzte Gleichung
liefert
101") -T^dV ^ ^^^ß^
^''<^ß riß)
Hierin überwiegt das erste Glied des Nenners jederzeit wegen des
neben F^ß^ stets großen Wertes (Daß weit das zweite; da dVaßldT.
wie schon auf 8. 582 bemerkt, kleiner als NuU ist, so hat der ganze
Nenner einen negativen Wert; man kann also schreiben, indem
man durch ^ eine Funktion der Temperatur bezeichnet,
101'") ^^r^)dV==dmfß).
Die nach (90) ausgeführte Berechnung hat i^^> för einige
Flüssigkeiten und für bestimmte Temperaturen positiv, fikr andere
negativ ergeben. Berücksichtigt man, daß negatives dm^ eine
Kondensation von Dampf angiebt, so zeigt die letzte Formel, daB
bei positivem F^ die Kondensation durch Kompression, bei
negativem durch Dilatation bewirkt werden muß. Da die Kon-
densation, wenn sie hinreichend schnell stattfindet, zu einer Nebel-
bildung innerhalb des in gesättigtem Zustande zunächst durch-
sichtigen Dampfes führt, so ist hierdurch der Beobachtung ein ein-
faches Mittel gegeben, um das Vorzeichen von JT^ zu kontrollieren
und mit dem aus der Berechnung folgenden zu vergleichen. Diese
eigentümliche Prüfung der Theorie, auf die schon S. 581 hingewiesen
§ 14, Oberflächenspannung in der Orenxe xtceier Phasen. 591
worden ist, hat zu einer vollständigen Bestätigung derselben ge-
führt.«^. —
Die Gesetze der Umwandlung werden durch Berücksichtigung
der in der Grenzfläche zwischen den koexistierenden Phasen etwa
stattfindenden Oberflächenspannungen in einer bemerkenswerten und
im Anschluß an die Grundformel (79) auf S. 569 leicht angebbaren
Weise modifiziert
Da keine Beobachtung bisher dafür spricht, daß zur Ver-
größerung oder Verkleinerung der Grenzfläche außer mechanischer
Arbeit, die z. B. bei einer Deformation der Bandkurve der Fläche
zu leisten wäre, auch Wärme zugeführt werden muß, so ist die
Entropie von der Gestalt und Größe der betrachteten Fläche un-
abhängig. Setzen wir ferner voraus, daß bei der Variation der
Grenzfläche äußere Kräfte keine Arbeit leisten,"^ so enthält auch S'A
keinen auf die Grenzfläche bezüglichen Teil. Es bleibt also nur in F
ein auf sie bezügliches Glied, welches als Energie der Grenzfläche
bezeichnet werden kann, zu berücksichtigen, und von diesem ist
nach dem oben Gesagten klar, daß es mit dem auf S. 244 einge-
führten dberflächenpotential SaßOaß identisch sein muß; hierin be-
zeichnet Oaß die Größe der Grenzfläche zwischen den Phasen {cc)
und {ß), Saß die in ihr wirkende Oberflächenspannung, welche als
der Kombination der Körper (ä) und {ß) bei gegebener Temperatur
individuell betrachtet werden kann.
Wir erhalten sonach als Potential Z der beiden koexistierenden
Phasen
Z = wi(«> f («) + m(fi> ^0?) + Saß Oaß. 102)
Für die Anwendung dieses Ausdruckes wollen wir uns speziell
vorstellen, daß die Phase {a) außer durch die Oberfläche (aß) nur
noch durch starre Wände begrenzt wird; fehlen solche, so muß
sie hiemach rings von {ß) umgeben sein. Die äußere Begrenzung
der Phase {ß) mag entweder konstante Größe besitzen oder von
Oberflächenspannung frei sein.
Bei der Variation ist dann zu benutzeui daß
und daß nach einem bekannten geoiüetrischen Satze zugleich
und I 102')
592 111. Teil. Wärmelehre. U. Kap.
ist, wobei Sv die normale Verschiebung der Grenzfläche an der
Stelle des Elementes doaß nach der Seite der Phase {ß), und Äj, ß^
die Hauptkrümmungsradien ebenda und analog gerechnet bezeichnen.
Wirken körperliche Kräfte nicht, so ist nach S. 247 (1 /i?, + 1 /S^)
längs der ganzen Grenze konstant, und es folgt daher aus (102^
102") Sm(-) (-!_ + _!_) + p(«) d oaß = 0;
die Variation der Gleichung (102) führt somit auf die Formel
welche bei Berücksichtigung der Oberflächenspannung an Stelle Ton
^(a) = ^(Ä tritt.
Die weitere Entwickelung der Theorie erfordert die Aufstellung
der Potentialwerte f für die beiden Phasen, ist also nur unter
speziellen Voraussetzungen möglich.
Wir wollen uns auf die Betrachtung des speziellen Falles be-
schränken, daß die Phase {a) durch eine Flüssigkeit, (ß) durch ihren
Dampf gebildet wird, und die Formel (94") für f benutzen unter
der Annahme, daß die Dichten der beiden Phasen bei der vor-
liegenden Temperatur sehr verschieden sind.
In dem Ausdrucke für die flüssige Phase können wir dann r,
wie S. 589, als konstant betrachten und schreiben
103) f ^«) = 0(°) + Pv<«),
worin 0<«) eine Funktion von r oder T allein bezeichnet; in dem
für die gasformige können wir v als sehr groß neben a und b an-
sehen und in analoger Bezeichnung schreiben
103') C^ = &ß)^ B Tl{v^ß)) + Fv^fi).
Es gilt sonach, da auch p^**) ü^") == 1 ist.
Vernachlässigt man noch t;^«) neben t/^ und läßt den Dampf an-
genähert das BoYLE-MAßiOTTE'sche Gesetz befolgen, setzt also
so hat man schließlich, wenn 0 eine neue Funktion von T bezeichnet,
103'") 0_^P(P) = 5„,(-l- + -i^-).
Differentiiert man dies bei konstantem T nach P, so muß sich der
Ausdruck in der Klammer rechts ändern, und es folgt
§15. n + 1 Komponenten in einer Phase, 593
BT dP ^^">
^(a) p ^(ß)
rfP=-Ä,^^(-l- + -Lj. 103'")
Diese merkwürdige Formel ergiebt, wie der Sättigungsdruck bei
konstanter Temperatur mit der mittleren Krümmung der Grenzfläche
variiert, welche den Dampf gegen die Flüssigkeit scheidet®').
§15. (n + 1) Komponenten in einer Phase. Dissooiation der Ghkse
und Lösungen.
Nach Gleichung (83) kann zwar für das thermodynamische Po-
tential Z jederzeit der Ansatz gemacht werden
z-:e^^
^•>m^'>
k >
aber nur in ganz speziellen Fällen, von denen einer im vorigen
Abschnitt behandelt ist, sind die Koeffizienten ^^ allein von P und
T, nicht aber auch vom Verhältnis der Massen mj*^ abhängig. Der
k
allgemeinere Fall bietet stets erhebliche Schwierigkeiten, und nur bei
wenigen Beispielen ist bisher die vollständige Bestimmung der Po-
tentiale ^'^ möglich gewesen. Eines von -diesen liefert der Fall, daß
die Komponenten {k) einer Phase die Eigenschaft besitzen, in den
Ansätzen für Energie und Volumen, welche hier aus (81) und (81')
folgen, nämlich in den Formeln
£' = 2«>*^ ?^=2«*m„ 104)
für «i und v^ Funktionen von F und T allein zu geben, während
über die Koeffizienten rju in der Formel
H^-^fjumj, 104')
nichts ausgesagt wird.
Dieser Fall ist physikalisch dadurch charakterisiert, daß die
Vereinigung der Komponenten (ä) zu dem betrachteten System bei
konstantem P und T weder von einer Volumenänderung begleitet
ist, noch Wärme- oder Arbeitsaufwand erfordert. Denn r^wi^ ist
nach der gemachten Annahme das Volumen 7^, welches die Masse
TWj^ der Komponente (ä), bei gleichem Druck und gleicher Temperatur
für sich allein vorhanden, einnehmen würde, und F^^Fi^; fiiwk
ist die entsprechende Energie £*, und E^ ^^Ei,
Voigt, Theoretische Physik. 38
594 ///. Teü, Wärmelehre. IL Kap.
Für die Entropie erhalten wir ans der Energiegleichung unter
Benutzung der Ansätze (104) und (104') die Bedingung
worin die Differentiale sich auf P und T allein beziehen. Da die
m^ Yollkommen willkürlich sind, kann man hieraus schließen
d% = ^{dsl + Pdvj^ für Ä = 1, 2, . . . n + 1 .
Hier stellt der Ausdruck rechts das Differential der Entropie t}^
der Volumeneinheit der Komponente (A) dar, wenn dieselbe allein
vorhanden ist, und hängt nur von P und T ab. Da aber tjj^ außer
diesen Argumenten noch die Verhältnisse der Massen ntj^ enthält^ so
folgt durch Integration
104") Vk=-fji + Mj^,
worin Mj^ eine Funktion der m,. allein ist Die gesuchte Größe 17^
unterscheidet sich also von der Entropie t]^ der Masseneinheit der
Komponente (ä) bei den Werten P und T, denen das ganze System
ausgesetzt ist, nur durch eine von P und T unabhängige Größe.**)
Führt man das Resultat (104") in den Ausdruck
«i - Tvk + Pü* « Ök
für das thermodynamische Potential der Masseneinheit der Kompo-
nente (A) ein und kürzt ab
wo dann Q das Potential bei Abwesenheit der übrigen Komponenten
angiebt, so erhält man
104'") & = S2- 7W,;
diese Formel läßt den Einfluß der Mischung mit anderen Kompo-
nenten auf den Wert des Potentiales deutlich hervortreten.
Über die Funktionen M^ läßt sich ohne Zuhilfenahme von neuen
experimentell festgestellten Thatsachen oder neuen Hypothesen nur
soviel sagen, daß M^ eine Funktion der n- Argumente
k k k k k k
sein muß, welche sich auf eine Konstante reduziert, wenn deren
Zähler verschwinden; da in f]^ schon eine willkürliche Konstante
enthalten ist, so kann man jene zweite beliebig gleich Null setzen.
In dem speziellen Fall, daß eines der m^^, z. B. m^, alle anderen
§ 15, Das Potential eines Qasgemiaehes, 595
sehr weit übertrifft, ist allerdings f&r M^ sogleich der Ansatz zu
bilden
Mo=^±c,m„ 104"")
^0 1
in welchem die Cj^ Eonstanten bezeichnen; aber sowohl die übrigen
M^, als auch der Wert von Mq im allgemeinen Falle sind zunächst
unbekannt
Ein Weg zu ihrer Bestimmung ist geboten, wenn man die Ver-
einigung der Komponenten zu dem Gemisch auf umkehrbarem Wege
isotherm zu vollziehen und die dabei eintretende Energieänderung
E^ — El, wie die dabei aufzuwendende Arbeit ^^^ zu bestimmen ver-
mag. Dann gilt nämlich allgemein, weil -ffj=2^k*Wfcj ^2=2^k"*k ^*>
J?, - £, - ^1, = T{H^ - Hl) = T^M^m,, 105)
woraus der Wert des einzelnen M^ zu entnehmen ist. Da wir hier
aber nur Fälle betrachten, bei welchen die Energie sich bei der Ver-
einigung der Komponenten nicht ändert, so haben wir noch einfacher
Wir wenden diese Formel auf ein Gemisch von idealen
Gasen an, welches den auf S. 593 gemachten Voraussetzungen ge-
nügt, denken also alle Komponenten {k) anfänglich bei gleichem P
und T in getrennten Behältern von den Volumina ?^ = ^k^v ^^
welche 2^»~ ^ ^®^ befindlich und diese Behälter dann in Kom-
munikation gesetzt Daß bei der Vereinigung mit P und T auch F,
oder umgekehrt mit F und T auch P ungeändert bleibt, können wir
dahin deuten, daß jedes Gas bei seiner Ausbreitung durch das Volumen
F einen Partialdruck pj^ von einer solchen Größe erreicht, daß die
Summe über alle Partialdrucke
2f» = P, 106)
d. h. gleich dem Anfangsdruck ist; dies von Dalton angegebene
Gesetz ist bereits S. 58 erwähnt worden.
Die so verlaufende Vereinigung ist indessen nicht umkehrbar.
Umkehrbar kann sie vollzogen werden, indem man zunächst zwei
Gase (a) und {b) in einen Cylinder bringt, der in zwei Abschnitte
von den Größen T« und Fi durch zwei aufeinander liegende Schirme
geschieden ist, von denen der dem Gas (a) zugewandte nur fUr
(a), nicht aber für {b\ der dem Gas {b) zugewandte nur für {b), nicht
aber fiir (a) durchlässig ist, so daß die Kombination beider sowohl
(a) als {b) den Durchgang verbietet
Halbdurchlässige Schirme von genau solcher Eigenschaft
38*
596 IlL Teü, Wärmelehre, IL Kap.
sind zwar in der Natur nicht vorhanden , wohl aber von so weit
ähnlicher, daß die Annahme keine physische Unmöglichkeit ent-
halten dürfte.««)
Beide Schirme müssen, falls ihr Querschnitt gleich Q ist, mit
einer Kraft K = QP gehalten werden, um in Ruhe zu bleiben.
Nun lasse man beide Gase sich ausdehnen, indem man die auf
die Schirme wirkende Kraft jederzeit unendlich wenig geringer sein
läßt, als die Resultierende des auf sie wirkenden Druckes; die
Schirme werden dann in der Richtung des von den resp. Gasen auf
sie ausgeübten Druckes sich verschieben. Wenn sie auf ihrer Be-
wegung die Enden des Cylinders erreicht haben, ist die Vereinigung
auf umkehrbarem Wege bewirkt, denn sie läßt sich durch den ent-
gegengesetzt gleichen Arbeitsaufwand rückgängig machen.
Jedes der beiden Gase befolgt bei diesem Prozeß das Botle-
GaY LüssAO'sche Gesetz; es gilt sonach für nur zwei Komponenten
V V
was sich für deren {n + 1) sogleich erweitem läßt zu
Nun ist aber gleichzeitig
rp,=^m,B,T und F,P=m^B,T,
oder unter Berücksichtigung von (106),
rP = T^m.B^ und T^P = rrij^Bj^ T;
ftihrt man dies in (106') ein, so erhält man sofort
106") ^i2= + 72'«A^(^).
und wegen (105') als schließliches Resultat:
106'") M,= - B,l(^J^f] = - B,l{ßr^,
worin TV^ eine neue Bezeichnung ist.
Für ideale Gase gilt somit««) nach (104") und (104'")
107) ^* = ^i2-^*/(^*),
und
107') & = Ci2 + J?*77(iV,).
Für die weitere Entwickelung wirkt vereinfachend die Ave-
§ 15. Das Potential eines Oaagemisohes. 597
OADBo'sche Begel, nach welcher bei gleichem Druck P' und gleicher
Temperatur 7^, denen die Dichte Qu entspricht, gleiche Volumina
verschiedener Gase gleiche Anzahlen t^i von Grammmolekülen ju^
enthalten, nach welcher also unter den genannten Umständen
vi ^ eil flu 108)
f&r alle Gase gleich ist Denn da nach dem Botle-Gat Lussac'-
sehen Gesetz
ist, so ergiebt sich
Ql P'
1 u B T
^ = 'S»*-- , 1080
und die obige Begel sagt aus, daß
ft,^, = Ä 108")
eine universelle Konstante sein muß.
Benutzt man dies und beachtet, daß bei Einführung der effek-
tiven Anzahl v^ der vorhandenen Grammmoleküle der Komponente (A)
m^ = H^u 109)
ist, so kann man in dem Wert des Gesamtpotentiales
Z=2^*[S2 + J?kT/(;V,)] 109')
auch
V.
iVj = ^ 109")
2".
setzen, oder bei Einführung der Bezeichnung
li^a = I* 109'")
schreiben
^ = 2''»[l» + ÄT/(irj]. 109"")
Hierin stellt der Faktor von v^^ das Potential für ein Gramnmiolekül
der Komponente (A) dar; iV^ kann als die Konzentration des Ge-
misches in Bezug auf die Komponente (A) bezeichnet werden.
Die vorstehenden Eesultate sind zwar zunächst nur für ideale
Gase abgeleitet, besitzen jedoch eine erheblich allgemeinere Gültig-
keit. Denn da die Funktionen M^ von Druck und Temperatur
unabhängig sind, so ist es gleichgültig, bei welchen Werten dieser
Größen der für ihre Ableitung vorausgesetzte Vorgang, nämlich
die auf umkehrbarem Wege stattfindende Vereinigung, sich abspielt
Hieraus folgt dann sogleich, daß die erhaltenen M^ für jedes System
von (n + 1) Komponenten in einer Phase anwendbar sind, welches
sich durch Veränderung von Temperatur und Druck in den Zustand
598 ///. Teil Wärmelehre. IL Kap.
eines idealen Oases überführen läßt, ohne dabei chemische Umsetzungen
zu erfahren.^^ Elinen solchen allgemeinen Fall können wir daher
weiterhin zunächst voraussetzen. —
Nun mögen mit wechselnden P und T zwischen den Kompo-
nenten Umsetzungen derartig stattfinden, daß
110) Sv^^Xuj^
ist, wobei X eine Konstante und a^^ eine ganze, positive oder nega-
tive Zahl, im speziellen auch Null bedeutet
Zerfallen z. B. a^ Moleküle ju-^j, und bilden sich aus ihren Pro-
dukten öfj, «2 ... Moleküle fjL^, fA^ . . ., — ein Vorgang, den man
eine einfache Dissociation der Komponente (0) nennt — so ist
110') Svq = — XaQ , Sv^ = + Xa^ , Sv^ == + Xa^ . . .
zu setzen. Ahnlich bei simultanen Dissociationen, wo mehrere
Molekülarten gleichzeitig zerfallen müssen, um das Material fiir die
Neubildungen zu liefern.
Anders dagegen bei den stufenweisen Dissociationen, wo die
Zersetzungsprodukte zum Teil in dieser Gestalt fortbestehen, zum
Teil weiter zerfallen. Hier wird für jede neue Zerfallung eine neue
Formel der obigen Art mit willkürlichem Faktor und gegebenem a^
aufzustellen sein; z. B.
110") dVfc = Töfi, ^'f/fc = X'a'iy . . .
Da aber jede dieser Gleichungen in derselben Weise zu verwerten
ist, wie die erste, so genügt es, diese weiter zu verfolgen.
Die Gleichgewichtsgleichung (84') nimmt nach (109"") die Form an
111) :^[h + RTl{N^-\a,^Q,
oder
was wir durch die Bezeichnung
Hl') -;^2I*«* = ^W
abkürzen in
111") K==Yl{Nl^).
Hier steht rechts eine Funktion allein der Argumentreihen
f/^ und öfj^, deren erste die Zusammensetzung des betrachteten Sy-
stemes und deren letzte die stattfindenden Umsetzungen charakteri-
siert, links eine Funktion von Druck und Temperatur allein.
Unterscheidet man unter den Uj^ die positiven und die negativen,
welche sich bildenden und zerfallenden Verbindungen entsprechen, durch
§ 15, Di88oeiaiion eines Oasee. 599
die Indices als a^^ und — ci^j so nimmt die letzte Gleichung die
Form an
II A>
in welcher sie als das Güldberg- und WAAGE'sche Gesetz der
Massenwirkung*®) bezeichnet wird. Sie giebt eine Beziehung an,
welche im Zustand des Gleichgewichtes bei ungeändertem P und T
bei beliebig geänderten Massenverhältnissen zwischen den bez. Kon-
zentrationen JVj^ bestehen muß. Die Funktion K heißt der Gleich -
gewichtskoeffizient; seine Abhängigkeit von P und T ist nicht
ein ftir allemal angebbar, doch kann man über seine Natur einiges
ganz allgemein behaupten. —
Die kleinstmögliche Anzahl von unzerlegten Molekülen, welche
zur Ausführung der gedachten Umwandlung nötig sind, (bei der ein-
fachen Dissociation also cc^ von der Gattung fi^), wollen wir eine
Molekülgruppe, und den Zustand, in welchem sie unzerlegt sind,
den Zustand (1) nennen. Nach vollständiger Umwandlung soll die
Gruppe den Zustand (2) erreicht haben.
Dann läßt sich die in (111) links stehende Funktion auffassen
als die Differenz der Werte der auf die einzelne Gruppe bezogenen
Funktion Z, die wir in dieser Bedeutung durch Z' bezeichnen
wollen, in dem Zustand (1) und (2); denn die positiven a^ entsprechen
den neugebildeten, die negativen den zerfallenen Molekülen. Die
Gleichung (111) ist dann identisch mit
z; - z; ^ 0.
Wendet man hierauf die Formeln (86'") an, so erhält man leicht
^(Z^ - ZO = + i;;,, 112)
dT\ T ) T»'^ ^^^^
in denen v\^ die Volumen Vergrößerung bezeichnet, welche die
Grammmoleküle der Gruppe bei der Umwandlung (l)->(2) erfahren,
G>j2 die zur Umwandlung nötige Wärmezufuhr.
Nach der Bedeutung von Z^ — Z\ giebt dies aber sogleich
wi^h-,) - + v\,, ^(2'4*)=-^S 112")
oder unter Berücksichtigung von (IIT) auch
dP "■ RT^ dT ^RT^^ '
600 IIL T&ü. Wärmelehre. IL Kap.
wodurch zwei wichtige Eigenschaften der Funktion K ausge-
sprochen sind.
Die letzte Formel führt den Namen des van't HoFF'schen
Gesetzes.®^ —
Nach diesen allgemeinen Entwickelungen kehren wir wieder zu
dem speziellen Falle zurück, von dessen Betrachtung wir ausge-
gangen waren, und nehmen an, daß das System ein Gemisch idealer
Gase sei.
Hier lassen sich die Funktionen ^ sogleich vollständig angeben;
man erhält sie aus der Gleichung (93"), welche unter Voraussetzung
des VAN DEE WAALs'schen Gesetzes abgeleitet war, indem man darin
a a ^ s= 0 und F konstant nimmt Um die Indices nicht zu häufen,
wollen wir weiterhin
113) r,^r,r^=r
setzen. Dann ergiebt sich zunächst
113') S = ^, - Äi T - i; Tl{T) - B, Tl{v^\
worin c^ und h^^ Konstanten bezeichnen, oder, bei Einführung von
passender in P und T allein ausgedrückt,
1 13") ^ = c^, ^ Ä^ T - r; Tl{T) + B^ Tl[P).
Hieraus folgt nach (109"') bei Einführung anderer Konstanten A
und 1 sogleich
113'") |,= itt,?2 = h^^ i^T ^ r\Tl['r) + RTl{P),
wobei yjc= fJi^ri die Molekularwärme der Komponente (A) bei
konstantem Druck bezeichnet.
Setzt man dies Resultat in die Grundformel (111) ein und
kürzt ab
114) i2«A=-'(A i^c'uh-m, i2«*K=c',
so erhält man^^
114') A^JTO- =11 [{N.P)-*] = n(P"*)-
Nun ist aber
also liefert die obige Formel
114") A^I)T<^^ll{e^rc),
wo JD eine neue Konstante und
§ 15. Dissodation eines Gases, 601
ist, unter yj^ die Molekularwärme bei konstantem Volumen ver-
standen.
Benutzt man noch, daß die Atomwärme eines Elementes an-
scheinend in allen Verbindungen sich gleich bleibt, so ist C = 0,
und die letzte Formel wird zu
1^
A^D^Hify^). 114'")
Giebt man dieser Formel die mit (111'") verwandte Gestalt
• -^-
so ist hier 0 eine Funktion der Temperatur allein.
Diese Formel ist für die Vergleichung der Theorie mit der
Beobachtung von besonderer Wichtigkeit, da die Partialdichten Qj^
sich relativ leicht bestimmen lassen.
Hierzu dient außer der Definition der beobachtbaren Gesamtdichte
? = 2p* 115')
k
und der Gleichung des BoYLE'schen Gesetzes in der Form
2^ = ^ 115")
noch das System von Formeln, welches ausdrückt, daß die Um-
setzung glatt aufgehen muß, wenn nicht, wie hier ausgeschlossen
sein mag, eines der Dissociationsprodukte von vornherein im Über-
schuß vorhanden ist, nämlich
-?^ = -??- = ...= -^ ; 115'")
die Formeln (115) bis (115") geben zusammen {n+ 1) Gleichungen,
die zu der gewünschten Operation ausreichen.
Die Beobachtungen auch an Dämpfen, welche von dem Zustand
der idealen Gase ziemlich weit entfernt sind, haben die vorstehenden
Resultate der Theorie sehr befriedigend bestätigt —
Außer auf Gemische von idealen Gasen gestatten die obigen
Formeln noch die Anwendung auf sehr verdünnte Lösungen, welche
die ersten der vorstehend eingeflihrten Voraussetzungen erfüllen, da
die Beobachtungen gezeigt haben, daß von einem gewissen Verdün-
nungsgrade an der Zusatz von Substanz gleicher Temperatur weder
602 ///. Teü, Wärmelekre, U. Kap,
eine Kontraktion, noch eine Wärmetönung bewirkt DemgemaB
sind für sie jedenfalls die Formeln (104") und (104'") zu benutzen,
und ist daher
116) Vj,==fji+M^, ^,= f£-Titf,
zu setzen.
Auch die auf S. 596 u. f. durchgeführte Bestimmung der Funk-
tionen Mj^ würde anwendbar bleiben, wenn man die Lösung in den
idealen Gaszustand bringen könnte, ohne daß hierbei chemische
Veränderungen einträten. Dies ist indessen in hohem Grade un-
wahrscheinlich, und daher ist die Übertragung der Werte (106'")
f&r die Mj^ auf unseren FaU nicht unbedenklich.
Nimmt man sie als richtig an, so werden durch den Umstand,
daß in den zu betrachtenden Lösungen die Masse des Lösungsmittels
diejenigen der gelösten Substanzen sehr übertrifft, die Ausdrücke,
welche oben für die Funktionen M^ abgeleitet sind, einigermaßen
vereinfacht
Bezeichnet man nämlich das Lösungsmittel durch den Index (0)^
die gelösten Substanzen durch die Indices A = 1, 2, . . . n, so folgt
aus (106'") leicht in erster Annäherung
116-) i»o^o = Ä2^» i«.Af,= -Ä/(^).
Da außerdem das Lösungsmittel an den Umsetzungen, die inner-
halb der Lösung stattfinden, nicht beteiligt ist, so ist in der For-
mel (111) e^o = 0, und Nq fällt dadurch gänzlich aus ihr heraus
Im übrigen finden sich die Schlußformeln für die in der Lösimg
stattfindenden Veränderungen, z. B. Dissociationen, genau wie oben
für Gase gezeigt ist^^)
§16. Zwei Thasen mit mehreren Komponenten, deren eine beiden
Phasen gemeinsam ist Siede- imd Gefrierpunkte von Lösung^en; der
osmotische Druck.
Außer den in den vorigen beiden Paragraphen behandelten ex-
tremen Fällen nur einer Komponente oder nur einer Phase haben
bisher nur wenige eine vollständige Durchführung und eine Ver-
gleichung mit der Beobachtung gefunden. Die Schwierigkeit für die
Theorie liegt jederzeit in der Aufstellung der Potentialwerte fj^
welche meist nur auf Grund des Experimentes und dann nur in
Form mehr oder weniger unbequemer Interpolationsformeln möglich
ist; dabei kann überdies der oben bei dem van dsb WAALs'schen
§ 16, Zwei Phasen mit einer gemeinsaffien Komponente. 603
Gesetz hervorgehobene Fall eintreten, daß eine so gewonnene Formel
gewisse Beobachtungen anscheinend vollständig darstellt, während
aus ihr abgeleitete Gesetze infolge ungllnstiger Kombinationen ihrer
Eonstanten kaum angenähert der Wirklichkeit entsprechen. Relativ
vollkommen haben sich die am Ende des vorigen Paragraphen er-
wähnten Formeln für stark verdünnte Lösungen bewährt, besonders
der in (116') gegebene Ausdruck für M^, was nicht Wunder nehmen
darf, da sich derselbe, abgesehen von dem Werte des Faktors £,
nach (104"") ohne spezielle Annahmen bilden läßt In der That
kann man den nicht unbedenklichen Weg, welcher zu der ersten
Formel (116') geführt hat, vermeiden, indem man von dem allge-
meinen Resultat (104"") ausgeht und darin die Konstanten c^ durch
eine Vergleichung mit der Beobachtung bestimmt; zu letzterer eignet
sich besonders das unten abzuleitende Gesetz über den osmotischen
Druck.
Aus diesen Gründen wollen wir bei den folgenden Entwicke-
lungen, die einen in mancher Hinsicht allgemeineren Fall betreffen,
als die beiden letzten Paragraphen, Anwendungen bevorzugen, bei
denen jener Wert von M^ eine Rolle spielt. —
Wir denken uns nunmehr zwei Phasen {cc) und {ß). gegeben,
von denen die eine n^«) + 1 , die andere n^+ l Komponenten ent-
hält Ist die einzige, beiden Phasen gemeinsame Komponente durch
den unteren Index i charakterisiert, so ist nach (85"') die einzige
Gleichgewichtsbedingung, auf welche die allgemeinen Regeln des
§ 12 führen,
ö«) - TM«) = l:ffi- TMj^ . 117^
Diese allgemeine Formel kommt u. a. zur Anwendung, wenn
die beiden Phasen zwei nicht mischbare Flüssigkeiten sind, welche
außer beliebigen, je nur in einer von beiden lösbaren Substanzen,
auch eine in beiden lösbare Komponente, nämlich eben (i) enthalten.
Sind beide Lösungen so verdünnt, daß man den zweiten Wert (116'),
in dem sich der Index (0) auf das Lösungsmittel bezieht, für (i) an
Stelle von (A) benutzen kann, so erhält man
also bei Benutzung der Abkürzung vJvq^^ JV.
Diese Gleichung enthält das Gesetz der Verteilung einer Sub-
604 ///. Teü. Wärmelehre. IL Kap.
stanz zwischen zwei in Berührung stehenden Lösungsmitteln und spricht,
solange man die ^ auf der rechten Seite nicht kennt, nur die That-
Sache aus, daß das Verhältnis der N links allein von Druck und
Temperatur, nicht aber von den absoluten Konzentrationen ab-
hängig ist
Diese Betrachtung läßt sich leicht auf den Fall erweitem, daß
beiden Phasen mehrere Komponenten gemeinsam sind, z. B. die
gelöste Substanz sich dissociiert Dann sind Überlegungen der im
vorigen Paragraphen angewandten Art mit den vorstehenden zu kom-
binieren. Hierdurch werden die Besultate natürlich complizierter; sie
haben aber, solange man die ^ unbestimmt läßt, stets den Charakter
des soeben erhaltenen, indem sie nämlich aussprechen, daß gewisse
Funktionen der Konzentrationen nur von Druck und Temperatur
abhängen/*) —
Wir wollen uns nun zu dem wichtigen Fall wenden, daß die
gemeinsame Komponente in beiden Phasen weitaus die Massen der
nicht gemeinsamen überwiegt, und hierbei, um die Verbindung mit
früheren Bezeichnungen herzustellen, (i) mit (0) identifizieren.
Da ^^^ und ^f^ die Potentiale der Komponente (0) in den beiden
Phasen bei Abwesenheit der übrigen Komponenten darstellen, so giebt
118) 0,"^=^"'
die Bedingung für die Koexistenz der beiden Phasen [a) und {ß) der
Komponente (0) allein.
Da die beidenFormeln(l 1 7)und (11 8) durch verschiedene Wertpaare
P, T und Pq, Tq erfüllt werden, so schreiben wir sie in der Form
' \ ^^^{P,T)-TM-)=^{P,T)-TMf.
Aus diesen Gleichungen lassen sich allgemeine Folgerungen
ziehen, wenn Mf^— MS^\ und demgemäß auch die Differenzen
als Größen erster Ordnung betrachtet werden können ; in diesem Falle
giebt nämlich die DifiTerenz der resp. mit T^ und T dividierten
Formeln (118')
118") /^(-L^^)r + ^(^i^5^) n = MW- M«).
Vergleicht man dies mit den Formeln (88) und (88"), so erhält man
118'") vaß I; - ^a^ ^ = M/) - M«) ,
wobei Vaß die Volumenänderung, ooaß den Wärmeaufwand bezeichnet,
§ 16, Sieden und Gefrieren von verdünnten Lösungen, 605
der die Umwandlung der Masseneinheit der Komponente (0) aus dem
Zustand {cc) in den Zustand {ß) begleitet.
Von dieser allgemeinen Formel sind besonders die beiden spe-
ziellen Fälle von Bedeutung, die man erhält, wenn man erst n und
dann r gleich Null wählt
Die Formel
T = - -^ [Mf - itfj«)) 119)
giebt nämlich die Steigerung der Gleichgewichtstemperatur an, welche
eintritt, wenn man bei ungeändertem Druck der Komponente (0) in
beiden Phasen verschiedene weitere Komponenten zufügt; die andere
'w = + ^{Mf- MC«)) 119')
aß
analog die Steigerung des Gleichgewichtsdruckes, wenn man die
Zufägung bei ungeänderter Temperatur vornimmt.
Vorbedingung für ihre Gültigkeit ist, daß nur die Komponente (0)
beiden Phasen gemeinsam ist
Wir wollen uns weiterhin auf den FaU beschränken, daß die
Phase [ß) dauernd von der Komponente (0) allein gebildet wird,
daß also M^f^ verschwindet. Dieser Fall tritt z. B. ein, wenn in
einer Flüssigkeit (0) Substanzen gelöst sind, die in deren dampf-
förmige oder feste mit der flüssigen koexistierende Phase nicht über-
gehen. Dann wird aus (119) und (119')
T = +-^Mi«), ;r=--^M(-), 119")
und wir können für iWJ«) den speziellen Wert (116') setzen, auf dessen
Wichtigkeit im Eingang dieses Paragraphen hingewiesen ist Be-
zeichnen wir noch die Produkte fiQCOaß und fiQVaß, d. h. die Um-
wandlungswärme und Volumenänderung eines Grammmoleküles, mit
(Oaß und Vaß, so erhalten wir schließlich^^
Diese Formeln geben die Änderungen von Siede- resp. Schmelz-
temperatur bei konstantem Druck, sowie die Änderung des Gleich-
gewichtsdruckes bei konstanter Temperatur, die eintreten, wenn man
in der Flüssigkeit fremde Substanzen löst, welche die oben hervorge-
hobenen Eigenschafben besitzen.
Da (Oaß beim Schmelzpunkt negativ, beim Siedepunkt positiv
ist, so wird die Schmelztemperatur durch Zufügung lösbarer Sub-
606 ///. TeiL WärmeleJtre. IL Kap,
stanz stets erniedrigt, die Siedetemperatur stets erhöht Vaß ist beim
Siedepunkt stets positiv, beim Schmelzpunkt bald positiv, bald negativ;
der Sättigungsdruck wird also durch den Zusatz lösbarer Substanz
im ersteren Falle stets vermindert, im letzteren bald gesteigert, bald
vermindert
Die Formeln (119'") sind in der Praxis oft deshalb schwierig
anzuwenden, weil, wie schon am Ende des vorigen Paragraphen er-
örtert, die gelösten Substanzen häufig sich dissociieren, nicht selten
aber sich auch polymerisieren. über die Art, wie dies geschieht,
kann man meistens keinen vollkommen sicheren Aufschluß erhalten,
und dann ist die Anwendung der Formel, in der Vj^/ffQ jederzeit dem
Dissociationszustand entsprechend zu bestimmen ist, schwierig. In
der That wendet man sie auch häufig umgekehrt dazu an, um über
den Dissociationszustand durch die Beobachtung der Änderungen
des Schmelz- und Siedepunktes Aufklärung zu erhalten. ^*) —
Denkt man sich die Lösung und das reine Lösun^mittel durcli
eine nur für die gelösten Substanzen undurchlässige Wand voneinander
getrennt, so tritt laut der Beobachtung ein Gleichgewichtszustand
nur ein, wenn man auf die Lösung einen größeren äußeren Druck
ausübt, als auf das Lösungsmittel. Die Wand erfahrt dabei also
von beiden Seiten verschiedene Drucke; da aber das Lösungsmittel
frei durch sie passiert, so scheint es möglich, die Gleichgewichts-
bedingung (117) auf dasselbe auch hier in Anwendung zu bringen.")
Damit die in der halbdurchlässigen Wand selbst befindlichen Teile
des Lösungsmittels bei dem diesseits und jenseits verschiedenen
Druck im Gleichgewicht verharren können, müssen sie eine einseitige
molekulare Kraft von der Wand erfahren; befinden sich die äußeren
Begrenzungen des Systemes in endlicher Entfernung von jenem
Diaphragma, so geht diese Wirkung in die Gleichgewichtsgleichung
nicht ein, da ihre virtuelle Arbeit verschwindet
Wir setzen daher, indem wir wieder {i) mit (0) identifizieren
und den ersten Wert (116') für M^ benutzen.
Für ^ erhalten wir eine angenähert richtige Form, indem wir
von der nach (31'") gebildeten Gleichung für das spezifische Vo-
lumen V ausgehen und schreiben
120') dv=^v{adT'^ßdP),
worin a den räumlichen thermischen Dilatationskoefiizienten, ß den
Kompressionsmodul bei allseitig gleichem Druck bezeichnet
§ 16, Der osmotisohe Druck. 607
Damit kombinieren wir die Formel (31"), nach welcher
120") d'co^r^dT-^Tva dP
ist, und erhalten, indem wir F^ und in dem kleinen Glied mit a
auch av 2i\& konstant annehmen,
fi^r^l{T)^vaP+k, 120'")
worin k die Integrationskonstante bezeichnet
Femer ergiebt sich, wenn wir die äußere Arbeit
d'cc^ --vPiadT'-ßdP)
zu d^m addieren,
dB=^r^dT- va{TdP + PdT) + vßPdP, 121
also bei ähnlicher Annäherung
6 = /;T-t;aTP + |r/SP« + Ä, 121')
unter A eine andere Integrationskonstante verstanden.
Daraus folgt aber flir
^ = e - T«? + Pv der Wert:
f = (r^- Ä) r- /; r/(T) + Pt;(i + I/9P) + A. j
Hierin ist bei allen in Betracht kommenden Fällen \ßP sehr
klein neben Eins, und man erhält bei seiner Vernachlässigung
schließlich
f ==P(T) + Pt;. 121'")
Setzt man diesen Wert bei beiderseitig gleichem T, aber ver-
schiedenem Pin Formel (120) ein, so resultiert, da man den kleinen
Unterschied der spezifischen Volumina rj») und r^ ignorieren kann,
f 0 i»o W^ - P!,«) = Ä T2 {^f . 1 22)
Die Druckdifferenz P^«) — PW z=: p nennt man den osmotischen
Druck in der Lösung. Man erhält aus (122), da v^fi^^Q^ und
QqVq= 1 ist, bei Fortlassung des Index (a)
p^RT^v^, 122')
so daß p als eine Summe von Gliedern p^ erscheint, die den ver-
schiedenen gelösten Substanzen ihren Ursprung verdanken. Jedes
GUed
121")
608 UL Tßil Wärmelehre, IL Kap.
nimmt wegen R ^ B^pi^ die Form an
122") Ph = KQkT'-
Darin ist B^ die Konstante des BoTLB'schen Gesetzes für die
vergaste Substanz (ä), (>^ die Dichte derselben innerhalb der Lösung.
Der osmotische Druck folgt hiemach also dem Boylb' sehen
Gesetz mit demselben numerischen Werte der Konstanten, welcher
der vergasten Substanz zugehört
Damit ist das Gesetz, welches wir auf S. 61 aus der kinetischen
Vorstellung plausibel gemacht haben, nun auch thermodynamisch,
wenngleich nicht ohne spezielle Annahmen, abgeleitet
Litteratur zum III. Teil.
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— ") Clausius, Pogg. Ann. 93, S. 494— 497, 1854; Mechan. Wärmetheorie 1,
III, § 7. — '*J Clausius, Mechan. Wärmetheorie, 1, IX, § 5. — *•) C. Neumann,
Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. 43, S. 98—103, 1891. — *0 v. Helmholtz, Zur
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