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HARVARD UNIVERSITY
UBRARY OF TBE
6RADUATE SCHOOL
OF EDUCATION
Oberschule
Öhringen
Lehr - , -pdierei
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Korrespondenz-Blatt
für die
Höheren Schulen Württemberg^
Herausgegeben
von
Dr. Th. Klett und O. Jaeger, Oberstudienrat
Rektor des K. Gymnasiums Rektor der K.WUhelms-Realschule
in Cannstatt in Stuttgart
Zwölfter Jahrgang 1905
Oberschule •-
Öliringen ^
Lehrerbücfaer^ ^ j
Stuttgart
Druck und Verlag Ton W. K ohi liammer
1905
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Inhalts- Übersicht.
A. Amtliche Bekanntmaoliimgeii.
Amtliche Bekanntmachung, betreifend. OitoHarnacks ,,Schillei'^ 65.
Amtliche Bekanntmachung, betreffend die Einführung neuer Auflagen
von Schulbüchern 100.
Amtliche Bekanntmachung, betreffend die deutsche Marine und Kolonial-
Bibliothek „Auf weiter Fahrt« 103.
Amtliche Bekanntmachung, betreffend das Schiller-Portrait von Karl
Bauer 194.
Amtliche Bekanntmachung, betreffend den deutschen Schulkongreß für
Schulgesundhcitspfiege in Stuttgart 194.
Amtliche Bekanntmachung, betreffend den Geradhalter von Otto Wil-
king 326.
Amtliche Bekanntmachung, betreffend die Erwerbung der Mitgliedschaft
der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte 326.
Amtliche Bekanntmachung, betreffend den „Deutschen Konversationsklub«
in Paris 327.
Amtliche Bekanntmachung, betreffend das im Kaiserlichen Gesundheits-
amt bearbeitete Pilzmerkblatt 382.
Amtliche Bekanntmachung, betreffend die „Deutsche Seebücherei« 427.
Amtliche Bekanntmachung, betreffend die Zeitschrift ,,Kind und Kunst« 459.
Amtliche Bekanntmachung, betreffend vier Tafeln vorgeschichtlicher
Gegenstände aus Mitteldeutschland, herausgegeben von Beun-
dorf 460.
Amtliche Bekanntmachung, betreffend die Sammlung „Wurttenibergischcr
Volksbücher« 460.
B. Prüfnngs-Aufgabeii.
I. Kealistische Dienstpriifung 1904 20.
II. ,. „ 1904 33.
Prüfung für Präzeptors- und Uea]lehrer.sstellcn 1904 201.
Evangelisches Lande x amen 1904 241.
Katholisches „ 19ü4 244.
IV Inhalts-Cbersicilt.
Evangelische Koiikursprüfung 1904 289.
Katholische „ 1904 291.
I. Humanistische Dienstprflfuug 1904 294.
II. „ „ 1904 296.
G. Pädagoglsclies und Dldaktisclies.
T hier er, Zur deutschen Sprachlehre 8.
y/'Elben, Über die Frage der Hausaufgaben 41. 81.
^ Scholl, Beiträge zum Unterricht in der deutschen Sprache 210.
Ackerknecht, Zur Verdeutschung und Erklärung der Fachausdrucke
in der Sprachlehre 247.
Rayhrer, Der erste Ferienkurs in London 257.
Klett, Zur Verdeutschung der grammatischen Kunstausdrücke 296.
^^ Mayer. M., Die Hausaufgaben .^n der Realschule 804.
-^ Mayer, 0., Korreferat über die Hausaufgaben 361.
Schiele, Die neueste Reform in der französischen Rechtschreibung 410.
Jäger. Praktisches Sprachstudium im Ausland 456.
D. PMlologisclies und Historisolies.
Weiler, Imagines Tubingenses 68. 98.
Nestle, E., Zu der Mitteilung über Kaiser Trajan und Papst Gregor 64.
Nestle, E., Zu Markus 9, 43—47 97.
Nestle, E., Sina und Tabor 223.
Schiele, Die neueste Reform in der französis^chen Rechtschreibung 410.
E. Mathematisolies nnd NaturwissenscliaftliolLes.
Hammer, Prüfungsaufgaben in Trigonometrie und mathematischer
Geographie? 50.
Keppler, Ein oftmals wiederholter Trugschluß II 37G.
Fischer, Das Mondrätsel 379.
Haag, Kleinigkeiten? 469.
F. Vereinswesen.
Rayhrer, Jahresbericht des Württembergischen Vereins für neuere
Sprachen im Jahre 1903/4 90.
Cramer, Die XV. Landesversammlung des Württeuibergisclien Gym-
nasiallehrervereins 281.
Meltzer, Rückblick auf die Versammlung deutscher Pliilologen und
Schulmänner in Hamburg 410. 443.
Bericht über die Jahresversammlung des Vereins realistischer Lehrer
Württcuibcrg.s 449.
luhalts-übersiclit. V
&. Statistisches.
Gramer, Kauditlateuliste auf 1. Januar 1906 2.
Statistische Nachrichten über den Stand der humanistischen Schulen
in Württemberg anf 1. Januar 1905 121.
Statistische Nachrichten Über den Stand der realistischen Schulen iu
Württemberg auf 1. Januar 1905 135.
Statistische Nachrichten über den Stand der Elementarschulen in Würt-
temberg auf 1. Januar 19Ö5 148.
Statistische Nachrichten über den Stand des höheren Mädchenschul-
wesens in Württemberg auf 1. Januar 1905 150.
Znsammen Stellung der mit den Zeugnissen der öffentlichen hölieren
Schulen verbundenen Berechtigungen 153.
Übersicht Über die der K. Ministerialabteilung für die höheren Schulen
untergeordneten Lehranstalten, nebst Angabe der dabei ange-
stellten Lehrer und Beamten nach dem Stande vom 1. April 1905 163.
Ordnung der technischen Inspektionen der ein- und zweiklassjgen Latcin-
und Realschulen Württembergs für Georgii 1904/7 189.
Alphabetisches Namenverzeichnis der technischen Inspektoren der ein-
und zweiklassigen Latein- und Realschulen Württembergs für
Georgii 1904/7 191.
Ortsregister der höheren Lehranstalten 193.
H. VersoMedenes.
Nachruf für Direktor Dr. Adolf von Rapp 1.
Kayhrer, Der erste Ferienkurs in London 257.
Hirzel, Archäologischer Kursus in Italien 325.
Mitteilung an unsere Leser 441.
I. Literarischer Berioht.
Ad ick es, Charakter und Welt-
anschauung 462.
Agahd, Homerbuch und Ergän-
zung des Elementarbuchs 467.
Ahrens, Scherz und Ernst in
der Mathematik 355.
AUendorf, Ästhetischer Kom-
mentar zur Odyssee 341 und
B88.
Auerbach s. Walleustcin.
Bald am US, Webers Lehr- und
Handbuch der Geschichte 384.
Bardt, Zur Technik des Über-
«ctzcii.s latcinix'her Prosa 'SM.
Baur, Lehr- und Übungsbuch der
allgemeinen Arithmetik und
Algebra 114.
Baur, Rechenbuch 393.
Berlepschy Der gesamte Vogel-
schutz 479.
Bernhard, Darstellende Geome-
trie 390.
B i d I i n g m a i e r , Zu den Wundem
des Südpols 478.
B I a y d e 8 , Spicilegium Sophocleum
195.
B ii c k e 1 e r , Stereometrischc Auf-
gaben 2:34.
VI
lulinlts-Libersiclit.
Bull da, Die PHanz': in der deko-
rativen Kunst 285.
B r n u d 1 und Keller, Jahrbuch
der deutschen Shakespeare-Ge-
•sellscliaft 72.
B r u n n e r s. Hemniehnjf>nir.
Busch, Keine Htorciiengeschichtcn
mehr 77.
C a 11 w e y , Preller-Mappen des
Kunstwarts 357.
Conrad, Revision der Sehlegel-
schen Shakespeare-Übersetzung
478.
(' u r t i u s , Griechische Schulgrani-
uiatik 107.
D a m m h 0 1 z , Englisches Lehr- und
Lesebuch, B, 2. Teil, B. I 475.
Deutsche Klassiker in Schulaus-
gaben 344.
Deutsche Literatur 345.
D i c k m a n n , Aus d. französischen u.
englischen Schulbibliothek 269.
Dorenwell s. Lehmann.
Drenkhahn, Cicero» Rede für
Sextius 332.
F c h 1 e i 8 e n , Sammlung der wich-
tigsten Bestimmungen tÜr die
Gelehrten- u. Realschulen Würt-
tembergs 358.
F ü g n e r , Cäsarsätze zur Einübung
der lateinischen Svntax 383.
Gansberg, Streifzüge durch die
Welt der Großstadtkinder 227.
(xastpar, (iutachten über die
Schularztfrage in Stuttgart 236.
Gebhardt, der Sextaner 227.
G i 1 1 e , Philosophisches Lesebuch
in systematisclier Anorduug 67.
Ci o ni m e 1 und S c li i c k , Lesebuch
für die zweite Klasse der Ele-
mentarschulen 385.
Goethes Werke, herausgegeben von
Heinemann 70.
(jroli, Aurea dii-ta 47L
G r u I' 8 k y , Griechisches Übungs-
buch 334,
Gruppe Württemberg der Gesell-
schaft für deutsche Erziehungs-
und Schulgeschichte 460.
H a c h t m an n , Die kunstgeachicht-
lidie Verwertung von Ciceros
IV. Verrina 226.
Uartel s. Curtius
H einem an u s. Goethe.
H e i n i c h e n , Lateiniscli-deulsches
Schulwörterbuch 68.
H e i u t z e , Die deutschen Familien-
namen 274.
H e I m o 1 1 , Weltgeschichte 110.
H e m m e 1 m a y e r und B r u n n e r,
Lehrbuch der Chemie und Mine-
ralogie 354.
H o r n e m a n n , Griechische Schul-
grnmmatik 467.
Hubatsch, Homers Odyssee und
Ilias im Auszug 194.
Jacob y und Sauer, Quellen-
schriften zur Hamburgischen
Dramaturgie 283.
.lag er, Homer und Horaz im
Gvmnasial unter rieht 337.
Jäger s. a. Müller.
Juraschek, Die Staaten Euro-
pas 477.
Kägi, Griechische Schulgramma-
tik 228.
K a 1 u z a und T h u r a u , E. Kosch-
witz, ein Lebensbild 356.
Karst, Die antike Idee der Öku-
mene 103.
Kehrbach, Monumenta Germa-
niae Paedagogica 224, 328.
Keller s. Brandi.
Klaiber, Die Schwaben in der
Literatur der Gegenwart 386.
Kleiber, Lehrbuch der Physik
388.
K ü c h s. Vogt.
Inhaltö-Überdicht
VII
Körner, Lehrbuch der Physik 387.
Kotelmann, Handbuch der Er-
ziehungs- ii. Unterrichtslehrc 38.
Kräpelin, Naturstudien 276.
Kretschiner, Historische Geo-
graphie von MitteIeurot)a 476.
Kühnem ann, Schiller 348.
Lachmaun s. Lessing.
Lamparter, ChristlichesGl aubens-
leben 428.
Lang, Untersuchungen zur Geo-
graphie der Odyssee 428.
Lehmann u. Dorenwell, Deut-
sches Sprach- und Übungsbuch
1. Heft 472.
Lessings Werke, herausgegeben von
Lachmann 343.
L ö r c h e r , Erläuterungen z um
dritten Band des deutschen
Lesebuchs für die höheren Schu-
len Württembergs 472.
Ludwig, Die Milbenplage der
Wohnungen 77.
Ludwig, Präparationen zu den
Oden des Q.Horatius Flaccus 225,
— , — zu den Satirendes Horaz268.
— , die Satiren des Horaz über-
setzt 268.
Meyer, Großes Konversations-
lexikon 117, 394.
Meyer, Die Naturkräfte 115.
Meyer, Das deutsche Volkstum
272.
Müllenhoff s. Vogel.
Müller und Jäger, Lateinische
und griechische Schulausgaben
227.
Niese, Geschichte der griechischen
und makedonischen Staaten seit
der Schlacht bei Ohaeronea 106.
Otto, Odyssee in der Sprache der
Zehnjährigen erzählt 342.
Paulsen, Die höheren Schulen
Dentschlands 65.
Pf äff, Liederbuch 195.
P 0 i n c a r c , Wissenschaft und Hy-
pothese 465.
R a i c h , Fichtes Ethik und Stellung
zum Problem des Individualis-
mus 461.
Ui e n h ar d t. Die Vorschriften über
die Ausbildung für das reali-
stische Lehramt in Württemberg
488.
Ritter, Piatons Dialoge I 37.
Rö seier s. Vogel.
Rug*e, Kleine Geographie 113.
Samberger, Schillerbildnis 277.
Sauer s. Jacob v.
S c h c r m a n u , der erste punische
Krieg im Lichte der livianischen
Tradition 383,
Schick 8. Gommel.
Schlegel s. Conrad.
Schmarsow, Unser Verhältnis zu
den bildenden Künsten 108.
S c h m i d , Lehrbuch der Mineralo-
gie und Geologie 477.
Schmidt, Schülerkommentar zu
Cäsars gallischem Krieg 833.
Schmidt, Lehrbuch der lateini-
schen Sprache 829.
Scholl, Der französische Glaube
427.
Schulze s. Woltze.
Schumann, Lehrbuch der ebenen
Geometrie 78.
Shakespeare s. Conrad.
Sie bort, Kirchengeschichte 109
Stegmann, Hilfsbuch für den
lateinischen Unterricht der obe-
ren Klassen 333.
Thurau s. Kaluza.
Vendryes, Trait6 d'accentuation
grecque 231.
Vogel, Müllenhoff u. Röseler,
Leitfaden für den Unterricht in
der Botanik 236.
VIII
Inhalts- (MiersiHit.
Yogt und Roch, Geschichte der
dentsohen Literatur B. II 69.
V o ß , Homers Odyssee mit Einlei-
tung von Weineok 340.
Wächter, Das Wichtigste der
organischen Chemie 862.
Wallen stein und Auerbach,
Übungen für die dentscheSprach-
stunde 479.
W e i d n e r , Tacitus' Annalen und
Historien 105.
W ei neck s. Voß.
Weise, Schrift- und Buchwesen
in alter und neuer Zeit 273.
Weise, Praktische Anleitung zum
Anfertigen deutscher Aufsätze
844.
Wendung, Urmarkus 485.
Woltze und Schulze, Die Saal-
burg 73.
Z c h m e , Die Kulturverhältnisse des
deutschen Mittelalters 282.
Zittel, Geschichte der Geologie
und Paläontologie 854.
Direktor Dr. Adolf v. Rapp f-
Am Morgen des 15. Januar ist erschütternd schnell der
Leiter unseres höheren Schulwesens, Direktor Dr. Adolf v. Rapp,
aus diesem Leben abberufen worden. Eine stille Gelehrten-
natur, hat er sich im Dienst der humanistischen Schule Würt-
tembergs als Lehrer wie als Mann der Wissenschaft gleicher-
massen ausgezeichnet. Als er dann Mitglied und seit 1898
Leiter der Ministerialabteilung für die Höheren Schulen
Württembergs geworden war, hat er sich in die ihm von
Haus aus fernerliegenden Aufgaben, die in diesen Stellungen
an ihn herantraten, mit der ganzen Gewissenhaftigkeit seines
Wesens eingearbeitet; und mit den Fortschritten, die das
letzte Jahrzehnt dem höheren Schulwesen Württembergs ge-
bracht hat, bleibt sein Name aufs engste verknüpft. Es wurde
ihm nicht leicht, seiner konservativen, allem Neuen gegenüber
zunächst eher ablehnenden Natur die Zustimmung zu irgend-
welchen tiefer eingreifenden Änderungen abzugewinnen;
um so wärmeren Dank verdient er dafür, dass das Neue, wo
es seinem prüfenden Urteil sich wirklich als das Bessere er-
wies, an ihm einen warmen Freund und entschiedenen För-
derer fand. Dabei war seine ganze Amtsführung von dem
Geist herzlichen Wohlwollens getragen, das sich im Verkehr
von Mensch zu Mensch hinter der Zurückhaltung einer vor-
nehm bescheidenen Persönlichkeit mehr oder weniger ver-
bergen mochte, aber in verständnisvoller Fürsorge für das
Wolil der ihm unterstellten Beamten und Lehrer um so schöner
zutage trat. Von der Verehrung, die der edle Charakter des
Entschlafenen und die Reinheit seiner Gesinnung, der hohe
Ernst seiner Auffassung von den Pflichten seines Berufs und
die wohltuende Milde seines abgeklärten Urteils, seine tief-
gründige Gelehrsamkeit und die Weite seines Gesichtskreises
jedem einllössten, der ihm näher trat, gaben die an seinem
Sarg gesprochenen Worte beredtes Zeugnis. Sein Andenken
wird in der Dankbarkeit derer, die mit ihm und unter ihm
arbeiten durften, fortleben.
Korr«8pondanablatt 10O5, Heft 1.
Kandidatenliste 0 auf 1. Januar 1905.
Bearbeitet von Prof. Cr am er in Heilbronn.
(Spalte I gibt die fortlaufende Nummer nach dem Lebensalter, II Name,
III Geburtstag, IV Prüfungsjahr [a Frühjahr, b Herbst], V Bemerkungen,
VI Nummer nach dem Prüfungsalter.)
I. Hnmanistisclie Kandidaten mit
A. ProfessoratsprQfung (IS)^
(Nach der Prüfungsordnung vom 28. Novembi'r 18ö5.)
1. Spiro, Dr. Ludwig 30. Jan. 65 89b 1
2. Holder, Karl 7. März 67 95 5—7
3. Bracher I, Paul 2. April 67 98 11— U
4. Kiderlen, Paul 13. Nov. 67 93 2—4
5. Kretschmer, Dr. Hermann 19. April 68 93 2—4
6. Wagner, Max 14. Nov. 69 95 5—7
7. Rupp, Dr. Gottlieb 27. März 70 93 2—4
8. V. Fischer I, Philipp 15. Sept. 71 97 9—10
9. Diehl, Dr. Adolf 6. März 72 97 9—10
10. Gössler, Dr. Peter 17. Mai 72 95 5—7
11. Lutz, Friedrich 12. Nov. 73 9ü 8
12. Schermann, Dr. Max 15. Nov. 73 98 11—14
13. Kolb, Wilhehn 19. Jan. 74 98 11—14
14. Weber, Adolf 10. März 74 99 15-18
15. Leuze I, Dr. Oskar 30. Mai 74 98 11—14
16. Hcsler, Dr. Rieh. 30. Aug. 74 99 15—18
17. Ziemssen, Dr. Ludwig 17. Febr. 76 99 15—18
18. Kleinknecht, Ludwig 27. Febr. 76 99 15—18
B. DienatprOfung (23+7).
(Nach der Prüfungsordnung vom 21. Miirz 1898.)
1. Weinmann, Thomas 6. Mära 72 Ol*) Ol-) 3—7
2. Geiser, Joseph 13. Febr. 76 03 04 15-23
3. Burkhardt, Georg 14. Febr. 76 03 04 theol. ex. 98 15—23
*) Die zahlreichen Anfragen betr. Dienstalters- und Kandidatenliste
veranlassen mich zu der Bitte, es mOge jeder Anfrage auch eine Ant-
wortmarke beigelegt werden.
*) Jahr der Erstehung der ersten und zweiten Dienstprlifung; durch
die zweite wird erst die Anstellungsfähigkeit erlangt.
Kandidatenliste auf 1. Jannar 190ft.
4. Mayr, Eugen
4. März 76
02
04
15-23
5. Bausenhardt, Karl
27. Okt. 76
Ol
04
15-23
6. Bracher IL, Thcod.
6. Dez. 76
03
04
15-23
7. Kopp, Joseph
18. Dez. 76
m
04
15—23
8. Krauss, Nath.
25. Jan. 77
00
Ol
3—7
9. Hoffmann, Theod.
12. Febr. 77
00
Ol
8—7
10. Schall, Franz
26. März 77
00
Ol
3-7
11. Hacker, Dr. WUh.
9. Mai 77
00
02
8—10
12. Binder I., Herrn.
14. Okt. 77
99
00
1—2
13. Zoller, Max
8. Nov. 77
00
Ol
3-7
14. Klaiber, Hans
29. Nov. 77
00
00
1—2
15. Weller, Dr. Herrn.
4. Febr. 78
04
04
15-28
16. Ostertag, Otto
17. Juni 78
Ol
02
8—10
17. Öhler, Friedr.
6. Okt. 78
Ol
02
8-10
la Leuze ü, Dr. Oskar
15. Jan. 79
02
03
11—14
19. Knapp, Walter
24. Febr. 79
03
03
11—14
20. Stuppel, Erwin
21. Juni 79
02
03
11—14
21. Gehring, Friedrich
31. Juli 79
02
03
11-14
22. Wolf, Adolf
21. Dez. 79
03
04
15-23
23. Ludwig, Karl
20. Sept. 81
03
04
15-23
24. Nägele, Dr. Ant.
15. Jan. 76
04
—
Priester
—
25. Angstenberger,Dr.Fi
'. 19. Febr. 76
04
—
n
—
26. Kapff, Dr. Rud.
15. Okt. 76
04
—
theo!, ex.
99 -
27. Krämer, Ludw.
18. März 80
04
28. Rapp, Adolf
26. Nov. 80
04
—
29. Fischer IL, Eug.
25. März 81
04
—
30. Binder IL, Paul
28. Okt. 81
04
—
II. Bealistlsolie Kandidaten mit
A. ProfessorataprOfung (3).
(Nach der Prüfungsordnung vom 20. Juli 1864.)
a) Sprachlich-geschichtlicher Richtung (2).
1. Fromm, Ernst 18. März 71 98 1
2. Löflfler, Kari 7. Jan. 75 99 2
b) Mathematisch-naturwissenschaftlicher Richtung (1).
1. Stübler, Dr. Eugen 3. Juli 73 00 1
B. ReallehrerprOfung (2).
(Nach der Prüfungsordnung vom 20. Juli 1864.)
1. Scheuffele, Richard 17. Dez. 68 93 1
2. Horsch, Gottlob 30. Mai 78 99 2
Kaadidateiilute aof 1. Januar 1905.
C. DieatiprifBH (35 + 42).
(Xach der FrüfunKsordminfr vom 12. .Si-ptemhvr 1K*>.)
a) .Sprachlii^h-ge.schichtlicher Hichtau;^ (17 + 1^).
S— 17
2—3
S— 17
8—17
1
-4 — 7
8—17
S— 17
4-7
8—17
8—17
8—17
4—7
4 — 7
8—17
8-17
theol. ex. 93 —
L KdoU, Alfred
2. Juni
71
03«)
04
•
2. .Stricker, En^en
2. Jan.
73
00
02
3, EhiD^er, Anton
6. Okt.
75
03
04
4« Allmann, Aog.
6. April
76
02
04
5. Zeller, GusUv
22. Jan.
77
00
Ol
6. Schmid If, Max
5. März
77
Ol
03
7. Fflciderer I, Wolfjr.
26. Sept.
77
03
04
8. Ehcrfaardt, Dr. Ad.
10. Dez.
77
03
04
9. PfleidererII,Dr.Wi!
[i.ll. Juni
78
02
03
10. Scbttchmann, Hu^o
31. JnU
78
Ol
02
11. Mohr, Wilh.
6. Mfirz
79
03
04
12. Pfiüterer, Ernst
6. Mai
79
02
04
13. Harschar, Adolf
15. Mai
79
03
04
14. Kall I, Emil
10. Juni
79
02
03
15. Votteler, Otto
16. Aujr.
79
02
03
16. WOrthner, Alb.
26. Mai
80
03
04
17. Wanner, Rieh.
16. Dez.
81
03
04
18. Dürr, Wilh.
25. Nov.
70
04
19. Schmidt I, Guido
4. Febr.
76
03
20. Weiß, Anton
18. Juni
76
04
—
21. Zwick, Karl
4. Aug.
76
04
22. Dietzel, Franz
21. Aug.
77
04
23. Iloll, Jul.
30. April
78
04
—
24. Hoch, Dr. Walter
25. .Mai
78
04
25. Kämmerer, Bemh.
24. März
79
04
26. EnUlen, Wilh.
5. Febr.
80
04
27. Maurer, Otto
12. März
80
04
28. Wendel, Hugo
20. April
80
(M
—
29. Kroiimer, Dr. Wilh.
17. Juni
80
04
iüK Bosch, Ludw.
7. Juli
80
04
31. BojuH, Gottfr.
20. 8ei»t.
80
in
32. 8ch unter, Max
27. Okt.
80
03
33. Widmann, Gast.
29. Okt.
80
04
—
34. HOsch, Max
14. Dez.
80
04
—
35. HaulT, Han»
3. Sept.
81
04
36. Hohbach, Nath.
4. Dez.
81
04
b) Mathematisch-naturwissenschaftlicher Richtung (18 + 23).
1. Wolbach, Rieh. 20. Aug. 66 03 04 10—18
2. Seibold, Dr. Wilh. 1. Okt 75 03 (»4 10-18
*) S. die Anmerkung zu I B.
Kandidatculistc auf 1. Januar 1905.
3. KöstliD, Eberh.
11. Sept 77
Ol
03
2-9
4. Geiger, Dr. Paul
18. Nov. 77
Ol
02
1
5. Wagner, Paul
31. Mai 78
02
03
2-9
6. Färber, Dr. Alfr.
7. Okt. 78
03
04
10 18
7. Langbein, Heinr.
16. Okt. 78
02
04
10—18
8. Schick, Dr. Theod.
1. März 79
02
03
2-9
9. Fener, Dr. Kichard
22. März 79
02
03
2-9
10. Banzhaf, Herrn.
14. Juni 79
02
03
2-9
11. Keinath, Otto
22. Nov. 79
02
03
2-9
12. Dehler, Hans
23. Nov. 79
Ü3
04
10 18
13. Gleroser, Julius
4. März 80
02
04
10-18
14. Kaiser, Aug.
20. März 80
03
04
10—18
15. Endriss, Dr. Wilh.
6. Mai 80
02
03
2 9
16. Beutel, Eug.
15. Aug. 80
03
04
10 18
17. Dietterle, Fritz
15. Sept 80
02
03
2—9
18. Käser, Friedr.
13. Febr. 81
03
04
10-18
19. Reinöhl, Dr. Friedr.
15. Dez. 70
03
—
—
20. Bernecker, Adolf
13. Mai 75
04
—
21. Erlewein, Joseph
29. Mai 75
04
—
22. Wolf, Dr. Eugen
17. Mai 76
04
—
—
23. Klenk, Alb.
8. Sept. 76
04
—
24. Hofacker, Emil
2. Dez. 76
04
—
—
25. Maier, Dr. Hermann
14. Mai 77
02
—
—
26. Weinmar, Hans
26. Nov. 77
03
—
27. Lang, Dr. Paul
28. Juni 78
04
28. Marstaller, Theod.
28. Mai 79
04
—
29. Tränkle, Kich.
23. Juni 79
04
—
—
30. Gros, Walter
16. Nov. 79
04
31. Köbele, Walter
8. Jan. 80
Ol
—
32. Nick, Dr. Oskar
11. Febr. 80
04
33. Kall II, Kuno
12. Febr. 80
03
34. Sturz, Christian
16. Juli 80
03
—
—
35. Hermann, Heinr.
12. Okt. 80
03
36. Köpf, Emil
22. Okt. 80
04
37. Schwenk, Erich
11. Juni 81
04
38. Schmid III, Oskar
29. Juni 81
04
—
—
39. Canter, Ernst
11. Okt. 81
04
40. Oberdörfer, Dr. Rieh.
7. März 82
04
—
41. Reiff, Wilh.
11. Sept. 82
04
AUgemeine Bemerkungen.
1. Die Zahl der vollständig (d. h. mit Lehrprobe) ge-
prüften Kandidaten beträgt am 1. Januar 1905;
6 Kandidateuliste auf 1. Januar 1905.
für I A 18
B 28 (+ 7)
für IIA 8
B 2
C 35 (4-42)
zusammen 81 (+ 49).
2. Der durchschnittliche^) jährliche Zugang beträgt:
I. auf humanistischer Seite 6,8, IL auf realistischer Seite 15,7.
3. Der durchschnittliche Abgang (durch erstmalige An-
stellung auf Lebenszeit) beträgt: I. auf humanistischer Seite 8,3, II. auf
realistischer Seite 15,5.
4. Als durchschnittliches Anstellungsalter ergibt sich
I. auf humanistischer Seite 34,88 Jahre, II. auf realistischer Seite
30,41 Jahre.
5. Alter der definitiv angestellten Lehrer:
I. Humanisten
im Alter von 20-29 30-39 40-49 50—59 60—69 70—79 Jahr. zus.
1. an ob. Klass. 0 8 53 33 10 0 104
2. „ mittl. „ 0 33 76 31 8 1 149_
Zus. .. 0 41 129 64 18 1 253')
II. Realisten
1. an ob. Klass. 1 26 58 27 10 0 122
2. „ mittl. „ 40 48 70 49 15 0 222
Zus. . . 41 74 128 76 25 0 844')
6. Durchschnittlicher jährlicher Abgang.von definitiv
angestellten Lehrern (durch Pensionierung oder Tod): I. auf
humanistischer Seite 6,5, II. auf realistischer Seite 7,5.
7. Das durchschnittliche Lebens- und Dienstalter beim
Ausscheiden aus dem Dienst. Es mögen dabei die vergleichenden
Zahlen von anderen Berufsarten wiederholt werden (aus SWD. 1901
S. 89). Beim Ausscheiden aus dem Dienst (durch Pensionierung oder
Tod) betrug
für in d. Zeit von d. Lebensalter d. Dienstalter x?l®o^®*
T *n 70
Evang. Geistliche 1890—1899 64 Jahr 9 Mon. 31 Jahr 7 Mon. 45,63
Finanzbeamte „ 61 ,, 1 „ 34 ,, 2 „ 45,16
Land- u. Amtsrichter „ 59 „ 4 „ 28 „ 6 „ 44,19
*) Die sämtlichen Durchschnitte beziehen sich auf die letzten 10 Jahre.
') Dazu kommen 8 an Unterklassen angestellte ak. geb. Lehrer,
21 kath. und 1 evang. Geistlicher, also Gesamtsumme der Humanisten 288.
(Erledigt 2 Prof., 3 op und 8 Stellen für kath. Geistliche.)
') Dazu 1 an Unterklassen angestellter ak. geb. Lehrer, also Gesamt-
summe der Realisten 345. (Erledigt 1 Rekt,, t Prof., 5 or Stellen.)
«
» ff
Kandidatenliste auf 1. Januar 1905. 7
für in d. Zeit von d. Lebensalter d. Dienstalter *l|i^o/*
Oberförster 1890—1899 58Jahr9Mon. 29Jahr5Mon. 50,00
Verwaltungsbeamte „ 57 „ 2 ,, 28 „ 2 „ 43,48
Ak. geb. Lehrer 1830— 1899 56 „ 10 ^ 27 „ 3 ^ 50,09
„ „ „ 1830—1869 54 „ 10 „ 26 „ 5 . 57,01
1870—1899 58 „ 1 „ 28 „ 0 „ 45,93
1830—1839 56 „ 9 „ 27 „ 8 „ 75,00
1840—1849 48 „ 1 „ 21 „ V, « 68,89
1850—1859 55 „ 6 „ 27 „ 7 „ 49,21
1860-1869 57 ^ 8 „ 28 ^ 3 „ 50,67
1870—1879 59 „ 6 ,, 29 „ 3 „ 42,86
1880—1889 58 „ 7 „ 28 ^ Vs n 44,17
1890—1899 56 „ 2 „ 26 „ 0 ^ 51,85
1891—1900 55 „ 4 „ 25 „ 3 „ 50,44
1892-1901 55 „ 11 „ 25 „ 10 „ 53,85
1893—1902 56 „ 2 ^ 26 „ 0 ^ 54,55
1894-1903 66 ., 7 „ 26 . 5 „ 51,16
^ „ „ 1895-1904 56 „ 4 „ 26 „ 5 „ 49,29
8. Durchschnittliche Erreichung des höchsten Ruhe-
go h a 1 1 s. Der Höchstbetrag des Ruhegehalts wird erreicht mit Antritt
des 40. Dienstjahres. Es haben erreicht (in %) 40 und mehr Dienstjahre:
. , r/ .. unter d. Ausgeschictl. unter den Pen-
in der Zeit von r.u^^u^..^^ .,: :^-*^«
n
ff
Ji
1 UUI £j\jlt VUll
überhaupt
sioniertcn
£vang. Geistliche
1890 -1899
19,77
28,67
Finanzbeamte
n
29,03
50,00
Land-
u. Amtsrichter „
27,91
41,67
Oberförster
ff
13,89
27,78
Verwaltungsbeamte
ff
28,26
46,15
Ak.g
eb. L
ehrer
1830 1899
15,89
26,45
n
n
•»
1830 1869
17,87
30,34
r»
n
17
1870—1899
14,7
25,13
r»
T«
n
1830 1839
25,00
50,00
r»
»•
ff
1840—1849
6,67
21,43
ff
n
»
1850 1859
19,05
31,25
n
f*
7»
1860 1869
21,33
29,73
n
V
I»
1870-1879
15,13
23,53
n
n
»
1880 1889
20,83
35,82
V*
»5
»
1890—1899
7,41
13,46
r^
rs
VI
1891 1900
7,22
14,03
ff
»
»*
1892 1901
7,69
14,81
n
rs
V
1893—1902
8,26
16,36
r»
n
1894 1903
8,53
15,87
»
ff
v
1895—1904
10,00
16,9
g Thierer,
Die hier angegebenen Prozentzahlen werden tatsächlich etwas höher
sein (jedenfalls nicht bedeutend), da bei den einzelnen Lehrern teilweise
auch noch die anständige Dienstzeit mitgerechnet wird, die sich unserer
Kenntnis entzieht. In der Hauptsache wird es dabei bleiben, daß von
den im Dienst befindlichen Lehrern rund 10% Aussicht haben, den Höchst-
betrag des Ruhegehalts zu erreichen. Auffallend mag erscheinen, daß
hier wie auch beim Lebens- und Dienstalter die Zahlen in den letzten
Jahren gestiegen shid, und man wird sich hüten müssen, daraus falsche
Schlüsse zu ziehen.
Zur deutschen Sprachlehre.
Herr Oberstadienrat Hau b er verdient großen Dank für die
Anregung, die er mit seinem Aufsatz in . Nr. 11 des letzten
Jahrgangs dieser Blätter gegeben hat. Der Aufforderung, die er an
nns Schalmänner richtet, ihm behilflich zu sein in seinem Streben
nach Schaffung einheitlicher deutscher Bezeichnungen für die Sprach-
lehre, folge ich gerne. Denn seit einer Reihe von Jahren bin
ich durch meine berufliche Tätigkeit zu der Überzeugung ge-
langt, daß eine andere Behandlung des deutschen Sprachunterrichts
ganz notwendig ist. Wohl besteht seit längerer Zeit die Forderung,
daß das Deutsche im Mittelpunkte des Unterrichts stehen soll, aber
daß gerade hier noch sehr viel zu tun ist, weiß jeder Einsichtige.
Wie oft bin ich selbst schon von Fachgeoossen gefragt worden,
„ja, was soll man denn treiben im deutschen Unterricht? Deutsche
Grammatik ist doch etwas Schreckliches, die Schüler haben doch
schon vorher Grammatik genug. ^^ Ja, das ist wahr, sie haben vor-
her Grammatik genug! Und genug an ihr haben sie auch! Ein
Wunder ist es ja nicht ; denn für die meisten ist es ein Strafgesetz-
buch mit so und so viel Paragraphen, deren Übertretung unter Um-
ständen schwer bestraft wird. Und jetzt soll gleichsam auch zu
den fremdsprachlichen noch ein deutsches ,, Strafgesetzbuch" hinzu-
kommen ! Und dazu noch deutsche Bezeichnungen, deutsche Kunst-
ausdrücke! Wozu denn das noch? man ist doch mit unseren bis-
herigen lateinischen Termini auch ausgekommen! Solche Einwürfe
bekommt man zu hören von Fachgenossen und Nichtfachgenossen.
Und ich muß sagen, sie sind nicht ganz unberechtigt, wenn man nichts
weiter bezwecken wollte, als statt der lateinischen Termini deutsche
„Kunstausdrücke" in der Grammatik einzuführen. Aber ich meine,
das Bestreben sollte darauf hinausgehen, den Unterricht in der
Zur deutschen Sprachlehre. 9
deutschen Sprache anf ganz andere Grundlagen zu stellen und im
deutschen Unterricht deutsche Sprachlehre zu treiben und nicht
Grammatik in herkömmlichem Sinn. Denn diese Grammatik ist
oft wirklich nichts anderes als „Buchstabenkram^'; was ja eigent-
lich die genaue Übersetzung ergibt. Und dieser Buchstabenkram
ist daran schuldig, daß so vielen ihre Schulzeit zur Qual wird, und
daß der Erkenntnistrieb; der doch so stark ist in unsern Kindern,
ehe sie zur Schule kommen, so rasch erlischt, sobald sie eine Zeit-
lang in der Schule sind, daß das Lernen ihnen auf einmal ein
bitteres „Muß^^ wird und ihnen zur ^^sittlichen Pflicht^ gemacht
werden muß! Das gilt von allen Schulen, auch von der Volks-
schule. Das muß uns doch zu denken geben und den Gedanken nahe
legen, ob nicht mit der Tradition, der von der mittelalterlichen
Scholastik noch so manches anhaftet, ganz zu brechen ist.
Da ist nun der beste Punkt, wo wir einsetzen können, unsere
Muttersprache. Wenn wir den Unterricht in ihr auf andere Grund-
lagen stellen, so wird das auch auf den anderen Sprachunterricht
seinen segensvollen Einfluß haben; besonders viel erhoffe ich da-
von für den Unterricht in den alten Sprachen. Ich bin überzeugt,
daß dann, wenn wir auch im altsprachlichen Unterricht mit der
vielhundertjährigen Tradition brechen, aber auch nur dann der
so viel angefochtene Unterricht in diesen Sprachen wieder zu Ehren
kommen wird und, was die Hauptsache ist, unsere Schüler wieder
mehr Lust und Liebe zu ihm bekommen werden. Dann werden
auch die Angriffe auf die humanistische Bildung von selbst auf-
hören. Denn sie gehen doch — abgesehen von denen, die die alten
Sprachen gar nicht kennen und folgerichtig sich auch kein Urteil
erlauben sollten — leider auch zu einem großen Teil von denen
aus, denen der Unterricht in den alten Sprachen zur Qual gewor-
den ist. Ich habe vorhin angedeutet, mau solle deutsche Sprach-
lehre nicht im Sinne des herkömmlichen Grammatikunterrichts geben,
und das würden wir tun, wenn wir nichts weiter bezweckten, als
statt der lateinischen Termini deutsche KunstausdrUcke zu schaffen.
Es ist gewiß richtig, daß „wenn jeder in die höheren Schulen eintre-
tende Schüler die grammatischen Begriffe in deutscher Sprache sich
angeeignet hat, dies für den gesamten ferneren Sprachunterricht
die erwünschte Wirkung haben muß, daß dieser von Anfang an
und grundsätzlich unter den Gesichtspunkt der Muttersprache ge-
stellt wird". Aber dies kann meines Erachtens nur erreicht wer-
den, wenn der Schüler wirklich „Begriffe" bekommt, wenn er eine
10 Thiercr,
genaue Einsicht in die einzelne sprachliche Erscheinung erhält.
Dies geschieht aber nicht durch einfache, wenn auch noch so durch-
dachte Übersetzung der lateinischen Termini, sondern nur da-
durch, daß man den Schüler in der sprachlichen Werkstätte selbst
arbeiten läßt und ihn so anleitet, daß er den sprachlichen Er-
scheinungen selbst einen Namen geben kann. Dadurch entsteht
Lust und Liebe zur Sache, und der deutsche Sprachunterricht wird
eine Quelle der Freude fUr den Schüler und jede Stunde ist ihm
ein Genuß! Was ich da sage, sind nicht leere Worte; es ist auf
praktische Erfahrung gegründet. Wie ich das meine, will
ich im folgenden ausführen.
Ich gebe nicht nur deutsche Ausdrücke, sondern gleichsam
Richtlinien, wie solche Ausdrücke vom Schüler gefunden werden
können. Dabei verhehle ich nicht, daß man auch bei dieser Art
des Unterrichts dann und wann einzelnes noch ^.überliefern" muß.
Was ich vorbringe, beruht einesteils auf Erfahrungen, die ich als
Lehrer gemacht habe, zum andern auf Anregungen, die ich schon
als Student in den Vorlesungen von Friedrich Paulsen in Berlin
und Rudolf Hildebrand in Leipzig erhalten habe; besonders viel
lehrreiche Anregungen aber habe ich in den letzten Jahren erhalten
auch durch einen früheren Schüler Paulsens, Berthold Otto. Und
ich möchte diesem Manne meinen Dank dadurch ausdrücken, daß
ich die Fachgenossen auf seine pädagogische Tätigkeit aufmerksam
mache, die er allerdings nicht als staatlicher Lehrer entfaltet, son-
dern als Lehrer seiner eigenen Kinder und als Schriftsteller. Hier
wirkt er besonders segensreich und anregend für jung und alt durch
Herausgabe des „Hauslehrers" 0, einer Wochenschrift für geistigen
Verkehr mit Kindeni. Außerdem mache ich aufmerksam auf seine
„Beiträge zur Psychologie des Unterrichts" (Leipzig, Scheffer) und
auf seinen im gleichen Verlag erschienenen „Lehrgang der Zukunfts-
schule" nach psychologischen Experimenten für Eltern, Erzieher und
Lehrer dargestellt". Li dem zuletzt genannten Buche können die
Fachgenossen reiche Anregung für deutschen Anfangsunterricht fin-
den und zugleich sehen, wie grammatische Begriffe mit Kindern
erarbeitet werden können. Die deutschen Ausdrücke, die dort
gegeben sind und im folgenden zum großen Teil vorgeführt wer-
*) Der Hauslehrer, Wochcnsilirift für den geistigen Verkehr nüt
Kindern, herausg. von Bcrtliold Otto. Ersclicint joden Sonntag und
kostet viertcljährh'ch 1,60 Mk. durch die Post oder durch den Buch-
handel. Postzeitungsliste 3522.
Zur deutschen Sprachlolirc. 1]
den, muten allerdings manchmal zunächst sonderbar au^ und es
zeigt sich, „daß es bei Sprachschöpfungen mit dem Material der
jedermann geläufigen Muttersprache besonders schwer ist, es jeder-
mann recht zu machen/^ Aber das möchte ich aus praktischer
Erfahrung heraus betonen, daß die grammatischen Begriffe; die so
erarbeitet werden, für die Schüler keine Scheiubegriffe mehr sind,
sondern durchaus verständlich, und daß ein solcher Unterricht für
Schüler und Lehrer eine Freude ist. Ich gehe nun zur eigentlichen
Arbeit über, zu zeigen, wie die Bezeichnungen für die sprachlichen *
Erscheinungen gefunden werden können.
Durch einen richtigen Anschauungsunterricht gewinnen die Kin-
der schon früh die klare Vorstellung, daß sie überall, im Wohn-
zimmer, im Schulzimmer, auf der Gasse u. s. w. von Dingen um-
geben sind, und man kann schon junge Kinder zu der Erkenntnis
bringen, daß die „ganze Welt^^ aus lauter Dingen besteht. Die
Kinder wissen auch, daß jedes Ding seinen Namen hat, daß jedes
Ding durch ein gewisses Wort bezeichnet wird. Ein Wort, durch
das ein Ding bezeichnet wird, heißen wir deshalb Dingwort
(Substantiv). Die Dinge, die die Kinder kennen, sind entweder aus
Holz oder Eisen oder Stein oder Bein oder ' Haut und Knochen
usw., sie bestehen ans Steifen, sind Stoffdinge; so ergibt
sich das Stof f ding wort (Conkretum), oder sie bestehen — und dazu
kann man bei gelegener Zeit die Kinder leichter führen, als man
denkt — nur in Gedanken, sind also Gedankendinge, daher
Gedankendingwort (Abstraktum). Die Dinge, die die Kinder um
sich sehen. Tische, Stühle usw. sind nicht alle gleich, sie haben ge-
wisse Zeichen, Merkmale, Eigenschaften, an denen man sie erkennt,
durch die sie von andern Dingen gleicher oder ähnlicher Art unter-
schieden werden. Auch diese Merkmale, Eigenschaften werden durch
ein Wort bezeichnet und die Schüler bringen von selbst den Na-
men Eigenschafts- oder Merkmal wort (Adjektiv). Ein solches
Merkmal, eine solche Eigenschaft kann einem Ding bleibend an-
haften, oder kann nur vorübergehend sein: Das Ding kann
etwas tun oder leiden, sich in irgend einem Zustand befinden;
wenn ein Ding etwas tut, ist es in Tätigkeit; daraus gewinnen
wir das Tätigkeitswort (Verb um). Wenn Kinder hier den
Ausdruck „Tuwort" bringen, so ist auch dieser nicht von der Hand
zu weisen, cfr. Tuform als Vorschlag von H. Ein Ding ist einmal
oder oft vorhanden, man kann die Dinge zählen: Zahlwort (Nu-
merale). Wenn mau von einem Ding etwas erzählt, sagt man nicht
12 Thierer.
immer den Namen des Dings, man gebraucht für den Namen des
Dings ein anderes, kürzeres Wort ; dieses Wort, das man für ein Ding
oder für den Namen eines Dinges setzt, heißt deshalb Fürwort
(Pronomen). Die Tätigkeit eines Dinges kann näher bestimmt
werden; gcschielit dies durch ein einzelnes Wort, so kann dies den
Namen Bestimmungswort (Adverbium) erhalten; sehr oft aber
kann die Tätigkeit nicht durch ein einzelnes Wort bestimmt wer-
den, man braucht dazu ein anderes Dingwort. Ich nehme den
Satz: „Der Knabe schreibt mit der Feder." Hier ist „mit der
Feder^^ Bestimmung zu ,,sclireibt", aber nicht Feder allein; da-
mit Feder Bestimmung werden kann, muß ein anderes Wort vor
Feder treten: wir erarbeiten so das Vorwort (Präposition).
Aber nicht nur ein Dingwort kann Bestimmung werden, die Tätig-
keit kann auch durch einen Satz bestimmt werden. Diesen Satz
aber muß ich verbinden mit dem Hauptsatz, wir gewinnen das
Bindewort. (Beispiel: Der Vater schlägt aus Zorn, und der Va-
ter schlägt, weil er zornig ist.)
Damit haben wir die Namen für die hauptsächlichsten Wort-
arten gewonnen, Termini, die man die Schüler selbst finden lassen
kann. Und das ist viel wert, mehr als man denken möchte: die
Schuler haben die Namen gleichsam selbst geschaffen, sie sind
ihnen verständlich, sie behalten sie und verwechseln sie nicht. Ich
will diese Namen für die Wortarten jetzt nochmals zusammenstellen,
und die bisher übliche lateinische Bezeichnung in Klammern beifügen.
1. Dingwort (nomen substantivum) ; Stotfdingwort (nomen sub-
stantivum concretum); Gedankendingwort (nomen substantivum ab-
stractum); Merkmalwort oder Eigenschaftswort (nomen adjectivum),
Zahlwort (nomen numerale); Fürwort (pronomen); Tätigkeitswort
oder Tuwort (Verbum) ; Bestimmungswort (nomen adverbiale) ; Binde-
wort (conjunclion). An Geschlechtswort für Artikel ist wohl nichts
auszusetzen, ebenso an Ausrufwort für Interjektion. Daß man den
nominalen Wörtern zusammen den vorgeschlagenen Namen Nenn-
wörter gibtM, damit bin ich einverstanden, dagegen möchte ich
Hauptwort, Sachwort, Beiwort, Zeitwort, Umstandswort beseitigt
wissen, und zwar aus folgenden Gründen.
Beim Unterricht der Sprachlehre muß man von der Betrach-
tung des Satzes ausgehen und im Satz ist das Hauptwort
das Prädikat. Schon aus diesem Grund verbietet sieh „Hauptwort",
^) Diesen Torniiniia wendet auch Homeniann in seiner Parallel-
gram matik an.
Zur deutschen Sprachlehre. 13
nocli mehr aber von dem Gesichtspunkt aus^ daß der SchUler das
Wort von sich aus nicht finden wird. Sach wort scheint mir des-
halb zu eng, weil der Mensch, das Pferd, der Hund usw. keine
Saclien sind, wohl aber mit Ding bezeichnet werden. Beiwort
ist nichts weiter als eine Übersetzung und nicht einmal eine deckende
von Adjektiv und ist ganz schemenhaft : es bezeichnet nichts wesent-
liches und der Schüler kann sich dabei nichts denken, es ist also
ftlr ihn ein „Fremdkörper". Als Zeitwort wird der SchUler wohl
ein Wort wie heute, gestern, Tag, Jahr usw. bezeichnen, aber
nie wird er von sich aus schreiben, gehen, .^chlngen usw. als
ein Zeitwort ansehen oder erklären. Die vorgeschlagenen Be-
zeichnungen für die einzelnen Fürwörter eignen sich wohl, doch
möchte ich für ^.eignendes" Fürwort die sonst übliche Bezeich-
nung besitzanzeigendes Fürwort belassen wissen, und für re-
latives Pronomen „Bindefürwort" in Vorschlag bringen. Dies er-
gibt sich aus der Satzlehre. Damit wollte ich meine Bemerkungen
über die Wortarten abschließen, da überdachte ich über Nacht in
einer schlaflosen Stunde nochmals die Sache und besann mich noch-
mals über das Geschlechtswort. In unserer Zeit der „Sittlichkeit"
könnte vielleicht in manchen Kreisen auch dies Wort „sittliche" Be-
denken erregen^), abgesehen davon, daß in gebildeten Kreisen ein
weibliches Wesen häufig als femini generis bezeichnet wird, woraus
hervorgeht, daß der Unterschied zwischen genus und sexus niciit immer
fest sitzt. Solchen Bedenken könnte vielleicht abgeholfen werden durch
Einführung einer neuen Bezeichnung. Ziehen wir das nahe Ter-
wandtscliaftsverhältnis zwischen Artikel und Demonstrativpronomen
in Betracht und erinnern wir uns, daß wir künftig statt Demonstrativ-
pronomen Zeigefürwort sagen wollen, so ergibt sich mühelos
Zeiger für Artikel. Wenn ich nun noch anfüge, daß man für
pronomen determinativum, das in der von H. gegebenen Übersicht
ausgelassen ist, bestimmendes Fürwort sagen kann, will ich von
den Wortarten übergehen zur Satzlehre.
Die Satzlehre muß überhaupt in den Mittelpunkt des Anfangs-
unterrichts gestellt werden. Schon die richtigen und verständlichen
Bezeichnungen für die Wortarten ergeben sich teilweise nur aus der
Satzlehre, in erhöhtem Maße ist dies bei der Formenlehre der Fall.
Ich werde in einem späteren Aufsatz über Anfangsunterricht in La-
tein, wofür ich in diesen Blättern Raum zu finden hoffe, mich dar-
über auslassen^ warum ich es für durchaus verfehlt halte, das La-
') Solchen „Kreisen" ist so oder so nicht zu helfen. Die Red.
14 Thierer,
teinische mit der Deklination und gerade mit der, die für den S ehü-
1er die schwerste ist, zu beginnen. Daß wir bei dem Unterricht in der
Muttersprache uns von dieser ganz unglilcklichen Tradition freizu-
machen haben^ sollte keines Wortes weiter bedürfen, und ich will
deshalb auch keines weiter verlieren; wenigstens vorerst nicht.
Wir drücken unsere Gedanken in Sätzen aus, wir sprechen
immer in einem Satz. Der einfachste Satz besteht nach der üblichen
Terminologie aus Subjekt und Prädikat oder, wenn kein besonderes
Subjektswort da ist, nur aus Prädikat. Dafür war bis jetzt die
Bezeichnung „nackter Satz^' im Gebrauch ; dieser nackte Satz konnte
auch noch Bekleidungsstücke bekommen. Dies war ein ganz treff-
liches Bild, an dem jedes Kind seine Freude hat, und das ist anch
etwas wert. Ich möchte deshalb diesem plastischen Ausdruck den
Vorzug geben vor dem „ganz einfachen Satz^^ und ich denke, es
wird niemand an dem „nackt^^ Anstoß nehmen: Die deutsche Nackt-
heit und die importierte „Nudität^ decken sich ja gottlob nicht!
— Die Sätze werden aufgebaut, man spricht vom Satzbau. Die
Schüler kennen allerlei Bauten, ganz einfache ohne jeden Schmuck,
nur bestehend aus Wänden und Dach, aber sie kennen auch
schöne kunstvolle Bauten, Kirchen und prächtige Säle; da sehen
sie, daß die hohen Gewölbe und Decken von Säulen und Pfeilern
getragen sind; diese Pfeiler usw. sind die Träger des Baues,
und da der Satz auch ein kunstvoller Bau ist, so braucht er auch
solche Satzträger oder einfach Träger (= Subjekt). Von
diesem Träger spricht man nun im Satze oder sagt etwas über
ihn aus. Daraus entwickelt sich der Spruch oder die Aussage
(== Prädikat). Aussage ist ja ganz üblich, aber die Praxis des
Unterrichts lehrt, daß die Schüler, unsere lateinlernenden Schüler,
später dadurch in Zwiespalt kommen ; denn später müssen sie scharf
unterscheiden zwischen Aussage und Aufforderung, und eine
Verwechslung wird oft schwer geahndet. Deshalb würde ich dem
„Spruch" den Vorzug geben. In jedem Satz erfahren wir aus dem
Spruch, was das Ding, das Träger ist, tut oder leidet, kurz was
in dem Satz vorgeht (denn die Handlung des Satzes bezeichnet
einen Vorgang): wir haben einen Vorgangssatz; oder wir er-
fahren aus dem Spruch, w i e das betr. Ding ist (der Spruch gibt
uns ein Merkmal, eine Eigenschaft anj: wir haben einen Eigen-
schaftssatz; oder der Spruch gibt uns an, was das Ding ist,
zu welcher Art das Ding gehört (auf die Frage: was ist ein
Ding? will ich immer wissen, zu welcher Art von Dingen es ge-
Zur deutschen Sprachlehre. l^
hört): wir haben also einen Artsatz. Verwandle ich einen Eigen-
schaftssatz^ z. B. der Hnnd ist schwarz in eine Dingbenen-
n u n g oder Dingbeschreibnng oder Dingbezeichnung (einen
solchen Ausdruck müssen wir in die Sprachlelire einführen) : Der
schwarze Hund, so findet der Schüler von selbst^ daß schwarz die
Eigenschaftsangabe zu Hund ist, Eigenschaftsangabe = Attribnt;
er findet auch, daß es einfache und satzförraige Eigenschafts-
angaben gibt. Wenn man heute einen akademisch gebildeten Mann
fragt: was ist Attribut? und zwar so fragt, daß er einem andern
diesen Ausdruck erklären soll, so kommt er in Verlegenheit und
weiß sich nur mit der Übersetzung „BeifUgung^^ zu helfen ; unseren
Schülern aber, die noch kein Latein können, ist Attribut ein un-
verstandener Schall und Beifügung etwas Unwesentliches, mit dem
sie nichts anzufangen wissen; dagegen an der selbsterarbeiteten
Eigenschaftsangabe (oder auch Merkmalsangabe) haben sie nicht
nur eine Freude, sondern sie wissen auch, was es ist, und es kommt
keine Verwechslung vor. Was ich da sage, beruht auf Erfah-
rung, und zwar auf vielfacher. Es kommt auch keine Ver-
wechslung mehr vor mit der Apposition, die doch auch eine },Bei-
fügung" ist. Bis jetzt versteht der Schüler (und viele Alten)
den Wesensunterschied zwischen Apposition und Attribut
nicht, er kann ihn nicht eindeutig erklären, es sind für ihn
Lautgruppen, die er durch hundertfache Übung schließlich wenn
es gut geht, recht verwendet, aber wie gesagt, in das Wesen
dringt er nicht ein. An diesem Beispiel zeigt sich ganz besonders
deutlich, was bei einer Übersetzung der lateinischen Termini her-
auskommt. Über ein Seheii^wissen kommt der Schüler nicht hin-
aus. Hier kommt nur Klarheit herein, wenn man vom Satz aus-
geht, und das wird noch klarer, wenn wir die Apposition ver-
deutschen. Als Beispiel wähle ich den Satz: Cicero ist Konsul.
Der Schüler findet sofort : der Spruch antwortet auf die Frage was
ist Cicero? er weiß, daß er hier einen Artsatz hat; verwandelt er
diesen Satz in eine Dingbenennung (s. o.), so erhält er den Konsul
Cicero und findet ohne Schwierigkeit ganz von selbst, daß Konsul
zu Cicero Artangabe (= Apposition) ist. Und an wenigen Bei-
spielen bildet er sich selbst die Regel über die Stellung der Art-
angabe. Wie leicht kann man dann da im Lateinischen an-
knüpfen ! So hätten wir deutsche Ausdrücke gewonnen für Subjekt,
Prädikat, Attribut und Apposition, die wohl etwas fremd klingen,
aber den von H. genannten Erfordernissen entsprechen. Aber nur
16 Thierer,
u 11 vS klingen sie fremd, die wir die anderen Ausdrücke schon kennen,
nicht aber dem Schüler, der sie sich selbst als Eigentum erarbeitet.
Das ist nicht nur für den Schüler alles wert, sondern auch für den
Lehrer überaus wichtig : er tritt in ein ganz anderes Verhältnis zu
seinen Schülern. Das weiß ich nicht nur aus Erfahrung, sondern
das bestätigen mir auch meine beiden Lehrer an der Vorklasse und
Klasse I, die seit einiger Zeit in meinem Sinne unterrichten, mit
der größten Freude.
Der nackte oder einfache Satz erhalt noch Bekleidungstücke,
wird erweitert, die Handlung wird näher bestimmt: wir erhalten
Bestimmungen des Orts, der Zeit, der Art und Weise, des
Grundes usw.; diese Bestimmungen können einfach sein (da,
dort, gestern, heute usw.), sie können aus einem Vorwort und
einem Dingwort oder gar aus einem Satze bestehen: so gewinnen
wir einfache, dingwortliche und satz förmige Bestim-
mungen. (Adverbiale des Orts usw.). In dieser Weise läßt
sich die Satzlehre leicht anschaulich geben und lassen sich die Be-
griffe von den Schülern anstandslos entwickeln und feststellen.
Schwieriger wird die Sache, wenn die Objekte hinzutreten; das
zeigen schon die verschiedenen Vorschläge und die Bezeichnungen
für die Kasus und das Genitiv-, Dativ- und Akkusativobjekt. Hier
läuft es überall auf die Bezeichnungen Wer-Fall, Weß-Fali usw.
hinaus; das ist doch etwas rein Äußerliches, das das Wesen
der Sache nicht bezeichnet, auch hier muß sich &er Schüler mit
einem Scheinwissen begnügen. Und wenn ich die von H. für die
verschiedenen Objekte vorgeschlagenen Bezeichnungen Wen-Gegen-
stand, Wem-Gegenstand, Weß-Gegenstand betrachte und mir über-
lege, so glaube ich, daß Herr Oberstudienrat Hauber die Namen
auch ,nur der Not gehorchend' geschöpft hat, ich habe da nament-
lich das bestimmende Wem — Was — im Auge. Aus einer per-
sönlichen Aussprache mit Herrn Oberstudienrat Hauber weiß ich,
daß er Gegenstand für Objekt für die allein treffende Bezeichnung
hält, und vom Gesichtspunkt der Übersetzung aus ist dies ganz
gewiß richtig. Nun bemerkt Herr Oberstudienrat Hauber in einer
Anmerkung zu seinem Aufsatz selbst, daß sein Vorschlag die vielen
anderweitigen Verwendungen und Bedeutungen des Wortes gegen
sich habe. Das aber wäre für mich nicht ausschlaggebend; beim
Anfangsunterricht in der Sprachlehre, wo klare unzweideutige Be-
griffe erzeugt, erarbeitet werden sollen, darf sich der Lehrer nicht
fragen: wie komme ich mit einem solchen Ausdruck zustande,
Zur deutschen Sprachlehre. 17
sondern ,,wie verhalten sich meine Schüler einem solchen Ausdruck
gegenüber? können sie das Wesen der Sache erfassen? erzeuge
ich nicht bloß ein Scheiuwissen? und in dieser Beziehung bin
ich den vorgeschlagenen Ausdrücken gegenüber nicht sicher. Die
Lehre von den Objekten läßt sich auch nur gewinnen, wenn man
vom Satze ausgeht und einen gegebenen Satz mit Akkusativobjekt
aus der Tuform {= Aktivum) in die Leideform (Passivum) umsetzt
[Diese beiden Termini, Tuform und Leideform, sagen mir ganz zu,
noch mehr als Tatschilderung und Leidensschilderung.]
Sehr anschaulich gibt B. Otto in seinem genannten Buche S. 97 ff.
diese Umsetzung eines Vorgangs ans der Tuform in die Leideform
und gewinnt auf diese Weise für Akkusativobjekt den Terminus
Nennung des Dulders. Ich zweifle nicht im mindesten, daß
dieser Terminus bei den meisten, ja fast allen Fachgenossen, die
ihn zum erstenmal hören, nicht nur ein bedenkliches Eopfschtttteln
sondern ein kräftiges Aul oder eine noch stärkere Äußerung ihres
verletzten Innern zur Auslösung bringen wird. Man kann darüber
lachen und wird darüber lachen. Aber wenn ein Lehrer z. B. von der
Ministerialabteilung den Auftrag erhielte, das Akkusativobjekt acht bis
nennjährigen Schülern so zu erklären, daß sie den Vorgang vrirklich
verstehen, daß sie sich ihn zum bewußten Eigentum erwerben, daß jedes
Seh ein wissen ferne ist, und wenn er eine deckende Bezeichnung
dafür finden soll, dann würde ihm nach einigem Nachdenken das
Lachen vergehen. Ich glaube, er würde schließlich mit Freuden
zu „Nennung des Dulders^' sich bekehren. Übrigens haben die alten
Römer, als ihnen ihre Grammatiker aus der griechischen nräoig
oiziarixi] einen Accusativus, einen AnklagefaU, auftischten, wohl
nicht weniger erstaunte Gesichter gemacht! Damit wir aber die
Hauptsache nicht vergessen, wir dürfen wieder nicht an uns denken,
sondern an unsere Schüler, und diese stehen der Sache ganz anders
gegenüber. Diese sind nicht mit einem fremden, unverständlichen
Ausdruck belastet, auf den sie schon stolz sind, ihnen ist die Sache
neu und der Vorgang, an dem sie diese grammatische Neuerschei-
nung kennenlernen, macht ihnen zur Abwechslung einmal Freude
und erweckt nicht Heulen und Zähneklappen. (Als Beispiel ist
nämlich der Satz gewählt^ der sich mit einem in der Schule nicht
seltenen Vorgang beschäftigt: ,,Der Lehrer haut den Schüler.")
Daß die Schüler auf diese Weise das Wesen der grammatischen Er-
scheinung begreifen, davon habe ich mich praktisch überzeugt. Der
Schüler findet dann ganz von selbst die Regel: was in der Tu*
Konretpondensblatt 1906, Heft 1.
18 Thierer,
ibKjn Nennung des Dulders ist, wird in der Leideform Trä-
ger und was in der Tuform Träger ist, wird in der Leideform
Bestimmung der tätigen Person oder Sache. Wie gesagt,
ohne weiteres bringt der Schüler selbst diesen sprachlichen Vor-
gang auf die Regel. Dann gibt es auch nicht mehr so viele ,^dumme^^
Buben, die die ,,einfache^^ Regel nicht begreifen: ,,Was im Aktiv
Objekt ist, wird im Passiv Subjekt. ^^
Aus dem Vorhergehenden ist ersichtlich, daß Kasus mit „Nen-
n ung" verdeutscht werden kann, und wir würden folgende Termini
gewinnen: für Nominativ Nennung des Trägers, für Akkusativ
Nennung des Dulders, für Genetiv ließe sich Nennung des Besitzers
gebrauchen und für Dativ schlägt Otto Nennung des Teilhabers vor.
Gegen diese Termini läßt sich gewiß manches einwenden, aber das
Wesen der Sache treffen sie, die Schüler erhalten eine klare Er-
kenntnis und ,, werden nicht auf den Schein der Erkenntnis einge-
drillt^^ Und das ist immer die Hauptsache; übrigens erwirbt sich
jeder ein Verdienst, der etwas besseres beibringt. So viel von den
Objekten: wir sehen daraus, daß die „Tücke des Objekts^^ sich
nirgends mehr zeigt, als in der Lehre über sein eigenes Wesen.
Ich will diesen Absatz über das Objekt schließen mit einer argen
Ketzerei: ob ein Terminus etwas taugt, darüber sind eigentlich
nicht wir Lehrer die kompetentesten Beurteiler, sondeni die Schüler !
Was sie verstehen, nehmen sie an und behalten es als ihr Eigentum.
Über die verschiedenen Handlungsarten (Genera verbi) habe
ich schon kurz mich dahin ausgesprochen, daß die Bezeichnungen
„Tuform" und „Leideform^^ mir zusagen, und auch gegen die vor-
geschlagenen deutschen Bezeichnungen für die Tempora läßt sich
nicht viel einwenden. Vielleicht werde ich später im Laufe des
Jahres, wenn ich mit den Schülern meiner Vorklasse die Tempus-
lehre von ihrem Standpunkt aus durchgenommen habe, meine Er-
fahrung in diesem Blatte niederlegen. Statt „Aussagearten" möchte
ich „Sprech weisen" vorschlagen, weil der Konjunktiv keine
Aussage ist. Für Indikativ ließe sich wohl besser statt „Sageform"
„Bericht" empfehlen und gegen „Fügeform" habe ich das schon
öfter geäußerte Bedenken, daß es für die Schüler zu abstrakt ist,
daß sie selbst auf den Ausdruck nicht kommen können, daß man
ihn ihnen „überliefern" muß, ohne daß er ihnen klar würde. Vor
einigen Wochen habe ich au meiner 1. Klasse in einer Viertelstunde
die lateinischen Konjunktivformen aller vier Konjugationen im
Beisein des Klassenlehrers eingeübt, was deshalb ir.öglich ist, weil
2nr deutschen Sprachlehre. 19
diese Schüler die Konjugationen nicht ^^gelemt"^ nicht „memoriert^'
habeu^ sondern sich selbst haben entstehen lassen : so sind die Kon-
jugationsformen ihnen keine bloßen Wortklänge^ sondern sie sehen
in die Formen hinein, sie können zwischen den Buchstaben lesen
— intellegunt — ^! Ich habe ihnen da gesagt, daß sie schon
lateinisch gesprochen haben, ehe sie in die Lateinschule gegangen
seien, und als sie mich ungläubig ansahen, habe ich sie gefragt:
„nun, wie ruft ihr denn, wenn der König nach Geislingen kommt?"
und da haben sie alle fröhlich geantwortet : vivat hoch I Von dem
vivat wurde rasch der Stamm und die Endung festgestellt und als
besonderes „Zeichen" das a gefunden und als Übersetzung von den
Schülern gegeben „er lebe" und dies „er lebe" auf meine Frage
von den Schülern als ;, Wunsch" bezeichnet; das a wurde also als
Wunschzeichen festgestellt und die Form als „Wunschform". Dies
alles von den Schülern. Ich faßte dann zusammen, was wir ge-
funden hatten und sagte: „vivat ist also eine Wansch form, der
Lateiner heißt dies Konjunktivus, diese Wortform kann ich euch
aber erst erklären, wenn ihr noch mehr Lateinisch könnt. Und so
möchte ich für Konjunktivus Wunschform vorschlagen statt
„Fügeform". Befehlsform kann man gut sagen, aber auch Gebot,
denn der Imperator ist der Gebieter und dem Gebot lässt sich
leicht das Verbot gegenüberstellen! Mit Mittelform bin ich nicht
einverstanden, diese Bezeichnung beruht auf äusserlicher Auffassung.
Um hier eine Bezeichnung zu finden, geht man am besten von einem
Satz in der Leideform aus, z. B. der Apfel wurde gegessen, ver-
wandelt diesen Satz in eine Dingbezeichnung (s. o.) = der
gegessene Apfel und so wird „gegessen" als eine Eigens chafts-
form festgestellt^ und man erhält eine Tätereigenschaftsfo rm
und eine Duldereigenschaftsform (Partie. Act. und Passivi). —
Nennform für Infinitiv ist recht; schwieriger ist die Frage betr.
die verba transitiva und intransitiva. Von „wenhaft" „wenlos",
wie von H. vorgeschlagen wird, weiß ich nicht, wie es auf die
Schüler wirkt. Für prädikatives Substantiv und prädikatives Ad-
jektiv, kann man wohl „aussagendes" (H.) oder spruchhaftes Ding-
wort und Eigenschafts- bezw. Merkmalswort sagen. Jedenfalls muß
man zum Verständnis den Schülern ausführen, daß z. B. die Sätze
,die Römer machten den Cicero zum Konsul' und ,Reicbtum allein
macht nicht glücklich' eigentlich verstümmelt sind ^) aus „die Römer
^) Diesen Satz kann die Redaktion nicht unwidersprochen hinaus-
gehen lassen.
20 ^' Realistiiicfae Diaistprfitang 190(.
machten^ daß Cicero Konsul warde*' und «,ECeiehtam alleiii macht
nicht, daß die Menschen glttcklich sind". Das ist denn anch die
richtige Vorfoereitnng für die lateinische Übersetzung. — So bin
ich für diesmal am Ende angelangt. Was ich Ober den Abschnitt
C n, die Satzarten zn sagen bezw. daran zu ändeni hätte, geht ans
dem bisherigen hervor. Und ehe ich zn einer kurzen Schlnßbe*
merknng komme, möchte ich nur noch bemerken, daß in Hs. Vor-
schlägen der Abschnitt ttber die Lautlehre fehlt, niid dieser Teil
der Grammatik ist doch gar nicht unwesentlich. Darüber hat im
^ Hauslehrer^ außer Berthold Otto namentlich auch Pfarrer Spieser
in Waldhambach ganz treffliche Ausführungen gegeben, die als gute
Grundlage zu einer Erörterung dienen können. Meine Zeit erlaubt
mir diesmal nicht, weiter darauf einzugehen, da der Redakteur mir
einen Termin gestellt hat, so daß das Mannskript hente abgehen muß.
Zum Schluß möchte ich nur den Wunsch aussprechen: mögen
recht viele Fachgenossen dieser Frage sich widmen und in die Er-
örterung eintreten, dabei aber nicht nur von theoretischen Ge-
sichtspunkten sich leiten lassen und nicht nur daran denken, was
ihnen gefällt, sondern was für unsere Schüler brauchbar ist, denn
gerade in dieser Frage gilt der Satz, daß allo Theorie grau und
nur grün des Lebens goldener Baum ist.
Geislingen, Weihnachten 1904. A. Thicrcr.
L Realistische Dienstprüfung 1904.
A. SpracUiclL-geschiclitliclie Richtung.
Deutsche Literatur.
1. Historisches im Nibelungenlied.
2. Johann Fischart nnd seine Schriften.
3. Der deutsche Roman im 18. Jahrhundert.
4. Goethe zwischen Strassburg und Weimar.
Verlangt die Behandlung von 1 oder 2 und 3 oder 4.
Französischer Aufsatz.
Zur Auswahl:
Les origines du roroan courtois.
L*hotel de Rambouillet.
Victor Hugo commc poete dramatique.
L Realistische Dienstprttfimg 1904. 21
Französische Komposition.
Ein allgemeiner, unwiderstehlicher Hang nach dem Neuen und
Ausserordentlichen, ein Verlangen, sich in einem leidenschaftlichen
Zustande zu fühlen, hat, nach Sulzers Bemerkung, der Schaubühne
die Entstehung gegeben. Erschöpft von den höheren Anstrengungen
des Geistes, ermattet von den einförmigen, oft niederdrückenden
Geschäften des Berufs und von Sinnlichkeit gesättigt, mußte der
Mensch eine Leerheit in seinem Wesen fühlen, die dem ewigen Trieb
nach Tätigkeit zuwider war. Unsere Natur, gleich unfähig, länger
im Zustande des Tiers fortzudauern, als die feineren Arbeiten des
Verstandes fortzusetzen, verlangte einen mittleren Zustand, der beide
widersprechende Enden vereinigte, die harte Spannung zu sanfter
Harmonie herabstimmte und den wechselsweisen Übergang eines
Zustandes in den anderen erleichterte. Diesen Nutzen leistet über-
haupt nun der ästhetische Sinn oder das Gefühl für das Schöne.
Da aber eines weisen Gesetzgebers erstes Augenmerk sein muß,
unter zwei Wirkungen die höchste herauszulesen, so wird er sich
nicht begnügen, die Neigungen seines Volkes nur entwaffnet zu
haben; er wird sie auch, wenn es irgend nur möglich ist, als
Werkzeuge höherer Pläne gebrauchen und in Quollen von Glück-
seligkeit zu verwandeln bemfiht sein, und darum wählte er vor
allen andern die Bühne, die dem nach Tätigkeit dürstenden Geist
einen unendlichen Kreis eröffnet, jeder Seelenkraft Nahrung gibt,
ohne eine einzige zu überspannen, und die Bildung des Verstandes
und des Herzens mit der edelsten Unterhaltung vereinigt.
(Schiller, Prosaische Schriften. Die Schaubühne als eine mora-
lische Anstalt betrachtet.)
Französisches Diktat, zugleich Exposition.
Done Elvire:
Avant que vous parliez, je demande instamment
Que vous daigniez, seigneur, m'6couter un moment.
D6jA la renomm^e a jusqu 'ä nos orcilles
Porto de votre bras les soudaines merveilles ;
Et j^admire avec tous comme en si peu de temps
II donne a nos destins ces succes eclatants.
Je sais bien qu'un bienfait do cette cons6quence
Ne saurait demander trop de reconnaissance,
Et qu*on doit toute ehose ä Texploit immortel
22 !• Realistische Dienstprüfung 1904.
Qui replace mon fr^re an trdne paternel.
Mais, quoi qne de son coeur vons offrent les hommages,
Usez en gön^reux de tous vos avantageS;
Et ne permettez pas qne ce conp glorienx
Jette aar moi, seignenr, an joug imp^rieux;
Que votre amour, qui sait quel intöret m^anime^
S'obstine k triompher d'un refus legitime.
Et veuiile que ce fr^re, oü l'on va m'exposer,
Commence d'etre roi pour me tyranniser.
Leon a d'autres prix dont; en cette occurrencc,
II peut mieux honorer votre kaute vaillance;
Et c'est k vos vertus faire un present trop bas,
Que vous donner un coeur qui ne se donne pas.
Peut-on Stre jamais satisfait en soi-meme,
Lorsque par la contrainte on obtient ce qu'on aime?
C'est un triste avantage, et l'amant genereux
A ces oonditions refuse d'Stre heureux;
n ne veut rien devoir k cette violence
Q«i*exercent sur nos coeurs les droits de la naissance,
Et pour Tobjet qu*il aime est tonjours trop z^l^,
Pour Boufirir qu'en victime ü lui soit immole.
Ce n'eat pas qne ce coeur au mörite d*un autre
Pr6tende reserver ce qu'il refuse au vötre;
Non, seigneur; j'en r^ponds, et vous donne ma foi
Que personne jamais n^aura pouvoir sur moi.
(Moliöre, Don Qarcie de Navarre V, 5).
Englischer Aufsatz.
Zur Auswahl:
1. Shelley, the man and poet.
2. Christian life and thought in Alfred's England.
3. The humorists of the 18**» Century.
Englische Komposition.
„Poesie ?'' erwiderte Anna, indem sie einen trüben, wehmütigen
Blick auf die Berge gegenüber warf. ,,Eine Poesie, die mir das
Herz durchschneidet. Mir erscheint dieses fröhliche Treiben wie
ein Bild des Lebens. Unter langem Jammer und Ungemach ein
Tag der Freude, der durch seine hellen, freundlichen Strahlen das
I. Realistische Dienstprüfung 1904. 23
öde Dunkel umher nur noch deutlicher zeigt, aber nicht aufhellt!
0, kenntest du erst das Leben dieser Armen näher! Wenn du
sie beim ersten Erwachen des Frühlings sehen könntest! Jeder
Winter verwüstet ihre steilen Gärten; der Schnee löst sie auf und
reißt ihre beste, fruchtbarste Erde mit sich hinab. Aber rastlos
zieht jung und alt heraus. Die Erde, die ihnen das Wasser nahm,
tragen sie wieder hinauf, und legen sie sorglich um ihre Reben
her. Vom frühesten Morgen, in der Glut des Mittags, bis am
späten Abend steigen sie, schwer beladen, die steilen, engen Treppen
hinan. Welche Freude, wenn dann der Weinstock schön steht,
aber wie bitter ist zugleich ihre Sorge; denn der kleinste Frost
kann ihre zarte Pflanze vernichten. Und fällt nun der böse Tau
oder eine kalte Nacht, wie schauerlich ist dann ihr Geschäft an-
zusehen. Alle, selbst die kleinsten Kinder, strömen noch vor Tag
in den Weinberg, dort legen sie alte Stücke von Kleidern und
Tüchern neben die Rebstöcke und brennen sie an, daß der qual-
mende Rauch die zarte Pflanze schützen möchte. Wie arme Seelen,
ins Fegfeuer verbannt, schleichen sie um die kleinen zuckenden
Feuer und durch die Schleier, die der Rauch um sie zieht. Die
Kleinen rennen umher, sie können noch nicht berechnen, welches
Unglück sie sehen, aber die Männer und Weiber wissen es wohl;
es ist eine kühle Morgenstunde, die das Werk langer, mühsamer
Wochen zerstört und sie oline Rettung noch tiefer in die Armut
senkt.^ ,, Wahrhaftig! du bist krank, Anua!^^ sagte der alte Herr,
indem er lächelnd zu ihr trat und doch nicht ohne leise Besorg-
lichkeit, seine Hand auf ihre schöne Stime legte, „du warst ja
doch sonst so fröhlich im Herbst, gabst solchen bösen Gedanken
niemals Raum und freutest dich mit den Fröhlichen, bist du krank ?^^
W. Hauff, Das Bild des Kaisers S. 80, 81 (Reclam).
Englisches Diktat, zugleich Exposition.
King Henry. I pray theo, bear my former answer back:
Bid them achieve me and then seil my bonos.
Good God! why should they mock poor fellows thusV
The man that once did seil the lion^s skin
While the beast lived, was killed with hunting him.
A many of our bodies shall iio donbt
Find native graves; upon the which, I trust,
Shall witness live in brass of this day's work;
24 I- Realistische Dienstprüfunp: 1904.
And those that leave their valiant bones in France^
Dying like men, though buried in yonr dnnghillS;
They shall be famed; for there the snn shall greet tbem.
And draw their honours reeking np to heaven;
Leaving their earthly parts to choke your clime,
The smell wherof shall breed a plague in France.
Mark then abonnding valonr in our Engiish,
That being dead, like to the bnllet^s grazing,
Break ont into a second coarse of mischief;
Killing in relapse of mortality.
Let me speak prondly: teil the constable
We are bat warriors for the working-day;
Our gayness and our gilt are all besmirch'd
With rainy marching in the painfal field;
There*8 not a piece of feather in oar host —
Good argumenta I hope, we will not fly —
And time has worn us into slovenry;
Bat, by the mass, our hearts are in the trim;
And my poor soldiers teil me^ yet ere night
They'U be in fresher robes, or they will pluck
The gay new coats o'er the French soldiers* heads
And turn them ont of Service. If they do this, —
As; if 6od please, they shall, — my ransom then
Will soon be levied. Herald, save thou thy labonr;
Come thon no more for ransom, gentle herald;
They shall have none, I swear, but these my joints ;
Which if they have as I will leave *em them,
Shall yield them little, teil the constable.
W. Shakespeare, King Heniy V. Act IV. Sc. III.
Geschichte.
1. Die peloponnesische Hegemonie Spartas bis Mantinea 362.
2. Alexander der Grosse.
3. Gregor Vn.
4. Die deutsche Reformation 1517 — 21.
5. Der Ursprung des 7jährigen Kriegs.
6. Das Jahr 1866.
Zu beantworten sind 2 Fragen, eine ans der deutschen Ge-
schichte (4 --6), eine aus der übrigen Geschichte (1 — 3).
T. Realistische Dienstprüfung 1904. 25
Geographie.
A 1. Wesen, Bedeutung and Verbreitung der Gletscher.
2. Die geographische Verbreitung der Wälder und ihre Be-
deutung für die Umgebung.
8. Die Meeresströmungen.
B 1. Großbritannien.
2. Nordafrika.
Zu B eine Kartenskizze.
Aus jeder der Gruppen A und B eine Aufgabe.
B. Hatliematiscli-naturwlsseiLscliaftliclie Riclituug.
Erste Abteilung.
Höhere Algebra.
1. Die Rekursionsformeln zu entwickeln, die zur Bestimmung
von Zähler und Nenner der Näherungswerte eines Kettenbruchs
dienen.
2. Die Wurzeln der Gleichung 6. Grades
f(x) = X» — 6x* -f 7x* +'12x> — 12x» — 16 x — 4 = 0
können mathematisch genau (nicht bloss näherungsweise) bestimmt
werden ; warum ist dies möglich, und wie lautet die in ihre Linear-
faktoren zerlegte Funktion f(x)?
Keine Hilfsmittel zulässig.
A n a I y s i s.
1. Für die Raumkurve
x2 + y»=a«
X« + z* = ax
sollen bestimmt werden : ihre Kulminationspunkte in Beziehung auf
die Horizontalebene; ferner Schmiegungsebene und Hauptnormale
in einem beliebigen Punkt der Kurve.
2. Geometrische Deutung und Auswertung des Doppelintegrals
3. Zu zeigen, daß
(y* ■♦- yz) dx + (z* + xz) dy + (y' — xy) dz = 0
eine totale exakte Differentialgleichung ist und ihr Integral auf-
zustellen.
26 ^ Realistische Dienstprüfiin^ 1904.
4. Die Kiemannsche Verzweigungsfläche der Funktion
2, 4/ -,
ZU konstruieren.
Verlangt ausführliche Behandlung von drei Aufgaben.
Keine Hilfsmittel zulässig.
Analytische Geometrie.
1. Man soll die Kurve
xV + x» + y« — 2xy(x + y4-l) = 0
sowohl im rechtwinkligen als auch im Dreiecks-Koordinaten-System
(bezogen auf ein gleichseitiges Dreieck) nach ihrem ungefähren
Verlauf zeichnen und ihre Singularitäten angeben.
2. Die Horizontalspur der Tangantenfläche der Kaumkurve
X» + y« = a«
X« -f- z« == ax
soll bestimmt und untersucht werden; insbesondere ist auch diejenige
Form der Gleichung aufzustellen, aus der alle Asymptoten der
Kurve auf einmal abzulesen sind.
Keine Hilfsmittel zulässig.
Synthetische Geometrie.
1. Ein Lichtstrahl, der von einem gegebenen Punkt innerhalb
eines einfachen Vierecks mit spiegelnden Seiten ausgeht, wird der
Reihe nach von diesen Seiten zurückgeworfen. Man soll die Rich-
tung jenes Lichtstrahls so bestimmen, dass der letzte zurückge-
worfene Strahl parallel zn ihm wird.
2. Eine Kurve 2. Ordnung zu konstruieren, von welcher ein
Brennpunkt, die zugehörige Leitlinie und eine Tangente gegeben
sind.
B. Den Satz zu beweisen: Alle Hyperbeln^ die einem Kreis-
viereck umschrieben sind, haben parallele Axen.
(Anleitung: Die Richtungen der Axen halbieren die Winkel
der zwei Paar Gegenseiten des Vierecks.)
Darstellende Geometrie.
Die Grundrißspnr eines Drehungskegels von schiefer Lage
und seine Durchdringungskurve mit einer Kugel sollen konstruiert
werden.
1. Realistische Dienstprüfnng 1904. 27
Anf die unabhängige Bestimmung des Kegelumrisses in beiden
Projektionen und die Konstruktion ausgezeichneter Punkte der
Dnrcbdringungskurve wird Wert gelegt.
Die Spitze des Kegels (welche auf der nutzbaren Zeichenfläche,
die nach Abzug eines Randes von passender Breite tibrigbleibt^
so weit als möglich links angenommen werden möge) befinde sich
20 cm über der Grundrißebene, 22 cm vor der Aufrißebene; die
nach rechts, hinten, unten gehende Axe des Kegels bilde im Grund-
riß 45^^, im Aufriß 60'^ mit dem Grundschnitt; der ganze Öffnungs-
winkel des Kegels betrage 30^ (also der Winkel einer jeden
Mantellinie mit der Kegelaxe lö'^). Die Kugel liege auf der
Grundrißebene und habe 10 cm Halbmesser ; ihr Mittelpunkt befinde
sich 12 cm vor der Aufrißebene und sein in der Richtung des
Grundschnitts gemessener Abstand von der Kegelspitze sei 18 cm.
Blattgröße : 35 cm Breite, 50 cm Höhe.
Eine kurze Beschreibung der Konstruktion ist beizufügen.
Trigonometrie und mathematische Geographie.
1. Die Längen der drei Höhen eines ebenen Dreiecks verhalten
sich wie die Zahlen 101, 102, 103. Was sind die Winkel dieses
Dreiecks? (auf 0',1 genau).
2. In einem ebenen Dreieck sind zwei Seiten 100,000 und
50,000 Meter lang und der Winkel zwischen beiden beträgt 179*^0' 0''.
Die dritte Seite des Dreiecks soll auf 1 mm genau ohne Anwendung
trigonometrischer Zahlen berechnet werden.
3. Ein Schiff will von A nach B auf dem Großkreis zwischen
beiden Punkten fahren; die geographischen Koordinaten der zwei
Punkte sind:
geogr. Breiten geogr. Längen
A (pi = + 37<> 42',5 60U2',0 w. v. Greenwich
B <pf = + 49«51',5 4P 7',3 , „ „ „
Welcher Kurs (Winkel mit dem Meridian) ist im Punkt A zu
steuern und wieviel beträgt dieser Kurswinkel beim Passieren
der Meridiane 55^^, 45^^ w. Gr. und endlich in B? Wie lang ist
der Bogen AB in km? Es ist sphärisch zu rechnen,
R= 6375 km.
Was ist ferner der (konstante) Kurswinkel für die Fahrt auf
der Loxodrome von A nach B statt auf dem Großkreis? Und
um wie viel ist der Loxodromenbogen A B länger als der Groß-
kreisbogen?
28
I. Realistisclie DienstprUfiiii^ 1904.
(Anleitung: Loxodromen auf einer Umdrehungsfläclic sind
Kurven^ die die Meridiankurven der Umdrehungsfläche unter kon-
stantem Winkel a sehneiden. [« = 0 gibt einen Meridian, a = 90**
einen Parallelkreis der Umdrehungsfläche.] In der s. g. Mercator-
Abbiidung der spliärischen Erdoberfläche [normale zylindrische
,,konforme^^ Abbildung] werden die Erdmeridiane als parallele
Gerade abgebildet^ deren Abstand gleich dem entsprechenden Äqua-
(i^df)
torbogen ist, die Parallelkreise bilden sich ab als Schar zu den
Meridianbildern senkrechter Gerader und zwar ist, wie ein oo kleines;
von benachbarten Kugelmeridianen und Kugelparallelkreisen gebil-
detes Viereck zeigt, das ,,konform" in die Ebene übertragen werden
1
soll, dv = R •
' " cos 9
kreisbilder ist y = R • log nat tg ( .- +
df/ oder das „Abstandsgesetz" der Parallel-
qp \
2 1 , die y vom Aqua-
torbild aus gerechnet. In dieser Abbildung auf die Ebene ist
das Bild jeder Loxodrome eine gerade Linie, die denselben
Winkel mit den Meridianbildern einschließt, wie ihr Original auf
der Kugel. Nach diesen Angaben sind a und ß zu berechnen.)
Zugelassene Hilfsmittel: Log.-Tafeln.
Analytische Mechanik.
1. Ein sehr dünner geradliniger Stab von der Länge 1, dessen
Schwerpunkt sich in i von einem Endpunkt befindet, ruht mit
beiden Endpunkten auf einem aufrecht stehenden Kreisbogen.
Für welchen Neigungswinkel gegen die Horizontale befindet er
sich im Gleichgewicht, wenn an den Auflagerstellen keine Reibung
wirkt? Welches ist der Druck auf diese letzteren?
(2 Lösungen verlangt, darunter eine graphische.)
2. Man soll die Meridiankurve einer Drehungsfläche mit senk-
rechter Achse so bestimmen, daß eine kleine schwere Kugel, die
I. Realistische Dienstprfifun;^ 1904. g9
an beliebiger Stelle auf die Fläche gebracht wird und durch einen
Stoß eine wagrechte Geschwindigkeit von gegebenem Betrag y^
erhält, sich in einem Parallelkreis der Fläche weiterbewegt. (Von
Reibung werde abgesehen.)
Theoretische Physik.
Mechanik: 1. Ein horizontaler Stab von rechteckigem Quer-
schnitte sei an einem Ende festgemacht und werde durch eine am
anderen Ende angreifende Kraft gebogen. Es soll seine Gestalt
abgeleitet werden für den Fall, daß die Höhe des Stabes und die
Senkung am Ende gegen die Länge des Stabes zu vernachlässigen
sind.
2. Es soll das Trägheitsmoment einer Kugel in bezug auf einen
Durchmesser derselben bestimmt werden.
Wärme: 1. Ein Gas dehne sich bei konstanter Temperatur T
ans vom Volumen V zu V gegen einen äußeren Druck p. Wieviel
Wärme wird absorbiert?
2. Es ist abzuleiten, welche nutzbare Arbeit vermittelst einer
thermodynamischen Maschine aus einer Wärmemenge höchstens zu
gewinnen ist.
Licht: 1. Aus der Wellentheorio des Lichts ist zu beweisen,
daß das Licht stets (auch bei Spiegelungen und Brechungen) sol-
chen Weg einschlägt, für welchen die optische Weglänge einen
extremen Wert (Maximum oder Minimum) besitzt. (Prinzip von
Formet.)
2. Was versteht man unter dem Auflösungsvermögen eines
Gitters und wovon ist dies abhängig?
Elektrizität: 1. Eine leitende Kugel sei zur Erde abgeleitet.
Außerhalb befinde sich eine punktförmige Elektrizitätsmenge, »wie
groß ist in einem beliebigen Punkt der Oberfläche die elektrische
Dichtigkeit?
2. Eine der Erdanziehung nicht unterliegende Masse m sei
geladen mit der elektromagnetisch gemessenen Elektrizitätsmenge e
und dringe mit der Geschwindigkeit v in ein Magnetfeld von der
Stärke H ein. Es soll abgeleitet werden, welche Bahn sie im
Felde beschreibt,
Chemie (als Nebenfach).
1. Welche Bedeutung hat die Ermittlung des Gefrier- und
Siedepunkts von Lösungen für die Chemie?
30 I* RealistiBche Dieoatprüfang 1904.
2. Anf welche Weise lassen sich Chlorverbindungen der Elemente
aus ihren Oxyden darstellen und wie verhalten sich die verschiedenen
Chloride gegenüber dem Wasser V
Zweite Abteilung.
Chemie (als Hauptfach).
1. Was versteht man unter IsomeriC; welche Ursachen bedingen
diese Erscheinung und wie viele Arten von Isomerie werden danach
unterschieden ?
2. Das Chrom und seine wichtigsten Verbindungen sind zu
beschreiben.
3. Welche wichtigeren organischen Säuren finden sich natürlich
in den Pflanzen vor, welche Zusammensetzung, Konstitution und
Eigenschaften haben sie^ und welche wichtigeren Umsetzungsprodukte
lassen sich aus ihnen erhalten?
Bei ausfuhrlicher Bearbeitung genügt die Bearbeitung von zwei
dieser Aufgaben.
Mineralogie und Geologie.
Die germanische und alpine Trias, eine vergleichende Gegen-
überstellung,
oder:
Die gesteinsbildenden Mineralien und ihre Bedeutung für die
Klassifikation der Eruptivgesteine,
oder:
Die geologische Erscheinungsform der Eruptivgesteine.
Der ausführlichen Beantwortung einer dieser Aufgaben wird
der Vorzug gegeben.
Botanik.
1. Der Einfluß der Wärme auf das Pflanzenleben.
2. Spezielle Morphologie der Blüte und Frucht.
Beide Aufgaben sind zu bearbeiten.
Zoologie.
1. Es sollen die Tatsachengruppen, welche zugunsten der
Deszendenzlehre (im engeren Sinne) sprechen, übersichtlich zu-
sammengestellt und bezüglich ihrer Beweiskraft miteinander ver-
glichen werden.
2. Organisation und Einteilung der Cephalopoden.
Beide Aufgaben sind zu bearbeiten.
I. Realistische ÜieDstprüfnng 190^. 31
Algebra und Niedere Analysis.
1. Jemand hätte bei einem Jahreszinsfuß von 4% zur Ab-
tragung einer Schuld zwölf gleiche jährliche Zahlungen im Betrag
von je 2663 Mk. 88 Pf. zu leisten. Wieviel müßte er jedesmal
bezahlen, wenn er in derselben Zeit seine Schuld durch halbjähr-
liche Zahlungen abtragen wollte und wie groß ist die ganze Schuld-
summe?
2. Die Deklination der Sonne beträgt im Oktober
am 1. Okt. — 30 19' am 21. Okt. — lO» 50'
„ 11. „ -70 9' „ 31. „ -140 14'
Wie groß ist sie am 18. Oktober?
3. Gegeben die zwei Gleichungen
ax» — 2x« + 2x=l=0 und ax« — 4x+l = 0
Dieselben haben eine gemeinsame Wurzel. Wie groß ist a
und welches sind die Wurzeln beider Gleichungen?
4. x^ — 3x' 4" 2x — 40 = 0. Eine Wurzel dieser Gleichung
nach der regula falsi zu finden (auf vier Dezimalen).
Differential- und Integralrechnung.
1 u— "^=^4^ - -
^' ^~ 2x« ^x(e«x— 1)/
x = 0
2. Einer gegebenen Kugel vom Halbmesser r soll eine Pyra-
mide mit quadratischer Basis und gleichen Seitenkanten einbe-
schrieben werden, daß der Inhalt derselben ein Maximum werde.
3. Die Achsen einer Ellipsenschar fallen in die Koordinaten-
achsen und ihre Summe ist = 25. Welches ist die Gleichung der
Umhfillungslinie ?
4. Die Kurve x*-|-x*y* — a*y* = 0 zu quadrieren von x = 0
bis x = a.
Elementare Geometrie. •
1. Gegeben zwei Kreise K und K', sowie Punkt P auf K. Einen
Kreis zu zeichnen, der K in P berührt und K' in den Endpunkten
eines Durchmessers schneidet.
2. In eine Kugel von Halbmesser r sollen zwei einander be-
rührende Kugeln so einbeschrieben werden, daß ihre Mittelpunkte
auf einem Durchmesser liegen und die Summe ihrer Inhalte gleich
der Hälfte des Inhalts der gegebenen Kugel ist. Verlangt Berech-
nung der Radien und geometrische Konstruktion der Mittelpunkte.
32 1. Realistische Dienstprüfung 1904.
3. In einem Punkte^ der ii (5) m über dem Spiegel eines Sees
liegt, wird der Elevationswinkel « (16^^ 10' 20") der Spitze eines
Berges und der Depressionswinkel ß (17^ 20' 40") seines Spiegel-
bildes gemessen. Wie hoch liegt die Spitze des Berges Über der
Seeoberfläche und wie weit ist sie in der Luftlinie vom Beobach-
tungspunkte entfernt?
4. Von einer Hyperbel sind gegeben eine Asymptote, die
Richtung der zweiten Asymptote und zwei Punkte. Es soll mittelst
des Satzes von Pascal die zweite Asymptote bestimmt und eine
einfache Methode zur Konstruktion weiterer Punkte angegeben
werden.
Analytische Geometrie.
1. Eine Ellipse, deren Mittelpunkt mit dem Koordinatenursprung
und deren Achsen mit den Koordinatenachsen zusammenfallen, hat die
Halbachsen Y^ und -^ V84. Ein auf dasselbe Koordinatensystem be-
zogener Kreis mit dem Mittelpunkt (^»-ö') ^^^ ^^^ Radius \/ 2
schneidet die Ellipse in zwei reellen Punkten, deren Koordinaten
ganze Zahlen sind. Für das vom Koordinatenursprung und jenen
zwei Schnittpunkten bestimmte Dreieck sollen die Koordinaten des
Schwerpunkts berechnet werden.
2. Werden durch den Scheitel einer Parabel zu einer variabeln
Tangeute derselben sowohl die Parallele als die Senkrechte gezogen,
so liegen die Punkte, in welchen sie von dem Brennstrahl nach
dem Berührungspunkte geschnitten werden^ auf einem Kreise, dessen
Gleichung gefordert ist.
y» 2y -h 2
3. Diskutiere die Kurve, deren Gleichung x = ,,T::r~v + 1 ^®*'
4. Es ist zu zeigen, daß von einem gegebenen Punkte an eine
Ellipse im allgemeinen vier Normalen möglich sind, deren Fußpunkte
auf einer gleichseitigen Hyperbel liegen.
Darstellende Geometrie.
In einer zur Vertikalebene parallelen Ebene ist ein Kreis von
6 cm Radius beschrieben; im Abstand 4V2 cm vom Mittelpunkt
ist in derselben Ebene eine zur Horizontalebene senkrechte Gerade
AB gezogen und im oberen Schnittpunkt A mit dem Kreis die
Tangente AG.
11. Realistische Dienstprtifung 1904. 33
Der Kreis wird am die Achse AB gedreht; es soll die Schnitt-
linie der hierdurch erzeugten Umdrehungsfläche mit der durch die
Tangente AC senkrecht zur Vertikalebene gelegten Ebene kon-
stmiert und in einem der konstruierten Funkte soll die Tangente
an die Schnittkurve gezogen werden.
Ffir die Konstruktion der einzelnen Punkte der Schnittkurve
sollen womöglich verschiedene Methoden angegeben werden.
Physik.
1. An einem Faden von der Länge rm wird ein Gewicht von
Pkg im vertikalen Kreis mit konstanter Oeschwindigkeit nmal
p. See. geschwungen; wie groß ist in einem beliebigen Punkt der
Bahn die Spannung des Fadens; wo hat sie ihr Maximum und
Minimum ? Welches ist mindestens die Tragkraft des FadenS; wenn
er nicht "-^ißen aoll?
2. Auf der Seitenfläche AC eines gleich-
schenkligen Prismas vom < y und vom
Brechungskoeffizienten n fällt unter dem
Einfallwinkel x der Strahl DE; er wird
nach EF gebrochen, an CB total reflektiert
und tritt senkrecht zur Basis AB aus ; wie
groß ist der Brechungswinkel y bei E und der
Einfallswinkel X? Saubere Zeichnung! (Bem.
über totale Reflexion verlangt). Welche Be-
ziehung zwischen n und y muß stattfinden,
damit bei F totale Reflexion eintritt?
3. Ein Körper von p kg Gewicht, und der spezifischen Wärme c
filllt h m herunter; welches ist am Ende seine lebendige Kraft?
um wieviel Grad würde seine Temperatur steigen, wenn seine
ganze lebendige Kraft in Wärme umgewandelt wttrde?
4. Kurze, aber genaue Beschreibung einer jetzigen Haustelephon-
anlage I
n. Realistische Dienstprüfung 1904.
Deutscher Aufsatz.
Inwiefern gilt auch für den Erzieher das Wort Max Piccolo-
minifl fiber Wallenstein:
Und eine Lust ist*s, wie er alles weckt
Und stärkt und neu belebt um sich herum,
KoRMpoodMSbUtt 1906, Heft 1.
34 n. RealisdBche Dienstprafting 1904.
Wie jede Kraft sich ansspricht; jede Gabe
Gleich deutlicher sich wird in seiner Nähe!
Jedwedem zieht er seine Kraft hervor^
Die eigentümliche; und zieht sie groß ?
Französische Komposition.
Vor einigen Monaten hat das ganze literarische Deutschland
den hundertsten Jahrestag (anniversaire) des Todes von Kant ge-
feiert. Bei dieser Gelegenheit haben die Zeitungen Züge aus
seinem täglichen Leben erzählt, von denen wir einige erwähnen
wollen.
Das Leben Kants war mit der Genauigkeit eines Uhrwerks
(appareil dMiorlogerie) geregelt. Jeden Morgen weckte ihn der alte
Soldat^ den der Philosoph in seinen Dienst genommen hatte, mit
den Worten auf: „Es sind noch 5 Minuten bis 5 Ubr.^' Nicht
einmal in 40 Jahren ist dieser treue Diener gonöti^ gewesen,
diese Worte seinem Herrn zu wiederholen, der den Wert der Zeit
zu gut kannte, als daß er sie in nutzlosem Schlaf vergeudete
(gaspiller). Um 5 Uhr trank Kant eine Tasse Tee und rauchte
eine Pfeife. Um 7 Uhr ergriff er die Feder und schrieb bis V* auf
1 Ulir; dann begab et* sich in den Speisesaal. Jeden Tag waren
fünf bis sechs Gäste geladen, das Mittagessen des Philosophen zu
teilen. So viel Vergnügen Kant daran fand, zu reden, während er
bei Tische war, so sehr hütete er sich, während des langen Spazier-
gangs, den er täglich machte, wenn seine Gäste fortgegangen waren,
den Mund zu öffnen. Nachdem er zwei Stunden lang umhergegangen
war, kehrte er nach Hause zurück, nahm aber während des Abends
die Feder nicht mehr zur Hand.
Französisches Diktat.
Depiiis cinq ans cnviron, la famille royale de Prusse etait
troublee par des querelies violente^. Le roi Fred^ric-Guillauuio
avait pris en aversion son fils Fred^rie. II lui avait d'abord d^plii
(fue cet enfant eüt d'autres fa9ons que les siennes, qiril itit delicat,
incapable de supporter la fatigue; qu*il n^aimät ni la table, ni ie
vin, ni le tabac, ni la cliasse, ni la grosse gait^, ni la compagnie
des militaires. „Je voudrais savoir, avait-il dit un jour, ce qui
se passe dans cette petite tete. Je vois bien qu'il ne pense pas
comme moi,^' et 11 avait adresse au prince, de van t une nombreuse
assistance, un discours accompagne de pctites tapes siir la Jone,
11. Realistische Dienstprilfung 1904. 35
qai deviDrent de plus en plus fortes et finirent par ressembler k
des soaffiets. Le prince royal avait donze ans quand se produi-
sit en pablic ce premier t^moignage da d^saccord entre son pöre
et lui« Impatient de tonte contradiction, persnade que sa fa^on
de Yoir et de faire ^tait la seule qni convint au gonvernement de
la FrnBBe, Fr^dMc-Gnillaume en vint vite ä penser qne c*6tait
an grand malhenr d*avoir nn h^ritier comme ceiui-lA. Le prinoe
rojal, en effet, avait sa politiqne opposee ä celle de son pere;
et si jenne qa*il ffit, Tattente de Phöritage lai paraissait longne.
Englische Komposition.
Jahrhanderteiang hatten die europäischen Kaufleiite mit Indien
Handel getrieben and Seide, Edelsteine and Gewürze (spices) znrttck-
gebracht. Allein das Auftreten des Propheten Moliammed (Mahomet)
nnd die Eroberungen seiner fanatischen Anhänger machten es fQr
christliche Karawanen gefährlich, auf (by) den Überlandwegen nach
dem Osten za reisen. Am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts
machten sich (to set 0. s.) die Spanier und Portugiesen daran,
einen Seeweg za entdecken. Die von Kolnmbus geführten Spanier
fahren westwärts und hielten Amerika irrtümlich für die Küste
Asiens. Im Jahre 1497 segelte Vasco da Gama um das Kap der
Guten Hoffnnhg in den Indischen Ozean. Seine Matrosen waren
wie die des Kolnmbus meaterisch (mutinoas) und wünschten ihren
Kapitän zur Umkehr za zwingen. Allein er legte den Steuermann
(pilot) in Fesseln and warf Seekarten (Charts) und Kompasse über
Bord. Es war nnn ebenso gefährlich umzukehren als weitet
(= vorwärts) za fahren, deshalb segelten sie weiter und sichteten
nach einer elfmonatlichen Seereise die Westküste von Indien.
Während der nächsten hundert Jahre trieben die Portugiesen einen
blühenden Handel mit dem Osten, allein sie waren unfähig, ein
großes Kolonialreich za gründen, wie die Spanier es im Westen
getan hatten. Gegen das Ende des sechzehnten Jahrhunderts
erschienen sowohl die Holländer als auch die Engländer auf dem
Schaaplatz.
Englisches Diktat.
Before the end of the sixteenth Century Shakespeare and his
fellow-piayers had bnilt themselves a summer theatre — the famous
Olobe, on Bankside. Old pictares of the Globe Theatre, which Ben
Jonson declares wKs the glory of the bank^ show as a high round
36 n. RealietiBche Dienstpnifung 1904.
building anroofed, except for a narrow slopiog (abschttssig) canopy
round the wallS; and looking far more like a barn than a theatre.
The difference is great indeed between a play of Shakespeare's
produced as it would be in London to-day, and the same play as
Shakespeare would have seen it performed at the Olobe Theatre.
The stage was open to the sky even in winter. Boys acted the
women^s parts, and of scenery there was little or none. Close
round the stage, which was raised on a scaffolding; pressed the
poorer members of the audience, who had to stand all the time.
The Performance usually began at one o^clock, and was announced
by the hoisting of a flag. Ladies came in masks. Gentlemen
smoked ^'the new Indian herb tobacco by an Instrument formed
like a little ladle (Löffel)". The whole audience ate and drank,
and played cards when the play was dull or the intervals long.
Arithmetik.
1. A kauft am 18. Februar 7 Stück S'^/oige wtlrttembergische
Staatsobligationen jede im Nennwert von 500 Mark zum Kurs von
90,20 Mark, Zinstermine V.5 und Vu- a) Wieviel hat er fllr die
Obligationen einschließlich der Stückzinsen zu bezahlen ? b) Zu wie-
viel Prozent verzinst sich das in diesen Obligationen angelegte Kapital?
c) Zu welchem Kurs hätte er die Obligationen kaufen müssen, da-
mit sich dasselbe zu SVs^/o verzinst hätte?
2. Ein Kaufmann bezieht eine Ware, von der ihn der Zentner
im Einkauf 180 Mark kostet. Dazu kommen noch Unkosten im
Betrag von T'/a^/o des Einkaufspreises. Wie teuer muß er das
Kilogramm verkaufen, wenn er noch 16^/s ^/o gewinnen will, obgleich
674^/0 der Ware unbrauchbar geworden sind?
3. A kauft dreierlei Sorten einer Ware zu 45, 40 und 34 Pfg.
das Ü. Er mischt dieselben, wobei er von der zweiten IVsmal
soviel nimmt als von der ersten. Im ganzen stellt er 114 ff Mischung
her, die er mit 16Vs"/o Gewinn um 51 Mark 87 Pfennig verkauft.
Wieviel ff nahm er von jeder Sorte? (Probe.)
4. Jemand hat zwei Kapitalien, das erste zu 4%, das zweite
zu 5 "/o ausgeliehen und nimmt jährlich 360 Mark Zins ein. Hätte
er das erste Kapital zu 5^/o, das zweite zu 4% ausgeliehen, so
würde er 9 Mark mehr Zins einnehmen. Wie groß ist jedes der
zwei Kapitalien? (Algebraische Lösung ungültig,)
Literarischer Bericht. 37
Geometrie
1. Kreisviereck ans a, b -j- ^ ^^7} "^ (e'b). (Analysis und
KonstmktioD.)
2. Ein gegebenes Dreieck in ein Parallelogramm mit Diag. e
und ^ a zu verwandeln. (Konstruktion^ Beweis.)
3. Kreis aus L, K, P auf L. (Analysis und Konstruktion.)
4. Gegeben 3 Punkte A, B und C. Eine Gerade so zu zeichnen^
daß ihre Abstände von den Punkten A^ B und C sich ^ie m : n : p
verhalten. (Analysis, Konstruktion und Determination.)
Literarischer Bericht.
Konstantin Ritter, P] atons Dialoge. Inhaltsdarstellungen (I)
der Schriften des späteren Alters. 219 S. 8^ Preis 4.50 Mk.
Stuttgart, W. Kohlhammer, 1903.
Was der Verfasser mit seinem Kommentar zu den „Gesetzen"^ be-
gonnen hat, das hat er fortgesetzt für „die Platonischen Schriften des
späteren Alters'*, nämlich Parmenides, Sophistes, Politikos, Philebos,
Timaios und das Fragment Kritias, in Form von „Inhaltsdarstellungen*',
ergänzt durch eine Übersicht über die Antithesen des Parmenides und
fiber die BegriffseinteiluDgen des Sophistes und Politikos und durch
eine Disposition des Philebos; dazu kommt ein eingehendes Register
fiber die in jenen Dialogen vorkommenden philosophischen Begriffe.
Die Selbstbeschränkung, die sich der Verfasser auferlegt hat, lediglich
den Gedankengang der betreffenden Dialoge in allen seinen Wendungen
zu verfolgen und auf den einfachsten Ausdruck zu bringen, verdient
alle Anerkennung; denn sie ist das Mittel, dem Leser, dem die Mühe,
die weitausgesponnenen und in ihrer Kompliziertheit ermüdenden Aus-
führungen des Originals selber durchzuarbeiten, erspart werden soll,
doch einen bezüglich des philosophischen Gedankengehalts vollwertigen
Ersatz für das Original zu bieten. Es sind die in manchem Betracht
interessantesten, aber auch die schwierigsten Platonischen Dialoge, mit
denen sich unsere Schrift beschäftigt. Über die Schwierigkeit braucht
man kein Wort weiter zu verlieren. Was das andere betrifft, so ist es
ein höchst erfrenliches Ergebnis der Platonischen Studien der letzten Jahr-
zehnte, daB der Verfasser kaum einen Widerspruch zu befürchten hat,
wenn er die genannten Dialoge als diejenigen des späteren Alters Pia-
tons bezeichnet; und deren eigenartiges Interesse besteht darin, daß
Piaton in ihnen den Übergang von der spekulativen Konstruktion zu
der philosophischen Beschäftigung mit der Wirklichkeit sich gebahnt
und vollzogen hat, unter Festhaltung, aber zugleich mit wesentlicher
38 Literarischer Bericht
Modifikation der Ideenlehre, sowohl nach ihrer Fassung als nach dem
Maß der ihr für das platonische Philosophieren zukommenden Bedeu-
tung. Für eine Bearbeitung, wie es die Rittersche ist, eignen sich diese
Dialogo insofern besonders gut, als ihnen dadurch, daß sie auf den
kürzesten und einfachsten Ausdruck ihres philosophischen Gehalts zu-
rückgeführt werden, nichts wirklich Wertvolles genommen wird; denn
den Charakter schriftstellerischer Kunstwerke in dem Sinn, daß sie als
solche eine selbständige ästhetische Würdigung beanspruchen dürften,
haben sie nicht, und er kann ihnen also auch nicht durch eine auf die
Herausstellung des Gedankengehalts beschränkte sprachlich-logische
Analyse abgestreift werden. Diese Analyse selbst ist mit einer Gewissen-
haftigkeit, Vollständigkeit und durchsichtigen Einfachheit durchgeführt,
die des lebhaftesten Dankes aller Freunde philosophischer Wissenschaft
und besonders Platonischer Studien gewiß sein darf; es ist wohl nicht
zuviel gesagt, wenn man ihr den Wert einer adäquaten Wiedergabe
dessen, was Piaton sagen wollte, zuerkennt. Eine Darlegung dessen,
was der Verfasser im einzelnen bietet, unterbleibt wohl besser, weil
sie lediglich ein Auszug aus dem sein könnte, was sich selbst als einen
Auszug alles Wesentlichen aus den betreffenden Platonischen Dialogen
gibt. Nur eine Kleinigkeit sei angemerkt : x^P^'^^C l^^o^ ivsxa Politikos
Kap. 39 heißt dach w^ohl nicht „aus Bequemlichkeit**, sondern „um
persönlicher Annehmlichkeit willen", was ebenso der Bedeutung dos
ätammcs x^'^P entsprechen dürfte, wie es als Bezeichnung der Genuß-
sucht passend der Gewinnsucht entgegengestellt wird.
Canostott. Th. Klett.
Handbuch der Erziehuug^s- und Unterrichtslehrc. U. Band,
2. Abteilung, 2. Hälfte. Schulgesoiidheitsptiege von Dr. med.
et phil. Ludwig Kotelmann. Preis geheftet 5 Mk. München,
C. H. Becks Verlagsbuchhaudlung, 1904.
Das vorliegende Werk ist die zweite Auflage des 1895 zuerst
erschienenen Buches, das schon damals große Anerkennung fand. Auf
jeder Seite merkt man dem Verfasser an, wie sehr er in den Fragen
der Sc^hnlgesundheitspflege sich auskennt und wie klar und bündig er
dieselben darzustellen vermag. Wohl gibt es manche Werke ähnlicher
Art, aber keines, das so viele Voraüge in sich vereinigte. Natürlich
bieten die großen Handbücher manche Einzelheiten, die hier fehlen;
dafür ist aber auch der Stoff auf 200 Seiten zusammengedrängt uud
ebendies macht das Buch für die Gesamtheit der beteiligten Kreise
ungemein wertvoll. R.
Neu erschienene BAcher. — AnkaDdlgiingen. 39
Neu erschienene Bücher.
Itt H BS! nniBOKUsh, j*ds Im alDiKlnen in b*(pr>o)i*n. Dia TIUI dar alnUnfnSaD
Bfiiihar, dia «IranmihmilDi dar KohlliuitiKriebaB Var]>BabBDhhaad]Dnd in bbar-
landan blttan, «ardan ragalmlailg Im nlDtailan Hafla Tataffaatllghl; »tBdik-
■ aadiing dir Dtoht beipioobaDanBaetaaikODDtnwIr unt aber ntcht alnUiiaD.
ioe, EiufDbniDg in die französische Konversation auf Grnnd der
Aosahauung. Ausgabe B. Hanouver, Verlag vüh Carl Heyer.
cklen.burg, Der erste sell>stäiii:ii);e Geschichtsanterricht auf hei-
matlicher Grundlage in Theorie und Praxis. Hierzu ein Schüler-
hea Ibid.
as, E. GuillaLiinin Tableaux ChampOtres. Für den Schulgebranch
ausgewählt and in französischer Sprache erklärt. Berlin, Weid-
mann sc ho Buchhandlung.
ckmann, Thomas Carljle. Eine Auswalil ans seinen Werken.
Zusammengestellt und mit Biographie und Kommentar für den
Schul gebrauch und tarn Selbststudium, Ibid.
(Fortsetzung s. S. 3 des Umschlags.)
Ankündigungen.
Kvang. Ueistlicher, Anfang 30er, viele Juhre in den Tropen in
Pfarr- und Scbolamt tätig, nmsiknliseli, der ingllaohen Spraobe in Woit
nnd Schrift mächtig, auch zum Unterricht in ftltsi SprachM, Deutseh,
Gsschlohte, flflographie etc. befähigt, sucht auf Ostern 1905
passendefs liebranit
an privater oder staatlicher Mittel Bchnl« eventuell G^mnaslyn.
Gefl. Offerten mit Gohaltaangabe unter Chiffre Z. ]>. 4S4 an
Budolf Mwwe, Zfirleh. [Z. 389c]
eiMlQS^-HABHSNÜlHSf
HAdittef Ribilt UdHie Raten. »Uhr. Qmnlle. Pluioi a. HanoMlUS
la nnIMai bd Knrf Abmg dw «idc - DlMlr. tMMbtft BnUs-hcl.
Staec. 1 - PUX11'<>S ■** Mi iMit ucmlAI rrtsr SMmiiUMDCI (Pst. Rnd.)
^^ Wilh. Rudolph, Giessen s^r.is«.
VollstÜMdlce
ibeisenden wir auf Wunsch gern franko.
Stuttgart. W. Kohlbanuner,
VerlagsbuchhaDdlung,
40 Ankündignngen.
Terlag ton Hermann Gegenlas In Halle*
Vierzig^ Jahre«
Vor 40 Jahren erschien znerst and gehört seitdem wohl zn den
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Lehrbuch der Englischen Sprache
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Kürze und Präzision in der Fassung der grammatlichen Regeln,
vortreffliche Beispiele zur Erläuterung derselben, bequeme Tabellen
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sowie die Auswahl der Lesestücke, welche Interesse erwecken
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trefflich verwendet werden können.
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QHtBltU-BfgtlfBngllBOheSpraohlehre.
Ausgabe B. YOllig neu bearbeitet ron
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schfn Stiftungen. Ausgabe ffir hOh.
Mftdchenschttlen. 5. Auflage. 1904.
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Oberstufe ffir Mftdehenschulen.
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Vortrag über die Frage der Hausaufgaben.
Von Prof. Dr. Eiben.
Gehalten auf der 14. Landesversammlung des WÜrtt Gymnasiallehrer-
vereins am 7. Mai 1904.
(Abgedruckt mit einigen Auslassungen.)
Als an einem der ersten Tage nach den Weihnachtsferien unser
verehrter Vereinsvorstand mich aufforderte, ein Referat über die
Hausaufgaben bei der heurigen Landesversammlnng zu übernehmen,
da verhehlte ich mir die eigentümlichen Schwierigkeiten und auch
die [Judankbarkeit dieser Aufgabe keineswegs; doch sollten solche
Erwägungen kein Abhaltungsgrund sein.
In der Öffentlichkeit war diese Frage wieder aufgerollt worden
durch einen Artikel im Schwäbischen Merkur vom 5. November v. J.,
in welchem von einem Arzt für die Schüler unserer höheren Lehr-
anstalten ein auskömmlicher Feierabend verlangt und zur Sicher-
stellung eines solchen „Beseitigung und Verbot der schriftlichen
Hausaufgaben allenthalben^^ gefordert wurde. Gegeu das erste Ver-
langen wird kein Billigdenkender etwas einzuwenden haben; über
das vorgeschlagene Mittel kann man verschiedener Ansicht sein.
Es ist heute selbstverständlich nicht meine Aufgabe, aUe Stim-
men, die in den letzten Monaten zur sogenannten Schulnot sich
erhoben, gleichsam phonographisch zu reproduzieren. Von allen
weitausgreifenden Schulreformvorschlägen können wir, denke ich,
im voraus absehen und uns heute auf die Frage beschränken:
Was kann nach der Ansicht der Lehrerschaft derhuma-
nistischen Schulen Württembergs geschehen, um eine
Überbürdung der Gymnasial Schüler mit Hausaufgaben
zu verhüten?
Über die Berechtigung und Zweckmäßigkeit der Einrich-
tung der Hausaufgaben im allgemeinen bedarf es in dieser
Versammlung nicht vieler Worte. Neben den Unterrichtsstunden
ist, sollte man denken, noch so viel Zeit übrig, daß die Schule
diese füglich zum Teil für ihre Zwecke heranziehen darf; nicht als
ob sie eine Verpflichtung fühlte, für Beschäftigung der Jugend in
der ganzen nicht durch den Unterricht ausgefüllten Zeit zu sorgen.
Wenn von der Notwendigkeit der Hausaufgaben wir Lehrer
fest überzeugt sind, jedenfalls fester als unsere Schüler und zum
Korrespondansblatt 1905, Heft 2.
42 Eiben,
Teil auch deren Eltern, so verkennen wir darum doch gewiß nicht
die Notwendigkeit der Erholung. So gut, wie wir selber,
ja noch nötiger brauchen unsere Schttler täglich einige Stunden,
über die sie frei verfügen können. Solche sind aber ftlr die Schüler
notwendig nicht bloß zur Erholung, sondern auch damit sie Gelegen-
heit haben, neben den Aufgaben für die Schule, die nun doch ein-
mal für die SchtUer mehr oder weniger eine Zwangsarbeit sind, irgend
einer Beschäftigung sich hinzugeben, zu der sie eigene Neigung
und individuelle Befähigung treibt. Eine rechtzeitige Gewöhnung
an eine solche freiwillige Tätigkeit ist meines Erachtens auch
für das spätere Leben mindestens ebenso wichtig, als die Erziehung
zu selbständiger Pflichtarbeit. Nur dadurch ist es möglich, der
Jugend die für ihren Standpunkt so natürliche, aber doch banausische
Vorstellung allmählich abzugewöhnen, daß zwischen Arbeit und
Vergnügen ein unversöhnbarer Gegensatz bestehe; nur so haben
insbesondere die Eltern genügend Gelegenheit, angeborene Nei-
gungen ihrer Kinder rechtzeitig zu erkennen.
Wie steht es nun in dieser Beziehung bei uns in Württemberg?
Haben unsere Gymnasialschüler neben den Anforderungen der Schule
noch genügend, freie Zeit zur Verfügung?
Der Erlaß über die Hausaufgaben vom 19. März 1896
bestimmt folgendes:
1. Die Hausaufgaben .... sollen für die Schüler der Klassen
I — lil [alter Bezeichnung] an den vollen Schultagen nicht mehr als
1 Stunde, an den schulfreien Nachmittagen nicht über Vh Stunden,
2. für die Schüler der IV. Klasse nicht mehr als Vh Stunden,
bezw. 2 Stunden in Anspruch nehmen.
3. Für die übrigen Klassen wird in Übereinstimmung mit
dem Lehrplan von 1891 die auf die Hausaufgaben zu verwendende
Zeit an vollen Schultagen auf IVs — 2, an schulfreien Nachmittagen
auf 2 Vi — 3 Stunden festgesetzt.
Gewähren diese Bestimmungen unseren Schülern hinreichend
freie Zeit zur Erholung, sowie zu anderweitigen Studien? Ich
stehe nicht an, die Frage mit ja zu beantworten, zumal da auch
von der Seite, die die ganze Bewegung ins Leben gerufen hat, der
Erlaß als ein Bundesgenosse für ihre Bestrebungen bezeichnet wird.
Die geltenden Bestimmungen sind human, namentlich wenn es in
der Ausführung den Lehrern gelingt, unter dem erlaubten Höchst-
maß zu bleiben, von dem doch wohl anzunehmen ist, daß es als
Arbeitszeit für die minderbegabten und doch gewissenhaften Schüler
Vortrag über die Frage der Hausaufgaben. 43
gilt; hnman aoeh insofern, als sie schon durdi ihre Existenz das
Bestreben der Behörde zu erkennen geben, eine Überbttrdnng zu
verhüten. Eine Umfrage bei den andern deutschen Gymnasiallehrer-
vereinen, betr. das Vorhandensein amtlicher Bestimmungen ttber die
Hausaufgaben ergab nämlich, daß in einer grossen Anzahl von Vereins-
gebieten ^) keine amtlichen Bestimmungen bestehen; die hierher
gehörigen Antworten erwähnen zum Teil Vereinbarungen an ein*
zelnen Anstalten und zwar teilweise nach preußischem Muster.
Wo amtliche Bestimmungen vorhanden sind, beziehen sie sich teils,
wie in Württemberg, auf die tägliche Arbeitszeit, so in Baden und
Elsaß-Lothringen, teils auf die zulässigen Anforderungen jedes
Fachs auf jeder Altersstufe (lediglich zeitlich bemessen in Sachsen-
Weimar, qualitativ näher bezeichnet in Preußen, Brannschweig und
Sachsen), teils auf beides zugleich, so in Bayern und Hessen. Einzel-
heiten mitzuteilen würde zu weit führen.
Dagegen ist es notwendig, einen Blick zu werfen auf die
älteren wttrttembergischen Verordnungen, zumal da
sie grundsätzlich auch heute noch gelten, insofern als durch den
Erlaß vom. 19. März 1896 nur die entgegenstehenden Bestimmungen
der früheren Erlasse aufgehoben sind. Der älteste Erlaß ist der
vom 16. Dezember 1854.
Eine Vergleichung dieses ältesten und der verschiedenen weiteren
Erlasse zeigt deutlich auf selten der Behörde das Bestreben, die
Anforderungen herabzusetzen, und demgegenüber, zugleich als
wiederholten Anlaß zu erneutem behördlichem Eingreifen, auf selten
einzelner Schulen oder einzelner Lehrer die Neigung, unter will-
kürlicher Auslegung oder mangelhafter Beachtung der bestehenden
Vorschriften für die Hausaufgaben mehr Zeit herauszuschlagen. Grund-
sätzliche Bedeutung kommt besonders dem Erlaß vom 26. April 1883
zu, der auf Grund einer vorhergegangenen Rektorenkonferenz aus-
gegeben wurde. Da derselbe bei Fehleisen leider nicht abgedruckt
ist, so muß ich die wichtigste Stelle daraus vorlesen: „Die Kon-
ferenz hielt daran fest, daß die Forderung der gänzlichen Beseiti-
gung der Hausaufgaben als unberechtigte, die Zwecke der Schule
nach der Seite des Unterrichts und der Erziehung gefährdende ab-
zuweisen sei; dagegen aber wurde ebenso entschieden betont, daß
es eine gänzliche Verkennung der Aufgabe der Schule wäre, wenn,
wie dies ... da und dort schon geschehen ist, in Mißachtung oder
*) Bremen, Hamburg, Lübeck, Mecklenburg-Schwerin, Oldenburg,
Reuss ä. L., Sachsen- Altenburg, Sachsen-Meiningen.
44 Eiben,
verkehrter Anwendung der bezüglich der Hausaufgaben bestehenden
Vorschriften der häuslichen Arbeit die Hauptaufgabe des Lernens
zugewiesen und dem Priyatfleiß das zu erreichen zugemutet würde^
was dem Schüler im öffentlichen Unterricht geboten werden sollte.
Die ünterrichtsverwaltung hat es von jeher für ihre Pflicht erachtet^
die häusliche Arbeit des Schülers zu den Leistungen desselben im
öffentlichen Unterricht in das richtige Verhältnis zu setzen und ins*
besondere dafUr zu sorgen, daß mit Rücksicht auf die seine geistige
Kraft und Ausdauer hinlänglich in Anspruch nehmende tägliche
Schularbeit die durch die Fertigung der Hausaufgaben an seine
Leistungsfähigkeit herantretenden Ansprüche möglichst beschränkt
und ihm zu seiner leiblichen und geistigen Erholung und zur Er-
haltung der jugendlichen Freudigkeit und Frische die nötige freie
Zeit gewonnen werde."
Das Bestreben möglichst viel mit den Schülern zu erreichen^
wobei Jeder Lehrer wenigstens von seinen eigenen Fächern meint,
daß darin eher zuwenig als zuviel geleistet werde"^ kann im
Grund genommen nach dem Zeugnis des verstorbenen Kanzlers
Rttmelin „dem Lehrerstand nur zur Ehre gereichen, da man bei
anderen Berufszweigen über zu kleinen und nur hier über zu großen
Dienst- und Pflichteifer zu klagen pflegt". So äußert sich Rümelin
in Nr. IH seiner 1881 verfaßten Miscellanea (Reden und Aufsätze,
N. F., S. 538). Er behandelt daselbst den gegen das moderne
deutsche Gymnasium gerichteten Vorwurf der Dberbürdung mit
stofflichem Wissen und rechnet ihn zu den Dingen, ,,die nicht oft
genug und nie von zu vielen gesagt werden können". Dieses Urteil
über das Gymnasium ist, wohlgemerkt, gefällt worden 10 Jahre^
bevor durch einen Erlaß der Kultministerialabteilung die Ver-
setzungsprUfung für die württ. Gymnasien einheitlich geregelt und
die Zahl der Prüfungsfächer gegenüber von früher erheblich ver-
mehrt wurde. Es liegt auf der Hand, daß seither das Bestreben,
in möglichst vielen. Fächern möglichst ansehnliche Erfolge zu er-
reichen, sich nur noch steigern mußte. Dazu kommt, daß die
Nichtprüfungsfächer wenigstens für den Durchschnitt der Semester-
zeugnisse im ganzen in Betracht kommen, der bei der Versetzung
ebenfalls zu berücksichtigen ist.
Nun sollte man meinen, durch unsere eingehenden Bestimmungen
über das Maß der Hansaufgaben sei wenigstens dafür genügend
gesorgt, daß die rühmenswerte Strebsamkeit in allen Fächern nicht
in nachteiliger Weise auf das Gebiet der häuslichen Arbeiten über-
Vortrag über die Frage der Hausaufgaben. 45
greift. Dagegen ist folgendes zu bemerken. Es kann vorkommen,
daß bestehende Vorschriften mit der Zeit in Vergessenheit
geraten. Nun gibt ja allerdings der Erlaß vom 19. März 1896
unter Hinweis auf den vom 6. April 1888 sehr genaue Vorschriften,
wie die Einhaltung der Bestimmungen über die Hausaufgaben jeder-
zeit kontrolliert werden solle: durch die Verpflichtung zu dies-
bezüglichen regelmäßigen Einträgen in die Diarien, durch ein vom
Klassenlehrer apzufertigendes Schema ftlr die wöchentlichen Haus-
aufgaben seiner Klasse, durch einen in den ersten Monaten jedes
Scliuljahrs abzuhaltenden Lehrerkonvent zur Prüfung des Maßes
der Hausaufgaben an allen Klassen; Weisungen, wie sie sich auch
in den preußischen und hessischen Vorschriften über die Hausauf-
gaben finden.
Es ist aber andererseits auch leicht zu verstehen, wie mau
dazu kommt, solche Kontrollbestimmungen nicht jahraus
jahrein in derselben Strenge anzuwenden. So mag es hier und
dort z.B. mit den Hausaufgabenkonventen gehen: ist im Lehr-
plan alles beim alten geblieben, so erspart man sich einen solchen
Konvent um so lieber, je lebhafter man davon überzeugt ist, daß
jeder längere Konvent stets mehr oder weniger eine Beeinträchti-
gung des regelmässigen Schulbetriebs bedeutet. Es wird also inner-
halb der Lehrerkollegien keine große Sehnsucht vorhanden sein,
jene Hausaufgabenkonvente wieder einzuführen, wo sie etwa in
Abgang gekommen sein sollten. Die Leiter und die Lehrer einer
Anstalt sind sich ja bewußt, jederzeit die Mittel in der Hand zu
haben, um Übel ständen in betreif der Hausaufgaben abzuhelfen,
falls solche sich je wieder einstellen sollten.
Das Mißliche ist bloß, daß letzteres nur ganz allmählich
und unmerklich zu geschehen pflegt. Unmerklich zunächst
einmal für die große Mehrzahl derjenigen, die es in allererster Linie
merken sollten, für die Mehrzahl der Schüler. Denn diese reagiert
gegen Überbürdung mit Hausaufgaben sozusagen automatisch: je
mehr die Schule ihnen zumutet, desto weniger muten sie sich selber
zu, nicht sowohl quantitativ (denn die schriftlichen Arbeiten wenig-
stens müssen eben einmal abgeliefert werden), als vielmehr quali-
tativ, nach dem Rezept: rasch und schlecht. Daß die nicht so
leicht kontrollierbaren Präparatious- und Kepetitiousaufgaben ein
besonders einladendes Objekt für Anwendung der Selbsthilfe
gegen Überbürdung sind, soll nur kurz angedeutet werden. So
kommt es, daß man von vielen früheren Gymnasisten, wenn
46 Eiben,
von Überbttrdang mit Hausaufgaben die Rede ist, die Äußerung
hören kann: ,,Wir waren nicht überbürdet !^^ sei's mit, sei's ohne
das Eingeständnis: ,,Wir waren nie präpariert^^ Andererseits hört
man aber auch das Urteil, daß, wer wirklich allen Anforderungen
der Schule nachkommen wollte, recht viel zu tun hatte. Es soll
damit selbstverständlich nicht gesagt sein, daß eine Überbürdung
der gewissenhaften Schüler überall mit unbedingter Notwendigkeit
eintreten müsse; aber die Möglichkeit ihres Eintritts ist stets vor-
handen, und oft liegt tatsächlich Überbürdung vor, ohne daß der
Lehrer, geschweige denn der Anstaltsleiter eine Ahnung davon hat*
Die regelmäßigen Hansaufgabeneinträge in die Diarien ent-
halten ja eigentlich nie etwas Auffallendes. .
„Aber die Elter n?^^ wird man fragen, ,^die sind doch mit
Klagen gleich bei der Hand ?^^ Ich erlaube mir dies zu bezweifeln.
Es handelt sich in erster Linie um die Eltern fleißiger, gewissen-
hafter Schüler; solange die Jungen nicht lamentieren, werden auch
die Alten keinen unangenehmen Gang antreten. Und vollends zum
Anstaltsvorstand zu gehen und sozusagen den Lehrer des eigenen
Sohnes wegen zu großer Anforderungen zu verklagen, tragen die
Eltern aus leicht ersichtlichen, mehr oder weniger achtenswerten
Gründen häufig Bedenken.
Kurz, Überbttrdung kann eintreten und immer mehr um sich
greifen, ohne daß die „berufenen Organe" es merken. Wenn dann
schließlich in dieser oder jener Zeitung auf das Bestehen einer
Überbürdung hingewiesen wird, so ist man in Lehrerkreisen nur
zu leicht geneigt, dies als Anmaßung eines Urteils von selten Un-
berufener zu verurteilen. Und doch trifft auch in diesem Fall, am
wieder mit llUmelin zu reden, „wie in allen praktischen Fragen die
bekannte Schwierigkeit zu, daß die Fachmänner beteiligt, interessiert
und darum nicht unbefangenen Urteils sind, die Laien aber der
Sachkunde entbehren. Darüber ist niemals ganz wegzukommen;
doch darf man im vorliegenden Fall sagen : Die Lehrer sind nicht
allein die Beteiligten und Wissenden ; den Vätern kommt auch eine
Stimme zu ; den Ärzten wird der Mund ebensowenig zu verschließen
sein; und die Interessiertesten sind schließlich die Schüler selbst,
bei welchen wenigstens Urteil und Erinnerung der dem Gymnasium
Entwachsenen nicht mißachtet werden kann."
Wenn man von der in den Hausaufgabenerlassen verlangten
Anfertigung eines Schemas fOr die Hausaufgaben im Lauf der
Zeit hier und da abgekommen ist, so mag daran einmal die richtige
Vortrag über die Frage der Hausanfgaben. 47
Erkenntnis achald sein^ daß es in der Frage der Haosaufgaben;
wie in so mancher anderen Schnlfrage, weniger anf Reglements
als auf ein geeignetes Eingreifen des Lehrers und auf ein besonnenes
Znsammen wirken von Schule und Haus ankommt. Dazu tritt aber
wohl noch ein weiterer Grund, nämlich das Gefühl, daß es wirklich
nicht leicht, ja kaum möglich ist, die „berechtigten Forderungen^'
der verschiedenen Fächer in dem von der Behörde festgesetzten
Rahmen für die tägliche Hausarbeitszeit unterzubringen.
Am meisten ins Gedränge wird bei dem Versuch, einen wöchent*
liehen Hausarbeitsplan auszuarbeiten und dabei jede Überbflrdung
zu vermeiden, der damit betraute Klassenlehrer an denjenigen
Wochentagen kommen, auf welche Unterrichtsstunden in fakul-
tativen Fächern angesetzt sind. Eine Berücksichtigung der
fakultativen Fächer durch Anwendung des geringeren Maßes der
zugelassenen Arbeitszeit ist durch den Erlaß vom 19. März 1896
vorgesehen und verlangt, aber nur für die 7. Klasse alter Bezeichnung.
Meines Erachtens ist es jedoch auch für die höheren Klassen durch-
aus notwendig, daß ihnen trotz fakultativer Fächer ein täglicher
Feierabend ermöglicht wird, und zwar nicht nur durch das beliebte
Mittel der Selbsthilfe: ,)Hat man keinen, so macht man einen ^^
Es nimmt sich ja auf dem Papier ganz schön ans, daß die Schüler
der drei obersten Klassen, wenn sie um 4 Uhr heim kommen, nur
noch Vli, höchstens 2 Stunden und an „schulfreien^* Nachmittagen
nur 2V8, höchstens 8 Stunden für die Schule zu arbeiten und die
übrige Zeit zur Selbstbeschäftigung und Erholung frei haben. In
Wirklichkeit gestaltet sich die Sache wesentlich anders infolge der
fakultativen Stunden, „an welchen ein großer Teil der Schüler
teilnimmt". Die Probe mache man einmal am Stundenplan einer
Oberseknnda mit ihren 34 Pfiichtstunden, zu denen noch Hebräisch,
Englisch und Italienisch kommen, so daß für einen großen Teil der
Schüler an vollen Schnltagen der Untemcht beinahe täglich bis
5 Uhr, 1— 2mal sogar bis 6 Uhr dauert. Es ist klar, daß neben
7— Sstttndigem Unterricht und 2 Stunden häuslicher Arbeit, welche
der Hausaufgabenerlaß für Schüler der drei obersten Klassen an-
zusetzen ohne Einschränkung gestattet, von einer genügenden Er-
holungszeit nicht mehr die Rede sein kann; vollends ist nicht an-
zunehmen, daß nach 9 — lOstündiger Arbeit in der Schule und für
die Schule ein junger Mensch noch Lust und Kraft habe, einer
freiwilligen Arbeit oder einer auch nur einigermaßen ernsthaften
Lieblingsbeschäftigung sich hinzugeben. Nun aber sind die fakul-
48 Eiben,
tativen Fächer von Staats wegen gewiß nicht nur ftir einige wenige
besonders Begabte eingeführt; der Erlaß vom 19. März 1896 setzt
voraus, daß ein großer Teil der Schtller daran teilnimmt; sie sind
also Schulfächer; keine Privatstunden und vollends keine Erholungs-
stunden; die Schüler bekommen darin Zeugnisse und -Aufgaben.
Es muß daher auch neben diesen Fächern noch genügend Zeit zur
Erholung und Selbstbeschäftigung übrig sein. Und dafür hat die
Schule zu sorgen, sie darf diese Sorge nicht den Schülern zuschieben.
Es läßt sich dies meines Erachtens machen durch eine entsprechende
Änderung der Ziffer 3 der Bestimmungen über die für jeden Tag
anzusetzende Hausaufgabenzeit, wie ich sie in meiner zweiten These
vorgeschlagen habe.
Die Schwierigkeit, in dem festgesetzten zeitlichen Rahmen die
auf den nächsten Tag fälligen mündlichen und schriftlichen Haus-
aufgaben unterzubringen, wächst natürlich durch die vorgeschlagene
Einengung dieses Rahmens. Aber sie besteht schon an und für
sich insofern, als die württembergischen Verordnungen über die
Hausaufgaben die Ansprüche der einzelnen Fächer weder
quantitativ noch qualitativ näher begrenzen. In dieser Be-
ziehung gehen am gründlichsten zu Werke die hessischen Verord-
nungen, die nicht bloß ein Höchstmaß der Zeit für die Hausauf-
gaben an jedem Tag ansetzen, sondern auch bei verschiedeneu
Fächern nähere Bestimmungen über Art und Zweck der Arbeiten
für dieselben geben. Ähnliche Bestimmungen enthalten auch die
preußischen Lehrpläne vom Jahr 1901 bei jedem Fach. Fürchten
Sie nun aber nicht, daß ich darum unser Heil in einem unbedingten
Anschluß an eine preußisch-hessische Hausaufgabenbetriebsgemein-
schaft sehe.
Unser württembergisches Gymnasium hat mancherlei berech-
tigte Eigentümlichkeiten, die ^s ohne Grund nicht aufgeben sollte.
Dazu gehört vor allem das lateinische Argument. Damit
komme ich zur speziellen Betrachtung unserer württembergischen
Hausaufgabenarten; eine erschöpfende Behandlung dieser Materie
in meinem Vortrag dürfen Sie übrigens weder erwarten noch be-
fürchten. Der Lehrplan vom 16. Februar 1891 verordnet, daß ins-
besondere an den Oberklassen gegenüber der Exposition die Be-
handlung der Grammatik und der Betrieb der Komposition zurück-
zutreten hat und letztere vorherrschend unter dem Gesichtspunkt
der Erhaltung der grammatischen Sicherheit und erst in zweiter
Linie als Übung in der stilistischen Gewandtheit zu behandeln ist.
Vortrag über die Frage der Hausaufgaben. 4Q
Ich mochte bezweifeln, ob diese Verordnung an allen württemfoergi-
sehen Gymnasien streng befolgt wird, und bin fttr meine Person in
der Tat auch überzeugt, daß die Beibehaltung des lateinischen
Arguments bis in die obersten Klassen vorzugsweise mit Rücksicht
auf Erhaltung der grammatischen Sicherheit sich nicht genügend
rechtfertigen läßt, daß vielmehr der Hauptgew inn dieser Übungen,
je höher hinauf sie betrieben werden, desto mehr auf dem
stilistischen Gebiet erzielt wird. Welchen Wert hat es z. B.,
daß dem Obergymnasisten je und je Gelegenheit gegeben wird,
gegen die verschiedenen Regeln zu verstoßen, die es in betreff der
Übersetzung von deutschen Daß-Sätzen durch ut, ne, quod, quin,
quominus oder mit dem Accusativus cum Infinitivo gibt ? Er muß
diese Regeln freilich einmal gehabt und verstanden und auch kompo-
sitionsweise gründlich eingeübt haben. Dann ist er aber auch jeder-
zeit imstande, in der Schriftstellerlektüre, was doch die Haupt-
sache ist, einen derartigen Satz richtig aufi^ufassen und deutsch
wiederzugeben; und je mehr er lateinisch liest, je mehr ihm in der
Exposition Beispiele für jene Regeln (z. B. für das so wichtige
tantum abest, ut — , ut — !) vorkommen, desto mehr geht ihm der
lateinische Sprachgebrauch in Fleisch und Blut über, wenn es ihm
auch vieUeicht in der Komposition anfangs noch passieren kann,
aus Leichtsinn oder Gedankenlosigkeit dagegen zu verstoßen. Das-
selbe gilt in noch erhöhtem Maße in betreflf der Sicherheit in der
lateinischen Formenlehre: ein Obergymnasist, dem in der Kompo-
sition Minerva in ihrem Zorn ein facitur in die Feder fließen läßt,
kann trotzdem in der Exposition ein beachtenswertes Verständnis
fttr die lateinische Sprache zeigen. Dienen also die Kompositions-
übungen nur dem Zweck der Exposition, dann sind sie in den
höheren Klassen entbehrlich. Um der Erhaltung der grammatischen
Sicherheit willen lohnen sie die darauf verwandte Mühe nicht, wohl
aber dann, wenn sie sich in den höheren Klassen höhere Ziele
Blecken; dann wächst der Mensch, d. h. der Schüler, mit seinen
höheren Zwecken. Gibt ja doch auch Schwend^) den hohen
Bildungswert der lateinischen Komposition zu. „Der Latein-
schüler muß .... in der Komposition beständig Kompliziertes in
Einfaches, Feines in Rohes, Abstraktes in Konkretes verwandeln,
d. h. den logischen Vorgang der Definition unzähligemale wieder-
holen.*' Statt „Feines in Rohes^' empfiehlt es sich vielleicht zu
sagen oder mindestens dem noch beizufügen: ,, Unklares, Phrasen-
*) Schwend, Gymnasium oder Realschule? S. 38.
50 Hammer, Aufgaben aus der realistischen Lehramts-
haftes in Klares, Natttrlicbes." „Wenn man sich etwas klar und
deutlich machen will/' sagt Treitschke im ersten Band seiner
Politik (8. 366), „muß man sich den Gedanken in lateinischer Sprach-
form konstruieren, man kann dann keinen Denkfehler mehr begehen/^
Gerade darum ist diese Art sprachlicher Schulung von so hervor-
ragend praktischer Bedeutung für alle diejenigen Berufsarten,
deren Objekt nicht die stumme Natur, die unbelebte Materie^
sondern die ,, redebegabten Menschenkinder^' sind. Aus den Ge-
bieten der Geschichte, des politischen und sozialen Lebens sind die
Themata für die lateinischen Argumente vorzugsweise genommen,
und zwar sind es in den obern Klassen mehr und mehr moderne
deutsche Originaltexte mit all den stereotypen Begriffen und Schlag-
wörtern, mit denen unsere modernen Sprachen um sich zu wei*feu
pflegen. Diese fortgesetzte Gewöhnung, dem wahren Sinn von
Wörtern nnd Redensarten auf den Grund zu gehen, erzeugt am
sichersten jenen geistigen Habitus, der den wirklich Gebildeten vom
Halbgebildeten unterscheidet. (Schluss folgt.^
Aufgaben aus der realistischen Lehramtsprüfung in
Trigonometrie und mathematischer (reographie.
Von E. Hammer.
Zum drittenmal möchte ich hier die Aufgaben der Lehramts-
prüfung in dem obengenannten Fache und ihre Lösungen kurz
besprechen, und zwar die aus den Jahren 1903 und 1904. Wie
früher habe ich dabei den trigonometrischen und mathematisch-
geographischen Unterricht in der Oberrealschule im Auge.
1. Bei der ersten Aufgabe von 1903: „In einem ebenen recht-
winkligen Koordinatensystem sind gegeben zwei Punkte A imd B:
A I X. = — 17 421,34 ya = + 16 427,83
B I Xb = — 17 873,62 yi, = -^-16 051,45
zur Bestimmung der Koordinaten eines Punktes B' nahe bei B
sind gemessen:
Strecke BB' = 1,02 Meter,
in B' der Winkel zwischen B links und A rechts = 116*^,1.
Was sind, auf 1 cm genau, die Koordinaten des Punkts B'? (Ein-
fachste Rechnung mit Begründung)^^ habe ich eine in den Zahlen
für B', ja auch nur in der anzustellenden Überlegung richtige Lösung,
Meter;
prüfüng in TrigoDometrie und mathematbeher Geographie. 51
nach nan 20jähriger Prttfnngserfahrnng, kaum erwarten dürfen. Dazu
ist der ganze trigonometrische Unterricht, den die Lehramtskandidaten
ihrer Zeit selbst genossen haben (er liegt ja dazu meist weit
hinter ihnen in wesenlosem Scheine), und damit yielfach auch der,
den sie selbst erteilen werden, zum Teil wenig angetan. Abgesehen
war es hier auf folgende Überlegung: 1. Wie genau muß der
Richtungswinkel (BB') ^) bekannt sein, ^j^
damit auf BB' = 1,02 m Länge der
Endpunkt B' dieser Strecke, deren
Koordinaten auf 1 cm genau berechnet
werden sollen, um nicht über V» cm
falsch zu liegen kommt V Antwort : auf
m-? = 0''>28
(1)
+X
"■
+^A
(im Kopf rechnen, praktisch genau ^/2oo
von 57^,3). 2. Um wieviel unter- ^A.
scheiden sich, bei BB' = 1,02 m, im 1 /oc
„schlimmsten^^ Fall die Richtungs-
winkel (BA) und (B'A)? Antwort:
der Richtungswinkel (BA) ist, vgl.
Fig. 1, um a größer (B'A)5 je nach Fig. 1.
der Richtung der von B ausgehenden, im Vergleich mit BA kurzen
Strecke BB' schwankt der Winkel a zwischen dem Minimum 0 (BB'
in der Richtung gegen A oder geradlinig von A abgekehrt) und
einem Maximum, dem angedeuteten ,, schlimmsten^^ Fall, eintretend,
wenn BB' quer (normal) zu BA liegt. In diesem Fall ist, mit genügender
Näherung (solang z. B. BB' nicht über V5o von BA wird),
Rechnet man (vorläufig, also z. B. rasch mit der Quadrattafel) ge-
nähert, z. B. auf 1 m, die Länge von BA aus, so findet man BA =
588 m und damit also
a max -yg • O ' ,0,
>) Wenige Dinge in der praktischen Mathematik haben bekanntlich
60 viele Namen und Bezeichnungen erhalten, wie der Winkel, der eine
bestimmte Richtung in der Ebene des rechtwinkligen Koordinaten-
systems festlegt; allgemein üblich ist ja sogar noch nicht einmal die
«Beziehung'' des Winkels auf die x-Achse. Der obengebrauchte Name
ist wohl der beste.
62
Hammer, Aufgaben aus der realistischen Lehramts-
oder (ohne jedes Rechenhilfsmittel genügend)
«mm, = OM. (2)
Vergleicht man dieses Ergebnis (2) mit der nach (1) erforderlichen
Genauigkeit, so zeigt sich, daß hier a vollständig vernachlässigt
werden darf, daß bei der verlangten Schärfe der Rechnung (BA) =
(B'A), also auch der Winkel
3 = 180" — 11 6«,1=63'>,9 gesetzt werden darf;
B ist in Wirklichkeit um a kleiner als dieser Betrag, aber der Unter-
schied kommt nicht in Betracht. Man hat also nur, mit 3- bis
höchstens 4stelligen Logarithmen den Richtungswinkel (BA) auszu-
rechnen, wie immer nach
Vo. — — vk
(BA) =: arc tg - ' (Endpunkt voran !), hieraus
X» — Xb
(BB')=(BA)-|-B zu bilden, wobei es aufO'^,1 und mehr gar
nicht ankommt, ^und hieraus endlich die algebraischen Zuschläge
zu den Koordinaten von B, um die von B' zu erhalten,
1,02 . cos (BB') und 1,02 . sin (BBO
zu berechnen. Für die ganze Rechnung von Beginn bis zum Schluß
braucht man nichts als den Rechenschieber; will man logarithmisch
rechnen, so sieht die Rechnung folgendermaßen aus:
y«-yb=+ 376,4
EScba)
Xa — Xb = -H 452,3
2.5766
0.114
2JB554
9.9202
2.769)
Ax I 9.382n I Ax=-0,24
cös(BB') 9.373 n
1,02
sin (BBQ
Ay "
0.009
9.988
9.997
Ay =4-0,99,
(BA)= 39»,8
+ B= 63«,9
(BBO = 103«,7
(besser 103®,6,
tg (BA) 9.9202 '^as aber ganz
(BA 2.769) gleichgült. ist)
(BA=588nj,ft.o.>
somit die Koordinaten von B':
X = — 17 873;62 — 0,24 = — 17873,86
y = 4- 16 051,45 + 0,99 = + 16 052,44.
Ich darf den Raum dieser Zeitschrift nicht zur ausftlhrlichen
Aufzählung der von den Kandidaten versuchten Auflösungen in
Anspruch nehmen, so lehrreich diese zum Teil wären; angedeutet
sei nur, daß mehrere Kandidaten sich in der Genauigkeit der
Rechnung des Winkels a gar nicht genug tun konnten (0'',001 kam
vor), ebenso in der Genauigkeit der (aber natürlich falschen) Ko-
ordinaten von B' (0,01 und 0,1 mm). Mehrfach wurde Kontrolle-
rechnung von A aus versucht, die bei der Einfachheit der vor-
stehenden Überlegung und Rechnung (die füglich ganz im Kopf
gemacht werden kann) ganz überflüssig ist; ein Kandidat wollte B'
prfifung in Trigonometrie und mathematischer Geographie. 53
analytisch-geometrisch als Schnittpunkt zweier Kreise rechnen, Kreis
über BA als Sehne mit dem Peripheriewinkel 116^,1 und Ej-eis um
B mit 1,02 m Halbmesser, hat dann aber die Durchftihmng in Zahlen
glücklicherweise unterlassen (nebenbei bemerkt, hätte er auf kurzem
Weg von dieser Betrachtungsweise aus zu einer der vorstehenden
ähnlichen Lösung gelangen können); ein in den Zahlen richtiges
Resultat hat niemand erreicht.
2« Aufgabe von 1903: „Auf einer Kugelfläche von 124,5 mm
Halbmesser soll mit dem Zirkel ein Kleinkreis so gezogen werden,
daß das diesem Kleinkreis einbeschriebene gleichseitige sphärische
Dreieck an Fläche gleich Vd des Oktanten der Kugeloberfläche wird.
Wie ist zu verfahren?"
Antwort: Es ist die Sehne x = 2r • sin -5^ zu rechnen, (denn
diese allein kann man „in den Zirkel nehmen"), die auf der Kugel
von r = 124,5 mm Halbmesser
dem sphärischen ümkreishalb-
messer K des verlangten gleich-
seitigen Dreiecks entspricht.
Dieses gleichseitige Dreieck ist
durch seinen Exzeß bestimmt,
d. h. es ist also der Winkel
des gleichseitigen Dreiecks / ^.^-^ jff^^^^-^s/^l* 3^*
OC'IO
gegeben. Der Exzeß ist ^/s
von 90^, denn der Kugelober-
flächenoktant hat 90*^ Exzeß; Fig. 2.
oder die Winkelsumme ist 180^ -f 30^ = 210« oder
a = 70^ \ = 35^
Hieraus wollten nun mehrere Kandidaten die Seite des Drei-
ecks bestimmen, z. B. aus
cos a = ctg 70^ . ctg 35^ (vgl, Fig. 2),
andere auf anderem Weg; aber die Kenntnis von a ist ganz über-
flttssig. Mehrere Lösungen haben die freilich wichtige Formel
benützt :
also hier
=V'
ctg R - ^ f ^^® ^^ "" *) ^^* (^ " ^^ ^^^^ (° "■ ^^
— cos o
ctg R = a/"-?^'4° ~ 'l (3)
C08 0
64
Hammer, Aufgaben ans der realistiBcben Lehramts-
8a
wo a = -g- = 105® und a — a = 35® ist, also die Rechnung sehr
einfach so aussieht:
cos (o — a)
cos* (o — a)
E(— coso)
ctgR
9.91886
9.74008
0.58700
0.32708
0.16354
a-a= 35«
o = 105«
. R
sm 2
2r
9.4716
2.3962
2r8m2
1.8678
R = 34«27',5
~ = 17» 13',8
2r = 249 mm
X = 73,75 mm
Aber auch wer die Formel (3), bei deren numerischer Anordnung
es bei nicht weniger als 4 Kandidaten nicht ohne Fehler abging,
nicht gerade auswendig vorrätig hat, kommt, sogar noch einfacher
als durch (3), zum Ziel, indem er beachtet, daß die drei Höhen des
gleichseitigen Dreiecks im sphärischen Mittelpunkt Winkel von 60®
herstellen, also R Hypotenuse eines rechtwinkligen Dreiecks mit
den Winkeln 60^ und 35®, d. h.
cos R = ctg 60^ . ctg 35® (4)
ist, wobei noch für ctg 60^^ = y^ keine Logarithmentafel gebraucht
wird (log 3 auswendig 0.47712). Die vollständige Rechnung ist
damit diese:
1:V^
ctg36*>
9.76 144
0.15 477
R = 34« 27',5
2 = IV 13',8
cosR
9.91 621
9.4716
2.3962
1.8678
. R
sm -g-
2r = 249,0 mm
X = 73" /* mm.
2r
X
1
Nur die in R erforderliche Schärfe ist noch zu überlegen; bei
124,5 mm Kugelhalbmesser entspricht dem Kugelzentriwinkel 1® auf
'1
der Oberfläche der Bogen 124 • ^« = rund 2,2 mm, also 1' nur etwa
0,0036 mm (^/«so mm). Da nun in x der vorliegenden Aufgabe jeden-
falls die Genauigkeit von Vio, im äußersten Fall V20 mm ausreicht,
so kommt es auf 1' oder selbst einige ' in R nicht an, so daß die
Rechnung aus cos beim Betrag 34® nicht zu beanstanden ist.
Wie stets bei allen Aufgaben aus der Kreis- und Kngelrech-
nung zeigte sieh auch hier wieder, daß die Kandidaten den richtigen
180*
Gebrauch der Zahl ()® = nicht gentLgend kennen, z. B. haben
Prüfung in Trigonometrie und matheroatiseber Geographie. 55
mehrere Kandidaten umständlich aus der Gleichung
, s 1 4wr*
P 3 8
endlich gefolgert
1
dann aber zunächst n(} ruhig stehen lassen (=180^!); ja es kam
vor, daß; indem für n und q verschieden genaue Näherungswerte
genommen wurden^ logarithmisch berechnet wurde s = 108002''y5
(statt 108000" = 30'^); und zwar wurde (besonders geschickte Rech-
nung!) durch östellige Rechnung £ auf 7 Ziffern gefunden. —
3. Aufgabe von 1903: „Die Sterne auf wie viel „Quadratgraden^^
der ganzen scheinbaren Sphäre (ohne Rtteksiclit auf die Refraktion)
kommen allmählich im Lauf des Jahres einem Beobachter zu Ge-
sicht, je nachdem die geographische Breite seines Beobachtungsorts
0*> oder 45« oder 90» beträgt?''
Durch eine „Anleitung^^ war der Gebranch des „ Quadratgrads ^'
der Astronomen erläutert: ein sphärisches Dreieck mit e^ Exzeß
ISO*
enthält q^ - b^=^ • s^ „Quadratgrade". Die Anleitung wurde
vielfach nicht richtig verstanden; ein ganz richtiges Ergebnis ist
von keinem Kandidaten erreicht worden. Am anschaulichsten wird
vielleicht der Begriff des Quadratgrads an einem gleichschenkligen
Quadrantendreieck mit dem Winkel 1« (Dreieck mit 2 Seiten je
= 90", also auch die zwei Gegenwinkel = 90 ^, dritte Seite 1*',
also auch Gegenwinkel 1^; Hälfte eines Kugelzweiecks von 1*'
Winkel); dieses Dreieck enthält (>" = 57,296 Quadratgrade (qu):
denkt man sich auf seinen Seiten 90^ von den rechten Winkeln
aus Abschnitte von je P, so wird das erste der so gebildeten Vier-
ecke schon nahezu 1 qu enthalten, die Fläche der Vierecke aber
um so mehr abnehmen, je weiter sie sich von der Seite P ent-
fernen (dem Winkel 1^ nähern). Man überschlägt leicht, daß das
ganze Dreieck nur etw^a 60 qu (genauer p^' qu) enthalten wird.
Die ganze Kugeloberfläche umfaßt 720^ • q'' = 41 253 qu, die
Halbkugelfläche 20626 qu, je auf 1 qu abgerundet.
Ein Beobachter in einem Punkt des Äquators würde, wenn die
Sterne auch sichtbar wären, solange die Sonne über dem Horizont ist,
in einem Tag alle Sterne des Himmelsgewölbes zu Gesicht bekommen;
in Wirklichkeit erblickt er aber diese Gesamtfläche des gestirnten
Himmels erst im Lauf eines Jahres allmählich in seinen stets halb-
56 H-ammer, Aufgaben aus der realistischen Lehramts-
tägigen Nächten. Jedenfalls erscheinen ihm aber alle 41 253 qu.
Umgekehrt hat ein Beobachter in einem Pol der Erde im Lauf
seiner halbjährigen Nacht stets dieselbe Halbkugel des Himmels
'über und um sich; er würde auch, wenn er während seines halb-
jährigen Tags die Sterne sehen könnte, keine andern Sternbilder
erblicken, er übersieht im ganzen Jahr nur dieselben 20626 qu.
Zwischen diesen beiden Extremen, der ,,8phaera recta'' und
der „sphaera parallela^' der alten Eosmographen, müssen also
alle Fälle der ,,spbaera obliqua^^ liegen für (absolut)
90« > 7) > 0".
Für <^ = 45«, nach was noch gefragt ist, lautet die unmittelbar an
der Figur abzulesende Antwort
180 (2 -f V2) . 57,296 qu = 35 212 qu (auf 1 qu abgerundet) ;
allgemein ist die für den Beobachtungsort rp sichtbar werdende Zahl
der Quadratgrade der Himmelstiäche
360 (1 + cos (f) . ^« qu oder 41 252,96 . cos« -| qu. (5)
Von den 3 Aufgaben des Jahres 1904 war die erste wieder eine
„künstliche" oder ,, Schulaufgabe", bei der es sich nur um richtige
Zahlenrechnung handelte :
„Die Längen der drei Höhen eines ebenen Dreiecks verii alten
sich wie die Zahlen 101, 102, 103. Was sind die Winkel dieses
Dreiecks (auf 0',1 genau)?"
Es ist, wenn h^ die Höhe auf a, \ auf b, h3 auf c bezeichnet :
a : b : c : = j^- : j;^ : j^^- = (hg . h.,) : (hg • h^) : (h^ • )\^ ) (6)
nnd diese letzte Form der Proportion für die Seiten ist deshalb
am bequemsten, weil man sich aus den gegebenen Verhältniszahlen
die für h^ • hj u.s.f. leicht im Kopf bildet
(101 X 102 = 10 000 + 200 + 100 -f 2 = 10 302 u.s.f. ).
Man erhält aus diesen Zahlen für die Seiten des Dreiecks
nach der gewöhnlichen Rechnungsweise mit 58telligen Logarithmen
folgende Wiukelwerte:
Y=59o 2',i
ß=59"59M
a = 60» 58',9
y/2 = 290 31' 2"
ß/j = 29« 59' 33"
a/, = 30«29'27"
90^ 0' 2" also Widerspruch 0',1,
■
womit der Genauigkeitsforderung der Aufgabe genügt ist. — Mit
6 — Tstelligen Logarithmen findet man
y = 59^ 2' 5",3 ß = 59" 59' 2",7 « = 60^^ 58' 52'',0.
pFÜfang in Trigonometrie und mathematischer Geographie. 57
Zu beachten ist etwa für den elementaren Unterricht der Satz:
im ebenen Dreieck geht vom Scheitel des kleinem Winkels die
lungere Höhe aus und umgekehrt.
Bei dieser Aufgabe ist von den Kandidaten z. T. künstlich
gerechnet worden. Um symmetrisch zu verfahren, wurde z.B. auf
einen Ausdruck für die Fläche F des Dreiecks in den drei Höhen
ausgegangen (vgl. Hammer, Trigonometrie, 2. Aufl. 1897, S. 252),
womit allerdings die Winkel einfach zu berechnen sind nach
hs • hs . ^ h« • hl . h, . ha .
8ina = ~2p-» Bmß = -^Y; 8^^y = ~2F~' ^'^
allein der Ausdruck für F in h^, h^, \i^ ist etwas umständlich zu ent-
wickeln. Es hat auch kein Kandidat auf diesem Weg ein richtiges Resul-
tat erhalten. Noch häufiger wurde unsymmetrisch verfahren, z. B. von
8ina:sinj$ = h2 : h^ und sina : sin (a -|- /S) = h^ rh^
ausgehend folgender Ausdruck für cosfi gefunden:
,,. Ä _ »^1' »'«• + h.»h.^-h3*b,«
cos/S = 2h3.h,.h,* (8)
(woraus noch von einem Kandidaten sin ß entwickelt wurde, um
dann auch aus dem entsprechenden Ausdruck sin a zu rechnen,
y aber — nach y = 180^ — [/?-}" «])• ^^^' Ausdruck (8) für die cos
der Winkel in den Höhen ist auf verschiednen Wegen entwickelt
worden; etwas bequemer für die Rechnung ist
2 - -
haha
oder endlich (wenn auch diese Form zunächst scheinbar nicht so
symmetrisch ist)
COS « = -^- -^ 1^- (10)
*^
Selbstverständlich sind durch zyklische Vertauschung die Formeln
für cosß und cos/ aufzustellen; ein Kandidat hat nach (10) wenig-
stens sehr nahezu richtige Winkelwerte berechnet (größter Fehler 0',8).
Aber alle diese Versuche können gegen den im Anfang angegebenen
nächstliegenden Weg nicht aufkommen. Fast alle Kandidaten haben
gegen die Symmetrie der Bezeichnungen verstoßen (z. B. h Höhe
auf a, h' auf C; h'' auf b u. dgl.); man kann bei ähnlichen Auf-
gaben nicht genug auf die Wichtigkeit strenger Symmetrie in der
Bezeichnung hinweisen!
Korretpondexublatt 1906, Heft 2.
56 Hammer, Aufgaben aus der realistischen Lehramts-
tägigen Nächten. Jedenfalls erscheinen ihm aber alle 41253 qu.
Umgekehrt bat ein Beobachter in einem Pol der Erde im Lauf
seiner halbjährigen Nacht stets dieselbe Halbkugel des Himmels
'über und um sich; er würde auch, wenn er während seines halb-
jährigen Tags die Sterne sehen könnte, keine andern Sternbilder
erblicken, er übersieht im ganzen Jahr nur dieselben 20626 qu.
Zwischen diesen beiden Extremen, der „sphaera recta'' und
der ,,sphaera parallel a" der alten Kosmographen, müssen also
alle Fälle der „sphaera obliqua^^ liegen für (absolut)
90« > ^ > 0^
Für (p = 4:b^, nach was noch gefragt ist, lautet die unmittelbar an
der Figur abzulesende Antwort
180 (2 + V5) . 57,296 qu = 35 212 qu (auf 1 qu abgerundet) ;
allgemein ist die für den Beobachtungsort (f sichtbar werdende Zahl
der Quadratgrade der Himmelstläche
360 (1 -f cos (p) ' ^« qu oder 41 252,96 • cos« ^ q«. (5)
Von den 3 Aufgaben des Jahres 1904 war die erste wieder eine
„künstliche" oder „Schulaufgabe", bei der es sich nur um richtige
Zahlenrechnung handelte :
„Die Längen der drei Höhen eines ebenen Dreiecks verhalten
sich wie die Zahlen 101, 102, 103. Was sind die Winkel dieses
Dreiecks (auf 0',1 genau)?"
Es ist, wenn h^ die Höhe auf a, h^ auf b, h^ auf c bezeiclinet :
a : b : c : = j-j- : j^ : j^ = (hg . hg) : (hg . h^) : (h^ • hg ) (6)
und diese letzte Form der Proportion für die Seiten ist deshalb
am bequemsten, weil man sich aus den gegebenen Verhältniszahlen
die für h^ • h^ u.s.f. leicht im Kopf bildet
(101 X 102 = 10 000 + 200 -I- 100 4- 2 = 10 302 u.s.f. ).
Man erhält aus diesen Zahlen für die Seiten des Dreiecks
nach der gewöhnlichen Rechnungsv/eise mit 5stelligen Logarithmen
folgende Wiukelwerte :
y/2 = 29«B1' 2"
ß/a = 29« 59' 33"
a/, = 30« 29' 27"
90« 0' 2"
Y = 59« 2',1
ß = 59« 59M
« = 60« 58\9
also Widerspruch 0',1,
womit der Genauigkeitsforderung der Aufgabe genügt ist. — Mit
6 — Tstelligen Logarithmen findet man
y = 59 ^ 2' 5'',3 ß = 59^^ 59' 2",7 « = 60'' 58' 52",0.
prttfung in Trigonometrie und mathematischer Geographie. 57
Za beachten ist etwa für den elementaren Unterricht der Satz:
im ebenen Dreieck geht vom Scheitel des kleinem Winkels die
längere Höhe ans und umgekehrt.
Bei dieser Aufgabe ist von den ELandidaten z. T. kttnstUeh
gerechnet worden. Um symmetrisch zu verfahren^ wurde z.B. auf
einen Ausdruck für die Fläche F des Dreiecks in den drei Höhen
ausgegangen (vgl. Hammer, Trigonometrie, 2. Aufl. 1897, S. 252),
womit allerdings die Winkel einfach zu berechnen sind nach
ha • h, . hj . h, h, . h, .
sina = -2p-» 8in/9 = -2^,-» Biny=z-^^. (7)
allein der Ausdruck für F in h^, h^, h^ ist etwas umständlich zu ent-
wickeln. Es hat auch kein Kandidat auf diesem Weg ein richtiges Resul-
tat erhalten. Noch häufiger wurde unsymmetrisch verfahren, z. B. von
sin a : sin /? = hj : h^ und sin a : sin (a -|- /?) = hj : h^
ausgehend folgender Ausdruck für cosfi gefunden:
^^*^ = 2h3.h,.h,« (8)
(woraus noch von einem Kandidaten sin ß entwickelt wurde, um
dann auch aus dem entsprechenden Ausdruck sin a zu rechnen,
y aber — nach y = 180^ — [/? + «]). Der Ausdruck (8) für die cos
der Winkel in den Höhen ist auf verschiednen Wegen entwickelt
worden; etwas bequemer für die Rechnung ist
cosaJä-lX^^ (9)
2-*-
oder endlich (wenn auch diese Form zunächst scheinbar nicht so
symmetrisch ist)
Selbstverständlich sind durch zyklische Vertauschung die Formeln
für cos^^ und cos/ aufzustellen; ein Kandidat hat nach (10) wenig-
stens sehr nahezu richtige Winkelwerte berechnet (größter Fehler 0',8).
Aber alle diese Versuche können gegen den im Anfang angegebenen
nächstliegenden Weg nicht aufkommen. Fast alle Kandidaten haben
gegen die Symmetrie der Bezeichnungen verstoßen (z. B. h Höhe
auf a, h' auf c, h" auf b u. dgl.) ; man kann bei ähnlichen Aul-
gaben nicht genug auf die Wichtigkeit strenger Symmetrie in der
Bezeichnung hinweisen!
Korreapondensblatt 1006, Heft 8.
60
Hammer, Aufgaben auB der realistiBchen Lehramts-
Die Gerade, in die sich die Kugelloxodrome mit dem konstanten
Meridianwinkel a in der Mercatorebene abbildet, scbliesst mit den
geradlinigen parallelen Meridianbildern (Abstände '= den ent-
sprechenden Äquatorbögen der Kugel) denselben Winkel a ein, die
(tf^dj)
Fig. 4
loSf>
läigsL
T^Tbene.
Abbildung ist „winkeltreu^. Aus dieser Forderung der „Konformität^
der winkeltreuen zylindrischen Abbildung ergibt sich das Abstands-
gesetz der geradlinigen Parallelkreisbilder vom Äquatorbild zunächst
in der Form
dy = R.-^
^ cos 9
und hieraus fttr y, vom Maßstab der Abbildung abgesehen, die
Gleichung
y = R.lognat(45'>+-|) (13)
Alles dies war angegeben, und es handelte sich, abgesehen von der
Rechnung für den Großkreis, nur darum, für die Lozodrome nach
diesen Angaben a und s zu berechnen.
FUr den Großkreis war zu beachten, daß der Bogen nur
18 bis 19^ lang ist (Schätzung aus den geogr. Koord. wie?), demnach
bei der von den meisten Kandidaten vorgezogenen Rechnung nach
den Grundformeln des sphärischen Dreiecks (cos a = . . . ., dann
die Winkel nach dem Sinussatz) die erreichbare Genauigkeit nicht
groß ist; dem Fehler von 1 Einheit der 5. Log. Dez. in log cos a
entspricht ein Fehler von V* — V»' in a oder, da 1' Bogen fast 2 km
lang (1,85) auf der Erdoberfläche vorstellt, ein Fehler von rund
Vs km. Da außerdem neben a auch die Winkel ß und / im Anfangs-
und Endpunkt verlangt sind (Kurs in A gleich /?, inB gleich 180*^ — y),
so rechnet man besser nach den Delambreschen Gleichungen oder,
falls diese nicht auswendig vorhanden sind, den Neperschen Glei-
chungen, womit sin ^/^ und damit a scharf bestimmt wird, endlich
die Winkel nach dem Sinussatz.
prttfung in Trigonometrie und mathematischer Geographie. 6 1
Man erhält durch dstellige logarithmische Rechnung:
Kurs in A = 42U8' (genauer 42'>48',1)
„ „ B = 56« 30' ( „ öö'» 29',6),
^roßkreisbogen a = IS'^ 32' 16", entsprechende Länge
R . arc a = 6375 • ^ J^-^l^ = 2062,6 ki«,
wobei diese Entfernung jedenfalls auf 0,1 km richtig ist.
Die Frage nach dem Rurswinkel auf den Schnittpunkten mit
den Meridianen 55^^ und ib^ W. Gr. war besonders gestellt, um den
Kandidaten die allmähliche Zunahme des orthodro mischen Kars-
winkels von 42*^,8 auf 56*^,5 vor Augen zu führen. Hier ist z. T.
recht künstlich gerechnet worden. Die Aufstellung der Bedingung
dafür, daß drei durch ihre geographischen Koordinaten (A, qp) ge-
gebene Punkte der KugeloberAäche demselben Großkreis angehören,
nämlich
tg 91 sin (^,2 — ^.3) 4- tg (p, sin (^3 — kj) + tg tp.^ sin (k^ — X^) = 0,
vereinfacht die Rechnung hier nicht: man kann damit allerdings
bequem die Breite ip^ rechnen, in dem der Meridian k^ vom Groß-
kreisbogen {kl <pi) {k2 fpf) geschnitten wird, muß aber dann noch den
Sinussatz für den Knrswinkel daselbst anwenden ; besser direkt, in-
dem in dem zu berechnenden Dreieck P^PgPol oder P2P3P0I jetzt zwei
Winkel und die zwischenliegende Seite bekannt sind, während nur
der dritte Winkel gesucht, also die Formel
cos a = — cos ß cos y-\-Binß sin y cos a
anzuwenden ist. Man findet die Kurswinkei (dies ist, wie oben,
stets der Winkel zwischen dem Groß kr eisbogen [in der Richtung
der Fahrt, also gegen B hin], mit dem Nordzweig des Meridians)
auf 55'> Länge W. Gr 46^^ 28' (genauer 46^ 27',8)
n 45' „ ,> n ....53'»34'( „ 53^34',0),
also Werte, die, wie schon angedeutet, die Zunahme der Kurswinkel
von A gegen B hin zeigen. (Ein Kandidat hat die Endkurswinkel
42*^,8 und 56'^,5 richtig ausgerechnet, für die eben berechneten
Kurswinkel dazwischen aber 67'^,4 und 2P,1 erhalten und ruhig
stehen lassen.)
Was nun die loxodromische Rechnung angeht, so liest
man für den Kurswiukel a aus der Mercatorabbildung unmittelbar ab :
ie ~ RCJ^rcX^ — arcXt), wo k^ — X^ = 19« 84' J ist arc (X, — XJ
*"'R)lognattg(45«+24*»55',75)— lügcuat(45'> + 18"51',25)l~' i ^g ^9" 55^75 ^ ^
tg 68« 51',25
g2 Hammer, Aufgaben auB der realist. Lehramtsprüfung etc^
Die Ansrechnung dieses Ausdrucks, den wenigstens so ziemlich
alle Kandidaten angeschrieben haben, ist aber wieder nur einem
einzigen gelungen! Wenn man zur Ausrechnung des Zählers eine
genflgend ausführliche arc-Tafel (östellig in guten östelligen loga-
rithmischen Tafeln) hat und zur Verwandlung der zunächst zu
Gebot stehenden log^^ in die log nat nach
lN=-^log"N mit J = 2,30258509...
M AI IQ
noch Tafeln der Vielfachen der Zahl ^ verwenden kann, wie sie in
mehreren logarithmischen Tafelsammlungen sich finden (vielstellig
z. B. in der schönen Tstelligen Schrönschen Tafel, Sstellig bei Gauß,
Gstellig bei Rex), so wird die Rechnung äußerst bequem: Man findet
dann 5stellig:
0,34 171 1 9.53 365
tga = n
0,29 530
M7026
0.06 339
a = 49n0',0
als den konstanten loxodromischen Winkel. Auch die logarithmi-
sche Rechnung des Nenners in (14) ist aber selbstverständlich so
einfach, daß ich sie hier weglasse, obgleich, wie gesagt, sämtliche
Kandidaten mit Einer Ausnahme an dem log log gestrauchelt sind.
Zu beachten ist, wie nahe der loxodromische Kurswinkel a = 49*^2
mit dem Mittel der Anfangs- und Endkurswinkel für den Groß-
kreisbogen ttbereinstiramt: dieser Durchschnitt, ^-- (42^,8-}- 56^,5)
= 49^,6, ist nur um rund Va® größer als a.
Um schließlich die Länge des Loxodromenbogens zu berechnen
(dies ist von keinem Kandidaten ausgeführt worden), ist, nach dem
cxD kleinen, bei A gebildeten rechtwinkligen Kugeldreieck, vgl. Fig. 4,
A^ R-d9
d8 = -, /lo)
cosa ^ '
somit
8= - ^^
J^«* R.dy
cos OL
9i
wobei a konstant und bereits ausgerechnet ist, oder es wird
8 = arc ((f 2 — 9i) ; (16)
die östellige Rechnung sieht also folgendermaßen aus:
Weller, Imagines Tnbingenses. 63
arc(qp, — 9,) ; 9.32 646 _ <P? — 9i = 12« 9;,0
E cos a 0.18 451 , arc ( ) = 0,21 206
K 3.80448 ; 729'
od. log. nach
s 8 31545 ^ p'
8 = 2067,5 km
I
Der Loxodromenbogen ist also hier, bei gegen 2100 km Länge,
nur um rund 5 km länger als die Kürzeste, der Großkreisbogen a.
Schärfere Rechnung gibt dasselbe; z. B. werden die Zahlen bei
durchaus 6stelliger Rechnung (Bremiker— Albrecht mit Verwendung
der arc-Tafel und der w -Vielfachen-Tafel bei Schrön")
M
0 Riil 70fi4.
*^* = |S5W' log tga = 0.063 389, « = 49^10' 0",
log a = 3.315 449, s = 2067,51 km,
während Gstellige Rechnung des Großkreisbogens (nach den Delambre-
schen Gleichungen) •/2=9" 16'8",68, a= 18 ^32' 17'',4 oder 2062,64 km
liefert. In der Tat ist also der Loxodromenbogen nur um 4^9 km
länger als der Großkreisbogen.
Imagines Tubingenses.
Von Dr. Weller-Stuttgart.
Aula.
Fert via directo tacita ad convallia tractu
Ex hominum turba de strepituque fori:
Conspicuas podiis, vivus quae pampinus omat,
Dextera magnificas pars habet ecce domos;
Laeva salutiferis pars est memorabilis hortis,
Flore peregrinis arboribusque viget.
In medio genius sub ramis serta ministrat
Aurea divinas implicitura comas:
Nempe tnas, Charitis qui dulcia sacra colebas,
Dum subiit mentem nox tenebrosa tuam.
lamque viae finis: sub latis aedibus altos
En puteos, quorum nunc silet unda loquax.
Intus enim Sophiae dulcis scatit unda perennis.
Et iuvenes multi sacra fluenta bibnnt.
$4 Nestle, Zu d. Mitteilg. üb. Kaiser Trajan u. Papst Gregor.
Atria iam patefacta nitent intrantibus ampla^
Est partes dignis conspicuasque yiris:
Despicit en Suebae stirpis par nobile vatum,
Schellingas docto iangitar Hegelio;
Hie, qui mensus eras caelnm, fraudatas at usu
Lucis ab humano, docte, farore tuae.
Aureus hie fnlget titulns, qui nuntiat illos^
Qui mortem iuvenes oppetiere bonam:
Armis parta tegit procul hos iam terra iacenteS;
Sed memor in vivis usque valebit amor.
At subito campana sonat: Concurrit in aulam
De scalis facili vivida turba pede.
Taenia laeta tegit laetos hilarisque galerus,
Vix stimulo vexat pallida cura caput:
Seu vaga terribilis formido examinis instat,
Seu quid inezplicitum solvere fata negant.
Dum foribus iuvenes et progrediuntur et intrant,
Sermonum varios percipis aure sonos:
lamque gravis lenteque fluens vox Suebica vincit,
Acrior Arctoo iam datnr ore sonus.
Sicut iuncta feros pepulit gens Tentona Oallos,
. Hie quoque Pieriis iuncta rigatur aquis.
Optima V08; iuvenes, confirmet lympha benigna,
Ut decoret meritos laurea palma viros.
Zn der Ifitteilung über Kaiser Trajan und Papst (Tregor.
Zu meiner Mitteilung tlber Kaiser Trajan und Papst Oregor
den Grossen (Korrespondenzblatt 1904 S. 411) verwies mich Professor
Viktor Chauvin in Lüttich auf die Legenda aurea des Jacobus
de Voragine. Er hatte die Freundlichkeit, aus der seltenen franzö-
sischen Übersetzung (La legende doree par Jacques de Voragine
traduite du latin . . . par, M. 6. B[runet] Paris, 1854. Denxl6me
s^rie, pp. 42 — 44) mir den ganzen Passus abzuschreiben. Weiter
fUgte er bei, daß, wenn er sich nicht täusche, auch Thomas von
Aquino den Fall in seiner Summa bespreche. Ein katholischer
Kollege wird letzteres leicht nachweisen können; die ganze Stelle
Amtliche Bekanntmachimg. — Literarischer Bericht. 55
der Legenda ^nrea abzndrucken, reicht der Raum des Blattes nichts
so anziehend sie ist.
Manlbronn. £b. Nestle.
Zu 1904 S. 454 Anmerkung die Ergänzung, daß das Eucho«
logion (ed. rom. p. 352, ed Goar 575) piniQX^xat (nicht dnaQXBTai)
hat und proficiscitur übersetzt.
Amtliclie Bekanntmachung.
Die Verlagsbuchhandlung von Ernst Hofmann & Co. in Berlin
hat das Buch „Schiller" von Otto Harnack, nunmehr Professor
an der Technischen Hochschule in Stuttgart, in zweiter Auflage
herausgegeben und liefert das Werk, dessen Ladenpreis 7 Mark
beträgt, ,,den Mitgliedern staatlicher und städtischer Behörden^' zum
Vorzugspreis von 5 Mark, der sich bei größeren Bezügen noch
weiter stufenweise ermäßigt. Den Schul vorständen wird das Buch
zur Anschaffung für die Schul- und Schttlerbibliotheken und für
Schülerprämien empfohlen.
Stuttgart, den 4. Februar 1905.
K. Ministerialabteilung für die höheren Schulen.
Abieiter.
Literarischer Bericht
F. Paulsen, Die höheren Schulen Deutschlands und ihr
Lehrerstand in ihrem Verhältnis zum Staat und zur
geistigen Kultur. Braunschweig, Vieweg.
Ein Wort zur Empfehlung dieses bekannten, auf dem ersten
deutschen Oberlehrertag gehaltenen Vortrags, durch den Paulsen seinen
^oßen Verdiensten um unsere Sache und unseren Stand ein weitere»
hinzugefügt hat, ist in diesen Blättern überflüssig. Man möchte wünschen,
man könnte manchen Kreisen und Gruppen die Lektüre dieser Rede
zur Auflage machen. Einmal denjenigen unserer Kollegen, die uns
einen guten Rat zu geben glauben, wenn sie uns vorschlagen, auf den
Titel Philologen zu verzichten und uns dafür Schulmänner zu
heißen und als solche zu fühlen ; sodann denjenigen Vertretern anderer
Stände, die unser Schulstundenpensum an dem Maßstab der Bureau-
Btandenarbeit messen und uns nicht genügend „beschäftigt^^ flnden.
65 LiterariBcher Bericht.
weil sie über die Bedingungen unserer Arbeit sich keine eigene Au-
schaunng erwerben konnten, endlich innerhalb und außerhalb der
Schulwelt den vielen Reformern, die über dem mancherlei an sich
Guten, Wünschenswerten und Nachahmungswürdigen, das sie ander-
wärts finden und das sie unserer Schule zugute kommen lassen möch-
ten, den Gedanken außer acht lassen, daß durch die seitherige Geschichte
unseres Schulwesens wie durch unseren nationalen Charakter eine
gewisse Kontinuität der Entwicklung gegeben ist, an die alles Neue
angeknüpft werden muß und die nicht ungestraft abgebrochen würde.
Für diejenigen Kollegen, die das Schriftchen noch nicht kennen, seien
einige Lesefrüchte hergesetzt, die als Reiz und Lockung wirken mögen,
das Ganze kennen zu lernen.
„Bei aller Gleichartigkeit der Bildungsmittcl und Ziele, die mit
der geschichtlichen Einheit der abendländischen Kultur gegeben ist,
tritt doch eine bemerkenswerte Verschiedenheit der Akzentuierung
hervor. Fällt in Deutschland der Hauptakzent auf die wissenschaftliche
Ausbildung, so liegt er in Frankreich auf der literarisch-rethorischen, iu
England auf der Ausbildung der Willensseite. Das englische Bildungs-
ideal ist dargestellt in dem selbständigen, kraftvollen, entschlossenen
Mann, der durch Selbstbeherrschung und disziplinierte Willensenergie
zur Führung im Kreis der Genossen, zur Beherrschung der Erde sich
tüchtig gemacht hat und berufen fühlt. Das französische Ideal ist der
vollkommene Redner oder Schriftsteller, der durch lebendige, klare,
formvollendete Darstellung seiner Ideen und Gedanken die Hörer oder
Leser fesselt und mit sich fortreißt. Das deutsche Bildungsideal ist
der selbständige Denker und Forscher, der, unbekümmert um die Welt
und ihr Urteil, allein in die Sache vertieft, der Wahrheit nachgräbt,
ohne erst zu fragen, wozu sie nützt oder gut ist! — „Die leitende
Idee unserer deutschen Gelehrtenschule ist und bleibt, daß Lehrer, die
in einem Fach selbständige, vielleicht auch produktive Gelehrte sind,
ihre Schüler zu wissenschaftlicher Arbeit in elementarer Form anleiten,
in ihnen den Trieb zu eigener Beobachtung und Sammlung, Unter-
suchung und Prüfung, den Forschertrieb und den Wahrheitssinn ent-
wickeln. Einen solchen Unterricht können nur Lehrer geben, die selbst
in der wissenschaftlichen Arbeit drin stehen. Und darum ist es nicht
unwichtig, daß wenigstens der eine und andere unter ihnen Proben
auch der Öffentlichkeit vorlegt; es wird dadurch die wissenschaftliche
Atmosphäre gesehaffen, die mit ihren unsichtbaren Wirkungen das
Ganze durchdringt und mit unmerklichem Anhauch auch die Schüler
umgibt. Natürlich, es ist nicht jedem möglich, wissenschaftliche Arbeiten
zu schaffen uud drucken zu lassen; es ist auch nicht einmal zu wünschen.
Die Schule bedarf auch solcher Lehrer, die ganz und mit Einsetzung
aller Kräfte der Jugend dienen; es sind durchaus nicht minderwertige,
auch nicht wissenschaftlich inferiore Elemente, die, verzichtend auf Ute-
Literarischer Bericht. 67
rarische Tätigkeit, mit sokratischer Liebe geistiges Leben in den
Seelen empfänglicher Knaben und Jünglinge zu zeugen fQr ihre ganze
Arbeit ansehen. Aber ebenso bleibt es wichtig, daß der Gymnasial-
lehrerstand auch durch tüchtige wissenschaftliche Leistungen in der
(.ielehrtenwelt jederzeit vertreten ist, auch um der Schule willen, um
der wissenschaftlichen Atmosphäre willen.''
Stuttgart. S a k m a n n.
A. Gille, Philosophisches Lesebuch in systematischer An-
ordnung« Halle 1904.
Dem philosophischen Lesebuch von Dessoir und Mcnzer, das vor
einiger Zeit in diesen Blättern besprochen wurde, ist nun schon ein
zweites nachgefolgt, ein erfreulicher Bewein dafür, daß der glückliche
Gedanke einer philosophischen Chrestomathie für Zwecke des Unter-
richts Schule zu machen beginnt. Gilles Werk unterscheidet sich von
dem seiner Vorgänger nach der Seite der Anordnung, wie nach der
der Auswahl. Während diese durch ihre Proben zugleich einen
philosophiegeschichtlichen Tberblick geben wollen, legt Gille die Glie-
derung der philosophischen Einzeldisziplinen zugrunde: Erkenntnis-
theorie und Logik, Psychologie, Rechts- und Staatsphilosophie, Ethik
und Heligionsphilosophie. Ob die Metaphysik, die der Verfasser gänz-
lich dem Fachstudium auf der Universität vorbehalten möchte, mit
Kecht ausgeschlossen wird, möge dahingestellt sein. Daß sie in dem
leidenschaftlichen Streben der Jugend nach Weltanschauung mehr
Anknüpfungspunkte finden würde, als etwa Erkenntnistheorie und
Psychologie, ist kaum zu bezweifeln. Sodann gibt Gille nur moderne
Literatur, der älteste der vertretenen Namen ist der Kants, außer ihm
und J. St. Mill durften nur Zeitgenossen die Proben liefern: E. Zeller,
P. Volkmann, H. Höffding, F. Paulsen, W. Wundt u. a. Nun ist es
gewiß kein Mangel an Gilles Auswahl, daß die antike und mittelalter-
liche Philosophie, die bei Dessoir und Menzer einen breiten Raum
einnimmt, bei ihm nicht vertreten ist. Denn die Bedingungen, unter
denen die Gedankenentwioklung im Altertum und Mittelalter stand,
sind so kompliziert, daß das Begreifen auch einem wohlgeschulten histo-
rischen Sinn nicht leicht wird. ,,Wer Botanik lernen will, beginnt nicht
mit der Paläontologie '^ sagt treffend einer unserer jüngeren Philosophen,
der den Glauben an den pädagogischen Wert der griechischen Philo-
sophie zur Einfuhrung in das Verständnis philosophischer Probleme
nicht teilen kann. Allein der Kreis, in den uns Gille stellt, ist nun
doch wohl gar zu modern. Die Klassiker der neueren Philosophie
mag man nicht gerne missen. Ich fürchte, diese Auszüge aus moder-
nen Einleitungen, Vorträgen, Handbüchern sind vielfach zu leicht und
t>8 LiterariBcher Bericht.
zu glatt ; sie leisten den propädeutischen Dienst nicht, genQgend znr Anf-
bietang der geistigen Kräfte zu spornen. Die gute Tendenz hat den
Verfasser zum Teil auch zur Anfnahme von minder Wertvollem verleitet
Der Auszug aus Reinke z. B. (S. 139: Die Erkenntnis Gottes ans der
Natur) ist theologisch unerlaubt dilettantisch. Sodann : Wanim ist für
die Logik Mill der einzige Vertreter, wenn wir doch Sigwart haben,
in dem sich, für propädeutische Zwecke zumal, geradezu unübertreffliche
Partien finden ließen? Die ideale Chrestomathie wäre diejenige, die
in der klassischen philosophischen Literatur die klassischen Stellen
für die typischen philosophischen Probleme zu finden wüßte. Klassisch
wären in unserem Fall die Stellen, die ohne weite Umwege über
unumgängliche historische Vorkenntnisse so direkt als möglich in die
Dialektik des Problems selbst einzuführen vermöchten.
Stuttgart. 8 a k m a n n.
Heinichen, Lateinisch-deutsches Schulwörterbuch. 7. Aufl.
Bearbeitet von Wagen er. XXIV und 937 Seiten. Lex. 8.
Geb. 7.50 Mk. Leipzig, Teubner, 1903.
Die Anlage dieses nunmehr in 7. Auflage erscheinenden Wörter-
buchs darf als bekannt vorausgesetzt werden. Es soll nach der Vorrede
zur 1. Auflage ein lateinisch-deutsches Schulwörterbuch im strengeren
Sinn des Wortes, d. h. weder mehr noch weniger als ein Wörterbuch
für Schüler sein, das mithin unmittelbar nur den Bedürfnissen der Schüler,
aber auf allen Stufen des Gymnasiums und in gehörigem Maße Rech-
nung trägt und genügt. Für die Praxis geschaffen, hat es sich in der
Praxis bewährt und erfüllt seinen Zweck vollkommen. Jede neue Auf-
lage stellt eine Verbesserung dar; hat ja doch der bekannte Tacitns-
erklärer Dräger in der ersten der beiden von ihm besorgten Auflagen
(der vierten des Buchs) nicht weniger als 50Ü00 Änderungen angebracht.
Ebenso ist der jetzige Herausgeber C. Wagener bemüht die Brauchbar-
keit des Buches auf jede Weise zu fördern. Ihm verdankt dieses eine
Änderung der veralteten Lesarten nach den besten Texten und eine
Regelung der lateinischen Orthographie nach den neuesten Unter-
suchungen, eine Ergänzung des Grammatischen durch Hinzufügung des
Wichtigsten aus der Formenlehre, desgl. des Sachlichen durch Vermeh-
rung der Artikel über Mythologie, Geschichte, Geographie und sonstiger
Realien, endlich die Durchführung der Kürzen- und Längenbezeichnung
der Vokale, auch der in Positionssilben stehenden, in einer Weise, wie
sie meines Wissens kein anderes Wörterbuch bietet. Dagegen war der
Herausgeber vorsichtig und zurückhaltend in betreff der Etymologie
und Semasiologie ; hier fand entsprechend dem Zwecke des Buches nur
das vollkommen Sichere Anfnahme. Wertvoll ist auch für strebsame
Literarischer Bericht. 69
Schüler der dem Wörterbuch vorausgeschicl^te Abriß der römischen
Literatur und lateinischen Stilistik. Auch bei einem Vergleich mit
andern neueren Wörterbüchern, z. B. dem von Stowasser, verliert das
vorliegende nichts. Heinichen-Wagener gibt eine reichlichere Zusammen-
stellnng der vorkommenden Verbindungen (vgl. z. B. die Artikel pericnlnm
und peritus bei Heinichen- Wagener und bei Stowasser), bietet also dem
Schüler für die Komposition mehr, desgl. für die Exposition mehr
Übersetzungen. Die deutschen Bedeutungen sind nicht so ins einzelne
auseinander genommen (vgl. z. B. den Artikel documentum), was manchen
erwünschter ist Das Format ist handlich, ganz wie beim griechischen
Wörterbuch von Benseler-Kägi ; der Druck ist zwar etwas kleiner
als bei Stowasser, aber (wegen des gleichen Durchschusses) darum
nicht weniger übersichtlich, der Einband (Halbfranz) tadellos.
Stuttgart. Th. Drück.
deschichte der deutschen Literatur von Prof. Dr. Friedrich
Vogt und Prof. Dr. Max Koch. Zweite, neubearbeitete
und vermehrte Auflage. Zweiter Band : Von Opitz* Reform
bis zur Gegenwart. 599 Seiten. Leipzig und Wien, Verlag
des Bibliographischen Instituts, 1904.
Größere Veränderungen als der erste weist der zweite Band dieser
Literaturgeschichte auf. . Nicht bloß sind auch hier sehr willkommene
weitere Abbildungen, besonders im Text, sowie sehr eingehende Lite-
raturnachweise (über 60 S.) dazu gekommen, sondern das Werk hat
auch an Gehalt bedeutend gewonnen: überall ist, auch in Einzelheiten,
die sorgsam nachbessernde Hand zu erkennen; namentlich aber hat
sich der Verfasser mit Erfolg bemüht, die in der ersten Auflage da
und dort zu bemerkende Ungleichheit durch Ergänzungen und genauere
Ausführung dessen, was in der ersten Auflage allzu skizzenhaft ge-
blieben war, zu beseitigen. Zwar kommt das Mehr von rund 80 Seiten,
das der beiden Auflagen gemeinsame Stoff in der zweiten erhalten hat,
zum Teil auf Rechnung des ebenfalls zu begrüßenden Umstands, daß
manches, was sich in der ersten Auflage mit kleinem Druck begnügen
mußte, nun seiner Bedeutung entsprechend und zum Vorteil des einheit-
lichen Eindrucks groß gedruckt ist; aber, um nur Eines, allerdings das
weitaus Wichtigste, hervorzuheben : Schiller ist in der zweiten Auflage
nun wirklich sein Recht geworden. Sodann hat die Fortführung der
Literaturgeschichte bis auf die Gegenwart dem Verfasser Anlaß ge-
geben, sein Werk zu einem in sich abgeschlossenen zu machen : formell,
sofern an die Stelle des früheren letzten Hauptabschnitts „vom Ende
der Befreiungskriege bis zur Gegenwart^ nun eine wirkliche Gliederung
getreten ist mit den zwei Hauptabschnitten „vom Ende der Befreiungs-
70 Litenmcher Bericht.
krieg^e bis znr Reichs^^Ddon^ and ^vom Beginn der siebziger Jahre
bis znr Gegenwart^, »aehKch, sofern eine einheitliche AaffassuDg viel
entschiedener als in der ersten Auflage bis zn Ende durchgeführt ist
Das Bezeichnende dieser Auffassung ist, daß an die zu betrachtenden Er-
scheinungen in glucklicher Vereinigung der doppelte Maßstab ihrer kfinst-
lerischen Eigenart und ihrer Bedeutung für die Entwicklung des deutschen
Geisteslebens als der Sache des deutschen Volkes gelegt wird, oder kurz
gesagt die Verbindung des ästhetischen und, wenn man das Wort nivht
mißverstehen will, des sittlichen Gesichtspunktes. Der Verfasser nimmt
sehr entschieden Stellung nicht bloß in seinem Urteil über künstlerischen
Wert oder Unwert, sondern auch zu den Fragen, von deren Lösung
die Zukunft unseres Volkes abhängt Daß er dabei mit einzelnen Vr-
teilen bei den verschiedensten Seiten Widerspruch hervorrufen wird,
liegt in der Natur der Sache; aber nirgends wird man die Sicherheit
der Führung und nirgends das ehrliche Bestreben vermissen, auf Grund
eigener genauer Kenntnis von dem mit gutem Recht gewählten Stand-
punkt der Beurteilung aus jeder Erscheinung gerecht zu werden.
Cannstatt. Th. Klett
Goethes Werke 0* Unter Mitwirkung mehrerer Fachleute heraus-
gegeben von Prof. Dr. Heinemann. Kritisch durchgesehene
und erläuterte Ausgabe. Band U, DI, IV, VU, X, XI, Xm
je 2 Mk. Leipzig, Bibliographisches Institut.
Band 2 und 3 (Bearbeiter Heinemann und Dr. EUinger) bringen
als Fortsetzung des 1. Bandes, die „Gedichte^; sie zeigen auch diesel-
ben Vorzüge wie dieser. Gerade bei den Gelegenheitsgedichten war
sehr viel über Persönlichkeit, Entstehung usw. zu sagen, weshalb
auch die Anmerkungen zuweilen einen breiten Raum einnehmen. An
die Gedichte schließt sich in Band 2 noch „Hermann u. Dorothea" an,
dessen Quellen und Vorbilder ausführlicli erörtert werden. Dabei spricht
Ellinger die Ansicht aus, daß es Goethe gelungen sei, den Hexameter
dem Geiste der deutschen Sprache anzupassen (S. 345). Das wird nicht
jedermann zugeben. Unser Friedr. Th. Vischer wenigstens, der so
goldene Worte über dieses Werk geschrieben hat, dachte darüber ganz
anders. Band 4 enthält die Achilleis (Dr. Ellinger), den Reineke
Fuchs (Dr. Klee) und den Westöstlichen Diwan (Ellinger). Dem an letzter
Stelle genannten „unvergleichlichen** Werke wird besondere hohes Lob
gespendet. „Nirgends hat man es mit einer frostigen Kostümdichtung,
mit toten Nachahmungen zu tun, sondern mit Selbstbekenntnissen, die
unmittelbar aus dem Erlebnis herausgewachsen sind" (S. 192). In Bau d S
*) Vgl. Korrespondenzblatt 1902 S. 191 ff., 1904 S. 67 f.
Literarischer Bericht. 71
(Dramen in Prosa: Götz, Egmont, Clavigo, Stella, Geschwister, Groß-
Kophta, Bürgergeneral) tritt Th. Matthias, der Verfasser des trefflichen
Baches „Sprachleben und Sprachschädeu**, als Mitarbeiter auf. Sein
Urteil ist besonnen und wohlbegrUndet. Den Kevolutionsdramen gegen-
über findet er, bei aller Ehrfurcht vor Goethe, doch Worte herzhaften
Tadels. Besonders gelungen scheint mir die Einleitung zu dem ganz
unerquicklichen Groß-Kophta, die eine köstliche Schilderung des Erz-
schwindlers Kagliostro enthält Band X und XI sind von Dr. Maync
bearbeitet, dem bekannten Mörike- Biographen. Sie enthalten den
Schluß der Lehrjahre, die Novellen und die Wanderjahre. W^as Maync
hierzu schreibt, hat Geist und Feuer. Am meisten gespannt war ich
auf die Erklärung des vielerörterten „Märchens" in den „Unterhal-
tungen deutscher Ausgewanderten''. Auch hier bewährt sich der feine
Takt and «Geschmack dieses Gelehrten. Er rühmt die „Edelsteinpracht'',
die in jeder Zeile des Märchens glänzt und schimmert (X, 212), er be-
richtet auch gewissenhaft über die zahlreichen Erklärungen zu diesem
Werke ; aber er lehnt es ab, sich einer dieser Deutungen anzuschließen,
weil man die Parallelen nicht zu Tode hetzen dürfe. Das ist wohl das
richtige Wort. Die Ausdeutung muß sich auf die allgemeinen Grund-
linien beschränken, die Goethe selbst Schiller gegenüber als „Idee"
der Dichtung bezeichnet hat. Das Köstlichste aber, der unbeschreib-
liche Farben- und Stimmungszauber, will nicht gedeutet sondern empfun-
den sein. Band XIII schließt sich an XII an, dessen Vollendung er
bringt (Dichtung und Wahrheit 3—4). Die „biographischen Einzelheiten''
bilden den Schluß.
Durch diese Bände ist die 1. Hälfte des G esamt Werkes, „der
kleine Goethe'', abgeschlossen. Überblickt man das Ganze, so
wird man sagen müssen, daß das Bibliographische Institut mit dieser Aus-
gabe eine Tat vollbracht hat, die Bewunderung verdient. Trotz der Viel-
heit der Mitarbeiter herrscht doch strenge Einheitlichkeit in der Durch-
führung der leitenden Grundsätze. Die Ausgabe beweist, daß es möglich
ist, den Bedürfnissen des großen Leserkreises und denen der engeren
Gemeinde der Fachleute zugleich gerecht zu werden. Jenen dienen die
„Fußnoten", die auf das Notwendigste beschränkt sind, weil nichts so
stört, wie die fortwährende Unterbrechung der Lektüre durch „Erläu-
terungen"; diesen die „Anmerkungen", die alle Nachweise für tieferes
Stadium liefern. Und welch gewaltiger, weit zerstreuter Stoff ist in
diesen Anmerkungen verarbeitet und fruchtbar gemacht! Darum —
wer immer eine neue, auf der Höhe der heutigen Forschung stehende und
dabei billige Goethe- Ausgabe sucht, der greife zu!
Stuttgart. Grotz.
72 Literarischer Berieht
Jahrbueh der deutschen Shakespeare-Gesellschaft. Heraus-
gegeben von Alois Brandl und Wolfgang Keller.
Vierzigster Jahrgang. Berlin^ Langenscheidt.
Mancher mag wohl besorgten Blicks auf die Berge philologischer
Literatur blicken, die sich allmählich um unsere Dichterheroen her auf-
türmen, und so könnte sich wohl der Verehrer des Dichters und Menschen
Shakespeare fragen, ob wohl das menschliche und poetische Verständ-
nis des großen Briten unter uns in demselben Verhältnisse wachse,
wie die Shakespeare-Philologie. Nun ist ja gewiß richtig, daß nicht
immer Korn gemahlen wird, wenn die philologische MUhle klappert.
Andererseits aber haben diese 40 Bände Jahrbücher noch niemand
verhindert, seineu Shakespeare zu genießen, sich in ihn zu vertiefen
und auch ein Wort über ihn zu sagen, letzteres, das Mitreden, aller-
dings auf die Gefahr hin, daß man von einem Freund kritischen Be-
strebens darauf aufmerksam gemacht wird, man habe da den grund-
legenden Artikel von X, dort die entscheidende Notiz von Y übersehen.
Und dann sind wir, wenn irgendwo so bei Shakespeare, doch immer
wieder auf den Historiker und auf den Philologen angewiesen. Ohne
ihre Hilfe bekommen wir keine Antwort auf die hundert Fragezeichen,
die bei jeder neuen Shakespeare-Lektüre immer neu wieder auftauchen.
Und hier haben sich die Jahrbücher lange schon als treffliche Fund-
gruben der Nachforschung bewährt. Der Name der Herausgeber bürgt
dafür, daß nichts Minderwertiges darin zum Worte kommen darf.
Hervorgehoben sei aus dem reichen Inhalt des vorliegenden 40. Bandes :
der Bericht über die Enthülhmg des Shakespeare-Denkmals in Weimar
mit der Festrede von Brandl, ein Aufsatz von Marie Gothein über die
Frau im englischen Drama vor Shakespeare, eine Besprechung der
400 Stellen in Shakespeare, die sich auf die Weidmannskunst beziehen
von H. Löwe, der nachweist, daß der Dichter ein hirschgerechter
Jäger, ein Weidmann im besten Sinn des Worts gewesen sein muß,
dem auch nicht ein jagdzoologischer Schnitzer nachzuweisen sei; so-
dann ganz besonders ein anregender Artikel von Münch: ^Gedanken
eines Poeten in Shakespeares Stadt^, ein Bericht über Shakespeare-
Aufsätze des jnngirischen Dichters Yeats, in denen neben Vorschlägen
für ein ideales Shakespeare-Theater interessante Reflexionen über
das innere Verhältnis des Dichters zu seinen Helden hervorzuheben
sind, illustriert an einer Vergleichung Richards U. und Heinrich V. ;
endlich eine Arbeit von Hermann Reich, dem Verfasser des Mimus,
der den Mann mit dem Eselskopf im Sommemachtstraum auf die an-
tiken Mimen zurückzuführen sucht.
Stuttgart. S a k ni a n n .
Literarischer Bericht. 73
Die Saalburg. 6 Blatt in Farbendrack (60 x B2 cm) von Archi-
tektnrroaler Peter Woltze; Preis 15 Mk. Mit begleitendem
Text von Dr. E. Schulze; Preis 30 Pfg. Gotha, Verlag
von Friedrich Andi*eas Perthes.
Blatt 1/2 (Doppelblatt) gibt das Gesamtbild des, durch Professor
L. J a c o b i teilweise wiederhergestellten, Kastells ; Blatt 3 Einzelbilder
der porta decumana, des sacellum, der principia und des atrium ; Blatt 4
eine Karte des obergermanischen und rätischen Limes, sowie Bilder von
den Vorrichtungen, die das Überschreiten des Limes an andern Stellen als
auf den vorgesehenen Wegen zu hindern bestimmt waren, und insbeson-
dere von einem Wachtturm; Blatt 5 zeigt uns eine fabrica, ein hypo-
caustum und canabae; Blatt 6 das Äußere und das Innere des Mithräums.
Der erklärende Text gibt einen Überblick über die Geschichte des
Kastells und des Limes, sowie eine Beschreibung beider und ihrer Teile.
Die bildlichen Darstellungen verdienen unbedingtes Lob, ebenso der
erklärende Text, der mit richtiger Beschränkung auf das Wesentliche
den Vorzug einfachen und klar verständlichen Ausdioicks verbindet;
nur auf S. 19 hat sich ein Versehen eingeschlichen, da die Fortsetzung
der Odenwaldlinie des Limes über Wimpfen nach Cannstatt den An-
schluß des obergermanischen an den rätiscben Limes bei Lorch eben
noch nicht brachte, wie ja aus der Karte und auch aus der übrigen
Darstellung selbst hervorgeht; vielmehr war dieser Anschluß erst mit
der Vorschiebung der Grenze nach Osten durch Antoninus Plus herge-
stellt. Aber alles in allem dürfen wir in dieser Veröffentlichung ein
hervorragend wertvolles Anschauungs- und Lehrmittel begrüßen.
Bei dieser Gelegenheit sei auch empfehlend hingewiesen auf die
Saalburg, Modellbogen mit Anleitung zur selbständigen Herstellung
eines altrömischen Kastells als Spielburg für Knaben, von Peter Woltze,
Nr. 10 der Sammlung „Spiel und Arbeit", herausgegeben von Otto
Robert, im Verlag von Otto Maier in Ravensburg, Preis 3.50 Mk.;
vorausgesetzt ist, daß der Knabe außer dem Schneiden und Pappen
die Handhabung der Laubsäge versteht.
Cannstatt. Th. Klett.
Lehrbuch der ebenen Geometrie für die ersten 8 Jahre des geo-
metrischen Unterrichts von E. Schumann, Oberstudienrat.
Stuttgart und Berlin, 1904.
Jeder Lehrer wird das von einem erfahrenen Schulmann geschrie-
bene Buch mit Nutzen lesen, besonders junge Anfanger werden in den
Merksätzen beherzigenswerte Winke für den Geometrieunterricht finden.
In Beantwortung der Frage, ob sich das Buch für die Hand der Schüler
eignet, soll hier über Kleinigkeiten weggegangen werden. Durch die
KoTTtttpondezutblatt 1906, Heft a.
74 Literarischer Bericht
nachgesandten Berichtigungen sind auch die meisten Druckfehler imd
Versehen ausgemerzt; leider ist aber von den verschiedenen Zeichen
für Kongruenz gerade das unrichtige gewählt. An Ansserlichkeiten ist
noch zu beanstanden die Wiederholung von Figuren an Stellen, wo sie
nicht mehr recht passen.
Mit Recht verzichtet der H. Verfasser auf die Methoden der neueren
Geometrie; er „will den Anfänger in der Hauptsache denselben Weg
fahren, den die Geometrie von ihren Anfangen an gegangen ist''. Da-
bei werden selbstverständlich die Verbesserungen benützt, welche der
geometrische Unterricht seit Euklid erfahren hat
Ihrer Bedeutung entsprechend widmet er der Symmetrielehre einen
ganzen Abschnitt. Die Beweise könnten aber kürzer durch Umklappen
erledigt werden. Viel geringere Bedeutung als der axialen Symmetrie
(Symmetrie schlechtweg) kommt der „zentralen Symmetrie'' zu. Der
Begriff der diametralen Lage, der an dieser Stelle für die nämliche
Eigenschaft benützt wird, würde hinreichen, um die Eigenschaften
einer zentrischen Figur zu beleuchten. Die zentrale Symmetrie wird
dann noch zum Lösen von Transversalenaufgaben benützt, was auf die
Konstruktion eines Parallelogramms hinausläuft, ist also auch hier
überflüssig.
Daß außer den Zusätzen auch manche Hauptsätze in Frageform
eingekleidet sind, soll den Zweck haben, die Schüler die neuen Wahr-
heiten selbst finden zu lassen. Diese so sehr berechtigte Forderung
wird aber am besten erfüllt, wenn man beim Unterricht das Buch
schließen läßt. Das System des Buches, das bei Spiecker ein wohl-
geordnetes, vollständiges und übersichtliches genannt werden darf,
dient dann zur Repetition.
Jeder Lehrer der Geometrie wird mit Genugtuung den Satz lesen :
„es gibt kaum ein Schulfach, das an sich so geeignet wäre, zu wissen-
schaftlicher Arbeit zu erziehen, wie die Geometrie." Zur Gewöhnung
an wissenschaftliches Denken erscheint aber unerläßlich, daß der jugend-
liche Geist einen Oberblick über die strengen Schlußfolgerungen des
Systems gewinne. Diese Obersicht ist bei Schumann nicht recht ge-
wahrt. Das System ist auch nicht ganz lückenlos, wenn die Zusätze
„Auf einer Geraden kann in einem ihrer Punkte nur ein Lot errichtet
von einem Punkt außerhalb einer Geraden kann auf sie nur ein Lot
gefallt werden'' auf die nicht bewiesenen Eigenschaften des Kreises
zurückgeführt werden, daß eine Gerade einen Kreis, oder daß 2 Kreise
sich nur in 2 Punkten schneiden. Daß der Lehre von der Propor-
tionalität die wichtigsten Sätze aus der Proportioncnlehre vorangestellt
sind, ist um so wichtiger, als manche Schulen ein Algebrabach im Ge-
brauch haben, das diese Lehre nicht enthält Beigefügt sollte noch
werden die fortlaufende Proportion, die bei dem Verhältnis der 3 Seiten
notwendig wird ; wünschenswert wäre auch noch eine Bemerkung über
Literarisejier Berieht. 75
das umgekehrte Verhältnis f b : a = — : ^ j. Die Erklärung der Ähnlich-
keit zweier Figuren erscheint gesucht Der Satz vom Verhältnis der
Höhen eines Dreiecks findet sich nicht, dagegen ist einem Satz von
2 gleichen, einander nicht entsprechenden Seiten in ähnlichen Dreiecken
eine über Gebühr hervorragende Bedeutung zuerkannt worden.
Am meisten Widerspruch wird das zum Zweck des Zitierens vom
H. Verfasser zusammengestellte System von Abkürzungen für die Lehr-
sätze finden. Man lasse die Anfänger die Sätze nur wörtlich anführen;
dabei sind Abkürzungen wie W. für Winkel, P. für Punkt usw. zu
empfehlen. Später kann vielfach mit einem einzigen Wort angedeutet
werden, um was es sich handelt. Niemals aber dürfen im Text die
üblichen mathematischen Zeichen benützt werden. Das könnte zu Fehlern
führen, wie der auf S. 98, der selbstverständlich nur ein Versehen ist :
BB' + CC JL AM'
Als Beispiel einer strengen Beweisführung dienen die Sätze über
Mittellinie und Mittelparallele im Dreieck. Daß beide identisch sind, folgt
einfacher aus dem Axiom von der Geraden. Eine jedesmalige Unter-
scheidung (ML ^ I u. II, M II /^ I u. II) erscheint unnötig, wenn man den
Satz eben in derjenigen Form zitiert, in welcher er gerade gebraucht wird.
Bei der Bezeichnung des Dreiecks ABC geht der H. Verfasser im
Sinn des Uhrzeigers um das Dreieck herum; ebenso beim Viereck.
Hier bringt die Änderung den Vorteil, daß nunmehr das Parallelogramm
auf der Seite a als Grundlinie steht. Die Bezeichnung Rhomboid für
ein ungleichseitiges Parallelogramm, Trapezoid fQr ein beliebiges Vier-
eck erscheint in manchen Fällen zweckmäßig. Das Parallelogramm
wird definiert als ein Viereck mit parallelen Gegenseiten. Dem Autor
&o\\ unbenommen bleiben, die Sätze in möglichst kurzer Form auszu-
sprechen, dem Lehrer die richtige Deutung überlassend. Doch möchten
wir der schärferen Fassung den Vorzug geben, da der Gegensatz
zwischen einem und zwei Paaren von Parallelen besonders eindrücklich
hervorgehoben werden sollte.
Bekanntlich erklärt der H. Verfasser dem eingebürgerten Worte
^halbieren** den Krieg und setzt dafür „hälftig teilen''. Er braucht aber
auch das Substantiv, das nun Halbteilung heißt. Das zugehörige Verbum
wäre „halbteilen'', wozu er sich doch nicht entschließen kann; einen
richtigen Ersatz findet er also nicht, denn er muß ja zwei Wörtchen
benützen. Wenn er für fehlerhaft erklärt „2 Geraden schneiden sich", so
^'eht hier seine wohlgemeinte Sprachreinigung zuweit. Der Gebrauch
des Pronomens „sich*^ an Stelle des längeren „einander^, ist so all-
gemein verbreitet, daß sich der H. Verfasser schwerlich mit Erfolg
dagegen 'stemmen wird. Schwerfällig wird auch der Gebrauch des
Wörtchens „einander'', wenn er sagt „2 Größen sind einander gleich*^,
statt einfach : 2 Größen sind gleich ; 2 Geraden sind (einander) parallel.
76 Literarischer Bericht
Nicht als Verbesserung erscheint die Einführung des Wortes „Hypote-
nusenabschnitt für Kathetenprojektion^', ebensowenig „Qnerlinie** bei
2 Parallelen. Das Zeichen für Winkel ist bei Spiecker besser ohne
Bogen. Die Unterscheidung von Bogengraden und Wiukelgraden kann
den Anfänger nur irreführen. Daß die 6steUigen Zahlen für p' u. p"
auswendig gelernt werden sollen, ist eine Forderung, der nur geringer
praktischer Wert beizumefisen sein dürfte. Das Zeichnen eines Lotes
sollte nicht allein durch Drehen, sondern auch mit Parallel Verschiebung
des Schiebdreiecks gezeigt werden. Diese hat sich im Gebrauch mehr
bewährt als jenes, da das Umlegen des Schiebdreiecks eine Fehlerquelle
in sich birgt.
Die treffenden Bemerkungen über den geometrischen Stil (S. 38)
werden im wesentlichen schon längst in der Schulpraxis geübt. Von
D fällen wir das (nicht ein) Lot DF aut BC. Es soll uns recht sein,
wenn die Schüler künftig einfach sagen ^Fälle DFJ^BC". Auf der
Strecke BC schneiden Avir BX = q ab, auch wenn q >> BC, da wir längst
daran gewöhnt sind, in BC nicht allein die Strecke, sondern auch die
unendlich lange Gerade zu erblicken, die wir nicht erst zu verlängern
brauchen. Der H. Verfasser geht aber weiter. Auf BC schneidet er
CY = p ab, wenn dies auf der Verlängerung von BC geschehen soll.
Solange diese knappste Ausdrucks weise nicht allgemein angenommen
ist, wird man nicht umhin können, in einem solchen Fall von der Ver-
längerung zu sprechen. Dabei soll allerdings mit BC oder CB die
Richtung angegeben sein, in welcher verlängert werden muß. In man-
chen Fällen wird es sich kaum vermeiden lassen, das Wort „verlängern"^
auch dann noch zu benützen, wenn der Zeichner in wohl verstandenem
Interesse die betreffende Gerade schon lang genug gezogen hat
Bei der ersten Besprechung der geometrischen Aufgaben (§ 51—55)
wird dem Anfl&nger von der Analysis nichts gesagt, was auch durchaus
begründet erscheint. Dagegen findet sich schon am Schluß von § 63
unvermittelt der Satz „Analysis wie Konstruktion sind vollständig und
unzweideutig, dabei aber so kurz als möglich anzugeben**. Dies dürfte
wohl für alle 4 Teile gelten. Freilich ist zu bemerken, daß nicht alle
Aufgaben sich zur Behandlung nach den üblichen 4 Teilen eignen. Bei
vielen macht der Beweis erhebliche Schwierigkeiten, und kann am ehe-
sten entbehrt werden, besonders wenn „die Rücksicht auf den Beweis
den Verzicht auf die einfachste Gestaltung der Konstruktion nötig
machen kann** (S. 104). Bei manchen Aufgaben, wie bei Verwandlungs-
aufgaben wird keine eigentliche Analysis gemacht, sondern nur im all-
gemeinen der Weg zur Lösung angegeben; hier wird der vollständige
Beweis unentbehrlich. Die Aufgabe, ein Parallelogramm in ein anderes
mit gegebener Seite zu verwandeln, sollte nicht allein mit den Ergän-
ztmgsparallelogrammen, sondern auch durch Verwandlung eines Drei-
ecks gelöst werden, das gleich der Hälfte des Parallelogramms ist.
Literarischer Bericht. 77
Die Verteilung des Stoffes und die Anordnung der einzelnen
Abschnitte paßt gut in den Lehrplan der höheren Schulen. Insbe-
sondere ist die Flächenberechnung am Schluß des zweijährigen Unterrichts
viel leichter als Proportionalität und Ähnlichkeit. Die Sätze über
Potenzlinien, sowie das Taktionsproblem gehören nicht in das dritte,
sondern erst in das vierte Jahr. Überflüssig ist für das dritte Jahr
der trigonometrische Anhang. Der H. Verfasser scheint also an eine
teilweise Benützung des Buches in Kl. VII (Realschule) gedacht zu
haben. Der Obungsstoff ist auf die einzelnen Abschnitte verteilt und
sehr reichlich zugemessen. Neben den guten alten Aufgaben findet
man viele neue von jedem Grade der Schwierigkeit. Die schwierigsten
j»ind entweder durch die vorhergehenden vorbereitet, oder mit Anlei-
tung versehen. Der heutigen Lehrerschaft wird die Trennung von
einem Buche, wie dem Spieckerschen, an dem die meisten mathemati-
!>ches Denken gelernt haben, schwer fallen. Wir möchten indes der
Hoffnung Raum geben, der für seine Aufgabe besonders befähigte und
begeisterte Verfasser möge bald in die Lage kommen, sein Buch einer
Neubearbeitung zu unterziehen. Dann wird sich auch bei seiner Ein-
führung bemerkbar machen, welch günstige Folgen die NeueinfÜhruug
eines guten Buches hat, wenn das alte schon zu lange in Benützung
gestanden ist.
Stuttgart. F. H.
Die Milbenplage der Wohnungen, ihre Entstehung und Be-
kämpfung. Sammlung naturwissenschaftlich-pädagogischer
Abhandlungen. Von Prof. Dr. Friedrich Ludwig. Leipzig
• uDd Berlin^ Teubner 1904.
Die Bedeutung der Milben für die menschlichen Wohnungen er-
scheint hier in einem überraschenden Lichte. Besonders überraschend
i^t der Nachweis, daß die heutzutage als beste geltende Art der Desin-
fektion mit Turmelin und Ammoniak sich völlig wirkungslos erwies.
R.
Keine Storchengeschichten mehr. Von Dr. W. Busch. Preis
3 Mk. Leipzig; P. Weber.
Verfasser steht auf dem Standpunkt, der heutzutage von manchen
Seiten her als der einzig richtige bezeichnet wird, die Kinder sollen
über sexuelle Fragen möglichst aufgeklärt werden. Die vorliegende
Schrift hat den Berichterstatter nicht im geringsten davon überzeugt,
daß diese Aufklärungsversuche wirklich segenbringend sind. Die richtige
Aufklärung erfordert jedenfalls sehr viele Weisheit, die nur wenigen
zuzutrauen ist. R.
7 g Neu erachienene Bücher. — Ankflndigungen.
Neu ersohienene Bücher.
^t0^ Bei der grotten Men^e der nnt Bugehenden neuen literarieohen Ersohelnnngtu
ist ee oni anmOglioh, Jede im einseinen sa betpreoben. Die Titel der einlsuf enden
Bfioher, die wir aninabrntloi der Koblbammeracben Yerlagebaobbandlnng sn über-
senden bitten, werden regelmittig im nlohsten Hefte TerOffentlicht; »ufBOok'
aendang der nicht beaproobenen Bücher kOnnen wir nna aber nicht einlaaaen.
Aus dem Verlag von Hermann Beyer & Söhne in Langensalza
sind folgende Werke eingegangen:
Junge, Beiträge zur Methodik des naturkundlichen Unterrichu.
1. Aufl. 1904.
6 r o t h , Naturstudien. Theoretisch-praktisches Handbuch für die Lehrer
der Naturgeschichte. 2. Aufl. 1904.
Flügel, Die Sittenlehre Jesu. 5. Aufl. 1904.
Bibliothek pädagogischer Klassiker. 10. Band. Comenius' große
Unterrichtslehre, übersetzt von Lion. 5. Aufl. 1904.
(Fortsetzung s. S. 3 des Umschlags.)
Ankündigimgen.
PiÄHOS-:-H*BliDNIUIIIIS'r"
Höchster Rabatt Kleinste Raten. 20iähr. Garantie. Planof u. Hanooliimw
zu vermieten; bei Kauf Abzug der Miete. - Ilinttr. Kataloge gnrtla-freL
Spee.: PIANINOS mit bis jetzt anerreiciit guter Stimmhaltung t (Pat. Rud.)
= Wilh. Rudolphi Giessen gegr. i85l
||«ria0 v^tt iil* |tal|ll|itiitmfr itt $ttttt0art*
^^ crfc^icn in neuer 45earbcituug 1904:
Das KSnigreicl) morneitiberd.
Sine IBefdireiliimg nad) itreifen^ SHerämtern unb Semeinbea«
^flev S&wx^x Mgemeine iBefd^reibung bed Sanbe« unb (Sinsdie«
f^reibnng [amtlicher Obcrämtei* unb ^emeinben bed 92e(!arfreife9*
@in fiarfer ionb oon 684 Seiten @ropoftaösgormat mit 6 harten unb
6 Xafelii 5ÖilbnlJfen. ^l^rci« fein gcbunbcn 6 cÄ 70 ^, ungcbunben 5 Jt 60 ^.
^ad ganje Set! erfc^eint in t\tx '^änben, )u]ammen ettoa 2200 Seiten
fiarf, mit ftatttn, ^(nftl^ten unb anbeten beigaben. Im Sauf t>on etn^a
jtt)et 3o^^«w- @efamt|)rel« für ade üier ^^&nbc (oon ungleici^er ©tarfe)
geBunben ca. 25 c^, ungeBunben ca. 20 Jk
^fir alte Sfirttembetger non gtogem unb Meilbenbetn 98erte!
$r0be)eftc ouf ::öerrangen umfonft unb portofrei, 33anb 1 aut^ jur
(5inpd)t er^ältUc^.
AnkUndigangen.
79
Oynuiasium Tübing^en.
Durch Anschloß des Gymnasiums an das städtische Elektrizitäts-
werk ist eine vor 4 Jahren gekaufte, gut erhaltene
Akkumiilatorenbatterte
mit 6 Zellen von 24 Ampörestunden, Kapazität in Uolzkasten, entbehrlich
geworden und soll verkauft werden. Die Batterie ist mit Pachvtrop
zur Parallelschaltung der Zellen ausgerichtet und kann auch an Orten,
wo keine Elektrizität zu haben ist, durch eine Gülchersche Thermosäule
geladen werden. Auf Wunsch könnte auch eine gebrauchte Thermo-
säule abgegeben werden. [2
Nähere Auskunft erteilt Professor Paulos.
Die soeben erschienene 11. Auflage von
erleb-Sehröer
englisches Wörterbuch
kostet
21]
in 2 Sanzleincnbänden je ]Kk. 7i0
in 2 Qalblederbänaen je JKk. 8.50.
Paul ITeir Terlag (Carl Büchle)
Stuttgart.
Anzug-Stofre!
i^^üäST}''
9
^ vieler
G«lehrfen-V«rtan4«
Wilh.Schreiber Stuttgart
BRAr^lr^r i» Seesen
• DCCKCr a. Harz P. 131.
liefert allein seit 1880 den anerkannt
unübertroffenen Holland» Tabak.
Ein 10 Pfd.-Beutel fko. acht Mk.
80 Ankündigungen.
Terlag toh Hermann Gesenlag In Halle«
Vierzig^ «fahre.
Vor 40 Jahren erschien zuerst und gehört seitdem wohl zu den
bekanntesten und weitverbreitetsten fremdsprachigen Lehrbflchem:
Lehrbuch der Englischen Sprache
von [18
Dr. F. W. Gesenius.
Teil I: Elementarbnoh der englischen Sprache nebst Lese- und
Uebungsstücken. 26. Auflage. 1903. Preis gebunden 2.40 Mk.
Teil II: Grammatik der englisohen Sprache nebst Uebungsstücken.
17. Auflage. 1903. Preis gebunden 3.20 Mk.
Als besonders hervorzuhebende Vorzüge dieses Buches sind in
allen darüber erschienenen Rezensionen anerkannt worden:
1. Weise Beschränkung und zweckmässige Anordnung des Stoffe».
Kürze und Präzision in der Fassung der grammatischen Regeln^
vortreffliche Beispiele zur Erläuterung dei-selben, bequeme Tabellen
für die Rektion der Verben, Adjektive und Präpositionen.
2. Die Reichhaltigkeit und Mannigfaltigkeit der Uebungsbeispiele,
sowie die Auswahl der Lesestücke, welche Interesse erwecken
und zu Sprechübungen und Reproduktionen, sowie zu Exerzitien
trefflich verwendet werden können.
Neubearbeitungen des „Lehrbuches der englischen Sprache"
nach den neuen Lehrpiänen:
fttltainir.W., Englische Spraohlehre. (}MniU-B«f«],Enfrli aohe Sprachlehre.
Ausgabe A. VOUlg ueu bearbeitet Ton I Ausgabe B. YOUig neu bearbeitet Ton
Prof. Dr. Ernst Beirel, Oberlehrer an i Prof. Dr. Ernst fieRel, Oberlehrer
den Franckeschen Stiftnogeo. an der Oberrealscbnle der Franekeschen
I. Teil. Schulgrammatik nebst Stiftungen.
Lese- und UebungsstOcken. 8. Auflage
1903. Uebunden 8.60 Hk. Unterstufe. Dritte, nach den Bestim-
II. Teil. Lese- und Uebungsbach mungen von 1901 yeränderte Auflage in
nebst knrser Synonymik. Mit einem Plan neuer Rechtschreibung. Mit einer Karte
▼on London und Umgebung. 1896. der britischen Inseln und einer englischen
Oebnnden 2.26 Mk. Münstafel. 1904. Preis geb. 1.60 Mk.
Gtiraiuf.W., Englische Sprachlehre.
Völlig neu bearbeitet von Prof. Dr. Oberstufe fOr Knabenschulen.
Ernst Begel, Oberl. an den Francke- Zweite, nach den Bestimmungen Ton 1901
sehen Stiftungen. Ausgabe für hOh. rerftudert« Auf läge in neuer Bechtschrei«
Mädchenschulen. 6. Auflage. 1904. bung. Mit einem Plane yon London und
Gebunden S.60 Mk. Umgebung. 1908. Preia geb. 2.40 Mk.
Qluaioif.W., Rurige fasste englische
Sprachlehre. Voiüg neu bearbeitet | Oberstufe fflr Midohensohulen.
▼on Prof. Dr. Ernst Begel, Oberl. Zweite, nach den Beetimmungen Ton
an den Franckeschen Stiftungen. 9. Aufl.
1901. In Schnlband gebunden 2.20 Mk.
1901 Terftnderte Auflage in neuer Recht-
schreibung. 1908. Preis geb. 2.40 Mk.
In Vierzig Jahren wurden vom Lehrbuch nebst seinen Neubear-
beitungen 547 000 Exemplare abgesetzt, also
i^eit über eine halbe Million.
AasfAhrliche Terlagsrerieichnisse kostenlos«
Vortrag über die Frage der Hausaufgaben.
Von Prof. Dr. Eiben.
Gehalten auf der 14. Landesversammlung des Wfirtt Gymnasiallehrer-
y er eins am 7. Mai 1904.
(Abgedruckt mit einigen Auslassungen.)
(Schluss.)
Hat die griechische Komposition denselben Effekt?
Wenn ja, so drängt sich die Frage auf, ob es notwendig und ob
genügend Zeit dazn vorhanden ist^ einem und demselben Ziel gleich-
zeitig auf zwei verschiedenen Wegen zuzustreben: „Swer zwene
wege welle gän^ der muoz lange Schenkel hän^* sagt Freidank.
Meines Erinnerns enthielten aber selbst in der guten alten Zeit, da
man das Griechische schon mit den Elfjährigen begann, die Themata
ftlr griechische Komposition in den obersten Klassen erheblich
weniger stilistische Schwierigkeiten als die lateinischen. Heutzutage
dienen sie sicherlich nur noch der Erhaltung der grammatischen
Sicherheit; und wenn die deutschen Texte dafür noch so modern
aussehen, so sind sie doch ifein säuberlich fürs Übersetzen ins
Griechische vor- und zubereitet. Welchen Zweck aber hat die
„Erhaltung der grammatischen Sicherheit^^, wenn einmal
durch genügende Erklärung und Einübung die Formenlehre und die
Hauptlehren der Syntax den Schülern zum Verständnis gebracht
worden sind? Glaubt man, daß für die Zwecke der Exposition
die Fähigkeit korrekt griechisch zu schreiben wirklich einen
erheblichen Nutzen habe? Die einmal eingeübten und kimmer
wieder vorkommenden attischen Formen bei Xenophon, Lysias^
Demosthenes, Plato erkennen die Schüler spielend, wenn sie viel-
leicht auch in ihren Hebdomadarien noch recht viele Fehler in der
Formenlehre machen. Sätze mit ort, iva, wäre, Infinitiv- und Parti-
zipialkonstruktionen übersetzen sie, sogar noch ehe die darauf be-
züglichen Regeln systematisch durchgenommen und eingeübt sind,
tadellos ins Dentsche, auch wenn ihnen im Hebdomadar in dieser
Beziehung bisweilen noch etwas Menschliches passiert, z. B. oÜa
mit Infinitiv oder vofU^w on. Ganz von gelbst werden die Schüler
in der Komposition allmählich immer sicherer, je mehr sie expo-
nieren^ wenigstens solange sie nur attische Schriftsteller exponieren.
Aber o wehe! Schon im dritten griechischen Jalir fängt der Homer
an: der wirft alsbald seine Schatten auf die Sicherheit im schrift-
XorrMpondensbUtt 1806, H«ft 8.
82 Eiben,
liehen Gebrauch der attischen Formenlehre, wie sich in den Hebdo-
madarien deutlich zeigt; während andererseits die Schüler eine
ganze Menge neuer Formen sich ohne große Schwierigkeit an-
eignen, trotzdem sie dieselben nicht kompositionsweise einüben,
sondern im Gegenteil aufs strengste angehalten werden, solche in
den Hebdomadarien aufs sorgfältigste zu vermeiden. Und wie geht
es erst im vierten griechischen Jahr, in Obersekunda? An vielen
Anstalten bekommt der Schüler das ganze Jahr über keinen einzigen
gedruckten Satz in attischem Dialekt zu lesen, und doch muß er
fortgesetzt seine attischenHebdomadarien machen, natürlich
„zur Erhaltung der grammatischen Sicherheit^' — etwa mit Rück-
sicht auf die spätere Lektüre von Demosthenes und Plato? Gewiß
nicht! Wer den jonisch-epischen Dialekt nach dem attischen sich
zu eigen gemacht hat, wird auch später den attischen mühelos
wieder erkennen, wenn er zu ihm zurückkehrt. Die „Erhaltung der
grammatischen Sicherheit^' ist vielmehr notwendig lediglich wegen
des Examens. Oder aus welchem anderen Grunde verwendet ein
Lehrer des Griechischen an Obersekunda sechs Wochen lang fast
von jeder griechischen Expositionsstunde 20 Minuten auf die Repeti-
tion der unregelmäßigen Verba, obgleich eine Wiederholung der
Formenlehre im Lehrplan für Obersekunda gar nicht vorgesehen
ist? Wahrhaftig nur „der Not gehorchend, nicht dem eigenen Trieb"
und in dem klaren Bewußtsein von dem Gegensatz, in welchen er
sich dadurch setzt zu dem Lehrplan, der vorschreibt: „An den
Oberklassen tritt die Lektüre der griechischen Schriftsteller in den
Vordergrund I"
Der Gedanke, die griechische Komposition in die ihr gebührenden
Grenzen zurückzuweisen^ ist in Württemberg schon alt. Der Zweifel^
inwieweit auf dieselbe verzichtet werden kann^ ist auch deutlich
zwischen den Zeilen zu lesen in der 10. von den Thesen, die seiner-
zeit Oberstudienrat Dorn der Rektorenkonferenz im Jahr 1883 vor^
legte. Eine Annäherung an den preußischen Betrieb der lateinischen
und griechischen Komposition an Oberklassen wird da für nicht
wünschenswert erklärt und dazu folgendes bemerkt: „Selbstveiständ*
lieh ist, daß gegenüber der Lektüre der Schriftsteller, durch welche
die Schüler in den Geist und das Kulturleben des klassischen Alter-
tums eingeführt werden sollen, die Komposition, welche als freie
geistige Arbeit durch sämtliche Gymnasialklassen beizubehalten
ist; doch insofern zurücktritt, als durch dieselbe vorzugsweise die
im mittleren Gymnasium erworbenen grammatischen, lexikalischen
Vortrag über die Frage der Hausaufgaben. 83
und stilistischen Kenntnisse erhalten, erweitert und vertieft werden."
Was ist nun eigentlich der Fall? Tritt sie zurück, oder tritt sie
nicht zurück? Nach meiner Ansicht sollte ein prinzipieller
unterschied gemacht werden zwischen lateinischer
und griechischer Komposition: erstere soll um ihrer selbst
willen bis in die oberste Klasse beibehalten^werden, letztere aber
endlich einmal wirklich zurücktreten, und zwar nicht bloß
dadurch, daß man in Zeugnisheften und -Formularen der Exposition
den Vortritt gestattet, dabei aber ruhig bis zum Abgang aus Ober-
sekunda die Leute im Griechischen ausschliesslich auf Grund ihrer
Prüfnngsleistung in der Komposition beurteilt!
Mit der neuen Dienstvorschrift, die neben der Versetzungs-
prüfung eine wesentliche Mitberücksichtigung der von den Schülern
in der ELlasse erworbenen Zeugnisse anordnet, ist den Schülern
für die griechische Komposition wenig geholfen. Wenn ich nicht
weiß, ob der nächsthöhere Kollege in der Korrektur der Prüfungs-
arbeiten ,,kommiß" ist (entschuldigen Sie den militärischen Aus-
druck!), und außerdem, wenn ich meinen Schülern ihre einge-
wurzelten Lieblingsfehler abgewöhnen will, so muß ich selbst ,,kom-
miß" sein, d. h. pedantisch korrigieren; nach der Fehler-
zahl richten sich aber im wesentlichen die Zeugnisse der einzelnen
Arbeiten. Will ich liberal sein, so werde ich vielleicht nach preußi-
schem Muster „Fehlern gegen die Akzentlehre eine entscheidende
Bedeutung nicht beilegen" ; aber ganz ignorieren kann ich sie doch
nicht, zumal wenn sie halbdutzendweise in einer Arbeit vorkommen.
Und was ist der Effekt? Der Schüler wird unter Umständen nicht
versetzt, nicht weil er kein Verständnis für das Griechische hat,
noch auch weil er in meiner Klasse nichts gelernt hat, sondern zur
Strafe, zur Strafe für chronischen oder auch nur bei Klassen-
arbeiten und Prüfungen akut auftretenden Leichtsinn und nament-
lich auch — und das ist ein weiterer, nicht zu unterschätzender
Gesichtspunkt — weil er allerlei Kleinigkeiten wieder vergessen
hat, die er irgend einmal in einer früheren Klasse gelernt, aber
trotz „fortgesetzter Übungen im Übersetzen aus dem Deutschen ins
Griechische" seither nicht mehr gehabt hatte; es sei denn, daß in
der Exposition bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit
nach dergleichen grammatischen Mücken geschlagen wurde.
Von solchen Kleinigkeiten, die aber als Schwierigkeiten einzig und
allein für die Komposition, nicht für die Exposition in Betracht
kommen, wimmelt ja die griechische Formenlehre. Ich darf hiei*
84 Eiben,
wohl an den trefflichen Aufsatz von Wessely: „y^ie kann der
griechische Unterricht auf einfachere Weise sein Ziel erreichen?^'
im 57. Band der Zeitschrift für das Gymnasialwesen, S. 505 ff.,
erinnern. Wessely hat auf Omnd seiner Theorie nnd gründlicher
statistischer Arbeiten anderer eine „ Vereinfachte griechische Schnl-
grammatik^* in diesem Jahr bei Tenbner erscheinen lassen. Ich
glaube aber; auch wenn wir mit einem prinzipiell anderen Betrieb
der griechischen Komposition einen Versuch machen wollen, brauchen
wir darum nicht gleich die bei uns eingefdhrten Grammatiken ab-
zuschaffen. Der ganzen Not ist auf viel einfachere Weise abzu-
helfen. Ist die griechische Komposition nicht um ihrer selbst willen,
sondern nur dazu da, um ein grttitdliches Verständnis des Expo-
sitionsstoffs zu erzielen, so gelte hier das Wort: ,,An ihren Früchten
sollt ihr sie erkennen!^* und man gestatte nach hessischem Muster
(Verfügung vom Jahr 18831) schriftliche griechische Kompositions-
übungen nur in beschränktem Maße und nur zur Einübung der
betreffenden grammatischen Formen und Regeln (in Hessen nur bis
Untersekunda einschließlich), entziehe ihnen aber jeden entscheidenden
Einfluß auf die Beurteilung der jeweiligen Reife der Schüler, schaffe
also jede Prüfung und Bezeugnissung in griechischer Komposition
grundsätzlich ab. Man prüfe, wenn nun schon einmal geprüft sein
muß, einzig und allein in griechischer Exposition; man mag dann
zur Sicherung der Gründlichkeit an zweifelhaften Stellen, wo der
Übersetzende unter Umständen sich durchschwindeln könnte, eine
Auskunft formaler oder syntaktischer Art über einzelne Wörter
des vorliegenden Textes verlangen.
Welch große Entlastung der Schüler auch hinsichtlich der
häuslichen Arbeit daraus erwüchse, springt ohne weiteres in die
Augen. Der Hauptgewinn aber wäre meines Erachtens, daß Schüler
und Eltern dem Beginn des griechischen Unterrichts nicht mehr,
wie bisher, mit einem gewissen Grauen entgegen- und mit dem-
selben Gefühl seinem Betrieb zusehen und vollends später in der
Erinnerung darauf zurückschauen würden, daß vielmehr die griechische
Lektüre ungehinderter als bisher und erst im vollen Sinne Jederzeit
ihre Anziehungskraft auf die Jugend ausüben^^ würde, wie es im
württembergischen Lehrplan heißt, und daß der griechische Unter-
richt in Wahrheit zu dem würde, was er von Rechts wegen sein soll :
die Krone des gesamten Gymnasialunterrichts.
Aus der Abschaffung der griechischen Komposition als eines
besonderen Zeugnis- und Prüfungsfachs brauchen für die französische
Vortrag über die Frage der Hansanfgaben. 85
Komposition keipe Konsequenzen gezogen zu werden. Das Französische
ist eine lebende Sprache; hier gilt es nicht nur, die Schüler so weit
zn fördern, daß sie auch schwierigere Schriftsteller ohne große
Mühe lesen können, sondern auch im mündlichen und schriftlichen
Gebrauch der fremden Sprachen eine gewisse Geläufigkeit zu er-
zielen. Dagegen erlaube ich mir die unmaßgebliche Ansicht zu
äußern, daß französische Kompositionsübungen an schwereren
deutschen Originaltexten zu der beschränkten Zeit, die das Gym-
nasium dem Französischen widmen kann, in keinem Verhältnis
stehen: denselben Wert für allgemeine Verstandesbildung wie die
lateinische Komposition haben sie nicht, und einen praktischen
Nutzen haben sie höchstens für einige wenige Schüler, die im
späteren Leben als moderne Philologen vielleicht einmal in den
Fall kommen können, über wissenschaftliche Dinge in französischer
Sprache sich ergehen zu müssen; doch für deren Bedürfnisse mag
die Hochschule sorgen.
In betreff der übrigen Schulfächer und ihrer Ansprüche an
die häusliche Arbeit kann und muß ich mich aus verschiedenen
Gründen noch kürzer fassen.
Gegen die Mathematik üört man häufig den Vorwurf er-
heben, daß ihre Hausarbeiten die Schüler des Gymnasiums unver-
hältnismäßig stark in Anspruch nehmen. Wo regelmäßige Haus-
arbeiten in Mathematik gegeben werden, mag das hier und da zu-
treffen; liegt ja bei mathematischen Aufgaben die Gefahr ganz be-
sonders nahe, daß man sich sozusagen darein verbeißt. Hinsicht-
lich der mathematischen Hausaufgaben scheint übrigens die Praxis
bei uns eine sehr verschiedene zu sein. Der Lehrplan vom Jahr
1891 enthält darüber keine Bestimmungen. Der preußische Lehr-
plan schreibt, beiläufig bemerkt, vor selbständigere häusliche Aus-
arbeitungen in den oberen Klassen neben den regelmäßigen Klassen-
Übungen in der Regel alle vier Wochen.
Diejenigen Fächer, in denen die Schüler einen bestimmten
Fonds an positivem Wissen sich notwendig aneignen müssen, wie
Geschichte, Literaturgeschichte, Kirchengeschichte , Geographie,
Naturwissenschaften, haben selbstverständlich das Recht, die häus-
liche Arbeit für ihre Zwecke in Anspruch zu nehmen. Doch gilt
es hier ganz besonders, den im Erlaß vom 26. April 1883 auf-
gestellten Grundsatz zu betätigen, daß nicht „der häuslichen Arbeit
die Hauptaufgabe des Lernens zugewiesen und dem Privatfieiß das
zu erreichen zugemutet werden darf, was dem Schüler im öffent-
86 Eiben,
liehen Unterricht geboten werden sollte/' Die Zeit zn einem er-
sprießlichen colloqainm mit den Schülern bei jedem geeigneten
Anlaß, besonders repetitionsweise am Ende oder Anfang jeder
Stunde, kann gewonnen werden, wenn der Lehrer den Spruch
beherzigt: ,,In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister^ und
dementsprechend seinem soliloquium ein gutes Stück wertlosen
Wissensstoffs entzieht.
Aus dem soeben verlesenen Satz des Erlasses vom 26. April
1883 ergibt sich eigentlich ganz von selbst die Verwerflichkeit vor-
lier angesagter Exploratorien. Solche bedeuten bekanntlich
eine besonders schwere, zwar nur vorübergehende, aber bei der
grossen Zahl der in Betracht kommenden Fächer doch ziemlich
häufige Inanspruchnahme der den Schülern zugestandenen freien
Zeit. Denn die üblichen umfangreichen Vorbereitungen darauf
lassen sich in dem für häusliche Arbeiten vorgesehenen zeitlichen
Rahmen schlechterdings nicht unterbringen und geben dann zudem
in der Hauptsache eben ein Bild von den Kenntnissen, welche die
Schüler durch einen oft recht gedankenlosen „Privatfleiß^' meistens
nur auf eine kurze Spanne Zeit zusammengerafft haben, wodurch
der dauernde Gewinn, den sie im ^.öffentlichen Unterricht" sich an-
eignen, so in den Hintergrund gedrängt wird, daß er kaum mehr
zu erkennen ist. Die Erfahrung zeigt überdies, daß die Mehrzahl
der Schüler, wenn sie wissen, daß die Exploratorien zur Zeugnis-
gewinnung vorher angesagt werden, die viel nützlichere Repetition
von Stunde zu Stunde sich schenkt und ihre ganze Hoffnung auf
die ,,Schanzarbeit" setzt. Uuangesagte schriftliche Repetitionen in
der Geschichte halte ich seit einigen Jahren ausschließlich und habe
damit nur gute Erfahrungen gemacht. Ich riskiere dabei allerdings
ein paar wirklich schlechte Arbeiten von schwachen oder faulen
Schtllern; das ist mir aber vorkommendenfalls immer noch lieber,
als wenn ich einem gedankenlosen Schaffer unter sauersüßer An-
erkennung seines glUckhaften ,,Fleißes^^ das Zeugnis ,,befriedigend^*
hinzuschreiben mich entschließen muß.
Auch die württembergische Rektorenkonferenz im Jahr 1883
war der Ansicht, daß die Exploratorien nicht die einzige Quelle
der Beurteilung der Schüler in dem betreffenden Fach sein und
nur kurze Zeit vorher angesagt werden sollten, wenn sie überhaupt
angesagt würden. In Hessen darf Tag und Stunde derselben nicht
früher als am Tage vorher den Schülern bekanntgegeben werden.
Ich meine, wir sollten die Konsequenz ziehen und vorher angesagte
Vortrag über die Frage der Haasaufgaben. Qj
Ezploratorien grundsätzlich abschaffen. Der ungesunden Streberei
mancher Schüler ist selbst die ambrosische Nacht nicht heilig; es
ist oft geradezu unheimlich, was manche Schüler in wenigen Stunden
und auf — wenige Stunden sich einzutrichtern vermögen.
Den Zweck, für außerordentliche Hausarbeiten, die
im wöchentlichen Schema nicht berücksichtigt sind, Platz zu ge-
winnen, verfolgt mein in These 3 unter Buchstaben c gemachter
Vorschlag. Bei dieser Gelegenheit möchte ich als mehrfach bewährt
auch die Einrichtung empfehlen, neben der Hauptaufgabe über den
Samstagnachmittag, dem lateinischen Argument, andere Aufgaben,
besonders altsprachliche Präparationen, zu erlassen.
Damit komme ich auf die alltäglichste aller Hausaufgaben des
Gymnasiums und zugleich zum Schlüsse meines Vortrags, zu der
hänsliehen Präparation. Unser württembergischer Haus-
aufgabenerlaß vom 19. März 1896 enthält in dieser Beziehung so
treffliche Anweisungen, daß es überflüssig ist, darüber hier ausführ-
lich zu reden. Dettweiler in seiner ,,Didaktik und Methodik
des Lateinischen^' ^), deren Studium uns der Erlaß empfiehlt, sagt
mit Recht (S. 157): „Die Frage, inwieweit häusliche Vorbereitung
zu verlangen sei, ist für die Methodik nicht grundsätzlich. Ebnet
man im voraus — und das verlangt auch der württembergische
Erlaß — in den zur häuslichen Präparation bestimmten Abschnitten
besondere Schwierigkeiten für die betreffende Stufe durch vorher-
gehende kurze Besprechung, namentlich durch Erklärung von Aus-
drücken, die sprachlich und inhaltlich nicht im Erfahrungskreis des
Schülers liegen, so ist es ganz gleichgültig für die Lektüre des
Schriftstellers, ob sich der Schüler nun zu Hanse einen Abschnitt
selbst zurechtlegt, oder ob man diesen ganz in der Schule durch-
nimmt. Es ist dies eine Frage, die sich nur im Zusammenhang
mit der über das hygienisch zulässige Maß der Hausarbeit beant-
worten läßt.^' So Dettweiler. Damit aber ist die Präparation
als dasjenige Feld häuslicher Arbeit gekennzeichnet, auf dem man
sich am leichtesten an die durch die behördliche Verfügung ge-
gebene zeitliche Beschränkung der täglichen Hausarbeit anpassen
und auch auf die Verhältnisse solcher Schüler Rücksicht nehmen
kann, die durch fakultative Fächer an gewissen Tagen besonders
belastet sind, zumal da ja unser Erlaß regelmäßige Übungen im
unvorbereiteten übersetzen in allen Klassen vorschreibt. Im übrigen
') lu Baumeister, Handbuch der Erziehungs- und Unterrichtslehre,
in. Band, Abschnitt JII.
88 Eiben,
ist an diesem Teil nnseres württembergischen Hansaufgabenerlasses
besonders zu rühmen^ daß er schablonenhaftes Schematisieren ver-
meidet nnd es dem Lehrer überläßt, je nach der Altersstufe der
Schüler nnd den Schwierigkeiten oder besonderen Eigentümlichkeiten
eines Schriftstellers sich selbst die jeweilig beste Methode ausfindig
zu machen.
Es kann aber allerdings Fälle geben, wo ohne ein festes Schema
nicht auszukommen ist. Und ein solcher Fall ist nach meiner Über-
zeugung die Regulierung der täglich oder wöchentlich sich wieder-
holenden Hausaufgaben. Ich betone die Notwendigkeit der An-
fertigung eines Schemas für diesen Zweck nicht aus blindem
Respekt vor dem Buchstaben der bestehenden Verordnung; ich be-
trachte das Schema, so wie ich es mir denke, nicht als einen
uniformierenden Stundenplan für die Hausarbeit der Schüler, an
den sie sich strikte zu halten haben; wohl aber scheint mir das
Vorhandensein eines nach Vereinbarung der beteiligten Lehrer ins
einzelne ausgearbeiteten Hausaufgabenschemas unerläßlich zur
Ermöglichung einer täglichen Selbstkontrolle der Lehrer hinsichtlich
ihrer Ansprüche an die häusliche Arbeit; denn der Unterrichts-
stundenplan allein stellt den Lehrern nicht mit überzeugender Deut-
lichkeit vor die Augen, inwieweit sie sich an jedem einzelnen Tag
mit ihren Anforderungen für jedes Fach mit Rücksicht auf die
ebenso berechtigten Anforderungen der anderen Fächer einschränken
müssen.
Thesen habe ich auf ausdrücklichen Wunsch unseres Vereins-
vorstands abgefaßt, weniger um damit meine Stellung zur Haus-
aufgabenfrage nach allen Seiten hin grundsätzlich zu präzisieren,
als zu dem Zweck, einige praktische Anhaltspunkte für die Debatte
zu geben. Möge sie einen ersprießlichen Verlauf nehmen!
Leitsätze:
1. Eine Überschreitung der Bestimmungen des Erlasses vom
19. März 1896 über die auf den einzelnen Altersstufen zulässige
Arbeitszeit kann nur dadurch dauernd verhütet werden, daß das
zu diesem Zweck vorgeschriebene Schema bei jeder Änderung
des Stundenplans, also zu Beginn jedes Halbjahrs, neu angefertigt
wird.
Aus diesem Schema muß deutlich zu ersehen sein, aufweiche
Weise in den für jeden Tag vorgesehenen zeitlichen Rahmen die
regelmäßigen Hausaufgaben von Tag zu Tag sich zu teilen haben,
Vortrag ttber die Frage der Hansanfgaben. 89
beaw. an welchem Wochentag die über mehrere Tage anfgegebenen
Arbeiten am zweckmäßigsten untergebracht werden.
2. Die im Erlaß vom 19. März 1896 für die frühere VII. Klasse
angeordnete Rttcksichtnahme auf die fakultativen Schulfächer bei
Bemessung der täglichen Hausaufgabenzeit sollte auf alle Klassen
ausgedehnt werden und durch folgende Fassung des betreffenden
Absatzes deutlicher zum Ausdruck kommen:
„Für die tlbrigen Klassen (d. h. von Klasse V fr. Bez. an auf-
wärts) wird als Höchstmaß der auf die Hausaufgaben zu verwen-
denden Zeit festgesetzt: nach 4 stündigem Unterricht 3 Stunden,
nach östttndigem 27s, nach 6 stündigem 2, nach Tstttndigem 1; nach
8 stündigem V« Stunde. In die Unterrichtszeit sind die faki^iltativen
Schulfächer einzurechnen, doch ist eine außerordentliche Belastung
einzelner Wochentage durch Unterrichtsstunden bei Anlegung des
Stundenplans tunlichst zu vermeiden.^*
3. Die Anforderungen der einzelnen Fächer an die häusliche
Arbeit können in dem vorgeschriebenen zeitlichen Rahmen nur dann
untergebracht werden, wenn sie gemäß dem Erlaß vom 26. April 1883
durch einheitliche Regelung mehrerer Punkte möglichst beschränkt
werden. Zu diesem Zweck empfielht sich:
a) die grundsätzliche Abschaffung der Prüfung und Bezeug-
nissung in griechischer Komposition behufs Entlastung des
griechischen Unterrichts von der fortgesetzten, hemmenden
Rücksichtnahme auf den Zweck, den Schülern die Fähigkeit
ebes korrekten schriftlichen Gebrauchs des attischen
Dialekts beizubringen, bezw. zu erhalten;
b) das Verbot des Vorheransagens von Exploratorien zur Ermitt-
lung des in einzelnen Fächern erreichten Kenntnisstandes;
c) die Anordnung, daß alle nicht regelmäßig jede Woche sich
wiederholenden Hausaufgaben, wie z. B. Hansaufsätze, nur über
solche Tage gegeben werden, an denen eine regelmäßige
schriftliche Hausarbeit etwa infolge einer Klassenarbeit
ausfällt.
90 Bayhrer, Jahresbericht des Württembergisehen
Jahresbericht des Württembergischen Vereins für
neuere Sprachen im Jahre 19031904.
Erstattet vom Schriftführer Professor Dr. Rayhrer.
Der Wttrttembergische Verein für neuere Sprachen hielt im
Vereinsjahr 1903/04, wie tlblich, 7 Versammlungen ab, 4 in Plochingen,
3 in Stattgart.
Bei der ersten am 1. November 1903 in Plochingen stattgehabten
Versammlung legte Professor Wagner-Stuttgart nach dreijähriger
Tätigkeit sein Amt als Vorstand nieder. An seiner Stelle wurde
Professor Dr. Sak mann -Stuttgart gewählt. Professor Silcher-
Rentlingen wurde als Kassier und Professor Dr. Rayhrer- Stutt-
gart als Schriftführer wiedergewählt.
Den Vortrag hielt Professor Finckh -Reutlingen Über „An-
sichten über die Entstehung der Sprache^^ Abgesehen
von der Annahme eines göttlichen, wunderbaren Ursprungs der
Sprache, kann man nativistische und empiristisclie Theorien unter-
scheiden. Nach der Auffassung des NativLsmus ist die Sprache
durch Natur, ohne jede Beteiligung des menschlichen Willens, ent-
standen. Der Empirismus dagegen weist der Erfahrung irgendwie
eine Rolle bei der Sprachentstehung zu und fasst die ersten Sprach-
bewegungen der ersten Menschen als willktirliche Bewegungen auf.
Innerhalb jeder dieser Hauptrichtungen finden sich extreme und
gemäßigtere Ansichten. Die Annahme eines Wesenszusammenhangs
zwischen Sprechen und Denken, von der der extreme Nativismus
(Heraklit, W. v. Humboldt, K. Heyse und Renan) ausgeht,
widerspricht den Tatsachen, und seine Erklärung des Sprach-
ursprungs aus der ,,Sprachkraft^^ ist gar keine Erklärung. Ebenso
scheitert die „Erfindungstheorie^^ des extremen Empirismus (Demo-
krit, Maupertuis, Tiedemann, Locke, A. Smith), wonach die Sprache
Erzeugnis planvoller Übereinkunft unter den Menschen ist, an der
Schwierigkeit, daß eine derartige ,,Eriindung" der Sprache das
Vorhandensein einer Sprache schon vorausgesetzt (Herder). Die
von dem gemäßigten Nativismus aufgestellte Refiextheorie (Lazarus,
Steinthal, Max Müller) nimmt an, daß bei den ersten Menschen
zwischen bestimmten Vorstellungen und den Sprachmuskeln ein
Mechanismus eingeschaltet war, vermöge dessen die Vorstellungen
die Sprachwerkzeuge so in Bewegung setzten, daß bestimmte Laute
herauskamen, die den erzeugenden Vorstellungen ähnlich waren.
Dieser verwickelte Vorgang läßt sich beim heutigen Menschen nicht
Vereins fttr neuere Sprachen im Jahre 1908/1904. 91
mehr nachweisen. Der Empirismus in seiner vorsichtigen Form
dagegen (J. Grimm, Lotze, Whitney, Tylor^ Madvig, Marly) geht
aus von heute noch wirksamen elementaren Geisteskräften. Er
betrachtet die Sprache zwar als eine menschliche Erwerbung, doch
so, daß die Menschen durchaus planlos, nur getrieben vom augen-
blicklichen Hitteilungsbedttrfnis und geleitet durch das unbewußte
Walten der Assoziationstätigkeit, zu Verständigungsmitteln gelangten,
zu nachahmenden Gebärden, zu nachahmenden Lautzeichen und
endlich zu konventionellen Wörtern.
In Stuttgart sprach sodann am 8. Dezember 1903 Professor
Dr. Freiherr von Westenholz über „die beiden Hamlet-
Quart os*'. Der Redner knüpfte daran an, daß das laufende Jahr
ein Hamletgedenkjahr ist: vor 300 Jahren, im Jahre 1603, ist die
erste gedruckte Hamletausgabe erschienen. Dieser Ausgabe (A)
folgte im nächsten Jahr eine zweite (B) mit dem Anspruch, gegen-
ttber der ersten vermehrt und verbessert zu sein, in der Tat fast
um /s größer als jene. Die Ansichten über das Verhältnis zwischen
A und B gehen sowohl in England als in Deutschland sehr aus-
einander. Entweder faßt man A als den ersten Entwurf des Dichters
auf, den er selbst später zu B, der ,,Vulgata^, verarbeitet hat.
Oder nimmt man an, A sei ein Raubdruck von B. Gegen die erste
Annahme spricht die innere Un Wahrscheinlichkeit eines solchen
Verfahrens; gegen die zweite besonders der Umstand, daß die Ab-
weichungen nicht bloß aus Streichungen, sondern auch aus sonstigen
Änderungen bestehen. Aus einer genauen Vergleichung an der
Hand der Viktorschen Parallelausgaben geht vielmehr hervor, daß
B das echt Shakespearesche Werk ist. A dagegen ist eine Be-
schneidnng von B zum Zweck der BUhnenauftÜhrung, also ein
Regieexemplar, und zwar ein solches, das von einem nicht sehr
gründlich gebildeten Fachmann fttr Wandervorstellungen einer
kleineren Truppe zurechtgemacht worden ist. So erklären sich
leicht die vorgenommenen Veränderungen: alles fttr die Btthne
Überflttssige, fttr die Wahrung des Zusammenhangs Unnötige, auch
alles Schwulstige wurde gestrichen; schwer verständliche oder
schwer aussprechbare Worte und femliegende Anspielungen oder
Vorstellungen sind durch einfachere und bekanntere ersetzt; ja
selbst Namen sind geändert und Szenen umgestellt, um dem Zu-
hörer das Verständnis zu erleichtem oder die Aufführung auch
einer Truppe von bescheidenem Personenbestand zu ermöglichen.
Eine Erklärung endlich fttr den angeblichen Hauptunterschied der
92 Rayhrer, Jahresberieht des Wttrttembergischen
beiden Ausgaben, daß Hamlet in A 19jährig, in B SOjährig sei,
braucht nicht gegeben zn werden^ da jenes Alter sich ans A nicht
herauslesen läßt.
Den dritten Vortrag hielt in Plochingen am 7. Februar 1904
Professor Dr. Voretzsch-Tübingen über „Die Oberonsage".
Redner sprach dabei über die Oberonsage, ihren Ursprung und
ihre Wandlungen von den ersten Anjfängen bis in unsere Zeit. Der
Zanberstab der Romantik versetzt uns mit einem Schlag ins germa-
nische Heidentum zurück ; denn Oberen ist, wie schon Grimm nach-
wies, kein anderer als der deutsche Waldgeist Alberich: damit
stehen wir auf dem Boden der niederen Mythologie. Alberich ge-
hört zu den guten Lichtalben, die zusammen mit den bösen Schwarz-
alben die niederen Geister ausmachen, die, da sie keine eigentlichen
Gottheiten waren, sich leicht ins Cliristentum hinüberretten konnten.
Diese Lichtalben spielen oft in Sagen und Märchen, besonders in
den „ Siegfriedmärchen ^^, die Rolle eines hilfsbereiten Geistes, ge-
wöhnlich im Zusammenhang mit einer Brautwerbung. In dieser
Rolle erscheint auch AlbiBrich in der deutschen Ortnitsage; er hat
das Aussehen eines 4jährigen Kindes, obgleich er schon viele
100 Jahre alt ist, und besitzt die Gabe, sich unsichtbar zu machen.
Der Alberich des Nibelungenlieds entspricht diesem Bild allerdings
nicht ganz. Durch die alten Franken gelangt der deutsche Alberich
nach Gallien, wo wir ihm öfters wieder begegnen, so bei dem
Chronisten Jacques de Guise, und wo er sogar mit der Merowinger-
sage in Zusammenhang gebracht wird. Das Hauptwerk aber, in
dem Alberioh als Alberon (Auberon, Oberon) auftritt, ist das alt-
französische Epos Huon de Bordeaux aus dem Anfang des 13. Jahr-
hunderts. Redner gibt von diesem umfangreichen, nacli einem be-
stimmten Plan durchkomponierten Werk eine klare Analyse. Zwei
Elemente lassen sich darin unterscheiden: ein historisches, die
Mordtat Huons, und ein mythisches, das Eingreifen Alberons. Der
Name und das hilfsbereite Wesen Alberons weisen unbedingt auf
den deutschen Alberich, trotz der Ähnlichkeit Alberons mit den
bretonischen Zwergen. In den abenteuerlichen Ergänzungsepen zu
Huon z. B. entfaltet sich ungezügelte, mittelalterliche • Chronisten-
phantasie. Oberons Geschlecht wird auf Judas Makkabäus zurück-
geleitet und ihm Cäsar und die bretonische Fee Morgue als Eltern
gegeben; interessant ist dabei die 'j^atsache, daß sich auch Be-
ziehungen zwischen der Oberonsage und der Herzog-Emstsage er-
geben. Redner schilderte sodann, wie die Oberonsage von Frank-
Vereins für neuere Sprachen im Jahre 1903/1904. 93
reich ans überall hin den Weg geixinden hat. Hier kommt in
Spensers n^^^i'y Queen" ein ganz neues Motiv herein: der Streit
Oberons mit seiner Gattin Titania. Ober den Ursprung dieser
Gestalt scheint Ohaucer in seinen Canterbury Tales Anfschloß zn
geben : danach wäre Titania anf Proserpina, Plntos Gattin, aurück-
anfuhren. Dnrch Chancer und Spenser wird Shakespeare im
Sommemachtstraum beeinflußt. Interessant dabei ist, daß hier alle
Zttge wiederkehren: das hilfsbereite Eingreifen Oberons in die Ge-
schicke der Liebenden und die Auffassung Oberons als eines Licht-
alben, dem Puck als Schwarzalbe gegenübersteht. In neuerer Zeit
wurde die französische Oberonsage durch die 1778 vom Grafen
von Tressan veröffentlichte Biblioth^que universelle des Romans
populär. Auf Tressan geht Wieland zurück, unter gieiohaeitiger
Benützung auch der englischen Darstellung. Wielands Oberen wird
wieder ins Französische und Englische übersetzt, und auf der eng-
lischen Übersetzung beruht das Textbuch zu Webers Oper. Wie-
land und Weber bezeichnen die Endpunkte in der Sagenentwioklung.
Doch hat der Oberen damit seine Lebenskraft noch nicht verloren :
Reineke, Bechstein, Giacoso und G. Paris verliehen dem alten Stoff
neuen Reiz. Zum Schluß seiner Ausführungen zeigte der Redner
durch einen Vergleich zwischen Wieiands Oberen und dem alt-
französischen Huon, wie das Neue nur durch Kenntnis des Alten
recht gewürdigt wird.
Am 13. März sprach sodann in Stuttgart Professor Dr. Schwend-
Stnttgart über den „neusprachlichen Unterricht an Ober-
klasse n^. In Anknüpfung an seine Schrift: „Gymnasium oder
Realschule?^ führte der Redner folgendes aus: Als die Realschule
sich langsam nach oben ausbaute, war das Muster, nach dem sie
ihren sprachlich-geschichtlichen Unterricht gestaltete, das Gymna-
sium. Namentlich wurden die neueren Sprachen durchaus unter
dem Gesichtspunkt der Grammatik gelehrt. Dieser „alten^^ Methode
gegenüber verlangten die Reformer eine stärkere Betonung des
praktischen Zwecks der modernen Sprachen, indem die grammati-
kalisehen Übungen zugunsten von Konversation und Aufsatz zurück-
gedrängt werden sollten. Bei diesen unbedeutenden und den Bil-
dnngswert des fremdsprachlichen Unterrichts eher schwächenden
als stärkenden Besserungen darf die Reform nicht stehen bleiben.
In zwei Richtungen muß der Unterricht noch stärker umgestaltet
werden. Die Lektüre ist in seinen Mittelpunkt zu stellen und
unter strenger Ausscheidung aller nicht ktinstlerisch oder gesohicht-
94 Rayhrer, Jahresberieht des WürttembergiBchen
lieh bedeutenden Schriftwerke nach geschichtlichen Gesichtspunkten
zu ordnen, so daß die Schüler in die Kulturentwioklung des fran-
zösischen und englischen Volkes eingeführt werden. Ferner ist
die Methode der Textbehandlung zu vervollkommnen. An Stelle
des bloßen Übersetzens soll eine exakte, in dialogischer Form und
nach ästhetischen und historischen Gesichtspunkten verfahrende
Analyse treten. Auf diese Weise wird der Schüler nicht nur in
das Verständnis der modernen Kultur eingeleitet, sondern auch
sein Verstand geschärft und sein Geschmack verfeinert. — Um den
Beweis für die Durchführbarkeit der von ihm erhobenen Forde-
rungen zu liefern, zeigte der Redner an einem Abschnitt aus
Corinne von Madame de Staäl (Karneval in Rom), wie die schrift-
stellerische Eigentümlichkeit und die literarhistorische und all-
gemein kulturelle Bedeutung eines Schriftstellers auch in der
Schule dargelegt werden können, und wies durch Vergleichung mit
dem entsprechenden Abschnitt aus Goethes italienischer Reise dar-
auf hin, wie die Methode vergleichender Betrachtung sich als
wertvolles Hilfsmittel für solche Textbehandlung darbiete.
Den fünften Vortrag hielt in Stuttgart am 2. Mai 1904 Ober-
reallehrer H ähnle- Ludwigsburg über Henry Thomas Buckles
„History of Oivilsation in Bngland^^, erschienen 1857— 61.
B., der von 1821 — 1862 gelebt und in dem genannten Buch sein
Lebenswerk niedergelegt hat, iBt zwar religiösen Regungen nicht
unzugänglich, aber im ganzen kühler Verstandesmensch. Der Grund-
gedanke seines Werks ist der, Geschichte nach naturwissenschaft-
licher Methode zu schreiben. Er führt deshalb alle historischen
Erscheinungen in letzter Linie auf die physikalische Geographie
zurück. Für die Erklärung des Menschen als geistiges und soziales
Wesen liefert das Material die Statistik. Die aus ihr sich er-
gebende Regelmäßigkeit führt zur Leugnung der Willensfreiheit.
Ein Zweck der Geschichte, sittliche Faktoren in der Geschichte,
werden von B. nicht anerkannt. Auch von dem schwer zu be-
stimmenden Begriflf der Masse will er nichts wissen. Der Fortschritt
der Menschheit ist nur von der Entwicklung des Verstandes ab-
hängig. Mit solchen Anschauungen wird er natürlich ein Feind der
Theologie, die ihn als Materialisten in Verruf bringt, und jeder
Regierungsform, die das Volk zu bevormunden sucht. Trotz der
Nüchternheit seiner Grundsätze zeigt B. als Künstler bedeutende
Fähigkeiten, und seine Schilderung der europäischen Hauptvölker
bietet dem Leser mannigfachen Genuß. Am besten gelungen sind
Vereins für neuere Sprachen im Jahre 190^1904. 95
die Darstellungen der spanischen und schottischen Geschichte, die
den zweiten Band ausfüllen und die Vorarbeiten für das nicht mehr
erschienene Hauptwerk — die englische Geschichte — bilden sollten.
Nicht bloß in dem Umstand, daß diese Vorarbeiten ein ganzes
Werk vorstellen, berührt sich B. mit Chamberlains „Grundlagen
des 19. Jahrhunderts", sondern überall wird man zur 'Vergleichung
der beiden Persönlichkeiten angeregt. Diese dürfte zugunsten
Chamberlains ausfallen. Der Ausgangspunkt ist bei beiden derselbe,
eine rein naturwissenschaftliche Weltanschauung. Dann aber trennen
sich ihre Wege: B. ist reiner Verstandesmensch und Demokrat,
Ch., der Aristokrat, hält ehrfurchtsvoll vor den Schranken still; wo
das Wissen aufhört und das Glauben beginnt.
In Plochingen hielt am 5. Juni 1904 Professor Roller-Stutt-
gart einen Vortrag über „Dante Gabriel Rossetti". Dante
Gabriel Rossetti (1828—82; war ein Sohn des als Flüchtling in
London lebenden italienischen Dichters und Danteforschers Gabriel
Rossetti. Schon in seiner frühen Jugend entwickelte sich in ihm
eine große Vorliebe für Literatur und Kunst, insbesondere Malerei.
Nach mehrjährigem Studium auf der K. Kunstakademie in London
gründete er im Jahr 1848 mit den Malern Hunt und Millais die
„Präraphaelitenbrüderschaft", die in der italienischen Kunst vor
Raphaels Auftreten das Vorbild für ihr Schaffen erblickte und eine
Rückkehr zur höchsten Einfachheit, ^Y^hrhaftigkeit und Innerlich-
keit forderte. Diese ursprünglich aus drei, später aus mehr Mit-
gliedern bestehende Brüderschaft wurde der eigentliche Ausgangs-
punkt der englischen Malerei. Im Jahr 1854 lernte Rosetti den
hervorragenden Kunstkritiker Ruskin kennen, der sein Freund und
Beschützer wurde, und einen großen Einfluß auf ihn ausübte. Um
dieselbe Zeit gründete Rossetti mit dem Dichter Morris und dem
Maler Borne Jones eine neue, unter dem Namen „Oxford Union" be-
kannte Brüderschaft, der die Neubelebung des englischen Kunst-
gewerbes und die Übertragung der Kunst auf die Dinge des täg-
lichen Lebens hauptsächlich zu verdanken ist. Rossettis dichterische
Tätigkeit begann gleichzeitig mit seinen ersten Versuchen in der
Malerei: er übersetzte einen Teil des Nibelungenliedes, die Er-
zählung „Der arme Heinrich" von Hartmann von Aue und eine
große Anzahl Sonette vordantischer Dichter, die zusammen mit
Dantes „Vita nuova" 1861 erschienen. Zugleich verfaßte er eigene
Balladen und Sonette, die er aber vorerst nicht veröffentlichte,
sondern seiner nach zweijähriger glücklicher Ehe verstorbenen Frau
96 Rayhrer, Jahresbericht d. Wttrtt. Vereins f. neu. Sprachen.
in den Sarg legte. Erst 7 Jahre später, 1869, ließ er sich bewegen^
den Sarg öffnen und die Gedichte drucken zu lassen. Sie er-
schienen 1871 unter dem Titel „Poems^* und ersielten einen großen
Erfolg durch die plastische Schönheit der Form, die Kraft und
Melodie der Sprache und die dichterische Zartheit der Empfindung.
Mitten in sdiner Freude an diesem Erfolg wurde der krankhaft
empfindliche Dichter durch eine scharfe Kritik, in welcher ihm
Unsittlichkeit vorgeworfen wurde, tief verletzt. Die letzten Jahre
seines Lebens verbrachte er in selbstauferlegter Einsamkeit, von
Schlaflosigkeit, die er durch schädliche Mittel zu heben suchte,
und Hypochondrie geplagt, nur von wenigen treuen Freunden um-
geben. Im Jahr 1881 erschien unter dem Titel „Ballads and
Sonnets^^ eine zweite Sammlung von Gedichten, die ebenfalls mit
großem Beifall aufgenommen wurden. Am 9. April 1882 starb
dieser bedeutende Dichter und Künstler, von dem mit Recht gesagt
werden kann, er habe seine Gedichte nicht nur geschrieben, sondern
auch gemalt.
Professor Zell er- Ulm sprach endlich am 3* Juli 1904 in
Plochingen über „Eduard Mörike, ein Charakterbild."
Der überlaute Preis Mörikes aus Anlaß der Jahrhundertfeier, so
führte d^ Redner aus, rief auch starke Gegnerschaft hervor, die
vor allem den Menschen als weibischen, weinerlichen Egoisten an-
griff. Mensch und Dichter lassen sich aber bei ihm nicht trennen.
Überaus reich war er allerdings als Künstler ausgestattet. Er
besaß einmal eine ungemeine Feinfühligkeit der Sinne. Diese
waren so scharf, daß der Sonnenschein des Tages ihn verletzte,
und er sich nur im Dämmerlicht wohl fühlte. Dafür hörte und sah
er aber auch, was andere nicht hören, und glaubte mit Hilfe seiner
feineren Organe in das geheimnisvolle Wesen der Natur selbst ein-
zudringen. Die Kehrseite dieser großen Empfindlichkeit für äußere
Reize war seine Energielosigkeit Eine zweite gefährliche Gabe
war seine übermächtige Phantasie, die ebenso unerschöpflich wie
lebhaft und tief war. Träume und Gesichte spielen eine große
Rolle bei ihm. So machte er Entdeckungsfahrten in das Gebiet
des Unterbewußten, das ihm als die eigentliche Wirklichkeit er-
scheint. Hinter dieser alles in allem schauenden Phantasie tritt
die Reflexion zurück, weshalb er es nie zum Dramatiker brachte.
Das Problem seiner Charakterbildung war nun bei Mörike, zwischen
Sinnlichkeit und Phantasie, Impressionismus und romantischer Nei-
gung Harmonie herzustellen, überhaupt nicht in raffinierter Natnr-
Nestle, Zu Markus 9,48—47. 97
sehwelgerei oder im Geister- and Oespensterschaaen aufzugehen.
Dazu half ihm sein lauteres Gemüt, wo Phantasie und Sinnlichkeit
sicher gediehen, vor allem aber seine stete Selbsterziehung, die
eine Seibstbeschränkung auf das ihm Gemäße bedeutete. Er hat
seine Individualität rein und lauter erhalten und so das Problem
der Bildung fär sich gelöst. Er ist echt, deshalb sind es auch
seine Dichtungen.
Zu Markus 9, 43—47.
An das ernste Wort Jesu, daß es nötig sei, sich vor Ärgernis
zu retten selbst mit Aufopferung eines seiner Glieder, Hand, Fuß
oder Auge, lassen sich zwei lehrreiche sprachliche Beobachtungen
anknüpfen, eine für das Deutsche, die andere für das Griechische.
Die erste betrifft die Beugung des Zahlworts zwei: Luther
schrieb noch „zwo Hende", „zween Füße", „zwey Augen".
Schon Goethe war über diesen Unterschied nicht mehr sicher. Im
Götz, wo er einmal altertümlich und volkstümlich reden will, sagt
er, (Dritter Akt, zweiter Auftritt): „Der eine hat eine Hand, der
andere nur ein Bein! Wenn sie denn erst zwo Hand hätten und
zwo Bein, was wollet ihr dann tun?" Und zwar schrieb Goethe
in allen Bearbeitungen so (A, B, C in der kritischen Ausgabe von
Baeehtold; Freiburg, 2. Ausg. 1888); nur in dem Druck Bb d. i.
in der 8-bändigen Ausgabe von 1787, der allerdings der verbreitetste
wurde und im wesentlichen allen Cotta-Ausgaben von 1806 an zu-
grunde liegt, wurde daraus „zwey Hände" und „zwey Beine".
Unser Volk unterscheidet noch genau: Zween Ochsen, zwu Küh,
und zwei Kälble. Da es selten ist, dass man alle drei Geschlechter
so bequem beisammentrifft, wird es schon erlaubt sein, eine solche
sprachliche Beobachtung an diesen Text anzuknüpfen.
Die zweite betrifft den griechischen Artikel. Alle bisher ge-
druckten Ausgaben lesen: rag Svo /slQoigy rovg Svo nodag, dto
oq&aXfioig. Wetstein konnte im Jahr 1751 mitteilen, daß von
allen bis dahin verglichenen Handschriften nur der Codex D
(Bezae) rag weglasse. Bis zum Jahr 1862 konnte Tischendorf
nur eine einzige von Scrivener verglichene Handschrift nachtragen,
die diese Auslassung teilt. Er bemerkt dazu „ut Mt", wo man
18, 8 gleichfalls ohne Artikel ^ ivo /jlgag rj Sio noS ag i/owa
liest; cod. D mit Umstellung ^ dvo nodag rj 6vo yHQug. Weiter
führt Tischendorf an „similiter al. pauc. om. xovg V. 45". Welche
KonetpondwiBblaU 1906, Heft 8.
98 Weller, Images TabingenBes.
oder wie viele Handschriften das sind, weiß ich nicht; das ist auch
minder wichtig als die Tatsache, daß V. 47 bei den Augen keine
einzige Handschrift bekannt zu sein scheint, der den Artikel bei-
gefügt hatte. Luthers Übersetzung hat auf den Artikel keine
Rücksicht genommen; ebensowenig Weizsäcker: „Mit zwei Händen,
Füßen, Augen ^. Nur die englische Revised Versins war wieder
so pünktlich das zu tun; thy two hands, thy two heet, two eyes,
während Gurt Stage gerade umgekehrt „mit zwei Händen, mit
zwei Füßen, mit deinen beiden Augen^* übersetzt, was um so
unrichtiger ist, als es im vorhergehenden fiov6(p&aXfiog und nicht
ereQOipd-aXfiog heißt. Es ist eine Kleinigkeit, das Fehlen oder
Setzen des Artikels; aber lehrreich für die Zuverlässigkeit der
handschriftlichen Überlieferung: daß unter den Hunderten von
Handschriften, die verglichen wurden, nur so wenige sich finden,
die sich eine Änderung erlaubten. Beim Schreiber des Codex D
kommt für die Weglassnng des Artikels in Betracht, daß er allem
nach ein Lateiner war, und das Lateinische einen Artikel nicht
kennt. Es ist eine interessante sprachpsychologische Frage, wie
eine Sprache, die keinen Artikel kennt, in derlei Fällen empfinden
ließ. Darauf soll hier nicht eingegangen werden. Ich wollte nur
auf eine ELleinigkeit hinweisen, die, wie unsere Übersetzungen und
Kommentare zeigen, meist übersehen wird.
Maulbronn. Eb. Nestle.
Imagines Tubingenses.
Von Dr. W e 11 e r - Stuttgart.
Mons Anatolicus.
Qua Cava pendenti sub muro callis erat, nunc
Commodus est vicus magnificusque simul.
Exurgunt arcus utrimque altaeque columnae
Per planumque levis iam rota currit iter.
Civicus huic animus fuit auctor, credite^ vico.
Quem precor hoc animo fata mauere velint.
Adde, quod haec posuit monumenta liberrima regia
Gratia, qui dignum providns auxit opus.
At facili pede vicinum conscendite montem,
Cui tegitur pulchris arcibus omne iugum.
Non arces equitum, struxit quas cana vetustas.
Sunt, sed crede hilaros hio habitare lares.
Weller, Imagines TnbingenBes. 99
De tum floitant anris vexilla iooosis
Tnrgida: Laetomm cantica laeta sonant.
Qaisqois ibi fortis laeto certamine pagnat.
Pro patria quondam forte sit ingenium.
Sed iam conspicitur turris te Caesare digna.
Quem sancta quis non cum pietate colit?
Ante lapis solidas, qno scnlptus ,,AheQea8^* ille,
Caias dextra potena condidit imperiam;
Dorus et ipse lapis, Inctans qno fracta simnltaS;
Imperiiqne salns qno beue nixa viget.
Firma sed en tnrris longinqnos prospicit agros
Et concina simnl, qnod decet ingennos.
lamqne revelato capnt et cole nnmina Divi,
Viva snper oelsas cnins imago fores:
Acria qni claro Instrabat Inmine bella,
Is, cni pro popnlo cnra patema fnit.
Natns adest, qni dos dnxit Sigfridus nt alter,
Dnm dedemnt maestos tristia fata rogos.
Dexter ades princeps, qni lumine vallis amico
Moenia despeetas per patrinmqne solum,
Per virides clivos tacitäqne in yalle reductä
Ceonobii mnltis hospita tecta tni.
Nnnc age conscendam celsae fastigia tnrris,
Visere nbi circa me loca cnncta invat:
Hie iuga caeruleo placide porrecta colore.
Hie flnvio et valli coningialis amor;
Oanns ad oceasnm longas vapor obtegit oras,
Silva sed incertis emicat Atra ingis.
Atqne iternm ad montes ocnlos vertamns acntos;
Scilicet et montes mnlta referre qnennt:
In medio mons altns, equis bona pascna qnondam,
Nescia cnm Christi Tentona terra fnit;
Creditnr hoc mnnita loco Oermanica pnbes
Virtutem Latus opposnisse dolis.
Circnmfnsa vides nebnlis iuga Stanfia laeva,
ZoUernnm dextra tollit in alta capnt.
Nnbila dimmpens sol victor prodit: Amica
Luce nitent yalies et iuga laeta nitent.
Nil patria malus visant tna sidera, Phoebe,
Bint eadem Suevo semper amica solo.
100 Amtliche Bekanntmachungen.
Oollis Waldhusiensis.
Templa Coronidae praeter praeterque sepulcra
Per mala, per mortes continnamus iter.
Maesta super moros spectant monumenta dicata
Vatibns et doctis grataque signa piis.
Ne tarnen ure, dolor, remove mordentia tela:
Semita iam campos serpit in Eiysios.
Leniter assnrgens hortos alit arvaque collis,
Faucibns umbrosis desilit unda loquax.
Mentibns abductis a ventaris et ab actis
Ingredimor vallis iam coenntis iter,
Qnod subito ad collis viridantia desinit arva;
Scandimus et sursum non properante pede.
Sit mora luminibus: post te porreota colore
En! iuga caeruleo conspicienda iacent.
Arcis in extremo turres tectumque recessu;
Incubat et tectis urbis amica quies.
Purpureus vapor incertas circumfluit oras,
Aureus e caelo manat in arva nitor.
Vesper adest: Phoebusque cadit, procul ecce sacellum
Emicat ardenti iuce rnbente polo;
At passim placidis tellus obducitur umbris,
Et sensim tenebras induit ora silens.
Regredimur: iamiam taciti super aequora mundi
Proveniunt fulvo sidera parva choro.
Amtliche Bekanntmaohungen.
Die Ministerialabteilung ist veranlaßt, die bei der Herausgabe
von Schulbüchern beteiligten Lehrer auf die nachstehenden Erlasse
vom 16. Februar 1893 Nro. 944 und vom 12. Januar 1903 Nr. 143,
betreffend die Neuauflagen von «Schulbttchern, hinzuweisen. Dabei
wird bemerkt, daß künftig in den Fällen, in denen die in der
Neuauflage eines eingeführten Schulbuchs vorgenommenen Ände-
rungen die gleichzeitige Benützung der älteren Auflagen unmög-
lich machen oder erheblich erschweren, stets die Frage wird
erwogen werden, ob nicht ein anderes Lehrbuch einzuführen sei,
weil die Zulassung einer derart umgestalteten Neuauflage einer
Neueinführung gleichkommt, und daß es deshalb im eigenen Inter-
Amtliohe BekaDutmao^angen. 101
esse der Verleger und Verfasser liegt, daß in den neuen Auflagen
nur einem wirklichen Bedürfnis entsprechende Ände-
rungen unter Beachtung der Ziffer 3 des Erlasses vom 16. Februar 1893
vorgenommen werden. Den Verlegern und Verfassern wird anheim-
gegeben, bei jeder neuen Auflage vor der Ausgabe rechtzeitig einen
Abzug mit Angabe der vorgenommenen Änderungen der Ministerial-
abteilung zum Vergleich mit der früheren Auflage vorzulegen.
Stuttgart, den 4. Februar 1905.
K. Ministerialabteilung für die höheren Schulen.
In Vertretung: Abieiter.
Die Ministerialabteilung für Gelehrten- und Realschulen sieht
sich veranlaßt, den Rektoraten und Vorsteherämtem der ihr unter-
stellten Unterrichtsanstalten unter Bezugnahme auf § 9 der Dienst-
vorschriften für die Vorstände und Lehrerkollegien der Gymnasien,
der Lyzeen und Realanstaiten und auf § 23 der Instruktion,
betreffend die Aufsicht über die drei- und mehrklassigen Gelehrten-
und Realschulen, nachstehendes zu eröffnen:
1. Es ist darauf hinzuwirken, daß den Eltern und Vertretern
der Schüler, soweit immer möglich, durch den Wechsel in den
Schulbüchern ein Mehraufwand nicht erwächst.
2. Vor allem ist hiernach ein zu häufiger und vielleicht nicht
immer genügend begründeter Wechsel in den Schulbüchern zu ver-
meiden.
3. Wenn eine neue Ausgabe eines im Gebrauch befindlichen
Lehrbuchs nötig geworden ist, so folgt hieraus nicht, daß alle
Schüler einer Klasse, auch diejenigen, welche schon im Besitz einer
früheren Auflage sind, sich der neuen Auflage bedienen. Die Mini-
sterialabteilung verkennt nicht, daß der Besitz verschiedener Auflagen
in einer Klasse für Lehrer und Schüler manche Unzuträglichkeiten
im Gefolge hat. Allein denselben kann in der Hauptsache begegnet
werden, wenn Verfasser und Verleger bei Herstellung einer neuen
Auflage den Gesichtspunkt im Auge bebalten, daß in einer Klasse
auch die letzten vorhergegangenen Auflagen noch gebrauchsfähig
bleiben. Zu diesem Zwecke sollten in der neuen Auflage stets auch
die Seiten- und Paragraphenzahlen der letzten Auflage auf leicht
erkenntliche Weise den Zahlen der neuen Auflage beigedruckt werden.
Auch wo dies nicht geschehen ist, kann wohl die Fortbenützung
älterer Ausgaben ermöglicht werden, wenn der Lehrer sich die Mühe
102 Amtllehe BekanntniMliiuigeii.
nimmty den Schfllem die Seitenzahlen der letzten neben den Seiten-
zahlen der neuesten Auflage zn bezeichnen.
4. Die Ministerialabteilnng ist nicht gemeint; die Verfasser der
eingeführten und genehmigten Lehrbficher hindern zn wollen, anf
Grand der in der Schale gemachten Erfahrangen die bessernde Hand
an ihr Werk zu legen und es dadurch immer zweckmäßiger fBr
den Schulgebrauch zu gestalten.
Sie bat sich jedoch der Wahrnehmung nicht verschließen können,
daß nicht immer eine Veränderung in der Fassung und im Ausdruck
zugleich auch eine wesentliche Verbesserung enthält. Um also den
Absichten der Behörde nach allen Seiten zu entsprechen, werden
es sich die Verfasser von Lehrbüchern, deren Gebrauch in der
Schule zugelassen oder empfohlen ist, zum Grundsatz machen müssen,
bei Herstellung einer neuen Auflage nur in dringenden Fällen
Änderungen des Textes vorzunehmen. Sie und die Verleger werden
um so leichter sich zu dieser Selbstbeschränkung entschließen, einen
je größeren Nutzen sie sich durch die behördliche Genehmigung
der Einführung ihres Lehrbuchs verschaflft haben.
5. Würde ein Lehrbuch aus Anlaß seiner Neuauflegung eine
so gründliche und durchgreifende Umgestaltung erfahren, daß die
früheren Auflagen daneben nicht mehr wohl verwendbar erscheinen,
so wäre die Genehmigung der Behörde für die Zulassung dieser
Auflage von neuem nachzusuchen.
Das .... erhält den Auftrag, nicht bloß selbst, auch durch
die Überwachung des Gebrauchs der verschiedenen Auflagen eines
Jjehrbuchs, den Absichten der Behörde gerecht zu werden, sondern
dies auch durch Mitteilung vorstehenden Erlasses den Lehrern,
insbesondere den Verfassern von Lehrbüchern, nahezulegen. In
Anstandsfällen wäre an die Behörde besonders zu berichten.
Dieser Erlaß ist unter die Normalien aufzunehmen.
(gez.) Dorn.
Die Kultministerialabteilung sieht sich veranlaßt, in Erinnerung
zn bringen, daß nach § 9 der Dienstvorschrift für die Vorstände
vom 6. Dezember 1877 und § 13 der Instruktion, betreffend die
Aufsicht über die drei- und mehrklassigen Gelehrten- und Realschulen,
vom 19. Oktober 1876 vor Einführung neuer Lehrbücher stets die
Genehmigung der Kultministerialabteilung einzuholen ist. Handelt
es sich dabei um ein noch nicht au württembergischen Schulen im
Gebrauch befindliches Lehrbuch, so ist der Antrag eingebend zu
Amtliche Bekanntmaehangen. — LiterarlBoher Bericht 103
begründen and zugleich von dem Antragatelier oder dnrch Vermitt-
lung des Verlegers ein Exemplar des Buchs der Kultministerialab-
teilnng zur Prüfung vorzulegen. Hierbei wird bemerkt, daß nur
Lehrbücher, welche den Bestimmungen der Ministerialverfttgung vom
22. April 1890 über die Beschaffenheit der Lehrmittel genügen, die
Genehmigung erhalten können.
Zugleich wird auf den Erlaß vom 13. Februar 1893 hingewiesen,
wonach ein häufiger Wechsel in den Schulbüchern zu vermeiden ist.
Die in diesem Erlaß enthaltenen Bestimmungen über den Gebrauch
älterer Auflagen eines Lehrbuchs, insbesondere Ziffer 5, sind genau
einzuhalten ; namentlich ist es verboten, ohne die vorherige Geneh-
migung der Kultministerialabteilung von den Schülern die Anschaf-
fung der neuesten Auflage eines Lehrbuchs zu verlangen.
Bei gleichartigen Anstalten und bei Schulem am gleichen Ort
ist auf tunlichste Übereinstimmung in den Lehrmitteln Bedacht zu
nehmen.
Vorstehendes ist sämtlichen Lehrern urkundlich zu eröffnen.
(gez.) Bapp.
* *
«
Die in dem Verlag von Wilhelm Weicher in Leipzig erschienene
Deutsche Marine- und Eolonial-Bibliothek „Auf weiter
Fahrt", begründet von Dr. Julius Lohmeyer, fortgeführt von
Kapitänleutnant Wislicenus, Selbsterlebnisse zur See und zu
Lande, mit Originalbeiträgen deutscher Marineoffiziere, Kolonial-
truppenführer und Weltreisender, bisher 3 Bände, Preis je gebunden
4.50 Mk., wird hiermit den Schulvorständen zur Anschaffung für
die Schülerbibliotheken und zu Schülerprämien empfohlen.
Stuttgart, den 23. Februar 1905.
K. Ministerialabteilung für die höheren Schulen.
Abieiter.
Literarischer Bericht
J. Kaerst, außerordentlicher Professor an der Universität Leipzig.
Die antike Idee der Ökumene in ihrer politischen und
kulturellen Bedeutung. Akademische Antrittsvorlesung.
34 S. 1.20 Mk. Leipzig, Teubner, 1903.
Der Verfasser der neuen „Geschichte des hellenistischen Zeitalters**
erörtert hier in äußerst lehrreicher Weise den antiken Begriff der
104 Literirifeher Bericht
Ökumene, die er als ^eine einheitliche, durch ein gemeineamee Cresets
zoBammengehaltene Kultarwelt, in der die Menschheit zn einem un-
trennbaren Ganzen verbunden ist*', definiert* Kr zeigt, wie diese
Idee, welche die mittelalterliche christliche Kirche vom Griechentum
Übernommen hat, mit ihren Wurzeln zurückreicht in die Periode der
griechischen Stadtstaaten. Ohne auf die geographische Seite der
Sache näher einzugehen, entwickelt der Verfasser, wie schon die
griechische Polis auf einem religiös-ethischen Staatsbegriff beruhte,
wie dann in den verschiedenen Entwürfen von Idealstaaten, namentlich
in dem Piatos eine über die Volksanschauungen hinausgehende uni-
versale philosophische Religion ausgestaltet wurde, die aber, da sie
nur das Eigentum weniger bevorzugter Geister sein konnte, zu einer
Degradierung und Bevormundung der Masse ffthren muBte, zumal das
sittliche Leben als abhängig von der richtigen Erkenntnis gedacht
wurde. Zugleich fühlte sich das philosophische Individuum nicht mehr
an die enge Welt kleinstaatlichen Gemeinschaftslebens gebunden und
dies führte zu einem individualistischen Universalismus. Dazu kam
nun die politische Zusammenfassung eines großen Teils der Welt im
Reich Alexanders des Großen und schließlich im Römischen Reich.
Dies war der geeignete Boden für die hellenistische Weltphilosophie
des Stoicismus. Vor der Idee eines universalen Zusammenhangs, der
die ganze Welt erfüllt, trat der Unterschied zwischen Griechen und
Barbaren und zwischen den einzelnen Nationen überhaupt zurück.
Die Ideen des Kosmopolitismus und der Humanität treten die Herrschaft
an. Rom gibt der Welt ein einheitliches Recht und auch auf dem
Gebiet der Religion bahnt der Synkretismus der religiösen Einheit der
Ökumene den Weg. Die Vorstellung von der einheitlichen gesetz-
mäßigen Leitung der Welt findet schließlich ihren Ausdruck in der
Göttlichkeit des Monarchen, der das Abbild des Leiters des Weltalls
ist Diese Gedanken hat das im Lauf des 4. Jahrhunderts zuerst Duldung,
dann bald darauf Alleinherrschaft erlangende Christentum übernommen.
„Eine einheitliche, bis in das einzelne feststehende, das Einzelleben
bindende Wahrheit und eine der einheitlichen Wahrheit entsprechende
Organisation sind ja die beiden Pfeiler, die den Bau der katholischen
Kirche stützen'^ (S. 21 f.). Heutzutage steht dem Weltstaat und der
Weltknltur der nationale Staat und die nationale Kultur, der organi-
satorischen Einheit der Ökumene eine umfassende ideale Kulturgemein-
schaft gegenüber, die nicht in verpflichtenden Organisationsformen
ausgeprägt ist. Aber all das erwuchs auf dem einheitlichen vom
Altertum geschaffenen Lebensgrund. „Die Idee der Ökumene hat ihr
großes Erziehungswerk vollbracht."
Dies die Hauptgedanken des schönen Vortrags, der auch einmal
wieder zeigt, wie sehr wir für das Verständnis der Gegenwart ein
intensives Eindringen in das geistige Erbe des Altertums nötig haben.
Literariaoher Berioht 105
Widenpreohen mOoht« ich nar der Behaaptnng des Verfassers (S. 16),
ans der Tatsache, daß die Erde keine natürlichen Herren- und Sklaven-
Stellungen biete, seien „im Altertum direkte entsprechende Folgerungen
nicht gezogen worden^. Ich erinnere an die Lehre des Sophisten
Hippias von der natürlichen Gleichheit aller Menschen, an das Wort
des Alkidamas (Mess. fr. 1): „Gott hat uns alle frei geschaffen; niemand
hat die Katur zum Sklaven gemacht'^ an zahlreiche hierhergehörige
Stellen in den Dramen des fiuripides (s. mein Buch über ihn S. 855 ff.)
und endlich an die Polemik des Aristoteles gegen diese Auffassung der
Sklaverei, die deren weite Verbreitung zur Voraussetzung hat. Wenn
keine rechtliche Emanzipation der Sklaven auf Grund dieser Anschauung
erfolgte, so hatte dies seine Ursachen in den wirtschaftlichen Verhält-
nissen: auch die christliche Kirche hat die Sklaverei einfach als ge-
gebene Tatsache übernommen und war auBorstande, sie von sich aus
abzuschaffen.
SchOntal. W. Nestle.
Tacitns' Annalen und Historien in Auswahl. Für den Sehnl-
gebrauch herausgegeben von A. Weidner. 3. Auflage.
Mit einem Anhang: Die Briefe des jüngeren Plinius und des
Trajan und Monumentum Ancyranum. Bearbeitet von D r. R n d.
Lange. Mit 4 Karten und 27 Abbildungen. Geb. 1.80 M.
Leipzig, 0. Freytag 1905.
Die vorliegende Ausgabe der ' Weidnerschen Auswahl aus den
historischen Schriften des Tacitus, die von R. Lange bearbeitet worden
ist, unterscheidet sich von der 2. Auflage zu ihrem Vorteil durch eine
Reihe von Änderungen, Wegfall der Germania, Anordnung der einzelnen
Stücke in der Reihenfolge wie sie bei Tacitus stehen, Beseitigung der
Inhaltsangaben am Rand u. a. Mit Recht ist ferner der Herausgeber
konservativer gewesen als Weidner, der eigenen Vermutungen allzuviel
Raum gegOnnt hatte, und hat er sich im wesentlichen an Halm und
Nipperdey-Andresen angeschlossen. (Nebenbei bemerkt, ist es ein bedauer-
liches Zeugnis für den Rückgang der philologischen und im besonderen
der Taciteischen Studien in Deutschland, daß es 12 Jahre dauerte, bis von
der klassischen Ausgabe der Annalen von Nipperdey eine neue Auflage
nötig wurde.) Bei dem ersten Buch der Annalen (diesem „Wunderwerk^,
wie es genannt worden ist) könnte man vielleicht wünschen, daß es
vollständig aufgenommen worden wäre, wie es in der Auswahl von
Stegmann geschehen ist; die weggelassenen Kapitel 73 — 81 enthalten
doch manches bemerkenswerte und für die Charakteristik des Tiberius
(wie des Tacitus) wichtige. Sehr dankenswert ist der Abdruck des
Monumentum Ancyranum (nach der größeren Ausgabe Hommsens) im
106 Literariflcher Bericht
Anhang. Von den Karten genügt die der Rheinlande in keiner Weise für
die Feidzflge des Germanikus. Die zahlreichen Abbildungen (großen-
teils auch in der Ausgabe der Historien von J. Müller-Christ 1908
enthalten), über deren Aufnahme in eine Schülerausgabe man verschie-
dener Meinung sein kann, stehen zum Teif auf einer sehr niederen Stufe
technischer Ausführung. Die Bezeichnung der bekannten kapitolinischen
Büste als Arminius und der Statue in der Loggia da Leinzi in Florenz
als Thusnelda, wenn auch mit Fragezeichen, wäre besser unterblieben.
In dem Verzeichnis der Eigennamen ist bei Aliso die neuerdings
übliche Ansetzung bei Haltem nicht berücksichtigt. Der Germane
Catualda (Ann. 2, 62. 63) wird als Gote bezeichnet (wie freilich fast
überall, auch bei Pauly-Wissova geschieht); aber Tacitus sagt doch,
daß G. von Marbod vertrieben zu den Goten flüchtete, also eben kein
Gote war.
Alles in Allem genommen darf diese Auswahl aus Tacitus wohl
empfohlen werden.
Tübingen. P. Knapp.
Benedictus Niese, Geschichte der griechischen und make-
donischen Staaten seit der Schlacht bei Chaeronea, 3. Teil.
(188—120 V. Chr.). Gotha, F. A. Perthes, 1903.
Dieser letzte Band des von uns schon im Jahrgang 1902 besprochenen
Werkes behandelt im 11. Buch die Geschichte Griechenlands und der
hellenistischen Staaten vor 189—172 : im 12. Buch den Untergang Make-
doniens und den Krieg zwischen Antiochus Epiphanes und Ägypten;
im 18. Buch den Orient vor 168 — 120; im 14. Buch Makedonien, Griechen-
land und Vorderasien 166 — 130 v. Chr. Das Bezeichnende des Zeitraums
findet Niese darin, daß die hellenistische Staatenwelt, die Trümmer eines
großen Reiches, zwar die Einheit der Kultur und des geistigen Lebentt
festhält, politisch aber sich immer weiter spaltet und völlig von Rom
abhängig wird. Rom geht auch ganz bewußt darauf aus, sich die
Oberherrlichkeit zu erhalten und keine andere Macht zu selbständiger
Stellung kommen zu lassen. Wenn Mommsen der Ansicht ist, daß die
Römer gewissermaßen gegen ihren innersten Willen genötigt worden
seien, sich des Orients anzunehmen, insbesondere .>daß nur von der
verächtlichen Unredlichkeit oder schwächlichen Sentimentalität es ver-
kannt werden kann, daß es mit der Befreiung Griechenlands den
Römern vollkommen ernst war und daß die Griechen selbst schuld
waren, wenn die römische Absicht nicht in Erfüllung ging" — so ist
Niese offenbar dieser Meinung nicht. Die Unsicherheit der griechischen
Zustände und die beständige Zwietracht der Griechen kam den Römern
vielmehr nach Niese „willkommen zu Hilfe*^, als sie sich zu Herren
Griechenlands machen wollten, Was die hervorragenden Personeq
Literarlseher Berieht 107
dieser Zelt betrifft, bo beurteilt Niese S. 99. 158 den Persens im Wesent-
lieben dem Herkommen f:emäß; er war nicht, wie sein Vater, den
Weibern nnd dem Wein ergeben, sondern nüchtern, von stattlicher
Gestalt, in kriegerischen Obnngen tüchtig; aber er war ohne Ent-
schlossenheit, ängstlich und zaudernd, nnd in Hinsicht des Geldes
knauserig; sein Verhalten gegen die Bastamer, das nach Ihne einfach
der sehr verständlichen Vorsicht vor diesen Barbaren entsprang, ftlhrt
Niese auch, wie die Tradition, auf Geiz zurück. Obwohl Perseus ein
Feind Roms war, wünschte er doch keinen Krieg mit ihm ; wenn dieser
gleichwohl ausbrach, so war es, weil Makedonien die größte Militär-
macht des Ostens war, Perseus doshalb mit Naturnotwendigkeit Roms
Nebenbuhler in der Hegemonie über Griechenland und das natürliche
Haupt aller romfeindlichen Elemente wurde. Philopömcn wird S. 52ff.
mit off'enbarer Sympathie behandelt; seinen Tod führte er insofern
selbst herbei, als er zu ritterlich war, die jungen Leute aus den besten
Familien, die ihm gegen die Messenier gefolgt waren, im Stich zu lassen
nnd sich selbst zu retten ; alle Ehren, die dem Toten von den Achäern
erwiesen wurden, zählt Niese S. 55 gewissenhaft auf. Eumenes II. war
nach S. 63 ein geschickter, fähiger Regent, keine glänzende, volkstüm-
liche Persönlichkeit, aber in den Geschäften erfahren, tapfer, ehrgeizig
und freigebig; nur seine Gesundheit war schwach; aber er hatte eine
Stütze an seinen Brüdern Attalos, Philetäros und Athenäos; das per-
tcamenische Königshaus bot das seltene Beispiel einer einträchtigen
königlichen Familie. Niese gibt im Anhang eine große Anzahl von
Berichtigungen und Nachträgen, die von seiner außerordentlichen Be-
herrschung des Stoffes zeugen; doch läßt er sich nicht immer auf eine
ausreichende Würdigung des Nengefundenen ein. Der Brief des Anti-
^ooos an die Skepsier wird z. H. S. 877 erwähnt ; das Bezeichnendste
daran aber, daß Antigonos seinen angeblichen Eifer für die griechische
Freiheit betont, wie wenn das sein Hauptziel wäre (Köhler, Berl.Akad. 1901),
wird nicht hervorgehoben.
Stuttgart. G. Egelhaaf.
Gurtius-y. Harte 1. Griechische Schnlg^rammatik. 24. Auf-
lage. Bearbeitet von Florian Weigel. 299 S. gr. 8'^, geheftet
2 Kr. 60 H., geb. 3 Kr. 10 H. Wien 1903, Fr. Temsky.
Der Neubearbeiter dieser Grammatik, die einstmals zuerst der
Schale die Ergebnisse der Sprachwissenschaft zugänglich machte, hat
sich bestrebt, die Fortschritte der letzen Jahre auf diesem Gebiete zu
verwerten. So ist z. B. die gegenwäiüg geltende Theorie des Vokal-
ablauts folgerichtig durchgeführt und in der Syntax vor allem die
entscheidende Bedeutung der Aktionsart endlich in einer Weise
gewürdigt, die den neueren Forschungen in genügender Weise Bech-
108 Literarischer Bericht
nong trägt. Daß 9*^1} in seinem Verhältnis zu ßaXs ebenfalls auf den
Ablaut znrfickgeht nm d^d zweisilbige «Basen'* in Betracht kommen,
kann der Verfasser aus Hirts Veröffentlichungen leicht ersehen, und daß
Ulrfsv 5ti dKoMvot nicht bedeutet „er sagte, daß er sterbe**, ergibt
sich aus dem punktuellen Charakter der Basis, wie denn der echte
Aoriststamm auf die Zeitstufe der Vergangenheit nnd Zuknnft beschränkt
sein dürfte. Dies scheinen mir Streitberg, Herwig, Delbrück u. a. er-
wiesen zu haben. Sonstige Kleinigkeiten erwähne ich hier nicht, sondern
gebe meiner Freude über das Buch Ausdruck, das zweifellos unter die
allerbesten Hilfsmittel des griechischen Unterrichts zu rechnen ist, und
das die Verlagshandlnng in einer Weise ausgestattet hat, daß ebenso
den Anforderungen der Schönheit wie der Augenschonung volle Gerech-
tigkeit widerfährt. Wo es nicht eingeführt ist, wird es dem Lehrer
des Faches vortreffliche Dienste leisten, wegen der pädagogisch und
wissenschaftlich betrachtet ausgezeichneten Durcharbeitung des Stoffes,
der besonders auch den homerischen und herodoteischen Dialekt aus-
führlich in sich begreift
Gannstatt Meltzer.
A. Schmarsow^ Unser Verhältnis zu den bHdenden Künsten.
Sechs Vorträge Aber Kunst und Erziehung. 160 S. 8^.
Leipzig, B. G. Teubner, 1903.
£in frischer, belebender Hauch weht uns aus diesen Vorträgen
entgegen, zuweilen auch ein kräftiger Windstoß, eine scharfe Brise, die
htftreinigend in den Knnsterziehungsrummel der Zeit hineinbläßt.
„Ich zweifle ernstlich, ob wir durch Kunst überhaupt schon erziehlich
wirken können, wie jene Wandbilder in den Schulen durch ihre
stille Gegenwart allein es fertig bringen sollen.*^ — „Die Kunst ist
eine Auseinandersetzung des Menschen mit der Welt, in die er gestellt
ward.^ — ^Aller Kunstgenuß beruht auf eigener Tätigkeit, auf einem
inneren Nachschaffen, und diese selbsttätige Mitwirkung kann ebenso-
wenig entbehrt werden als beim Kunstschaffen/* — „Der Ausgangspunkt
der ganzen schöpferischen Tätigkeit liegt im menschlichen Subjekt, und
zwar im vollen natürlichen Zusammenhang seiner leiblichen wie seeli-
schen Organisation/ — „Unsere leibliche Organisation bestimmt ursprüng-
lich all unsere Auffassung der Dinge, und zwar nicht nur der orga-
nischen Natur, sondern auch der sogenannten unorganischen.^' — ,,Diese
unmittelbare und ursprüngliche Auffassung unserer Sinne und unserer
Sinnesart ist aber im Grunde die eigentlich ästhetische^: unter-
streiche eigentlich und setze ästhetische in Anführungszeichen, und die
so, gegenüber der landläufigen, wesentlich vertiefte Auffassung des
Begriffs der Ästhetik tritt klar vor Augen. Nun gewinnt auch der
Titel noch eine tiefere Bedeutung: er will nicht bloß sagen, welches
Literariseher Bericht. 109
daa Yerhftltnis unserer Zeit zu den bildenden Künsten sei, sondern wie
sich der Mensch zn ihnen verhalte, und die weiteren Ausfllhrungen bilden
nun eine höchst Überraschende Bestätigung des alten Satzes icdvxoiv
Xpi]|iATa>v {lixpov Sy^wio^ in seiner Anwendung auf die bildenden Künste.
So wird in den folgenden Vorträgen aus diesem persönlichen Ver-
hältnis des Menschen zn den Künsten eine ganz neuartige Ästhetik
entwickelt, als deren Grundbedingung die Ausdrucks fähigkeit
bezeichnet wird, so daß auch die Erziehung zur Kunst bei der Pflege
dieser Fähigkeit einzusetzen hätte. „Die künstlerische Brziehung unseres
Volkes kann nur angebahnt werden, wenn wir die Ausdrucksfähigkeit
des Körpers unserer geistigen Durchbildung entsprechend anzupassen
versuchen.^ Denn damit wächst von selbst das Verständnis für die
Gebilde der Kunst, der Plastik in der Körperlichkeit, der Architektur
in der Baumgestaltung, der Malerei in der Vortäuschung von Körper-
lichkeit und Raum weite. — Daß fiir diese Betrachtungsweise die
Pflege des Sinnes für das organische Geschöpf an sich, der Freude
an der nackten Schönheit des Menschen unerläßlich ist, versteht
sich von selbst; und eine solche ästhetische Erziehung möchte am Ende,
befürchtet der Verfasser (S. 139), mit ethischen Oberzeugungen in
Widerspruch kommen. Das wird sie auch, wenn sie in so extremer
Weise gefordert vrird, wie hier. Mir scheint der Verfasser überhaupt
gegen das Ende seine Folgerungen zu sehr auf die Spitze getrieben
zu haben, namentlich in seinem einseitigen Zeugnis für die Urkraft der
räumlich-körperlichen Schwestern der Malerei. Sollte man nicht auch
hier des Wortes eingedenk bleiben: es sind mancherlei Gaben, aber
es ist ein Geist? Körper und Raum ist nicht alles und nicht das Ein-
zige in der Kunst. Das ist auch nicht die Meinung des Verfassers,
aber mit ihrem einseitigen Hervorkehren streift er nahe daran, daß
man es von ihm glauben könnte. Die von ihm aufgestellte Kunstlehre
ist jedenfalls das Beachtens- und Beherzigenswerteste, was in neuester
Zeit über diesen Gegenstand gesagt wurde, aber auf dem von ihm
itufgezeigten Wege der Kunsterziehung werden ihm wenige bis ans
letzte Ziel zu folgen sich entschließen können.
Calw. Weizsäcker.
Kirchengeschichte für höhere Schulen von S. Paul Siebert,
Oberlehrer am K. K. Angnsta-Gymnasium zu Charlottenborg.
IV und 192 S., geb. 1.60 Mk. Leipzig und Berlin, B. 6.
Teubner, 1904.
Ein nettes Buch, das sich insbesondere durch Bezug auf Erzeug-
nisse der deutschen Literatur auszeichnet, die im Bereich der Lektüre
der Oberklassen liegen. So finden sich in den Anmerkungen genannt
110 Litenuriselier Berieht
Schiifteo von Kinkel, Herder, Frejrtag, Ibsen, Kingsley, Weber,
Seheffel, Walther von der Vogelweide, Einhard, Wildenbmch, Lessing,
Konr. Ferd« Meyer, Shakespeare, Leoan, Wiehert usw. Bei der preus-
sischen Oeschichte regelmäßig ein Hinweis auf die Siegesallee in Berlin.
FQr eine neue Aaflage sei bemerkt: Polykarps Tod f&llt jedenfalls
nicht ins Jahr 159 (ob 156 oder 166?); diiTÜLrföiAtva (umstrittene
Bacher) gibt es im N. T. nicht, nur dtviOrrötisva (S. 18). Lnther appel-
lierte, wie es im Text dentseh richtig heißt, von dem .nicht gnt"
unterrichteten Papst: in der Anmerkung einmal wieder falsch a male
informato; so deutlich durfte man nicht sein, die Formel heißt non
bene (S. 64). Reuchlins Grammatik heißt nicht de rndimentis linguae
hebraicae (S. 58), sondern de rud. hebraicis. Luthers Bibel ist nicht
„nach der LXX'' geordnet, sondern nach der Vnlgata (S. 76). Heißt
es bei den Jesuiten wörtlich „quasi cadavera essent^ (S. 85)? Erfreut
war ich S. 44 zu lernen, daß der Spruch per aspera ad astra, von
dem Kinzler in seinem „Klassischen Immergrün" sagt: Ursprung un-
bekannt; vielleicht nur Umbildung von dem Virgilischen „sie itur ad
astra^, auf den Merkvers des Triviums und Quadriviums zurückgehe:
lingua, tropus, ratio; numerus, tonus, angulus, astra.
Der neue thesaurus belegt den Spruch unter asper und astrum nicht,
und kennt bei asper unter den hierher gehörigen „opposita" nur pros-
per und secundus. So bietet das Buch allerlei Anregung. Warum
die 21 Artikel der Aug^stana im Anhang nach der Stereotyp ausgäbe
von Bertelsmann in Gütersloh und nicht nach Kolde oder Tschackert
gegeben sind, weiß ich nicht Durch die Beifügung der letzteren soll
das Buch für den gesamten Religionsunterricht in den oberen Klassen
höherer Lehranstalten ausreichen.
Bei dieser Gelegenheit mag angeführt werden, daß die Calwer
Kirchengeschichte nun schon in der 24. Auflage vorliegt:
Christliche Kirchengeschichte. Herausgegeben vom Calwer Ver-
lagsverein. Mit 66 Abbildungen. Vierundzwanzigste, verbesserte Auf-
lage. IV und 804 S., geb. 1.70 Mk. Calw und Stuttgart, Vereinsbuch-
handlung 1905.
Maulbronn. £b. Nestle.
H e 1 m 0 1 1 ; Weltgeschichte. 8. Band : Westeuropa, 2. Teil :
Atlantischer Ozean. Von Kleinschmidt, Zwiedineck-Sttdenhorst,
FriedjuDgy Egelhaaf, R. Mayr und Weule. Mit 7 Karten
und 16 Tafeln in Farbendruck, Holzschnitt und Ätzung.
Leipzig und Wien, Bibliographisches Institut, 1903*).
*) Durch den Tod des früheren Rezensenten (Rektor Dr. Treuber)
ist eine Verzögerung in der Besprechung entstanden.
Literarischer Bericht. XII
Der 8. Band führt die Geschichte Westeuropas, die der 7. begonnen
hat, zn Ende. Nicht weniger ahi 6 Mitarbeiter sind daran beteiligt.
Den 1. Teil „Westeuropa im Zeitalter der Revolutionp Napo-
leons I. und der Reaktion*^ hat Professor Dr. A. Kleinschmidt
geschrieben. Er ist anregend zu lesen, wenn man den Gang der Geschichte
im wesentlichen schon kennt, anschauliche und zusammenhängende
Erzählung gibt er nicht Die „gesetzgebende Versammlung** ist auf zwei
Seiten, der Sturz der Gironde auf zwei Linien abgemacht. Das Maassen-
sche Zollgesetz wird Seite 98 wohl erwähnt, aber seine Bestimmungen
bleiben ebenso dunkel wie etwa der Inhalt des Liudnerschen „Manu*
Skripts aus Süddeutschland** (S. 119). Der französischen Revolution
gegenüber steht Kleinschmidt so ziemlich auf dem Standpunkt Sybels.
Von den groBen Männern der Zeit findet nur Mirabeau Gnade vor
seineu Augen („Der größte Franzose seines Jahrhunderts**). Danton ist
ihm ^trotz seiner wunderbaren Begabung ohne eine Ader höheren geistigen
Lebens, ein Athlet im Genuß und im Verbrechen* (S. 19). Die Dar-
stellung der deutschen Geschichte ist, wie begreiflich, stark von Treitschke
beeinflußt. — Befremdlich sind einzelne sprachliche Wendungen: S. 8d
„Pius hat ihm den Star gestochen^'; S. 87 „Gebietiger** ; S. 75 „Der von
ihm gegrafte Gamet**. — S. 12 „Die neuen Departements, die nicht
nach Berg und Fluß benannt wurden*^ — muß wohl heißen „nur**. Der
Selbstmordversuch Robespierres (S. 22) wird als sicher angenommen, eben-
so die Erzählung Bourriennes über Napoleons Verhalten am 20. Juni 1792
(S. 15). Mettemich hatte seine berühmte neunstündige Unterredung mit
Napoleon im Marcolinischen Palast nicht, wie er selbst angibt, am 23.
sondern am 26. Juni 1813. S. 87 ^Der gotische Stil beherrschte den
Geschmack** gilt nur für ganz kurze Zeit, worauf alsbald der Neu-
klassizismus in die Höhe kam.
Im 2. Teil behandelt Professor Dr. H. v. Zwiedineck-Südenhorst
^Diestaatlichen und gesellschaftlichen Neugestaltungen
in Europa zwischen 1830 und 1859.** Daß der Verfasser in Öster-
reich lebt, merkt man zuweilen an der Stoffverteilung. Während die
Revolutionen in Wien, Ungarn und Italien ziemlich ausführlich behandelt
sind, kommen die Berliner Märztage so kurz weg, daß eine Stellung-
nahme zu den Streitfragen, die sich daran knüpfen, gar nicht nötig
war (S. 179). Die Darstellung hat mehr Fluß und Zusammenhang als
die Kleinschmidts. Der Standpunkt ist etwa der des gemäßigten.
Liberalismus. Doch fehlt es auch nicht an schroffen Wendungen. Die
Radikalen sind dem Verfasser „Narren und Schurken^ (S. 207). „Im
Jahr 1849 ging das Erbe einer unfruchtbaren Genialität an die nackte
Dummheit über** (S. 230). — Der Jesuitismus „will auf Fälschung der
Religion eine neue Weltordnung aufbauen** (S. 285); „er erhält die
Pflege des Blöd- und Wahnsinns recht lebendig" (S. 150). Den Dualis-
mus behandelt der Grazer Professor mit anerkennenswerter Vorurteils-
112 Literariaeker Bericht.
losigkeit: mit dem alten römisch-deutschen Kaisertum ging auch der
Anspruch der Habsburger auf die Führung der deutschen Nation ver-
loren. — S. 243 heUSt es, Cavour sei der Antwort auf das Osterreichische
Ultimatum mit der Annahme der englischen Vermittlung ausgewichen,
während er doch das Ultimatum am 26. April regelrecht ablehnte. —
Das „KOnigsgesetz'' stammt nicht aus dem Jahr 1660 sondern 1665, und
Gagem wurde nicht am 29. sondern am 24. Juni zum Präsidenten
gewählt.— Derd.Teil „Die Einigung I taliens und Deutschlands
1859—66'* hat zum Verfasser Dr. H. Friedjung, jenen Wiener Schrift-
steller, der mit seinem Buche »Der Kampf um die Vorherrschaft in
Deutschland** vor 7 Jahren so viel Aufsehen erregte. Ein kundigerer
Führer and unparteiischerer Richter hätte sich für diese Zeit kaum
finden lassen. Sein Urteil über Napoleon III. stimmt nicht ganz mit
dem Zwiedinecks überein. Während dieser in ihm nur einen „geschickten
Abenteurer** „mit bescheidener Begabung" sieht, schreibt ihm jener
„einen weiten Umfang geistiger Interessen und feines Verständnis für
die Bedürfnisse seiner Zeit** zu. Seine Rolle aber hatte er von dem
Augenblick an ausgespielt, als er Bismarck gegenüber den Weg der
Unterhandlungen betrat, statt den der Tat (Juli 1866) ; S. 287 ist die Dar-
stellung schief, weil die Aufeinanderfolge der Ereignisse gestört wurde.
Der Vorschlag Napoleons zu einem Kongreß erfolgte schon Ende Mai
1866, während der geheime französisch -österreichische Vertrag erst
14 Tage später (12. Juni) abgeschlossen wurde.
Oberstudienrat Dr. Egelhaaf hat „ W esteuropaindenJahren 1866
bis 1902^ übernommen, also gerade denjenigen Zeitraum, der aus den
bekannten Gründen der geschichtlichen Behandlung zurzeit noch die
größten Schwierigkeiten bietet. Und doch dürfte gerade dieser Teil
am meisten das Gefühl der Befriedigung wecken. Soweit die Vorgänge
überhaupt aufgehellt sind, werden sie hier zum geschlossenen, farbigen
Bilde zusammengefaßt, in einer Darstellung, deren klarer Fluß vorteil-
haft absticht von der zerhackten, chronikartigen Schreibweise in anderen
Teilen des Werkes. Mit Sybel wird Kaiserin Eugenie vorsichtig rein-
gewaschen (S. 826 vergleiche Übrigens auch Egelhaaf über den „Anteil
der Kaiserin Eugenie am Kriege 1870** in den Grenzboten 1904 S. 628 ff.).
Daß die „Engländerinnen^ die Beschießung von Paris zu hindern suchten,
soll nicht ganz richtig sein, trotz Bismarcks und Roons Denkwürdigkeiten
(S.342). „Westeuropas Wissenschaft, Kunst undBildungs-
wesenvoml6.Jahrhundertbiszur Gegenwart^ zu behandeln,
mag auch keine Kleinigkeit gewesen sein. Überhaupt, welche verschieden-
artigen Gebiete sollte mau nicht selbständig durchdringen, wenn man
es unternimmt, den ganzen Strom des geistigen Lebens einer Zeit au
schildern t Und doch, was aus einem solchen Oberbliok werden kann,
wenn ein Mann von Geist und Kraft anfaßt, das zeigt uns Professor
Dr. R. Mayr. Welche Fülle des Inhalts! Alle Völker und Persönlich-
Litcuratiscber Bericht. 113
keften, alle Künste und Wissenschaften, Akademien und Presse, Schul-
kampf und Oberbilrdungsfrage, alle göttlichen und menschlichen Dinge
kommen hier zur Sprache, und nicht etwa wie sonst in Form einer
trockenen Anhäufung von Namen und Zahlen, sondern in einer Darstellung
Ton blendender Frische und verblüffender Sicherheit des Urteils. Auch wer
aat einem der hier berührten Gebiete sich zu Hause fühlt, wird diese
geistreichen Ausführungen mit Genuß lesen. — Den Schluß des Ganzen
bildet ein Aufsatz über „die geschichtliche Bedeutung des
AtlantischenOzeans", geschrieben von demselben Prof. Dr. Weule,
der schon in den früheren Bänden die geschichtliche Bedeutung des
Indischen und Stillen Ozeans aufgehellt hat Wertvoll sind auch die
Beilagen zu diesem Bande, z. B. die 3 Bekanntmachungen des Moniteur,
die sich auf die Hinrichtung Ludwigs XVI. beziehen, 6 Porträttafeln
und anderes.
Um diese Besprechung nicht allzu sehr zu belasten, habe ich eine
Anzahl Druckfehler und Verstöße, die mir beim Durchlesen auffielen,
anmittelbar dem Verlage mitgeteilt.
Stuttgart. G r o t z.
Sophns Rüge, Kleine Geographie. Für die untere Lehrstufe
in drei Jahreskursen. Siebente, verbesserte Auflage. Besorgt
von Dr. W. Ruge^ Oberlehrer am König- Albert-Gymnasium
in Leipzig. Vm und 284 S. 8^ Leinwandband 2.50 Mk.
Leipzig, Verlag von Dr. Seele & Co., 1904.
Der Forderung, wie sie z. 6. Michael Geistbeck aufgestellt hat,
die Geographie in gcistbildender Weise zu lehren, ist in der Kleinen
Schulgeographie vom verstorbenen Geographen Sophus Kuge in
wirklich musterhafter und meisterhafter Methode entsprochen worden.
Musterhaft, weil die Grundbegriffe der allgemeinen Geographie*) in
drei aufsteigenden, sich erweiternden Stufen oder, wie der Terminus
lautet, in konzentrischen Kreisen^ sich für die III. — V. Klasse wieder-
holen, und daran sich 1. die Geographie Deutschlands, 2. die der außer-
deutschen Länder Europas, 3. die der außereuropäischen Erdteile an-
schließen, und weil der physischen Geographie nebst den Erörterungen
über die jeweilige Bevölkerung und ihre Beschäftigung ein breiterer Raum
gegönnt ist als der politischen Geographie. Meisterhaft, weil das alles
*) £s kommen u. a. zur Besprechung: Horizont, Gestalt und Größe
der Erde, Sonnensystem, Wasser und Meer, Bewegungen und Strömungen
des Meeres, Landseen, fließende Landgewässer, Sumpf und Moor, das
Land und seine Gliederung, Luft und Luftdruck, Wolken und Regen,
vulkanische Kräfte, Pflanzen, Tierwelt, der Mensch und die Völker ^
geographische Maße und Übungen im Kartenlesen.
XorrMpond«asbUtt 1906, Heft 8.
114 Literarisober Beriebt
oboe Stoff&bedadoDg, sondern mit glücklicher Anpassung an die Fas~
sangskraft nnd das Bedürfnis der Quartaner und Tertianer dargeboten
wird in lesbarem, flüssigem Stil. Nor eins haben wir vermißt: ein
alphabetisehes Register, sowie vergleichende, statistische und graphische
Obersichtstabellen zur raschen Orientierung über die Größe der Erdteile
mit ihren Staaten und Städten nebst den BevGikerungs- und Einwohner-
ziffem, über Stromlängen und höchste Erhebungen. Aber auch so be-
grüßen wir die 7. Auflage des kleinen Rüge mit großer Genugtuung
and dem lebhaften Wunsche, derselbe möchte sich auch in unseren
württembergischen höheren Lehranstalten mehr und mehr einbürgern.
Er verdient es wirklich. Denn das Bessere ist der Feind des Guten.
Bei Württemberg (S. 34) stößt man wieder auf die irrtümliche Gesamt-
bezeicbnung des Schwäbischen Juras als der „Rauhen^ (statt ,,Schwäbi-
schen^ Alb; auch vermißt man unter den Industriestädten ReutÜDgen,
das neben Eßlingen und Heilbronn unter den ersten Fabrik- und Handels-
städten mit gutem Gewissen genannt werden konnte.
Tübingen. Hesselmeyer.
Banr, L., Lehr- und Übungsbuch der allgemeinen Arithmetik
und Algebra zum Gobraucb an höheren Lehranstalten, sowie
zum Selbstunterricht. VIII n. 291 S. Stuttgart, A. Bonz, 1904.
Das Buch beginnt mit den vier Grundrechnungsarten, welchen die
Potenzen, Wurzeln und Logarithmen folgen. Dann kommt die Lehre
von den Gleichungen und den Schluß bilden die arithmetischen und
geometrischen Reihen mit Zinzeszius- und Rentenrechnung. Jedem Ab-
schnitt gehen die in demselben zur Anwendung kommenden Lehrsätze und
Formeln voraus. Der Beweis dieser Sätze wird in der Regel an Zahlen-
beispielen geführt, von denen sodann durch Verallgemeinerung der
gefundenen Formel auf den entsprechenden Satz mit ßuchstabenzahl-
zeichen übergegangen wird.
Am Schlüsse der Grundrechnungsarten, sowie der Rechnung mit
Potenzen, Wurzeln und Logarithmen folgt je ein Abschnitt passend
ausgewählter Wiederholungsaufgaben.
Bei den eingekleideten Aufgaben, die auf Gleichungen I. Grades
mit einer Unbekannten führen, wurden die Übungen in Gruppen
gegliedert: Teilungsaufgaben, Prozent-, Gewinn- und Verlust-, Rabatt-
und Diskont-, Termiureehnung; Bewegungsaufgaben; Aufgaben aus der
Raumlehre und aus der Physik ; Mischungsrechnungen und zuletzt ver-
mischte Aufgaben.
Im Vorwort sagt der Verfasser, daß der in seinem Buche enthaltene
Cbungsstoff zum großen Teile neu und von ihm gesammelt sei, wobei
namentlich die in Schulblättern veröffentlichten Aufgaben aus ver-
schiedenen Prüfungen eine reiche Ausbeute geliefert hätten.
Literarisoher Bericht. 116
Die Anlage des Baches entspricht im allgemeinen, was Anordnung,
Umfang und Schwierigkeit der Aufgaben betrifft, den Aufgabensamm-
lungen von Bardey und seinen Nachfolgern. Das Buch kann daher
den Mathematik leb rem an Mittelschulen zur Prüfung und zum Gebrauch
gut empfohlen werden. Für eine etwaige spätere Auflage wäre zu
wttDSchen, daß die Zerlegung von Ausdrücken wie a' -f~ ^'> ^' — ^' u^^*
in Faktoren erst nach der Division eingeschoben würde, damit die
Schuler imstande sind, den zweiten Faktor durch Ausführung der Divi-
sion aufzufinden. Die Seite 57 aufgestellte Erklärung von „direkt und
umgekehrt proportionalen Größen^' ist nicht einwandfrei, da eine Größe
sich im Vergleiche mit einer andern, von der sie abhängig ist, in dem-
selben Sinne ändern, d. h. z. B. auch zunehmen kann, ohne daß sie
ihr proportional ist.
Die auf 9 Seiten behandelten diophantischen Gleichungen
hätten ohne Beeinträchtigung des Schulbuchs als entbehrlich weg-
gelassen werden können.
Schließlich möge noch erwähnt werden, daß das Buch in seiner
Brauchbarkeit nur gewinnen könnte, wenn eine erhebliche Anzahl ent-
behrlicher Fremdwörter beseitigt würde.
Der Verfasser hat sein Buch in erster Linie für Schullehrerseminare
bestimmt; dasselbe dürfte jedoch auch den Lehrern an humanistischen
und realistischen Schulen willkommen sein, da es eine reichhaltige
Sammlung praktisch ausgewählter Übungsaufgaben enthält, die sich
zur Benützung neben den anderen in den Schulen eingeführten Büchern
für die Hand des Lehrers eignen und ergiebigen Stoff zu weiteren
Cbungen oder zur Abwechslung in der Aufgabenstellung und besonders
auch zur Auswahl für Klassenarbeiten liefert. Der bekannte Verleger
hat dem mit sehr anerkennenswerter Sauberkeit und Deutlichkeit
aasgeführten Drucke des Buchs, sowie seiner durchweg guten Ausstat-
tang alle Sorgfalt gewidmet.
Stuttgart. Krug.
Wilhelm Meyer, Die Naturkräfte. Ein Weltbild der physi-
kalischen und chemischen Erscheinungen. Mit 474 Ab-
bildungen im Text und 29 Tafeln in Farbendruck, Holzschnitt
und Ätzung. Leipzig und Wien, Bibliographisches Institut,
1903.
Der Charakter des vorliegenden Werkes ist durch seinen Unter-
titel gekennzeichnet; dasselbe will kein Lehrbuch der Chemie und
Physik sein, sondern ein Bild von dem inneren Zusammenhang
der verschiedenen physikalischen und chemischen Erscheinungen geben.
Dieser Gesichtspunkt ist für den Verfasser bei der Auswahl der Einzel-
116 Literarischer Bericht
holten aus der unendlichen Fülle des Stoffs maßgebend gewesen;
manches, was sich sonst wohl in Lehrbüchern ähnlichen Umfangs findet,
ist der Erhaltung des Oberblicks über das Ganze zu lieb übergangen,
anders dagegen, was in letzterer Beziehung besonders zweckdienlich
schien, dafür aufgenommen worden. Den so abgegrenzten Stoff hat
der Verfasser in der Weise yerarbeitet, daß er zunächst die einzelnen
Teilgebiete der beiden Wissenschaften übersichtlich darstellt und aus
dem hierdurch gewonnenen Material in einem dritten „die Stufenfolge
der Naturvorgänge*^ Überachriebcnen Teile sein eigentliches „Weltbild^
aufbaut.
Um eine möglichst große Genauigkeit hinsichtlich der in den
beiden ersten Teilen geschilderten Tatsachen und Forschungsergebnisse
zu erzielen, stützt sich der Verfasser vorwiegend auf zwei Werke,
deren Zuverlässigkeit allgemein anerkannt ist, nämlich auf die Ex-
perimentalphysik von Riecke und (Hlr die chemischen Untersuchungen
der neueren Zeit) auf die theoretische Chemie von Nernst; zu größerer
Sicherheit sind außerdem einzelne Abschnitte von Autoritäten des be-
treffenden Spezialgebiets durchgesehen worden, so die Kapitel über
Wärme und Elektrizität von Riecke.
Daß dagegen andererseits in den zusammenfassenden Abschnitten
das hypothetische Element eine grosse Rolle spielt und daß bei der
Konstruktion des Weltbilds aus den mit ^.geradliniger, gleichmässig
schneller Bewegung^ ausgestatteten ^«Uratomen^ die Phantasie die
Hauptbaumeisterin sein musste, ist in der Natur der Sache und den
Grenzen des menschlichen Erkennens begründet; auch hat der Verfasser
an den kritischen Stellen dafür gesorgt, daß nicht etwa ein der streng-
wissenschaftlichen Forschungsweise und speziell der Erkenntnistheorie
femer stehender Leser Erfahrungstatsachen und Forschungsergebnisse
mit hypothetischen Erklärungsversuchen verwechselt, beziehungsweise
mit Annahmen und Darstellungsformen, die von den Männern der Wissen-
schaft zum Zweck einer übersichtlichen Gruppierung der verschiedenen
Erscheinungsreihen gewählt wurden. Bei anderen Forschem, die auf
einem im ganzen oder im einzelnen abweichenden Standpunkt stehen,
hätte natürlich das „Weltbild^ auch wieder ein anderes Ansehen ge-
wonnen; hierin muß dem subjektiven Element ein weitgehendes Recht
eingeräumt werden.
Man könnte sich nur die Frage vorlegen, ob die Aufgabe, die sich
der Verfasser in dem allgemeinen Teile stellte, nicht an sich ein
allzugewagtes, über die Leistungsfähigkeit der heutigen Wissenschaft
hinausgehendes Unternehmen war. Dies wäre unseres Erachtens aller-
dings der Fall, wenn die Arbeit als ein Versuch betrachtet werden
wollte, die erfahrungsgemäß feststehenden einzelnen Tatsachen aus
einem System von Hypothesen in streng logischer, deduzierender und
die zu machenden Einwände entkräftender W^eise abzuleiten. Das ist
Literarischer Berieht. 117
aber offenbar nicht die Absicht des Verfassers; er will, wenn wir nns
nicht täasehen, dem denkenden Leser Überhaupt eben die Möglich-
keit vor Angen führen, daß in die Fülle der Naturerscheinungen ein
innerer Zusammenhang gebracht werden kann, ohne aber den Weg,
der ihn zu diesem Ziele führt, als den einzig richtigen oder als einen
uotwendigerweise richtigen hinstellen zu wollen. Damit ist er aber in
dankenswerter Weise einem Bedürfnis entgegengekommen, das auch
außerhalb der streng wissenschaftlichen Kreise von jedem Naturfreund
tief empfunden wird, und wir möchten wünschen, daß besonders auch
die strebsamen Schüler unserer obersten Klassen, denen ja viele der
vom Verfasser gebotenen Einzelheiten schon bekannt sind, ans dem
Buche „ein einheitliches Bild von dem Zustandekommen der Naturer-
scheinungen** gewinnen möchten, selbst wenn sie durch spätere Studien
dahin geführt werden sollten, einzelnen Zügen desselben eine etwas
andere Form zu geben.
Hervorzuheben ist noch die reiche und geschmackvolle Ausstattung,
die, in Verbindung mit der Gediegenheit des Inhalts, dem Buche sicher
einen weiten Leserkreis verschaffen wird.
Stuttgart. J a e g e r.
Meyers Grosses Konyersationslexikon, Band VII (Franzensbad
bis Olashaos) nnd Band VIU (Glashütte bis HantÜttgler), 1904.
Den Wert dessen, was das Meyersche Konversationslexikon bietet,
za veranschaulichen, ist unter den Artikeln der beiden neuesten Bände
vielleicht keiner geeigneter als der über Großbritannien. Auf rund
57 Seiten gibt er in 30 Abschnitten, zu denen 2 Karten hinzukommen,
eine Darstellung von Land und Leuten, vom jetzigen Stand und von
der Entwicklung der wirtschaftlichen, kirchlichen und Bildungsverhält-
niese, der staatlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen, des Heer-
wesens und der Marine, des Kolonialreichs und eine politische Geschichte
des Königreichs von der Römerzeit bis auf die Gegenwart; unter um-
fassender Verwertung der Statistik ist hier in übersichtlicher Gliederung
alles geboten, worüber der Gebildete Belehrung suchen kann, soweit
es sich nicht um Sondergebiete wissenschaftlicher Forschung handelt,
und für letztere finden sich die eingehendsten Literaturnachweise. In
der politischen Geschichte ist, ohne daß die älteren Zeiten zu kurz
kämen, die Ausführlichkeit der Behandlung der Bedeutung der Gegen-
stände für die Fragen der Gegenwart glücklich angepaßt; daß dabei
der ganze Zeitraum von 1885 bis auf die Gegenwart unter der Überschrift
.Der Kampf um Irland" steht, dürfte auf einem Versehen beruhen. Der
Wert des Gebotenen tritt in Artikeln, wie „Glas*', „Griechenland",
»tioethe'', „Geschütz^, „Gericht*' (mit seinen Zusammensetzungen), und
118
Neu erschienene Btloher. — Ankttodigungen.
vielen andern, die den Wert selbständiger Abhandlangen haben, ebenso
überzeugend entgegen. Als Punkte, die der Berichtigung bedürfen,
seien erwähnt Band Yll S. 826 unter Gibraltar: ,,La Linea, die die Grenze
des „neutralen Bodens** im Norden bezeichnet** ' (vielmehr im Süden,
wie die beigegebene Karte zeigt); Band VIIIS. 511 unter Guise: „Der
Tod des einzigen Bniders, Heinrichs III.^ (das Komma gehört weg und
ist für den Laien ganz irreführend); S. 379 unter Großbritannien (Marine):
„Trafalgar 1803** (Druckfehler statt 1805). In dem Artikel über Goethe
kann das Urteil S. 163 : „Selten ist daher ein so törichtes Wort aus-
gesprochen, wie das von dem „grüßen Heiden" Goethe*', im unmittel-
baren Anschluß an den Satz, daß Goethe Pantheist gewesen sei, be-
fremden; daß Goethe ein tief religiöser Mann gewesen, ist durch die
allerdings etwas tendenziös zugespitzte Bezeichnung als „großer Heide"
ja keineswegs ausgeschlossen; liegt doch den höheren Religionen des
Heidentums eine panth eis tische Weltanschauung zugrunde.
GannsUtt. Th. Klett.
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(an Jlarfer 33anb üon 684 Seiten ©rogoftaü^gormat mit 6 Itartcn unb
6 tafeln -iBUbniffen. ^:prei« fein gebunben 6 «Ä 70 ^, ungebunben 5 c^ 60 ^.
Stoeiter iBütih: ^f^maratoalbfreid (toirb bemnäc^fl ausgegeben).
5)a« ganje ffierf erf c^eint in bier *3änben, äufammen etwa 2200 Selten
fiarf, mit Statttn, 1ln\i6^ttn unb anbeten beigaben, im Sauf bon etn>a
ättei galten. Oefamtprei« für aöe biet iöSnbc (bon ungleicher ©t&rfc)
gebunben ca. 25 Jk, ungebunben ca. 20 Jii
gfflt alle äßfitttembeirget t^on großem nitb hltxbvxitm Sterte !
VtobeHefte auf Verlangen umfonfl unb portofrei 93anb 1 au^ jur
einfielt er^ältlic^.
X30 Ankündigungen.
ypriaic ton Hermann Gesenin» In Halle.
Vierzig^ Jahre.
Vor 140 Jahren erschien zuerst und gehört seitdem wohl zu den
bekanntesten und weitverbreitetsten fremdsprachigen LehrbQchem:
Lehrbuch der Englischen Sprache
von [18
Dr. F. W. Gesenius.
Teil I: Elementarbnch der englisehen Spraehe nebst Lese- und
Uebnngsstücken. 26. Auflage. 1908. Preis gebunden 2.40 Mk.
Teil II: Grammatik der englischen Spraehe nebst Uebungsstücken.
17. Auflage. 1903. Preis gebunden 8.20 Mk.
Als besonders hervorzuhebende Vorzüge dieses Buches sind in
allen darüber erschienenen Rezensionen anerkannt worden:
1. Weise Beschränkung und zweckmässige Anordnung des Stoffes.
Kürze und Präzision in der Fassung der grammatischen Regeln,
vortreffliche Beispiele zur Erläuterung derselben, bequeme Tabellen
für die Rektion der Verben, Adjektive und Präpositionen.
2. Die Reichhaltigkeit und Mannigfaltigkeit der Uebungsbeispiele,
sowie die Auswahl der Lesestücke, welche Interesse erwecken
und zu Sprechübungen und Reproduktionen, sowie zu Exerzitien
trefflich verwendet werden können.
Neubearbeitungen des ,,Lehrbuche8 der englischen Sprache
nach den neuen Lehrpiänen:
(iMialuF.W., Englische Sprachlehre.
Ausgabe A. YOUig neu bearbeitet Ton
Prof. Br. Ernst Baffel, Oberlehrer an
den Franckesohen Stiftungen.
I. Teil. Schal grammatik nebst
Les»> und Uebnngsstfioken, 8. Auflage
1908. Gebunden 8.60 Mk.
OlMsiu-B«f tl« E n gli s c he 8 p ra 0 h lehr e.
Ausgabe B. Völlig neu bearbeitet toh
Prof. Dr. Ernst Begel, Oberlehrer
an der Oberrealschule der Franckesohen
Stiftungen.
Unterstufe. Dritte, nach den Bestim-
II. Teil. Lese- und Uebungsbuoh I mungen tou 1001 rerinderte Auflege in
nebst kurser Synonymik. Mit einem Plan neuer Rechtschreibung. Mit einer Karte
▼on London und Dmgebung. 1896. < der britischen Inseln und einer englischen
Gebunden 9.26 Mk. MünsUfel. 1004. Preis geb. 1.80 Mk.
OtOtsiOif.W.,- Englische Sprachlehre. |
völlig neu bearbeitet Ton Prof. Dr. i Oberstufe für Knabenschulen.
Ernst Begel| Oberl. an den Francke- ' Zweite, nach den Bestimmungen Ton 1901
sehen Stiftungen . Ausgabe fflrhOh. ' rerlnderte Auflage in neuer Becbtsohrei-
M tdohenschuleu. 6. Auflage. 1904. 1 bung. Mit einem Plane Ton London und
Gebunden 8.60 Mk.
ftmatalf.W., Kursgefassteenglisohe
Sprachlehre. Völlig neu bearbeitet
▼on Prof. Dr. Ernst Begel, Oberl.
an den Franckesehen Stiftungen. 9. Aufl.
1901. In Schulband gebunden 9.90 Mk.
Umgebung. 1008. Preis geb. 9.40 Mk.
Oberstufe ftkr MAdchensohuIen.
Zweite, nach den Bestimmungen Ton
1901 Terftnderte Auflage in neuer Becht-
schreibnng. 1908. Preis geb. 9.40 Mk.
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Statistisohe Naohrichten über den Stand der humani-
stisohen Schulen in Württemberg auf 1. Januar 1905.
I. Statütiaohe Tabelle Aber den Stand der hnmaniatiichen
Schulen in WOrttembei^ auf 1. Januar 1905.
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16. Gaildorf. . .
17. Giengen . . .
18. Göppingen .
19. Großbottwar
20. Gtiglingen .
21. Heidenhehn .
22. Herrenberg .
23. Hohenheim .
24. Horb
25. Rirchberg. .
26. Kirchhehn u.
27. Langenburg
28. Lauffen . . .
29. Lauphcim . .
30. Leonberg . .
31. Leutkirch . .
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33. Markgröningen
34. Mengen . . .
35. Mergentheim
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37. Murrhardt .
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Schulen in Württemberg auf 1. Januar 1905.
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KorrespondenxblAtt 1905, Heft 4 n. 6.
122 Stand der humanist. Schulen in Württemb. auf 1. Jan. 1905.
Sitz
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8. Ravensburg,
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9. Reutlingen,
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10. Rottweil,
obere Abteilung
mittl. u. unt „
11. Stuttgart,
Eb.-Lud.-Gymn.,
obere Abteilung
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12. Stuttgart,
Karlsgymnasium,
obere Abteilung
mittl. u. unt. „
13. Tübingen,
obere Abteilung
mittl. u. unt. ,,
14. Ulm,
obere Abteilung
mittl u. unt. „
Obere Abteilung . .
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1. Gmünd,
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10. Bönnighenn .
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12. Buchau . . .
18. Ebingen . . .
14. FrendenKtadt
15. Frie4lrich»hafen
16. Gaildorf. .
17. (lienffen . .
18. Göppingen
19. Groftbottwar
20. (i^figlingen
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22. Uerrenberg
23. Hohenlieim
24. Horli ....
25. Rirchberg.
26. KirclduMiii ii
27. Langenburg
28. Lauffen . .
29. Laupheim .
30. Leonberg .
81. Leutkirch .
32. Marbach . .
33. MarkgrO Hingen
84. Mengen . . .
85. Mergentheim
36. Mnnderkingen
37. Murrhardt
38. Nagold . .
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8tMHl der humanlat. Schulen in WUrttemb. auf 1. Jan. 1906. 125
Neckarsulm
Ncuenstatit
Uhenidorf
Pfallinpen .
Koienfetd .
KiHtenbuix
Saolgan . .
Schorndorf (a.
. ^thramberg
. Spajrh innren
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Trtbiatig
Taltlingen
. Vaihingen
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. Wangen .
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32 9 166 134
—61 11299 796 32 j 3;i287 468 1375 |J4U 1166 1
i:i25 2 -. 69 j 401 27
30|!+30|i ifO; — .
47 +2:") 40 1 2 , -
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126 Stand der hunianist. Schulen in Württemb. auf 1. Jan. 1906.
Sitz
der
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,1 Lehr-
I stellen
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Konfession
der Schüler
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ZoMnmenstellung.
Bemmarien, Gymna-
sienitProgymnasien
obere Abteilung . .| 77,|i20
untere ., . . 105 117
9
es
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Heimat
der Schüler
9
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^
9 1655 ! + 36
6 2953 + 11
4608
zusammen . . 182'
237
Realgymnasien nnd
Realprogynmasien
obere Abteilung . .
untere „ . .
zusammen . .
Lateinschulen
VI— VIII
Alle Gelehrten-
sohnlen zusammen
obere Abteilung . .
untere „ . .
zusammen . .
15 4608
+ 47-1608
952
1980
2932
29
61
32
58
o
9
596 + 67|
1993 1+ 47
2589
650
855
1505
52 1
114 4
716
ß266
121
422
818
265
'1608 4'
757,11
166
483
11467
94
458
18
61
5^982
1
7
365
1643
543ll083!'2365 5
59
227
172!
123 i
35
42
90' 90
134|
119
14 2589 1;+114^589 1950
10,2313 - 2412313 1358
552
923
79 8! 2008
34
3 1388
286
522
295
45^6
403 ! 432
106 1152
300294
14
25
2251
7259
-hl03 — .1435
+ 84 — 4800
744
2236
70i 211081
20914!5297
180
im
990
791
161U
1231
406^;446 39
9510i4-137
9510! 6235
2980 27916
6378 1 $S1 1781 28421
Bemerkungen zu obiger Tabelle:
1. 2 Repetenten (darunter 1 theol.).
2. 1 Vikar.
3. 1 (theol.) Vikar.
4. 1 Vikar, außerdem 2 Repetenten am Pensionat (darunter
1 theo!.).
5. 2 Vikare.
6. Die zwei jüngsten Jahrgänge der Lateinschüier besuchen —
stand der Humanist. Schulen in WUrttemb. auf 1. Jan, 1905. 127
außer im Lateinischen — die (gemeinschaftliche) Unterklasse der
dortigen Realschule, sind aber hier gezählt.
7. Die Unterklasse der Lateinschule wird als gemeinschaftlich
auch Ton Realschülern besucht, welche aber nicht hier, sondern bei
den Realschulen gezählt sind.
8. In der (lateinlosen) unteren Abteilung der Unterklasse der
Lateinschule befinden sich und sind mitgezählt auch solche Schüler,
welche nachher in die Realschule übertreten.
9. In der (lateinlosen) Vorklasse der Lateinschule belinden
sich und sind mitgezählt auch solche Schüler, welche nachher in die
Realschule übertreten.
10. 5 Jahresklassen, 2 Parallelklassen.
Unter diesen Schülern sind außerordentliche (hospitie-
rende) : an Oberklassen 14, an Mittel- und Unterklassen 161, darunter
68 vom Lateinischen dispensierte und •72 Mädchen.
Von den 300 Klassen der unteren Abteilung waren Unter-
klassen oder Kollaboraturklassen im Sinne der studien-
rätlichen Bekanntmachung vom 1* Oktober 1859 (Reg.Bl. S. 148)
an den größeren Anstalten 55, an den Lateinschulen 51, zu-
sammen 106.
Auf die einzelnen Klassen verteilen sich die Schüler der
^ßeren Anstalten in folgender Weise:
*
' Vor-
{klüssen
I
11
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
Gymnasien:
__
1
t
1 ,
Zahl der Klassen .
17
17
17
18
17
16
18
18 18
18
Schüler '
442
528
528
496
441
400
492
349
315
312
Durchschnitt . . . .'
26
31
31
27
26
25 27
19 17
17
Realgymnasien:
\
,
Zahl der Klassen .
i 5
7
6
6 6 6 7
4
4
4
Schüler
225
241
220
220
210 ; 197 1 209
83' 94' 84
Durchschnitt ....
1 45
1
34
37 37 35
1
33 29
21 i 231 21
1
Realprogymnasien :
1
1
1
1
Zahl der Klassen .
3
4
4
4
5
5' 5
5
___ —
Schüler
94
121
121 1106 '132 112
106
26
1
Durchschnitt ....
1
31
30
30
26
26
22
21
5
—
128 ^tand der linmanist. Schulen in Württemb. auf 1. Jan. 1905.
An den Lateinschulen beträgt die Sohfllerzahl einer Klasse
durchschnittlich 17.
Auf die vier Kreise des Landes verteilen sich, die
Schüler der humanistischen Schulen in folgender Weise:
Neckarkreis : Oberkl. 950, Unter- u. Mittelkl. 31 18, zus. 4068 Schttl.
Schwarzw.Kr. : '„ 467, „ 1393, „ 1860 „
Jagstkreis: „ 349, „ 1127, „ 1476 „
Donaukreis: „ 458, ^ 1621, „ 2106 „
II. In dem Bestand der humanistischen Schulen sind während des
Kalenderjahres 1904 nachstehende Veränderungen eingetreten:
Am Gymnasium in Ehingen wurde eine weitere Parallel-
klasse der oberen Abteilung errichtet, ohne Änderung in den Lehr-
stellen; femer wurde eine Vorklasse mit einer Hilfslehrstelle neu
errichtet.
Am Realgymnasiunt in Gmünd wurde eine Parallelklasse
der oberen Abteilung und eine (realistische) Hilfslehrstelle der
mittleren Abteilung neu errichtet.
Am Realgymnasium in Stuttgart wurde eine weitere
Parallelklasse der unteren Abteilung mit einer Hilfslehrstelle er-
richtet.
Am Realgymnasium in Ulm wurde eine Parallelklasse
der oberen Abteilung mit einer Hilfslehrstelle neu errichtet.
In Schorndorf wurde die bisherige zweiklassige Latein-
schule als selbständige Schule aufgehoben und als ,,Latein-
abteilung^^ der nunmehr sechsklassigen Realschule ange-
gliedert.
An der Lateinschule in Neckarsulm wurde eine der
Latein- und Realschule gemeinschaftliche Unterklasse mit einer
Hilfslehrstelle neu errichtet.
An der Lateinschule in Giengen wurde die Präeeptors-
stelle aufgehoben.
in. Was den Wechsel der Schüler vom 1. Januar 1904
bis 1. Januar 1905 betrifft, so sind
A.Aus den humanistischen Schulen ;ranz ausgetreten, und
zwar:
1. aus den Oberklassen:
in Oberklassen von realistinchen Schulen . . 12
,. ein Schullehrerseminar 1
Stand der humanist Schulen in Württemb. auf 1. Jan. 1905. 1 29
in eine andere öffentliche Schale des Landes 1
„ den Privatunterricht oder eine Privatanstalt 5
„ das elterliche Haus zurückgetreten ... 4
nach Erwerbung des Abiturientenzeugnisses aus-
getreten 395
(darunter von den Realgymnasien 60)
und zwar mit der Absicht, sich zu widmen
a) dem Studium an einer Universität . 299
(darunter von Realgymnasien 19)
b) d. Studium an einer tecbn. Hochschule 44
(darunter von Realgymnasien 33)
c) dem Studium an einer andern aka-
demischen Anstalt 10
(darunter von Realgymnasien 2)
d) einem andern Studium 3
(darunter von Realgymnasien 1)
e) dem militärischen Beruf .... 25
(darunter von Realgymnasien 5)
f) einem sonstigen Beruf 14
(darunter von Realgymnasien 0)
nach Erwerbung des Reifezeugnisses für Prima
ausgetreten 27
(darunter von Realgymnasien und Real-
progymnasien 12)
nach Erwerbung des Zeugnisses der wissen-
schaftlichen Befähigung ftlr den einjährig-
freiwilligen Militärdienst ausgetreten . . . 266
(darunter von Realgymnasien und Real-
progymnasien 147)
und zwar mit der Absicht, sich zu widmen
a) einem gewerblichen Berufe ... 28
(darunter von Realgymnasien und Real-
progymnasien 10)
b) dem kaufmännischen Beruf . . . 1H4
(darunter von Realgymnasien und Real-
progymnasien 86)
c) dem mittleren Beamtendieust ... 69
(darunter von Realgymnasien und Real-
progymnasien 36)
d) einem anderen Studium oder Beruf 35
(darunter von Realgymnasien und Real-
progymnasieu 15)
130 Stand der humanist. Schulen in Württemb. auf 1. Jan. 1905.
in eine militärische Bildnngsanstalt .... 2
zu Gewerbe und Handel 10
zur Landwirtschaft 3
zu einer anderen, im obigen nicht bezeichneten
Beschäftigung 4
ans dem Lande weggezogen 24
»gestorben 4
zusammen 758 Schüler.
2. Aus den Mittel- und Unterklassen:
in Oberklassen von realistischen Schulen . . 16
,, Mittel- und Unterklassen von realistiHchen
Schulen 224
., Elementarschulen 4
„ Volksschulen 94
„ ein Schullehrerseminar oder eine Präparanden-
anstalt 4
., eine andere öffentliche Schule des Landes 9
,, den Privatunterricht oder eine Privatanstalt 68
,., das elterliche Haus zurückgetreten ... 37
,, eine militärische Bildungsaustalt .... 4
zu Gewerbe und Handel 167
zur Landwirtschaft 15
zu irgend einer im obigen nicht bezeicimeten
Beschäftigung 38
aus dem Lande weggezogen 101
gestorben 11
zusammen 792 Schüler.
Somit sind aus den humanistischen Schulen überhaupt aus-
getreten 1550 Schüler.
B. Aus Mittel- und Unterklassen in Oberklassen übergetreten smd
im ganzen 810 Schüler, darunter 554 an derselben Anstalt.
Aus Oberklassen von humanistischen Schulen in Oberklassen
einer anderen humanistischen Schule sind übergetreten 108
Schüler; aus Mittel- und Unterklassen von humanistischen
Schulen in Mittel- und Unterklassen einer anderen humanistischen
Schule sind übergetreten 377 Schüler.
0. In die humanistischen Schulen sind neu eingetreten, und zwar:
1. in die Oberklassen:
aus Oberklassen von realistischen Schulen . 3
„ einer anderen öffentlichen Schule des Landes 1
1f
?1
Stand der humanist. Schulen in Württemb. auf 1. Jan. 1906. 13 i
•
aas dem Privatunterricht oder Privatanstalten 12
., dem elterlichen Haus 7
von anßerhalb des Landes hergezogen ... 28
zusammen 51 Schüler,
2. in die Mittel- und Unterklassen:
aus Mittel- und Unterklassen von realistischen
Schulen 43
., P^lementarscliulen 620
Volksschulen 617
besonderem, in der Volksschule eingerich-
tetem Vorbereitungsunterricht 127
aus einer anderen öffentlichen Schule des Landes 33
., dem Privatunteiricht oder Privatanstalten 115
,. dem elterlichen Haus 4
von außerhalb des Landes hergezogen ... 77
zusammen 1636 Schüler.
Somit sind in die humanistischen Schulen überhaupt neu
eingetreten 1687 Schüler.
Da nach A 1550 Schüler aus den humanistischen Schulen ausge-
treten sind, ergibt sich die oben verzeichnete Zunahme von 137 Schülern.
IV. Am Turnunterricht haben teilgenommen 7731 Schüler.
Von diesen kamen auf die Oberklassen der größeren An-
stalten 1980, auf die Mittel- und Unterklassen der größeren An-
stalten 3980, auf die Lateinschulen 1771, darunter von 6 Latein-
schulen, an welchen nur im Sommer Turnunterricht erteilt wird,
154 Schüler.
V. Im Kalenderjahr 1904 sind seitens der betreffenden Lehr-
anstalten ausgestellt worden: Zeugnisse bestandener Abiturienten-
prüfung 296 (darunter von den Realgymnasien 60), Zeugnisse der
wissenschaftlichen Befähigung für den einjährig-frei-
willigen Militärdienst 758 (darunter von den Realgymnasien
und Realprogymnasien 239).
VI. Uauptlehrstellen bestanden an den öffentlichen humani-
stischen Schulen am 1. Januar 1905 446, Hilf sl ehrstellen 39,
zusammen 485 Lehrstellen.
Von der Gesamtzahl der Lehrstelleu befanden sich
a) auf der Ober-(Profes8ors-)Stufe 166, nämlich an den
Seminarien 12, an den Gymnasien und Progymnasien 118
132 Stand der humanlBt. Schulen in Württemb. auf 1. Jan. 1905.
(9 proy.)y an den Realgymnasien und Realprogymnasien 36
(5 prov.);
b) auf der Mittel- (Oberpräzeptors-) Stufe 218^ nämlich an den
Mittelklassen der grösseren Anstalten 132 (12 prov.), an
den Lateinschulen 86 (8 prov.) ;
c) auf der Unter-(Präzeptors-) Stufe 101, nämlich an den grösseren
Anstalten 58 (3 prov.), an den Lateinschulen 43 (2 prov.) ^^
Von den 485 Lehrstellen waren humanistisch 379, nämlich
a) bei den größeren Anstalten an Oberklassen 119 Professors-
stellen (darunter 12 proy.)^ an Mittelklassen 101 Oberpräzeptors-
stollen (darunter 8 prov.), an Unterklassen 56 Präzeptorsstellen
(darunter 8 prov.); b) an Lateinschulen 64 Oberpräzeptorsstellen
(darunter 6 prov.), 39 Präzeptorsstellen (darunter 2 prov.).
Außerdem waren 26 humanistische Stellen mit Kirchenstellen
verbunden, nämlich 4 an Mittelklassen, 22 an Lateinschulen.
Realistische Haupt- undHilfslehrstellen befanden sich an
den humanistischen Schulen im ganzen 72, nämlich an Oberklassen der
Gymnasien und Progymnasien 25 (wovon 0 prov.), der Realgymnasien
und Realprogymnasien 18 (wovon 2 prov.), an Unter- und Mittel-
klassen 26 (wovon 4 prov.), an Lateinschulen 3 (2 prov.).
Hierzu kommen noch 3 Professorsstellen für evangelischen
Religionsunterricht und Hebräisch; 1 Hauptlehrstelle für Turn-
unterricht auf der Professoratsstufe ; endlich 2 Hauptlehrstellen für
Singen und Schönschreiben an Mittel- und Unterklassen.
Nicht gerechnet unter den 485 Haupt- und Hilfslehrstellen sind
18 Vikars- und Repetentenstellen.
YU. Von detinitiven Lehrstellen waren am 1. Januar 1904
unbesetzt: 1 Rektorsstelle an einem Gymnasium; 1 Oberpräzeptors-
stelle an einer größeren Anstalt (mit geistlichem Amt verbunden),
9 Oberpräzeptorsstellen an Lateinschulen (davon 7 mit geistlichem
Amt verbunden); 4 Präzeptorsstellen an Lateinschulen (davon 1
mit geistlichem Amt verbunden).
Aufgehoben wurden im Kalenderjahr 1904: 1 Prä-
zeptorsstelle an einer Lateinschule.
*) Von den Präzeptors- (frülier KoUaborators-) Stellen (im Sinn der
Btudienrätlichcn Bekanntmachung vom 1. Okt. 1859) ist 1 (in Ehinj^eiO
mit dem Gelialt von Stellen an Mittelklassen ausgestattet, 4 (je 1
in Biberach, Friedrichshafen, Horb, Leutkircli) sind Präzeptorats-
kaplaneieu.
Stand der buinanist. Schulen in Württemb. auf 1. Jan. 1905. 133
In Erledigung kamen: 2 Rektorsstellen an Realprogym-
naaien; 18 Professorsstellen (darunter 6 realistische^ 1 ftlr Religion);
17 Oberpräzeptorsstellen an größeren Anstalten (darunter 7 rea-
listische), 12 Oberpräzeptorsstellen an Lateinschulen; 2 Präzeptors-
stellen an größeren Anstalten, 5 Präzeptorsstellen an Lateinschulen.
Besetzt wurden: 1 Rektorsstelle an einem Gymnasium;
15 Professorsstellen (darunter 5 realistische, 1 für Religion); 15
Oberpräzeptorsstellen an größeren Anstalten (darunter 6 realistische) ;
11 Oberpräzeptorsstellen an Lateinschulen (davon 2 mit geistlichem
Amt verbunden); 1 Präzeptorsstelle an einer größeren Anstalt;
7 Präzeptorsstellen an Lateinschulen.
Hiernach waren am 1. Januar 1905 unbesetzt: 3 Professors-
stellen, 2 Oberpräzeptorsstellen an größeren Anstalten (darunter
1 realistische), 10 an Lateinschulen (darunter 7 mit geistlichem
Amt verbunden); 1 Präzeptorsstelle an einer größeren Anstalt,
1 an einer Lateinschule (mit geistlichem Amt verbunden).
Durch diese Besetzungen kamen 22 unständige Lehrer
aufdefinitiveStellen, nämlich: 10 humanistische, 4 realistische
Professoratskandidaten, 3 Präzeptoratskandidaten, 5 Eollaboratur-
kandidaten; ferner traten 2 realistische Lehrer und 1 evangelischer
Geistlicher in den Dienst an Gelehrtenschulen über.
Ausgeschieden sind 27 ständig angestellt gewesene Lehrer,
nämlich durch Obertritt in die Behörde 1, in den Realschuldienst 7,
in den Dienst an höheren Mädchenschulen 1, in den Kirchendienst 2,
durch Versetzung in den Ruhestand 10, durch Tod 6.
VIII. Auf Lebenszeit angestellt waren am 1. Januar 1905
an den humanistischen Schulen im ganzen 429 Lehrer, darunter
60 realistische, nämlich: '
a) an Oberkiassen 148, darunter 41 realistische,
b) „ Mittel- und Unterklassen 175, „ 18 „
c) ,, Lateinschulen 106, „ 1 ,,
Auf humanistischen Stellen waren am 1. Januar 1905 341 Lehrer
auf Lebenszeit angestellt. (Nicht gerechnet sind hierbei die Inhaber
der mit kirchlichen Ämtern verbundenen Lehrstellen.)
Von den aufgeführten 341 Lehrern haben erstanden die Pro-
fessoratsprüfnng 135, die beiden Dienstprüfungen für das huma-
nistische Lehramt 4, die Präzeptoratsprüfung (ohne eine höhere
Prttfang) 115, die Lateinkollaboraturprüfnng (ohne eine höhere
Prüfung) 81, keine der erwähnten Prüfungen 6.
124 Stand der humaniät. Schulen in WUrttemb. auf 1. Jan. 1905.
Sitz
der
Schule
7. Biberach . .
8. Bietigheim .
9. Blaubeuren .
10. Bönnigheim.
11. Brackenheim
12. Buchau . . .
13. Ehingen . . .
14. Freudenstadt
15. Friedrichshafen
16. Gaildorf. . .
17. Giengen . . .
18. Göppingen .
19. Großbottwar
20. Güglingen .
21. Heidenheim .
22. Hen-enberg .
28. Hohenheim .
24. Horb
25. Kirchberg. .
26. Kirchheim u. '
27. Langenburg
28. Lauffen . . .
29. Laupheim . .
80. Leonberg . .
31. Leutkirch . .
32. Marbach. . .
88. Markgrö ningen
34. Mengen . . .
35. Mergentheim
36. Munderkingen
37. Murrhardt .
38. Nagold . . .
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Stand der realist. Schulen in Wttrttb. auf 1. Jan. 1905. 135
Stellvertreter 2, in anden!^'eitiger inländischer Unterrichtstätigkeit
stehend 1; krank 1.
Kandidaten, welche die beiden Dienstprüfungen für das
humanistische Lehramt erstanden haben: 24, davon verwendet
als Hilfslehrer, Vikare oder Repetenten 17, als Aratsverweser oder
Stellvertreter 3, in Privatdiensten 1, beurlaubt 3;
Präzeptoratskandidaten 1, in Privatdiensten 3;
Kandidaten für Präzeptorsstellen (bezw. für Latein-
schulen geprüfte Kollaboraturkandidaten), welche weder
lebenslänglich angestellt noch im aktiven Volksschuldieivst verwen-
det sind, waren es 11, davon als Hilfslehrer oder Amtsverweser
(teilweise an Realschulen) verwendet 8, 3 studierten.
Statistische Nachriohten über den Stand der reali-
stisohen Schulen in Württemberg auf 1. Januar 1905.
I. statistische Tabelle über den Stand der realistisshen Schulen
in Württemberg auf 1. Januar 1905.
Sitz
der
Schule
Lehr-
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136 Stand der realist. Schulen in Württb. auf 1. Jan. 1905.
Sitz
der
Schule
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5. Heilbronn,
obere Abteilung
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6. Ravensburg,
obere Abteilung
mittl. u. unt. „
7. Reutlingen,
obere Abteilung
mittl. u. unt. „
8. Stuttgart,
Fr.-Eug.-Realsch.
obere Abteilung
mittl. u. unt. „
9. Stuttgart,
Wilh.-Realschule.,
obere Abteilung
mittl. u. unt. „
10. Ulm,
obere Abteilung
mittl. u. unt „
Obere Abteilung . .
Mittl. u. unt. Abteil.
II. RealBohnlen mit
2 ober. Jahreskursen
1. Aalen,
obere Abteilung
mittl. u. unt. „
2. Biberach,
obere Abteilung
mittl. u. unt. „
8. Heidenheim,
obere Abteilung
mittl. u.unt. „
4. Ludwigsburg,
obere Abteilung
mittl. u. unt. „
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Stand der realist. Schulen in Württb. auf 1. Jan. 1905. 137
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der
Schule
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2. Ehingen,
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3. Freudenstadt,
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4. Kircbheim,
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9. Tuttlingen,
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Obere Abteilung . .
Mittl. u. unt. Abteil.
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Korregpondenzblatt 1906, Heft 4 n. 6.
138 Stand der reallst. Schulen in Württb. auf 1. Jan. 1905.
Lehr- 1
Sitz
der
Schule
IV. Realsohnlen
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1. Alpirsbach . .
2. Altshausen . .
3. Backnang . . .
4. Baiersbronn .
5. Balingen . . .
6. Bietigheim . .
7. Blaubeuren . .
8. Bopfingen . . .
9. Buchau ....
10. Buttenhausen.
11. Creglingen . .
12. Dornhan. . . .
13. Dornstetten. .
U.Dürrm.-Mühlack
15. Ehingen ....
16. Ellwangen . .
17. Eningen ....
18. Feuerbach . .
19. Friedrichshafen
20. Gaildorf. . . .
21. Giengen ....
22. Heimsheim . .
23. Herrenberg . .
24. Heubach . . .
25. Horb
26. Isny
27. Knittlingcn . .
28. Künzelsau . .
29. Langcnau . . .
30. Lauplieim . . .
31. Leonberg . . .
32. Leutkirch . . .
33. Lorch
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1 1
19
20
9
45. Niederstetten . .
• 1
' 1
—
' 28' 2l
23
- 5'
23
5
5
48. Obemdorf . . . .
2
2
— !
! 72
+ 3
20
51
— 1
61
8
8
16
6
47. Rottenburg . . .
3
, 2
l!
83
+ 81
, 14
69
—
66
16
1
33
9
48. Saulgau .....
2'
' 2
43 1
-12,
1 6
37
—
— '
34
9
—
19
6
49. Schramberg . .
4
2
2;
122 ll + 18
22
100 —
. 108
12
2
24
6
50. Spaichingen . .
; 2
1 —
27,,+ 4
i 7
20 —
1 24
3
—
2
6
51 Sulz
' 1
1
1 -
30;; 6
25
5 -
L
' 21
7
2
6
52. Tettnang . . . .
1
1 i
1
28
— 1
1 2
26 -
17
11
8
53. Trossingen . . .
1
1
, 1 -
36
6
36
— —
35
1
14
54. üntergröningeu
'l 1
1 —
1 1
24,1 4'
21
8
— —
10
14
1
55. Urach
, f
2 2
119 — 3
111
8
118
1
15
56. Vaihingen. . . .
2
1 1
65 + 3
1
65
—
32
33
4
57. Waiblingen . . .
' 3
2
1
1
• 89
5i
85
1
8
59
30
16
10
oa Waldsee
1 2
1 1
1'
; 26
3
23
1
25
1
6
59. Wangen
: 2
1
1
52
- 3
10
42
: 44
6
2
28
60. Weikersheim . .
1
1
17" + 7
11
■ 6
1
15
2
1
—
61. Weü der Stadt
2
: 2
1
34+7
21
13
—
17
17
-1 7
62. Welzheim . . . .
1 1
' 1
26,1 + 6
26
23
2
1
1
63. Wildbad
2
2
77
+ 6
' 74
3 —
—
64
12
1
14
64. Winnenden . . .
2
1
61
1 60
1|-
54
6
1
3
6
121
96 17 i
3173
+ 104
2189
883
96 j 5;
2376
719
78
642
■
1. Bürgerschule
Stuttgart
(Kl. III-VIII)
28
29
1
1294
i
! + 161
1188
101
4
1
1:
1
1238
52
4
32
1
1
140 Stand der realist. Schulen in Wüi^ttb. auf 1. Jan. 1905.
•1
|Lehr- ,
3
1'
Konfession
Heimat
— - ...
stellen
s
der Schüler
der Schüler
s
,
Schaler
•
•
C3
Gesamtzahl
m 1. Januar 1
Einheimische '
im Umkreis
wohnende
Answärtigo
a>
Sitz
der
Schule
Klassen
Iiptlehrstellen
Ifslehrstellen
vangelischo
Katholiken
Israeliten
ist einer Kout.
Englisch lern
1
1
O
1
1 rt
1
1 »
1
v:
Zusammenstellung: ;,
Oberrealschnlen nnd ;!
Realschulen mit
Oherklassen
obere Abteilung . i 70
nntere „ . 1216
Niedere Realschulen I!121
I I
I i
82.1(>l 155^
18139
96
17
Bürgerschule 2B|' 29
+ 71
7260 +280
Bl73iLfl04
129i+161|
jss
1^
8173;
1294:
1195* 329
5879 1176
83
189
i 810 291 458
16 Ö568 1265! 427
2189 883
96
52376
719
78
11881 101
4
1
11238
52
4,
11557
2131
32
Gesamtzahl . 435391166113286:^16:1328610451
2489 322 24:,9992
2327
967
4362
Unter dieser Gesamtzahl befinden sich 308 außerordentliche
Schüler und hierunter 262 Mädchen; femer 237 Schüler, deren
Eltern außerhalb des Landes wohnen.
Den Klassen nach verteilen sich die Schüler wie folgt:
Vor-
klasse
II
in
IV
VI
VII
villi IX
1. Oherrealschulen
Anzahl der Klassen
Schüler
»
ImDurchschnitt sind
in 1 Klasse Schüler
2. Realschulen mit
2 Oberklassen
Anzahl der Klassen
y, „ Schüler
ImDurchschnitt sind
in 1 Klasse Schüler
3. Realschulen mit
1 OberUasse
Anzahl der Klassen
„ „ Schüler
ImDurchschnitt sind
in 1 Klasse Schüler
22
808
36,7
7
207
22 21
841 ' 775
38,2 !36,9
8 8
287 262
21, 19
780 679
34,8 35,7
19
19
10
10
550 587
1
2215
193
28,9
30,9
22,3
19,3
1
29,6 35,9 32,7
2 I 10
72 326
7
236
83,7
9
291 295
36,0 .32,5 32,3 ,32,8
7
204
29,1
9
269
29,9
7
196
28,0
9
233
25,9
6
192
32,0
10
154
15,4
35; -
5,8 i -
175 1^ -
19,4
Stand der realist. Schulen in Württb. auf 1. Jan. 1905. 141
An den niederen Realschulen kommen auf 1 Klasse im
Durchschnitt 26,2 Schüler.
Auf die Kreise des Landes verteilen sich die Schüler
folgendennassen :
evang.
kath.
Israelit.
sonstige
Kon-
fession
im
ganzen
624
145
16
6 412
639
25
4
2 768
314
97
4
1823
912
55
322
^,^_^
2 283
2 489
24
13 286
'i
1. Neckarkreis ! 5 627
2. Schwarz waldkreis . j 2 100
3. Jagstkreis | 1 408
4. Donaukreis . . . . i 1 316
zusammen 10 451
Bemerkungen zu obiger Tabelle.
1. 1 Vikarsstelle.
2. 2 Vikarsstellen.
8. 1 Vikarsstelle gemeinsam mit dem Realgymnasium.
4. Hierzu kommen noch die Schüler der Lateinabteilungen,
60 daß die Realschule Crailsheim im ganzen 216 Schüler hat.
5. Hierzu kommen noch die Schüler der Lateinabteilungen,
so daß die Realschule Schorndorf im ganzen 204 Schüler hat.
6. Die Unterklasse ist gemeinsam mit der Lateinschule.
7. Die Realschule steht unter dem Rektorat des Gymnasiums.
8. Die Vorklasse ist gemeinsam mit der Lateinschule.
9. Die Latein- und Realschule stehen unter gemeinsamem
Vorsteheramt.
10. Die Schüler des ersten Jahrgangs besuchen die Unterklasse
der Lateinschule.
IL Im Bestände der realistischen Schulen sind während des
Kalenderjahres 1904 nachstehende Veränderungen eingetreten:
An der Oberrealschule in Oannstatt wurde eine Hilfs-
lehrstelle in eine Reallehrersstelle umgewandelt und eine pro-
visorische Parallelklasse an der mittleren Abteilung mit einer Hilfs-
lehrstelle neu errichtet.
An der Oberrealschule in Eßlingen wurde eine provi-
sorische Parallelklasse an der unteren Abteilung mit einer Hilfs-
lehrstelle neu errichtet.
An der Oberrealschule in Göppingen wurde eine Hilfs-
lehrstelle in eine Reallehrersstelle umgewandelt.
142 Stand der realist. Schulen in Wflrttb. auf 1. Jan. 1905.
An der Oberrealschule in Heilbronn wurde eine provi-
sorische Parallelklasse an der mittleren Abteilung mit einer Hilfs-
lehrstelle neu errichtet.
Von der Friedrich-Engens-Realschule in Stuttgart
wurden 6 Klassen mit 4 definitiven Hauptlehrstellen (8 Oberreal-
lehrersstellen und 1 Reallehrersstelle) und 2 Hilfslehrstellen abgetrennt
und aus denselben unter Neuerrichtung der Rektorsstelle und einer
weiteren Hilfslehrstelle eine neue Gklassige Realschule ge-
bildet.
An der Wilhelms-Realschule in Stuttgart wurde eine
Hilfslehrstelle in eine Oberreallehrersstelle umgewandelt.
An der Oberrealschule in Ulm wurde eine provisorische
Parallelklasse an der unteren Abteilung mit einer Hilfslehrstelle
neu errichtet.
An der Realschule in Aalen wurde eine provisorische
Parallelklasse an der mittleren Abteilung mit einer Hilfslehrstelle
neu errichtet.
An der Realschule in Heiden heim wurde eine provi-
sorische Parallelklasse au der unteren Abteilung mit einer Hilfs-
lehrstelle neu errichtet.
In Schorndorf wurden die 4klas8ige Realschule und
die 2klassige Lateinschule vereinigt und unter Neuerrichtung
der Rektorsstelle und zweier Oberreallehrersstellen zu einer 6k las-
sigen Realschule mit Lateinabteilungen ausgebaut.
An der Realschule in Schwenningen wurde eine Hilfs-
lehrstelle in eine Oberreallehrersstelle umgewandelt.
An der Realschule in Backnang wurde eine Oberreal-
lehrersstelle neu errichtet.
An der Realschule iuBietigheim wurde eine Reallehrers-
stelle neu errichtet.
In Buttenhausen wurde durch Stiftung des Kommerzienrats
L. Bernheimer in München eine einklassige Realschule errichtet
und derselben der Name: ^^Bernheimersche Realschule^*
beigelegt
An der Realschule in Giengen wurde eine Reallehrers-
stelle neu errichtet.
An der Realschule in Lorch wurde eine provisorische
Unterklasse mit einer Hilfslehrstelle neu errichtet.
An der Realschule in Mergentheim wurde eine provi-
sorische Mittelklasse mit einer Hilfslehrstelle neu errichtet.
stand der realist. Schulen in Wilrttb. auf 1. Jan. 1905. 143
An der Realschule in Neckarsalm wurde eine provi-
sorische Unterklasse mit einer Hilfslehrstelle neu errichtet.
An der Realschule in Oberndorf wurde eine Hilfslehr-
stelle in eine Reallehrersstelle umgewandelt.
An der Realschule in Rottenburg wurde eine provi-
sorische Mittelklasse mit einer Hilfslehrstelle neu errichtet.
An der Realschule in Schramberg wurde eine provi-
sorische Mittelklasse mit einer Hilfslehrstelle neu errichtet.
ni. Was den Wechsel der Schüler vom 1. Januar 1904
bis 1. Januar 1905 betrifft, so sind
A. aus den realistischen Schulen (einschließlich der Klassen
III — VIII der Bürgerschule) abgegangen:
a) aus den Oberklassen:
in eine Oberklasse einer Gelehrtenschule 3
„ „ Mittel- oder Unterklasse einer Ge-
lehrtenschule —
„ ein Schullehrerseminar 2
„ eine andere öffentliche Schule ... 6
„ „ Privatschul, od. in d. Privatunterricht 7
in das elterliche Haus 6
nach Erwerbung des Abiturientenzeugnisses
zum Studium an der Universität . 10
zum Studium an der Technischen
Hochschule 99
an eine andere akademische Anstalt 4
zu einem anderen Studium ... 3
zu dem militärischen Beruf . . 7
zu einem sonstigen Beruf . . . 12 135
nach Erwerbung d. Reifezeugnisses f. Prima 41
nach Erwerbung des Einjährigenzeugnisses
zu einem gewerblichen Beruf . . 75
zu einem kaufmännischen Beruf . 316
zum mittleren Beamtendienst . . 160
zu einem andern Studium oder Beruf 62 613
in eine militärische Bildungsanstalt ... 1
zu Gewerbe und Handel 36
zur Landwirtschaft 1
zu einer anderen Beschäftigung .... 4
144 Stand der realist. Schulen in Württb. auf 1. Jan. 1905.
aus dem Lande weggezogen 8
gestorben Bind 5
Zusammen 868 Schaler
b) aus den Mittel- und Unterklassen:
in eine Oberklasse einer Gelehrtenschule
„ eine Mittel- oder Unterklasse einer
Gelehrtenschnle 43
„ eine Elementarschule 13
,, ,, Volksschule 193
„ ein Schullehrerseminar oder eine Prä-
parandenanstalt 30
„ eine andere öffentliche Schule ... 8
„ den Privatunterricht 79
ins elterliche Haus 76
in eine militärische Bildungsanstalt . . 2
zu Gewerbe und Handel 914
zur Landwirtschaft 34
zu einer anderen Beschäftigung .... 10
aus dem Lande weggezogen 69
gestorben 13
Zusammen 1484 Schüler.
B. Aus den mittleren Klassen in die oberen sind über-
getreten 8i)0; darunter 722 an derselben Anstalt.
Aus einer Oberklasse in eine Oberklasse einer anderen An-
stalt sind 69, aus einer Mittel- ode^ Unterklasse in eine Mittel-
oder Unterklasse einer anderen realistischen Schule 524 Über-
getreten; aus einer Oberklasso einer realistischen Schule in
eine Unterklasse 0.
0. Eingetreten sind im Laufe desselben Kalenderjahrs :
a) in die Oberklassen:
aus einer Oberklasse einer Gelehrtenschule 12
„ einer Mittel- oder Unterklasse einer
Gelchrtenschule 16
anderen öffentlichen Schule . . 8
Privatschule oder dem Privat-
unterricht 13
,, dem elterlichen Haus 12
von außerhalb des Landes 18
Zusammen 79 Schüler
^T "
1'
stand der reaii^t. Schulen in Württb. auf 1. Jan. 1905. 145
b) in die Mittel- und Unterklassen:
aus einer Oberklasse einer Oelehrtenschule —
„ Mittel- und Unterklassen einer Oe-
lehrtenschule 224
,, Elementarschulen 1061
,, Volksschulen 1054
„ Vorbereitnngsklassen der Volksschulen 379
f, einer anderen öffentlichen Schule . . 19
,, dem Privatunterricht 50
., „ elterlichen Haus 8
von ausserhalb des Landes 94
Zusammen 2889 Schfiler.
Die Gesamtzahl der im Jahre 1904 ausgetretenen Schüler ist
daher 2352, der eingetretenen 2968.
Daraus ergibt sich wieder ein Zuwachs von 616 Schülern.
IV. Am Turnunterricht haben teilgenommen am 1. Jan. 1905:
an den Oberklassen der 25' Realanstalten . . . 1376
„ Mittel- und Unterklassen 5872
., ,, Realschulen 3159
Zusammen 10407 Schüler.
Nur im Sommer haben Turnunterricht erhalten nach dem
^tand vom 1. Juli 1904:
an Realschulen 246 Schüler.
V. Zeugnisse bejstandener Reifeprüfung sind im Kalenderjahr
1904 ausgestellt worden 135; Zeugnisse wissenschaftlicher Be-
fähigung für den einjährig-freiwilligen Dienst 806.
VI. Am 1. Januar 1905 bestanden an den realistischen Schulen
(mit Einschluli der Klassen VII und VIII der Bürgerschule) im ganzen
437 Hauptlehrstellen^ worunter 66 provisorische. Von diesen gehören
a) der Professoratsstufe an 92 (10 prov.), sämtlich an den oberen
Abteilungen der 25 realistischen Schulen mit Oberklassen;
b) der Oberreallehrerstufe 229 (22 prov.), nämlich 147 (18 prov.)
an den mittleren Abteilungen der Schulen mit Oberklassen^
73 (4 prov.) an den Realschulen ohne Oberklassen und 9 an
den Klassen VII und VIII der Bürgerschule;
c) der Reallehrerstufe 116 (34 prov.), wovon 76 (21 prov.) auf
die Schulen mit Oberklassen und 4,0(13 prov.) auf die Ke.il-
schulen ohne Oberklasseu fallen.
Hierzu kommen noch 15 Vikarsstellen.
146 Stand der realist. Schulen in Wtirttb. auf 1. Jan. 1905.
VII. Von definitiven Lehrstellen waren am 1. Januar 1904
^ Oberreal- Beal-
Rektorate *aj,-„,atB 1 ehrer- lehrer-
jessorate ^^^,1^^ «teilen
erledigt 0 0 5 2
neu errichtet wurden im Jahr 1904 2 0 7 5
in Erledigung kamen „ „ v 1 8 15 10
besetzt wurden „ „ ?, 2 8 23 16
erledigt waren am 1. Januar 1905 10 4 1
Hierbei wurden 27 Lehrer erstmals auf Lebenszeit angestellt.
Von diesen haben 16 die Professoratsprtlfaiig oder höhere Dienstprü-
fung, 1 die frühere Reallehrerprtifung und die Kollaboraturprüfung
oder die Prüfung für Reallehrersstellen erstanden. Durch Tod sind
im Kalenderjahr 1904 8 Lehrer abgegangen, durch Pensionierung 7,
durch Austritt aus dem Dienst der Ministerialabteilung 2.
VlIL Am 1. Januar 1905 waren auf Lebenszeit angestellt:
an den Oberklassen der realistischen Schulen mit
Oberklassen 80 Lehrer
an den Mittel- und Unterklassen dieser Schulen .179 ,,
an niederen llealscliulen 96
Zusammen 355 Lehrer.
Hierzu kommen noch 64 realistische Lehrer, welche an huma-
nistischen Schulen ihre Anstellung gefunden haben, und zwar
41 Lehrer der oberen und 23 der mittleren Klassen dieser Schulen
und der Lateiuschulen, sowie 9 realistische Lehrer an den Klassen VII
und VIII der Bürgerschule.
Ferner waren am 1. Januar 1905 angestellt am höheren
Lehrerinnenseminar 2, an höheren Mädchenschulen 34 realistische
Lehrer, so daß die Gesamtzahl der am 1. Januar 1904 definitiv
angestellten realistischen Lehrer 464 beträgt.
Aus der Gesamtzahl der hier angeführten Lehrer haben 171 die
Professoratsprüfimg oder die höhere Dienstprüfung, 169 die frttliere
Reallehrerprüfung erstanden.
Das Lebensalter, in dem dieselben zu erstmaliger Anstellung
gelangt sind, gleichviel auf welcher Stufe des Lehrdienstes, beträgt
für die Lehrer mit ProfessoratsprUfung oder höherer Dienstprüfung
im Dnrchsciniitt der letzten 5 Jahre 28,4 Jahre,
„ ,, des „ Jahrs 26,8 „ .
Für die auf der Oberstufe angestellten Lehrer ist das mittlere An-
stellungsalter auf dieser Stufe
im Durchschnitt der letzten 5 Jahre 38,5 Jahre,
„ ,, des ,, Jahrs 37,6 „ .
Stand der realist. Schulen in Württb. auf 1. Jan. 1905. 147
IX. Im Jahre 1904 haben die I. höhere DieiistprUfun^ fQr daB
realistische Lehramt bestanden B4 Kandidaten
a) die Prtlfnng sprachlich-historischer Richtung ... 17
b) ,, „ mathemat. - naturvvissenschaftl. Richtung
I. Abteilung 8
IL Abteilung 9.
Die IL höhere DienstprUfung bestanden 20 Kandidaten
a) die Prüfung sprachlich-historischer Richtung ... 10
b) „ „ mathemat.-naturwissenschaftl. Richtung
L Abteilung 7
IL Abteilung 3
' Es bestanden ferner die
Prüfung für Realiehrersstellen 18.
Die Zahl der vollständig geprüften Kandidaten des realisti-
schen Lehramts, welche am 1. Januar 1905 noch nicht auf Lebenszeit
angestellt waren und welche für den Dienst an Realschulen in
Betracht kommen können, beträgt 36, und zwar Kandidaten mit:
A. Realistischer Professoratsprüfuug
1. sprachlich-geschichtlicher Richtung 2
2. mathematisch-naturwissenschaftlicher Richtung . . 1.
B. U. Dienstprüfung für das höhere Lehramt
1. sprachlich-geschichtlicher Richtung 16
2. mathematisch-naturwissenschaftlicher Richtung. . 17.
Diese Kandidaten haben die Prüfung in den Jahren 1898 -1904
bestanden. Von denselben waren an Gelehrtenschulen 4, an Real-
schulen 28 und an höheren Mädchenschulen 1 verwendet.
Außer diesen 36 vollständig geprüften Kandidaten haben noch
42 die I. höhere Dienstprüfung für das realistische Lehramt be-
standen, und zwar 19 in sprachlich-geschichtlicher Richtung, 23 in
mathematisch-naturwissenschaftlicher (11 in der I. Abteilung und
12 in der IL Abteilung), so daß sich die Gesamtzahl der noch nicht
zur definitiven Anstellung gelangten Kandidaten auf 78 beläuft.
Kandidaten für Reallehrersstellen, welche für die Anstellung
an realistischen Schulen in Betracht kommen und weder lebens-
länglich angestellt noch im Volksschuldienste unständig verwendet
sind, waren es am 1. Januar 1904 58.
148
Stand der Eiementarachalen in Württb. auf 1. Jan. 1905.
Statistische Naohriohten über den Stand der Elementar-
schulen in Württemberg auf 1. Januar 1905.
An den nachbenannten 17 Orten bestehen sogenannte Ele-
mentarschulen, welche Knaben in zwei bis drei Jahrgängen
zum Eintritt in die höheren Schulen vorbereiten. Außerdem besteht
in Stuttgart eine eigens zur Vorbereitung auf die Btlrgerschule
bestimmte Elementarschule.
Der stand der einzelnen Elementarschulen am 1. Januar 1905
m
ergibt sich aus der nachstehenden Tabelle:
Sitz
der
Elementarschule
OS
Lehr-
stellen ,
**•
o
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9 .
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ȴ-
X :
1. Cannstatt
2. Eßlingen
—8. Feuerbacli
4. Gmünd
5. Göppingen
6. Heidenheim
7. Heilbronn
8. Kirchheim
9. Ludwigsbnig . . . .
—10. Metzingen
11. Nürtingen
12. Öhringen
18. Reutlingen
14. Stuttgart : ')
a) städt. Elementarschule
b) Elementar klassen der
Bürgerschule . . . .
15. Tübingen
16. Ulm
-- 17. Urach
6
5
3
1
4
2
5
2
4
1
1
l
3
5
1
2
1
2
1
2
1
;> —
1| 1
4 . -
1 -
1 —
2 1
I 205 1
184
i 115
66
162
86
183
93
157
24
27
27
148
•-5
- 1
-14
4-45
+ 6
+ 3
4- 6
9
4-21
8
2
4 5
Konfession
der Schüler
I ^
bß ^
! 177
! 169
109
22
ir>i
I 77
136
88
136
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25
24
138
«^•
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23 1
5
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11'
3
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—
9
1
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—
Heimat
der Schüler
9 —
29,18
5 —
19 2
2 —
2 —
1
10
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'S
CO
US
186
152
93
64
142
86
163
87
128
24
23
147
a>
29l23 6 1103 4-33 879 1 175 37112 1084
12
2
5
2
7 540
1
- 91 + 3
- , 212
3
1 : 1
54 4 8
487 50 2 1
77 12 2 -
145 56 11 —
- 54
519
86
186
51
I "
19 -
32 -
22 —
2 —
20 —
20 -
6 —
28, 1
4 —
^ -
— 1
17 2
I
19 j 2
3' 2
9 17
3 —
871 65:21 13477 4-84:2862
517
84 1413242
210 25
M 1 Vikar.
Stand der Elementarschulen in Württb. auf 1. Jan. 1905. 149
Im Kalenderjahr 1904 wurden an der städtischen Elementar-
schule in Stuttgart eine Klasse mit einer Hilfslehrstelle und an
der Elementarschule in Feuerbach 2 Klassen mit einer üilfslehr-
stelle neu errichtet.
Die Schttlerzahl der Elementarschulen hatte sich am 1. Januar
1904 belaufen auf 3393.
Von diesen sind während des Kalenderjahres 1904 ausgetreten
1850, und zwar:
in eine humanistische Schule 620
davon
in ein Gymnasium oder Progymnasium . . 330
y, „ Realgymnasium od. Realprogymnasium 234
71
eine Lateinschule oder Reallateinschule . 56
in eine Realschule 1061
„ ., Volksschule 74
„ den Privatunterricht oder eine Privatanstalt . . 16
„ das elterliche Haus zurück 45
aus dem Lande weggezogen 23
gestorben 11
Eingetreten sind 1934, und zwar:
aus einem Oymnasium 1
,, ,, Realgymnasium 3
aus einer Realschule 13
„ ,, Volksschule 363
., besonderem, in der Volksschule eingerichtetem
Vorbereitungsunterricht 24
,, dem Privatunterricht oder einer Privatanstalt . 39
„ „ elterlichen Haus 1472
von ausserhalb des Landes hergezogen 19
Es sind somit 84 Schaler mehr eingetreten als ausgetreten,,
wodurch sich auf 1. Januar 1905 die Gesamtzahl 3477 ergibt.
Nach den vier Kreisen des Landes verteilen sich die 3477
Schüler folgendermaßen :
Neckarkreis 2487
Schwarzwaldkreis 344
Jagstkreis 179
Donaukreis 467.
1 50 Statist. Nachrichten üb. d. Stand d. höh. Mädchenschul wesens.
Statistische Nachrichten über den Stand des höheren
Mädchenschnlwesens in Württemberg auf 1. Jan. 1905.
A. Höheres Lehrerinnensexninar.
I. Zahl der Abteilungen am 1. Janaar 1905 .... 3
II. Zahl der Seminar ist innen am 1. Januar 1905:
1. im älteren Kurs 12
2. im mittleren Kurs 12
3. im jüngeren Kurs 12
III. Zahl der außerordentlichen Schülerinnen:
1. im älteren Kurs 23
2. im mittleren Kurs : 14
3. im jüngeren Kurs 15
IV. Zahl der geprüften Schülerinnen:
Im mittleren Kurs bestanden an Ostern 1904 den ersten Teil
der Prüfung:
1. Seminaristinnen 12
2. außerordentliche Schülerinnen . 23
3. nicht im Seminar ausgebildet —
Im oberen Kurs bestanden an Ostern 1904 den zweiten Teil
^er Prüfung:
1. Seminaristinnen 12
2. außerordentliche Schülerinnen 16
3. nicht im Seminar ausgebildet —
V. Nach dem Bekenntnis befanden sich unter den Schülerinnen
•des Seminars:
evangelische 72
katholische 11
israelitische 1
von sonst einer Konfession 4
Nach der Heimat:
aus Stuttgart 46
im Umkreis wohnende 8
aus dem übrigen Württemberg 34
solche, deren Eltern außerhalb des Landes wohnen 5
VI. Zahl der ständig angestellten Lehrer .' 3
„ „ „ „ Lehrerinnen .... 2
Im Nebenamt waren im Seminar tätig:
Lehrer 4
Lehrerinnen 1
Statist. Nachrich teD üb. d. Stand d. höh. Mädchensch al wesens. 151
B. Höhere Mädchenschulen.
I. StatisÜBche Tabelle über den Stand der höheren Mädchen-
schulen am 1. Januar 1905.
Haupt- 1 || i,n [
lehrstellen Fach- 1 '^q. '
lehren ben-|l
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09
5
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8
«
1. Seholen im Sinne
d. Art. 1 d. Gesetzes
Tom 30. Dezbr. 1877
(öffentliche):
1. Camistatt . .
2. Eßlingen . . .
3. Göppingen .
4.Hall
5. Heilbronn . .
6.Komtal . . .
7. Ladwigsburg
3. Reutlingen .
9. Stuttgart,
König.-Kath.-Stift
10. Stuttgart,
König.-Oiga-Stift
IL Tübingen . . . .
12. Ulm
Zasammeu . .
2. Sehulen im Sinne
1 Art. 2 d. Gesetzes
Tom 30. Dezbr. 1877
(private) :
1 Biberach . .
2. Ellwangen .
3. Feuerbach .
L Gmünd . . .
5. Ravensburg
6. Stuttgart, Evang
Töchterinstitut .
Znsammen .
Im ganzen in den 18
höheren Mädchen-
schulen
10 5
l(i 5
I 13 7
' 8 5
: 1^ 9
8| 8
10
4
1
11
2
3
1
1
6; 3
o
2010-
12
10
3| 2
W S\ 3
135 71 20
I
2
2
3
1
- 2
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-' 1 2
1-
2i 4
2L| 2I 1
1 - 2 2
10' 2' 6'
1
4
1
260-
269-h
337|4-
223! -h
363
73'
214'
387--
2
15
5
3
16
3
2
15
' 220 14|| 25 1
245 19! 3!, 2
298; 18 21-
185 11 23! 4
~, 616"-|- 30
. 7 2
2 2
6 31
11
0
4
2
3
3
I
3
4i
— 3454-
— 297:+
— 380 +
40
12
227
237
311
191
279; 38 46 — !' 331
73, - -I-
189, 15 8 2,
347i 36: 3
512
275
251
23il 265
1
41 59i 4
25
191
365
567
23
24
24
23
27
4
15
16
27
3i 1
2
5
6
D
18
1 1
i=
8
2
2
26 27 7 37644- 903139324
3 2
I I
4'—
3, 1
2
3 7 6
68'+
24;
137 +
53'
110
15 5^— 338 1
36 9 1 273 1^
81 1 32' 2,1 328!j 4§
284|173384!;246
10
8
2
9
5
44
8
6
22
6
10
37
17
19
13
50
16
28
28
92
22
21
4;
2
18, 128
411 27
4|!_53
|13i 396
65 1
2q! 21 2;!-|| 23 —
15
13
52
87
5 3i, 1' 112
564^ 4 561
-1; II
22 l!
— 53.
-,1 7c
1 1 52ö| 23
2i
1
251 —
34
15
9
4
2
7
14
49
"39!|12| 3| 5|13||— I 4,22|1Ö, 956|| - 12 889; 56 9' 2 t 854j 83;i 1911 85
17483
23ill
4415
30 49
17
4720+ 78 4028
380 293194238
329,153
1 52 Statist. NachricbteD üb. d. Stand d. höh. Mädchenschulwesens.
Hierunter befinden sich 144 außerordentliche Schtllerinneit
und 67 Knaben.
II. Veränderungen im Bestand des höheren Mädchenschul wesen?^
während des Kalenderjahrs 1904.
Neuerrichtet wurden:
an der höheren Mädchenschule in Göppingen 1 Klasse,
„ dem Königin Katharinastift ,, Stuttgart 1 „
„ „ „ Olgastift „ „ 3 „
III. Was den Wechsel der Schülerinnen betrifft, so sind im Kn-
lenderjahr 1904 aus der höheren Mädchenschule abgegangen :
in eine humanistische Schule 19
,, „ realistische Schule 19
„ „ Volksschule 59
., das höhere Lehrerinnenseminar in Stuttgart . . 29
„ eine andere öffentliche Schule des Landes . . 25
„ den Privatunterricht 98
ins elterliche Haus zurückgetreten 450
zu einem Berufe übergetreten 4
aus dem Lande weggezogen 97
gestorben 8
im ganzen . . . 808.
Eingetreten sind:
von einer humanistischen Schule 4
realistischen Schule H
1^ 11
,, ,, Elementarschule 2
71
;, Volksschule 220
„ „ anderen öffentlichen Schule des Landes 8
aus dem Privatunterricht oder einer Privatanstalt . 45
„ ,, elterlichen Hause 518
von außerhalb Landes hergezogen 91
im ganzen . . . 8Süy,
somit sind im vergangenen Kalenderjahr 78 Schülerinnen mehr
eingetreten als ausgetreten.
Die oben aufgezählten Schulen hatten am 1. Januar 1904
zusammen 4642 Schülerinnen, am 1. Januar 1905 4720 Schülerinnen^
woraus sich wieder ein Zuwachs von 78 Schülerinnen ergibt.
Am Turnunterricht nahmen teil am I.Jan. 1905 3468 Schülerinnen.
Am Handarbeitsunterricht nahmen teil am 1. Januar 1905
4040 Schülerinnen.
Anhan«:. 153
Anhang.
Zusammenstelluiig der mit den Zengnlssen der öffentliolieD
höheren Schulen verbundenen Berechtigungen ^).
A. Gymnasien und Progymnasien.
I. Sämtliche Gymnasien, niederen evangelisch- tlieologischen
Seminarien und Progymnasien haben die Berechtigung zur Au s-
Btellung von Zeugnissen über die wissenschaftliche
Befähigung für den einjährig-freiwilligen Militär-
dienst,
§ 90, 2 a und b der deutschen Wehrordnung (Reg.Bl. 1901
S. 275).
Dieses Zeugnis berechtigt zugleich
1. zum Eintritt in die landwirtschaftliche Hochschule zu Hohen-
heim in der Eigenschaft eines ordentlichen Studierenden,
Organische Bestimmungen vom 8. November 1883 § 15
(Reg.Bl. S. 316) ;
2. zur Zulassung zur Ausbildung für den mittleren Dienst der
Verkehrsanstalten,
K. Verordnung vom 4. November 1902 (Reg.Bl. S. 553);
3. zur Zulassung zu der niederen Finanzdienstprüfung,
K. Verordnung vom 16. Juli 1892 § 24 (Reg.Bl. S. 313);
4. zur Zulassung zu der niederen Justizdienstprüfung,
K. Verordnung vom 31. Juü 1899 (Reg.Bl. S. 557);
5. zur Zulassung zur niederen Verwaltungsdienstprflfung,
K. Verordnung vom 1. Dezember 1900 (Reg.Bl. S. 905);
6. zur Zulassung zu der Prüfung der Apothekergehilfen und
der Apotheker,
Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 4. März 1875 § 4
(Reg.Bl. S. 169 ff.), desgl. vom 13. November 1875 § 3
(Reg.Bl. 8. 578).
IL Die Zeagnisse der Reife für die Prima(Klasse VIII
und IX) eines Gymnasiums machen die Beibringung der unter I.
erwähnten Zeugnisse über die wissenschaftliche Befähigung für den
di^ährig-freiwilligen Militärdienst entbehrlich^
§ 90, 4 der Wehrordnung von 1888.
*) Soweit die im nachätehenden aufgeführten Berechtigungen von
der ErfüUnng weiterer Erfordernisse außer den betreffenden Schul-
zeugnissen abhängig sind, wird auf die diesfalls bentehenden Vor-
schriften verwiesen.
Korrefi|)ondenzb1att 1005, Heft 4 u. 6.
154 Anhang.
Sie berechtigen ferner
1. zur Zulassung zu der PortepeefähnrichsprUfung,
Kaiserl. Verordnung über die Ergänzung der Offiziere des
Friedensstandes vom 11. März 1880 § 3;
2. zur Zulassung zu der Eintrittsprttfung als Kadett der Kaiser-
lichen Marine (Seekadettenprttfung)^
Vorschriften über die Ergänzung des Seeoffizierkorps vom
17. April 1899 (s. Anm. M;
3. zur Zulassung als Aspirant für den Militär- und Marine-
Intendantursekretariatsdienst,
Erlaß des K. Preuss. Kriegsministeriums vom 4. April 1860;
4. zur Zulassung zu der zahnärztlichen Prüfung,
Bekanntmachung des Bundesrats vom 5. Juli 1889 § 4
(Württ. Reg.Bl. von 1889 S. 290 ff.);
5. zur Zulassung zur pharmazeutischen Vorprüfung,
Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 18. Mai 1904 § 5
(Württ. Reg.Bl. von 1904 S. 171 ff.).
Schüler, welche die VII. Klasse eines Gymnasiums mit Erfolg
besucht haben und auf Grund einer mathematischen Ergänzungs-
prüfung in die Fachschule für Vermessungswesen aufgenommen
worden sind, werden beim Zutreffen der übrigen Zulassungs-
bedingungen zur Feldmesserprüfung zugelassen werden.
Erlass des K. Ministeriums des Kirchen- und Schulwesens
an die Direktion der Baugewerkeschule vom 30. März 1903
Nr. 2005.
Schülern von Progymnasien, welche den zweiten Jahrgang
der Oberklasse durchlaufen haben, kann das Zeugnis der Reife für
Prima eines Gymnasiums ausgestellt werden, wenn sie in einer
besonderen, an ihrer Anstalt zu erstehenden Reifeprüfung mindestens
die Durchschnittsnote „genügend^' erreicht haben.
^) Nach Erlaß des K. Ministerium» des Kirchen- und Schulweäens
vom 9. November 1900 soll gemäß Kaiserlicher Verordnung für die
Zöglinge der K. württ. höheren Lehranstalten, deren Schulschhiß im
Juli stattfindet zum Eintritt als Scekadett in die Kaiserliche Marine
die Beibrinping der Bescheinigung des Lehrerkollegiums im April über
die vorjinssichtliche Versetzung in die 8. Klasse gleichbedeutend sein mit
der Beibringung des Zeugnisses der Reife für die Priina, und die Beibrin-
gung der Bescheinigung des Lehrerkollegiums im April über das voraus-
sichtliche Bestehen der Reifeprüfung für die Zöglinge der 9. Klasse gleich-
bedeutend mit der Vorlegung eines volifrültigcu Ahitnrientcnzeugnisses.
Aiilian«,'. 155
Ebenso hjiben die niederen evangeÜBch-tlieologischen Seminarien
in Manlbronn und Schön tal die Berechtigung, solchen Zög-
üageS; welche den zweiten Juhreskurs nüt Erfolg absolviert haben,
diej^igen in Blaubeuren und Urach dagegen solchen, welche
ein halbes Jahr dem Seminar angehört haben, Reifezeugnisse fttr
die Prima eines Gymnasiums ayjBzustellen,
Erlaß der K. Kultministerialabteilung für Gelehrten-
und Realschulen vom 8. April 1875 Nr. 1390.
III. Die auf Grund der AbiturientenprUfung eines Gym-
nasiums oder auf Grund der Aufnahmeprüfung in das evangelisch-
theologische Seminar oder das Wilhelinsstift in Tübingen erwor-
benen Reifezeugnisse machen die Beibringung der unter I er-
wJUinten Zeugnisse über die wiRsenschaftliche Benihigiing für den
ehgährig-freiwilligen Militärdienst entbehrlich,
§ 90, 4 der Wehrordnung von 1888.
Sie gewähren ferner folgende Berechtigungen:
1. Immatrikulation bei jeder Fakultät der Universität Tübingen,
das Reifezeugnis eines Gymnasiums jedoch bei den theo-
logischen Fakultäten nur dann, wenn dasselbe auch ein Zeug-
nis tlber Kenntnisse im Hebräischen enthält^
Min.Verf. vom 19. Juni 1873 Ziff. 10 (Reg.Bl. 8. 280) ;
2. Zulassung zum Eintritt in eine der Abteilungen der K. Tech-
nischen Hochschule zu Stuttgart in der Eigenschaft eines
ordentlichen Studierenden,
Organische Bestimmnngen vom 17. Juni 18^5 § 10
(Reg.Bl. S. 284) ;
8. Zulassung zur Aufnahme in die Kaiser Wilhelms-Akademie
fttr das militärärztliche Bildungswesen zu Berlin,
Bestimmungen für die Aufnahme in die Kaiser Wilhelms-
Akademie fttr das militärärztliche Bildungswesen zu
Berlin vom 10. September 1901;
4. Zulassung zum tierärztlichen Studium und zur Prüfung für
Tierärzte,
Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 26. Juli 1902
(Reg.Bl. S. 428) ;
5. Zulassung zu den höheren Justizdienstprüfungen;
K. Verordnung vom 7. Dez. 1903 § 7 Ziff. 3 (Reg.Bl. S. 583);
6. Zulassung zur Ausbildung für den höheren Dienst der Ver-
kehrsanstalten,
K. Verordnung vom 4. November 1902 TReg.Bl. S. 553);
156 Aiiliaii^j;.
7. Zulasdung zu der Staatsprüfung für den h(>heren Verwal-
tungsdienst,
K. Verordnung vom 7. Dezember 1903 § 1 (Reg.Bl. 8. 591);
8. Zulassung zur ärztlichen Vorprüfung und Approbationsprttfung,
Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 28. Mai 1901,
betr. die Prüfungsordnung für Ärzte § 6 (Reg.Bl. 8. 164) ;
9. Zulassung zur Prüfung für den ärztlichen 8taatsdien8t und
für die öffentliche Aufstellung als Gerichtswrmdarzt,
K. Verordnung vom 17. Juli 1876 § 2a (Reg.Bl. 8.287);
10. Zulassung zu den evangelisch-theologischen Dienstprttfungeiii
vgl. Min. Verf. vom 21. Februar 1829 (Reg.Bl. 8. 113 ff.);
11. Zulassung zu einem katholischen Kirchenamt,
vgl. Gesetz vom 80. Januar 1862 Art. 3 (Reg.Bl. 8. 60);
12. Zulassung zu den Rabbinatsdienstprttfungen,
vgl. Gesetz vom 25. April 1828 Art. 52 (Reg.Bl. S. 317),
Min.Verf. vom 31. Januar 1834 § 3 (Reg.Bl. 8. 113);
13. Zuhissung zur Dienstprüfung für das humanistische Lehramt,
Min.Verf. vom 21. März 1898 (Reg.Bl. 8. 85 ff.);
14. Zulassung zur Dienstprüfung für das realistische Lehramt,
Min. Verf. vom 12. September 1898 (Reg.Bl. 8. 180 ff.);
15. Zulassung zu der Staatsprüfung für den höheren Finanzdienst,
K. Verordnung vom 7. Dezember 1903 § 1 (Reg.Bl.
S. 598) ;
16. Zulassung zu den Forstdienstprüfungen, einschließlich der
Vorprüfung,
K. Verordnung vom 2. Nov. 1895 § 10 (Reg.Bl. 3. 325) ;
17. Befreiung von der Ablegung der Portepeefähnrichsprüfung,
Kaiserl. Verordnung über die Ergänzung der Offiziere des
Friedensstandes vom 11. März 1880 § 3;
18. Befreiung von der Ablegung der EintrittsprUfung als Kadett
der Kaiserlichen Marine, falls in der englischen Sprache das
Prädikat „gut" erreicht ist,
Vorschriften über die Ergänzung des Seeoffizierkorps vom
17. April 1899 (s. Anm. 1 8. 32) ;
19. bei Vorlegung eines Ergänzungszeugnisses im EngUsohen
Zulassung zu der mathematisch-naturwissenschaftlichen Vor-
prüfung und zu den Staatsprüfungen im Hochbau-, Bau-
ingenieur und Maschineningenieurfach,
K. Verorilming v. 18. April 1892 § 2 Ziff. 1 (Reg.Bl. S. 150).
Anhang. 157
Das Reifezeugnis eines wttrttembergischen Gymnasiums
gewährt ferner
20. für Angehörige des Deutschen Reiches in jedem andern
deutschen Bundesstaate diejenigen Berechtigungen^ welche in
diesem Staate mit dem Reifezeugnis eines demselben an-
gehörenden Gymnasiums verbunden sind,
vgl. K. Verordnung vom 9. November 1874 (Reg.Bl. S. 211),
Bekanntmachung des K. Ministeriums des Kirchen- und
Schulwesens vom 22. April 1899 (Reg.Bl. 8. 171 ff.).
B. Realgymnasien und Realprogymnasien.
I. Sämtliche Realgymnasien und Realprogymnasien haben die
Berechtigung zur Ausstellung vonZeugnissen Uberdiewissen-
sehaftliche Befähigung für den einjährig-freiwilligen
Militärdienst,
§ 90, 2a und b der deutschen Wehrordnung (Reg.Bl. von
1901 S. 275).
Dieses Zeugnis gewährt zugleich die unter A, I, 1—6 auf-
geführten Berechtigungen.
II. Die Zeugnisse der Reife für die Prima (Klasse YIII
und IX) eines Realgymnasiums machen die Beibringung der
unter I erwähnten Zeugnisse über die wissenschaftliche Befähigung
für den einjährig-freiwilligen Militärdienst entbehrlich,
§ 90, 4 der Wehrordnung.
Sie gewähren ferner die unter A, 11, 1 — 5 juifgeführten Be-
rechtigungen.
Schülern von Realprogymnasien, welche den zweiten Jahrgang
der Oberklasse durchlaufen haben, kann das Zeugnis der Reife für die
Prima eines Realgymnasiums ausgestellt werden, wenn sie in einer
besonderen, an ihrer Anstalt zu erstehenden Reifeprüfung min-
destens die Durchschnittsnote „genügend^^ erreicht haben.
Durch ein Zeugnis über den regelmässigen Besuch der YIL
Klasse (Obersekunda) und die erlangte Reife zur Aufnahme in die
Vin. Klasse (Unterprima) eines Realgymnasiums wird der Nach-
weis über die Vorbildung für die Zulassung zur Prüfung der Feld-
messer geführt (K. Verordnung vom 21. Oktober 1895, Reg.BL
S. 301 ff. § 6). Ferner sind von dem K. Ministerium des Innern
▼orbehältlich der Prüfung im einzelnen Fall bis auf weiteres solche
Kandidaten zur Feldmesscrprüfunp: zujjelassen, welche auf Grund
158 Anhang.
des erfolgreichen Besuchs der Klasse VII, bezw. der obersten Klasse
eines RealprogymnasininS; und der erfolgreichen Erstehung der am
Ende des Sommerhalbjahrs vorgeschriebenen Klassenprüfung durch
Beschluß des Lehrerkonvents das Zeugnis der Reife für die
Klasse VIII eines Realgymnasiums erlangt haben.
III. Die auf Grund der Abiturientenprftfung eines Real-
gymnasiums erworbenen Reifezeugnisse machen die Bei-
bringung der unter I erwähnten Zeugnisse über die wissenschaftliche
Befähigung für den einjährig-freiwilligen Militärdienst entbehrlich,
§ 90, 4 der AVehrordnung von 1888.
Sie gewähren ferner folgende Berechtigungen:
1. Immatrikulation bei der Universität Tübingen, und zwar:
a) bei der philosophischen Fakultät fdr das Studium der Ge-
schichte, der neueren Sprachen und ihrer Literaturen,
b) bei der juristischen Fakultät,
e) ., .. medizinischen Fakultät,
d) ,, ., staatswissenscliaftlichen Fakultät,
e) ,^ .. naturwissenschaftlichen FakultUt,
Min.Verf. vom 19. Juni 187B Ziff. 10 (Reg.Bl. S. 280 ff.);
vgl. die Prüfungsordnung für Ärzte vom 28. Mai 1901
(Reg.Bl. 8. 164), und, die K. Verordnungen vom
7. Dezember 1903, betr. die Befähigung für den höheren
Justiz-, Verwaltungs- und Finanzdienst (Reg.Bl. S. 583);
2. Zulassung zum Eintritt in eine der Abteilungen der K. tech-
nischen Hochschule zu Stuttgart in der Eigenschaft eines
ordentlichen Studierenden,
Organische Bestimmungen vom 17. Juni 1885 § 10 (Reg.Bl.
S. 284);
3. Zulassung zur Aufnahme in die Kaiser Wilhelms- Akademie
für das militärärztliche Bildungswesen zu Berlin,
Bestimmungen über die Aufnahme in die Kaiser Wilhelms-
Akademie für das militärärztliche Bildungswesen KU
Berlin vom 10. September 1901;
4. Zulassung zum tierärztlichen Studium und zur Prüfung fttr
Tierärzte,
Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 26. Juli 1902
i Reg.Bl. S. 428);
5. Zulassung zu den höheren Justizdienstprüfungen,
K. Verordnung vom 7. Dezember 1903 § 7 Ziff. 3 (Reg.Bl.
S. 583);
Anhang. 1 59
6. Zulassung zur Ausbildung fUr den höheren Dienst der Ver-
kehrsanstalten,
K. Verordnung vom 4. November 1902 (Reg.Bl. S. 553) ;
7. Zulassung zu der Staatsprüfung für den höheren Verwal-
tungsdiensty
K. Verordnung vom 7. Dezember 1903 § 1 r Reg.Bl. S. 591);
8. Zulassung zur ärztlichen Vorprüfung und Approbationsprüfung^
Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 28. Mai 1901,
betr. die Prüfungsordnung für Ärzte § 6 (Reg.Bl. S. 164);
9. Zulassung zur Dienstprttfung für das realistische Lehramt,
Min. Verf. vom 12. September 1898 (Reg.Bl. S. 180) ;
10. Zulassung zu der Staatsprüfung für den höheren Finanzdienst,
K. Verordnung vom 7. Dezember 1903 § 1 (Reg.Bl. 8. 598);
11. Zulassung zu den Forstdienstprüfungen, einschließlicli der
Vorprüfung,
K. Verordnung vom 2. November 1895 § 10 (Reg.Bl. S. 325);
12. Zulassung zu den Dienstprüfungen im Berg-, Hütten- und
Salinenweseu,
K. V'erordnung vom 30. Dezember 1852 § 5 (Reg.Bl. von
1853 S. 4) ;
13. Zulassung zu der mathematisch-naturwissenschaftlichen Vor-
prüfung und zu den Staatsprüfungen im Hochbau-, Bau-
ingenieur- und Maschineningenieurfache,
K. Verordnung vom 13. April 1892 § 3 Ziff. 1 (Reg.Bl. S. 150);
14. Befreiung von der Ablegung der Portepeeftlhnrichsprüfung,
Kaiserl. Verordnung über die Ergänzung der Offiziere des
Friedensstandes vom 11. März 188d § 3;
15. Befreiung von der Ablegitng der Eintrittsprüfung als Kadett
der Kaiserl. Marine, falls in der englischen Sprache das
Prädikat „gut" erreicht ist,
Vorschriften über die Ergänzung des Seeoffizierkorps vom
17. April 1899 (s. Anm. 1 S. 32).
Das Reifezeugnis eines württembergischen Realgymnasiums
gewährt femer:
16. für Angehörige des Deutschen Reiches in jedem anderen
deutschen Bundesstaate diejenigen Berechtigungen^ welche in
diesem Staate mit den Reifezeugnissen eines demselben an-
gehörenden Realgymnasiums verbunden sind, soweit das
Reifezeugnis solche in Württemberg selbst gewährt,
Bekanntmachung des Ministeriums des Kirchen- und Schul-
wesens vom 22. April 1889 (Reg.Bl. S. 171).
160 Anhaiißf.
Das Reifezeuguis eines deutschen Realgymnasiums, ergänst
durch das Zeugnis über die erfolgreiche Erstehung einer an einem
wtirttembergischen Gymnasium abgelegten Ergänzungsprttfnng
im Lateinischen und Griechischen, ist dem Reifezeugnis
eines deutschen Gymnasiums gleich zu achten,
Verfügung des K. Ministeriums des Kirchen- und Schulwesens
vom 14. Dezember 1903 Ziff. 2 (Reg.Bl. S. 605).
C. Realistische Schulen.
I. Sämtliche Realschulen mit Oberklassen haben die Berechtigung
zur Ausstellung von Zeugnissen für die wissenschaftliche
Befähigung für den einjährig-freiwilligenMilitärdienst,
§ 90, 2 a, b und c der deutschen Wehrordnung (Reg.Bl.
von 1901 S. 275, vgl. auch Reg.Bl. von 1904 S. 71).
Dieses Zeugnis gewährt zugleich die unter A. 1. 1—5 auf-
geführten Berechtigungen.
II. Die Zeugnisse über die bestandene Schlußprüfung der
6 klassigen Realschulen machen die Beibringung der unter 1 er-
wähnten Zeugnisse über die wissenschaftliche Befähigung f(ir den
einjährig-freiwilligen Militärdienst entbehrlicli,
§ 90, 4 der Wehrordnung.
m. Die Zeugnisse der Reife für Prima (Klasse VIII
und IX) einer Oberrealschulc machen die Beibringung der unter
I erwähnten Zeugnisse über die wissenschaftliche Befdhigimg für den
einjährig-freiwilligen Militärdienst entbehrlich,
§ 90, 4 der Wehrordnung.
Sie berechtigen zugleich zur Zulassung zur Fähnrichsprüfung
(Oberrealschüler haben in der Fähnrichsprüfung die fehlende Kennt-
nis des Lateinischen durch Mehrleistungen in anderen vorgeschrie-
benen Prüfungsfächern auszugleichen),
K. Württ. Militär-Verordnungsblatt vom 25. März 1902 S. 49.
Berechtigung zur Ablegung der Seekadettenprüfung. Ober-
realschüler haben gute Leistungen in Französisch und Englisch
michzu weisen,
Raiserl. Verordnung vom 28. Juni 1902.
Ein Zeugnis über den regelmäßigen Besuch der Klasse VII
(Obersekunda) und die erlangte Reife zur Aufnahme in Klasse VIU
(Unterprima) einer Oberrealschule berechtigt zur Zulassung zur
Feldmesserprüfung,
K. Verordnung vom 21. Oktober 1895 (Reg.Bl. S. 303).
Allhang. 1 (J l
Das Zeugnis der Keife fllr Prima einer Oberrealschnle berech-
tigt zur Zulassung zur pharmazeutiscben VorprQfung, wenn der
Inhaber den Nachweis erbringt, daß er bereits bei der Zulassung
rar Apothekerlaufbahn in der lateinischen Sprache diejenigen Keiin-
nisse besessen habe, welche fUr eine Versetzung nach der Obersekunda
eines Resilgymnasiums notwendig sind (Reg.Bl. von 1904 S. 171 ff.).
Femer sind von dem K. Ministerium des Innern vorbehaltlich
der Prüfung im einzelnen Fall bis auf weiteres solche Kandidaten
Kor Feldmesserprüfung zugelassen, welche auf Grund des erfolg-
rdehen Besuchs der YII., bezw. der obersten Klasse einer Real-
schule mit 2 Oberklassen und der erfolgreichen Erstehung der am
Ende des Sommerhalbjahrs vorgeschriebenen Kiassenprllfung durch
Beschluß des Lehrerkonvents das Zeugnis der Reife für die
Klasse VUI einer Oberrealschule erlangt haben.
IV. DieaufGrundder A biturient enprUfung einer Ober real-
» c b u 1 e erworbenen Reifezeugnisse machen die Beibringung der
anter I erwähnten Zeugnisse über die wissenschaftliche Befähigung
ftir den einjährig-freiwilligen Militärdienst entbehrlich,
§ 90, 4 der Wehrordnung.
Sie gewähren ferner folgende Berechtigungen:
1. Immatrikulation bei der nuturwisseuscliaftlichen Fakultät und
mit Ergänzung durch ein Zeugnis über die erfolgreiche Er-
stehung der Reifeprüfung eines Gymnasiums oder Realgym-
nasiums im Fach der lateinischen Sprache auch Immatrikulation
bei der philosophisohen Fakultät der Universität Tübingen,
mn.Verf. vom 14. Februar 1876 Ziff. 11 (Reg.Bl. S. 64)
und vom 14. Januar 1899 (Reg.Bl. S. 26) ;
2. Zulassung zum Eintritt in eine der Abteilungen der K. tech-
nischen Hochschule zu Stuttgart in der Eigenschaft eines
ordentlichen Studierenden,
Organische Bestimmungen vom 17. Juni 1885 § 10 (Reg.Bl.
S. 284), Min.Verf. vom 22. Dezember 1891 (Reg.Bl. S. 3öl) ;
3. Zulassung zur Dienstprflfung für das realistische Lehramt,
für Kandidaten der sprachlich-geschichtlichen Richtung, jedoch
nur mit Ergänzung durch ein Zeugnis über die erfolgreiche
Krstehung der Ergänzungsprüfung im Lateinischen (s. u.),
Min. Verf. vom 12. September 1898 (Reg.Bl. S. 180 ff.);
4. Zulassung zu den Dienstprüfungen im Berg-, Hütten- und
Salinenwesen,
K. Verordnung vom 30. Dez. 1852 § 5 (Reg.Bl. von 1853 S. 4) ;
162 Anhang.
5. ZuUsBnng zu der mathematisch-naturwissenschafüicben Vor-
prttfang itnd zn den Staatsprüfungen im Hochbau-, Bau-
ingenieur- und Maschincningenieurfach^
K. Verordnung vom 13. April 1892 § 3 ZiflF. 1 (R^.BL
S. 150) ;
6. ZulaBBung zum tierärztlichen Studium und zur Prüfung für
Tierärzte,
Bekjuiutaiachung des Reichskanzlers vom 26. Juli 1902
(Reg.Bl. S. 428);
7. Zulassung zur Ausbildung für den höheren technischen Dienst
der Verkehrsanstalten,
K. Verordnung vom 4. Nt»veuiber 1902 (Reg.Bl. 8.553);.
8. Befreiung von der Ablegun«»' der PortepeefähnrichHprUfungy
Kaiserl. Verordnung von» 6. Februar 1902 (K. Württ.
Militärverordnungsblatt S. 29) ;
9. Befreiung von der Seekadettenprilfung. Die Abiturienten der
Oberrealschulen haben die fehlende Kenntnis des Lateinischen
durch das Mindestprädikat ihrer Schulen ),gut^' in der eng-
lisclien und französischen Sprache auszubleichen.
Kaiserl. Verordnung vom 28. Juni 11)02, Marine- Verord-
nungsblatt von 1902 S. 211.
Das Reifezeugnis, ergänzt durch ein Zeugnis über die erfolg-
reiche Bestehung einer an einem wttrttembergisehen Realgymnasium
abgelegten Ergänzungsprüfung im Lateinischen, i^t dem Reifezeugnia
eines deutschen Realgymnasiums gleichzuachtcn.
Das Reifezeugnis ergänzt durch ein Zeugnis über die erfolg-
reiche Bestehung einer an einem wttrttembergisehen Gymnasium abge-
lagten Ergänzungsprttfung im Lateinischen und Griechischen^ ist dem
Reifezeugnis eines deutschen Gymnasiums gleichzuachtcn.
Verfügung de» K. Ministeriums des Kirchen- und Schul-
wesens vom 16. September 1903 Ziff. 112 (Reg.Bl. 1903
S. 605).
D. Höhere Mädchenschulen.
Die Erstehung der Abgangsprüfung aus der obersten Klasse
einer deutschen vollausgebanton und staatlich anerkannten höheren
Mädchenschule berechtigt zur Zulassung zur Dienstprdfung fttr
Zeichenlehrer und Zeichenlehrerinnen (Reg.Bl. von 1903 S. 513)»
Cbersicht der höheren LehranatalteB, Lehrer ete. in WfiiHI^ 1^
Übersicht
iber did der K. Hlnisterial-Abtelliiiig für die höheren Schxdea
unterstellten Lehranstalten, nebst Angabe der dabei ange-
stellten Lehrer nnd Beamten nach dem Stande vom 1. April 1905.
A. Die evangelisch-theologischen Seniinarien.
a) Das höhere evangelisch-theologische Seminar in
Inspektorat: Dr. v. Buder, Professor, Ephorus, erster Inspektor,
Kr.0.2c. Kr.O.M. K.O.M.l. J.M.2. (K.71.). Dr. v. Grill, Professor,
zweiter Inspektor, Kr.0.2c. J.M.2. Dr. v. Fischer, Professor,
dritter Inspektor, Kr.0.2c.
Ephorns: Dr. v. Bnder, Professor. 10 Repetenten. Ökonoraiever-
walter: Hochstetter, Kanzleirat, zngleich Ökonomieverwalter
am Wilhelmsstift. Arzt : Dr. Landerer, Sanitätsrat, Oberamts-
wnndarzt. Musiklehrer: Dr. Kau ff mann, ausserordentlicher
Professor, Universitätsmusikdirektor. 1 Assistent des Seminar-
arztes. — 1 Hausmeister. 2 Unteranfseher. 3 Aufwärter.
1 Repetenten- und 9 Seminaristendiener.
h) Die vier niederen evangelisch-theologischen (Yorbereitangs-)
Seminarien in
]. Blaubeuren.
Ephorus: Vay hinger, Fr.0.3a. J.M.2. Professoren: Fischer,
Dr. Heege. 2 Repetenten. Okonomieverwalter : Kielmeyer,
Kameralverwalter. Arzt: Dr. Bau r, Oberamtsarzt. Musiklehrer:
Weitbrecht. — 2 Diener.
^. Urach.
Ephorus: Dr. Jetter, Fr.0.3a. Professoren: Dr. Eitle, Hirzel.
2 Repetenten. Ökonomieverwalter: Sippel, Oberamtspiieger.
Fr.O.Sb. Arzt: Dr. Pf äfflin, Oberamtsarzt. Musiklehrer: Bopp.
— 2 Diener.
3. Maulbronn.
Ephorus: Paulus, Fr.0.3a. Professoren: Dr. Nestle, (K.71.),
Dr. Mettler. 2 Repetenten. Ökonomieverwalter: Volz,
Kameralvervv alter. Arzt: Dr. Georgii, Oberamtsarzt. Musik-
lehrer: Haasis. — 2 Diener.
164 Übernicht der höheren Lehranstalten, Lelirer etc. in Württb.
4. 8ch5ntal.
EphoruB: Traub. Professoren: Beckh, Dr. Nestle. 2 Repetenten,
ökonomieverwalter : Laurösch^ Kameralverwalter. Arzt:
Dr. Junginger. Mnsiklehrer: Kirschmer. — 2 Diener.
B. Die Gymnasien, Progymnasien und Lateinschulen.
a) Oyinnasien in
1. Ganiistatt.
(lü Klnssen, 4 obere, 6 mittlere und untere.)
Rektor: Dr. Klett^ Fr.O.Sa.^ zugleich Vorstand der Elementarschule.
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Dr. Klett, Rektor; Koch,
Dr. Dttrr, Schmidt, Widmann, Dr. Mäule, zugleich Privat-
dozent an der Technischen Hochschule, Kall er, Professoren.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Lörcher, Gut,
Fischhaber, Professoren; Schlenker, Oberpräzeptor; Geiger,
Dinkel, PrIUseptoren. Turnlehrer: St ab 1er. Zeichenlehrer:
Brau nii Her, Professor. 1 Vikar.
(14 Klassen, 8 obere, 6 mittlere und untere.)
Rektor: Dr. Hehle, Fr.0.3a. J.M.2.
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Dr. Hehle, Rektor; Dr. Rief,
zugleich Konviktsvorstand, Btt öl er, Dr. Sporer, Metzieder,
Dr. Trunk, Baur, Dr. Greiner, Stöhr, Professoren;
3 Hilfslehrer.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Bolsinger,
Steinhauser, Professoren; Schumni, Dr. Schutzbach, Ober-
präzeptoren. Zeichenlehrer: Stetter. Gesanglehrer: Zoller,
Musikdirektor. 2 Hilfslehrer. — 1 Diener.
3. lillwaiiii^en.
(10 Klassen, 4 obere, 6 mittlere und untere.)
Rektor: Dreher, Fr.O.Ba., zugleich Vorstand der Realschule.
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Dreher, Rektor; Schneider,
Fr.0.3a., StUtzle, Miller, Dr. Hiemer, Dr. Malzacher,
Professoren.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Dr. Kurtz,
(K.71. Pr.E.K.2.), Gfri5rer, Professoren; Heine, Fischer,
Nastold, Oberpräzeptoren ; Kieninger, Joas, Präzeptoren.
Zeichenlehrer: Huberich, Professor. 1 Vikar. — 1 Diener.
Übersicht der höheren Lehranstalten, Lehrer etc. in Württb. 165 *
4. liftAlin^en.
(10 Klassen, 4 obere, 6 mittlere und imtere.)
Bektor: Mayer, zugleich Vorstand der Elementarschule; Fr.0.3.a.
J.M..^.
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Mayer, Bektor; Motz,
Dr. Wagner, Dr. Ganzenmüller, Benuer, Professoren.
1 Hilfslehrer.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Zimmer, J.M.2«
(K.71. Pr.E.K.2.), Hochstetter, Walter, Professoren;
Oslander, Oalmbach, Oberpräzeptoren;Dipper, V.K., Erehl,
Präzeptoren. Fachlehrer für Mathematik und Turnen: Schnizer,
Keallehrer. Zeichenlehrer: Schwenzer, Professor. 1 Vikar.
5. Hau.
(10 Klassou, 4 obere, 6 mittlere und untere.)
Bektor: Dr. John, Fr.0.3a. (K.71.).
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Dr. John, Bektor. Dr. Kolb,
Dr. Fehleisen, Wetzel, Dr. Gttnzler, Müller, Professoren.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Beiniger,
Professor; Keller, Lauer, Bruckmann, Oberpr&zeptoren;
Weitbrecht, Schnirring, Präzeptoren. 1 realist. Hilfslehrer.
Zeichenlehrer : L ö f f I e r. Turnlehrer :Klöpfer. 1 Vikar.
6. Heilbronn.
(18 Klassen, 6 obere, darunter 2 realistische, 12 mittlere and untere,
darunter 2 realistische.)
Bektor: Dr. Dürr, zugleich Vorstand der Elementarschule, Fr.O.Sa.
A. Qymiasiale llasteD (Vorklasse und I— IX).
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Dr. Dürr, Bektor; L e c h 1 e r,
zugleich Inspektor der Tumanstalt und Vorstand des Pensionats,
Hartmann (K.71.), Dangel, Gramer, Wunder, Dr. Kom-
mereil, Dr. Lang, Calmbach, Professoren.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Buch 1er, Kern,
Feucht, Münzenmaier, Föll, Essich, Professoren; Speer,
(K.71.), Gunser, Schlüren, Oberpräzeptoren; Zluhan, Hof-
mann, Mühlhäuser, Boller, V.K., Präzeptoren. Zeichenlehrer:
Stahl, Professor, Sitzler, Lampe. Turnlehrer: Hohenacker,
Thumm, Oberlehrer. 1 Vikar, zugleich Bepetent für das
Pensionat. — 1 Diener.
166 Cbet'Mcht der bökeren Lehranstalten, Lehrer etc. iu Wtiittb.
B. R«alg|«aMiale limtu (lY— YII).
a) Lehrer an der oberen Abteilung : D a n g e l , Dr. L a n g ^ Professoren.
b) Lehrer a« der mittleren Abteilung: Kern, Müjizenm.iier;
Professoren. Sohlüren, Oberpräzeptor.
G. Mit Um <}yoiiA«iiB ferbuilMci Paiioiat
Vorstand: Lechler, Professor. 3 Repetenten, wovon 1 zugleich
Vikar am Gymnasium.
7. Ijudwi^sbnr^^.
(12 Klassen, 4 obere, 8 mittlere und untere.)
Rektor: Erbe, zugleich Vorstand der Elementarschule, Fr.0.3a.
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Erbe, Rektor; Krocken-
berger, Raunecker, Rieber, Kley, Dr. Wagner, Professoren.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Fischer,
Professor; Hieber, Hüzel, Belschner, Oberpräzeptoren.
Hähnle, Oberreallehrer; Kussmaul, Schübelin, Präzep-
toren. 2 Hilfgdehrer. Zeichenlehrer: Gnant, Professor. 1 Viktfr.
8« Ravensbnriif.
(10 Klassim, 4 obere, 6 mittlere und untere.)
Rektor: Dr. Seh ermann.
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Dr. Schermann, Rektor;
Schweizer, Fr.O.Ba., Dr. Landwehr, Geiselhart, Bökeler,
B eiser, Professoren.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Humm, Prä-
zeptoratskaplan, Professor; Straub, Dr. Niki aus, Präzeptorats-
kaplan, Flaig, Wölfflen, Oberpräzeptoren; Maier, Ma^g,
Präzeptoren. Zeichenlehrer: Bosch, Oberreallehrer.
9. Remtlinitfeii.
- (10 Klassen, 4 obere, 6 mittlere und untere.)
Rektor: Votteler, zugleich Vorstand der Elementarschule.
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Votteler, Rektor; Bil-
finger, Dr. Sauerbeck, Rupp, Strölin, Böhringer,
Professoren.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: U artmann,
Fuchs, Professoren; Schiele, Hartmann, Oberpräzep-
toren; Aickelin, Bröckel, Präzeptoren. Zeichenlehrer:
S chmidt, Professor. Turnlehrer: Held. Gesanglehror : Schön-
hardt, Musikdirektor. 1 Vikar.
Cliersicht der höheren Lehranstalten, Lehrer etc. in Württb. 167
IG. Rottwell.
(14 Klaäseu, 8 obere, 6 mittlere und untere.)
Rektor: Dr. Eble, Oberstudl^nrat, Fr.O.Sa. J.M.2.
a) Lehrer &n der oberen Al>teilniig: Dr. Eble^ Oberstudienrat,
Dr.Baltzer, Fr.O.Sa.^ Blersch, Schmid, Dr. Kottmanii;
zugleich KonviktSTorstand, Zolier, Dr. Ehrenfried, Fischer,
Dr. Krieg; Profeseoren. 3 Hilfslehrer.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abt^lung: Egg 1er,
Fischer, Professoren; Dr. Mock, Geiger, Daiber, Ober-
präzeptoren. Reiner, Ott, Präzeptoren. Zeichenlehrer: Dur seh.
1 Diener.
11. I§ltntti:art.
I. Eteriiar4*Lii«ig8-SyaaMiHi.
(20 Klassen. 8 obere. 12 mittlere und untorü.)
Rektor: Dr. Straub, Obersty dienrat, Kr.0.3. Fr.O.Ba.
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Hauptlehrer: Dr. Straub,
Oberstndienrat; Sauer, Fr.O.äa., Dr. Haas, Fr.O.S.a., Straub,
Fr.0.3a. (K.71.), Dr. Weihenmajer, Dr. Drück, Dr. Meyer,
Süskind, Cranz, zugleich Mitglied der Zentralstelle ftlr
Gewerbe und Handel, Dr. Sakmann, Dr. Eiben ,
Kessler, Vorstand der Turnlehrerbildungsaustalt, Professoren.
Fach- und Hilfslehrer: Für evangelischen Religionsunterricht:
Dr. Mosapp, Schulrat. Für katholischen Religionsunterricht:
Kohler, Kaplan. Für italienische Sprache : C att an eo, Professor,
itaL Vizekonsul, zugleich Hilfslehrer an der Technischen
Hochschule. 1 Vikar.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Hauptlehrer:
Märklin, Wintterlin, Bräuhäuser, Schaumann, Kapff,
Dr. Pfeiffer, Ostermayer, Dölker, Dürr, Professoren;
Dr. Schmid, Oberpräzeptor; Eberhard, V.K., Fick, Aichele,
Narr, Braun, Katz, Präzeptoren. Gussmann, Turnlehrer.
1 Hilfslehrer. Fach- und Hilfslehrer: Für evangelischen Reli-
gionsunterricht: Dr. Mosapp, Schulrat, Di p per, Stadtpfarrer.
Für katholischen Religionsunterricht : K o h 1 e r , Kaplan. 1 Vikar.
Kassier des Gymnasiums: v. Fische r-WeikerHthal, Kauzlei-
rat. — 1 Diener. 1 Dienergehilfe.
B. KarlsgymnaslBii.
(20 Klassen, 8 obere, 12 mittlere und nntorc.)
Rektor: Dr. Egelhaaf, Oberstudienrat, zugleich Hilfslehrer an
der Technischen Hochschule, sowie Mitglied der W. Kommission
168 Obersicht der höheren Lehran8talteu, Lehrer etc. in Württb.
fUr Landesgeschichte und Ersatzmann fttr Mitglieder des Dis-
ziplinargerichts ftlr evangelische Geistliche, Fr.0.3a.
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Hauptlehrer: Dr. Egelhaaf,
Oberstiidienrat; Dr. Weidlich, Fr.O.Sa., Dr. Heintzeler,
zugleich Inspektor der Elementarschule, Dr. Ludwig, Dr.
Planck, Dr. Mayser, Dr. Hieber, Dr. Grotz, Dr. Meltzer,
Dr. Junker, Dr. Kies, Kern, Professoren. 2 Hilfslehrer.
Fach- und Hilfslehrer: FUr evangelischen Religionsunterricht:
Traub, Stadtpfarrer; für katholischen Religionsunterricht: Dr«
Zorell, Kaplan. Für italienische Sprache: Cattaneo, Pro-
fessor, italienischer Vizekonsul. Für Zeichnen: Ebenhusen.
Fttr Turnen: Reiß, Turnlehrer. 1 Vikar.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Hauptlehrer:
Albrecht, (K.71.), Feucht, J.M.2, Schöttle, Mohl, Kirsch-
mer, Dr. Richter, Dr. Müil.er, Professoren; Weismann,
Müller, Dr. Reik, Oberpräzeptoren; Maag, Schairer, Beiz,
Sohaich, Schuler, Prüzeptoren. Fach- und Hilfslehrer:
Für evangelischen Religionsunterricht: Gros, Lumpp, Werner,
Stadtpfarrer. Fttr katholischen Religionsunterricht: Dr. Zorell,
Kaplan. Fttr Zeichnen: Ebenhusen. Fttr Turnen: Reiß,
Turnlehrer. 1 Vikar. Kassier des Gymnasiums: städtischer
Rechnungsrat Barchet, Vorstand der städt. Schulpflege und
Stiftnngsverwaltung. — 1 Diener. 1 Dienergehilfe. 1 Heizer.
IS. Tftblnffen.
(10 KlaäHcn, 4 obere, 6 mittlere und untere.)
Rektor: Dr. Knapp, zugleich Vorstand der Elementarschule, Mit-
glied der W. Kommission fttr Landesgeschichte, Fr.0.3a.
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Dr. Knapp, Rektor; Paulus,
Fr.O.Sa., Dr. Knapp, (K.71.), Nägele, zugleich Vorstand der
höheren Mädchenschule, J.M.2., Österlen, K.O.M.I., Dr. Ritter,
zugleich Privatdozent an der Universität, Stahlecker, Professoren.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Wörz,
Dr. Hesselmeyer, Professoren; Stiugel, Dr. Eberle,
Oberpräzeptoren; Waldmttller, Salzner, Präzeptoren.
Zeichenlehrer: Merz. Turnlehrer: Sturm, zugleich Uni-
versitätstumlehrer. 1 Vikar.
18. Ulm.
(10 KlasseU) 4 obere, 6 mittlere und untere.)
Rektor: Dr. Hirzel, zugleich Vorstand der Elementarschule, Fr.O.Sa.
Übersicht der höheren Lehranstalten, Lehrer etc. in Württb. 1 69
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Dr. Hirzel, Rektor-
Dr. Knapp ; zugleich Inspektor der Tumanstalt und Mitglied
der Württ. Kommission für Landesgeschichte, Fr.O.Sa.^ Mahler,
Holzer, Dr. Müller, Dr. Baumeister, Dr. Ziegler, Profes-
soren.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Böhm (K.71.),
Kallhardt, Dr. Kap ff, Professoren; Dr. Kieser, ,
Oberpräzeptoren ; Mollenkopf, Pfeiffer, Präzep toren.
Zeichenlehrer: Kim mich, Professor, Schmalzried. Gesang-
lehrer: Graf, Professor, g.M.f.K.u.W.a.B.d.Fr.O. Turnlehrer:
Hörsch, Fischer. 1 Vikar.
b) Progynmasium in
Öhringen.
(4 Klassen, 1 obere, 3 mittlere un<l untere.)
Rektor: Dr. Barth, ^zugleich Vorstand der Elementarschule, J.M.2.
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Dr. Barth, Rektor.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Goppelt, Pro-
fessor; Bader, Dr. Well er, zugleich Mitglied der Württ.
Kommission für Landesgeschichte, Oberpräzeptoren; Renken-
berger, Oberreallehrer; Schock, Präzeptor. Zeichenlehrer:
— 1 Diener.
c) Lateinschnlen.
Aalen. Vorstand: L Oberpräzeptor: Glökler, 11. Oberpräzeptor:
Veitinger. Präzeptor: Schairer.
Altenstetff. Oberpräzeptor: Zimmer, Präzeptor: Treuber.
1 Hilfslehrer.
Backnanil^. Oberpräzeptor: Seh erb, Professor. Präzeptor:
Widmann.
Balinitren. Oberpräzeptor: Dr. Fahrion. Präzeptor:
Beilstein« Oberpräzeptor Völter.
Beslc^heim. Oberpräzeptor: Dr. Kohl ei ß. Präzeptor: Schrot er.
Biberaeh* Rektor: Bruder, Professor. Präzeptoratskapläne :
Ott, Oberpräzeptor, Hohl, Präzeptor. 1 Hilfslehrer. Zeichen-
lehrer: Weiß, Professor, Kopp. Turn- und Schreiblehrer:
Groß, zugleich an der Realschule. Gesanglehrer: Löhle,
Buttschardt, Musikdirektoren.
Bietli^lieiin. Oberpräzeptor: Wiest.
Blanbeiiren. Oberpräzeptor: Müller. Präzeptor: Storz.
1 Hilfslehrer.
Korreapondenzblatt 1005, Hoft 4 u. 6.
170 Übersicht der höheren Lehranstalten, Lehrer etc. in Württb.
Bönnls^heim. Oberpräzeptor : F a u 1 ^ Professor. Präzeptor :
KümmeL
Brackenlieiiii. Oberpräzeptor: Bihl. Präzeptor: Bait in ger^V.K.
Buehaii* Präzeptoratskaplan:
Sibiiisen. Oberpräzeptor: Baur. Präzeptor: Notz. Zeichen-
lehrer: Landenberger.
Freadenstadt. Vorstand: L Oberpräzeptor Kübel. IL Ober-
präzeptor Präzeptor: Bitzer.
Friedriclishafeii. Präzeptoratskaplan: Kresser, Oberpräzeptor.
Craildorf. Oberpräzeptor: Leibbrand. Präzeptor: Wolfarth.
Gieng^en a. B. Oberpräzeptor : £ 1 w e r t.
GKppins^^n. Rektor: Grüns ky, Professor, J.M.2. Oberpräzeptor:
Braun. Präzeptoren: Seyfang, Groß. Zeichenlehrer:
Gmelich. Turnlehrer: Rau, Fr.O.M. K.O.M.l. 2 Hilfslehrer.
Crrossbottwar. Oberpräzeptor: FölL
Gü^liiillfeit. Oberpräzeptor: Widmann.
Heidenheim. Vorstand: L Oberpräzeptor Dr. Kreuser, Profes-
sor. IL Oberpräzeptor: Haug. Präzeptor: Ölschläger.
Herrenber^^. Oberpräzeptor: Weiß. Präzeptor: Sattler.
Hoheniteim. Oberpräzeptor: Krumm, Präzeptor: Klett.
Horb. Präzeptoratskapläne : S t e i n e r, Oberpräzeptor, Schneider-
han, Präzeptor.
Kireliberig; a. d. J. Oberpräzeptor und zweiter Stadtpfarrer:
Diez.
Kirchheim a. T. Rektor : Knödel. Oberpräzeptor : F ab e r ,
Professor. Präzeptor: Riethmüller. Zeichenlehrer: Trucken-
m Uli er, Professor.
Ijan|!i:enbari2f. Oberpräzeptor: Bai tinger.
liaaffen. Oberpräzeptor: Präzeptor: Rinn.
lianpheim. Oberpräzeptor: WolfangeL Präzeptor: Spät.
lieonberg;. Oberpräzeptor: Wille. Präzeptor: Daiber.
JLentliireh. Oberpräzeptor: Braun. Präzeptoratskaplan: Schiele,,
Präzeptor.
Marbach. Oberpräzeptor: Dr. Schott. Präzeptor: Eitle.
Marliicröiiiiiseii. Oberpräzeptor: Böcklen. Präzeptor: Hall er.
Mengten. Präzeptoratskaplan: , Oberpräzeptor.
Mer|g:entbeiiii. Rektor: Dr. Pohlhammer. Oberpräzeptoren :
Sauter, Dr. Hauff, Seuffer. Präzeptor: Zeichen-
lehrer: Villforth. 1 Hilfslehrer.
Muiiderli^iiiSeii. Präzeptoratskaplan:
Übersicht der höheren Lehranstalten, Lehrer etc. in Württb. 171
Hurrhardt. Oberpräzeptor: Herzog. Präzeptor: Dr. Keller.
Waipold. Oberpräzeptor: Hall er. Präzeptor: YeyhL
Heckarsulni. Präzeptoratskaplan: Zimmermann, Oberpräzeptor.
1 Hilfslehrer.
Henenstadt. Oberpräzeptor: Wei die. Präzeptor: Fr ohnmey er.
Oberndorf a. H. Oberpräzeptor : S c h m i d , Professor.
PfnUlnil^eii. Oberpräzeptor: Mollenkopf.
Rosenfeld. Oberpräzeptor: Menge.
Bottenbnr^^. Rektor: Eremmler, Dompräbendar, zugleich
Vorstand der Realschule (P.p.E.&P.). Oberpräzeptoren: ,
Stumpp, Dr. Kimmich. Präzeptor: Sorg. 2 Hilfslehrer.
Zeichenlehrer: Reitze.
Saulfan. Präzeptoratskaplan: Dr. Kolb, Oberpräzeptor.
S^heer. Präzeptoratskaplan: Stoker, Oberpräzeptor.
Srhrambers:. Oberpräzeptor: Knobloch. Zeichenlehrer: Merz,
Professor.
SpaieUns^en. Oberpräzeptor; Stadler. Präzeptor: El wert.
Suis. Oberpräzeptor : Moser.
Tettnanx^. Präzeptoratskaplan:
Tnttllnu^en. Oberpräzeptor : S c h a b e r , Präzeptor :Beiswenger.
Urach. Oberpräzeptor: Dr. Eisele. Präzeptor: Dr. Leibius.
TaUiiniceii a. d. £• Oberpräzeptor: Dr. Haus er. Präzeptor:
Reutter.
l¥aibliiix^eii. Oberpräzeptor: Attinger. Präzeptor: Weinmar.
'Waldsee. Präzeptoratskaplan: Hang, Oberpräzeptor.
W^aneen. Präzeptoratskaplan : Dr. Funk, Oberpräzeptor.
Welnsbers. Oberpräzeptor: Präzeptor: Dipper.
'Wiesensteiit*. Präzeptoratskaplan:
^IFildberff. Oberpräzeptor: Balderer.
W^iniiendeii. Oberpräzeptor: Ziemßen. Präzeptor: Pflomm.
C Realgymnasien, Realprogymnasien, Reallateinschulen.
a) Realgymnasien in
1. Gmünd.
(16 Klassen, 5 obere, 11 mittlere und untere.)
Rektor: Dr. Klaus^ zugleich Vorstand der Elementarschule, Fr.O.Sa.
J.M.2.
a) Lehrer an der oberen Abteilung : Dr.KlauS; Rektor; Bürklen, zu-
gleich Vorstand der höheren Privatmädchenschule, Dr. Seefelder,
Berner, Schumacher, Geiger, Professoren. 1 Hilfslehrer.
172 Übersicht der höheren Lehranstalten, Lehrer etc. in Württb.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteihing: Dr. Woltz^
Dr.Breininig, Oberpräzeptoren, Keppler, Dr. Geck, Ober-
reallehrer, Dr. Hang, Oberpräzeptor, Präzeptoratskaplan.
Maurer, Oberpräzeptor. Irion(K.71.), Präzeptor. 6 Hilfslehrer.
Zeichenlehrer: Pfletschinger, Oberlehrer, Fischer. Turn-
lehrer: Bühler.
1t* Stuttgart«
(28 Klassen, 9 obere, 19 mittlere und untere.)
Rektor : E h r h a r t , Oberstudienrat, zugleich außerordentIiche&
Mitglied der Ministerialabteilung für die höheren Schulen, Fr.O.Sa.
a) Lehrer an der oberen Abteilung : Hauptlehrer: Ehrhart, Ober-
studienrat. Krug, I-Y.O.Sa., Dr. Konr. Miller (P.p.E.&P.P.Jub.
K.2.), Müller, O.O., Lang, zugleich Hilfslehrer an der
Tierärztlichen Hochschule, Bonhöffer, J.M.2., Minner (K.71.),
Rist, Zech, Lachenmaier, Dr. Jul. Miller, Haug,
Dölker, zugleich Inspektor der Tumanstalt, Dr. Scholl^
Professoren. 2 Hilfslehrer. Fach- und Hilfslehrer: Für kathoL
Religionsunterricht: Kohl er, Kaplan. 1 Vikar.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Hauptlehrer:
Herzog, Fladt, Memminger, Kuhn, Hähnle, Fanser,
Calmbach, Müller, Richter, Seiferheld, Eitle, Professoren;
Murthum, Dr. Breit weg, Oberpräzeptoren; Dr. Wildermuth,
Oberreallehrer; Wendel, Lindmaier, Harr, Fick, Bazlen,
Boßler, Präzeptoren. Rettenmaier, Turnlehrer ,
Schreiblehrer. 2 Hilfslehrer. Fach- und Hilfslehrer: Für kath.
Religionsunterricht: Kohler, Bentele, Kapläne. Für Zeich-
nen: Herwig, Zeichenlehrer. 1 Vikar. Kassier des Realgym-
nasiums: V. Fische r-Weikersthal, Kanzleirat. 1 Diener.
1 Dienergehilfe. 1 Heizer.
3. Ulm.
(11 Klassen, 5 obere, zum Teil mit den Realklassen kombiniert, 6 mittlere
und untere.)
Rektor: Neu ff er, zugleich Rektor der Oberrealschule, Fr.0.3a. J.M.2.
a) Lehrer an der oberen Abteilung (außer den bei der Roalanstalt
genannten): Dr. Barthelmeß (K.71.), Schauffler, Professoren.
1 Hilfslehrer.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Schulte s,
Mezger, Brost, Professoren; Koch (K.71.), Oberpräzeptor;
Pflüger, Streng, Präzeptoren. Schreiblehrer: Witte, Ober-
Übersicht der höheren Lehranstalten, Lehrer etc. in Wtlrttb. 173
lehren Zeichenlehrer: Kim mich; Professor, Schmalzried.
Gesanglehrer: Graf, Professor. Turnlehrer: Hörsch, Fischer.
b) Realprogymnasien in
1. BSbllniifeii«
(7 Klassen, 2 obere, 5 mittlere und untere.)
Rektor:
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Rektor; Kruck,
Professor.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Rühle, Dr.
Dieter, Oberpräzeptoren ; Dr. Borst, Oberreallehrer; Bühl er,
Präzeptor. 1 Hilfslehrer. Zeichenlehrer: Btthl.
2. Calw.
(8 Klassen, 2 obere, 6 mittlere und untere.)
Rektor: Dr. Weizsäcker, J.M.2.
n) Lehrer an der oberen Abteilung: Dr. Weizsäcker, Rektor;
Hory, Professor.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung : Beutter, Pro-
fessor; Steudel, Oberpräzeptor; Schmehl, Müller, Oberreal-
lehrer; Bäuchle, Jett er, Präzeptor en. Zeichenlehrer: Dinkel-
acker.
3. Creisliniifeii.
(8 Klassen, 2 obere, 6 mittlere und untere.)
Rektor: Dr. T hier er.
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Dr. T hier er, Rektor;
Dr. Groß, Professor.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Fetscher,
Dr. Lauer, Professoren; Brönnle, Dr.Vogt, Dr. Winternitz,
Oberpräzeptoren. Haidle, Präzeptor. Zeichenlehrer: Fetscher,
Ziegler, Professoren.
(8 Klassen, 2 obere, 6 mittlere und untere.)
Rektor: Dr. Komm er eil, zugleich Vorstand der Elementarschule.
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Dr. Komm er eil, Rektor;
Kautter, Professor, J.M.2. 1 Hilfslehrer.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung : Ramsperger,
Steudel, Professoren; Sturm, Oberreallehrer; Wieland, Ober-
präzeptor; Ruthardt, Köhler, Präzeptoren. Zeichenlehrer:
Enslin. Turnlehrer: Kocher.
174 Übersicht der höheren Lehranstalten, Lehrer etc. in Württb.
o) Reallateinsohule.
Hiedlini^eii.
(5 mittlere und untere Klassen.)
Vorstand: Professor Dr. Fürst, Präzeptoratskaplan. Oberreallehrer:
Bnz, Professor; Oberpräzeptoren: Wiedmann, y
Präzeptoratskaplan. Präzeptor: Schob. 1 Hilfslehrer. Turn-
und Zeichenlehrer: Mayer.
D. Oberrealschulen und Realschulen,
a) Oberrealsohulen.
1. Cannstatt.
(22 Klassen, 6 obere, 17 mittlere und untere.)
Rektor: Mayer, Fr.0.3a. J.M.2.
a) Lehrer an der oberen Abteilung : Mayer, Rektor; Dr. P 11 g r i m,
Schölkopf, Dr. Schmid, Silcher, Dr. Abel e^ Professoren.
1 Hilfslehrer.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Maulen, Wüst,
Eley, Soldner, Professoren; Katzmaier, Wieler, Eitel,
Schnürle, Oberreallehrer; Rau, lUenberger, Hoss^ Her-
mann, Clement, Reallehrer. 4 Hilfslehrer. 1 Vikar. Zeichen-
lehrer: Braumiller^ Professor. Turnlehrer: St ab 1er.
(18 Klassen, 5 obere, 13 mittlere und untere.)
Rektor: Haage, Fr.0.3a.
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Haage, Rektor; Schirmer^
Eberhardt (K.71.), Schmid, Dietmann, Professoren.
2 Hilfslehrer.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Mayer^ Geh-
ring, Professoren; Mayer, Maier, Frank, Haller, Dr. Müller,
Oberreallehrer; Gaiser, Beyer lein, Herre, Reallehrer.
3 Hilfslehrer. Zeichenlehrer: Schwenzer, Professor. Turn-
lehrer: Schnizer, Reallehrer.
3« GKppiniifeii.
(14 Klassen, 4 obere, 10 mittlere und untere.)
Rektor: Hirsch, zugleich Vorstand der Elementarschule.
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Hirsch, Rektor, Klein-
knecht, Dr. Hack, Teufel, Walter, Professoren.
Cbersicht der höheren Lehranstalteu, Lehrer etc. in Württb. 175
a) an der mittleren und unteren Abteilung: M a u t h e (K.Tl.), Professor^
Esslinger; Köhler^ König, Gonser, Dieterle, R.M.2., Ober-
reallehrer. Eisele, V.K., Dambach, Mast; Reallehrer. BHilfs-
lehren Zeichenlehrer: Kolb, (4m euch. Turnlehrer: Rau.
4. Hau.
(10 Klassen, 4 obere, 6 mittlere und untere.)
Rektor: Diez.
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Diez, Rektor; Säzler, Fach,
Strenger, Dr. Schweitzer, Professoren.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Fritz, Schmieg,
Kraiss, Stecher, Oberreallehrer; Mayer, Wittmann, Real-
lehrer. 1 Vikar. Zeichenlehrer: Löffler. Turnlehrer: Klopfer.
5. Heilbroim.
(21 Klassen, 5 obere, 16 mittlere und untere.)
Rektor: Widmann, Fr.0.3a. J.M.2.
a) Lehrer an der oberen Abteilung : Widmann, Rektor; Baisch,
Fr.0.3a., Weber, Braun, Schaufler, Wolf, Professoren.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Binder,
Thomaß, Böhringer, Stahl, Kauffmann, Professoren;
Seybold, Hole, Seefried, Kröner, Oberreallehrer; Kneile,
Aberle, Vöhringer, Behringer, Reallehrer. 4 Hilfslehrer.
1 Vikar. Zeichenlehrer: Eberbach. Turnlehrer: Hohen-
acker. Thumm, Oberlehrer.
6. BaTensbarn:.
(11 Klasseu, 5 obere, 6 mittlere und untere.)
Rektor: Rettinger.
a) Lehrer an der oberer Abteilung : Rettinger, Rektor, A n d 1 e r,
Riehm, Seiz, Beischer, Professoren. 1 Hilfslehrer.
b) an der mittleren und unteren Abteilung: Zimmermann,
Schönleber, s.ldw.M., Vetter, Haug, J.M.2, Professoren.
Schnabel, Reallehrer. 1 Hilfslehrer. Zeichenlehrer: Bosch,
Oberreallehrer.
7. Reatling^en.
(17 Klassen, 5 obere, 12 mittlere und untere.)
Rektor: Höchstetter Fr.0.3a. (K.71.).
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Höchstetter, Rektor;
Dr. Steudel, Finckh, Sucher, Kauzmann, Professoren.
2 Hilfslehrer.
176 Übersicht der höheren Lehranstalten, Lehrer etc. in Württb.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung : Hezel; Bitzer,
Wandel^ Stttbler^ Professoren; Bernhardt, Vaihinger,
Stöckle, Oberreallehrer; Sattler, Böhm, Gruber^ Real-
lehrer. 2 Hilfslehrer. 1 Vikar. Zeichenlehrer: Schmidt,
Professor. Gesanglehrer: Schönhardt, Musikdirektor. Turn-
lehrer: Held.
8. Stuttgart.
A. Fri64rleli-Eigeii-B«alsekile.
(24 Klassen, 6 obere, 18 mittlere und untere.)
Rektor: Schumann, Oberstudienrat, zugleich Lehrer für Geo-
graphie an der Technischen Hochschule Kr.0.3. Fr.O.Sa. J.M.2.
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Schumann, Oberstudienrat;
Dr. Bretschneider, zugleich Inspektor der Turnanstalt, so-
wie Hilfslehrer an der Technischen Hochschule, Fr.0.3a. (K.71.),
Entreß, Dr. Diez, zugleich Privatdozent an der Technischen
Hochschule und Lehrer an der Akademie der bildenden Künste,
Dr. Haag, Schiele, Strobel, Dr. Ruoß, Dr. Schwend,
zugleich Hilfslehrer an der Technischen Hochschule, Dr. Rayhrer,
Schmidt, gr.g.M.f.K.u.W.a.B.d.Fr.O., Professoren. 1 Hilfslehrer.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: S omni er,
Fach, Förstler, Fr.0.3b. J.M.2., Groh, Jauß, Acker-
knecht, Schöttle, Keck, Mützel, Professoren; Kauff-
mann, Oberreallehrer; Schnabel, Schock, Wölfflen,
Bäßler, Offner, Reallehrer. Renz, Turnlehrer. 4 Hilfs-
lehrer. 2 Vikare. Fachlehrer für evang. Religionsunterricht:
Stadtpfarrer Höckh. Fachlehrer für kath. Religionsunterricht:
Dr. Zorell, Kaplan. Fachlehrer für Zeichnen:
Fachlehrer für Turnen: Blank. Kassier der Anstalt: städt.
Rechnungsrat Barch et, Vorstand der städt. Schulpflege und
St iftungs Verwaltung. — 1 Diener.
B. WilkelBB-Reilseliile.
(24 Klassen, 6 obere, 18 mittlere und untere.)
Rektor: Jäger, Oberstudienrat, Fr.0.3a. J.M.2.
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Jäger, Oberstudienrat; Haag,
Blum, Wagner, zugleich Inspektor der Elementarschule, Wcng,
Zech, Rettich, Professoren. 2 Hilfslehrer.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung : Schrägle,Birk,
Größler, Montigel, Oberreutter, Ziegler, Haag,
Wauner, Professoren; Ensslen, Petri, Henne, Seitz,
Cbersioht der höheren Lehranstalten, Lehrer etc. in Württb. 177
Eisenmann, ..... ., Oberreallehrer. Walter, Griesinger,
Widmann, Braun, Staiger, Reallehrer. Turnlehrer: Mayer.
1 Hilfslehrer. 2 Vikare. Fachlehrer für evang. Religionsunterricht :
Stadtpfarrer Dr. Walther, Gros und Blind. Fachlehrer für kath.
Religionsunterricht: ELaplan Dr. Steinhäuser, Vikar K eich er
und Vikar Ruß. Kassier der Anstalt: städt. Rechnungsrat
Barch et, Vorstand der städt. Schulpflege und Stiftungsver-
waltung. — 1 Diener.
9. Ulm.
(12 Klassen, 4 obere, 8 mittlere und untere.)
Rektor: Neu ff er, zugleich Rektor des Realgymnasiums.
a) Lehrer an der oberen Abteilung (zum Teil auch am Real-
gymnasium verwendet) : Neuffer, Rektor; Sauter, Dr. Weißer,
Marmeln, Zeller, Lebküchner, Professoren.
b) Lehrer an der mittleren und imteren Abteilung: Claus, Hosch,
Rleinfelder, Hang, Professoren; Lusser, Oberreallehrer;
Griesinger, Wimmer, Reallehrer. 2 Hilfslehrer. Schreiblehrer:
Witte, Oberlehrer. Zeichenlehrer: Schmalzried. Gesanglehrer:
6r a f , Musikdirektor. Turnlehrer :Hörsch, Fischer. 1 Vikar.
b) Realschulen,
a) Reiliekileii nlt swel «kerei Jahreikiriefl :
1« Aalen.
(0 Klassen, 2 obere, 7 mittlere und untere.)
Rektor: RommeL
Äl Lehrer an der oberen Abteilung : Rommel, Rektor; Grunsky,
Professor.
b| Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Harr er, Beur-
len, Liomin, Waibel, Oberreallehrer; Weller, Mackh,
Reallehrer. 1 Hilfslehrer. Zeichenlehrer: Zeller.
tt. Biberach.
(8 Klassen, 2 obere, 6 mittlere und untere.)
Rektor: .....
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Rektor; Metzger,
Professor.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Nisch, Professor,
Klingel, Laudsperger, Häberlen, Oberreallehrer; Ege,
Közl e, Reallehrer. Zeichenlehrer : Weiß, Professor, zugleich an
178 Übersicht der höheren Lehranstalten, Lehrer etc. in Württb.
der Lateinschule, g.M.f.K.u.W. Turn- und Schreiblebrer: Groß^
zugleich an der Lateinschule. Gesanglehrer: Löhle, Butt-
schar d t , Musikdirektoren.
3. Heidenheiin.
(10 Klassen, 2 obere, 8 mittlere und untere.)
Rektor: Malter, J.M.2.
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Malter, Rektor; Rommel,
Professor, 8.M.V.M. (K.71.).
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Gaus, Pro-
fessor, g.M.f.K.u.W. Gehring, Dietrich, Stumpp,Oberreallelirer;
Leyen Setter, Kienle, Reallehrer. 2 Hilfslehrer. Zeichen-
lehrer: Hahn.
4. liudwiiifflbiirii:.
(13 Klassen, 2 obere, 11 mittlere und untere.)
Rektor: Hörz, Fr.O.Sa. J.M.2.
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Hörz, Rektor; Bück, Professor.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Riecke, Fein,
Professoren. D engl er, Bonhöffer, Oberreallehrer; Franck,
V.K., Schwarz, Groß, Illg, Reallehrer. 4 Hilfslehrer. 1 Vikar.
Zeichenlehrer: Gnant, Professor.
5. Rottweil.
(7 Klassen, 2 obere, 5 mittlere und untere.)
Rektor: Schmidt, Fr.0.3a. J.M.2.
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Schmidt, Rektor; Schmid,
Professor.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Grundler,
Döser, Schäfle, Professoren; Keller, Oberreallehrer; Stehle,
Reallehrer. Zeichenlehrer: Dur seh.
6. Tubinireii.
(9 Klassen, 2 obere, 7 mittlere und uutere.)
Rektor: Kr 1mm eh
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Krimmel, Rektor; Sauer,
Professor. 1 Hilfslehrer.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung : Nies, Halst,
A u e r , Professoren. H o u o 1 d , Oberreallehrer ; R 1 e c k e r,
Illmmelreicher, Reallehrer. 1 Hilfslehrer. Zeichenlehrer:
Merz. Turnlehrer: Sturm, Universitätsturnlehrer.
Cbereicht der höheren Lehranstalten, Lehrer etc. in Württb. 179
ß) lAtUehilei mit eken 9lktnn Jthreiknn.
]• Crailsheim.
(8 Klassen, 1 obere, 7 mittlere und untere mit Lateinabteilungen.)
Rektor: Fleischmann.
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Fleischmann; Rektor.
b) an der mittleren und unteren Abteilung: Dederer, Strauss,
Oberreallehrer, Dr. Her tl ein, Oberpräzeptor, Klein, Oberreal-
lehrer, Bihler, Reallehrer, Dölker, Präzeptor. 1 Hilfslehrer.
ft» Ebln^eii.
(6 Klassen, 1 obere, 5 mittlere und untere.)
Rektor: Gntscher.
aj Lehrer an der oberen Abteilung: Gutscher, Rektor.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Kugel,.
Schnapper, Hochstetter, Kiefner, Oberreallehrer; Brändle,
Reallehrer. Zeichenlehrer: Landenberger.
3. Frendenstadt«
(6 Klassen, 1 obere', 5 mittlere und untere.)
Rektor: Hang, Fr.O.Sa.
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Hang, Rektor.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Henninger,
Professor, J.M.2., Weikart, Dietterle, Oberreallehrer; Graf,
Reallehrer, J.M.3. 1 Hilfslehrer. Zeichenlehrer: Hauser.
4. Ki]rc]i]ieiina«T.
(7 Klassen, 1 obere, 6 mittlere und untere.)
Rektor: Schönig, S.M.V.M. (K.71.), zugleich Vorstand der Ele-
mentarschule.
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Schönig, Rektor.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Wied, Beiß er,
Gauger, Klein, Oberreallehrer; Hofmann, Riethmtlller,
Reallehrer. Zeichenlehrer: Truckenmüller, Professor.
5. 8c]ioriidorf.
(8 Klassen, 1 obere, 7 mittlere und untere mit Lateinabteilungen.)
Rektor: Grözinger.
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Grözinger, Rektor.
b) an der mittleren und unteren Abteilung: Binz, Oberreallehrer;
Dr. Riecke, Oberpräzeptor ; Burkhardtsmaier, Müller,
Dr. Ho ff mann, Oberreallehrer. Groß mann, Präzeptor,
Bosch, Reallehrer.
180 Übersicht der höheren Lehranstalten, Lehrer etc. in Württb.
6. l^chweiiiiiitipeii.
(6 Klassen, 1 obere, 5 mittlere und untere.)
Rektor: Heinz.
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Heinz, Rektor.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Fromm,
Breunlin, Dr. Lörcher, Oberreallehrer. Scholl, Reallehrer.
1 Hilfslehrer. Zeichenlehrer: Unger.
7. Sindellliii^eii«
(6 Klassen, 1 obere, i) mittlere und untere.)
Rektor: Dr. Hartranft.
a) Lehrer an der oberen Abteilung : Dr. Hartranft, Rektor.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Kälber, Pro-
fessor; Fries, Schittenhelm, Oberreallehrer; Real-
lehrer. 1 Hilfslehrer. Zeichenlehrer: Reuff.
(8 Klassen, 1 obere, 7 mittlere und untere.)
Rektor: Huwald, zugleich Vorstand der Elementarschule, Fr.O.Sa.
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Huwald, Rektor.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Holl, Bau-
meister, Professoren. Herter, Oberreallehrer. Epple,
Reallehrer. 3 Hilfslehrer.
<
9. Tuttlimireii.
(6 Klassen, 1 obere, 5 mittlere und untere.)
Rektor: MttUer.
a) Lehrer an der oberen Abteilung: Müller, Rektor.
b) Lehrer an der mittleren und unteren Abteilung: Schöllhammer,
Henninger, Dr.Moser, Hohnerlein, Oberreallehrer; Haus er,
Reallehrer. Zeichenlehrer: Gansmüller.
r) Realschulen ohae Oberklusen.
Alpirsbach. Oberreallefhrer : Bauer. Reallehrer: Brück er.
Altshaasen. Oberreallehrer: Sigerist.
Backnans^. Oberreallehrer: Mergenthaler, Professor, Dr.
Wendelstein. Reallehrer: Talmon-Gros. 2 Hilfslehrer.
Baiersbronn. Oberreallehrer: Speer.
Balingen. Oberreallehrer: Imendörffer. Reallehrer: Bader.
Bleti^^heim* Oberreallehrer: Dr. Haizmann. Reallehrer: Vogt.
Blaubeurcn. Oberreallehrer : Iv o c h e n d ö r f e r.
Übersicht der höheren Lehranstalten, Lehrer etc. in Württb. ] Hl
Boplliii^eii. Oberreallehrer:
Bochan« Oberreallehrer: H aus er. 1 Hilfslehrer.
Buttenhansen* Bernheimersche Realschule. Oberreallehrer :
Rabe.
Creslliiseii. Oberreallehrer: Schnitzler.
Domhan. Oberreallehrer: Rinck.
Dornstetten. Oberreallehrer : Schwenk.
DürrmenB-llEfililacker. Oberreallehrer: Dr. Reif f. Reallehrer:
Knöller. 1 Hilfslehrer.
Ehini^eii. Oberreallehrer: Schad. Reallehrer: Mttller.
Ellw^ani^eii. Vorstand : D r e h e r , Rektor des Gymnasiums. Ober-
reallehrer: Schweitzer, Professor. Reallehrer: Eisenhardt.
Zeichenlehrer: Huberich, Professor.
Enini^eii« Oberreallehrer: Rentter. Reallehrer: Seyerlen.
Fenerbaeh. Vorstand: Wilhelm, Professor, zugleich Vorstand
der Elementarschule. Oberreallehrer K a z. Reallehrer: Fischer.
Frledriehshafen. Oberreallehrer: Dr. Diez. Reallehrer: Frey.
Gaildorf« Oberreallehrer: Oberkampf.
Gicuiffeit. Oberreallehrer: -Dieterlen. Reallehrer: Heinle,
Heimslieiiii« Oberreallehrer: Schwarz.
Herrenberff. Oberreallehrer : R a 1 1.
Heiibaeh. Oberreallehrer: Wagner.
Horb. Oberreallehrer: Ehingen Reallehrer: Nothhelfer.
Isny. Oberreallehrer: Drescher. Reallehrer: Mundle.
KnlttUni^en. Oberreallehrer: MühlschlegeL
Kfinselsau. Vorstand: Oberreallehrer Dr. Seibold. Oberreal-
lehrer: Schmid. Reallehrer: F aus er.
Laiii^enaa. Oberreallehrer:
Lanpheim* Oberreallehrer: Schweizer.
lioonberit:. Oberreallehrer: Bück.
Ijentkirch. Oberreallehrer : Palm. Reallehrer : Schmolz.
Zeichenlehrer: Zorn.
liOreh. Oberreallehrer: Kneile. 1 Hilfslehrer.
Hanlbronn. Oberreallehrer: KnölL
Mensen. Oberreallehrer: Reiner, Fr.0.3b. 1 Hilfslehrer.
Hers^iitheiin. Oberreallehrer :Hildenbrand, Müller. 2 Hilfs-
lehrer. Zeichenlehrer: Villforth.
lletEinseii. Vorstand: Professor Maier, zugleich Vorstand der
Elementarschule. Oberreallehrer: Eberhardt. Reallehrer: Enk^
1 Hilfslehrer.
182 Obersicht der höheren Lehranstalten, Lehrer etc. in Wtirttb.
Mttckmfihl« Oberreallehrer : Braun. Reallehrer : Nagel
(K.71. Pr.E.K.2.).
Münsinseii. Oberreallehrer: Sander. Reallehrer: Kaom.
BTai^old. Oberreallehrer: Weinmann, zugleich gerichtlicher Dol-
metscher für die polnische Sprache. Reallehrer Bodamer.
Xeckursuliii. Oberreallehrer: Neff. 1 Hilfslehrer, gemein-
schaftlich mit der Lateinschule.
Jfereslieiiii. Oberreallehrer: Marschall, Professor.
Ifeuenbüri;. Oberreallehrer: Hahn. Reallehrer: Widmaier.
IfenlTeii. Oberreallehrer: Bruder.
Ifiederstetten. Oberreallehrer: Grüner.
Oberndorf. Oberreallehrer: Dehn. Reallehrer: König.
Rottenbnri;. Vorstand: Kremmler, Dompräbendar und Rektor
der Lateinschule. Oberreallehrer: Thuma. Reallehrer: Schik.
1 Hilfslehrer. Zeichenlehrer: Reitze.
S^anl^au« Oberreallehrer: Dr. Knapp. Reallehrer: Mannhart.
JS^chramberic« Oberreallehrer: Ostreiche r. Reallehrer:
Schmierer. 2 Hilfslehrer. Zeichenlehrer: Merz, Professor.
JStpaicbinc^en. Oberreallehrer: Strauß.
S^ulz. Oberreallehrer: Frieß.
Tettnanff. Oberreallehrer: Gnant, Professor.
Trossln^eii. Oberreallehrer : R e e s.
Uiiterc:rönins:eii. Oberreallehrer: Mauz.
Urach. Oberreallehrer: Weiß. Reallehrer: Widmann.
2 Hilfslehrer.
TaUünc^en a« d. £• Oberreallehrer: Nuß. 1 Hilfslehrer.
Watblinc^en. Oberreallehrer: Bau der. Reallehrer: Fichtel.
Waldsee. Oberreallehrer: Bok. 1 Hilfslehrer.
Wanden. Oberreallehrer: Bolter, Professor. 1 Hilfslehrer.
Weikersheim. Oberreallehrer: Burkhardt.
Well der Stadt. Oberreallehrer: Schmid. Reallehrer: Frick.
l¥elzheiin. Oberreallehrer: B teurer.
l¥lldbad. Oberreallehrer: Dr. Pfeffer. Reallehrer: Kirschmer.
Winnenden. Oberreallehrer: Kür n er.
£• Bürgerschule in Stuttgart.
(40 Klassen, worunter 7 provisorisch.)
Rektor: Hils^ zugleich Vorstand der kaufm. Fortbildungsschule^
Fr.0.3.a.
Obersicht der höheren Lehranstalten, Lehrer etc. in Württb. 183
Hauptlehrer: a) an Klasse YII und VIII: Hils, Rektor, Broß,
Stooß (K.71.), Traub, Professoren. Henzler, Groß,
Pfeifle, Glökier, Fahl, Oberreallehrer;
b) an Klasse Vnnd VI: Schäfer, Reallehrer; Wolpert, Real-
lehrer; Schumm, Reallehrer; Wein mar, Reallehrer; Dilger,
Reallelirer; Heß, Reallehrer; Bauer, Birkhold, Reallehrer;
Gösele, Reallehrer;
c) an Klasse III und IV : Hildenbrand, J.M.3., Lauxmann,
Clauß, Rumpel, Oberlehrer, Kr.O.M.; Stark, Reiff, Rehm,
Schlenker, Schneider, Schäfer, Illg;
d) an Klasse I und H: Frieß, Bachmann, Strecker,
Merz, Klett. 7 Hilfslehrer. 2 Vikare.
F. Elementarschulen,
welche für die humaniätischen und realiätischen Lehranstalten vorbereiten.
1. Cannstatt (6 Klassen).
Vorstand: Dr. Klett^ Rektor des Gymnasiums. Lehrer: Schlen-
ker, Oberlehrer; Gaub, Klotz, Reuß, Elementarlehrer.
2 Hilfslehrer.
ft» !E»sliiiffen (5 Klassen).
Vorstand: Mayer, Rektor des Gymnasiums. Lehrer: Klotz,
Schairer, Oberlehrer; Bauer, Kaller, Lay er, Elementarlehrer.
3« Fenerbaeh (3 KlasHcn).
Vorstand: Professor Wilhelm, Vorstand der Realschule. Lehrer:
Pflomm, Elementarlehrer, zugleich Turnlehrer an der Real-
schule. 1 Hilfslehrer.
4. Omtind (1 Klasse).
Vorstand: Dr. Klaus, Rektor des Realgymnasiums. Lehrer: Müller.
5. GUppins^en (4 Klassen).
Vorstand: Hirsch, Rektor der Oberrealachule. Lehrer: Wißmann,
Pfäffle, Oberlehrer. 2 Hilfslehrer.
6. Heidenheim (2 Klassen).
Lehrer: Löffler, Elementarlehrer. 1 Hilfslehrer.
7« Hellbronn (5 Klassen).
Vorstand: Dr. Dürr, Rektor des Gymnasiums. Lehrer: Wagner,
T 0 1 1, Oberlehrer ;El8er, Knödel, Ziegler, Elementarlehrer.
184 Übersicht der höheren Lehranstalten, Lehrer etc. in Württb.
8. Kirehheim (2 Klassen).
Vorstand: Schönig, Rektor der Realschule. Lehrer: Deuschle^
Elementarlehrer. 1 Hilfslehrer.
9. liUdwiffsbari; (4 Klassen).
Vorstand: Erbe, Rektor des Gymnasiums. Lehrer: Löbich^
Saut er, Oberlehrer ; R o h r , , Elementarlehrer.
10. Metsinc^en (1 Klasse).
Vorstand: Professor Mai er, Vorstand der Realschule. Lehrer:
H i e b e r , Elementarlehrer.
11. H &rtini:en (1 Klasse).
Vorstand: Dr. Kommerell, Rektor des Realprogymnasiums. Lehrer:
Klaiß, Oberlehrer.
12. ö]urinc:en (1 Klasse).
Vorstand: Dr. Barth, Rektor des Progymnasiums. Lehrer:
13. Reutlinc^en (3 Klassen).
Vorstand: Dr. Votteler, Rektor des Gymnasiums. Lehrer: Heß,
Oberlehrer; Schwarz, Elementarlehrer. 1 Hilfslehrer.
14. S^tntt^art (29 Klassen, worunter 6 provisorisch).
Vorstand: Huwald, Professor. Inspektoren: Heintzeler, Wagner,
Professoren. Lehrer: Wacker, Kr.O.M., J.M.3., Böhrihger,
Feucht, Weidler, Scheu, Gommel, Braun, Schick,
Oberlehrer; Walz, Reallehrer; Höschele, Seybold, Wolf,
Elementarlehrer; Schwegelbaur, Kibler, Sauter, Hansel-
mann, Schwarz, Sieder, Vollmer, Held, Luz, Boger,
Kehle, Eberbach, Elementarlehrer. 6 Hilfslehrer. 1 Vikar. —
1 Diener.
15. Tfibinffen (2 Klassen).
Vorstand : Dr. Knapp, Rektor des Gymnasiums. Lehrer : Thomas,
Oberlehrer. Do st er, Elementarlehrer.
16. Ulm (5 Klassen).
Vorstand: Dr. Hirzel, Rektor des Gymnasiums. Lehrer: Mühl-
häuser, Witte, Schuon, Vötsch, Oberlehrer; Enz, Elemen-
tarlehrer.
17« Uriieh (1 Klasse).
Lehrer: Armbruster, Oberlehrer.
Anhang. 185
G. Höhere Mädchenlehranstalten.
A. Das höhere Lehrerinnenseminar xn Stuttgart.
Rektor :Heintzeler^ Oberetadienrat, Rektor des Königin Katharina-
stifts. Haoptlehrer: Dr. Krimmel, Finckh, Dr. Bopp^
Professoren. Lehrerinnen und Erzieherinnen: Steinmayer,
K.O.M.I., Mayer. Hilfslehrer: Oonz, Professor (s. Königin
Katharinastift), Dr. med. Fetz er , Professor, Mangold, kath.
Stadtpfarrer. Turnlehrerin: Fetz er (s. Königin Katharina-
stift). 1 Diener (s. Königin Katharinastift).
B. Die höheren Mädohensohuleu.
a) Bie iffeitUehei hikerei IMcheiiehilei
(im Sinne des Art. 1 iles Gesetzen vom 30. Dezember 1877).
1. Cannataü«
Rektor: Conz, Fr.0.3a. J.M.2. (K.71.)
Hauptlehrer in den oberen Klassen : Conz, Rektor (s. o.); Endriß,
Professor; sonstige Hauptlehrer: Dr. Weisen böhler, Ober*
reallehrer; Rentschier, Nerz, Oberlehrer. 1 Hilfslehrer.
Lehrerinnen: Tafel, Mayer; Weißmann, Beyerle, Zeichen-
iehrerin: Kern; Tum- und Arbeitslehrerin: MUnch.
Sft. Basliiiffeii.
Rektor: Frey.
Haaptlehrer an den oberen Klassen: Frey, Rektor; sonstige
Hauptlehrer: Pfleiderer, Oberreallehrer, Reusch, Bäuch-
len, Riecke, Reallehrer, Böhringer, Hauptlehrer. Fach-
lehrer: Finckh, Stadtpfarrer. Zeichenlehrer: Kaiser.
Lehrerinnen: Pfaff, Späth. Arbeitslehrerinnen: Hang, Cloß.
3« OSppini^en.
Rektor: KazenwadeL
Hauptlehrer au den oberen Klassen: Kazenwadel, Rektor; son-
stige Hauptlehrer: Marchthaler, Lorenz, Rau, Eiseu-
braun, Bttrkle, Reallehrer; Heber, Oberlehrer. 2 Hilfs-
lehrer.
Lehrerinnen: Kioherer, Kelber. Arbeitslehrerin: Sc hm id.
4. Hau.
Rektor: Dr. Knieser.
HsuptUehrer an den oberen ELlasseu: Dr. Knieser, Rektor; son-
stige Hauptlehrer: Krookenberger, Oberreallehrer; Hees,
Bandtel, Oberlehrer; Gokenbaoh, Hauptlehrer.
KorreMpondcnzblatt 1906, Heft 4 u. 6.
186 Anhang.
Lehrerinnen: Schwarz^ Losch, Reinhardt. Arbeitslehrerin:
Ilager. 1 HilfBlehrerin.
5. Hellbronn.
Rektor: Desselberger, Fr.O.Sa. J.M.2. (K.7L)
Hauptlehrer an den oberen Klassen: Desselberger, Rektor;
Rath; Professor; sonstige Hanptlehrer: Barr, Professor^
Reichstatt, Dr. Kochendörfer, Isenberg, Oberreallehrer;
Herrmann, Reallebrer; Klenk, Deines, Oberlehrer; Sitzler,
Zeichenlehrer; Stärk, kath. Dekan.
Lehrerinnen: Durst, Prttckner, Deck, Hörner. Arbeits-
lehrerinnen: Braun, Schleehauf.
6. Kornthal.
Rektor: Decker, Fr.0.3a. J.M.2.
Hauptlehrer an den oberen Rlasseu: Decker, Rektor; sonstige
Hauptlehrer: Stahlecker, Oberreallehrer; Krauß, Oberlehrer.
Kr.O.M.
Lehrinnen: Schmid, Strölin, Rößler, Dold.
7. Ijiidwli^bnri;.
Rektor: Seeger.
Hauptlehrer an den oberen Klassen: Seeger, Rektor; sonstige
Hauptlehrer: Dr. Weller, Oberreallehrer, Bezler, Reallehrer;
Hohenstatt, Beitter, Oberlehrer.
Lehrerinnen : Förstner, Christiane, Forst ii er, Friederike,
Künkelin, Bechter. Zeichenlehrerin: Paret. Arbeits-
lehrerin: Btthler.
H. Bentlini^eia.
Rektor: Eßlinger.
Hauptlehrer an den oberen Klassen: Eßlinger, Rektor;
Dr. Haußer, Hohenacker, Hocker, Oberreallehrer; Kiefner,
Strohecker, Reallehrer; Weinhardt, Oberlehrer.
Lehrerinnen: Berini, Krais, Klein, Gaub; Arbeitslehrerin:
Hummel; Zeichenlehrerin: Keim.
9. 8tnttc:art.
a) Königin Katharinastift.
Rektor: Heintzeler, Oberstudienrat, zugleich Rektor des höheren
Lehrerinnenseminars, Kr.0.3. Fr.O.S.a. (P.R.A.0.4.)
Hauptlehrer an den oberen Klassen: Heintzeler, Oberstudien-
rat; Bräuhäuser, (K.71.), Dr. Dinkelacker, Roth, Ban-
de r e t F.( >.3.a., Professoren ; sonstijs:«» Hauptlehrer: Müller, Fr.0.3b.
Anhang. 187
J.M.2., Dr. Rumm, Dr. Mann, Oberreallelirer 5 Zier er,
Oberlehrer. Fachlehrer: Conz, Fr.O.Sa., Metzger, Fr.O.Sb.,
Professoren; Kimmerle, Sing- nnd Turnlehrer.
Lehrerinnen: Leclair, K.O.M.I., Wessinger, K.O.M.I., Ebner,
Mttller, Fleischmann, Holzer, Merkle, K.O.M.I., Bor-
nand, Heller, Vollmer. Faclilehrerin : Scheerer, Tanz-
lehrerin, K.O.M.I., Fetz er, Tumlehrerin, K.O.M.l. Arbeita-
lehrerinnen: Weegmann, K.O.M.l., Holzer, Brodbeok,
Würich.
b) Königin Olgastift.
Rektor: Dr. Kapff, Fr.O.Sa.
Hanptlehrer an den oberen Klassen: Dr. Kapff, Rektor; Werner,
Professor, ; sonstige Hauptlehrer: Mayer, Reallehrer,
V.K. J.M.2., Besson, Professor; Schmid, Oberlehrer. Fachlehrer:
Bühl, Gärtner, Dr. Fauser, Dr. Grotz, Seifriz.
Lehrerinnen: Schön, Agnes K.O.M.l., Kraiß, Schön, Amanda
Sailer, Fohmaun, Geck; Riecke, Arbeitslehrerin: Färber,
K.O.M.I., Scheerer, Tanzlehrerin (s.o); Steiner, Turnlehrerin.
10. Tfibinffen.
Vorstand: Nägele, Professor am Gymnasium, zugleich Fachlehrer.
Hauptlehrer: Dr. Lawton, Professor; Schwarz, Brösamlen,
Reallehrer; Schwarzenhölzer, Oberlehrer.
Lehrerinnen: Reinhardt, Berta, Tritschler, Desselberger,
Wolff, Zeichenlehrerin: Reinhardt; Turn- und Arbeitslehrerin:
Schneider.
11. Ulm.
Rektor: Dr. Magirus.
Hauptlehrer an den oberen Klassen: Dr. Magirus, Rektor; Berg,
Professor; sonstige Hauptlehrer: Dr. Frick, Oberreallehrer;
Schwarz, Dußler, Kraushaar, Oberlehrer; Streicher,
Walter, Hauptlehrer; Fachlehrer: Ma gg, kath. Dekan,
Rödelsheimer, israel. Lehrer.
Lehrerinnen: A. Krauß, Moser, Borel. Arbeitslehrerinnen:
M. Krauß, Mayer, Schreiber.
b) PrlvatsDitalten
(im Sinne des Art. 2 des obengenannten Gesetzes).
1. Biberach.
Vorstand: Maurer, Reallehrer.
Hanptlehrer: Maurer, Reallehrer. 1 Hilfslehrer.
Lehrerin: Baumann.
188 AnhariK.
Vorstand: Dr. Mal zach er, Professor am Gymnasittm daselbst^
zugleich Fachlehrer.
Lehrerinnen: Tafel, Rttck.
8« Fenerbaeh.
Vorstand: Oeiger, Keallehrer.
Hanptlehrer: Geiger.
Lehrerinnen : Zippe rleu, Vötter.
4. Gmfind.
Vorstand: Bttrklen, Professor am Realgymnasium daselbst, zu*
gleich Fachlehrer.
Hauptlehrer: Kiesel, Oberlehrer.
Lehrerinnen: Pfann, Sauber schwarz.
3. Baveiiflbiirff.
Vorstand : G a n z e n m U 1 1 e r.
Hauptlehrer: Ganzenmülier.
Lehrerinnen: Frisch, Schefbuch, Liesching, Reber.
Evaugelisclies Töchteriiistitut.
Vorstand: Dietrich, Rektor.
Hauptlehrer: Dietrich, Rektor; Müller, Oberrealleh^er; Götz,
Reallehrer; Felder, Liebeudürfer, Kammerer, Mezger,
Kram er, Oberlehrer. 1 Hilfslehrer.
Lehrerinnen: Kurtz, K.O.M.I., Blech, Brttgel, Ritter, Kober,
Letter, Dietrich. Arbeitslehrerinnen: Feyler, Strölin.
H. Die Turnlehrerbildungsanstalt in Stuttgart.
Vorstand und Hauptlehrer: Keßler, Professor, zugleich Haupt-
lehrer für das Turnen am Eberhard-Ludwigs-Gymnasium in Stutt-
gart. K.O.M.l. (LK.Bb.). Ärztlicher Hilfslehrer: Dr. med. Fetz er,
Professor. Kassier: v. Fischer-Weikersthal, Kanzleirat»
Hausmeister: Schädle, Fr.O.M. J.M.3.
Die techn. Inspekttonen sämtl. ein- u. zweiiil. Healsoiiulen. 189
Ordnung der teohnisohen Inspektionen
der ein- und zweiklassigen Latein- und Realschaleii Wflrttembergs
nr Georgü 1904/1907.
Ort
T ü c h n i 8 r h ü r Inspektor
Zahl
der
Klassen:
der Lehranstalt
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Name {
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Wohnort
Freudenstadt
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2
Horb
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Rektor
Tflbiniron
1
*) L =1^ Lateinschule, R = Realschule.
190 Die techn. Inspektionen sämtl. ein- u. zweikl. Realschulen.
Ort
der Lehranstalt
Name
Technischer Inspektor
Titel
Wohnort
-.8
«t o <*
Ingelfingen
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Kirchberg
Knittlingen
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Langenburg
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Leonberg .
Leonberg .
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Lorch . .
Marbach .
Markgrö niligen
Maulbronn
Mengen
Mengen .
Mergentheim
Möckmühl
Münsingen
Munder kingeu
Murrhardt
Nagold
Nagold
Neckarsulm
Neckarsulm
Neresheim
Neuenbürg
Neuenstadt
Neuffen
Niederstet ten
Obemdorf
Obemdorf
Pfullingen
Rosenfeld
Saulgau .
Saulgau .
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Schramberg
Schramberg
Spaicliingen
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Sulz . .
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Dr. Weisser
Dr. Grotz
Dr.Bretschneider
Dr. Landwehr
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Dr. Planck
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Schiele
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Strobel
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Sauter
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Dr. Eble
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Dr. Eble
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Rektor
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Rektor
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Ulm
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Stuttgart
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Ludwigsburg
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Reutlingen
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Alphabet. Nameuvci^zeichnis der technischen Inspektoren. 19]
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Professor
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2
Wildberg . . .
1 L
Dr. Egelhaaf
O.-Studienrat
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Winnenden . .
1, L
Dr. Klett
Rektor
Cannstatt
2
Winnenden . .
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Schumann
O.-Studienrat
Stuttgart
2
Alphabetisches Namenverzeichnis
der TechnisolieiL Inspektoren der ein- und zweiklassigen Lateln-
und Realsclinlen für Georgli 1904/1907.
Inspektor
i3 es
J -
98
Ort der Lehranstalt
Andler, Professor an der Oberrealschule in R
Ravensburg.
Bflfinger, Professor am Gymnasium in Reut- L
lingen.
Bhim, Professor an der Wilhelms-Realschule R
in Stuttgart.
Dr. Bretschneider, Professor an der Friedrich- R
Engens-Realschule Stuttgart.
Gramer, Professor am Gymnasium in Heil- L
brenn. i
^) L = Lateinschulen, R = Realschulen.
Waldsee, Wangen i. A.
Pfullingen, Urach.
Neuenbürg, Wildbad.
Herrenberg, Leonberg,
Nagold.
Weinsberg.
192 Alphabet. NiAuenvenBeiobuis der teohnischen luMpektoreo.
Inspektor
Ort der Lehranstalt
Diez, Kektor an der Oherrealschule in Hall. R
Dr. Drück, Professor am Eberhard-Ludwigs- L
Oymnasium in Stuttgart.
Dr. IMirr, Rektor am Gymnasium in Heil- L
brenn.
Dr. £ble, Oberstudienrat, Rektor am Gyni- I L
nasium in Rottweil.
Dr. Egelbaaf, Oberstudienrat, Rektor am Karls- L
gymnasium in Stuttgart.
Fach, Professor an der Oberrealschule in Hall. R
Geiselhart, Professor am Gymnasium in Ravens- L
bürg.
Dr. Grotz, Professor am Karlsgymnasiiiiii in L
Stuttgart
Gut^cher, Rektor an der Realschule in Ehingen. R
Haage, Rektor an der Oberrealschule in Eß- R
lingen.
Hang, Rektor an der Realschule in Freuden- R |
Stadt.
Dr. Herzog, Professor am Eberhard-Ludwigs- L
Gymnasium in Stuttgart.
Dr. Hirzel) Rektor am Gymnasium in Ulm. L
Höchstetter, Rektor au der Oberrealschule in i R
Reutlingen.
Jäger, Oberstudienrat, Rektor au der Wil- R
helms-Realschule in Stuttgart
Dr. John, Rektor am Gymnasium in Hall. L
Dr. Junker, Professor am Karlsgymnasium in R
Stuttgart
Kley, Professor am Gymnasium in Ludwigsburg. L
Dr. Klett, Rektor am Gymnasium in Cann- L
statt
Dr. Knapp, Rektor am Gymnasium in Tübingen. L
Dr. Knapp, Professor am Gymnasium in Ulm. L
Dr. Kottmann, Professor am Gymnasium in L
Rottweil.
Erimmol, Rektor an der Realschule in Tübingen, i R
I
I
Dr. Landwehr, Professor am Gymnasium in , L
Ravensburg. '
Lechlcr, Professor am Gymnasium in Heil- j L
brenn.
Dr. Ludwig, Professor am Karlsgymnusium L
in Stuttgart.
Maiter, Hcktor an der Realschule in Heidenheini. K
Mergentheim, Niederstet-
ten, Weikersheim.
Bietigheim, Vaihingen.
Bönnigheim, Brackenheim,
Güelingen.
Oberndorf, Scbramberg,
Spaichingen,Tuttlingen.
Nagold, Wildberg.
Creglingen.
Waldsee, Wringen.
Leonberg.
Balingen.
Lorch , Welzheiin.
Alpirsbach , Baiersbronn,
Domstetten.
Murrhardt, Großbottwar.
Blaubeuren,Giengen,Laap-
heim.
Eni n gen, Nenifen.
Gaildorf, Münsingen, Unter-
gröningen, Urach.
Gaildorf, Ingelfingen,
Kirehberg,Langenburg.
Buttenhausen.
Neckarsulm, Neuenstadt.
Markgröningen, Waib-
lingen, Wmn enden.
Rosenfeld, Sulz.
Buchau, Wiesensteig.
Horb.
i.
Dornhan, Horb, Schräm-
berg, Sulz.
Lcutkirch, Tettnang.
Beilstein, Beaigheim, Lauf-
fen.
Herrenberg.
Boptingen, Giengen, Neres-
heim.
Ortsregigter der höheren LehrsinaUlteii.
193
luBpektor
Ort der Lehranstalt
Mayer, Kektor an der Oberrealschule in Cann-
statt.
Mayer, Rektor am Gymnasium in Eßlingeu.
R
L
NenfTer, Rektor an der Oherrealschule in Ulm. \l '
Dr. Planck, Professor am Karlsgymnasium in
Stuttgart.
Bettiuger, Rektor an der Oberrealanstalt in
Ravensburg.
Rief. Professor am Gymnasium in Ehingen.
Bommel, Rektor au der Realschule in Aalen.
Santer, Professor am Realgymnasium in Ulm.
Dr. Schermaun, Rektor am Gymnasium in
Ravensburg.
Schiele, Professor an der Friedrich- Kugcns-
Realschnle in Stuttgart.
Schmidt, Rektor an der Realschule in Rott-
weil.
Schomann, Oberstudienrat, Rektor an der
Friedrich-Eagens-Realschule in Stuttgart.
Strobel, Professor an der Friedrich-Eugens-
Realschule in Stuttgart.
Votteler, Rektor am Gymnasium in Reut-
lingen.
Dr. Weisser, Professor an der Oberrealschule
in Ulm.
I
R
L
R
R
L I
I
Ri
I
R
R
L
R
R
Bictigheim , Dfirrmenz-
Mühlacker, Vaihingen,
Backnang, Großbottwar,
Murrhardt.
Blaubeuren, Ehingen, Isny,
Leutkirch.
Hohenheim, Marbach.
Friedrichshafen, Tettnang.
Mengen, Munderkingen,
8cheer.
Heubach.
Langenau, Mengen, Saul-
gau.
Friedrichshafen, Saulgau.
Ueiüifllieim, Knittlingen,
Maulbronn, Weil der Stadt.
Obcrndoif, Spaicliingen,
Trossingeu.
Waiblingen, Win neu den.
Mörkmilhl, Neckarsulm.
Balingen, Ehingen.
Altshausen, Buchau, Laup-
lieim.
Ortsregister der höheren Lehranstalten.
Aaleu
Bictigheim
Crailsheim
Eßlingeu
Großbottwai
Alpirsbach
Blaubeuren
1 Creglingen
Fe u erb ach
Güglingen
Altensteig
Böblingen
' Donihnn
Freudenstadt
Hall
Altshausen
Bönnigheim
' Dornstetten
Friedrichs-
Heidenheim
Backnan^^
Bopfinjren
Dürrmenz-
hafen
Heil brenn
Baierahronn
Brackenheim
Mahlacker
Gaildorf
Heimsbeim
Balingen
Buchau
Ehingen
Geislingen
Herrenber«?
Beilstein
Buttenhausen.
Ehingen
Giengen
Heubach
Besigheini
Calw
1 Ellwangen
Gmünd
Hohenliüini
Biberacli
Cann.rttatt
Eningeii
Göppingen
Hori»
194 Amtliche Bekanntmachungen. — Literarischer Bericht.
Ifigelüngen
Marbach
1 Neuflfen
Scliorndorf
Vaihingen
Isny
Markgröningeii
, Niodevsti'.ttcn
Scliraniberg
j Waiblingen
Kirchberg
Maulbronn
Xürtinpiu
Schwonningen
Waldsee
Kirchheim u.T.j Mengen
(iberndorf
Sindelfingen
! Wangen
Knittlingen
Morgen th ei ni
' Öhringen
Spaichingen
Weikersheim
Komtal
Metzingen
, Pt'uUingen
Stuttgart
Weil der Stadt
Künzclsau
Möckmühl
Ravensburjr
Siilz
Weuisberg
Langenau
MüuHJngen
Reutlingen
Tettuaug
Welzheim
Langenburg
Munderkingen
Riedlingen
Trossingen
Wiesensteig
Lanffen
Murrhardt
1 Rosenfeld
Tübingen
Wildbad
Laupheim
Nagold
! Rottenburg
Tuttlingen
Wihlberg
Leonberg
NeckarBulm
[ Rottweil
Ulm
Wiimonden
Leutkircli
Ncresheim
Saniprau
l'nter-
1
Lorch
N(Micnbürg
Schon*
gröningen
Ludwigsburg
Neuenstadt
, Srhöntal
rrncli
Amtliche Bekanntmaohungen.
Anläßlich der diesjährigen Schillerfeier wird das im Verlag*
von B. G. Teubner in Leipzig erschienene Schiller-Portrait
von Karl Bauer (farbige Originallithographie, Preis ungerahmt
8 Mk.) zur Anschaffung fttr Schuiräume empfohlen.
Stuttgart; den 6. April 1905.
K. Ministerialabteilung ftlr die höheren Schulen.
Abieiter.
.'»
Am 14. und 15. Juni 1905 wird der Deutsche Kongreß
für Schnlgesundheitspflege in Stuttgart abgehalten werden.
Hierauf werden die Vorsteher und Lehrer sämtlicher Schulen hier-
mit aufmerksam gemacht.
Stuttgart, den 25. April 1905.
K. Ministerialabteilung für die höheren Schulen.
A b 1 e i t e r.
Literarischer Bericht
Uomers Odyssee und Ilias im Auszug« In neuer Übersetzung
von Direktor Dr. Hubatsch. Bielefeld und Leipzig, Ver-
lag von Velhagen und Klasing, 1904.
Auf je 80 Seiten Kleiuoktav eine Auswahl aus Odyssee und Ilias
(warum nicht für eine (''bcrsetzung die umgekehrte Reihenfolge?) wird
Literarischer Bericht. I95
manchem zu wenig erscheinen, so auch dem Referenten, zumal für die
Utas, wo man z. B. Buch IX ungern vermißt. Aber auch abgesehen
▼on solchen einzelnen Partien, wird man sagen dürfen, daß, wer wirk-
lich Homer kennen lernen will, sich schon entschließen muß, zum
ganzen zu gi*eifen. Vielleicht soll dazu die Auswahl Lust macheu.
Sie ist insofern dazu uicht ungeeignet, als die Übersetzung im Vers-
maß des Originals sich angenehm liest.
Cannstatt. Th. Klett.
F. H. M. BlaydeS; Spieilegium Sophocleuiii, commentariuin
Perpetuum in Septem Sophoclis fabulas continens. 529 S.
HaliB Sax. In orph. libr. 1903.
Der bekannte Herausgeber griechischer Tragödien und Komödien
stellt hier zusammen, was er sicli seit dem Erscheinen seiner Sophokles-
ausgaben „ad poctae sermonem illustrandum et meutern explicandam*'
notiert hat. Ich habe nicht das ganze Werk durchgearbeitet, sondern
nur Stichproben gemacht. Weitaus der ji^rößte Teil der sehr knapp
gehaltenen Bemerkungen bezieht sich auf den Sprachgebrauch des
Dichters im Vergleich mit sonstigen griechischen Schriftstellern: so
werden z. B. zu dem Gebrauch des bloßen Genetivs beim Passiv
Philokt. 3 nanpd^ xpa^sig die entsprechenden Stellen aus Sophokles,
Aschylus, Euripides, Herodot und Honn^r beigebracht. Manchmal wird
die lateinische oder englische Übersetzung eines Ausdrucks gegeben.
Unter den Parallelstellen zu Öd. Col. 1224 V ff. fehlen Gert. Hom. et
Hes. 74 f. und Menander bei Plut. Cons. ad Ap. 34. Dagegen gehört
Antigone 721 nicht hicrlier. Auch Äsch. fr. 395 hat einen etwas ab-
weichenden Sinn, indem das Nichtgeborensein hier nur einem unglück-
liehen Leben, nicht dem Leben überhaupt, vorgezogen wird wie im
Peirithous des Euripides (oder vielmehr Kritias) fr. 596. Auch das
herangezogene fr. 449 des ouripideischen Kresphontes (es sollte nicht
mehr nach der ersten Auflage der Fragmente von Nauck zitiert werden
,452"!) gibt wie Her. V. 4 eine andere Nuance des Gedankens. Wurde
Her. Vni. 138 angeführt, »(» hätte auch Xeu. An. I. 2,13 nicht fehlen
dürfen. Bei der Beziehung von Antig. 909 f. zu Herodot IIL 119
erklärt sich Blavdes für die Priorität der letzteren Stelle. Die Stärke
des Buchs liegt, wie gesagt, in der Sammlung des sprachlichen Materials
und damit leistet es ohne Frage gute Dienste.
Schöntal. W. Nestle.
Liederbuch von K. H. S. Pf äff. Strasburg. 1.50 Mk. Heitz,
und Mandel. 1898.
Das ansprechende Büchlein enthält (redichte eines für Kaiser und
Reich und für deutsche Vorzeit begeisterten Sängers, der, aus württem-
bergiechem Schuldien.-^t hervorgegangen, seine Kraft lange Jahre dem
196
Ankündigungen.
reichsländischen Schuidienst gewidmet Iiat und nun in wohlverdienter
Ruhe wieder in der alten Heimat lebt. Wir linden in der Sammlung
teils Gelegenheitsgedichte filr patriotische Gedenktage und Festfeiem,
so zum Geburtstag von Kaiser Wilhelm I. und IL, Rismarck, Moltke,
zur 26jährigen Jubelfeier der Raiserverkttndigung in Versailles, zu einer
Denkmalseinweihung für Kaiser Friedrioh, auch eine lieihe kleinerer lyri-
scher Gelegenheitsgedichte; teils hat dem Verfasser die Begeisterung
für deutsche Vorzeit die Feder geführt. Diese Gedichte in edler Sprache
mit prächtigen, echt epischen Bildern geschmückt, haben bleibenden
Wert; so der düstere Sang von Gelimer, das ergreifende, groß ange-
legte Lied von Tejas. Wie dieses die Versündigung des byzantinischen
Kaisertums am Germanentum, so brandmarkt das umfangreiche Gedicht
Fehrbellin die Sünden Habsburgs gegen den Großen Kurürsten und
gegen deutsches Volkstum in kräftigen Zügen. Die Liedersammlung
dürfte sich besonders zur Anschaffung für Schülerbibliotheken eignen.
Ulm. Kies er.
■WWT^i-
Ankündigungen.
3n bet S^ttbexf^tn '^exta^s^anbtunq au ^reiBurg im ^ret^gau
ftnb in neuer 9(uf[age etf^ienen unb fönnen bnrd^ aQe '-Buc^^anblunf^en
bqogen toetben:
Anleitung |um Xinearfcttfencn,
mit ht\onhtttt ^ettttffi^ttgnng bt§ geioerlilt^iett unb ter^nifdien ^tUf^ntn^,
al0 Xs^rmüftl fät Xtfpxt unti Schüler
an ben verfd^iebenen gcmerbncQen unb teij^nifci^cu Se^ranflalten, fon^ie ^um
ee(bfl)lubium.
:üon ^^Tofcffor tt* 9slaliar»
loeilanb jtonrettor ber ilantonift^uU unb Sorftanb ber ^ortbi(bung8f<^ulc in St. OciUen.
3c^n |>efte. Oucr.8".
(Srjled {)eft: $a^ geometriff^e Sinearsett^ntn« mt 143 ^tcjurcn auf
20 lithographierten 3€i<l)iiun««tofeln. (Scc^ftci^erbcffeTteSluftage.
(VIII u. 64.) @eb. in £einn}. Jk 2.20.
Vierte 9 ^eft: Sie fnUt' ttnb fatal\tipti\:i^ttmt. Wit 225 %'mxcn
auf 82 lithographierten 3etd^nunAdtafeln unb 26 ^ol^fc^nitten. dritte,
oerbcffcrte ^Jluflage. (VIII u. 164.) ®c6. in Scinro. «Ä 4.80.
©le übrigen ^cfte entl^altcn: 2. 5Dic (^(emcnte ber barfleffenbcn
©eomettie. 3. S)ie »eitere 2(u«fü^rung ber redUiuintUgen ^rcjcftioniart.
5. T^ie 2cl^rc von ber 93eleud)tung unb ©cbottierung. 6. 5)ie @&ulenorbnunaen
unb bo« ©ic^tigjie über ©aueiitmürfe k. 7. ©ie iüic^tigften ©teinfonftruf^
tionen. 8. ©ie »Utigflen ^otjfonftruftioncn. 9. ^'ie mic^tigfien (Jifen*
fonflruFticnen. 10. Tit »ic^tigilen üÜ^afcbinenelementc.
3ebe^ .fteft bi(bet ein für {ic^ befle^enbed ©anged unb »irb einzeln abgegeben.
®efanitprei« ber jel^n ^eftc geb. Ji 47.70.
An kündigungen.
197
Wertvolle geologtech-petrographlsche Handbücher,
In der Herdersctaen Yerlagshandlnng zu Freibarg im Breisgau
sind erschienen und können durch alle Huchbandlungen bezogen werden :
Dr. £nist Weinschenk,
a. o. Profestor der Petrograpbie an der UniTertitftt München:
Gnmdzfige der Gestelnslnindee zwei Teile, gr. 8^
Früher ist erschienen : Soeben wurde ausgegeben :
I. Allgemeine Gesteinskande als II. Spezielle Gesteinskimde mit
Grundlage der Geologie. Mit
47 Textfiguren und 3 Tafeln.
(VIII u. 166.) 4 e«; geb. in
Leinwand 4.60 «A
besonderer Berücksichtigung
der geologischen Verhältnisse.
Mit 133 Textfigureu und 8 Ta-
feln. (VIII u. 332.) 9 ^Ä ; geb.
in Leinw. 9.70 cMl
„Ein Lehrbuch der petrograpliisclien Geologie wie das vorliegende
hat in den letzten Jahrzehuten vollständig gefehlt, und man wird dem
Verfasser fttr den vorliegenden Beginn eines solchen dankbar sein.
Die Diktion des Buches ist knapp und klar gehalten ; es werden mit
ausreichenden Literaturangaben alle in neuester Zeit von neuem an-
geschnittenen Fragen in anregender Weise behandelt. . . . £s bietet
das Buch für jeden Anregung und Belehrung in Fülle. . . ."
(Petermanns Mitteilungen, Gotha 1904, Heft 5.)
Von demselben Verfasser sind erschienen:
Die gesteinsMIdenden MineraUen. ?^!arr^und
18 Tabellen, gr. 8'. (Vlil u. 146.) Geb. in Leinwand 5.60 Ut.
Die Tabellen apart 1.60 «4t [7
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m11ri*AGkniia *''»* ^^ Textfignren. gr. Q\ (VI u. 124.)
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Tm ^xcunhtn unb ©Aülern bcd unt>erge^It(!^en Setters gemtbmet.
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württemb. Schwarzwaldvereins.
Erste Serie:
I. Baden 'Baden-Herrenalb. III. Frcudensladl-Oppenau.
II. Pforzheim-Wildbad-Catw. IV. Wildberg-Hoib-DomBtetten.
V. Alpitsbach-Schramberg-Hausach.
Jedus niM i.iifyc/..s;^„ in 'n„clR-iir>irmiit M. 1.50. imaufaezOEen M. 1.—.
Ankündigungen.
199
In der Uerderschen YerlAgshaiiillaiig za Freibarg im ßreisgaii ist
soeben erschienen und kann durch alle Buchhandlungen bezogen werden:
Das Studium der Zoologie
mit besonderer Rücksicht auf das Zeichneu der Tier formen.
Ein Handbuch zur Vorbereitung auf die Lehrbefähiping für den
naturgeschichtliohen Unterricht an höheren Lehranstalten. [3
Von Dr. Hermann Landois,
Professor der Zoologie an der Uniyereft&t Mflneter i. W.
Mit 685 Abbild. Lex.8^ (XX u. 802). 15 Mk.; geb. in Lein w. 16.40 Mk.
Ober Zweckuiid Bestimmung des Buches sagt der Verfasser
im Vorwort; „Mit vorliegendem Buche beabsichtigen wir nicht, Zoologen
von Fach auszubilden, sondern es soll die Studierenden der Zoologie
auf den Lehrberuf an höheren Schulen vorbereiten, ihnen ein Repeti-
torium zum Examen sein und den Lebrci*n bei der Ausübung des Lehr-
amtes als Manuale zur Unterlage des Vortrages dienen. . . l 'nser Buch
soll kein Lehrbuch der Zoologie sein, welches „Zoologen von Fach" all-
seitig genügt. Derartige Lehrbücher hat die deutsche Literatur in hin-
reichender Anzahl und vortrefflichster Art aufzuweisen, sondern es
bezweckt, wissenschaftlich wie praktisch geschulte Lehrer der Zoologie
für Gymnasien heran- und fortbilden zu helfen. Um das vorliegende Buch
aber auch gleichzeitig der Forst- und Landwirtschaft dienlich zu gestal-
ten, wurde den forst- und landwirtschaftlich wichtigen Tieren besondere
Berücksichtigung gewidmet. Auch den Ärzten dürfte das Buch genügen."
Zcthm t)l in ber ^txhttf^tn ^txta^5panhtun% ju ^rei0itrg tw
9Std5§att erfc^ienen unb fann burd) ade ^^^uc^^aitblunc^en Br^o^en merben:
^trduc^er naö^ i^rem Idaubc, ncbft 45lütcn« unb ^tncfpemXabetlen. v^cd^flc,
oerbcffcvte 2luftaflc. ÜRit 124 iöilbcrii. 12«. (VIII u. 138.) (^eb.
in fieinnjanb mit 'I)ecfcn|)rcffung 1.40 ofk 5]
gvüber finb in bcr fllcid^en tjerncbnicn 'i(u«ftiittunc^ (12*) erfcblencn:
3irn»eii9»4feiit für S^afbffiaiietgftttgrr, im ^^lifc^lii^ an „Unfeve
SSäume unb <Sträuc^er" b«rauögcacbcn. »^roeite, oerbcffevteSluflac^c.
3Rit 254 Silbern. (VIU n. 196.) (iJcb. 2 Jk.
9nfete ^rftirgsdrumen. %[& (^rgan^unc^ ;(um „ ^^^ ; u ui e n b ü c^ [ e i n
für ©olbfpajierc^änqer" ^crau^qcgeben. OJiit t>i€len '^itbcrn. 12^
(VIII u. 200.) @€b. 3 .€
9nfete ^etxeibtatUn unh ^f(b6fitinfn. ^etltmtuunc; unb '^t-
fc^tcibung unferer ©ctreibcpffonjen, axiäi bcr ipid) tieferen Jutterqeroäcbfe,
j^elbs unb SÖicfcnblumcn. ^ weite, öerme^tte kuflav^. 3Jiit 200
.^olifAnitten. (VIII u. 204.) ®eb. in lieber-- ^Nmitation 2 J.
i^nfitt SSeerengfw&cftff. ^•^cfiiinmunq unb ^^efc^reibiiiui ber ein^
^cimifc^en beeren fräuter unb ©ecvcnböl^cv. Wlit 72 .r-^oljfcbnittcn. (A5cb.
in 8eber«3mitation 1.30 ofk.
$5iefe po^juKHrcn '-Rücfticiu [inb ihmi ber l'vcffe irec^cn ber fiKip^^f"/ aber
Haren rarficnun*^ unb ive^^cn bcr reicben unb oorjüc^licbcn '^Uuftvatiou
jebeni lUaturfreunb bcftcn^ cnivfol>lcu u^orben.
200 » Ankündigungen.
Verlag Toa Hermann Gegentus in Halle.
Vierzig^ Jahre.
Vor 40 Jahren erschien zuerst und gehOrt seitdem wohl zu den
bekanntesten und weitverbreitetsten fremdsprachigen Lehrbüchern:
Lehrbuch der Englischen Sprache
von [18
Dr. F. W. Gesenius.
Teil I: Elementarbaoli der enarliBehen Spraehe nebst Lese- und
Uebnngsstücken. 26. Auflage. 1903. Preis gebunden 2.40 Mk.
Teil II: Grammatik der engligehen Sprache nebst Uebungsstücken»
17. Auflage. 1908. Preis gebunden a20 Mk.
Als besonders hervorzuhebende Vorzüge dieses Buches sind in
allen darüber erschienenen Rezensionen anerkannt worden:
1. Weise Beschränkung und zwecku):is8ige Anordnung des Stoffes.
Kürze und Präzision in der Fassung der grammatischen Regeln,
vortreffliche Beispiele zur Erläuterung derselben, bequeme Tabellen
für die Rektion der Verben, Adjektive und Präpositionen.
2. Die Reichhaltigkeit und Mannigfaltigkeit der Uebungsbeispiele^
sowie die Auswahl der Lesestücke, welche Interesse erwecken
und zu Sprechübungen und Reproduktionen, sowie zu Exerzitien
trefflich verwendet werden können.
Neubearbeitungen des ,,Lehrbuche8 der englischen Sprache"
nach den neuen Lehrplänen:
ftMtBiluf.W.y RngÜBohe Spraohlehro. (}|italni-Bfgll,Eaglisobe Spraohlthre.
Aatgftbe A. VOUig xi«u bearbeitet ron AuBgabeB. YOUig neu bearbtit«! tob
Prof. Dr. Ernst Befrei, Oberlehrar an Prof. Dr. Ernst Begel, Obarlahrer
dan Franckeeohan Stlftangan. an dar Obarrealtchale dar Franokaeohen
I. Teil. Sohalgrammatik nebtt Stiftungen.
Laie- und UebungtstflokeD. 8. Auflage
1908. Gebunden 8.50 Mk. Unterstufe. Dritte, nach dan Bestim-
n. Teil. Leea- und Uebungibnch mungan ron 1001 Tarindarta Auflage in
nebet kurier Synonymik. Mit einem Plan neuer Reehtaohcaibong. Mit einer Kart»
Ton London und Umgebung. 1606. der britiiehan Inseln und einer ouglleehen
Gebunden 8.16 Mk. Mttnstafel. 1004. Preis geb. 1.80 Mk.
ttMtnioif.W.y Englische Spraohlehrn.
Völlig neu bearbeitet ron Prof. Dr. Oberstufe für Knabansohuleak
Brust Begell Oberl. an dan Franoka* S weite, nach den Bestimmungau Ton 1001
sehen Stiftungen. Ausgabe fttr hOh. veränderte Auflage in neuer Bechtschrei-
Mftdchensohulen. 6. Auflege. 1004. bung. Mit einem Plane tou London und
Gebunden 8.60 Mk. Umgebung. 1008. Preis gab. 8.40 Mk.
ftMialuf.V.f Rurige fassteengli sehe '
Spraohlehre. Völlig neu bearbeitet ' Oberstufe fUr Mftdeheneohulen.
Tun Prof. Dr. Ernst Begel, Oberl. I Zweite, naoh den Bestimmungen von
an den Pranckesohen Stiftungen. 8. Aufl. 1 lOOl Terinderte Auflage in neuer Beoht-
1001. In Sohulband gebunden 3.80 Mk. | Schreibung. 1008. Preis geb. 8.40 Mk.
In yiei*zig Jahren wurden vom Lehrbucli nebst seinen Neubear-
beitungen 547 000 Exemplare abgesetzt, also
ireit über eine halbe Million.
Insfllhrllche Verlags Terzeleholsse kostenlos.
Prüfling für Präzeptors- und Reallehrersstellen 1904
Pildagogik.
1. Pestalozzis Bedeutung für die Lehrkunst.
2. Wie verhalten sich die Forderungen, die Herbart an den
Unterricht stellt : Weckung vielseitigen Interesses und Bildung eines
sittlichen Charakters, zueinander?
Religion.
1. Welches sind und wo liegen die hauptsächlichsten Ebenen
des heiligen Landes?
2. Die Geschichte vom reichen Jüngling samt der von Christus
daran geknüpften Lehre soll wieder erzählt und ihre religiös-sitt-
liche Bedeutung entwickelt werden.
3. In welchem Zusammenhang steht und wie erklärt sich der
Sprucii Christi: „Ihr sollt nicht wähnen, daß ich kommen sei,
Frieden zu senden auf Erden. Ich bin nicht kommen, Frieden zu
senden, sondern das Schwert"?
Deutscher Aufsatz.
Welche Gefahren bringt die Kultur einem Volke?
Deutsche Grammatik.
1. Einteilung, Bildung und Deklination der Zahlwörter.
2. Gegen welche Regeln verstoßen folgende Sätze und wie
sind sie zu berichtigen.
:i) Du wirst die Brücke sein, über welche die Spanier ins Land
setzen und sie abbrechen werden, wenn sie darüber sind.
b) Reise-Damen und -Hen*en können durch Vertrieb eines
erstklassigen Artikels an nur feine Leute täglich bereits
zehn Mark verdienen.
c) Alle Versuche, in der Sache eine Einigung herbeizuführen,
liaben nichts bezweckt.
d) Kleines Kindergeschrei störte allnächtlich die dringende
Ruhe des zahlreichen Familienvaters.
e) Ein besserer Mechanikus sucht sich als Maschinenmeister
zu verändern.
f) In scharfem Trab in eine Querstraße einbiegend, wurde
ein alter Greis überfahren.
KorrotpoDdeaiblatt 1906, Heft 6.
202 Prüfung für Präzeptors- und Reallehrersstellen 1904.
g) Diese Nacht entstand in einer am Leonhardsplatz sich
befindlichen Wirtschaft Streit und ist ein Beteiligter mit
einer scharfen Stichwunde iu das Ki*ankenhau3 überführt
worden.
3. Folgendes Satzganze soll nach Satzarten, Satzgliedern und
Wortarten zerlegt und in einem Satzbilde dargestellt werden.
Obschon Cäsar wohl wnßte, daß, wenn Pompejus gesiegt hätte,
dieser weder ihn noch seine Anhänger geschont haben würde, so
war er doch nach errungenem Siege zu milden Sinnes, um denen,
die gegen ihn gekämpft, etwas zuleide zu tun.
Lateinische Komposition.
Kurze Zeit, nachdem man den Camilius in die Verbannung
gestossen hatte, dessen Anwesenheit nach Livius Ansicht eine Er-
oberung der Stadt unmöglich gemacht hätte, wurden die Römer
durch die Unbesonnenheit ihrer Gesandten, welche das Völkerrecht
verletzten, in einen Krieg mit den Galliern verwickelt. Als diese
die Ausliefeiomg der Gesandten verlangten, wäre der Senat bereit
gewesen, sich diesem offenbar billigen Verlangen zu fügen; aber
bei der Masse überwog das Mitleiden mit den Landsleuten die Ge-
rechtigkeit, die man gegen die Fremden hätte beachten sollen.
Ob der Senat es für billig halte, hieß es, so tapfere, um das Wohl
ihres Vaterlandes verdiente Männer dem Feinde zu grausamer
Bestrafung auszuliefern ? Ob man gegen Barbaren das Völkerrecht
beachten müsse? Was man denn von jenen zu fürchten habe?
Sie sollten nur kommen, dann werden sie sehen, welcher Unter-
schied sei zwischen einem Römer und einem Barbaren.
Und gerade als hätte sie Gott verblendet, schickten die Römer,
statt sich mit aller Macht gegen den Feind zu rüsten, dessen Stärke
sie zwar nicht aus Erfahrung, aber doch vom Hörensagen kannten,
ungenügende Streitkräfte unter unerfahrenen Führern, eine Sorg-
losigkeit, die sich bitter rächen sollte, als es zum Sclilagen kam.
Lateinische Exposition.
Hannibal Sagunto capto Caii;haginem Novam in hibema con-
cesserat. ibique auditis, quae Romae quaeque Carthagine acta
decretaque essent, seque non ducem solum sed etiam causam esse
belli, partitis venditisque reliquiis praedae nihil ultra differendum
ratus Hispani generis milites convocat. „Credo ego vos," inquit,
..Hocii, et ipsos cernere, pacatis Omnibus Hispnniae populis aut tinien-
Prüfung für Präzeptors- und lleallehrerastellen 1904. 203
dam nobis militiam exercitusque dimittendos esse ant in alias
terras transferendum bellum; ita enim bae gentes uon pacis solum
sed etiam victoriae bonis florebunt, si ex aliis gentibus praedam et
gloriam quaeremus. Itaque cum longinqua a domo instet militia
incertarnque sit^ quando domos vestras et quae cuique ibi cara sunt
yisuri sitis, si quis vestrum suos invisere vult, commeatum (Urlaub)
do. Primo vere edico adsitis, ut diis bene iuvantibus bellum ingentis
gloriae praedaeque futurum incipiamus." Omnibus fere visendi
domos oblata ultro potestas grata erat; et iam desiderantibus suos
tt longins in futurum providentibus desiderium. Per totum tempus
hiemis quies inter labores aut iam exhaustos aut mox exhauriendoft
renovavit oorpora animosque ad omnia de integre paticnda. Vere
primo ad edictuni couvenere«
Französische Komposition.
Die Entdeckung neuer Goldfelder (aurifere) hat für die Ein-
bildungskraft immer etwas Anziehendes. Sobald man Gold in
irgendeiner Gegend gefunden hat, eilen Abenteurer aller Nationen
dorthin. Sie glauben dort ihr GiUek zu machen^ und in der Hoff-
nung auf Erfolg trotzen sie Gefahren jeder Art. Seit beinahe
10 Jahren hat man sie nach den Öden Ufern des Yukonflusses (le
Yukon) strömen sehen. Sie haben sich weder durch das rauhe
Klima noch durch die vielen Entbehrungen entmutigen lassen. Und
kaum ist das Gerücht umgegangen (courir), daß in Sttdaustralien
Gold entdeckt worden sei, als eine Menge Fremder^ die von den
Vereinigten Staaten, von Kanada, von Japan, von Großbritannien
und von Deutschland kamen (Part, pres), dort gelandet sind. Diese
erinnerten sich daran, daß vor 50 Jahren Tausende sich nach dem
australischen Boden in Bewegung gesetzt hatten (== sich bewegt
— gegen), von dessen mineralischen Reichtümern man sicii un-
glaubliche Dinge erzählte. In der Tat scheinen die neuen Felder
sich nicht zu erschöpfen. Je tiefer man gräbt, desto schöner wird
das Gold, das man dort sammelt (Oompos^ von cueillir). Vermittelst
vervollkommneter Werkzeuge gelingt es, tiefer als (= unterhalb von)
400 Fuß hinabzukommen. Die Minen, durch deren Erträge die
Einkünfte Australiens ungeheuer wachsen, sind nicht weniger als
700 Meilen von Adelaide (weg). So verführerisch auch die Berichte
darüber sind, so wird man doch gut daran tun, genauere Er-
kundigungen einzuziehen, ehe man leichtfertig nach jenem fernen
Lande abreist.
20-4 Prüfung für Präzeptors- und lleallehrerüstcllen 1904.
Französisches Diktat.
Le lia et le liseron (= Winde).
Un magniiique lis, dans sa blanche parure,
Proroenant ses regards sur la fraiche verdure,
Aper9ut a ses pieds nn pauvre liseron
ilui de sa douce voix lui demandait pardon.
,,Pardon! De quoi, mon eher? Parle-moi sans contrainte.
Bannis de ton esprit la frayeur et la crainte;
Je ne suis pas mechant, pourquoi donc avoir peur?
Kaconte-moi ta peine et dis-moi ta sonffrance;
.le voudrais dans ton coeur faire entrer Pespörancel
— Comme vous etes hon, dit la petite fieur:
Que cela fait de bien de trouver un bon cwur!
Voyez. je suis ici dans un endroit si sombre!
J'adore le soleil et suis toujours dans Pombre;
Je grelotte de froid et pleure tous les jours:
Ayez pitie de moi, veuez & mon secours!
— Tu manques de soleil, c'est la ce qui t^afflige?
Enroule tes anneaux tout autcmr de ma tige;
Tu ne tarderas pas a trouver uu rayou
Qui te rechauffera, eher petit liseron.'*
Aussitot fait que dit; notre petite plante
Grimpe tout doucement et la voila contente;
A Paide d*un ami (Dieu m^en donne un pareil)
Elle ('tale ses fleurs aux ravons du soleil.
(Magnat.)
Französische Exposition.
Le saniedi entin, la disette cessa. Comme on <Uait moinsfiiom-
breux et que des vivres arrivaient de toutes parts, on passafd'un
coup de Textreme denuement a Pabondance la plus large. On eut
ä volonte du pain, de la viande, du vin meme, on mangea du
lever au coucher du soleil, a en mourir. La nuit tomba, qu'on
mangeait encore, et Pon mangea jusqu^au lendemain matiu. Beau-
conp eu creverent.
Enfin, pour la derniere fois, on venait d'entendre les sonneries
si gaies des clairons fran^ais; et Ton marchait maintenant, en route
pour PAllemagne^ parmi le troupeau des prisonniers, que prece-
daient et suivaient des pelotons de soldats prussiens^ taiidis que
Prüfung für Präzeptors- und lleallehrersstelleu 1904. 205
<l'autre8 les surveillaient; A gauche et A droite, la baionnette au
fusil. On n'entendait plus, A chaque poste, que les trompettes alle-
mandes, aux notes aigres et tristes.
C^etait un autre supplice, ce convoi pitovable de prisouniers,
des soldats sans armes, les mains ballantes (HclileukerDd), menea
comme des moutons, dans un pietüiement hatif et peureux. Vetus
de loques, souilids d'avoir ete abandonnc^s dans ieur ordure^ amaigris
par un jeüne d'une grande semaine, ils ne ressemblaient plus qu*A
des vagabonds, des rodeurs louches, que des gendarmes auraient
ramasses par les routes. (Zola^ La DebAcle.)
Englische Kompositition.
Bonn, eine der ältesten Städte am Rheiu/ist schon zur (über-
setze: „so frühe wie'') Zeit der Römer gegründet worden und darf
sich einer Geschichte rühmen, wie sie nur wenige Städte auf-
weisen (to record) können. Erstmals wird die Bonner Gegend
von den römischen Geschichtschreibern erwähnt, die die Feldzüge
des Drusus und Germanikus gegen unsere Vorfahren beschrieben
haben. Gegenüber der Mündung des Siegflusses bauten die Römer
ein befestigtes Lager, und nach kurzer Zeit entwickelte sich letzteres
za einer Stadtanlage (borough). Außerhalb des castrum bon-
nense aber, in den fruchtbaren Gefilden, waren mit Fresken
•fresco) geschmückte und mit allem Luxus jener Zeit ausgestattete
römische Villen zu sehen.
Die Stadt Bonn hat eine hervorragende Rolle bei der Gründung
des ersten Deutschen Reiches insofern gespielt, als hier, auf einem
Schiffe mitten auf dem Rhein, im Jahre 921 die Grenzen Frank-
reichs und Deutschlands von Kaiser Heinrich dem Ersten und König
Karl von Frankreich festgelegt wurden. Die Glanzperiode aber in
der Geschichte Bonns begann mit der Regierung der Kurfürsten
von Cöln, und unter diesen tat vor allem Kurfürst Clemens
August (hervorzuheben!) viel, um die Stadt zu verschönern. Nach
der Regierung der Kurfürsten kam die traurige Zeit der franzö-
sischen Herrschaft, bis zuletzt die Stadt 1815 in den Besitz Preußens
überging und sich seitdem stets des besonderen Wohlwollens des
HohenzoUernhauses erfreut. Die 1818 gegründete Friedrich-Wilhelms-
rniversität hat die Ehre gehabt, den verstorbenen Kaiser Friedrich,
den Kaiser Wilhelm den Zweiten und den jetzigen Kronprinzen,
«owie viele andere deutsche Fürsten unter ihren Studenten zu zählen.
206 Prüfung für Präzeptora- und Reallehrersstellen 1904.
Englisches Diktat.
For the history of the Honse of Lancaster and York we are
fortanate in possessing an unrivalled interpreter in our great dra-
matic poet Shakespeare. A regulär seqnence of historical plays
exhibits to us nearly the whole chain of leading events of this
period. Followiug the guidance of such a master mind^ we realize
for ourselves the men and actions of the period in a way we
cannot do in any other epoch. And this is the more important,
as the age itself^ especially towards the close, is one of the most
obscure in English history. During the period of the Wars of the
Roses we have, comparatively speaking, very few contemporary
narratives of what took place, and anything like a general history
the times was not written tili a much later date. But the doings
of that stormy age, — the glitter of chivalry and the horrors of
civil war — all left a deep Impression upon the mind of the nation,
which was kept alive by vivid traditions of the past at the time
that our great dramatist wrote. Hence notwithstanding the mea-
greness of ancient chronicles, we have singnlarly little difficulties
in understanding the spirit and character of the times.
(J. Gairdner, The Houses of Lancaster and York.)
Englische Exposition.
The characteristic beauty of England, the beauty in which
she has no rival is the beauty of her scenery. The land combines
the highest cnltivation with sylyan greenness ; it is a land of lovely
homes. The eastem counties are flat and tarne. But elsewhere
the country is rolling, and from every rising ground the eye ranges
over a landscape of extraordinary iinish. The finish, which is
the product of immense wealth laid out on a smali area, is perhaps
more striking than anything eise to the stranger who comes from
a raw land of promise >). Trees being left in the hedge rows as
well as in the pleasure grounds and in the copses (Unterholz),
which serve as Covers for game, the general appearance is that
of a Y^oodland, though every rood of land is under the highest
(tillage = culture). Gray church towers, hamlets, mansions, homes-
teads, cottages, showing themselves everywhere, fill the landscape
with human interest. The sweetest season is spring, when the
May is in bloom, and the air is füll of its fragrance, when the
*) Tlie author lives in Cauatla.
Prüfung für Präzeptors- und ReallehrerssteHeu 1904. 207
meadows are füll of primroseS; the banks of violets. Then you
feel tlie joyous spirit that breathes through certain idyllic passages
of Shakespeare. (Goldwin Smith, A trip to England.)
Algebra.
1. Berechne ohne zunächst eine Wurzel auszuziehen das fol-
gende Quadrat _
( V5T2'v^" - Vö - 2 Viv y.
2. Berechne x aus folgender Gleichung:
1 1^ _ 4 ^1 1 _ a^ + b»
ax a* — ab ax — bx bx a* -j- ab a^b — ab'.
3. Aus der Zahl 14 und einer vierzifferigen Zahl bilde ich da-
durch zwei sechszifferige Zahlen, daß ich die Zahl 14 das erstemal
links vor, das zweitemal rechts hinter die yierziiferige Zahl stelle.
Wie heißt diese vierzifferige Zahl, wenn von den beiden erhaltenen
sechszifferigen Zahlen die zweite gerade doppelt so groß ist als
die erste?
Geometrie.
1. In den größeren von zwei konzentrischen Kreisen eine Sehne zu
legen, welche durch den kleinen Kreis in drei gleiche Stücke geteilt wird.
2. Gegeben: Gerade L, Punkt P auf L und beliebig noch
Punkt P'. Um P' einen Kreis zu zeichnen, der L in X und Y so
schneidet, daß das Rechteck aus PX und PY einem gegebenen
Quadrate gleich werde.
3. Über den Seiten eines gleichseitigen Dreiecks als Sehnen
sind Kreisbögen beschrieben, welche je 60 Bogengrade messen
und innerhalb des gleichseitigen Dreiecks liegen. Wie groß ist der
Flächeninhalt der von den 3 Kreisbögen umschlossenen Figur,
wenn die Seite des gleichseitigen Dreiecks gleich a ist?
Bei Nr. 1 und 2 verlangt: Konstruktion, Beweis und Deter-
mination.
Arithmetik.
1. Genau zu berechnen:
17.^-8j-:l,l
17 ] : 0,575 — 22,928571^ • • •
i. + --^ .
2g -3,2:4 2 + ^ = ^3!
11^2'^ +8,5
208 Prüfung für Präzeptors- und Reallelirersstellen 1904.
2. Wieviel Hektoliter kommen einem württembergischeu Scheifel .
gleich, wenn 9 württembergische = 29 preußische Schefi'el sind?
1 preußischer Scheftel füllte den Hohlraum eines Quaders von 1^/^^
preußischem Fuß Länge, IV« preußischem Fuß Breite und 1 preus-
sischem Fuß Höhe aus, und 51 preußische Fuß sind = 16 Meter.
(Auf 3 Dezimalen mit Kettensatz zu rechnen.)
B. Eine Uhr, die stündlich um 10 Sekunden nachgeht, wird
am Montag 9 Uhr 15 Minuten vormittags richtig gestellt. Wieviel
Uhr ist es, wenn die Uhr Montag Mittemacht zeigt und um wieviel
wird man ihre Zeiger am Dienstag mittags um 12 Uhr (richtige
Zeit) ändern müssen, damit die Uhr wieder richtig zeigt? Die
gesuchten Zeitangaben sind auf Minuten und Sekunden zu berechnen.)
4. Ein 5400 Liter haltender Behälter wird durch B Röhren
bei gleichzeitiger Öffnung in 24 Minuten gefüllt. Die erste Röhre
allein würde zur Füllung des Behälters BO Minuten länger brauchen
als die dritte allein und durch die dritte Röhre laufen in der
Minute 45 Liter weniger hinzu als durch die erste und zweite zu-
sammen. Wie lange würde jede Röhre allein zur Füllung des
leeren Behälters brauchen?
5. Die Staatsschuld eines Landes vermehrte sich während eines
Kriegs um V* ihres vorherigen Betrags. In den 20 darauffolgenden
Friedensjahren wurden nun 500 Millionen der Schuld getilgt und
am Ende dieser Zeit wurde außerdem der Zinsfuß von ^^I^^U auf
4'V(^ herabgesetzt, so daß nunmehr der jährliche Zinsbetrag der
Schuld wieder dieselbe Höhe wie vor dem Kriege erreicht hatte.
Wie groß war die Schuld vor dem Kriege?
6. Ein Kaufmann bestellte in Hamburg 1840 kg Kaffee, das
Kilogramm zu 1.60 Mk. Bei der Ankunft der Sendung ergab sich,
daß er von der bestellten Sorte nur 1425 kg erhalten hatte und daß
der Rest aus einer geringeren Sorte bestand, für die er 20 *Vo weniger
bezahlte. Er verkaufte den besseren Kaffee mit 12V2"/o und^den
geringeren mit halbsoviel Prozent Gewinn. Wieviel Prozent gewann
er am ganzen Geschäft?
7. Ein Kapital von 4800 Mk. wächst mit seinen einfachen
Zinsen in einer Anzahl von Jahren auf 6972 Mk. an, indem es V^
der ganzen Zeit zu BVa^/^^, V* der ganzen Zeit zu 3^4% und den
Rest derselben zu 4 ^|^^ verzinst wurde. Wie lange stand das Kapital
auf Zinsen?
8. Ich habe zwei Rechnungen über erhaltene Waren zu be-
zahlen. Die erste lautet auf 680 Mk., die zweite auf 560 Mk. Da
Prüfung fiir Präzeptors- und Reallelirersstellen 1904. 209
mir nun bei der Barzahlung der ersten IVi'^/o mehr Skonto als
bei der zweiten Rechnung gewährt wurden, so kann ich die ganze
Schuld mit 1163.30 Mk. bar tilgen. Wieviel Prozent Skonto erhielt
ich auf jede Rechnung?
(Verlangt bei allen Aufgaben eine reinarithmetische. Über-
sichtlich geordnete Lösung.)
Geschichte.
1. Die zweite spartanische Hegemonie (403 — 371) und ihr Sturz.
2. Die Unterwerfung des hellenischen Ostens durch die Römer
(200—133).
3. Der große Kurfürst von Brandenburg im Kampf gegen
Ludwig XrV.
4. Die schleswig-holsteinische Frage seit 1848 und ihre end-
gültige Lösung.
Nr. 1 und 2 stehen zur Wahl des Kandidaten, 3 und 4 sind
beide zu beantworten.
Geographie.
1. Der Vollmond und die mit ihm zusammenhängende Ver-
finsterungserscheinung soll erklärt werden mit Angabe der Größe
der Periode und des noch vom Vollmond abhängigen StUckes unserer
Zeitrechnung.
2. Die Gliederung der NordseekUste von der Sclieldemünduug
bis zur jütländlschen Grenze anzugeben mit Aufzählung der ein-
mündenden Flüsse, der vorgelagerten Inseln und der wichtigsten
Seeplätze.
3. In welchem Größenverhältnis steht Bayern zum Deutschen
Reich nach Land- und Einwohnerz^ahl? Welches sind die wichtigsten
bayrischen Verkehrslinien und welches die Hauptgegenstände der
Ein- und Ausfuhr?
Naturgeschichte.
1. Bewegungserscheinungen im Pflanzenreiche.
2. Die Gefäßkryptogamen, ihre Einteilung und wichtigsten ein-
heimi«chen Vertreter.
3. Das Darmsystem der Tiere mit besonderer Berücksichtigung
der einzelnen Klassen der Wirbeltiere.
4. Die Weichtiere, ihre Einteilung und das Wesentliche über
^en Bau der einzelnen Klassen.
210 Scholl,
Beiträge zum Unterricht in der deutschen Sprache.
Von Uealleluer Scholl in Schwenningen.
Der Unterricht in Sprachen überhaupt hat in den letzten Jahr-
zehnten eine starke Wendung in der Richtung auf die praktische
Brauchbarkeit der Sprachkenntnisse gemacht. Dabei sind die neueren
Sprachen bahnbrechend gewesen und die neue Methode ist bis zu
der Forderung eines reinen Konversationsunterrichts vorangeschritten.
Was hier zuviel oder zuwenig geschehen ist; das zu untersuchen
ist nicht der Zweck dieser Zeilen. Wie kräftige Wogen aber die
Bewegung schon geschlagen hat^ geht daraus hervor, daß sie bis
in das Gebiet der alten Sprachen ihre Wirkung geltend gemacht
hat; so daß mau geradezu den Vorschlag hören könnte, auch die
alten Sprachen durch Unterhaltung in dem betreffenden Idiom neu
zu beleben und den Schüler dadurch zurückzuversetzen in das ur-
eigene Leben der alten Völker (cf. Balley, Lea langues dassiques
sont-elles des langues mortes? Bäle et Geneve 1899). Wenn das
siuch nüchternen Schulmännern zuweit gegangen schien, so konnte
der Unterricht in den alten Sprachen sich dem Drange des Modernen
doch insofern nicht entziehen, als er den Satz anstatt der reinen
Form zum Ausgangspunkt zu machen vorzog (vgl. die Lehrbücher
von Herzog und Fick für Latein).
Alle diese Wandlungen sind jedoch am Unterricht in der eigenen
Sprache bis jetzt spurlos vorübergegangen. Der deutsche Grammatik-
unterricht beginnt nach wie vor mit der Lautlehre, durchackert die
Formenlehre und versucht auf diesem zerrissenen Grunde eine
Satzlehre aufzubauen. Es ist höchste Zeit, den eigenen Leib nicht
länger der neuschaffenden Kraft des Fortschritts zu entziehen,
wiewohl ja leicht begriffen wird, daß Experimente lieber an andern
zuerst gemacht werden. Die Zeit des unsicheren Experiments ist
zwar für die neueren Sprachen noch immer nicht ganz vorbei; aber
eine Erfahrung ist sicher dabei reif geworden: der Satz ist das
kleinste lebendige Ganze der Sprache, von ihm muß
daher jede Sprachlehre ausgehen.
Diese Forderung soll nun noch eingehender begründet werdea
insbesondere in bezug auf den deutsch-grammatikalischen Unterricht.
Wenn die Sprache ein lebendiger Organismus ist, so müssen
die Gesetze der Biologie auch in ihrem Bereich gelten und
für den Unterricht maßgebend sein. Wie die Aufgabe und Be-
deutung eines Naturobjekts nur dann ganz verstanden werden kann.
Beiträge zum Unterricht in der deutschen Sprach^. 211
wenn seine Eigenschaften und Funktionen aus seiner Umgebung
heraus erklärt werden^ wenn also das Einzelne^ sowohl das Organ
als das Individuum, die Fühlung mit dem Ganzen auch während
der Beschreibung nicht verliert, so kann auch das sprachliche Ob-
jekt, das Wort und seine Form, nur innerhalb seines organischen
(ranzen, des Satzes, richtig erfaßt und nach seinem biologischen
Werte gewtlrdigt werden. Das wird auf der Unterstufe für das
Kind unbewußt nur durch entsprechende Stoffanordnung, auf der
mittleren und oberen Stufe aber immer mehr absichtlich und
schließlich mit bewußtem Hinweis erreicht werden, so daß der
•Schaler als Resultat des Sprachunterrichts eine anschauliche Vor-
stellung von dem lebendigen Zusammenhang der Sprachteile ge-
winnt, wie eine solche sich ihm von der unter dem Gesetz der
Anpassung zweckmäßig gestalteten Zusammengehörigkeit der Organe
eines Individuums und der Individuen einer Lebensgemeinschaft im
Verlauf eines modernen naturwissenschaftlichen Unterrichts auf-
drängt.
Es folgt also: Formenlehre und Satzlehre dürfen
nicht mehr nacheinander, sondern müssen mit- und
ineinander behandelt werden.
Ein zweites außerordentlich wichtiges Gesetz der Biologie ist
das der Entwicklung. Es ist eine wesentliche Aufgabe des Unter-
richts, alles Geschehen, von dem er den Schülern berichtet, auch
einzugliedern in den entwicklungsgeschichtlichen Zu-
sammenhang, der das ungeheure Reich alles Lebendigen auf
eine gemeinsame, richtunggebende Formel bnngt. Das ist die
Aufgabe der Etymologie. Zwar weist der Lehrplanentwurf der
Klasse V diese Aufgabe zu und führt die Klasse VII ins Mittel-
hochdeutsche ein. Jedoch darf wohl mit Recht bezweifelt werden,
ob damit jener Forderung auch Genüge geleistet wird. Man kann
vielmehr ohne die Reife des Schülers zu überschreiten, schon auf
der Unterstufe mit etymologischen Betrachtungen beginnen, ja man
muß es im Interesse des Rechtschreib- und Leseunterrichts. Einer
der Mittelpunkte dieser Bestrebungen ist Karlsruhe. Rektor Treutlein
am dortigen Reformgymnasium beginnt im Sexta mit solchen Übungen,
Bildererklämng, Herleitung von Ortsnamen u. ä. Er spricht sich
eingehend darüber ans in der Programmbeilage vom Jahre 1901.
Größere Werke über diesen Gegenstand sind erschienen von Wilke,
Waag, die Bedeutungsentwicklung unseres Wortschatzes (Lahr i. B.
1901) Wortkunde, (Leipzig, 1899).
212 .Scholl,
FUr die Hand der Schüler existiert jedoch noch kein brauch«
hares Büchlein; auch ist der Versuch einer Verteilung auf die
einzelnen Klassen meines Wissens noch nicht in ^Ößerem Umfang
als in der ohen erwähnten Programmbeilage gemacht worden.
Es wäre daher zu fordern: Der eigentliche Gramm atik-
unterricht; der voih Bau der gesprochenen und ge-
schriebenen Sprache handelt, erfährt eine wesent-
liche Ergänzung durch den Unterricht in Etymologie,
der von der entwicklnngsgeschichtlichen Entstehung
der Sprachteile, von ihrem allmähHchen Werden
redet. Während jener volle 2 Stunden beanspruchen muß, könnte
dieser sich unten mit V2 Stunde begnügen und würde nach oben
hin allmählich an Umfang zunehmen und in Anlehnung an den
Vorschlag des Lehrplanentwurfs in Klasse V seinen Schwerpunkt
haben.
Nach dieser notwendigen Abschweifung kehre ich zurück, um
die Vorausnahme des Satzes noch weiter zu begründen. Der Unter-
richt in der fremden Sprache sollte die Einführung in die eigene,
das Verständnis der fremden das der eigenen Sprache voraussetzen.
Jener kann das aber nicht, wenn diese einen ganz anderen Weg zu
befolgen hat, auf dem sie den Satz erst erreicht, wenn jene längst
sein Verständnis erwartet. In richtiger Erkenntnis dessen verlangt
der Lehrplan für die Elementarschulen und die Vorklassen etc.:
,Jm dritten Schuljahr hat der deutschsprachliche Unterricht zugleich
die Aufgabe, die Erlernung der Fremdsprachen vorzubereiten."
Diese Aufgabe kann nur erfüllt werden, wenn jede im fremdsprach-
lichen Unterricht auftretende Form dem Schüler schon aus dem
eigensprachlichen Unterricht bekannt ist, also nur wieder in Er-
innerung gerufen zu werden braucht. Diese Forderung ist seither
ganz besonders in bezug auf den Satz nicht erfüllt. Man mußte
vielmehr erst während der ttbertragnng aus der einen Sprache in
die andere das „Konstruieren" einüben. Dadurch geht für den
fremdsprachlichen Unterricht viel Zeit und Kraft verloren und die
grammatische Schulung erreicht ihr Ziel: ,. Einblick in den Bau und
die Eigenart der Muttersprache" nur unvollständig, schon
deshalb, weil der Satzbau jeder Sprache charakteristische Ver-
schiedenheiten aufweist und der einer fremden Sprache also nicht
geeignet sein kann, die Eigenart gerade der Muttersprache dem
Verständnis des Schülers nahe zu bringen.
Hierher gehört auch noch, was der Lehrplanentwurf für die
Beiträge zum Unterricht in der deutschen Sprache. 213
Oberrealschnleu 8. 10 Bagt : „Im Auge ist zu behalten, daß an den
Realschulen dem Unterricht in der französischen Sprache auch die
Aufgabe zufällt, dem Schüler eine angemessene sprachlich-logische
Bildung zu verschaffen und ihm das Verständnis für den Bau eines
sprachlichen Organismus zu eröffnen/^ Hiermit ist also auf ein
formales und biojogisches Ziel hingewiesen, und es ist un-
zweifelhaft richtig, daß der fremdsprachliche Unterricht zur Er-
reichung dieses doppelten Zieles ein sehr wichtiges und bedeutendes
Stück beiträgt, daß er insbesondere auf die schon vorhandene
sprachlic^he Bildung klärend, ergänzend und ver-
tiefend einwirkt und durch die absichtliche oder unabsicht-
liche Gegenüberstellung und Vergleichung zweier Idiome „das Ver-
ständnis für den Bau eines sprachlichen Organismus*' noch besser
eröffnet, als ein einziger Sprachtypus das vermag. Dies kann
jedoch keineswegs so zu verstehen sein, daß der deutschsprachliche
Uuterric'ht nun eine solche Aufgabe nicht hätte, daß dieser also
nicht vollwertig eingeschätzt würde. Es wäre nicht einzusehen,
warum gerade die deutsche Sprache eine derartige Forderung nicht
oder nicht in erster Linie erfüllen könnte, da sie an Schönheit des
Baues und bei pädagogisch richtigem Vorgehen auch an Klarheit
der Organisierung und schließlich an Reichtum der Formen anderen
Sprachen sicher nicht nachsteht.
Vielmehr geht eine starke Bewegung durch unser Volk, die
gestützt auf den Wunsch des deutschen Kaisers das nationale
Element weit mehr als seither in den Vordergrund des gesamten
Unterrichts stellen will. Erst ganz neuerdings hat, nicht allzulange
nach der Vortragsreise von Arthur Schulz, auch Professor Korne-
mann in Tübingen vor einem dankbaren Publikum ein gewichtige»
Wort zur Sache der nationalen Erziehung gesprochen. Auch ist
durch die Vermehrung der Stundenzahl des Deutschen die Ver-
wirklichung dieses Ziels um einen bedeutenden Schritt näher gerückt.
Es wäre aber sehr zu begrüßen, wenn in der endgültigen Fest-
legung des Lehrplans für die Oberrealschulen das doppelte Ziel
der formalen und biologischen Aufgabe nicht bloß für den fremd-
sprachlichen, sondern ausdrücklich auch für den eigen-
sprachlichen Unterricht aufgestellt würde.
Damit wäre dann der Forderung Rechnung getragen: der
deutschsprachliche Unterricht in erster Linie hat
aof die logischen und organischen Zusammenhänge
des Sprachbaues hinzuweisen. Der französische und
\
\
f
I
214 Scholl,
englische (im Gymnasium griechische und lateinische)
Sprachunterricht iiat das gewonnene Resultat zu ver-
tiefen und zu ergänzen.
In bezug auf die Muttersprache muß nun weiterhin zugegeben
werden, was der Lehrplanentwurf 8. 6 nu^führt : r^^i* Unterricht
in der deutschen Sprachlehre hat ins Auge «u fassen, daß es sich
nicht um eine fremde, sondern den Schülern schon vertraute
Sprache handelt ... Die deutsche Sprachlehre soll daher soweit
möglich von den Schülern selber aus dem Kreise des ihnen Be-
kannten gewonnen werden^'. Der erste Satz dieser Bemerkungen
kann sich jedoch nur auf das allgemeine Sprachgefühl beziehen,
das der Schüler seiner Umgangssprache, die häufig stark mund-
artlich gefärbt ist, verdankt; das läßt auch der folgende Satz des
Lehrplanentwurfs deutlich erkennen. Die Schriftsprache ist viel-
mehr für den Schüler insofern neu, als sie einerseits eine ganze
Anzahl von Begriffen enthält, die seinem Wortvorrat noch nicht
angehören, und andererseits eine reichere Formen- und Satzlehre
besitzt als seine Sprechsprache. Bekanntlich werden der Genetiv
und das Imperfekt fast gar nicht mehr, eine ganze Reihe anderer
Formen mit stark reduzierten Endungen oder wie der Dativ Plurali.s
ganz ohne solche angewendet. Die Satzlehre der Schriftsprache
ist weitaus komplizierter als die der Mundart. Jedenfalls fehlt
selbst den Schülern, die ein verhältnismäßig reines Deutsch sprechen,
das Bewußtsein von der Art des Baus und der Formen. Und um
sie zu diesem Bewußtsein und die meisten von ihnen erst zu
richtiger Anwendung zu erziehen, darf nicht der für sie höchstens
dem Sinne nach, nie aber in bezug auf seinen organischen Zn-
sammenhang durchsichtige Satz des Hochdeutschen also des Lese-
buchs zugrunde gelegt werden. Das kann wohl die Methode der
oberen Klassen und des wissenschaftlichen Unterrichts nimmermehr
aber der in ,,den Bau und die Eigenart '' der Sprache erst ein-
führenden unteren und mittleren EJassen sein. Auch im Deutschen
also — in dem zum Teil noch neuen, im ganzen noch unbewußten
Schriftdeutsch nämlich — muß komponierend, aufbauend
vorgegangen werden. Wenn der Schüler von den einzelnen Satz-
gliedern eine klare, scharf abgegrenzte Vorstellung bekommen soll,
wenn er jederzeit imstande sein soll, sich über sie bewußtermaßen
eine so deutliche Rechenschaft abzulegen, daß ihre Kenntnis bei
den kompositorischen Übungen in einer Fremdsprache ein zuver-
lässiger Führer sein kann, so muß auch der deutsche Satz in der-
Beiträge zum Unterricht In der deutschen Sprache. 215
selben rein synthetischen Weise vor seinen Augen entstanden
und durch Übung seinem Gedft^^htnis eingeprägt sein, wie später
der fremde. Die Analyse eines Lesebuchsatzes kann hier das Bild
nur verwirren, das die theoretische Erklärung eines Satzglieds im
Schttler hervorgerufen hat. Dieses muß vielmehr solange rein und
einfach bleiben, bis durch die fortschreitende Synthese auch weitere
syntaktische Schwierigkeiten dem Schttler vertraut geworden sind.
Wenn also die oben zitierte Fordenmg des Lehrplans : der deutsch-
sprachliche Unterriciit hat die Erlernung der Fremdsprachen vor-
zubereiten — erfüllt werden soll, so muß verlangt werden:
Die Satzlehre geht rein synthetisch vor, gleich-
zeitig begleitet sie die Formenlehre in analytisch-
synthetischem Gange. In bezug auf die Elementar-
schulen ist völlig zu billigen, was der für sie geltende Lehrplan
S. 5 sagt: „Als Ziel ist vielmehr anzustreben, daß der Schüler
über die gegebenen Sprachformen Rechenschaft zu geben wisse
(analytisches Verfahren). ^^ Das Ziel ist also hier keine wissen-
schaftliche Synthese, wissenschaftlieh insofern sie auf die logischen
und organischen Zusammenhänge des (nach pädagogischen Rück-
sichten) vor den Schülern emporwachsenden Sprachbaus hinweist,
sondern eine bloß praktische Analyse, praktisch, weil sie nur auf
augenblicklich notwendige Zvrecke ihre Aufmerksamkeit richtet,
z. B. auf das Erkennen der Wortarten im Uechtschreibunterricht,
auf vorbereitende Übungen zum synthetischen Sprachunterricht —
insbesondere möglichste Sicherheit im Erfragen der Fälle am besten
mit Hilfe der Lektion einer Anzahl der bekanntesten Verba inner-
halb 3 — 4gliedriger Sätze. Auf alles, was praktisch noch nicht
verwendbar ist, sollte verzichtet werden, so auf die Formenlehre
des Fürworts (mit Ausnahme von Kom., Sing, und Flur, des persön-
lichen Fürworts) und auf die Konjugation des Zeitworts mit Aus-
nahme von Präsens und Imperfekt.
Ehe ich nun zur Zusammenstellung eines genaueren Lehrplans
schreite, möchte ich noch einen Punkt erledigen, der mir sehr
wichtig scheint und die Erklärung des Satzbaus betrifft.
Es ist mir unbekannt, seit wie lange und welcher Autorität
zuliebe in der Satzanalyse der Brauch eingeführt ist, gewisse Zeit-
wörter, nämlich diejenigen, von denen ein prädikativer Nominativ
abhängig ist, insbesondere aber das Zeitwort sein — selbst in
Fällen wo ein anderes Satzglied folgt (Gott ist im Himmel) — ihres
grammatischen Werts völlig: zu berauben und sie mit dem ganz
216 Scholl,
inhaltslosen Teiminus ,,Kopula oder Satzband" zu belegen. Dieses
wissenschaftlich durch nichts zu begrtlndende Vorgehen hat
sich in sämtliche Schnllehrbücher eingeschlichen und fast nnaus-
rottbar festgesetzt. Erst vor wenig Jahrzehnten sind Reform-
bestrebungen dagegen aufgetreten. Sie sind von Prof. Franz Kern
in Berlin ausgegangen, der seine Vorschläge mehrfach, insbesondere
aber in seiner 1885 (Berlin, Nicolai-Stricker) erschienenen Satzlehre
begründet und zusammengestellt hat. Diese Vorschläge sind von
Blatz in seine bekannten Grammatikwerken aufgenommen worden,
haben aber trotzdem in den elementaren Lehrbüchern mit Aus-
nahme derjenigen von Kahnmeyer und Schulze (Leipzig und Biele-
feld 1896) noch keinen Eingang gefunden. Die Reformen Kerns
sind nicht nur wissenschaftlich, sondern vor allem auch pädagogisch
außerordentlich wertvoll und beziehen sich auf mehrere Punkte,
von denen hier nur zwei ausführlicher besprochen werden sollen:
1. die Wiederherstellung des Prädikatswerts für sämtliche, auch
die in ihrer Bedeutung abgeschwächten Zeitwörter also Verzicht
auf die Bezeichnung Kopula. 2. Die Einteilung der Satzglieder
bezogen auf das Prädikat als Mittelpunkt in solche erster und
höherer Ordnung, unmittelbare und mittelbare. Bezüglich der wissen-
schaftlichen Begründung verweise ich auf Kern selbst; ich möchte
nur der pädagogischen Bedeutung der beiden Punkte noch einige
Worte widmen.
Man vergleiche folgende Sätze: die Sonne leuchtet; die Sonne
ist ein Himmelskörper; die Sonne ist am Himmel; die Sonne ist
oben ; die Sonne kreist am Himmel ; die Sonne steht oben. Subjekt
ist in allen die Sonne, das Prädikat in den vier ersten der Rest des
Satzes, in den zwei letzten das Verb. Warum? Und wie will man
das den Kindern einleuchtend begründen? Zu sagen, die Bedeu-
tung des Verbums sein — ein Hilfszeitwort ist es hier sicher nicht,
sondern ein selbständiges — sei abgeschwächt, geht vielleicht an in
dem Satze: die Sonne ist ein Himmelskörper, keineswegs aber im
folgenden: die Sonne ist am Himmel. Hier ist der Zustand des
Seins, der Existenz ebenso vollwertig ausgedrückt wie in dem
anderen die Tätigkeit des Kreisens. Das Satzglied ,,ist" wird als
Kopula bezeichnet, kreist und steht nicht!
Warum haben diese ein Recht Prädikat zu sein, jenes nicht?
Weiterhin der Satzteil „ein Himmelskörper '^ wird <ils Prädikats-
nomen bezeichnet, folgerichtig auch die Satzteile: am Himmel und
oben. Letzteres Wort ist kein Nomen, kann aber als Satzglied
Beiträge zum Unterricht in der deutschen Sprache. 217
ein »olches werden! Und das Satzglied ,,am Ilimmel^* einfach als
Nomen zu definieren oder zu sagen ein Präpositionalkasus ist ein
Nomen^ geht doch nicht wohl an. Ich frage, wo bleibt da die
gerade für den schwierigen abstrakten Unterricht in Sprachlehre so
notwendige Klarheit und Durchsichtigkeit? Und wie will
man denn nach der seitherigen Methode die folgende Verwandlung
unterbringen: £r nennt ihn einen Schelm — er wird von ihm ein
Schelm genannt? Wie endlich soll der Schüler Sicherheit im Eon-
Htmieren und Übersetzen solcher Sätze bekommen, wenn ihm im
Deutschen schon nicht klar geworden ist, daß er hier ein besonderes
Satzglied das Prädikativ im Akkusativ und das Prädikativ im
Nominativ vor sich hat, ebenso wie „ein Himmelskörper^ Prädi-
kativ im Nominativ ist, abhängig vom Prädikat „ist", und daß
..am Himmel" stets Adverbiale des Orts ist, das einmal abhängig
von ,,ist", das anderemal von „kreist^^!
Kern (und Blatz) definiert: das Prädikat bezeichnet den
Verbalinhalt (Tätigkeit oder Zustand) und wird ohne Ausnahme
durch ein fiuites Verb ausgedrückt. Das Subjekt bestimmt die
Verbalperson, die an sich — das innere Subjekt — schon im
Verbum liegt, durch ein Substantiv oder Pronomen personale.
Alle übrigen „unmittelbar^^ vom Prädikat abhängigen Satzteile —
Objekte, Adverbialien, Prädikative, heißen primär oder erster Ord-
nung, deren Bestimmungen sekundär oder zweiter Ordnung u.s.w.
Das ist klar und ruft auch bei schwächeren Schülern noch
den Eindruck der Klarheit hervor. Das entspricht den Anforde-
rungen der Logik und den Gesetzen des organischen Auf baus. Die
Kemschen Reformen werden also gleichzeitig wichtigen pädagogi-
schen und wissenschaftlichen Rücksichten gerecht.
Wenn auch nach Einführung dieser Verbesserungen die Resul-
tate des grammatischen Unterrichts noch nicht befriedigen, so
liegt das an anderen Umständen. Der erste und wesentlichste der-
selben wird wohl noch für einige Zeit Ideal bleiben: die Verschie-
bung des gesamten abstrakt-sprachlichen Unterrichts um ein Jalu*
später der deutsche, also erst im 4. Schuljahr beginnend, der fremd-
sprachliche erst im 5., also in Klasse n. Die jeder konkreten
Anschauung fremden Beziehungen der Grammatik werden von 8 bis
9jährigen Schülern selbst im günstigsten Falle nicht so völlig klar
verstanden, daß ein zuverlässiger, dauernder Grund für den Weiterbau
vorhanden wäre. Dies wird besonders bei schwächeren Schülern
8s) lange der Fall sein, bis Unterrichtsstoff und Reife des Schülers
Korreepondenxblatt 1906, Heft 6.
218 Scholl,
zusammentreffen. Diese Verschiebung schließt nicht aus, daß der
fremdsprachliche Unterricht sc^hon im 4. Schuljahr, Klasse I, in-
duktiv vorbereitet wird durch Konversation, Exposition und Dictees
leichtester Form, während in Klasse II erst die Komposition beginnt,
fußend auf dem deutschgrammatikalischen Unterricht.
Im folgenden möchte ich nun den Versuch machen, eine an
die im vorstehenden entwickelten Grundsätze sich anschließende
Stoffverteilung vorzuschlagen, ohne vollständig sein zu wollen.
Elementarklasse I: die verschiedenen Laute und ihre Aus-
sprache (Stimmtlbungen, System Fenerlein u. a.); Unterscheidung der
drei Hauptwortarten : Hauptwort — vorerst auf die Frage: wer oder was V
Dingy Person; Zeitwort — was tut das Ding, die Person? Tätigkeit;
Eigenschaftswort — attributiv : was für ein ? prädikativ : wie? Merkmal,
Eigenschaft; Artikel, keine Frage, Geschlecht, Begleiter des Haupt^^orts.
Elementarklasse II. Stimmübungen; Veränderung der Haupt-
wortarten: Fall, Zahl, Geschlecht; Person, Zahl, Zeit. Fragen: Wer,
wessen, wem, wen ? was für ein, was für eines, was für einem, was für
einen? was tut, was tat? Bedeutung: Darbietung der Formen stets im
Satzzusammenhang. Vom Zeitwort nur Gegenwart und Vergangenheit,
Grundform und Mittelwort, vom persönlichen Fürwort nur soviel als
die Konjugation erfordert. Wortbildung durch Vor- und Nachsilben.
Diese Vorschläge sind möglichst im Rahmen derjenigen des
Lehrplanentwurfs gehalten. Da mir aber sehr viel daran gelegen
war, einem wichtigen pädagogischen Prinzip Rechnung zu tragen,
das die meisten grammatikalischen Lehrbücher zu einem großen
Teil vernachlässigen, nämlich dem Grundsatz, daß der Stoff der
geistigen Reife des Schülers angepaßt sein, also stets vom Leichten
zum Schweren fortschreiten soll, so waren einzelne Abweichungen
nicht zu vermeiden, beispielsweise die Verschiebung des Passivs
in Klasse I, die Verteilung des einfachen Satzes auf fast sämtliche
Klassen , der Formenlehre auf 4 Klassen. Andererseits mußten Stoffe,
die erfahrungsgemäß ziemlich schwierig sind, der Fremdsprache wegen
schon etwas früher, als vielleicht gut wäre, erledigt werden, so ins-
besondere der Konjunktiv, der jedoch in Klasse III bei Gelegenheit
der Nebensätze nochmals zu ausführlicher Darstellung gelangt. Auch
ist erwähnenswert, daß in Schulen ohne Vorklasse die vorliegenden
Vorschläge nur in ziemlich verkürzter Form ausgeführt werden
könnten, da außerdem die Lklasse solcher Schulen eben auch nur
5 Wochenstunden für Deutsch zur Verfügung hat, eine Zeit, die für
die ohnehin recht dürftig vorbereiteten Schüler sicher zu kärglich ist.
Beiträge zum Unterricht in der deutschen Sprache.
219
Aus: Satzlehre. I Formenlehre.
Yorklasse (III. Schul-
jahr) :
Subjekt und Prädikat ; | Substantiv im Nom.
Sinj?. und Plur. ; Pro-
Objekt im Akk.;
Objekt im Dat.;
Objekt im Gen.;
nomen personale
ebenso Verb um im
Infinitiv, Präsens,
Imperfekt, stark und
schwach.
Substantiv und Pron.
pers. im Akk. tran-
sitive und intransitive
Zeitw.
Subst. und Pron. im
Dativ.
Dasselbe im Genetiv.
Zusammenstellung der
Deklination des
Haupt- und Fürworts.
Adjektivisches Attri- ; Deklination und Kom-
bnt. paratiou der Ad-
jektive, Formenlehre
der Pronomina poss.
demonstr. indef. des
Numerale und des
Partizips.
Substantivisches Attri- 1
bot. I
Akk.-Objekt nach haben Die einfachen Zeiten
der Zeitw.sein, haben,
Wortbildungs-
lehre*).
Eingehende Uepetition
der Vor- und Nach-
silben ; Aufstellung
von Wortfamilien.
Erklärung leicht ver-
ständlicher Sprach-
bilder.
Ersetzen dialektischer
Ausdrücke durch
hochdeutsche.
Die bekanntesten Vor-
und Familiennamen.
werden.
Prädikativ im Nom. Dieselben alsHilfszeitw.
nach sein und werden. ' bei andern und bei
I sich selbst.
Die seither behandelten Zusammenstellung der
Teile des einfachen Formenlehre des
Satzes mit zusam- Aktivs.
mengesetzten Zeiten. ;
') Die Vorschläge sind
im Anschluss an
Treutlein und Wilke
gemacht und wollen
nur andeutungsweise
verstanden sein.
220
Scholl,
Aus: Sillzlehre.
Klasse I.
Adverbiale ohne Prä-
position.
Adverbiale mit Prä-
position.
Der einfache Satz im
Passiv.
Indirekte* Kedeweise
nncli ileu Verben des
Sa 1:008 und Denkens.
Verbind iinp^ von Haupt-
sätzen.
Klasse II.
Die übrigen Wortarten
als Subjekt.
lutiuitivobjekt.
F o rni e n 1 e h r e.
Das Adverb.
Die Präposition.
Das Passiv.
Konjunktiv und Kon-
ditionalis.
Beiordnende Konjunk-
tionen.
Substantivierung der
verschiedenen Wort-
arten.
Formenlehre der Prae-
tcrito-Praesentia.
Inf. mit zu als Präpo-
sitionalobjekt.
Inf. mit um — zu als
positives, mit ohne
— zu als negatives
Adverbiale des
Zwecks.
Das un))ersönliche und
doppelte Subjekt.
Der Nebensatz erster
Ordnung, soweit er
auf ein entsprechen-
des Satzglied zurück-
führbar ist.
Die unbestimmten und
unpersönlichen Für-
wörter.
Kepetition der Formen-
lehre des Fürworts.
Pronomen relat. Kon-
jnnkt. subord.
Wortbildung 8-
lehre.
Sprachbilder ;
seltene und gewählte
Ausdrücke ;
Vokal- und Konson-
nantenwechsel,
Klangwirkungen ;
geographische Namen
(mit besonderer Be-
rücksichtigung der
Heimat) ;
leichtere Synonyme,
Gegensätze, ver-
wandte Begriffe;
Wortfamilien.
Bilder und Synonymen ;
geographische und
naturwissenschaft-
liche Namen aus dem
Stoff der Klasse;
Familiennamen ;
Zeitbegriffe (die hiebei
notwendigen Er-
klärungen aus der
Mythologie sollten in
der Lesestunde vor-
bereitet werden, wo
deutsche Sage und
Göttergeschichte
noch immer fast gar
nicht zur Geltung
kommt).
Beiträge znm Unterricht in der deutschen Sprache.
221
Aus: Satzlehre.
Klasse III.
Satzglieder und Neben-
sätze liöherer Ord-
nang, einfache Fälle,
parallele Klassifi-
ziernng der Satz-
glieder und Sätze.
Formenlehre.
Repet. aus der Formen-
lehre : Paradigmen
der variabelnNomina,
Konjugations- und
Deklinationsklassen ,*
Einteilung der Sub-
stantive.
Zusammenstellung der
Wortarten.
Repetitionen aus der
Formenlehre, stili-
stische Regeln,
Sprachd unim h ei ten.
Wortbildung»- .
lehre.
Schwierigere Fälle von
Bildern, Synonymen,
Homonymen, Klang-
wirkungen, Namen ;
Wortgeschichten aus
dem Grebiet von
Nahrung und Klei-
dung, Haus und Fa-
milie, Natur und
menschlichen Be-
schäftigungen.
Fremdwörter, einge-
bürgerte Wörter;
Wortgeschichten au»
den Gebieten des
Heerwesens, Staats-
und Rechtswesens,
der Kulturgeschichte
(der Germanen).
Bildliche Redensarten
und Sprichwörter.
Klasse IV.
Satzglieder und Neben-
sätze höherer Ord-
nung, schwierigere
Fälle, insbesondere:
Prftpositionalkasus,
adverbiales Attribut,
sekundäre Bestim-
mungen des Infinitivs.
Klassifizierung der Ne-
bensätze nach ihrer
Bedeutung.
Klasse V.
Repetitionen, Ellipsen, Lautlehre und Laut-
Perioden. ' i wandel;
; Entstehung und Be-
Bemer- 1 deutung von Silben
und Endungen;
' Fremdwörter und Bil-
I
der.
Die Tabelle ist so aufzufassen, daß die beiden vorderen
Rabriken, Satz- und Formenlehre gemeinsam, die Wortbild nngslehre
dagegen in besonderem Gang, aber in engem Anschluß an Recht-
schreiben und Aufsatz behandelt werden. An dem Satze: „Der
Knabe schreibt/^ kann erledigt werden 1. die logische Beziehung
der Satzglieder ausgedrtlckt durch die Frage; 2. die organische
Beziehung derselben: Tätigkeit und Tätigkeitsperson (die Namen
Subjekt — Satzgegenstand, Prädikat — Aussage sind eine Schöpfung
StilintiKSche
kun gen.
222 Scholl, Beiträge zuni Unterricht in der deutschen Sprache.
der alten Anschauang, welche die biologische Bedeutung der Satz-
teile nicht berücksichtigt). 3. Der formale Ausdruck dieser
Beziehungen durch Fall, Zahl^ Geschlecht und durch Person, Zahl,
Zeit. Die Vorbereitung dieser dreifaclien Wertung jedes Satzteils
im Elementarunterricht versuchte ich in der Tabelle anzudeuten;
daher, und um die gemeinsame Behandlung von Satz- und Formen-
lehre wenigstens in einer Klasse (III. Schuljahr) klar zu zeigen,
die grössere Ausführlichkeit am Anfang. Um die logische Beziehung
der Satzglieder dem Schiller sicher einzuprägen, sollten die Fälle
und Zeiten nicht numeriert, sondern nach ihrer Frage oder Be-
deutung benannt werden. Die Bezeichnungen 1. Fall, 1. Vergangen-
heit sind sinnlos. Die biologische Bedeutung des Artikels, des
Partizips etc. muß später in Klasse IV oder V nachgeholt werden,
w^nn das Verständnis hierftlr vorhanden ist.
Die Grundlage der gesamten vorstehenden Ausführungen ist
die biologische Betrachtungsweise des Sprachgebäudes. Dabei haben
mich nicht allein wissenschaftliche und objektiv pädagogische Ge-
sichtspunkte geleitet, sondern ganz besonders die Absicht^ den
grammatischen Unterricht so zu gestalten, daß er imstande ist, das
Interesse des Schülers zu erregen, ihm Freude zu bereiten. Das
schien mir allein dadurch möglich, daß ich das Leben in der
Sprache, also den organischen Wert jedes Glieds in den Vorder-
grund stellte, also gerade den Wert, der seither völlig vernach-
lässigt wurde. Ich habe auch wirklich beobachtet, daß der Schüler
eine freudige Verwunderung an den Tag legt, wenn man ihn dazu
veranlaßt, solche lebendige Beziehungen selbst zu entdecken; man
hat hier eine willkommene Gelegenheit — die einzige im sprach-
lichen Unterricht — mit konkreter Anschauung zu kommen, indem
man passende Sätze durch die Schüler darstellen oder umgekehrt
ans der Darstellung den Satz bilden läßt. ,,Der Schüler öffnet daa
Buch^^; die Tätigkeit des Öffnens wird vom Schüler ausgeführt
und bezieht sich auf das Buch (Tätigkeitsperson und Beziehungs-
sache). Reiche Gelegenheit, den Sprachunterricht für den Schüler
angenehm zu gestalten, bieten dann die etymologischen Betracb-
tnnj^en, Wortgeschichten und Bildererklärungen.
Nestle, Sina und Tabor. 223
Sina und Tabor
in Schillers Karlsschnlrede von 1779.
In der ersten seiner zwei ,,Karl88chiilreden" sagt Schiller
(Säkular- Ausgabe 11^4):
„Tugend das harmonische Band von Liebe und Weisheit. So
spricht der Gesetzgeber aus den Donnern von Sina! So der
Gottmensch auf dem Tabor!^^
Zu letzterem Wort macht der Herausgeber \Yalzel die An-
merkung (S. (K)l):
„Tabor, der Schauplatz der Verklärung, wird mit dem Berge
verwechselt, auf dem Christus die Bergpredigt hielt/^ Bei dieser
Anmerkung ist vorausgesetzt, daß der Berg der Verklärung wirk-
lich der Tabor gewesen sei, was keineswegs sicher ist, und daß
er nicht der Berg der Seligpreis ungen sei, was doch schon
Hieronymus annahm. Nach Hieronymus dachten simpliciores
beim Berg von Mt. 5 an den Ölberg, er lieber an den Tabor; die
Tradition, die den Kam Hattin bei Tiberias dafür erklärt, ist erst
im 13. Jahrhundert und nur bei Lateinern nachzuweisen. Ob sich
des Hieronymus Deutung auch noch bei protestantischen Erklärern
in Schillers Zeit findet, kann ich nicht belegen. Statt „verwechselt^^
hätte also Walzel jedenfalls „gleichgesetzt^^ sagen sollen.
Aber merkwürdiger ist mir, daß Schiller ^Sina^^ schreibt und
nicht Sinai. Sina ist bei Luther die neutestamentliche Form des
Namens (Act. 7, 80. 38; Gal. 4, 24. 25), die ich in den mir zur Hand
befindlichen Ausgaben zuletzt in einem Druck von 1782 finde, fm
Alten Testament schrieb auch Luther, wie wir jetzt dnrchgehends,
von Anfang an Sinai. Aber Sina ist die richtige Aussprache,
wie nicht bloß die Septuaginta (2iva)y sondern vor allem das
Arabische zeigt, auf das hier nicht näher eingegangen werden
kann. Die Vulgata hat, ähnlich wie Luther, im Neuen Testament
überall, im Alten Testament an einzelnen Stellen Sina, an anderen Sinai.
Genaue Handschriftenvergleichungen liegen erst für die Apostel-
geschichte vor und bestätigen Sina. Es wird unmöglich sein, auch
nicht nötig, die Aussprache „Sinai'^ aus dem Munde unseres Volkes
wieder zu verdrängen; aber da noch nicht einmal in hebräischen
Wörterbüchern und Sprachlehren oder in Kommentaren die Er-
kenntnis durchgedrungen ist, daß der semitische Namen Sina, nicht
Sinäj, noch weniger Sin(ai) oder gar Sinai lautet, freue ich mich
um 80 mehr aus Anlaß des Schillerjahrs auf dies Sina zu stoßen.
224 Literarischer Bericht.
Vielleicht wirkt bei Schiller Klopstock nach; vgl. Messias V,
352 f.
die schreckenvolle Posaune,
Die auf Sina erklan«^; daß unter ihr bebte des Bergs Fuß.
Dagegen jetzt im Evangelischen Gesangbuch für Württemberg
384, 2 (von Gerve) :
Nicht aus { Sina is Ge. wittern.
In nnsern lutherischen Bibeln hätte man eher das Alte
Testament nach dem Neuen, als das Neue nach dem Alten berich-
tigen dürfen, wenn man überhaupt den von Luther eingehaltenen
Unterschied verwischen wollte.
Maulbronn. Eb. Nestle.
Literarischer Bericht.
Monumentn Germaniae Paedagogrica« Im Auftrag der Gesell-
schaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte heraus-
gegeben von Karl Kehrbach. BandXXXlI: Die päda-
«^ogische Reform des Oomenius in Deutschland
bis zum Ausgange den 17. Jahrhunderts. Von
Dr. Joh. Kvacala, Professor an der Universität Dorpat.
II. Band. Historischer Überblick^ Bibliographie, Namen- und
Sachregister. VI u. 238 S. Berlin, A. Hofmann & Comp. 1904.
Der 2. Band des sclion früher hier besprochenen Werkes (cf. Jahr^.
1904, S. 318 f.) steht seinem Vorgänger an Umfang nach, überragt iliu
aber an Bedeutsamkeit des Inhalts. AU8 den losen Steinen, die der
1. Band in Form von Briefen, Schulordnungen, Kegesten etc. bereit-
stellte, ersteht nun der einheitliche Gesamtbau, das Bild des Einwurzeins
und Vorschreitenn der cumenianischcn Neuerungen in deutschen Landen.
Mit jeder Schrift aus Comenius' Feder wächst die Zahl derer, die sich
für seine lebensvollen Gedanken zu erwärmen vermögen ; so reiht sich
an einen Hartlib ein Hübner und Redinger. an einen Jungius ein Rave
und Hesenthaler. Bald waren es die nnitarisch-konfessionelleu oder
die chiliastischcn, bald die irenischen oder die ijansophischen Ideen,
welche die einzelneu zu dem vielseitigen Böhmen hinzogen; waren sie
aber einmal in seinem Bannkreis, so wurden sie zuletzt fast alle mehr
oder weniger begeisterte Apostel gerade seiner didaktischen Reformen.
Auch Süddeutschland, insbesondere Scliwaben, tru^ sein wesentliches
Teil bei %u diesem Sie^eszug. Den persönlich so bescheidenen Haller
Präzeptor Joh. Geo Seybold, in dessen lateinischen Schulbüchern mit
ihren ellenlangen Titeln der comenianische Same seine ersten Früchte
Literarischer Bericht. 225
tnigi bezeichnet Kvacala geradezu ,,al8 den wohl fruchtbarsten unter
den deutschen Didaktikem des 17. Jahrliunderts". — Für die zahllosen
Rinnsale der Einzelforsch nng über den comenianischen Einfluß in Deutsch-
land, die noch ihrer Erschließung harren, bilden die 2 Bände der
Monumenta Gerraaniae Pädagogica die feste Grundlage des sicherflie-
ßenden Strömet«. /
Marbach a. N. E. Schott.
Ludwig^ Dr. Professor^ Präparation zu den Oden des Q. Hora-
tius Flaccus. Teubner, 1903.
Eine Eigentiimlichkeit dieser Schülerpräparation ist, wie der Ver-
fasser in der ,, Vorbemerkung^ selbst erwähnt, daß mit größerer Aus-
führlichkeit behandelt wird besonders die Bestimmung von Örtlichkeiten,
die auf des Dichters Leben und Schriften Bezug haben, ferner, daß
zahlreiche Parallelstellen ans andern Schriftstellein angeführt werden,
aue Schiller etwa ein Dutzend, ferner aus Goethe, Uhland, Schlegel,
Novalis, Mörike, Heine, Hauff, Rieh. Wagner und Leuthold. Auch
anfs Englische und Französische ist manchmal verwiesen, ferner auf Bilder
in Luckenbachs „Kunst und Geschichte'^ und andere Kunstdeukmäler. —
Der Präparatiou ist in einer Einleitung eine kurze und gute Übersicht
Über die horazische Metrik vorausgeschickt. Jede Ode hat eine deut-
sche Überschrift, entweder kurz, wie z. B.: „Der Retter aus der Not**
<I, 2), Geleitsgedicht (L 3), Preis des Weines (1, 18), An Vergilius (1, 24),
Hurra !(!) (1,37), Aber diesmal! (11,18), Der Ausstichwein (111,21),
Vergänglichkeit (IV, 7) ; oder etwas ausführlicher : Nun, da der Lenz
ins Land gekommen, besingt die Liebe und den Wein! (1,4). Welt-
sehmerz gelindert durch Weinhist (I, 7). Was kümmert mich draußen
der Regen, wenn im Herzen die Sonne scheint? (I, 9). Und geflügelt
diesen Mauern sah ich das Verderben nah*n ! (T, 15). Ach ! sie haben
einen guten Mann begraben, und mir war er mehr (I, 24). Das Gold
ist nur Chimäre; versteht's zu brauchen fein! (11,2). Dich, mein stilles
Tal, grüß, ich tausendmal (II, 6). Im Leid halt aus, im Glück halt ein!
<ll, 10). Ruhe ist das beste Gut (II, 16). — Von den Oden sind weg-
gelassen : 1, 13. 16. 17. 19. 23. 25. 27. 30. 33. 36 ; II, 4. 5. 8. 11. 12. 19 ; III, 7.
10-12. 14. 15. 19. 20. 26-28; IV, 1. 6. 10. 11. 13, also 32. Das erscheint
mir etw^s viel; und ich sehe nicht i'in, warum man I, 17 und 27; II,
11 und 19; III, 12 und 28; IV, 6 (Prooemium zum Carm. Saec.) und 11
weglassen soll. — Den Schülern ist mit dieser gründlichen, reichhaltigen
Präparation zu den Oden de.s Hora/ ein bedeutendes Hilt's- und ¥jY-
leichterungsmittel an die Hand gegeben. Ja, ich würde sogar manches,
besonders die modernen Dichterzitate, gern vermissen und es dem
Lehrer gönnen, wenn er diese oft übeiTaschenden Parallelen zur Be-
lebung des Unterrichts erst in der Stunde selbst mündlich mitteilen
226 LitcrariBcher Bericht.
dürfte. Ich stehe überhaupt noch auf dem veralteten Standpunkt,
daß ich das Aufschlagen unbekannter Wörter in einem großen, all-
gemeinen Wörterbuch nicht für ein ,, zeitraubendes, au sich wertloses
Wälzen des Lexikons"' halte, wie es in dem Vorwort einer anderen Prä-
parationensammlung heißt, und daß icli deshalb den Schülern auch heute
noch zumute, sich ohne gedruckte Präparationen auf Horaz vorzube-
reiten. Den Kollegen aber, die sich mit der neuen Mode befreundet
haben, sind diese 2 Hefte Horazpräparationen von Professor Ludwig
(zusammen zu 1.20 Mk.) für die Hand der Schüler sehr zu empfehlen;
ja, sie werden auch dem Lehrer manches Nene und Anregende (z. B.
in den Zitaten) bieten.
Urach. P. Hirzel.
Hachtmann, Karl, Die Verwertung der vierten Rede Cieeros
gegen C. Verres (de signis) für Unterweisungen in der
antiken Kunst. Zweite, sorgfältig durchgesehene Auflage.
Xn und 64 Seiten. Gotha, F. A. Perthes, A.-G., 1904.
Daß die erste Auflage dieser kleinen vor 9 Jahren als Beilage
zum Programm des Gymnasiums zu Bernburg erschienene Schrift bald
vergriffen war, darf als ein Zeichen angesehen werden, daß sie einem
Bedürfnis entsprochen hat Wo die Rede im Unterricht gelesen wird,
kann der Lehrer einem Eingehen auf die behandelten Kunstwerke und
ihre Künstler nicht wohl ausweichen. Er bedarf also, wenn er auf
diesem Gebiet nicht selber wohl bewandert ist, selbst einer Orientie-
rung, die er in größeren Werken nicht so rasch finden kann, wie in
einem eigens zu diesem Zweck hergestellten Kompendium. In solchem
Falle mag das vorliegende Büchlein gute Dienste tun, indem es in zwei
Abteilungen zuerst die in der Rede erwähnten Künstler und ihre Haupt-
werke kurz behandelt (S. 1 — 22) und dann die wichtigsten Götter- und
Heroenbilder im Anschluß an Kunstwerke, die in der Rede erwähnt
werden, bespricht. Was der Verfasser hier bringt, ist alles wohl be-
dacht und sorgfältig ausgewählt, auch in der Hauptsache durchweg
zuverlässig. Zu beanstanden dürfte nur sein, daß S. 6 f. als polykle-
tischcr Heratypus immer noch, wenn auch mit Einschränkung, die soge-
nannte Famesische Büste in Neapel angeführt wird, nachdem durch
argivische Münzen erwiesen ist, daß diese Vermutung Brunns sich nicht
aufrecht erhalten läßt, vgl. Springer-Michaelis, Handbuch der K.-G. V 227.
Der vom Verfasser dargebotene Stoff ist also gut verwendbar, wenn
auch, wie er selbst sagt, keineswegs alles, was besprochen wird, auch
verwendet werden niuß. Daß er mehr bietet, als man braucht, ist
jedenfalls besser, als zu wenig. Anders steht die Frage, ob die vom
Verfasser vorgeschlagene Art der „Verwendung" der Rede die richtige
ist. Aber es wäre unbillig, hierüber mit ihm rechten zu wollen, da er
Literarischer Bericht. 227
nicht weiter wollte, als einen der verschiedenen Wege vorzeichnen, die
im Anschluß an die Lektüre eingeschlagen werden können. Und gewiß*
werden viele sich gerne und mit Nutzen von diesem kundigen und
erfahrenen Führer leiten lassen.
Calw. P. Weizsäcker.
Gehhardt, Der Sextaner. 120 lateinische Einzelttbuugen für
Haus und Schule. 64 Seiten. Preis 1.60 Mk. Leipzig,
Bernhard Richters Buchhandlung, 1903.
Der Zweck des Büchleins ist, den angehenden Gymnasiasten auch
neben der Schularbeit Gelegenheit zu geben, sich in lateinischer Fonneu-
uod Satzbildung zu üben, die Vokabelkenntnis zu befestigen und For-
inensicherheit zu ei'zielen: kurzum das Büchlein soll eine Ergänzung
der Arbeit der Schule sein. Den Übungen ist der Wortschatz, den
die Lehrbücher von Müller-Ostermann und Busch -Fries bieten, zugrunde
gelegt. Die Beispiele sind geschickt gewählt und geeignet, den vom-
Verfasser beabsichtigten Zweck zu erfüllen, wofern heutzutage noch
!:$extaner zu finden sind, die Lust haben, nach der Schularbeit ihre
Kenntnissein der bezeichneten Richtung zu befestigen und zu erweitern. —
Der verhältnismäßig hoh^ Preis des Büchleins wird seiner Verbreitung
hinderlich sein.
Stuttgart. Kirschmer.
Lateinische und griechiache Sehulausgaben, herausgegeben von
H. J. M tili er und 0. Jäger. Bielefeld und Leipzig, Ver-
lag von Velhagen und Klasing.
Aus dieser Sammlung liegen dem Referenten vor: Euripides
Iphigenie bei den Taurern, bearbeitet von Prof. Dr. Muff; Text 1.10 Mk,
Kommentar 80 Pf. Euripides Medea, bearbeitet von Prof. Dr. Muff;
Text 1 Mk., Kommentar 70 Pf. Piatons Dialoge Laches und Euthyphron,.
bearbeitet von Geh. Schulrat Dr. von Bamberg; Text 1 Mk., Kom-
mentar 50 Pf. Cäsars Bürgerkrieg, bearbeitet von Prof. Dr. Kleist;
Text 1.80 Mk., Kommentar 60 Pf. Ciceros philosophische Schriften, erstes
Heft (Tusc. I und V), bearbeitet von Prof. Dr. von Boltenstem, Text
1.40 Mk., Kommentar 1 Mk. Ciceros rhetorische Schriften (Auswahl
au« de or., Brutus und orator), bearbeitet von Prof. Dr. Reel, Text
1.80 Mk.
Der günstige Eindruck, den die äußere Ausstattung dieser Samm-
hing macht, wird durch die Ausführung, die der Plan in den vor-
liegenden Bearbeitungen gefunden hat, bestätigt Die Einleitungen
geben alles für den Schüler Wesentliche in knapper und lei<'ht ver-
228 Literarischer Hcricht.
ständlicher Form, ohne dem Lehrer, iler etwa o^enauer auf das be-
treffende Gebiet oder den zu behandelnden Schriftsteller eingehen 'will,
vorzugreifen. Daß die Heransgeber sich eine gewisse Freiheit in der
Anpassung des Textes an das Verständnis der Schüler gestattet haben,
daß insbesondere der überlieferte Text in Cäsars bellum civile an
manchen Stellen den Erfordernissen des Sinns oder dem stehenden
Sprachgebrauch des Schriftstellers entsprechend geändert worden ist,
wird als richtig anzuerkennen sein, ebenso die Beschränkung von II, 29
auf die Sätze, die dem Verständnis keine Schwierigkeiten bereiten.
Von den ausgelassenen BUchem der Tuskulanen ist eine kurze Inhalts-
übersicht in der Einleitung gegeben. Die Auswahl aus Ciceros rhe-
torischen Hauptschriften ist geschickt auf Ergänzung des aus de oratore
entnommenen Hauptteils durch Abschnitte aus Brutus und orator an-
gelegt, mit kurzer Inhaltsangabe für die ausgelassenen Partien. Die
Dramen des Euripides und die platonischen Dialoge sind mit Hecht
ohne Kürzung gegeben. Ober das Maß dessen, was der Kommentar
bietet, um den Schülern ihre Aufgabe zu erleichtern, wird man immer
verschiedener Meinung sein können: die Herausgeber wollten lieber
zuviel als zuwenig geben. Wenn damit erreicht wird, was einer
der Herausgeber sich als möglichen Gewinn davon verspricht, daß
nämlich Schüler dadurch ermutigt werden, auch in Privatlektüre sich
mit dem Gebotenen zu beschäftigen, so wird das auch diejenigen
freuen, die an sich weniger für richtiger gehalten hätten.
Cannstatt. Th. Klett.
Kaegi; Griechische Schulf^^rainmatlk. G.Auflage. 1903. Beriin,
Weidmann.
Die vorliegende 6. Auflage von Kaegis griechischer Schulgrammatik
unterscheidet sich nur durch wenige Zusätze und Veränderungen von
der letzten Auflage.
1. Die wichtigsten Änderungen sind folgende:
In § 61,3 wird der Komparativ y&paixepoz usw. nicht mehr durch
Abwerfung des Stammauslauts-o, sondern durch Ableitung von einem
neuen Stamm erklärt. Der Vorgang der attischen Reduplikation findet
in § 100,5 eine bessere rmschreibung. Die Regeln über Pronom. reflex.
sind übersichtlicher gefaßt und etwas erweitert (z. B. 8oxä> (ioi). In
der Tempuslehre ist nichts Wesentliches geändert, vielmehr nimmt der
Verfasser seinen im Vorwort zur 4. AuHage motivierten zuwartenden
Standpunkt immer noch ein.
2. Die Zusätze beziehen sich hauptsächlich auf den Abschnitt über
die Sprache der homerischen Gedichte und Herodots. Auf das Zu-
sammenstellen der Formen des Coni. Aor. mit solchen des Futurums
Literarischer Bericht. 229
infolge kurzen Bildevokala wird ausdrücklich aufmerksam gemacht.
§234,1 ist die BemerkuDg hinzugekommen, daß bei Uomer und üero-
dot gewisse Dativformen des Prononi. pers. auch genetivisch gebraucht
werden.
3. Wunschzettel für die nächste Auflage.
§5,1: Die schwankende Quantität von i sollte wie bei a und u
durch Böglein und Strich angegeben sein. Übrigens würde sich, wie
für die Konsonanten, auch für die Vokale eine tabellarische Übersicht
empfehlen nach Kürze und Länge, so daß o^ i und i> zweimal geschrie-
ben werden müßten.
§6,2: Da man über die Gleichung S = xa, f^z=na doch noch nicht
ganz einig ist, wäre es für die ächulgrammatik besser, die drei Doppel-
konsonanten in die „tabellarische Übersicht*' unter die betreffenden
Uroppen der Gutturale usw. einzusetzen mit dem Zusatz -}- o.
§ 26,2 Aist wieder zu lesen: Es „kann im Anlaut ^ stehen, wenn
dem auslautenden 9 ein d* folgt.** Darf also auch 'ctxd{pd>ai geschrieben
werden? id'päqp^iijv als seltene Form bliebe wohl besser ganz weg.
Derartige Formen werden übrigens nicht mehr durch den Hinweis
aaf {^pi^^o) erklärt. Mit Recht; denn sie haben mit dem Gesetz der
Hauchdissimulation nichts zu tun.
§ 31,7 b : Lange, betonte Endsilben „haben in Genetiven und
Dativen immer den Zirkumflex^*. Aber attische Dekliuatiou!?
§34,3: Der Akzent im Gen. Plural, der I.Deklination könnte den
Schülern mit Hinwei8 auf die vollere lateinische Endung wohl erklärt
werden.
§ 57 sollte die verschiedene Quantität der Eudung-a im Feminin
der Adjektiva graphisch deutlich und überaichtlich hervorgehoben sein.
£beD8o dürfte § 77,8 die Ableitung der Konjunktiven düngen mit ihrem
Bildevokal von dem Indikativ (und zwar durchweg alle Numeri und
Personen) und §97 die Gegenüberstellung der Formen des Praesens bezw.
Imperf. und derjenigen des Aorist. II in einem klaren Bilde vorgefiihrt sein.
§ 77,1 schlage ich als Klammerzusatz vor bei ..4 Modi . . .** (verbum
finitnm), bei „Verbalnomina . . .** (verbum inflnitum); denn gerade
ober solche viel angewandten Grundbegriffe herrscht oft Unklarheit.
§ 76 wäre gewiß ein Hinweis auf die in § 137 (allerdings unvoll-
ständig) behandelten Brüche am Platz.
§ 122,2 fehlt das bei der Demostheneslektüre bald aufstoßende
ÄKooTtpifjao(iai ; in der Kepetitionstabelle ist es angeführt.
§ 153 könnte noch beigefügt werden xdXo^, I^tjv x^P^v = mea gratia.
§ 157,3 A4: .^die Speise als Nahrungsmittel steht im Akk.** Deut-
licher wirkte die Übersetzung im nachfolgenden Beispiel: „göouotv
= 8ie nähren sich von ..."
§ 163 Fußnote vermißt man den Ausdruck icoXXou £Siov y^Y^s^^o^^
tivi = bene mereri de aliquo, ebenso in ^170 die Übersetzung v(m ßt(f.
230 Literarischer Bericht.
§ 1734 ' Ii) ^^^^^ Beispiel Anab. 1,4,16 äollte das Futurnm änaiv^asTs
-etwa mit (!) versehen sein. ,
§ 182 könnten tiir die Komposita hie und da treffendere Wörter
gewählt werden. Mit diitplßiog (so bei Koch) prägt sich z. ß. die Be-
deutung von dfiqpi und der ursprünglich adverbiale Gebrauch der
Präpositionen dem Schüler viel rascher ein. Die Heispiele für den
Gebrauch der Präpositionen sind oft zu mager: für bloßes hA ßXdßtl
-wäre etwa vorzuschlagen Snl ßXdß^ xi)^ dXr^^'tiac = auf Kosten der W'.;
bei icapd in der Bedeutung ^wegen'^ fehlt die Analogie prope-propter;
unter den Komposita von fmö fehlt ütco^'^a = suspicio.
§ 184,1 b vermisst der in die Anabasis eingeweihte Tertianer und
Sekundaner das Beispiel „d-uo^ai = opfere, um meine Zukunft zu er-
forschen**.
§ 193,2 muß unter den deutschen Umschreibungen des griechischen
Potentialis auch die Umschreibung durch Futurnm erwähnt werden,
und zwar mit dem Znsatz: der griechische Potentialis wird nie durch
Futurum ausgedrückt.
§ 216,1: Für unsere Lateiner ist bei Set die Bemerkung uötig:
(meist mit aktivem Infinitiv.)
Da § 225 erst für eine höhere Stufe bestimmt ist, kanu bei „&pa
= füglich^ in Klammer gesetzt werden (dpaptaxco). Daß bi häufig be-
gründet, und überhaupt der Gebrauch der Partikeln müßte wenigsten.'«
mit dem Hinweis auf treffende Stellen, ohne sie (der Raumersparnis
halber) dem Wortlaut nach zu geben, belegt werden.
§ 228,3 muß modifiziert werden : die angeführten Beispiele kommen
teilweise auch ohne Prothese vor, und das prothetische s vor an-
lautendem p steht gewöhnlich an bestimmten Yersstellen.
§ 229,2 : 6&p6oiia als Akkusativ sollte erklärt werden unter § 231 A.
In den Repetitionstabellen wäre nachzutragen S. XIII unter
dvixop.ai: dvsxxö^ und dvdoxexog, S. XV unter xa(a>: das Hauptwort
xaöjia, S. XXVII unter oTpiqpco = drehe : auch die Bedeutung „wende-
wegen des folgenden xaxaoxpiqpoiJkai = überwinde.
Die Vorteile, die für den praktischen Unterricht daraus erwachsen,
daß man oft Schwierigkeit bereitende syntaktische Erscheinungen aus
der ursprünglich beiordnenden Satzfugung ableitet und an ihr erklärt,
sind leider auch in dieser Auflage des sonst verdienstvollen Buches
nicht verwertet. Es bietet sich hier dem Lehrer eine ungezwungene
Gelegenheit, auf den lebendigen Sprachgebrauch im Munde der Kleinen
hinzuweisen. Beispiele von Unterordnung der Sätze hört man ver-
einzelt schon früh in der Kinderstube.
Beim Erzählen solcher Beispiele, die durch eigene Beobachtung
zu vermehren alle selbst in der Lage sind, kann man unsere 14 — 15jäli-
rigen Schüler bald zu der Erkenntnis bringen, daß und warum solche
Äußerungen „altklug" genannt werden. Die Parallele hierzu in der
Literarischer Bericht. 231
Geschickte der meuschlichen Sprache ist sofort gezogen, die tote
Sprache lebt wieder auf. Man wende nicht ein, eine derartige
Betrachtung sei Sache des Lehrers und nicht Aufgabe der Schul-
grammatik. Gerade hier handelt es sich um verständnisvolle Ordnung.
Ein Beispiel: man erklärt die Folgesätze; die Partikel cboxs wird in
ihre Bestandteile zerlegt *), und es ergeben sieh zwei Hauptsätze, die
beide eine selbständige Tatsache mitteilen. Danach können die Fälle,
wo &ax8 mit Infinitiv steht, leichter erkläi't werden. Wie macht es
unsere Grammatik? In einer Anmerkung zu den Folgesätzen ist mit
kleinerer Schrift zu lesen: ,,*Qoxs führt auch Hauptsätze ein: und so,
darum, daher. ^* Während also dieser Paragraph tatsächlich einer
Änderung bedarf, wird es in anderen Abschnitten (Finalsätze, Bedingungs-
sätze) genügen, wenn eine kurze Vorbemerkung über das richtige
Verhältnis aufklärt.
Der sonst so brauchbaren Wegweiserin im kunstvollen Gebäude
der griechischen iSprache, der uns Schwaben liebgewordenen Kägischen
Grammatik, die nun auch in italienischer Sprache erschienen ist, wün-
schen wir eine fröhliche Entwicklung.
Cannstatt. Kretschmer.
V e n d r y e 8 , J.y Traite d'acccntuation grecque. XVIII und 275 S.
(Nonvelle Collection a Tusage des Classes XXVTI). Paris,
Kiincksieck 1904.
Infolge meiner Beobachtungen in griechischen Handschriften und
alten Drucken (s. 1904, 367 — 371) war ich auf diese neue griechische
Akzentlehre begierig. Sie ist Viktor Henry, Professor des Sanskrit
und der vergleichenden Grammatik des Indogermanischen, gewidmet
und gibt in der Hauptsache eine im Jahr 1902/3 an der Universität
Glermond-Ferraud gehaltene Vorlesung wieder, ist also für Studenten
bestimmt, eignet sich aber auch für den, der griechischen Elementar-
unterricht zu erteilen hat. Trotz ihrer 386 Paragraphen und ihrer
geschichtlichen Einleitung berührt sie die von mir erörterte Sache
mit keiner Silbe; im übrigen habe ich manches aus ihr gelernt. Im
Fall eines zweisilbigen Enklitikons, das auf ein Perispomenon folgt,
entscheidet sie sich in § 88 gegen G. Hermann. Woher es kommt,
daß -umgekehrt die meisten deutschen und englischen Ausgaben des
griechischen Neuen Testaments in diesem Fall dem Enklitikon seinen
Akzent lassen, ist mir unbekannt (Lachmann, Tischendort, Weiß,
Westcott-Hort usw.). An der ersten derartigen Stelle des Neuen
') Erwünschte Voraussetzung hierfür ist freilich, daß die Schüler
unserer 6. Klasse schon etwas Homer gelesen haben und &z in der
Bedeutung „so" kennen.
232 Literarischer Bericht.
Testaments (Mt. 2,2) schwanken die Ausgaben zwischen nou ioxiv,
n, §otIv, n. gottv (letzteres bei Lachinann und Bhiß). Mit der Einzelheit
§ 91, daß bei Substantiven wie xXt}ia^, qpotvig, x^pog die letzte Silbe
vor einem Enklitikon keinen Akzent bekommt, werden wir unsre
Schüler verschonen. Als Vokativ von AöeX^pdc wird § 255 dÖsX^e
gelehrt ; alle Ausgaben des Neuen Testaments haben an den 5 Stellen,
wo er vorkommt, AdsXcpe. Ebenso der Codex Vaticanus an den 3, an
denen er erhalten i»t. Im griechischen Alten Testament kommen
30 Belege, davon im Tobias allein 21, der Pariser Thesaurus gibt nur
einen, Philostr. 84 Boiss. *A96Xq>£ xal «pUt mit dem Zusatz: Et hie, si
Criticis veteribus credere velimus, Attice scribemus "AÖeXcpt. Vid. Ammou.
in lAÖx^poc, novTjpdc, Schol. Aristoph. Flut. 220. ad Charit. 384 (433).
Wenn man bei dXdwcrjg nicht sicher weiß, wie der Vokativ heißt, so
sollte doch bei einem Wort wie dSeXtpög die Analogie der neu-
griechischen Aussprache einen Rückschluß ii^estatten. Wofür spricht
diese?
Maulbronn. Eb. Nestle.
A. ZehmC; die Kultiirverhältnisse des deutschen Mittelalters.
Im Anschluß an die LektUre zur Einführung in die deutschen
Altertümer im deutschen Unterricht. Mit 80 Abbildungen.
Zweite verbesserte und vermehrte Auflage 1905. 196 Seiten,
geb. 2 Mk. Leipzig, G. Freytag; Wien, F. Tempsky.
Das Büchlein soll nach der Vorrede, ,,dem deutschen Unterricht
zunächst dienen, indem es die Lektüre mhd. Dichtungen zu beleben,
zu vertiefen, anziehend zu gestalten, die aus ihnen gewonnenen kultur-
geschichtlichen Anschauungen zu Bildern zu gruppieren sucht**. Es ist
ein Kompilation aus den bekannten, die Kulturgeschichte des Mittel-
alters oder einzelner Teile derselben behandelnden Werken von
A. Schultz, Weinhold usw. und wird seinem Zweck für die Schule im
allgemeinen genügen, der Lehrer wird nach wie vor auf die wissen-
schaftlichen Quellenwerke angewiesen sein. Daß es ein gewagtes
Unternehmen ist, die deutschen Altertümer von Tacitus bis zum perma-
nenten Reichstag von Regensburg, ja bis zur Krönung Josephs II. auf
180 Seiten zu behandeln, wovon noch Raum für 80 Abbildungen ab-
geht, weiß der Verfasser selbst; dabei ist noch stets Rücksicht auf die
nordischen Verhältnisse und auf die nhd. kulturgeschichtlichen Dichtungen
genommen. Überhaupt ist die Vielgestaltigkeit, die seit Anfang in
der deutschen Kultur herrschte, hinderlich für derartige Kompendien;
der Verfasser kann sich rechtfertigen damit, daß er das »Schwergewicht
auf diejenige Kultur legte, die in den zur Lektüre bestimmten mhd.
Dichtungen zutage tritt. Einige Partien (wie über Bewaffnung, auch
unter den Staatsaltertümem) sind jjanz ordentlich gelungen.
Literarischer Bericht. 233
Für eine spätere Auflage wären einijre Mängel und Versehen zu
l>erichtigen.
Im Quellenverzeichniü 8. 5, ilas doch auch dazu da ist, uin zu
weiteren Studien anzuregen, fehlt einiges sehr wichtige: die Werke
der Grimm, Heynes, die Kechtsgeschichte von H. Brnnner und sogar
der Grundriss. — Da Verfasser die mhd. Dichter fast immer in nhd.
Übersetzung zitiert, so mögen die Schreibungen: Hettel, Frute und
d^l. hingehen; schlimmer ist: Walter, unerlaubt: die Ekkehards S. 95.
— S. 13: Daß zwischen Wehrhaftmachung und Mündigkeit zu unter-
scheiden ist, zeigt MQllenhoflf DA. IV 258. — 8. 25: „Ich gebiete Lust**
nsw.; die Ableitung des Wortes von ahd. hlosen durfte nicht weg-
bleiben. — S. 40: Die Übersetzung Tac. Germ. 7. duces ex virtute
suuiuDt: ;,ihre Heerführer nehmen sie aus den Mannschaften^ ist
faldch. — 8. 45: Beim Unterschied der Stände heißt es: „Nur An-
gehörige desselben Standes durften miteinander verkehren, kämpfen,
heiraten •". — S. 67: „Einen Mörder ermittelte man durch das Bahr-
recht"; ich denke, daß man höchstens „Nichtmördcr" durch dasselbe
ermittelt hat. — Das Wort lautet mhd. fürspreche. — S. 91 : Die Notker
aiiH St. Gallen sollten nie ohne nähere Bezeichnung genannt werden.
— S. 109: Was ist der Geldwert der mhd. marc? — S. 111 steht:
^balt d. h. die Kühnheit^; der ganze Abschnitt über Namengebnng
steht nicht am richtigen Platze uud ist in dieser Fassung so gut wie
wertlos. — S. 107 : Das Nibelungenlied soll ein interessantes Städtebild
von Worms geben! — S. 147 altn. Wodan? — S. 153 hat Herwig eine
Lilie im Wappen; Gudr, 1373: sebleter. — S. 144 wäre passende Ge-
legenheit gewesen, das älteste Zeugnis für die deutsche Heldensage
anzuführen, Tac. ann. II 88; desgleichen S. 161, was F. Niedner in
seinem trefflichen Schriftchen über das mhd. Turnier ausgeführt hat.
— S, 175: Kocke ist sohwm.
Von den Abbildungen sind viele überflüssig, insbesondere die der
Hauwerke, da ja doch kein Versuch gemaclit >vird, Baustile' zu erklären^
und mit Lnckenbach II wird das Büchlein doch nicht in die Schranken
treten wollen. Der frei werdende Raum könnte besser anderweitig
verwendet werden.
S. 48 kommt Maximilian vor Ottokar S. 49; das Bild der Burg
Wildenstein S. 83, das seit vielen Jahrzehnten in derartigen Werken
spukt, kann, wer an Ort und Stelle war, nach seinem landschaftlichen
Teile nur für ein Phantasiebild erklären.
Ulm a. D. Schauffler.
U. Jacoby und A. Sauer, Quellenschriften zur Hamburgischen
Dramaturgie. I. Richard III. v. Chr. Felix AVeiße.
91 Seiten. Berlin, Behrs Verlag, 1904,
Xorrespondensblatt t906, Heft 6.
234 Literarischer Bericht.
Das Büchlein bildet das 130. Heft des großen Sammelwerks:
Deutsche Literaturdenkmale des 18. und 19. Jahrhunderts. In der
Einleitung wird der Nachweis versucht, daß Lessings Dramaturgie immer
noch wert sei, in den oberen Klassen ernsthaft behandelt zu werden.
„Um aber dem Schüler wie jedem Gebildeten eine genauere Verglei-
chung mit Shakespeares Trag<kiie und zugleich eine Nachprüfung der
von Lessing hervorgehobenen Mängel des Weißeschen Dramas möglich
zu machen, .schien uns ein Neudruck von Weißes Richard notwendig. ~
Diesem Neudruck liegt nicht die erste, sondern die durchaus umgear-
beitete 2. Auflage vom Jahre 1765 zugi'unde. — Die Einleitung (32 Seiten)
ist mit großer Sach- und Literaturkenntnis geschrieben. Wer die Drama-
turgie wirklich noch gründlich behandeln will, der kann Gewinn von
dem Büchlein haben.
Stuttgart. Groz.
Bö ekel er 9 A.^ Professor am Gymnasium in Ravensburg. Stereo-
metrische Aufgaben aus den Reifeprüfungen der Gymnasial*
Abiturienten. 88 Seiten. 1.20 Mk. Ravensburg 1904.
Wie Martus eine Auswahl aus den in den Jahresberichten der
höheren Lehranstalten veröffentlichten Aufgaben zusammengestellt hat,
so hat der Verfasser es unternommen, noch nicht veröffentlichte Auf-
gaben zusammenzustellen, die bei den Reifeprüf unf?en der württem-
bergischen Gymnasien gegeben worden sind. Die Sammlung enthält
544 Aufgaben und bietet eine viel größere Mannigfaltigkeit als eine,
die der Erfindungsgabe eines einzelnen entstammt. Verwandte Auf-
gaben sind in Gruppen zusammengefaßt, die durch kurze Randbezeich-
nungen kenntlich gemacht sind. Außer Aufgaben über die Berechnung
der gewöhnlichen Körper kommen auch solche über Zusammensetzungen
und Schnitte von Körpern vor; manche davon setzen Bekanntschaft
mit der Trigonometrie voraus. Zahlreiche Aufgaben handeln von dem
absoluten und dem spezifischen Gewicht, und bei 56 Aufgaben kommt
das Archimedische Prinzip zur Anwendung. Den einzelnen Abschnitten
sind die wichtigeren Formeln vorangestellt; bei Abschnitt 8, Kugelzoue,
könnten noch
2 eh = (ri* — r,^ — h») und 2 Rh =r: V [h* + {r, + i.y] [h* + (r, — r.)'']
hinzugefügt werden.
Wie bei den Reifeprüfungen, so fehlen auch in der Sammlung
Aufgaben einfachster Art. Wenn auch jeder Lehrer solche Aufgaben
ohne Mühe anfertigen kann, so ist es doch manchmal erwünscht, einen
Vorrat davon nebst Resultaten zur Verfügung zu haben. Vielleicht
entschließt sich der Verfasser, seine Sammlung später nach dieser
Richtung hin zu vervollständigen. Da das Buch wohl in erster Linie
für die Hand des Lehrers bestimmt ist, so wäre es zweckmäßig ge-
Literarischer Bericht. 235
wesen, die Resultate den Aufgaben gleich beizufügen ; aber auch lern-
bej^ierige Schüler werden durch mitgeteilte Resultate zur Selbsttätigkeit
ermuntert. Mit der in der Vorrede angekündigten Herausgabe der
Resultate könnte auch ein ausführliches Inhaltsverzeichnis verbunden
werden, das der vorliegenden Sammlung leider fehlt, so daß Aufgaben
bestimmter Art erst nach langem Blättern gefunden werden können.
Das Buch wird in erster Linie den Mathematiklehrern an Gymnasien
willkommen sein; aber auch für andere Lehranstalten bietet es eine
Fülle von anregendem Übungsstoff.
Cannstatt. Pilgrim.
Bouda, Die Pflanze in der dekorativen Kunst, II. Teil^
12. Blatt. Prag, Koci.
Das von der Verlagsbuchhandlung B. Koci in Prag herausgegebene
Voriagenwerk „die PÜanze in der dekorativen Kunst^ IL Teil, gezeichnet
von Professor A. Bouda, ist eines der besten Werke, welche zur
Förderung kunstgewerblicher Studien veröffentlicht wonlen sind.
Ausgehend von der Überzeugung, daß allem künstlerischen Schaffen
(his Studium der Natur zugrunde gelegt werden soll, hat der Verfasser
vorliegende Sammlung in 2 Teilen entworfen. Deui ersten Teil, den
nach der Natur gezeichneten Studien, ist immer eine Verwendung der-
selben zu kunstgewerblicher Ausschmückung gegenübergestellt.
Beide Teile zeichnen sich durch die einfache und ins Große gehende
Art der Darstellung in der vorteilhaftesten Weise aus.
Besonders hervortretend ist die bei der erdeuklich einfachsten
Farbengebung und Zeichentechnik erzielte naturgetreue Wirkung der
Studien, welche dann in dem dazugehörigen Blatt in geschickter Weise
ihre kunstgewerbliche Verwendung finden. Besonders schätzenswert
sind auch die von Professor Bouda angegebenen Farbenmischungen
bei deren einfacher Zusammenstellung so kräftige und doch harmonisch
wirkende Gegensätze hervorgebracht werden krmnen.
Das vorliegende Werk kann aber nur von einer V)ereits auf höherer
Stufe der künstlerischen Entwicklung angelangten Kraft nutzbringend
verwendet werden, indem dieselbe einen Zweig der in dem Werke
vorgeführten Studien in der einfachen und großen Darstellungsweise
Boudas nach der Natur malt, und indem dann diese Studien, Bouda-
Hche Kompositionen variierend, in freier Weise kunstgewerblich ver-
wendet werden.
In der dem Werke beigegebenen Erläuterung hat Professor Bouda
erklärt, daß die Kompositions-Vorlagen zu kunstgewerblichen Fach-
studien bestimmt sind; an allgemeinen Lehranstalten werden sie daher
wohl kaum Verwendung finden können, doch werden sie auch dort in
der Hand des Lehrers gute Dienste leisten.
Stuttsrart. Haag.
236 Literarischer Bericht.
Vogel, Müllenhoff und Röseler. Leitfaden für den Unter-
richt in der Botanik. Heft 11, Karsns 3 und 4. Neue
verbesserte und verniehrte Ausgabe mit 18 Tafeln in Drei-
farbendruck nach Aquarellen von A. Schmalfnß. 204 Seiten.
Preis kartoniert 1.40 Mk. Berlin 1899. Winkelmann und
Söhne.
Was in <ler Besprechung des I. Heftes von dem Heferenten hin-
sichtlich der Schönheit der farbigen Tafeln, der Zweckmäßigkeit der
scheniatischen Zeichnungen, der Anordnung und methodischen Verar-
beitung des Stoffs, besonders des reichhaltigen biologischen, gesagt
worden ist, gilt in vollem Maß auch von diesem IL Heft. Referent
kann sich also auf die Inhaltsangabe beschriiukeu. Der I. Kurs ent-
hält vergleichende Beschreibungen von Ptlanzen mit schwieligerem
Blütenbau (Kätzchenträger, Gräser usw.), die Erweiterung der mor-
phologischen und biologischen Begriffe, die Bildung von Familiencha-
rakteren und Übungen im Bestimmen, endlich wieder eine systematische
Zusammenstellung der Erläuterungen. Im IV. Kurs werden behandelt
die Gymnospermen und Kryptogamen, die wichtigsten ausländischen
Pflanzen und im Zusammenhang damit die dabei vorkommenden scliwie-
rigeren morphologischen und biologischen Verhältnisse, dann die Klassen
des natürlichen Systems und die Grundbegriffe der Pflanzengeographie
und Paläontologie. Darauf folgt eine Obersicht des natürlichen Systems
die systematische Zusammenstellung der Erläuterungen und im Anhan^r
eine Übersicht über die wichtigsten Pflanzenformen und Vegetationsfor-
mationen, Pflanzenzonen, Pflanzenregionen und Florengebiete. Von
kleineren Ausstellungen seien erwähnt: S. 6: Weißbuche. Bei uns sagt
man allgemein Hagebuche, welche Bezeichnung gar nicht erwähnt ist.
S. 35: Bedeutung der Spaltöffnungen. Der Ausdruck „Atmung*^' ist
irreführend, besser stünde ,,Assimilation". S. 43: In Figur 80 und 31
fehlt die Erklärung der Buchstaben. S. 117: Bei Figur 94 steht:
A cT Blüte (statt ? Blüte). S. 150: Warum Jungles und Jungle-
w ä 1 d e r, statt der allgemein üblichen Dschungeln und Dsehungel-
wälder?
Das Buch sei der Beachtung der Fachlehrer aufs wärmste empfohlen.
Schw. Hall. Diez.
Gutachten über die Schularztfrage iu Stuttgart. Von
Dr. Gastpar. Stuttgart, Kohlhammer, 1904.
Das vorliegende umfangreiche (rutachten bietet ungemein viel
Interessantes, vor allem dadurch, daß weitau» die meisten Volksschüler
einer eingehenden Untersuchung unterzogen werden konnten. Das
überraschende Ergebnis war, daß ..nach -/s der Schüler wegen irgend-
eines Gebrechens gesehen werden muß". Von 100 Kindern entsprechen
Neu erschienene Bücher. — Ankündigungen. 237
nur 16,7 allen Anforderungen in gesundheitlich er Beziehung. Auf Grund
hiervon kommt der berichterstattende Stadtarzt zum Ergebnis, daU
das Bedürfnis nach schulärztlicher Beaufsichtigung der Schuljugend
entschieden zu bejahen ist. Eine erfolgreiche Tätigkeit setzt jedoch
die Lösung der Geldfrage voraus, damit jedem kranken Schulkind auch
das Notwendige verordnet werden kann. Hierauf folgt eine genauere
Darlegung, wie sich der schulärztliche Dienst am besten einrichten
ließe, welche Geldmittel hierfür nötig sein werden, wie diese Mittel
aufgebracht werden könnten usf. Im Anhang findet noch die Frage
eine Erörterung, ob die Errichtung einer Schulzahnklinik zu empfehlen sei.
St. A. K.
Neu erschienene Bücher.
^ff' Bei der groisen Menfi^o der ans sugebenden neuen literarischen Erccheinuugrn
iit et nni unmSglich, Jede im einselnen su besprechen. Die Titel der einlanfenden
Bficher, die wir ausnahmslos der Kohlhammerschen Verlagsbnohhandlnng sn Aber-
senden bitten, werden regelmässig im n&chsten Hefte rerOffentlicht ; anfBflek-
sendang der nicht besprochenen Bficher kOnnen wir uns aber nicht einlassen.
Geißler, Die Kegelschnitte und ihr Zusammenhang durch die Kontinui-
tät der Weitenboheftungen. Mit 50 Figuren. Jena, Schmidt, 1905.
Dannemann, Leitfaden für den Unterricht im chemischen Laboratorium.
3. Auflage. Hannover, Hahn, 1905.
Eugleder, Zeichenski/.zeu zum naturkundlichen Unterrieht nach bio-
logischen GruudsJitzen. Heft T. München, Kelterer.
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bildern und 6 Abbildungen im Text. In (lanzleinwand gebunden
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holungen auf der Ober .stufe). Gebunden 2 Mk.
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Chemie und Mineralogie fttr den
Unterricht an höheren Lehran-
stalten. Dritte verbesserte Auf-
lage. 1905. VIII u. 362 8. 8^ Mit
130 Textfiguren u. einer Spektral-
tafel. Preis eleg. in Leinen geb.
3.80 Mk. [11
Schumann, Oberstudienrat E.,
Lehrbuch der ebenen Geometrie
für die ersten drei Jahre geo-
metrischen Unterrichts an höhe-
ren Hchnlen. 1904. IX u. 202 S. 8«.
Mit 87 Textfiguren. Preis eleg.
in Leinen geb. 2.20 Mk.
Von diesen in Württemb. gut ein-
geführten Lehrbüchern sind für das
kommende Schulj. weitere Neuein-
führuugen in Aussicht genommen
und können Exemplare zur Ansicht
durch jede Buchhandlung bezogen
werden.
240 Ankündigungen.
Yerlasr von Hermann Gesenias in Halle«
Vierzig^ Jahre«
Vor 40 Jahren erschien zuerst und gehört seitdem wohl zu den
bekanntesten und weitverbreitetsten fremdsprachigen Lehrbüchern: '
Lehrbuch der Englischen Sprache
von [18
Dr. F. W. Gesenius.
Teil I: Elementarbuch der englischen Sprache nebst Lese- und
Uebuugsstücken. 26. Auflage. 1908. Preis gebunden 2.40 Mk.
Teil II: Grammatik der englischen Sprache nebst Uebuugsstücken.
17. Auflage. 1908. Preis gebunden 3.20 Mk.
Als besonders hei-vorzuhebende Vorzüge dieses Buches sind in
allen darüber erschienenen Rezensionen anerkannt worden:
1. Weise Beschränkung und zweckmässige Anordnung des Stoffes.
Kürze und Präzision in der Fassung der grammatischen Regeln,
vortreffliche Beispiele zur Erläuterung derselben, bequeme Tabellen
für die Rektion der Verben, Adjektive und Präpositionen.
2. Die Reichhaltigkeit und Mannigfaltigkeit der Uebungsbeispiele,
sowie die Auswahl der Lesestücke, welche Interesse erwecken
und zu Sprechübungen und Reproduktionen, sowie zu Exerzitien
trefflich verwendet werden können.
JMt" Neubearbeitungen des „Lehrbuches der englischen Sprache*'
nach den neuen Lehrplänen:
Oninlnir. W., Englisoha Sprachlehre, i Qitfsiu-Bigll, Eiifrli «che Sprachlehre.
Attigabe A. Völlig neu bearbeitet Ton I Ausgabe B. Völlig neu bearbeitet Ton
Prof. Dr. Ernst Beprel, Oberlehrer an | Prof. Dr. Ernst Regel, Oberlehrer
den Franckeichen Stiftungen. an der OberreaUchnle der FrMickeechen
I. Teil. Schalgrammatik nebst Stiftucgon.
Lese- and Uebangsstfloken. 8. Auflage
190S. Gebanden 3.60 Mk. Unterstufe. Dritte, nach den Be»tim-
II. Teil. Lese- undUebungsbuch mungen rou 1001 rerlnderte Aaflage in
nebet karcerSTttonymik. Mit einem Plan neuer Reohtsohreibung. Mit einer Karte
▼on London nnd Umgebung. 1896. der britischen Inseln nnd einer englischen
Oebnnden 2.26 Mk. ' MUnstafel. 1904. Preis geb. 1.80 Mk.
OfinitU f .W. (BnglischeSprachlehrp.
Völlig nea bearbeitet von Prof. Dr. Oberstufe far Knabensehulen.
Ernst Hegel, Oberl. an den Francke- , jSweite, nach den Bestimmungen Ton 1901
sehen Stiftungen. Ausgabe fflr höh. veränderte Auflage in neaer Aechtschrei-
Mftdchens chul en. 6. Auflage. 1904. bung. Mit einem Plane Ton London nnd
Uelinnden 8.60 Mk. Umgebung. 1908. Preis geb. 2.40 Mk.
OtUBilU f.W., Rursgefasste englische
Sprachlehre. Völlig uou bearbeitet Oberstufe für Mtdohenschaleo.
Ton Prof. Dr. Ernst Regel, Oberl. Zweite, nach den Bestimmungen Ton
an den Franckeschen Stiftungen. 2. Aufl.
1901. In Schalband gebunden 9.20 Mk.
1901 rer&nderte Auflage in neuer Recht-
schreibnng. 1908. Preis geb. 2.40 Mk.
In vierzig Jahren wurden vom Lehrbuch nebst »einen Neubear-
beitungen 547 000 Exemplare abgesetzt, also
TFeit über eine halbe Millioiie
Ausfnhrliche YerlairsverKeichnisse kofltenloK.
Evangelisches Landexamen 1904.
Religio ns aufgaben.
I. Katechismas:
Das achte Gebot und seine Erklärung.
n. Biblische Geschichte:
Die Teilung des Reichs.
m. Sprucherklärung:
Wie lautet das Gleichnis vom Sauerteig und was bedeutet es?
Deutscher Aufsatz.
Freuden und Leiden des Landmanns.
Lateinische Komposition.
Kaum hat man sich von der Aufregung erholt, in die der so-
genannte Burenkrieg alle Welt versetzt hatte, so erhebt sich schon
wieder Kriegslärm im fernen Osten von Asien. Trotz der fried-
liebenden Gesinnung, die der russische Kaiser vor etlichen Jahren
zm* Schau getragen hat, indem er die Berufung von Abgeordneten
der meisten Staaten zum Zweck, einen dauernden Frieden auf der
Welt zu vereinbaren, anregte, sehen wir Russen und Japaner sich
in erbitterten und blutigen Gefechten schlagen. Fragen wir nach
dem Anlaß dieses Krieges, so läßt sich allerdings sagen, die Japaner
haben die Feindseligkeiten eröffnet durch einen Angriff auf die
russische Flotte. Aber wer möchte es ihnen besonders verübeln,
wenn sie bei dem unaufhörlichen Vorrticken der Russen nach dem
benachbarten Festland und bei der Unvermeidlichkeit eines Zusammen-
stosses beider Mächte lieber den Feinden zuvorkommen wollten?
Den eigentlichen Zankapfel bildet die Halbinsel Korea, die zwischen
den japanischen Inseln und China gelegen immer zwischen der Ober-
herrschaft Chinas und Japans hin- und hergezogen wurde. Jetzt
aber, da die Russen den günstigsten Hafen, welcher den Zugang
zn dem nördlichen chinesischen Meerbusen beherrscht, besetzt haben,
und zugleich in der rückwärts liegenden Provinz immer weiter vor-
dringen, war Gefahr, daß Japan von dem benachbarten Festland
ganz abgeschnitten würde. (Buri, Russi, Japani, Chinenses.)
XorrMpondenibUtt 1906, Heft 7.
243 Evangelisches Landexamen 1904.
Lateinische Exposition.
Die Zerstörung von Alba Longa durch die Römer.
Legiones ad diruendam Albam missae ubi intravere portas,
non quidem fuit tumultus ille nee pavor, qualis captarum esse urbinm
solet, cum effractis portis stratisve ariete muris aut arce vi capta
clamor hostilis et cursus per urbem armatorum omnia ferro ilam-
maque miscet; sed silentium triste ac tacita maestttia ita defixit
omnium animoS; ut prae metu, quid relinquerent, quid secum efferrent,
deficiente consilio rogitantesque alii alios nunc in liminibus starent,
nunc errabundi domos suas pervagarentur. Ut vero iam fragor
tectorum, quae diruebantur, ultimis urbis partibus audiebatur pul-
visque ex distantibus locis ortus velut nube inducta omnia imple-
verat; raptim quibus quisque poterat elatis, cum tecta, in quibus
natus quisque educatusque esset, relinquentes exirent, iam continens
agmen migrantium impleverat vias; vocesque etiam miserabiles
exaudiebantur mulierum; cum obsessa ab armatis templa praeterirent
ac velut captos reliuquerent deos. Egressis urbem Albanis Romanus
passim publica privataque omnia tecta adaequat solo unaque hora
quadringentorum annorum opus, quibus Alba steterat, excidio ac
ruinis dedit.
Griechische Komposition.
Der Feldherr der Japaner (lanavoi)^ welche Port Arthur
(o ^Aq&ovQioq h/ii^v) belagern^ soll die Soldaten, welche er entsandte,
um einige Schiffe gerade im Eingang zum Hafen zu versenken, mit
folgenden Worten angefeuert haben (na^o'^vvo)): „Meine Kinder,
ich sende euch an den allergefährlichsten Ort, von wo keiner (mehr)
wiederkehren wird. Aber glaubt mir, ich beneide die Väter und
die Mütter, deren Söhnen es vergönnt sein wird fürs Vaterland zii
sterben (Aor.). Gehet und zeigt, daß wir Japaner an Mannesmut
hinter keinem Volk der Welt zurückstehen! Ihr seid wenige, da-
rum muß jeder von euch fast Unmögliches leisten. Verliert einer
die rechte Hand, so gebrauche er die linke, kommt einer um beide
Hände, so soll er mit den Füßen arbeiten! Wenn aber einer vor
dem sichern (== bevorstehenden, ivLavri^i) Tode zurUckbebt, so soll
er jetzt (noch) vom Unternehmen zurücktreten; er wird nicht im
geringsten von mir getadelt werden." Da alle erklärten völlig
bereit (Superl.) zu sein zu sterben, schloß er: „Besteigt (Aor.) jetzt
eure Schiffe, mit welchen ihr alle zugrunde gehen werdet! Aber
über euren Tod möge der Feind sich nicht freuen (Aor.)! Möget
ihr alle sterben (Aor.) erst nach j2:lücklich vollbrachtem Werke!
Evängeksches Landexamen lM4. 243
Firanzösische Komposition.
Ohne Zweifel habt ihr alle, die ihr in diesem Saale sitzt,
schon einen Wolf gesehen in einer Menagerie, aber keiner wird
einem Wolf im Wald begegnet sein, weil es bei nns seit lange
keine Wölfe mehr gibt. Aber ausserhalb (hors de) Deutschlands,
in Rußland und sogar in Frankreich, sind sie keineswegs ausge-
rottet (ezterminer), obgleich ihre Zahl, wenigstens in Frankreich,
sehr abgenommen hat. Wenn die französisclien Jäger sich ihrer
Pflichten früher erinnert hätten, so wäre es ihnen bereits gelungen,
sie vollständig auszurotten, was in England vor 200 Jahren geschehen
ist. In Frankreich ist am 4. August 1882 ein Gesetz veröffentlicht
worden, nach welchem für jeden erlegten (= getöteten) Wolf ein
Preis bezahlt wird. Hat ein Wolf Menschen angegriffen, so erhält
derjenige, der ihn getötet hat, 200 Francs. S o sind in den Jahren
1882—1901 mehr als 9000 Wölfe erlegt worden (= umgekommen).
Dem Wolf fehlt es nicht an List, er ist noch viel vorsichtiger
(pmdent) als der Fuchs, dessen Vetter er ist. Den Jäger, der sich
ihm nähert, hört oder riecht er auf (Ä) die größte Entfernung und
läuft so schnell, daß ihn kein Hund einholt. Aber beim Anblick
eines Menschen entflieht er, ausser wenn er (4 moins que-ne mit
Subj.) ganz ausgehungert ist (=vor Hunger stirbt).
Die Zahlen sind zu übersetzen!
Mathematik.
1. Berechne den Ausdruck:
4025
.4 /.„4950 • .8\
^'9~i^^90Ö9""^^i3J-
7475
1,25 ^2,5 + 3|- + 5,8 — 8,0555 • • • •]
2. Ein Besitzer von 2 Kaufläden A und B erhielt früher von
A 700 Mark mehr Pacht als von B. Jetzt bringt B 490 Mark
mehr als A, weil A um 20 "/u gesunken und B auf das IVsfache
gestiegen ist. Wie groß ist die heutige Gesamteinnahme?
3. Jemand kaufte ein Faß Wein für 383 Mark. Die Hälfte
davon und noch 10 Liter verkaufte er mit 12 "/^ Gewinn, ^Is des
Restes mit 9 ^h Gewinn und V5 des Restes war unbrauchbar. Dadurch
betrug der Gewinn des ganzen Geschäftes nur 90 Pfennig. Wieviel
Liter enthielt das FaßV
4. Zeichne über a = 5 cm als Hypotenuse ein gleichschenklig-
rechtwinkliges Dreieck ABC. Halbiere den Winkel ABO durch BD ;
244 Katholisches Landexamen 1904.
errichte auf BD das Mittellot; welches BC in E und die Verlänge-
rung von AC in F schneidet; ziehe noch DE und BF und beweise, daß
1. DE II AB, 2. BF ± BC und 3. AF = AB ist.
I ' 1
5 cm.
Katholisches Landexamen 1904.
Deutscher Aufsatz.
Die Pflege der Leibesübungen im Altertum und in der
Gegenwart.
Lateinische Komposition.
Im Jahr 1761, dem für Friedrich den Großen schwersten des
ganzen Siebenjährigen Kriegs, schmolzen seine Machtmittel immer
mehr zusammen, ohne daß von irgendeiner Seite Hilfe in Aussicht
zu stehen schien; des Königs Willenskraft blieb trotzdem un-
erschütterlich. Es war die reinste Wahrheit, wenn er im Sommer
des genannten Jahres an den berühmten englischen Staatsmann Pitt
schrieb: „Zwei Triebfedern sind es, die mein Handeln bestimmen:
die eine ist das Ehrgefühl und die andere das Wohl des Staates,
den der Himmel mir zum Regieren gegeben hat. Sie schreiben mir
zwei Gebote vor, einmal, nie etwas zu tun, worüber ich zu erröten
hätte, wenn ich meinem Volke Bede stehen müsste, sodann, für
meines Vaterlandes Heil und Ruhm den letzten Tropfen meines
Blutes hinzugeben. Mit solchen Grundsätzen weicht man seinen
Feinden nie; mit solchen Grundsätzen hielt Rom sich aufrecht
gegen Hannibal nach der Schlacht von Kanuä; mit solchen Grund-
sätzen behauptete sich eure große Königin Elisabeth gegen Philipp II.
und die unüberwindliche Flotte ; mit solchen Grundsätzen hat Gustav
Wasa Schweden (Sueci) aus der Knechtschaft aufgerichtet und den
Tyrannen Christian aus dem Lande gejagt; und mit gleicher Seelen-
größe, mit Tapferkeit und Ausdauer haben die Prinzen von Oranien
(Arausionensis) die Republik der Niederlande (Batavi) gegründet.
Das sind die Vorbilder, denen ich zu folgen entschlossen bin.^^
Lateinische Exposition.
Galli, cum inter incendia ac ruinas captae urbis nihil superesse
praeter armatos hostes viderent, nequiquam tot cladibus territos
Katholisches Landcxameu 1904. 245
nee flexuros ad deditionem animos, ni vis adhiberetur, experiri
ultima impetamque facere in arcem statnunt. Prima luce signo
dato multitudo omnis in foro instrnitnr; inde clamore sublato ac
testudine facta subeunt. Romani^ qua signa ferri videbant, . ea robore
virornm opposito scandere hostem sinunt^ quo successerit magis in
ardunm, eo pelli posse per proclive facilius rati. Medio fere clivo
restitere atque inde ex loco superiore impetu facto tanta strage
fudere Gallos, ut nunquam postea nee pars nee universi temptaverint
tale pugnae genus. Itaqne omissa spe per vim atque arma subeundi
obsidionem parant, cuius ad id tempus immemores quod in urbe
fnerat frumentum incendiis urbis absnmpserant. Igitur exercitu
diviso partim per finitiroos populos praedari placuit partim obsideri
arcem, ut obsidentibus frumentum populatores agrorum praeberent.
Griechische Komposition.
Als nach dem Tode des Satrapen von Äolis Pharnabazos
(^ AioXLqj 0aQvußa^og)f zu dessen Herrschaft dieses Land gehörte,
die Satrapie einem andern übertragen wollte, kam des Verstorbenen
Frau, namens Mania (Mana), zu ihm mit der Bitte, sie zur Herrin
des Landes zu machen (xa&lazijfii Aor.); sie versprach nämlich,
die Steuern jedes Jahr ebenso pünktlich zu bezahlen (Inf. Fut.),
wie es bisher geschehen war, and sich in allem andern möglichst
zuvorkommend gegen ihn zu zeigen (Inf. Fut.). Und Pharnabazos
gewährte ihre Bitte; Mania aber war nicht bloß für das Wohl ihrer
Untertünen aufs eifrigste besorgt, sondern gewann auch zu den
Städten, die sie überkommen hatte, noch eine Anzahl anderer am
Meere gelegener, teils durch Überredung teils mit Hilfe eines grie-
chischen Söldnerheeres. So war es nicht zu verwundern, daß
Pharnabazos sie sehr hoch schätzte und zuweilen sogar zu Rate
zog. Als sie aber über 40 Jahre alt war, fiel sie der Treulosigkeit
ihres Schwiegersohnes, der auf ihren Ruhm eifersüchtig war, zum
Opfer. Aber auch er sollte seine Absicht nicht erreichen ; denn der
lakedämonische Feldherr, der damals für die Freiheit der griechischen
Städte in Kleinasien kämpfte, entsetzte ihn bald darauf der Herrschaft,
die er seiner Schwiegermutter entrissen hatte.
Französische Komposition.
Ein französischer Oberst, dessen Schenkel (la cuisse) eine
Kugel getroffen hatte, wurde in ein nahes Haus gebracht
(transporter) und die Ärzte, die man bedurfte, holte ein Adjutant.
246 Katholisches Landexamen 190d.
Bald kamen sie und begannen das verwundete Bein zu unter-
suchen (sonder). Der Patient war ohnmächtig geworden, ehe
sie erschienen waren; aber unter (entre) ihren Händen wachte
er wieder auf. Immer suchten und untersuchten sie, die Sache
verlängerte sich unangenehm. Zuerst hielt er tapfer aus und
schwieg standhaft, obwohl er große Schmerzen litt. Aber immer
erneuern sie ihre Versuche (la tentative), seine Leiden ver-
schlimmern sich, er weiß nicht einmal, was sie wollen, man ver-
hehlt es ihm augenscheinlich; endlich siegt der Schmerz, er
bricht das Schweigen: zürnen Sie mir nicht, meine Herren, aber
ich kann es nicht mehr aushalten. Was machen Sie denn (donc) V
Sagen Sie es mir? — Wir bemühen uns die Kugel zu finden, die
Sie ins Bein bekommen haben, antworteten sie. — Bomben und
Granaten (= tausend Bomben la bombe)! rief der Oberst, das
mußten Sie mir früher (früh = tot) sagen; ich habe sie in der
Tasche (la poche).
Mathematik.
1.
(4,875:7-;2-^2-)(9A-3-|-.l,65....)
(5,833
: 1,11 ^) ('^4 ~ ^Ö" " ^»"^^^^SÖTU . . . .j
2. Zu einem Unternehmen gibt A ^/s von B und noch 300 Mk.,
C ^/g von A und noch 1000 Mk. Bei der Verteilung des Gewinns
erhält jeder den 5. Teil seiner Einlage. Wieviel erhält jeder vom
Gewinn, wenn auf A und C zusammen 1700 Mk. kommen?
3. Jemand kauft von einer Ware 175 kg, das Kilogramm durch-
schnittlich zu 3.20 Mk. Er verkauft ^/t der Ware mit doppelt so-
viel Prozent Gewinn als den Rest. Wieviel Prozent beträgt sein
Gewinn an den beiden Posten, wenn der Erlös vom Rest um V5
größer ist als der Erlös vom ersten Posten?
4. Zeichne das gleichschenklige Dreieck ABC aus der Grund-
linie BC = 6 cm und dem Winkel an der Spitze = IV3 R (Kon-
struktion beschreiben). Errichte sodann auf AC in C das Lot, das
die Verlängerung von BA in E schneidet und auf AB in B das
Lot, das die Verlängerung von CA in D schneidet, und ziehe DE.
Zu beweisen, daß DE parallel BC ist.
' ^ •
o cm
Ackerknecht, Z. Verdeutschg. n. Erklärg. d. Fachausdr. otc. 247
Zur Yerdeutsohung und Erklärung der Fachausdrücke
in der Sprachlehre.
Von Professor J. Ackerknecht.
Heft 11 des Korrespondenzblattes von 1904 enthält einen Bei-
trag von Herrn Oberstudienrat Hauber über ,,die grammatischen
Grundbegriffe in deutscher Bezeichnung^*, mit entsprechenden Vor-
schlägen, die umso wertvoller und dankenswerter sind, als sie von
so maßgebender Seite, von einem Vertreter unserer Unterrichts-
verwaltung selbst, ausgehen. Das erwähnte Heft (vom November
1904) habe ich, obgleich es auch einen Aufsatz von mir: „Wie
lehren wir die Verdeutschung von Plusquamperfectum usw.?^ ent-
hält, besonderer Umstände halber erst mehrere Monate später zu
Gesicht bekommen, weshalb meine Stellungnahme zu den erwähnten
Vorschlägen etwas verspätet kommt. Und doch möchte ich, da
ausdrücklich zu deren Erörterung aufgefordert wird, meine Ansicht
nicht ganz unterdrücken, umso weniger, als es sich hier um eine
Frage handelt, mit der ich mich selbst während einer langen Reihe
von Jahren wiederholt beschäftigt habe.
Herr Oberstudienrat H. beginnt mit dem Hinweis auf die Vor-
schrift unseres amtlichen Lehrplans, wonach in unseren höheren
Schulen die Kunstausdrücke der Sprachlehre in den zwei ersten
Schuljahren in deutscher, im dritten Schuljahr neben der deut-
schen auch in lateinischer^) Bezeichnung gelehrt und ein-
geübt werden sollen. Was nun zunächst meinen grundsätzlichen
Standpunkt in dieser Frage betrifft, so bin ich der Ansicht, dass
dem Schüler — abgesehen vielleicht von den zwei ersten Schul-
jahren — unter Umständen nicht bloß eine (muttersprachliche)
Bezeichnung für den betr. grammatischen Begriff erklärt werden
sollte, wenn auch vielleicht für den laufenden Gebrauch in den
meisten Fällen nur je ein Ausdruck dafür von ihm verlangt
wird. Jedenfalls sollte ihm meines Erachtens neben einer (unter
Umständen auch mehreren) deutschen Bezeichnung der betr. fremd-
sprachliche Ausdruck nicht bloß bekannt, sondern — später
vielleicht sogar in erster Linie — durchaus geläufig sein, schon im
') Lateinisch, aber „in deutscher Form^, d. h. also mit „ein-
gedeutschter** lateinischer Benennung (vgl. weiter unten die Fuß-
note zu Nr. 31). — „Eindeutschen" (vgl. „germanisieren") = * dem
Deutschen einverleiben, ganz ins Deutsche aufnehmen oder einbürgern
(in deutsche Form umgestalten = deutsch umformen) ; vgl. z. B. : ein-
reihen, einbeizen, einsacken, einkerkern, einsargen, einschiffen u. ä.
248 Ackerknecht, Zur Verdeutschung und
Interesse unseres fremdsprachlichen Unterrichts 0; umso mehr, als fast
alle diese Ausdrucke^ wenn auch in mehr oder weniger veränderter
Form, wirkliche, allen Schulsprachen gemeinsame Weltwörter
geworden sind. Was sodann die zu wählende muttersprachliche
Bezeichnung anbelangt, so bin ich, wie Herr Oberstudienrat H., der
Ansicht, daß sie womöglich die wichtigste Seite des betr. gram-
matischen Begriffs [H.: ,,eine möglichst wesentliche oder bezeich-
nende Seite desselben"] ausdrücken muss (vgl. meinen oben er-
wähnten, im Februar 1904 geschriebenen Aufsatz am Schluss), und
daß sie, entsprechend den von Herrn Oberstudienrat H. aufgestellten
drei Grundsätzen, sein soll: I. grammatisch und logisch-richtig
n. verständlich (für alle Schüler der betr. Unterrichtsstufe) und
TU. kurz — drei Erfordernisse, die Herr Oberstudienrat H. selbst
als „teilweise untereinander in Widerstreit stehend" bezeichnet und
von denen das zweite mir viel wichtiger erscheint als das dritte').
Zu den einzelnen Vorschlägen selbst übergehend, bemerke ich
zum voraus, daß ich mit den vorgeschlagenen Verdeutschungen,
unter denen sich m. Er. sehr glückliche neue Wortschöpfungen be-
finden, völlig einverstanden bin, sofern ich hier keine anderweitigen
Bezeichnungen vorschlage ^).
Zu A. Wortarten.
1. Für Substantiv schlage ich vor: Dingwort^) oder
[wie H.] Hauptwort.
^) Einem Realschüler sollte z.B. neben „Subjekt^ mit der Zeit
auch „sujet*' geläufig sein.
' ') So halte ich z. B. die für Interjektion vorgeschlagene Bezeichnung
„Ausrufwort** (ebenso auch „Empfindungswort**) für treffender und ver-
ständlicher (und darum auch für zweckmäßiger) als etwa das kürzere
„Rufwort" (vgl. „Rufname**).
') Die mit einem * versehenen Bezeichnungen sind von mir selbst
geschöpfte Neubildungen, wobei allerdings die Möglichkeit nicht aus-
geschlossen ist, daß vielleicht doch auch ein bereits von andern ge-
fundener Ausdruck, welcher (ohne daß dies mir heute noch bewußt
wäre) etwa vor Jahren mir schon irgendwie einmal aufgestoßen sein
könnte, als von mir selbst gefunden bezeichnet ist.
*) „Ding** = Bezeichnung alles dessen, was ist (Sanders) — ob
sinnlich wahrnehmbar oder nur in der Vorstellung (nur „in Gedanken*')
vorhanden. Wir sprechen ja z. B. auch von „geschehenen Dingen**,
also von Vorkommnissen (Handlungen). Femer: es ist „ein köstlich
Din g** (z. B. um die Freiheit — bloßer Begriff bezw. Zustand) = etwas
Köstliches; also auch allgemein: ein Ding = ein Etwas.
Erklärung der Fachausdrucke in der Sprachlehre. 249
2. Konkretes Substantiv = Sinnendingwort [H.: Sachwort] M«
B. Abstraktes Substantiv = G6dankendingwort[H.: Denk-
wort].
4. Adjektiv = Eigenschaftswort oder [wie II.] Beiwort.
5. Reflexiv = selbstbeztiglich* [H.: rückweisend], ein
Ausdruck, der m. Er. die grammatische Verwendung der betr. Für-
wörter und Zeitwörter noch schärfer bezeichnet als etwa „znrQck-
zielend" oder „rückweisend" (vgl. auch „rückbezüglich^^ = relativ).
6. Relativ = rückbezüglich [H. : beziehend — vgl. : Waren von
jemand „beziehen^^].
7. Possessiv = besitzanzeigend oder zueignend [H.: eignend
— vgl.: es „eignet" sich zu etwas].
8. Demonstrativ = hiuzeigend [H. : zeigend].
9. Determinativ [fehlt bei H.] = bestimmend.
10. Verb = Zeitwort [H.] oder Tätigkeitswort.
11. Präposition = Vorsetzwort* [H.: Vorwort] oder Ver-
hältniswort.
12. Subordinierende Konjunktion = unterordnendes Binde-
wort [H.] oder Nebensatz-Bindewort*.
13. Koordinierende K. = beiordnendes [IL] oder gleich-
stellendes* Bindewort oder (nach seiner hauptsächlichsten Ver-
wendung) = Hauptsatz-Bindewort*.
Zu B. Formenlehre.
■
14. Flektierbare bezw. flektierte Nennwörter (Hauptwort, Bei-
wort, Fürwort, Zahlwort) = veränderliche * (biegbare *) bezw. v e r-
änderte*N. [H. : flektiert = gebogen]; — Gegenteil: unver-
änderlich (unbiegbar oder biegungslos) bezw. unverändert [H.:
ungebogen, biegungslos].
15. Partikeln [bei H. nicht erwähnt], d. h. Umstandswort, Vor-
setzwort, Bindewort und Ausrufwort = Starrwörter (unbiegbar,
außer gewissen steigerbaren Umstandswörtern).
16. Deklination = Fallbildung [H.] oder Fallbiegung.
17. Genitiv = Wessenfall oder [IL] Wesfall.
18. Positiv = Grundstufe oder [H.] erste (Steigerungs-)
Stufe = erster Grad;
*) Die Sinnendingwörter werden eingeteilt [bei H. nicht erwähnt]
in: 1. Eigennamen; 2. Gattungsnamen oder m. Er. besser
Gattungsdingwörter *; 3. Stoffnaraen oder Stoffdingwörter*
nnd 4. Sammelnamen oder Sammeldingwörter*; z. B. Gebirge,
Heer sind „Sammeldinge" ♦, B erg, Soldat die zugehörigen ^Einzeldinge« *.
250 Acker knecht, Zar Verdeutschung und
Komparativ = Mittelstufe* = zweite Stufe [H.] oder höhere
Stufe = höherer Grad;
Superlativ = Höchststufe* oder [H.] dritte Stufe = höchster
Grad.
19. Konjugation = Zeitabwandlung* oder [H.] Abwandlung
= Zeitbiegung oder Zeitenbildung* [vgl. Nr. 16 H. : Fallbildung].
20. Aktiv = Tätigkeitsform oder [H.] Tuform; aktive (Zeiten)
= tätige oder [H.] tuende.
21. Tempora = Zeitformen oder [H.] Zeiten.
22. Imperfekt = (vgl. meinen oben erwähnten Aufsatz) un-
vollendete Vergangenheit*^) oder auch — rein äußerlich
betrachtet und bezeichnet — „einfache" Vergangenheit*,
weil nicht (mit einem Hilfszeitwort) zusammengesetzt [H.: Ver-
gangenheit].
23. Perfekt = (vgl. meinen oben erwähnten Aufsatz) Jetzt-
vergangenheit* [H.: Vollendung]; da diese Zeitform etwas als
Jetzt vergangen" (in bezug auf die Jetztzeit vollendet) hinstellt.
Auch wird sie — ein das Gedächtnis unterstützendes, wenn auch rein
äußerliches Kennzeichen für unsere jüngeren Schüler — mit der
„Jetztzeit" (Gegenwart) des Hilfszeitworts zusammengesetzt^). Vgl.
hierzu auch: Plusquamperfekt = [H.] Vorvergangenheit (sozu-
sagen die „Vorher- Vergangenheit"). — Diese Verdeutschung der drei
Vergangenheitsformen halte ich für die (auch jtlngoren Schülern)
am leichtesten erklärbare« Herr Oberstudienrat Hauber verdeutscht :
Imperfekt bezw. Perfekt = Vergangenheit bezw. Vollendung,
zwei Begriffe; deren Unterscheidung jüngeren Schülern schwer fallen
dürfte.^) Außerdem wäre dann das Imperfekt die „Vergangenheit"
schlechtweg (par excellence); sozusagen die „Hauptvergangenheit" *.
Und doch ist für den jüngeren Schüler (nebenbei: auch für den
französischen — nach P. Passy-Paris) eigentlich das Perfekt
') Z. B. : Damals (bei meinem Eintreffen) lernte er „gerade"^ seine
Aufgaben. [Das Lernen war also „damals" noch ^nicht vollende t*^.]
') Z.B.: Er hat seine Aufgaben — Jetzt" — schon gelernt
Das Lernen ist also nj^tzt vollendet'' (für die Jetztzeit vergangen).
Die genauere, aber m. Er. für jüngere Schüler weniger leicht ver-
ständliche Bezeichnung (vgl. auch die nächstfolgende Fußnote) wäre
daher: „Jetzt- Vollendung" [Vollendung hier im Sinne von „Vollendet-
heit" — vgl. „Vollkommenheit"], eigentlich die „vollendete Gegenwart**.
") „Vollendung** wird überdies vom Sprachgefühl unserer Schüler
wohl ausschließlich als Handlung aufgefaßt (wie z. B. in : die „Vollen-
dung" einer Arbeit).
Erklärung der Fachausdrücke in der Sprachlehre. 251
die „Hauptver^angenheit^^, nämlich die unseren Kleinen in ihrer
heimischen „Redesprache^' fast allein geläufige Zeitform der Ver-
gangenheit; während das Imperfekt für sie im allgemeinen nur
eine „papierene" Vergangenheitsform der Schriftsprache darstellt.
24. Modus = Aussageart [H.] oder Aussageform^ (Sprech-
weise).
25. Indikativ = gewisse Aussage form*') oder Gewiß-
heitsform [H. : Sageform];
Konjunktiv = ungewisse Aussageform * oder Ungewißheits-
form [H.: FUgeform]; z. B.: „Man sagt (gewisse Aussageform),
daß er noch lebo (ungewisse A.).^* — Allerdings wird der Kon-
junktiv 'auch für die Sprechweise des Wunsches gebraucht;
z.B.: „Er lebe hoch!" Es kann jedoch gar keine deutsche Be-
zeichnung geben — ebensowenig wie eine fremdsprachliche (latei-
nische) — welche den Sinn sämtlicher möglichen Fälle der Ver-
wendung dieser „Aussageart" in sich schließen könnte. (Vgl. meinen
mehrerwähnten Aufsatz am Schluß.)
26. Imperativ = Befehlsform — vgl. Gewißheitsform^ Bedingungs-
form [H.: Befehlform].
27. Konditional [bei H. nicht erwähnt] = bedingende (bedingte)
Aussageform* oder Bedingungsform.
28. Infinitiv = Grundform oder [H.] Nennform (vgl. oben
Nr. 14 „Nennwort").
29. Partizip = Mittelwort [H.] oder Mittelform [H.],
d. h. Mittelding zwischen Zeitwort (vgl.: Der Schüler ward ge-
straft) und Eigenschaftswort (vgl.: der gestrafte Schüler; der
strafende Lehrer); und zwar [bei H. nicht erwähnt] Mittelwort
der Gegenwart oder Gegen warts-Mittelform* und Mittelform
der Vergangenheit oder Vergangenheits-Mittelwort*. Die
in ihrer Fassung weniger logische Bezeichnung „vergangene Mittel-
form" * [wörtlich = „Participe passe" — vgl. die Fußnote zu Nr. 25]
wäre wohl weniger zu empfehlen.
30. Transitives Verb = Wen-Zeitwort* oder [H.] wen-
haftes Zeitwort^); eine Bezeichnung, die m. Er. jedem Schüler
*) Die logische „Unebenheit", die in der Ausdrucksweise „gewisse
und ungewisse Aussageform" liegt, würde ich ebenso ruhig hinnehmen
wie etwa die in „Participe pas86-', das „Auswärtige Amt" in Berlin
u. dergl.
*) Wen-haft = „wen" (bei sich) „habend" = mit „wen** — mit
einem „Wen-Zielding" (s. Nr. 33) - „behaftet".
252 Acker knecht, Zur Verdeutschung und
leicht verständlich gemacht werden kann und daher als glückliche
Neubildung zu begrüßen ist; desgl.:
intransitiv = [H.] wenlos, womit allein das Wesen und
der Gebrauch der betr. Zeitwörter völlig unzweideutig be-
zeichnet ist; nicht aber mit der sonst üblichen Bezeichnung „ziellos"
(desgl. transitiv = „zielend"), die für gewisse Fälle geradezu wider-
sinnig ist. So sind z. B. die Zeitwörter : entgegengehen, zustreben
(einem Ziele!), folgen, drohen u. ä. — bedürfen (wessen? — auch
wenhaft gebraucht), sich bemächtigen, gedenken u. ä. zwar „in-
transitiv", ihrem Sinn nach jedoch sicherlich nicht „ziellos", sondern
geradezu „zielend" (nicht aber „transitiv"!). Vgl. hierzu auch
weiter unten die zweite Fußnote zu Nr. 33.
Zu C. Satzlehre (Syntax).
31. Zum „Verbum finitum eines Satzes" wtlrde ich etwa
folgende Erklärung geben:
Mit Ausnahme des Infinitivs und der Partizipien kann
ein Zeitwort in allen übrigen Zeiten die drei Personen
(Personenformen*) der Einzahl und der Mehrzahl bilden (und zwar
mittels besonderer Endungen = „Personenzeichen"*; vgl. oben
Nr. 25: man sagt, er lebe). Das Verb ist dann „der Person
nach bestimmt" — in einer bestimmten Person stehend — oder
„personbestimmt" == finitum und heißt daher:
Verbum finitum (das „finite Verb"^) = personbe-
stimmtes oder personenbildendes Zeitwort* oder Per-
sonen-Zeitwort*.
Herr Oberstudienrat 11 au b er verdeutscht:
V. finitum = personhaftes Z. = Z, in Aussageform. Aller-
dings ist „personhaft" soviel wie „personhabend" (mit einer der
Personenformen „behaftet"). Doch könnte dieser Ausdruck nament-
lich bei jüngeren Schülern zu unklarer oder falscher Auffassung
und Deutung des Wortbegriffs Anlaß geben und durch die Erinne-
rung an ähnliche, ihnen bereits geläufige Wortbildungen — wie
z. B. geisterhaft (= geister artig), fabelhaft, flegelhaft, krüppelhaft
u. dergl. — in seiner unmittelbaren Verständlichkeit für jüngere
Schüler beeinträchtigt werden, was bei dem Ausdruck „wenhaft"
(Nr. 30) — mit seinem Gegenteil „wenlos" — m. Er. doch weniger
der Fall ist. Ferner kann in Beispielen wie: „Das Unternehmen
*) Desgleichen ließe sich vielleicht für „Futurum exactum" als
„eingedeutschte" Form setzen: „das exakte Futur"* = [H.] Vor-
zukunft.
Erklärung der Fachausdrucke in der Sprachlehre. 253
ist geglückt^* — das Partizip wohl als ein in Form der Aus-
sage stehendes Zeitwort bezeichnet werden, «ohne aber darum das
finite Verb des Satzes [H. : das Zeitwort „in Aussageform^^] zu sein.
32. Zum Wesen des Subjekts gehört: 1. daß es stets auf
die Frage ,,wer?^^ steht; 2. daß es das aussagende Zeitwort (Aus-
sage-Zeitwort) — oder genauer: das personenbildende (personbe-
stimmte) Zeitwort — in Personen- und Zahlform nach sich „richtet".
Ich schlage daher als Verdeutschung vor:
Subjekt = das Werding* oder Richtding*^) oder
Richtwort* des Satzes. Übrigens besteht schon neben der all-
gemein üblichen und in unseren Volksschulen amtlich eingeführten
Verdeutschung „Satz gegen stand" auch noch die m. Er. eben-
falls nicht unpassende Bezeichnung „Hauptding" des Satzes.
Herr Oberstudienrat Hauber verdeutscht:
Subjekt = das Wer = der (Satz-)Stand oder Urständ [allen-
falls auch „Unterstand" 2)]. Da übrigens das Subjekt im Vergleich
zu den anderen Satzgliedern [H.] oder Satzteilen [H.] nicht nur
etwas als selbständig Gedachtes, sondern auch schon äußerlich,
seiner unabhängigen, unflektierten Form nach, etwas „Selbstän-
diges" darstellt, so könnte es vielleicht noch passender als mit
„Urständ" oder „Unterstand" mit dem — jüngeren Schülern freilich
m. Er. ebenfalls nicht gerade leicht und unmittelbar verständlichen
— Ausdruck „Selbstandswort" („Selbstand") des Satzes
bezeichnet werden, Grimms Wörterbuch (X. Band, von 1900) be-
zeichnet mit „Selbst-Stand" ein selbständiges (einziges, ungeteiltes)
Ding und gibt „Selbststand- wort" als Übersetzung von substan-
tivum (s. 0. „Unterstand") an.
Zu den allgemein üblichen Bezeichnungen „grammatisches"
und „logisches Subjekt" [bei H. nicht erwähnt] noch eine
kurze Bemerkung:
*) D. h. das die Personen- und Zahlform der Aussage „richtende
(bestimmende) Ding". [Betr. „Ding" s. Fußnote zu Nr. 1.] Vgl. hierzu
z. B. „Richtschnur** = die Schnur, welche die Richtung bestimmt oder
nach der etwas gerichtet wird.
*) Der „Unterstand" = das Unter-ständige (wörtlich = lat.
snb-stantivum) = das Unterstellte = das Untergeordnete, Unter-
worfene = sub-jectum. Das Wort „Subjekt** im grammatischen
Sinn bedeutet also wohl ursprünglich: das der Betrachtung oder Be-
sprechung „Unterworfene" = der „Gegenstand*^* der Besprechung. Vgl.
oben: der „Satzgegenstand''' = das „Hauptding" des Sat7.cs.
2S4 Ackerknecht, Zur Verdeutschung und
In Sätzen wie z.B.: „Es eilen die Stunden^' unterscheidet
man zwischen 1. d^m grammatischen (= scheinbaren^
äußerlichen) Subjekt oder „Subjektsank findiger'^ „es^^ und
2. dem logischen (denkrichtigen) oder wirklichen (eigentlichen)
Subjekt („die Stunden"). Im Deutschen „richtet" sich das aus-
sagende bezw. das „personenbildende" Zeitwort nach dem „wirk-
lichen Richtdiug" (Werding)*, im Französischen nach dem
scheinbaren.
33. Das Objekt^) ist nach seinem Wesen und seinem Gebrauch
in der Sprachlehre die mehr oder weniger notwendige Er-
gänzung zum Prädikat — Objekt = Prädikats-Er-
gänzung; Aussage-Ergänzung — und zwar entweder zu einem
ergänzungsbedUrftigen^) Aussage-Zeitwort [z.B.: Er be-
darf des Trostes] oder zu einem aussagenden Eigenschafts-
wort oder Beiwort [z.B.: Er ist des Trostes bedürftig], —
kann jedoch auch unabhängig von einer Satzaussage als Ergänzung
(als ergänzende Beiftlgung oder Bestimmung) zu einem attributiven
Eigenschaftswort oder [H.] beifügenden Beiwort gebraucht
werden [z. B.: ein des Trostes bedürftiger Mensch] und ist in
diesem Fall m. Er. gewissermaßen als ein „unechtes" * (d. h. nicht
zu einer Satzaussage gehöriges) Objekt^ anzusehen.
In allen drei obigen Fällen aber bezeichnet das Objekt das
Ziel oder das Ding [H.: den Gegenstand], auf das die Tätigkeit
des Zeitworts oder Tätigkeitsworts [z. B. : Er waltet seines Amtes]
oder auf das — auch im Fall seiner „unechten" Verwendung —
die Eigenschaft des Beiworts oder Eigenschaftsworts gerichtet
ist oder hinzielt; z. B.: Er kennt den Weg, ist des Weges
kundig [ein des Weges kundiger Führer]; er ist der Ehre würdig,
des Lebens überdrüssig, der Tat verdächtig, des Vergehens schuldig
— seinem Retter dankbar (für die Rettung dankbar) usw.
*) Ob-jeetum = das Entgegen-geworfene, Entgegengestellte =
das Gegenständige = [H.] der „Gegenstand^ [„Unterstand^ = sub-
jectum 8. bei Nr. 32].
») Ergänzungöbedürftig — oder „zielend«! (s. o. Nr. 30) —
sind nicht nur die transitiven Zeitwörter (Wen-Zeitwörter), sondern
auch diejenigen intransitiven (wenlosen), die eine Ergänzung im Wesfall
oder Wemfall bedürfen, zum Unterschied von den völlig ergänzungs-
losen — oder völlig „ziellosen"! (s. Nr. 30) — d. h. von denjenigen in-
transitiven Zeitwörtern, die überhaupt kein Objekt bei sich haben oder
bei sich htibcn können.
£rkläning der F^schausdrüoke in der Sprachlehre. 2^6
Ich schlage daher als passende und leicht erklärbare Ver-
deatschong vor:
Objekt = Zielding* = Ziel* oder Ergänzung; und
zwar:
,,echtes^^ * Objekt = Zielding des Satzes oder der Aussage*
= Satz-Ziel* oder Aussage-Ziel* (Prädikats-Ziel) = Aussage-Er-
gänzung* [H.: (Satz-)Gegen8tand] ; z. B.:
Genitiv-Objekt = Ziel(ding) im Wessenfall* =
We8-Ziel(ding)* oder Wes-Ergänzung* [H.: Wes-Gegen-
stand]; — desgl.:
Dat-Obj. = Wem-Ziel* Akk.-Obj. = Wen-Ziel*;
Präpositions-Objekt [bei H. nicht erwähnt] = V o r s e t z-
wort-Ziel* = Vorsetzwort-Ergänzung* = Verhältniswort-
Ziel* oder Verhältnis(wort)-Objekt; z.B.: Er schreibt an den
Freund oder (mit Wem-Ziel) dem Freund(e).
34. Apposition = der (zu dem betr. ^^Beziehungswort" ge-
hörige) erklärende Beisatz = Beisatz-Hauptwort* [H.:
beifügendes Hauptwort — vgl hierzu: beiftlgend = attributiv].
35. Ein nicht erweiterter einfacher Satz = ganz ein-
facher [H.] oder nackter Satz.
36. Hauptsätze = selbständige* oder [H.] unab-
hängige Sätze: teils Behauptnngssätze (Mitteilungssätze) oder
Aussagesätze [H.: Sagesätze], teils [wie H.] Fragesätze^ Wunsch-
sätze, Befehlssätze oder Ausrufsätze.
37. Nebensätze = unselbständige* oder [H.] abhängige
oder untergeordnete* Sätze (vgl. Nr. 12).
38. Über die (aus mehreren ,,einfachen" Sätzen) „zusammen-
gesetzten" Sätze dürfte das Wesentlichste in aller Kürze etwa
folgendermaßen zu erklären sein:
Wenn man lauter Hauptsätze miteinander ,, verbindet"
[meist je durch ein beiordnendes ,,Bindewort"y s. Nr. 13] — z. B. :
Der Vater wurde krank, ,,und" die Mutter war gestorben — so
entsteht eine „Hauptsatz-Verbindung"**) oder kurzweg
„Satzverbindung" [H.].
39. Wird aber einem Hauptsatz (oder mehreren) noch ein
Nebensatz (s. Nr. 37) oder „untergeordneter" Satz hinten oder
*) Ich gebrauche die Bezeichnung ^Hauptsatz-Verbindung oder
Satzverbindung^ schon von jeher, um damit der Verwechslung von
Satzverbindung und Satzgefüge wirksam zu begegnen.
256 Ackerkneoht) Z. Verdeutschg. u. Erklärg. d. Fachausdr. etc.
vom bezw» innerhalb ,,angefügt" bezw. „eingefügt^^ [meist durch
ein „unterordnendes^^ Bindewort^ s. Nr. 12], so entsteht ein ,,Satz-
geftige" [H.]; z.B.: Der Vater wurde krank, „als" die Mutter
gestorben war; oder: Der Vater wurde, als die Mutter gestorben
war, schwer krank.
40. Hat man ferner mehrere miteinander verbundene einfache
Sätze (Hauptsätze oder Nebensätze), die ein gleichlautendes
Satzglied haben — z. B. [mit gleichem Prädikat]: Der Vater
wurde krank, und die Mutter wurde krank — so kann man
sie zu einem einzigen Satz „zusammenziehen", indem man das
gleichlautende Satzglied nur einmal setzt, und es entsteht so (durch
eine Art Verkürzung) ein „zusammengezogener" Satz
[H.: zusammengesetzter Satz] mit mehreren Satzgliedern
der gleichen Art (mit einem „mehrfach vorhandenen" Satzglied)*);
z. B. mit mehreren Subjekten (mit „mehrfachem Subjekt"): Der
Vater und die Mutter wurden krank. — Auf diese Weise wird
m. Er. der „zusammengezogene" Satz von den „zusammengesetzten
Sätzen" — in ihrem gewöhnlichen Sinne von Satzverbindungen und
Satzgefügen — in deutlicher und leicht verständlicher Weise unter-
schieden.
Wenn nun auch weder in den Vorschlägen des Herrn Ober-
studienrat Hauber noch in meinen eigenen Ausführungen die Fach-
ausdrücke der Sprachlehre vollständig behandelt sind und z. B.
*) Die in den Stuttgarter Oberrealschulen eingeführte Auersche
deutsche Schulgrammatik (vgl. § 103 am Schluß) bezeichnet — in Über-
einstimmung mit einigen ähnlichen Lehrbüchern anderer Verfasser —
z. B. den Satz: „Ich kam, sah, siegte^' als einfachen Satz „mit
mehrgliedrigem Prädikat" (m. Er. besser: „mit mehreren Prädikaten"),
da hier die Znsammenziehung derart sein soll, daß die zwei verkürzten
Sätze „ich sah** und „ich sicf^te'* nicht mehr deutlich erkennbar
seien. Meines Erachtcns sollte man von solchen (und vielen andern!)
allzu feinen und gekünstelten Unterscheidungen und Spitzfindigkeiten
in einer deutscheu „ Schulgrammati k^^ gänzlich absehen, da ihre Be-
handlung im Unterricht wohl nur einen unfruchtbaren Zeitverlust be-
deutet und dazu angetan ist, die Schüler mit der deutschen Sprach-
lehrstunde, die ohnehin einen für sie wenig anziehenden Lehrstoff bietet,
gründlich „anzuöden". — Jedenfalls sollte ein Satz, der durch „Zu-
sammenziohung" (aus mehreren einfachen Sätzen mit gleichem Satzglied)
entstehen kann, m. Er. auch als „zusammengezogener Satz* .bezeichnet
werden.
ttajrhrer, Der erste F^erienkurs in London. 2Sf
di^jeDigön der Lautlehre gänzlich fehlen^), so wäre es doch schon
als ein großer Fortschritt zu begrüßen, wenn wenigstens über die
Verdeutschung der hier behandelten, für den Schulgebrauch
nötigsten grammatischen „Grundbegriffe^^ — über deren unklare
Auffassung die ttblicheu fremdsprachlichen Bezeichnungen dem Denk-
trägen so bequem hinweghelfen — eine Verständigung und Einigung
erzielt würde*).
Der erste Ferienkurs in London
18. Juli bis 12. August 1904.
Von Professor Dr. Rayhrer, Stuttgart.
Wer als Lehrer der neueren Sprachen ins Ausland geht und
nicht einen besonderen wissenschaftlichen Zweck dabei verfolgt,
wird sich bei seinem Aufenthalt von einer dreifachen Absicht
leiten lassen. Er will seine Kenntnis der fremden Sprache er*
weitern und befestigen, namentlich seine Fertigkeit im mündlichen
Gebrauch derselben vervollkommnen; er will einigen Einblick ge-
winnen in den Betrieb der fremdländischen Schulen, in Schulsprache
^) In der Lautlehre gebrauche ich z. B. für Diphthong „Zwie-
laut*** für Muta „Verschlußlaut" usw. [Vgl. meine ^Methodische
Anleitung zur französischen Aussprache", Lehrerausgabe; — z. B. auch
„mouillierte" = jotierte* Laute u. a.] — Nach den amtlichen
«Regeln für die deutsche Rechtschreib i>ng'* von 1902
(Seite 4) ist Diphthong = ,,Doppellaut^. Die Selbstlautverbindungen
au,i eu, ei sind jedoch in Wirklichkeit keine „doppelten" Laute wie
z. B. diu wirklich doppelt (zweifach) lautenden aa, oo, eee in
Kanaan, Zoologie, Laokoon, Oolith, Schneeebene, Alleeen, Armeeen,
Orehideeen, Ideeen u. a.
*) Nach Empfang meines Mannskripts ist von der Schriftleitung
des Korresp.Bl. (Herrn Rektor Dr. K l e 1 1) die Frage angeregt worden,
ob ich nicht auch zu den Thierer sehen Vorschlägen (Korresp.Bl.
1905, Heft 1) Stellung nehmen wollte. Ich habe jedoch Abstand davon
genommen und bemerke nur, daß ich diesen Vorschlägen, soweit sie
nicht in meinen Ausführungen bereits enthalten sind, im allgemeinen
nicht zustimmen könnte. Daß wir auch in der Sprachlehre, wie in
jedem andern Fach, in katechisierender (fragender) Weise unterrichten
und nach Möglichkeit — bezw. soweit es zweckmäßig erscheint —
unsere Schüler zum (teil weisen) Selbstfinden des ».darzubietenden** (oder
vielmehr durch geschickte Fragestellung ,,zu entwickelnden^') Lehrstoffes
veranlassen, versteht sich ja wohl von selbst
Korretpondeiublatt 1906, Heft 7.
288 Rayhrer,
und Schulordnung; und er will neue Eindrfloke sammeln von der
Art und Gesittung des Landes und Volkes. Ein Ferienkurs pflegt
seinem ganzen Wesen nach nur einem Teil dieser Ansprüche zu
genttgeu; die übrigen müssen durch besondere Bemühungen be*
friedigt werden, soweit nicht schon der Aufenthalt im fremden Lande
und der Verkehr mit seinen Bewohnern dies bewirkt. Der erste
Ferienkurs in London hat nun in höherem Maße als wenigstens
die französisch-schweizerischen Veranstaltungen derselben Art auch
weitergehenden Anforderungen genügt oder zu genügen gesucht:
genügt; weil die unterscheidende Eigenart der Inselbewohner gegen-
über den Europäern des Festlands auch bei dieser Gelegenheit auf
Schritt und Tritt zutage trat; zu genügen gesucht, indem der Kurs
der vorher ergangenen Ankündigung entsprechend und noch mehr
in seiner Ausführung mancherlei unerwartete Belehrungen und Auf-
schlüsse bot.
Schon für die Unterbringung der Besucher war in einer
für diese sehr bequemen Weise gesorgt. Wer sich einige Wochen
vor dem Beginn des Kurses anmeldete, bekam einen Bogen zuge-
sandt, den er nur auszufüllen brauchte, um eine passende Unter-
kunft nicht zu weit vom Imperial Institute, South Kensington, dem
Heim des Kurses, nachgewiesen zu erhalten. Es waren Zimmer
für 1 oder 2 Personen vorgesehen, der Preis mit Verköstigung
betrug 25 — 45 Schilling für den einzelnen. Man sorgte dafür, daß
nicht zwei Angehörige desselben Volkes in demselben Hause unter-
gebracht wurden, damit die Muttersprache möglichst wenig gebraucht
werde. Die Beschaffenheit von Wohnung und Kost, sowie die
übrigen Verhältnisse richtete sich natürlich nach der Bezahlung.
Im allgemeinen aber glaubten die Kursbesucher auf die Fragen des
Direktors und seiner Gehilfinnen versichern zu können, daß sie in
ihren Pensionen „comfortable^^ seien, wobei dann die nicht selten
zu hörende Aussprache „komfortehber* eine willkommene Unterlage
für spätere Belehrungen bot.
Wie schon diese Aussprache, so zeigte die bald geschlossene
Bekanntschaft mit den Besuchern, daß ziemlich viele derselben
nicht bloß zum ersten Male nach London gekommen waren, sondern
überhaupt erst seit einiger Zeit englisch lernten, Leute, die wohl
hauptsächlich durch die Ankündigung von Sprechübungen für „ele-
mentary and advanced students^^ angezogen worden waren. Doch
waren auch viele gründlich gebildete Teilnehmer beiderlei Geschlechts
anwesend. Eine stattliche Zahl stellten, wie immer, die Deutschen.
tter erste Ferienkurs in London. 25d
Mit ihren 66 Mann (darunter 4 Schwaben) standen sie an der
Spitze der vertretenen Länder. Im ganzen waren Angehörige von
etwa 15 verschiedenen Völkern anwesend. Hier machte sich offen-
bar sowohl die Bedeutung Londons als Mittelpunkt des Weltver-
kehrs als auch seine Lage im Nordwesten Europas geltend. Stark
war der Besuch aus Frankreich, Holland und Skandinavien. Aber
auch Italien, Spanien und Argentinien waren der Einladung gefolgt.
Die bei Kursen französischer Zunge stets zahlreich vorhandenen
Russen glänzten „Verhältnisse halber^* durch gänzliche Abwesenheit ;
dagegen hatte das siegessichere Japan einen seiner Söhne geschickt,
der während seines zweijährigen Aufenthalts in Europa zunächst
das verbündete England besuchte. Mit dem Rufe Londons als Hort
des Familienlebens hing es wohl zusammen, daß auch einige Ehe-
paare an dem Kurs teilnahmen.
Doch von den Schülern zu den Lehrern und ihren Dar-
bietungen! Der veranstaltende Ausschuß setzte sich zusammen
aus Mitgliedern der University of London — früher bekanntlich
nur eine Pfüfungsbehörde, seit 1900 eine Hochschule mit einer
Anzahl von Colleges — , aus Vertretern der Teachers Guild of
Great Britain and Ireland, die schon seither Ferienkurse für Eng-
länder auf dem Festlande geschaffen hatte, und aus Kräften, d. h.
einer Dame vom Board for the Extension of University Teaching.
Der tatsächliche Veranstalter und ausführende Leiter war Professor
Walter Rippmann, M. A., Lehrer des Deutschen am Queen's
College, einer zu der University of London gehörigen Anstalt für
höhere Mädchenbildung, zugleich vom Londoner Stadtschulrat be-
auftragter Inspektor höherer Schulen aller Gattungen, auch Heraus-
geber verschiedener Schulbücher zur Erlernung des Deutschen und
Französischen. Aus einer ursprünglich schwäbischen Familie stam-
mend, zum Teil auf deutschen Schulen und Universitäten ausgebildet
— er hat auch eine Zeitlang das Eberhard-Ludwigs-Oymnasium in
Stuttgart und das Lyzeum in Öhringen besucht — , spricht er
fließend deutsch, wenn auch mit leichtem englischen Anflug. Neben
seiner Gewandtheit und Bildung, seinem Witz und seiner Liebens-
würdigkeit befähigte ihn also jedenfalls auch der Umstand zur
Leitung eines ftU" Ausländer bestimmten Kurses, dass er Sprache
und Sitte mindestens eines fremden Landes kennt. Auch der
Stab seiner gewöhnlich bei ihrem ersten Auftreten mit empfehlenden
Worten eingeführten Mitarbeiter beiderlei Geschlechts war gut ge-
wählt. Am meisten entsprachen dem deutschen Geschmack nach
260 Rayhrer,
Aasseben, Auftreten und Darbietangen Dr. Edwards, der gelebrt«'.
Pbonetiker der Universität und Mitinspektor Rippmanns, der auf
Grund einer Arbeit Über japanische Lautlehre in Paris zum Doktor
gemacht, auch das Deutsche und Französische für seine Aufgabe
genügend kannte, und Dr. Heath, Direktor im Board of Edu-
cation — bei uns etwa einem vortragenden Rat im Kultministeiium
entsprechend — , der seine wirklich schwierige Aufgabe, in einer
Stunde über die englische Schulgesetzgebung zu unterrichten, mit
meisterhafter Klarheit und Kürze zu lösen verstand. Eine ganz
andere Gestalt war der Vortragskflnstler des Kurses und des
Queen's College, Mr. Macdonald, der in 4 Stunden bekannte
und unbekannte Stücke in gebundener und ungebundener Rede mit
gutem Ausdruck und unter großem Beifall zu Gehör brachte. Die
heiteren Abschnitte gelangen ihm, der schon äußerlich den Charakter-
komiker darstellte, entschieden besser als die ernsten und traurigen,
unter denen Miltons Lycidas besonders unglücklich gewählt war.
Der gemütliche alte Herr, den man auch auf Ferienkursen gern
sieht und hört, war vertreten durch den Herausgeber des ,,Joumal
of Education", Mr. Francis Storr, der eine Stunde lang über die
öffentlichen Schulen in England sprach, freilich mit seinem „chat^
oder „gossip^^, wie er selbst seinen Vortrag nannte, die Eleganz
einer „causerie" nicht erreichend. Eher gelang es Mr. Brereton,
in seiner Vergleichung der französischen und englischen Schulen
etwas wie eine ,,esquisse^' zu bieten, und seine Gegenüberstellung
der Schulknaben zu beiden Seiten des Kanals war jedenfalls mit
,.esprit^^ ausgeführt. Rein auf englischem Boden bewegten sich dann
wieder Mr. Hall Griff in, der Literarhistoriker, und Mr. Graham
Wallas, der Kenner von Staats- und Gemeindeverfassung. Griffin,
Professor für englische Literaturgeschiche am Qneen^s College, be-
handelte mit dem Tonfall des gebildeten englischen Predigers,
freilich auch mit einer erst allmählich leichter verständlichen Aus-
sprache, in vier Vorlesungen die ganze englische Literaturgeschichte
des vorigen Jahrhunderts, eine Aufgabe, die auch bei reichlicher
Benützung grapliischcr Mittel zur Darstellung der zeitlichen Ver-
hältnisse nicht befriedigend gelöst werden konnte. Nur die letzte
Stunde, in der der Vortragende bei Carlyle und Ruskin länger ver-
weilte, war eigentlich genußreich zu nennen. Des letzteren Auf-
fassung von Art und Aufgabe der Kunst schien sich der Redner
ganz zu eigen gemacht zu haben. Was er bei reichlicher Zeit und
beschränktem Stoff leisten konnte, zeigte ein abendlicher ändert-
Der erste Ferienkurs in London. 261
halbstündiger Vortrag (mit zahllosen Lichtbildern vom Ort der
Geschichte) über Robert Broweings seltsames und schwieriges Ge-
dicht „The Ring and the Book", wobei der Redner vorzüglich zu
erzählen und vorzutragen wußte. Mr. Wal las, der es untemahra,
die öffentlichen Einrichtungen in Staat und Gemeinde in zwei Vor-
lesungen zu behandeln, hatte, wie Griffin, ein sehr umfangreiches
Gebiet gewählt. Doch entledigte er sich seiner Aufgabe mit Ge-
schick und Erfolg. Mit feinem Lächeln beleuchtete er die Schwächen
des geschichtlich Gewordenen auf beiden Gebieten, die wachsenden
Gefahren und Schwierigkeiten des parlamentarischen Systems, die
Rttckständigkeit der großen Stadtverwaltungen gegenüber denjenigen
des Festlands, die Abneigung des Engländers gegen wissenschaft-
liche Beschäftigung mit den einschneidenden Fragen und gegen
Anstellung von besoldeten, studierten und nichtstudierten Beamten,
dabei überall Ausblicke in die Erfordernisse und Möglichkeiten der
Zukunft eröffnend. Das Bedürfnis des deutschen Hörers wurde
freilich, was die Art des Auftretens und Vortrags betrifft, erst voll
befriedigt, als in der vierten Woche Professor Vietor- Marburg er-
schien, um in anderthalbstündiger Rede über den englischen Unter-
richt an deutschen Schulen und Universitäten zu berichten. Gegenüber
der vielfach schauspielerischen Art der englischen Redner in ihren
Bakkalaureus-, Magister- und Doktortalaren machte sein schlichtes
Aussehen und Auftreten, sein Vortrag fast ohne jede Gebärde, sein
einfacher schwarzer Gehrock schon äußerlich den Eindruck des
Grundtüchtigen und Tiefernsten. Von Rippmann mit der Bemerkung
eingeführt, daß Vietor keiner Einführung bedürfe, entschuldigte sich
dieser zunächst in englischer Sprache, weil er seinen Vortrag
deutsch halte — sein Englisch, sagte er, würde allzu sehr den
Eindruck des „Made in Germany" machen — , und behandelte
dann seine Aufgabe mit meisterhafter Gründlichkeit und Übersicht-
lichkeit.
Aber auch von den übrigen Rednern wurde inhaltlich vielerlei
und Gutes geboten, und die beschränkte Zeit von je einer Stunde
war meist nur zu reichlich ausgefüllt. Den größten Aufwand an
Zeit erforderten übrigens innerhalb der schon genannten Vorlesungen
und neben denselben drei Gruppen von Vorträgen und Übungen,
die dem ganzen Kurs sein Gepräge gaben. Sie gehörten sozusagen
zum täglichen Brot, auch wenn nicht jede Gruppe alle Tage ver-
treten war, denn sie hingen unter sich wieder enge zusammen. Es
waren die Vorlesungen und Übungen über Phonetik, die Vorträge
262 Rayhrer,
über die Methode des neusprachlichen Unterrichts, die Reden über
das englische Schulwesen.
Was man in den Vorlesungen und Übungen über
Phonetik hörte, die Dr. Edwards mit Unterstützung von Professor
Rippmann hielt, war in der Hauptsache nichts Neues. Doch war
schon die Tatsache von großem Wert, daß — meines Wissens zum
erstenmal — von englischen Universitätsprofessoren für Ausländer
über englische Aussprache vorgetragen wurde. Durchweg wurde
eine starke Abneigung gegen das Eindringen der Londoner Mund-
art in die Sprache der Gebildeten zur Schau getragen. Vor der
Aussprache von „mucli'* = matsch und von ,,town^^ = tfton wurde
gewarnt; Übertreibungen und Altertümlichkeiten, wie die Aussprache
von „welP^ mit sehr stark zurückgebogener Zungenspitze und von
„which" mit hörbarem h-w wurden verworfen, und ersteres der
Mundart, letzteres den höheren Töchterschulen zugewiesen. In
manchen Fällen trat auch Unsicherheit hervor, so bei der feineren
oder gröberen Aussprache von „sure^^, und gewisse Unterschiede
bei den Mitlautern, die sogar in unsern Schulen gelehrt werden,
wie die Verschiedenheiten bei b, d, g und dem Zungen-r, wurden
nicht erwähnt. Dagegen erfuhr man einiges Beachtenswerte über
die Veränderung des Werts der Selbstlauter je nach der Betonung
und über den Ton der Wörter im Zusammenhang des Satzes. Dem
von Rippmann erteilten Rat, im ersten fremdi^rachlichen Unterricht
Lautzeichen zu verwenden, kann ich trotz seines Vorgangs in dem
von ihm herausgegebenen ersten englischen Lesebuch nicht bei-
stimmen. Die angestellten phonetischen Übungen litten übrigens
beträchtlich unter der zu großen Zahl der Teilnehmer — der ganze
Kurs war dabei zugegen — und an mangelnder Stimmanstrengung
der zumeist weiblichen Vortragenden.
Wenn schon bei dieser Oelegenheit manche Winke für den
Unterricht gegeben wurden, so befaßte sich eine Reihe von Vor-
trägen Rippmanns mit der gesamten Methode des neusprach-
lichenUnterrichts. So sehr dieser Gegenstand dem Vortragenden
als begeistertem Anhänger neuerer Bestrebungen und Inspektor höherer
Schulen nahe lag, so konnte man sich doch fragen, ob es angezeigt
war, denselben vor einer Zuhörerschaft von Ausländem zu be-
handeln, die sich großenteils zu Hause schon mit diesen Fragen
befaßt hatten oder deren heimatliche Wissenschaft wenigstens den
Engländern erst die neuen Wege zu weisen begonnen hatte. Doch
wurden immerhin einem Teil der Anwesenden ganz offenbar bis
Der erste Ferienkurs in London. 263
dahin ungeahnte Tiefen der Lehrkunst erschlossen^ das Ganze wurde
mit Frische und Wärme vorgetragen, und einzelne Schilderungen
waren von vorzüglichem Humor erfüllt. Und auch wem, abgesehen
von Kleinigkeiten, nichts Neues geboten wurde, der mußte doch
mit freudigem Staunen bemerken, wie ernsthaft jenseits des Kanals
die Umgestaltung des neusprachlichen Unterrichts betrieben wird,
der übrigens jetzt schon in den Mädchenschulen besser sein soll
als in den Knabenschulen. Rippmann selbst steht vollständig auf
Seiten der Reform und vertritt ihre einzelnen Forderungen mit
Nachdruck. Auch er will übrigens, wie die „vernünftigen" Reformer,
die Muttersprache nicht ganz aus dem Unterricht verbannt wissen,
und legt Wert auf inhaltlich ansprechende und bildende Lese-
stücke. Es ergab sich hier, wie in der Abneigung gegen die alten
Sprachen als Bildungsmittel, eine weitgehende Übereinstimmung
zwischen seinen Ausführungen und dem entsprechenden Teil der
Vorlesung Victors, der seinen bekannten Standpunkt mit Schärfe
vertrat.
Wie die Vorträge des Direktors dem Ausländer einen deut-
lichen Einblick in die einsetzende Besserung auf dem von ihm be-
handelten Gebiet gewährten, so zeigten die schon erwähnten Vor-
träge über das englische Schulwesen und die englische Schulgesetz-
gebung, daß sich alle Fragen der Erziehung und des Unterrichts
in England gegenwärtig im Fluß befinden. Es ist wahrhaft er-
staunlich, zu sehen, wie die fachmännischen Kreise jetzt dem hei-
mischen Schulwesen dieselbe Beurteilung widerfahren lassen, die
von den Bewohnern des Festlands und von den englischen Humoristen
und Satirikern schon längst geübt wird. Viel zu sehr und viel
zu lange — so tönt es wieder und wieder — haben Staat und
Gemeinde die Bildung der Kinder dem Willen oder Nichtwillen der
Eltern, dem Bedürfnis von Körperschaften und Zünften, dem Unter-
nehmungsgeist oder der Gewinnsucht Unberufener überlassen. So
bildeten sich die bekannten Mißstände heraus: die Stellung des
Anstaltsvorstands, gewöhnlich eines Geistlichen, mit seiner vielfach
unmöglichen dreifachen Aufgabe als Lehrer, Rektor und Pensionats-
inhaber, der Mangel an Einrichtungen zur Ausbildung der Lehrer
und die große Anzahl — etwa V3 sind es noch — nicht fach-
männisch geschulter Lehrer, ihre ungenügende Bezahlung und unter-
geordnete gesellschaftliche Stellung, die erbärmliche, auf das Ein-
pauken nnd Auswendiglernen eingerichtete Unterrichtsweise mit den
ungezählten Prüfungen, die geringen Leistungen der Schuler, selbst
264 Kayhrer,
in der Mattersprache. Gerade die reich mit Geldmitteln ausge-
statteten und deshalb sehr unabhängigen altbertlhmten Colleges,
wo die Jugend der ersten Familien des Landes ihre Ausbildung
genießt, sind dringend einer Umgestaltung bedürftig; mit ihrer ein-
seitigen Bevorzugung der alten Sprachen sind sie völlig hinter der
Zeit zurückgeblieben; ihre tatsächlichen Erfolge in der geistigen
Bildung der Insassen sind minderwertig, was den nicht wunder-
nehmen wird^ der z. B. die dunkeln, nur aufs notdürftigste aus-
gestatteten Lehrzimmer in dem sonst so prächtigen Eton College
gesehen hat; ihr bloßes Dasein und Sosein ist ein Hindernis für
die Hebung des höheren Schulwesens überhaupt. Aber schon
das vorige Jahrhundert hat wirksame Anfänge der Besserung all
dieser Zustände gemacht, und das neue schreitet auf dieser Bahn
fort. Die Gesetzgebung hat eine oberste Schulbehörde (Board of
Education) und Bezirks- und Ortschulräte geschaffen; die Gemeinden
und Grafschaften haben durch den Bau von Schulen und die Be-
.zahlung von Lehrern dafür zu sorgen, daß der Schulzwang durch-
geführt werden kann. Ein großer Fortschritt ist dadurch erzielt
worden, daß schon auf Anregung des Prinzgemahls Schulen mit
einer gewissen Stundenzahl für Naturwissenschaften — etwa unseren
Oberrealschulen entsprechend — Staatsunterstützung erhielten, wor-
unter dann freilich der Unterricht in den neueren Sprachen zu
leiden hat. Um eine Besserung auf letzterem Gebiet zu erzielen,
fordern die Inspektoren Professor Rippmann und Dr. Edwards in
ihrem neuesten Bericht für die Grafschaft London unter anderem
Einrichtung von Lesezimmern mit fremdsprachlichen Anschauungs-
stoffen für Schüler, Anstellung fachmännisch gebildeter Lehrer neben
oder an Stelle der den fremdsprachlichen Unterricht seither erteilenden
Klassenlehrer, mehr und höhere Beiträge für den Besuch von Ferien-
kursen und für mehrmonatlichen Aufenthalt im Ausland, Schaffung
von Wanderlehrern mit gutem Gehalt zur Vertretung während
dieser Zeit und — last not least — Ernennung eines neusprachlich
geschulten Mitglieds der Oberschulbehörde. Die Vereinigung
höherer Lehrer ihrerseits verlangt Neuordnung der Gehaltsver-
hältnisse, genügende Vorbildung der Bewerber und regelmäßige
Besichtigung der Anstalten durch technische Inspektoren. Auch
auf anderen Gebieten des Schulwesens sind vielversprechende An-
sätze zur Besserung gemacht und manche Versuche neuester Art
im Gang. Für arme Kinder werden Ferienschulen gegründet, in
ländlicher Umgebung erheben sich Anstalten mit gleichmäßiger
Der erste Ferienkurs in London. 265
Übung in körperlieher und geistiger Arbeit^ in London selbst er-
zielt eine höhere Schale mit gemeinsamer Erziehung beider Ge-
schlechter gute Erfolge. Auch die Universitätsbildung wird, wie
der Rektor der University of London, Sir Arthur Rttcker, in der
den Kurs eröffnenden Ansprache ausführte, fortschreitend im Sinne
vielseitigerer Unterrichtsgebiete, zahlreicherer Anstalten und höherer
staatlicher Unterstützungen ausgestaltet, und die Bewegung für
Yolkshochschulkurse, über die ein Vortrag des Sekretärs für London,
Mr. Roberts, unterrichtete, eine Bewegung, die in England frei-
lich viel notwendiger und berechtigter ist als bei uns, hat im ganzen
Lande große Ausdehnung gewonnen.
Von dem Ferienkurs für Ausländer, der ja auch eine Neuerung
auf dem Gebiet des Hochschulwesens in England ist, habe ich zunächst
noch die Sprech- und Aufsatzübungen zu erwähnen. Wer
nicht zum erstenmal nach England kam, schon einige Gewandtheit im
Sprechen hatte und sich in einer guten Pension befand, konnte sich
die 18 halbe Stunden Sprechübungen großenteils schenken. Die Ge-
sprächsgegenatände, fürsorglich für jede Stunde festgesetzt, waren
zwar gut gewählt, die aus etwa je zwölf Mitgliedern bestehenden
Abteilungen waren weise gemischt und die Lehrkräfte zum Teil
vorzüglich. Auch daß die meisten Stunden im Garten stattfanden,
mochte für manche seinen Reiz haben. Aber es ist kein Ver-
gnügen und kein Gewinn, das grausige Gestotter von Anfängern
im Englischen auch während der Ferien anzuhören, und auch
zn Füßen einer Lehrerin oder gar Studentin zu sitzen und sich
von einer solchen Fragen stellen zu lassen, war für den älteren
männlichen Besucher kein erhebendes Gefühl. Um diesen Übungen
aufzuhelfen, wurden mit Recht in der letzten der Kritik gewid-
meten Stunde Lese- und Yortragsübungen vorgeschlagen. Mehr zu
empfehlen waren die Übungen im Aufsatz, genauer in der schrift-
lichen Wiedergabe vorgelesener Stücke. Wer hier das Glück hatte,
einen gebildeten Lehrer mit gutem Stilgefühl zu bekommen, der
konnte bei den immer schwieriger werdenden Stücken und bei der
nachfolgenden Besprechung wirklich etwas lernen, und diese Übungen
bieten auch wohl einen Fingerzeig, wie die oft behandelte Frage
der fremdsprachlichen Aufsätze an den höheren Schulen ohne zu
hohe Anforderungen an die Schüler und ohne zu große Korrektur-
last ftlr die Lehrer gelöst werden kann.
So konnte der Kurs in Hauptvorlesungen und Übungsstunden
dem Lehrer vom Ausland mancherlei Anregung geben, dem Lehrer,
266 Rayhrer,
weil er im Unterschied von den französischen Sprachkursen vor-
wiegend das Schulwesen und die Lehrmethode behandelte, dem Aus-
länder, weil er im Unterschied von den englischen Sommermeetings
ganz für Nichtengländer berechnet war. Er wird noch fruchtbarer
werden, wenn er, wie für dieses Jahr geplant ist, von vornherein
von AnfUngern als Teilnehmern absieht, wenn femer die Zahl der
Hörer beschränkt wird, und er wird auch noch genußreicher werden,
wenn die von den Besuchern gegebenen Anregungen auf Abhaltung
von Vorlesungen über Kunst und kleinere Literaturgebiete u. a.
beachtet werden.
Neben den Stunden der Arbeit, von denen ich seither gesprochen,
habe ich noch die sozusagen außeramtlichen Gelegen-
heiten der Unterhaltung und Belehrung zu erwähnen, die
von den Leitern des Kurses veranstaltet wurden. Und da wurde
nun eine wahre Überfülle geboten, und wer alles mitmachte, wozu
er eingeladen war, für den waren auch die von 1 Uhr ab stets
freien Nachmittage und. die ganz freien Samstage zum großen Teil
ausgefüllt. In ganztägigen Ausflügen wurden Oxford und Cambridge
besichtigt. Eine hübsche Wasserfahrt auf eigenem Dampfer brachte
den lieblichen Oberlauf der Themse hinauf, nach Hampton Court,
eine andere hinab nach Greenwich. Bumham Beeches und Epping
Forest wurden zu Fuß oder zu Wagen besucht. Der Genuß dieser
Ausflüge wurde auch dadurch nicht unerheblich gestört, daß die
Leiter, zum Teil selbst mit den Öttlichkeiten noch nicht genügend
bekannt, erst im Laufe der Zeit lernten, ihre Schar ohne Ver-
spätung nach Hause zu bringen. Wer wollte, konnte auch den
Kristallpalast, die Paulskathedrale, die königlichen Marställe in
Buckingham Palace in Gesellschaft besichtigen. An Schulen wurden
außer dem College von Eton besonders zwei zur University of
London gehörige Anstalten für höhere Mädchenbildung besucht:
das außerhalb Londons prächtig auf dem Land gelegene HoUoway
College, und Bedford College, in London selbst befindlich, mit einem
Lebrerinnenseminar verbunden. Einladungen zu Preisverteilungen,
Schlußfeierlichkeiten und überhaupt zur Besichtigung ergingen auch
von anderen Anstalten und Vereinen. Die ehrwürdige Zunft der
Fischhändler lud zu einem ,,at home^^ in ihrem prächtigen Gesell-
schaftshaus an der London Bridge ein, und Professor Rippmann
selbst sah an zwei Sonntagen eine beschränkte Anzahl von Gästen
in seinem schönen Heim. Zwei Veranstaltungen sollten dazu dienen,
die Teilnehmer am Knrse mit den Lehrern und Lehrerinnen und
Der erste Ferienkurs in London. 267
miteinander bekanntzumachen und sie einem größeren Kreis von
Londonem vorzustellen. Die eine war eine ,,conver8azione" (musi-
kalische Abendunterhaltung) in einer Halle des Imperial Institute^
in der ersten Woche des Kurses von den Leitern selbst gegeben.
Die andere brachte ein ,,Student's Concert"; von den musik- und
theaterliebenden Mitgliedern des Kurses selbst veranstaltet, die sich
dabei nach Völkergmppen schieden. Die Darbietungen, unter anderem
französische Lustspiele, deutsche und skandinavische Volkslieder, eine
hinter spanischer Wand auf der Mandoline gespielte Serenade, mittel-
alterliche japanische Schwerttänze, fanden teils wegen der dilet-
tantischen Art des Vortrags, teils wegen ihrer Fremdartigkeit
keineswegs den ungeteilten Beifall der englischen Zuhörer. Und
die Aufführenden, wie auch Professor Rippmann, empfanden mit
Bedauern, daß die Vorbereitungen für den Abend zu viel Gelegen-
heit zum Gebraach der Muttersprache geboten hatten. Es war
deshalb ein guter Gedanke, wenn ftlr das nächste Jahr die Dar-
stellung englischer Stücke und der Vortrag englischer Gesänge
angeregt wurde.
Abgesehen von den erwähnten Mängeln, die dem Ganzen gegen-
über doch nur Kleinigkeiten bedeuten imd sich zum großen Teil
aus der Neuheit der Veranstaltung auf englischem Boden erklären,
war der Eindruck, den der deutsche Teilnehmer von dem Kurse
mit nach Hause nahm, ganz überwiegend günstig. Und die Be-
merkungen, die der Kursbesucher in diesem kleinen Ausschnitt
modernen englischen Lebens machte, konnte der aufmerksame Be-
obachter des gegenwärtigen Englands bestätigend verallge-
meinem. Nicht bloß auf dem von dem Inselvolke seit Jahrhunderten
besonders vernachlässigten Gebiet der Schule, sondern auch in zahl-
reichen anderen Teilen des öffentlichen Lebens hat eine kräftige
Vorwärtsbewegung eingesetzt« „Wir ändern langsam, aber wir
ändern", sagte einmal Mr. Wallas mit berechtigtem Seitenblick
auf die grundstürzenden, aber bald erlahmenden Franzosen, und
Dr. Heath bemerkte: „In einem Lande mit. unbeschränkter Preß-
freiheit dringen gute Gedanken unfehlbar durch, auch wenn sie ein
Menschenalter dazu brauchen." Und so scheint es in der Tat im
heutigen England zu sein. Die gewaltigen Pläne Chamberlains
finden bei den Gebildeten sich steigernden Beifall; die Frage
der allgemeinen Wehrpflicht ist angeregt und wird nicht zur Ruhe
kommen, bis sie früher oder später im bejahenden Sinne entschieden
ist; die parlamentarischen Einrichtungen werden als nicht mehr
268 Literarischer Bericht.
recht zweckentsprechend erkannt^ und über neue Formen ftir das
Verhältnis von Volk und Regierung wird nachgedacht; die Ge-
meindeverwaltungen beschäftigen sich in immer wachsendem umfang
mit der Sorge für Gesundheit und Sicherheit der Bürger; beschneiden
zu diesem Zweck die geliebte unbedingte Bewegungsfreiheit der
einzelnen und errichten Arbeiterwohnungen, Krankenhäuser und
Kinderheime; der Kampf gegen die Trunksucht wird weitergeitihrt,
die Gefahr der frdhen Heiraten allmählich erkannt; sogar die mangel-
hafte Höflichkeit der Bedienung in Läden und das anmassende
Betragen des Durchschnittsengländers auf Reisen wird in den öffent-
lichen Blättern ernsthaft besprochen. Und stellt man den steigenden
Erfolgen des Heilsarmeegenerals Booth um innere Erneuerung der
unteren Schichten den Propheten Ruskin zur Seite, der die Ge-
bildeten an ihre Pflichten erinnert, betrachtet man neben dem Vor-
wärtsstreben auf dem Gebiet der inneren Verwaltung die un-
leugbaren Erfolge der äußeren Politik Englands, so wird man be-
kennen mtissen : wir Deutsche haben bei dem Wettbewerb in Handel
und Industrie, bei dem Kampf um die Herrschaft auf der See und
in anderen Weltteilen, bei dem Ringen um die Führerschaft auf
dem Gebiet der geistigen Kultur mit einem Gegner zu tun, der in
gar keiner Weise zu gering eingeschätzt werden darf. Ein starkes,
gesundes und unermeßlich reiches, die Schäden seiner seitherigen
Abgeschlossenheit erkennendes und auf allen Gebieten im Fortschritt
befindliches Volk ist es, das uns gegenübersteht. Dieser Eindruck
erinnert den Vaterlandsfreund von neuem an die Aufgabe, dem
deutschen Volke in selbstbewußter Ausbildung seiner Eigenart und
stetiger Entwicklung seiner Kräfte den geistigen Besitz und die
Weltstellung zu verschaffen, die ihm gebühren.
Literarischer Bericht
Ludwig, H. Dr. Professor, Des Q. Horatius Flaccus Satiren
übersetzt. 82 S. 1.20 Mk. Karlsruhe, Gutsch. o. J.
— Priiparation zu den Satiren des Horaz« Heft L Buch L
36 S. 60 Pf. Teubner, 1904.
Die beiden Bäudchen von Ludwig können jedem Amtsgenossen
warm empfohlen werden. Die Übersetzung ist gut deutsch, trifft den
Ton der Satire glücklich, ist meistens, wenn auch nicht immer, me-
trisch recht gelungen. (So scheint uns die Übersetzung von U,l me-
titerarischer Öericht. 269
trisch besser als II, 5, vgl. letztere Satire V. 2. 14. 22. 25), so daß zum
Lesen auch fQr Nichtkenner das auch einen rechten Genuß bildet, wo-
bei dann auch nicht in Betracht kommt, daß die Zahl der Verse in
den einzelnen Satiren zwischen Text und Übersetzung nitht immer
stimmt Während die Übersetzung sämtliche Satiren beider Bücher
enthält, fallen in der SchUlerpräparation zum ersten Buche die Satiren
2.5. 8 aus begreiflichen Gnlnden weg, was man bei der 5. Satire be-
dauern, aber nicht ändern mag. Eine kurze Einleitung gibt Auskunft
fiber Bezeichnung, Richtung und Abfassungszeit. Die Angaben zu den ein-
zelnen Satiren sind reichhaltig an Zahl und Inhalt, jedesmal geht eine kurze
Inhaltsangabe voraus mit mutmaßlicher Abfassungszeit. Manchmal gehen
die Angaben über die Grenzen des für die Schüler Wissenswerten und
Erforderlichen hinaus, auch die vielen Hinweise auf das Französische
erscheinen dem Referenten meist entbehrlich, namentlich wenn gär
keine deutsche Übersetzung dabei ist; auch der deutsche Ausdruck
geht zuweilen zu weit, wenn auch zugegeben werden muß, daß der
Stoff wie die Behandlung dazu verführt. Im übrigen wird auch jemand,
der sonst kein Freund der Schülerpräparationen ist, zugeben, daß
bei den Satiren des Horaz eine solche am ehesten gerechtfertigt ist,
und daß außerdem in diesem besonderen Fall Ludwig ein sehr brauch-
bares Hilfsmittel geschaffen hat.
Stuttgart. S. Herzog.
Aus der franzKsischen und englischen Schulbibliothek, heraus-
gegeben von Otto E. A. Dickniann; Rengers Verlag, Leipzig,
von der nun 148 Bände erschienen sind, liegen uns vor:
1. Journal d'un Interpröte en Chine par le Comte d^H^risson.
Für den Schulgebrauch erklärt von Dr. Arnold Krause, weiland Profes-
sor am Friedrichs- Werderschen Gymnasium zu Berlin; Leipzig 1903;
, 2. Röcits d'Aventures et Expöditions au Pole Nord par Jules Gros.
Mit einer Karte der Nordpolarregion. Für den Schulgebrauch herausge-
geben von Ludwig Hasberg; Leipzig 1903;
8. Une famille pendant la Guerre 1870/1871 par M»« B. Boissonnas.
Onvrage couronnö par l'Acadömie Fran^aise. Für den Schulgebrauch
bearbeitet von Max Banner, Oberlehrer am Goethe-Gymnasium in Frank-
furt a. M.; Leipzig 1903.
In No. 1 schildert ein scharfsichtiger und wohlunterrichteter Teil-
nehmer der französischen Expedition nach China vom Jahre 1860, der
durch sein Nouveau Journal d^un Officier d'Ordonnance in der Schul-
bibliothek vertretene d'H6risson (Reihe A, Band 81) seine Erlebnisse
während des Feldzugs, den er in der nächsten Umgebung des Oberbe-
fehlshabers mitgemacht hat. Die Darstellung zeichnet sich durch Frische
270 Literarischer ßericht
und UrsprüDglichkeit aus und ist von einem erquickenden Hauch gesunden
Humors durchweht. Der ursprüngliche Text ist ohne Unterbrechung
des Zusammenhangs so gekürzt, daß das Bändchen im Laufe eines
Schuljahres mit einer oberen Klasse durchgearbeitet werden kann. Hier-
zu sollte aber ein Sonder Wörterbuch, wie ein solches andern Bändchen
beigegeben ist, nicht fehlen. Es kommt eine solche Menge ungewöhn-
licher Vokabeln vor, daß zu befürchten ist, das Aufsuchen derselben
im Lexikon werde das Interesse der Schüler selbst in oberen Klassen
erlahmen. — Für den am 31. Oktober 1902 verstorbenen Herausgeber
hat sein Kollege, Wilhelm Nottebohro, Berlin, die Drucklegung des
Bändchens übernommen.
No. 2 enthält 4 Erzählungen des durch eine große Anzahl interes-
santer und spannender Reiseberichte bekannten französischen Reisenden,
Jules Gros, und zwar: I. Les demiers Peaux-Rouges ; IL Le Tresor des
AncStres; HL A Travcrs les Glaces; IV. L*£xp6dition du Capitaine
De Long au Pole Nord.
Die fesselnden Erzählungen, die reich an packenden Situationen
sind, hin und wieder jedoch auf Wahrscheinlichkeit zugunsten eines
starken Effekts verzichten, sind zur Lieblingslektüre der französischen
Jugend geworden und eignen sich wegen ihres Inhalts und der einfachen,
klaren Sprache für die Mittelstufe unserer Schulen, und zwar ebenso
für Knaben wie für Mädchen. Durch das beigegebene Wörterbuch,
das durch jede Buchhandlung bezogen werden kann, sowie durch eine
ausreichende Anzahl von Anmerkungen wird die Übersetzung angemessen
erleichtert.
No. 3 ist eine von der Verlagsfirma Hetzel & Co. in Paris auto-
risierte Ausgabe von 45 Briefen, die von den verschiedenen Ange-
hörigen einer französischen Familie während des deutsch-französischen
Krieges geschrieben worden sind. Der Briefwechsel beginnt am 6. Sep-
tember 1870 und endet am 18. Januar 1871, umfaßt also die wichtigste
Zeit des Krieges. In den ausgewählten Briefen sind nur wenige
Abstriche gemacht. Das Originalwerk hat die 28. Auflage erlebt, ist
durch den Minister des öffentlichen Unterrichts zur Einführung empfohlen,
von allen Schul- und Volksbibliotheken angeschafft und wird von der
Stadt Paris bei ihren regelmäßigen Preisverteilungen als Geschenk
verwendet. Es ist leicht einzusehen, daß dabei vor allem der Inhalt,
aus welchem das in Frankreich herrschende Kriegselend zu ersehen
ist, hierbei die Hauptrücksicht bildet. Immerhin kann man die Sammlung
auch als Ehrenbrief für die deutsche Armee ansehen.
Ein Sonderwörterbuch wäre auch für dieses Bändchen, das zur
Lektüre in oberen Klassen empfohlen werden kann, erwünscht — Statt
der Angabe der Lage einzelner Orte, die für deutsche Schüler nur eine
untergeordnete Bedeutung haben, wäre in den Anmerkungen die Erklä-
rung einzelner ungewöhnlicher Ausdrücke passender.
LiterarUclier Bericht ä7l
AuB derselben Sammlnng liegen uns noch folgende in der letzten
Zeit erschienene Bändchen vor :
1. Les deux Auberges (L'ours et TAnge) von Jean-Jacques Porchat
Fflr den Schulgebranch erklärt von Fritz Strohmeyer. Mit einer Karten-
skizze. — Band 147.
2. AlfVed de Müsset. Auswahl. Für den Schulgebrauch bearbeitet
von Ernst Danuheißer. Band 145.
3. A Short History of the Norman Conquest of England von Ed-
ward A. Freeman. Für den Schulgebrauch bearbeitet von Fritz Meyer.
Mit 2 Karten. Band 148.
4. Six Tales by Modem English Authors with Preface and Notes.
Editcd by Fr. Lotsch. Band 146.
ad 1. Eine sehr anziehende Geschichte des bekannten Schweizer
Jugendschriftstellers, die sich neben ihrem feinen Humor dadurch aus-
zeichnet, daß sie sich von moralisierender Belehrung ganz freihält.
Sie ist als sehr passende Lektüre für die oberen Klassen von Gymnasien,
Realanstalten und Mädchenschulen sehr zu empfehlen.
ad 2. Die ^gereifte deutsche^ Jugend soll nach Ansicht des Bear-
beiters mit den Werken des unsterblichen Franzosen bekannt gemacht
werden. Ob die aus sämtlichen Gebieten seines Schaffens zusammen-
getragenen Stoffe selbst für die ^gereifte deutsche** Jugend eine passende
Schullektüre bilden, möchten wir stark bezweifeln. Wo kann Margot,
D ne fant jurer de rien, II faut qu^une porte soit ouverte ou ferm6e,
Don Paez selbst in der obersten Klasse ohne gelegentliches Erröten
gelesen werden. Es gibt so viele andere Stoffe, welche unbedenklich
auch der „gereiften" Jugend in die Hand gegeben werden können;
warum sollte man zu dem vorliegenden greifen? — Wir lassen Alfred
de Musset seine literarischen Vorzüge, aber zur Schullektüre eignen
sich seine Werke nicht, eher zur Privatlektüre für Studierende.
ad 8. Dieses Bändchen gibt eine eingehende Darstellung der Erobe-
rung Englands durch die Normannen mit dem, was voranging und nach-
folgte, entnommen einer im Jahr 1880 erschienenen kurzen Bearbeitung
von Freeman's in 6 Bänden, 1867—1876, herausgegebenem Werk : The
History of the Norman Conquest of England. Wo man in einer Klasse
Zeit hat, sich mit diesem in der ganzen englischen Geschichte vielleicht
folgenreichsten Ereignis in ausgedehnter Weise zu beschäftigen, wird
man dieses Bändchen sicher mit Nutzen verwenden. Insbesondere
Studierenden der englischen Sprache und Geschichte möchten wir es
angelegentlich empfehlen. Die deutschen Anmerkungen sind reichlich
gegeben. Auch ist für dieses, wie fUr die andern Bändchen, ein Sonder-
wörterbuch durch jede Buchhandlung zu beziehen.
ad 4. Der Herausgeber hat sich vorgenommen, 1. Tales ohne Slang,
2. solche, welche geeignet sind, alle Leser zu interessieren, und 8. solche,
welche belehrend sind, zu geben, und er hat wohl seinen Zweck er-
272 LiterariBcher äericiit
reicht Die Verfasser der Tales sind Robert ßarr, Ralph Henry Bar-
bour, A. Conan Doyle, Ouida (Louisa de la Ramöe), M. E. Braddon,
Mtb. Craik. — Schriftsteller und Schriftstellerin der Ncazeit Die Vor-
rede enthält kurze Notizen über dieselben. Die englischen Noten er-
klären solche Ausdrücke, die wenig gebraucht und nicht in Wörter-
büchern gefunden werden; es wäre sehr zu wünschen, daß sie reich-
licher gegeben wären. Zur Lektüre in einer oberen Riasse ist die
Sammlung wohl zu empfehlen. Auch der Studierende der englischen
Sprache wird sie mit Nutzen lesen, da sie viele Ausdrücke der modernen
■
Umgangssprache enthält. Nr. 5 würde besser durch eine andere Tale
ersetzt, die keine Andentungen auf Liebesaffären enthielte ; der Schul-
unterricht kann in dieser Beziehung nicht zu vorsichtig seih.
Stuttgart. G. A.
Das deutsche Volkstum, herausgegeben von Prof. Dr. Hans
Meyer. Zweite, neubearbeitete und vermehrte Auflage.
840 S. in 2 Teilen. Leipzig und Wien, Bibliographisches
Institut, 1903.
Es war ein schöner Gedanke, das deutsche Volkstum als Inbegriff
der gegenseitigen Beziehungen zwischen dem deutschen Volkscharakter
und dessen Schöpfungen in einer Reihe von Monographien zum Gegen-
stand einer umfassenden Darstellung zu machen; und die Notwendig-
keit einer zweiten Auflage schon nach wenigen Jahren ist ein erfreu-
licher Beweis ebensosehr für die verständnisvolle Aufnahme, die dieser
Gedanke in weiten Kreisen des deutschen Volkes gefunden hat, wie
für die glückliche Art, in der er verwirklicht worden ist. Die zweite
Auflage weist nicht nur eine Berichtigung und Ergänzung mancher
Einzelheiten, sowie eine Vermehrung der bildlichen Darstellungen auf,
sondern sie ist durch Hinzufdguug eines Abschnittes über deutsche
Erziehung und deutsche Wissenschaft wesentlich vervollständigt worden.
Daß die bildlichen Darstellungen, die der Verlag seinen Werken mit-
gibt, vortrefflich sind, weiß man; hinsichtlich der Zahl (im ganzen 44)
ist weise Beschränkung geübt, und die Auswahl war erfolgreich be-
müht, das für die Entwicklung der verschiedenen Seiten des deutschen
Volkstums Bedeutungsvollste herauszuheben. Die Namen der Mitarbeiter
(Meyer: Volkstum, I^irchhoff: Geographie, Ilelmolt: Geschichte, Weise:
Sprache, Mogk: Sitten und heidnische Religion, Seil: Christentum,
Lobe: Recht, Thode: bildende Kunst, Köstlin: Tonkunst, Wychgram:
Dichtung, Zimmer : Erziehung und Wissenschaft) bürgen für eine sach-
verständige Behandlung der Gegenstände. So verschieden diese sind,
so manchfaltig zeigt sich die Eigenart der Mitarbeiter. Aber ein ge-
meinsamer Zug geht doch durch das Ganze, die Beziehung alles
Einzelnen auf denselben beheiTSchenden Mittelpunkt und im Zusammen-
Litei'arUeher SeHctit. 273
hang damit die möglichste Vermeidung der Polemik. Freilich Hegt
hier auch die Schwierigkeit des ganzen Unternehmens: die Aufgabe,
das „Deutschtum^ in seine einzelnen Betätigungen zu verfolgen und
die einzelnen Erscheinungen als Erzeugnisse dieses „ Deutsch tums** auf-
zufassen, legt die Gefahr eines Zirkels vielfach nahe, und dieser Ein-
druck wird vielleicht für die am stärksten sein, die in das einzelne
Gebiet nicht einen genügenden Vorrat positiver Kenntnisse mitbringen,
um die Richtlinien mit dem anschaulichen Stoff des wirklichen Lebens
umkleiden zu können. Es ist allerdings ein echt deutscher Zug, aber
ein Zug, der zugleich einen Mangel bedeutet, diese Neigung mehr über
die Dinge zu sprechen, als die Dinge selbst sprechen zu lassen. Nicht
als ob die Behandlung, auch der abstrakteren Gebiete, konkrete
Züge vermissen ließe; aber sie dienen oft mehr der Beurteilung, als
daß sie zu Bildern verbunden wären, die das Leben in seiner Un-
mittelbarkeit vor uns hinstellen. Eines aber wird man dem Werk un-
bedingt zuerkennen, und das ist etwas Großes: daß es für jeden
Deutschen eine Fülle patriotischer Anregung und Anleitung enthält,
und xwar im besten Sinn des Worts, nämlich dazu, sich in das Wesen
und die Geschichte seines Volkes zu vertiefen und daraus ein Ver-
ständnis für das zu schöpfen, was diesea Volk dem Einzelnen ist und
was jeder Einzelne seinem Volk sein soll und kann.
Cannstatt. Th. Klett.
Weise, 0. Prof. Dr.; Schrift- und Buchwesen in alter und
neuer Zeit. Zweite, verbesserte Auflage. Mit 37 Abbildungen
im Text. (Ans Natur und Geisteswelt. 4. Bändchen.) 154 S.
1 Mk., geb. 1.25 Mk. Leipzig, B. G. Teubner, 1903.
Die zweite Auflage dieser in 1899 H. 7 S. 269 warm empfohlenen
Schrift hat nicht nur Einzelheiten verbessert, unter anderem gerade
auch nach den Winken dieses Blattes, sondern ein neues Kapitel zum
Schluss erhalten, über Bücherliebhaberei und Sammeleifer (Exlibris,
Postkarten, Seltenheiten). Liegt bei der neuhinzugekommenen Angabe,
daß die Pariser Nationalbibliothek im Jahr 1792 für einen 1469 in
Geislingen von Kaplan Beichenbach gefertigten Einband gegen 4000 Fr.
bezahlt habe, ein Versehen für 1892 vor? Die Spencer-Eylands-Bibliothek
in Manchester besitzt eine Biblia pauperum, auf deren Einband in
eingepreßter Schrift der Name des einstigen Besitzers Ulrich Geislinger,
Lektor der Minoriten in Ulm und dieses Buchbinders Johannes Reichen-
bach von Geislingen mit der Jahreszahl 1467 eingedruckt ist. Es wäre der
Mühe wert, dem Manne weiter nachzugehen. Weises Buch über die
Schaft verdient so viele Auflagen, wie sein früheres über unsere
Muttersprache.
Maulbronn. Eb. Nestle.
KorrMpoodaDiblatt 1906, Heft 7.
274 Litermrisoiier Beriokt
Prof. A. He int 26; Die deutschen Familiennamen, g^sohiohtUoh
geographisch, sprachlich. Zweite verbesserte und sehr rer-
mehrte Auflage. Halle, Waisenhaus.
Heintzes deutsche Familiennamen wurden gleich bei ihrem ersten
Erscheinen im Jahre 1882 mit großem Beifall aufgenommen: waren
sie doch der erste, wohlgelungene Versuch, die wesentlichen Er-
gebnisse der neueren Forschungen über diese Namen dem Kreise
aller Gebildeten nicht bloß in Bruchstücken, sondern mit einer ge-
wissen Vollständigkeit, in übersichtlicher und handlicher Form nahe-
zubringen. Diese Bedeutung kommt auch der vorliegenden «weiten
Auflage zu; sie ist in der Tat, wie der Titel besagt, vielfach umge-
staltet und — ohne Beeinträchtigung der Handlichkeit — sehr ver-
mehrt worden, und zwar ebensowohl im ersten Teile, der „Abhandlung**,
als im zweiten, dem „Namenlexikon*', wofür ich lieber „Namenbuch*
sagen möchte. Es ist z. B. der anziehende Abschnitt von der Verteilung
der Familiennamen über die einzelnen deutschen Gaue auf den doppelten
Umfang, das Namenbuch von 89 auf 72 Seiten angewachsen. Daß die
vorgenommenen Veränderungen auch Verbesserungen sind, unterliegt
keinem Zweifel ; so verdient das Werk auch in seiner neuen Gestalt die
wärmste Empfehlung. Einige Bemerkungen, die ich beifügen möchte,
sollen dieses Urteil nicht abschwächen, sondern nur eine bescheidene
Beisteuer zu der hoffentlich bald erscheinenden dritten Auflage bieten.
Zu S. 6 und 78. Bei den Einwanderungen verdient wohl
Erwähnung, daß in Württemberg im 17. Jahrhundert viele Waldenser,
im 18. zahlreiche Salzburger Aufnahme gefunden haben.
Zu S. 17. Einzuschränken ist wohl der Satz, daß die Namen
der obersten Götter nicht zu Personennamen verwendet worden
seien. Eine Ausnahme, die unseren Familiennamen „Donner*' betrifft,
gibt Heintze in der Abhandlung selbst zu; im Namenbuch wird es
wenigstens für möglich erklärt, daß die mit „Fro^, „Wod**, „Irmin** und
ning'* beginnenden Namen mit den Göttemamen Frö, Wuotan, Irmin
(Beiname Wnotans) und Inguio zusammenhangen.
Zu S. 22 Anm. und 87 Mitte. Die Kürzung der Vornamen
im Anlaut möchte ich nicht mit Heintze als sehr selten betrachten
und keinenfalls auf den Einfluß fremder Sprachen zurückführen. In
Schwaben wird u. a. das entschieden auf der ersten Silbe betonte
^Friederiken allgemein zu „Rike" verkürzt, ohne daß jemand dies als fremd-
ländisch empfände ; dementsprechend scheint es uns natürlicher, Namen
wie „Mundt" .... und „Mundigel'^, „Nante** und „Nanz^, „Warth", „Wik*
von den weitverbreiteten und wohlerhaltenen Vornamen „Sigmund**,
„Ferdinand**, „Sigwart**, „Ludwig^ als von den fast unkenntlich ge-
wordenen Zusammensetzungen mit den Bestimmungswörtern „Nand^,
„Wart**, „Wig** herzuleiten.
Literarischer Berieht. 275
Zu S. S6 — 88. Unter den zusammengesetzten Sohnesnamen
dürften schon hier Bildungen wie „Josenhans^ und „Elsenhans" anzu-
führen sein. — Sohnesnamen auf er finden sich wie in Kärnten so
aneh in Sohwaben; vgl Danzer, Kanzer, Bezler, Hegler, Denneler
Q. a. — Als weitere Verkürzungen von „Alexander^ und „Jaeobus^
mdehten wir «Sander und ,,Köbel(e)" (Abwerfung von Anfangsilben!)
einsetzen. — Eine Ausnahme von dem Satze, daß die Verkleinerungs-
form auf z sich bei Fremdnamen überhaupt nicht finde, bildet „Matz''
von ^Hatthias^; vgl Grimms Wörterbuch.
Zu S. 42. Sulzer bedeutet im Mhd. allerdings auch „Gefangen-
wärter^; die gewöhnliche (wohl auch ursprüngliche) Bedeutung ist
aber: Verfertiger von Sulzen, Rüttler.
Zu S. 45. Stott „Im Mittelalter bildete sich in Süddeutschland
Mhatttig schon ein freier Bauernstand" hieße es ohne Zweifel richtiger:
Dureks Mittelalter hindurch erhielt sich .... ein freier Bauernstand.
Zu S< 56. Seeger mag im Niederdeutschen aus „Sigher^ ent-
standen sein; im oberdeutschen Sprachgebiet kann es nur entweder
einen Sägmüller oder (aus mhd. sager) einen Sprecher, Erzähler, An-
geber bezeichnen, vgl. Leichensäger.
Zu S. 49/50. Als einfache Familiennamen, die ursprünglich
einen Körperteil bezeichneten, müssen wir doch wohl ^Kopf^, „Fues^,
„Füeßle", vielleicht auch „Mäule« anerkennen. — Daß die sogenannten
Satznamen (z. B. Traugott, Lebrecht, Wagehals) durchweg als Befehl-
sätze aufgefaßt werden sollen, will mir immer noch nicht einleuchten.
Warum sollte der erste Teil nicht (wie in den Zusammensetzungen
„Treibeis", „Druckschrift" usw.) einem Mittelwort entsprechen ? Die völlig
übereinstimmenden griechischen Bildungen AY7]o(Xaoc, 4>iXögevoc, (iiaa-
^^vaio^, (fipoLQKiQ u. a. sind unseres Wissens nie anders erklärt worden.
Kleine Versehen sind: S. 15 „Cariovalda" statt „Char . . .**
und S. 76 „im vorigen Jahrhundert" statt „im 18. Jahrhundert".
Bei einigen in der Abhandlung aufgeführten Namen sucht der
Leser vergebens nach einer Erklärung: Dromtra, Krumtum, Zumtrum
(8. 1); Boemund und Milo (S. 21); Augurwadel (S. 60); Gürzenich
(S. 61); Schrayshuon (S. 82).
Nicht folgerichtig verfährt der Verfasser bei der Mehrzahl-
bildung der Personennamen. Er gibt ihnen im allgemeinen
keine Mehrzahlendung: 12 verschiedene Hermann (S. 27); die ein-
heimischen Konrad und Heinrich (S. 39); das Land der Gutenberg
und Luther, der Leibnitz und Humboldt, der Goethe und Schiller, der
Schamhorst, Stein und Bismarck (S. 70). In zwei Anmerkungen aber
(S. 96 und 48) kommt das niederdeutsche Mehrzahl-s herein: der
Drudings, 30000 Schulzes. — Goethe schreibt „die Stolberge", Uhland
„Konrade^y Schiller gar „unsere Hippokrate" : warum sollten wir nicht
auch sagen und schreiben dürfen: „das Land der Gutenberge und
276 Literarischer Beriebt.
Luther, der Leibnize und Humboldte, der Goethe und Schiller, der
Scfaarnborste, Steine und Bismarcke^? Daß diese AuBdrucksweise
schlecht klinge, wird wohl niemand behaupten« Aus welchem anderen
Grunde aber sollten sich die Eigennamen gegen die oberdeutsche
Behandlung spröder verhalten als gegen das niederdeutsche s?
Einiges hätte ich noch bezüglich des Abschnitts über die schwä-
bischen Familiennamen auf dem Herzen; vielleicht darf ich mich später
darüber aussprechen.
Ludwigsburg. Erbe.
Naturstudien. Von Karl Kräpelin. Volksausgabe. Ausgewählt
vom Hamburger Jugendschriften-Ausschuß. Mit Zeichnungen
von Schwindrazheim. 110 S. Geb. 1 Mk. Leipzig und Berlin,
Verlag von G. B. Teubner, 1905.
Die „Naturstadien" von Dr. Karl Kräpelin, die von 1896 an in
drei Abteilungen (^im Hause" „im Garten" „in Feld und Wald") er-
schienen, bilden einen wertvollen Besitz vieler Jugendbibliotheken.
Man kann nur wünschen, daß sie durch die billige Volksausgabe wei-
tere Verbreitung finden.
Kräpelin gibt nicht wie einst Masius Studien von kunstvoller
Art und fast malerischer Wirkung, sondern seine „Studien" sind zwang-
lose Gespräche eines Vaters mit seinen drei Knaben, auf deren Alters-
unterschied in keiner Weise Rücksicht genommen wird. Aus der Fülle
wissenschaftlichen Materials schöpfend, weiß der Verfasser den Blick
auf das Nächste und Unbedeutendste: auf das Mückchen, den Wurm,
das Staub- oder Sandkorn zu lenken, um zuerst das Sehen, das richtige
Beobachten zu lehren, dabei auch den genauen Ausdruck sorgfaltig
zu pflegen. Dann aber führt er mit sokratischer Kunst vom Nächsten
und Kleinsten in die Weite und Tiefe, von der treuen Beachtung des
scheinbar Unbedeutenden zur Ehrfurcht vor dem großen Zusammen-
hang der Dinge. So sind es nach Form und Geist Meisterstücke des
Anschauungsunterrichts, höchst anregend fUr die Jugend nnd voll
reicher Belehrung auch für Erwachsene.
Was die gebotene Auswahl betrifft, so ist sie eine wohlgelungene
zu nennen; doch mußten, da die Abschnitte unverändert abgedruckt
sind, gar zu viele, die man ungern mißt, wegbleiben. Trotz der nicht
leichten Aufgabe möchten wir wünschen, daß bei einer neuen Auflage
unter Kürzung einzelner Pai'tien noch weitere Stücke Aufnahme finden
könnten.
C, C.
Literarischer Bericht. — Notiz. — Neu erschienene Bücher. 277
In demselben Verlag ist erschienen:
„Streifzüge durch die Welt der Grossstadtkinder^ von F.
Gansberg. 214 S. Preis 3.20 Mk., 1905.
Die Ausführung des glücklichen Gedankens, in Gestalt anschau-
licher Lebensbilder eine Anleitung zu fruchtbarem Anschauungsunter-
richt in GroßstadtBchulen zu geben, verdient jedenfalls das Lob, daß
sie au8 dem Erfahrungskreis von Großstadtkindem schöpft und eine
reiche Auswahl bietet; doch ist eine gewisse Ungleichheit zwischen
sehr eingebender Ausführung und bloßen Andeutungen zu bemerken,
und mancher Lehrer würde vielleicht dort weniger, hier mehr wünschen.
Das da und dort verwendete Plattdeutsch müßte bei der Benützung
durch den heimischen Dialekt ersetzt werden.
C. K.
Sehilier-Bildnis von LeoSamberger; herausgegeben vom Dürer-
bunde. Kleine Ausgabe (Meisterbilderformat) 25 Pf«, Große
Ausgabe (46Va X 347» cm) 2 Mk. Kunstverlag Georg D. W.
Callwey; München.
Auch nach den Tagen der Festfeier ist es nicht zu spät, auf das
in Auffassung und Ausführung ausgezeichnete Schiller- Bildnis von Sam-
berger hinzuweisen und auf die außerordentlich günstigen Bezugs-
bedingungen, die der Dürerbund dem Verlag zu stellen ermöglicht hat;
in kleiner Ausgabe kostet das Bild bei Bezug von 25 Exemplaren
20 Pf., von 50 an 15 Pf., von 500 an 10 Pf. ; auch für die große Aijp-
gabe ist eine Preisermäßigung bei Bezug größerer Partien bis zu 75 Pf.
vorgesehen. Es wird hier wirklich ein Andenken von bleibendem Wert
geboten.
Gannstatt. Th. K.
Notiz.
„Heft 8 und 9 werden im Laufe des Septembers in Form eines
Doppelheftes erscheinen.^' Die Redaktion.
Neu ersohienene Bücher.
Bei der grossen Menge der ans zugehenden neuen literarischen Erscheinungen
ist es uns unmöglich, Jede im einseinen su besprechen. Die Titel der einlaufenden
Bfioher, die wir susnahmslos der Kohlhammerschen Verlagsbuchhandlung su Über-
senden bitten, werden regelmässig im n&ohsten Hefte TerOfTentlicht ; anfBflek-
sendung der nicht besprochenen Bücher kOnnen wir uns aber nicht einlassen.
Sahr, Deutsche Literaturdenkmäler des 16. Jahrhunderts. II Hans
Sachs. Leipzig, G. J. GOschen^sche Verlagshandlung.
Mahl er, Physikalische Aufj^abensammlung. Ibid.
278 Neu erschienene Bücher. — Ankündigungen.
Grimsehl, Angewandte Potentialtheorie in elementarer Behandlung.
Ibid.
Caner, Beigaben zu Ilias und Odyssee. Leipzig und Wien, G. Frey-
tag, F. Tempsky.
Hoffmann, William Howitt. Visits To Remarkable Places, Ibid.
Köcher, James Anthony Froude. Oceana. Ibid.
Müller, Schillerbüchlein für Schule und Haus. Ibid.
Strzemcha, Friedrich von Schiller. Wilhelm Teil. Ibid.
(Fortsetzung s. S. 8 des Umschlags.)
Dem Inhaber der bekannten Piano- und Harmonium-Firma Wilh.
BudolphinGiessen wurde von Sr. KOnigl. Hoheit dem Grosshersog
von Hessen der Charakter als Hoflieferant erteilt; die Firma war vor
kurzem mit der Lieferung eines Flügels in das Jagdschloß Wolfsgarten
betraut worden, nachdem sie bereits im Frühjahr ein gleiches Instrument
im Schloß Ronirod aufgestellt hatte.
Ankündigungen.
3n ber S^tt^ttf^tn ^ttta%s^ßnbtnu^ )u ^teiSttrg im Streif gau ftnb
f oeben erfc^ienen unb !önnen burc^ aüe iBuc^^anblungen besooen werben :
mtxttia, Dr. 8»v ä; MSi: m^Bn^^ fftr ben ^nf er-
rfd|t in hct bettffd^en ^efd^ii^ie. gn btci xciien. ©r.s».
IL ^eutffte (Bef^ic^tt »om ^eninn ber ^mtit bi^ snr S^ronüeffeignng
^9riebri(4^ M trogen, ^ithtt unb aä^tt, oerSefferte Suflai^e.
(IV u. e. 141—240) 1.20 Mk. ; (<cB. in ^alBIcinmanb Mk. 1.60.
ffVÜJttt ift erf^ienen: I. ^tntf^ ^if^mu m« ^ra iütün ^tHtu Ito t«» MH*«iC
^M IKtt l«r<ll(f i. 6ie6te unb ac^te, oerbef ferteXuf läge. Mk. i.iO; geb. Mk.3.80
lU. 'pfifft #ff4i4t( M» ^<tr Y9r««Scllf igttttf ^xMtU^ ^ #r«f(ii $U |«r ^tgctt-
»«rl, ntbft einem Xn^ang. ^Onfte unb fed^^e Xu f läge. Mk. i.eo; geb. Mk. s.—
3 u ö e r I ä f f la f e 1 1 ber tatfäe^Ii^cn «ngaben, f orflf altifje ® i cft t u n ft bcS
©toffe«, übeTrt(^tH($e Q) l i e b e r u n g , audoiebif^e IBerücffi^ticiunfi ber JT u 1 1 u t«
gefc^ic^te, fitegenbe, in ber beutfc^en Sefd^id^te t>on einem »armen {»aud^e
oatetl&nbifc^er ^egetflenina burc^tvel^te^arfienunn: baS ftnb bie anerfannten
^ot}üge bed ISerfed. Bun&c^fi für bie mittleren jeiQffen(Ouorta bie Unter«
fefunba einfd^tteglic^) beflimmt, bietet ed eine folc^e ©toffaudma^i, bag e« auc^
in ben 0 b e r e n mit gutem Erfolg benü^t toerben fann. [15
Schwerins, K., ^^''''I^j;ot::^^JZTcSi:: Sammlnng von Auf-
gaben ans der Arithmetik mr höhere Lehranstalten.
Zweite, verb. Aufl. gr 8«. III. Lehrgang (VIII u. S. 149—246)
Mk. 1.20; geb. in Halbleinwand Mk. 1.50.
Frtther sind erMhienen : I. L e h r g a n g. 80 Pf. ; geb. Mk. 1.10. 11. L • h r g a n ff.
Uk. 1.80 ; geb. Mk. l.uO. Die S Lehrg&nffe in einem Bande Mk. 8.20 ; i^eb. in Halb-
leder Mk. 8.60. Fttr die Hand des Lehrers gratis : Begleitwort aar Sammlung tod
Aufgaben aus der Arithmetik (12).
— n. Dr. W.Krimpholf,!f."4Tw",«To"El)ene Geometrie.
Nach den neuen Lehrplänen bearbeitet. F tt n f t e A u f 1 ag e. Mit
154 Figuren. Gr. 8« (VIII u. 136) M k. 1.60 ; geb. in Halbleder Mk. 2.
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onübertruffenen HoIIKod. Tabak. ,
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In der Herderacben Verlagahandlnng zu Frelbnrf im Brels-
fsv ist Boeben erschienen und kann durch alle Bachhandlungen be-
logen werden:
jCerders {ilDeratlas zur Xanstgeschichte.
Erster Teil: Altertum und Mittelalter. [13
7ö Tafeln (Quer-Fotio) mit 720 Bildern. 8 Mk.
Der zweite [Schluä-) Teil, enthaltend die „Neuzeit", wird Ende 1905
erscheinen. — Die UnteraehrifteD sind in deutsober und französischer
Sprache gegeben; ein erklärendes Inhaltsverzeichnis für das ganze
Werk soll dem zweiten Toll beigefügt werden.
Herders Bilderatlas der Kunstgeschichte wUl ein nach pädagogi-
schen Grundsätzen sorgsam ausgewähltes und mit Hilfe der modernen
Repro du ktionsv erfahren niü glich st naturgetreu wiedergegebenes
Ansohauuuganiaterial für den Unterricht in der Kunstgeschichte an den
hObereu Schulen bieten. Die Zusammenstellung der Bilder erfolgte
unter der fachmänoischen Leitung des Herrn Dr. Joseph Sauer, Privat-
dozent an der Universität Freiburg. Dabei wurden auch solche Denk-
mäler berücksichtigt, die erst in neuester Zeit in den Bereich der Eunst-
studien einbezogen worden sind. Jede Epoche soll trotz der durch den
Zweck gebotenen Beschränkung eine geschlossene Darstellung von
Anfang, Höhepunkt und Herabsteigen bieten. Bei dieser Auswahl im
Verein mit dem handlichen Format und der soi^fiiltigen Ausstattung
durfte der Atlas sich als vorzügliches Uiltsmittel beim. Unterricht
erweisen.
HSduter Ribitt Ndofle Elstn. »lihr. Osnntie. Plwo* d- HunMlnM
tu Mnaielcn) bd Knit Üu| der MId*. - Dlaslr. Kalaloc« fratts-IrsL
^^ Wilh. Rudolphi Gieuen w.m.
Verlag von ff. Kohlhammer iu »tnttgart.
Die Vorsehriften Über die PrQfang und Bestelinns d<r
jlffeiltliehen FddmeSSer nnd die AusfiihmDg der Ver-
messungaarbeiteD im Königreich Württemberg. Preis 90 ^.
P^Od'f^ fnr bae ftanigcei^ SBütttemberg vom 7. Oftobei
1874 nebft aJonaufl«ootfc6tfften. ^reifl i Ji 2ö ^.
38Ö Anktbdigiiii^en.
Ein Liederschatz für Studenten und fürs deutsche Volk.
In der Herdersohen Yerlagshaadlnng zu Frelborg im Breisf^au
ist soeben erschienen und kann durch alle Buchhandlungen bezogen
werden :
Beisert, Dr. Karl^ Deutsche liieder. Klavierausgabe
des Deutschen Kommersbuches. Ergänzangslieft enthaltend
62 Lieder mit Klavierbegleitung. Hoch 4<^ (VI und 68)
Mk. 2. — ; geb. in Leinwand mit Deckenpressung Mk. 3. —
Früher lind Ton daniBelben Heraasgaber erschienen:
(Hauptwerk): Deutsche Ijteder. Klavierausgabe des Deutschen
Kommersbuches. Enthaltend 557 der beliebtesten Vaterlands- Stu-
denten- und Volkslieder, sowie ein- und zweistimmige Solo-Gesänge
mit Klavierbegleitung. Hoch 4^ (VIII u. 460 Seiten nebst U Seiten
Anhang). Gebunden in Leinwand mit Deckenpressung Mk. 16.
^tuifd^ts ^0mmetstn^. Ttii einem ^itelbtlb. 9^eunte Sluftage.
J5ifiotiW*!ritif(^c SSearbeitung. 12« (XVI u. 718) ath. in @ummiiloff mit
Seberrücfen, ^e(fen))reffun9 unb Siernögeln Mk. 4.80.
Unfet 2) e u t f c^ e « Ä 0 m m c r « b u (§ , oon Dr. Ä. 9fieifett §iftotif(§*fTitif<l^
bearbeitet, ifina(^ bem übereinfiimmenben Urteil au(^ ber »iffenf^aftUc^en jtritif
ein wa^rc« 3Wu|letbuc^ feiner 21rt ; c« enthält fafl 800 unfcrer fc^önflen alten unb
neuen ^oterlanb«,:* ©tubenten« unb fonfligen ^olfdlieber unb fiedt ftc^ fo qU
eine Sammlung oon faum me^r au überbletenbec 9{eic^l^altigfeit unb Sßannig«
fattlgfelt bat.
^UTC^ ben in mel^rfac^er ^tnfi(^t felbflanbigen Sludbau be« „^eutf c^en
J^ommerdBu(9e6" unb aanj bef onberd burd^ bie er^eblic^e S^^^ ^^ neuauf-
genommenen Ortginolmelobten ergab fic^ t)on fetbfl bad ^ebürfnid iüx eine eigene
JllaDierau^gabe bedfclben. ^ie „SDeutfd^en Sieber", bie ie^t ein dr^
gänjungd^eft ermatten ^aben, finb nic^t blog ein Sicberbuc^ für ben jungen ober
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Zur Einführung in höheren Schulen bestens empfohlen:
Erdkunde für höhere Lehranstalten
von Dr. Adolf Pahde» Professor am Realgymnasium in Krefeld.
L Teil: Unterstufe (für Sexta und Quinta). Mit 16 Vollbildern
und 14 Abbildungen im Text. In Ganzleinwand gebunden 1.80 Mk.
II. Teil: Mittelstufe, erstes Stück (für Quarta und Untersekunda).
Mit 8 Vollbildern und 8 Abbildungen im Text. In Ganzleinwand
gebunden 1.80 Mk.
IIL Teil : Mittelstufe, zweites Stüok (f ü r U n t e r t e r t i a). Mit 8 Voll-
bildern und 6 Abbildungen im Text In Ganzleinwand gebunden
2.40 Mk. [10
IV. Teil: Mittelstufe, drittes Stück (für Obertertia und Wieder-
holungen auf der Oberstufe). Gebunden 2 Mk.
V* Teil: Oberstufe (fürObersekunda und Prima). A. Die Erde
als Weltkörper. B. Physische Erdkunde. C. Erdkunde der Lebe-
wesen. D. Anhang. Mit 89 Abbildungen im Text, gebunden 2.50 Mk.
Die XV. Landesversammlmig des württembergisohen
Grymnasiallehrerverems am 20. Mai 1905
war Ton rnnd 200 Teilnehmern besucht und fand wie bisher in
Stuttgart im Stadtgartensaale statt, der eine geschmackyolle Aus-
stellung von ktlnstleriscben Wandbildern aus dem Tenbnerschen
Verlag enthielt Den Vorsits ftthrte als Stellvertreter Rektor
Dr. Knapp-Tttbingen, der die Versammlung um 10 ühr mit
der Begrtlßung der Gäste eröffnete. Als solche waren er-
schienen: von der Unterrichtsrerwaltung Direktor Dr. y. Abieiter,
zugleich in Vertretung seiner Exzellenz des Herrn KultministerS;
femer die Oberstudienräte Hauber, Dr. Herzog und Rektor Ehrhart,
Oberkonsistorialrat Binz ; von der Landesuniversität die Professoren
Dr. Busch, Dr. Gundermann und Dr. Schmid ; ton den befreundeten
Vereinen in Hessen und Baden Direktor Block von Wimpfen und
die Professoren Armbrnster und Gramer von Karlsruhe. Mit warmen
Worten gedachte der Vorsitzende zunächst des schmerzlichen Ver«
luates, den das wtlrttembergische Schulwesen erlitten durch den
allzufrtthen Hingang des Direktors Dr. v. Rapp (15. Januar), und
die Versammlung gab durch Erheben von den Sitzen den Geftlhlen
dankbarer Verehrung für den Verstorbenen sichtbaren Ausdruck.
Mit lebhafter Genugtuung begrüßte es der Redner, daß an die
Spitze der Ministerialabteilung wieder ein ehemaliges Mitglied des
Standes berufen worden sei. Rückhaltloses Vertrauen, so konnte
er versichern, bringe der ganze Stand dem neuen Direktor ent*
gegen, der, mit allen Verhältnissen aufs gründlichste vertraut, die
Freuden und Leiden des Standes, seine Wünsche und Sorgen, seine
Stärke und seine Schwächen aus eigener Erfahrung so genau kenne.
Nun wurde in die Tagesordnung eingetreten.
L Prof. Dr. Gundermann von Tübingen erhielt zuerst
das Wort zu dem wissenschaftlichen Vortrag über ,,Römische
Geschickte und deutsche Sage^S Jahrhundertelang standen
in vorhistorischer Zeit Italien und Deutschland in regem Handels-
verkehr und tauschten nordischen Bernstein und südliche Kunst-
erzengnisse aus; die alten Handelsstraßen für diesen Verkehr haben
uns zahlreiche Bodenfunde der letzten Jahrhunderte aufgedeckt.
Nachdem dieser Femverkehr jedenfalls lange gedauert hatte, er-
folgte zu Ende des 2. Jahrhunderts die erste nähere Berührung
beider Völker durch den Zug der Oimbem und Teutonen, deren
Korretpondeniblatt 1905, Heft 8 u. 9.
282 Gramer, Die XY. Landesyersaminlung des
Anstarm von Marins abgeschlagen wnrde. Von da an blieb die
Sicherung der Nordgrenze die erste Sorge Roms. Nachdem Cäsar
die Rheingrenze gesperrt hatte, wnrden die Germanen in Gallien
rasch zu römischen Provinzialen. Unter Angustus wurde der Rhein
überschritten, Bataver und Friesen wurden Roms Verbündete,
römische Kastelle wurden angelegt bis zur Lippe. Die Niederlage
des Varus wurde Anlaß, daß auch die Schriftsteller sich mit diesen
Barbaren des Nordens mehr beschäftigten (Strabo, Plinius, Taci-
tus). Eine gründliche Romanisierung hat das deutsche Volk (ab-
gesehen vom Nordwesten) erlitten, wenn ihm auch das größte Opfer,
der Verlust seiner Sprache, erspart blieb. Bis tief ins Mittelalter
lag das Schwergewicht deutschen Lebens in den alten Römer-
gebieten, Die altdeutsche Sprache ist gesättigt mit römischen
Wörtern; in der Keramik wirken die römischen Vorbilder jahr-
hundertelang nach (erst die Stürme der Völkerwanderung bringen
die alte La T6ne-Kultur wieder zum Vorschein). Die deutschen Städte
wie Bonna, Sumelocenna bei Rottenburg, Vetera bei Xanten (wohl
ein keltisches Wort; nicht zu ergänzen castra) zeigen überein-
stimmend drei Bestandteile: zuerst ein römisches Lager, dann
Niederlassung von römischen Händlern, endlich Ansiedlungen von
Eingeborenen.
Bei diesen reichen Wechselbeziehungen zwischen römischer und
germanischer Bevölkerung, wie sie namentlich auch die Limes-
grabungen zutage gefördert, liegt die Frage nahe, wie sich die
geschichtlichen Ereignisse der Römerzeit widerspiegeln in den Er-
zählungen, Liedern und Geschichten der Germanen. Im Sagen-
kreis Dietrichs von Bern, wo sich das Märchenhafte ganz
gut scheiden läßt vom Geschichtlichen, ist keine Spur von Römer-
tum zu finden, trotzdem das römische Reich eben erst zu Grabe
gegangen war. Zu erklären ist dies daraus, daß, wie alle mili-
tärischen Stellen im Reich mit Goten besetzt waren, so auch die
Sage dieses Volkes nur Goten einfuhrt, durchweg Mitglieder des
Militäradels. Merkwürdig berührt dabei die Stellung Hildebrands,
des Waffenmeisters des heranwachsenden Dietrich. Der Titel Waffen-
meister ist nichts anderes als die wörtliche Übersetzung des latei-
nischen armorum magister; diesen Titel hatte .seit der Vereinigung
der beiden Ämter des magister equitum und peditum unter Dio-
kletian der Höchstkommandierende des Reiches (so Stilicho B95 im
Westreich). Unter germanischem Namen hat also dieses römische
Amt den Untergang des Reiches überdauert.
wflrttembergidchen GytDDasiallehrervereiDS* 283
Bei der Nibelungenaage hat nicht nur das ganze Mittel-
alter, sondern auch die folgende Zeit den Inhalt der Sagendichtung
immer als historische Begebenheiten angesehen. Erst im Zeitalter
der Romantik wollte man Naturyorgänge in der Sage wiederfinden
(Wilmanns): Sigfrid ist der junge Tag, der die Sonne, die
schlafende Jangfran, weckt; fortschreitend aber wandelt sich der
Tag in Nacht, der Flammenball verschwindet, Tag und Sonne
gleiten ins Reich der Finsternis hinab. Diese Natnrsymbolik
ist nach dem Vortragenden vollständig abzuweisen als Produkt
der Stndierstube, nicht aber der Volksphantasie. Es ist zurttckzu-
kehren zu dem geschichtlichen Weg, auf dem Mono, freilich unter
dem Widerspruch der Gebrttder Orimm und der Mehrzahl der
neueren Oelehrten, versucht hat, Sigfrid mit Arminius gleichzusetzen.
Zwingende Beweise lassen sich für diese Gleichsetznng nicht bei-
bringen, immerhin aber scheinen drei Funkte dafür zu sprechen:
1. Die Übereinstimmung der Tatsachen zwischen
Sage und Geschichte. Sigfrid ist vaterlos wie auch Arminius;
mit Waffengewalt gewinnen beide die Braut, die ihnen nur 10 Jahi^
bleibt; beide fallen durch Arglist der eigenen Verwandten; beiden
stirbt der Sohn dreijährig. Westfalen, wo die Sigfridsage wurzelt,
ist auch die Heimat des Arminius, und hier ist auch die Schmied-
sage zu Hause, wie sie im Sigfridlied begegnet. In Xanten wächst
Sigfrid auf; dort im Lager bei Vetera aber leisteten die nord-
deutschen Germanen ihre erste Dienstzeit im römischen Heere ab,
ahio auch wohl Arminius. 2. Die größte Schwierigkeit macht die
Entsprechung der Namen. Die Erklärung des Namens Ar-
minius als germanisch ist abzuweisen; der Name muß römisch
sein, so gut der Bruder den römischen Namen Flavus trägt. Auch
war Arminius ja römischer Bürger und hatte den Rang eines
römischen Ritters. Nach Mommsen war es eine Forderung des
Dienstes, bei dem die Sprache die lateinische war, daß der ins
Heer eintretende Germane sich einen römischen Namen beilegte«
Ein römischer Gentilname Arminius (aus dem Etruskischen abzu-
leiten) ist aus der Raiserzeit nachweisbar. Bestimmend bei Wahl
eines solchen Namens konnte nicht bloß das ins Ohr fallende An-
klingen des Namens an den heimischen sein, sondern wohl auch
das, daß er sich in der Bedeutung mit dem alten Namen deckte.
So konnte etwa von arma in der Bedeutung „Macht, Eraft^ ein
Arminius gebildet werden als in der Bedeutung entsprechend einem
Sigo (Kurzform von Sigfrid). Als Stütze für diese Erwägungen hin-
284 Cr am er, Die XV. LandeBversammluDg des
sichtlich des Namens lassen sich verwerten einmal die germanischen
Göttemamen; die in den Steininschriften noch einen römischen
Namen neben sich haben, sodann die zahlreichen germanischen
Personennamen in den rheinischen Inschriften. Bei Namen von
Verwandten läßt sich hier vielfach die AUiteration beobachten. In
diese Kategorie würde es nun sehr gnt passen, daß die Verwandten
von Arminius-Sigfrid Namen tragen wie Sigmund, Segestes (bei
Flavus wissen wir eben den deutschen Namen nicht). Weiter
könnte der Name des Drachen Fafner, bei dem nach Grimm die
menschliche Natur noch deutlich hervorschimmert, eine germanische
Übersetzung des Namens Varus sein (fafner = Umarmung, ausge-
gebreitete Arme; varus = ausgespannt). Es hat kein Bedenken,
in dem Hort, den der Drache bewacht, das römische aerarium zu
sehen, das für germanische Begriffe jedenfalls einen bedeutenden
Schatz enthielt, da es ja das aerarium von drei Legionen war«
Der Name Nibelungen endlich wird gewöhnlich mythologisch
gedeutet als ,Kinder der Finsternis' (Nlfelheim, nebel), und man
vorsteht darunter die Zwerge, die das Gold in der dunkeln Erde
bewachen. Als spätere Besitzer des Schatzes können auch die
Burgundenkönige wohl so heißen ; aber dann käme der Name auch
mit demselben Recht dem Sigfrid zu, der ihn nie führt. Diese
Schwierigkeit würde sich ganz gut lösen auf folgendem Weg* Eine
althochdeutsche Glosse erklärt das Wort nebulo als skrat, d. h. Geist,
Unhold. Da Augustus auf den Münzen Divi filius heißt, so könnte
nebulo die Übersetzung von divus sein und bedeuten „der unter
die Götter Aufgenommene^^ Davon könnte mit der Silbe -ung ein
Patronymikon gebildet sein : Nibelungen = Nachkommen des Augustus,
seine Mannen, also Römer. Dann wäre erklärt, warum Sigfrid =
Arminius nie Nibelung heißt, wohl aber die Burgunden, die nach
Ammianus Marcellinus Nachkommen der Römer sein sollten. Diese
Übersetzung würde ihrem Charakter nach passen zu Übersetzungen
wie mons Jovis = Gotthard oder zu der Übersetzung der Wochen-
tage, die zwischen dem 1. und 4. nachchiistlichen Jahrhundert ent-
standen sein mögen. 3. Bei der Lokalisation kommt die
Frage nach dem Ort der Teutoburger Schlacht ins Spiel. Fast
alles weist auf die Gegend östlich vom Osning ins Land von Lippe-
Detmold. Nun berichtet ein isländischer Abt, der um 1150 eine
Pilgerfahrt ins gelobte Land unternahm, von seiner Reise durch
Westsachsen, zwischen Paderborn und Mainz seien zwd Dörfer
Namens Horus und Kiliander. Hier sei die Gnitaheide, wo Sigurd
mn wdrtiembergischen GymnasiallehrervereiDS. 286
den Fafner erschlug. Die beiden Dörfer sind zu suchen an der
Werra im nordwestlichen Teil von Lippe-Detmold. Gelänge es,
hier ein oder mehrere römische Lager za finden, dann wäre die
Probe gemacht auf das Exempel Arminius = Sigfrid.
U. Auf diesen überaus fesselnden Vortrag, für den der Vor-
sitzende den wärmsten Dank der Versammlung aussprach, folgte
der Geschäftsbericht, den der stellvertretende Vorsitzende er-
stattete. 1. Die Berufung des bisherigen Vorstandes Dr. Herzog
in die Untemchtsverwaltung (29. März) ist zwar für den Verein
und seine Bestrebungen sehr erfreulich, bedeutet aber andererseits
einen empfindlichen Verlust. V^ar er doch wie wenige geeignet
für die Vorstandsstelle durch unermüdliche Arbeitskraft, hervor-
ragende Geschäftsgewandtheit, unvergleichliche Personenkenntnis,
gewinnende Liebenswürdigkeit, nicht zum wenigsten auch durch die
Gabe des schnellen Blicks und des raschen Entschlusses. Sieben
Jahre hat er den Verein geleitet, zugleich 6 Jahre die Geschäfte
des Redakteurs besorgt Was der Verein in dieser Zeit erreicht
hat, wobei die Hauptarbeitslast stets auf den Schultern des Vor-
standes ruhte, davon gab der Vorsitzende in gedrängten Zügen ein
anschauliches Bild und schloß daran die Mitteilung, daß der Aus-
schuß einstimmig der Versammlung vorschlage, den bisherigen Vor-
stand, Oberstudienrat Dr. Herzog, in Anerkennung seiner hervor-
ragenden Verdienste um den Verein zum Ehrenmitglied zu
ernennen. Mit freudiger Zustimmung wurde dieser Antrag von
der Versammlung zum Beschluß erhoben. 2. Mitgliederzahl
des Vereins. Eingetreten sind im abgelaufenen Vereinsjahr 24,
ausgetreten 16 Mitglieder, jetziger Stand 381. 3. Die Eingabe um
Fortbezahlung des Gehalts und der Dienstalterszu-
lagen an unständige Lehrer während der Ferien (vgl.
in diesen Blättern 1904, 249) ist von der Behörde zustimmend be-
antwortet worden (SWD 1904, 276). 4. Auf die am 20. Juni v. J.
abgegangeneEingabe betr. Titel der unständigen Lehrer (Gleich-
stellung mit den andern unständigen akademisch gebildeten Beamten
durch Verleihung der Titel Referendar und Assessor; vgl. 1904, 249)
ist eine Antwort noch nicht erfolgt. 5. Die Eingabe betr. Titel der
ständigen Lehrer (vgl. 1904, 250) ist von der Behörde ab-
lehnend beschieden w^orden (SWD 1904, 456). 6. Der vorjährige
Beschluß, in Verbindung mit dem Verein der realistischen Lehrer
der Staatsregierung eine Denkschrift über die Wünsche
des höheren Lehrers tan des zu überreichen, ist vom Aus-
286 Cr am er, Die XV. Landesversammlang des
sobnß nicht ausgeführt worden^ da die damalige yoraussetztmg
dieses Beschlusses, nämlich die bevorstehende Änderung des Be-
amtengesetzes, sich als irrig erwies. Bei der Aussichtslosigkeit
weiterer Schritte angesichts der ungünstigen Finanzlage des Staates
war die Versammlung mit dieser Haltung des Ausschusses einver-
standen. 7. Die Resolution der vorjährigen Landesversammlung, betr.
die Ansprüche der seminaristisch gebildeten Lehrer (1904,
252) hat dem Verein Angriffe aus Abgeordnetenkreisen zugezogen. Dem
gegenüber erklärt der Vorsitzende unter dem Beifall der Versamm-
lung, daß auch die Äußerungen von Abgeordneten der Kritik nicht
entzogen seien, und daß der Verein sich auch künftig das Recht
nicht verkümmern lassen werde, gegen irrige und schiefe Auf-
fassungen Einsprache zu erheben. 8. Ein Vorschlag, bei der
Landesversammlung nach dem Muster der realistischen Versamm-
lung Sektionssitzungen einzuführen, war vom Ausschuß abge-
lehnt worden (SWD 1904, 131), und die Versammlung billigte
diesen Standpunkt. 9. Der Kassenbericht, erstattet von Prof.
Fauser, ergab als VereinsvermOgen 2100 M.; die Rechnung war
geprüft von Prof. Zech. Dem Kassier wurde Entlastung erteilt
m. Wahlen. Zum Vorstand wurde dem Ausschußantrag
entsprechend Rektor Dr. Klett von Cannstatt durch Zuruf ge-
wählt. Sodann waren für die an Mittelgymnasien beförderten Ober-
präzeptoren Flaig und Schiele zwei neue Ausschußmitglieder als
Vertreter der Landschulen zu wählen. Die geheime Abstimmung
ergab: Oberpräzeptor Ha 11 er -Nagold (93 Stimmen) und Ober-
präzeptor Föll-Qroßbottwar (86).
rv. Anfragen des Verbandsausschusses in Eisenach.
1. Das Bedürfnis nach einer Haftpflichtversicherung wurde
entsprechend früheren Beschlüssen verneint (SWD 1905, 176).
2. Schaffung einer Rechtsschutzkommission, wobei Straf-
fälle Sache des Oesamtverbandes wären, Zivilsachen dagegen den
Landesverbänden vorbehalten blieben. Die Versammlung beauftragt
den Ausschuß, über die Gründung einer Rechtsschutzkommission
für Zivilfälle der nächsten Landesversammluug Vorschläge zu
machen. Die Straffälle betreffend hält der württ Verein eine
solche Gründung nicht für ein dringendes Bedürfnis, wird sich
aber bei etwaigen Schritten des Gesamtverbandes nicht ausschließen.
V. Mit der Frage der Hausaufgaben hatte sich schon
die vorjährige Versammlung beschäftigt, aber aus Mangel an Zeit
nur den Bericht des einen Referenten, Prof. Dr. Eiben, entgegen-
württembergisohen Gymnasiallehrorvereins. 287
nehmen können, während der diesjährigen Versammlang der zweite
Vortrag von Rektor Mayer*Eßlingen tiber diese Frage sowie die
Besprechnng der Leitsätze der beiden Referenten vorbehalten blieb.
Den berechtigten Kern der Überbttrdungsklagen fand der Referent
nicht sowohl in Fehlem seitens einzelner Lehrer, als in der gegen-
wärtigen Organisation begründet. Das alte Gymnasium hat zu
seinen Aufgaben zwei neue und schwierige dazubekommen, die
modernen Sprachen und die Mathematik. Es sind jetzt nicht
weniger als 23 Fächer, teils sehr stoffreich, teils unbegrenzter
Steigerung fähig. In jedem dieser Fächer liegt das natürliche Recht
zur Sonderexistenz, und so ist der Begriff der Nebenfächer ganz
geschwunden. Der Unterricht hat etwas Hastiges angenommen,
die SchtUer gelangen nicht mehr zu der nötigen Sicherheit. Wir
befinden uns in einer ähnlichen Bedrängnis wie ums Jahr 1840,
die damals zur Ausscheidung der Realschulen geführt hat. Da
dieses Mittel jetzt versagt ist, so bleibt nnr^) Verbesserung der
Methode. Es muß wieder unterschieden werden zwischen Haupt-
und Nebenfächern; die Nebenfächer müssen sich bescheiden lernen,
müssen eine dienende Stellung einnehmen, ihre Aufgabe fast ganz
innerhalb der Unterrichtsstunden erfüllen. Daneben erhofft der
Referent eine Entlastung der Schüler von folgenden Vorschlägen:
a) Wiederentfernung der Mathematik aus Kl. IV und V; b) Er-
mäßigung der Ansprüche im obligatorischen Mathematiknnterricht
unter Einrichtung eines weitergehenden fakultativen Unterrichts in
der Mathematik; c) Wegfall der griechischen Komposition aus den
Prüfungsfächern von El, VII und aus den Hausaufgaben von
Kl. VII — IX. Endlich möchte er eine Änderung anregen d) für
die Gewinnung des Geschichtszeugnisses bei der Reifeprüfung;
') Sollte nicht noch eine andere Möglichkeit nahe liegen? Der
Referent erwähnt selbst, in welchem Maß die Unterrichtszeit für
das Lateinische allmählich beschnitten wurde. Während diesem
Fach an Mittel- und Unterklassen im Jahre 1840 noch 102 und bis vor
13 Jahren immer noch 82 Stunden zu Gebot standen, verfügt es jetzt
nnr noch über 50 Stunden. Und selbst diese Zahl erleidet noch einen
Abzug durch den späteren Schulbeginn in den Wintermonaten und
durch den Konfirmandenunterricht. Eine so gewaltige Verringerung
der Unterrichtszeit kann auch durch die denkbar größte Verbesserung der
Methode nicht ausgeglichen werden. Viel näher läge es, anzuerkennen,
daß unter den heutigen Verhältnissen eben die früheren Ziele nicht
mehr erreicht werden können, also die Forderung zu erheben, daß
das Lehrziel herabgesetzt werde.
I
/ 1
388 Gramer, Die XV. Landesversammlan^ des
dasselbe sollte zur Hälfte gewonnen werden aus dem Semester»
zeagnis, znr Hälfte aus einem GeschichtsanfsatE Aber allgemein
gehaltene Fragen. Grandsätzlich festgehalten wttnscht
er dagegen die Hansanfgaben, insbesondere anch
schriftliche^ in den bisher ttblichen Formen. An den
Schaltagen, deren es im Jahr etwa 240 sind, soll der SchUler nnd
die Kraft des Schülers der Schale gehören. Von größter Wichtig*
keit ist dabei aber eine genaue Kontrolle der Zeit, die der Schiller
tatsächlich auf seine Hausaufgaben verwendet.
Die Debatte umfaßte nach dem Vorschlag des Vorsitaenden
zunächst die allgemeinen Grundsätze, bei denen sich Übereinstim*
mung ergab. Dagegen bei der Besprechong der technischen Fragen
(Präparation, Repetition, Vokabellemen, Exploratorien, Empfehlung
der fakultativen Fächer) kam es zu lebhaften Auseinandersetzungen,
die hier im einzelnen wiederzugeben der Raum nicht gestattet* Wir
verweisen hierfür auf den eingehenden Bericht in den 8WD 1905, 193
und beschränken uns darauf, die Namen der Mit^ieder anzuftihren,
die sich an der Debatte beteiligten (außer den beiden Referenten
Rektor Mayer und Prof. Dr. Eiben noch die Rektoren Erbe, Dr. Hehle,
Dr. Klett, Dr. Knapp, Votteler, die Professoren Dr. Qrotz, Lechler,
Dr. Meltzer, Dr. Miller, Dr. Ritter, Oberpräzeptor Dr. Hertlein), und
festzustellen, daß die Ansichten durchaus geteilt waren. Auf eine Ab-
stimmung wurde verzichtet und die Erörterung der vom Referenten
vorgeschlagenen einschneidenden Änderungen vertagt. Als Ergebnis
konnte der Vorsitzende zum Schluß die Meinang der Versammlung
dahin zusammenfassen: Die Klagen über Oberbürdung gerade beim
Gymnasium sind im allgemeinen unbegründet, wenn man auch einen
berechtigten Kern zugeben will. Jedenfalls ist an den Hausauf-
gaben grundsätzlich festzuhalten.
VI. Anregungen aus der Mitte der Versammlung.
Ein Antrag von Oberpräzeptor Dr. Hertlein, das Mittagessen
künftig später anzusetzen, da die Zeit für die Verhandlungen zu
kurz sei, fand nicht die genügende Unterstützung. Auf eine An-
regung von Prof. Dr. Kapff-Ulm, der Wirtschaftsbetrieb solle
wegen unerträglicher Störung der Verhandlungen räumlich davon
getrennt werden, konnte bei den gegebenen Verhältnissen nicht
weiter verfolgt werden. Mit dem Wunsche, daß auch die diesjährige
Versammlung ihre Früchte tragen möge für den Stand wie ftlr die
Schule, schloß der Vorsitzende gegen drei Uhr die Versammlung.
Heilbronn. Gramer.
EvftQgelische EonkursprüfuDg 1904. 289
Erangelisohe Konknrsprüfong 1904.
Religion.
Was ist nach Jesn Lehre das rechte Verhalten seiner Jünger
zur irdischen Welt und zu ihren Gütern?
Deutscher Aufsatz.
Thema: Die Teilung der Arbeit, ihre Ursachen und ihre Wir-
kung auf den Menschen.
Lateinische Komposition.
Die Catilinarische Verschwörung ist weniger bemerkenswert
wegen der Gefahr; in die sie den römischen Staat gebracht hat,
als deshalb, weil sie einen vollen Einblick in die schweren und
zum Teil unheilbaren Schäden gewährt, an denen das damalige
Rom krankte. Daß das römische Reich auf die Dauer in die Hände
einiger Abenteurer kommen würde, die nicht etwa gleiche politische
Anschauungen, sondern einzig und allein großer Geldmangel und
noch größere Habsucht und Genußsucht zusammengeführt hatten,
das war nicht wohl denkbar. Immerhin hatte Cicero ein Recht,
sich ein Verdienst daraus zu machen, daß er diese gefährlichen
Leute ohne Störung der öffentlichen Ordnung teils zum Verlassen
Roms gezwungen, teils durch Verhaftung unschädlich gemacht hatte.
Wenn man sich nun aber eben diese Leute ansah, die der be-
stehenden Ordnung den offenen Krieg angekündigt hatten, mußte
da nicht jeder Patriot darüber erschrecken, daß die sämtlichen
Führer der Verschwörung der herrschenden Klasse angehörten?
Eine Republik^ in der die Masse der Bürger nur für Brot und Spiele
Sinn hatte und viele Angehörige der maßgebenden Kreise so herunter-
gekommen waren, daß sie nur noch von einer allgemeinen Um-
wälzung etwas zu hoffen hatten, war reif zum Untergang.
Lateinische Exposition.
Cic. ad fam. VII 3, 3 u. 4.
Griechische Exposition.
Piaton, Menez. 247 E fin. 248.
Hebräische Exposition.
Kohdet 9, 7—12.
S90 Evangelische KoDkursprafmig 1904.
Französische Komposition«
Es scheint, daß Bernhard von Weimar an einer Art von Pest
gestorben ist, die in 14 Tagen Tausende von Menschen in seinem
Lager hinweggeraflft hatte. Die schwarzen Flecken (la tache), die
an seinem Leichnam hervorbrachen (6clater), die eigenen Worte
des Sterbenden und die Früchte, die sein plötzlicher Tod Frank-
reich ernten ließ, erweckten den Verdacht, die Franzosen hätten
ihn vergiftet, eine Annahme, die in Anbetracht der übrigen Um-
stände darchans nicht als erwiesen gelten kann. Auf ihn liatten
die Verbündeten alle ihre Hoffnungen gesetzt. Der kühne Plan
Bernhards, am Rhein sich einen Staat zu gründen, wurde durch
seinen vorzeitigen Tod vereitelt. In ihm verloren die Protestanten den
größten Feldherrn, den sie seit Gustav Adolf besessen hatten, die Katho-
liken ihren gefährlichsten Feind. Und was das Schlimmste war,
Frankreich gewann nicht nur seine Eroberungen, sondern auch
seine ganze Armee.
Geschichte.
Frankreichs Vordringen gegen die Rheingrenze von der Mitte
des 16teu bis zum Anfang des 19ten Jahrhunderts.
Algebra und Trigonometrie.
1. Berechne x, y und z aus folgenden 3 Gleichungen:
1. 1 + 1 + 1 = _16
X ' y z
2.1 + 1-^ = 68
X ' y z
X y z
2. Zwei Radfahrer A und B üben sich auf einer kreisförmigen
Bahn. Durchmessen sie die Bahn in derselben Richtung, so über-
holt A den B immer je nach 4 Minuten 35 Sekunden wieder, durch-
fahren dieselben aber die Bahn in entgegengesetzter Richtung, so
begegnen sie sich immer je nach 25 Sekunden wieder. Wie groß
ist die Geschwindigkeit eines jeden der beiden Radfahrer und wie
lang ist die Bahn, wenn A zu 48 m gerade 1 Sekunde weniger
braucht als B?
3. Um die Entfernung eines Punktes A von einem Punkte B,
der von A aus nicht sichtbar ist, zu bestimmen, hat man von zwei
Punkten C und D aus, welche zu beiden Seiten von A mit A in
einer Geraden Uegen, die Winkel AGB = 40^^ 24' und ADB = 70'> 36'
Katholische Konkursprüfung 1904. 291
bestimmt imd weiterhin noch die Längen der Strecken AG = 57^26 m
und AD = 38,48 m gemessen.
Wie groß er^bt sich hieraus die Länge der Strecke AB?
Geometrie und Stereometrie.
1. Innerhalb eines Kreises liegen zwei Pnnkte A und B. Auf
dem Kreise selbst einen dritten Punkt X so zu finden, daß die
Halbierungspunkte der von X durch A und B gezogenen Sehnen
einen gegebenen Abstand a voneinander haben.
' 2« Ein gegebenes Quadrat in einen Rhombus zu verwandein,
dessen Diagonalen sich wie zwei gegebene Strecken m und n ver-
halten.
3. An einem Wtlrfel von der Kante a werden sämtliche Ecken
so abgeschnitten, daß alle S'eitenquadrate des ursprünglichen Wttrfels
in reguläre Achtecke übergehen.
Wie groß ist der Kubikinhalt des Restkörpers?
Katholische Konkursprüfung 1904.
Religion.
A. Glaubenslehre.
1. Die Lehre von der göttlichen Welterhaltung.
2. Die Notwendigkeit der göttlichen Gnade zum Heil und die
freie Mitwirkung des menschlichen Willens.
3. Die Wirkungen des Taufsakramentes.
B. Sittenlehre.
1. Die Bedeutung des freien Willens für das sittliche Handeln.
2. Wie versündigt man sich gegen die Ehre des Nächsten.
Deutscher Aufsatz.
Bedeutung des Handels für die menschliche Kultur.
Lateinische Komposition.
Fern von seiner Heimat, fUr deren Wohl und Gedeihen er
alle seine physischen und geistigen Kräfte eingesetzt hatte, ist Paul
Krüger, das ehemalige Oberhaupt der südafrikanischen Burenrepublik
(B<»ri),vorwenigen Tagen dahingeschiedenmitdem wehmütigen Gefühl,
293 Katholische Konkursprüfnng 1904.
daß die SelbBtändigkeit seines Volkes, wenigstens nach menschlicher
Voraassicht, nnwiederbringlich dahin ist. Die Tragik seines Schick-
sals kann nicht yerfehien, in d^n weitesten Kreisen anfriohtiges
Mitgefühl wachzumfen. Es läßt sich schwerlich ein vollkommenerer
Typos des Burentnms finden als Krttger, dessen Lebensgeschiohte
man kennen muß, am die Geschichte seines Volkes seit dem letzten
Halbjahrhundert zu verstehen. Wem von uns sollte er nicht als
Mensch wie als Staatslenker höchst achtungswert erscheinen, der
mit der Rechtschaffenheit und Charakterfestigkeit eines Buren die
Klugheit und Geschicklichkeit eines europäischen Diplomaten zu
verbinden wußte? Wenn die kleinen Burenstaaten dem englischen
Weltreich fast drei Jahre lang erfolgreichen Widerstand zu leisten
und Schlappen beizubringen vermochten, infolge deren die Eng-
länder wiederholt in eine höchst kritische Lage kamen, so ist dies
das Verdienst Krttgers, der sich längst auf den Krieg vorbereitet
hatte, ohne daß Albion etwas davon merkte. Nur der Übermacht
seines Gegners ist das mit todverachtendem Heroismus kämpfende
Häuflein der Buren schließlich unterlegen.
Lateinische Exposition.
Liv. XL, 5.
Griechische Exposition.
Thuk. VIII, 45.
Hebräische Exposition.
Numeri 14, 1—10.
Französische Komposition.
Aus Italien zurückgekehrt, suchte Napoleon durch neue kolos-
sale Unternehmungen den Glorienschein, der ihn umgab, noch zu
vermehren, die Phantasie seiner Nation zu reizen und ihren En-
thusiasmus zu entflammen. Er fürchtete, daß eine längere Untätig-
keit, ein wiederholtes Auftreten, den Zauber, den er ausübte, ver-
schwinden lassen könnte. In Paris behält man nichts im Gedächtnis,
sagte er. Bleibe ich lange hier, ohne etwas zu tun, so bin ich
verloren. Eine Berühmtheit in diesem großen Babylon wird leicht
durch eine andere ersetzt, und hat man mich nur dreimal auf der
Bühne gesehen, so wird man mich nicht mehr beachten.
In raschem Siegeslauf bemächtigte er sich bald darauf Ägyptens
und als er aus diesem Lande zurückkehrte, flog ihm das Gefühl
Katholische Konknrsprttfting 1904. 293
des Volkes entgegen, daß er ein geringeres Übel ftls die Kriegsnot
sei, daß er die innere Ratlosigkeit, Barbarei und Zerstörung zn
heilen vermöge. Wohin er kam, umgab ihn ein einziger Aosbruch
unermeßlichen Jubels und glühender Begeisterung; Städter und
Bauern, Soldaten und Bürger drängten sich mit nie endendem Rufen
um seinen Wagen. Niemals hat eine große Nation sich mit un«
bedingterer Hingebung einem einzigen in die Arme geworfen.
Geschichte.
1. Der Schmalkaldische Krieg und der Augsburger Reichstag
von 1547—48.
2. Äußere und innere Politik des Großen Kurfttrsten (mit Aus*
Schluß der sozialen Tätigkeit).
3. Josephs II. äußere Politik und ihre Erfolge.
4. Die territorialen Veränderungen Preußens von 1772 — 1866
und ihre Bedeutung.
Zu beantworten: 1 oder 2. — 3 oder 4.
Algebra und Trigonometrie.
1. x2 — 2xy4-3y» = 22
3x« — 2xy+ y« = 6.
2. Von einer arithmetischen Reihe mit fünf Gliedern ist die
Summe der Glieder 25. Das Produkt des ersten und fünften Gliedes,
vermehrt um das doppelte Quadrat des dritten Gliedes, ist 59. Wie
heißt die Reihe?
3. A legt am 1. Januar 1905 eine gewisse Summe zu 4% an,
um vom 1. Januar 1906 ab eine jährliche Rente von 4000 Mk.
15mal zn beziehen. B will gleichzeitig eine Summe einbezahlen,
um vom gleichen Zeitpunkt ab eine gleich hohe Rente gleich oft
zu erhalten, konnte aber sein Geld nur zu 3V2 ^/o anbringen. Wie-
viel muß er mehr anlegen?
4. Von einem Turme aus, dessen Höhe h = 55,8 m ist, sieht
man 2 mit dem Fußpunkt des Turmes in einer horizontalen Ge-
raden liegende Punkte unter den Depressionswiukeln a = 40^ 8'
und /S = 26® 27'. Wie weit sind diese Punkte voneinander entfernt?
Geometrie und Stereometrie.
1. Gegeben ein Kreis und ein Punkt außerhalb desselben; durch
den Punkt eine Sekante zu ziehen, von der das Stück außerhalb
des Kreises halb so groß ist als das Stück innerhalb des Kreises.
294 !• Hnmanistische Dienstprüfung 1904.
2. Dreieck aus a, b:c und h^
3. Von einem regulären Tetraeder sind drei von einer Ecke
ausgehende Kanten Mantellinien eines Kegels, der die dieser Ecke
gegenüberliegende Tetraederfiäche zur Grundfläche hat. Wie ver-
halten sich die beiden Körper ihrem Inhalt und ihrer Oberfläche
nach?
4. über eine Strecke AB = 20 cm ist (als Hypotenuse) nach
der einen Seite ein gleichschenklig-rechtwinkliges Dreieck ABC und
nach der anderen Seite ein gleichseitiges Dreieck ABD errichtet
und die ganze Figur um die Verbindungslinie der Spitzen CD ge-
dreht worden.
Wie groß ist der Radius einer Kugel, die mit dem Körper
gleichen Inhalt hat und wie groß der Radius einer zweiten Kugel,
die mit dem Körper gleiche Oberfläche hat?
L Hmnanistisohe Dienstprüfang 1904.
Lateinische Komposition.
Über den hohen Wert der antiken Literatur und Kunst, nicht
nur fllr die gelehrte, sondern auch für die allgemeine Bildung, ist
heutzutage nur eine Stimme: nicht minder einig scheint die öffent-
liche Meinung auch in der Ungunst zu sein, mit welcher die Fach-
gelehrten angesehen werden, deren Vermittlung man doch, wie es
scheint, den Besitz und Genuß dieser so hoch geschätzten klassischen
Bildung zu danken hat. Daß die Philologen vorzugsweise zu
denen gehören, welche „Staub fressen, und mit Lust^^, Leute, die
imstande sind, über den Tüpfel überm J, über Interpunktion und
Wortstellung ernsthaft zu streiten, pflegt auch von solchen mit
Überlegenheit geltend gemacht zu werden, die bei einem Kontrakt
über Mein und Dein die Künste haarspaltender Interpretation zu
schätzen wissen. Und die Archäologen, Künstlern und Kunstlieb-
habern gleich unbequem, wenn sie auf so einfache und präzise
Fragen, wann und von wem ein Kunstwerk verfertigt sei? was es
darstelle und wie es zu benennen sei ? — nicht gleich präzise Ant-
worten bei der Hand haben, gelten auch gemeiniglich für solche,
„die den Wein keltern, aber nicht trinken^^
Lateinische Exposition.
Gi& disp. Tusc. U cap. 14 § 32, Mitte bis § 84.
I. Humanistische Dienstprüfung 1904. 395
Griechisohe Komposition.
Die hellenische und auch die römische Volksmeinung war der
naiven, vom natürlichen Egoismus eingegebenen Ansicht, daß man
seinen Freunden Wohl, seinen Feinden Übles tun müsse. Und in-
dem Sulla sich als Grabschrift bestimmte: „er ließ sich von keinem
Freunde im Wohltun, von keinem Feinde im Übeltun übertreffen^^
glaubte er alle seine Graasamkeiten gerechtfertigt; und hatte sie
wohl auch in den Augen des Volkes gerechtfertigt. Selbst die
Philosophie blieb lange an diesem naturalistischen Prinzip der
menschlichen Beziehungen haften. Noch der Sokrates des Xenophon
erklärt, daß ihm derjenige höchst lobenswert erscheint, der den
Feinden im Übeltun, den Freunden im Wohltun zuvorkommt. Plato
hingegen geht darüber sehr entschieden hinaus, indem er gegen
diese Ansicht geltend macht, daß die Gerechtigkeit als menschliche
Tagend niemanden, auch den Feind nicht in seiner menschlichen
Tüchtigkeit schädigen dürfe, was notwendig geschähe, wenn der
Gerechte dem Feinde Übles zufügte. Die Stoa geht noch weiter
als Plato. Nicht bloß keinen Schaden, sondern sogar Gutes tun
soll man jedem, selbst dem, der sich feindselig stellt. Mindestens
seit Ohrysipp herrscht die aus ihrer Allbeseeltheitslehre sich er-
gebende Vorstellung, daß alle Menschen untereinander verwandt
und auf enge Gemeinschaft miteinander angewiesen seien. Die
römische Stoa hat mit der Theorie der Gleichheit aller Menschen
Ernst gemacht. Jede Seele ist ihr ein Fragment {dnoanacfia wurde
angegeben), ein Teil des Göttlichen. Also sind alle Menschen Söhne
Gottes, alle untereinander Brüder, die Alten sind ebensogut die
Väter aller Jüngeren wie ihrer eigenen Kinder. Es gibt keinen
Unterschied des Ranges zwischen Herren und Sklaven, Vornehmen
und Geringen.
Griechische Exposition.
Demosthen, HI Phil., 47—51.
Französischer Aufsatz.
1. L'^pop^e frauQaise du moyen äge compar6e ä T^popie ho-
m^riqne.
2. Quels po^tes de Pantiquitö dassique ont servi de modales
anx po^tes fran^ais de la reuaissance?
3. Voltaire et Rousseau.
1—3 zur Wahl.
296 n. Humanistische Dienstprflfiing 1904.
Geschichte.
1. Das spartanische Königtum bis anf Kleomenes m.
2. Geschichte der Btadt Eorinth.
3. Pompejns«
4. Anrelianns.
5. Die Hanptphasen in der Geschichte des deutschen König-
tums im Mittelalter.
6. Die Ursachen der Kreuzzlige.
7. Gibt es Vorläufer der Reformation Luthers im Mittelalter?
8. Der Rückgang des oberdeutschen und hansischen Handeb
im 16. Jahrhundert.
9. Die Umwandlung der staatlichen Verhältnisse Deutschlands
im napoleonischen Zeitalter.
10. Der deutsche Zollverein.
NB. Auswahl aus 1 — 4 und 5 — 10. (Zwei Fragen sind zu be-
antworten.)
IL Humanistische Dienstprüfung 1904.
Deutscher Aufsatz.
Thema: Homerfragen und Homerkritik im Altertum.
Zur YerdeutschuDg der grammatisclien
Kunstausdrüoke.
Die Vorschläge Oberstudienrat Haubers für Verdeutschung
grammatischer Grundbegriffe haben kein so vielfaches Echo gefun-
den, wie die Wichtigkeit der Frage erwarten ließ — von Einzel-
bemerkungen ist der Schriftleitung nur eine zugegangen — y dafür
aber ein um so lebhafteres in den beiden Aufsätzen von Rektor
Thierer und Professor Ackerknecht. Wenn nun auch ich noch dazu
das Wort ergreife; so geschieht es, weil nach meiner Ansicht die
Frage so wichtig ist, daß niemand mit dem zurückhalten sollte,
was er auf Grund seiner Erfahrungen zu einer möglichst glück-
lichen Lösung der Frage etwa beitragen kann. Wichtig ist die
Frage deshalb, weil die Schwierigkeit der Einprägnng und Hand-
habung bei den deutschen Kunstausdrücken in gewissem Sinn viel
Elett, Zur Verdeutschung d. grammat. Konstausdrücke. 297
größer ist als bei den lateinischen^ sei es in lateinischer oder „ein-
gedeutschter" Form. Diese Schwierigkeit liegt vor allem daran,
daß der deutsche Ausdruck sehr leicht, ja oft mit Notwendigkeit
durch den einfachen Wortlaut Vorstellungen erweckt oder zu Vor-
stellnugsverbindungen Anlaß gibt, die zu dem, was der grammatische
Ausdruck' soll, in einem störenden oder verwirrenden Sinnverhältnis
stehen, weil dem deutschen Kunstausdruck für das Bewußtsein des
Schillers die gewöhnliche Wortbedeutung des betreffenden Ausdrucks
anhaftet, die enger oder weiter sein oder auch in ein ganz anderes
Gebiet führen kann; außerdem ist bei den deutschen Fachausdrucken
eine gewisse Schwerfälligkeit oft kaum zu vermeiden, die an die
kindliche Redefertigkeit sehr hohe Anforderungen stellt. Demgegen-
über besitzen die fremdsprachlichen Ausdrücke den unersetzlichen
Vorzug, daß sie für uns ausschließlich nur die grammatische Funktion
als solche bezeichnen und deshalb in jedem beliebigen Zusammen-
hang verwendet werden können, ohne jede Gefahr einer für das
Ohr oder das Verständnis unerwünschten Vermischung von Ver-
schiedenartigem. Ich ziehe hieraus nicht den scheinbar naheliegen-
den Schluß, daß auf die Einführung deutscher Kunstausdrücke
einfach verzichtet werden soll — denn die Zeiten, wo der gram-
matische Unterricht mit dem fremdsprachlichen einfach zusammen-
fiel, sind nun einmal vorüber — , wohl aber den andern, daß bei
der Einfuhrung deutscher Kunstausdrücke nicht vorsichtig genug
verfahren werden kann, damit jene Gefahren der Schwerfälligkeit
und des Zusammenfließens verschiedener Vorstellungen oder auch
der Inkongruenz zwischen dem Umfang dessen, was der Kunstaus-
druck bezeichnen soll, und dessen, was er, genau genommen, be-
zeichnen würde oder doch bezeichnen kann, auf ein möglichst ge-
ringes Maß beschränkt werden; und ich halte demnach für eine
besonders wichtige Forderung die, daß der Knnstausdruck möglichst
freizuhalten ist von jeder naheliegenden Möglichkeit, bei ihm
noch an etwas anderes zu denken als eben an den Inhalt und Um-
fang des grammatischen Begriffs, um dessen Bezeichnung es sich
handelt. Ausdrücke wie ,,der Wenfall" entsprechen demgemäß ganz
dem, was ein grammatischer Kunstausdruck nach meiner Ansicht
sein soll. Aus demselben Grund glaube ich auch, daß wirklich
eingebürgerte Kunstausdrücke, wenn irgend möglich, beibehalten
werden sollten, die zugleich den andern Vorteil bieten, daß sie in
den Familien geläufig sind.
Aus dem Gesagten geht schon hervor, daß ich mich ebenso
Korretpondenxblatt 1906, Heft 8 u. 9.
298 Klett,
wie A. zu den Thiererschen Vorschlägen insoweit ablehnend ver-
halten muß, als sie darauf hinauskommen, möglichst viel oder einen
möglichst tiefen Sinn in den Kunstausdruck zu legen; ich hoffe
nach dem Gesagten nicht mißverstanden zu werden, wenn ich sage:
es sollte vielmehr möglichst wenig Sinn in dem Kunstausdruck
liegen. Das Bemühen, den Schülern dazu zu helfen, daß sie von
ihrem Standpunkt aus das finden können, was sie sich nun für die
Dauer einzuprägen haben, verdient alle Achtung. Welcher Lehrer,
der wirklich einer ist, teilte dieses Bestreben nicht? Aber daß der
Gang, den ein Lehrer in eigener Gedankenarbeit sich ausgedacht
hat, deshalb, weil er ihn mit der Freude und Sicherheit des Ent-
deckers zu gehen und zu führen weiß, nun auch dem, der ihn nur
von dem Entdecker übernimmt, sich ähnlich fruchtbar erweisen
sollte, halte ich für ausgeschlossen. Nicht, daß die Schüler selbst
den Kunstausdruck finden können — und es sind 7 — 10jährige
Schüler! — ist die Hauptsache, sondern daß er ihnen verständlich
gemacht werden kann. Vielmehr müssen möglichst objektive Kri-
terien über die Wahl der KnnstausdrUcke entscheiden, und sind
diese gewählt, d. h. für alle Schulen festgestellt, dann mögen die
Lehrer miteinander wetteifern in dem Suchen nach der besten Art,
sie ihren Schülern mund- und denkgerecht zu machen. Ich kann
auf die einzelnen Th/schen Vorschläge nicht eingehen, will aber
meine Bedenken an einigen Beispielen veranschaulichen: „Eigen-
schaftsangabe = Attribut ist viel zu eng, da es bekanntlich auch
substantivische Attribute gibt und nicht einmal alle adjektivischen
(was natürlich von den Adjektiven überhaupt gilt) eine Eigenschaft
bezeichnen (vgl. die obere Stadt etc.), desgleichen „Artangabe^
für Apposition (vgl. Cato der Ältere etc.); „Tu-" oder „Tätigkeits-
wort" für Verbum ist ebenfalls zu eng, weil es auf Wörter wie
liegen nicht paßt und zudem die Möglichkeit einer wirklich adä-
quaeten und möglichst einfachen Bezeichnung des Aktivs nimmt;
wolun man aber mit dem Grundsatz, die Schüler alles finden zu
lassen, kommt, zeigt am besten der Ausdruck „Dulder" für Akku-
sativobjekt: angenommen, es begegnet einem unserer kleinen Schüler,
was ja immerhin möglich ist, der Satz „Der fromme Dulder segnete
seine Verfolger", welche Verwirrung müßte da in dem kindlichen
Kopfe entstehen!
Auch die Vorsehläge von H. und A. kann ich nicht alle im
einzelnen durchgehen, sondern ich will nur versuchen; nnter Be-
gründung der Bedenken, die ich gegen einzelne habe, auf einige
Zur Yerduutschang der grammatischen EunstausdrÜcke. 399
Punkte hinzuweisen, die für die Entscheidung ins Gewicht fallen
können.
Für „Hauptwort^* spricht nicht bloß, daß es eingebürgert ist:
zwar ist für den Satz das Verbum mindestens ebenso wichtig als
das Substantiv; aber das Kind kann sich wohl einen Gegenstand,
ein Ding für sich, nicht aber einen Vorgang für sich (sondern diesen
nur als Vorgang an einem Gegenstand) vorstellen, und deshalb ist dem
Kind der Gegenstand das Wichtigste, die „Hauptsache", und also
das Wort, das den Gegenstand bezeichnet, das „Hauptwort" (das
gesteht sogar unfreiwillig Th. zu; denn wenn man dem Kind sagt,
das Subjekt sei das, was den Satz trage, so wird ihm schwer aus-
zureden sein, daß dies der wichtigste Teil des Satzes sei); »Ding-
wort" würde sich begrifflich gut eignen, aber dem Kind wird es
nicht einleuchten wollen, daß „Mann" ein Dingwort sei, zumal man
ihm den Unterschied der Geschlechter eben mit Hilfe von „der
Mann, die Frau, das Ding" am einfachsten klar macht. Zu „Denk-
wort" bildet „Sachwort" keinen Gegensatz; denn es werden auch
Abstrakta als Sachen bezeichnet (z. B. „die Befreiung war eine
schwierige Sache"), und „Denkwort" kann nur, dann aber gut, ge-
rechtfertigt werden, wenn man es erklärt als Wort, das etwas be-
zeichnet, was (nur) mit dem Denken erfaßt, aber nicht mit den
Sinnen wahrgenommen wird ; als Gegensatz ergibt sieh also „Sinnen-
wort" oder „Wahmehmwort"; daß dies die" beiden Unterarten des
Hauptworts sind, kann einem Kind, dem man überhaupt mit dem
Unterschied zwischen konkret und abstrakt kommen darf, leicht
begreiflich gemacht werden, die doppelte Zusammensetzung „Sinnen-
hauptwort" (A. „Sinnendingwort") ist also wohl entbehrlich. Den
Verzicht auf das eingebürgerte „Eigenschaftswort" zu Gunsten von
„Beiwort" halte ich deslialb für notwendig, weil die Schwierigkeit,
die daraus entsteht, daß es Hauptwörter gibt, die eine Eigenschaft
bezeichnen, für einen kindlichen Verstand kaum zu bewältigen ist;
auch trifft es, wie schon gesagt, streng genommen nicht einmal für
alle Adjektive zu, daß sie eine Eigenschaft bezeichnen. Bei den Für-
wörtern möchte auch ich das „bestimmende" um so weniger missen,
als dessen gewöhnliche Nichtbeachtung die Hauptschuld daran trägt,
daß unsem Schülern das falsche „dieser, welcher" so schwer abzu-
gewöhnen ist. „Zueignendes Fürwort" ist deutlicher als „eignendes";
jedenfalls ist „besitzanzeigend" zu verwerfen; denn das Possesiv
bezeichnet nicht den Besitz, sondern den Besitzer. Gegen „rück-
bezüglich" für Relativ habe ich das Bedenken, daß der Relativsatz
300 Klett,
(vgl. Sät2e mit „wer^*) häufig voransteht; „beziehend" halte ich fttr
eine gute Bezeichnung des Relativpronomens, das den betreifenden
Satz auf ein Hauptwort oder ein bestimmendes Fürwort ^bezieht";
man bekäme dann „bezogene^* und (durch ein Bindewort) „gebundene"
Nebensätze (was mir leichter zu handhaben scheint, als „Fürworts-
nebensatz" und „Bindewurtsnebensatz", woran man allenfalls auch
denken könnte). „SelbstbezUglich" für reflexiv ist begrifflich sehr
gut und wilrde zu „Selbstand" für Subjekt trefl'lich passen; aber die
Verwendung desselben Wortes „beziehen" (das für relativ nicht zu
entbehren sein dürfte) für zwei verschiedene grammatische Begriffe
desselben Gebiets wird besser vermieden; und „rückweisend" für re-
flexiv ist sicherlich ebenfalls eine ganz entsprechende Bezeichnung,
die auch dem Anfänger leicht verständlich gemacht werden kann, (daß
auch das Reflexivum dem Subjekt vorangeht, kommt zwar vor, ist
aber eine verhältnismäßig seltene Ausnahme). Unter „Partikel" können
a) Präpositionen, b) Konjunktionen und c) Interjektionen (nicht
aber Adverbien) subsumiert werden ; es gibt aber auch d) Partikeln
im engeren Sinn, die nichts von alledem sind, sondern einen selb-
ständigen Gedanken in kürzester Forih ausdrücken w^ie ja, leider
(manche dieser letzteren Wörter sind sowohl Adverbien als Partikeln,
z. B. „eben" = vorhin und „eben" = ich meine das und nichts
anderes, ich meine es so und nicht anders); man kann aber wohl
mit „Starrwort" für Partikel im weiteren Sinn (= a, b, c, d) und
im engeren Sinn (= d) auskommen (will man für letztere eine be-
sondere Bezeichnung, so könnte man etwa an „Kurzwort" oder
„Kürzwort" denken). Gegen ^Vorwort" für Präposition habe ich
das Bedenken, daß „Vorwort" in ganz anderer Bedeutung geläufig
ist, und daß es auch im Deutschen „Präpositionen" gibt, die ihrem
Kasus nachstehen; ich möchte an „Verhältniswort" festhalten als
einfacher und eingebürgerter Bezeichnung der Funktion der »Prä-
positionen". Gegen „Hauptsatzbindewort" scheint mir zu sprechen,
daß es ebenso wie im Haupt- auch im Nebensatz vorkommt und nicht
den Hauptsatz als solchen einleitet wie das „Nebensatzbindewort"
den Nebensatz;* „beiordnende" nnd „unterordnende Bindewörter"
ist doch eine klare und zur Aufklärung dienende Bezeichnung.
£ine Schwierigkeit entsteht allerdings, wenn die Bezeichnung „Satz-
verbindung^' auf die Verbindung beigeordneter Sätze beschränkt
wird, weil dann in „Bindewort" das Wort „binden" eine weitere
Bedeutung hat als in „Satzverbindung" (s. u.).
Die Biegung der Nennwörter aln Formenbildung zu bezeichnen,
Zur Verdeutschung der grammatischen Kunstausdrücke. 301
möchte ich widerraten, da auch die Biegung der Zeitwörter eine
Formenbildung ist; es genügt, „Nennwortsbiogung" und „Zeit-
wortsbiegung^^ zu unterscheiden und speziell Deklination als „Fall-
bildung^^i Konjugation als „Abwandlung^^ zu bezeichnen. Sodann
wäre es genauer, zwischen ,, biegsamem" und „biegungslosem ^^,
„gebogenem** und „ungebogenem" Nennwort zu unterscheiden.
Der Positiv ist genau genommen keine „Stufe" (bei Adjektiven,
die eine Steigerung ausschließen, z. B. allmächtig, kann man von
einer solchen nicht sprechen) ; ich hielte für richtiger, von der„ Grund-
form" des Adjektivs die erste und zweite Stufe der Steigerung
(= Komparativ und Superlativ) zu unterscheiden.
Eine verwickelte Sache ist es um die Bezeichnung der Verbal-
formen, weil gerade hier verschiedene berechtigte Interessen mit-
einander in Widerstreit gerieten. Ehierseits wird man nicht umhin
können, statt „Zeit", „Gegenwart" etc., „Zeitform", „Gegenwarts-
form" zu sagen, wenn man nicht Sätze bekommen will, wie folgender:
„Welche Zeit [= Zeitform, Tempus] bezeichnet hier [nämlich in
einem Satz mit praes. bist.] die Vergangenheit? Antwort: Die
Gegenwart [= Gegenwartsform, Praesens)". Andererseits wird man
für die genaue Bezeichnung der modi und genera verbi auch nicht
auf die Verwendung deutscher Komposita verzichten können;
daraus folgt, daß zur Bezeichnung der „Zeiten" je nach den
Umständen die genauere Bezeichnung (Kompositum z. B. „Gegen-
wartsform") oder die ktlrzere (Simplex z. B. „Gegenwart") zuzu-
lassen und anzuwenden ist, desgleichen mindestens auch noch bei
den ^^Handlungsarten" („Tuform" oder „das Tun", „Leideform" oder
„das Leiden"). Was die Bezeichnung des Imperfekts und Perfekts
betrifft, so glaube ich, das mau am besten täte, auf Bezeichnungen,
die der besonderen Bedeutung der beiden Zeitformen gerecht werden
sollen, zu verzichten; denn man wird keine finden, die ganz be-
friedigen, aus dem einfachen Grund, weil der Sprachgebrauch nicht
bloß jede dieser Zeitformen für sich in verschiedenem Sinn an-
wendet, sondern dazu auch noch beide in ein und demselben Sinn
i^S^*' })g68tern sttlrzte ein Bergsteiger ab" und „gestern ist ein
Bergsteiger abgestürzt", wo wir beidemal von einer Handlung
hören, die „vollendet" und Jetzt vergangen" ist, und wo beidemal
diese beiden Gesichtspunkte gleich wenig in Betracht kommen) ; ich
glaube, daß man am besten auskommt mit den Bezeichnungen „ein-
fache" und „zusammengesetzte Vergangenheitsform", „Vorvergangen-
heitsform" (abgekürzt: „einfache" und „zusammengesetzte Vergangen-
S02 Klett,
heit"; „Vorvergangenheit^*). Was die modi betrifift, so erhebt sich hier
vor allem die Schwierigkeit, daß „Aussage" als deutsche Bezeichnung
des Prädikats nicht wohl zu entbehren ist und doch gewöhnlich
in dem bekannten engeren Sinn („Aussagesatz" im Gegensatz za
„Heischesatz") gebraucht wird. Man wird ftlr die Grammatik im
Interesse der Deutlichkeit die letztere, engere Bedeutung fallen
lassen mUssen und sie etwa durch („bejahende" oder „verneinende")
„Behauptung" ersetzen: „Sageform" für Indikativ hat das für mich
untiberwindliche Bedenken, daß „sagen" nicht in einem engeren
Sinn gebraucht werden kann als „aussagen" ; „FUgeform" für Kon-
junktiv wäre an sich sehr schön, aber hat das gegen sich, daß in dem
„Satzgefüge" (s. u.), das man für die Bezeichnung eines Hauptsatzes
mit einem oder mehreren Nebensätzen nicht wird entbehren wollen, es
sich nicht bloß um konjunktivische Nebensätze handelt, und deshalb
für den Anfänger die Gefahr einer Unklarheit entsteht. Daß eine
sachlich ganz entsprechende Bezeichnung für Konjunktiv gefunden
werden kann, darf als ausgeschlossen gelten; aber „Ungewißheitsform"
ist schwer zu handhaben, zumal in Verbindung mit anderen Kunst-
ausdrttcken, und der „Befehlform" entsprächen am besten Zusammen-
setzungen mit Verbalstämmen; ich möchte deshalb für Indikativ
und Konjunktiv „Behauptungsform" und „Wunschform" (Th.) vor-
schlagen (die Schwierigkeit, daß dem deutschen und lateinischen
Konjunktiv im Griechischen teils der Konjunktiv teils der Optativ
entspricht, bleibt, wie man sich auch entscheiden mag, dieselbe und
ist von der Art, daß die Minderheit von Schülern, die Griechisch
lernen werden, sich mit ihr muß abfinden können; und die „gemil-
derte Behauptung" drückt der Deutsche häufig in Wunschform aus,
nämlich durch „möchte"); der „Aussagefoim" nach unterschiede
man also Behauptungs-, Wunschform- und Befehlsätze, wozu noch
die Frage- und Ausrufsätze kommen, die ihren Modus von den
beiden ersten Satzarten entlehnen. Einen besonderen Konditional
im Deutschen zu unterscheiden halte ich nicht für richtig, da die
zusammengesetzten Formen des coni. imperf. und plusquamperf.
im Bedingungssatz überhaupt besser vermieden werden und auch
im bedingten Hauptsatz mit den einfachen Formen wechseln.
Demnach würde die genaue Bezeichnung einer Form des verb.
fin. beispielsweise lauten „zusammengesetzte Vergangenheit der
Wunschform des Tuns in der ersten Person der Mehrzahl", umständ-
licher als die lateinische Bezeichnung, aber immerhin nicht unhandlich.
Gegen „Nennform" für Infinitiv habe ich das Bedenken, daß
Zur Verdeutschung der grammatischen Kunstansdrücke. 303
das Partizip so gut wie der Infinitiv Nennwort ist; ich würde also
lieber „Orandform" und ,,Mitteiform^^ oder ^^Beiwortsform^^ als „un-
bestimmtes Zeitwort^* dem (der Person nach) „bestimmten Zeitwort^^
gegenüberstellen; gegen „personhaftes Zeitwort'* scheint mir die
Gefahr der Verwechslung mit dem doch aach unentbehrlichen „per-
sönlichen^' bezw. „unpersönlichen^* Verbum zu sprechen.
Was die Bezeichnung der Satzteile betrifft, so schlägt E. Nestle
im Anschluß an den deutschen Sprachverein für Objekt „Ergän-
zung** vor; aber in einem Satz wie „die Sachen stehen gut** ist
das Umstandswort eine ebenso notwendige Ergänzung wie irgend
ein Objekt. Objekt mit „Satzgegenstand** wiederzugeben trage ich
Bedenken, weil der Gegenstand, mit dem es der Satz, die Satz-
aussage direkt zu tun hat, das Subjekt ist; dieser Einwand trifft
auf das bloße „Gegenstand** unmittelbar nicht zu, denn das Objekt
ist Gegenstand der durch ein Verbum oder Adjektiv ausgedrückten
Tätigkeit; aber das Wort kommt sehr häufig und in verschiedenen
Anwendungen vor, wie H. selbst sagt, auch ist „Gegenstand im
Satz** schwerfällig: mir scheint „Ziel** (A.), woraus sich „zielhaft**
und „ziellos^ für Yerba (und Ajektiva) mit bezw. ohne Objekt
ergibt, die glücklichste Wiedergabe. Zwischen „Selbstand**, „Ur-
ständ** und „Unterstand** für Subjekt kann die Wahl weh tun:
die beiden ersten sind dem Kind wohl leichter verständlich zu
machen; aber auch „Unterstand** als das, was der Betrachtung
der Aussage „untersteht**, dürfte keine zu großen Schwierigkeiten
bereiten, und ist wohl mit Rücksicht auf „Subjekt**, „sujet** vorzu-
ziehen. Wenn die Apposition mit Hilfe des Worts „beifügen** be-
zeichnet wird, so sollte dieses nicht auch für Attribut verwendet
werden, da es nicht bloß adjektivische Attribute gibt, sondern auch
substantivische im Genetiv oder mit Präposition, die so gut wie die
Apposition Anspruch auf die Bezeichnung „beifügendes (beigefügtes?)
Hauptwort** hätten. Ich würde „Beifügung*' (erklärende oder unter-
scheidende) für Apposition vorschlagen und „Bestimmung** für Attri-
but, das auch in dem prädikativischen Gebrauch, wie ihn das Deutsche
hat („der weise Sokrates**), das betr. Substantiv genauer bestimoit,
nur dann nicht, wie gewöhnlich, in unterscheidendem, sondern „aus-
sagendem** Sinn, sofern es über das betreffende Substantiv etwas
aussagt, was zur Aussage des Satzes in einer unmittelbaren Be-
ziehung des Sinns steht.
Hinsichtlich der Bezeichnung der Satzarten treffen im wesent-
lichen H. und A. zusammen. Ich habe hier vor allem das Bedenken,
304 Mayer,
daß die an sich so einleuchtenden Bezeichnungen „zusammengesetzter"
oder „zusammengezogener Satz^^ für Sätze mit zwei oder mehr
gleichen Gliedern (z. B. Subjekten) auf den Fall nicht passen, wo
zwei Glieder derselben Art flir eine einfache Aussage unent-
behrlich sind, wie in „A und B wechseln"; ich würde deshalb
„mehrgliedriger Satz" vorziehen. Statt „ganz einfacher Satz" und
„erweiterter einfacher Satz" dürfte „einfacher Satz" und „erweiterter
Satz" genügen. Sodann müßte „Satzverbindung" natürlich jede Ver-
bindung beigeordneter Sätze heißen, ob diese Haupt- oder Neben-
sätze sind. Es kommt aber hier noch die Schwierigkeit wegen des
„Bindeworts" (s. o.) in Betracht: sollen alle Konjunktionen Binde-
wörter heißen, dann muß auch „Satzverbindung" sowohl eine Ver-
bindung beigeordneter Sätze als ein „Satzgefüge" bezeichnen; für
erstere könnte man etwa „Satzreihe" sagen. Wir bekämen dann etwa
folgende Typen der Beschreibung eines Satzgefüges: 1. „ein Satz-
gefüge bestehend aus einfachem oder erweitertem, ev. mehrgliedrigem,
Hauptsatz und einfachem oder erweitertem, ev. mehrgliedrigem, (be-
zogenem oder gebundenem) Nebensatz" ; 2. „ein Satzgeftlge, bestehend
aus einer Satzreihe als Hauptsatz und einer Satzreihe als Neben-
satz" (woran sich die nähere Beschreibung der „Satzreihen" schließen
würde); 3. „ein Satzgefüge bestehend aus einem (einfachen etc.)
Hauptsatz und einem Nebensatz, der selbst wieder ein Satzgeftlge
ist ; dieses letztere besteht aus einem (einfachen etc.) übergeordneten
und einem einfachen (etc.) untergeordneten Satz^\ Daß letzterer
Fall ffir Schüler, um die es sich zunächst handelt, nicht ausge-
schlossen ist, zeigt folgendes Beispiel : „Als der Fuchs sah, daß ihm
die Trauben zu hoch hingen, sagte er".
Gannstatt Th. Klett.
Die Hausaufgaben an der Realschule.
Vortrag von Rektor Mayer, gehalten bei der Jahresversammlung des
Vereins realistischer Lehrer am 20. Mai 1906.
Die jedem Schulmann und besonders jedem Vorstand einer
höheren Schule bekannten Klagen tlber die Überbtlrdung der Schttler
der höheren Unterrichtsanstalten durch Hausaufgaben sind zwar
keineswegs bloß eine Erscheinung der neueren Zeit; doch sind sie
unleugbar in den letzten Jahrzehnten häufiger und stärker zutage
getreten als früher. Sie haben dabei die Eigentümlichkeit, daß
Die Hausaufgaben an der Realschule. 305
sie oft fUr längere Zeit verstummen , um dann, angeregt durch
einen Zeitungsartikel oder ein Vorkommnis im Schulleben^ wieder
lauter in die Öfifentlichkeit zu dringen. Vor nicht ganz zwei Jahren
erlebte Württemberg wieder eine solche Periode, in der die Haus-
aufgaben-Frage lebhafter erörtert wurde, und die Folge davon war
diesmal die Oründung des Stuttgarter „Vereins für Schulgesund-
heitspflege", dem auch außerhalb der Hauptstadt viele Persönlich-
keiten des Landes angehören^ und der sich zum Zweck setzte,
ausreichende Garantien dafür zu schaffen; daß die Hausaufgaben
in unseren höheren Schulen auf das im Interesse der Gesundheit
unserer Jugend notwendige Maß beschränkt werden. Der Verein
veranlaßte alsbald nach seiner Gründung eine Eingabe an die
Unterrichtsverwaltung, welche um Abstellung der Überbürdung
durch Hausaufgaben bat und sich mit über 1200 Unterschriften
aus allen Teilen des Landes bedeckte. Diese Eingabe wird ohne
Zweifel eine Neuregelung der Hausaufgaben durch die Ministerial-
abteilung zur Folge haben, wie eine solche vor 22 Jahren durch
den Erlaß vom 26. April 1883 und vor 9 Jahren durch den Erlaß
vom 19. März 1896 geschehen ist. Der älteste Erlaß über Haus-
aufgaben ist jetzt gerade ein halbes Jahrhundert alt — er stammt
vom 16. Dezember 1854 — und enthält in seinen Grundzttgen
schon alle die Gesichtspunkte, die auch noch heute bei der Beur-
teilung dieser Frage maßgebend sind. Uns Lehrern kann es ja
nur lieb sein, wenn diese Angelegenheit seitens der Behörde in
einer bestimmten Form geordnet wird, weil wir dadurch nicht nur
genaue Anhaltspunkte über die uns zustehenden Befugnisse er-
halten, sondern auch gegenüber den manchmal etwas weitgehenden
Forderungen des Hauses gedeckt werden. Auch uns liegt die Sorge
für die Gesundheit unserer Schüler so sehr am Herzen als irgend-
jemand, und an Wohlwollen für die uns anvertraute Jugend lassen
wir uns von niemand übertreffen, nicht einmal von den Eltern.
Und wenn uns auch unsere tagtägliche Erfahrung zeigt, daß die
Gesundheit unserer Schüler noch durch ganz andere Dinge ge-
fährdet wird als durch die Arbeit und die Aufgabe der Schule, so
z. B. durch übermäßige Musik- oder SportsUbungen, durch ver-
frühte gesellschaftliche Anforderungen, durch Alkoholgenuß und
durch zu große Nachsicht des Hauses gegenüber schlimmen Gewohn-
heiten der Jugend, so sind wir doch fest entschlossen, unsererseits
alles zu tun, damit der Schule nicht mit Recht der Vorwurf ge-
macht werden kann, daß sie durch zu große Anforderungen die
306 Mayer,
OesuDdheit der Jugend schädige. Die Gesundheit der Schüler ist
auch in den Augen der Lehrer ein so hohes Gut, daß sie es sich
niemals nachsagen lassen werden, sie haben zu seiner Minderung
irgendwie beigetragen.
Das Zusammenfallen der Zunahme der Überbttrdungsklagen in
den letzten Jahrzehnten mit der raschen Entwicklung der
höheren Schule in Württemberg wie im übrigen Deutschland
scheint auf einen inneren Zusammenhang hinzudeuten, dessen
Vorhandensein sich auch sonst nahe legt. Vor einem Menschen-
alter, im Jahr 1870, betrug die Bevölkerungszahl Württem-
bergs 1818539 Seelen, die Zahl der Schüler der höheren Lehr-
anstalten 11 291 ; die Zahl der letzteren war also 0,62 % der ganzen
Bevölkerung. Im Jahre 1904 war die Bevölkerung auf 2169480
Seelen, die Schülerzahl der höheren Schulen aber auf 22062, d.h.
auf 1,02 % der Bevölkerung gestiegen, also annähernd auf das
Doppelte. Die Bevölkerungskreise, denen diese Schüler ange-
hören, sind heute ungefähr dieselben wie vor 30 Jahren; es sind
vorzugsweise die Kreise der höheren und niederen Beamten und
Lehrer, der Geistlichkeit, des Handels und Gewerbes in den größeren
und kleineren Städten ; die ländliche Bevölkerung stellt heute kaum
einen wesentlich höheren Prozentsatz zu den Schülern der höheren
Schulen als vor 30 Jahren. Da nun im ganzen anzunehmen ist,
daß die die höheren Schulen benutzenden Kreise früher wie jetzt
hauptsächlich ihre begabteren Söhne dahin schickten, so ergibt
sich aus dem ungemein raschen Anwachsen der Schülerzahl, daß
unter ihren jetzigen Schülern sich verhältnismäßig mehr schwächer
begabte befinden, als unter den früheren. Daß dies für die
Realschulen noch in höherem Maß gilt, als für die Gymnasien,
wissen wir alle nur zu gut. Nun wollen aber die schwächer be-
gabten Schüler nach dem Wunsch ihrer Eltern und Lehrer ihr Ziel
nicht weniger erreichen als die besser begabten; auch wird man die
ersteren nicht ohne weiteres aus den höheren Schulen ausschließen
können ; denn abgesehen davon, daß auch Leute von mittlerer Begabung
sich später im Leben trefflich bewähren, wird man nicht sagen können,
daß die höheren Schulen nur für die ganz vorzüglichen Köpfe da seien.
Ein Reformvorschlag in einer der neuesten Nummern des ^^Merkur^^,
der im übrigen manches Beachtenswerte enthält, möchte aus der
Realschule eine vornehme, moderne Eliteschule machen. Das sollte
sie aber gerade nach dem Willen ihrer Gründer kaum sein, und
wenn man sie jetzt dazu machen wollte, würde sie sich bald ent-
Die HaiiBaufgaben an der Realschule. 307
•
Völkern, und an ihrer Stelle eine andere Schule geschaffen werden.
Wir werden uns also wohl oder ttbel wie die Gymnasien darein finden
müssen, auch Leute von mittlerer Begabung unter unseren Schülern
zu haben. Wenn nun diese mittleren Schüler es ihren Kameraden
gleichtun wollen, und die Lehrer sie anspornen und auch anstrengen
müssen, so liegt allerdings schon aus diesem Grunde die Möglich-
keit der Überbürdung jetzt näher als früher.
Dazu kommt noch ein Zweites. Unsere höheren Schulen haben
in den letzten Jahrzehnten infolge der wirtschaftlichen Entwicklung
eine erhebliche Umgestaltung erfahren. Das Gymnasium sah
sich genötigt, der Mathematik, den Naturwissenschaften und dem
Zeichnen einen größeren Raum in seinem Lehrplan za gönnen;
auch das Realgymnasium und die Oberrealschule haben ihren Lehr-
plan weiter ausgebildet, wobei das Drängen nach Berechtigungen
keine geringe Rolle gespielt hat. Nun haben diese Umgestaltungen
der Lehrpläne fast durchweg die Eigentümlichkeit, daß auf der
einen Seite neue Fächer und neue Anforderungen herandrängen,
während von den alten Fächern und Anforderungen nichts ver-
schwinden will. Es soll neben den neuen Anforderungen auch in
den seitherigen Fächern im ganzen dasselbe Lehi*ziel erreicht wer-
den. Wenn nun ein dienst- und pflichteifriger Lehrer dieses Ziel
trotz der verminderten Unterrichtszeit unverkürzt erreichen will, so
kommt er leicht in die Lage, daß er seinen Schülern zu viele häus-
liche Arbeiten zumutet.
Die neuere Entwicklung unseres höheren Unterrichtswesens hat
femer neue Prüfungsordnungen für die Lehrer und damit
in größerem Umfang als bisher den Übergang vom Klassen- zum
Fachlehrersystem gebracht. Die Fälle w^erden immer häufiger, wo
auch an den Mittelklassen — nicht bloß, wie früher, an den Ober-
klassen — die Hauptfächer in melirere Hände gelegt werden müssen.
Wenn die Fächer, die bei den Hausaufgaben in Betracht kommen,
von einem und demselben Lehrer gegeben werden, so ist er sich
stets bewußt, was die Schüler von einem Tag zum andein an
häuslicher Arbeit zu leisten haben, und er kann, wenn er einmal
genötigt ist, den Bogen in einem Fach straffer zu spannen, ihn in
einem anderen lockerer lassen. Wenn aber diese Fächer von meh-
reren Lehrern gegeben werden, so tritt ein solcher Ausgleich nicht
ein, und gerade die besten Lehrer sind bemüht, die ihren Fächern
nach ihrer Ansicht zustehenden Ansprüche auf den Hausfleiß der
Schüler so gewissenhaft als möglich, d. h. in den meisten Fällen
808 Mayer,
80 ausgiebig als möglich zur Geltung zu bringen. Wohl muß nach
der bestehenden Vorschrift hier ein bestimmter Plan eingehalten
werden; allein das Bestreben der Lehrer, in möglichst vielen
Fächern möglichst viel zu erreichen — ein Bestreben; das ihnen
im Grunde genommen nur zur Ehre gereichen kann — , veranlaßt
sie gar zu leicht zu Überschreitungen dieses Planes, die beim
Klassenlehrersystem eher vermieden werden können. So hat gerade
die fortschrittliche Entwicklung, die unser höheres Schulwesen in
den letzten Jahrzehnten in bezug auf die Lehrpläne , Prüfungs-
ordnungen usw. erfahren hat, dazu beigetragen, die Möglichkeit
der ÜberbUrdung der Schiller durch Hausaufgaben zu fördern.
Daß diese Möglichkeit der Überbtirdung auch an der Real-
schule besteht, soll durchaus nicht in Abrede gezogen werden.
Die Bewegung gegen die Überbtirdung scheint zwar vor zwei
Jahren, wie auch in früheren Fällen, zunächst gegen die Gymnasien
gerichtet gewesen zu sein; auch erscheint es denkbar, daß die
Realschüler in der Tat wegen der größeren Mannigfaltigkeit und
Abwechslung ihrer Fächer, sowie wegen des steten Auftretens neuer
Fächer in den Oberklassen eine Überbttrdung weniger leicht empfin-
den. Allein wer den Sachverhalt genau und aus langjähriger Er-
fahrung kennt, gesteht zu, daß die Klagen über Überbürdung zwar
nicht allgemein und nicht immer in dem vollen Umfang, in dem sie
vorgebracht werden, auch nicht bei allen, die sich gefallen, darin
einzustimmen, aber doch in manchen Fällen berechtigt sind, und
daß auch die Realschule allen Grund hat, zu ihrer Abstellung die
Hand zu bieten.
Ein radikales Mittel, diesen Klagen ein Ende zu machen, wäre
nun allerdings, die Hausaufgaben vollständig zu verbieten,
und es gibt vielleicht Lehrer, die gegen diese Lösung der Frage
gar nichts einzuwenden hätten, vorausgesetzt, daß das Lehrziel
aller Klassen und die Anforderungen bei den Prüfungen ent-
sprechend herabgesetzt würden. Allein so einfach liegt die Sache
denn doch nicht, und bis jetzt hat sich auch meines Wissens nur
eine Unterrichtsbehörde gefunden, die bis zur Abschaffung der
Hausaufgaben gegangen wäre, nämlich der Vorstand des Schul-
wesens im Kanton Zürich, der im Jahre 1890 durch eine besondere
Verfügung anordnete, daß in den Elementar-, d. h. Volksschulen
— also nicht in den höheren Schulen — von allen Hausaufgaben
abzusehen sei. Bei uns richten auch die eifrigsten Vorkämpfer in
der Überbürdungsbewegung ihre Angriffe nur gegen ein Übermaß
Die Hausaufgaben an der Realschule. 309
von Hausaufgaben. Das Elternhaus aber wünscht, daß die
Schüler Hausaufgaben erhalten, und nicht selten tritt der Fall ein,
daß ein Vater oder eine Mutter sich beim Schulvorstand darüber
beschwert; daß der Sohn zu wenig oder gar keine Hausaufgaben
bekomme. Mir ist in meiner 25jährigen Tätigkeit aU Rektor diese
Klage viel öfter entgegengebracht worden als die Klage über Über-
bttrdung. Die Eltern unserer Schüler in ihrer übergroßen Mehrheit
wollen^ daß ihre Söhne in der und für die Schule arbeiten,
für ihre Zukunft arbeiten lernen.
Es kbnnte sich aber weiter fragen, ob unsere höheren Schulen
nicht wenigstens auf die s c h r i f 1 1 i c h e n Hausarbeiten verzichten
können oder sollen. Diese Frage könnte wohl nur ein Versuch ent-
scheiden, und es wäre sehr interessant, welches nach einem solchen
Versuch die Ergebnisse der Jahresschlußprüfung wären. F(lr die
Beurteilung der Frage der Hausaufgaben würde dann eine wertvolle
Erfahrung vorliegen.
Wie die Dinge jetzt stehen, halte ich mit der gesamten päda-
gogischen Welt daran fest, daß die mündlichen und schriftlichen
Hausaufgaben wegen ihres hohen pädagogischen Wertes un-
entbehrlich und darum in unseren höheren Schulen beizube-
halten sind. Sie sollen den Schüler zunächst nötigen, das in der
Schule Gelernte sich sicher und fest anzueignen. Der Schüler muß
von Klasse zu Klasse eine gewisse Menge stofflichen Wissens er-
werben, das er sich nicht während des Unterrichts, sondern nur zu
Hause gedächtnismäßig zu eigen machen kann. Es gibt zwar
Lehrer, die mit einer gewissen vornehmen Geringschätzung auf alle
Gedächtnisarbeit blicken. Sicher mit Unrecht; denn gerade die
Gedächtniskraft ist es, die der selbständigen geistigen Arbeit die
nötige Unterlage, das nötige Rohmaterial, wenn dieser Ausdruck
gestattet ist, liefert, und die daher nicht vernachlässigt werden
darf, sondern geübt und gepflegt werden muß. — Durch die Haus-
aufgaben sollen die Schüler ferner an eine gewisse Ordnung und
Sauberkeit in der schriftlichen Darstellung' gewöhnt werden.
Die Übung in der Schule reicht hiezu nicht aus. Wohl soll auch
hierin die Schule das meiste tun; aber der Schüler darf nicht auf
den Gedanken kommen, daß er sich in diesem Punkt zwar in der
Schule anstrengen müsse, aber zu Hause gehen lassen dürfe; er
muß sich gerade auch zu Hause der Pflicht strengster Pünktlichkeit
und Ordnungsliebe bewußt sein; sonst schwebt das, was in der
Schule geschieht, in der Luft.
310 Mayer,
Zu diesen schulmäßigen Gründen der Unentbehrlichkeit der
Hausaufgaben kommen noch solche allgemein ethischer Art.
Unsere Schüler müssen lernen, daß die Arbeit und der richtige
Gebrauch der Zeit eine sittliche Pflicht eines jeden Menschen ist,
und daß es auch jetzt noch dem Manne gut ist, wenn er in seiner
Jugend das Joch der Arbeit trägt, damit er die Erholung und die
Ruhe nach der Arbeit um so besser zu würdigen weiß. Die Wort-
führer im Kampf gegen die Hausaufgaben meinen, die Schüler
müssen recht viel freie Zeit haben, und sie werden schon den
richtigen Gebrauch von ihr machen. Wer die Schuljugend unserer
großen Städte in ihrer freien Zeit beobachtet, glaubt nicht recht
an diese schöne Behauptung. Es gibt ja sicher manche erfreulichen
Ausnahmen, besonders überall da, wo die Söhne eine ernste Auf-
sicht im Elternhaus genießen. Aber wie viele schlimmen Erfah-
rungen müssen die Lehrer und besonders die Schulvorstände mit
einem großen Teil ihrer Schüler machen! Wie oft legen sogar
polizeiliche und gerichtliche Mitteilungen ans Rektorat Zeugnis da-
von ab, welch fatalen Gebrauch unsere Schüler von ihrer freien
Zeit machen! Die Klagen über die Zunahme der Roheit der Ju-
gend sind nicht ganz unberechtigt. Dazu noch das oft wie eine
Seuche grassierende Lesen von Romanen, das Zusammensitzen beim
Kartenspiel und dgl., das ihre Einbildungskraft vergiftet, ihren
Geist verödet und sie zu ernster, anhaltender Arbeit untauglich
macht. Da ist es doch viel vernünftiger, sie geben sich zielbewußt
der Arbeit für die Schule und damit für ihre Zukunft und für ihre
geistige und sittliche Vervollkommnung hin. Wenn sie dies mit
dem rechten Ernst tun, dann werden die Hausaufgaben für sie auch
nach und nach der Weg zu selbständiger, geistiger Arbeit.
Wenn ein Schüler einmal Geschmack an eigener, geistiger Tätigkeit
gefunden hat, wenn ihm die geistige Arbeit ein Genuß, ein Trost
gegen Langeweile, wenn sie ihm lieber ist als das Öde Treiben eines
großen Teils der Jugend im Alter von 15 bis 20 Jahren, dann ist
für ihn die Frage der Hausaufgaben gelöst, ihr hoher, erzieherischer
Wert erreicht.
Im Schulbetrieb selbst aber spielen die Aufgaben eine dienende,
untergeordnete Rolle, aus der sie nicht heraustreten
dtlrfen. Die Vorbereitung, Darbietung und Entwicklung des Lern-
stoffs, ja selbst die erste Aneignung und Übung kommt nicht ihnen,
sondern lediglich der unterrichtenden Tätigkeit des Lehrers zu.
In dieser Hinsicht sagt der preußische Hausaufgabenerlaß vom
Die Hausaufgaben an der Realschule. 311
10. November 1884 ganz richtig: „Es wird als zweifellose Forde-
rung an das Unterrichtsverfahren anerkannt, daß im sprachlichen
Unterricht die Einprägung der Formen und des Wortschatzes einer
zu erlernenden fremden Sprache im wesentlichen durch die Lehr-
stunden selbst herbeizufuhren ist, und der häuslichen Arbeit nur
der Abschluß der sicheren Aneignung zuzufallen hat; — daß zur
Vorbereitung auf die fremdsprachliche LektUre, wo sie zuerst ein-
tritt, bestimmte Anleitung zu geben ist — ; daß die häuslichen
Aufgaben zu schriftlicher Übersetzung in eine fremde Sprache
durch die mündlichen Übungen in den Schulstunden vollständig
vorbereitet sein mUssen. Ebenso ist auf dem mathematischen Ge-
biet zu verlangen^ daß die zur häuslichen Bearbeitung gestellten
Aufgaben durch die Lehrstunden vollständig vorbereitet werden
und in keiner Weise das durch den Unterricht entwickelte Können
der Kinder Überschreiten. Überhaupt ist zu fordern, daß die häus-
liche Beschäftigung der Kinder in keinem Falle als Ersatz dessen
benützt werden darf, was die Lehrstunden bieten können und
sollen, sondern als Fortsetzung und ergänzender Abschluß
des Erfolges der Lehrstunde.^^
Es wäre ein verhängnisvoller Fehler, wenn der Lehrer, wie es
in früheren Zeiten auch in den Oberklassen der Realschulen vor-
gekommen sein soll; seine Schtüer zur Erlangung größerer Klarheit
auf das Lehrbuch und damit auf ihren häuslichen Fleiß verweisen
wollte, etwa mit den Worten: „Geht das nun im Buch vollends
durch, dann wird es schon ganz klar werden^^ Die Schaffung
größtmöglicher Klarheit, das ist eben der Zweck und soll das Er-
gebnis des Unterrichts sein. Wo das Lehrbuch klarer ist als
der Unterricht, wo der Schüler dem ersteren mehr verdankt als
dem letzteren, da ist es um die Schule schlimm bestellt, und da
spielen die Hausaufgaben nicht die ihnen allein zukommende unter^
geordnete Rolle. Zu einem klaren, auch für die schwächer begabten
Schüler faßlichen Unterricht gehört vor allem, daß der Lehrer
seinen Stoff allseitig beherrscht, daß er sich gründlich auf jede
Lehrstunde vorbereitet, alles Entbehrliche und Unnötige, was bloßer
Gedächtnisballast und für die wirkliche Geistesbildung bedeutungs-
los ist, ausscheidet — wir schleppen von Jahr zu Jahr eine Masse
von Dingen mit, die wir ohne Schaden über Bord werfen könnten
— , dafür aber das Wesentliche und Wichtige um so lichtvoller und
eindringlicher behandelt. Dadurch erhält dann auch der Schüler
das Bewußtsein, daß er seiner Aufgabe gewachsen ist. Mit der
312 Mayer,
Lebendigkeit, Frische und Klarheit des Unterrichts stellt sich anch
beim Schüler Freudigkeit und Lust an der Arbeit ein; Ärger und
Unmut schwinden, und dann erst ist auch die rechte Stimmung
für die Hausaufgaben vorhanden, deren beste Vorbereitung eben
ein klarer, lichtvoller, alle Schwierigkeiten hebender Unterricht ist.
Ob die Hausaufgaben im Unterricht mit mehr oder weniger direkter
Bezugnahme vorbereitet werden, hängt von dem Alter der
Schüler und von der Natur des Gegenstandes ab. Regel soll sein,
daß keine Hausaufgabe gegeben werden darf, auf die der Schüler
nicht durch den Unterricht wenigstens mittelbar vorbereitet ist, die
nicht aber auch von seiner Seite ein gewisses Maß von Nachdenken
und Anstrengung fordert Im einzelnen ist hier viel Umsicht und
Takt nötig, und fUr die praktisch-methodische Ausbildung unserer
jungen Kollegen ist auch in diesem Punkt ein interessantes Gebiet
eröffnet.
Aus ihrer dem eigentlichen Unterricht dienstbaren Rolle dürfen
die Hausaufgaben auch nicht am Schluß des Schuljahrs und
vor den Zeugnisterminen heraustreten. Diese Zeiten sind ja die
schlimmsten in bezug auf die Hausaufgaben. In ihnen pflegen
manche Lehrer auf einen bestimmten Tag schriftliche Prüfungen
anzusagen mit der Weisung, den ganzen behandelten Lehrstoff gut
zu repetieren, da von den Leistungen bei diesen Prüfungen die
Zeugnisnote und alles, was damit im Zusammenhang steht, abhänge.
Nun beginnt der Schüler zu „büffeln^, um für diesen bestimmten
Tag das gewünschte Maß stofflichen Wissens bereit zu haben und
es — sofort wieder zu vergessen! Für alle anderen Fächer sind
die Schüler in diesen Tagen reine Nullen, weil iiir ganzes Interesse
auf diesen einen Punkt konzentriert ist. Die Einrichtung dieser
unsinnigen und zweckwidrigen Prüfungen gibt den Überbttrdungs-
klagen am meisten Stoff; sie verdienen, daß sie geradezu ver-
boten werden. Selbstverständlich muß der Lehrer den Kenntnis-
stand jedes einzelnen Schülers erforschen; aber dies geschieht nicht
dadurch, daß er sie für einige Wochen mit übermäßigen Wieder-
holungsarbeiten quält, während er für gewöhnlich hübsch vom
Katheder herab doziert, sondern dadurch, daß er unter weiser
Ausnützung der Zeit und unter Vermeidung des zwecklosen Herum-
redens über belanglose Dinge die Schüler Stunde für Stunde durch
kurzes Abfragen nötigt, Rechenschaft von ihrem Fleiß und ihrem
Wissen abzulegen, und daß er durch kurze, über das ganze Jahr
verteilte und nicht vorher ausdrücklich angesagte schriftliche
Die Hausaufgaben aü der Realschule. 313
Prüf an gen sich zu Überzeugen Tersncht, ob sein Unterricht ftlr
die Schiller yerstftndlich und anregend; und ob ei^ erfolgreich war.
Das Ergebnis dieser Prüfungen wird ihm bald sagen^ ob seine
Methode richtig war, oder wo etwa eine bessernde Hand angelegt
werden muß^ ob die Mtthle bloß geklappert^ oder ob sie auch Rom
gemahlen hat; besondere Hausaufgaben gewähren diese Deutlich-
keit nicht.
Wshrend die bisherigen grundsätzlichen Ausführungen wohl
bei keinem auf Widerstand stoßen, der nicht geradezu ein Gegner
aller und jeder Hausaufgabe ist, beginnen die Schwierigkeiten, so-
bald es sich darum handelt, das Maß der Hausaufgaben fest-
zustellen, denn die gegen sie vorgebrachten Klagen richten sich ja,
wie erwähnt, nur gegen ihr Übermaß. Wann beginnt nun das
Übermaß? Die Antwort lautet in der Regel: Es ist vorhanden,
wenn die Hausaufgaben die Ausnutzung der unterrichtsfreien Zeit
zu gesundheitlichen Zwecken und zur Pflege von besonderen Lieb-
habereien, wie Musik usw. unmöglich machen. Was nun die letz-
teren betrifft, so muß gesagt werden, daß auf alle Fälle, und be-
sonders wenn es sich um minder begabte Schfller handelt, der
Zweck der Schule, dein ja auch die Hausaufgaben dienen, vor
ihnen den Vorrang zu beanspruchen berechtigt ist Wie die
Pflicht vor dem Vergnügen, so kommt die ernste Schularbeit vor
den Liebhabereien. Anders steht es mit der Ausnützung der
unterrichtsfreien Zeit zu gesundheitlichen Zwecken. Für diese
Zwecke muß Zeit vorhanden sein. Nur soll diese der Gesundheit
zu widmende Zeit auch wirklich zweckentsprechend verwendet
werden. In der Regel hat der Lehrer in diese Frage nichts dreinzu-
reden; der Schüler und seine Eltern wissen das am besten. Was wir
aber in dieser Hinsicht in neuerer Zeit gesehen haben, hat bei uns nicht
selten ein Kopfschütteln verursacht. Ein großer Teil unserer Jugend
hat sich dem Sport in die Arme geworfen, betreibt ihn aber leiden-
schaftlicher als die Engländer, von denen er stammt. Einzebe
geben sich dem Radfahren hin, und zwar mit einem Eifer, daß sie
an den Tagen nach einer langen, übermäßigen Fahrt in der Schule
absolut nicht zu gebrauchen sind. Wenn sie für ihre Gesundheit
etwas dabei gewinnen würden, so wäre es gut, und wir würden
uns dabei beruhigen können. Aber nicht einmal das ist der Fall:
der Arzt muß ihnen ihre Fahrten wegen beginnender Herzleiden
nicht selten verbieten. Ähnliche Erfahrungen hat man schon mit
dem Fußball gemacht, gegen den ein Kollege von uns seine Schrift
KorretpondensblaU 1906, Heft 8 a. 9.
314 Mayer,
von der ^^Deatschen Fußlümmelei^* geschlendert hat, ja selbst mit
dem Rudern. Man glaube ja nicht; daß ich ein Gegner des Schüler-
sports sei; im Gegenteil! ich schätze ihn und habe früher meine
Schuler stets dazu ermuntert. Aber seit ich die angeführten Er-
fahrungen gemacht habe, glaube ich nicht mehr an alles, was der
deutschen Jugend in tönenden Worten von den gesundheitsfördern-
den Wirkungen des Sports yerkündet wird. Ich gebe daher auch
nicht ZU; daß die Hausaufgaben ohne weiteres den sportlichen
Übungen zulieb zurücktreten müssen, wenn ich auch entschieden
dafür eintrete, daß sie die Ausnützung der unterrichtsfreien Zeit
zu wirklichen gesundheitlichen Zwecken nicht unmöglich
machen dürfen.
Was nun das Höchstmaß der für Hausarbeiten freibleiben-
den Zeit betrifft; so ist es schwierig, einen für alle SchtUer und
alle Tage passenden Maßstab zu finden. Man hat in einzelnen
Staaten die mittlere Zeit, die die blinder von mittlerer Begabung
tatsächlich auf ihre Hausarbeiten verwendeten, ermittelt, ärztliche
Kommissionen zu Rat gezogen und danach die behördlichen Vor-
schriften getroffen. Demgemäß wurden in Preußen und Hessen,
wo die Vorschriften beinahe gleich sind, für das 10. nnd 11. Lebens-
jahr 1 bezw. Vl^f für das 12. und 13. Lebensjahr 2, für das 14.
und 15. Jahr 2y% für das 16. --18. Jahr 3V2 Stunden für tägliche
Hausaufgaben festgesetzt, wobei der Sonntag frei zu bleiben hat —
Vorschriften, denen im ganzen auch die Bestimmungen des würt-
tembergischen Hausaufgaben -Erlasses vom 19. März 1896 ent-
sprechen. Bei den diesen Vorschriften vorausgegangenen Erhebungen
hatte sich herausgestellt, daß einzelne Schulen über diesen Satz
hinausgegangen waren; in Halle z. B. betrug die Zahl der Pflicht-
stunden in Schule und Haus für die 14jährigen Schüler der
höheren Schulen 9— 9V4, für die 18— 20jährigen lOV« Stunden,
ohne daß Klagen w^egen überbürdung stattgefunden hätten. Zu
den vorhin genannten Sätzen sind die preußischen und hessischen
Behörden gelangt — wie bereits erwähnt — im Einvernehmen mit
ärztlichen Kommissionen, die nach eingeli enden Untersuchungen zu
der Überzeugung gelangten, daß das Maß der täglichen Arbeitszeit
des Schülers in Schule und Haus vom 10.— 18. Lebensjahr
zwischen öVs und 8V2 Stunden liegen solle.
Ich bin in meinen Vorschlägen, wie Sie aus den Leitsätzen er-
sehen, noch um je V2 Stunde hinter diesen Sätzen zurückgeblieben,
und zwar aus folgenden Gründen: Bei der Neuordnung des Lehr-
' Die Hansaufgaben an der Bealschule. 315
planSy der unter dem 15. Juli 1903 für unsere Oberrealsohulen er-
schienen ist, wurde im allgemeinen eine Übereinstimmung mit den
preußischen Lehrplänen angestrebt. Dieses Ziel wurde auch soweit
erreicht, daß sich in den meisten Fächern eine Gleichheit der
Stundenzahl ergab, mit Ausnahme der Mathematik. In diesem
Fach tritt unser Lehrplan in einen bewußten Gegensatz zum
preußischen: wir haben, einschließlich der darstellenden Geometrie
in den drei oberen Klassen, 66 Stunden Rechnen und Mathematik;
die preußischen Oberrealschulen unter Hinzurechnung von sechs
Stunden Linearzeichnen in den drei oberen Klassen 53. Diese
größere Betonung der Mathematik in den Oberklassen hat auch
unser Verein in seiner Jahresversammlung vom Jahre 1903 aus-
drücklich aus dem Grund beizubehalten gewünscht, weil sie die
Voraussetzung der günstigeren Studienbedingungen unserer Abitu-
rienten an der Technischen Hochschule ist. Den einzigen Vorzug,
den unsere Abiturienten vor denen des Gymnasiums haben, wollen
wir nicht verlieren; w^ir halten an ihm fest und haben uns
darum auch vor zwei Jahren einstimmig für das Mehr von Mathe-
matik erklärt, das unsere Schüler um dieser günstigeren Beding-
ungen willen auf sich nehmen müssen. Sie haben es bisher geleistet;
sie werden es auch in Zukunft können. Wenn nun aber dadurch
unsere Gesamtstundenzahl gegenüber den preußischen Lehrplänen
etwas höher ist — 280 gegen 272, wobei in die letztere Zahl die
zehn wahlfreien Stunden des Linearzeichnens eingerechnet sind — ,
so möchte ich dies dadurch ausgleichen, daß ich für die Arbeitszeit
des Schülers in Schule und Haus nur 5 bis 8, statt 5Vs bis 87*
Stundenr vorschlug. Dieser Normalarbeitstag erscheint gewiß nicht
zu lang; er wird eher manchen zu kurz sein, selbst manchen Eltern,
die nicht in der Lage sind, ihre Kinder in der schulfreien Zeit zu
beaufsichtigen. Wenn man für den Schlaf 8 — 9 Stunden, oder für
die Jüngsten noch mehr rechnet, so haben sie reichlich Zeit für
Mahlzeiten, Erholung, etwaige Musik- und sonstige Übungen, Spiel
und Bewegung im Freien, mäßige Sportsübungen, selbst für den
in Aussicht stehenden Turnspielnachmittag. Die deutsche Schule
darf dem gegenwärtig allgemein herrschenden Bestreben, die Jugend
möglichst zu entlasten, nicht aus Gutmütigkeit und falscher Humani-
tät zu weit entgegenkommen; sie darf die Jugend nicht der Arbeit
entwöhnen ; sie muß ein arbeitsgewohntes, arbeitsfähiges Geschlecht
erziehen, das den immer steigenden Anforderungen der Zeit ge-
wachsen ist und den Ruf der deutschen Arbeitstüchtigkeit fortpflanzt.
316 Mayer,
Ton großer Wichtigkeit ist nnn die f^age, wie sich die ein-
zelnen Schulfächer in die häusliche Arbeitszeit der Schüler zu
teilen haben. Am einfachsten löst sich diese Frage da, wo nur
ein Lehrer in Betracht kommt. In diesem Fall besteht nur die
Gefahr, daß der Lehrer einer etwaigen Liebhaberei zu sehr nach-
gibt und wichtigere Dinge vernachlässigt, daß er seine Schüler
z. B. Schnecken und Versteinerungen suchen läßt und dafür Sprachen
und Rechnen versäumt. Ihm ist entgegenzuhalten, daß der Haus-
fleiß der Schüler in erster Linie den Fächern zugute kommen soll,
die ein Durcharbeiten und Durchdringen und damit die
Fortsetzung, Übung und Ergänzung des in der Schule Gelernten
bedürfen. — Schwieriger wird die Sache, wenn zwei oder mehr
Lehrer sich in den Hausfleiß der Schüler zu teilen haben. Wenn
es da am gegenseitigen Entgegenkommen und Nachgeben an der
Rücksicht auf das Wohl der Jugend und auf die bestehenden Vor-
schriften fehlt, wo nur das Streben nach hervorragenden Leistungen,
ein Übereifer und Sichvordrängen, wenn auch auf Kosten der be-
rechtigten Interessen anderer, herrscht, so können die Schüler in
eine üble Lage kommen, und es bleibt ihnen nichts anderes übrig,
als das bekannte Mittel der Selbsthilfe anzuwenden, oder durch
ihre Väter vor der Öffentlichkeit die Überbürdungsklage zu erheben.
Der Lehrer sollte sich in diesen Fällen stets vergegenwärtigen, daß
er nur ein einzelnes, dienendes Glied an einem Ganzen ist, und
daß das Interesse des Ganzen, also der Schule und der Schüler,
das Zurücktreten des einzelnen dringend gebietet. Wenn er dies
tut, so wird er anerkennen müssen, daß nicht alle ünterrichtsfUcher
gleichen Anspruch auf den häuslichen Fleiß der Schüler haben,
daß einzelne seiner Kollegen vielleicht mehr Recht darauf haben,
als er selbst, weil gewisse Fächer vor anderen einen Vorrang haben,
einzelne sogar ganz ausscheiden müssen.
Zu den letzteren gehören in unseren höheren Schulen unstreitig
das Zeichnen und das Schreiben. Was das Zeichnen betrifft,
so werden zwar nicht viele Lehrer allgemeine Hausaufgaben in
diesem Fach geben; dagegen kommt es nicht selten vor, daß ein-
zelne SchtUer die Aufgabe erhalten, eine oder mehrere Zeichnungen,
die in den Unterrichtsstunden unvollendet blieben oder verdorben
wurden, zu Hause zu fertigen. Die Erfahrung lehrt, daß der Schüler
damit viel zu viel Zeit verliert. Es fehlt ihm zu Hause die nötige
Sammlung und Bequemlichkeit; er muß die Zeichnung wieder und
wieder anfangen, gerät in Aufregung, und was er schließlich zu-
Die Hansaufgaben an der Realschule. 317
Stande bringt, entspricht bei weitem nicht der vielen aufgewandten
Zeit, die er anderen, wichtigeren Dingen entziehen muß. Darum
keine Zeichnungen als Hausaufgaben! Aber auch keine Schreib-
Übungen oder wiederholtes Abschreiben von fehlerhaften Arbeiten!
Durch derartige Aufgaben werden die Schüler geradezu an ein
hudeliges und zugleich gedankenloses Schreiben gewöhnt. Wenn
Strafarbeiten bei einem Schüler nötig sind, so soll er sie in der
Schule unter der Aufsicht eines Lehrers fertigen; sie sollen einen
Gegenstand haben, der den Schüler zum Denken nötigt, und
sollen außerdem nachher vom Lehrer durchgesehen werden. Ist
dies nicht der Fall, so schaden sie mehr als sie nützen, und es
ist nur schade um die nutzlos aufgewandte Zeit.
In andern Fächern können zwar mündliche, aber es sollten
darin nie auch schriftliche Hausaufgaben gegeben werden. Dazu
gehören Geschichte und Geographie einer-, die Naturwissenschaften
andererseits. Wenn in diesen Fächern ein Leitfaden benützt wird,
so kann den Schülern gesagt werden, daß sie das in der Schule
Behandelte zu Hause nachlesen, um es sich besser einzuprägen.
Die Antworten auf die Wiederliolungsfragen, mit denen unbedingt
jede Lehrstunde dieser Fächer beginnen muß, werden dem Lehrer
zeigen, ob seine Weisung befolgt wurde, und wo es fehlt. Schrift-
liehe Hausaufgaben in diesen Fächern sind überflüssig.
Es bleiben somit für die schriftlichen Hausaufgaben nur die
Sprachen: Deutsch, Französisch und Englisch einerseits, und die
Mathematik andererseits, und wenn den ersteren in den Unter-
nnd Mittelklassen, so wird den letzteren an den Oberklassen ein
gewisser Vorrang eingeräumt, ein Vorrang, der sozusagen natur-
gemäß ist, weil er der Fassungsgabe und der geistigen Entwick-
lung der Kinder und darum auch den Forderungen des Lehrplans
entspricht. Schon seit langer Zeit hat man freilich wahrgenommen,
daß der Vorrang der Mathematik an den Oberklassen der württem-
bergischen Oberrealschulen zu bedeutend ist, daß die Sprachen zu
sehr in den Hintergrund gerückt sind, und daß sie nicht die ihrer
Bedeutung für die geistige Ausbildung der Jugend entsprechende
Berücksichtigung finden. Der neue Lehrplan von 1903 hat den
letzteren daher mehr Stunden zugewiesen, so daß jetzt auf die
Sprachen mit philosophischer Propädeutik bei uns eine Gesamt-
stundenzahl Ton 108, in Preußen eine solche von 106 entfällt. Da
die Geschichte in beiden Lehrplänen mit 18 Stunden bedacht ist,
so kann jetzt nicht mehr gesagt werden, daß die sprachlich-
318 Mayer,
geschichtlichen Fächer an unserer Oberrealschule weniger Ranm
finden^ als an den preußischen. Dennoch ist nicht zu verkennen,
daß trotzdem an unseren Oberklassen die Sprachen neben der
Mathematik einen schweren Kampf um die Gunst und den Fleiß
der Schüler zu kämpfen haben. Dies kommt in erster Linie da-
her, daß die mathematischen Fächer für die meisten Schüler einen
Reiz besitzen, den die Sprachen nicht mehr für sie haben. Die
Sprachen treiben sie schon seit den ersten Klassen; das Interesse
für sie hat, wenn sie in die oberen Klassen eintreten, seinen Höhe-
punkt längst überschritten, und es gehört eine ungewöhnliche An-
spannung der geistigen Kraft des Lehrers dazu, um in diesen
Klassen den fremdsprachlichen Unterricht für die Schüler anregend
und fruchtbringend zu gestalten. Die mathematischen Fächer be-
sitzen dagegen den Reiz der Neuheit und einer fremdartigen Aus-
drucksweise. Zuerst tritt die Geometrie an sie heran, in Klasse VI
kommt Algebra und Stereometrie dazu, in Klasse VII Trigonometrie
und darstellende Geometrie, in Klasse VIII niedere Analysis und
analytische Geometrie und in Klasse IX höhere Analysis. Dieser
durch die Natur der Sache gegebenen und pädagogisch äußerst
wirksamen Steigerung haben die Sprachen nichts gegenüberzu-
stellen. Außerdem hat die Lösung einer mathematischen Aufgabe
für den Schüler den Reiz der Möglichkeit einer vollendeten Leistung.
Wenn er die gewiesenen Wege richtig geht, die gelernten Formeln
überall richtig anwendet, so hat er am Schluß die Befriedigung,
eine tadellose Lösung geliefert zu haben: er erhält einen 8er!
Wie selten gelingt ihm dies bei einem Aufsatz, oder einer fran-
zösischen oder englischen Komposition! Hier sind die Möglich-
keiten der Ausdrucksweise und des logischen Aufbaus viel mannig-
faltiger, die Gefahr, etwas nur annähernd oder halb richtig zu
machen viel größer! Der Genuß einer glatten, vollkommenen
Leistung bleibt dem Schüler hier meist versagt! Dazu kommt
noch etwas anderes: Dem Schüler ist bekannt, daß er, wenn er in
den Rieben Fächern: Trigonometrie, niedere Analysis, analytische
Geometrie, höhere Analysis, darstellende Geometrie, Physik und
Chemie in der Reifeprüfung statt der Note 4 = „genügend" die
Note 5 = „befriedigend" erreicht, nach einer behördlichen Ver-
fügung vom 14. September 1893 von der auf der Hochschule ab-
zulegenden Vorstaatsprüfung befreit ist Diese Prüfung ist ihm so
wenig sympathisch, und der Vorteil, von ihr befreit zu sein, er-
scheint ihm so groß, daß er alles daran setzt, um in den sieben
Die Hausaufgaben an der Realschule. 31 g
Fächern den enehnten 5 er zu erreichen. Wenn daneben die sprach-
lichen Fächer vernachlässigt werden müssen, was tnt's ? Er braucht
bei der Reifeprüfung ja nur im Durchschnitt die Note 4 zu
erreichen, und wenn er nur den genannten 5 er siebenmal erreicht,
so besteht er, auch wenn er in den drei Sprachfächern die
Note 4 nicht davonträgt. Unter diesen Umständen ist es vom
Standpunkt der Schüler aus nicht zu verwundem, wenn sie in den
Oberkiassen die Sprachen etwas auf die leichte Achsel nehmen,
auch bei der Aufwendung ihres häuslichen Fleißes, und es erscheint
darum im Interesse ihrer gleichmäßigen Ausbildung gerechtfertigt,
wenn verlangt wird, daß die beiden Hauptgebiete des Realschul-
unterrichts, das sprachliche und das mathematische, sich in an-
nähernd gleicher Weise in die für die Hausaufgaben verfügbare
Zeit zu teilen haben. Auch wäre es vielleicht angezeigt, wenn
bestimmt würde, daß die Befreiung von der Vorstaatsprüfung nur
denjenigen zuteil wird, deren Reifezeugnis auch in den Sprachen
Noten aufweist, die nicht unter eine gewisse Grenze, etwa einen
4er, heruntergehen.
Damit die Hausaufgaben in dem Organismus des Schullebens
die ihnen zukommende Rolle in der richtigen Weise ausüben und
den ihnen zugewiesenen Raum nicht überschreiten, bedürfen sie
einer dauernden, sorgfältigen Überwachung, die dem Schulvor-
stand auferlegt ist, der sich nach dem jetzigen Wortlaut der Dienst-
vorschrift ,,von dem Umfang und der Art der Hausaufgaben und
der genauen Einhaltung der darüber bestehenden Vorschriften fort-
während in Kenntnis zu erhalten hat^^ Zu diesen Vorschriften ge-
hört besonders die Anfertigung eines Planes, nach dem die Auf-
gaben Tag für Tag gegeben werden dürfen. Zur Aufstellung und
Einhaltung dieses Planes bedarf es eines einträchtigen Zusammen-
arbeitens aller an einer Klasse tätigen Kollegen, eines reichen Maßes
von Wohlwollen für die Schüler, vielleicht auch von Entsagung auf
Lieblingswünsche im Interesse des Ganzen. Für die Einhaltung
dieses Planes ist durch den mehrfach erwähnten Erlaß vom 19. März
1896 der Klassenlehrer verantwortlich gemacht, wie überhaupt von
selten der Behörde alles geschehen ist, um den Hausaufgaben ihre
richtige Stellung in der Ökonomie der Schulen zu wahren und
ihrem Überwuchern vorzubeugen.
Als ein sehr zweckmäßiges Mittel, um die richtige Handhabung
der Hausaufgaben im Schulorganismus zu beobachten und sie, wenn
nötig, richtig zu stellen, erscheint mir die jeweilige Erforschung
320 • Mayer,
der Zeit, welche die Schiller tatsächlich auf die Fertignng
ihrer häuslichen Arbeiten verwenden. Selbstverständlich dttrfen
hierbei nicht die besten Schüler; die vordersten der Klasse, ver-
wendet werden, sondern Leute von mittlerer Begabung und Leistungs-
fähigkeit. Die geringsten und langsamsten Schüler zu beobachten
hat natürlich auch keinen Sinn; das gäbe auch keinen zuverlässigen
Maßstab; nach dem sich die ganze Schule zu richten hätte. Wenn
die langsamen Schüler mehr Zeit für ihre Hausaufgaben brauchen
als die fleißigen und lebhaften; so wird es niemand verwundem.
Dr. Jäger-Stuttgart hat vorgeschlagen; die Schüler unter jeder an-
gefertigten Arbeit die aufgewandte Zeit anschreiben zu lassen; und
dieser Vorschlag hat, wie es scheint; mehrfachen Beifall gefunden.
Mir scheint er so unpraktisch als möglich. Das Ergebnis dieser
Untersuchung könnte nur die Feststellung seiu; daß ein Schüler,
der seine Arbeit mehrfach unterbricht oder bei ihr unterbrochen
wird; viel länger braucht als der, der standhaft bei ihr bleibt und
sie in einem Zug beendet. Das ist aber etwaS; was wir schon
lange wissen. Zu den Proben; wie wir sie für unsere Zwecke
brauchen; genügen vielmehr wenige Schüler; aber es müssen
Leute von unbedingter; erprobter Zuverlässigkeit sein; die dem
Lehrer genau das angeben; was sie wahrgenommen haben. Wenn
es Leute von geringer Begabung sind, schadet es gar nichts. Ich
habe selbst mehrfach derartige Proben gemacht und stets war mir
das Ergebnis wertvoll; u. a. einmal mit einem der letzten Schüler
der Klasse. Es war ein Lehrerssohn von einem benachbarten Dorf;
der nicht nur ganz zuverlässig, sondern auch über den Verdacht
der Benützung fremder Hilfe absolut erhaben war. Sein Vater war
von der Sache verständigt; und so erhielt ich bis auf die Minute
genaue Angaben. Dasselbe war der Fall beim Pensionär einer
einfachen; zurückgezogen lebenden Familie. Das Ergebnis entsprach
nicht überall meinen Erwartungen : Die Schüler brauchten manchmal
das dreifache; in anderen Fällen auch wieder bloß die Hälfte von
der Zeit; die für die Ausführung einer Hausaufgabe geschätzt wor-
den war. An manchen Tagen mußten sie die den Hausaufgaben
zugewiesene Zeit überschreiten, an andern brauchten sie kaum die
Hälfte davon; der wöchentliche Durchschnitt entsprach ungefähr
genau dem erlaubten Maß; blieb aber eher darunter als daß er es
überstieg. Ich kann die Anstellung einer solchen Probe allen
Kollegen nur empfehlen; denn es entspringen allerlei Vorteile dar-
aus: nicht nur diejenigen Schüler, denen die Beobachtungen auf-
Die Hausaufgaben an der Healscbule. 321
getragen sind, sondern auch die meisten anderen sind bemttht, ihre
häuslichen Arbeiten sorgfältiger als sonst zu fertigen; die Klagen
über Überbttrdung verstummen in solcher Zeit ganS; und der Lehrer
gewinnt einen sicheren Maßstab für das, was er billigerweise von
allen seinen Schülern verlangen kann. Nur muß man sich hüten,
diese Proben mit solchen Leuten zu machen, die Tag für Tag
stundenweise auf dem Fahrrad sitzen, oder die gerne im Kreis
gleichgesinnter Genossen ein Spielchen zu machen lieben, oder die
häufige Kunden der Leihbibliotheken sind usw. Bei diesen Schülern
wäre das Ergebnis wohl kaum befriedigend; aber bei ihnen werden
wir auch Klagen über Überbttrdung durch Hausaufgaben nicht be-
sonders ernst nehmen.
Ein ganz erprobtes Mittel, den richtigen Gang der Hausauf-
gaben zu regeln, besteht endlich darin, daß der Lehrer sich Tag
für Tag überzeugt, was er seinen Schülern zugemutet hat,
und wie sie seinen Weisungen nachgekommen sind. Tut der
Lehrer das nicht, so ist sowohl der erzieherische Zweck als auch
der didaktische Nutzen der Hausaufgaben in Frage gestellt. Der
Schüler muß sich bei ihrer Ausarbeitung bewußt sein, daß das
prüfende Auge des Lehrers über alles kommen wird, was er tut,
und daß auch seine häuslichen Leistungen einer zwar wohlwollen-
den aber ernsten Beurteilung, unter Umständen einer scharfen Rüge
ausgesetzt sein werden. Wenn er weiß, daß sein Lehrer zwar der
Form halber Aufgaben gibt, ihre Ausarbeitung aber nicht kontrol-
liert^ so nimmt er sie auch nicht ernst, und was dabei heraus-
kommt hat keinen Wert* Sorgt der Lehrer aber durch genügende
Durchsicht der Hefte dafür, daß auch von dem, was zu Hause ge-
schieht^ stets Rechenschaft abgelegt werden muß, überzeugt er sich
davon, ob die Schüler ohne fremde Hilfe gearbeitet, und ob ei das
beim Unterricht Dargebotene richtig erfaßt, durchdrungen und sich
angeeignet hat, so wird er bald auch in seiner sonstigen Schul-
arbeit fühlen, welche Unterstützung ihm die Hausaufgaben in der
Ausbildung und Förderung der Jugend gewähren.
Damit bin ich mit meinen Ausführungen zu Ende; Sie werden
ihnen angemerkt haben, daß sie nicht aus den theoretischen An-
schauongen der in unserer Zeit ziemlich üppig aufschießenden
Hausaufgaben-Literatur stammen, sondern aus den jahrzehntelangen
Erfahrungen im praktischen Schuldienst, und nur aus diesen!
Alles andere habe ich beiseite gelassen, auch solche Fragen, die
mit den Hausaufgaben in näherer oder entfernter Beziehung stehen.
322 Mayer,
wie Privat- nnd Naclihilfestanden, Schalarbeitsstunden, die an
manchen Unterrichtsanstalten einen so breiten Raum einnehmen,
Yersetzangsprüfungen usw. Sie haben aus dem Gesagten yielleicht
entnommen^ daß nach meiner Auffassung auch bei der Lösung der
Hausaufgaben-Frage der Lehrer die Hauptperson ist. Seine Treue
und Gewissenhaftigkeit, seine Liebe zur Jugend, die Lebendigkeit,
Frische und Anschaulichkeit seines Unterrichts, seine ganze Per-
sönlichkeit sind die Momente, von denen der Stand dieser Frage
in einer Klasse abhängt.
Sie wird jedoch auch von anderen, außerhalb der Persönlich-
keit des Lehrers liegenden Faktoren beeinflußt, die nicht tibersehen
werden dürfen. Ich habe schon in meiner Einleitung auf einige
solcher Faktoren allgemeiner Art hingewiesen, wie die außerordent-
liche Zunahme der Schüler der höheren Schulen, die Umgestaltung
der Lehrpläne im Sinn einer größeren Anpassung an die Anforde-
rungen der wirtschaftlichen Entwicklung unserer Zeit, die Ände-
rungen in den Prüfungsordnungen fUr die Lehrer, der sich voll-
ziehende Übergang vom Klassen- zum Fachlehrersystem usw. Ich
möchte in meinem Schlußwort noch auf einiges hinweisen, was
ebenfalls in Beziehung zu der ganzen Angelegenheit steht. Bei
der Einführung der mitteleuropäischen Einheitszeit wurde für die
drei Wintermonate vom 15. November bis 15. Februar die tägliche
Schulzeit um eine halbe Stunde gekürzt. Unterrichtsstofl' und Lehr-
ziel blieben aber dieselben, und die Lehrer haben ihr Möglichstes
getan, um den Ausfall durch intensiveren Unterrichtsbetrieb zu er-
setzen. Vor wenigen Tagen hat der Vizepräsident unserer Abge-
ordnetenkammer bei der Beratung des. Kultetats den Wunsch ge-
äußert, die Zeit des späteren Schulanfangs möchte schon am
1. November beginnen und erst am 1. März schließen, und es
scheint alle Aussicht vorhanden zu sein, daß dieser Wunsch in
Erfüllung geht. Uns Lehrern steht es natürlich nicht zu, einen
Einwand zu erheben; aber eine einfache Rechnung zeigt uns, daß
wir auf diese Weise in den vier wichtigsten Arbeitsmonaten des
Jahres: November, Dezember, Januar und Februar, jede Woche
von der kostbarsten Lernzeit drei Stunden, also durchschnittlich
volle 10% der Unterrichtszeit gegenüber von früher verlieren,
während unsere Lehraufgabe dieselbe geblieben ist. — Die Neu-
gestaltung des Lehrplans von 1903 brachte ebenfalls in verschie-
denen Fächern eine Verminderung der Unterrichtszeit, nicht aber
eine solche des Unterrichtsstoffs und -ziels; vielmehr soll das seit-
Die Hansaufgaben an der Realschule. 323
herige Lehrziel auch in der verkürzten Zeit erreicht werden. —
Seit dem Herbst 1903 wird an der Unterklasse kein Französisch
mehr gegeben. Im ganzen bleibt aber selbstverständlich das Lehr-
ziel im Französischen dasselbe, und zwar so, daß schon vor
der IV. Klasse, in der Englisch und Geometrie einsetzt, die Schüler
ungefähr ebensoweit sind wie vorher; sie müssen also in drei
Kla&sen leisten, was früher in vier. — Im laufenden Sommer soll
an den größeren Schulen des Landes ein Versuch mit Spielnach-
mittagen gemacht werden: einzelne Klassen oder Klassengruppen
versammeln sich unter der Leitung des Turnlehrers auf dem Spiel-
platz zu Turnspielen; der Besuch dieser Spiele ist für alle Schüler
verbindlich; sie sollen im ganzen zwei Stunden dauern, wobei der
Gang zu und von dem Spielplatz nicht gerechnet werden darf.
Die Schüler bekommen über den freien Nachmittag, den sie dem
Spiel widmen, keine Hausaufgaben; die den Hausaufgaben zuge-
wiesene Zeit vermindert sich also dadurch um etwa V5 ihrer
wöchentlichen Dauer! Wir sehen aus alledem, wieviel nur in den
letzten 10 bis 15 Jahren von der Unterrichtszeit der höheren Schulen
nach und nach abgebröckelt ist. Heutzutage scheint dies ja auch
in der Lehrerwelt nicht sehr schwer genommen zu werden; wurde
ja doch allen Ernstes der Vorschlag gemacht, jede Unterrichts-
stunde auf V« ihrer Dauer zu beschränken^ um alle wissenschaft-
lichen Fächer auf den Vormittag verlegen und den Nachmittag
ganz der körperlichen Ausbildung und der Pflege der Gesundheit
widmen zu können. Ob dies überhaupt möglich ist, könnten nur
zahlreiche Versuche entscheiden. Ehe solche angestellt sind, wird
einem ernsthaften Schulmann der Zweifel nicht verwehrt werden
können, ob bei dieser Abbröckelung nicht die Übung des Ge-
lernten, die doch für die Arbeit der Schule von elementarster
Wichtigkeit ist, zu kurz kommt. Nicht alle Lehrer sind der An-
sicht, daß man z. B. bei 3 stündigem Unterricht in der Geometrie
dieselbe Sicherheit in den Unterrichtserfolgen erzielt wie bei 4 stün-
digem. So sehr wir uns daher auch mit unserer Jugend Über jede
ihr gewährte Erleichterung freuen, so können wir doch die Frage
nicht abweisen, ob es möglich ist, in einer erheblich verisürzten
Unterrichtszeit denselben Stoff zu bewältigen wie früher, und ob
nicht der Versuch, es zu tun, zu einer verhängnisvollen Überbür-
dung der Lehrer führen müsse, deren Anzeichen sich leider schon
jetzt bemerkbar machen.
Einer Zeitungsnachricht zufolge haben wir in nicht allzu langer
324 Mayer, Die Hausaufgaben an der Realschule.
Zeit eine Yollständig neue Begelang der Unterrichtszeit einschließ-
lich der Hausaufgaben zu gewärtigen. Eine befriedigende Lösung
alier damit zusammenhängenden Fragen wird aber erst dann ge-
funden sein, wenn nicht nur der Umfang der Zeit fUr Unter-
richt und Hausaufgaben neu geordnet; sondern auch der
Umfang des in dieser Zeit zu bewältigenden Lehrstoffes in der
richtigen Weise bestimmt, wenn alles Unnötige und Entbehrliche
ausgeschieden, jeder Auswuchs mit allem, was wohl der Hochschule
nicht aber der Mittelschule gemäß ist, abgeschnitten, das Wesent-
liche aber in einen methodischen, anregenden und belebenden Zu-
sammenhang untereinander gebracht ist.
Der Besprechung waren 6 Leitsätze unterbreitet, die mit
unwesentlicher Änderung in folgender Form einstimmig angenommen
wurden.
1. Die Klagen über die Oberbürdung der Scbtller der höheren
Unterrichtsanstalten durch Hausaufgaben hängen mit der neueren
Entwicklung des höheren Unterrichtswesens aufs engste zusammen
und verdienen auch seitens der Realschule aUe Beachtung, wenn auch
eine wirkliche Uberbttrdung nicht zugegeben werden kann.
2. Die Hausaufgaben müssen grundsätzlich beibehalten werden,
weil sie ein Mittel sind:
a) die Schüler zur Befestigung des in der Schule Gelernten
anzuhalten ;
b) sie an Ordnung und Sauberkeit in der schriftlichen Dar-
stellung zu gewöhnen;
c) sie zu zweckmäßiger Verwendung ihrer freien Zeit anzuleiten;
d) sie nach und nach zu selbständiger geistiger Arbeit zu e^
ziehen.
3. Damit die Hansaufgaben ihrem Zweck in der richtigen Weise
dienen, dürfen sie im Schulbetrieb aus der ihnen zukommenden,
untergeordneten Rolle nicht heraustreten. Dazu gehört:
a) sie dürfen nie als Ersatz dessen angesehen werden, was der
Unterricht zu leisten hat;
b) der Lehrer hat durch sorgfältige Ausnutzung der Zeit, durch
gründliche Vorbereitung und durch eine klare Methode dafür
zu sorgen, daß die Hauptarbeit der Schüler in die Unterrichts-
zeit fällt, und daß auch die Hausaufgaben mittelbar oder
unmittelbar vorbereitet werden;
c) die Hausaufgaben dürfen auch vor den schriftlichen Prüfungen
keine besondere Steigerung erfahren; der Lehrer hat daher
Hirzel, ArchäologiBcher Kurans in Italien. 326
darauf zn verziehten, die Schüler vor diesen Prttfangen zn
übermäßigen Wiederholangsarbeiten zu nötigen.
4. Die Ausnutzung der unterrichtsfreien Zeit zu gesundheit-
lichen Zwecken darf durch die Hausaufgaben nicht unmöglich ge-
macht und ein bestimmtes Höchtmaß derselben daher nicht über-
schritten werden. Dieses Höchstmaß ist so zu berechnen, daß die
Zeit für Unterricht und Hausaufgaben zusammen an den Unter-
klassen nicht über 5 — 6^ an den Mittelklassen nicht über 6 — 7 und
an den Oberklassen nicht über 7 — 8 Stunden täglich beträgt.
5. In bezug auf die Anforderungen , welche die einzelnen
Fächer an den Fleiß der Schüler zu stellen berechtigt sind, gilt
Tor allem der Grundsatz, daß die Fächer, die ein Durcharbeiten
und Durchdringen des Gelernten durch die Schüler beanspruchen,
bei den Hausaufgaben in erster Linie berücksichtigt werden müssen.
Daher soll:
a) das Zeichnen und Schreiben als solches nie Gegenstand der
Hausaufgaben sein;
b) in Geschichte, Geographie und den Naturwissenschaften keine
schriftliche Hausaufgabe gegeben, und
c) die den Hausaufgaben zugewiesene Zeit zwischen den beiden
* Hauptgebieten der Realschule, dem sprachlichen und dem
mathematischen, in annähernd gleicher Weise verteilt werden.
6. Um die richtige Behandlung der Hausaufgaben vor Zufällig-
keiten zu schützen, ist nötig, daß
a) in jeder Klasse zu Beginn jedes Halbjahrs durch gegenseitige
Verständigung der Lehrer ein Schema angefertigt wird, nach
dem die Hansaufgaben Tag für Tag gegeben werden;
b) der Klassenlehrer dieses Schema durch jeweilige Erforschung
der Zeit, die die Schüler tatsächlich auf die Hausaufgaben
verwenden, richtig stellt;
c) jeder Lehrer sich von der richtigen Erledigung der von ihm
aufgegebenen Qausarbeiten überzeugt.
Arofiäologischer Kursus in Italien.
Der Herr Generalsekretär des Kaiserlichen archäologischen
Instituts läßt mir wiederum, auf amtlichem Wege, in der Absicht
ihr eine Verbreitung in weiteren Kreisen zu geben, die Mitteilung
zukommen, daß „der diesjährige Kursus des Instituts zur Anschau-
326 Amtliche Bekanntmachangon.
ung antiker Kunst in Italien ansfällt^^; auch diesesmal mit dem
wichtigen Beisätze, daß „das immer noch nicht von einer Entschei-
dung über diese Kurse überhaupt herrühre, sondern nur dadurch
veranlaßt sei, daß der neueingetretene erste Herr Sekretär nicht
gleich zu Anfang sich der Sache widmen konnte^^
Ulm. Hirzel.
Amtliche Bekanntmachungen.
Schullehrer Otto Wilking in Kaiserslautem hat unter der
Bezeichnung ,,Gerad ehalter ^^ einen einfachen Apparat (ges. gesch.)
konstruiert, der dazu bestimmt ist, bei Schülern das gesundheitschäd-
liche Vorbeugen beim Schreiben und Lesen zu verhindern. Der
Apparat ist in drei verschiedenen Größen (nach der Körpergröße des
Schülers) und für 1 oder 2 Schüler eingerichtet zu haben ; er ist an
jedem Tisch und jeder Schulbaunk bequem zu befestigen und wieder
wegzunehmen. Der Preis beträgt 1.50 Mk. bezw. 2 Mk. Zur Probe-
zusendung ist der Erfinder gerne bereit.
Da der Apparat für den erwähnten, hygienisch wichtigen Zweck
als nicht ungeeignet erscheint, werden die Schulvorstände und Lehrer
hiermit darauf aufmerksam gemacht.
Stuttgart, den 5. August 1905.
K. Ministerialabteilung für die höheren Schulen.
Abieiter.
Von der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und
Schulgeschichte hat sich neuerdings die Gruppe Württem-
berg neu konstituiert, und beabsichtigt, im Jahr 1906 ein zweites
„Württemberger Heft" herauszugeben.
Aus diesem Anlaß wird den der Ministerialabteilung unterstellten
Lehranstalten und Lehrern, von welchen bisher nur eine verhältnis-
mäßig kleine Zahl der Gesellschaft beigetreten ist, im Hinblick
sowohl auf die allgemeinen Ziele der Gesellschaft, als auf den Wert
der von ihr veranstalteten Veröffentlichungen empfohlen, die Mitglied-
schaft der Gesellschaft zu erwerben. Der Jahresbeitrag beträgt
5 Mk., wogegen die von der Gesollschaft herausgegebenen „Mittei-
lungen" und „Beihefte" den Mitgliedern unentgeltlich und portofrei
zugehen.
Amtliche BekanntmachuDgen. 327
AnmeldaDgen zum Beitritt sind an den ersten Vorsitzenden der
Grnppe Württemberg Oberschulrat Dr.Brttgel in Eßlingen, die Jahres-
beiträge an den Kassier MittelschuUehrer S e y 1 1 e r in Stuttgart, Falben-
hennenstrasse 4 zu richten.
Stuttgart, den 22. August 1905.
K. Ministerialabteilung für die höheren Schalen.
I. V.: Hauber.
Seit Anfang 1904 hat sicli in Paris (15 u. 17 rue Auber,
Paris IXe, Telephon 291 — 85) unter dem Vorsitz des Herrn Louis
Foubert, ehemaligen Zöglings der höheren Handelsschule daselbst,
ein ^Deutscher Konversationsklub^^ gebildet. Derselbe soll zunächst
Franzosen, die sich fUr die deutsche Sprache interessieren, ins-
besondere solchen, die sich durch einen Aufenthalt in Deutschland
mit unserer Sprache bekannt gemacht haben, die Möglichkeit ge-
währen, ihre Kenntnisse sich zu erhalten und sie zu vervollkommnen.
Der Klub besitzt einen Lesesaal, der den ganzen Tag und auch
abends geöffnet ist; daselbst sind deutsche und französische Zeitungen,
Zeitschriften und Bücher aufgelegt; jede Woche einmal findet eine
Zusammenkunft mit Vortrag und mit Erörterung in deutscher Sprache
statt Der Klub unterhält Beziehungen zu ähnlichen Vereinigungen
ia Deutschland, unter anderem zu dem Zweck, an dieselben die-
jenigen seiner Mitglieder, die einen Aufenthalt in Deutschland zu
nehmen wünschen, zur Beratung und Förderung ihrer Studien ver-
weisen zu können. Daftlr ist der Klub bereit, Deutschen, die sich
behufs sprachlicher Ausbildung in Paris aufhalten und die ihm
empfohlen sind, als Klubmitglieder zuzulassen, ihnen mit Hat an
die Hand zu gehen und Auskunft zu erteilen, desgleichen ihnen
Gelegenheit zu Übungen in französischer Konversation und zu Vor-
trägen in französischer Sprache zu verschaffen und ihnen in jeder
Hinsicht, z. B. auch durch Angabe guter Familienpensionen den
Aufenthalt in Paris zu erleichtern und angenehm zu machen.
Auf diese bedeutsame und dankenswerte Veranstaltung werden
die Lehrer der höheren Schulen, insbesondere diejenigen, welche
in Paris einen der Ausbildung in der französischen Sprache gewid-
meten Aufenthalt nehmen wollen, mit dem Bemerken aufmerksam
gemacht; daß sich in letzterem Fall der Beitritt zum Klub behufs
möglichst fruchtbarer Ausnützung eines Pariser Studienaufenthalts
empfehlen durfte und daß zu wünschen wäre, wenn den Bestre-
338 Amtliche Bekanntmachungen. — Literarischer Bericht.
bimgen des Klubs, der mit seinen Einrichtongen anch erreichen will,
daß auf dem neutralen Gebiet der Kunst und Wissenschaft Deutsche
und Franzosen sich zum gemeinsamen Wohl beidw Länder besser
kennen lernen^ auch von selten der Lehrer aA den höheren Schulen
Württembergs möglichste Förderung zuteil würde.
Im Anschluß wird noch ein Auszug ans den Klnbsatzungen
mitgeteilt:
„Extraits des Statuts:
Article Premier. — L' Association dite „Deutscher Conver-
sationsdub" a pour but de grouper les personnes s'intöressant k
la langue allemande; eile favorise 6galement Tötude des arts et de
la litt^rature allemande.
Art. m. — Elle se compose: 1^ de membres actifs; 2^ de
membres correspondants ; 3® de membres honoraires.
Art. V. — Pour etre membre actif, il faut: V Stre francais;
2^ etre agr6ö par le Gomit6; 3^ payer une cotisation annuelle de
20 francs.
Art. VI. — Pour etre membre correspondant^ il faut: 1^ habiter
la province on si P on habite Paris, 6tre ^tranger; 2^ payer une
cotisation annuelle de 10 francs.
Art. VII. — Poür 6tre membre honoraire, il faut: 1^ §tre
agr66 par le Comit^; 2^ faire un don annuel d*au moins 30frane8.
Art. Xm. — Le Club organlse des soiröes, des Conferences,
et fonrnit ä ses adh^rents des journaux, revues et livres allemands.
Art. XV. — Tonte question politique ou religieuse est exclue
de la conversation.^
Stuttgart, den 22. August 1905.
K. Ministerialabteilung Tür die höheren Schnlen.
L V.: Weigle.
literariaoher Bericht
Monumenta Germaniae Paedagogica« Im Auftrag der Gesell-
schaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte heraus-
gegeben von Karl Kehrbach. Band XXXL Pestalozzi-
Bibliographie. Von August Israel, K. Sachs. Ober-
schulrat. 3. Band: Schriften und Aufsätze über
Pestalozzi. L VIH u. 639 S. Berlin; A. Hofmann u. Co. 1905.
Literarischer ßericbt. 329
Der 8. (SchluB')Band der vorliegenden Bibliographie ist wieder
ein reifes Erzeugnis deutschen Gelehrtcnfleißes, worin der Verfasser,
Oberschulrat Israel, alle über Pestalozzi handelnden Schriften und Auf-
sätze, also sämtliche sekundären Quellen Über sein Leben und Wirken,
im ganzen gegen 1600 Einzelpublikationen, zusammengetragen und viel-
fach kurz charakterisiert hat. Denn neben diejenigen Abhandlungen,
die in ihrer vollen Ausdehnung sich mit dem großen Schweizer und
seinen Ideen beschäftigen und seinen Namen meist auch in ihrem Titel
führen, treten hier aus gi'Oßeren Werken, Bepertorien und geschicht-
lichen Darstellungen der Pädagogik alle irgendwie hierhergehörigen
Teile und Kapitelausschnitte, um den Rahmen des Ganzen möglichst
lückenlos zn schließen. Die Anordnung des gewaltigen Materials ist
innerhalb der sachlichen Hauptrubriken rein chronologisch nach dem
Erscheinungsdatum. Wie gewichtig Pestalozzis Einfluss in der päda-
gogischen Welt zugenommen, zeigt schon äußerlich der Umfang der
Literatur auf seinen 150. Geburtstag im Jahr 1896 gegenüber dem,
was die Zentenarfeier von 1846 ins Leben rief. Unter den württ
Autoren steht Karl Aug. Friedr. Zeller (1774—1846) obenan. (Für 1896
ist sogar eine Notiz des „Wahren Jakob'< erwähnt). — Gegen dieses
ganze bibliographische Unternehmen ist nun allerdings von anderer
Se|te her das prinzipielle Bedenken erhoben worden, ob es sich denn
lohne, auch die kleinsten Ergüsse über irgendeine Lebensbeziehung
eines großen Mannes der Nachwelt gleichsam zum Aufbewahren zu
übergeben. Nicht ganz mit Unrecht Wozu frommt es z. B., den Ort,
wo die „Verkaufsanzeige über Pestalozzis Mineralienkabinett^ steht,
oder wo sich irgendwelche über ihn angefertigte Distichen vorfinden,
zu verewigen? Andrerseits muss eine Bibliographie, wenn sie ihrem
Zwecke dienen soll, vollständig sein; jede Sichtung bildet hier bei
aller Gewissenhaftigkeit und Sachkenntnis des Verfassers eine subjektive
Entscheidung. Das Buch selbst aber bedeutet sicherlich keinen Ab*
Bchluß der Pestalozziliteratur, sondern muntert nur auf zu weiterem
Ausschöpfen des tiefen Gedankeninhalts des Mannes, der von sich be-
kannte: „Mein einziges Buch, das ich seit Jahren studiert, ist der
Mensch.''
Marbach a. N. E. Schott
F. Schmidt,. Lehrbuch der lateinischen Sprache für vor-
gerücktere Schüler. Wiesbaden, 0. Nemnich, 1903.
Voran steht eine Reihe von Übungsstücken, die die Formenlehre
veranschaulichen; jedes Stück ist von einer Präparation begleitet; dann
folgt eine systematische Übersicht über die Formenlehre ; fünf Anhänge
behandeln den lateinischen Versbau, Kalender, lateinische Zitate,
lateinische Hymnen; den Schluß bilden Lesestücke, hauptsächlich aus
KonefpondensblAtt 1906, Heft 8 n. 9.
330 Literariacher Beriobt
Nepos und Cäsar. Auf deutsche Übungsstücke ist ganz yerziebtet;
Ersatz soll wohl durch Rückübersetzung gegeben werden; oder meint
Verfasser, auf das Hinüberübersetzen ganz verzichten zu können?
sollen etwa lateinische Sprechübungen (Fragen sind wenigstens in die
vorderen Übungsstücke eingefügt) an ihre Stelle treten?
Wer das Büchlein gründlich durchgearbeitet hat, besitzt eine hin*
reichende Kenntnis der lateinischen Formenlehre und einen nicht un-
bedeutenden Wortvorrat. Ob der eingeschlagene Weg der beste oder
auch nur der kürzeste ist, ist eine andere Frage. Die Kenntnis der
Formenlehre soll offenbar in der Hauptsache durch Induktion gewonnen
werden ; ist es aber dann gut, gleich im ersten Stück Formen von drei
verschiedenen Konjugationen und Deklinationen zu bringen? Nur ein
sehr geschickter Lehrer wird auf einer solchen Grundlage wirkliche
Ergebnisse erzielen; ftir den Selbstunterricht scheint mir das Bach,
entgegen der Ansicht des Verfassers, wenig geeignet ; Fragen wie „auf
welcher Seite der Insel liegt Palermo?"; »was für Hunde ruft man
Pluto?*" scheinen mir diesen Zweck nicht wesentlich zu fördern. Nicht
recht verständlich sind die vielen Wiederholungen ; wenn Verweise auf
das System der Formenlehre doch unumgänglich sind, warum müssen
wir dann die Regel über die Präpositionen dreimal (S. 8, 18, 24), die
Regel über die Städtenamen ebenso oft lesen (S. 16, 24, 96)? Warum
wird der Nom. c. Inf. dreimal unmittelbar hintereinander in derselben
Weise erklärt (S. 14, 19, 21).? lucus a non Incendo steht S. 78 und S. 85
u. s. f. Dagegen vermißt man ungern eine Übersicht über die wichtigsten
Eraoheinungen der lateinischen Satzfügung. Ganz praktisch ist die
Bezeichnung des Geschlechts durch vorangestelltes hie, haec, hoc;
ebenso die Anführung der Wörter gleichen Stammes in der Präparation
(Wörter wie capito, furax könnten freilich entbehrt werden); endlich
die Erinnerung an verwandte Ausdrücke modemer Sprachen, Fremd-
wörter, Inschriften, Redensarten, wenn auch manchmal die Dinge
an den Haaren herbeigezogen werden; daß bei janua die Inschrift
eines elsäßischen Trappistenklosters, bei affluere neben afflnent das nur
nach der Bedeutung entsprechende englische Wort tributary angeführt
wird, dient der Sache nicht. Was hat der Name des deutschen Volks-
stammes Treviri mit vir zu tun (S. 29)? Auch sonst sind Versehen
zu bemerken. S. 77 wird favete linguis erklärt seid den (!) Zungen günstig.
S. 2 steht luclfer, luclfera. S. 69 wird favilla mit Staab übersetzt
(ric^btig steht S. 71 Asche). Neu ist mir die Übersetzung von naturam
expellas furca mit „die Natur mit dem Pranger austreiben^ (S. 62).
Die Bezeichnung Pentameter gehört auch zu S. 63, 18 (wie zu S. 64,
25). Die Posaune verbreitet nicht einen Ton, sondern einen SchaU
(S. 69).
Stuttgart. J. Miller.
LiterariBcher Bericht 331
C. Bar dt, Zur Technik des Übersetzens lateinischer Prosa.
67 Seiten. Geb. 60 Pf. Leipzig und Berlin, B. G. Teubner, 1904.
Es ist sehr erfreulich, daß dieses kleine Buch aus dem etwas ver-
steckten Platz, an dem es ursprünglich untergebracht war — als Hilfs-
heft zu des Verfassers Kommentar der „ausgewählten Briefe aus
ciceronischer Zeit^ — hervorgezogen und durch die neue (Titel-)Ausgabe
in helleres Licht gestellt worden ist; denn es gehört zu dem Besten
und Wertvollsten, was über die Technik des Übersetzens geschrieben
worden ist Wenn ein Mann von so viel Geist und Geschmack wie
C. Bardt das Wort ergreift, so ist man von vornherein überzeugt,
daß er etwas zu sagen hat und auch wo er schon Bekanntes sagt —
und das ist hier der Natur der Sache nach häufig der Fall — es in
eine anziehende Beleuchtung zu rücken weiß. Wie der Titel besagt,
unterscheidet sich die Schrift von dem bekannten anregenden Buch
P. Cauers über die „Kunst des Übersetzens*' schon durch die Begrenzung
der Aufgabe auf lateinische Prosa, während Cauer Griechisch und Latein,
Prosa und Poesie (mit besonderer Vorliebe Homer) in den Kreis seiner
Betrachtung zieht. Aber auch die Art der Behandlung ist eine andere ;
die Hauptgesichtspunkte, die für die Übersetzung aus lateinischer Prosa
ins Deutsche in Betracht kommen, sind in der vorliegenden Schrift in
mehr systematischer Weise geordnet und zusammenhängend dargestellt;
es ist eine wirkliche Anleitung zum Übersetzen, die auch für Schüler
bestimmt und recht wohl geeignet ist. Dabei ist niemand weiter als der
Verfasser von der Meinung entfernt, als ob die Kunst des Übersetzens
in ihrem höchsten und feinsten Sinn gelehrt werden könne; nur die
mehr handwerkliche Seite dieser Tätigkeit will er darstellen. Übrigens
sollen seine Bemerkungen auch in den Dienst des Übersetzens aus dem
Deutschen ins Lateinische treten; und in der Tat wird die lateinische
„Komposition" nur dann „eine der Prima (und, darf man hinzufügen,
in beschränkterem Sinn auch der Sekunda) würdige Geist esgymnastik**
sein, wenn sie, wie es glücklicherweise bei uns zu Land bis jetzt der
Fall ist, nicht bloß Repetition der Grammatik sein soll, sondern in
Umgestaltung des Ausdrucks und Satzbaus anregende Aufgaben stellt.
Die Beispiele, die für die allgemeineren Gesichtspunkte der Übersetzungs-
praxis (von „Regeln'' wird man ja hesser nicht reden) gegeben werden,
sind sämtlich, der ursprünglichen Bestimmung der Schrift entsprechend,
den Briefen Ciceros und seiner Bekannten entnommen; das ist ein ge-
wisser Nachteil, sofern die den Briefen eigentümliche Periodenform,
wie der Verfasser selbst ausführt, eine andere ist, als die historische
und die oratorische Periode; doch finden sich ja immerhin auch in
Briefen Satzbildungen, die sich der historischen oder oratorischen
Periode nähern. Mit Beifügung des lateinischen Textes werden zahl-
reiche Übersetzungen kleinerer Abschnitte gegeben ; sie sind meisterhaft
und für Liebhaber stilistischer Dinge eine Quelle genußreicher Anregung,
332 Literarisclier Berieht
freilieh wohl auch der BeschämuDg über die eigenen Leistungen. Im
übrigen muß auf die Lektüre der Schrift selbst verwiesen werden; nur
einige Oberschriften seien verzeichnet: Lateinische Satzbildung; Deutsche
Satzbildung ; Behandlung lateinischer Infinitivkonstruktionen („leider gilt
immer noch die Wiedergabe durch den Deß-Satz als die eigentlich
normale"); Beseitigung von Nebensätzen (in guter deutscher Prosa
findet sich äußerst selten ein Konsekutivsatz, fast gar keine Finalsätze);
Begriffspaare; Bildersprache (besonders anregendes Kapitel); andeutende
Rede; prosaischer Charakter der lateinischen Sprache; Vertauschung
der Ausdrucksmittel (umfangreichster Abschnitt). Ein Sachregister und
ein Register der besprochenen lateinischen Wörter sind angefügt.
Wenn die Schrift die „Technik des Obersetzens lateinischer Prosa**
darstellt, so ist damit nicht ausgeschlossen, daß sie gelegentlich auch
dem Obersetzen lateinischer Poesie, wenigstens wenn sie sermoni pro-
pior ist, Dienste leistet. S. 34 wird die hübsche Bemerkung gemacht,
daß im Lateinischen oft „die Gebärde, die begleitende Bewegung, die
nach außen sichtbare Aktion genannt wird, wo der entsprechende
seelische Vorgang, die Wendung des Gesprächs, der Akt der Höflich-
keit gemeint ist*'; das führt auch für Horaz Sat. 1, 9, 59 occnrram in
triviis auf die Übersetzung „begrüßen^. Ähnlich gilt für Horaz Sat
1, 4, 125 die Bemerkung S. 27, daß „der Lateiner in hundert Fällen
einen Brand, eine Feuersbrunst, ein Entflammen sieht, wo wir bei
wörtlicher Wiedergabe nur den Eindruck haben, daß ungeschickt aus
dem Lateinischen übersetzt wird** usw.
Die Schrift zeigt in ihrem Teil aufs neue in glänzender Weise
„das Lateinische in seinem Recht als wissenschaftliches Bildungsmittel^
— nicht zum wenigsten dadurch, daß sie lehrt, wie es bei einem wirklichen
Obersetzen aus dem Lateinischen ins Deutsche (und umgekehrt) mit
einem mehr oder weniger mechanischen Betiieb nicht getan ist. Kein
Lehrer des Lateinischen an höheren Klassen sollte an diesem libellns
aureus vorbeigehen; aber auch strebsame Schüler werden reichen Ge-
winn daraus schöpfen.
Tübingen. P. Euapp.
0. Drenkhaho; Gymnasialdirektor, Giceros Bede ftir Sextius.
Für Schüler erklärt. Text 71 Seiten, Erläuterungen 71 Seiten.
Berlin, Weidmann, 1904.
Der Text ist der von G. F. W. Müller. Die Anmerkungen mit vor-
ausgeschickter Einleitung sind in einem besonderen Heftchen gedruckt,
das ins Buch hineingelegt werden kann. Sie geben außer grammatischen
und sachlichen Erläuterungen sehr viele Erleichterungen fürs Obersetzen
nach Art der Schülerpräparationen.
Schöntal. W. Nestle.
Literarischer Bericht. 333
FügneTfF,, Cftsarsätze zur Einfibimg der lateinischen Syntax
in Tertia. 3. Auflage. IV und 58 Seiten. 1 Mk. Berün,
Weidmann, 1904.
Vor 19 Jahren habe ich in dieser Zeitschrift Über die erste Auflage
berichtet, die zweite kenne ich nicht, die dritte ist nach allen Seiten
hin wesentlich erweitert (die erste Auflage zählte 89 Seiten), Anstände,
die ich damals erhoben habe, sind teilweise beseitigt und das Buch
überhaupt wesentlich verbessert. Daß manches fehlt, wird sich wohl
aus dem Anschluß an die mir nicht zur Verfügung stehende Bearbeitung
der EUendtschen Schnlgrammatik durch Fries erklären. Die Zitate
sind sorgfältig, im Anschluß an Fttgners Onsärausgabe, die allerdings
vom Meuselschen Texte abweicht, ohne daß das für den eigentlichen
Zweck des Buches in Betracht käme. Die Zitate stimmen ebenfalls
nicht immer in der Paragraphenzahl mit den übrigen Ausgaben. Druck-
fehler ist mir einer aufgestoßen : V. 4,87 passnum. Für den Lehrer ist
das Buch jedenfalls ein brauchbares Hilfsmittel, da sich die Sammlung
entsprechend den Anforderungen in lateinischer Komposition leicht noch
erweitem läßt.
Schmidt, J., Schülerkommentar zu Cäsars gallischem Krieg,
4. Auflage. 172 Seiten. 1.50 Mk. Leipzig, Freytag, 1904.
Diese Ausgabe ist, wie eine Vergleichung von 60 Kapiteln aus allen
sieben Büchern ergibt, nichts als ein unveränderter Abdruck der III.
(im Jahrgang 1902 besprochenen) Auflage ; ein Druckfehler ist beseitigt,
dafür hat sich 1. 40,4 iquod ein anderer eingeschlichen. Daß der deutsche
Ausdruck nicht auch einer Verbesserung fähig wäre oder gewesen wäre,
möchte man bezweifeln ; auch der lateinische Text ist derselbe geblieben,
desgleichen die unnötig zahlreichen Quantitätsbezeichnungen. Sonst gilt
auch von dieser Auflage dasselbe, was von der vorhergehenden gesagt
wurde, daß sie empfohlen werden kann, wenn man überhaupt Schüler-
kommentare und Schülerpräparationen für notwendig und zulässig hält.
Stegmann, C, Prof. Dr., in Norden, Hilfshuch für den lateini-
schen Unterricht der oberen Klassen. IV n. 132 Seiten.
Geb. 1.40 Mk. Leipzig und Berlin, Teubner, 1904.
Das Buch ist die (6.) allerdings vollständig umgearbeitete Auflage
von L. Meißners kurzgefaßter lateinischer Synonymik nebst Antibarbarns.
Die seitherige unbequeme Trennung der Synonymik und des Antibar-
barus in zwei gesonderten Teile mit dem wenig übersichtlichen Druck
der einzelnen Artikel nnd zwei Kegistem ist beseitigt. Das vorhandene
phraseologische Material wurde erweitert, alphabetisch angeordnet, wobei
die Zeitwörter als Stichwörter dienen, die Einzelbemerkungen des Anti-
barbarns sind in Fußnoten verwiesen und die Synonyma stehen au
334 Literarischer Bericht.
den betreffenden Stellen, beim Substantiv da, wo dieses dem
«
Alphabet nach hereingehören würde, unter dem Strich, so daß der
Schüler alles leicht finden kann.
Das Verzeichnis ist sehr reichhaltig, aber doch mit weiser Beschran-
kung, die Auswahl der Phrasen beschränkt sich nicht einseitig auf
Cäsar und Cicero, der Druck ist korrekt, doch ist S. 129 ein sehr
störender Druckfehler stehengeblieben in memoriam iredirere für
redigere, reducere. Vermissen wird man vielleicht unter den negativen
Adjektiven eine Übersetzung für .»unmöglich^, bei interest „es ist ein Unter-
schied'^ ein Beispiel mit dem Infinitiv usw.
Im übrigen ist das Buch ein vorzügliches Hilfsmittel, das sich auch
durch seine Ausstattung vorteilhaft auszeichnet.
Stuttgart S. Herzog.
G r u n 8 k y , Ferd.^ Griechisches Übuiigshuch. Z weiter Teil. Für
Klasse V (Obertertia), in Zweiter Auflage bearbeitet unter Mit-
wirkung von G. Bräuhäuser. X und 167 Seiten. Geb. 3Mk.
Stuttgart, Ad. Bonz & Komp., 1905.
Dem im Korrespondenzblatt 1904 Seite -846 ff. besprochenen L Teile
des griechischen Übungsbuches ist nun auch der II. Teil in neuer
Bearbeitung nachgefolgt.
Da gegen das anerkannt gute Unterrichtsbuch von manchen Seiten
das Bedenken erhoben worden war, daß es zu viele Schwierigkeiten
enthalte, so hat der Verfasser es als seine wichtigste Aufgabe betrachtet,
den Übungsstoff leichterzu gestalten. Es sind deshalb schwie-
rige Dichterstellen mit Recht weggelassen und durch leichtere Sätze
ersetzt und auch sonst sehr viele Schwierigkeiten aus dem Wege
geräumt worden. Immerhin fordert Grunskys Buch auch in seiner
jetzigen Gestalt vom Schüler noch eine tüchtige Denkarbeit, wie sie
aber in den humanistischen Schulen doch wohl verlangt werden darf;
daß' den Schülern zu viel zugemutet werde, wird man nicht behaupten
können.
Das Buch gliedert sich in die Abschnitte zur Einübung der Konju-
gation auf -\u und der unregelmäßigen Verba (S. 1 — 67), zur Ein-
übung der Syntax (58 — 101) und zur Wiederholung des gesamten Übungs-
stoffes (101—118). Der erste Teil enthält außer den griechischen Sätzen
kurze deutsche Sätzchen und Satzteile zur Einübung einzelner Formen,
sodann längere deutsche Sätze und zusammenhängende Stücke. Vom
Beginn der Syntax (S. 58 ff.) an werden nur noch deutsche Texte
geboten, da vorausgesetzt wird, daß nebenher ein Schriftsteller oder
ein griechisches Lesebuch gelesen werde.
Ein Hauptvorzug des Buches besteht in der engen Verbin-
dung von Formenlehre und Syntax, welche schon im ersten
Literariaoher Bericht. 335
Teile des Übangabnches (für Klasse IV) konsequent and geschickt durch-
geführt ist. Daß diese Verbindung das Richtige ist, wird heutigentags
wohl von den meisten anerkannt. Wenn der Schüler die einfachsten
syntaktischen Regeln schon bei Zeit neben der Formenlehre her, all-
mählich, in langsamem Tempo lernt und an dem Stoff der Formenlehre
stetig einübt, so bleiben sie viel sicherer und tiefer haften und gehen
viel leichter in Fleisch und Blut über, als wenn (nach der früheren
Methode) der Kopf des Schülers zuerst ausschließlich mit Formen ange-
füllt wird, dann aber plötzlich eine ganze Menge syntaktischer Regeln
zumal auf ihn einstürmt ; ganz abgesehen von dem großen Vorteil, daß bei
einer frühzeitigen Mitbehandlung der Syntax der Übungsstoff bedeutend
interessanter und anregender sich gestalten läßt. Außer der Lehre von
der Kongruenz, dem Artikel, den Pronomina, den Kasus und Präpo-
sitionen werden in diesem zweiten Teile von der Modussyntax (gleich-
zeitig neben den Verba auf -)it und den unregelmäßigen Verba) ein-
geübt: Unabhängige und abhängige Urteils-, Frage- und Begehrungs-
sätze, Konstruktion der Verba des Glaubens und Sagens, der Wahr-
nehmung, der Verba mit Infinitiv Futuri, Folgesatz (nur &oxb mit
Infinitiv, nicht auch mit Indikativ), Prädikatsnomen beim Infinitiv,
Partizipium (griechische Verba mit Partizipium, welche deutschen Adver-
bien entsprechen, wie ^Mvco, XavO-ivo) u. a., xalicsp und cb^ [aber nicht
£t8] beim Partizipium), £v mit Konjunktiv in Relativ-, Bedingungs- und
Zeitsätzen bei Futurbegriff im Obersatz. Dagegen wurde aus der ersten
Auflage weggelassen: sorgen, daß — , Nominativ des Partizipiums
bei gleichem Subjekt nach den Verben der Wahrnehmung, Partizipium
bei finden, sich erinnern, vergessen, Konstruktion der Verba der Gemüts-
bewegung, Negation (iV) beim Infinitiv nach den Verben hoffen, drohen,
versprechen, schwören, dLv mit Konjunktiv im verallgemeinernden Relativ-
satz.
Gegen die Reihenfolge der syntaktischen Regeln dürfte sich
kaum etwas einwenden lassen; nur hinsichtlicht der Unterscheidung
der attributiven und prädikativen Wortstellung (ol ^eOYovxeg noXi\ii.oi
und oC noXi[iiot, fpidyovzB^) macht sich im Unterricht des Unterzeichneten
regelmäßig das Bedürfnis geltend, die Unterscheidung schon viel früher
anzugeben, als dies bei Grunsky (Stück 45) geschieht. Was den
Umfang der Regeln aus der Modussyntax anlangt, so möchte Referent
auf Grund seiner Erfahrungen das nunmehr von Grunsky Gebotene
als das höchste zulässige Maß dessen bezeichnen, was mit Nutzen
in dieser Klasse neben dem sonstigen reichlich bemessenen Lernstoff einge-
übt werden kann. Vor einer weiteren Ausdehnung ist entschieden zu
warnen, namentlich z. B. vor einer Hereinziehung der Unterscheidung
von &<JX9 mit Infinitiv und Indikativ, wodurch bei der zweifelhaften
Natur der meisten Fälle der Schüler auf dieser Stufe nur nutzlos ge-
quält und viel Zeit versäumt würde.
336 Literarischer Bericht.
Die Stacke zur Wiederholung des gesamten Übungsstoffes
(früher Seite 86—90, jetzt Seite 101—118) sind bedeutend vermehrt
worden, was zu begrüßen ist Besondere Anerkennung verdient in
diesen Stücken, wie auch sonst überall, der schöne, durchweg korrekte
deutscheAusdruck, der nirgends an das berüchtigte ^^Schuldeut^eh"
erinnert. Auch das Vokabularium hat eine wesentliche Erweiterung
erfahren, indem viele Wörter aus dem ersten Teile wiederholt wurden,
um Wortgruppen zu bilden und Wortfamilien zusammenzustellen. Nur
sollten dabei die neuen und die alten Wörter im Druck noch deutlicher
voneinander geschieden werden, da (bei den Verweisungen) manchmal
Zweifel hinsichtlich der Zählung entstehen können. Die Auswahl der in
das Vokabularium aufgenommenen Wörter ist als eine äusserst glückliche
und gelungene zu bezeichnen. Über einzelne Wörter läßt sich natürlich
streiten; man kann das eine oder andere Wort für entbehrlich halten
und dafür ein anderes aufgenommen wünschen. Aber ein Schüler, der
die Wörter des Vokabulars im ersten und zweiten Teile von Grunskys
Übungsbuch sich zu eigen gemacht hat, wird im Obergymnasium bei
der Klassikerlektüre sehr leicht tun, und es wäre daher nach der Über-
zeugung des Referenten im Interesse des griechischen Untenichts über-
haupt, wie speziell der Klassikerlektüre im Obergymnasium sehr zu
wünschen, daß die sichere Aneignung eines griechischen Wortschatzes,
etwa in dem Umfang, wie ihn Gruuskys Vokabularium bietet, durch
die Entziehung des deutsch-griechischen Wörterbuchs bei der Aufnahme-
prüfung ins Obergymnasium und beim Landexamen (ebenso wie im
Französischen) für alle Schüler zur Notwendigkeit gemacht würde.
Freilich wäre die Voraussetzung dafür die Benützung des gleichen
Übungsbuchs in den württembergischen Schulen.
Endlich ist außer dem (auch schon in der ersten Auflage enthal-
tenen) Verzeichnis der Eigennamen (Seite 150 — 152) auch noch
ein deutsches alphabetisches Wörterverzeichnis (Seite 153 — 167)
beigegeben worden, welches den Fundort der einzelnen Wörter angibt
Bei der außerordentlichen Sorgfalt, mit der das Buch gearbeitet
ist, dürfte an Einzelheiten nur sehr wenig zu verbessern sein:
S. ISO, 266 ist xX(}ia£ (mit Akut) aus der ersten Auflage stehen geblieben;
S. 69, 6 fehlt bei der Erzählung von Lykurgs Tode noch immer die
Pointe: er ließ seine Mitbürger schwören, seine Gesetze nicht anzutasten,
bevor er nach Hausef zurückgekehrt sei; S. 185, 895 (und S. 28 A. 1)
ist nach Kühner-Blass I, 2 (8. Auü. 1892) S.306 zwar xpu9a (mit Verkür-
zung), dagegen Xd^pq, (mit Jota subscr.) zu schreiben. S. 120, 52 würde
iMptx(d>8(Lai besser mit liidxiov verbunden, während für das Anziehen
des x^'ccbv das eigentliche Wort §v5üöod«i ist; S. 18 Z. 2 soll es wohl
kaufet statt verkaufet heißen; der Satz gleich zu Anfang des Buches
(S. 1, 2) über den voD^ des Anaxagoras ist entschieden zu schwer und
sollte durch einen leichteren ersetzt werden ; bei ^vtujiovsuq) (S. 187, 438)
Literarischer Bericht. 337
sollte außer: erwühne, erzähle, auch die andere Bedentang: erinnere
mich, mit dem vorauszustellenden, auch beide Bedeutungen enthaltenden
„gedenke" angeführt werden. In dem Verzeichnis der Eigennamen
vermisse ich z. B. x6 Alyaiov (S. 102, 18) und 4>cdx86c (S. 16 f.). Von
Druckfehlern scheint das Buch fast ganz frei zu sein; gefunden habe
ich nur S. 26 2) und 8) statt 8) und 4), S. 62 Z. 11: 601 st 600.
Die Ausstattung des Buches, Druck, Papier wie Einband sind vor-
züglich und machen dem Verlag alle Ehre.
So ist Grunskys Griechisches Übungsbuch in seiner neuen Bearbei-
tung ein ausgezeichnetes Unterrichtsbuch, das in seiner
Gediegenheitvonnnrganz wenigen Schulbüchern erreicht
wird und nicht so leicht übertroffen werden kann, eine
Zierde unserer württembergischen Schulliteratur, ein Buch, das wert
wäre, „das" griechische Übungsbuch der württembergischen Schulen zu
werden, aber auch außerhalb der schwarz-roten Grenzpfahle die weiteste
Beachtung und Verbreitung verdient.
Mergentheim. Fr. Pohlhammer.
Homer und Horaz im Gymnasial-Unterricht. Von Oskar
Jäger. 211 S. geb. 5 Mk. München; C. H. Becksche Ver- ^
lagsbuchhandlnng. 1905.
Es ist die reife Frucht einer Lebensarbeit, zugleich das Bekenntnis
zu einem in dieser Lebensarbeit erprobten didaktischen Ideal und eine
Anleitung zn der Erfüllung der in diesem Ideal für die humanistische
Schule enthaltenen Aufgabe, was der geistesfrische Verfasser darbietet;
eine Gabe, die des besten Dankes seitens der Beschenkten, einer
fruchtbaren und segensreichen Anwendung auf die eigene Lehrtätigkeit,
sicher sein darf. Die besondere Kunst des Verfassers, den Stoff der
Schularbeit unter Gesichtspunkte zu steilen, die der Sache entnommen
sich scheinbar von selbst darbieten und doch den Gegenstand in ein
neues, überraschendes und weite Perspektiven eröffnendes Licht rücken,
bewährt sich schon in der Wahl des Themas, in der Zusammenstellung
der dichterischen Zeugen einer jugendlichen, Kultur erzengenden, und
einer alternden, kulturgesättigten Periode: dort eine „selige Zeit des
Werdens** mit der Fähigkeit und dem Bedürfnis, der Fülle der aus
dem kleinen und großen Leben zuströmenden Eindrücke in der Ent-
deckerfreude des Schauens und schöpferischen Gestaltens Herr zu
werden, hier eine Weltbetrachtung, für die das „nil adrairari** der
Weisheit letzter Schluß ist. Mit Recht betont der Verfasser, daß die
Einführung in ein durch eigene Arbeit zu erwerbendes Verständnis
von Schriften, die als klassische Erzeugnisse und Zeugnisse des Geistes
dieser zwei Epochen aller Menschheitsentwicklung betrachtet werden
dürfen, ein unübertreffliches Mittel der Vorbereitung für das selb-
338 Literarischer Berieht.
ständige wissenschaftliche Studium ist. Die für den 'Unterricht ideale
Voraussetzung, die der Verfasser macht, daß die ganze Homer- und
Horazlektüre in der Hand eines und desselben Lehrers liegt, wird
freilich, wie auch der Verfasser weiß, meistens ein Ideal bleiben; um
so dankenswerter ist es, wenn die verschiedenen Lehrer, die sich ge-
wöhnlich in die Aufgabe teilen, durch ein Werk, wie das vorliegende,
auf eine Behandlung hingewiesen werden, die dem idividuellen Moment
bei Lehrern und Schülern volle Rechnung trägt und doch das, was
allein einen wirklich fruchtbaren Unterricht verbHrgen kann, zu ein-
leuchtender Geltung bringt. Dies ist kurz gesagt die Betrachtung der
Gedichte in ihrem Verhältnis zu den Dichtem selbst und zu dem Pub-
likum dieser Dichter, ein Gesichtspunkt, an dessen Stelle nur zu leicht
d'er des gelehrten Interesses einer späteren Zeit als der beherrschende
tritt, während dieser letztere jedenfalls in der Schule nur so weit Be-
rechtigung hat, als gelehrtes Wissen ein für uns unentbehrliches Mittel
zur Aufhellung von Einzelheiten oder ein ungesuchter Nebenertrag
der auf jenes Hauptziel gerichteten Arbeit ist.
Für Horaz liegt die Sache einfach, aber zwischen Homer und dem,
was Jäger will, steht die „homerische Frage". Mit ihr wird Jäger
in geistvoll resoluter Weise fertig: die Widersprüche in den homerischen
Dichtungen sind ihm ein Beweis eben dafür, daß die Gestalt, in der
diese Dichtungen vorliegen, nicht das Werk eines nachträglichen Be-
arbeiters und Sammlers ist; denn der hätte seine Aufgabe eben in der
Ausmerzung jener Widersprüche gefunden, während sie den Dichter
nicht kümmern, einen Shakespeare so wenig wie Homer, weil der
Dichter sich an das hält, was und wie er es in jedem Fall als Dichter
braucht. So kommt Jäger, unter billiger Berücksichtigung des ^quan-
doque bonus dormitat Homerus^, dazu — unter Ausscheidung der zweiten
Nekyia aus der Odyssee, des Schiffskatalogs und allenfalls der Doloneia
aus der Ilias und mit Vorbehalt der Berechtigung zum Ausmerzen
etwa sich findender „erweislich dummer Verse" — beide Epen für die
Werke Eines Dichters, Homers, zu erklären ; und es ist ihm eine Haupt-
aufgabe des Homererklärers, der er selbst mit besonderer Liebe nach-
geht, hinter den Werken die Persönlichkeit ihres Schöpfers zu suchen
und aus ihnen das Bild dieser Persönlichkeit, soweit möglich, zu re-
konstruieren. Über die Stellung Jägers zur homerischen Frage mit
ihm zu rechton wäre sicherlich nicht angezeigt. Denn einerseits muß,
um von vielen sich darbietenden Beispielen nur eines anzuführen, der
Gedanke, was die Kritik über den Goetheschen Faust wohl zu sagen
hätte, wenn wir zufällig über dessen Verfasser so wenig wüßten, wie
wir über den oder die Verfasser von Ilias und Odyssee wissen, der
Kritik des Ausscheidens und Trennens gegenüber doch recht vor-
sichtig machen ; und andererseits ist für Jäger gerade seine Auffassung
ein Hauptmittel und ein Hauptimpuls, Wege zu finden, die in das Herz
Literariflcher Bericht. 339
der homerischen Dichtung hineinführen. Es ist nm so weniger ange-
zeigt, als der Wert dessen, was Jäger bietet, durch eine abweichende
Stellung zu Einzelfragen der Kritik nicht wesentlich berührt wird.
Ein Bedenken habe ich allerdings, daß nftmlich das Bestreben,
ein einheitliches Bild von der Dichterpersönlichkeit Homers zu ge-
winnen, vielleicht doch manchmal dazu geführt hat, einzelnen Partien
der Dichtung etwas von ihrer Eigenart zu nehmen, so besonders in
II. I, 4d2 — 611, wo die souveräne Art, wie der Dichter mit den Ge-
stalten der olympischen Götterwelt nmspringt, und der übermütige
Humor, womit er fast in Einem Atem die Majestät und die menschlichen,
allzumenschlichen Schwächen des Göttervaters zeichnet, mir bei Jäger
nicht zu ihrem vollen Recht zu kommen scheinen; auch die Feinheit,
womit Hephäst der Götterversammlung über die durch den Streit
zwischen Zeus und Here geschaffene peinliche Situation dadurch hin-
weghilft, daß er sie auf seine Kosten zum Lachen bringt, kommt dabei
zu kurz. Die „Schwächen*^ von II. II heben sich, wie ich glaube, in
der Hauptsache, wenn man davon ausgeht, daß der Dichter die innere
Unsicherheit Agamemnons zeichnen will, die sich daraus ergibt, daß
er vor der doppelten Frage steht, wie es ohne Achill gehen wird, und
welches die Stimmung des Heeres ist angesichts der durch Agamem-
nons Schuld geschaffenen Lage, dass diesem Heer von jetzt an der
Beste der Achäer fehlen wird. Auch darauf hätte vielleicht hingewiesen
werden dürfen, daß die Kunst des Dichters, bei allem Spielen mit dem
Wunderbaren lebenswahr zu bleiben, sich nirgends mehr bewährt, als
in der Art, wie er, statt das von Zeus der Thetis gegebene Versprechen
mit geschäftsmännischer Promptheit einlösen zu lassen, der natürlichen
Entwicklung der Dinge Zeit läßt, dem Zorn des Achilleus, sich in die
Seele des Helden einzufressen, den handelnden göttlichen und mensch-
lichen Personen, in einer ganz neuen Situation erst Stellung zn nehmen
und sich zu betätigen, und wie er so sich selber die Möglichkeit schafft,
zu spannen und zu überraschen, indem er seine Hörer einen an Schön-
heiten reichen Weg führt, der bei dem eigentlichen Ziel gerade dann
ankommt, wenn es vom Dichter vergessen zu sein scheint und dem
Hörer in Vergessenheit zu kommen anfangt. Auch zugunsten des
alten Nestor möchte ich ein Wort einlegen, den freilich nur eine schmale,
aber eine sehr deutliche Grenze von der Rolle des komischen Alten
trennt: manches, was Nestor sagt, erscheint doch nicht so trivial, wie
Jäger findet, wenn man näher zusieht, z. B. II. IX, 78, wo Diomedes
jedenfalls nicht zugeben würde, daß diese Nacht, d. h. der Erfolg der
Gesandtschaft an Achill, über das Schicksal des Griechenheers ent-
scheide (wie sie denn auch in der Tat nicht darüber entschieden hat);
oder wenn man dem Dichter das ihm sonst von Jäger so eifrig gewahrte
Recht, von tatsächlichen Voraussetzungen, soweit sie ihm nicht passen,
abzusehen, konsequenterweise überall zugesteht: zu II. V, 364 z. B.
340 Literarischer Bericht.
darf doch daran erinnert werden, daß die Kampfszenen der Ilias von
einer durchgeführten Gliederung des Heeres kaum eine Spur zeigen,
wie sie denn auch von einer Beteiligung der Masse des Heeres so
gut wie nichts wissen ; der Dichter hätte, wenn er wirklich den Nestor
hier eine bloße Trivialität aussprechen lassen wollte, das doch in
Agamemnons Antwort irgendwie andeuten lassen müssen, etwa mit
einem val d^ xauxd ys icdvra, yipov, xaxdt }ioTpov Ssiics^, das IL I, 286
so treffend das Nutzlose der an sich übrigens auch ganz wohl ange-
brachten Mahnung Nestors zum beiderseitigen Nachgeben bezeichnet.
Andererseits durfte wohl auch darauf hingewiesen werden, daß es der
Dichtung, besonders wo es sich um kompliziertere Vorgänge und Fragen
des Innenlebens handelt, nicht an Stellen fehlt, die ein unverkennbares
Ringen des Gedankens mit dem Ausdruck zeigen, nicht so sehr in den
einzelnen Worten als in der ganzen Anlage, vgl. besonders IL IX,
606—512 und 650—699; auch was IL II an wirklichen Schwächen hat,
dürfte wesentlich hierher gehören: es ist, wie wenn der Dichter eine
Entdeckungsfahrt in einem ihm noch wenig vertrauten Gebiet machte,
während andere Partien, vgl. z. B. IL XXIV, gerade auch die Kunst,
in der Seele zu lesen, zur Meisterschaft ausgebildet zeigen.
Diese Bemerkungen sollen, wie viel oder wenig Gewicht im ein-
zelnen ihnen beigelegt wird, nur zeigen, daß das Jägersche Buch, weit
entfernt dem Benutzer eine gebundene Marschroute vorzuschreiben,
vielmehr dem Sehen mit eigenen Augen freiesten Spielraum läßt und
gerade dazu auffordert, auch die Schüler zum Sehen mit eigenen Augen
anzuleiten in einem Gebiet, das so verständlich ist, daß jeder Schüler
sich selbst am Urteilen und am Genießen aktiv beteiligen kann, und
dessen Gehalt und Schönheit doch nie auszuschöpfen ist. Wenn das
Jägersche Buch in seiner trefflichen Ausstattung auch äußerlich den
Eindruck eines wertvollen gslviov macht, so darf -doch vielleicht im
Interesse möglichst weiter Verbreitung der Wunsch ausgesprochen
werden, daß für eine zweite Auflage der Preis etwas herabgesetzt
werde. In dieser können dann auch einige Verschreibungen berichtigt
werden: so steht S. 74 derselbe Satz mit ziemlich denselben Worten
oben im Text und unten in der Anmerkung; S. 166, Z. 9—11 findet
sich ein Anakoluth ; S. 129 heißt es, Nestor sei beim Besuch Tolemachs
in Pylos 20 Jahre älter als in der Ilias, während es nur 10 sind, was
an der Richtigkeit des dort Ausgeführten im übrigen nichts ändert
Cannstatt. Th. Klett.
Homers Odyssee in der Übersetzung von J. H. Voß. Schalaasgabe
mit Einleitung ond Erläaterungea von Dr. Franz Weineck.
1.20 Mk. Stuttgart und Berlin, J. G. Cotta Nachf., 1902.
Die Einleitung gibt volkstümlichen Bericht von der Homerischen
Sage und Frage, vom Hexameter und von J. H. Voss. Die „Frage*'
Literarisclier Bericht. 341
wird ferner durch die Gestaltung des Textes selbst beantwortet, indem
die späteren Zutaten wegbleiben und die Geschichte des Odysseus von
der Entlassung aus Ogygia bis zur Begrüßung durch Gattin und Vater
sich auf wesentliche 5600 Verse verkürzt. Den Homerischen Altertümern
dient sodann ein dreifacher Anhang: 1. Anmerkungen je nach Folge
und Bedarf der Verse; darum 2. alphabetische Vorführung der Sach-
nnd Stichwörter; S. eine Reihe Aufsatzthemen von sehr ungleicher
Tragweite und Faßbarkeit.
Schulausgabe nennt sich das hübsche Buch wohl für Realschulen,
deren obere Klassen wenigstens im Spiegel der deutschen Klassiker
die sonnigen Auen Homers erschauen. Für Gymnasien hieße es
Schul er ausgäbe, wäre also beiläufig ein Geschenk an den Tertianer.
Urteilt ein solcher, der deutsche Homer in der kleidsamen Prosa un-
seres Gustav Schwab sei ihm lieber als im zweifelhaften Hexameter-
zuschnitt eines Voss, so fühlen wir sehr mit ihm und gehen unserer-
seits von dem metrischen Gefühl eines Platen, Minckwitz, Donner un-
gern wieder ab. Uns freut aber jeder neue Versuch, aus dem alten
Homer die Tugend der Jugend, die Urwüchsigkeit des Dichtens und
Trachtens zu erschließen. Der vorliegende Versuch empfiehlt sich
noch durch den mäßigen Preis und — „ceterum ceuseo^ in dieser Zeit
des augenverderblichen Firnisses — durch ein Papier, das zum Lesen
und Schreiben gleich angenehm ist.
Stuttgart P. Feucht
Karl Altendorf; Prof., Oberlehrer am Oroßherzoglichen Gym-
nasium zu Offenbach a. M., Ästhetischer Kommentar zur
Odyssee. 79 Seiten. Gießen, E. Roth, 1904.
Das Büchlein verspricht viel, hält aber wenig. Verfasser will (im
Anschluß an C. Bothes homerische Studien) den wissenschaftlichen Nach-
weis der Einheitlichkeit der Odyssee erbringen und zugleich einen
ästhetischen Kommentar der Dichtung geben. Was das erstere betrifft,
so wird mehr behauptet als bewiesen, daß fast die gesamte Homer-
forschung seit Wolf sich auf Irrwegen bewegte. Der Verfasser hat
es aber offenbar selbst zu keiner klaren Anschauung von der Ent-
stehung der Odyssee gebracht: denn er spricht bald von den „Liedern
älterer Sänger**, aus „denen der Dichter der Odyssee geschöpft hätte
(S. 6)", bald von „einzelnen Liedern" innerhalb der Odyssee, wofür
ihm das VL Buch ein besonders charakteristisches Beispiel ist. Die
meisten Anstöße werden mit dem „quandoque bonus dormitat Homerus**
erledigt, andere wie X. 34 ff. mit einem Stoßseufzer: „Ja was findet
der Mensch nicht alles bedenklich, wenn er einmal mißtrauisch geworden
ist^ (S. 37), oder es wird einfach auf Grund der „Empfindung^ geurteilt
(S. 51 f.). Selbst d 266—369 gilt nicht als Interpolation; auch die
zweimalige Verwendung des Motivs der Kührung in demselben Gesang
343 Literarischer Bericht
erregt keinerlei Bedenken. Und trotz allem kommt der Verfasser nm
die Annahme einiger Einschiebsel nicht herum. Noch schlimmer als
um die Kritik ist es aber um die Ästhetik bestellt: sie äussert sich in
Redensarten wie: „alles meisterhaft, kein Wort zu wenig, keines zn
viel** (S. 34); „es gibt nnr einen Homer^! (S. 56); „eine Perle der
Dichtkunst^ (S. 69) ; „auch eine dichterische Perle" (S. 60) ; und in Ab-
geschmacktheiten wie : „welche Wohltat ein warmes Bett ist, weiß der,
der es immer hat, kaum zu würdigen* (zu e 486); oder (zu £ 149):
„in Anbetracht, daß Kleider Leute machen, ist er (Od.) ja in sehr un-
günstiger Lage ; also bleibt ihm gar nichts übrig als in Reden zu zeigen,
was er für ein Mann ist"; xVjxexo 8i 7(ß^Q (XIX. 204): „Den Ausdruck,
,ihr Gesicht zerschmolz^ haben wir im Deutschen nicht ; aber wir können
ims die Sache doch ganz gut vorstellen : das Gesicht gleicht dem Schnee,
der beim Schmelzen zusammenfällt, entstellt wird und zerfließt" (S. 61);
über epische Ruhe: «unsere ,hochspannenden' Romane sind ebensowenig
auf den besten Geschmack berechnet als etwa eine Branntweinkneipe"
(S. 62). Doch genug von dieser „Ästbetik^^, über die der Leser selbst
das Urteil fällen mag.
Schöntal. W. Nestle.
OttO; Helene, Odyssee in der Sprache der Zehnjährigen erzählt
Mit 10 VoUbUdern von Fr. Prell er. VUI u. 102 Seiten.
2.25 Mk. Leipzig, K. G. Tb. Scheffer.
Die Ausstattung ist vorzüglich, insbesondere die 10 ganzseitigen
Einschaltbilder, Autotypien in zarter gelblicher Tönung. Die Wieder-
gabe der Odyssee in Altersmundart scheint dagegen dem Referenten
grundsätzlich verfehlt: es ist einmal ein Unterschied zwischen erzählt
und gelesen, und das Kind soll auch an der Form dessen, was es liest,
etwas lernen ; und das ist an diesem Buche unmöglich, vollends für süd-
deutsche Kinder, die den Text großenteils überhaupt nicht verstehen.
Einmal macht sich die Unfähigkeit ,,her" und„ hin^ zu unterscheiden ganz
unangenehm aufdringlich, die Form „ran^ wird zu Tode gehetst, häufig
ist die Darstellung ganz unkindlich, manches geradezu unverständlich :
„die Schaffnerin, die aufpassen mußte, daß alles da war und überhaupt
darüber zu sagen hatte^ S. 36, manches im Zusammenhang widersinnig,
„Ich möchte, Apoll träfe ihn mit seinem Pfeile; Apollo war nämlich
der Gott des Gesanges^ S. 78, die Darstellung der Aufstellung der Äxte
vor dem Bogenschuß ist ganz verfehlt, in den Eigennamen finden sich
Druckfehler.
Summa Snmmarum. Der Versuch scheint uns grundsätzlich ver-
fehlt und jedenfalls die Ausführung mangelhaft
Stuttgart. S. Herzog.
Literarischer Bericht. 343
Gotthold Ephraim Lessings sämtliche Schriften. Heransgegebeii
Ton Karl Lachmann. Dritte, aufs neue durchgesehene und
yermehrte Auflage, besorgt durch Franz Muncker. 17. Band
XIV u. 429 Seiten, 19. Band VII u. 431 Seiten, ä 4.50 Mk.
Leipzig, G. J. Göschen, 1904.
Die beim Abschluß der Neuansgabe der eigentlichen Werke Lessings
in Aussicht gestellte Ergänzung durch eine vollständige Sammlung der
Briefe von imd an Lessing beginnt mit den beiden obengenannten Bänden
zu erscheinen. Sie ist auf fiinf Bände berechnet, von denen zwei die
Briefe Lessings, drei die an Lessing enthalten sollen. Der erste Brief-
band enthält die Briefe Lessings von 1743 bis Ende 1771, im ganzen
334 Nummern, der dritte die Briefe an ihn vom Januar 1746 bis De-
zember 1770. In den beiden Vorreden spricht sich Muncker haupt-
sächlich über die bei der Herausgabe befolgten Grundsätze aus. Dabei
wird man es mit besonderem Beifall begrüßen, daß der Herausgeber
auch die nichterhaltenen Briefe, deren Inhalt aber mindestens zum Teil
erschlossen werden kann, mit aufgenommen hat. „Wir überschauen
so bequemer und immerhin vollständiger, was Lessing alles an Briefen
verfasst und empfangen hat, mit welchen Personen er namentlich den
schriftlichen Gedankenaustausch pflegte, welche Fragen ihn und seine
Korrespondenten der Reihe nach beschäftigen". So wird es auch nie-
mand tadeln, daß die Briefe an Lessing, obwohl streng genommen
nicht zu seinen Schriften gehörig, in diese Sammlung seiner Schriften
aufgenommen sind. Sie sind als Ergänzung dieser fast nicht zu ent-
behren.
Ein nicht zu unterschätzender Vorzug dieser Ausgabe ist es, daß
durch die Numerierung der Briefe ein beständiges Verweisen auf den
Brief, der jeweils antwortet oder beantwortet wird, ermöglicht und
durchgeführt ist Daß die Anmerkungen auf das bescheidenste Maß
des Notwendigen eingeschränkt sind, kann man nur gutheißen, da der
Zweck ' der Ausgabe nicht ist, einen Kommentar zu den Briefen zu
geben. Dagegen darf nicht verschwiegen werden, daß bei dem kleinen
Druck der Anmerkungen und Vorbemerkungen, der sonst an Schärfe
nichts zu wünschen übrig läßt, die Zahlen vielfach sehr undeutlich sind.
Als günstig und zweckmäßig ist es auch zu begrüßen, daß der
erste Band der Briefe an Lessing gleichzeitig mit dem ersten seiner
eigenen Briefe ausgegeben wurde, so daß man sie beständig neben-
einander benützen kann. Auf den Inhalt der Briefe einzugehen, kann
nicht die Aufgabe dieser Anzeige sein, die sich nur auf die Tätigkeit
des Herausgebers zu beschränken hat. Soweit ich diese bis jetzt ver-
folgt habe, kann ich nur feststellen, daß derselbe seine Aufgabe in
musterhafter Weise gelöst hat. Möge es ihm vergönnt sein, dieselbe
bald zu einem glücklichen Ende zu führen.
Calw. P. Weizsäcker.
344 Literarischer Bericht
V Weise, Prof. Dr. 0., Praktische Anleitung znm Anfertigen
deutscher Aufsätze. Siebte völlig umgearbeitete Auflage
der ,,prakti8chen Anleitong" von Dr. Cholevius. 141 Seiten.
Leipzig, Teubner^ 1904.
Dem Verfasser dieses Büchleins ist es gelungen, auf einem Boden,
der durch Überproduktion abgewirtschaftet ist, noch eine schöne Frucht
zu pflücken. Die Abstammung von dem Buche des Dr. Cholevius ist
nicht mehr zu erkennen. Was Weise bietet, ist eine selbständige Arbelt,
in welcher nur wenige Seiten der früheren Aufnahme fanden. Den
größeren Teil füllt die „praktische Anleitung^ aus, eine feinsinnige
Aufsatzlehre, geschmückt mit einer Fülle vortrefflicher Beispiele. Das
Buch enthält aber außerdem noch einige nützliche Sachen, so: „Be-
obachtungen über die Kunst zu denken^; „Was heißt lesen ?^ „Ober-
sicht über eine Reihe lesenswerter Schriften^ usw. Mag sein, daß das
Buch von Vockeradt (Praktische Ratschläge für die Anfertigung des
deutschen Aufsatzes) für die Hand des Schülers zweckmäßiger ist, weil
seine «Handgriffe** so recht dem Bedürfnis der Jugend entgegenkommen.
Für den Gebrauch des Lehrers aber wüßte ich kein geeigneteres Hilfs-
mittel zu nennen, als das vorliegende Werkchen, dessen Verfasser
übrigens durch „Unsere Muttersprache, ihr Werden und ihr Wesen**
längst aufs beste bekannt ist. Groz.
An Sehnlansgaben deutscher Klassiker sind der Redaktion vor-
gelegt worden und verdienen teils für den Gebrauch beim Unterricht
teils für das Privatstudium warme Empfehlung:
Schillers Wa 1 1 e n s t e i n , von Franz Ullsperger, bereits in 2. Auf-
lage, mit einem Kärtchen und ausführlicher Einleitung, gebunden 1.26 Mk.,
Verlag von G. Frey tag in Leipzig. — Von den „Schulausgaben
klassischer Werke**, welche der Verlag von B. G. Teubner
im Jahr 1888 ins Werk gerufen hat, sind bis jetzt 68 Hefte erschienen;
neuestens: Grillparzer; dessen Kommentierung österreichischen Fach-
männern anvertraut wurde, nämlich Sappho, mit einer biographischen
Skizze über Grillparzer und einer Einleitung zum Stück aus der Feder
von Franz Frosch; von demselben auch König Ottokars Glück
und Ende; ferner das goldene Vlies (in 8 Teilen; der Gastfreuud;
die Argonauten und Medea) und die Ahn fr au von Franz Steinz, so-
wie der Traum ein Leben von Ferdinand Zimmert Die Erläute-
rungen zuLibussaund Ein Bruderzwist im Hause Habsburg
hat Professor A. Lichtenheld in Wien übernommen, der sich bereits
in seinen „Grillparzer-Studien*' als feinsinniger Kenner der Grillparzer-
schen Muse gezeigt hat. Daß Lichtenheld aber auch in Goethe und
Schiller zu Hause ist, zeigt seine Bearbeitung von Hermann und
Literarischer Bericht $46
Dorothea und Faust I. Teil, sowie von Kabale und Liebe,
während Franz Frosch Schillers Wilhelm Teil übernommen hat.
Der Preis jedes broschierten Heftes beträgt 50 Pf.; das goldene Vlies
stellt ein Doppelheft dar und kostet 1 Mk. Druck und Papier sind gut.
Zum Schluß teilen wir mit, daß von der Gottaschen „Hand'
bibliothek", welche sich die löbliche Aufgabe gesetzt hat, die Haupt-
werke der deutschen und ausländischen schönen Literatur in
gut ausgestatteten und billigen Einzelausgaben (ohne Kommentar !)
zu bieten, weiter erschienen sind:
Schiller, die Jungfrau von Orleans, 30 Pf. H. von Kleist, Michael
KdUhaas, 25 Pf. Th. A. Hoffmann, Kater Murr, 90 Pf. Gottfried
Keller, die 3 gerechten Kammacher, 80 Pf. Heinrich Seidel, der Rosen-
könig, 40 Pf. Calderon, der Richter von Zalamea, ffir die deutsche
Bflhne übersetzt von A. Wilbrandt 30 Pf.
Deutsche Literatur. Die erhöhte Pflege, welche unserer Mutter-
sprache und unserer schönen Literatur zunächst in der Schule, aber
auch in weiteren Kreisen der Gebildeten zuteil wird, hat in den letzten
Jahren eine solche Fülle von neuen Ausgaben und Erläuterungen
deutscher Literatur werke hervorgerufen, daß ihre Besprechung im
einzelnen den knappen Raum unserer Zeitschrift weit übersteigen würde.
So müssen wir uns begnügen, in aller Kürze auf die neuesten Er-
scheinungen, die uns zur Einsicht vorliegen, hinzuweisen, indem wir
es dem Leser überlassen, da, wo dasselbe Werk in verschiedenen
Sammlungen wiederkehrt, sich je nach Bedürfnis für die eine oder andere
Ausgabe zu entscheiden, deren jede ihre besonderen Vorzüge hat.
L Graesers Schulausgaben klassischer Werke, bei
B. G. Teubner in Leipzig, Preis 50 Pf. jedes Heft kartoniert.
Dem Titel entsprechend sind auch Homer, Shakespeare und Mo-
liöre in deutscher Übertragung in den Kreis der Bearbeitung herein-
gezogen. Die Ausgaben sind durchweg für das Bedürfnis der Schule
bestimmt Die jedem Werk vorausgeschickte, knapp gehaltene Ein-
leitung gibt die nötige Auskunft über Entstehung des Werkes, Stoff
und Art der Behandlung; am Schluß des Ganzen werden einzelne
Stellen durch Anmerkungen erläutert; Fußnoten sind vermieden. Die
Sammlung ist 1883 begonnen worden und umfaßt jetzt 68 Hefte, die
bereits in über 500000 Exemplaren verbreitet sind. Zu den früher
erschienenen sind neuestens getreten:
Goethes Iphigenie auf Tauris (Heft 1) von Dr. A. Lichtenheld.
Schillers Jungfrau von Orleans (Heft 7) von Hans Kny. Shakespeares
Macbeth (Heft 15) von Dr. V. Langhans. (Obersetzung von Dorothea
Tieck.) Lessings Emilia Galotti (Heft 16) von Prof. A. Rebhann.
Korretpondensblatt 1906, Heft 8 «. 9.
346 Literariflclier Bericlit.
Goethes Egmont (Heft 29) von Prof. L. Blume. Schillers Wallensteio
(Heft 80/31) von Dr. E. Kastle. Shakespeares Hamlet (Heft 50) von
Dr. V. Weilen (Text nach Schlegel, mifc neueren Berichtigungen).
Die Bearbeiter der genannten Hefte sind sämtlich österreichische
Kollegen.
IL Erst 1903 ins Leben getreten ist ein zweites Unternehmen,
gleichfalls im Verlag von B. G. Teubner, Leipzig und Berlin:
Deutsche Schulausgaben, herausgegeben von Direktor Dr.
Gaudig und Dr. G, Frick. Kartoniert 40 — 50 Pf., in hübschem Leio-
wandband 60 — 75 Pf. Die Ausgaben bieten in großem, schönem
Druck zunächst den Text des Stücks für Schulgebrauch und Selbst-
unterricht mit kurzen Fußnoten; ein Anhang gibt in tabellarischer
Form das Wichtigste über das Leben und die Werke des Dichters,
nötigenfalls auch über den geschichtlichen Hintergrund der Dichtung.
Ein „Durchblick*' faßt zusammen, was über den Aufbau des Kunst-
werks und über die bedeutsamsten Anschauungen und Begriffe zu
wissen notwendig ist Bis jetzt liegen uns vor:
1. Schiller, Wallenstein I und IL Kartoniert zusammen 80 Pf.,
gebunden 1.20 Mk., von Dr. G. Frick. In diesen Bändchen ist die
Zeittafel zu Schillers Leben und weiterhin zur Geschichte Wallensteins
gegeben. 2. Schiller, Wilhelm Teil, von Dr. H. Gaudig. 3. Lessing,
Minna von Barnhelm, von Dr. G. Frick. 4. Goethes Gedichte in Aus-
wahl, von Dr. G. Frick. Kartoniert 60 Pf., gebunden 75 Pf. (A. Natur-
leben. B. Menschenleben. C. Dichtkunst und Dichter; im ganzen
82 Gedichte. Der Anhang enthält u. a. eine Reihe Gedichte anderer
Verfasser, bzw. Volkslieder, welche zu Goetheschen Gedichten in ver-
gleichende Beziehung gesetzt werden können.)
Wenn die bisher erwähnten Ausgaben in erster Linie für die Hand
des Schülers bestimmt sind, so bietet sich dagegen das folgende
Buch dem Lehrer an als gründlicher und zuverlässiger Wegweiser
durch die klassischen Schuldramen.
III. Der gemeinsame Titel des groß angelegten Werkes lautet: „Aus
deutschen L es ebü ehern.'' Epische, lyrische und dramatische
Dichtungen, erläutert für die Oberklassen der höheren Schulen und
für das deutsche Haus. Das Unternehmen ist von Frick begonnen
und die Fortsetzung nach seinem Tod vom Verleger (Theodor Hof-
mann, Leipzig und Berlin) an Dr. Gaudig übertragen worden. Der
uns in 8. Auflage vorliegende V. Band (1904) enthält auf 524 Seiten
groß Oktav einen überaus gründlichen, auch mit wertvollen didaktischen
Winken ausgestatteten Kommentar zu Maria Stuart, Jungfrau
von Orleans, Braut von Messina, Wilhelm Teil, Demetrius.
Der Lehrer, der sich die Mühe nimmt, diesen Kommentar durchzuar-
beiten und durchzudenken, findet hier die reichste Belehrung über
alle geschichtlichen und ästhetischen Frngen, welche sich an die ge-
L
Literarischer Bericht. 347
nannten Dramen knüpfen. — In diesem Zusammenhang dürfen wir auch
auf ein eben erschienenes Heft (Karlsruhe, Friedrich Gutsch. Preis 60 Pf.)
hinweisen, in welchem £. von Sallwürk die wichtigsten Quellen zu-
sammengestellt hat, deren sich Schiller .ftbr seinen Teil nachweislich
bedient hat. Es sind dies in erster Linie natürlich Tschudis Chronicon
(S. 9—32), Etterlins Eronika (S. 37-42) und J. von Müller (S. 47—51).
IV. Für Schillers Wallenstein besitzen wir aus dem Verlag von
Heinrich Bredt in Leipzig („Die deutschen Klassiker, erläutert und
gewürdigt für höhere Lehranstalten, sowie zum Selbststudium'') den
großen Kommentar von M. Evers in 3 Teilen. Der 2. Teil, welcher
zunächst die Erklärung des Prologs enthält und dann aufs genaueste
den Gang der Handlung durch alle 3 Stücke, sowie den dramatischen
Aufbau klarlegt, ist 1904 bereits in 3. Autlage erschienen.
Y. Aus dem Verlag von Ferdinand Schöningh in Paderborn
sind 1904 neu erschienen an Ausgaben deutscher Klassiker:
1. Lessing, Über die Fabel und Literaturbriefe, mit ausführlichen
Erläuterungen (Fußnoten) für den Schulgebrauch und das Privatstudium,
vom K. Seminarlehrer Lütteken, in graue Leinwand gebunden 1.50 Mk.
2. Grillparzer, Das goldene Vließ. Mit einem Bildnis des Dichters,
von Dr. Crohn. Gebunden 1.60 Mk. — Der Anhang bietet u. a. 49 Auf-
satzthemata über die drei Stücke „Gastfrennd'', „Argonauten'' und
„Medea".
3. Dichter des 19. Jahrhunderts von Seminarlehrer Weicken.
Gebunden 1.80 Mk. Es sind lyrische und epische Dichtungen aus der
Zeit nach Goethes Tode, von Hoffmann von Fallersleben bis auf Avenarius
und Fritz Lienhard, mit kurzen biographischen Einleitungen.
Von Ausgaben ausländischer Klassiker desselben Verlags
liegt uns als neueste Bearbeitung vor:
Shakespeares Richard IL von Prof. Dr. Wamke. Gebunden
1.20 Mk. Die Einleitung bietet das Wissenswerte über die Historien
Shakespeares, die Quelle des Dichters und die Personen des Stücks
in der Geschichte. Der Text (in der Schlegelschen Übersetzung) ist
darch Fußnoten erläutert; der Anhang läßt in der Form von Fragen
und Antworten noch einmal die einzelnen Scenen und das Drama im
ganzen am Leser vorüberziehen.
VI. Noch verzeichnen wir von den Ästhetischen Erläuterungen
für Schule und Haus, die unter Leitung von Prof. Dr. Lyon zu
deutschen Dichtern des 19. Jahrhunderts im Verlag von
B. G. Teubner erscheinen, die neuesten Hefte zum Preis von je 50 Pf.
broschiert :
1. Zu C. Ferd. Meyers Jürg Jenatsch, von Prof. Dr. Sahr.
2. Zu Grillparzers Ahnfrau, von Geh. Regierungsrat Matthias.
3. Zu Sudermanns Heimat, von Prof. Dr. Boetticher.
4. Zu Ferd. Avenarius als Dichter, von Dr. G. Heine.
^4d Literarischer Bericht.
VII. Endlich erwähnen wir noch zwei Leitfäden der deutschen
Literatur, Yon österreichischen Kollegen verfaßt, die in erster Linie
die Bedürfnisse der österreichischen Schulen im Auge haben:
1. Die Hauptwerke der deutschen Literatur im Zu-
sammenhang mit ihrer Gattung erläutert von Prof. Dr. Nagel
(dem Verfasser der „Maturitätsfragen«), 2 Mk. 1904. Wien und Leip-
zig, Franz Deuticke. Die Lyrik wird sehr kurz behandelt, ausführlich
die epische Dichtung und der Roman, sowie die Bühnendichtung bis
auf Grillparzer und Hebbel.
2. Geschichte der deutschen Nationalliteratur, zum
Gebrauch an österreichischen Schulen und zum Selbstunterricht bear-
beitet von Paul Strzemcha, Direktor der deutschen Landesoberreal-
schule in Brunn. 1904. Wien und Leipzig, Franz Deuticke. Gebunden
2.10 Mk. Das Buch hat bereits die 7. Auflage erlebt und behandelt,
nach Perioden geordnet, die wichtigsten Werke von der ältesten Zeit
bis auf die Gegenwart. Daß hierbei die österrdchischen Dichter nicht
zu kurz kommen, ist natürlich. Der letzte Paragraph ist den dichten-
den Frauen gewidmet, unter denen als jüngste die Ungarin Marie
Eugenie delle Grazie aufgeführt ist, die Verfasserin von „Schlagende
Wetter^. Bei allen bedeutenderen Werken sind Inhaltsangaben beigefügt
Stuttgart. H. Planck.
Kühnemann, Eugen, Rektor der K. Akademie Posen, Prof. Dr.,
Schiller. Xn n. 614 Seiten. 8^ geb. 6.50 Mk. München,
0. H. Beck (Oskar Beck).
Wenn der Verfasser sein Werk einfach „Schiller" betitelt, so hat
dies die besondere Bedeutung, daß seine Endabsicht daraufgeht, Schillers
Genius und Persönlichkeit zu zeichnen oder vielmehr zu bestimmen, begriff-
lich zu fassen. Zu diesem Zwecke wird allerdings das Material von
Schillers Leben und Wirken im ganzen Umfang herangezogen, in
erster Linie die Dramatik. Es ist aber damit die Meinung des Ver-
fassers und das Wesen dieses Buches noch nicht erschöpft : Kühnemann
will auch Schiller wieder „lebig machen", und zwar ihn nicht bloß
lebendig vor uns hinstellen, sondern ihn zugleich für die Gegenwart
unmittelbar wirksam werden lassen. Ich möchte sagen: Eühnemanns
Werk hat nicht nur historischen, sondern auch dogmatischen Charakter.
Aus Schiller schöpfend trägt der Verfasser, Kantianer, uns seine Lebens-
anschauung vor, eine solche, mit welcher wir Menschen von heute aus-
kommen sollen ; wobei wir eben die Beruhigung gewinnen, daß wir uns
nicht auf Tagesmeinung, eine ephemere Philosophie stellen, sondern
uns gerade anschließen an die besten Ergebnisse neuerer deutscher
Geistesgeschichte, daß wir auf zuverlässigem historischem Grund und
Boden stehen. Dabei, wie bei Schiller selbst, so bei dessen Interpreten
. Literariseher Bericht. 349
keine Verknöchernng, kein eisernes Band, sondern nur ein Rahmen
aus organischem Gebild, dehnbar, fernerer Entwicklung Raum lassend,
ja geradezu auf eine solche berechnet, das Ganze zukunftskräftig und
zukunftsfreudig.
Ein solches Buch ist namentlich für uns Erzieher und Lehrer wie
gemacht, falls es diesen seinen Intentionen entspricht; und es entspricht
ihnen wirklich. Wir bekommen hier also nebenbei eine vollständige
Schillerbiographie, eine Darstellung der Entwicklung und der Werke
Schillers nach allen Seiten. Ganz im Vordergrund stehen die Dramen,
mit Recht; denn, wenn Schiller so hervorragt, wie es der Fall, so ver-
dankt er dies seinen Dramen. Im ersten Teil dominieren „die Räuber^,
im zweiten der „Wallenstein", auch hier billigerweise; denn hier und
dort kann keines der Schauspiele aufkommen neben diesen beiden, die
erst allen übrigen Licht und Glanz verleihen. So berührt schon diese
bestimmte Ordnung des reichen Stoffs, diese sichere Führung durch
die Räume und Zeiten Schillerschen Schaffens und Schillerscher Her-
.vorbringungen äußerst wohltuend. Aber, wie nun das Werk eigent-
lich darin gipfelt, daß es vop dem Kern Schillerscher Persönlichkeit
und Genialität, nämlich von seiner mit höchstem — wenn die Synthesis
erlaubt — realistischem „Willensidealismus*', nicht „Traumidealismus",
verbundenen gi'oßartigen, über dem Ideenreichtum oft nicht mehr ge-
sehenen dramatischen Gestaltungskraft, die aus sich begriffen, nicht mit
leeren, vagen ästhetischen Kriterien, vollends nicht mit problematisch
modernen naturalistischen Maßen, solchen Eintagsfliegen, gemessen wer-
den wiU, uns einen Begriff zu geben sucht, — wie dieses zutrifft, so
ist bei diesem größeren Zuge des ganzen Werks auch schon die Ana-
lyse der Dramen an sich nicht die gewöhnliche und herkömmliche ; sie
verläßt die ausgefahrenen philologischen und technischen Geleise, und
wir bekommen wirklich im großen und im kleinen überall Neues zu
hören. Kühnemann, jedem, der sich mit Schiller, Kant, Herder schon
beschäftigt hat, kein Unbekannter, ist philosophischer Literator; die
Heranziehung des philosophischen Elements ist aber in jedem Sinn, ob
wir's allgemeiner oder spezieller nehmen, gerade bei dem Dichterphilo-
sophen Schiller nicht bloß erwünscht, sondern unbedingtes Erfordernis.
Schiller ist kein naiver Dichter, der uns ä la Bartels ein „Bild vom
Leben*' geben will; ja freilich ein Bild vom Leben, aber nicht ein
solches von Zufälligkeiten und Abnormitäten, sondern ein derartiges,
daß durch all das Gewebe von einzelnen, detaillierten Lebensmomenten
die großen und notwendigen Formen der natürlichen und sittlichen
Welt- und Lebensordnung greifbar und ergreifend hin durchleuchten.
So wie Schiller in der Betrachtung der Dinge nirgends stehen
bleibt beim Zufälligen und Vergänglichen, sondern das Notwendige und
Ewige sucht, die platonische Idee, den festen Typ, der bleibt, wenn
schon alles im Flusse ist, so ist dasselbe bei seiner Darstellung der
350 Literarischer Bericht.
Fall, und wir ergründen sie erst vollkommen, wenn wir diese bestim-
menden Linien herausarbeiten. Aber wir werden dem Dichter freilich
erat wirklich gerecht, wenn wir auch auf seine quellende schöpferische
Phantasie achten, die es ihm möglich macht, die Wirklichkeit, inner-
halb deren allein jene Gesetze gegeben sind, nachzubilden und täuschend
sie uns auf den Brettern vorzuführen. Und auch hier Schiller im rech-
ten und vollen Licht zu zeigen, ist Verfasser nicht minder befähigt,
bei welchem sich mit der philosophischen Kritik die künstlerische,
kunstsinnige Art aufs glücklichste verknüpft. In den vier Jugend-
dramen bildet nach Kühnemann mehr oder weniger das politische und
philosophische Bekenntnis des Dichters den Gegenstand und eigentlichen
Inhalt, dem er sein künstlerisches Gestalten leiht. Im Räuber Moor,
der den des FamiliengefUhls baren Bruder neben sich hat, wandert die
Sataasgestalt aus dem Epos bei Milton und Klopstock durchs Drama zur
Lyrik in den Helden Byrons. Doch nicht eigentlich Karl, sondern die
Gottheit selber ist der handelnde und siegende Held des Stückes, in
welchem an der sittlichen Weltordnung der Räuber scheitert, der,
zur Verzweiflung getrieben, nun meinerseits den Weltenrichter
spielen will, in der Wahl der Mittel fehlgreifend und die Grenzen
des Menschlichen überschreitend. In den „Räubern*^ schöpft der welt-
unkundige Dichter, der seine Wel tun kundigkeit freilich auch sehr er-
härtet, noch ganz aus der eigenen staunenswerten Fülle, der Jüngling
bereits darstellend mit der Technik des gewiegten Dramatikers und
auch Theatralikers; im „Fiesko" greift er zur Geschichte und nimmt
aus der Zeit. Die Losung der Zeit ist republikanische Freiheit; und
so entsteht „ein republikanisches Trauerspiel^. Indem der Dichter der
Menschheit zur Zeit und zur Geschichte sich wendet, gibt er sich selbst
nicht auf; denn in der Geschichte lebt sich die Menschheit aus. Doch
ist der „Fiesko*' zu abstrakt, die einzelnen Figuren sind zu sehr hier
Schulbeispiele von Begriffen. Die fortgeschrittene Technik, die immer-
hin der „Fiesko^ zeigt, verbindet sich mit dem Leben der „Räuber^
in ^,Kabale und Liebe''. Hier interessiert bei Kühnemann namentlich
die bis ins einzelne verfolgte Parallele mit „Emilia Galotti'^' und die
ausgeführte Gegenüberstellung des großen Kunstverstandes des vor-
klassischen Tragikers bei geringerer Gestaltungskraft einerseits und der
Schillerschen künstlerischen und ästhetischen Unreife bei enormem dra-
matischem Können andererseits, das es hier Schiller ermöglicht, den
Lehrer oder Hörer über so viel Unwahrscheinliches hinwegzutäuschen.
„Don Carlos*^, wieder an die Geschichte anschliessend, bereits den
Gegner nicht mehr karikierend, sondern mit Würde behandelnd, doch
„das Lied vom Königssohn, der ein wahrer Mensch sein wird*', noch
immer weniger künstlerisches Gestalten der objektiven Welt, als sub-
jektiver Erguß, „Predigt^, noch jünglingshaft, aber ebendarin auch die
wahre Menschheit bietend, die ihre Seele entfaltet gegen alle Erstarrung.
Literariflober Bericht 361
Mit dem „Wallenstein*' gewinnt Schiller seinen eij^enen tragischen Stil,
Ton jetst ab jenes subjektive Verfahren yerlassend, nur noch, wie ge-
sagt, im künstlerischen Gestalten der Wirklichkeit begriffen. Die an-
tike Schicksalsidee wird umgeschmiedet in die unerbittliche Notwendig-
keit der Lebenszusammenhänge und der strengen Ordnung der sitt-
lichen Ideen; die Götter der Alten sind ausgeschaltet. Im Unterschied
von der Shakespeareschen Individualisierung bei Schiller nun die tiberall
hervortretende allgemeine Gesetzlichkeit; gegenüber Shakespeares ge-
nialer Fülle bei Schiller diese überlegene Kunst der Konzentration.
Zum Besten bei der Behandlung des „Wallenstein^ scheint uns die
Ausführung dieses Gedankens zu zählen, wie sich mit wahrhafter Or-
donnanz nicht bloß die ganze weitschichtige Handlung um den einen
bewegt, sondern auch alle Figuren, Realisten und Idealisten, um ihn
sich stellen, sein Wesen je besonders widerstrahlend. Vorzüglich sind
die Erörterungen über die Idealisten im Drama Max und Thekla, und
eben auch über ihre Beziehung zu Wallenstein. Auch sie, und sie erst
recht, sind seine Geschöpfe, leibliche Tochter und geistiger Sohn; hier
wird der Held, im Glauben der Liebe, „in seiner Wesenheit aufgefaßt,
wie das reine Herz ihn glaubt*^. „Er wird auch er selbst erst ganz
durch sie. Das Herz kommt hinzu, von dem wir bis dahin wenig ge-
merkt.^ Und wenn der Dichter, um ein volles Bild vom Leben zu
geben, neben die Bealisten diese Idealisten stellt, die doch auch zum
Ganzen gehören, dies Idyll bietet, hineingestellt in die rauhe Kriegs-
zeit mit ihrem harten Egoismus, so zeigt er uns, als echter Realist, in
Verbindung mit dem Idyll sofort „die häßliche Wirklichkeit der Dinge^,
wenn „die Unschuldigen mit Glück und Leben zahlen für die Schuld
der Väter^. So, mit der feinen Kunst des philosophischen und ästhe-
tischen Erklärers, führt uns der Verfasser die Dramen der Reifezeit
vor, unerschöpflich in Aufstellung neuer fruchtbarer Gesichtspunkte,
die weiter hier zu verfolgen der Raum verbietet: ,Maria Stuart', das
„Gedicht vom Tode'*, diese „tragische Satire^, ,die Jungfrau von Or-
leans' mit dem „rechten Sonntagskind^', das am ewigen Alltagsleben
zugrunde gehen muß, diese „tragische Elegie'^, endlich den „TelF, dies
„dramatische Idyll'', Schillers „Märchendichtung" unter den Dramen,
mit dem Tyrannen Geßler, dem „rechten Märchenkönig", wo der Dichter
mit dem naiven Stoffe in echt volkstümlicher Poesie, die das Volk und
seinen Helden malt, beide gleich groß, die tiefste politische und histo-
rische Wahrheit und Weisheit offenbart. Dazwischen hinein die „Braut^,
als Werk rein tragischen Stils neben „Wallenstein" sich stellend. Beller-
manns Schillerdramen sind gewiß schätzenswert, und die neueste Auf-
lage wird noch besonders gerühmt ; das Kühnemannsche Buch hat aber nicht
bloß mehr Ausdehnung, über den gesamten Schiller, sondern entschie-
den auch eine ganz andere begriffliche und geistige Intensität. Von
Harnack und Berger unterscheidet es sich eben schon durch den
352 Litertrischer Bericht.
philosophischen Charakter, in biographischer Fülle und Rundung natfir-
lich hinter Berger zurücktretend; wiewohl auch die biographischen
Partien ganz prächtig zu lesen sind. Neben den führenden Motiven
verleiht viel geistvolles Beiwerk im kleinen, von tiefer psychologischer
Kunde zeugend, dem Werk einen besonderen Reiz.
Die Sprache ist eine volkstümliche, wenn sie auch, dem Gehalte ent-
sprechend, einige Anforderungen an die Übung des Lesers stellt. Jeden-
falls liest sich das Buch um vieles leichter als Kühnemanns ^^Herder*' (1895),
dessen teilweise Schwierigkeit eben auch mit dem schwierigen Herder-
schen Stoffe zusammenhängt; von der Not einer befriedigenden Herderdar-
stellung weiß wohl schon jeder Lehrer der Literatur zu erzählen.
Manche auch hier bei „Schiller" sich findenden Knappheiten des Stils,
die eine oder andere Wiederholung oder Unrichtigkeit im Druck —
sicher nur wenige — können in einer zweiten oder vielmehr dritten und
vierten Auflage — denn es sind sofort zwei Auflagen erschienen —
beseitigt werden. Dem Werk vorangestellt ist eine wohlgelungene
Wiedergabe der Schillerbüste von Dannecker in Kupferdruck. Druck,
Papier und Einband des Werks sind von dem Beckschen Verlag, der
ja auch Bergers Schillerbuch ausgehen läßt, vornehm dargeboten. Wir
können das Studium des Kühnemannschen Schillerbuchs, zugleich an
des Verfassers „Schillers philosophische Schriften und Gedichte", Leipzig,
Dürr, 1902, auch in diesen Blättern seinerzeit besprochen, erinnernd,
jedem Lehrer, jedem Schillerfreund und Schillerhasser nur angelegent-
lichst empfehlen, dieses Buchs, das den „Schiller für Männer" zeigen
will, und bei welchem es sich wieder einmal bewährt, wie die Großen
der Geschichte, wenn das legendarische Bild aufgelöst wird, nicht ver-
lieren, sondern gewinnen.
Ulm. Baumeister.
W a c h t e r ; Rektor Dr.; Das Wichtigste der organischen Chemie.
51 Seiten. Preis 1 Mk.^ München, Oldenbourg^ 1900.
Die organische Chemie wird auf den Mittelschulen sich stets mit
einem kleinen, ausgewählten Stoffe zu beschäftigen haben. Während
bei uns in Württemberg die Auswahl dem Belieben des Lehrers an-
heimgestellt ist, existieren in Bayern engere Vorschriften, an die sich
der vorliegende Leitfaden anschließt; derselbe ist bestimmt für die
Hand des Schülers und für Studierende der Chemie.
Das Gebotene ist übersichtlich, kurz und doch klar dargestellt
Nach Voranstellung einer kleinen Tabelle der Paraffine und ihrer
Substitutionsprodukte folgt eine kurze Behandlung derselben, welche
das Wesentliche trefflich hervorhebt. Bei der Beschreibung der Kohlen-
hydrate sind, dem neuesten Standpunkte entsprechend, die Zuckerarten
mit ihren Strukturformeln aufgeführt. Die Beschreibung der Eiweiß-
Literarischer Bericht. 353
körper, der Fette, die Herstellnng von Wein, Bier, Essig, Spiritus, der
Seifen und Farbstoffe, welche zusammen über die Hälfte des Buches
einnehmen, zeigen, daß es dem Verfasser, einem auf dem Gebiete der
Chemie erfahrenen Schulmanne, daran lag, das im Leben dem Schüler
am nächsten Liegende zu erläutern und ihm die Augen zu öffnen über
die wichtigsten chemischen Vorgänge im Haushalt des Menschen.
Das Werkehen dürfte sich nach dem Gesagten auch für unsere
württembergischen Schulen eignen.
Bei einer neuen Auflage könnten folgende Wünsche des Beferenten
berücksichtigt werden.
Statt ungesättigte Kohlenstoffverhindnngen sind solche, bei denen
der Kohlenstoff scheinbar nicht vierwertig ist, dürfte es heißen: „sind
solche, bei denen die Kohlenstoffatome mit zwei oder mehr Valenzen
unter sich verbunden sind.
Auf der Tabelle S. 5 dürfte eine Bemerkung C„ H^+ 1 = Alkyl =
Alkoholradikal angegeben werden ; damit würden die Ausdrücke „resp."
S. 10 fallen können. S. 6 statt Ca Cl (OCl) -f x Ca (OH), die übliche
Form : Ca (CIO), + Ca Cl,.
S. 8 sollte die gegenwärtig massenhafte Verwendung des Cjankalis
in der Galvanoplastik und der Metallurgie des Goldes angeführt sein.
Unter Isomerie fehlt die Metamerie.
S. 17 „Traubenzucker, farblose resp. weiße Masse aus Alkohol,
löslich in Wasser" scheint ein Druckfehler zu sein.
S. 17 sollte die alkalische Kupferlösung mit Rücksicht auf S. 18
auch als Fehlingsche Lösung bezeichnet sein. S. 20 sollte es heißen:
„die Schießbaumwolle verbrennt, in der Luft angezündet, rauchlos und
ohne Asdienrückstand. S. 22 statt Eiweiß „Milchalbumin". Als wesent-
licher Bestandteil fehlt Phosphorsaure Salze, die doch für die Knochen-
bildnng des Säuglings wichtig sind. S. 24 „die Hefesporen haften an
den Hülsen der Traube'' wäre besser als teilen sich mit.
S. 24 ist angegeben, daß jeder Wein nach der Gärung mit Hause-
blase geschönt und mit einem Heber abgelassen werden muß; dies ist
ein Irrtum (vgl. Kessler, Der Wein und seine Behandlung). S. 80
sollte das essigsaure Aluminium nicht fehlen, welches in der Arznei-
kunde das Goulardsche Wasser beinahe ganz verdrängt hat. Da ein
chemisches Buch durch Angabe der medizinischen Verwendungen nur
gewinnen kann und der Verfasser im Vorwort seines Buches auch
Mediziner und Pharmazeuten als Studierende ins Auge faßt, so möchte
der Referent ihm den Kommentar der Pharmacopoe von Hager empfehlen.
S. 34 statt Raseneisenstein würde es besser heißen Eisenfeile oder
ein Oxjd des Eisens.
S. 41 dürfte mit Rücksicht auf die Neutürkischrotfärberei neben
öl anch sulfoniertes Öl angeführt sein. Was die Behandlung der
Farbstoffe anlangt, so hätte der Referent es für besser gehalten, sie
364 Literarischer Bericht
nach dem Gesichtspunkte ihrer praktischen Verwendang in basische,
schwachsaure, saure Farbstoffe und Benzidinfarbstoffe einzuteilen und
das Verhalten dieser vier Gruppen gegen Pflanzen- und Tierfasem
anzugeben, damit so Experimente für das Färben von Baumwolle,
Wolle und Seide angedeutet worden wären, anstatt ihre komplizierten
Strukturformeln aufzuzählen und zu erläutern. Die gewünschte Ein-
teilung selbst wird ja in den Farbverzeichnissen aller Farbfabriken
eingehalten und bei Färb versuchen, welche an dieser Stelle im Unter-
richt vorgeführt werden sollten, ist sie von ausschlaggebender Bedeutung.
Cannstatt. Buoss.
F. von Hemmelmayer nnd Dr. Brunner, Lehrbuch der
Chemie und Mineralogie. Für die vierte Klasse der Real-
schulen. 182 S. Geb. 2,40 Mk. Prag und Wien, Tempsky, 1900.
Das Buch scheint für österreichische Realschulen bestimmt und
den betreffenden Lehrplänen angepasst zu sein. Die zwei ersten Ab-
schnitte führen, vom Einfachen zum Zusammengesetzten fortschreitend,
in die Formen künstlicher Kristalle und die Chemie ein. Die Ver-
bindungen von C, Mg, Zn, Na, Pb, Hg, mit 0, S, Cl werden experi-
mentell vorgeführt, ebenso die Zusammensetzung des Wassers und der
Salzsäure. Nun erst kommt die Theorie der Moleküle, Atome, Valenzen
und die chemischen Formeln, wobei die Gewichts- und Volumverhält-
nisse obiger Verbindungen zugrunde gelegt werden. Der nun folgende
systematische Teil der Chemie, von Seite 46 an, beginnt mit Wasser-
stoff und schließt mit den Metallen ab, denen noch ein kurzer Anhang
der organischen Chemie folgt. Die Mineralogie (von Leitenberger be-
arbeitet) ist in der Art mit der Chemie verflochten, daß der Beschrei-
bung von jedem Element eine solche über sein Vorkommen im Mineral-
reich und seine Kristallform (aber ohne Weißsche oder Naumannsche
Bezeichnung) vorangeht.
Die zwei ersten Abschnitte sind nach methodischen Grundsätzen
abgüfasst, es sind anfangs hier sogar chemische Ausdrücke wie Metall-
oxyde durch Metallkalke, z. B. Quecksilberkalk, ersetzt. Die Darstellung
ist klar und erfüllt im systematischen Teil alle Anforderungen eines
Schulbuches vom vorliegenden Umfang. In der organischen Chemie
muß die passende Auswahl, welche getroffen wurde, anerkennend her-
vorgehoben werden.
Cannstatt. R u o s s.
K. A. Zittel; Geschichte der Geologie und PalKontologie bis
Ende des 19« Jahrhunderts, München und Leipzig, 1899.
In dem groß angelegten Werke sind für die Entwicklung der geo-
logischen Erkenntnis vier Perioden unterschieden:
Literarischer Bericht. 356
1. das geologische Wissen des Altertums;
2. die Anfänge der Versteinerungskande bis Buffon;
8. das heroische Zeitalter der Geologie 1790—1820 (Werner, ▼. Buch,
Humboldt, Guvier n. A.);
4. die neuere Entwicklung der Geologie wird in einzelnen Kapiteln
abgehandelt: Eosmische, physiogpraphische, dynamische, topogpraphische
Geologie, Formationslehre, Gesteins- und Versteinerungskunde.
Mit Spannung verfolgt der Geologe die Entwicklung seiner Wissen-
schaft, die manchmal auf verschlungenen Wegen zur Erkenntnis der Wahr-
heit führte. Den einzelnen Abschnitten sind in dankenswerter Vollständig-
keit Literaturnachweise, biographische Notizen über hervorragende Geo-
logen in Fußnoten angefügt, v. Alberti und Quenstedt werden als ,,die
Begründer der schwäbischen Geologie" bezeichnet, die „ grundlegenden^
und „klassischen'' Werke des ersteren über die Trias nach Verdienst
gewürdigt „Quenstedts Beispiel zeigt, was ein einzelner genialer Mann mit
den bescheidensten äußeren Mitteln zu leisten vermag." Die Verdienste
seiner Schüler 0. Fraas und Oppel werden gebührend hervorgehoben.
Die Arbeiten H. Ecks über die Erforschung des Schwarzwalds sind
rühmend angeführt; doch vermissen wir den Hinweis auf die von ihm
durchgeführte Gliederung des Rotliegenden und des Buntsandsteins,
sowie auf den von ihm geführten Beweis, daß der Zechstein am Öst-
lichen Rande des Schwarzwaldes fehlt. Ein Autorenverzeichnis mit bei-
gesetzten Seitenzahlen ermöglicht es, ein Bild von der Gesamttätigkeit
des einzelnen Geologen zu gewinnen. Bei der fast unübersehbaren
Menge der geologischen Arbeiten aus den letzten Jahrzehnten kann
man nicht erwarten, sämtliche Spezialarbeiten erwähnt zu finden. Mit
der nüchternen Notiz, daß das oberschwäbische Diluvium von Bach,
Stendel und Penck untersucht worden sei, kann sich aber der Schwabe
nicht zufrieden geben. Die schwäbische Geologie besitzt einen voll-
ständigen Literaturnachweis von H. Eck, veröffentlicht bis 1900 in den
Mitteilungen der badischen geologischen Landesanstalt und weiterge-
führt durch Schutze als Beilage zu den Jahresheften des vat. nat.
Vereins. Die angehäuften Schätze warten auf den Geschichtsschreiber.
Stuttgart. F. Haag.
Ahrens, Seherz und Ernst in der Mathematik, geflügelte und
ungeflUgelte Worte. Leipzig, Teubner, 1904.
Ein sehr interessantes Buch, aus dessen Titel freilich nicht leicht
in ganz zutreffender Weise auf den Inhalt geschlossen werden kann.
Der letztere besteht teils aus Aussprüchen, die von bedeutenden Mathe-
matikern herrühren und ihren Schriften, Vorträgen, Briefen usw. ent-
nommen sind, teils aber aus Urteilen, Notizen, überhaupt Bemerkungen
verschiedener Art, die von sach- oder personenkundiger Seite über
.366 Literarischer Beriebt.
hervorragende Mathematiker gemacht wurden.^) Sachlich besiehen
sich beiderlei „ Worte*' entweder anf die wissenschaftliche Stel-
lung des betreffenden Gelehrten, auf seine Auffassung mathematischer
naturwissenschaftlicher oder allgemeinerer erkenntnis-theoretischer Sätze
und Probleme, oder aber auch auf seine allgemein-menschlichen Eigen-
schaften und Eigentümlichkeiten. Allerdings hat sich der Verfasser nicht
die Aufgabe gestellt, seinen Stoff so zu gestalten, daß aus seiner Zusammen-
stellung ein einigermaßen vollständiges Bild der einzelnen Persönlichkeiten
gewonnen werden konnte. Das würde schon die große Freiheit, um nicht
zu sagen Willkür, der Anordnung trotz des sehr ausführlichen Rasters
schwierig, jedenfalls umständlich machen. Seine Absicht war es viel-
mehr, das von ihm zu seiner eigenen Unterhaltung und Erholung ge-
sammelte Material auch anderen Fachgenossen zugänglich zu machen,
damit es auch diesen „Unterhaltung und Erheiterung in Mußestunden**
gewähre. Dieser Zweck ist jedenfalls vollständig erreicht, wenn auch
der „Scherz** hinter dem „Ernst" naturgemäß sehr zurücktritt, und
Worte, wie das von Fanny Hensel über J acobi (p. 127) [»Was kann der
grob sein! . . . Ich hätte ihn wohl mit Schönlein zusammensehen
mögen, wer da das gröbste Wort behalten hätte"*] oder humoristische
Züge, welche das gänzliche Aufgehen des Mathematikers in seiner
Wissenschaft illustrieren, wie die von Weierstraß (p. 159) und
von Lambert (p. 760) verhältnismäßig selten sind. Jedem Leser
wird es gewiß Freude machen, häufig aber auch in mehr als einer
Beziehung Belehrung bringen, wenn er beim Durchlesen des Buches an
Namen, die für ihn im Laufe der Zeit nahezu identisch geworden sind
mit kurzen Bezeichnungen für die oder jene abstrakten wissenschaftlichen
Wahrheiten, nun auch die mehr oder minder deutliche konkrete Vorstel-
lung menschlicher Persönlichkeiten mit ihren Vorzügen und ihren
Schwächen anzuknüpfen vermag und wenn er damit sozusagen in den
Bekanntenkreis seiner Lieblingsmathematiker eingerückt ist.
Stuttgart. J a e g e r.
M. Kai uz a und G. Thurau, E. Koschwltz, ein Lebensbild.
Berlin, Weidmann, 1904.
Die Verfasser geben einen Abriß vom Leben und ein Bild der
wissenschaftlichen Tätigkeit des verstorbenen Romanisten, d^r in
weiteren Kreisen durch seinen energischen Widerstand gegen die neu-
sprachliche Beformbewegung bekannt geworden ist. Koschwitz erscheint
uns als ein Mann von ungewöhnlicher Rührigkeit und sympathischem
^) Besonders bevorzugt sind in beiderlei Beziehungen Gauß und
J a c o b i , aber auch Jfamen wie die eines Euler, Helmholtz, Kronecker,
Lagrange, Laplace, Legendre, Newton, Poincarö u. a. kehren häufig
wieder.
Liierarischer Bericht 367
Wesen. Es ist von Interesse zu erfahren, daß er selbst mehrere Jahre
im praktischen Schuldienst gestanden ist. Darüber dagegen werden
wir nicht recht klar, wie Koschwitas, der anfangs das Berechtigte an der
Refonnbewegung nicht verkannte, dazu kam, in seiner Zeitschrift für
französischen und englischen Unterricht einen Ton anzuschlagen, der
unseres Erachten» eines wissenschaftlich hervorragenden Mannes nicht
recht wfirdig und nicht um das geringste vornehmer war, als der seiner
Gegner. Persönliche Mißhelligkeiten zu Marburg scheinen den ver-
dienten Gelehrten mehr als gebührend beeinflußt zu haben. Eine so
schwere Anklage, wie sie S. 10 zu lesen ist, „Marburg trägt die Haupt-
schuld an seinem zu frühen Tode" sollte jedenfalls nicht ohne einleuch-
tende Begründung erhoben werden. Man vergleiche Victors Entgeg-
nung in den „Neueren Sprachen^ 1905 XIII 55 ff., aus der man freilich
über die Marburger Angelegenheit auch nicht klug wird.
Stuttgart. J. Miller.
Preller-Mappen des Kimstwarts, München, Georg D. W. C all w ey,
Knnstwartverlag, 1904.
Die hundertste Wiederkehr des Geburtstags Friedrich Prellers
d. A. hat den „Kunstwart" veranlaßt, drei Bildermappen zu billigem
Preise herauszugeben, in denen uns dessen Lebenswerk, die Odyssee-
Landschaften, 16 Blatt, 8 Mk., dann die bisher so gut wie unbekannten
Nordischen Landschaften, 9 Bl. 8 Mk., und seines Sohnes Bilder zur
Ilias, 12 Blatt 2.50 Mk., dargeboten werden. Die letzteren sind für
eine bei Bruckmann in München erschienene Prachtausgabe der Ilias
gezeichnet, die nicht mehr im Handel ist. Um so willkommener ist
ihre neue Reproduktion nach den Originalen in größerem Format. Es
ist gewiß kein Tadel, wenn wir sagen, daß sie an die Odysseebilder
des Vaters „nicht hinkönnen''. Wenn wir sie an diesem Maßstabe
nicht messen, sind es teils liebliche, teils großartige Landschaften, in
denen sich nur die Staffage größtenteils etwas zu vordringlich geltend
maeht, nicht zum Vorteil des eigentlichen Landschaftsbildes. Doch
darf das nicht zu sehr betont werden, da sich die Bilder eben nicht
als Ilias 1 an dschaften, sondern als Bilder zur Ilias einführen.
Anders die Bilder des Vaters Preller. Diese wollen in erster Linie
Landschaften geben, in denen die Scenen aus der Odyssee nur die be-
lebende Staffage bilden. Hier tut sich eine Fülle von Schönheit vor
uns auf, Vorgänge und Landschaften stehen überall in harmonischem
Verhältnis zu einander, und es ist überflüssig, noch ein Wort zu ihrem
Lobe zu sagen. Sie sprechen für sich selbst und sie sprechen zum
Herzen. Leider konnten aus urheberrechtlichen Gründen nicht die
Originale in Weimar der Reproduktion zugrunde gelegt werden. Aber
auch die getreuen Kopien des jüngeren Preller, die dieser als Vorlagen
358 Literanscher Bericht
für die große farbige Reproduktion des Cyklas (München, Fr. Brack-
mann) anfertigte und nach denen die Bilder der vorliegenden Mappe
ausgeführt sind, geben uns eine vorzügliche Vorstellung von dem
herrlichen Werk des Vaters, zu dem man immer mit neuem Genüsse
zurückkehrt Die prächtige Holzschnittausgabe desselben (Leipzig,
Alphons Dürr 1877) behauptet jedoch daneben immer noch ihren selb-
ständigen Wert. Etwas ganz Neues sind für die weitesten Kreise die
Nordischen Landschaften des älteren Preller. Auf dem Titelblatt ist
ein prächtiges Porträt desselben nach Zeichnung seines Sohnes gegeben.
Die Landschaften sind bis auf zwei (Sturm am Vorgebirge von Skude
und Brandung an der skandinavischen Rüste), die nach Ölgemälden
hergestellt sind, einer Mappe entnommen, die von der Witwe des
jüngeren Preller dem Eunstwartsverlag zur Vervielfältigung überlassen
wurde. Auch hier wollen wir nicht auf Einzelnes eingehen, sondern
nur die Leser einladen, sich diese Mappe beizulegen, vor der man fast
ein Bedauern empfindet, daß Prell er nicht auch die nordische Land*
Schaft noch mehr kultiviert hat, für deren Auffassung er ein so vei^
ständnisvolles Auge hatte. Man muß es dem Kunstwart dank wissen,
daß er nun diese Werke durch billige Ausgaben zum Gemeingut Vieler
gemacht hat
Calw. P. Weizsäcker.
Professor Dr. G. Fehleisen^ Sammlung der wichtigsten Be-
stimmungen für die Gelehrten- und Realschulen Würt-
tembergs. Stuttgart, W. Kohlhammer, 1900.
Die vorliegende Sammlung enthält vor allem die Bestimmungen,
die für den Unterrichtsbetrieb an den höheren Schulen Württembergs
maßgebend sind, so die Lehrpläne mit Ergänzungen, den Erlaß über
die Hausaufgaben, die Verfügung über Maturitäts- und Konkursprüfung
und die Berechtigungen der Anstalten. Femer finden wir in der Samm-
lung die Verfügungen betr. Gesundheitspflege und medizinalpolizeiliche
Visitation. Die Sammlung ermöglicht aber nicht nur die Orientierung
über den Schulbetrieb, sondern teilt auch die Bestimmungen mit, durch
welche die Zulassung zum höheren Lehramt (Verfügung betr. die Dienst-
prüfungen für das humanistische und realistische Lehramt) und die
rechtliche Stellung der Lehrer geregelt werden.
Die Benützung des Buchs wird durch die Inhaltsangabe und das
ausführliche alphabetische Register sehr erleichtert.
Die Sammlung der Bestimmungen, die mancherlei Mühe ver-
ursachte, entsprach einem längst empfundenen Bedürfnis und fand da-
her dankbare Aufnahme, um so mehr, da sie sich zur Zeit ihres Er-
scheinens rühmen konnte, keine wichtige Bestimmung weggelassen zu
haben. Nun aber sind inzwischen zahlreiche neue Bestimmungen hin-
Nea erschienene Bücher. — Ankündigungen. 359
zugetreten, die es wünschenswert erscheinen lassen, die Sammlung möge
bald in neuer, ergänzter xVuflage erscheinen, um das praktische Hilfs-
mittel zu bleiben, das sie anfänglich war.
Hall. Wetzel.
Neu erschienene Bücher.
0^* Bai der groBseu Menf^a der ans xugehenden neuen Htererlechen Eracheinnugen
iit es nns unmOglioh, Jede im einzelnen sa besprechen. Die Titel der einUafenden
Bflcher, die wir ausnahmslos der Kohlhammerschen Verlagsbuchhandlung cn fl her-
senden bitten, werden regelmässig im nftchsten Hefte TerOffentlieht ; auf Bttok-
sendung der nicht besprochenen Bttoher kOnnen wir uns aber nicht einlaasen.
Stoll, Alkohol und Kaffee in ihrer Wirkung auf Herzleiden und ner-
vöse Störungen. Leipzig, Verlag Reichs-Medizinal-Anzeiger.
Bökel er, S^ereometrische Aufgaben aus den Reifeprüfungen der
Gymnasialabiturienten. Ravensburg, Verlag von Friedr. Alber.
Klassiker der Kunst in Gesamtausgaben. Stuttgart, Druck und Verlag
Deutsche Verlagsanstalt.
Herders Bilderatlas zur Kunstgeschichte. I. Teil: Altertum und
Mittelalter. Freiburg i. Br., Herdersche Verlagshandlung.
Samberger, Schiller-Bildnis. München, Georg D.W. Callwey, Kunst-
verlag.
(Fortsetzung s. S. 3 des Umschlags.)
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Hieran ist ersrhienen:
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Aus den SchoUen anä andern Qaellen
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Profeuor Dr. H. GeorsU.
vm B. 570 s.
Preii broEchieit 10 Hark.
. Korreferat über die Hausaufgaben
auf der LandesversammluDg des Württembergischen Gymnasiallehrer-
vereins in Stuttgart am 20. Mai 1905.
Von Rektor Mayer-EIßlingen.
Meine Herren ! Ich glanbe, ich kann auf Ihren Beifall rechnen^
wenn ich, um Zeit zu sparen, mit Unterdrückung jeder weiteren
Vorrede sofort an die Begründung meiner Leitsätze gehe.
Satz I.
In den Überbürdungsklagen der Neuzeit ist ein be-
rechtigter Kern.
Damit leugne ich nicht, daß dieser Kern in einer sehr dicken
Schale zu stecken pflegt. Denn die Lage unserer Schüler kann
ich im allgemeinen keineswegs so bejammernswert finden, wie sie
der Öffentlichkeit so oft dargestellt worden ist. Ich muß auf Grund
eigener Erfahrungen, die ich als Lehrer und Rektor, als Vater und
dereinst als Pensionsvater sowie im Verkehr mit verständigen Eltern
in 30 Schuljahren geschöpft habe, in jenen Klagen und Anklagen und
den damit verbundenen Forderungen viel ungerechte Verallgemeine-
rung, viel Übertreibung, viel ungenierte Karrikatur der Wirklichkeit
unseres Schullebens, häufig den Versuch, ftlr Fehler und Mängel der
Schuler die Schule und den Lehrer verantwortlich zu machen, auch
nicht ganz selten das Bestreben sehen, nach Untugenden, verkehrten
Anschauungen und gesellschaftlichen Unsitten des Hauses die Schule zu
modeln. Die kraftlosen Schatten und die blassen Gesichter, die man
speziell gegen das Gymnasium mobil zu machen pflegt, imponieren mir
auch nicht sonderlich, da ich sie schon von den Anmeldungen zur Ele-
mentarschule her zu gut kenne, überdies pflegen sie ihre Heimat
nicht da zu haben, wo harte Arbeit wohnt. Und ich beklage die
ewigen Bemitleidungen unserer Schüler um ihrer selbst willen. Sie
verderben uns unsere jungen Leute, wie ein Kind selten gerät, das
einen strengen Vater, aber eine weichliche Mutter hat.
Aber trotz alldem gebe ich zu, es ist auch ein berechtigter
Kern in diesen Klagen. Lange Zeit ist von dem Publikum auf die
Schule hineingesündigt worden, indem ihr unter dem Protest der
Schulmänner immer neue Aufgaben aufgezwungen worden sind.
Das hat uns eine forcierte Fächerwirtschaft mit ihrer Hast,
mit ihrer Hochspannung auf allen Seiten, mit ihrer einseitigen
Pflege der Vielwisserei gebracht. Jetzt hat offenbar der Wind um-
Korroipond«nsblatt 1906, Heft 10.
362 Mayer,
geschlagen^ jetzt heißt es: Wir brauchen keine Vielwisser; wir
brauchen gesunde, kräftige, tüchtige, deutsche Männer. Dies be-
deutet doch jedenfalls eine Abkehr von einer ungesunden früheren
Richtung und ist als solche erfreulich.
Außerdem bezweifle ich gar nicht, daß es im einzelnen Über-
bürdungen der Schüler derzeit gibt, nicht nur da und dort, bei diesem
und jenem Lehrer und für diesen und jenen Schüler, sondern, zeit-
weise wenigstens, fast überall. Es mag das seinen nächsten Grund
freilich haben in Fehlern, die von selten der betreffenden Lehrer,
trotz Vorschriften, Hausaufgabenschema und redlichstem Willen,
gemacht worden sind und gemacht werden, seinen tieferen Grund
aber hat es in der derzeitigen Organisation unserer Schulen.
Satz II.
DieOrganisation unserer Schulen hat große Schwierig-
keiten, aus denen leicht Überbürdungen der Schüler
im Unterricht und mit Hausaufgaben erwachsen.
Ich finde diese Schwierigkeiten und Überbürdungsgefahren in
unsern vielen Lehrstunden, in unsem vielen Lehrfächern
mit ihrer Eigenart und in der Knappheit der den einzelnen Fächern
zugemessenen Zeit.
1. Unsere Stundenpläne sind mit Lehrstunden überfüllt,
ich meine in Klasse m — Vn. Da sind es mit dem Turnen 34 bis
35 Stunden; in Klasse IV und V zwängt sich noch in etlichen
Wintermonaten, bei uns dreimal von 11 — 12 Uhr der Konfirmanden-
nnterricht herein; mit diesem werden es dann leicht mehr als
35 Stunden. Stenographieunterricht hat man auch zugelassen. In
den Oberklassen kommen noch weitere fakultative Fächer hinzu:
Englisch, Zeichnen — zu beidem sollen die Schüler erst noch er-
muntert werden — Hebräisch und Italienisch. Das gibt häßliche
Stundenpläne. Da ist für den einzelnen Schüler keine Rede mehr
davon, daß ihm zwei Nachmittage wirklich schulfrei bleiben, daß
fünf Vormittagsstunden vermieden werden können. Da gibt es
Schultage mit sieben, ich höre gar mit acht Lehrstunden» Das ist
an sich zu viel, auch haben Hausaufgaben keinen rechten, jedenfalls
keinen fröhlichen Platz mehr.
2. Zu dieser Vielheit der Lehrstunden kommt als Gefahr und
Schwierigkeit die Vielheit der Lehrfächer. Man kann heut-
zutage in der Tat von kaleidoskopischem Fächerbetrieb sprechen.
Es werden im Gymnasium, das Turnen mit eingeschlossen und die
Korreferat über die Haasaufgaben. 3^3
verschiedenen Gebiete der Naturwisflenschaften und der Mathematik
besonders gezählt, im ganzen 26 Fächer, von Klasse IV an neben-
«inander, abgesehen von den fakultativen Fächern, 10 — 13 Fächer,
diese aber eingerechnet bis zu 17 Fächer gleichzeitig nebeneinander
betrieben. Da jagt auf dem Stundenplan und jagt in den Köpfen
der Schüler ein Fach das andere, eine Art geistiger Tätigkeit die
hindere, und da sproßtttppig das ganz besonders üble Unkraut
des Vielerlei der Hausaufgaben.
Von unsern vielen Fächern sind die meisten außerordentlich
stoffreich. Ich erinnere an die weiten Qebiete der Botanik,
Zoologie, Chemie, Physik, Mineralogie, Geographie, Geschichte: die
andern sind unbegrenzter Steigerung in den Anforderungen fähig
— so die mathematischen Wissenschaften und die Sprachen. An-
statt nun, wie sie gedacht sind, zur Einheit sich ohne weiteres zu-
sammenzufinden, als dienende Glieder zum Ganzen der Bildung des
jungen Menschen sicJi zusammenzuschließen, liegt in jedem dieser
Fächer das ni^türliche Verlangen nach dem Recht der Sonder-
existenz : die stoffreichen wollen in dem ganzen Umfang ihres Stoffes
sich vor den Schülern ausbreiten und begehren in ihrer ganzen
Massenhaftigkeit Einlaß in den Köpfen; die geistesgymnastischen
verlangen ein Maß der Fertigkeit und der Sicherheit in der Leistung,
das über die gesunde Möglichkeit hinausgeht.
Zudem werden schließlich alle Fächer wie Pflicht- oder
Zwangsfächer behandelt. Am Schlüsse stehen Zeugnisse und
Prüfungen für Schüler und Lehrer. Darum zieht denn auch hinter
dem Heer der Fächer die Meute der Repetitionen und Explora-
torien her. Und der Schüler soll, ob er will oder nicht, in allen
diesen Fächern etwas leisten. Der weniger gewissenhafte Leicht-
fuß behilft sich; der Gewissenhafte, Ängstliche und Schwerfällige,
der aber darum noch keineswegs der Untüchtige ist, tut schwer.
3. Die dritte Schwierigkeit liegt in der Knappheit der
einzelnen Fächern zugemessenen Zeit, oder in einem
gewissen Mißverhältnis zwischen Unterrichtszielen und zugemessener
Unterrichtszeit.
So scheint mir der Mathematik im Verhältnis zu ihren
derzeitigen Unterrichtszielen diejenige Übungszeit, im Rahmen der
gesetzlichen Hausaufgabenzeit, nicht zur Verfügung gestellt werden
2U können, welche die Mehrzahl der Schüler doch bedürfte.
Wie knapp dem Lateinischen und dem Griechischen
die Zeit zugemessen ist, empfindet jeder Lehrer dieser Fächer. Der
364 Mayer,
Unterricht hat etwas Hastiges angenommen^ und die Schüler er-
langen nicht mehr die nötige Sicherkeit. Gestatten Sie, daß ich.
ein Streiflicht geschichtlicher Betrachtung im VorUbereilen auf das
Lateinische werfe. Anno 1840 hatte das Lateinische auf der Unter-
und Mittelstufe in Eßlingen 102 Stund en, bis vor 14 Jahren noch
82, heute hat es nur noch 50, und selbst von diesen 50 Stunden macht
die ^U Stundenzeit im Winter, und da und dort, wie ich höre, der
Konfirmandenunterricht noch recht empfindliohe Abstriche. Nun
sind zwar die Anforderungen in der Komposition seither zurück-
gegangen, wiewohl die gegenwärtigen Übungsbücher von Herzog
für anspruchsvoller gelten als z. B. Hoizer und Warschauer waren,,
und die Landexamens-, Maturitäts- und Konkursthemata haben
nicht aufgehört recht kräftige Forderungen zu stellen — jedenfalls
aber werden dieselben Schriftsteller wie dereinst heute noch im
Unter- wie im Obergymnasium gelesen!
Ganz besonders dürftig ausgestattet ist das Französische
in IV und V. In Klasse in begonnen mit 4 Stuitllen wird es in
IV und V fortgesetzt mit 2 Stunden. Wie manchmal fällt von
diesen 2 Stunden erst noch eine aus ! Und Grammatik, Komposition,
Exposition (,,Lektüre im Anschluß an eine Chrestomathie^^ sagt der
Lehrplan) samt den schriftlichen Übungen und deren Besprechung
sollen in dieser Zeit besorgt und die Schüler tüchtig dabei gefor-
dert werden. Dazu soll das Ohr der Schüler durch Sprechübungen
an das fremde Idiom gewöhnt werden. Das ist wiederum zuviel
und für das Gros der Schüler schwer möglich ohne kräftige In-
anspruchnahme ihres Privatfleißes. Dabei ist das so knapp aus-
gestattete Fach in derselben Zeit zum Examensfach, zum Land-
examensfach avanciert.
Kurzum: Unser heutiges Gymnasium „hat zum alten Pensum
der Gelehrtenschule, dem klassischen Unterricht hinzugenommen:
1. den Kursus in den modernen Sprachen und 2. den in den modernen
Wissenschaften (Mathematik und Naturwissenschaften). Es hat so-
mit zu seiner alten Aufgabe eine oder zwei im ganzen und großen
gleich schwere hinzugefügt^' (Berlin. Dez.Konf. 1890). Daher die
große Stundenzahl, daher die vielen Fächer und daher die Enge,
in welcher die wichtigsten Fächer sich befinden, und daher endlich
gar zu leicht Überbürdung auch mit Hausaufgaben.
Wo liegt die Abhilfe? Gegen das Jahr 1840 hin war eine
ähnliche Bedrängnis in unsern Schulen, sie führte zur Ausscheidung
des Realismus, zur Gründung eigener Realschulen. Dann erst
Korreferat über die Hausaufgaben. 355
'konnten die altklassiscben Sclinlen wieder ihres Lebens froh werden.
Eine ähnlich saaber e Ausscheidung und organische Lostrennung
.können wir heute nicht mehr vornehmen. Wir mfissen auf andere
Weise zu helfen suchen.
Satz m.
Dieftc Schwierigkeiten kOnnen zum Teil durch Ver-
besserung der Methode überwunden werden.
1. Unbedingt muß stärker wieder betont werden der Unter-
schied zwischen Haupt- und Nebenfächern. In diesen
„müssen wir uns beschränken, um für die Hauptfächer die Arbeits-
kraft und Arbeitsfreudigkeit der Schüler zu erhalten'^ Ich schätze
die Nebenfächer keineswegs gering, ich möchte sie auch nicht ober-
flächlich behandelt wissen, auch ich sähe sie gerne mit den aller-
tüchtigsten Lehrern besezt; aber sie müssen sich bescheiden lernen,
müssen als dienende Glieder an das Ganze sich anschließen, dürfen
für sich keine breite Sonderexistenz beanspruchen und müssen, da-
mit den Hauptfächern die Hausaufgabenzeit im wesentlichen zur Ver-
fügung bleibt, ihre Aufgabe fast ganz — ganz wäre vielleicht (?) zuviel
verlangt — innerhalb der Unterrichtsstunde selbst erfüllen. Ich bin in
dieser Beziehung in einigem Gegensatz zu dem Herrn Referenten, der
die häusliche Arbeit, wie es scheint, hauptsächlich eben für die Neben-
fächer in Anspruch nehmen möchte. Bei meiner Auffassung
können wir dann aber freilich die 40-Minuten-Lektionen nicht
brauchen — wir seufzen genug unter den winterlichen
^U Stunden — denn si-e verkürzen die Stunde umihren
fruchtbarsten Teil und hemmen entweder das Fort-
schreiten, wenn es im besten Zug ist, oder lassen sie
nicht zu die ausgiebige Besprechung des dargebotenen
Stoffes zum Zweck der Repetition und Zueignung
durch Verknüpfung, Vertiefung, Vergeistigung.
2. Müssen alle die stofflichen, realistischeren Fächer
sich von der Schwere ihrer Stofflichkeit recht gründ-
lich entlasten zugunsten der geistigen Anregung, Belebung und
Schulung der Schüler. Daß es in keinem Fach ohne die Aneignung
fester, sicherer Kenntnisse geht, weiß ich wohl; ich habe aber auch
den Eindruck, daß die Kenntnisse nur zu oft als toter Stoff über-
Jlefert, nicht als geistige Samenkörner eingepflanzt werden. In
welch krassem Mißverhältnis bei unsern Schülern oft das Einzel-
wissen und die Fähigkeit denkender Betrachtung steht, zeigt zu-
teilen in verblüffender Weise der Aufsatz, wenn es gilt ein Thema
366 Mayer,
zu bearbeiten, das aus dem Gebiet der stoffliclien Fächer zu illn-
Btriereo wäre.
Die Geschichte vor allem ist ein Faeb, das zeitweise, nament-
lich vor der Reifeprüfung, nnsre Schiller stofflich aufs schwerste
belastet. Die Menge der vorgeschriebenen Geschichtszahlen
dürfte revidiert werden. Da wird viel rein nur für den Examens-
tag und ohne Verständnis gelernt« Außerdem muß ein guter
Unterricht die Last des Stoffes fttr die Schüler heben.
Ein solcher besteht natürlich nicht darin, daß man vor den Schüler
zur Ergänzung seines Lehrbuclis eine sandkornartige Masse' von
Notizen ausschüttet, oder gar daß man ihm zu dem Lehrbuch hin,
das er kauft, ein zweites umfang- und stoffreicheres diktiert. Viel-
mehr wird er vor allem Übersiclit und Ordnung in die Mannigfaltig-
keit des Stoffes bringen durch klare Disposition, durch kräftige
Gruppenbildung, durch helle Beleuchtung von bedeutsamen Gesichts-
punkten aus, durch, ich möchte sagen, jene plastische Behandlung,
welche bedeutende, voll und breit ausgeführte Vordergründe und
leichte, nicht mit Detail überladene Hintergrtlnde schafft. Aber
auf die Darbietung des Stoffs muß hier ganz besonders notwendig
dessen mündliche Repetition folgen, nicht im Sinne polizei-
mäßiger Einzelkontrolle sondern im Dienst der Durcharbeitung des
Stoffs mit dem Schüler. Diese muß gi'ößzUgig gehalten sein und
den Schüler üben in der Kunst, das Wesentliche herauszufinden^,
in seiner Bedeutung zu erkennen, und mit dem aufgenommenen
Stoff auch zu operieren, d. i. das einzelne in größere Zusammen-
hänge zu bringen und einzureihen. Was aber die Reifeprüfung in
Geschichte anbelangt, so möchte ich die Frage anregen, ob es nicht
zweckmäßig wäre, zur einen Hälfte das Semesterzeugnis gelten zu
lassen und zur andern an Stelle der bisherigen Geschichts fragen
einen Geschichtsaufsatz treten zu lassen, der eine geschichtliche
Betrachtung allgemeinerer Art verlangte.
Satz IV.
Zum Teil erfordern aber die vorhandenen Schwierig-
keiten Änderungen in der Organisation.
Solche Änderungen erfordern Opfer; daran ist kein Zweifel.
Wer soll sie bringen? Überall wird deren Zumutung wie eine
Ungerechtigkeit und schmerzlich empfunden werden. Und doch
dürften sie unumgänglich notwendig sein. Wir haben uns im Gym-
nasium gar zu viel und gar zu vielerlei zur Aufgabe machen lassen»
KoiTeferat Über die Hausaufgaben. 367
Ohne jene Opfer wird die Plage in imsrem Heere nicht aufhören
nnd werden die ergrimmten Götter der Öffentlichkeit nicht zur
Ruhe kommen.
1. Und so ist zu empfehlen Abschaffung der grie-
chischen Komposition als Prtlfungsfach in KlasseVn
und als Hausaufgabenfach in Klasse VII — IX.
Der Herr Referent hat mit guten Gründen Einschränkung
der griechischen Komposition vorgeschlagen. Jedoch so-
lange die griechische Grammatik einzuüben ist, also bis Klasse VI,
mindestens aber bis Klasse V einschließlich, wünschte ich sie bei-
behalten als Prüfungs- wie als Hausanfgabenfach. Dagegen in
Klasse YII wird sie neben der Lektüre nebensächlich und als Prü-
fungsfach, neben Homer und Herodot, geradezu hinderlich. Hier
schon möchte auch ich sie als Prüfungsfach und von hier an als
Hausaufgabenfach aufgegeben und auf Übungen innerhalb der Unter-
richtszeit beschränkt sehen.
2. Geboten erscheint die Wiederentfernung der
Algebra und Geometrie aus Klasse IV und V.
Klasse IV und V halte ich für entschieden überlastet. Das
Alter der Schüler — vielfach schon das angebende Entwicklungs-
alter — ist noch nicht sehr tragfähig. Die Anforderungen der
lateinischen Sprache in Grammatik, Komposition und Exposition
steigern sich recht bedeutend, namentlich in Klasse IV, das Grie-
chische setzt kräftig ein, das Französische dürftigst begabt soll
doch gedeihlich fortschreiten, und nun drängt sich zu allem Über-
fluß noch die Mathematik herein, und in den Wintermonaten will
auch der Konfirmandenunterricht noch seinen Platz finden. So
kommen mir diese zwei Klassen vor andern wie Gärten vor, in
denen der habsüchtige Eigentümer alle Bäume zu eng gesetzt hat.
Unter diesen Umständen scheint mir die Wiederentfernung
der Mathematik aus diesen Klassen geboten.
Ihr Beginn dürfte auch verfrüht sein. Überdies, wollen wir
denn realistischer sein als das Realgymnasium? Und glauben wir
denn, daß unsere Gymnasisten soviel stärkere Schultern haben als
die Realgymnasisten ? Wieviel leichter tragen diese in Klasse IV
und V! Sie haben kein Griechisch, auch nicht als Ersatz dafür
Englisch. Und Geometrie beginnen sie erst in Klasse V, Algebra
erst in VI!
Namentlich dem Französischen könnte die Hinterlassenschaft
der Mathematik in Klasse IV und V zugute kommen.
368 Mayer,
3. Zu erwägen wäre eine Ermäßigung der An-
sprttcbe der Mathematik im obligatorischen Unter-
richt des Obergymnasiums unter Einrichtung eines
weitergehenden fakultativen Mathematikunterrichts.
Schon als Konsequenz der Entfernung der Mathematik aus
Klasse IV und V ergäbe sich die Einschränkung der ma-
thematischen Anforderungen im Obergymnasium.
Deren Notwendigkeit ergibt sich mir aber auch aus anderen
Betrachtungen. Sie scheint mir das Korrelat der Zulassung
so vieler fakultativer Fächer im Obergymnasium. Man kann
es ja beklagen, daß alle diese Fächer Einlaß bekommen haben;
aber nun sind sie einmal da; man muß auch zugeben, daß manchen
Schuler Anlage, Neigung, der fernere Bildungsweg und sein Berafs-
ziel auf sie hinweist. Denken wir uns nun aber den Schüler, der
diesen in ihm selbst gelegenen Motiven oder der amtlichen Er-
munterung gefolgt ist und sich an diesen Fächern beteiligt — für
ihn steht die Sache dann so : Alle jene 3 verschiedenen Kurse, der
alten Sprachen, der neueren Sprachen und der Naturwissenschaften
mit der Mathematik, machen dann ausgedehnte Ansprüche an ihn.
Das aber ist ftlr einen gewöhnlichen Schttlerkopf zuviel. Für ihn
muß eine Erleichterung eintreten können. Wo ist sie zu finden ?
Gibt man zu, daß die alten Sprachen das Rückgrat des Gymnasiums
sind und bleiben müssen, so wird man hier nicht noch weiter min-
dern wollen« Was bleibt dann übrig, als daß die beiden andern,
die modernen Kurse, der mathematisch-naturwissenschaftliche und
der neusprachliche einander Konzessionen machen, beziehungsweise
jener etwas von seinem alten Besitz zugunsten des jüngeren Ein-
dringlings aufgibt?
Icli bin weit entfernt, den wissenschaftlichen Wert der Mathe-
matik und den praktischen und bildenden Wert, den sie für viele
hat, zu leugnen; ich will auch nicht oiine weiteres mich zu dem
Glauben an die relative Seltenheit mathematischer Begabung be-
kennen; wohl aber stimmen meine Eindrücke zu dem Ausspruch
eines liervorragenden Mathematikers *), daß ^^der Menschennatur das
mathematische Denken im Grunde zuwider sein müsse" und daß
demgemäß auch ,,bei einem großen, ja sogar bei einem größeren
Teil der Schüler die Früchte des Mathematikunterrichts recht
*) Festrede, gehalten in der öffentlichen Sitzung der K. bayrischen
Akademie der Wissenschaften in München am 14. März 1904. Beilage
zur Allgemeinen Zeitimg vom 14. und 16. März 1904.
Korreferat über die Hausaufgaben. 3^9
ktiminerliche sind^^ Warum wollen wir solchen Schülern in einem
Gebiet, das nicht im eigentlichen Mittelpunkt unsres Unterrichts steht,
nicht eine gewisse Freiheit der Teilnahme zugestehen, waram ihnen
nicht die Hinwendung zu Fächern, für die sie vielleicht mehr
Freudigkeit haben, erleichtern?
Endlich noch eine dritte Betrachtung! Das eigentliche und
höchste Ziel gymnasialer Bildung ist doch die Vorbereitung auf die
Universitätsstudien. Betrachte ich nun von diesem höchsten Ge-
sichtspunkt aus die Sache, so ist es mir doch recht zweifelhaft,
ob wirklich das Gymnasium das Recht hat, dasjenige Maß mathe-
matischer Kenntnisse von allen seinen Schülern zu verlangen, das
es derzeit fordert. Reife für die meisten akademischen Studien ist
auch ohne jene da. Wenn dem aber so ist, dann tritt wohl das
Recht des elterlichen Willens in Kraft, und der ginge recht häußg
auf eine Beschränkung der mathematischen Forderungen im Ober-
gymnasium zugunsten anderer Fächer.
Aus diesen Gründen wage ich den Satz IV, 3 : Zu erwägen wäre
eine Ermäßigung der Ansprüche der Mathematik im obligatorischen
Unterricht des Obergymnasiums unter Einrichtung eines weiter-
führenden fakultativen Mathematikunterrichts. Daß die Änderung
der Organisation nicht ohne Schwierigkeit ist, erkenne ich an.
Daß sie nicht unmöglich ist, scheinen die Selekten zu beweisen, die
da und dort schon eingerichtet worden sind. Das ist mir aber
gewiß, daß die Lockerung des Zwangs der Teilnahme an dem
Mathematikunterricht wie vielen Eltern und Schülern, so auch den
Mathematiklehrern eine gewisse Erlösung bringen würde. Mit der
verhältnismäßigen Freiwilligkeit würde sicher auch Freude und
Strebsamkeit der Schüler sich erhöhen.
Und nun kann ich meinen Weg schneller verfolgen, und nach-
dem ich den Boden, auf dem unsre Hausaufgabennot zu wachsen
pflegt, betrachtet und nach meiner Meinung geordnet habe, zu den
Hausaufgaben selbst übergehen.
Dabei bin ich in der angenehmen Lage, mit den die Materie
behandelnden und ordnenden Erlassen mich fast durchaus einver-
standen erklären zu können.
Satz V.
Hausaufgaben sind prinzipiell festzuhalten.
In dem Erlaß vom Jahr 1883 heißt es : ,,Die Forderung gänz-
licher Beseitigung der Hausanijgaben ist eine unberechtigte, die
370 Mayer,
Zwecke der Schule nach der Seite des Unterrichts und der Er-
ziehung gefährdende.^^ Die Hausaufgaben werden für zweckmäßig
und unentbehrlich erklärt, sofern sie einerseits eine Ergänzung des
Schulunterrichts bilden, andererseits dem pädagogischen Interesse
der Gewöhnung des Schillers an Selbsttätigkeit und eine geordnete,
gewissenhafte Benützung der Zeit dienen^).
Ich bin hiermit vollständig einverstanden nnd werde nur
weniges noch hinzufügen. Die Schule hat heutzutage allen Grand,
daran festzuhalten, daß die Schultage der Schule gehören, d. i. daß
die Kraft nnd das Interesse der Schüler an diesen Tagen ihr und
ihren Fächern gehört — solcher Tage sind es im Jahr etwa 240,
auf die übrigen 120 mag das Elternhaus die Hand decken. Be-
harren wir nicht darauf, so werden wir es bald erleben, daß Maische
Indianer- und Räubergeschichten, daß aller mögliche Sport, daß
die Straßenbummelei mit ihren Anhängseln, daß unter den
Auspizien des deutschen Vaters und der deutschen Mutter veran-
staltete Tanzstunden und Tanzkränzchen Kopf und Herz unsrer
Schüler in jenem Maße einnehmen, bei welchem die Schule mit
ihren strengen Anforderangen an Arbeit, Konzentrierung und Ver-
tiefung nur noch als unleidlicher Überrest altvaterischer Rigorosität
und Morosität angesehen und behandelt wird.
Also: Hausaufgaben sind prinzipiell festzulialten.
Satz VI.
Prinzipiell festzuhalten sind die bisher üblichen
Formen der Hausaufgaben, insbesondere schriftliche
Hausaufgaben.
Sehe ich die Hausaufgabenheftchen durch, welche unsre Schüler
zu führen pflegen, so heißt es da überwiegend : Repetieren, Leraen.
Dabei handelt es sich um die Repetition dessen, was in der
Schule sei es in den Sprachen oder der Mathematik oder sonst wo
geübt und getrieben worden ist, und um das L ernen von Wörtern,
Regeln, Sprüchen, Liedern, ELatechismus, deutschen Gedichten, Ge-
schichte, Geographie, Physik, Chemie, Mineralogie, um das kleine
und große Einmaleins, um Algebra, Geometrie, Trigonometrie.
Dieses mündliche Repetieren und Lernen ist verhältnismäßig
am wenigsten angefochten. Gerade der schwächere Schüler, für
den am meisten nach Erleichterung gerufen wird, braucht es auch
*) Vgl. die trefflichen Ausführungen auf der Berliner Dezember-
Konferenz 1890 von Virchow S. 119 f.
Korreferat über die Hausaufgaben. 371
am meisten. Daß beim Unterncht stofflich Maß gehalten
werden soll, habe ich bereits betont. Ob nicht im religiösen
Memorieren bei unsern evangelischen Schillern noch weitere Ent-
lastung eintreten könnte, möchte ich gerne der geneigten Erwägung
der hohen Behörde anheimgeben: den Katechismus in der bis-
herigen Ausdehnung lernen zu lassen dünkt mir nicht wohlgetan.
Was aber gegen den belastenden Regelkram der Grammatik
vorgebracht wird, scheint mir im wesentlichen auf Unkenntnis
unsres heutigen Betriebs und auf mangelhafter Einsicht in schuU
technische Dinge zu beruhen; von großem Wert ist das systema-
tische Lernenlassen von Vokabeln durch alle Klassen hindurch.
Was die Exploratorien anbelangt, so halte ich diese für
unentbehrlich, wünschte aber auch, daß sie selten und unangesagt
vorgenommen würden. Natürlich muß Unterrichtsbehandlung,
Themastellung und Kritik solchem Verfahren dann billige Rechnung
tragen.
Aber die schriftlichen Hausaufgaben! In unseren Haus-
aufgabenbüchlein finden sich als Hausaufgaben auch deutscher Auf-
satz, lateinisches, griechisches^ französisches Argument, lateinische,
griechische Periode oder lateinische, griechische, französische Prä-
paration oder Schreiben der in der Schule komponierten oder
exponierten fremdsprachlichen Abschnitte; endlich Rechen- und
Matliematlkaufgaben. Also selbständigere Arbeiten zu Hause?
Was ist davon zu halten?
Es finden diese Aufgaben sehr starke Anfechtung. Eine radikale
Forderung lautet: Überhaupt keine schriftlichen Hausaufgaben!-
Das glaub^ ich ; das wäre vor allem der Bequemlichkeit vieler
Schüler und vieler Eltern höchst angenehm. Derjenige Schüler,
der die Hausarbeit am nötigsten hat, würde dann immer recht bald
sich und seine Umgebung von jeder Schulsorge und jeder Rück-
sichtnahme auf sein Arbeiten befreien mit dem beglückten und
beglückenden Ausruf: „Ich bin fertig! Ich kann mein Sach!" und
der Lehrer würde durch alle Klassen hindurch dieselbe böse Er-
fahrung machen, die der Elementarlehrer schon so häufig macht,
wenn er seinen Schülern einen Abschnitt zu öfterem Durchlesen
daheim aufgibt. Aber schriftliche Aufgaben sind wertlos: sie
werden abgeschrieben! Ich setze Erfahrung gegen Erfahrung
und sage: der ordentliche und gewissenhafte Schüler schreibt
sie nicht ab. Er bemüht sich selbst mit seinem Aufsatz, seinen
Argumenten, seiner Präparation, seinen Rechen- und Mathematik-
372 Mayer,
aufgaben^ und sie werden für ihn wertvolle selbständige
Übungen.
Für solche ist auf der Berliner Dezemberkonferenz des Jahres
1890 namentlich ein Mediziner, und zwar kein Geringerer als
Virchow eingetreten. Er verlangt ,,ein gewisses Maß häuslicher
Arbeit zur Gewöhnung an eigene Tätigkeit^^ ,,Man erlangt
sonst nicht die selbständige Entwicklung der Schüler, welche sie
befähigt; sich im Leben selbst zu helfen und jede neue Aufgabe,
die sich darbietet, soweit als möglich mit eigenen Kräften zu ver-
folgen." Er fordert solche selbständige Arbeit im Interesse der
Charakterbildung der Schüler und sagt: „Die Zahl der Charaktere
wird kleiner. Auch das hängt zusammen mit dem Nachlaß der.
eigenen Arbeit auf der Schale; denn nur durch selbstätige Arbeit lernt
der Schüler gegenüber äußeren Schwierigkeiten Widerstand zu
leisten und die Mittel des Widerstands und des Siegs in der
eigenen Kraft, in seiner Natur, in seinem Wesen zu suchen. ^^
Zu den geschmähtesten Aufgaben gehört das Schreiben-
lassen der komponierten und exponierten Abschnitte.
„Wertlos, sinnlos!" Ich gebe auf Grund eigener Erfahrung und
der Beobachtung bei anderen das gar nicht zu. Im Gegenteil!
Sie sind, je jünger der Schüler ist, um so wertvoller, wertvoll zur
Übung, wertvoll zur Selbstkontrolle bei der unmittelbaren Re-
petition zu Hause und als Unterlage für später sich wiederholende
Repetitionen. Ja selbst meinen Neunern pflege ich den Rat zu
geben : Repetieren Sie Ihren Horaz, Ihren Tacitus mit der Feder
in der Hand, und das zu Ihrer Selbstkontrolle. Ich wünschte, wir
könnten Komposition und Exposition, wenigstens in den unteren
und mittleren Klassen, regelmäßig schreiben lassen : unsere Schüler
würden in den Sprachen viel sicherer.
Was die Präparation betrifft, so habe ich schon, lange
Zeiten hindurch, unpräpariert übersetzen lassen, der Regel
nach lasse ich aber derzeit präparieren. Ich tue das nicht nur,
weil ich das für den Unterricht förderlich finde, wenn der Schüler
vorher seinen Text durchliest samt allem, was er noch darüber
hinaus mit dem Text sich beschäftigt, sondern noch mehr damit
der Schriftsteller in stärkerem Maß seine Aufmerksamkeit und sein
Interesse konzentriert, eine beherrschende Stellung im Bewußtsein
des Schülers behält. Aber andererseits: unumgänglich notwendig,
einen Tag wie den a.nderen, ist Präparation nicht. Kommen sonst
größere Arbeiten, so kann sie auch aussetzen.
Korreferat über die Hausaufgaben. 373
Gedruckte Präparationen tan gate Dienste bei der
ersten Einführung in einen Schriftsteller^ sie erleichtern den An-
fang nnd bieten eine solide Grundlage für das höchst wesentliche
Memorieren der Wörter. Zn lang beibehalten lähmen sie die
Selbsttätigkeit des Schülers und machen ihn bequem.
Im übrigen enthält der Hausaufgabenerlaß vom Jahr
1896 über das Präparierenlassen treffliche Winke.
Also prinzipiell sind auch alle die gewöhnlichen Arten
nnsrer schriftlichen Hansanfgaben festzuhalten; soweit sie aber
tatsächlich fallen gelassen werden wollen, hat das zu geschehen
nicht weil sie wertlos oder gar sinnlos sind , sondern trotzdem^
daß sie wertvoll sind, aus Schonung der Kraft und Zeit unsrer
Schüler. Daß ich die Hauszeit der Schüler für die Nebenfächer
möglichst wenig in Anspruch genommen wissen möchte, habe ich
erwähnt.
Satz VII.
Zu beschränken ist die Hausaufgabenzeit in
Klasse IV— V.
Mit dem Erlaß des Jahres 1896 halte ich nach der jetzigen
Ordnung der Dinge in der Vorklasse und in Klasse I und IE
„eine Überbürdung für . . . ausgeschlossen^^ Soweit gehe ich aber
doch nicht, daß ich sage „für völlig ausgeschlossen^^ In der Vor-
klasse wohl; diese tritt sogar einigermaßen auf der Stelle. Aber
gleich in Klasse I und n macht das Lateinische starke Anforderungen.
Einverstanden bin ich mit der weiteren Bestimmung in dem
Erlaß des Jahres 1896, nach welcher für die Schüler unsrer jetzigen
m. Klasse die Hausaufgaben an vollen Schultagen nicht mehr
als IV2 Stunden, an den schulfreien Nachmittagen nicht mehr al&
2 Stunden in Anspruch nehmen sollen.
Anders stelle ich mich zu der Ordnung fttrKlasselV undV:
hier sollen „nicht mehr als IV2 — 2, bezw. 2'/2 — 3 Stunden" auf-
erlegt werden. Das mag bei der gegenwärtigen Organisation fast
notwendig sein; aber an sich ist es zuviel und darum eine Ände-
rung in diesen Klassen Bedürfnis. An Tagen, an welchen der
12 — 14jährige Knabe, den auch seine körperliche Entwicklung leicht
schon müde macht, nach 6 — 7 anstrengenden Schulstunden heim-
kommt, ist eine Belastung mit Hausaufgaben, die weitere Vit bis
2 Standen angestrengten Arbeitens erfordern, leicht zuviel. So be-
merkt man auch gerade in diesen Klassen öfters gegen das Ende
längerer Schulzeiten eine gewisse Abspannung.
374 Mayer,
Dieselbe Zeit wie für Klasse IV und V ist auch zulässig ftlr
Klasse VI — IX.
In Klasse VI hat der Schüler nach meiner Erfahrung^ selbst
abgesehen von fakultativen Fächern, für sein sich entwickelndes
Alter genug zu tun.
Mehr kann man von ihm verlangen in VII — IX; tüchtige,
konzentrierte Arbeit ist ihm hier sogar recht gesund, ich wünschte
nur mehr Berücksichtigung seiner Begabung und Neigung, das
fakultative System weiter ausgebaut, damit seine Arbeit fröhlicher
und gedeihlicher werde.
Satz Vlll.
Von besonderer Wichtigkeit ist die Kontrolle der
Zeit, welche der Schüler tatsächlich braucht zur
Fertigung seiner Hausaufgaben.
Welcher Lehrer und welcher Leiter einer Anstalt hat nicht
schon die überraschendsten Klagen über ÜberbUrdung von unbe-
dingt glaubenswürdigen Eltern vernommen, trotzdem daß auf dem
Hausaufgabenschema alles voi-tretflich geklappt hatte, und eben wenn
er gemeint hatte, durch vorsichtige Beobachtung der bestehenden
umsichtigen Verordnungen dem Übel sicher vorgebeugt zu haben?
Woher kam das? Der Schüler war durch seine Auf-
gabe ganz anders in Anspruch genommen, als der
Lebreres einge. schätzt hatte. Ich betrachte es darum als eine
sehr wichtige Sache, daß nicht eben nur die objektive Aufgabe durch
Eintrag ins Diarium u. dgl., sondern daß die Zeit, die der einzelne
Schuler zu ihr tatsächlich braucht, im Auge behalten wird.
Von diesem Gedanken aus haben wir an unserer Anstalt schon
seit dem Jahr 1895 Hausaufgabenbüchlein, 2 für jede ein-
zelne größere Klasse; eines derselben führt einer der besseren,
eines einer der schwächeren Schüler, aber weder dieses noch jenes
immer derselbe Schüler, sondern wöchentlich wechselndjetzt dieser dann
der nächste. In diese Heftchen schreiben die betreffenden Schüler,
jedesmal mit Nameusunterschrift, täglich ihre sämtlichen Hausauf-
gaben und Schularbeiten, einschließlich Strafarbeiten, Vorbereitung
auf Repetitionen und Exploratorien u. dgl.; bei jeder Arbeit merken
sie an, wieviel Zeit sie wirklich darauf verwendet haben. Die einzelnen
Lehrer sind gebeten, die Heftchen regelmäßig durchzusehen, und
allwöchentlich werden sie vom Rektor revidiert. Meine Erfahrung
mit dieser Einrichtung ist die: Unbedingt zuverlässig sind auch
diese Heftchen nicht; nach häutigen Zeugnissen der Eltern sind
Korreferat über die Hausaufgaben. 375
die Schuler geneigt; ihre wirkliche Arbeitszeit zu nieder (nicht
zu hoch!) einzusetzen. In der Hauptsache aber geben sie doch
ein richtiges Bild von der häuslichen Arbeit der Schüler und dem
tatsächlichen Anspruch der einzelnen Fächer an sie;
sie sind mir des öfteren schon wertvolle Waffen übertriebenen Be-
hauptungen des Publikums gegenüber gewesen, und sie wirken,
wie verständige Eltern mich schon versichert haben, nicht als un-
fehlbare, aber doch als wirksame, selbsttätige Regulatoren.
Damit bin ich zu Ende. Sie haben gesehen, meine Herrn, daß
ich wohl einige Wünsche hatte in Beziehung auf Änderung in der
Organisation unserer Schule, weuige aber in Beziehung auf die
Hausaufgabenordnung selbst.
Leitsätze.
1. In den Überbürdungsklagen der Neuzeit ist ein berechtigter
Kern (S. 361).
2. Die Organisation unserer Schulen hat große Schwierigkeiten,
aus denen leicht ÜberbUrdungen der Schüler im Unterricht und mit
Hausaufgaben erwachsen (S. 362).
3. Diese Schwierigkeiten können zum Teil durch Verbesserung
der Methode überwunden werden (S. 365).
4. Zum Teil aber erfordern sie Änderungen in der Organi-
sation (S. 366).
a) Zu empfehlen ist Abschaffung der griechischen Komposition
als Prüfungsfach in VII und als Hausaufgabenfach in VII
bis IX (S. 367).
b) Geboten erscheint die Wiederentfernung der Mathematik aus
IV und V (S. 367).
c) Zu erwägen wäre eine Ermäßigung der Ansprüche der Mathe-
matik im obligatorischen Unterricht des Obergymnasiums
unter Einrichtung eines weitergehenden fakultativen Mathe-
niatikunterricbts (S. 369).
5. Prinzipiell festzuhalten sind Hausaufgaben (S. 369).
6* Prinzipiell festzuhalten sind die bisher üblichen Formen der
Häusaufgaben, insbesondere schriftliche Hausaufgaben (S. 370).
7. Zu beschränken ist die Hausaufgabenzeit in Klasse IV
und V (S. 373).
8. Von besonderer Wichtigkeit ist die Kontrolle der Zeit,
welche der Schüler tatsächlich auf seine Hausaufgaben zu ver-
wenden hat (S. 374).
376 Keppler,
Ein oftmals wiederholter Trugschluß n.
In Heft 12, Jahrgang 1904, des KorreBpondenzblatts erklärt
Herr Tli. D., daß ihn meine Kritik des Spiekerschen Lehrsatzes
§ 59 in Heft 2 „nicht recht befriedigt^' habe, ohne aber anzudeuten,
worin das „Unbefriedigende^ bestehe. Ich begreife wohl, daß ein
Satz, welcher etwas als falsch nachweist, uns nicht recht befriedigen
kann, solange wir an diesem Falsclien festhalten wollen. Spieker
sucht in dem genannten Lehrsatz das Axiom zu beweisen, (als
solches wird es ja wohl allgemein anerkannt), daß die Gerade der
kürzeste Weg zwischen zwei Punkten ist. Bei diesem Versuch
begegnet ihm aber ein eirculus in demonstrando, wie ich in Heft 2
Seite 64 — 66 nachgewiesen habe. Herr Th. W. bemüht sich nun
in Heft 12, den Spiekerschen Lehrsatz § 59 samt Zusatz zu ver-
teidigen, mit einer Darstellung, von der er hofft, daß sie „vielleicht
als einwandfrei anerkannt" werden möge. Nach meiner Ansicht
ist aber diese Hoffnung nicht begründet, und ich sehe mich ver-
anlaßt, der Sache zulieb, gegen die Darstellung in Heft 12 einige
Einwendungen zu machen.
Diese Darstellung scheint mir nämlich wiederholt in denselben
Fehler zu verfallen, der dem von mir als falsch nachgewiesenen
Zusatz des § 59 bei Spieker zugrunde liegt: das vorauszusetzen,
was erst bewiesen werden soll (petitio principii). Sie operiert
ganz naiv mit dem Ausdruck ,^Ab8tand zweier Punkte", welcher
Ausdruck doch den Begriff der Strecke als des kürzesten Wegs
zwischen zwei Punkten notwendig voraussetzt. Unter dem Abstand
eines Punktes A von einem Punkt B versteht man ja nicht etwa
die Richtung AB, sondern die Strecke AB liinsichtlich ihrer Länge,
d. h. nichts anderes als den kürzesten Weg von A nach B, wenn
es erlaubt ist, sich an die ,, psychologische Übereinstimmung der
Raumanschauung aller Menschen^^ zu halten, auf welche auch Herr
W. sich beruft. Gewiß läßt sich auf Grund dieser Übereinstimmung
behaupten, daß der Begriff der Länge überhaupt (also auch der
Begriff Abstand, Entfernung, lineare Größe etc.) den Begriff der
Geraden als des kürzesten Weges zwischen zwei Punkten schon in
sich schließt. Damit soll natürlich nicht gesagt sein, daß etwa
eine Kurve an sich keine Länge habe, sondern vielmehr nur dies,
daß wir, um diese Länge schärfer zu fassen, um sie als lineare
Größe mit anderen linearen Größen, respektive mit einer Längen-
einheit, zu vergleichen, uns dieselbe stets auf eine Gerade zurück-
Ein oftmals wiederholter Trugschluß II. 377
geführt denken. Auch die Länge eines Bogens ist nichts anderes,
als der kürzeste Weg zwischen seinen Endpunkten — nachdem
der Bogen rektifiziert; d. h. ohne den Abstand seiner unendlich
nahen Punkte zu yerändern; zu einer Geraden ausgestreckt worden
ist. In allen mathematischen Darstellungen wird ja auch dem
Knrvenelement der Charakter einer geradlinigen Strecke beigelegt^
mit diesem wesentlichsten Postulat, daß sie der kürzeste Weg
zwischen ihren Endpunkten sei, und es ist leicht zu zeigen, daß
ohne dieses Postulat viele wichtige Resultate der elementaren
Mathematik sowie der Analysis in Frage gestellt wären.
Auch die in der Abhandlung in Heft 12, Seite 457, vorge*
schlagenen geraden, respektive gebrochenen Linienzüge müssen dieses
axiomatische Postulat erfüllen, ehe man überhaupt damit operieren
kann, d. h. sie enthalten ganz unvermeidlich in einzelnen Teilen
Voraussetzungen von dem, was man mit ihrer Hilfe beweisen will.
Ich kann hier nur auf den wichtigsten Abschnitt der Darstellung
eingehen, womit allerdings das Ganze derselben hinfällig wird, näm-
lich ,,die verneinende Antwort auf die Frage 2^', Seite 458. Diese
Antwort soll gegeben sein mit dem Satz: „in jedem Dreieck ist
die Summe zweier Seiten größer als die dritte Seite^^, wozu noch
beigefügt wird: „der Beweis dieses Satzes steht Spieker § 59; er
wird nicht angefochten und braucht also hier nicht weiter besprochen
zu werden^^ Darauf habe ich zu bemerken, daß schon in diesem
Satze, soweit der Begrifif der Länge einer Seite darin vorkommt,
eben damit auch die axiomatische Vorstellung der Geraden als des
kürzesten Weges zwischen zwei Punkten mit hereinspielt, und daß
er deshalb mit einer gewissen Einschränkung verstanden werden
muß. In Heft n, Seite 65, habe ich nachgewiesen, daß zwar der
genannte Satz richtig ist, aber nur in seiner ganz wörtlichen Be-
deutung: daß zwar in jedem Dreieck ABC die Strecke AB kleiner
ist als die Summe der Strecken AC und BO, daß aber darum AB
durchaus niicht kleiner sein müsse als jede denkbare (z. B. krumme)
Linie von A über B nach C. Letzteres kann nicht bewiesen werden,
und bei dem Versuch es zu beweisen, im Zusatz zu § 59, hat
Spieker für die Strecken AC und BC stillschweigend vorausgesetzt,
was er für die Strecke AB beweisen wollte, nämlich daß sie die
kürzesten Linien zwischen ihren Endpunkten seien.
Ich wiederhole noch allgemeiner und noch bestimmter: man
kann zwar mit aller Schärfe beweisen, daß die Strecke AB kürzer
ist, als irgend ein gebrochener Linienzug von A nach B, und zwar
Korrespondenxblatt 1906, Heft 10.
378 Keppler, Ein oftmals wiederholter Trug^schluß li.
im Raum, nicht nur in der Ebene ; aber man kann nicht beweisen^
daß AB kflrzer sei, als jede nur denkbare (z. B. krumme) Linie
von A nach B, indem bei jedem Versuch^ dieses zu beweisen, die
dazu verwendeten Linien irgendwo mit dem Begriff der Länge auch
das Postulat des kürzesten Wegs zwischen zwei Punkten in die Dar-
stellung hineinbringen. Wenn schon im Dreieck jede Konstruktion
ihren Zweck verfehlt, welche beweisen will, daß eine Seite nicht
nur kürzer ist als die Summe der beiden anderen Seiten^ sondern
überhaupt die kürzeste zwischen ihren Endpunkten mögliche Linie^
so ist dasselbe der Fall, nur in wiederholtem Maße, bei einer mehr-
fach gebrochenen Linie, und vollends bei den sonst so handlichen
in eine Kurve einbeschriebenen polygonalen Zügen. Denn ein circnlus
in demonstrando wird nicht dadurch gutgemacht (kein Kreis wird
dadurch rectifiziert), daß man ihn zu wiederholten Malen durchläuft.
Die gemeinsame Quelle des Irrtums dieser und ähnlicher Dar-
stellungen liegt wohl in der Verkennung der wichtigen Wahrheit,
daß die fundamentalen Begriffe: Oerade, Richtung, Strecke, Länge^
Kürzester Weg, Bestimmtsein durch zwei Punkte, Ähnlichkeit aller
Teile etc., worauf man gewöhnlich die grundlegenden Definitionen
der Geometrie aufbauen will, durchaus nicht als voneinander ge-
trennt (oder gar als nacheinander bestehend) zu betrachten sind,
sondern vielmehr auf gleichzeitig nebeneinander bestehenden und
gleichbedeutenden — wenn nicht formal identischen so doch in
ihrem Wesen coincidenten — axiomatischen Grundvorstellungen
beruhen. Wenn ich z. B. zwei Punkte A und B durch eine Gerade
AB verbinde, so habe ich damit nicht nur die Richtung AB, sondern
auch die Strecke AB, die Länge AB und den kürzesten Weg von
A nach B durchlaufen, und ich darf nicht nachträglich die Vor-
stellung der Länge AB oder die der Strecke AB oder die des
kürzesten Weges von A nach B als etwas Neues, von der Grund-
vorstellung der Geraden AB verschiedenes behandeln. Es ist so-
mit überhaupt unlogisch, beweisen zu wollen, daß die Gerade der
kürzeste Weg zwischen zwei Punkten sei, und ganz besonders un-
logisch, dies durch Konstruktionen in der Ebene beweisen zu wollen.
Denn die Gerade ist hier der primäre, die Ebene der sekundäre
Begriff: die Ebene wird mittelst der Geraden definiert und enthält
in ihrem Begriff schon das Postulat, daß der kürzeste Weg irgend
zweier ihrer Punkte ganz in sie fallen muß.
Übrigens enthält die Darstellung in Heft 12 Seite 459 noch
einen anderen Irrtum, über den ich mich nicht wenig gewundert habe.
Fischer, Das Mondrätsel. 379
Es wird da behauptet^ daß meine Illustration Seite 66^ womit ich
4en Zusatz von Spieker § 59 ad absurdum führen wollte, das ganze
Problem in die Geometrie der Zylinderfläche verschiebe. Das ist
unrichtig. Ich beschränke mich bei meiner Darstellung durchaus
nicht auf den Zylinder als zweidimensionales Ranmgebiet — eine
derartig beschränkte Betrachtung würde auch bei der Diskussion
einer allgemein geometrischen Grundwahrheit, wie ein Satz über
die Gerade doch sein muß; gar keine entscheidende Kraft haben
— ich nehme den Zylinder als Körper im Raum und mache daran
ein stereometrisches Experiment. Ich wickle nämlich ein Dreieck
ABC auf eine ZylinderflächC; so daß AB; AC; BO; ohne ihre Länge
zu ändern; schraubenförmige Bogen werden, und daher immer noch
Bogen AB kleiner ist als Bogen AC -\- Bogen BC; aber doch größer
ist als die durch den Zylinder führende Sehne AB. Mit andern
Worten; ich zeige; daß soweit der Lehrsatz § 59 etwas beweist;
die Seite AB wohl kleiner sein kann, als die Summe der Seiten
AG und BC; ohne deshalb überhaupt die kürzeste Linie von A nach
B sein zu müssen; wie im Zusatz zu § 59 behauptet wird.
Ich füge bei; daß ich den von mir als unrichtig bezeichneten
Satz bis jetzt trotz eifrigen Suchens noch in keinem englischen
oder französischen Geometriebuch gefunden habe. Im Euclid steht
er jedenfalls nicht, und es scheint mir auch ganz undenkbar; daß
jemals ein antiker Geometer sich einen so aller Logik widersprechenden
Trugschluß hätte zu schulden* kommen lassen.
Schw. Gmünd. J. H. Keppler.
Das Mondrätsel
Im Jahrgang 1902 S. 154 ff. der Besonderen Beilage des Slaats-
anzeigers hat „R. B." „Das Mondrätsel^^ besprochen; die Frage
nämlich; ob der Mond Achsendrehung habe oder nicht. Das Pro-
gramm des Reutlinger Gymnasiums für das Schuljahr 1903/4 bringt
eine Abhandlung über ,, Wechselbeziehungen zwischen Erde und
Mond^'; in der (Abschnitt II) in der Kürze der Gedankengang
wiederholt wird; mit dem R. B. seine These beweisen will: der
Mond hat keine Achsendrehung. Es scheint demnach; daß R. B.;
<der im Staatsanzeiger seine Anschauung mit höchst auffallender
Grobheit gegen andere Leute vorträgt; für diese Anschauung Ah-
Siänger gewinnt. Da heutzutage jede Schule; sogar jede Volks-
380 Fischer,
Bchule; das ,,MondrätseP^ in den Kreis ihres Unterrichta zieht,^
durfte es nicht wertlos sein, jenen Angriffen gegenüber die alte^
wie mir dünkt auch jetzt noch richtige Ansicht zu verteidigen.
Ich will mich nicht lang aufhalten bei dem ganz bedenklichen
Satz, mit dem die beiden Erörterungen des Problems beginnen:
bei der Rotation eines Kreises um seine eigene Achse kommt ledig*
lieh die Rotation aller seiner Punkte zu dieser, seiner Achse ia
Betracht. Ich weiß nicht, wie man zu einer solchen Behauptung
kommen kann, anders als etwa so, daß man in der Mitte des
rotiecenden Kreises, der rotierenden Kugel eine Art von festem
Kern annimmt, der nicht mit an der Rotation teil hat, so wie wir
etwa einen Globus um seine feste, materielle Achse sich drehen
lassen. Aber weiter : die ganze Beweisführung der beiden Abhand-
lungen, ruht lediglich auf einer willkürlichen Definition, die freilich
nicht als solche ausgesprochen, sondern nur stillschweigend voraus-
gesetzt ist. Gehen wir von dem einfachsten Fall aus: die Achsea
zweier Kugeln M und £ stehen senkrecht auf einer Ebene, der-
selben, in welcher sich M in kreisförmiger Bahn um E bewegt').
Man definiert nun: ^^von Achsendrehung der Kugel M reden wir
dann, wenn während der Kreisbewegung derselben um E eia
Äquatordurchmesser derselben seine Richtung ändert in Beziehung
auf die Verbindungslinie der beiden KugelmitteU
punkte". So folgt nun freilich ohne weiteres die Behauptung:
der Mond hat keine Achsendrchung. Aber in den letzten Worten
jener üefmition liegt doch die offenbarste Willkür*). Wie un-
berechtigt diese Art der Beweisführung ist, läßt sich auf ver-
schiedene Weise noch weiter zeigen, z. B. so: niemand wird be-
haupten wollen, daß die Entscheidung der Frage: Achsendrehung
oder nicht? abhängig sein könne von der Größe der Mondbahn.
Lassen wir nun, ohne sonst etwas zu ändern, die Mondbahn
kleiner und kleiner werden und sie zuletzt zum Punkt zusammen-
schwinden, so haben wir die unzweifelhafteste Achsendrehung vor
uns. Es widerspricht aber durchaus der im Gesamtgebiet der
^) Streng genommen kann man ja allerdings von der Achse einer
Kngel nicht reden, außer in Beziehung auf eine mindestens gedachte
Achsen d r e h u n g.
*) Man «age lieber einfach: „Eine Kugel M, die bei ihrem Umlauf
um die Kugel E dieser stets dieselbe Seite zukehrt, hat keine Achsen-
ilrehung; beim Mond ist jenes der Fall, also — ", so wird die
WillkUrlichkeit des ganzen Vei*fahrens vollends ganz deutlich !
Das Mondrätsel. 381
3ilatheinatik und Mechanik üblichen Auffassungsweise und Ter-
minologie, zu sagen : hier, an diesem Punkt der stetigen Entwicklung
itritt plötzlich auf^ was vorher nicht da war, nämlich Achsendrehung.
Oder verfolgen wir die Entwicklung in umgekehrter Richtung, gehen
wir davon ans, daß die Achse der rotierenden Kugel in einem
Punkt festliegt, und lassen wir dann, ohne sonst irgend etwas
^u ändern, diesen Punkt selbst irgend eine, z. B. eine kreis-
förmige Bewegung machen : soll dann auf einmal mit dem Einsetzen
dieser Bewegung nicht mehr Achsendrehung heißen, was vorher
Achsendrehung war? oder soll dies der Fall sein dann, wenn
'Zwischen der Zeit der Rotation und der Geschwindigkeit der Fort-
bewegung der Achse selbst ein bestimmtes Verhältnis besteht?
Alle diese Annahmen sind doch ganz unmöglich!
Aber selbst, wenn jemand die eben dargelegten Gedanken ab-
lehnen wollte: wir haben ja bei alledem uns immer nur mit
einer Bahn der Kugel M beschäftigt, der die Mondbahn in Wirk-
lichkeit gar nicht gleicht. Zwar schließt jener Abschnitt des Reut-
llnger Programms mit dem Satz: ,,der Mond hat keine Rotation
um eine eigene, durch seinen Mittelpunkt gehende Achse. Diese
Tatsache ändert sich nicht, von welchem Standpunkt
aus wir den Mond auch betrachten mögen, ob von der
Erde aus oder von einem Punkt außerhalb der Erde^^
Aber genau das Gegenteil ist der Fall! Eben nur, wenn man
lediglich die Beziehung des Mondes zur Erde berücksichtigt, kann
man überhaupt auf die Frage kommen, ob der Mond Rotation
besitze oder nicht. Nehmen wir dagegen unseren Standpunkt sonst
irgendwo im Weltall, so wird niemand auf die Idee geraten, hier
Achsendrehung leugnen zu wollen. Hat eine Kugel, die sich in
der durch die Figur angedeuteten Weise bewegt, Achsendrehung
<-«
oder nicht? Doch ohne allen Zweifel ja! Verschwindet etwa die
Achsendrehung dann, wenn wir der zunächst als geradlinig ange-
nommenen Bahn irgend eine beliebige Krümmung geben ? oder haben
wir das Recht Achsendrehung zu bestreiten, wenn ein Punkt E
in der Weise neben M sich hinbewegt, daß, während der bis-
3^2 Amtliche Bekanntmachung.
her als Achsendrebuug bezeichneten Bewegung, irgend
ein AqaatordurcbmeBser von M stets auf E hinweist V Ich denke,,
man braucht diese Fragen nur zu stellen, um sofort zu erkennen,,
daß nur Willktir sie verneinen kann. Eben von dieser Art aber
ist die Bewegung des Mondes: er bewegt sich so wie die Figur
zeigt — mit dem Unterschied, daß seine Bahn, im Verhältnis zu
irdischen Entfernungen und zu seiner eigenen Größe fast unmerklich^.
gekrUmmt ist und unter Erfüllung der besonderen Bedingung,
daß sein Äquatordurchmesser a b stets auf einen ihn begleitenden
Punkt, die Erde gerichtet ist.
Das Reutlinger Programm selber enthält die Figur, welche die
richtige Gestalt der Mondbahn annähernd darstellt Auch R. B.
hatte auf diese Gestalt hingewiesen. Beide haben sieh auffallender^^
weise in ihrer Verwerfung der Achsendrehung des Mondes nicht
iiTC machen lassen. .
Also wenn man es für wortvoll hält zu irgend einem besonderen
Zweck zu sagen: „der Mond hat keine Achsendrehung in Be-
ziehung auf die Linie Mond-Erde^' oder dergleichen, so mag
man das tun und sich darüber verständigen; aber ohne diese Ein-
schränkung haben wir kein Recht ihm Achsendrehung abzusprechen»
Blaubeuren. P. Fischer.
Amtliche Bekanntmaohiing.
Von dem im Kaiserlichen Gesundheitsamt bearbeiteten Pilz-
merkblatt ist eine Neuauflage erschienen.
Dieses Pilzmerkblatt enthält eine Beschreibung der wichtigsten
eßbaren Pilze, sowie derjenigen giftigen, welche am leichtesten mit
solchen verwechselt werden können^ und gibt außerdem einen über-
blick über die Bedeutung der Pilze als Nahrungsmittel und über
die Erkennung und die erste Hilfe bei Pilzvergiftungen. Dasselbe
wird hiermit wiederholt zur Anschaffung für die einzelnen SchuU
klassen mit dem Anheimgeben weiterer Verbreitung durch die Lehrer
empfohlen. Der Preis des im Verlag von Julius Springer in
Berlin N. erschienenen Blattes beträgt 10 Pf. (einschließlich Porta
und Verpackung 15 Pf.), bei größeren Bezügen noch weniger.
Stuttgart, den 16. September 1905.
K. Ministerialabteilung für die höheren Schulen^
Abieiter.
I^^rklärung. — Literarischer Bericht. 333
Erklärung.
Eine Entgegnung, die Herr K. Alt endorf anf die Bespre-
chung seines Buchs durch W. Nestle (s. S. 341 f.) eingesandt hat,
weist darauf hin,
1. daß S. 11, 14 und 25 seines Buchs eine Angabe dessen
enthalten, was er unter Einzelliedern der nach seiner Ansicht von
einem Dichter verfaßten Odysse versteht, 8. 25 mit Wortdefinititon ;
2. daß das Urteil S. 51 f. nicht einfach auf Grund der Empfin-
dung gefällt wird, sondern in einem, ganz ausdrücklich der Empfindung
gegenübergestellten, „Verstandsbeweis^^ seine Begründung erhält;
3. daß die Wendungen ,,e8 giebt nur einen Homer^', „eine
Perle der Dichtkünste^, „auch eine dichterische Perle^* als einleitende
Worte stehn, die in nachfolgenden Ausführungen begründet werden.
Literarischer Bericht.
Dr. Max Scher mann, Der erste punisehe Krieg im Lichte der
livianischen Tradition. Ein Beitrag zur Geschichtschrei-
bung des Livius und seiner Nachfolger. 2.50 Mk. Tübingen,
Verlag der H. Lauppschen Buchhandlung, 1905.
Die vorliegende Arbeit will die Lücke, die durch den Verlust der
livianischen Bücher XVI — XIX in der national-römischen Geschichts-
überlieferung entstanden ist, nach Tunlichkeit ausfüllen. Dieser Auf-
gabe ist der Verfasser, der Zeugnis von einer weitreichenden Kennt-
nis der nachlivianisehen, römischen und spätgriechischen Geschichts-
literatur ablegt, auf dem Wege einer mühsamen kritischen Sanimei-
arbeit aus den Periochen und den zahlreichen Fasten, aus dem weiten
Kreise der Epitomatoren und Abbreviatoren nnd der verschiedenen
nach klassischen Historiker in anerkennenswerter Weise gerecht gewor-
den. Dabei war sich der Verfasser wohl bewußt, daß aus dieser mit
sorgsamer, sachlicher und sprachlicher Vergleichung und Abwägung
gewonnenen Überlieferungsmasse nicht der ursprüngliche Livius erstehen
werde, da er häufig der durch die Mittelquellen zwischen dem Livius-
original und dessen Nachfolgern hervorgerufenen Trübung der ursprüng-
lichen livianischen Tradition Erwähnung tut.
Mit dieser Einschränkung läßt sich aber doch von einer Kekon-
stniktion dieser livianischen Partie reden, deren Ergebnis man im ganzen
Beifall spenden wird, wenn freilich bei der Natur der Sache im einzelnen
Falle der Hypothese ein weiter Spielraum gelassen werden muß. In
verschiedenen Fällen setzt sich die Arbeit mit den augenblicklich leb-
haft ventilierten chronologischen Fragen auseinander und wendet wohl
384 Literarischer Bericht.
zum erstenmal die von Prospero Yarnese (Studi di Storia autica lieft III,
Roma 1902) und J. Beloch (Griechische Geschichte III, 2. Abteilung 1904,
215 und 281 ff.) aufgestellten chronologischen Tesen nach kritischer
Auseinandersetzung mit den abweichenden Ansichten auf die Fest-
legung der Ereignisse des 1. punischen Krieges an.
Wichtig ist auch der methodische Gewinn der Arbeit, besonders
für die Erkenntnis der Arbeitsweise desLivius. Der Verfasser geht
den livianischen Quellen nach und eröffnet manchen Ausblick in das
dunkle Gebiet der Annalisten, von denen er namentlich die jüngeren
als Gewährsmänner des Livius annimmt. Ebenso interessant ist der
Einblick in die Werkstätte der nachlivianischen Historiker, wobei sich,
entgegen der bisherigen Ansicht, die von Wölfflin (Archiv f. Lexicogr.
und Gramm. XII S. 333— 344 ; XIII S. 69-97 und 173— 180) aufgestellte
These in vollem Umfang bestätigt, daß selbst die spätesten Epitomatoren
und Breviarien verfertiger nicht mechanisch abschneben, sondern viel-
fach kontaminierten.
So finden wir die auch in der Eornomannschen Schrift (Die neue
Livius-Epitome aus Oxyrhynchus, Leipzig 1904) aufgestellten (Grund-
sätze für die Behandlung der Nachlivianer uud ihres Verhältnisses zum
Liviusoriginal bei der Rekonstruktion eines wichtigen Teiles der livia-
nischen Darstellung mit Umsicht und Sachkenntnis angewandt und zu-
gleich bestätigt. Das Buch wird in stofflicher und methodischer Hin-
sicht beim Studium der behandelten Epoche wie für die Kenntnis der
Arbeitsweise des Livius und seiner Nachfolger Gewinn und mannigfache
Anregung bieten.
Rottweil. Kottraann.
Oeorg Webers Lehr- und Handbuch der Weltgeschichte.
21. Auflage. Vollständig neu bearbeitet von Prof. Dr. Alfred
Baldamus. Leipzig, Engelmann, 1902 ff.
Webers zweibändiges Lehrbuch erscheint nunmehr in einer neuen
Auflage in vier Bänden, von denen der erste (Altertum) von Prof. Dr.
Ernst Schwabe in Meißen, der zweite (Mittelalter) von Baldamus selbst,
der vierte (Neueste Zeit seit 1789) von Moldenhauer und Baldamus be-
arbeitet sind. Der erste Band, der im ersten Druck mancherlei Schwächen
aufwies, wird in einem Neudruck vorgelegt. Band 111 (1517 — 1789)
wird von den Professoren Dr. Richard Friedrich und Ernst Lehmann
im Lauf des Jahres 1906 herausgegeben werden. Der alte Weber ist
das nun freilich nicht mehr; die Umänderungen waren naturgemäß so
groß, daß tatsächlich ein fast völlig neues Werk entstanden ist, da»
unter der alten, Tausenden lieb gewordenen Flagge ausgeht. Aber es
ist eine Freude, daß wir ein Werk erhalten haben, das zwischen viel-
bändigen Weltgeschichten und mageren Grundrissen die Mitte hält, und
Literainscher Bericht. 385
4a8, obscbon iu seinen einzelnen Teilen ungleich, doch im großen die
wichtigsten Hauptergebnisse, des jetzigen Wissens weiteren Kreisen
vermittelt.
Stuttgart. G. Egelhaaf.
Lesebueli für die zweite Klasse der filementarschulen luid
höheren Mädchenschuieji von J. Gomroel und M. Schick,
Oberlehrer an der Elementarschule in Stuttgart. Verlag von
J. F. Steinkopf in Stuttgart; 1905.
Wir freuen uns des Erscheinens eines neuen Lesebuchs für Elementar-
schulen anzeigen zu können, welches nach seinem Inhalt sowohl als auch
nach seiner äusseren Ausstattung sich dem „Deutschen Lesebuch für
die höheren Schulen Württembergs" würdig an die Seite stellt und die
von demselben offen gelassene Lücke aufs beste ausfüllt. Es ist hervor-
gegangen aus der praktischen Erfahrung zweier bewährter Elementar-
lehrer und dem vorgeschriebenen Lehrplan sowohl als auch den Fähig-
keiten und Bedürfnissen der Schüler des 2. Schuljahrs angepaßt. In
erster Linie soll es ein gediegenes Buch zum Lesen sein, durch dessen
vollständige Behandlung die Schüler diejenige Lesefertigkeit erlangen
sollen, die sie beim Eintritt in die höheren Schulen brauchen. Ein
Sprachbuch soll es zunächst nicht sein; die nötige deutsche Grammatik
soll als ein besonderes Buch daneben hergehen.' Dem Sachunterricht
dagegen soll es auch dienen. Dafür sorgen im besonderen 17 ausgewählte
Beschreibungen. Vor allem aber soll das Buch die Kinder anregen,
ihre Einbildungskraft beleben, ihr Gemüt erwärmen, ihr Herz ermuntern
und begeistern. Dazu dient ein Schatz von 57 Gedichten, darunter
wahre Perlen kindlicher Poesie. Reich vertreten sind sodann das Märchen
und die Fabel (zusammen 50 Nummern), weiterhin die einfache Erzäh-
lung (27 Stücke] und endlich das Rätsel und der Sinnspruch (13 Stücke).
Unter den Yerfassem der einzelnen Lesestücke findet man alte und neue,
zum Teil weniger bekannte Namen. Neben Grimm, Bechstein, Chrof,
Schmid treten Andersen, Seidel, Dieffenbach, Trojan auf. Der in dem
Buche waltende Geist ist dem christlichen Glauben und christlicher Sitte
angemessen. Was ein frohes Kinderherz befriedigen kann und soll,
kommt darin zum Ausdruck, auch Lust, Scherz und Humor. Kurz, es
ist ein schönes Buch, in welchem auch Erwachsene gerne lesen, welches
Mütter vielleicht als Kinderbuch fürs Hans benützen werden.
Insbesondere aber wird für die Schüler an der Hand dieses Buches
der Gang durch das Schuljahr von Herbst zu Herbst ein erfreulicher
werden, so daß sie am Ende des Sommerhalbjahrs mit Lust und Befrie-
digung das prächtige Schlußgedicht von H. Weidul lesen können : Hurra,
Hnrra! Nun sind die Ferien da! F.
386 Literarischer Bericht.
Die Schwaben iu der Literatur der Gegenwart von Dr. Tli.
K 1 a i b e r. 142 Seiten. Stuttgart, Strecker & Schröder, 1905.
Ich habe vor Jahren hier aaf das Werk hingewiesen, das anser
Landsmann Klaiber — in Gemeinschaft mit 0. Lyon — veröffentlichte:
„Die Meister des deutschen Briefs^. Das kleine Bündchen, das er uns
heute bietet, kann ebenso warm empfohlen werden. Es ist in der Haupt-
sache aus einem im Stuttgarter Zweigverein des Allg. Deutschen Sprach-
vereins gehaltenen Vortrag erwachsen.
Denen „dort draußen in der Welt", die da glauben möchten, es
habe einmal eine schwäbische Dichterschule gegeben, aber seitdem sei
im Schwabenlande längst aller Sang verschollen, will das Büchlein zu-
rufen: „die Nasen eingespannt, auch manchen Mann, auch manchen
Held gebar das Schwabenland^'. Und auch wir Schwaben haben es
nötig, daß wir auf sie aufmerksam gemacht werden. Hat mir doch
manch ein Freund nach dem Vortrag gestanden, er habe heute zum
erstenmal von einem so eigenartigen, phantasie- und spracbgewaltigen
Dichter wie£duard£ggert gehört, und mir ging's ebenso ! Und der Kenner
wird erst recht entzückt sein von den feinsinnigen Würdigungen und
anschaulichen Charakterschilderungen eines andern Kenners, der selbst
Künstler ist. Wenn Klaiber von Isoide Kurz sagt „neben den präg-
nanten, sentenziösen Betrachtungen und Bemerkuuf^en, die sie da und
dort wie Goldkörner hinstreut, geben besonders auch schöne, blanke
Bilder ihrer Sprache einen festlichen Glanz^, so kann man dasselbe von
seiner Darstellung rühmen. Man höre, wie der Eindruck von K. G. Voll-
möllers Dichtung wiedergegeben wird: „Das Ganze erinnert an alte
Gobelins, die in verlasseneu Sälen hängen. Oft wandelt uns bei dieser
und ähnlichen Dichtungen etwas an von den seltsamen Angstgefühlen, die
wir in langen hallenden Korridoren leerer Schlösser empfinden, wo alte
Waffen an den Wänden klirren und vor den Fenstern hohe Ulmen sich
stöhnend wiegen**. Ist das nicht selbst wieder Poesie ? Ebenso köstlich
ist in der Einleitung die Schilderung des Liedeifrühlings, der mit
U bland und seinen Freunden angebrochen ist: „Leise verschwebend,
wie Lieder der Mädchen im fernen Wiesengrund, bald frischer und
kecker, bald wehmutsvoll, glitten Kerners volkstümliche Weisen darüber
hin. Wie ein tanzender Mückenschwarm im Sonnenschein blitzten und
leuchteten Karl Mayers zierliche Liedchen^. Überall ist das Gesagte
veranschaulicht und belegt durch Proben, und überall sind diese Proben
bezeichnend für die Grundanschauung und Grundstimmung, wie für den
Stil des Dichters: so für Christian W^agner „die Anemonen*, für
CaesarFlaischlen „D.is ist das Lcben*^, f ür H. H e s s e die Betrach-
tung über die Wolken aus dem ,,Petcr Camenzind*" etc. Für die Stil-
eigentümlich keiten hat Klaiber ein äusserst feines Ohr; stilistische
Betrachtungen, Vergleichung mit den sonst in der modernen Literatur
hervortretenden Richtungen bildeten bei dem Vortrag das einigende
Literarischer Bericht. 387
Band, das mancher hier ungern vermissen wird. Bescheiden schließt
der Verfasser: „Ein liebevoller, feinhöriger Spürsinn hat hier ein weite»
Feld der Betätigung. Zunächst aber ist es notwendig, überhaupt ein-
mal sich eine Vorstellung und ein Urteil darüber zu bilden, was die
Schwaben in der Literatur der Gegenwart bedeuten und leisten.'^'
Möehteu sich doch recht viele auf diesem Feld betätigen an der Hand
dieses trefflichen Führers!
Stuttgart. Mann.
Körner; Lehrbuch der Physik für höhere Lehraustalten,
bearbeitet von Professor Dr. Richter. 6 Mk. 533 S. Leipzig
und Wien; Franz, 1900.
Bei vorliegendem Werke handelt es sich um die deutsche Ausgabe
eines in Österreich sehr verbreiteten Lehrbuches. Dasselbe berück-
sichtigt namentlich die praktischen Anwendungen der Physik. Eine
Menge Apparate der technischen Mechanik, die man in andern Physik-
bücbem wohl kaum finden dürfte, sind in wohlgelungenen, eleganten
und einfachen Figuren abgebildet: Materialprüfungsmaschinen für Ab-
scher-Drack-Zugfestigkeit, Gasmotoren, Wasser- und Windmotoren,
Dampfmaschinen, Eismaschinen, sehr viel Meß- und Präzisionsapparate,
die verschiedenen Dynamomaschinen, Telegraphen und drgl. sind aus-
führlich behandelt. Die Mechanik wird weniger rechnend als praktisch
durchgeführt; die Entwicklungen sind einfach, manchmal unter sicht-
licher Vermeidung trigonometrischer Funktionen (z. B. S. 56: Ausschlag
einer Analysen wage). Es dürfte jeder Lehrer Neues durch das Buch
erfahren. Ausserdem sind zahlreiche Aufgaben, besonders auch aus
der Elektrotechnik, eingeschaltet und gelöst. Meterologie, Nautik und
Astronomie finden Berücksichtigung.
Die Mechanik ist mit dem relativen Maßsystem durchgeführt (Kraft
das kg), Elektrizität und Magnetismus dagegen mit dem absoluten Maß-
system; diese doppelte Art der Rechnung wäre besser unterblieben.
Das absolute Maßsystem ist sehr dürftig durchgeführt und nicht immer
einwandsfrei, so steht Seite 352: „Die Horizontalkomponente des Erd-
magnetismus ist 0,176 Dynen". Den Zusammenhang von Ohm, Volt
und Amp. mit dem absoluten Maßsystem umgeht der Verfasser, indem
er das Amp. durch die ausgeschiedene Kupfermenge, das Ohm durch
die Quecksilbersäule definiert; ebenso fehlt auch dem Buch der Poten-
tialbegriff. Dagegen sind die Kraftlinien, ihre Bedeutung und Dar-
stellung ausführlich behandelt. 8. 46 wird die lose Rolle als einarmiger
Hebel aufgefaßt (wie ja allgemein üblich). Ich halte dies für unzu-
lässig, da der Drehpunkt variabel. Die ganze Entwicklung, welche
IVs Seite einnimmt (und ähiiliche Entwicklungen auf den folgenden
Seiten) hätten bedeutend gekürzt und weit allgemoiner gegeben werden
388 Litentriscber Bericht.
könneD. Als Beispiel! An der losen Rolle ist Gleichgewicht, wenn
die Resultante der auf sie wirkenden Kräfte, wie viel es anch sein
mögen, Null ist. Es wirken P, P, Q, also muß die Resultante aus den
beiden P gleich und entgegengesetzt Q sein. Die Ähnlichkeit zweier
Dreiecke gibt dann sogleich P = Q •
S. 54: Bei der Analysenwage iät vollkommene Symmetrie und
gleiches Gewicht der Schale nicht erforderlich, wie der Verfasser glaubte
(vgl. Kohlrausch, praktische Physik). S. 56 fehlen Schrauben am Ende
der Wagebalken zur Einstellung auf Null.
S. 109 ist bei Umrechnung der Aräometergrade in spezifisches
Gewicht von einer empirischen Formel die Rede, diese Formel ist aber
eine streng mathematische, in der die spezifischen Gewichte von zwei
gewissen Kochsalzlösungen auftreten.
S. 149 findet sich das Grahamsche Diffusionsgesetz, dieses ist aber
bekanntlich experimentell widerlegt worden; S. 821: Neben den zwei
aufgeführten Methoden zur Bestimmung der spezifischen Wärme der
Gase bei konstantem Volumen hätte eine weitere, die einfachste,
die auf drei Ablesungen eines AneroYdbarometers unter dem Rezipienten
sich stützt, erwähnt werden können. S. 335: Die aufgenommene Be*
Stimmung des Wärmeäquivalents nach Puluy ist sehr lobenswert;
indessen gibt es noch eine andere, weit einfachere Bestimmung von
Oantoni-Gerosa: Fallenlassen von Quecksilber, Bestimmung der
Temperatur desselben vor und nach dem Fall, Berechnung der Wärme-
menge aus der spezifischen Wärme des Quecksilbers.
Stuttgart. Ruoss.
Kleiber, Lehrbuch der Physik zum Gebrauch an realistischen
Mittelschulen. 4 Mk. 280 S. München, Verlag Olden-
bourg, 1900.
Unter Ausscheidung aller Probleme, die nur auf Grund einer ver-
kappten Differenzial- und Integralrechnung zu erledigen sind, hat der
Verfasser ein nach methodischen Grundsätzen geschriebenes Schulbuch
herausgegeben. Die wichtigen Formeln und Gesetze sind mit Schildern
im Texte eingerahmt, was der Übersichtlichkeit sehr zustatten kommt.
Die Mechanik ist anschaulich und elementar behandelt. Die nähere
mathematische Vertiefung derselben erfolgt in passender Weise erst
am £nde des Buches ; das dort Behandelte ist mustergültig, es schließt
ab mit der Lehre von der Energie. In der Elektrizität und dem
Magnetismus sind den Kraftlinien und den praktischen Maßen (Volt
usw.) besondere Aufmerksamkeit geschenkt, ohne an den Schüler größere
Vorkenntnisse als die der 4 Spezies zu stellen. Figuren und Text sind
klar und deutlich. Das Buch muß als Schulbuch empfohlen werden
Literarischer Bericht. 389^
S. 9 statt „Molekulare Poren^ würde man besser Intermolekular*
räume sa^en. Der Nachweis der intermoleknlarräume für Flüssigkeiten
und Gase fehlt, er würde weit anschaulicher als der aufgeführte Ver-
such Pettenkofers zeigen, daß die Körper den Kaum nicht vollständig
erfüllen.
S. 83: Die Auffassung des Drehmomentes als Kraft ist zwar un-
gewöhnlich, kann aber in vorliegender Fassung gebilligt werden. S. 96^
fehlt das vertikale Maximum- und Minimumthermometer. S. 103 hätte
die Ausdehnung fester Körper in einfacherer Weise dargetan werden
können: Einspannung eines Stabes an einem Ende in ein Stativ, er-
wärmen an diesem Ende von unten mit einem Bunsenbrenner; es er-
folgt dann Hebung des freien Endes.
S. 109: Beim „Wärmeinhalt des Menschen und Ration eines Eskimos
nach Liebig^ hätten die neueren physiologischen Ergebnisse, die
Vierorotsche Ration und ihr Wärmewert angegeben werden sollen,
weil dieselben für Massen Verpflegungen als Grundlage dienen.
S. 120 und 123: Der Unterschied zwischen eigentlichem Gas und
kondensierbarem Gase ist unberechtigt und wäre besser unterblieben.
S. 148: ^Der Nachweis, daß ein in den magnetischen Meridian ge«
haltener Eisenstab uhignetisch wird, läßt sich nur mit einer sehr kleinen,
schwachen Magnetnadel nachweisen*' ist nicht richtig; eine lange,
starke ist ebenso gut dazu geeignet. Es fehlt hier eine Angabe über
experimentelle Bestimmung von Polen oder aber über das magnetische
Paradoxon. S. 147: Hier ist zum ersten Male, ganz unvermittelt, von
einem Dyn = V««? g die Rede; der Referent glaubt, daß in der voraus-
gehenden Mechanik die Einführung schon möglich gewesen wäre.
S. 148: „Horizontale Komponente des Erdmagnetismus ist gleich V»
Dyn". Dies sind doch eigentlich bei der Dimension g *^» cm ~ '^« sec *" *
keine Dynen! S. 152 und S. 216: Die Einführung neuer oder alter,
entbehrlicher Begriffe und Maße kann der Referent nicht billigen, der
Schüler hat mit dem Verständnis der vorhandenen schon seine Mühe, also
L£ (Ladungseinheit statt eloktrostatischer Einheit) und SM (Sieraensmeter)
wären besser unterblieben. S. 156: Potendal-Elektrizitätsgrad, 1 Volt-Ein-
heit des Elektrizitätsgrades. Ich glaube nicht, daß durch eine solche Einfüh-
rung ein tiefgehendes Verständnis erreicht wird; namentlich vermisse ich
hier den Unterschied zwischen Dichte der Elektrizität und Potential. S. 168
ist die Wirkung der Influenzmaschine wirklich gut und einfach er-
läutert, wie es Referent noch nirgends getroffen, auch ist die Figur
die denkbar einfachste.
Der Referent will nicht unerwähnt lassen, daß am Schlüsse dea
Buches eine Biographie von Galilei, Guericke, Newton, Ohm, Caraday
und R. Mayer angefügt ist.
Stuttgart. Ruoss.
390 Literarischer Bericht.
Darstellende Geometrie mit Einschluß der SchatteHkonstruk-
tionen und der Perspektive. Als Leitfaden fttr den Unter-
richt an technischen Lehranstalten, Oberrealschulen und
Realgymnasien, sowie zum Selbststudium herausgegeben von
Dr. Max Bernhard, Professor an der K. Baugewerkschule
Stuttgart. Mit 311 Figuren im Texte. Zweite, verbesserte
und stark vermehrte Auflage. Preis brosch. 5.20 Mk., geb.
5.80 Mk. Stuttgart, Heinrich Enderlen, K. Hofbuchhändler,
1905.
Die vor kurzem erschienene zweite Auflage des Berahardschen
Lehrbuchs weist gegenüber der ersten Auflage von 1901 eine Reihe
von einschneidenden Änderungen auf; es dürfte deshalb eine erneute
Besprechung des Buches in diesen Blättern am Platz sein. Referent
benützt gerne die Gelegenheit, sich über das Bemhardsche Werk aus-
zusprechen, das er seit dessen Erscheinen kennt und dem Unterrieht
zugrunde legt.
Beginnen wir mit der Frage der Bezeichnung. Es ist ein un-
zweifelhafter Vorzug, daß bei Beruhard eine bestimmte Bezeichnung
der Raumgebilde und ihrer Projektionen konsequent durchgeführt ist,
und wir können nicht zugeben, daß die Bemhardsche Bezeichnung
umständlicher sei, als etwa die Giiglersche, welche wohl in Württem-
berg noch am meisten gebraucht wird und z. B. auch bei Göller,
Schattenkonstniktionen und Beleuchtungskunde auftritt. Wer übrigens
an Bezeichnungen, wie 5'"' in Fig. 188 und ahnlichen Anstoß
nimmt, mag fär seine Zwecke eine andere wählen; es wird dies, wie
ich aus Erfahrung versichern kann, keinerlei Schwierigkeiten bereiten,
man hat ja ohnehin, sobald der Schüler einigermaßen vorgeschritten
ist, kaum mehr nötig, von den Projektionen usf. viel zu reden, sondern
es genügt, den stereometrischen Gedanken klar zu legen. Daß auch
die Technische Hochschule die Bemhardsche Bezeichnung bevorzugt,
dürfte gleichfalls für die Annahme der letzteren sprechen. Im ganzen
legen wir aber diesem Punkt überhaupt keine entscheidende Be-
deutung bei.
Die Vorzüge der ersten Auflage sind bekannt: musterhafte Klar-
heit des Textes, der niemals zu kurz und niemals zu ausführlich ge-
halten ist, die Figuren fast alle von einer Schönheit und Anschaulich-
keit, wie sie wenig andere Werke aufweisen, in der Stoffwahl eine
weise Beschränkung auf das Notwendige und praktisch Verwertbare, da-
zu die stete Heranziehung von Aufgaben aus dem Gebiet der Anwendungen.
Gerade die letzteren Aufgaben gewähren eine nie versiegende Fülle von
Anregungen ; insbesondere sind die Schattenkonstruktionen von größtem
Wert und, wie Verfasser mit Recht betont, so bald als möglich zur
Belebung des Unterrichts einzuflechten.
Literarischer Bericht. 391
Daß einige Icleine Versehen der 1. Auflage (z. B. b" und c" in
Fig. 201 der 1. Auflage vertauscht) berichtigt und einzelne Figuren
durch andere (vgl. z. B. Fig. 138 der 1. Auflage und Fig. 179 der
2. Auflage) ersetzt sind, ist hervorzuheben; der Text hat eine sehr sorg-
fältige Durchsicht erfahren.
Mit besonderem Dank begrüßen wir, daß der Verfasser den ver-
alteten Konstruktionsinethoden (besonders mit Benützung der Ebenen-
spuren), wie sie so manches Lehrbuch ftlllen, nur einen engen Raum
gewidmet hat, um dafür den praktischen Anwendungen Platz zu schaffen.
Es verhält sich hier ähnlich, wie in der Trigonometrie, wo nicht oft
und scharf genug betont werden kann, daß nur die stete Bezugnahme
auf die Aufgaben der geodätischen Praxis den Unterricht anregend
gestaltet und weit wichtiger ist als die Beschäftigung mit Problemen,
die mit algebr.iischen und geometrischen Künsteleien gespickt sind.
Es ist nicht richtig, daß durch Betonung der praktischen Aufgaben
der Unterricht den Charakter eines Fachunterrichts erhalte; im Gegen-
teil, gerade für solche Schüler, die später sich anderen Studien widmen,
ist es besonders wertvoll, einen Einblick in die Anwendungen der
Mathematik zu erhalten.
Neu hinzugekommen sind u. a. Bemerkungen über ebene Kurven,
ihre Krümmungsverhältnisse, singulären Punkte usf., sowie die Rekti-
fikation des Kreises. Ober Raumkurven findet sich nicht viel, wer
diese aber ausführlicher behandeln will, wird leicht die nötigen Er-
gänzungen hinzufügen; zahlreiche Figuren des Buches geben Anhalts-
punkte hiefür. Die Kegelschnitte haben eine gründlichere Behand-
lung erfahren, alles ist mit mustergültiger Knappheit und Eleganz ent-
wickelt, so ist unter anderem die Herleitung des Satzes über die Brenn-
punktseigenschaft der Ellipsentangente aus dem Prinzip von Roberval
von verblüffender Einfachheit. Daß z. B. für die Krümmungshalbmesser
der Ellipse die Ergebnisse der Rechnung benützt sind und auch an
anderen Stellen sich Hinweise auf die analytische Geometrie finden, wird
jeder Sachverständige billigen; mit kunstvollen und mühsamen synthe-
tischen Beweisen ist für die Schule nichts gewonnen. Einige Begriffe der
projektiven Geometrie sind mit Geschick und Takt verwendet. Mit
Freude haben wir auch die Konstruktion von Rytz für die Achsen der
Ellipse aus konjugierten Durchmessern dem Werk einverleibt gefunden.
Bei der Parabel wäre vielleicht die der Fig. 132 entsprecbende
Konstruktion durch Einteilung der Seiten eines Rechtecks beziehungs-
weise 'ParallelogramiBS noch hinzuzufügen; sie ist bequemer als die
Brennpunktskonstruktion und nicht minder genau.
Bei den neu aufgenommenen Fehlerkurven ist eine Auswahl ge-
troffen, die nur gebilligt werden kann; mit Hilfe einer Fehlerkurve
lassen sich z. B. in Fig. 197 die am weitesten links und rechts ge-
legenen Punkte der Schnittkurve ermitteln, wie dies de la Goumerie
392 Literariseher Berich'
ausgeführt hat. Neu sind «'luch die Kollkurven, es ist hier mit Kürze
und Klarheit alles wesentliche zum Teil durch kinematische Betrach-
tungen abgeleitet.
Von weiterem Neuen erwähnen wir die konstruktive Durchführung
einiger Aufgaben: Schnitt eines Kegels (und eines Drehungsparaboloids^
mit einer Dreiecksebene, Durchstoßung einer Geraden mit einer Kugel.
Bei den Drehflächen sind hinzugekommen: die Darstellung der
Flächen mit geneigter Drehachse, die Unterscheidung der drei Typen
von Flächenpunkten, der Schnitt der Ringfläche mit einer Berühruags-
ebene. Hier lassen sich leicht vom Lehrer Bemerkungen über die
Indikatrix anknüpfen und auch für die Fig. 197, 218, 223 verwerten,
wo die Tangenten in einem Doppelpunkt zu konstruieren sind.
Sehr nützlich werden sich ferner die • nunmehr in weit größerer
Anzahl gestellten Übungsaufgaben erweisen ; zum Teil sind es Prüfungs-
aufgaben der Technischen Hochschule. Durch Angabe bestimmter
Maße sind der konstruktiven Ausführung die Wege geebnet.
Die Aufgaben über Durchdringungen bilden nach Auswahl und
Behandlung einen Glanzpunkt des Bernhardschen Buches. Neben zahl-
reichen neuen Übungsaufgaben erwähnen wir die Bestimmung der
scheinbaren Doppelpunkte in Fig. 227, sowie das in Nr. 15 8. 187 ge-
gebene Verfahren zur Ermittelung des Durchschnitts zweier Drehflächen,
deren Achsen einander nicht treffen. Zu den früheren Beispielen aus dem
Hochbau sind nun auch solche sluh dem Maschinenbau getreten; natür*
lieh wird hier der Lehrer das auswählen, was seiner Neigung und der Ver-
anlagung der Schüler entspricht; es ist ja Abwechslung in diesen Dingen
sehr erwünscht. Wem aber diese Anwendungen zu weit gehen, der
mag sie ohne Schaden des Zusammenhangs überschlagen.
Bei den Schattenkonstruktionen, deren Wert schon oben betont
wurde, sind u. a. hinzugefügt die schief gestellten zylindrischen Flächen
und der hübsche Satz über den Schlagschatten der Schraubenlinie.
Die Weglassung der Beleuchtungslehre ist vom Standpunkt der würt-
tembergischen Oberrealschule aus zu billigen, da die Anfertigung von
Licbtstufenzeichnungen bekanntlich eine ziemlich zeitraubende Arbeit ist.
Der neu hinzugetretene Abschnitt über Zentralperspektive führt
den Aufanger in außerordentlich geschickter Weise in dieses Gebiet
ein, so daß er befähigt sein dürfte^ auch schwierigere Zeichnungen in
dieser Projektionsart auszuführen. Hauptsächlich durch die Aufnahme
dieses Abschnitts hat sich der Umfang des Buches vermehrt; wir er-
blicken aber in dieser Vermehrung zugleich eine erhebliche Verbesserung.
Vielleicht dürfen wir noch einem Wunsch Ausdruck geben. Sollte
es sich mit den Zwecken des Buches vereinigen lassen, so wäre es sehr
erwünscht, wenn die Flächen zweiter Ordnung und die Konoidflächen,
die ja auch technisch verwertet werden, in der nächsten Auflage Be>
rücksichtigung finden könnten. Nach Ansicht des Referenten würde
Literarischer Bericht 393
es sich nar nm wenige Figuren mit kurzem Text handeln; die Be-
gründong könnte der analytischen Geometrie überlassen bleiben. Um
den Umfang des Bnches nicht zn sehr anschwellen zu lassen, dürfte
yielleioht die stereometrische Einleitung etwas gekürzt werden.
Wir sind so dem Verfasser in raschem Gang durch sein Terdienst«
volles Werk gefolgt und fassen unser Urteil dahin zusammen: das
Bemhardsche Werk ist in hohem Grad geeignet, der darstellenden
Geometrie und ihren Anwendungen neue Freunde zn erwerben. Mögen
auch diejenlgoi Kollegen, welche bisher dem Buch femer standen, einen
Versuch nicht scheuen ; selbst wer die Anwendungen ganz verschmäht,
wird auch aus dem theoretischen Stoff Vorteile ziehen, und wäre es
nur der eine Vorteil, daß weniger Zeit durch Diktieren verloren geht.
Göppingen. Dr. Hack.
Baur, Ludwig, Professor am K. SchuUehrerseminar in Sanlgau,
Reehenbuch in Aufgaben und Auflösungen sowie zum
Selbstunterricht. 3. Auflage. Stuttgart^ Steinkopf.
Der Verfasser hat in früheren Jahren eine vornehmlich Hir reifere
Schulamtszöglingeund angehende Lehrer bestimmte „Aufgabensammlung^
und in einer besonderen Schrift ^Resultate nebst Auflösungen und
Erläuterungen zu den arithmetischen Aufgaben^ veröffentlicht und später
bei einer Neuauflage „Aufgabensammlung*^ und „Erläuterungen*' in
einem Buch zusammengefaßt und miteinander verschmolzen. Von
diesem „Rechenbuch** ist nun eine weitere (3.) Auflage erschienen, welche
durch Aufnahme neuer und gründlichere Behandlung früher schon ent-
haltener Rechnungsarten zu einem wirklichen Lehrbuch der Arithmetik
ausgestaltet wurde. Dasselbe gliedert sich in folgende 13 Abschnitte:
L Die 4 Grundrechnungsarten mit reinen und benannten ganzen
Zahlen ; II. Sätze, Fragen und Aufgaben aus der Zahlentheorie ; III. die
4 Grundrechnungsarten mit Brüchen; IV. Verwandlung der gemeinen
Brüche in Dezimalbrüche und umgekehrt. Abgekürzte Multiplikation
und Division; V. einfache und zusammengesetzte Schlnßrechnung..
Kettensatz; VI. Prozentrechnung; VII. Zinsrechnung; VIIL Staats- und
Wertpapiere, Aktien ; IX. Rabatt- und Diskontorechnung ; X. Terminrech«
nung; XI. Teilungsrechnung ; XII. Mischungsrechnung; XIII. Vermischte
Aufgaben. — Anhang: Münz-, Maß- und Gewichtsverhältnisse. —
Die ganze Anlage des Buches verrät den praktischen Schulmann.
Der Rechenstoff ist in seinen einzelnen Abschnitten nach dem Grad der
Schwierigkeit und Zusammengehörigkeit in der Weise geordnet, daß
jeder Abschnitt mit leichteren Aufgaben beginnt und durch Beiziehung
neuer Verhältnisse zu schwierigeren Fällen aufsteigt, welche jedoch
durch ihre Aufeinanderfolge so vorbereitet werden, daß der Schüler
XoTraspondensbUtt 1906, Heft 10.
394 Literarischer Bericht.
bei deren Lösung keinen besonderen Schwierigkeiten mehr begegnen
sollte. Eine Reihe sogenannter algebraischer Aufgaben wurde unter
der Bezeichnung „Denkübungen" nach dem Grade der Schwierigkeit
denjenigen Abschnitten des Buches beigegeben, zu denen sie nach ihrer
rechnerischen Bedeutung gehören. Durch anschauliche Erklärungen und
durch instruktive, an geeigneten Stellen eingefügte Musterbeispiele mit
Lösungen wird der Wert des Buches noch erhöht. Ein reichhaltiger
Abschnitt „vermischter Aufgaben^ dürfte — abgesehen von Repetitions>
zwecken — namentlich dazu dienen, die Selbstständigkeit des Schülers
zu erproben und zu fördern und denselben anzuleiten, für die einzelnen
Aufgaben die geeignetste Lösungsform zu finden und anzuwenden. Das
Buch ist zunächst für Präparautenschulen bestimmt, eignet sich aber
bei seiner vorzüglichen Darstellung und Behandlung des Rechenstoffes
in gleicher Weise für andere Unterrichtsanstalten, sowie zum Selbst-
unterricht. Es zählt unstreitig zu den besten Lehrbüchern der Arith-
metik und verdient die Beachtung der weitesten Kreise.
K. Zink.
Meyers Grosses Konyersations Lexikon, 6. Aufl.; Band IX:
Hautgewebe — Jorncus^ und Band X: Jonier — Eimon. Leipzig,
Bibliographisches Institut, 1905.
Die beiden Bände bieten wieder eine Fülle von Belehrung und
Anregung in den einschlägigen Artikeln und den vortrefflichen Illustra-
tionen, die beigegeben sind. Die Freunde der Naturwissenschaft und
Technik, der Geschichte und Altertumswissenschaft, der Geographie und
der politischen Wissenschaften kommen gleichermaßen auf ihre Rechnung,
und Artikel wie ,,Japan^ zeigen das erfreuliche Bestreben, Gründlich-
keit mit Berücksichtigung der aktuellsten Gegenwart zu vereinigen;
wo der Gegenstand eigene Stellungnahme des Verfassers erfordert, wird
dieser nicht ausgewichen, aber jede aufdringliche Geltendmachung des
eigenen Standpunktes und alle Polemik vermieden. Tafeln, wie die
der bildlichen Darstellung der „Hochzeitkleider'' (von Tieren) oder der
Käfer gewidmeten, zeigen eine Verbindung von Naturwahrheit und
Schönheit der Ausführung, die den weitestgehenden Ansprüchen genügen
dürfte. Es sind nur wenige und nebensächliche Bemerkungen, die ich
nach dem Durchlesen einer Reihe von Artikeln zu machen habe. Ein
Bildnis Hebbels wäre wohl vielen Lesern willkommen. Daß die Wieder-
herstellung des Ott-Heinrichbaues in Aussicht stehe, ist vielleicht zuviel
gesagt, wie denn der Verfasser selbst auf der nächsten Seite (61) von
einer Agitation gegen die Wiederherstellung des Heidelberger Schlosses
spricht. Zu dem Artikel Homberg, der es lediglich mit der badischen
Stadt im Kreis Villingen zu tun hat, wird eine Monographie über die
Neu erschienene Bttcher. 395
«Barg Homberg am Neckar^ zitiert, die mit der im Schwarzwald gelegenen
Stadt nichts zu tun hat ; die Barg, die dem Götz von Berlichingen ge-
hörte und in seiner letzten Lebenszeit als Wohnsitz diente, hätte eine
selbständige £rwähnang verdient. Im Artikel Kimon wird Kition als
Stützpunkt der phönikischen Macht auf der Insel Kypers bezeichnet;
von phönikischer Macht kann aber für jene Zeit doch eigentlich nicht
die Rede sein, sondern nur von persischer Macht, deren Stützpunkt die
phönikische Stadt Kition war.
Cannstatt. Th. Klett
Neu ersohienene Bücher.
0^* B«i d«r grossen Kenga der uns sugebenden neuen literarisohen Srsehelnnugen
ist es ans unmöglich, Jede im eins^Inen su besprechen. Die Titel der einl«ufenden
Bfleher, die wir susnAhmslos der Kohlhammersohen YerUgsbuchhandlnng su flber-
senden bitten, werden regelmässig im nftohsten Hefte Terflffentlieht ; aufBflok-
sendung der nioht besproohenen fittcher kOnnen wir uns eher nicht einleesen.
Menge, Taschenwörterbuch der lateinischen und deutschen Sprache.
Teil 2, Deutsch-Lateinisch. Berlin-Schöneberg, Langenscheidtsche
Verlagsbuchhandlung (Prof. G. Langenscheidt).
Schmidt, H. von Kleists Werke. 3. Band. Leipzig und Wien, Biblio-
graphisches Institut
Grillparzers Werke. Herausgegeben von Rudolf Franz. S.Band:
Des Meeres und der Liebe Wellen ; 4. Band : £in treuer Diener
seines Herrn ; 5. Band ; Der Traum ein Leben. Ibid.
Württembergische Geschichtsquellen. Herausgegeben von der Württem-
bergischen Kommission ftlr Landesgeschichte. Siebenter Band.
Urkundenbuch der Stadt Eßlingen. [IL Band. Stuttgart, Druck
und Verlag von W. Kohlbammer.
Widmann, Fischer u. Feiten, Illustrierte Weltgeschichte. 2., 3.
u. 4. Lieferung. München, Allgemeine Verlags-Gesellschaft,
m. b. H.
Wilder mann, Jahrbuch der Naturwissenschaften 1904—1905. Frei-
burg i. Br., Herdersche Verlagshandlung.
Meyers Großes Konversations Lexikon. Band 10. Leipzig, Bibliogra-
V phisches Institut.
Stöhr, Leitfaden der Logik in psychologisierender Darstellung. Leip-
zig und Wien, Franz Deuticke.
Haastert,Le Commerce de France samt Wörterbuch. Leipzig, G. Frey-
tag, Wien, F. Tempsky.
Meyer, Differential- und Integralrechnung II. Band. GOschensche
Verlagshandlnng.
Sauer, £uphorion. Zeitschrift für Literaturgeschichte; 11. Band. Leip-
zig und Wien, Carl Fromme.
Nagl u. Zeidler, Deutsch-Österreichische Literaturgeschichte. Ibid.
396 ^®Q erschienene Bücher.
Raich, Fichte, seine Ethik und seine Stellung zum Problem des Indi-
vidualismus. Tübingen und Leipzig, J. G. B. Mohr (Panl Siebeck).
Lamparter, Christliches Glaubensleben. Ibid.
Stephan, Herder in Bückeburg und seine Bedeutung für die Rirchenge-
schichte. Ibid.
S tri gl, Sprachliche Plaudereien. Wien und Leipzig, Leopold Weiss.
Melber, Blätter für das Gymnasial-Schulwesen. Heft 5, 6, 7 u. 8.
München, J. Lindauersche Buchhandlung, (Schöpping).
Schenmann, Von der Eroberung der Landschaft. Dresden, Gewerbe-
Buchhandlung, Ernst Schürmann.
Kalthoff, Schule und Kulturstaat Leipzig, R. Voigtländers Verlag.
Schmalz, Antibarbarus der Lateinischen Sprache nebst einem kurzen
Abriß der Geschichte der lateinischen Sprache und Vorbemerkungen
über reine Latinität von J. Ph. Krebs. Basel, Benno Schwabe,
Verlagsbuchhandlung.
Fr ick, Die Räuber. Schauspiel in 5 Aufzügen von Friedrieh von
Schiller. Leipzig und Berlin, Verlag von B. G. Teubner.
Frick, Gotthold Ephraim Lessing. Philotas, Ein Trauerspiel. Ibid.
Machold, Hermann und Dorothea. Bürgerliches Epos in neun Ge-
sängen von Wolfgang von Goethe. Ibid.
Weise, Ästhetik der deutschen Sprache. Ibid«
Hartmann, Die höhere Schule und die Gesundheitspflege. Ibid.
Vahlen, Abstrakte Geometrie. Ibid.
Fritsche, Shakespeare. The Merchant of Venice. Berlin, Wcid-
mannsche Buchhandlung.
B a d k e , The Gounties of England. Ibid.
Fritsche, Les Pr^cieuses Ridikules. Ibid.
Weissenfeis, Auswahl aus Victor Hugo. Ibid.
Strehlke, Le Gid von P. Corneille. Ibid.
Schmidt, Shakespeares Julius Cäsar. Ibid.
Jonas, Deutsche Aufsätze für die Mittelklassen höherer Schulen. Ibid.
Burda ch, Schiller-Rede. Gehalten bei der Gedächtnisfeier in der
Philharmonie zu Berlin, am 8. Mai 1905. Ibid.
Schneider, Bellum Africanum. Ibid.
Classen, Thukydides. 6. Band. Ibid.
Richter, Xenophon in der römischen Literatur. Ibid.
Schiebe, Zu Ciceros Briefen. Ibid.
Trendelenburg, Erläuterungen zu Piatos Meuexenus. Ibid.
Jahn, Aus Vergils Dichterwerkstätte. Georgica IV. 281—568. Ibid.
Kohlrausch u. Märten, Tumspiele nebst Anleitung zu Wettkämpfen
und Tumfahrten für Lehrer, Vorturner und Schüler höherer Lehr-
anstalten. Hannover und Berlin, Verlag von Carl Meyer (G. Prior).
Müller, Lateinisches Lesebuch nach Nepos, Livius, Curtius, für die
Quarta höherer Lehranstalten. Ibid.
Neu erschienene Bücher. 397
!Zühlsdorff, Die Psychologie als Fundamental Wissenschaft der Päda-
gogik in ihren Grundzügen. Ibid.
Maulik, Gotthold Ephraim Lessing. Laokoon oder über die Grenzen
der Malerei und Poesie. Leipzig, Vorlag von G. Freytag, Wien,
F. Tempsky.
Älschker, Friedrich von Schiller, Maria Stuart. Ibid.
Bünger, Auswahl aus Xenophons Hellenika. Ibid.
£ 1 o u ö e k , Vergilfl Aeneis. Ibid.
Spieß, Die Lyrik des 19. Jahrhunderts. Ibid.
»Christ, Homers Ilias. Ibid.
Klag es, Fremdländisches Liederbuch für gemischten Chor. Berlin,
Groß-Liohterfelde, Chr. Friedrich Vieweg.
JSberhard, Handbuch der Akademischen Vereinigungen an den deut-
schen Universitäten. Leipzig, Verlag von K. G. Th. SchefTer.
Judeich, Topographie von Athen. München, C. H. Becksche Ver-
• lagsbuchhandlung, Oskar Beck.
^enewein, Vom Romantischen bis zum £mpire. Leipzig, Friedrich
Rothbarth, Verlagsbuchhandlung.
.Hahn, Physikalische Freihandversuehe. Unter Benutzung des Nach-
lasses von Direktor Prof. Dr. Beruh. Schwalbe. Berlin, Otto
Salle, Verlag.
Schwering u. Kriraphoff, £bene Geometrie. Freiburg i. Br., Her-
dersche Verlagshandlung.
-Schwering, Sammlung von Aufgaben aus der Arithmetik für höhere
Lehranstalten. Ibid.
Hertens, Hilfsbuch für den Unterricht in der deutschen Geschichte.
IL Teil. Ibid.
Selbst u. Schäfer, Handbuch zur Biblischen Geschichte. Ibid.
-Schwahn, Diktate für die unteren Klassen höherer Lehranstalten.
Leipzig und Berlin, B. G. Teubner, Verlag.
Segger, Rechenbuch für die Vorschule höherer Lehranstalten. Heft 1 — 3.
Ibid.
Weise, Dr. Karl Menges Dispositionen und Musterentwürfe zu deutschen
Aufsätzen. Ibid.
8m olle, Wolfgang von Göthe. Dichtung und Wahrheit. Ibid.
Wickenhagen, Jahrbuch für Volks- und Jugendspiele. Ibid.
•Oüthling, Vergils Aeneide. Ibid.
Wecklein, Ausgewählte Tragödien des Euripides. 2. Bändchen.
Ibid.
Xohlrausch, Lehrbuch der praktischen Physik. Ibid.
^ch eff er, Zentralorgan für Lehr- und Lenimittel. Heft 10. Leipzig,
Verlag von K. G. Th. Scheflter.
JSaure, Auswahl französischer Gedichte für Schule und Haus. Berlin,
Verlag von F. A. Herbig.
398 Ankündigungen.
A 1 1 h o f , OeachkliUtafeln filr die einzelnen Klassen höherer Leliniiietiilten.
Weimar, A. Uiischkc Nachf. (R. BnehmaDn) Hofbiichhandlnng.
FunkeD, 2. Jiiliheft. München, Verlag der Funken Ct. m. Ii. H.
Selbnt n. Schäfer, Hnndbuch zur Biblischen Geschichte. Preiburg'
i Dr., Rerdersche Verlftgshandlunt^.
■Schoell, Der evanKelische Glaube. Ilir die Ge^renwart dargestellt.
Heifbronn, Verlag von Engen Salser.
Dentsches Lesebuch für höhere I^hranstalten. HeraDsgegeben von
Rudolf Lehmann. SechsWr Teil. l. u. H. Halbband. Leipzig,
Verlag G. Preytag.
GQrke, Jules Sandeau. Hadeleine. Hietii ein W'irterbuch. Leipzig,
G. Freytag, Wien, F. Tempsky.
Strohmeyer, Läon (lautier Epop^es Fran^aises. Hiczn ein Wörter-
buch. Ibid.
V. Schnbert-Soldern. Die menschliche Erziehnng. T ilbi Dg en, Verlag
der II. Lauppschen Buehhanillung,
Ankündigungen.
. OeCKCr a.Harz f. 131.
I liefert allein Hoitl88üden anerkannt
I unttbertroffenen Holl&nd. Tmbkk.
Kin 10 Pfd.-Uoutcl fko. «cht Hk.
PHNOS-rHARMONIUMSr-
Köchiier Ribatl Kleinste Raten XOt^r. OinnMe. PlUM* «. HafniBnIiiM
tu «rmlalui; bei Kauf Abiiig *v MIM«. - lllutr. Kataftai gratli-lrai.
RUD. PHTEHT-PUHIIIOS nlf bl* Jstlt unsrrsloM fluttr SllMiiiBallni|l
Wilh. Rudorph, «ÄÄ Gie»»en ffi.
Son @ntft $ol}er (Ulm).
CSwtittT $anb her „'SaiftcnnnBfn t*S ia uirtttttthtxiifita 9tWiltte",
I)(riiuegc)iebtn ddii ber SommiffiDn für Sanbctgtfi^ii^te )
- 182 Ztitm. l«t. 8°, mit iWet(n6(iIaaen. 'P«i* 3 aRatf. — —
(^un^ äfft 9u(^^anblungtn tt^aitli^.)
«ttlag Hon m. 9oWtammtt fn «hrttflart.
Ankündigungen.
399
311 ber ^ert^erfi^en '^ttta^^t^tinhtun^ |tt ^reiSurg im SSrH^gau
ftnb foeben erfi1)ienen unb f önnen burd^ aQe ^^u^^anblungen belogen toetben :
findi, ^eter, «^^TpranVÄr' ^td^enßu^ für hie
nuteten Raffen Qö^eter ^el^tanftatten. 8« (iv u. 286)
2.50 anr. ; geb. in Seintoanb 8 ^f. »eglettlDOrt für ben ^e^ret grati«.
^ad 9u$ fliegt ben ^nforberungen ber ge()cntt>artiQ geltenben ))reußt<
f(^en £e^rp(&ne adieittg geregt au n>erben, inbem ed ^tlfdmittel fein toid
2ur (Sx^klun^ ooQen ^crflänbrnfied ber 9ftec^entt)eifen, )ur (^reic^ung oon
SRec^enoeläufigfeit jur '<öefä^tgung ber @d^üler, bie erworbene gertigfeit auf
bie oerfc^iebenen ^^er^ältntffe M Sebend anjuioenben.
W, mifitlm, c^e9t6ui9 het netgCei^enben f rbSef^rei-
Sung für bie oberen ftlaffen ^ö^erer Se^ranf!alten unb gum @elbft<
Unterricht, ^c^tjel^nte, üerbeff erte Siuflage, bearbeitet r)on Dr. inh-
tttg 92eninann, '^rofeffor ber Q)eogra))^ie an ber UniDerfttat greiburg im
23rei«gau. @r. 8« (XVl unb 892) Smt; geb. in ^albleber 3.60 Wtt.
Sin bem ^runb|}(an be^ ^uc^ed, bad nunmehr auf ein fünfgigja^riged
^efle^en gurücfblicft, ifl nid)td S^cfentlici^ed gcanbert worben; ee ermeift ftc^
feit langer Qtit a{€ ein gefc^ä^ted .^Ufdmittei für ben geograp^ifc^en Unter-
ric^t unb n^irb ber i^m geftedtcn Aufgabe, bem geograi>^i)c^en Unterrit^t in
ben oberen Pfaffen ^ö^crcr Untcrrid^töanilalten — gleichgültig teelc^cr 9lrt
unb »elci^en Se^r))Iand — fon)ie bem <SeIbflunterric^t gu bienen, in oorgügs
lieber ®eife gerecht. [21
@oebeu ift bei und erfd^ienen ber
I. ^anb ber [20
Sfittteml. MUUiin
Sagen unb ®(f4td^tcu
herausgegeben o. ^. Se^rerunt.^iUerein,
192 eciten unb 4 ^oObifber
in l^übfc^em &einn>anbbanb 1 Vif.
ein 8n4 ffir jeben S&ürttemHerger !
S^Unnli u. ^oftntian»
jf^utvata%j ^tnU^attj ^inbenftr. 9.
W. Kohlhammers Verlag, Stuttgart.
^v'syv' ^y\^ w \y ^•>v^
Die antike
Aeneiskritik.
Aus den Schollen und andern Quellen
zusammengestellt von
Professor Dr. M. Oeorn^ü*
Vm u. 570 S.
Preis hroschiert lo Mark.
Schulvorstand
der höheren Lehranstalt
Varel, 4. Oktober 1906.
An der höheren Bttrgerschule
zn Varel (Oldenburg), welche zu
einer für Knaben und Mädchen ge-
meinsamen Realschule aufgebaut
werden soll, wird zu Ostern 1906
ein Oberlehrer
fitr neuere Sprachen gesucht Das
Gehalt wird für den Fall des Auf-
baues auf 8000 bis 6300 Mk. mit zwei-
jährigen Zulagefristen von 300 Mk.
festgesetzt werden.
Die Stelle kann auch durch einen
wissenschaftlichen Hilfslehrer mit
einem Gehalte bis 2600 Mk. besetzt
werden. [6 M
Bewerbungen mit Lebenslauf u.
Zeugnissen sind bis zum 1. Nov. 1905
bei dem unterzeichneten Vorstände
schriftlich einzureichen. Nähere Aus-
kunft wird gern erteilt.
400
AnkQndigungen.
Matlieiiiatiker!
[18
Von einer großen süddeutschen Lebensversicheriingsgesell-
Schaft wird ein staatlich geprOfter Mathematiker mit gaten Zeug-
nissen und nicht Ober 30 Jahre alt zur Unterstützung des ersten
Mathematikers gesucht. Pensionsberechtigte aussichtsvolle Lebens-
stellung. Anerbieten mit Lebenslauf, Photographie und Grehalts-
anspruch vermittelt unter X. Y. Z. die Expedition*
3n ber ^txhnf^tn '9^ta%^^anbtuu^ }u ^rciinrg im Qrei^gan ftnb
foeben erf(^ientn unb fonnen burc^ alle 6uc^^anblungeu belogen merbcn:
»ergoU», «iigeii, l^^r^f^'^'^IX ^tu^xt^nttt ntt6
^1ll(tf(t%» (fin furjcr ßeitfabcn befoiibet« jut JJorbeteitung für ben
antritt an ©^miiapen unb «Rcalfc^ulen. 12« (VIII unb 28) Äart 50 ¥f.
rad ^ü(!blein enthalt in furjer C^ntmicflung bie nötigen iRec^enrecieln
in fotrcftcr unb fürjefler gorm imb Ifl ju gemeinjamcr Arbeit für
Sekret unb ©d^üler befltmmc.
Dressel, Ludwig, S. J., Elementares Lehrbuch
Cler 1: tiySlR nach den neuesten Anschauungen für höhere
Schulen und zum Selbstunten-icht. Dritte, vermehrte und
umgearbeitete Auflage. Mit 665 in den Text gedruckten
Figuren. Zwei Bände. Gr. 8« (XXVI n. 1064) 16 Mk.; geb. in
Leinwand Mk. 17.60.
Der Verfasser will den Leser kurz und bündig, dabei aber doch
zuverlässig und gründlich über den neuesten Stand der physikalischen
Wissenschaft unterrichten. Er hat sein Buch in erster Linie für
solche geschrieben, welche die am Gymnasium und an der Realschule
gebotene Vorbildung erhalten haben und nun ihre Kenntnisse anf-
frischen, vertiefen und erweitem wollen. Den Schwerpunkt seiner
Darstellungen verlegt der Verfasser darein, ein richtiges Verständ-
nis der Forschungsergebnisse zu vermitteln; dabei unterläßt er es
jedoch nicht, auch auf die praktische Verwertung der Wissenschaft^
liehen Forscnungsergebnisse in der Technik und im gewöhnlichen
Leben gehörige Rücksicht zu nehmen.
mUmmn, Dr. Otto, * **Ä"af?r^ ^l^lfoMtfi^e
"^tOpähtUtih für ben ©ijmuafialuntevric^t unb ba« ©elbjtflubium.
2 Xeile. (»r. 8^
(?r|ler ZtiX: »Ofllf* 3n>eite, oerbcfferte Auflage. (IV u. 134)
1.80 Mk. (2.20 K); geb. in ficinwanb 2.30 Mk. (2.80 K.). — gür bie
$anb be« 2cl^rerö (4) gratl«.
grüner Ift erfc^tcnen: 3»citerXeiI: Sm)litif4t ^»«ä^^töflle* (IV
u. 174) 2.40 Mk. (2.80 K.); geb. 2.90 Mk. (8.30 K.). — gut bie ^anb
bed Setter« (6) gratis.
mit Qxtai bed f. f. SO^iniflertum« für jtultu« unb Unterricht in Sien
jum Se^rgebrauc^e an ©^mnaften mit beutfc^er llnterrid)tdf|>ra(^e aügemein
Sugclaffen. [19
Rückblick auf die Yersammlmig deutscher Philologen
und Schulmänner in Hamburg.
So lockend und dankbar es auch wäre^ in breiterer Schilderung
darzulegen, was die alte Hansestadt alles getan hat, um in den
Teilnehmern an der gelehrten Versammlung das lebhafte Gefühl
zu erwecken, auf diesem Boden der Arbeit um die Güter dieser
Erde herzlich willkommen zu sein, so muß ich mir doch versagen,
näher auf diese Seite einzugehen und mich mit der Versicherung
begnügen, daß die Art, wie wir aufgenommen wurden, sowohl den
geistigen Interessen als der Gastfreundschaft der ersten Seestadt
Deutschlands das glänzendste Zeugnis ausstellte ; von den 1600 Teil-
nehmern, unter denen sich 400 Damen befanden, wird jeder mit
aufrichtiger Dankbarkeit an die erhebenden Eindrücke zurückdenken,
die er auch in dieser Hinsicht erbalten hat vom ersten Empfang
an bis zu der von etwa 800 Personen unternommenen Fahrt zur
Ruhestätte Bismarcks im Sachsenwalde.
Nur eine Darbietung machen wir namhaft, die Festaufführuug
des Königs Ödipus von Sophokles und des Kyklops von
Euripides, beide für die Bübne unserer Zeit bearbeitet von A. Wil-
brandt und in Szene gesetzt von dem Regisseur des Deutschen
Theaters Freiherm Alfr. von Berger. Entsprechend der Moderni-
sierung war der Chor viel unmittelbarer in die Handlung herein-
gezogen als dies im Altertum üblich war. Auch war die Darstel-
lung der Tragödie durchaus im Stile des psychologischen Realismus
gehalten, während das Satyrspiel etwas von der Offenbachiade ab-
bekommen hatte. Bei den Philologen strengster Richtung gab dies
Anlaß zu gelehrten Anmerkungen, aus denen sich freilich ergab,
daß auch nach oder vielleicht eben infolge der neuesten eindringen-
den Forschungen über den Ursprung und das Wesen des antiken
Dramas niemand sich eine wirkliche Vorstellung davon machen
kann. Harmloser Genießenden gab die Modernisierung Gelegenheit,
unmittelbar die geradezu erstaunliche Kraft des hellenischen Geistes
zu bewundern, der zwei Hervorbringungen derselben Gattung zu
schaffen vermochte, noch heute die eine von erschütternder Tragik,
die andere von sprudelnder Ausgelassenheit. In gewissem Sinne
bildeten diese Vorführungen den besten Anschauungsunterricht für
die Vorträge, denen wir uns nunmehr zuwenden.
Wie umfassend, ja geradezu allumspannend das Gebiet ist, auf
Korrospondensblatt 1906, Heft 11.
402 Meltzer, Rückblick auf die Verearamlung
ileni äich die deutseben Philologenversammlungen bewegen, mag
zunächst ein kurzer Überblick über die Stoffe lehren, die hier be-
handelt werden. Wir finden da vertreten nicht bloß Philologie und
Archäologie, sondern au(^h alte und neue Kunstgeschichte, Religions-
kunde, Philosophie, Naturwissenschaft und Pädagogik. An die all-
gero einen Sitzungen mit ihrer Einführung in Fragen, an denen die
Gebildeten überhaupt teilnehmen, schlielk^n sich die Verhandlungen
von nicht weniger als 10 Sektionen an; es sind dies die philo-
logische, pädagogische, archäologische, germanische, historiscli-
epigraphische, romanische, englische, indogermanische, mathematisch-
naturwissenschaftliche und orientalische.
Aus der unübersehbaren Fülle greifen wir einiges heraus, was
uns bescmders des Berichtes wert erscheint.
Den Reigen eröffne die Philologie im engeren Sinne! Hier
sprach Prof. H. Di eis aus Berlin über den lateinischen,
griechischen und deutschen Thesaurus. Ausgehend von
dem Gedanken, daß der Zersplitterung im modernen Betriebe der
AVissenschaft doch in der erfreulichsten Weise auch immer stärker
werdende Bestrebungen der Zusammenfassung gegenübertreten, legte
er zunächst den Gang dar, den durch eine lange Reihe von Irr-
tümern und Schwierigkeiten hindurch der lateinische Thesaurus
genommen habe, dessen Vollendung auf Grund der vielen Erfah-
rungen nunmehr in absehbarer Zeit erwartet werden dürfe. Da-
gegen sei der griechische Thesaurus nur eine wenn auch noch so
wohlgemeinte Utopie: denn zu ihm fehle es noch an allen Vor-
arbeiten als da sind kritische Textausgaben, Wortverzeichnisse zu
den einzelnen Schriftstellern, Durchforschung der Mundarten usw.
Auch werde der Umfang und dementsprechend der Preis ins Un-
geheuerliche wachsen. Erreichbar sei bis auf weiteres etwa nur
die Herstellung einer Anzahl von Fachlexika. Endlich der deutsche
Tliesaurus habe zwar bekanntlich an dem Grimmschen Wörterbuch
einen Vorläufer, aber auch nicht mehr. Denn dieses, von Anbeginn
ohne methodischen Plan begonnen, schleppe sich ohne rechte Lebens-
kraft mühselig weiter. Auch hier müsse durch umfassende Vor-
arbeiten erst ein neuer Grund gelegt werden, worauf man dann
etwa in einem halben Jahrhundert an die eigentliche Aufgabe werde
herantreten können. Diesen Ausführungen stellt sich ein Beschluß der
germanischen Sektion zur Seite, in dem die zur Verwirklichung
dieses j^roßen nationalen Gedankens nötigen Schritte näher be-
zeichnet wurden.
deutsclier Philologen und Schulmänner in liamburg. 403
Prof. F. So Im Ben aus Bonn zeigte, daß die griechische
Etymologie durch stärkere Betonung der inhaltlichen und wort-
geschichtlichen Seite einerseits, durch Heranziehung moderner Mund-
Wirten andererseits noch mancherlei lehrreiche Aufschlösse erhalten
könne; bei der Berücksichtigung archäologischer Funde versteht
mau z. B. warum die Böoter aus xoduei^a (,,Vierfnß") TQiTiei'a
.(,. Dreifuß ^^) gemacht haben.
Prof. A. Thumb au« Marburg verbreitete sich tlber Prin-
zipienfragen der Koine-Forschung. Er betonte, daß die
Kenntnis des Neugriechischen dabei so gut wie unentbehrlich sei
nnd ferner, daß die besonders von Deißmann vertretene Anschau-
ung von der Notwendigkeit die sog.Hebraismen der Sprache des Neuen
Testaments auf das allergeringste Maß einzuschränken sicli immer mehr
bestätigt habe; selbst Ausdrücke wie ak ovofiu, iv oVo/mrt oder
^v ^a/atQa im instrumentalen Sinn (,,mit dem Schwerte^*) lassen
sich schon in den von der h. Schrift ganz unberührten ptolemäischen
Papyri belegen, um zu schweigen von Wörtern wie awvTjQy die
durchaus aus dem Gedankenkreise des augusteischen Zeitalters
heraus zu verstehen sind. Es ist zu verlangen, daß die Theologen
von den Ergebnissen der Koinephilologie eingehende Kenntnis
nehmen, dann werden voreilige Schlüsse aus der Sprache auf die
Entstehung, z. B. der Evangelien, von selbst wegfallen. Mit dem
Wunsche, daß sich mehr Mitarbeiter einstellen möchten vom Schlage
nnseres Berufsgenossen Edwin Mayser, scJiloß der Redner.
Hatte er die Beziehungen zwischen klassischer Philologie nnd
Theologie hauptsächlich vom sprachlichen Standpunkt aus beleuchtet,
so hoben Prof. J. Geffken aus Hamburg und Prof. W. Soltau
ans Zabern i. E. die inhaltlichen Berührungen beider Gebiete her-
vor. Der erstere entwickelte in seinem Vortrage tlber Alt ehr ist-
liche Apologetik und griechische Philosophie, wie im
Anfange die jüdische Sekte höchstens eine plehecida philoftophorum
gewesen, wie dann aber ein immer breiterer Strom griechischen
Denkens in die allmählich sich bildende Kirche eingedrungen sei,
bis die großen alexandrinischen Gelehrten wie Klemens und Ori-
genes die heidnische Wissenschaft sich völlig zu eigen machten.
Soltan hatte sich das Thema erwählt Römische Geschichts-
forschung und Bibelkritik« Schon die Methode in der Be-
handlung biblischer Fragen kann vieles entnehmen von dem besonders
seit Schwegler in der Erforschung der römischen Geschichte üblichen
Verfahren. Sodann jribt es Funde, die für beide Gebiete von Wichtigkeit
404 Meltzer, Rückblick auf die Yersammlang
sind, z. B. die kleinasiatiscben Inschriften zu Ehren des Augnstus^
die zugleich das Vorbild von Luc. 11^ 14 sind. Weiter ist di«^
Kenntnis der Eaiserzeit die Voraussetzung für die richtige Auf-
fassung der neutestamentlichen Zeitgeschichte. Die Wunderfrage
kann für diese richtig nur der lösen , der jene mitheranzieht.
Endlich ist die ganze Verfassung der ELirche entlehnt von der
heidnischen Staats- und Gemeindeverfassung: XaoV, x>l^^oc, 6idy.oyoi,
TiQsaßvTSQOt, iniaxonoi sind zusammenzuhalten mit plehs, demiuoftesy
maghfratus, und auch, der Zug zur monarchischen Spitze stammt
daher ebenso wie die Traditions- und S ukzessionstlieorie der katholischen
Kirche. Wenn Dr. med. und phil. J. Kotelmann ans Hamburg
Über die Augenkrankheit, an welcher Paulus in Ga-
lati en litt, handelte, so sind an diesem Thema nicht weniger als
drei Wissenschaften beteiligt: Medizin, Philologie und Theologie.
Da begreift man denn leicht, daß sich auch 86 evangelische Geist-
liche zasammengetan hatten, um dem Kongreß eine in elegantem
Latein abgefaßte Adresse zu widmen, worin sie den Philologen und
Vertretern der Wissenschaft überhaupt von dem Tage der Refor-
matoren an bis heute danken für die Verdienste, die sie sich um
die Erklärung der h. Schriften wie um die Ausrüstung zum seel-
sorgerlic.hen Amt erworben haben; auch auf dem Titelblatt des
jeden Morgen frisch ausgegebenen ,, Tageblatts ^^ grüßte den Leser
das Standbild des Reformators der Hansestadt, Johannes Bugenhagen.
Unter den archäologischen Vorträgen, die natürlich, wie auch
sonst eine große Zahl, durch Lichtbilder erläutert wurden, seien
genannt der von E. Petersen aus Berlin (früher in Rom) über
die Ära Pacis Augusti und ihre Vorbilder und ganz besonders
der von A. Conze Pro Pergamo. Es war wirklich ergreifend»
wie der hochverdiente greise Gelehrte, der nunmehr von seinem so
ruhmvoll und erfolgreich bekleideten Amte als Leiter der k. Museen
zurücktritt, dem jüngeren Gesclilechte die Fortführung und Erhal-
tung seines Lebenswerkes ans Herz legte, dem er nicht weniger
als 30 Jahre unermüdlicher Hingabe gewidmet hatte.
Prof. F. Koepps Vorlührung der Ausgrabungen bei
Haltern würden an Bedeutung gewonnen haben, wenn es sich
hätte zeigen lassen, daß wir hier endlich das vielgesuchte Aliso
gefunden hätten.
Prof. L. Roberts aus Halle Vortrag über P an dorn möge
uns überleiten zu den kultur geschieht liehen Themen. An der Hand
von Vasenbildern und Textstellen skizzierte er den tiefsinnigen
deutscher Philologen und Schulmänner in Hamburg. 405
Mythos in seiner Entwicklung von Hesiod bis auf Goethe, wobei
er augenscheinlich in Verfolgung der von der ausgezeichneten eng-
lischen Religionshistorikerin Jane E. Harrison in ihrem grundlegenden
Buche Prüleijomena to the Studi/ of (rreek religion, Oxford 1902, ge-
gebenen Deutung in Pandora die Erde wiederfand, die eben in dem
Fasse {ni&og) ihr Abzeichen hat.
Verwandte Bahnen schlug ein Prof. K. Zacher aus Breslau
mit Vermutungen über die dämonischen Urväter der
Komödie. Der Redner konstruierte mit Ktlhnheit, aber nicht ohne
Wahrscheinlichkeit einen Maaog von satyrhaften Wesen, xoßüXin, deren
Namen in unseren meist fälschlich aus deutschem Sprachgut hergelei-
teten ,Kobolden' weiterleben; obwohl ihre Deutung vom modernen
sprachwissenschaftlichen Standpunkt aus mancherlei Bedenken
hervorzurufen geeignet war, so bewegten sich doch inhaltlich
die Ausführungen durchaus auf der Richtungslinie der besonders von
J. Harrison kürzlich für die Tragödie eingeschlagenen Wege, und mir
scheint, daß hier eine tiefliegende Ader angeschlagen worden ist; lehr-
reich wäre auch die Frage, ob diese auf niedriger Stufe stehenden
Wachstumsgeister der vorhellenischen Bevölkeningsschicht dem von
der englischen Forscherin so genannten lauer statum, zugehören.
Ein Thema von eigentümlichem Reize führte mit der von
früheren Versammlungen her an ihm gewohnten feinsinnigen Schärfe
ans Prof. Dr. E. Bethe in Gießen; es hieß Liebe und Poesie.
Anknüpfend an neuere Theorien, wenn ich richtig erraten habe,
besonders von 0. Jespersen und nach ihm B. Delbrück, wonach
in der Liebe der Ursprung der Dichtung und der Sprache zu suchen
ist, gedachte Bethe zu zeigen, daß die durch ihre Vollständigkeit
besonders wertvolle Geschichte der griechischen Dichtkunst dieser
Annahme nicht günstig sei. Homer kenne neben der Leidenschaft
nur die eheliche Treue. Aber auch Archilochos, die erste scharf-
ausgeprägte Individualität auf hellenischem Boden, wurde zu seinen
Versen auf Neobule getrieben nicht etwa durch Liebe, sondern
«lurch den Ingrimm des verschmähten Bewerbers, und war kein
sentimentaler Liebhaber, sondern ein schlimmer Weiberläufer. Auch
in der folgenden Zeit spielten Rücksichten der Familie und Legi-
tiniHt eine entscheidende Rolle, nicht aber zarte Minne der Ge-
schlechter. Es war (um einen Ausdruck Treitschkes zu gebrauchen)
eine männische Gesellschaft und in dieser entwickelte sich vielmehr
der naidixog 6Q0)g. In diesen dem Apollon geweihten Verhältnissen
zwischen Gleich^eschlechtisren fand ein beseliisrendes Geben und
406 M e 1 1 z e r, Rfickblick auf die Versaramliuig
Nehmen, ein völliges Sichverstehen statt, hier blühte der dyoir aof.
Auch die Frauen fanden die höchste seelische Befriedigung nicht
im Verkehr mit einem Manne, sondern in einer oft heißen Zunei-
gung von Weib zu Weib. Eine solche Tatsache muß man nicht sittlich
verurteilen, sondern verstehen wollen. Äsehylos und Platoii teilen
diesen Standpunkt; bei ihnen findet sich kein Wort, bei So-
phokles höchstens eine Andeutung von dem, was wir Liebe nennen.
Dies hat sich erst dem Euripides geoffenbart, ja es geht als Haupt-
motiv durch alle seine Dichtungen hindurch. Noch als Greis hfs-
schäftigt er sich mit der romantischen Liebe und in der Andromeda
tritt uns die Neigung des reinen Mädchens zum reinen Manne ent-
gegen. Seitdem ist das Motiv nicht wieder aus der Weltliteratur
verschwunden; es klingt weiter durch die Komödie Menander>
und durch die alexandrinische Zeit: „Des Mädchens Klage"^ ist ganz
modern empfunden. Ebenso ist ApoHonius Khodius und der Roman
durchtränkt von diesem Geiste; die spannendsten Gesänge, der
zweite und der vierte, in Virgils Äneis atmen ihn. Aber auch
die romanisch-germanische Kultur des Mittelalters, die sich nicht
frei aus sich heraus hat entfalten dttrfen, sondern auf Schritt und
Tritt von der antiken Überlieferung beeinflußt worden ist, hat die
sentimentale Liebe vom Altertum übernommen und bis auf den
heutigen Tag ist sie nicht verstummt — Man sieht leicht: wir haben
in diesem Betlieschen Vortrag ein verkleinertes Gegenstück zu dem
Versuche, den etwa E. Norden in der „Antiken Knnstprosa^' oder
W. Reich im ^Mimus^^ im großen unternommen haben und der
durchaus der kulturhistorischen Auffassung der gegenwärtigen Alter-
tumswissenschaft entspricht ; er läuft hinaus auf das Bestreben, eine
Erscheinung des griechisch-römischen Lebens zunächst in^^den ver-
schiedenen Stufen ihrer einheimischen Entwicklung darzulegen und
dann ihre Fortwirkung auf die Folgezeit vorzuführen. Ob freilicli
bei dem letzteren Bemühen nicht gelegentlich die eigentlich trei-
bende Kraft verdrängt wird durch das, was man das auslösende
Moment nennt? Mir scheint, die Gedanken, die Houston-Stewart-
(Jhamberlain vom Standpunkt des germanischen Rassenmenschen
geltend gemacht hat, verdienen hier als Gegengewicht einseitiger
Betonung des Weiterlebens der Antike ernsthafte Beachtung. Auch
hatte ich den Eindruck, daß Bethe mit einer Quafernio Ter-
nilmrum arbeitete, wenn er die Liebe, aus der die Ethnologen
und Völkerpsychologen Dichtung (und Sprache) herleiten wollen
und worunter sie natürlich einfach den Mann und Weib zusammen-
deutscher Philologen und Schulmänner in Hamburg. 407
swingenden Naturtrieb verstehen, nun auf eiBmal eindchräukte auf
die sittsame Schwärmerei unserer Tage.
An historischen Vorträgen hörte ich besonders den von Prof.
£d. Meyer aus Berlin über Alexander den^ Großen und die
absolute Monarchie. Während in weiten Kreisen die Meinung
herrscht, daß das Gottesgnadenkönigtum zu uns vom Morgenlande
hergekommen sei, führte der Redner aus, daß diese Auffassung nur
für ihre äußerlichen Formen und Gebräuche zutretfe, die auch auf
anderen Gebieten — in viel höherem Maße als man gemeinhin denke —
auf orientalischem Vorgange beruhten. Allein inhaltlich sei nicht das-
selbe der Fall, vielmehr hätten wir es hier mit einer wesentlich helle-
nischen Entwicklung zu tun. Im Oriente bestehe zwischen Menseli
und Gott eine unüberbrückbare Kluft und der erstere sei das Ge-
schöpf des letzteren; nach griechischer Vorstellung dagegen seien
die beiden im Grunde weseuseins. Dazu tritt dann die hellenisch-
politische Theorie, anhebt nd mit Sokrates; nach ihm soll im Staate
der Beste herrschen, ein Gedanke, der sich bei Aristoteles zur Idee
des nafA(iaou.tvq verdichtet. Von solchen Monarchen heißt es dann
geradezu mit dürren Worten, sie seien Vsol iv dvt^ownoi^y utrot -
yd() aiai vofxoq. In der Praxis trat natürlich an die Stelle der
philosophischen dgav/i die Macht und man gelaugte von selbst
zu Gestalten wie Lysander, der sich schon vergöttern ließ. So
verherrlicht Aristoteles den Hermias von Atarneus als einen Heros
und Isokrates stellt dem Philipp in Aussicht, er werde ein Gott
werden, wenn er die Perser besiege. Alexander vollends unternahm
den Zug nach dem Ammonium durchaus in der klaren Absicht,
sich zum Gotte erheben zu lassen und damit auf die Griechen zu
wirken. Sein Plan wurde aufgenommen von Cäsar, und wenn ihn
auch Augustus und Tiberius wieder haben fallen lassen, da sie nur
prineipes sein wollten, so ist er doch schon von Domitian wieder
ergriften und von Diocletian zur Grundlage der neuen Verfassung
gemacht worden. Hiermit ist der Ausgangspunkt für Mittelalter
und Neuzeit gewonnen. Nur anhangsweise erwähnt sei, dass Prof.
r. Wilcken aus Hidle auf einem WUrzbur<;er Papyrus die höchst
interessante Schilderung eines Lagergenossen des Hannihal, Sosytos,
über eine Seeschlacht zwischen Römern und Karthagern zu Beginn
des zweiten punischen Krieges gefunden liat.
An diese Themen aus der alten Geschichte sei eines aus
unserer eigenen gereiht! Prof. Ür. K.Jakob aus Tübingen ver-
breitete sich in fesselnder und von warmer vaterländischer Bereiste-
408 Meltzer, Raekblick auf die Yersammlung
rung getragener Darlegung über G. Freytags „Ahnen- im
Spiegel dentscher Geachichte. Trotz aller Anerkennimg
von Büchern wie die von Kämmel, Lindner n. a. fehlt es doch
immer noch au einem allseitig zn empfehlenden Werke Aber den
Werde^^ang unsereK Volkes. Da springen nnn trotz einzelner Mängel
die » Ahnen^ anfs erwünschteste in die Lücke. Oberall mht anf dem
Staatliehen das Schwergewicht, es ist stets ein entscheidender Wende-
punkt gewählt, die Zeitlage ist genau begrenzt und die Darstellung
aucli in dem vielangefochtenen sechsten Bande vortrefflich.
Au dieser Stelle v.ürde sich passend anschließen die germa-
nische Sektion. Allein ihre Verhandlungen bewegten sich dieses
Mal überwiegend auf so spezialistischem Gebiet, daß ich mich dar-
über kurz fassen möchte. Prof. £. Mogk aus Leipzig sprach
über Das Verhältnis der Volkskunde zur deutschen
Philologie und bezeichnete als ihr Ziel die Darstellung des
GemUtslebens des gemeinen deutschen Mannes von der Urzeit bis
lieute; diese Aufgabe fällt zwar aus dem eigentlichen Rahmen der
deutschen Philologie heraus, aber sie kann nicht gelöst werden
ohne ihre Hilfe und ihre Lösung wird ihr andererseits zugut kommen.
über Hebbel als Tragiker verbreitete sich in tiefgründiger
Weise Prof. Krumm aus Kiel. Der rpaytxcJrarog der neueren
Dichter stößt viele ab. Denn er wurzelt im Pessimismus. Das
Leben des Individuums schließt die tragische Schuld notwendig in
sicli, weil sein Wille zur Vereinzelung führt, der gegenüber der so
oft iHlschlich als Umstürzler gebrandmarkte Dichter das Recht des
Allgemeinen betont. Im ganzen steht er den Alten näher als
Shakespeare, ist es ihm auch nicht vergönnt gewesen, dieselbe
Kraft der Selbstobjektivierung zu erreichen, wie dieser und
Goethe, so steht er doch an Geschlossenheit über Ibsen. Obwohl
er keine Heimatkunst im modernen Sinne hat schaffen wollen, so
ist er in seiner gigantischen Urkraft doch nur zu verstehen aus
seinem Niedersachsen-, oder noch genauer gesagt, aus seinem Dith-
marschentum heraus.
Zum Beschluß sei erwähnt, daß Prof. G. Witkowski von
L(^jpzi<; die Forderung aufstellte, Goethes Faust in einer wissen-
schaftlichen Bearbeitung herauszugeben, in der alles, was jemals Be-
achtenswertes über diese Dichtung geschrieben worden ist, zusammen-
getragen wäre. Der Antragsteller versah sich selber der Wahrschein-
lichkeit, daß dies ohne einige stattliche Bände nicht zu
maelien sein werde. Vielleicht ist es angesichts solch spezialistischer
(leuUcher Philologen und Schulmänner in Hamburg. 409
Geainnangstüchtigkeit mauciiem Leser ein Trost, zu hören, daß
auch die Philosophie zu ihrem Rechte kam. Liz. A. Metz legte
in gewandter Weise dar, welche Rolle der Pflichtbegriff inner-
halb goethescher Ethik spielt, wobei insbesondere die durch-
au>( auf dem Boden des Natürlichen verweilende Auffassung „des
großen Heiden ' zu klarer Anschauung gebracht wurde. Höchst
denkwürdig war das Bekenntnis, das Geh. Reg.-Rat Prof. Dr.
J. Reinke aus Kiel ablegte ttber Dogmen und Tendenzen
in der Wissenschaft. Das Ergebnis läßt sich kurz in die
Sätze zusammenfassen, daß der Mechanismus zwar ein sehr wert-
volles heuristisches Prinzip sei, der Teleologie aber als unabweis-
barer Ergänzung bedürfe, während der Monismus tlberhaupt nichts
sei als eine logische Abstraktion, der in der Welt der Wirklichkeit
nichts notwendig zu entsprechen brauche; bei der Andersartigkeit
der organischen Erscheinungen sei der Vitalismus keineswegs über-
wunden und der Dualismus bleibe nach wie vor eine berechtigte,
ja wie heute die Dinge liegen, vielleicht die mehr berechtigte
Hypothese.
Im erfrischendem Gegensatz widerum zu diesen spekulativ-akade-
mischen Erörterungen standen die temperamentvollen Auslassungen von
Prof. A.Lichtwarkaus Hamburg über Künstler! sehe Bildung
auf örtlicher und nationaler Grundlage. Ausgehend von
der Tatsache, daß vor kurzem in einer höhereu Töchterschule seiner
Vaterstadt das Aufsatzthema gestellt worden sei „Michel Angelos
Moses im Lichte vqn Lessings Laokoon^^ wandte er sich nicht
bloß gegen derartige didaktische Verstiegenheiteu, sondern auch
^^egen den klassizistischen Zopf und betonte, daß vor allem die
t'inheimisclie Kunst erfaßt werden müsse, für welche die Nieder-
länder von unschätzbarer Wichtigkeit seien. Der Redner hat in
Hamburg als Direktor des dortigen Kunstmuseums Gelegenheit ge-
liabt, seine Ansichten praktisch zu verwirklichen und erbot sich zu
Führungen in den ilim unterstellten Sammlungen, eine Gelegenheit,
von der ausgiebiger Gebraucli gemacht wurde.
Den Zusammenhang deutscher Kunst mit der der Renaissance
und damit der des Altertums zeigte an einer in der Hamburger Kunst-
halle befindlichen Handzeichnung A. Dürers und deren Vorbild,
♦•inem italienischen Kupferstich von 1494, Dr. A. Warburg aus
Hamburg. Man sieht einesteils eine in Form und Inhalt echt
antike Darstellung unmittelbar in die Formenwelt der italienischen
Frührenaissance eintreten in der typischen pathetisclien Gebärden-
410 ^)chiele,
spräche der griechischen Kunst (z. B. in der Niobegruppe), und
andemteils beobachtet man, wie Dürer mit einer uns Neueren
höchst auffallenden, ja anstößigen Unbefangenheit die Vertreter des
theatralischen antikisierenden Muskelkolorits, Mantegna und Palla-
jnolo, nachahmt. Trotzdem bleibt er ein großer urwüchsiger Künstler
von deutscher Art; denn nachdem er von seineu Vorbildern den
Sinn für den klaren Umriß der bewegten Menschengestalt gelernt
hat, überwindet er den gestikulierenden Manierinmus und bildet
seine eigene Art aus. Wir haben die Grundgedanken dieses Vor-
trags etwas ausführlicher mitgeteilt, weil man an ihm recht deutlich
erkennt, wie in der welthistorischen Fortwirkung des Altertums die
beiden Richtungen, die antike und die moderne, sich gegenseitig
durchdringen und in der Betraclitung jede für sich abgeschätzt
werden muß.
Indem ich auf die mathematisch-naturwisseuschaftliche
und die orientalische Sektion, welche mit der Sitzung der deutsch-
morgenländischen Gesellschaft verbunden war, nicht näher eingehe,
führe ich zu ihrer allgemeinen Charakterisierung nur an, daß in der
ersteren Prof. H. Schubert aus Hamburg über Die Probleme
der Ganzzahligkeit in der algebraischen Geometrie,
in der letzteren Prof. Lidzbaraki aus Kiel über Die Namen
der Alphabetbuchstaben sprach. (Schluß fol«rt.)
Die neueste Reform in der französischen Recht-
schreibung.
\'on Profej<sor S c li i el o.
Wenn die bekannten P^rlasse Leygues' vom 31. Juli 1900 und
vom 26. Februar 1901 die Vereinfachung des Unterrichts in der
französischen Syntax (vgl. Neues Korrespondenzblatt, Jahrgang 1901,
Heft 6 und 7) betrafen, handelt es sich jetzt um eine rein ortho-
graphische Frage.
Schon am 5. Dezember 1901 hatte der Oberschulrat die Ein-
setzung einer Kommission behufs Vereinfachung der Ms jetzt üb-
lichen Rechtschreibung beantragt und am 11. Februar 190B be-
stellte der Unterrichtsminisler eine solche mit Paul Mever, dviu
bekannten Direktor der Ecole don Chartes, als Vorsitzendem, in
20 Sitzungen, vom Juni 190'^ bis Herbst 1904, entledigte sich die-
Die neueste Reform in der französischen Rechtschreibung. 4]]
.selbe ihrer Aufgabe und ihr Vorsitzender reichte alsdann einen
Bericht über ihre Tätigkeit bei der Akademie ein.
Die Kommission erblickt das Ideal einer Rechtschreibung in
einer rein phonetischen Schrift^ wo jeder Lant nur durch ein Zeichen
unzweideutig wiedergegeben würde, hält aber dieses Ideal vorerst
für unerreichbar. Ihre Aufgabe war daher, zu vereinfachen, d. h.
in den Fällen, wo verschiedene Zeichen zur Wiedergabe eines und
desselben Lautes verwendet worden sind, das einfachste und klarste
zu wählen. Die Neuerungen finden ihre Begründung in der Analogie
oder in der Sprachgeschichte. Wenn Inkonsequenzen untergelaufen
sind, so liegt dies an der vielköpfigen Kommission, die teils kühnere,
teils schüchternere Mitglieder zählte. Immerhin hat sich dieselbe
sorgfältig davor gehütet, etwas vorzuschlagen, was bei künftiger
vollständigerer Reform nicht unbedingt beibehalten werden könnte.
Im folgenden will ich versuchen, einen klaren Überblick über
diese vorgeschlagenen Neuerungen der Kommission zu geben, wo-
bei ich zugleich die Ansicht der Akademie und meine eigene bei
Gelegenheit zum Ausdruck bringe.
I. Akzente: Der acccnt aigu und accent grave dienen zur
Bezeichnung des geschlossenen und offenen e- Lautes. Das ist
gut, und man möchte (namentlich wir Lehrer des Französischen)
sogar eine weitere Verwendung derselben zur einheitlichen Be-
zeichnung der geschlossenen und offenen c-, o- und nc-Laute
wünschen, also etwa: evenement, broc und bloc, les «bufs und un
(Buf. Der accent grave hat aber auch unterscheidende Bedeutung
in den Wörtern a, lä, oii und dejä. Diese Verwendung hält die
Kommission für unnütz und verwin*eud und möchte ihn entfernt
wissen; die Akademie aber findet die Unterscheidung wohl ange-
bracht und will nur deja gestatten.
Wir schreiben religieux, aber irreligieux, avonement (aucli
avenement) neben Evenement, je cederai, reglerai neben j'achcterai
und je celerai. Die Kommission will irreligieux schreiben und
allgemein vor einem e sourd v setzen, da tatsächlich stets offen
gesprochen werde. Die Akademie hält an dem Unterschied in der
Aussprache fest. Wir natürlich könnten uns ül)er die einholt 11 che
Verwendung des gravis nur freuen.
Der accent circonflexe bezeichnet entweder den Ausfall cmucs
Vokals in age (früher aage), du (deu) — oder eines Konsonanten
in arret, voüte (arrest, volte) — und endlich die Länge und Klang-
farbe des Vokals, wie in theätre, dome. Der Gebrauch ist heut-
412 Schiele,
zutage sehr an regelmäßig. Man schreibt z. B. schon lange chutC;
joute, otage aber immer noch du, assidüment, d^voüment oder
devoaement. Ferner cOne, dorne zur Bezeichnung des langen, ge-
schlossenen o-Lantes, aber trotzdem zone. Der Beschloß der
Kommission geht nun dahin, den circnmflex überall da zu entfemen,
wo die Silbe naturgemäß lang ist (namentlich vor Konsonant -f- i')?
also: traitre, naitre, croutO; voute; sodann auf i und n, wo kein
merklicher Unterschied in der Aussprache sich ergibt, z. B. ile,
Hute, die Konjunktivformen zu schreiben rendit, mourut; auch tin-
mes, vinmes neben qu'il tint, vint, welch letztere zwei überhaupt
kurz zu sprechen sind. Aus Analogie ergäbe sich aimames, aimates,
quMl aimat, obwohl hier die Aussprache noch schwankt. Die
Akademie stellt sich auf den Standpunkt, daß es gut sei, wenn
man (in der Schrift) unterscheide und fernerhin schreibe: du, qu'il
rendit, mourüt, tint, vint etc.; angenommen hat sie assidument,
voute, devoument, ile, flute, maitre, croute. Bedenkt man die Lässigkeit
und Unsicherheit der meisten Franzosen im Gebrauch der Akzente, so
hätte man der Kommission gerne besseren £rfolg wünschen mögen.
II. Das Trema wurde bis jetzt auf e, i und u vor anderen
Vokalen gesetzt, um anzudeuten, daß sie mit letzteren keine Diph-
thongen bilden, z. B. Noel, haYr, SaUl. Auf i und u ist es bei-
zubehalten, nicht aber auf e; denn oe ist immer zweisilbig, und
ich halte nicht umsonst meine Schüler zu peinlich genauer Schreibung
von Wörtern wie c«Bur, soeur mit ob au und verweise sie auf das
zweisilbig lautende moelle, moellon ohne Trema. Wenn das nutzlose
h einmal gefallen ist, könnte man sehr gut für das i einen aus-
gedehnteren Gebrauch des Tremas brauchen, z. B. traison, ebair.
Endlich bezeichnet das Trema noch den Halbvokal in Wörtern
wie aYeul, paYen, baYonnette (neben payen und bayonnette). In
solchen Fällen stand früher aligemein y, z. B. Bayonne, bayadcre,
mayonnaise. Denken wir aber an Wörter wie payer, abbaye, ayez,
so verstehen wir die Verwirrung in der Aussprache bei unseren
Schülern. Um Klarheit zu schaffen, sollte y nur überall da ge-
braucht werden, wo es durch seinen ersten Bestandteil (y = i -|- j)
den vorausgehenden Vokal in der Aussprache trübt, also in payer,
i'uyal, tuyau etc., aber sonst durch Trema ersetzt werden, also nur
baiadere, maYonuaise, caYer (:= cahier). Über diese Frage schweigt
sich die Akademie aus, Noel verwirft sie wegen Gefährdung der Aus-
sprache (etwa n"al), und wenn in Wörtern wie trahison h durch
Trema ersetzt würde, so bedeute das keine Erleichterung.
Die neueste Reform in der französischen Reelitschreil)un^. 4^3
III. Einfache und zusammengesetzte Vokale.
1. Der Laut a wird unregelmäßig bezeichnet in femme^ das
man früher^ wenn auch nicht allgemein, nasal gesprochen hat. Im
Mittelalter hat man häufig geschrieben fame und diese Schreibung
wäre wiederherzustellen. Die Akademie ist aus etymologischen
Gründen unbedingt dagegen, ein Zeitungsschreiber aber meint, das
zu fame gehörige Adjektiv wäre dann fameux!
2. Die aus lateinischem an, en und in entstandenen Nasal-
laute an und en sind seit dem 12. Jahrhundert in der Aussprache,
nicht aber in der Schreibung zusammengefallen. Die beste Reform
wäre daher, überall an zu schreiben, wo nasales a gesprochen wird.
Dadurch würden aber verschiedene Tausend Wörter betroffen, und
die Kommission hat deshalb den Antrag nicht gewagt, (schade!)
3. ien wird bekanntlich verschieden gesprochen in bien, chien,
tient usf. einerseits und in dient, Orient, patient usw. anderer-
seits. Für die letzteren will die Kommission iant vorschlagen;
die Akademie ist dagegen aus etymologischen Gründen und um die
Gewohnheitsmenschen nicht vor den Kopf zu stoßen. Für unsere
Schüler wäre die Schreibung oriant, cliant eine Erleichterung, weil
sie der allgemeinen Regel entspräche.
4. aon in den Wörtern faon (Junges) paon (Pfau) taon (Bremse)
und in den Eigennamen Craon, Laon und Thaon erinnert an eine
längst verschwundene Aussprache. Wie früher geschriebenes flaon
(= ahd. fiado Fladen) seit dem 17. Jahrhundert zu flan geworden
ist, so sollte man auch schreiben fan, pan und tan, aber die Aka-
demie fürchtet die Verwechslung mit pan! (Interjektion) Pan
(Gott) pan = Stück, Zipfel, beziehungsweise tan = Gerberlohe und
gibt deshalb auch für faon nicht nach.
5. eu = geschlossenes oe und offenes oe wird verschieden ge-
schrieben und die Hauptschuld liegt an der Doppelaussprache des
c und g. Wenn diese einmal geschwunden, und c und g nur noch
Gutturallaute entsprechend unserem deutschen k und g sind, lassen
sich die Schwierigkeiten leicht heben, und unsere Schüler brauchen
sich nicht mit sinnlosen Wortbildern wie etwa cueillir zu plagen.
Die Kommission wagte es zwar noch nicht, diesen Gutturallaut für
c und g als den alleinigen vorzuschlagen, aber sie möchte doch
schreiben, neu (= nocud s. u.) veu (= vceu), seur (= s(Kur); die
Akademie aber verwirft diese Neuerungen wegen der Sonderbarkeit
der neuen Formen.
Soweit eu wie u, früher e-u, jresprochen wurde, hat die dritte
414 Schiele,
Ausgabe des Wörterbuchs der Akademie (1740) das e unterdrückt^
das längst stnmm geworden war, in Wörtern wie deu = du und
ven = vu (ohne circumflex !). In heur^ bouheur, malheur, die noch
im 17. Jahrhundert ur, bonhur, malhur gesprochen wurden, hat
man aber das e belassen und dadurch die falsche Aussprache (»r
veranlaßt. Einer solchen Fälschung der Aussprache durch die
iSchreibung könnte noch vorgebeugt werden in den Formen von
avoir: eus, eusse und eu, die die Kommission also schreiben möchte:
US, usse, u (cfr. fas, fusse), was die Akademie im höchsten Grade
,,shocking" fände. Bei den Wörtern gageure (Wette, vgl. le gageur
der Wettende), mangeure (angefressene Stelle) und vergeure (Draht)
ist Gefahr vorhanden, daß man fälschlich oer statt ur spricht, was
ich tatsächlich bei gageure von einem Franzosen schon gehört habe.
Einzig richtig wäre zu schreiben: gajure^ manjure und verjure,
was die Akademie aber nicht will, selbst auf die Gefahr hin, daß
einmal allgemein gajccr etc. gesprochen würde.
6. Der Nasallaut in (e, oder ganz oifenes a, nasal gesprochen)
wird wiedergegeben mit in, en, ain und ein, weil eben früher ver-
schieden gesprochen wurde. Einheitlichkeit könnte erzielt werden
durch die Schreibung iu (ich meine en, wenn nasales a durch an
wiedergegeben wird), aber dies erscheint zu radikal; also beläßt
man es beim alten. Nur sollte dessein mit dessin zusammenfallen,
da sich erst seit dem 17. Jahrhundert der bekannte Unterschied
iixiert. Die Akademie ist dagegen, weil sie die Unterscheidung als
eine Erleichterung ansieht. Da aber lat. designare und ital. diseg-
nare auch Doppelbedeutung haben (angeben, zeichnen) so sollte
nach meiner Meinung es im Französischen auch gehen.
IV. Konsonanten.
1. Das 16. Jahrhundert hat bekanntlich die französische Recht-
schreibung vielfach mit Konsonanten überlastet, um dem lateinischen
Grundwort näher zu kommen. Die dritte Ausgabe des Wörterbuchs
der Akademie bemühte sich im 18. Jahrhundert besonders „ä faire
disparaitre toutes les supei'fluit^s qui pourraient 6tre retranchees
Sans consf^quence", und von denen viele von den Schriftstellern gar
nie allgemein angenommen worden waren. So wurde seit 1740 die
Schreibweise advocat, bienfaicteur, subject und ähnliche abgeschafft.
Da aber nie methodisch vorgegangen wurde, so blieben viele dieser
,,supertluites weiter bestehen. Diese Schmarotzerbuchstaben haben
nicht verfehlt, die Aussprache zu entstellen; z. B. hat man das
p gesprochen und spricht es noch teilweise in pr^somption, pro-
Die neueste Reform iu der t'ranzöfiischen Keclitschreibuug. 415
somptneux, promptitude, redempteur. Ja man fängt t^chon an, aua-
zusprechen dompter (domitare!), indodiptable, mit p. Überflüssige
Konsonanten verdanken ihre Entstehung auch falscher Etymologie,
s. 6. d in poids, das man . von pondus statt von pensum (altfr.
poix) ableitete. (Nicht zu verwechseln mit la poix = picem Pech).
Diese Konsonanten sollen ttberall verschwinden, außer da^ wo
sie ausgesprochen werden, also schreibe mau cors (= corps), ni
(= nid) neu (=■ nwud), doit (= doigtj, pois (= poids), puis
5= pnits), rempar (= rempart), sculter (= sculpter), set (= sept),
vint (= vingt). Bei cors könnte man einwerfen, daß das p in
Corporation, corporel wieder erscheint, aber das sind gelehrte Bil-
dungen ziemlich neuen Datums; zudem spricht und schreibt man
auch: corsage, corset, und schon Descartes schrieb lieber cors.
Diese Reform hätte eine weitere zur Folge : in Wörtern wie compte,
cumpter (vgl. conte, conter — zu Corneilles Zeiten noch nicht in der
Bedeutung geschieden!), dompter, prompt, promptitnde, temps ist
das m nur durch daK folgende p begründet; fällt dieses, so ergibt
sich folgerichtig : conte, donter, pront, prontitude, tens, wie übrigens
früher schon geschrieben wurde. Die Akademie verwirft sclion
tems aus etymologischen Gründen, um so mehr tens. Die übrigen
Neuerungen würden nach ihrer Ansicht zu Verwechslungen fuhren,
z. B. son doit doit etre coupe, il vint vint fois. les cors die Körper
= les cors die Hörner, Hühneraugen!
Die vielen Verben auf «Ire ratlßten natürlich auf ihr d im
Präsens des Indikativs verzichten, beziehungsweise in der dritten
Person Einzahl t schreiben (man bindet ja bekanntlich ein t!), also:
je prens, rens, cous, mous; il prent, reut, cout, mout, und ebenso
il vaint (schon früher so geschrieben) und siet statt vaine und sied.
Etymologische Rücksichten verbieten diese sehr vernunftgemäße
Neuerung der Akademie. Nur eines will sie zugeben, nämlich dif-
f6rend (Streit) mit different und fonds (Kapital) mit fond, wie schon
Littr^ wollte, zusammengehen zu lassen. Auch gegen die Schreibung
pi^ statt pied (vgl. M und clef) hätte sie nichts einzuwenden.
Sonderbar, da doch richtiger piet geschrieben würde, wenn man an
pi6toD, pictiner und an die Bindung in pied a terre (= t) denkt.
Die früher gleich geschriebenen und jedenfalls heute bei der Bindung
gleich gesprochenen quant und quand dürften dann wohl auch ein-
heitlich durch quant wiedergegeben werden. Endlich sollte in dem
Worte appas, das nichts anderes ist als der Plural von appat (ad
pastum), das t wieder eingesetzt werden. Dem stimmt die Akademie
416 Schiele,
zu, wenn sie das Mustersätzchen ^bt : La retraite a pour vous des
appats.
2. Doppelkousonanten mit nachfolgendem stummen e. Im
Altfranzödischen ist die Doppelkousonanz selten, ausser ss, das die
stimmlose Aussprache zwischen Vokalen ausdrücken soll. Auch r
wird verdoppelt, doch weniger regelmäßig. Zur Zeit der Renaissance
verdoppelte man überall da, wo im Lateinischen Verdoppelung be-
stand und dehnte den Gebrauch noch aus; daher die vielen In-
konsequenzen.
11. Wir schreiben belle, nouvelle dem Lateinischen entsprechend
mit 11; aber cruelle, echellC; teile, quelle, mortelle, die sich hierauf
nicht berufen können. Sodann aber schreibt man: Hdele, clienteie
usf. Die meisten Verben auf eler verdoppeln ihr l vor dem e
sourd: appelle, appellerai, doch schreiben wir: epele, g^le, harcole
etc. Nach dem i gibt das 11 fälschlich zu jotierter Aussprache des
1 Anlaß : Wir schreiben tranquille, ville genau wie bille, lille, vrille
und sprechen doch verschieden. Hieraus erklärt sich die falsche
Aussprache von anguille, apostille, camomille mit jotiertem Laut,
der etymologisch ganz unbegründet ist. Nach o und u ist Doppel-1
selten, z. B. colle, moUe, bulle, nulle, tuUe. Die Kommission
macht den ganz vernünftigen Vorschlag, überall nur ein 1 zu schreiben,
außer wo die jotierte Aussprache nach i Doppel-1 verlangt. Das
oifene e soll einheitlich mit accent grave bezeichnet werden; also
cruele, echele, b(;le, tele, quele, ap^le (s. u.), vile (= ville), tran-
quile, buie, cole. Die Akademie findet nur wegen der Etymologie
und Aussprache cch^le gut und schreibt auch in Zukunft so, be-
harrt aber sonst energisch bei der alten Schreibweise.
rr. Der Unterschied in der Aussprache zwischen einfachem
und Doppel-r ist meist un hörbar. (£s handelt sich dabei, wie
bei jeder Doppelkousonanz, nicht etwa um getrennte Aussprache
von r -j- r, 1 + 1 usf., sondern nur um ein längeres Anhalten des
betreffenden Konsonanten; wenn r = 3 Zeiteinheiten, rr etwa
^4 Zeiteinheiten.) Daher schlägt die Kommission überall Kürzung
vor und will schreiben la guere, tonnere, il ere, fere usf. genau
so wie coh'TC, frere, legere etc. Die Akademie ist dagegen, wenn
sie auch zugeben muß, daß rr nicht gesprochen werde.
Bei mm und iiu ist Doppelkousonanz gereciitfertigt entweder
aus etymologischen Gründen, worauf die Kommission keine Rück-
sieht nehmen will, oder durch eine frühere, jetzt veraltete Aus-
sprache, im IG. Jahrhundert hat mau noch homme wie hon-me.
Die neueste Reform in der französischen RechtschreibunK. 417
somme wie son-me nasal gesprochen, vgl. oben ferome. Da di^
Nasalierang aufgehört hat, schreibe man jetzt veruUnfti«^ hoiiu'^
BomC; flame, grame, nome usf. Ebenso caue (= canne}, niane^
bone (= bonnej, die schon im Altfranzösischen häufig sind. Ich
gestehe, ich finde einen Unterschied in der Aussprache von cane
=-. Entenweibchen nnd canne Rohr, manne Manna und manne Korb.
Das e vor dem n müßte dann natürlich einen gravis erhalten, z. B.
^nemie (vgl. chcnevis Hanfsamej, ferner que je prcne, ils prrnent;
anciene, chione, persione, que je viene und tiene usf. Diese
Neuerungen erscheinen der Akademie viel zu kühn und sie will
nichts davon wissen, von home ebenBovvenig wie von fame!
tt wtlrde die gleiche Reform erfordern, wird aber von der
Akademie ebenso festgehalten (weil dadurch nach ihrer Ansicht
eine unrichtige Aussprache zutage träte), wie das mm und nn.
Die Kommission möchte also schreiben : nete wie discrrte, jcte wie
achi'te, sote wie devote (wie wären wir dankbar!); ferner quite
wie dite, hüte wie chute, goute wie tonte.
Bei pp und ff ist kein Unterschied in der Aussprache zu merken
gegenüber p und f, was in der Natur der Laute liegt, man schreibe
also beherzt: döveloper (cfr. to develop!), il soufre wie soufre
Schwefel. Obwohl schon im 16. Jahrhundert manche Grammatiker
einfaches p und f geschrieben haben, wittert die Akademie Gefahr
für die Sprache.
3. Doppelkonsonanten mit nachfolgendem hörbarem Vokal.
Bei gelehrten Wörtern, die man übrigens mehr liest, als hört, ist
immer noch Doppelkonsonanz in der Aussprache hörbar (s. oben
das bei rr in Klammer Beigefügte).
11 hört man als Doppelkonsonanteu in gewissen Wörtern, die
die lateinischen Präpositionen ad und cum, und in allen, die die
lateinischen Präpositionen in enthalten, z. B. allocation, collaborer,
Illusion; dazu kommen noch andere wie belliqueux, eliipse usf.
Solange diese Aussprache besteht, wird auch die Schreibung bestehen
müssen. Sonst aber ist die Vereinfachung angebracht, vor allem
im Wortinnern nach i, weil dadurch fälschlich Jotierung des 11 ent-
stehen kann. Schon schwankt man in der Aussprache der Wörter:
osciller, scintiller, vaciller, die bekanntlich nicht jotiert gesprochen
werden dürfen. Man schreibe 1 und die richtige Aussprache ist
gegeben; aber osciler usw. wäre der Akademie eine zu ungewohnte
Schreibweise. Auf die Vorschläge aleger, alaiter, alegresse (erst
seit 1835 schreibt die sechste Auflage des Wörterbuchs allegresse),
Korrespondenzblatt 1900, Hoft 11.
418 Schiele,
imbecilitr (vgl. imbecile!), embelir, soliciter (to solicit) usf. er-
widert die Akademie, daß mehr oder weniger deutlich 11 gesprochen
werde.
Für rr ergeben sich die nämlichen Schwierigkeiten, da die
Aussprache verschieden ist. Seit dem 17. Jahrhundert verschwindet
übrigens die Aussprache des rr als Doppelkonsonanz und jetzt ist
sie fast nur noch neben den mit lateinischem in und inter gebildeten
gelehrten Wörtern hörbar im Futurum und Konditionalis der Verben
courir, acquerir, mourir, weil eben hier der ausgefallene Vokal
zwischen zwei r stand: currere, acquirere, morire habeo, nicht
aber in pourrai = potere habeb, weshalb man nur ein r hier spricht.
Gelehrte Bildungen mit deutlicher Doppelkonsonanz sind z. B.
interregne, interroger, irrationnel, irrt'solu. Sonst wäre Verein-
fachung vorzuschlagen, also etwa: corelatif, corespondre, boureau,
cari('re, charöte (= charrette), charetier, charoi, charion, wie man
schon längst schreibt: chariot. Die Akademie ist damit nicht ein-
verstanden; die Schreibung mit einfachem r könnte eine lässige
Aussprache zur Folge haben, und, um die vom lateinischen carrus
abgeleiteten Wörter einander anzugleichen, schreibt sie in Zukunft
lieber charriot mit rr. Ich muß zugeben, daß ich bei emphatischer
Aussprache recht oft ganz deutlich rr in Wörtern wie etwa terreur;
horreur, torrent, und ähnliche gehört habe.
nun ist in der Aussprache kaum zu hören, es sei denn in
gelehrten Bildungen, wie comm6morer, immense usf. Hier ist
Doppelkonsonanz am Platz, sonst schreibe man einfaches m, also
acomoder, cometre (= commettre), enfiamer usf. Die bekannten
Adverbien auf amment und emment müßten geschrieben werden:
independament, aparament, ardament, welche Aussprache sich schon
seit dem 17. Jahrhundert findet. In grammaire deutet das erste m
die frühere nasale Aussprache an = gran-maire ; nun da diese ver-
schwunden ist, sollte man gramaire schreiben, obgleich man oft
mm hört. In Wörtern wie emmailloter, emmSler, emmener, emmieller,
emmitoufler hat sich der Nasallaut erhalten, man sollte sie also
besser mit en schreiben. Das ist auch das einzige, was die Aka-
demie zugibt, so daß man künftig emmener und enmener schreiben
darf. Für un gilt das bei mm Gesagte : inne, innocent, innombrable,
weil j^elehrte Wörter mit deutlicher Doppelkonsonanz in der Aus-
sprache. Sonst durchweg Vereinfachung (die aber nicht angenommen
worden ist) vorgeschlagen: abandoner, anee, bonet, conaitre etc.
vv. Die aus lateinischem ad hergeleiteten Zusammensetzungen
Die neueste Reform in der französischen Rechtschreibung. 4[9
halten cc bewahrt, obwohl nur eines gesprochen wird, z. B. acco^-
moder, accoser. Dazu kommen gelehrte Bildungen oder solche
Wörter, bei denen etymologische Rücksichten obgewaltet haben,
z. B. baccalaureat, occuper, occasiou. Die Kommission schlägt vor,
oc nur noch beiznhaiten 1. da, wo es deutlich gesprochen wird,
z. B. occnlte und 2. wo das zweite c Zischlaut ist, wie occident,
occire usf.
gg ist fast völlig verschwunden ; wir schreiben agr6er agreger usf.
Die Vereinfachung ist also um so mehr für die wenigen Wörter
mit g^ angezeigt, mit Ausnahme selbstverständlich derer, die dem
zweiten g palatalen Laut geben, also: aglomerer, agraver, aber:
Suggestion.
Für tt ist, weil stets einfaches t gesprochen wird, die Ab-
schaffung angezeigt, also abateur, abatoir, wie man jetzt sclion
überwiegend abatis = Schutthaufen schreibt.
dd ist nur in gelehrten Wörtern, wo es gesprochen wird, beizu-
behalten: addition, reddition.
pp. Die lateinische Vorsilbe ad hat in den meisten Zusammen-
setzungen, die mit p beginnen, pp erzeugt, z. B. appetit, apporter,
appui. Die alte Schreibung mit einfachem p hat sich aber erhalten
in: apaiser, apercevoir, aplanir usf. Die Abschaffung des einen
p, auch in gelehrten Wörtern, wo schon seit dem 17. Jahrhundert
die Vereinfachung anhebt, ist durchweg am Platze, also: oportun,
opression, oprobre. Nur für neugeschaffene Wörter, wo pp auch
gesprochen wird, soll die Doppelkonsonanz bleiben, z. B. hippique,
hippopotame, hippophagie.
bb ist selten und wo noch vorhanden, zu vereinfachen : abaye,
abesse; ebenso ff: also afirmer, afamer, afaire usf.
Wir sehen, das Vorgehen der Kommission ist nicht einwand-
frei. Sie nimmt Rücksicht auf die Aussprache und schreibt Doppel-
konsonanz, wo solche gehört wird. Die Frage ist nur, ob nicht
manche Franzosen hierin anderer Meinung sind als die Mitglieder
der Kommission — jedenfalls ist es die Akademie. Nach meiner
Ansicht könnte allein ein radikales Vorgehen mit Streichung aller
iingefUhrten Doppelkonsonanten zum Ziele führen. Es schiene mir
das um so unbedenklicher, als ja die französische Aussprache nicht
getrenntes, zweimaliges Ertönenlassen des betreffenden Konso-
nanten, sondern nur längeres Anhalten desselben will. Das Franzö-
sische bekäme dann viele Ähnlichkeit mit dem Spanischen, dem
seine neueste vereinfachte Orthographie recht gut ansteht. Al^er
420 Schiele,
die französischen Vortragsktiostler scheinen noch viel anf die Doppel-
konsonanz zu halten: Legouvc spricht sich hinsichtlich de» iistht*-
tischen Wertes derselben folgendermaßen aus: Essayez donc de
lire, en retrancbant une ni; ce vers de Corneille: ,,Home, ;'i qui
vient ton bras d'iininoler mon amant/' Les donbles lettres sont
une arme pour Tironie, pour la col6re, pour la grace elle-mOme.
Voyez ce que le redoublement de Ts ajoute d'elegance au mot
assouplir (= geschmeidig machen), et de niystere au mot
assoupir (vertuschen).
4. Einfache Konsonanten.
ü) Das h heißt entweder gehauchte^ und ist dann meit<t
germanischen Ursprungs, oder stummes und findet sieh in Wörtern
lateinischen oder griechischen Ursprungs. Das erstere hat seineu
Hauch verloren, hat aber insofern noch etwas Konsonantisches an
sich, als es die Bindung und Elision hindert. Das stumme h ist
vollkommen bedeutungslos und überflüssig. Dabei bin ich mir wohl
bewußt, daß man bei emphatischer Aussprache, vor allem gewisser
Interjektionen wie ha! oho! hue! halte!, namentlich aber bei
französischen Schweizern noch einen Hauchlaut hört. Indessen
wäre die Abschaffung des h fürs Französische ebenso durchführbar,
wie fürs Italienische, wenn auch die Wörterbücher hinsichtlich ihrer
alphabetischen Anordnung eine ziemliche Umwälzung zu erleiden
hätten. Eben dieser letztere Grund hat die Kommission veranlaßt,
diesen radikalen Vorschlag noch nicht zu machen.
b) g bezeichnete im Lateinischen den stimmhaften Gutturallaut,
wurde aber vor e und i allmählich zum Palatallaut j; also hätte
mau einheitlich vor e und i den j einführen sollen. Aber bis zum
17. Jahrhundert wurde der i und j Laut gleichförmig durch i
wiedergegeben (vgl. das Lateinische und unser großes deutschem
Alphabet ! Ich lasse im Französischen und Englischen immer genau
unteischeideu: I und J), wodurch die Einführung des j verzögert
wurde. Alsdann mußte man, vor e und i, gu schreiben, um den
CUitturallaut zu bezeichnen, so daß heutzutage einerseits ge und j
einen und denselben palatalen Laut, g aber zwei verschiedene
Laute vertritt. Um aus der Verwirrung herauszukommen, gäbe es
zwei Mittel : entweder dem g ein diakritisches Zeichen, ähnlich der
Cedille anzuhängen, oder aber, was das einzig Vernünftige wäre,
piilatales g stets durch j zu bezeichnen, also zu schreiben manjer.
nblijer usf. Weiche Erleichterung für unsere Schüler, die be-
kanntlich bis in die obersten Klassen immer wieder an der Au>-
Die neueste Reform in der französischen Rechtschrei])ung. 421
«prache des g Btraucheln ! Und dann, hat der Ersatz des guttnralen
g und X durch j etwa dem Spanischen etwas geschadet? Im Gegen-
teil. Der von der Kommission vorgeschlagenen Neuerung kann
man nicht einmal etymologische Bedenken entgegenhalten, schreiben
wir doch schon immer falsch : genicvre = juniporus und gesir =
jacere, dagegen Jambe aus gamba, das besser geambe sich schriebe,
wie auch gaje (statt gage) das mittellateinische vadium richtiger
wiedergäbe, sofern man diese Etymologie überhaupt gelten lassen
will und nicht lieber auf das got. vadi, ahd. wetti, mhd. wette
zurückgreift. Die Akademie gibt zu^ daß das g als Palatallaut
dem j Boden abgewonnen habe, aber die vorgeschlagene Änderung
dünkt ihr zu schrecklich. Ich aber würde es mit größter Freude
und herzlichem Dank begrüßen, wenn g und auch c nur noch
gutturalen Laut hätten und wir schreiben dttrften: la gcre, gerir,
^'('pe, so gut wie: ceur = coeur, aceuil statt des schrecklichen ac-
<.*iieil, das alles nur nicht die richtige Aussprache wiedergibt.
(•) s. Das stimmlose s wird heutzutage am Wortanfange ge-
schrieben: s in presupposer, monosyllabe; c in ceder, cire; sc in
seeltTat, sceller; ss in presseutir (neben pri'supposer), dissyllabe
{neben monosyllabe); zwischen Vokalen ist es bald ss, z. B. casser,
bald 9 und ce, z. B. fa^on, douceatre (das man gescheiter douQatre
sehriebe!}, bald t mit i, z. B. patient, bald x, z. B. soixante, bald
sf, z. B. descendre. Wir schreiben aristocratie (trotz oder wegen
aristocrate), inertie (trotz oder wegen inerte), preeieux = pretiosus,
aber ambitieux = ambitiosus ; ferner sangle statt des alten besseren
cengle von cingula.
Das stimmhafte s wird wiedergegeben durch s: rose, z:
dizaine, x: deuxieme. Am Wortende ist s stumm, mit Ausnahme
der Bindung, wo stimmhaft gesprochen wird; doch schreibt man
ohne Grund manche Wörter mit x und z am Schluß, z. B. chez,
nez, riz, dix, doux, croix, poix, noix; bei den Pluralen der Sub-
stantive und Adjektive auf al, au, eau, eu und der bekannten 7 Substan-
tive auf ou schreibt man gleichfalls x. Angesichts dieser Wirrnis vermag
die Kommission nur teilweise Besserung vorzuschlagen, nämlich :
aa) S t r e i c h u n g d e s t, wo es für stimmloses s steht, also aristo-
cratie, inercie wie jetzt schon superticie ; parcial, terciaire, ambicieus,
paciant ivgl. beuitier, pitie mit t-Laut); societe, nacion, nocion
(Vgl. nous notions); accion, faccion entsprechend accident. Freilich
bleiben damit immer noch zwei verschiedene Schreibungen für den
nämlichen Laut ßi: ci und ssi; der Ersatz des c durch ss wäre
422 Schiele,
das Gegebene und wird kommen müBseu, wenn c nur noch Gat-
turalwert hat. Die Italiener und Spanier sclireiben nazione und
nacion^der Aussprache (tß, „th^) entsprechend, wir Deutsche schrecken
vor „Nazion" noch zurück.
bb) X ganz für die beiden s-Laute abzuschaffen und dafür
zu schreiben ss, beziehungsweise z, also soissante (was alte Schreib-
weise ist, dem italienischen sessanta und spanischen sesenta ent-
sprechend) und sizieme.
cc) In Zusammensetzungen, wo der zweite Teil mit s beginnt,
das stimmlose s nur durch einfaches s wiederzugegeben, also etwa
asembler, prdsentir, resouvenir, disyllabe, wobei das e unter Um-
ständen zu e wird. Dabei fragt sich nur, ob Schüler (ohne Latein-
kenntnisse) die Zusammensetzung immer auch erkennen.
dd) Stimmhaftes s allgemein mit z zu schreiben, wie schon jetzt
gaze, topaze, dizaine, onze, douze, also : caze, braize, fraze (= phrase).
roze, deuzi^^me, dizi^me.
ee) Den Schluß-z in der zweiten Person Plural noch beizube-
halten, also vous chantiez, chantez, ebenso (unbegreiflich!) in
assez, chez, nez usf., wenn schon im 13.— 15. Jahrhundert sich
s für z fand; dagegen zu schreiben: sis, dis, pris, courous, deus,
crois usw., bestiaus, chevaus, beaus, feus, tujaus, ^maus, endlich
bijous, caillous, chous, hibous, genous, joujous, pous. Die Akademie
verwirft teils aus etymologischen Gründen, teils weil Doppelkonsonanz
gesprochen wird, alle diese Vorschläge, nur die berühmten Sieben
auf oux opfert sie und achreibt bijous usf. und lindet auch
dizieme, sizieme, neben dizain, dizaine, onze — somit auch wohl
deuzieme für richtiger. Die konsequente Durchführung des z müßte
rückwirkend, nach ihrer Ansicht, niais, confus, clos wegen der
Femininformen zu niaiz, confuz, cloz etc. machen, daher ist sie
unmöglich.
d) Das jotierte n schreibt man richtig gn: früher setzte man
häufig ein i oder auch ein zweites n davor, welches aber den vorauf^-
jichenden Vokal in der Aussprache nicht beeinflußte, z. B. gaigner,
niontaigne (nicht e gesprochen),^ oiguon, roignon. Dieses i (oder u»
ist fast überall unterdrückt und hat sich nur in wenigen Wörtern
erhalten, wo es schon wegen der Aussprache abgeschafft gehört.
In eloiguer sprechen wir schon falsch «a, das i muß also erhalten
bleiben, nicht so in oignon, moignon, poigne, poignard. Für oignou
ist die Akademie einverstanden und sie schreibt in Zukunft >vie
man spricht: og^ion; moignon (= spanisch muüon, Stouimel) und
Die neueste Refoim in der französischen Rechtschreibung. 423
poigne lassen deutlichen Diphthongen hören, daher muß i verbleiben.
Ich erinnere hier an die Aussprache der Eigennamen Montaigne,
Cavaignac, wo das i ebenso ausgemerzt gehörte, wenn es eben
keine Eigennamen wären (cfr. Schweitzer!); poignard glaube ich
mehr ohne Diphthongen gehört zu haben.
5. Gelehrte, dem Griechischen entnommene Wörter.
In Nachahmung der griechischen Äquivalente hat man im Fran-
zösischen geschrieben y, th, rh, ph, ch; allmähüg aber hat man
die bis zum 16. Jahrhundert eingeftlhrten Wörter mehr in französisches
Gewand gekleidet. Man schreibt schon länger cristal, chimie,
tr^sor, trOne, caractere (früher mit y, beziehungsweise h), frenesie,
fantome, flegme, fren^sie (statt mit ph). Anlautendes h (als Ersatz
ftlr den spiritns asper) ist verschwunden in olographe, erpetologie.
Das einzig Vernünftige wäre eine radikale Reform mit Abschaffung
des h im Anfang der Wörter, der Ersatz des ch durch c (vor e
und i durch k, vgl. jetzt schon kilogrammc), des ph durch f, rh
durch r und des th durch t. Schon die letzte Auflage des Wörter-
buchs der Akademie hatte damit begonnen, wenn sie bestimmte,
daß bei Aufeinanderfolge zweier solcher Doppelkonsonanzen bald
die eine, bald die andere (Logik!) das h verlieren sollte, also zu
schreiben diphtongue (Plötz und Sachs schreiben: diphthongue)
phtisie, rythme (Plötz und Sachs phthisie, rhythme).
Da die Kommission das Verschwinden des stummen h am An-
fang der "Wörter nicht vorzuschlagen wagte (vgl. 4 a obenj, so konnte
sie auch hier nicht radikal vorgehen und beließ das h als Ersatz
für den griechischen Spiritus asper. Aber sie möchte schreiben:
i, t, f, r statt y, th, ph, rh (was früher schon ,,maintes fuis^' vor-
geschlagen worden sei) ; für ch schlägt sie vor e und i den k vor,
also : arki^piscopal, arkeologue wie kiiometre. Die Akademie meint,
das y könne gegen das i zurücktreten, auch das h bei rh möge
schwinden, an th und ph möge man nicht rühren und k sei ein
unfranzösischer Buchstabe, den sie lieber nicht einführe, selbst auf
die Gefahr hin, daß man einmal archiepiscopal ausspräche wie
arc'heveque. Wie rückständig! Hat dem Italienischen und Spanischen
etwa die Verabschiedung dieser überÜUssigeu Buchstaben geschadet?
Freilich wir Deutsche schreiben leider auch immer noch „Theater**,
„Photographie", „Rhythmus" usf.
Dies die Vorschläge der Kommission. Um deren Einführung
zu erleichtern, denkt P. Meyer an ein neues orthographisches Wörter-
buch, in welchem die neuen Schreibweisen in Kursivschrift sieh
424 Schiele,
abheben würden; in Prüfungen müßten vorerst beide Schreibungen
zulässig sein, die Lehrer aber müßten die neuen lehren.
Die Akademie hat herzlich wenig zugestanden. Ende März
1905 hat sie, in Beantwortung des eingereichten Kommissionsberichts
folgende Erklärungen abgegeben: 1. sie verwirft den Grundsatz^
«
worauf der Ausschuß für Vereinfachung der Rechtschreibung sich
stützt und wovon er ausgeht^ also den Grundsatz einer möglichst
phonetischen Schreibweise; eine solche erscheint ihr höchst will-
kürlich, denn die Phonetik ändere sich von Geschlecht zu Geschlecht;
niemand könne behaupten, die allein richtige Aussprache zu haben,
und wenn man eine solche auch annähme, so müßte man mehrere
Orthographien fUr Frankreich schaftcn und anerkennen.
2. Die Akademie hängt sehr an der etymologischen Sciireibung,
der die Kommission mehr oder weniger abhold ist. Zuweilen hat
das Bestreben, etymologisch richtig zu schreiben, allerdings irre-
geführt, aber deshalb darf man es nicht aufgeben, am allerwenigsten
in unseni Tagen, denn die Gebildeten und Gelehrten verstehen
unsere Sprache besser. [Man vergleiche dazu temps (= tempus)
etwa tems, oder tans, oder gar tan geschrieben! Und wie ist\s
beim Spreclieu?] Die Akademie verfehlt nicht, daran zu erinnern,
daß beim Untcrrichtsminister von fremden Gesandten und Geschäfts-
trägern Beschwerden j^egen die geplante Orthographiereform vor-
gebracht worden sind, da letztere den Ausländern das Studium
der französischen Sprache entleiden müßte.
H. La physionomie des mots — das äußere Wortbild geht der
Akademie sehr nahe, und sie ist mit Brunetiore einig, der schon
unter dem 1. September 1900 schrieb; „Jedes Wort einer in fünf
bis sechs Jahrhunderten hoher Kultur entstandenen Sprache hat
persönliche, Daseinsberechtigunji:, und ungestraft rührt man nicht
daran, z. B. V. Hugos Verse: „Un frais partum sortait des touffes
d^aspliodi'le ; Les soufties de la iiuit tiottaient sur Galgaiu^' schreiben
zu wollen: .,Un frai parfuii sortait des toufes d'asfodele; Les
soufles de la nuit Hotaient sur Galgala" wäre einfach ein Verbrechen.
Das äußere Gewand der Wörter macht einen Teil der Schönheit
<ler Sprache aus. (Man vergleiclie hierzu etwa englisch daffodil
und deutseh Aflbdil.)
4. Der gewichti;i;ste Grund gegen die Orthographiereform liegt
flir die Akademie aber in der Verwirrung, die sie in den meisten
Ki*>l)fVn anrieli teu würdei Eben aus diesem Grunde sei der Aus-
sclmß oft auf halbem Wege stehen geblieben. Zwischen jetzt und
Die neueste lleforiQ' in der tranzösiächeu Rechtschreibung. 425
der endgültigen Einführung der Neuerungen würde aber die reinste
Anarchie herrschen, und zwar keine kurze Zeit. Überdies wollen
sich die Radikalen hierbei nicht einmal bescheiden^ sondern stellen
al8 anzustrebendes Endziel eine rein phonetische Schreibweise auf
— mit anderen Worten, wenn mau den Anfang mit den vorge-
sclilageneu Neuerungen der Kommission machen wollte, so stünden
damit Tür und Tor dem Umsturz offen.
5. Endlich glaubt die Akademie, daß nicht allein die gang-
bare Sprache, sondern auch die Literatur unter der Reform zu
leiden hätte, die Schriftsteller würden durch sie gehemmt und
verwirrt.
Aus diesen Erwägungen ergab sich die Stellungnahme der
Akademie, die also nur folgende Punkte angenommen hat: 1. deja
ohne gravis; 2. chute, joute, otage (wie schon früher) und assidument,
devoument, crucitiment ohne circumflox; 3. ile, flute, maitre, naitre,
traitre, croute, voute und andere Wörter ohne circumiiex zu sehreiben,
wo der Akzent nur dazu dient, an ein ausgefallenes s zu erin-
nern; 4. freizustellen contidentiel und confidenciel und ähn-
liche Adjektive, deren entsprechendes Sub!;tantiv auf ence oder
anee endigt; 5, das Zusammengehen von difforend (Streit) mit dif-
fVrent, von fonds mit fond und von appas mit appats ; 6. freizustellen
ennütoutier und emmitoufler, enmener und emmener, enmail-loter und
emmail-loter und ähnliche, wo n infolge Zusammentreffens mit m zu m
geworden ist; 7. ognon für oignou; 8. freizustellen pied und pie;
9. die Pluralbildung von bijou, caillou, chou, genou, hibou, joujou,
pou auf s ; 10. echcle statt Schelle, da ersteres der Etymologie und
Aussprache gerecht wird; 11. im einzelnen Falle will die Akademie
nach jeweiliger Prüfung das h in der Verbindung rh der aus dem
(iriechiscliou stammenden Wörter ausfallen lassen und 12. den Ein-
tritt des i in ebensolchen Wörtern an Stelle des y begünstigen ;
13. sie hat nichts gegen eine etwaige Schreibung von sizain (ähn-
lich dizain und dizaiue) mit z und glaubt die Reform auch auf
dizieme, sizieme in Übereinstimmung mit onzit'me und douzieme
au}<dehnen zu sollen (deuzirme hat sie vergessen 1).
Das Doppel -r in den von carrus abgeleiteten Wörtern will sie
nicht aufgeben, im Gegenteil chariot den übrigen angleichen und
künftig schreiben charriot.
Man versteht das zögernde Vorgehen der Akademie, wenn man
die EinHüsse kennt, unter denen sie steht. Ihr Berichterstatter in
der Sache, E. Faguet, hat sich schon im Februar dieses Jahres zu
-426 Schiele, Die neueste Reform in d. franz. Rechtschreibung.
er
n
/
der Frage geäußert^ und zwar wie folgt : die Frage der Vereinfachtin
ist ziemlich anwichtig; denn solange man keine rein phonetische
Schreibweise einführt, was unentwirrbare Schwierigkeiten bereiten
würde, brauchen unsere Kinder zur Erlernung der Rechtschreibung
doch immer viel Zeit; und seihst bei Annahme aller Vorschläge
der Kommission würde man höchstens ein Vierteljalir gewinnen.
Dazn meine ich : Ce serait autant de gagno. Er möchte auf folgende
zwei Punkte die Vereinfachung beschränkt wissen: 1. die Unter-
drückung der Doppelkonsonanten überall da, wo n i c h t durch We^j:-
lassung der Verdopplung Verwechslung zweier Wörter zu be-
fürchten ist und 2. die Französierung aller griechischen Wörter
ohne Ausnahme; die Etymologie braucht hier nicht länger mitzu-
sprechen, da man doch jetzt schon schreibt fantöme, Üegmatique,
frenesie — also auch farmacie, frenologie.
In ganz anderer Tonart läßt sich der bekannte Nationalist,
Dichter und Mitglied der Akademie Frangois Copp6e vernehmen.
Er klagt die Neuerer an ,)de pr^parer le chambardement de la
langue frangaise^ en proposant Padoption d'une orthographe blocanle
et dreyfusiste (sie!), laquelle n'est qu'une absurde fantaisie de
pedants, de niais (^ui fönt sans cesse vibrer les r du mot progrrs
et du mot democratie; un acces de cuistrerie democratique cauB<''
par l'amour de la sacro-sainte Instruction primaire. Les cliam-
bardeurs universitaires comroettent le pire des sacrili'ges, en portaut
la main sur Torthographe actuelle, coiuparable pour sa beaiite au
torse de la Venus de Milo et au sourire de la Joconde".
Sei dem wie ihm wolle! Die bis jetzt übliche franzi'^sische
Rechtschreibung ist mit ihren vielerlei Regelwidrigkeiten, Ausnahmen
und Verwickinngen weniger eine Wissenschaft als ein Lotteriespiel.
Der gesunde Menschenverstand verlangt für gleiche Aussprache
gleiche Schreibweise; die Vereinfachung der Rechtschreibung er-
leichtert die Erlernung der Sprache und trägt zu ihrer weiteren
Verbreitung bei. Was sagen die Feinde der Neuerungen zu folgen-
dem Satz: Le Chirurgien et le chiromancien chanterent i\ l'orchestre
un Choral qui charma les echos de PAcheron hinsichtlich der Au>-
sprache des ch?
Im Grunde genommen hätten die von der ministeriellen Kuni-
mission vorgeschlagenen Reformen von der Akademie ausgehen
sollen; denn ihre Aufgabe ist es, die Sprache den jeweiligen Re-
dürfnissen anzupassen. Aber solange in dieser erlauchten Gesell-
schaft Männer, die Erfahrung im französischen Unterricht haben
Amtliche Bekanntmachung. — Literarischer ßericht. 427
oder gute Kenntnisse in der französischen Spracli Wissenschaft be-
sitzen; in der verschwindenden Minderheit sich befinden, werden
die Bemühungen der Reformer nur langsam mit Erfolg gekrönt
werden. L. Havet^ vom Institut und Mitglied der Kommission,
meint ähnlich: „Wenn eine der fünf Körperschaften, die das In-
stitut de France ausmachen, ein vernünftiges Anrecht darauf hätte,
in der Rechtschreibung Vorschriften zu erlassen, so würde dieses
Anrecht sicherlich einer Oesellsohaft von Orammatikem und Ge-
lehrten, nicht aber von Romanschriftstellern zukommen^.
Schließlich hat ja das letzte Wort der Minister, und die oberste
Schulbehörde wird ihrerseits Bestimmungen erlassen. Die Frage
der Vereinfachung der französischen Rechtschreibung kommt nicht
eher zur Ruhe, als bis eine vernünftige, einfache Lösung (ähnlich
wie im Italienischen und vor allem im Spanischen) gefunden ist,
namentlich wenn sie solch zielbewußte Vorkämpfer wie P. Meyer
aufzuweisen hat.
Amtliche Bekanntmaohung,
Die im Verlag von Stephan Geibel in Altenburg erschienene
,, Deutsche Seebücherei^ mit Unterstützung des Reiclismarineamts
herausgegeben von Professor Dr. J. W. Otto Richter, wird hiermit den
Schulvorständen zur Anschaffung für die Schulerbibliotheken und
zu Schülerprämien empfohlen.
Stuttgart, den 2. November 1905.
K. Ministerialabteilung für die höheren Schulen.
L V.: Weigle.
Literarischer Bericht.
Der Evangelische Glaube für die Gegenwart dargestellt von
Dr. J. Schoell, Professor am Realgymnasium in Stuttgart.
116 Seiten. 1.30 Mk., geb. 1.70 Mk. u. 2 Mk. Heilbronn,
E. Salzer 1905.
Ebenso klar wie wann, aiigcnioin verätändiich und docli wissoii-
schaftlich gründlich, seinen ganzen Ueicbtuni freilich nur erschließend,
wenn erklärendes AVort oder sorgfältige^f Nachdenken dazu kommt.
Nammentlicli der vorletzte Al)schnitt: das iicrsönliche Christentum (>eine
428 Literarischer Bericht.
allgemein gültigen Züge, seine besonderen Formen, seine Entstehung)
sei denen empfohlen, die aus einem einzelnen Abschnitt den Geist des
Ganzen kennen lernen wollen. Überrascht war ich durch den Satz
S. 102, daß die herkOmmlicherweise dem Abendmahl vorausgehende Ab-
solution dem Sinn des Abendmahls geradewegs — beiläufig, ein Lieblings-
wort des V^orfassers S. 41, 52, 94, 116 — widerspreche, sei doch das
Aben<lmahl selber die Absolution, die Bezeugung der Vergebung der
Sünden. Kann man nicht umgekehrt diese Absolution benützen, um
magischen Sakramentsvorstellungen entgegenzutreten? Frei und fromm
zugleich ist, wie dieser Satz, das ganze Bucli. — Falsche Zahlen S. 22
(1. Kor. 1, 18); 98 (Mt. 28). S. 62 wieder einmal : „Fügung« statt „Führung-
in dem Wort des Siegers von Sedan.
Maulbroun. Eb. Nestle.
Lamparter, E.; Stadtpfarrer in Schwäbisch Gmünd, Christlielies
Glfiubensleben. Handbuch für den Religionsunterricht an
höheren Lehranstalten., VIIL 132 S. 1.60 Mk., geb. in Lein-
wand 2 Mk. Tübingen, J. C. B. Mohr, 1905.
Mit den vielen norddeutschen Leitfäden zum evangelischen Reli-
gionsunterricht treten jetzt auch heimische Kräfte in Wettbewerb. Dieses
Buch stammt aus dem Gmüuder Realgymnasium; vom Ueligionslehrer
des Stuttgarter Realgymnasiums ist gleichzeitig eines angekündigt. Im
Deutschen Volkshlatt Nr. 142 ist als Motto für eine Neuauflage das
Straußsche Wort empfohlen worden: Wir sind keine (evangelischen)
Christen mehr. Ich denke, so gut wir noch Deutsche sind, auch wenn
wir nicht mehr auf der Bärenhaut liegen und Eicheln essen, so gut kann
das Büchlein unsern Schülern lielfeu, immer bessere Christen zu werden.
Das Buch faJH seinen Stoff in den 5 Teilen zusammen : Die Entwicklung
des religiösen Bewußtseins in der Menschheit; Jesus Christus, der Bote
und Bringer de« Heils; Das Heil des christlichen Glaubens; Das Heil
des christlichen Lebens; Die Vermittlung des Heils durcli die christliche
Kirche. Durch diese Darstellung kann es auch anderen, die keine
►Schüler mehr sind, dienen. Fremdwörter sind möglichst vermieden.
Maulbronn. Eb. Nestle.
Lang, Gustav, Dr., Uiitersu(*huiig^^iL zur Geog^raphie der Odyssee.
122 S. Karlsruhe, Gutsch, 1905.
Den Wunsch mit dem ich meine Anzeige der Gösslerscheu Schrift
über Leukas-lthaka in diesen Blättern (19ü4 S. 391 ff.) geschlossen
habe, daß sich die Debatte über die Frage nach der Heimat de» Odysseus
nun erst recht erötfnoii möge, ist in reichem Maß in Erfüllung
Literarisclier Bericht. 429
gegangen. Eine gute (übersieht über den Verlauf, der in letzter Linie
von Draheim (Berl. Phil. W. 1894 S. 63 ff. ; „Die Ithakatrage", Wissen-
schaftliche Beilage zuro Jahresbericht des König Wilhelm-Gymnasiums in
Berlin 1903) angeregten und von Dörpfeld weitergeführten Erörterung
bis zu den Rezensionen der Arbeit Gösslers gibt C. Rothe in der Zeit-
schrift für das Gymnasialwesen 59 (N. F. 39) 1905 S. 162 ff. Seitdem
sind die von Lang in den Süd westdeutschen SchulbUittern 1904 Nr. 10
bis 12 und 1905 Nr. 1 bis 2 veröffentlichten Aufsätze samt einer Er-
widerung Dörpfelds in der zuletzt genannten Nummer hinzugekomnieu.
Lang hat nun seine Abhandlungen in der vorliegenden Broschüre zu-
sammengestellt und mehrere Abschnitte hinzugefilgt, nämlich ein Kapitel
über die geologische Erklärung der Veränderung von Asteris, eine
Untersuchung über homerische Landschaft, sowie eine Darstellung der
Topographie des homerischen Ithaka angewandt auf das heutige Thiaki
nebst einigen Anhängen, von denen I und II auch in den Südwest-
deutschen Schulblättern 1905 Nr. 7/8 S. 253 ff. zum Abdruck kamen.
Da die einzelnen Aufsätze aufs engste miteinander zusammenhängen,
fügen sie sich zu einem abgerundeten Ganzen zusammen und es darf
gleich gesagt werden, daß das Langsche Buch, das in fortlaufender
Auseinandersetzung mit den (jegnern die aufgeworfenen Fragen stets
von beiden Seiten beleuchtet, jetzt von allen hierhergehörigen Scliriften
die eingehendste und gründlichste Behandlung des Ithakaproblems
bietet.
Hinsichtlich der im ersten Kapitel erörterten Frage, ob Leukas
zu homerischer Zeit eine Insel oder eine durch einen 4 bis 5 km breiten
Isthmus mit dem Festland verbundene Halbinsel gewesen sei, erscheint
trotz der auf den Leser überzeugend wirkenden Darstellung des Ver-
fassers, zurzeit noch Zurückhaltung eines entscheidenden Urteils ge-
boten, zumal Negiis selbst, auf dessen Forschungen sich Lang haupt-
sächlich stützt, zu andern Ergebnissen als dieser gekommen ist, ferner
Kolbe in der Erklärung der Auffindung antiker Grabsteine im Sunde sich
nunmehr Dörpfeld angeschlossen und letzterer selbst erklärt hat, daß
die Untersuchungen über die Beschaffenheit des Sundes noch nicht ab-
geschlossen seien. Aber so viel ist schon jetzt klar: wenn Lang mit
der Annahme eines in homerischer und noch bis tief in die geschicht-
liche Zeit bestehenden Isthmus recht hat — und er kann sich, abge-
sehen vom geologischen Befund, dabei auf das Zeugnis des Strabo X. 2,8
(•^v TzozB jiev laO-tiög, vöv öe nop%'\i6^ ysoiipq, ^euxxög) berufen, so fällt
eine der wichtigsten Stützen der Leukashypothese in sich zusanmu'U.
Denn mag auch zugegeben werden, daß Leukas trotz des Isthuuis
ebensogut vf,00fe heißen konnte wie die UsXoTidvvYjoog, so konimt doch
die ganze Beweisl'ühruug mit den ^zopy^\ir^ez und der angeblielicn Fähre
(Gössler S. 47 ff.) in Wegfall, da dann das antike Leukas auf dem Fest-
lanil lag und keiner Verbindung zu Wasser bedurfte. Lang sii'ht mit
430 Literarischer Bericht.
»Strabo Leiikae in der dxxT] ^iceipoio, wo die Stadt NTJpixo^ lag (o) 377 f.).
OhwoliI hier die Lesarten schwanken und bei Strabo auch N^pixo; vor-
kommt, ist es gewiß unberechtigt, auf Grund dieser Verwechslung des
bei Homer einmal genannten Ni^ptxoc mit dem häufigeren Ni^piTo^, nun
aucii ß 632 fld-dcxi^v xal Ni^pixov elvootqpuXXov) in NiQpiTo; Leukas zu
sehen, wie Dörpfeld und Lang (S. 16) tun. Daß beides verschieden
ist, zeigen doch sclion die Beiwörter (iÖxx((ievov nxoXisd'pov co 377), wie
bereits IStrabo (X, 2; 12) erkannt und jüngst Cauer gleichfalls erklärt
liat (Erfundenes und Überliefertes bei llomer in NJB. 1905 S. 17), der
auf ähnliche Beispiele des ox^|ia xad*' oXov xal xax& pipo^ (B 535 f. ; 581 f.)
verweist. Mit Recht aber hobt Lang die Schwierigkeit hervor, die
sich für Dörpfeld daraus ergibt, daß für ihn Ni^pixog an der Festlands-
küste liegen müßte, während er es doch mit den 8 km landeinwärts
gelegenen Ruinen von Palairos identifiziert, so daß er den Ort in eine
Stadt im Binnenland und ein Kastell am Sunde spalten muß. Döqifeld
beruft sich endlich in betreff der Namensänderung darauf, daß Leukas
ja jedenfalls seinen Namen geändert haben müsse. Dagegen ist zu
sagen, daß wir bei llomer (to 377) nur von einer Stadt Nerikos hören,
die wahrscheinlich auf Leukas lag. Der Name der Insel wird nicht
genannt. Aber wenn auch die Bezeichnung des Leukadischen Felsens
((0 311) zur Benennung oder meinetwegen Umuennung von Stadt und
Insel geführt hat, so ist das doch etwas ganz anderes als die Motivierung
durch einen Völkerschub, für den Dörpfeld auch jetzt keinen stichhaltigen
Beweis beigebracht hat. Außerdem erhalten wir nach ihm zwei Namens-
veränderungen (Ithaka-Nerikos-Leukas), deren erste vorläufig lediglich
ein Postulat ist'). Mit Recht findet es Lang künstlich, daß Dörpfeld
B 632 unter Ithaka das heutige Thiaki, sonst aber Leukas, unter Samos
Kephallenia, sonst aber Thiaki verstehen will, und Gauer (a. a. 0. S. 16 f.),
der der Leukashypothese zustinmit, aber den vordorischen Ursprung
der Odyssee als völlig ausgeschlossen betrachtet, will daher auch in
B unter Ithaka noch Leukn^i vorstehen: dann brauche die Odyssee
nicht älter zu sein als der Schiffskatalog. D«amit kommt man aber mit
der Motivierung der 'zweimaligen Umnennung vollends ins Gedränge.
So bleibt nichts übrig, als daß eben hier wie dort Ithaka = Ithaka
(d. h. Thiaki) ist.
Da Lang es ablehnt, Leukas zu den i 21 ff. genannten Inseln zu
rechnen, glaubt er sich genötigt D u 1 i c h i o n anderswo als in Kephal-
lenia (Same) zu suchen und da ist es eine gewisse Ironie des Schick-
sals, daß er, der sti streng an dem Insclhegrif!' von vfjaog festhält, sich
nun durch seine Hypothese in die Zwangslage versetzt sieht, den
^) Daß solche Umuenuungen vorkommen, ist ja zuzugeben: siehe
(i«»äsler S. 75. Ich erinnere noch an die zeitlich verschiedenen He-
nentiungen des Bo<len8ees: Konstanzer See, Lacus Brigantinus.
Literarischer Bericht. 431
Dieliter denselben auf eine Gegend anwenden zu hülsen, die noch viel
weniger Inselcharakter trägt als Leukas, uäiniich auf das Mündungs-
gebiet des Achcloos, womit er eine Vermutung Oberhummers erneuert.
Der Grund für diese Annahme, die übrigens Lang mit Zurückhaltung
lind niisgesprochener Betonung ilires hypothetischen Charakters vor-
trägt, liegt lür ihn in der Verbindung, in welcher Dulichion B 626 mit
den Ecbinadeu erscheint. Es gehört mit diesen zum Keich des Epeicr-
fürsten Meges (N 692), während Odysseus die auf Ithaka (Krokyleia,
Aigilip»), Samos und Zakynthos wohnenden Kephallenen beherrscht.
]):iß 08 eine Insel sei, ist nicht ausdrücklich gesagt; aber wahrschein-
lich ist OS hier ebensogut als eine solche gedacht wie i 24. Und wenn
nun einmal, sei's hier oder dort oder, wie ich glaube, beidemal, „ un-
klare geographische Vorstellungen" (S. 16) vorliegen, so erscheint mir
noch immer die alte Auskunft am annehmbarsten, daß Same und
Dulichion die beiden Hauptorte von Kephallenia waren, die der jonische
EHchter irrtümlich als zwei getrennte Inseln ansah, zumal für das Alter-
tum sogar eine xsxpdnoXig dort bezeugt ist (Strabo X. 2, 14) und der
Name Dulicho noch heute an einem seiner Häfen haftet (Dörpfcld,
>üdwestdeut8ehe Schulblätter 1905 S. 47), wie ja freilich auch an einer
der Echiuaden, was bei der Bedeutung desselben nichts Auffälliges hat.
Im dritten Kapitel bemüht sich Lang, die Klippe Daskalio im
Sund zwischen Kephallenia und Thiaki als die homerische Asteris
zu erweisen. Die Identifikation ist nur möglich unter der Annahme
bedeutender Veränderungen im Umfang der Insel, wofür er die Analogie
von Helgoland heranzieht. Wenn er außerdem für den Dichter das
Recht in Anspruch nimmt, die Insel .,nach den Bedürfnissen seiner
Dichtung auszuschmücken", ferner ß^rards Annahme, daß ,,der Dichter
die Buchten und Vorgebirge des nahen Kephallenia .... in seine
Vorstellung von Asteris verwoben habe", für denkbar erklärt (S. 49)
und endlich ..genaue Ortskenntnis der jüngeren Dichter der Odyssee"
annimmt (S. 47), so geht er fast soweit wie ich, der ich in d 844 ff.
(verglichen mit 5 671 und o 29, wozu noch n 365 kommt) den Zusatz
eines jüngeren ortskundigen durch die Anschauung von Arkudi beein-
flußten Dichters sehe (s. N. Korr.Bl. 1904 S. 398). Nur über den Begriff
..jüngere Dichter^ denken wir wohl noch verschieden. Es sind aber
die Ortsangaben in d 671 und o 29 trotz des durch &v nop^ii^ ersetzten
^sooTjyOg nicht ..noch genauer" als in 8 844 ff., wie Lang sagt, sondern
weniger genau : denn hier fohlt gerade das Wichtigste, nämlich die
Insel, und ebenso n 365. Sie durfte aber mindestens in der Warnung
der Athene an Telemach als deutlichste Ortsbezeichnung des drohenden
Überfalls nicht ungenannt bleiben.
Der Abschnitt über Ithaka bietet im Vergleich mit Menge und
andern nichts Neues. Ein schwacher Punkt bleibt bei der Aufsuchung
*\qy Kinzelheiten der homerischen Schilderung: in der Wirklichkeit immer
432 Literarischer Bericht
<!io Nymphonj^rotte, die nun einmal weder von i\en antiken noch vi»n
den inodi'rnen Geoj^rajdien an der Bucht von Wathy jret'unden wnrdi.
Die eine Stunde oberhalb im Gebir«je «gelegene Tropfsteinhöhle bewti.-*t
nichts, und ihr angebliches Verschwinden mit dem Verschwinden de^
von Homer auch genannten Ölbaum» zu parallelisieren (8. 86) seht
doch bei iler sehr verschiedenen Widerstandstalugkeit beider Gebilde
nicht an. Wenn ferner die Bucht von Molo »amt derjenigen vou Watliy
für kleine Schiffe wirklieh so gefährlich ist, wie Lang S. 8S im Au-
bchluß an Berard darlegt, so stimmt das sehr wenig zu der Vorstellung
eines ruhigen und geschützten Laudungsplatzes, welche die honierisclic
Schilderung in dem Hörer erweckt. Meint doch Lang sogar, .,mit seinem ei-
genen Schiff hätte Odysseus die Landung an dieser Stelle nicht so leicht be-
werkstelligt"; nur dem Wunderschiff der i'häaken sei das nniglich gewesen.
Noch ist ein Wort zu sagen über den meines Erachtens wert-
vollsten Abschnitt der ganzen Schrift, die Untersuchung über „home-
rische Landschaft^* (S. 53—71). Eine solche ist für die Lö>unir
vou Fragen der homerischen Topographie eine unerläßliche Vorar-
beit, wie ich in der Besprechung des Gösslerschen Buches ange-
deutet habe (N. Ivorr.BI. 19ü-t S. 394 ff.; Lang S. 109 f.). Lang teilt
den Stoff in drei Gruppen: 1. Typische Merkmale; 2. Kontrollier-
bare Einzellandschaft: 3. Märchenlandschaft. So sinnreich <iie>e Ein-
teilung ist, so weist, wie mir scheint, doch gerade der von Lang
mit großem Fleiß zusammengetragene und gesichtete Stoff darauf
hin, daß der Einschnitt nicht zwischen — sagen wir der Kürzt*
halber — historischer und Märchenlandsehaft zu macheu ist, sondern
zwischen Landschaft der Ilias und der Odyssee. Die Lektüre iler
liangschen Untersuchung bestätigte mir die schon vorher gemachte
Beobachtung, daß die Ilias überhaupt keine direkten Schilde-
r u n g e u b e s t i m m t e r E i n z e 1 1 a u d s c h a f t e n k e n n t. Man muß die
verstreuten Züge erst zusammensuchen und sich daraus das Gesamt-
bild konstruieren, wie es Lang getan h:U: nicht einmal ilie Lage Trojas
ist irgendwo im Zusammenhang geschildert. Vieles steckt in Gleich-
nissen und da wäre vielleicht auch nach Lang noch manches zu linden:
so vermisse ich die Kaystrosebene mit ihren Schwänen (B 461 ff.). Auch
dii; Vt-rreilung der Schilderungen auf die einzelnen IJiicher wäre zu
beachten: so liefert z. B. E. ganz aiitYallend viele Züge (Lang S. 62 f.j,
d{js auch sonst eine besondere Eigenaii; zeigt. Nirgends nher finden
sich in der Ilias so bestimmte und aust'ührliche Landschaftsbeschreibnngen
wie in der Odyssee. Srhon diese Tatsache zeigt, daß wir es in dem
Jüngeren Epo.s niit einem andersartigen, wir dürfen wohl sagen, t'orl-
^»'schritteneren Stil zu tun lial>en, was sich ja auch in zahlreichen andern
Merkmalen erweist, wie jüngst Inimisch einleuchtend gezeigt hat"').
*) Die innere Ijitwirklung (hs grieeliischen K\)o>. Leipzig, Teu)-
ner IDOL
liiterarischer Bericht. 433
Lang will nun, obwohl er zugibt, daß „in der Geographie der Odyssee
alles viel probIematii*cher ist als in der Topographie der Troas" (S. 08),
doch eine weitgehende grundsätzliche Übereinstimmung der ()dy:ssee
mit der Ilias konstatieren, indem es sich hier wie dort, wenigstens bei
Itliaka, um Lokalitäten handle, deren Benennungen der Dichter v(»i'-
gefunden, nicht erfunden habe : Koraxfelsen, Arethusa, Kheitron, Neiou.
Xeriton, Apollohain, Hermeshügel, Phorkysbucht (S. 66 f.). Beim Apollo-
hain und Hermeshttgel kann nun Lang freilich selbst die Analogie des
Athenehains und Poseidonplatzes in der ,MJirchenIandschaft* Sclieria
nicht in Abrede ziehen (S. 71). Arethusa ist ein so vielfach durch
ganz Griechenland verbreiteter Quellname, daß er nichts beweist [a.
Pauly-Wissowa II 1 Sp. 679 ff.). Der Berg Neriton hat offenbar seinen
Namen von Neritos, dem Bruder des Ithakos (p 207), war also moIiI
in der Sage gegeben. Neion kann man ebensogut wie von dem an
seinem Fuß entspringenden Quell (vatco S. 83) von vVjtog (zum Sehifts-
bauholz gehörig) ableiten ^). Rheitron ist ein viel gebrauchtes Appella-
tivum, das freilich nur in der Odyssee als Eigenname vorkommt. Seine
durchsichtige Bedeutung erklärt Lang selbst (S. 84). Zur Phorkysbucht
vgl. a 72. Es bleibt der Koraxfelsen. Wer will aber behaupten, daß
ein Dichter nicht ebenso diesen und andere Namen erfinden konnte,
der Dutzende von Phäakennamen frei gebildet hat^ Beweisen läßt
sich freilich weder das eine noch das andere. Lang tadelt es (^. 110),
daß ich „die ganze Ithakalandschaft mit den Märchenlandschaften in
einen Topf werfe^. Aber einerseits glaubt z. B. Drerup nun auch das
Urbild von Scheria in Kreta gefunden zu haben-) und andererseits
haben die Ausgrabungen in Hissarlik nicht einmal zur Auffindung des
Priamospalastes geführt (Lang S. 68). Noch wichtiger ist es jedoch,
daß der von Lang gegen meine Auffassung erliobene Einwand geeignet
erscheint, diese vielmehr zu bestätigen. Er sagt nämlich, ,,die eigent-
lich geographischen Formeln seien der Ausdruck einer scharfen, aller-
dings auf das Typische gerichteten Beobachtungsgabe des Dichters.
Wo sie gleichlautend oder in Anklängen wiederkehren, liege die Ober-
einstimmung in der Landschaft begründet" (S. 110). Ja, noch mehr:
„Der Dichter komponiert sie (sc. die Märchenlandschaften) mit großer
Kunst aus den uns hinlänglich bekannten Charaktermerkmalen der
griechischen Landschaft überhaupt .... Ja, es mag ihm dabei diese
oder jene bestimmte Landschaft seines eigenen Gesichtskreises Modell
gestanden haben" (S. 69). Damit bin ich vollkommen einverstanden.
Ich denke mir das Verfahren der homerischen Dichter hier ähnlieli
^) Vermutlich gehen vaOg Schiff und vadg Tempel auf die Grund-
bedeutung „Balken" zurück.
'-) Homer (Weltgeschichte in Charakterbildern). München-Kirchheim»
1903, S. 185.
Korrespondensblatt 1905, Heft 11.
434 Literarischer Bericht.
wie (lau der Renaiäsancemaler, an die auch Cauer (a. a. 0. S. 9) erinnert:
Hatten sie Jerusalem oder Babylon zu malen, so malte der Florentiner
Florenz, der Römer Rom usw. und fügte wohl auch einige fremde
Züge ein, wie Lang von den homerischen Dichtem ebenfalls annimmt.
Aber wo bleibt der scharfe Unterschied Längs zwischen wirklicher
und Märchenlandschaft, wenn beide dieselben der Wirklichkeit ent-
nommenen Bestandteile aufweisen, wenn der Dichter, auch wo er die
Wirklichkeit schildern will, wie Lang selbst für möglich hält, Teile
verschiedener Landschaften (z. B. Kephallenia und Asteris) zu einem
Bilde zusammenfügt oder ^Entferntes nach Bedarf zusammenrückt^ wie
die Nymphengrotte *) und die Phorkysbucht (S. 86)? Der Verwei» auf
die bestimmten Namen führt, wie gezeigt, nicht weiter und selbst an-
genommen, er habe sie vorgefunden, so konnte er doch die Örtlich-
keiten, die sie bezeichneten, frei gestalten. Dann ist es aber ganz
gleichgültig, ob es sich um Märchen- oder wirkliche Landschaften handelt.
..Die Landschaften des Nöoxoc, sagt Lang, sind und bleiben erdichtet"
und er bemerkt ganz richtig, daß von Gösslers Bemerkung über Scheria,
08 baue sich darauf keine eigentliche ausgedehnte Handlung auf, das
Oegenteil richtig sei (S. 111). Aber meinen Nachweis, daß das wichtigste
Stück der Ithakesischen Landschaftsschilderung, die Beschreibung der
Phorkysbucht mit märchenhaften Zügen durchsetzt (v 107 ff.) und
aus Elementen komponiert sei, die sich auch in der „Märchenlandschaft^'
als typische Bestandteile wiederfinden (N. Korr.Bl. 1904 S. 396), verwirft
er, ohne ihn zu widerlegen. Es ist jedoch auch zu beachten, wie die
Märchenlandschaft ganz realistische Seiten aufweist: ich erinnere an
die Beschreibung der Ziegeninsel vor dem Eyklopenland, wo uns der
Dichter nicht nur sagt, wie die Insel ist, sondern wie sie sein könnte,
wenn man sie bebaute (i ISO tf.) : da hört man den Kolonisten reden,
der sich fremdes Land anf seine Kulturfähigkeit ansieht. Außerdem
steht die rationelle Milchwirtschaft des Polyphem ganz auf einer Linie
mit der S3^steraatischen Schweine- und Kind Viehzucht auf Ithaka^). Dies
nur als ein Beispiel wie Märchenwelt und wirkliche Welt den homerischen
Dichtern und ganz besonders denen der Odyssee ineinander fließen.
Weiche ich so in der Beurteilung der einzelnen Odysseeland«
Schäften von Lang wesentlich ab, so bin ich dagegen mit ihm einig
in der Meinung, daß die Kenntnis des griechischen Westens nicht iu
allen Teilen des Epos dieselbe ist. Der Verfasser von t hat hier ent-
schieden unklarere Vorstellungen als der Dichter der Telemachie (z. B.
*) Eine „Nymphengrotte" findet sich auch in der „Märchenland-
schaff* <ler Ileliosinsel: p. 317 f.
-) Vgl. Pöhlmann, ,Die Feldgenieinsehaft bei Homer* und ,Au8 dem
helhMiis(;heii Mittelalter* : Ans Altertum und Gegenwart (1895) S. 143
und 181.
Literarischer Bericht. 435
d 601 ff.)* ^^^ diese übrigens den Taygetos ignoriert, obwohl er Z 103
genannt wird, bleibt bestehen: denn die neuerdings wieder beliebt ge-
wordene Annahme Strabos (VIII. 3, 27), das Pylos der Odyssee sei in
Tripbylien zu suchen, wird gänzlich hinfällig durch die Tatsache, daß
die Fahrt des Telemach über das am Messenischen Golf gelegene
Pherai geht (f 488). Man ist bei dieser Annahme genötigt, auch ein
zweites, bisher völlig unbekanntes Pherae zu ertinden.
Doch ich habe die einer Rezension von rechts wegen gesteckten
Grenzen längst überschritten. Möge meine Ausführlichkeit dem Ver-
fasser ein Beweis für das seiner Arbeit entgegengebrachte Interesse,
den Lesern dieser Blätter ein Zeichen dafür sein, wieviel Anregung
der mit gründlichster Sachkenntnis und besonnener Kritik (besonders
auch gegenüber dem Börardschen Buche „Les Phöniciens et TOdyssee)
geschriebenen, mit mehreren Karten und Bildern und einem sehr zweck-
mäßigen Sach- und Stellenregister ausgestatteten Schrift zu entnehmen
ist. Wenn Lang mit dem Herakli tischen Wort ,TCöX8|iog nax^p icdvxwv^
schließt, so befindet sich Referent ihm und seiner Gegenpartei gegen-
über in der von dem Sprichwort gekennzeichneten Lage: duobua liti-
gantibus tertius gaudet
Schöntal. W. Nestle.
Unuarkus. Yersach einer Wiederherstellung der ältesten Mit-
teilungen über das Leben Jesu. Von Dr. Emil Wendung.
Tübingen, Mohr, 1905.
Diese kritische Arbeit eines FachgenoHsen werden gewiß auch
Philologen mit Genuß und Gewinn lesen beziehungsweise studiereu.
Die folgende Besprechung möge zeigen, was der Verfasser darbietet
und was wir von seinen künftigen Untersuchungen aiif dem Gebiet der
philologischen Evangelienkritik zu erwarten haben.
Durch die merkwürdige „Struktur" des Abschnitts Markus 4, 1—34,
die jedem unbefangenen Leser auffällt, ist Wendung veranlaßt worden,
der Zusammensetzung des Markus überhaupt von rein philologischen
Gesichtspunkten aus näher nachzugehen. Das Ergebnis der Prüfung
liegt in der Broschüre „Crmarkus" vor in doppelter Form 1. S. 1—28
(mit den wertvollen Anmerkungen S. 34—41) 40 Thesen (in Para-
graphen); 2. S. 42 — 71 der Text des Evangeliums mit übersichtlicher
Unterscheidung der von Wendung angenommenen drei Schichten. Hin-
geschoben sind S. 29—33 zwei Tabellen über die Verteilung der Texr-
stellen an die verschiedenen Mitarbeiter. Endlich finden wir S. 72 — 73
den Nachweis über die Abweichungen des in der Scbrift abgedruckten
Textes von E. Nestle, editio quiota recognita (Stuttgart 1904).
Gehen v/ir nun auf den Inhalt der Abhandlung näher ein ! — Daß
Markus die Grundlage von Matthäus und Lukas ist, darf als au»sgenKicht
436 Literarischer Bericht.
gelten. Aber MarkuB ist selbst schon eine Komposition aus versclüedenen
Bestandteilen, doch nicht so — wie man es sieh bei den sogenannten
Synoptikern gewöhnlich vorstelle — daß verschiedene Quellen (z. B. eine
Spruchquelle und eine erzählende Schrift) zusammengearbeitet wären,
sondern in der Weise, daß e i n kurzer Urbericht (M') durch zwei weitere
Hände (M- und Ev = letzter Redaktor) gegangen ist. Die kritische
Aufgabe besteht demnach darin, zunächst M' herauszuschälen und dann
den Anteil von M- und Ev zu bestimmen. Wendling beginnt diese Ar-
beit an einer Stelle, wo die Merkmale verschiedener Herkunft klar am
Tage liegen, nämlich bei Markus 4, 1—34 (vgl. V. 1. 9. 26—33 mit
V. 10 ff.; das verräterische Y^woeaO-e V. 13; ferner slg nXoXow V. 1, xatxd
jAÖvag Y. 10 mit V. 36). Leicht ist hier zu erkennen, daß mit einer
ursprünglichen, einfacheu Erzählung (M^), deren Stil an den Abschnitt
Kap. 2, 1 — 3, 5 erinnert, eine zweite Komposition (Ev) verbunden ist, der
eine völlig andere Auffassung von der Person und Lehrweise Jesu zu-
grunde liegt. Denn während Jesus bei M* eben das Volk lehrt und
von diesem mit staunender Bewunderung gehört wird, sind nach Ev
nur die |i.a6T^xal würdig und fähig, xö |i.üoxriptov aufzunehmen. — Ebenso
wie 4, 1 it*. sind Stellen zu beurteilen wie Markus 2, 22—30 vgl. mit
3, 20—1 und 33—5. Bezeichnende Beispiele dafür, wie derartige
Stücke verschiedener Herkunft von Ev „verzahnt^* werden, sind in
Anmerkung 16 genannt. Im übrigen sind für Ev die ihm vorliegenden
Berichte insofern ein noli me tangere, als er ihren Wortlaut unberührt
läßt und darauf verzichtet, die durch seine Einschiebungen entstehen-
den Störungen durch Textänderungen zu verdecken. — Eine weitere
Einschaltung des Ev 3, 6 — 19 zeigt deutlich die stilistische Eigenart
von Ev, iler, auch wo er als Erzähler auftritt, die aus M* und M* ent-
nommenen Motive verallgemeinert und steigert (Anmerkung 21 ; Mark. 3.
11. 12. 8), sowie in der Szenerie zur Schablone und Unklarheit neigt
(V. 18).
Im er£>teu Abschnitt des Evangeliums hat Ev nur wenige Zusätze
gemacht; wo sich solche in Kap. 1, 1 — 3, 5 linden, sind sie unschwer
festzustellen (siehe z. B. 1, 34»> vgl. mit 3, 11, 12; 1, 39»>; 1, 45 vgl.
mit 2, 1. 2; auch 1, 1 — 3. 14*». 15 kommt auf Rechnung des Ev). Ab-
gesehen von diesen Zusätzen und von der ganzen Einleitung (1, 4 — 14»)
bildet der Abschnitt 1, 16—4, 33 eine Beihe von Erzählungen, deren
Stil und rStinninmg durcliaus einheitlich sind, schlicht, einfach, kurz,
oime Ausscliniückung, ohne erbauliche oder dogmatisierende Wendungen,
nur Tatsachen mit schlagenden Aussprüchen.
Von anderer Art ist ein zweiter Erzähler M', den wir in 4, 35
bis 5, 43 /iUerst genauer kennen lernen; er unterscheidet sich von M^
durcii seinen breiten, poetischen, phantasievoUeu Stil ebenso deutlich
wir mit 31* von Kv durch konkrete Anschaulichkeit (5, 24 vgl. mit
8, 7 IV.).
Literarischer Bericht. 437
Die Verß^leichun«; von 3, 6—19 uiit Kap. 4, 35—5, 43 zeijjt weiter,
i\A& Ev von M'^ abhängig i»t; daß aber M* nnd M- ihm bereits in der
Kap. 4 vorhantienen Verbindung vorlagen, geht daraus hervor, das» Ev
trotz des Einschubs 4, 10 ft. die Strandszenerie 4, 1 und 36 beibehalten
hat. M* und M- sind also nn sich und in ihrer Verbindung älter als Ev.
— So erhält Wendlin.iC schon nuf (Irund der Untersuchungen über
dieses erste Drittel des Markus das Ergebnis (§ 26 S. 13): es sind drei
Schichten zu unterscheiden : M* = <i'jzotp%-if\iO!.zoL Jesu in knapyiem aV»er
anschaulichen» Erzählungsrahmcn ; M'- Erzählungen von Wundertaten
Jesu in ausführlicher zum Teil ])oetisch gehobener Darstellung; Ev =
Ergänzungen des Redaktors oder Evangelisten, beherrscht von dog-
matisierenden Theorien und, soweit sie Er/ählung enthalten, in trockener,
unklarer Form ; M* und M- bilden die Vorlage von Ev.
Die Prüfung wird nun auf die weiteren Teile des Evangeliums des
Markus ausgedehnt und führt zum Teil zu überraschenden Ergebnissen.
Besonders bemerkenswert ist die Analyse der „gnißten Einschaltung
des Ev* 6, 45-8, 27, die als solche durch das deutliche Hervortreten
der bereits festgestellten Merkmale gekennzeichnet ist; vgl. die Unklar-
heiten der Szenerie in 6, 45. 53 ; 8, 10. 13 und den Inhalt von 7, 34 If.,
wodurch der ursi)rüngliche (bei Lukas 9, 17. 18 noch sichtbare) Zu-
^annnenhang von IJelhsaida mit (,'äsarea Philippi verdunkelt ist. — In
der zweiten Hälfte des Evangeliums von 8. 27 ff. an greifen die drei
Schichten fortwährend durcheinander; insbesondere ist zu beobachten,
daß Ev seine Vorlage mit pragmatisierenden Gesichtspunkten durch-
zieht, vgl. »lie ])lanmäßige Kinschiebung der Leidensweissagungen 8, 31;
9, 30; 10, 32. Das Petrusbekenntnis 8, 27 gehört M* an; auf dieses
aber folgte uri^prünglich (nicht wie bei Ev eine Leidensvorhersage,
sondern) mit 'iTcays x.t.a. eine Zurückweisung des Messiastitels. — Die
Leidensgeschichte hat Ev nur mit wenigen Zusätzen versehen; in ihrer
vorlieu:enden breiten Ausführung geht sie auf M^ zurück (z. B. Passah-
mahl, (4ethsemnne, Verleugnung des Petrus, alttestamentliche Anklänge);
bei M* folgte auf das Mahl in Hethanien — wo auch die echten Abend-
mahlsworte gesprochen wurden — unmittelbar: Verhaftung, Pilatus,
Kreuzigung. Nacii tlem kurzen Bericht über diese letztere (15, 22. 26.
27.31.32) schloß M^ mit den Worten: xal xf^ ivdTig tiipof. b 'lyjaoög dyel-
^(ovyjv jisYcfcXyjv e^sTCvsuoev.
Gegenstand besonderer Untersuchung muß werden das Verhältnis
des Markus zu den zwei andern Synoptikern. Daß Markus die Logien-
stoffe der Synoptiker teilweise eigentümlieli bearbeitet wiedergibt, da-
für liegen deutliehe Beweise vor, z. B. Mark. 4, 21 — 2 vgl. mit
Matth. 10, 36 und 5, 15; Mark. 4, 30. 32 mit Luk. 13, 18. 19. Es
legt sich aber auch die weitere Vermutung nahe, daß eine Keihe be-
kannter synoptischer Logien erst durch Ev in <ien Markus hereinkamen
(6, 7—11; 8, 34—9, 1; 10, 42—45; 3, 9-13; zu vgl. auch das für Ev
438 Literarischer Bericht. — Neu erschienene Bücher.
bezeichnende scliablonenhafte npooxoiXsaä^ievos z. B. in 3, 23. — Ab-
nierkung 30). —
Zum Abschluß ^bt Wendung 1. eine genauere Charakteristik »einer
drei Verfas»er, indem er — c. gr. salis zu verstehen — M' als Historiker.
M' als Poeten, £v als Dogmatiker bezeichnet (in das Gebiet des letz-
teren fällt auch der Gebrauch des ulög xoO dvd'pcbnou im do«nnatischeii
Sinn); 2. eine kurze Vergleichung des Sprachgebrauches; 8. eine Be-
merkung über den verschiedenen geschichtlichen Wert der drei Ver-
fasser; sicher ist, daß M* die erste Stelle auch in diei»er Beziehun!;
einnimmt und daß Ev sich schon weit von dem historischen Jcsu^>
entfernt. Statt die Lehre Jesu zu geben, hat er bereits eine Lehre
über Jesus, eine Christologie vorzutragen.
Mögen die vorstehenden Mitteilungen recht viele Philologen und
Theologen anregen, die Untersuchungen Wendlings iiachzuprüten. Seine
Methode ist vorzüglich; die Ergelinisse sind in weitem Umfang gut
begründet. Unsicherheiten und Vermutungen sind auf diesem Gebiet
unvermeidlich ; im ganzen aber ist Wendlings Arbeit ein neuer Trium|ih
von Wellhausens Schule.
Ileilbronn. G. L e c h 1 e r.
Kienhardt, Die Vorschriften über die Ausbildung für das
realistische Lehramt in Württemberg. (41 S.; 90 Pf.,
Tübingen, Schnürlen 1905.
Es sind hier in übersichtlicher Weise die verseliiedenen Verfügungen
und Bestimmungen zusammengestellt, die sich auf die Ausbildung für
das realistische Lehramt und die entsprechenden Dien^tprütiuigen hv-
ziehen; außerdem findet sich ein Hinweis auf verschiedene andere, die
realistischen Leh ram ts-K an di taten interessierende Verfügungen und
Bekanntmachungen des Ministeriums des Kirchen- und 8chul>ve:sens
und der Ministerialabteilung, z. B. Bestimmungen betreuend Verleihung
von Staatsunterstützungen und Stipendien. Beigegeben sind Formulare
für die verschiedenen in Betracht kommenden (iesuche. Die Schrift
wird den realistischen Kandidaten bezüglich der von ihnen zu beach-
tenden Vorschritten und Förmlichkeiten gute Dienste leisten.
Stuttgart, Jaeger.
Neu erschienene Bücher.
g0^ Bei der groseeu Menge der n&e sngehenden ucnen literarischen KracbeinungeL
ist et uns unmöglich, Jede im einseinen su besprechen. Die Titel der einlftnfendeb
Bttober, die wir eusnahmslos der Kohlhammerschen Verlagsbucbhandlnng sn ftber-
senden bitten, werden regelmässig im nächsten Hefte Tereffentlicht; auf Rück-
Sendung der nicht besprochenen Bücher kOnnen wir uns aber nieht einlaisei».
Sihoute, Mehrdimensionale Geometrie. IL Teil: Die Polytope. G. J.
Gö.schensrhe Verlagshandlunir, Leipzig.
Ankündigungen.
439
Gleichen, Vorlesungen über photographische Optik. Ibid.
Lehmann, Deutsches Lesebuch für höhere Lehranstalten. VIL Teil,
Leipzig, Verlag G. Freytag.
Langer, Deutsche Diktierstoffe in Aufsatzfonn. Leipzig, G. Freytag,
Wien, F. Tempsky.
Woynar, Lehrbuch der Geschichte des Mittelalters für die oberen
Klassen der Gymnasien. Wien, F. Tempsky.
Sehen kl u. Weigel, Karl Schenkls Übungsbuch zum Übersetzen
aus dem Deutschen ins Griechische für die Klassen den Ober-
gymnasiums. Ibid.
WeitzenbQck, Lehrbuch der französischen Sprache. Ibid.
W e i d n er , Lylias' ausgewählte Reden mit einem Anhang aus Xenophons
Hellen ika. Leipzig, G. Frey tag, Wien, F. Tempsky.
Prammer, C. Julii Oaesaris Commentarii de Bello (^allico. Mit einem
Anhang: Das römische Kriegswesen in Caesars Gallischen Kämpfen
von Ernst Kaiinka. Ibid. ^
Stange, Auswahl aus den Gedichten des P. Ovidius Naso. Leipzig
und Berlin, Druck und Verlag von B. G. Teubner.
Heraeus, Livius Buch I und II nebst Auswahl aus III und IV. Ibid.
Landgraf, Ciceros Rede für den Sex. Roscius aus Anieria. Ibid.
Mayr, Schillers Gedichte. Ibid.
Matthias, Aufsätze aus Oberklassen. Leipzig, Verlag von B. G. Teubner.
von Wölfflin, Titi Livii ab urbe Condita. Liber XXII. Ibid.
Schmitz-Mancy, Zeitschrift für lateinlose höhere Schulen. Ibid.
Vollbrecht, Wörterbuch zu Xenophons Anabasis. Ibid.
Morsch, Das höhere Lehramt in Deutschland und Österreich. Ibid.
Baumgar teu, Polaud u. Wagner, Die Hellenische Kultur. Ibid.
(Fortsetzung s. S. 3 des Umschlags.)
Ankündigungen.
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St. 3JaniiJcdume bc« Älrc^en^ unb ed^ulirefenö üom 12. September 1898
unter ikifüjiun»^ ber einicfelai^ii^cn ^öeflimmunc^en tn^bcfonberc über
(^niänjungöprüfunneu ber ^ealabiturientcn, :i>crbercitunqöbien|l unb
©ttpenbieii, mit (^:r lauter uneben, »^on ^ibtvt dttetil^arbtf Uni^
Deifitätcaftuav in lübinQcn 50 ©citen 8^ ^;>rei« 90 VU
Soeben erfc^icn:
aSon 6-tnft ^^^Ijet (Ulm)«
(^ireitcr '5anb bcr ^^Datfttttunoen avi§ bcr ©ürtfcmbergifd)eii (^cf(<|t^tc'^
berauöcjeiiebcn uou ber Äommiffion für ßanbeögcjdjicbte.)
— — - 182 ^eiten. Ü^r. 8«, mit S^^otcnbcilagen. ^^rei« 3 matt — —
(^urch aüc 'i^ic^ftanblungcu er^altlic^.)
tkxiafi tton ^« fto^it^ummtt in ^tvttgatt.
Ifitteilung an unsere Leser.
Zu nnserem lebhaften Bedauern sieht sich Herr Rektor Dr. Klett
durch anderweitige Geschäfte, die seine Zeit in Anspruch nehmen^
genötigt, aus der Redaktion des Neuen Korrespondenzblattes aus-
zuscheiden. Letztere verliert in ilim einen Mitarbeiter, der mit
einem ausgebreiteten Wissen und reicher pädagogischer Erfahrung
eine große Unbefangenheit des Urteils und gerechte Würdigung
der yerschiedenartigen Bestrebungen auf dem Gebiete des hölieren
Schulwesens verbunden und diese Eigenschaften ein Jahrzehnt hin-
durch in den Dienst des Korrespondenisblattes gestellt hat; wir
fühlen uns daher verpflichtet, Herrn Rektor Dr. Klett anläßlich
seines Rücktritts ans der Redaktion unsem verbindlichsten Dank
aoszasprechen.
Auf den 1. Januar 1906 wird Herr Professor Dr. Grotz,
Stuttgart, Olgastrasse 71, in die Redaktion des Neuen Korrespondenz-
blattes eintreten. Derselbe wird vorzugsweise die Schriftleitung des
humanistischen Teiles besorgen; wir bitten daher alle für letzteren
bestimmten Beiträge künftig an ihn zu schicken.
Redaktion und Veriagsbuehhandlung*
Bei meinem durch Übernahme anderweitiger Verpflichtungen
veranlaßten Rücktritt von der Redaktion spreche ich den Herrn
Kollegen für die bereitwillige und verständnisvolle Unterstützung,
deren ich mich allerseits erfreuen durfte, herzlichen Dank aus
zugleich mit der Hoff'nung, dass mein Nachfolger in der Redaktion
dasselbe freundliche Entgegenkommen finden wird.
Cannstatt, Dezember 1905.
Rektor Dr. Klett.
Korretpondeniblatt 1906, Heft la.
442 Meltzer, Rückblick auf die Veraammlong
Bückblick auf die Yersammlung deutscher Philologen
und Schulmänner in Hamburg.
(SchlusB.)
Schließen möchte ich meinen Bericht über den wissenschaft-
lichen Teil der Versammlnng mit der Wiedergabe des Vortrags
▼on Prof. £• Ziebarth an» Hamburg über das Schulwesen
▼on Milet nicht bloß deshalb, weil er der letzte war, sondern
auch, weil er von selbst hinüberfuhrt zum zweiten Teil; dem päda-
gogischen. Bei den preußischen Ausgrabungen im Heiligtum des
Apollon Delphinios wurde u. a. eine Inschrift von 89 Zeilen ent-
deckt, die uns im Verein mit anderen Funden, besonders in Perga-
mon, einen Einblick in die Schul Verhältnisse der Stadt sowie ganz
Kleinasiens im 2. Jahrhundert v. Chr. gewährt. Wir erfahren
lehrreiche Einzelheiten über Wahl, Anstellung, Gehaltäverhältnisse,
Amtspflichten der Lehrer wie über Klassen, Unterricht, Prüfungen,
Ausfluge, Ferien der Schüler; auch Schülerhefte hat man jetzt im
Papyrusoriginal.
Zeigte pns dieser Vortrag das alte SchuUeben mehr von der
humoristischen Seite^ so bes('häfti<;te sich die pädagogische Sektion
des Kongresses mit ernsten Fragen der Gegenwart. Einen Auftakt
zu ihren Verhandlungen bildete die am 3. Oktober abgehaltene
Zusammenkunft des Gymnasialvereins. PhysikusDr. Pfeiffer
aus Hamburg behandelte die Frage: „Wie hat sich das huma-
nistische Gymnasium gegenüber den neuerlichen
schulhygienischenAufstellungen und Ansprüchen zu
verhalten?^' Arzt und Lehrer sollen in sehulgesundheitlichen
Dingen zusammenwirken, doch so, daß der erstere keine Befugnis
zu selbständigen Anordnungen erhält, sondern sich in den Organis-
mus der Anstalt einfügt und sieh seine Verdienste durch Beratung
von Schülern und Lehrern erwirbt. Besondere Unterweisung der
Lehramtskandidaten und Einführung der Schulhygiene unter die
Unterrichtsgegenstände sind von zweifelhaftem Werte. Unter die
Lupe zu nehmen wäre auch einmal die Hygiene der Häuslichkeit.
Dem englischen Erziehungssystem ist das zu strenger Arbeit an-
leitende deutsche vorzuziehen, das eine Entartung bis jetzt noch
nicht erzeugt hat; der griechische Unterricht sei für den Jüngling die
Quelle der sciiöiisten Erinnerungen etwa wie für das Kind die Jahre,
da man ihm Märchen erzählte. Doch sind die körperlich wie mo-
ralisch sehr segensreichen Jugendspiele tatkräftig zu fördern und
deutsoher Philologen und Sehalmäim«? in Hambarg. 443
Ton besonders bezahlten Lehrern saohgeml&ft zn leiten. Oeh. Medi-
sinairat Waldeyer von Berlin stimmte im wesentlichen zn/ hob
aber die Pflicht des Gymnasiums hervor, die körperliche Ausbildung
neben der geistigen entschiedener zu pflegen, und redete ▼ornehmlieh
der Schaffung von Bädern das Wort.
Oeh. Rat Dr. 0. Jäger aus Bonn verbreitete sich über das
Thema: „Wie hat sich das humanistische Gymnasium
gegenüber der Behauptung, daß der höhere Schul-
unterricht in Deutschland zu wenig national gestaltet
sei, zu verhalten?" Gegenüber maßlosen Forderungen von
Reformern sei festzuhalten daran, daß es nicht Aufgabe des Gym-
nasiums sei, patriotische Sextaner und Quintaner zu erziehen, auch
nicht die Sozialdemokratie direkt zu bekämpfen, sondern Jünglinge
heranzubilden, die dereinst an den Aufgaben unseres Volkes mit-
zuarbeiten imstande wären. Diese Pflicht aber hätten tüchtige
Lehrer sclion bisher stets anerkannt und geübt, wie denn die
Unterrichtsstoffe auch in den alten Sprachen eine Fülle dankbarster
Anknüpfungspunkte böten. Das in Realgymnasium und Realschule
geübte Parlieren der modernen Sprachen, schließe größere Gefahren
in sich. Erdkunde und Gesciiichte seien sowieso das eigentlichste
Gebiet der Pflege des vaterländischen Gedankens und hier scheue
er sich sogar nicht, einem leichten Chauvinismus ein gewisses Recht
einzuräumen. Am besten aber würden wir national wirken, wenn
wir die Jugend erzögen einesteils zum Arbeiten am spröden Stoff,
andernteils zur Wahrheit, d. h. im Geiste dessen, der unser aller
Vorbild sei, Bismarcks. Herrschte bei dieser Vorversammlung, wie
natürlich, die pädagogische Note allein, so spielte sie auch bei der
Hauptversammlung selbst eine Rolle wie vielleicht noch bei keinem
der bisherigen Philologenkongresse, so daß der zweite Vorsitzende,
Prof. Dr. P. Wendlaud aus Kiel sicherlich den Gefühlen der Mehr-
heit Ausdruck verlieh, wenn er hervorhob, es wäre wünschenswert,
daß die großen brennenden Bildungsfragen der Gegenwart nicht
nur in der Sektion, sondern in den allgemeinen Sitzungen abge-
handelt würden.
Gleich Senator Dr. v. Melle, der Leiter des hamburgischen
Schulwesens, gab in seiner Begrüßungsansprache eine von meister-
hafter Beherrschung des Stoffes zeugende und nach hohen (jesiclits-
punkten orientierte Darstellung dessen, was in der nicht nur
dem Merkur, sonriern auch den Musen dienenden Hansestadt alles
für Bildungsanstalten allerdings überwiegend der realistisch-natur-
444 Meltser, Rückblick aaf die Versammlang
wissenschaftlichen Gattung geschieht Zwei Gedanken waren e«^
die er dabei besonders hervorhob, den engen Zasammenhang zwischea
der Arbeit der Universität nnd der höheren Schule, femer aber da»
Streben wieder mehr von der Schabloaisierang der Gegenwart znrtlck-
zngelangen zur Bewegungsfreiheit früherer Zeiten. Sein Rnf:
„Mehr Ktfnnen als Wissen! Mehr Persönlichkeit ala
Dutzendmensch!^* fand lebhaften Widerhall bei den Zuhörern.
Auch die feinsinnige Ansprache des I. Vorsitzenden, Sehulrats
Prof. Dr. Brut t von Hamburg, erkannte die Teilung der Biidungs-
wege in einen überwiegend humanistisch historischen und einen vor^
nehnilich mathematisch-naturwissenschaftlichen als vollberechtigt an.
Er würdigte die Bedeutung der kulturgeschichtlichen Betrachtung^
welche das heutige Forschergeschlecht dem Altertum angedeihen
lasse und durch die es jene Epoche der Menschheit aus seiner klassi-
zistischen Isolierung befreit und darauf hingewiesen habe, wie sie
keineswegs nur ein abgeschlossenes Ganzes, sondern ein in sich
bewegtes und fortzeugendes Glieid der Entwicklung sei. Ferner
pries er es als eine erlösende Tat unseres Kaisers, daß alle drei nenn-
klassigen Anstalten nunmehr als gleichwertig anerkannt seien, und
legte Gewicht aaf die Beförderung der Selbsttätigkeit der Schüler,
womit man gerade jn verschiedenen Hamburger Anstalten praktische
Versuche angestellt hat und über die Realschuldirektor Prof. Dr.
F. Bohnert einen eigenen mit Führung durch die betreffenden Räum-
lichkeiten verbundenen Bericht erstattete unter dem Titel Physi-
kalische Schülerübungen auf der Mittelstufe der Real-
anstalten.
Das Sehnen unserer Tage nach ausgiebigerer Berücksichtigung
der Eigenart des Individuums gegenüber dem schematisierenden
Zwang der Schule kam noch öfter zum Durchbruch; u. a. hatte
sich Geh. Rat Uhlig schon tags zuvor mit den von der preußi-
schen Unterrichts Verwaltung geplanten Versuchen beschäftigt, in
dem Lehrplan der oberen Abteilung mehr Wahlfreiheit zur Geltung
kommen zu lassen. Wenn er nunmehr die Grenzen solcher Locke-
rung des alten Gefüges zu ziehen sich bemühte, so fand die neue indi-
vidualistische Richtung einen feurigen und aus warmem Herzen
sprechenden Vorkämpfer in Prof. L. Gurlitt ans Steglitz bei Berlin.
Er schilderte in drastischer Weise die Unterdrückung der Persön-
lichkeit der Schuler durch das übliche Lehrsystero, das unter dem
Einfluß der Theologie eigentlich immer von der Voraussetzung aus-
gehe, die angeborene Natur sei schlecht und die Hauptaufgabe be-
deutscher Philologen und Schulmänner in Hamburg. 446
0tehe darin, den Willen des Zöglings zu brechen. Au Stelle dieser
trübseligen Auffassung sei zu setzen die andere, wonach der Er-
zieher Achtung habe vor dem Guten, das in der Persönlichkeit
»eines Schutzbefohlenen liege, und wonach er es sich angelegen
«ein lasse, diese guten Keime zum Wachsen zu bringen, auf daß
unser Volk dermaleinst nicht einen Haufen verschulter und des
Eigenwillens beraubter Nummern, sondern eine Schar kräftiger
lind selbstbewußter Männer und Frauen habe, ein Ziel, wie es
z. B. die Engländer vor unseren Augen verfolgen.
Die sehr lebhafte Erörterung, bei der sich zeigte, daß die Zu-
hörerschaft in zwei große Lager gespalten wi^r, die der Zustimmen-
den und die der Ablehnenden, und in der mit Recht auf die Ver-
wechslung der Begriffe „Persönlichkeit*^ und „Individuum*' durch
Ourlitt hingewiesen wurde, faßte schließlich der Vorstand der
Franckeschen Stiftungen, Geh. Rat Fries, mit glücklicher Ver-*
söhnlichkeit in das Urteil zusammen, die von dem Optimismus der
J. J. Rousseau und Ellen Key durchtränkten Auslassungen des
Redners müßten schließlich das System unserer Staatsschulen zer-
sprengen, die nun eben einmal Massenanstalten seien. Andererseits
jedoch stimme er mit Gurlitt und anderen Erziehern unserer Zeit
durchaus in dem Wunsche überein, daß es gelingen möge, inner-
halb des allgemeinen Rahmens die Eigenart des einzelnen Schülers
mehr zu berücksichtigen; jedenfalls liege nach dieser Richtung die
Nötigung ernster Selbstprüfung für den Lehrer.
Einen durch seine maßvolle und verbindliche Art sehr ge-
Avinnenden Eindruck machte der Bericht, den Geh. Rat Prof. Dr.
F. Klein aus Göttingen erstattete Über die bisherige Tätig-
keit und die Zielpunkte der von der Gesellschaft
deutscher Naturforscher und Ärzte niedergesetzten
Unterrichtskommission. Er ging davon aus, daß der so oft
zwischen Philologie und Naturwissenschaft aufgestellte Gegensatz
;gar nicht notwendig vorhanden sei. Gerade in der Gestaltung des
mathematisch-naturwissenschaftlichen und des philologisch-histori-
schen Lehrplans zeige sich eine auffallende Übereinstimmung, so-
bald man sich bei letzterem nur nicht auf den einseitig klassizistisch-
Üsthetischen, sondern auf den von den praktischen Bedürfnissen wie
von der Forschung der Neuzeit gebieterisch geforderten kultur-
geschichtlichen Standpunkt stelle, wie ihn z. B. Wilamowitz in
«einem griechischen Lesebuch und Cauer in seiner Palaestra vitae
vertreten. Die Fähigkeit, naturwissenschaftlich zu beobachten, müsse
446 M eltser, Rückbliek anf die Veraammlaiig
frflh gepflegt und darum entweder der IJDterricht in den Naiar^
Wissenschaften auf den Gymnasien verstärkt oder aber die Zalii
der leteteren vermindert werden. Auch könne die Aasdehnung der
fakultativen Fächer Abhilfe schaffen gegen die zweifellos augen-
blicklich bestehende Überlastung. Die Einführung der Biologie sei
eine Forderung der Notwendigkeit, wenn man Erzeugnisse wie
Häckels Welträtsel aus der Hand unserer bei dem jetzigen Ver^
tuschungssystem gegen die Schule mißtrauisch werdenden Primaner
entfernen wolle, wobei es um die Religion sehr schwach bestellt
sein müßte, wenn sie von der Biologie Gefahren fürchte.
Dies scheinen mir die Hauptgedanken dieses Vortrags, dem
lebhafter Beifall folgte; es sei darauf hingewiesen, daß der Redner
tatkräftige Schritte zur Erreichung des von ihm und seinen Ge-
sinnungsgenossen angestrebten Zieles bei den Regierungen und vor der
•Öffentlichkeit ankündigte. Herr Geh. Rat Dr. Trosien drückte
als Altphilologe seine grundsätzliche Zustimmung aus, mahnte aber,
noch zuzusehen, was auf dem Boden des Gymnasiums nun auch
wirklich ausführbar sei. Prof. R. Lehmann aus Berlin machte da-
rauf aufmerksam, daß die philosophische Propädeutik, wenn sie
sich nicht an rein formalistischer Behandlung ihres Stoffes genügen
lasse, sehr wohl berufen sei, einen Teil der erhobenen Forderungen
zu erfüllen.
Eine gegenwärtig bedeutsame Frage unterzog Gymnasialdirektor
Prof. Dr. Aly aus Marbnrg einer lichtvollen Behandlung, nämlich
die über Universität und Schule. Während sich beide, be-
sonders dank der philosophischen Facultas artium, einst sehr nahe
standen, ist dann eine Entfremdung eingetreten, besonders infolge
nicht bloß der Spezialisierung der Fachdisziplinen, sondern auch infolge
der pädagogischen Reformbewegung, der Aufrollting der Standes-
fragen, des Kampfes um die Rechte der verschiedenen Schulgattungen
und endlich der Mehrbelastung. Die beiden ersteren haben maucli-
mal übers Ziel hinausgeschossen, enthielten jedoch viel Berechtigtes ^
der Schulstreit ist durch die Gleichberechtigung der drei Anstalten
erledigt, die Überbürdung wird vorübergehen. Dagegen ist der
gelehrte Charakter unseres höheren Lehrerstandes ernstlich bedroht,
der früher so selbstverständlich war, und es muß danach gestrebt
werden, daß er die Fühlung mit Universität und Wissenschaft nicht
verliere. Darum sind die Bemtihungen der Regierungen, unter deneA
dit preußische durch Gewährung reicher Mittel einen EhrenplatE
^Biiiaimty aasuerkennen, welche darauf hinauagehen, durch FiMten*
dentseher Philologen und Schulmjbiner in Hamborg. 447
knrse ebenso in Philologie nnd Archäologie wie in NatorwiBsenschafl
und neueren Sprachen stets die Fttlilung zwischen Hoch- nnd Mittel-
Bchnie aufrecht zu erhalten, und es muß ein Anliegen der Unter-
riehtsverwaltungen sein, derartige Einrichtnngen mit allen Kräften
zu pflegen und zu vermehren, denn der Lehrer an Universität wie
am Gymnasium und Realschule soll nie ein Fertiger, sondern stets
•in Werdender sein.
In der Debatte betonte u. a. Geh. Rat Fries, daß di9 didak-
tische Seite des Lehrerberufs hinter die gelehrte nicht zu sehr zn-
rUckgestellt werden dürfe.
Ein spezielleres Thema behandelte Prof. 0. Weißen fels aus
Berlin. Es lautete: ,,Läßt sich aus Übersetzungen eine
den Zielen des höheren Unterrichts entsprechende
Vertrautheit mit der alten Literatur, Geschichte und
Kultur gewinnen ?^^ Übersetzungen aus alten Sprachen können
entweder treu sein oder frei; im ersteren Fall haftet ihnen das Ge-
präge der Ungeschicklichkeit, im zweiten das der Unwahrheit an.
Die Sprache ist dem Gegenstand nicht bloß wie ein Kleid tiber-
^eworfen, sondern wie eine Haut aufs innigste mit ihm verwachsen.
Auch der Inhalt antiker Schriftwerke wird von guten zusammen-
fassenden Darstellungen immer noch befriedigender wiedergegeben
als von Übersetzungen. Geh. Rat Uhlig betonte, daß die Haupt-
sache beim Lesen der alten Schriftsteller die geleistete Arbeit sei
nnd daß das Mitteilen bloßer Ergebnisse hier ebensowenig das Ziel
bilden könne wie in der Mathematik, wo auch das Suchen und
Finden des Weges den Geist am meisten stälile. Geh. Rat Klein
nahm nochmals Anlaß hervorzuheben, daß das didaktische Problem
auf philologischer und naturwissenschaftlicher Seite wesentlich das-
selbe sei.
Im engsten Zusammenhang mit den pädagogischen Vorträgen
standen die Ausstellungen, zu deren Besichtigung eingeladen war.
Vielleicht die lehrreichste war die in dem von strahlender Helle
durchfluteten Lichthofe des Wiihelms-Gymnasiums veranstaltete,
welche das Reformzeichnen vorfahrte. Der Zeichenlehrer Fritz
Müller hatte hier wirklich merkwirdige Proben seiner neuen Me-
thode vorgelegt Man sah, wie durch sie d^ Schaffenstrid^ aller,
aieiit etwa bloß der Vorzugsschtller, zu munterster Betätigug an-
geregt worden war. Der Quintaner beginnt mit dem plastischen Formen
von Kugeln, Äpfeln, Birnen und geht weiter bis zum LaudschaftsreUef.
ist so die Fonn des Körpers durch Test- und Gesicbtssinn in die
448 M e 1 1 z e r , Biickbl. auf d. Versamml. dentsclu Philologen etc.
Fingerspitzen gedrnngen, so wird sie aus dem Gedächtnis zu Papier
gebracht und silliouettenartig projiziert; dann erst kommt das
Zeichnen der Umrisse und endlich das Schattieren. In Quarta
folgen Bäume und Tiere nach der Natur, in Untertertia die Per-
spektive und die Kolorierung. Natürlich muß auch der Zeichensaai
völlig umgestaltet werden. Jedenfalls ist die neue Methode ein-
gehender Beachtung wert; ihre Vertreter glauben, daß sie dazu be-
rufen sei, bahnbrechend zu wirken. Allem euestens treten ihr die
im großen Stil durchgeführten Untersuchungen des Münchner Schul-
rats Dr. Kerschensteiner zur Seite.
Außerdem konnte man besichtigen die Räume und Sammlungen
für den naturwissenschaftlichen Unterricht an der Oberrealschule
vor dem Holstentor, sowie der auf dem Uhlenhorst; das natur-
hiittorische Museum am Steintorwall, den botanischen Oarten. am
Stephansplatz ; das botanische Museum und Laboratorium für Waren-
kunde am Lübeckertor. Die Stadtbibliothek hatte eine Anzahl
höchst wertvoller Handschriften und Drucke vereint, darunter z. B.
Humanistenbriefe von Melanchthon bis Mommsen, und Erinnerungen
an die für Hamburg besonders bedeutungsvolle Zeit Scaligers.
Ebenso hatte das Museum für Kunst und Gewerbe alle Antiken
bequem in einem Saale untergebracht und die Oeislinger Metall-
warenfabrik damit ihre galvanoplastischen Nachbildungen der my-
kenischen Altertümer verbunden. Daß Prof. Lichtwark sich zu
Führungen in der Kunsthalle erbot, haben wir bereits erwähnt
Wer sich für sozialpolitische Fragen interessierte, dem wurde ein
Besuch in dem Hause der Gesellschaft „Volksheim^* empfohlen.
Reich bedacht wurden wir auch mit Festschriften. Unter diesen
befand . sich eine kleine Broschüre von A. Baldamus über den
Ursprung des Krieges von 1870. Sie behandelt in kritisch-
historischer Weise einen von H. Kohl stammenden Entwurf über
diesen Gegenstand, der an sich schon interessant ist, an Wert aber
dadurch noch erheblich gewinnt, daß ihn Bismarck selbst zweimal
eigenhändig durchkorrigiert hat, so daß man einen lehrreichen Ein-
blick in die geistige Werkstätte des Reichsschöpfers erhält In^^
haltlich wird die Auffassung bestätigt, daß Frankreich den Krieg
um jeden Preis herbeiführen wollte und Bismarck sich durch die
Kürzung der Emser Depesche das große staatsmännische Verdienst
erwarb, seinen Ausbruch in den für uns günstigen Zeitpunkt zu
verlegen.
Möge dieser lückenhafte Bericht ein wenn auch noch so blasset
Beriebt über d. Jahresversamrolg. d. Vereins real. Lehrer etc. 449
Bild dessen geben, was die Philologenversammlung in Hamburg ge-
i)oten hati Sie war vor anderen ausgezeichnet durch die Vereini-
gung wisaenschaftUcher Anregungen mit solchen des modernen
Lebens, wie sie Berlin ausgenommen, keine zweite deutsche Stadt
«0 leicht bieten kann. Leider war der Besuch aus dem Sttden^
zumal aus unserem Lande, sehr spärlich, was im beiderseitigen
Interesse außerordentlich zu bedauern ist; wie schön hätte sich z. B.
ein Vortrag über Euripides, Ithaka oder die Papyri von einem der
Unseren dem Gesamtrahmen eingefügt ! Möge die 49. im Jahre 1907
zu Basel stattfindende Versammlung das Versäumte glänzend nach-
holen! H. Meltzer.
Bericht über die Jahresversammlung des Vereins
realistischer Lehrer Württembergs,
abgehalten am 20. Mai 1905 im Festsaal und in andern Räumlichkeiten
der Friedrich-fiugens-Realschule zu Stuttgart.
Die Verhandlungen in den beiden Abteilungen begannen um
8 Uhr. In der sprachlich-geschichtlichen hielt Professor Riehm-
Ravensburg einen Vortrag über „Die Behandlung des deutschen
Literaturstoffs an Klasse VII^^^ in der mathematisch-naturwissen-
schaftlichen Professor Dr. Mäule-Cannstatt über „Kausale Mor-
phologie" und Professor F. H a a g- Stuttgart über „Das stereometrische
Zeichnen an Klasse VI".
Die Hauptversammlung wurde um ^h 10 Uhr vom Vorsitzenden
Rektor Mayer-Gannstatt in Anwesenheit von 147 Mitglieder und
der Ehrengäste: Staatsminister des Kirchen- und Schulwesens Exzellenz
Dr. von Weizsäcker, Ministerialrat Dr. von Balz, Oberstudien-
Täte von Günzler, Weigle und Dr. Reiff eröffnet. Rektor
Mayer begrüßte sämtliche Erschienene und sprach den Ehren-
gästen den Dank der Versammlung aus. Hierauf hielt er die übliche
Totenschau und gedachte insbesondere des f Direktors Dr. v.Rapp,
der, obwohl aus dem Humanismus und den humanistischen Schulen
hervorgegangen, doch auch den Realschulen seine liebevolle Für-
sorge zuteil werden ließ, ferner des f Professors Durretsch-
Reutlingen, der durch letztwillige Verfügung 20000 Mk. zu einer
Stiftung für bedürftige Witwen und Waisen des höheren württem-
bergischen Reallehrerstandes bestimmt hat. Zum Andenken an
•ämtliche seit der vorigen Versammlung Dahingegangene erhoben
sich die Anwesenden von ihren Sitzen.
460 Bericht über die Jidiresvenammlang des
Zum Geschäftoberiobt übergehend macht der Vorsitzende sodanc
Mitteilang ttber die Schritte, die vom Ansachuß in Ansftthmng der
Bescbltteee der letzten Jahres Versammlung getan wurden. Eine ge-
meinsam mit dem Gymnasialiehrenrerein an die Rultministerial-
abteilnng gerichtete Eingabe, diese möge Tcrfttgen, daß für an*
ständig verwendete Lehrer durch die Ferien eine Unterbrechnng
im Fortbezng ihres Gehalts und der Dienstalterszulage nicht dn-
trete, wurde schon nach drei Wochen dahin beantwortet : „Die Mini-
sterialabteilnng wird, soweit die gesetzlichen Bestimmungen und
die tatsächlichen Verhältnisse es zulassen, Juch fernerhin für die
Fortbezahlung des Gehalts usw. an unständige Lehrer während der
Ferien besorgt sein/' — Eine zweite ebenfalls gemeinschaftlich mit
dem andern Verein gemachte Eingabe, es möge den unständigen
akademisch gebildeten Lehrern, wie den übrigen unständigen aka-
demisch gebildeten Beamten nach erstandener Staatsprüfung der
Titel „Assessor^ bezw. „Referendar^' verliehen werden, hat eine
Beantwortung bis jetzt noch nicht gefunden. — Dagegen ist eine
frühere Eingabe, es möge bei den Professoren der Oberklassen die
Zahl der zur Erreichung des Höchstgehalts erforderlichen Dienst-
jahre von 27 auf 24 herabgesetzt werden, in erfreulicher Weise er-
ledigt worden. Zwar hatte die Finanzkommission die hierfür nötige,
in den Etat eingestellte und wohlbegründete Exigenz zunächst akh
gelehnt; als aber im Plenum seitens der Herren Prälat v. Demmler
und Abg. Kiemann der Antrag auf Wiederherstellung der Re-
gierungsvorlage gestellt und vom Eultminister warm befflrwortet
wurde, fand er fast einstimmige Annahme. Der Vorsitzende sehlägt
vor, die Versammlung möge ihrer Befriedigung hierüber durch An-
nahme folgender Resolution Ausdruck geben:
„Die Jahresversammlung des Vereins realistischer Lehrer
Württembergs spricht dem K. Kultministerium und der hohes
Abgeordnetenkammer ihren herzlichen Dank dafür ans, daS
durch die am 16. Mai d. J. beschlossene Neuordnung der
Gehaltsverhältnisse der Lehrer an den Oberklassen der höheren
Schulen eine Lücke der Gehaltsordnung von 1901 ausgefüllt
und ein berechtigter Wunsch gewährt wurde^,
was einstimmig geschieht
Einer weiteren Eingabe unseres humanistischeB Brodervereias,
die sich mit der Verleihung des Professorstitels und der VI. Rang-
stufe beschäftigte, sehloß sich der Ausschuß aus Mcht erkläriichen
Gründen nicht an. Es liegt kein Grund zu der BoaoiigBis vor, «•
Vereins realistiacher Lehrer Württeinbergs. 451
heiTsdie bei diesen Yerleibungen das Bestreben, die eine Seite der
höheren Lehrerschaft zum Nachteil der andern zn bevorzugen. Eine
genaue vom Vorsitzenden bearbeitete Statistik, die sich auf sämt-
liche durch den Professorstitel ausgezeichneten Oberreallehrer und
Oberpräzeptoren; sowie auf die Professoren der VL Rangstufe, er-
8trecl(t, tut dar, daß früher die Wage sich allerdings etwas mehr
ingunsten der Humanisten neigte, neuerdings aber das Bestreben
unverkennbar ist, diesen Unterschied auszugleichen und die beiden
Lehrerkategorien gleichmäßig zu behandeln.
Der Hauptgegenstand, der den Ausschuß im letzten Jahr be-
schäftigte, war die Sammlung von Material zu einer Denkschrift
tber die gegenwärtige Lage des höheren Lehrer-
standes in Württemberg. Den Anlaß, gerade jetzt an die
Abfassung einer solchen heranzutreten, bot die Tatsache, daß das
Gesetz vom 28. Juoi 1876 (Beamtengesetz) von der Regierung einer
Durchsicht und Umarbeitung unterzogen werden soll, bei welcher
Gelegenheit es zweckmäßig erschien, auch bezüglich unserer Rechts-
und souKtigen Verhältnisse unsere Wünsche reclitzeitig geltend zn
machen. Dem seitherigen friedlichen Zusammengehen der beiden
höheren Lehrervereine entsprechend sollte die Denkschrift von
beiden Vereinen gemeinsam ausgearbeitet und zur Mitarbeit
sämtliche Kollegen, die Lust dazu haben, herangezogen werden.
Zunächst wurde eine Kommission niedergesetzt, bestehend au«
den Vorständen der beiden Vereine, femer Professor Wunder-Heil-
bronn, Professor Fauser-Stuttgart, Professor Dr. Schwend-Stuttgart
und Professor Riecke- Ludwigsburg unter dem Vorsitz von Rektor
Mayer-Cannstatt. Nachdem sie das von den Oauvereinen, Lehrer^
koUegien und einzelnen Kollegen eingegangene Material gesichtet
und die leitenden Grundsätze aufgestellt hatte, wurde die Arbeit
80 geteilt, daß zwei Kommissionsglieder die Rechtsfragen, zwei die Ge-
haltsfragen und zwei die Standesfragen zur Bearbeitung erhielten.
Ks wurde beschlossen, folgende Punkte in die Denkschrift aufzu«
nehmen :
1* In bezug auf die Rechtsverhältnisse: Gesetzliche Regelung
des gesamten höheren Schulwesens, Durchftihrung des staatliche
Charakters der höheren Schulen gegenüber den Ansprüchen der
Gemeinden und demgemäß Neuordnung d«r Befugnisse der Stndien-
kovimission, Anerkennung 4er Lehrer als Staatsdiener und Gldch-
atellnng mit den übrigen akademisdi gebildeten Beamten, gleiche
Titel fiir ^e unständigen L«hrer wie für die unständigen akademisA
452 Bericht über die Jahresversammlung des
gebildeten Beamten, Neuregelung der Pflichtstundenzahl unter Gleich-
stellung der Humanisten und Renüsten im Sinn einer Verminderung
derjenigen der letzteren und der Lehrer an den Mittelklassen, sowie
mit Berücksichtigung des Lebensalters, der ScbUlerzahl und der
Eorrekturlast, Wegfall des Unterschieds zwischen den Landstellen
und denen der Vollanstalten usw.
2. In bezug auf die Gehalts Verhältnisse : Grundsätzliche Gleich-
stellung mit den übrigen akademisch gebildeten Beamten, Über-
nahme der Stellvertretungskoäten durch den Staat, Auszahlung der
Gehälter durch die Kameralämter, Neuregelung der Reliktenver-
Borgung und der Beiträge hierzu, Gleichstellung des Ge&alts der
Land- und VoUanstaltslehrer, Erhöhung des Wohnungsgelds und
Einstellung eines Teils der Mietzinsentschädigung in das pensions-
berechtigte Diensteinkommen (analog den Bezirksbeamten), Schaf-
fung von einigen weiteren höheren Stellen durch Teilung der großen
Vollanstalten, Umwandlung längst bestehender Hilfslehrerstellen in
definitive, Entschädigung der Rektoratsassisteuten, Bibliothekare usw.
3. In bezug auf die Rangverhältnisse: Neuregelung im Sinne
der Gleichstellung der höheren Lehrer mit den übrigen akademisch
gebildeten Beamten und nach Analogie mit den Verhältnissen in
Bayern und Preußen.
Bezüglich der Frage des Vorrttckens von Reallehrern und
Präzeptoren auf die IL (frühere HL) Klasse stellt sich die Denk-
schrift auf den Standpunkt, daß ein solches Vorrücken weder grund-
sätzlich eingeräumt, noch grundsätzlich ausgeschlossen sein soll,
4S0 daß in Ausnahmefällen (wie dies auch der Herr Kultminister
schon wiederholt ausgesprochen) ein Vorrücken auf die n. Klasse
stattfinden kann, und daß, wenn dies vorkommt, der betreffende
Lehrer zwar nicht in alle Gehaltsverhältnisse der Mittelklassen ein-
rücken, wohl aber eine Zulage erhalten soll, deren Höhe ungefähr
dem Unterschied zwischen den Grundgehalten der Unter- und
Mittelstufen entspricht. Dasselbe soll entsprechend eintreten, wenn
ausnahmsweise einmal im Bedürfnisfall ein Lehrer mit der früheren
Reallehrerprüfung an eine Oberklasse vorrückt, was auch nicht
grundsätzlich ausgeschlossen sein soll.
Nach dem Beschluß der Kommission soll ndt der endgültigen
Ausarbeitung der Denkschrift noch zugewartet werden, da die
Novelle zum Beamtengesetz noch nicht so rasch erscheinen wird;
auch solle die heurige Jahresversammlung, der sämtliche Beschlüsse
der Kommission zur Genehmigung unterbreitet werden, zu detr
Vereins realistischer Lehrer Württembergs. 453
ganzen Angelegenheit Stellung nehmen. Der Aasschuß schlägt
folgende Resolution vor:
^Die heurige Jahresversammlung des Vereins realistischer
Lehrer Württembergs ist mit der Abfassung einer Denkschrift
über die Rechts-, Gehalts- und Rangverhältnisse des höheren
Lehrerstands in Württemberg und mit ihrer Vorbereitung durch
den Ausschuß vollständig einverstanden."
Diese Resolution wurde einstimmig angenommen.
Zu den Beziehungen des Vereins zu den auswärtigen Bruder-
vereinen übergehend, verweist der Vorsitzende auf den allen größeren
Lehrerkollegien übersandten gedruckten Bericht über die am 27. und
28. Dezember v. J. in Eisenach abgehaltene erste Vorstandssitzung
des Verbands der Vereine akademisch gebildeter Lehrer Deutsch-
lands. Von zwei dort verhandelten Fragen, zu denen auch unsere
heurige Jahresversammlung Stellung nehmen sollte, ist die eine „Die
Haftpflicht der Lelirer^* für uns durch Erlaß der Kultmin.-Abteilung
vom 17. Juli 1902 erledigt. Betreffs der zweiten „Einsetzung einer
Rechtsschutzkommission^* hat sich bis jetzt noch kein dringendes
Bedürfnis herausgestellt, so daß unsere gegenwärtige Versammlung
es der Verbandsleitung in Eisenach überläßt, in dieser Angelegen-
heit Beschlüsse zu fassen. Es erhebt sich hiergegen kein Wider-
spruch.
Der Rechner gibt nunmehr den Kassenbericht. Kassenbestand
Mk. 144.—, Beiträge von 398 Mitgliedern Mk. 398.-—; Ausgaben
Mk. 287. — , also Kassenbestand am heutigen Tage Mk. 255.—.
Der Rechner wird entlastet.
Der Vorsitzende teilt noch mit, daß der Druck der Cramerschen
Dienstaltersliste mit bedeutenden Kosten verbunden gewesen sei,
welche teilweise von den beiden Vereinen auf ihre Kassen haben über-
nommen werden müssen. Dafür hat der Verleger die Zusage ge-
geben, denjenigen Mitgliedern, welche das Buch niciit angeschafft
haben oder anschaffen wollen, die Dienstaltersliste allein um den
mäßigen Preis von 50 Pf. zu liefern.
Der Punkt 2 der Tagesordnung „Bericht über die Verhandlungen
in den Abteilungen^^ fällt wegen Zeitmangels mit Zustimmung der
Gesamtversammlung weg.
Man geht über zu Punkt 3.
Vortrag von Rektor Mayer- Cannstatt über „Die Hausauf-
gaben an der Realschule^ und „Leitsätze hierzu^^
(8. Heft 8 und ^ dieses Jahrgangs).
464 Bericht aber die JahresyenammhiDg des
Nach dem mit großem Beifall aafgenommeneii Vortrag fand
ttber die Leitsätze eine kurze Debatte statte an der sich die Mit-
glieder Rektor 3 c h 0 n i g - Kirchheim, Rektor Commerell- Nürtingen,
Oberstadienrat Schumann - Stattgart, Oberstadienrat W e i gl e, Rektor
Höohstetter- Reutlingen, Professor Dr. Mäule-Cannstatt, Professor
Riecke- Ludwigsburg, Professor Fach-Stuttgart, die Professoren
Blum, Dr. Bretsehneider und Dr. Schwend-Stuttgart, Ober-
reallelirer Dr. Reiff-Dttrrmenz-MUhlacker, Professor Dr. Pilgrim-
Cannstatt und OberrealleUrer Immeudörfer beteiligten. Sämt-
liche Leitsätze wurden fast unverändert gebilligt.
Punkt 4 der Tagesordnung: „Änderung der Vereins-
satzung zum Zweck der Erwerbung der Rechte einer
juristischen Person".
Der Vorsitzende trägt die Gründe vor, aus welchen unser Vereia
die Eintragung in das Vereinsregister seither nicht nachgesucht
habe, aber nunmehr wegen Annahme der Durretschstiftung hierzu ge-
zwungen sei. Die neuen Satzungen stimmen im weäentlichen mit
den alten, vor 10 Jahren angenommenen vollständig überein. Es
ist nur dasjenige neu aufgenommen, was das Bürgerliche Gesetz-
buch jedem Verein vorschreibt, der die ReciitsfUhigkeit erlangen
will. Der Ausschuß hat die neuen Satzungen einstimmig vorg^
schlagen. Es entspinnt sich nur eine ganz kurze Debatte.
Professor Dr. Mäule-Cannsta'tt schlägt vor, dem Verein den
Titel „Verein akademisch gebildeter realistischer Lehrer
Württembergs" zu geben. Aus den Kammerverhandlungen ist zn
ersehen, daß der „Keallehrer- und Präzeptorenverein" gegen uns
kämpft, hier muß Klarheit und Wandel geschaffen und durch
Ausschluß der Mitglieder des letzteren Vereins aus dem unsrigen
ein unsererseits oft geäußerter langjähriger Wunsch erfüllt werden.
Oberatudienrat Schumann-Stuttgart: Wir hatten und haben von
jeher auch Nichtakademiker im Verein und weder Grund noch Recht
diese hinauszuwerfen. § 1 wird mit allen gegen die eine Stimme
Dr. Mäule^s angenommen.
Ebenso werden sämtliche weitere Paragraphen einstimmig an-
genommen; auf Autrag Mäule's wird dem letzten Wort des § 12
„in Württemberg" vorgesetzt.
In der Gesamtabstinimung findet der Entwurf mit allen abge-
gebenen 82 Stimmen Annahme.
Punkt 5 „Verfassung der Durretsch-Stiftung."
Der vom Vorsitzenden vorgelegte Entwurf wird einstimmig an-
Vereins reali8ti8c}ier Lehrer Württembergs. 455
genommen. Die Jahresversammlung erteilt außerdem dem Vorstand
ausdrücklich die Vollmacht^ die Angelegenheit der Durretsch-Stiftung
«ndgUltig zum Abschluß zu bringen.
Die Jahresversammlung beschließt femer einstimmig, daß in
Zukunft der jeweilige Vorstand des Vereins realistixcher Lehrer
Württembergs in dieser Eigenschaft auch Vorstand der Dur-
retsch-Stiftung ist.
Punkt 6 ,,Anträge und Mitteilungen aus den Oauvereinen und
aus der Mitte der Versammlung^^
Ein Gauverein beantragt, in die Vereinsdenkschrift auch den
Vorschlag aufzunehmen, daß die Ortszulagen, weil sie einen un-
berechtigten Gehaltsunterschied veranlassen, grundȊtzlich abge-
schafft werden sollen. Da die Denkschrirtkommission diesen Vor-
schlag ausgeschieden hat, so wird er der Jahresversammlung zur
Entscheidung vorgelegt. Der Vorsitzende gibt eine kurze Ge-
schichte der Entstehung der Ortszulagen und weist unter Berufung
auf einen früheren Vereinsbeschluß ihre Berechtigung nach. Ober-
Btudienrat Schumann schlägt vor, über ihn zur Tagesordnung
flberzugehen, was beschlossen wird.
Ein anderer Gau beantragt : es soll in der Denkschrift darauf
hingewirkt werden, daß der Gehaltsunterschied zwischen den Lehrern
der mittleren und oberen Klassen verringert werde. Ein derartiger
Antrag seheint auch anläßlich der neuesten Gehaltsvorlage einzelnen
Eammermitgliedern unterbreitet worden zu sein. Der Vorsitzende
verliest die vom Kultminister in der Kammer in dieser Sache ab-
gegebene Erklärung. Auch über diesen Antrag, der eine lebhafte
Erregung hervorruft und Veranlassung zu verschiedenen Protesten
gibt, wird zur Tagesordnung übergegangen, und der Vorsitzende
schließt unter herzlicher Daukesbezeuguug für die lebhafte Teil-
nahme die Versammlung.
Hiernach fand im Gartensaal des Hotel Royal ein gemein-
sames Mittagsmahl statt. Der Vereinsvorstand, Rektor Mayer,
brachte dabei den ersten Trinkspruch auf S. M. den König aus,
besonders auch an dessen Teilnahme an der Sciiiilerfeier erinnernd.
Rektor Krimmel feierte den Kultminister und die Minirtterial-
abteilung, Oberstuilienrat Dr. lieiff wünschte der Realschule ein
fröhliches Vorwärtsstreben. Endli<h gaben noch die Professoren
Entreß und Widmann den Dank der Vereinsmitglieder gegen
die Vortragenden, den Vorstand und Ausschuß des Vereins Ausdruck.
456 Jaeger,
Praktisches Sprachstudium im Ausland.
Auch für unsere wttrttember^ischen nenphilologischen Lehrer
und Kandidaten dürfte es von Interesse sein, die nachfolgende
„Anweisung^' kennen zu lernen, die in Zukunft den preußischen
Lehrern, welche im Genüsse eines Stipendiums Frankreich oder
England besuchen, vor der Abreise eingehändigt wird, damit sie
bestimmte Richtlinien für ihr Studium besitzen. Wir entnehmen
die Anweisung der in Berlin erscheinenden „Monatschrift fUr höhere
Schulen^', herausgegeben von Köpke und Matthias (4. Jahrg.,
8. 574).
Stuttgart. Jaegor.
Anweisung
für Lehrer des Französischen und Bnglischen zur
Benutzung ihres mit staatlicher Beihilfe geförderten
Aufenthalts in Ländern französischer Zunge oder in
England.
1. Die in dem Staatshaushaltsetat ausgebrachten Stipendien
sind dazu bestimmt, den mit Unterricht im Französischen oder Eng-
lischen zu betrauenden Lehrern den Aufenthalt in Ländern französi-
scher Zunge oder in England zum Zweck ihrer Vervollkommnung
in dem praktischen Gebrauch der betreffenden Fremdsprache
zu erleichtern.
2. Dieser Aufenthalt im Auslande soll insbesondere dazu dienen,
dem Stipendiaten auf Grund vorher erworbener Kenntnisse und Fertig-
keiten zum leichten und natürlichen Gebrauch der französischen und
englischen Sprache zu verhelfen, ihn Volk und Land kennen zu
lernen, ihm eine Anschauung von den geistigen und materiellen Hilfs-
mitteln der fremden Nation zu gewähren und ihn so zu befähigen,
die erworbenen Kenntnisse und die erlangte Fertigkeit im Dienste
der Schule praktisch zu verwerten. Der Studienaufenthalt wird um
so nutzbringender sein, je besser und gründlicher die Vorbereitung
gewesen ist. Der Stipendiat muß den Sprachstoff, vor allem einen
ausgiebigen Wortschatz, schon mitbringen, damit er seine ganze Zeit
und Kraft darauf verwenden kann, ihn als festes, stets gegenwärtiges
und verfügbares Eigentum richtig verwenden zu lernen.
3. Unter dieser Voraussetzung wird im allgemeinen, bei gewissen-
hafter Beschränkung auf den eigentlichen Zweck des Aufenthaltes
und bei sorgfältiger Benützung der gebotenen Bildungsmittel, eine
Zeit von sechs Monaten genügen.
Praktiaches Sprachstudium im Ausland. 457
4. Der Stipendiat soll diese Zeit nicht zu philologischen Arbeiten
oder zum Studium anf Bibliotheken und in Handschriftensammlungen
verwenden, sondern vor allem den Umgang mit gebildeten Franzosen
nnd Engländern suchen, womöglich durch Anschluß an eine
gut empfohlene Familie. Er wird sich des Verkehrs mit Lands-
Ic^ten und des Gebrauchs der Muttersprache zn enthalten haben
und sich in den ihm zu Gebot stehenden Monaten ausschließlich
den Erwerb praktischer Sprachfertigkeit nnd der sie fördernden
Kenntnisse angelegen sein lassen; besondere Aufmerksamkeit ist der
Tagesliteratur zuzuwenden, deren Lekttlre ein Hauptmittel bildet,
in die fremde Yolksnatur einzudringen. Gute Erfahrungen haben
einige Stipendiaten damit gemacht,, daß sie täglich die neuen ihnen
zu Gehör oder zu Gesicht kommenden Ausdrucke und Wendungen
aufzeichneten und sich auf diese Weise fest einprägten.
5. Die nächste und unablässige Sorge des Stipendiaten wird
auf die Vervollkommnung seiner Aussprache durch tägliche Übung
des Ohrs und der Zunge und auf die Gewinnung derjenigen Fülle
von Anschauungen und Bezeichnungen aus allen Gebieten des Lebens
gerichtet sein, die es ihm ermöglicht, schnell und sicher zu verstehen
und schnell und ungezwungen sich auszudrücken.
Der Besuch von öffentlichen Vorlesungen, guten Theatervor-
stellungen, von Gerichtsverhandlungen, Sitzungen politischer Körper-
schaften, Predigten und Versammlungen wissenschaftlicher und ge-
meinnütziger Natur wird dringend empfohlen. Dadurch und durch
unbefangene Beobachtung des gesellschaftlichen, politischen und
künstlerischen Lebens wird er sich immer für den Unterricht wert-
volle, auf eigene Anschauung gegründete Kenntnis des fremden
Volkes und seiner Einrichtungen erwerben können.
6. Behufs praktischer Erlernung der französischen Sprache
empfiehlt sich zwar in erster Linie der Aufenthalt in Frankreich
selbst, aber auch Belgien und die französische Schweiz, besonders
Genf, kommen dafür in Betracht. Ausschließlich oder auch nur
zuerst nach Paris zu gehen, ist höchstens für solche Stipendiaten
zu empfehlen, die sich bereits früher im französischen Sprachgebiet auf-
gehalten haben und denen es, abgesehen von der Auffrischung ihrer
Sprachkenntnisse, mehr darauf ankommt, das Leben, die Kunst,
die Einrichtungen und die gesellschaftlichen Zustände Frankreichs
kennen zu lernen. Um sich im Sprechen zu üben, ist Paris nicht
der geeignetste Ort. Es ist schon schwer, dort eine passende
Pension zu finden, in der Familienanschluß und damit häufigere^
Korrespondensblatt 1906, Heft 12.
458 Jaeger, Praktisches Sprachstadinm im Ausland.
Gelegenheit zur Übung geboten wird. Die meisten Pensionen sind
international, und man trifft in ihnen in der Regel mit Angeh()rig6n
fremder Völker zusammen, deren französische Aussprache keines-
wegs einwandfrei ist ; die Mitglieder der Familie aber haben außer
den Mahlzeiten nur ganz selten freie Zeit für die Stipendiaten flbrig.
Dazu kommt, daß der Zwang, zu den Mahlzeiten sich in der oft
weit entfernten Pension einzufinden, die Zeit sehr zerreißt, daher
die Ausnutzung empfehlenswerter Bildungsstätten erschwert und
namentlich den für die Zwecke der Stipendiaten sehr wichtigen
Besuch der Theater fast unmöglich macht, da das Diner fast über-
all in die Theaterzeit fällt. Allen Stipendiaten, die sich noch nicht
längere Zeit in französischem Sprachgebiet aufgehalten haben, ist
daher zu raten, daß sie zunächst in eine kleinere Stadt gehen, und
zwar in eine solche, in der sie möglichst wenig Deutsche treffen,
damit sie darauf angewiesen sind, mehr mit der seßhaften Bevölke-
rung in Berührung zu treten und sich in fremde Yerhältnisse ein-
zuleben. Ein derartiger Studienaufenthalt ist außerdem erheblich
billiger als ein Aufenthalt in Paris.
Für das Englische ist vor allem London ins Auge zu fassen«
Danel^en Manchester, Oxford, Cambridge. Als geeignete Vorberei-
tung für einen Aufenthalt in England ist den Stipendiaten nament-
lich die Lektüre modemer Komödien (z. B. Henry Arthur Jones,
Arthur W. Pincro, John Oliver Hobbes) zu empfehlen, welche die
gegenwärtige Umgangssprache bieten. Auch fehlt es für deren
Erlernung nicht an brauchbaren Hilfsmitteln, die — schon in der
Heimat eifrig benutzt — als gute Grundlage für die im Ausland
fortzusetzenden Übungen dienen können.
Als Besuchszeit empfiehlt sich in den französisch redenden
Landen im allgemeinen die Zeit von Oktober bis April, in England
die von April bis Oktober.
7. Nach der Rückkehr hat jeder Stipendiat dem Herrn ünter-
richtsminister in französischer, bezw. englischer Sprache zu berichten
über die von ihm zur Erreichung seines Zweckes angewandten
Mittel, über den Entwicklungsgang seiner Ausbildung, über die
Förderung, die er erfahren, über etwaige Schwierigkeiten, die er
gefunden hat, sowie über sonstige mitteilenswerte Wahrnehmungen.
Haag, Kleinigkeiten. -^ AmtHehe Bekanntmaehmigeii. 459
Kleinigkeiten?
Ist
a c
iBo darfst dn nicht „übers Krenz^^ multiplizieren, sonst macht es der
Schüler gerade so, wenn
a c ,
In beiden Fällen wird die (ganze) Gleichung mit bd multipliziert^
aber nicht „durchmultipliziert^' (durch und durch I).^ Soll e auf
die andere Seite gebracht werden^ so darfst du nicht „transponieren",
sondern du sollst e auf beiden Seiten abziehen. Die Schüler; die
so sehr zu mechanischem Rechnen neigen, sollen stets eingedenk
blähen, daß die Algebra nichts anderes ist, als eine fortgesetzte
Anwendung der Grundrechnungsarten.
Dulde keine Fahrläßigkeit im Ausdruck : a kannst dn nur ein-
mal mit sich selbst multiplizieren; bei Bildung der dritten Potenz
wird also „a nicht dreimal mit sich selbst multipliziert", sondern
dreimal als Faktor gesetzt. Fasse die Regeln möglichst kurz, da-
mit sie sich leicht dem Gedächtnis einprägen: „Mit einem Bruch
wird dividiert, indem man ihn umkehrt und multipliziert". Dabei
wird häufig nur das Wichtigste hervorgehoben, das Andere als selbst-
verständlich bei Seite gelassen : „Potenzen mit gleicher Basis werden
multipliziert, indem man die Exponenten addiert".
Stuttgart. F. Haag.
Amtliche Bekanntmachungen.
Die Vorstände der der Ministerialabteilung für die höheren
Bchulen unterstellten Anstalten werden auf die im Verlag von Alex.
Koch in Darmstadt erscheinende Zeitschrift „Kind und Kunst"
(Preis jährlich 14 Mk.) aufmerksam gemacht, welche wohl geeignet
-erscheint, den Leser über die neueren Bestrebungen auf dem Gebiete
der Kunsterziehung auf dem laufenden zu erhalten.
Stuttgart, den 2. November 1905.
K. Ministerialabteilung für die höheren Schulen.
I. V.: Weigle.
Im Verlage von Friedrich Brandstetter in Leipzig sind „Vier
Tafeln vorgeschichtlicher Gegenstände aus Mitteldeutschland" heraus-
46Q Amtliche Bekanntmachungen. — Literarischer Bericht;
gegeben von Paul Benndorf (55 X 70 cm groß; die Tafel zu 3.50 Mk.)
erschienen. Auf dieses inhaltsreiche und vorzüglich ausgeführte
Anschauungsmittel (Lichtdruck nach Originalphotographien) werden
die Vorstände der Anstalten^ welche die zur Anschaffung nötigen
Mittel besitzen, aufmerksam gemacht.
Stuttgart, den 16« November 1905.
K. Ministerialabteilung für die höheren Schulen.
L V.: Weigle.
Im Verlage von Holland und Josenhans in Stuttgart wird von
dem Wttrttembergischen evangelischen Lehrerunterstützungsverein
eine Sammlung ,,Wttrttembergi8cher Volksbücher^' enthaltend popu-
lllre Darstellungen aus Sage, Geschichte, Kulturgeschichte usw. (der
Band 1 Mk.) herausgegeben. Die Schulvorstände werden auf diese
Bände, die zu Schulprämien und ftlr Sohülerbibliotheken wohl ge-
eignet erscheinen, aufmerksam gemacht.
Stuttgart, den 16. November 1905.
K. Ministerialabteilung fttr die höheren Schulen.r
L V.: Weigle.
Literarisoher Bericht.
Gesellschaft für deutsche Erziehnngs- und Schulgeschlchte^
Gruppe Württemberg.
In der Tätigkeit der württembergischen Gruppe der Gesellschaft
für deutsche Erziehungs- and Schalgeschichte" war, seitdem sie im Jahr 1899^
durch ein „Württemberg-Heft" mit mehreren wertvollen Abhandlungen
(Mitteilungen der Ges. f. d. Erz.- u. Seh.- Gesch. Jahrg. IX, 1899, Heft 1)
ihre wissenschaftliche Leistungsfähigkeit aufs rühmlichste bewährt hatte,
in der letzten Zeit ein gewisser Stillstand eingetreten. Deshalb wurde
kürzlich, anläßlich einer Sitzang, die am 29. Juni dieses Jahres im Hotel
Royal in Stuttgart stattfand, eine Neukonstituierung der Gruppe in der
Weise durchgeführt, daß an Stelle der Ausgeschiedenen durch Beiwahl
neue Mitglieder in das Kuratorium berufen wurden, wobei man möglichst
viele Schulgattungen zu berücksichtigen suchte. Zum I.Vorsitzenden
wurde Oberschnlrat Dr. Brügel-Eßlingen, zum 2. Vorsitzenden Professor
Dr. H. Planck-Stuttgart, zum Schriftführer Oberpräzeptor Dr. Schott-Mar^
bach a. N., zum Kassier Mittelschallehrer J. Seytter-Stuttgart ernannt.
Dem früheren Vorsitzenden, Oberschulrat Dr. Gundert, widmete der near
Literarisoher Bericht. 461
Torsitzende warme Worte des Dankes fUr seine verdienstroUe Amts-
iilhrung. Mit einem 2. „Württemberg-Heft**, für das schon reiches
Material vorhanden ist, hofft die Gruppe in Bälde in die Öffentlichkeit
treten zu können. Bei ihren Bestrebungen rechnet sie namentlich auch
auf das fördernde Interesse der höheren Schulen des Landes und der
an ihnen wirkenden Lehrer. Verfolgt sie doch in letzter Linie das weit
gesteckte Ziel, die historische Entwicklung unseres heimischen Schul-
wesens mit seiner bewußten Eigenart und gediegenen Vielseitigkeit in
allen seinen Zweigen zu erforschen und wissenschaftlich zu bearbeiten,
und dadurch dieser glänzenden Kulturleistung unseres Volksstammes
iu immer erhöhtem Maße die verdiente Würdigung in- und außerhalb
der schwarz-roten Grenzpfähle zu verschaffen. Anmeldungen zum Bei-
tritt nehmen die obengenannten Kuratoriumsmitglieder entgegen. Der
Jahresbeitrag beträgt für Einzelne und Korporativmitglieder 5 Mk.;
dafür eri*olgt die portofreie Zusendung der „Mitteilungen <* und „Bei-
hefte*', sowie Preisermäßigung auf die „Monumenta-Bände.
Marbacha.N. E. Schott.
Dr. Maria Raich: Fichte, seine Ethik und seine Stellung
zum Problem des Individualismus. 196 S. Tübingen,
J. C. B. Mohr.
Es ist erfreulich) daß sich das philosophische und geschichtliche
Interesse, das allzulange der eine Kant auf sich konzentrierte, in er-
höhtem Maße wieder der nachk antischen Philosophie zuwendet. Es
soll gewiß dabei bleiben, daß jeder, der sich philosophisch bilden will,
einmal die Schule der Vemunftkritiken gründlich durchmacht. Aber
die Anschauung, die eine Zeitlang herrschte, als ob Kant, im Prinzip
wenigstens, überall das letzte Wort gesprochen habe, als ob das philo-
sophische Bemühen sich kein höheres Ziel mehr stecken könne, als
eben Kant zu verstehen und auszulegen, sie war, wie wir jetzt sehen,
einseitig und unfruchtbar. Nachdem der Neukantianismus der letzten
Jahrzehnte nun vorläufig seine Dienste getan hat, ist es eine schöne
und zeitgemäße Aufgabe, die Schätze zu heben und fruchtbar zu
machen, die in der Gedankenwelt unserer spekulativen Philosophie
verborgen liegen, verborgen unter der Hülle einer Darstellungsform,
die, wie jeder weiß, der es versucht hat, leider dem Eindringen
schwere Hindemisse entgegensetzt. Es ist erfreulich, daß neben anderen
auch die Verfasserin des vorliegenden Buchs sich in den Dienst der
gedachten Aufgabe gestellt hat. Ihr Buch ist eine gedrängte Wieder-
gabe der ganzen Fichteschen Gedankenwelt. Der zweite Teil des
Titels könnte, nebenbei gesagt, irreiührehde Vorstellungen über den
jfcweiten Teil ihre» Werks erwecken; auch in diesem Teil wird, wie im
46S Literarischer Bericht
ganzen 3ach nur referiert und nicht etwa eine systematische Aufgabe
in Angriff genommeu. Die Verfasserin hat sich offenbar mit großem
Fleiß in Fichte eingearbeitet und sich so einen ehrenvollen Platz in
der Gelehrtenrepublik errungen. Ob freilich die Form, die sie für ihre
Darstellung gewählt hat, glQcklich ist, mOchten wir bezweifeb. Sie
läßt fast durchgängig Fichte selbst reden, ganze Abschnitte bestehen
aus Fichtezitaten» die am leichten Faden eines verbindenden Textes
aufgereiht sind. Schwerlich wird jemand, der Fichte nicht selbst genau
kennt, von einem solchen Referat einen Gewinn haben. Männer, wie
Fichte, müssen für uns Heutige geradezu übersetzt werden. Nur der,
der es versteht, ihre Gedanken in unseren heutigen Begriffsformen in
freier Weise wiederzugeben, wird ihnen den Dienst erweisen, sie wieder
für uns lebendig zu machen.
Stuttgart. S a k m a n n.
Erich Adickes, Charakter und Weltanschaaung. Tübingen,
Mohr-Siebeck.
Die Grundgedanken dieser akademischen Antrittsrede sind kurz-
gefaßt folgende: In der Metaphysik ist, ganz im Gegensatz zu den
Erfahrungs Wissenschaften, kein wesentlicher Fortschritt mehr denkbar.
Alle prinzipiellen Antworten, die auf ihre Fragen möglich sind, sind
schon gegeben worden. Diese Tatsache ist darin begründet, daß der
Schlüssel zur Weltanschauung des einzelnen nicht in der wissenschaft-
lichen Bearbeitung der Erfahrungswelt und nicht in logischen Er-
wägungen zu suchen ist, sondern im menschlichen Herzen, das in seinen
Typen sich durch die Zeiten hin gleich bleibt. So wäre also, nach A.,
das Weltbild, mathematisch geredet, die Funktion des Charakters.
Bestimmte Typen von Weltanschauungen sind bestimmten Typen von
Persönlichkeiten entsprechend ähnlich. Diesen Nachweis zu erbringen
unter dem selbstverständlichen Vorbehalt, daß die Erscheinungen der
Wirklichkeit, des komplizierten Charakters ihrer Mischformen wegen,
in dem abstrakten Schema nie ohne Rest aufgehen können, ist der
Zweck des Vortrags.
Nur in mittelbarer Weise hat die Bestimmung der Weltanschauung
durch den Charakter statt bei den heteronomen Naturen, d. h. den geistig
unselbständigen, anschlußbedürftigen, die sich nach der für sie maß-
gebenden Autorität entscheiden. Zum heteronomen Typus gehört nicht
bloß der Konservative, der am Gewohnten haftet und sich nur im
traditionellen Glauben wohl fühlt, sondern auch der Liebhaber dea
Modernen um jeden Preis, der als Jünger irgend eines für ihn ton-
angebenden Meisters aus dem Eigenen nur die Obertreibungen hinzutut,
mit denen er die Lehren seines Propheten vertritt. Diesem Mensohen-
schlag, in dessen starker Vermehrung A. ein Charakteristikum der
Literarischer Bericht. 463
Gegenwart sieht, hat Goethe im Baccalaureus seines Faust ein Denk-
mal gesetzt. Innere Notwendigkeit trägt die Verbindung von Welt-
anschauung und Charakter bei den Autonomen, und zwar sowohl bei
den Dogmatikern als bei den Agnostikern oder Positivisten. Die Dog-
matiker, d. h. die wirklich autonomen Mitglieder religiöser Bekennt-
nisse und die VoUblutmetaphysiker gleichen sich darin, daß sie nur in
etwas Abgeschlossenem Ruhe finden können und daß ihre Lebens-
tendenz sie von innen heraus zu feststehenden Entscheidungen dränge.
Der Positivist ist der Mann des vorsichtigen Abwartens und Prüfens,
der Wahrheitsucher, dem die Probleme interessanter sind als die
Lösungen. Er beschränkt die Wissenschaft auf die Welt der Erfahrung;
das Transzendente, die Domäne des Dogmatikers, ist ihm verschlossenes
Gebiet. Scheiden sich die Geister auf die angegebene Weise, wenn
man die Gedankenproduktion nach ihrer mehr formellen Seite be-
trachtet, d. h. nach dem Erkenntniswert und Gewißheitsgrad der Ge-
danken, so sehen wir eine andere Gruppenbildung sich vollziehen,
wenn man auf die inhaltliche Verschiedenheit der Gedanken achtet.
Die metaphysischen Hauptprobleme werden verschieden beantwortet
von den Dualisten und den Monisten, je nachdem nämlich der Geistes-
habitus der Denker mehr auf das einzelne in seiner gegebenen Eigen-
art und in seiner Verschiedenheit von anderem oder auf die großen
Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten gerichtet ist. Auch das Gegen-
satzpaar Analyse-Synthese, Verstand-Phantasie kennzeichnet die beiden
Forschungsarten. Im Monisten waltet ein logisch-ästhetischer Einheits-
trieb; er neigt zum Determinismus, den der Dualist, bei dem häufig
religiös-ethische Momente entscheidend wirken, verwirft, weil es ihn
in seinem innersten Gefühl drängt, dem Geistigen eine Sonderstellung
zuzuweisen und weil er sich in seinem eigenen sittlichen Erleben
des Zwiespalts von Geist und Materie bewußt geworden ist. Dem
theologischen Problem gegenüber wendet sich der A^onlst dem Pantheis-
mus zu, während der Dualist zwischen Theismus und Deismus die
Wahl hat. Wohl ist ja das ursprüngliche Wesen der Frömmigkeit un-
abhängig von den Vorstellungen über Gott; abei^ die Praxis drängt
doch auf eine religiöse Begrififswelt hin und richtet sich nach der
Individualität der Frommen. Der fromme Kindesglaube des gottver-
trauenden Theisten entspricht dem Bedürfnis persönlicher Gemeinschaft
mit dem Ewigen, der Glaube an die Einheit von Gott und Welt ent-
springt bei dem Pantheisten dem Drang nach emer noch wesenhaf-
teren Verbindung mit dem Unendlichen, die ausgeprägt poetischen
Charakter trägt Der Deismus, der Religion und Wissenschaft ver-
söhnen möchte, geht psychologisch aus einem Kompromiß hervor; er
ist das theoretische Korrelat einer Geistesart, in der ein Hang zum
methaphysischen Dualismus sich mit einem doch nur mäßig entwickelten
religiösen Bedürfnis verbindet.
464 Literarischer Bericht.
Es ist interessaDt zu sehen, wie in diesem Vortrag ein Erklärungs*
prinzip, auf das in philosophiegeschichtliohen Untersuchungen häufig,
aber doch immer nur gelegentlich, ad hoc, zurückgegriffen wird, ge-
w^issermaBen systematisch entfaltet wird. Scheint es doch auch, als
ob z. B. bei Dilthey eine Psychologie der großen möglichen Welt-
anschauungstypen das letzte Wort bleiben sollte. Bei dem skizzen-
haften Charakter eines Vortrags ist es nur natürlich, daß sich an
manchen Punkten Fragezeichen erheben und daß manche Linien noch
nicht deutlich genug gezogen scheinen. So scheinen, um ein Beispiel
für das letztere zu geben, die beiden Bilder, die der Verfasser von
der psychologischen Disposition des Positivisten und von der des
metaphysischen Dualisten entwirft, etwas ineinanderzuschwimmen, und
doch sind die zugehörigen Weltanschauungen scharf geschiedene Typen.
Und Fragezeichen lassen sich doch wohl anbringen an der Differen-
zierung der theologischen Bewußtseinsstellung nach den Gesichtspunkten
des Pantheismus, Theismus und Deismus. Ist z. B. der Deismus wirk-
lich ein Typus? Ist er nicht eine ganz konkrete, mit den vom Ver-
fasser selbst ganz richtig angegebenen Bedingungen ihrer historischen
Existenz verschwundene Erscheinung? Ich wüßte nicht, wem unter
meinen Zeitgenossen ich den Namen eines Deisten geben sollte. Will
der Verfasser das Moment der Vermittlung von Religion und Wissen-
schaft betonen, dann ist der Name, filr das 19. und 20. Jahrhundert
wenigstens, nicht glücklich gewählt. Weiter: Ist es richtig, daß die
Individualitätstypen erst in der Gestaltung der religiösen Vorstellangs-
welt sich geltend machen? Liegt der Ginind der theologischen und
der religiösen Differeneierung nicht noch tiefer, schon im Element des
Empfindens und der Stimmung?
Von diesen kritischen Anmerkungen bleibt der Eindruck von
dieser Antrittsrede ganz unberührt, daß wir in diesem Nachfolger Sig>
warts einen Mann gewonnen haben, der über eine bedeutende Gabe
akademischen Lehrtalents verfügt. Seine Forscherindividualität scheint
er in dieser Vorlesung, die er dem Anlaß und Publikum gemäß wohl
weniger fachgemäß, mehr exoterisch halten zu müssen glaubte, ab-
sichtlich zurückgestellt zu haben. Er hat sich gewiß inzwischen da-
von überzeugt, daß er unseren „Stiftlem" auch recht feste Speise zu-
muten darf. Möge es ihm gelingen, die gegenwärtig^ etwas mehr als
billig schlummernden philosophischen Talente des schwäbischen Stammes
wieder zu wecken, und mögen sie in seiner Schule die Gabe der klaren
und gefälligen Form sich aneignen, über die er offenbar verfügt. Denn
die Stimmung, die zur Zeit des Referenten im Stift herrschte, und in
der. man etwas Tadelndes, Ironisches zu sagen, glaubte, wenn man eine
Darstellung „faßlich <* nannte, sie war doch eine Selbstglorifiziemng
des formlosen Schwabentums, die besser verschwindet
Stuttgart. S a k m a n n.
Literarischer Bericht. 465
Poincaröy Wissenschaft und Hypothese. Aatorisierte deutsche
Aasgabe mit erläatemden Anmerkangen von F. nnd L. Linde-
mann. XVI u. 342 S. Leipzig, Teubner, 1904.
In einer Zeit, in der durch die weitgehende Spezialisierang der
Naturwissenschaften in der naturwissenschaftlichen Welt selbst das
Verlangen nach Feststellung des Einheitlichen in der Mannigfaltigkeit
der Forschnngsresultate wach gerufen worden ist, und in der ein Mann
von der wissenschaftlichen Bedeutung Ostwalds das Jahrzehnte hindurch
fast verpönt gewesene Wort „Naturphilosophie^ auf das Titelblatt einer
Zeitschrift setzen konnte, deren Zweck es ist, jenem Verlangen Rech-
nung zu tragen, ist ein Buch wie das vorliegende doppelt willkommen.
Der durch seine mathematischen Arbeiten wohl bekannte französische
Gelehrte entwickelt darin seine Ansichten über das Wesen der mathe-
matischen Schlußweisen und den erkenntnis-theoretischen Wert der
mathematischen Physik in äußerst klarer, dabei aber keineswegs trockener,
sondern im Gegenteil sehr anziehender und lebendiger Sprache, welche
die Lektüre des gehaltvollen Werkes zu einem wirklichen Genuß macht.
Der Gedankengang des Verfassers, soweit er sich in Kürze wiedergeben
läßt, ist etwa folgender.
Um die Ergebnisse der mathematischen und naturwissenschaftlichen
Forschung richtig bewerten zu können, ist es nötig, sich von der erkennt-
nis-theoretischen Bedeutung der Hypothese, die beiden Wissenschaften
onentbehrlich ist, ein klares Bild zu machen. Nach Poincarö gibt es
drei Arten von Hypothesen: 1. solche, deren Richtigkeit durch das
Experiment geprüft werden kann, und die, wenn auf solchem Wege be-
stätigt, zu fruchtbringenden Wahrheiten werden; 2. solche, die „ohne
uns irre zu führen, uns nützlich werden können, indem sie nnsem Ge-
danken eine feste Stütze geben*'; 8. solche, die nur scheinbare Hypo-
thesen sind und sich auf Definitionen oder verkleidete Übereinkommen
zurückführen lassen.
Diese letzteren finden sich hauptsächlich in der Mathematik
nnd verwandten Wissenschaften. Hieraus schöpfen diese Wissenschaften
Ihre Strenge, denn diese Obereinkommen sind das Werk der freien
Tätigkeit unseres Verstandes, der, vom Experiment geleitet, den be-
quemsten Weg einzuschlagen bestrebt ist, aber sie beziehen sich nur auf
nnsere Wissenschaft und nicht auf die Natur. Nichtsdestoweniger
lassen sie uns etwas Reelles erkennen ; nnr sind dies nicht, wie die „naiven
Dogmatiker** meinen, die Dinge selbst, sondern die Beziehungen
zwischen den Dingen; außerhalb dieser Beziehungen gibt es keine
erkennbare Wirklichkeit Um die Richtigkeit dieses Satzes darzutun,
erörtert Poincarö die mathematisch-naturwissenschaftlichen Grundbegriffe
(Zahl, Größe, Raum, Kraft) und Grundoperationen (Schluß weisen) ein-
gehend. Bezüglich der mathematischen Schlußweise sucht er zu zeigen,
daß sie keineswegs, wie man gewöhnlich glaubt, ausschließlich deduk-
466 Literarischer Bericht.
tiv ist, sondern in gewissem Grade an der Natur der induktiven Schloß-
weise Anteil hat und gerade deshalb so fruchtbringend ist, dabei aber
den Charakter absoluter Genauigkeit bewahrt. Unsern Begriff der
mathematischen Größe und ebenso den des Raumes haben wir der Welt
angepaßt; die ersten Grundlagen unserer Geometrie sind uns, wie
schon Lobatschewsky bewiesen hat, keineswegs durch die Logik auf-
erlegt ebensowenig haben sie ihren Ursprung in der Erfahrung, sondern
sie sind nur C hereinkommen, aber allerdings solche Übereinkommen,
bei deren Aufstellung wir durch die Erfahrung geleitet werden. „Es ist
ebenso unvernünftig zu imtersuchen, ob die fundamentalen Sätae der
Geometrie richtig oder falsch sind.** In ähnlicher Weise sind die Prin-
zipien der Mechanik an dem konventionellen Charakter der geometri-
schen Postulate beteiligt, diese „nach Übereinkommen festgesetzten und
allgemeinen Prinzipien sind die natürliche und direkte Verallgemeine-
rung der experimentellen und besonderen Prinzipien^.
Bei den eigentlichen physikalischen Wissenschaften ändert
sich die Sache; wir treffen eine ganz andere Art von Hypothesen und
wir sehen deren ganze Fruchtbarkeit Die wissenschaftlichen Theorien
sind, wie die Geschichte lehrt, allerdings vergänglich, aber sie sind
dennoch nicht ganz vergangen; von jeder ist etwas übrig geblieben,
und dieses Etwas muß man sich bemühen herauszusuchen, „weil nur
dieses und dieses allein der Wirklichkeit wahrhaft entspricht^\ Die
Methode dieser Wissenschaften beruht auf Induktion; da nun
aber die bei einer Erscheinung vorhanden gewesenen Umstände niemals
alle zugleich wieder eintreten werden, und wir niemals mit absoluter
•Sicherheit, sondern nur mit mehr oder minder großer Wahrscheinlich-
keit sagen können, ob die fehlenden Umstände ohne Wichtigkeit sind,
so handelt es sich auch darum, die Prinzipien der Wahrscheinlich-
keitsrechnung fester zu begründen. Allerdings muß der Verfasser
des „Calcul des probabilitös*^ gestehen, daß er in letzterer Beziehung selbst
nur unvollkommene Resultate geben kann; „so sehr widerstrebt der
unbestimmte Instinkt, welcher uns den Begriff der Wahrscheinlichkeit
fassen läßt, der Analyse." Schließlich erläutert Poincarö seine Auffas-
sung des Begriffs der Hypothese und das Verhältnis der Mathematik
zur Naturwissenschaft an den optischen Theorien Fresnels und Max-
wells, und an den (unbewußten) Hypothesen Ampöres and der übrigen
Begründer der Elektrodynamik.
F. Lindemann, der Herausgeber des deutschen Textes, bat
letzterer einen ganz zweckentsprechenden Anhang von Erläuterungen
und literarischen Verweisungen beigegeben, die auch den in der Fach-
literatur minder bewanderten Leser in den Stand setzen, die einzelnen
besprochenen oder angedeuteten Fragen eingehender zu studieren.
Die Übersetzung selbst, die von Frau Lindemann besorgt worden
ist, liest sich angenehm; kaum daß, wie dies i^brigens bei einer wort-
Literarischer Berieht 467
getreuen Übersetzung kaum zu vermeiden ist, hie und da eine kleine
Härte an den fremdsprachlichen Ursprung des Textes erinnert. Nur
bezüglich einer Einzelheit möchte ich einem kleinen Bedenken Ausdruck
geben; ich meine nämlich den Gebrauch des öfter wiederkehrenden
Wortes ^jklassisch'^ Bekanntlich hat „classique^ im Französischen neben
der deutschen Bedeutung des Wortes auch die Bedeutung ^schulmäßig^
(livre classique = Schulbuch; auteur classique = Schulschriftsteller usw.);
sollte nicht diese letztere Übersetzung an einzelnen Stellen die durch
den Zusammenhang gegebene sein?
Ich empfehle das Buch allen Kollegen mathematisch-naturwissen-
schaftlicher Richtung, die für erkenntnistheoretische Fragen Interesse
haben.
Stuttgart. Jaeger.
R. A gab d- Hannover^ ^Homerbuch^, d. h. ,, Griechisches Ele-
mentarbuch aus Homer". Mk. 2.40. Göttingen^ Vandenhoeck
und Ruprecht; 1904.
F. Hornemann- Hannover^ ^tiriechische Schulg^ammatik.
I. Homerische Formenlehre". Mk. 2.40. Ebenda, 1904.
R. A gab d, „Ergänzung des Elementarbuchs^. 80 Pf. Ebenda,
1905.
Nicht bloß drei Bände liegen vor, sondern ein Dreibund. Dem
Frieden will dieser Dreibund nicht so ganz dienen ; er will eine neue
Ordnung der Dinge : Homer voraus, dann Xenophon und Überhaupt
Attisch. Heinrich Ahrens vor einem halben, Fran^ois Gouin vor
einem Yierteljahrhundert haben das auch gewollt, Ahrens mehr der
Sprache, Gouin mehr der Sache zu lieb; Ahrens aus gelehrter Vor«
eingenommenheit fürs Mundartliche, Gouin aus didaktischer Neigung
zum anschaulichsten Stoff. Aber auch Ahrens empfing die Anregung
vom Didaktiker Her hart. Seither steht der Gedanke, den Haus-
vater Homer zugleich Pförtner sein zu lassen, zur öffent-
lichen Diskussion. Und eigentlich freut^s doch auch jeden Gast, wenn
ihn an der Haustür patriarchalisch gleich das Familienhaupt empfängt
Nur muß man dabei viel mehr „Formen^ beobachten als bei einem
jüngeren Hausgenossen oder einem geringeren, der dienstfertig, bei
leichten Reden bin und her, die dunkle Treppe hinanfleuchtet und
über den gegenwärtigen Hausstand gefalligst unterrichtet. Bei dieser
Art der Einführung ins Griechische wird das Gymnasium trotz aller
Ab- und Rücksicht auf den Vater Homer verharren. Weil aber das
Griechische, unbekümmert um die neueste Verkürzung seines Rechts
im alten Gymnasium, seinen Eroberungszug in der ganzen Welt modemer
Begriffe fortsetzt und Reformscbulen und Privatsohulen genug in seinen
468 Literarischer Bericht
Kreis bannt, so hat auch das vorliegende Methodenwerk anf Anzeige
durch diese Blätter und Zeilen Anspruch.
Vormacht in der Trias ist das „Homerbuch" Agahds, Sprach-
lehre hierzu sollte Hornemann geben, gibt aber so gründliche
Sprachwissenschaft, daß es kein Wunder ist, wenn die Schul-
behörde gegen die Einführung Bedenken gehabt hat Zum Ersatz und
wegen Erkrankung Homemanns das heurige „Ergänzungsbuch**
Agahds. — Das «Homerbuch^ nun enthält etwa dasselbe dreifache
Rüstzeug, wie unsere verbreitetsten Übungsbücher: 1. Griechische
Übungsstücke, zusammen nur 526 Homerverse, fast alles aus der
Cyclopie; mit sprachlichem Kommentar und Vokabular gemäß Vers-
folge. 2. Deutsche Übungsstücke, nur 15 Seiten, lauter Ab-
wandlungen und Retroversionen homerischer Sätze. 3. Einen gram-
matischen Kurs zur Wechselwirkung mit dem Übersetzungskurs.
— Nun aber nimmt der grammatische Kurs, der anderswo als knapper
Anhang oder Einschuß erscheint, die volle erste selbständige Hälfte
des ganzen Buchs ein; er eröffnet das Buch wie er den Unterricht
in der Weise eröffnen soll, daß eine Zeitlang neben der grammatischen
Belehrung nur Formenextemporalien hergehen. — Ein vierter und eigen-
tümlicher Teil ist das Vokabular nach Sach Ordnung. Bei einem
Übungsbuch, das sich innerhalb der homerischen Sach grenze bewegt,
gibt sich das verhältnismäßig leicht, ist jedenfalls zu loben und ander-
weitig zu empfehlen.
Vorgreiflich habe ich schon etwas gesagt gegen das anfangliche,
unheimliche ÜbergewichtderGrammatik. Seltsam berührt femer
die Verwandlung homerischer Rhapsodie in deutsche
Übungsprosa, seltsam nämlich den Homeriden, der seinen Homer zer-
pflückt sieht in Versgruppen mit „sigmatischen Stämmen" und solche
mit „Verben, Kennlaut 2!^ usw. („Und muß ich so dich wieder finden !")
Allein dem Schüler tut das kaum so weh als die Buntscheckigkeit der
landläufigen Übungssätze. Er spürt doch eine Einheit des Geistes und
der Sprache heraus. — Drittens muß man fragen: das Metrum, im
steten Widerstreit vollends mit den Akzenten, die doch auch gelernt
sein wollen, ermüdet es nicht den Anfänger bei seinem ersten Flug
über Hellas hin, so daß mit denselben Flügeln des Gesangs, die den
Dädalus erheben und befreien, der Knabe Ikarus ins Meer fällt und
ersäuft? Oder weicht man der Gefahr vorläufig auf dem Weg pro-
saischer Lesung aus? — Trotzdem ist heutzutage, wo man in der
Schule alles probiert, auch diese ehrliche Art Lehrmittel einer ehr-
lichen Probe wert.
Warum, bitte unter der Tür von einem ins andere Zimmer, laden
die zwei größeren von diesen Büchern nicht einmal durch eine In-
haltsübersicht zur Probe wie Besprechung ein? Man muß die
Anordnung erblättern. Schulgrammatiken wie Koch und Kägi geben
Literarischer Bericht. 469^
wenigstens genaue alphabetische Sach- und Wortregister, folgen
überdies einer herkömmlichen, bekannten Ordnung. Einer neuen
Ordnung ziemt ein stramm ^ Programm^, buchstäblicher gedacht und
eindringlicher gemacht als irgendein Vorwort.
Literarische und didaktische Neuordnung, in Wechselwirkung mit-
einander, ergeben hier von selbst den Grundsatz: die Geschichte
von der Bildung der Sprachformen muß der Einprägung
fertiger Formen vorangehen. Daher jenes anfängliche Über-
gewicht der Grammatik: der Sprachunterricht ist zur starken Hälfte
als Naturgeschichte der Sprache gefaßt. Die ganze Bewegung
nach dieser Seite ist allerdings seit Jahrzehnten wirksam und frucht-
bar; nur ist sie im Gymnasium Über ihren Höhepunkt hinaus. Jene
Verfasser aber haben es vielmehr wieder auf stärkeren Antrieb ab-
gesehen, Homemann kühner, Agahd vorsichtiger. So besonders im
Verbum: mit ,,bindevokallosen^ Verba statt der oberflächlichen Unter-
scheidung „auf -)ii^ und einer entsprechenden Umordnung könnten
wir uns gelegentlich noch befreunden; schon weniger mit schwachen
und starken, hoch- und mittel- und tiefstufigen Stämmen. Zu dem
Namen „System" aber, worauf hier so viel Wert gelegt wird, fftr die
Verbalformen der eintretenden, mitlaufenden, abgeschlossenen Handlung
(Erscheinung) muß ein wenig ausgegri£fen werden: Von der leichten
Erkenntnis des dreifachen Zeitbegriffs, Vergangenheit — Gegenwart —
Zukunft, schreitet der Schüler äußerst schwer zum Verständnis der-
*
jenigen zeitlichen Beziehungen fort, die den Unterschied des lateinischen
Ipf. vom histor. Pf., oder des französ. Imparf. vom Passö Döfini be-
gründen. Warum so schwer? Teils weil sich das Deutsche in Formen-
lehre und Syntax über diesen Unterschied wegsetzt, teils weil in den
Köpfen leider der Aberglaube nistet, das Imperfekt stehe bei
„Wiederholung*^ oder „langer Dauer", dahingegen alles auf die
Nebenherdauer (neben der Haupthandlung) ankommt. Hat man den
angehenden Lateiner oder Franzosen oder Engländer mit unendlicher
Mühe zur richtigen Fragestellung gebracht, zur überaus notwendigen
auch — denn man wird ob keinem falschen Genus Substantivi etwa
in Frankreich so belächelt wie ob so einem falschen Tempus Verbi — ,
80 kommen die griechischen Grammatiken endlich daher und be-
weisen, daß es eigentlich neun griechische „Tempora^ gebe und zeichnen
zum Beleg eine Tabelle (z. B. Koch § 96, Kägi § 186) mit neun Fächern
hin, von denen freilich zwei gleich schon leer sind, weil zweimal das
eine dem andern aushilft. Und weil es im Schulbuch steht, muß der
Lehrer auch seine Schüler einigermaßen damit plagen. Aber das hilft
wenig. Diese Tabelle versteht mein Junge später einmal, wenn er
Logik hört, oder noch besser, wenn er Logik nicht hört, sondern
hat; aber weder Kochs Bezeichnung „Beschaffenheit der Handlung**
noch Kägis „Zeitart'' noch Homemanns „Systemstämme^, die ja zu-
470 Literarischer Beriebt
nächst dem Formenverständnis, dann aber auch der Syntax dienen
sollen, führen zur Sicherheit des Griffs in den üppigen Vorrat
griechischer Verbalform eu. Man lasse die ganae Rechnung 8 • 3 s= 9
weg, setze die drei natürlichen Tempora voraus und lasse sodann
in allen einleuchtenden und wichtigen Fällen die dreifache Möglich-
keit des Ganges in der Zeit, des „Zeitgangs**, hinzu erkennen,
z. B. voofjoai Eingang oder Eintritt (Ingressivus), icsl^tw Mitgang
oder Nebenherdauer, xsd^dvat Ausgang oder Ergebnis. Die Sprach-
Weisheit sitzt hier wie so oft alle Weisheit und wie der Homo sapiens
ipse am besten und festesten a posteriori. Aorist, dieser Proteus,
läßt sich ja doch in keinem Fachnetz fangen; und das Imperfekt, an-
statt in seinem Revier aufzuräumen, wildert im Nachbarrevier, daß es
nimmer schön ist.
Hiermit sind wir an der Syntax. — Homerische Formenlehre in
der Schule: ein besuchter und gepflegter Garten. Homerische
Syntax: ein offen Stück Feld, mehr nur mit attischen Wirtschafts-
abföllen gedüngt. Auch Agahd behandelt sie in seiner zweiten Schrift
nur als Anhang und nur die Kasus. Langt es, wenn doch hernach
die attische Syntax drauf fußen soll? — D i e Fragestellung im Vor-
wort, auf die er seine Stoffdarbietung im ganzen gründet, wäre schon
recht: 1. welche (Sprach-)Kenntnisse aus Homer sind fürs Attische
nötig? 2. — für die Homerlektüre selbst? 8. — für die Erkennt-
nis des eigenartigen Baues der griechischen Sprache über-
haupt?
Die letzte Frage geht keck über das hinaus, was man in der
Gegenwart als Zweck und Wert des griechischen Unterrichts will
gelten lassen, und wahrt dem Griechischen das Recht, Lehrstoff zu
sein rein nur als Wuudergebilde des Menschengeistes, ohne Absicht
auf die Literatur. Die erste aber erinnert uns daran, daß Agahd
für sich hier eine Vorfrage gestellt hat: ob umgekehrt attische
Kenntnisse zum Verständnis Homers nötig? Er hat die Frage durch
die Gestaltung seines Homerbuchs bejaht: es gibt ohue attische Er-
gänzung keine Homergrammatik für Anfänger. Ganz zu schweigen
von der Freiheit des Dichters, der so gerne die Ausnahme über
die Regel stellt.
Vor einigen Jahren saß und sann auch so einer an demselben
Versuch, in der Schule den Weg von Homer nach Attika zu wandeln
wie ihn die Geschichte vormals gegangen ist. Die Grundlegung
durchs Attische und im Attischen erschien ihm dann doch nnd
erscheint ihm heute noch als das, was wir festhalten, aber neugestalten
sollten; — wie, das kann man in den Hall eschen „Lehrproben und
Lehrgängen'' nachlesen, wo ich zurzeit Proben, Plan und Über-
sicht der ganzen Arbeit veröffentliche. Auf Anschaulichkeit, wie sie
der Dichter liebt, habe ich auch dort gehalten, auch auf eine freie,
Litersrischer Bericht. 47]
ja poetische Gestaltung des Stoffs. Aber die dichterische Frei-
heit Homers möchte ich in diesem Zusammenhang am liebsten da-
hin verstehen, daß wir ihn freisprechen von aller Bestreitung der
Kosten für lange, poesielose Wort- und Silben- und Satzexerzitien;
daß ihn vielmehr unsere Jugend bei genügender Sprach- und
Altersreife und weiser Maßhaltung des mündlichen oder gedruckten
Kommentars fast noch mehr daheim als in der Schule mit Behagen
lese, viel lese, wiederholt lese, laut lese, im Sonntagsrock lese und,
was gefällt, mit geschlossenen Augen memoriere. So haben ihn vor
Zeiten die gelesen, die ihn am tiefsten verstanden, und haben sich,
wenn sie die Augen für die Umgebung schlössen, so ganz in ihn hinein-
empfunden, daß sie endlich die Augen der Jünger mit denen des
Meisters verwechselten, als hätte der schon für immer die Augen zu-
gehabt.
Oder sollte der etwa sein Augenlicht eingebüßt haben, weil er
900 Jahre vor Christus schon seine 10 000 und aber 10000 Verse auf
Glanzpapier schreiben mußte? Ach nein! sogar 1800 Jahre nach
Christus ist der angesehenste Lehi'er Deutschlands mit dem ange-
sehensten Arzt, also Kant mit Hufeland, in öffentlichem Meinungsaustausch
einig worden: das Zuträglichste für die Augen sei schwärzester
Druck auf weißestem (nicht: glänzendem!) Papier. Das war
vor mehr als 100 Jahren. Wie weit haben wir's nun heut gebracht!
Zwar die obigen Bücher — das allein wollt ich eigentlich nachtragen
— kommen jener schonenden Ausstattung löblich nahe. Es gibt also
doch noch treue Verlegerherzen! Und vielleicht ist, wie schon öfter
im Weltlauf, je verirrter die Menschheit, um so näher das HeiL
Stattgart. P. Feucht.
Aurea dicta« Für Schüler der ersten 5 Klassen des Gymnasiums.
Zusammengestellt von Karl Groß, Gymnasialassistent. 82
Seiten Text. Bamberg, Buchners Verlag, 1905.
Das Heft ist zunächst für bayerische Verhältnisse geschaffen, wo
das Ministerium die „Aneignung inhaltreicher Sätze, Sprichwörter und
Denksprüche aus (fremden) Posaikem und Dichtem^ vom Schüler aus-
drücklich verlangt (s. Rückseite des Titelblatts).
Die aurea dicta erscheinen zunächst geordnet als Beispiele für die
Formenlehre und Syntax.
In einer neuen Auflage würden wir allerdings noch manches anders
wünschen : wir vermissen ein Verzeichnis der Abkürzungen von Schrift-
stellemamen und Büchertiteln, eine noch vollständigere Angabe der Ori-
ginalfundstellen für die Zitate; eine recht augenfällige Unterscheidung
473^ Literarischer Bericht
zwischen Dbersetznng, deutschem Parallelzitat und Zitat auf Grund einer
freieren Ideenassoziation; endlich würden wir gerne manche von den
lezten missen — sie sind teilweise zu weit hergeholt.
W. Z.
Deutsches Sprach- und Übungsbuch fOr die unteren und mittieren
Klassen höherer Schulen« In 4 Heften. Herausgegeben von
Dr.O.Lehmann undK.Dorenwell. I.Heft: Sexta. Dritte
Stereotyp-Anflage. Preis steif geheftet 60 Pf. 91 Seiten Text.
Verlag von C. Meyer, Hannover-Berlin W. 35, 1905.
Ein gewiß praktisch wohl verwendbares Heft mit sehr reichhaltigem
grammatikalischem und insbesondere auch orthographischem Regel- und
vor allem Übnngsstoff. Die Aufgaben 166 ff. werden auch manchem
Alteren Spaß machen.
W. Z.
Erlänteningen zum dritten Band des deutschen Lesebuchs für
die höheren Schulen Württembergs von Prof. Dr. Lörcher.
91 S. Stuttgart, Zeller & Schmidt, 1905.
Die Fortsetzung der ^Erläuterungen^ kann nur dankbar begrüßt
werden. Sie bieten dem Lehrer in einfachster Form und ohne jede
Beschränkung seiner Bewegungsfreiheit alles, was er wissen muß, um
sich selbst ganz in den Qegenständen heimisch zu fühlen, die er mit
seinen Schülern zu behandeln hat; denn so selbstverständlich es ist,
daß er nicht alles, was er hier bequem beisammen findet, nun auch in
seinem Unterricht an den Mann bringt, so willkommen muß es ihm doch
sein, auf die verschiedenen Fragen, die dem denkenden Leser der so
mannigfaltigen Lesebuchstücke aufsteigen können, zuverlässige Antwor-
ten vorzufinden, statt sie aus zum Teil vielleicht weniger bekannten
Werken über die verschiedenen in Betracht kommenden Wissensgebiete
erst zusammensuchen zu müssen. Bei den Hinweisen „zur Behandlung*^
ist im ganzen anerkennenswerte Zurückhaltung geübt und mit Becht die
Rücksicht auf die Mittel, durch welche die Selbsttätigkeit der Schüler
bei Auffassung und Wiedergabe des Gelesenen angeregt werden kann,
zum Hauptgesichtspnnkt gemacht. Außer zwei Druckfehlem S. 44 Z. 15 v. u.
und S. 45 Z. 15 v. o. finde ich einige Kleinigkeiten anzumerken. Südlich von
Gemsbach im Murgtal liegt Neueberstein, wie S. 15 richtig angegeben ist,
nicht aber, wie S.47 gesagt wird, Alteberstein, das viel mehr nordwestlich
von Gemsbach und nördlich vom Merkur liegt. Nicht alle zwischen 1265
Literarischer Bericht. 473
und 1619 verBtorbenen „schwäbischen Kegenten" sind im Chor der Stutt-
garter Stiftskirche bestattet (vgl. Eberhard im Bart). Die Reutlinger
zogen wohl nicht über die Alb (S. 49) ins Uracher Tal, jedenfalls nicht
über die Alb von dort zurück, wenn sie unterwegs Dettingen verbrannten,
sondern durchs Tiefenbach- und Scherbental (Dettingen-Neuhausen-
Eningen). An eine Belagerting Reutlingens (S. 49, Anm. 2) kann auch
Uhland nicht wohl gedacht haben, sondern nur an eine Bedrängnis, in
welche die Stadt dadurch geriet, daß von der Achalm aus die Bürger,
die außerhalb der Stadtmauern ihren Geschäften nachgehen wollten,
gefährdet waren. S. 42 sollte der erste Satz über Münchhausen anders
gefaßt sein, da dieser nicht seine ganze Lebenszeit in Hannover zubrachte.
Cannstatt. Th. Klett.
Shakespeares dramatische Werke. Obersetzt von Schlegel
und Tieck. Revidiert von Hermann Conrad. 5 Bände,
geheftet 10 Mk., gebunden 15 Mk. Stuttgart, Deutsche
Verlagsanstalt.
H. Conrad hat sich im 111. Band der „Preußischen Jahrbücher^,
Heft 1, über die SteUung ausgesprochen, die er zu der ihm noch von
Öchelhäuser angetragenen und von ihm übernommenen Aufgabe einer
Revision der Schlegelschen Shakespeare-Übersetzung einnimmt. Jetzt
liegt die den hier ausgesprochenen Grundsätzen gemäß gestaltete Bear-
beitung vor. Den neueren Shakespeare-Übersetzungen gegenüber hat
trotz des vielen Guten, das diese im einzelnen bieten, und trotz der
Minderwertigkeit der in das Schlegelsche Gesamtwerk aufgenommenen
Übersetzungen von Baudissin und Dorothea Tieck die Schlegelsche
Shakespeare-Übersetzung ihren beherrschenden Platz behauptet; mit
vollem sachlichem Recht, soweit Schlegel selbst in Betracht kommt,^
der als kongenialer Nachbilder Shakespeares in den 17 von ihm über-
setzten Stücken noch immer unübertrofifen dasteht ; mit einer Art histo-
rischen Rechts, soweit Baudissin und D. Tieck in Betracht kommen;
denn obgleich sie hinter der Meisterschaft Schlegels beide erheblich,
besonders aber letztere, zurückgeblieben sind, so hat doch Schlegel
dem Gesamtwerk seinen Stempel aufgedrückt und durch die im ganzen
unerreichte Höhe, auf der seine Übersetzungen stehen, bewirkt, daß
mit jenem keine andere Übersetzung in Wettbewerb treten kann. Dies
schloß den Gedanken an eine neue Obersetzung aus. Andererseits steht
die Yerbesserungsbedürftigkeit nicht bloß für dieBaudissinschen und Tieck-
schen, sondern auch für die Schlegelschen Übersetzungen fest, da die
Ergebnisse der Shakespeare-Forschung des 19. Jahrhunderts zur Ver-
fügung stehen, ohne die auch der Genius Schlegels viele Einzelheiten
nicht recht ^erstehen konnte, abgesehen von dem allgemeinen mensch-
Korreipood«niblatt 1906, Heft 12.
474 Literarischer Berieht
liehen Schicksal, dem auch Schlegel nicht entgangen ist, Versehen und
Fehler zu machen, die vermieden werden könnten. Dazu kommt noch
ein Besonderes : die Verkennung der Eigenart der Rhythmik der Shake-
spearschen Dramen, besonders der späteren, die sich von dem rein
jambischen Versmaß der Antike ebenso weit entfernt, als dieses von
der Schlegelschen Übersetzung im ganzen streng und jedenfalls häufig
ohne bewußte Anpassung an die Shakespearesche Rhythmik durchge-
führt wird. Die hauptsächlichen Freiheiten, deren sich Shakespeare
als dramatisch wirkungsvoller Mittel bedient, sind die Ersetzung des
Jambus durch den Trochäus auch innerhalb des Verses zur Hervor-
hebung des betreifenden Worts, die Einfügung einer überzähligen Kürze
vor der Cäsur, um den Vers beweglicher und abwechslungsreicher zu
machen, der Gebrauch des Doppeljamb (uu — ^) da, wo die Flüchtig-
keit der einfachen Jamben der Wucht des Gedankens nicht gerecht
würde, die Verkürzung eines Verses auf wenige, einmal (nach dem Mord
in Macbeth) bis auf zwei, Silben zur Erzeugung bedeutungsvoller Pausen,
die Verlegung der Sinnespause in den Vers hinein, wodurch für das
Gehör ungleiche rhythmische Reihen geschaffen werden als ton malerischer
Ausdruck der Erregung.
Das bei Schlegel wahrnehmbare Streben nach Einhaltung des jam-
bischen Schemas bedeutet aber nicht nur ein Zurückbleiben hinter der
Kraft und Lebensfülle der Shakespeareschen Rhythmik, sondern es geht
unter Umständen auch auf Kosten des Sinnes, so wenn Schlegel in
Julius Cäsar IV, 8 schreibt „Kein Mensch trägt Leiden besser: Portia
stärb^ — statt Portia ist töt^, da es sich bei dem Leiden nicht um
eine Handlung, (^starb*^), sondern um einen Znstand („ist tot**) handelt.
Übrigens meint Conrad nicht, es müsse um jeden Preis die Eigenart
des Shakespeareschen Verses nachgeahmt werden — an sich mit Recht;
wenn er aber im selben Stück II, 1 die von ihm selbst wegen ihrer me-
trischen Abweichung früher beanstandete Übersetzung Schlegels ^und
-würgt ihn in der Schale'^ nun doch beibehalten hat, so fragt es sich doch,
ob nicht eine andere Übersetzung (etwa „und tötet ihn im Keim**) vor-
zuziehen gewesen wäre, die allerdings die strenge Festhaltung des
Bildes vom Schlangenei aufg:ibe, aber dafür neben der metrischen Über^
einstimmnng mit Shakespeare auch den Verzicht auf das Wort „würgen**
voraus hätte, das nicht bloß ungewöhnlich = „erwürgen** gebraucht ist,
sondern auch, so bestechend es zunächst klingen mag, einen zu dem
Charakter und der Stimmung des Brutus kaum passenden Stich ins
Grausame hat
Daß sich aus den Fortschritten der wissenschaftlichen Erkennt-
nis höchst erwünschte Berichtigungen ergeben, zeigen viele Bei-
spiele, so in der bekannten Stelle der Forumszene, wo Antonius
nicht sagt, daß ihm „Schriftliches'* (writ), sondern „Geist'* (wit) fehle.
«0 in Hamlet, der nicht sagt, daß „Gewissen", sondern daß „das Denken **,
Literarischer Bericht 475
^aB conscience im Altenglischen auch bedeuten kann, Feige aus uns
allen macht. Daß bei Schlegel auch solche Fehler mitunterlaufen, die
schon nach dem. damaligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis
vermieden werden konnten, ist ein Tribut, den er der menschlichen
Schwäche gezahlt hat; aus der großen Reihe von Beispielen, die Con-
rad anftihrt, sei der Vers aus Cäsar 1, 1 erwähnt ^sieh, wie die Schlacken
ihres Innern schmelzen^ (während die Schlacken das sind, was beim
Schmelzprozeß übrig bleibt). Hier mag übrigens dem Zweifel Ausdruck
gegeben werden, ob Conrad bei der Heilung einer von Schlegel besonders
stark verfehlten Stelle im Kaufmann von Venedig (IV, 1 : thy currish
spirit govern*d a wolf . . .*^) radikal genug vorgegangen ist: wie Schlegel
faßt auch Conrad thy spirit als Subjekt, a wolf als Objekt; das ent-
spricht der Wortstellung, aber nicht dem Sinn, der die umgekehrte
Konstruktion erfordert; denn der Geist des Menschen, in den ein Wolf
gefahren ist, wird nicht dadurch, daß er den Wolf regiert, wölfisch,
sondern dadurch, daß er von diesem regiert wird, wie ja auch sonst
die Dämonen den, von dem sie Besitz ergreifen, beherrschen, nicht von
ihm beherrscht werden. Ein reiches Feld für Berichtigungen findet
Conrad auch in Verstößen gegen die deutsche Sprache, von denen
allerdings einzelne, wie ^wo^ statt „wenn^, „dürfen^ statt „wagen^,
wegen ihres häufigen Vorkommens bei Schlegel vom Leser kaum mehr
als solche empfunden werden. — In allen diesen Beziehungen hat Conrad
die bessernde Hand angelegt, ohne der Schlegelschen Übersetzung ihre
Eigenart abzustreifen, und uns so das Schlegelsche Werk wiedergegeben,
unverändert in seinem Kern, in dem Wesentlichen des Eindrucks, den es
hervorruft, aber befreit von Unebenheiten und Härten, Mißverständ-
nissen und Unverständlich keiten, in der Sprache manchmal nicht ohne
eine gewisse Einbuße an gedrungener Urwüchsigkeit, aber dafür viel-
fach mit kraftvollerem, dramatisch wirksamerem Rhythmus. Nimmt
man hinzu, daß die Ausstattung des Werks bei höchst bescheidenem
Preis allen billigen Anforderungen entspricht, so darf man wohl sagen,
daß man allen Grund hat, dem Bearbeiter und der Verlagshandlung
für diese Gabe dankbar zu sein, die Shakespeare noch mehr, als er es
schon bisher war, zu einem Gemeingut aller gebildeten Deutschen
machen wird.
Cannstatt Th. Klett
Dammholz, Englisches Lehr- und Lesebuch. Ausgabe B«
2. Teil : Oberstufe. Band I : Grammatik. Geb. 2.70. Mk.
Die Anlage des Buchs entspricht durchaus den Forderungen einer
guten Methodik. Jedes Kapitel gliedert sich in 8 Teile: Lesestück,
Grammatik, Übungen (a) Questions, b) Translations, c) Exercises). Beson-
ders ansprechend ist die klare Ableitung der grammatischen Regeln
476 Literarischer Bericht
aus dem Lehrstoff entnommeneii Mastersätzen. Dageg^en dürften die
Exercises reichhaltiger sein ; die Questions, die viel Raum in Ansprach
nehmen und nicht als Sprachilbungen aufgefaßt sind, könnten fttglich
wegbleiben. Die ziemlich langen Lesestücke behandeln mit einer einzigen
Ausnahme alle die Geschichte und Geographie des britischen Reichs,
was zu einförmig ist und auf die Dauer sehr ermüdend wirkend muß.
Die Aussprachebezeichnung ist besser als in vielen andern Schulbüchern,
dürfte aber noch mehr vereinfacht und vor allem unmittelbar verständ-
licher sein. Das Buch ist für einen zwei- bezw. dreijährigen Kursus
berechnet und setzt einen Reader als nebenhergehend voraus; ob zu
solcher selbständiger Lektüre die Zeit reicht, ist mir fraglich.
C. W.
Kretschmer, Professor Dr. Eonrad^ Privatdozent an der Universi-
tät Berlin und Lehrer der Geographie an der Kgl. Kriegs-
akademie, Historische Geog^raphie von Mitteleuropa« 650 S.
München nnd Berlin; Drnck und Verlag von R. Oldenborgy
1904.
Das Buch ist ein weiterer Band in dem von v. Below und Mein-
ecke herausgegebenen Handbuch der mittelalterlichen und neueren Ge-
schichte. Es hat seither gänzlich an einer zusammenfassenden Darstel-
lung der historischen Geographie Deutschlands gefehlt, man war ganz
auf die allgemeinen Geschichtswerke und die wirtschaftsgeschichtlichen
Arbeiten von v. Inama-Sternegg, Lamprecht und Gothein, oder auf
Einzeluntersuchungen im Gebiet der politischen oder der Kulturgeographie
angewiesen. Der Aufschwung der geographischen Wissenschaft hat uns
nun gleichzeitig zwei Bücher ähnlichen Inhalts geschenkt; außer dem
obigen noch das Buch von Bodo Knüll, Historische Geographie Deutsch-
lands im Mittelalter (Breslau, Ferdinand Hirt, 1908). Dieses durch
Wimmers Historische Landschafts künde angeregte Buch behandelt aber
nur die Kulturgeographie des Landes bis zum Beginn des 14. Jahr-
hunderts und läßt die politische Erdkunde weg. Viel umfassender ist
der Inhalt des Buchs von Kretscbmer ; es umspannt ebenso die politische
wie die Kulturgeographie vom Altertum bis um das Jahr 1770 und
erfüllt den Zweck eines Handbuchs vorzüglich, über den Stand der
Forschung zu unterrichten, das einschlägige Material kurz zu skizzieren
und die literarischen Hilfsmittel namhaft zu machen. Die Schwierig-
keiten eines solchen Werks liegen vor allem darin, daß eine systematische
Behandlung der historischen Geographie Deutschlands noch nie zuvor
auch nur für einzelne Landschaften versucht worden ist, wie denn für
unser Württemberg diese Disziplin so gut wie gar nicht angebaut ist.
Die Vorarbeiten zu dem Buche sind sehr beschränkte. Geradezu riesig
sind die Anforderungen, welche die Aufgabe in bezug auf die politische
Literarischer Bericht. 477
Oeographie an den Verfasser gestellt hat, besonders als das Reich in
zahllose Territorien und HeiTschaften auseinander gefallen ist; auch
nur einen Oberblick über die wichtigste Literatur zu bekommen ist
außerordentlich schwer, und einzelne Verstoße sind unausbleiblich. Wich-
tig wäre für Schwaben und Franken, oder wenigstens für das Gebiet
des heutigen Württemberg, daß alle die Einzelgebiete der historischen
Geographie näher untersucht und ausführlicher behandelt wilrden;
möge das Buch dazu die Anregung geben.
Öhringen. Karl Weller.
Dr. Franz von Juraschek, Die Staaten Europas. Fünfte
Auflage. Lieferung 2—4. Leipzig-Brünn-Wien 1903 n. 1904.
Von diesem statistischen Werk, das in 8 bis 10 Lieferungen & 2 Mk.
vollständig vorliegen soll, sind weitere 3 Lieferungen in unsere Hände
gelangt. Sie behandeln die Bevölkerung der europäischen Staaten
nach Geschlecht, Alter, Familienstand und Gebrechen '), nach Nationalität,
Konfession, Berufs- und Standesangehörigkeit; femer nach dem Be-
völkerungswechsel (Geburten, Sterbefällen, Wanderungen, Eheschließung,
Ehelösung und Ehedauer) und der Bevölkerungsentwicklnng (ob Ab-
oder Zunahme); endlich kommt auch das intellektuelle Leben, d. h.
das Schulwesen zur Behandlung. Nach letzterer Richtung hin haben
wir hier eine reiche Fundgrube für Zahlenmaterial namentlich auch für
das Schulwesen außerhalb Deutschlands, worauf wir besonders hin-
weisen möchten. Aufgefallen ist uns in diesem Abschnitt S. 804 die
Behauptung, daß in Württemberg das Schuldgeld in den Volksschulen
durchweg obligatorisch sei, d. h. bloß von Fall zu Fall nachgelassen
w^erde, während wir doch tatsächlich eine stattliche Anzahl von Gemeinden
haben, die das Schulgeld für die Volksschulen vollständig abgeschafift
haben. Auch werden die Begriffe Volks- und Elementarschule durch-
einandergemengt, so z. B. wenn behauptet wird, die Elementarschulen
seien bei uns konfessionelle Schulen, während sie doch als Vorschulen
der höheren Schulen gleich diesen interkonfessionell sind. Auch den
weiteren Lieferungen sehen wir mit Interesse entgegen, obwohl sie
lange auf sich warten lassen.
Tübingen. Hesselmeyer.
Dr. Bastian Schmid, Lehrbuch der MineralogpLe und Geolo-
gie. 2 Teile in einem Band 6 Mk. Verlag von Schreiber^
Eßlingen und München.
Anderen, denselben Stoff behandelnden Lehrbüchern gleichen Um-
fangs gegenüber fällt das Buch von Schmid auf durch die große Zahl
') Irr- und Blödsinnige, Kretins, Taubstumme, Blinde.
478 Literarischer Bericht.
der beigegebenen, in der Uauptaache farbigen Abbildungen. Bei der
Unterrichtsstnfe, für welche das Bnch in erster Linie zur Verwendung
in Betracht kommt, nämlich der obersten Klasse unserer höheren Lehr*
anstalten, könnte man vielleicht geneigt sein, besonders die Abbildungen
zur Mineralogie als zu sehr auf den elementaren Anschauungsunterricht
zugeschnitten zu bezeichnen ; aber sie sind so schön ausgeftthrt, daß sie
recht wohl geeignet ersebeinen, den Schülern bei Repetitionen als Stütze
des Gedächtnisses zu dienen und die sonst für diesen Zweck so wünschens-
werte Anschaffung einer kleinen Mineraliensammlung tatsächlich entbehr-
lich zu machen. Die Stoffauswahl ist durchweg geschickt getroffen. Die
Kristallographie hat den für Oberklassen angezeigten umfang; die
spezielle Mineralogie giebt die gewöhnlich behandelten Mineralien in
einer da und dort von der herkömmlichen abweichenden Zusammen-
stellung. Die Gesteinslehre, knapp gehalten aber das Wesentliche an-
führend, ist vom heutigen Standpunkte aus behandelt Im zweiten Teil
des Lehrbuchs geht der Verfasser bei Durchführung der allgemeinen
Geologie seinen eigenen, auf möglichst leichte Einführung des Schüler»
in das neue Wissensgebiet berechneten Weg; auch hier, wie bei der
den Abschluß des Ganzen bildenden historischen Geologie, sind die vielen
Abbildungen ein wertvolles Veranschaulichungsmittel. Wo der Preis
des Buches nicht hindernd im Wege steht, kann die Benützung des-
selben als Grundlage für den Unterricht oder für die Schüler zu Repeti-
tionszwecken angelegentlich empfohlen werden. W.
F. Bidlingmaier, Zu den Wundem des Südpols, Brlebniese
anf der deutschen Sttdpolarexpedition 1901—1903. Preis 1 Mk»
Deutsche Jugend- und Yolksbibliothek, Band 201. Stuttgart,
Verlag von J. F. Steinkopf, 1905.
Dieses Büchlein mit seinen 168 Seiten nnd 23 Abbildungen nach
Photographien verdient in Lehrerkreisen die weiteste Verbreitung ; vor
allem aber wünschte ich, daß recht viele deutsche Knaben dieses schlichte,
anschaulich geschriebene und ohne jegliche Langweiligkeit vielfach be*
lehrende Schriftchen lesen und lieb gewinnen möchten. Unser württem-
bergischer Landsmann erzählt die vielfachen Abenteuer und Erfahrungen
der Polarfahrer ohne jede Großtuerei oder Prahlerei. Vielmehr leuchtet
ein echtes und tiefes Gemüt z. B. aus den vom köstlichsten Humor ge*
würzten Schilderungen des antarktischen Tierlebens hervor, wie aus
der herb-ernsten Schilderung der gedrückten Stimmung, die dem Ein-
samen da draußen naht. Vor allem aber ist das kleine Werk eine
klassische Jugendschrift dank der tiefen Begeistening für den
geistig überragenden Führer der Unternehmung Erich v. Drygalski, wie
ftlr eine große Sache, die Wissenschaft
LiterariBcher Bericht — Nea erschienene Bücher. 479
Vielleicht dürfen wir eine kleine Probe dafür beigeben (S. 88):
^Aber wenn du einen letzten Sinn in deinen Beruf hineinbringen kannst,
kann's denn ein anderer sein als der, Gott zu dienen, den deine Seele
spürt, als Kraft, wenn sie ihn sucht, als Druck, wenn sie ihn meidet?
Und was ist denn der Beruf dieser 32 Männer im Eise für ein anderer,
als Gott zu suchen, indem sie nach dem Walten seiner Kräfte forschen,
-die sein lebendiges Kleid wirken ? Denn der kristallene Saum des leben-
digen Kleides, das wir Erde nennen, das ist unser Eisfeld, und das unauf-
hörlich tätige Leben, das in und unter und über dieser scheinbar toten
Eisdecke webt, das lockt und treibt unseren Geist zur Forschung, als
ahnte er in seinem dunkeln Drang die letzte Einheit von Natur und
Oeist."
Drygälskis großes Buch wendet sich an den Kopf, dies bescheidene
Büchlein an das Herz des Lesers.
W. Z.
Der gesamte Yogelschutz, seine Begründung und AasfQhnmg
von Hans Freihr. y.Berlepsch. Neunte vermehrte und ver-
besserte Auflage. Halle, l?' «.
Zugleich in französ., Italien., 89 , russ., finn. und holländischer
Sprache erschienen.
Die große Verbreitung dieses sehr empfehlenswerten Büchleins
spricht am besten dafür, daß es gediegen und zeitgemäß ist
C. S.
Berlin. Übungen für die deutsche Sprachatande nach Hölzeis
Wandbild „Berlin^', bearbeitet von Herrn. Wallenstein und
Prof. Karl Auerbach in Stockholm. Gießen, 1904.
Gibt eine gute Anleitung, wie durch den Unterricht in der Heimat-
kunde die Ausbildung des Anschauungs-, Denk- und Sprachvermögens
gefördert werden kann.
C. - ö.
Neu ersohienene Bücher.
^0^ Bei der gcoiaen Henf^e der ans sugehenden neaen liter*ri«ctaeii Ertoheinuiigen
iet ee ane ttnmOglich, jede im einseinen sn besprechen. Die Titel der einlaufenden
Bikcherf die wir ■nsnahmaloi der Kohlhammertoben Verlegibuehb»ndlnng xu Ober-
•enden bitten, werden regelm&stig im nAcbsten Hefte TerOffentlicbt ; auf Bflok-
sendnng der niobt beaprocbenen Bflober kOnnen wir nne aber niobt einlassen.
Sauer, Euphorion. Zeitschrift für Literaturgeschichte. Zwölfter Band.
Leipzig und Wien, Carl Fromme.
Brandt, Sappho. Ein Lebensbild aus den Frühlingstagen altgriechiscber
Dichtung. Leipzig, Friedrich Rothbarth.
480
Ankündigungen.
Brandl u. Keller, Jahrbuch der deutschen ShakeBpeare-GesellsehafC
Berlin-Schöneberg, Laugenscheid tsche Verlagsbuchhandlung (Prof»
6. Langenscheidt).
Müller, Karl Friedrich von Nägelsbachs lateinische Stilistik. Nürnberg,
Konrad Geiger, Verlag.
Nohl, Ciceros Rede für den Dichter Archias. Leipzig u. Berlin, Verlag
von B. G. Teubner.
Weissenfels, Des Q. Horatius Flaccus eämtliche Werke. Erster Teil^
Oden und Epoden. Ibid.
Blass, Demosthenes neun Philippische Reden. Für den Schulgebrauch
erklärt von C. Rehdantz. II. Heft. Ibid.
Kukula, Briefe des jüngeren Plinius. Text und Kommentar. Ibid.
Rosiger, Piatons Apologie und Kriton. Hilfsheft. Ibid.
Müllern. Michaelis, Christian Ostermanns lateinisches Übungsbuch.
Erster Teil: Sexta. Ausgabe G. Ibid.
(Fortsetzung s. S. 3 des Umschlags.)
Ankündigungen.
»fiVnVnVr
W. Kohlhammers Verlag, Stuttgart.
*• ^ / \^ »> X *- s.
N* W w/ ^"w/ ^-f \ V -^ '
Die antike
Aeneiskritik.
Aus den Scholien und andern Quellen
zusammengestellt von
Professor Dr. H. OeOFi^iL
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